Finanzdienstleistungen: Darstellung – Analyse – Kritik [9. erw. und akt. Aufl.] 9783110348095, 9783486763706

FINANCIAL INSTITUTIONS: THEORY&PRACTICE This volume presents a systematic overview of the basic functions of major

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Finanzdienstleistungen: Darstellung – Analyse – Kritik [9. erw. und akt. Aufl.]
 9783110348095, 9783486763706

Table of contents :
Vorwort zur 9. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen
1.1 Grundlagen
1.1.1 Grundprobleme nicht organisierter Finanzmärkte
1.1.2 Finanzintermediäre
1.1.2.1 Grundbegriffe
1.1.2.2 Grundfunktionen von Finanzintermediären im engeren Sinne
1.1.2.3 Grundfunktionen von Finanzintermediären im weiteren Sinne
1.1.2.4 Klassifikation von Finanzintermediären nach Adressaten und Ausmaß der erbrachten Transformationsleistungen
1.2 Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft
1.2.1 Vorüberlegungen
1.2.2 Begriff und Arten von Geschäftsbanken
1.2.3 Das Leistungsangebot von Universalbanken im Überblick
1.2.4 Die Struktur des deutschen Universalbankensystems
1.2.5 Die Spezialbanken
2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen
2.1 Grundbegriffe
2.1.1 Vorbemerkung
2.1.2 Zur allgemeinen Systematisierung von Instrumenten der Fremdfinanzierung
2.1.3 Zinsverrechnungsmodalitäten
2.1.4 Zahlungsmodalitäten
2.1.5 Kündigungsmodalitäten
2.1.6 Besicherungsmodalitäten
2.1.6.1 Kategorien von Gläubigerrisiken
2.1.6.2 Vermögensverteilung im Insolvenzverfahren
2.1.6.3 Instrumente zur Begrenzung von Gläubigerrisiken durch vertragliche Vereinbarungen
2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre
2.2.1 Vorbemerkung
2.2.2 Kontokorrent- und Lombardkredite
2.2.3 Finanzierung durch Abtretung von Forderungen
2.2.3.1 Vorbemerkungen
2.2.3.2 Zessionskredite
2.2.3.3 Diskontkredite
2.2.3.4 Factoring
2.2.3.5 ABS-Finanzierungen
2.2.4 Kreditleihe
2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre
2.3.1 Grundbegriffe
2.3.2 Mittel- und langfristige Kredite von Banken und Bausparkassen
2.3.2.1 Hypothekarkredite
2.3.2.2 Bauspardarlehen
2.3.2.3 Ratenkredite
2.3.2.4 Investitions- und Kommunalkredite
2.3.3 Kredite von Versicherungen
2.3.3.1 Allgemeine Grundbegriffe
2.3.3.2 Schuldscheindarlehen an gewerbliche Unternehmen
2.3.3.3 Darlehen an private Haushalte
2.4 Leasing
2.4.1 Begriffliche und rechtliche Grundlagen
2.4.2 Steuerliche und bilanzielle Behandlung von Leasingverträgen
2.4.3 Kriterien zur Beurteilung von Leasingangeboten
2.4.3.1 Problemstellung
2.4.3.2 Quantitative Analyse
2.4.3.3 Qualitative Analyse
2.4.3.4 Mögliche Leasing-Vorteile
2.5 Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre
2.5.1 Grundbegriffe
2.5.2 Eigenfinanzierung durch Banken und Versicherungen
2.5.3 Eigenfinanzierung durch Kapitalbeteiligungs- und Wagnisfinanzierungsgesellschaften
2.6 Emissionsfinanzierung
2.6.1 Grundbegriffe
2.6.2 Rechtliche Voraussetzungen der Emissionsfinanzierung
2.6.3 Die Mitwirkung von Kreditinstituten bei der Emissionsfinanzierung
2.6.4 Mittelstandsanleihen: Fremdfinanzierungskontrakte via „börslichem Primärmarkt“
2.7 Zinsderivate (Derivate I)
2.7.1 Grundlegendes
2.7.2 Forward/FRA
2.7.3 Zinsswap
2.7.4 Cap
3 Vermögensanlage in Wertpapieren
3.1 Grundbegriffe
3.1.1 Begriff und Arten von Wertpapieren
3.1.2 Der Börsenhandel von Wertpapieren
3.1.2.1 Aufgaben und Akteure
3.1.2.2 Marktzulassung und Marktsegmente im Aktienhandel
3.1.2.3 Handels- und Kursermittlungsformen
3.1.2.4 Parkett- und Computerhandel
3.1.2.5 Insider-Regelungen
3.1.3 Vermittlungs- und Verwahrleistungen bei der Vermögensanlage in Wertpapieren
3.2 Vermögensanlage in Aktien
3.2.1 Vorüberlegungen
3.2.2 Ausgestaltungsformen von Aktien
3.2.2.1 Einführung
3.2.2.2 Nennwert- und Stückaktien
3.2.2.3 Inhaber- und Namensaktien
3.2.2.4 Stamm- und Vorzugsaktien
3.2.2.5 Die Stimmberechtigung von Aktien
3.2.2.6 Ausstehende Einlagen
3.2.2.7 Zusammenfassung
3.2.3 Exkurs: Das Eigenkapital der Aktiengesellschaft
3.2.3.1 Begriff und Funktion des Eigenkapitals
3.2.3.2 Der bilanzielle Ausweis des Eigenkapitals
3.2.4 Die Ausgabe von Aktien (Aktienemission)
3.2.4.1 Die erstmalige öffentliche Aktienausgabe
3.2.4.2 Die Ausgabe junger Aktien bei börsennotierten Aktiengesellschaften
3.2.4.3 Marktreaktionen bei der Ausgabe junger Aktien
3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen
3.3.1 Grundbegriffe
3.3.2 Ausstattungscharakteristika von Anleihen und Genussscheinen
3.3.2.1 Rückzahlungsregelungen
3.3.2.2 Zinsregelungen
3.3.2.3 Insolvenzregelungen
3.3.2.4 Bezugsrechte gegenüber dem Emittenten
3.3.3 Zusammenfassender Gesamtüberblick
3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten
3.4.1 Grundkonzept und Ausgestaltungsformen von Investmentgesellschaften
3.4.2 Das Angebot deutscher offener Investmentfonds
3.4.3 Hedgefonds
3.4.4 Vermögensanlage in geschlossenen Fonds
3.4.5 Exchange Traded Funds (ETF)
3.4.5.1 Das Grundkonzept
3.4.5.2 Der swapbasierte ETF
3.5 Optionsscheine (Derivate II)
3.5.1 Traditionelle Optionsscheine
3.5.1.1 Grundbegriffe
3.5.1.2 Basiswerte von Optionsscheinen
3.5.1.3 Einsatzmöglichkeiten traditioneller Optionsscheine
3.5.2 Exotische Optionsscheine
3.6 Anlagezertifikate
3.6.1 Vorbemerkungen
3.6.2 Formenüberblick
3.6.3 Emission und Handel
3.6.4 Discountzertifikate und Aktienanleihen
3.6.4.1 Das Grundkonzept
3.6.4.2 Beurteilungskriterien
3.7 „Private Equity“ als Vermögensanlage
4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen
4.1 Allgemeine Grundbegriffe
4.2 Vermögensanlage bei Banken
4.2.1 Sicht- und Termineinlagen (Depositen)
4.2.2 Spareinlagen und Sparbriefe
4.2.2.1 Spareinlagen
4.2.2.2 Sparverträge
4.2.2.3 Sparbriefe
4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage
4.3.1 Problemstellung
4.3.2 Ausgestaltungsformen von Lebensversicherungen
4.3.2.1 Leistungsvoraussetzungen
4.3.2.2 Versicherungsleistungen
4.3.2.3 Beitragszahlungen
4.3.2.4 Überschussbeteiligung
4.3.3 Besonderheiten fondsgebundener Lebensversicherungen
4.3.4 Neuere Tarifentwicklungen im Spannungsfeld von Rechnungszinsfuß und Niedrigzinsphase
5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)
5.1 Vorbemerkung
5.2 Grundbegriffe
5.2.1 Der Abschluss von Wertpapiertermingeschäften
5.2.2 Fixgeschäfte und Optionen
5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften
5.3.1 Grundlegende Ergebnisprofile
5.3.1.1 Vorbemerkung
5.3.1.2 Einzelgeschäfte
5.3.1.3 Kombinierte Geschäfte
5.3.2 Anlagestrategische Einsatzmöglichkeiten von Termingeschäften
5.3.2.1 Vorbemerkung
5.3.2.2 Spekulationsstrategien
5.3.2.3 Hedging-Strategien
5.3.2.4 Arbitragestrategien
5.4 Wertpapiertermingeschäfte an der EUREX
5.4.1 Überblick
5.4.2 Handelssysteme, Marktteilnehmer und Aufträge
5.4.3 Kontraktspezifikationen
5.4.4 Clearing-System
6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung
6.1 Allgemeine Vorüberlegungen
6.1.1 Problemstellung
6.1.2 Das versicherungstheoretische Grundmodell
6.1.2.1 Die Ausgangssituation
6.1.2.2 Das Modell der Gefahrengemeinschaft
6.1.2.3 Versicherungsschutz als Marktleistung
6.2 Risikoübernahme durch Versicherungen
6.2.1 Grundbegriffe
6.2.2 Versicherungsarten
6.2.2.1 Güterversicherungen
6.2.2.2 Personenversicherungen
6.2.3 Versicherungsformen
6.2.3.1 Grundlegende Erscheinungsformen
6.2.3.2 Franchise-Tarife
6.3 Risikoübernahme durch Kreditinstitute
6.3.1 Vorüberlegungen
6.3.2 Aval- und Akzeptkredite
6.3.3 Risikoübernahme durch Kreditgarantiegemeinschaften
6.4 Kreditderivate (Derivate IV)
6.4.1 Begriff, Funktionen und Kategorien von Kreditderivaten
6.4.2 Risikodiversifikation durch Kreditderivate: Ein Beispiel
6.4.3 Ausgewählte Grundformen von Kreditderivaten
6.4.4 Kreditderivate-Indizes
6.4.4.1 Das Grundkonzept
6.4.4.2 Typische Marktpartner
7 Finanzdienstleistungen in der Kritik
7.1 Vorbemerkung
7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen
7.2.1 Anlageleistungen
7.2.1.1 Die Kapitallebensversicherung – Anlegerschädigung?
7.2.1.2 Wertpapier-Investmentfonds – Anlegertäuschung?
7.2.1.3 „Strukturierte“ Anlagezertifikate
7.2.1.4 Anlageleistungen mit Hebelwirkung
7.2.2 Finanzierungsleistungen
7.2.2.1 Die Bausparfinanzierung – ein Schneeballsystem?
7.2.2.2 Tilgungsaussetzungsmodelle
7.2.3 Derivatgeschäfte zwischen Banken und Kommunen (exemplarische Besprechung)
7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung
7.3.1 Allgemeine Kritik an Beratungs- bzw. Vermittlungsleistungen
7.3.2 Kritik an ausgewählten Informationsleistungen
7.3.2.1 Börsendienstliche Anlageempfehlungen und -systeme
7.3.2.2 Die Leistungen der Schufa
7.3.3 Zins- und Renditeangaben in der Finanzwerbung
7.4 Schlussbemerkung
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben
Literaturhinweise
Literaturverzeichnis
Glossar
Stichwortverzeichnis

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Michael Bitz, Gunnar Stark Finanzdienstleistungen

Michael Bitz, Gunnar Stark

Finanzdienstleistungen

Darstellung – Analyse – Kritik 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

ISBN 978-3-486-76370-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-034809-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039720-8 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Einbandabbildung: Nastco/iStock/thinkstock Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort zur 9. Auflage Nimmt man die freundliche Aufnahme, die die vorangegangenen Auflagen der „Finanzdienstleistungen“ bei Studenten und Fachkollegen, aber auch Praktikern und Rezensenten gefunden haben, zum Maßstab, so hat sich das Konzept dieses Werkes über nunmehr 20 Jahre hinweg bewährt. Wir haben es daher auch in der nun vorgelegten Neuauflage beibehalten. Wir haben jedoch etliche aktuelle Entwicklungen auf dem Markt für Finanzdienstleistungen neu in unsere Darstellungen aufgenommen. Dies gilt insbesondere für Mittelstandsanleihen, Exchange-Traded Funds, Private Equity, Indices auf Kreditderivate sowie Derivatgeschäfte von Kommunen. Gründlich überarbeitet und ergänzt werden die Abschnitte über Optionsscheine, Anlagezertifikate, börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte sowie Tarife von Lebensversicherungen. Bei der Erstellung der Neuauflage sind wir von mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des CSF-Centrums für Steuern und Finanzen an der FernUniversität in Hagen unterstützt worden. Unser Dank gilt dabei in erster Linie Frau Marlis Klewer für die schreibtechnische Umsetzung des Textes. Für die Aktualisierung diverser Verzeichnisse, die Überarbeitung etlicher Grafiken sowie ergänzende Schreibarbeiten danken wir zudem Frau Shiela Maryam Pourgholam und den studentischen Hilfskräften Christian Grawe und Christina Martjan. Michael Bitz Gunnar Stark

Vorwort zur 1. Auflage Mit dem vorliegenden Lehrbuch verfolge ich das Ziel, einen systematischen Überblick über die grundlegenden Funktionen der auf Finanzmärkten agierenden Anbieter sowie die Eigenarten und Einsatzmöglichkeiten der von ihnen angebotenen Finanzdienstleistungen zu vermitteln. Das Spektrum der behandelten Gegenstände reicht von der Finanzierung und der Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen über die verschiedenen Formen von Wertpapier- und Wertpapiertermingeschäften bis hin zum Abschluss von Versicherungsverträgen und ähnlichen Maßnahmen zur Risikoverlagerung. Im Unterschied zu der im einschlägigen finanzierungstheoretischen, bankbetrieblichen und versicherungswirtschaftlichen Schrifttum ansonsten üblichen Betrachtungsweise erfolgt die Darstellung in diesem Buch primär aus der Sicht der die verschiedenen Finanzdienstleistungen nachfragenden Haushalte und Unternehmen. Mittelbar ist diese Sichtweise allerdings auch für die marktgerechte Ausgestaltung des Angebotes von Finanzdienstleistungen bedeutsam.

VI

Vorwort zur 1. Auflage

Unbeschadet der unverzichtbaren theoretischen Fundierung sind die folgenden Ausführungen ganz überwiegend so gehalten, dass sie sich auch dem interessierten Laien erschließen. Dementsprechend breit ist der Adressatenkreis dieses Buches. In erster Linie wendet es sich an Studierende wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen; aber auch für Studenten an Berufs- und Wirtschaftsakademien und vergleichbaren Bildungseinrichtungen, insbesondere im versicherungs- und bankwirtschaftlichen Bereich, kann das vorliegende Lehrbuch von Nutzen sein. Darüber hinaus kommen Praktiker aus den verschiedensten Bereichen ebenfalls als Adressaten dieses Buches in Betracht: Hier ist zum ersten an Mitarbeiter von Banken, Versicherungen und anderen Anbietern von Finanzdienstleistungen zu denken; zum zweiten an Angestellte, die in ihren Unternehmen für Finanzierung, Vermögensanlage oder Risikomanagement zuständig sind; zum dritten aber auch an Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und die Angehörigen anderer Berufsgruppen, die im Zuge ihrer Beratungstätigkeit auch immer wieder mit verschiedenen Arten von Finanzdienstleistungen konfrontiert werden. Schließlich kann das vorliegende Buch auch privaten Nachfragern nach Finanzdienstleistungen von Nutzen sein, die sich persönlich über Möglichkeiten und Ausgestaltungsformen der Finanzierung, der Vermögensanlage oder des Abschlusses von Versicherungsverträgen orientieren wollen. Bei der Konzipierung und Erstellung dieses Buches bin ich von mehreren Mitarbeitern meines Lehrstuhls tatkräftig unterstützt worden. Mein Dank dafür gilt insbesondere Frau Dipl.Kfm. Marion Keseling, Herrn Dipl.-Volksw. Dirk Kaiser, Herrn Dipl.-Oec. Dirk Matzke, Herrn Dipl.-Oec. Heinz Rittich, Herrn Dipl.-Kfm. Reinhard Schulte, Herrn Dipl.-Kfm. Ralf Strauß und Frau Dipl.-Kfm. Sabine Weidekind. Für die schreibtechnische Umsetzung danke ich außerdem Frau Marlis Klewer und insbesondere Frau Brigitte Kamrath. Trotz dieser vielfältigen Unterstützung gehen alle Fehler, die in dem vorliegenden Text vermutlich immer noch verblieben sind, natürlich allein zu meinen Lasten. Michael Bitz

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur 9. Auflage

V

Abbildungsverzeichnis

XIII

Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

XV XVII

1

Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

1

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.2.1 1.1.2.2 1.1.2.3 1.1.2.4

Grundlagen ................................................................................................................ 1 Grundprobleme nicht organisierter Finanzmärkte ..................................................... 1 Finanzintermediäre .................................................................................................... 4 Grundbegriffe............................................................................................................. 4 Grundfunktionen von Finanzintermediären im engeren Sinne .................................. 7 Grundfunktionen von Finanzintermediären im weiteren Sinne ............................... 11 Klassifikation von Finanzintermediären nach Adressaten und Ausmaß der erbrachten Transformationsleistungen ..................................................................... 13

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5

Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft ................................ 16 Vorüberlegungen ...................................................................................................... 16 Begriff und Arten von Geschäftsbanken .................................................................. 17 Das Leistungsangebot von Universalbanken im Überblick ..................................... 19 Die Struktur des deutschen Universalbankensystems .............................................. 23 Die Spezialbanken ................................................................................................... 25

2

Das Angebot von Finanzierungsleistungen

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.1.6.1 2.1.6.2 2.1.6.3

Grundbegriffe........................................................................................................... 29 Vorbemerkung .......................................................................................................... 29 Zur allgemeinen Systematisierung von Instrumenten der Fremdfinanzierung ........ 30 Zinsverrechnungsmodalitäten .................................................................................. 32 Zahlungsmodalitäten ................................................................................................ 39 Kündigungsmodalitäten ........................................................................................... 41 Besicherungsmodalitäten ......................................................................................... 44 Kategorien von Gläubigerrisiken ............................................................................. 44 Vermögensverteilung im Insolvenzverfahren .......................................................... 46 Instrumente zur Begrenzung von Gläubigerrisiken durch vertragliche Vereinbarungen ........................................................................................................ 52

2.2 2.2.1 2.2.2

Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre .............................................. 55 Vorbemerkung .......................................................................................................... 55 Kontokorrent- und Lombardkredite ......................................................................... 55

29

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.3 2.2.3.4 2.2.3.5 2.2.4

Finanzierung durch Abtretung von Forderungen ......................................................57 Vorbemerkungen .......................................................................................................57 Zessionskredite .........................................................................................................62 Diskontkredite ..........................................................................................................63 Factoring ...................................................................................................................65 ABS-Finanzierungen ................................................................................................70 Kreditleihe ................................................................................................................76

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3 2.3.2.4 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3

Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre ....................77 Grundbegriffe ...........................................................................................................77 Mittel- und langfristige Kredite von Banken und Bausparkassen ............................77 Hypothekarkredite ....................................................................................................77 Bauspardarlehen .......................................................................................................82 Ratenkredite ..............................................................................................................86 Investitions- und Kommunalkredite .........................................................................90 Kredite von Versicherungen .....................................................................................91 Allgemeine Grundbegriffe ........................................................................................91 Schuldscheindarlehen an gewerbliche Unternehmen ...............................................93 Darlehen an private Haushalte ..................................................................................95

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.3.3 2.4.3.4

Leasing .....................................................................................................................97 Begriffliche und rechtliche Grundlagen....................................................................97 Steuerliche und bilanzielle Behandlung von Leasingverträgen ..............................101 Kriterien zur Beurteilung von Leasingangeboten ...................................................103 Problemstellung ......................................................................................................103 Quantitative Analyse...............................................................................................104 Qualitative Analyse.................................................................................................107 Mögliche Leasing-Vorteile ..................................................................................... 113

2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3

Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre ......................................................... 115 Grundbegriffe ......................................................................................................... 115 Eigenfinanzierung durch Banken und Versicherungen ........................................... 117 Eigenfinanzierung durch Kapitalbeteiligungs- und Wagnisfinanzierungsgesellschaften ........................................................................ 119

2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4

Emissionsfinanzierung............................................................................................124 Grundbegriffe .........................................................................................................124 Rechtliche Voraussetzungen der Emissionsfinanzierung ........................................127 Die Mitwirkung von Kreditinstituten bei der Emissionsfinanzierung ....................128 Mittelstandsanleihen: Fremdfinanzierungskontrakte via „börslichem Primärmarkt“ ......................................................................................130

2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4

Zinsderivate (Derivate I).........................................................................................132 Grundlegendes ........................................................................................................132 Forward/FRA ..........................................................................................................134 Zinsswap .................................................................................................................137 Cap..........................................................................................................................141

Inhaltsverzeichnis

IX

3

Vermögensanlage in Wertpapieren

145

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.2.4 3.1.2.5 3.1.3

Grundbegriffe......................................................................................................... 145 Begriff und Arten von Wertpapieren ...................................................................... 145 Der Börsenhandel von Wertpapieren ..................................................................... 146 Aufgaben und Akteure ........................................................................................... 146 Marktzulassung und Marktsegmente im Aktienhandel .......................................... 148 Handels- und Kursermittlungsformen .................................................................... 150 Parkett- und Computerhandel ................................................................................ 155 Insider-Regelungen ................................................................................................ 156 Vermittlungs- und Verwahrleistungen bei der Vermögensanlage in Wertpapieren ... 157

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.2.5 3.2.2.6 3.2.2.7 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.4 3.2.4.1 3.2.4.2 3.2.4.3

Vermögensanlage in Aktien ................................................................................... 160 Vorüberlegungen .................................................................................................... 160 Ausgestaltungsformen von Aktien ......................................................................... 161 Einführung ............................................................................................................. 161 Nennwert- und Stückaktien.................................................................................... 162 Inhaber- und Namensaktien ................................................................................... 166 Stamm- und Vorzugsaktien .................................................................................... 169 Die Stimmberechtigung von Aktien ....................................................................... 172 Ausstehende Einlagen ............................................................................................ 174 Zusammenfassung ................................................................................................. 176 Exkurs: Das Eigenkapital der Aktiengesellschaft .................................................. 177 Begriff und Funktion des Eigenkapitals ................................................................. 177 Der bilanzielle Ausweis des Eigenkapitals ............................................................ 179 Die Ausgabe von Aktien (Aktienemission) ............................................................ 181 Die erstmalige öffentliche Aktienausgabe ............................................................. 181 Die Ausgabe junger Aktien bei börsennotierten Aktiengesellschaften................... 183 Marktreaktionen bei der Ausgabe junger Aktien ................................................... 190

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.2.3 3.3.2.4 3.3.3

Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen .............................................. 201 Grundbegriffe......................................................................................................... 201 Ausstattungscharakteristika von Anleihen und Genussscheinen............................ 202 Rückzahlungsregelungen ....................................................................................... 202 Zinsregelungen....................................................................................................... 206 Insolvenzregelungen .............................................................................................. 210 Bezugsrechte gegenüber dem Emittenten .............................................................. 212 Zusammenfassender Gesamtüberblick .................................................................. 214

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.5.1 3.4.5.2

Vermögensanlage in Investmentzertifikaten .......................................................... 218 Grundkonzept und Ausgestaltungsformen von Investmentgesellschaften ............. 218 Das Angebot deutscher offener Investmentfonds................................................... 224 Hedgefonds ............................................................................................................ 228 Vermögensanlage in geschlossenen Fonds............................................................. 232 Exchange Traded Funds (ETF) .............................................................................. 232 Das Grundkonzept ................................................................................................. 232 Der swapbasierte ETF ............................................................................................ 235

X

Inhaltsverzeichnis

3.5 3.5.1 3.5.1.1 3.5.1.2 3.5.1.3 3.5.2

Optionsscheine (Derivate II)...................................................................................238 Traditionelle Optionsscheine ..................................................................................238 Grundbegriffe .........................................................................................................238 Basiswerte von Optionsscheinen ............................................................................240 Einsatzmöglichkeiten traditioneller Optionsscheine...............................................243 Exotische Optionsscheine .......................................................................................246

3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.4.1 3.6.4.2

Anlagezertifikate ....................................................................................................253 Vorbemerkungen .....................................................................................................253 Formenüberblick.....................................................................................................256 Emission und Handel ..............................................................................................258 Discountzertifikate und Aktienanleihen..................................................................259 Das Grundkonzept ..................................................................................................259 Beurteilungskriterien ..............................................................................................264

3.7

„Private Equity“ als Vermögensanlage ...................................................................271

4

Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

4.1

Allgemeine Grundbegriffe ......................................................................................273

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.2 4.2.2.3

Vermögensanlage bei Banken .................................................................................274 Sicht- und Termineinlagen (Depositen) ..................................................................274 Spareinlagen und Sparbriefe ...................................................................................276 Spareinlagen ...........................................................................................................276 Sparverträge ............................................................................................................278 Sparbriefe ...............................................................................................................278

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.2.3 4.3.2.4 4.3.3 4.3.4

Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage ...............................................279 Problemstellung ......................................................................................................279 Ausgestaltungsformen von Lebensversicherungen.................................................280 Leistungsvoraussetzungen ......................................................................................280 Versicherungsleistungen .........................................................................................281 Beitragszahlungen ..................................................................................................284 Überschussbeteiligung ............................................................................................287 Besonderheiten fondsgebundener Lebensversicherungen ......................................291 Neuere Tarifentwicklungen im Spannungsfeld von Rechnungszinsfuß und Niedrigzinsphase ....................................................................................................293

5

Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

5.1

Vorbemerkung ........................................................................................................297

5.2 5.2.1 5.2.2

Grundbegriffe .........................................................................................................297 Der Abschluss von Wertpapiertermingeschäften ....................................................297 Fixgeschäfte und Optionen .....................................................................................299

5.3 5.3.1 5.3.1.1 5.3.1.2 5.3.1.3

Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften ..................................................302 Grundlegende Ergebnisprofile ................................................................................302 Vorbemerkung ........................................................................................................302 Einzelgeschäfte .......................................................................................................304 Kombinierte Geschäfte ...........................................................................................307

273

297

Inhaltsverzeichnis

XI

5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.3.2.4

Anlagestrategische Einsatzmöglichkeiten von Termingeschäften ......................... 312 Vorbemerkung ........................................................................................................ 312 Spekulationsstrategien ........................................................................................... 313 Hedging-Strategien ................................................................................................ 325 Arbitragestrategien................................................................................................. 328

5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4

Wertpapiertermingeschäfte an der EUREX ........................................................... 330 Überblick ............................................................................................................... 330 Handelssysteme, Marktteilnehmer und Aufträge ................................................... 331 Kontraktspezifikationen ......................................................................................... 334 Clearing-System .................................................................................................... 335

6

Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.2.1 6.1.2.2 6.1.2.3

Allgemeine Vorüberlegungen ................................................................................ 339 Problemstellung ..................................................................................................... 339 Das versicherungstheoretische Grundmodell ......................................................... 339 Die Ausgangssituation ........................................................................................... 339 Das Modell der Gefahrengemeinschaft.................................................................. 341 Versicherungsschutz als Marktleistung .................................................................. 344

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.2.1 6.2.2.2 6.2.3 6.2.3.1 6.2.3.2

Risikoübernahme durch Versicherungen................................................................ 348 Grundbegriffe......................................................................................................... 348 Versicherungsarten ................................................................................................. 349 Güterversicherungen .............................................................................................. 349 Personenversicherungen ........................................................................................ 352 Versicherungsformen ............................................................................................. 353 Grundlegende Erscheinungsformen ....................................................................... 353 Franchise-Tarife ..................................................................................................... 358

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3

Risikoübernahme durch Kreditinstitute ................................................................. 361 Vorüberlegungen .................................................................................................... 361 Aval- und Akzeptkredite ........................................................................................ 361 Risikoübernahme durch Kreditgarantiegemeinschaften ........................................ 363

6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.4.1 6.4.4.2

Kreditderivate (Derivate IV) .................................................................................. 364 Begriff, Funktionen und Kategorien von Kreditderivaten ..................................... 364 Risikodiversifikation durch Kreditderivate: Ein Beispiel ...................................... 366 Ausgewählte Grundformen von Kreditderivaten ................................................... 372 Kreditderivate-Indizes ........................................................................................... 375 Das Grundkonzept ................................................................................................. 375 Typische Marktpartner ........................................................................................... 378

7

Finanzdienstleistungen in der Kritik

7.1

Vorbemerkung ........................................................................................................ 381

7.2 7.2.1 7.2.1.1 7.2.1.2

Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen ................................................... 382 Anlageleistungen ................................................................................................... 382 Die Kapitallebensversicherung – Anlegerschädigung? .......................................... 382 Wertpapier-Investmentfonds – Anlegertäuschung?................................................ 385

339

381

XII

Inhaltsverzeichnis

7.2.1.3 7.2.1.4 7.2.2 7.2.2.1 7.2.2.2 7.2.3

„Strukturierte“ Anlagezertifikate ............................................................................392 Anlageleistungen mit Hebelwirkung ......................................................................396 Finanzierungsleistungen .........................................................................................406 Die Bausparfinanzierung – ein Schneeballsystem? ................................................406 Tilgungsaussetzungsmodelle .................................................................................. 411 Derivatgeschäfte zwischen Banken und Kommunen (exemplarische Besprechung) .................................................................................418

7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.2.1 7.3.2.2 7.3.3

Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung ....................................425 Allgemeine Kritik an Beratungs- bzw. Vermittlungsleistungen ..............................425 Kritik an ausgewählten Informationsleistungen .....................................................428 Börsendienstliche Anlageempfehlungen und -systeme...........................................428 Die Leistungen der Schufa......................................................................................431 Zins- und Renditeangaben in der Finanzwerbung ..................................................434

7.4

Schlussbemerkung ..................................................................................................440

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

441

Literaturhinweise

493

Literaturverzeichnis

495

Glossar

499

Stichwortverzeichnis

555

Abbildungsverzeichnis Abb. 1.01: Abb. 1.02: Abb. 1.03: Abb. 1.04: Abb. 1.05: Abb. 1.06: Abb. 1.07: Abb. 2.01: Abb. 2.02: Abb. 2.03: Abb. 2.04: Abb. 2.05: Abb. 2.06: Abb. 2.07: Abb. 2.08: Abb. 3.01: Abb. 3.02: Abb. 3.03: Abb. 3.04: Abb. 3.05: Abb. 3.06: Abb. 3.07: Abb. 3.08: Abb. 3.09: Abb. 3.10: Abb. 3.11: Abb. 3.12: Abb. 3.13: Abb. 3.14: Abb. 3.15: Abb. 3.16: Abb. 3.17: Abb. 3.18:

Finanzkontrakte zwischen originären Geldnehmern und -gebern Ausgleich von Finanz- und Anlagebedarf Tätigkeitsfelder von Finanzintermediären Funktionen von Finanzintermediären im engeren Sinne Funktionen und Erscheinungsformen von Finanzintermediären im weiteren Sinne Struktur des Geschäftsbankensystems in der Bundesrepublik Deutschland Bankleistungen im Überblick Phasen der Gläubiger-Schuldner-Beziehung Erscheinungsformen von Factoringverträgen Vermögensblöcke bei Versicherungsunternehmen Grundlegende Vertragsformen des Finanzierungsleasing und Anforderungen der Leasingerlasse Phasen der Wagnisfinanzierung „Lebenslauf“ eines Forward Rate Agreement (FRA) Zinsswap Ergebnisfunktion eines Caps für einen Zahlungszeitpunkt Akteure an deutschen Wertpapierbörsen Ausgestaltungsformen von Aktien Entstehung des Eigenkapitals Eigenkapitalausweis bei Kapitalgesellschaften Anlässe zur Ausgabe junger Aktien Aktiensplitting und nominelle Kapitalerhöhung Effekte von Aktiensplitting und nominellen Kapitalerhöhungen Voraussetzung für die Ausgabe junger Aktien gegen Einlagen Kompensationseffekte des Bezugsrechtes Ankündigungs-, Verwässerungs- und Kompensationseffekt Rückzahlungskurs einer indexierten Anleihe Ausgestaltungsmöglichkeiten von Anleihen LEVERAGE-Effekt: Zeitliche Entwicklung der Renditegrößen Rückzahlungsprofile traditioneller Optionsscheine Rückzahlungsverpflichtungen des Emittenten von Optionsscheinen Varianten von Aktien-Optionsscheinen mit effektiver Lieferung Ergebnisprofil I (1 Aktie) Ergebnisprofil II (vier Optionsscheine)

2 4 5 10 13 18 22 44 69 91 101 122 136 138 142 148 176 179 179 184 185 187 189 198 200 204 216 222 239 239 241 244 245

XIV Abb. 3.19: Abb. 3.20: Abb. 3.21: Abb. 3.23: Abb. 3.24: Abb. 3.25: Abb. 4.01: Abb. 5.01: Abb. 5.02: Abb. 5.03: Abb. 5.04: Abb. 5.05: Abb. 5.06: Abb. 5.07: Abb. 5.08: Abb. 5.09: Abb. 5.10: Abb. 5.11: Abb. 5.12: Abb. 5.13: Abb. 5.14: Abb. 5.15: Abb. 5.16: Abb. 5.17: Abb. 6.01: Abb. 6.02: Abb. 6.03: Abb. 6.04: Abb. 6.05: Abb. 6.06: Abb. 6.07: Abb. 6.08: Abb. 6.09: Abb. 6.10: Abb. 6.11: Abb. 7.01:

Abbildungsverzeichnis Ergebnisprofil III (1 Optionsschein und 30 Euro Barreserve) Rückzahlungsprofil eines Straddle-Optionsscheins Rückzahlungsprofil eines Cap-Optionsscheins Rückzahlungsprofile von Zero-Bond und Discountzertifikat Rückzahlungsprofile von Aktie und Discountzertifikat Rückzahlungsprofile von Aktie sowie Discountzertifikat und Reserve Grundvarianten der Überschussbeteiligung Zahlungsprofile von Fixgeschäften mit Zahlungsausgleich Zahlungsprofile bei Optionsgeschäften Ergebnisprofile Fixgeschäft Käufer einer Kaufoption (Long Call) Stillhalter einer Kaufoption (Short Call) Käufer einer Verkaufsoption (Long Put) Stillhalter einer Verkaufsoption (Short Put) Synthetischer Fixkauf Long Straddle Short Straddle Endvermögen bei Aktien- und Optionskauf (risikoerhöhende BullStrategie) Endvermögen bei Aktien- und Optionskauf (risikobegrenzende Bull-Strategie) Endvermögen bei Aktienkauf und Verkauf von Verkaufsoptionen Call Bull Price Spread Endvermögen bei Terminverkauf und Verkaufsoptionen Endvermögen bei Terminverkauf und Verkauf von Kaufoptionen Call Bear Price Spread Bereiche der Güterversicherung Bereiche der Versicherung von Aktiven Unbegrenzte Interessenversicherung Erstrisikoversicherung Vollwertversicherung bei Überversicherung (D > VW) Vollwertversicherung bei Unterversicherung (D < VW) Vollwertversicherung mit modifizierter Unterversicherungsregelung Unbegrenzte Interessenversicherung mit prozentualem Selbstbehalt Unbegrenzte Interessenversicherung mit absolutem Selbstbehalt Unbegrenzte Interessenversicherung und Integralfranchise Zahlungsvereinbarungen einiger Kreditderivate Idealtypische, empirische Zinsstrukturformen

246 248 249 267 268 270 290 300 301 304 305 305 306 306 307 311 312 314 316 318 319 321 322 324 349 350 354 355 357 357 358 359 359 360 374 399

Tabellenverzeichnis Tab. 2.01: Tab. 2.02: Tab. 2.03: Tab. 2.04: Tab. 2.05: Tab. 2.06: Tab. 2.07: Tab. 2.08: Tab. 2.09: Tab. 3.01: Tab. 6.01: Tab. 6.02: Tab. 7.01: Tab. 7.02: Tab. 7.03: Tab. 7.04:

Verschiedene Fristeneinteilungen Vergleich von Kreditangeboten Vermögensverteilung im Insolvenzverfahren Die wichtigsten Absonderungssicherheiten im Überblick Zahlungsreihe von Leasing und Kreditkauf ohne Steuern Steuerliche Konsequenzen von Kreditkauf und Leasing Steuerliche Konsequenzen von Kreditkauf und Leasing Entwicklung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen des nichtfinanziellen Bereichs Swapsätze (Quelle: WestLB; Stand: September 2007) Festpreisverfahren und Bookbuilding Schadenssummen und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten Pro-Kopf-Schaden und Eintrittswahrscheinlichkeiten Die Überrenditen der „besten“ Fonds Die CSL-Zahlungen im Falle flacher Zinsstruktur, aus Sicht der Kommune, in Mio. Euro Die Segmente von Finanzierung und Investition der betrachteten Finanzdienstleistungen mit Hebelwirkung Ergebnisse der Tilgungsaussetzung für alternative Investitionsrenditen

30 38 46 47 104 106 106 119 140 183 341 342 387 400 405 413

Abkürzungsverzeichnis μ (müh) σ (sigma)

Erwartungswert Standardabweichung

A A (Kapitel 3) A (Kapitel 5) Abb. Abs. AG AktG Aufl.

Anzahl der Aktien vorgesehener Anlagebetrag Abbildung Absatz Aktiengesellschaft Aktiengesetz Auflage

B b B (Kap. 3.2) B (Kap.. 3.5 und 5) B (als Kurszusatz) b (als Kurszusatz) b (in Kapitel 6) BA BaFin BGB BörsG BR bspw.

Bezugsverhältnis Wert des Bezugsrechts Kurs des Basiswertes Brief bezahlt Bewertungskennzahl Berichtigungsaktien Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bürgerliches Gesetzbuch Börsengesetz Bezugsrecht beispielsweise

C C CA CAn CBI CD CE

Kurs des Basiswertes Börsenkurs einer Aktie Aktienkurs nach Ausgabe junger Aktien Bilanzkurs Certificate of Deposits Auszahlungskurs, Emissionskurs

D D D (in Kapitel 6) DAX

Dividende Deckungssumme Deutscher Aktienindex

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

DCM DG Bank DS DSGV DSL Bank DV

Direkt Clearing Mitglied Deutsche Genossenschaftsbank Dividendensatz der Stammaktien Deutscher Sparkassen- und Giroverband Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank Dividendensatz der Vorzugsaktien

E ECU eG EK ESichAEntschG EURIBOR

European Currency Unit eingetragene Genossenschaft Eigenkapital Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz European Inter Bank Offered Rate

F f. FAZ ff. FWB

folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Frankfurter Wertpapierbörse

G G G (als Kurszusatz) GCM GK GmbH GmbHG

Gewinn Geld General Clearing Mitglied Grundkapital Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz

H H HGB

gemeindespezifischer Gewerbesteuerhebesatz Handelsgesetzbuch

I i (Kapitel 6) i (Kapitel 2) i.d.R. i.e.S. InsO i.S.v.

Intensität des Versicherungsschutzes Nominalzins in der Regel im engeren Sinne Insolvenzordnung im Sinne von

K KAGB KfW KG KWG

Kapitalanlagegesetzbuch Kreditanstalt für Wiederaufbau Kommanditgesellschaft Kreditwesengesetz

Abkürzungsverzeichnis

XIX

L lfd. LIBOR

laufender/e/es London Inter Bank Offered Rate

M Mio. Mrd.

Millionen Milliarden

N N n (Kapitel 2) n (Kapitel 6) NCM NW

Anzahl der jungen Aktien Laufzeit in Jahren Zahl der an einer Gefahrengemeinschaft beteiligten Personen Nicht Clearing Mitglied Nennwert

P P P,p (Kapitel 6) p.a. PfandBG PRAUF PublG

Prämie des Optionsgeschäftes Wahrscheinlichkeit per anno (pro Jahr) Pfandbriefgesetz Prämienaufkommen Publizitätsgesetz

Q q

Versicherungsquote bei einer prozentualen Selbstbeteiligung

R r R rat RechKredV

effektiver Zins Rückzahlungsbetrag bei Optionen rationiert Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute

S S (Kapitel 6) S (Kapitel 2) S. s. s.o. s.u. sog.

Schaden Steuersatz Seite siehe siehe oben siehe unten sogenannte/er/es

T T Tab.

„mittlere“ Kreditlaufzeit: Durchschnitt aus der gesamten Laufzeit und der Laufzeit bis zur ersten Tilgungsrate Tabelle

XX

Abkürzungsverzeichnis

U u.U.

unter Umständen

V v V v. VA VAG vgl. VVG VW

prozentualer Dividendenvorzug Verlust von Vorzugsaktien Versicherungsaufsichtsgesetz vergleiche Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswert

Z Z (Kapitel 5) Z z.T. ZPO

Zahl der zu erwerbenden Optionen Zinsbetrag zum Teil Zivilprozessordnung

1

Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

1.1

Grundlagen

1.1.1

Grundprobleme nicht organisierter Finanzmärkte

In geldwirtschaftlich organisierten Marktsystemen kann es dazu kommen, dass einzelne Wirtschaftssubjekte in bestimmten Perioden beabsichtigen, insbesondere für die Beschaffung von Produktionsfaktoren oder zu Konsumzwecken, mehr Geld auszugeben, als ihnen, vor allem aus ihrem Erwerbs- oder Arbeitseinkommen, an Einzahlungen zufließen wird. Diese Wirtschaftssubjekte haben ein Interesse daran, ihre leistungswirtschaftlichen Aktivitäten durch gesonderte Finanztransaktionen zu ergänzen, um den entsprechenden Finanzierungsbedarf zu decken. Wir wollen diese Wirtschaftseinheiten im Folgenden als (originäre) Geldnehmer bezeichnen. Andere Wirtschaftssubjekte mögen zum gleichen Zeitpunkt beabsichtigen, für eine bestimmte Periode weniger an Auszahlungen zu leisten, als ihnen an Einzahlungen zufließen wird. Diese Wirtschaftssubjekte haben dementsprechend ein Interesse daran, die sich bildenden Zahlungsmittelüberschüsse zunächst möglichst sicher, darüber hinaus womöglich aber auch noch ertragbringend in künftige Perioden zu transferieren. Auch bei dieser Gruppe von Wirtschaftssubjekten besteht dementsprechend ein zu dem der ersten Gruppe gerade komplementär gelagerter Bedarf an ergänzenden Finanztransaktionen. Wir wollen die Wirtschaftseinheiten dieser Gruppe im Folgenden als (originäre) Geldgeber bezeichnen. Die Gesamtheit derartiger Transaktionen einschließlich der sich dabei herausbildenden Usancen und der sie beeinflussenden institutionellen Rahmenbedingungen kann als Finanzmarkt bezeichnet werden. In seiner einfachst denkbaren, gewissermaßen „archaischen“ Urform kann dieser Finanzmarkt allein als Geflecht einer Vielzahl von Verträgen gedacht werden, die zwischen den potentiellen Geldnehmern der ersten Gruppe und den potentiellen Geldgebern der zweiten Gruppe jeweils unmittelbar und ganz individuell, ohne allgemein vorgegebene Rahmenregelungen und ohne jegliche Einwirkung Dritter, vereinbart werden. Abbildung 1.01 verdeutlicht schematisch ein derartiges Geflecht von Finanzkontrakten zwischen den originären Geldnehmern (GN) und den originären Geldgebern (GG). Von den GG ausgehende Pfeile sollen dabei die Bereitstellung der vereinbarten Zahlungsmittel verdeutlichen, die von den GN ausgehenden Pfeile deren – wie auch immer geartete – Rückzahlungsversprechen.

2

1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

GG1 GN1

GG2 GG3

GN2

GG4

GN3 GG5 GN4 Abb. 1.01:

Finanzkontrakte zwischen originären Geldnehmern und -gebern

In der hier zunächst unterstellten Welt eines völlig unorganisierten Finanzmarktes stellen sich dem Abschluss derartiger Finanzkontrakte verschiedene Arten von „Marktwiderständen“ entgegen, die sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zu den folgenden vier Problemgruppen bündeln lassen: (1) Informationsprobleme Den potentiellen Vertragsparteien stellen sich zunächst mindestens die folgenden drei Arten von Informationsproblemen: • •



Sie müssen zunächst Kenntnis von der Existenz geeigneter Marktpartner erlangen. Finanzkontrakte sind konstitutiv dadurch gekennzeichnet, dass Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinanderfallen: Der Geldgeber erbringt seine Hauptleistung, nämlich die Bereitstellung von Zahlungsmitteln, typischerweise kurz nach Abschluss des Vertrages; als Gegenleistung erhält er seitens des Geldnehmers allerdings zunächst nur das Versprechen auf spätere Rückzahlungen. Potentielle Geldgeber haben dementsprechend in aller Regel ein Interesse daran, sich bereits vor Vertragsabschluss ein Bild von der Verlässlichkeit ihres Vertragspartners und des von ihm als Gegenleistung abgegebenen Rückzahlungsversprechens zu machen. Schließlich kann bei beiden Vertragsparteien das Bedürfnis bestehen, sich darüber zu informieren, welche Konditionen nach der aktuellen Marktlage als angemessen zu betrachten wären.

1.1 Grundlagen

3

(2) Stückelungsprobleme Anlage- und Finanzbedarf von zwei miteinander in Verbindung tretenden Marktpartnern müssen dem Betrage nach nicht übereinstimmen. Ein Kontrakt kommt in einer solchen Situation nur zustande, wenn zumindest ein Partner bereit ist, sich der anderen Seite anzupassen, indem er entweder seine Zahlungspläne ändert oder weitere Marktpartner zur Abdeckung des noch offenen Anlage- oder Finanzbedarfs sucht.1 (3) Fristenprobleme Selbst bei betragsmäßiger Übereinstimmung von Anlage- und Finanzbedarf ist es möglich, dass die Vorstellungen der beiden Parteien über die Dauer des beabsichtigten Finanzkontraktes divergieren. Wiederum kommt ein Vertrag nur zustande, wenn zumindest eine Seite bereit ist, von ihren ursprünglichen Fristenvorstellungen abzuweichen, oder davon ausgehen kann, in späteren Zeitpunkten weitere Marktpartner zur Realisierung der eigenen Fristenvorstellungen zu finden. (4) Risikoprobleme Ob der Geldgeber die bei Vertragsabschluss fest vereinbarten oder in sonstiger Weise in Aussicht gestellten Rückzahlungen später auch wirklich erhält, hängt – von der Ausgangssituation des Geldnehmers im Zeitpunkt der Mittelvergabe, – der späteren Umweltentwicklung sowie – von dessen weiterer Geschäftspolitik ab, ist bei Abschluss des Finanzkontraktes also noch ungewiss. Ein Vertrag kommt somit nur zustande, wenn der Geldgeber bereit ist, solche Risiken mindestens in dem Maße zu tragen, wie sie ihn nach seinem persönlichen Informationsstand über die drei genannten Risikoeinflussfaktoren treffen können. Probleme aller vier Kategorien stellen selbstverständlich keine unüberwindlichen Hindernisse dar, können entsprechende Vertragsabschlüsse allerdings mit ganz erheblichen Transaktionskosten belasten und dazu führen, dass das Ausmaß von Finanzkontrakten, die auf einem derartigen „archaischen“ Finanzmarkt tatsächlich abgeschlossen werden, sehr viel geringer ausfällt, als das auf einem komfortabler organisierten Finanzmarkt der Fall wäre. Es liegt daher in der Logik eines marktwirtschaftlichen Systems, dass in einer solchen „archaischen“ Welt weitere Wirtschaftssubjekte auftreten, die sich – selbstverständlich ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil verfolgend – bereithalten, die potentiellen Geldgeber und -nehmer bei der Bewältigung der genannten Probleme zu unterstützen. Im theoretischen Sprachgebrauch werden derartige „Unterstützer“ häufig als „Finanzintermediäre“, in der Alltagssprache als „Finanzdienstleister“ bezeichnet. Wir folgen hier der wissenschaftlich geprägten Terminologie, wobei wir in der im folgenden Abschnitt näher zu verdeutlichenden Weise zwischen Finanzintermediären im weiteren und im engeren Sinne unterscheiden werden.

1

Zur Terminologie sei noch angemerkt, dass es sich im theoretischen Schrifttum in Anlehnung an die Gegebenheiten der industriellen Produktion eingebürgert hat, von „Losgrößenproblemen“ statt von Stückelungsproblemen zu reden.

4

1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

1.1.2

Finanzintermediäre

1.1.2.1 Grundbegriffe Grundsätzlich sind zwei elementare Formen denkbar, in denen Finanzintermediäre den originären Geldnehmern und -gebern dabei behilflich sein können, den soeben erläuterten vier Kategorien von „Marktwiderständen“ zu begegnen und damit zum Ausgleich von Anlageund Finanzbedarf beizutragen. Abbildung 1.02 verdeutlicht diese beiden Formen schematisch.

Finanzintermediäre i.w.S. G E L D N E H M E R

Abb. 1.02:

Hilfe beim Abschluss von direkten Kontrakten

Finanzintermediäre i.e.S. Rückzahlungs- Rückzahlungsverpflichtungen ansprüche

G E L D G E B E R

Ausgleich von Finanz- und Anlagebedarf

Zum einen ist es denkbar, dass die originären Geldgeber und Geldnehmer – wie auf der archaischen Ausgangsform des Finanzmarktes – unmittelbar miteinander Kontakt aufnehmen und direkt miteinander Finanzkontrakte abschließen, dabei jedoch durch andere Marktteilnehmer, die wir als Finanzintermediäre im weiteren Sinne bezeichnen wollen, in unterschiedlicher Weise unterstützt werden. Eine derartige Unterstützung kann etwa in Beratungsund Vermittlungsleistungen bestehen; wie werden darauf im Abschnitt 1.1.2.3 noch etwas näher eingehen. Zum anderen ist es aber auch vorstellbar, dass sich am Finanzmarkt „Spezialisten“ herausbilden, die in der Weise zum Ausgleich von Anlage- und Finanzbedarf beitragen, dass sie sich bereithalten, – einerseits Zahlungsmittel von den originären Geldgebern gegen das Versprechen späterer Rückzahlungen entgegenzunehmen (Anlageleistung) und – andererseits den originären Geldnehmern die benötigten Zahlungsmittel ebenfalls gegen das Versprechen späterer Rückzahlungen zur Verfügung zu stellen (Finanzierungsleistung). Diese Spezialunternehmen werden häufig als Finanzintermediäre im engeren Sinne bezeichnet. Finanzintermediäre i.e.S. treten also einerseits als Geldnehmer auf und werden auf der anderen Seite zugleich als Geldgeber tätig. In ihren Bilanzen stehen sich dementspre-

1.1 Grundlagen

5

chend überwiegend Geldvermögenspositionen (auf der Aktivseite) und Zahlungsverpflichtungen (auf der Passivseite) gegenüber. Durch die Tätigkeit von Finanzintermediären i.e.S. wird das ansonsten zustande kommende unmittelbare Anspruchs- und Verpflichtungsverhältnis zwischen originären Geldgebern und nehmern durch zwei eigenständige Vertragsverhältnisse ersetzt, in denen der Finanzintermediär gegenüber den originären Geldgebern die Rolle des Geldnehmers und damit des Rückzahlungsverpflichteten übernimmt, gegenüber den originären Geldnehmern hingegen als Geldgeber auftritt und damit zugleich als Anspruchsberechtigter. Stellt man sich als weiteren Entwicklungsschritt eine Welt vor, in der mehrere Finanzintermediäre agieren, so ist die weitergehende Vorstellung naheliegend, dass neben den genannten Vertragsverhältnissen zwischen Finanzintermediären und den originären Geldgebern und nehmern auch noch finanzielle Beziehungen zwischen verschiedenen Finanzintermediären entstehen. Der Ausgleich zwischen originärem Anlage- und Finanzbedarf wird dann nicht durch einen einzigen Finanzintermediär herbeigeführt, sondern durch ein ganzes System vielfältig untereinander verflochtener Intermediäre. In einem solchen System von Finanzintermediären sind dann auch Akteure vorstellbar, die gar nicht mehr mit originären Geldnehmern und/oder originären Geldgebern in Kontakt treten, sondern nur noch mit Finanzintermediären. Für den Brückenschlag zur Wirtschaftspraxis ist es wichtig zu beachten, dass durch die Unterscheidung zwischen Finanzintermediären im engeren und weiteren Sinne bestimmte Funktionsrollen definiert werden, die von den real existierenden Wirtschaftssubjekten möglicherweise ausschließlich, möglicherweise aber auch in den unterschiedlichsten Gemengelagen mit anderen Arten von wirtschaftlichen Aktivitäten ausgefüllt werden können. Grundsätzlich können dabei die sechs durch Abbildung 1.03 verdeutlichten Konstellationen unterschieden werden.

3a

1a

FIM i.e.S.

3b 1b

FIM i.e.S. & FIM i.w.S.

FIM i.e.S. & so. Aktivitäten

Abb. 1.03:

2a

FIM i.w.S.

2b

FIM i.w.S & so. Aktivitäten

FIM i.e.S. & FIM i.w.S. & so. Aktivitäten

Tätigkeitsfelder von Finanzintermediären

Neben den beiden „reinen Fällen“ von Unternehmen, die ausschließlich als Finanzintermediäre im engeren Sinne (Fall 1a) oder im weiteren Sinne (Fall 2a) agieren, sind die vier in der Abbildung verdeutlichten „Mischformen“ denkbar und im realen Leben auch anzutreffen. Der ausschließlich mit der Vermittlung von Finanzierungskontrakten befasste Finanzmakler wäre ein Beispiel für den „reinen“ Finanzintermediär im weiteren Sinne (2a), die klassische Bank, die ihre Tätigkeiten allein auf das Einlagen- und das Kreditgeschäft beschränkt, ein

6

1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Beispiel für den „reinen“ Finanzintermediär im engeren Sinne (1a). Die Banken, wie sie uns heutzutage in Deutschland und weltweit entgegentreten, sind allerdings zumeist durch ein sehr viel breiteres Angebotssortiment gekennzeichnet und zumeist dem Typ 3b zuzurechnen. D.h., sie agieren in etlichen Geschäftsfeldern durchaus als Finanzintermediäre im engeren Sinne, erbringen zugleich jedoch auch die für Finanzintermediäre im weiteren Sinne typischen Beratungs- und Vermittlungsleistungen und betätigen sich schließlich auch noch in sonstigen Geschäftsbereichen, z.B. im Immobiliengeschäft. Ungeachtet dieser real anzutreffenden Überlagerung unterschiedlicher Aktivitätsbereiche werden wir uns im Folgenden darauf beschränken, die Funktionen der beiden „reinen“ Grundtypen 1a und 2a etwas näher zu betrachten. Übungsaufgabe 1.01: Seit etlichen Jahren beobachtet man, dass sich Unternehmen und öffentliche Stellen bei der Beschaffung von Finanzmitteln zunehmend – von der direkten Kreditfinanzierung bei Banken abwenden und – insbesondere über die Emission von Wertpapieren direkte Geschäfte mit den originären Geldgebern abschließen. Dieser Prozess der „Desintermediation“ wird in der Wirtschaftspresse häufig mit Schlagworten wie „vorbei an den Banken“ kommentiert. In Bankenkreisen spricht man in diesem Zusammenhang hingegen eher von einer „Verschiebung vom Zinsgeschäft zum Provisionsgeschäft“. Erläutern Sie, was mit den drei fett gedruckten Textteilen gemeint sein dürfte, und nehmen Sie dazu ggf. kritisch Stellung! Agieren in einer Wirtschaft mehrere Finanzintermediäre, so ist es möglich, dass neben den genannten Vertragsverhältnissen zwischen Finanzintermediären und den eigentlichen Geldgebern und -nehmern auch noch finanzielle Beziehungen zwischen verschiedenen Finanzintermediären entstehen. Der Ausgleich zwischen originärem Anlage- und Finanzbedarf wird dann nicht durch einen einzigen Finanzintermediär herbeigeführt, sondern durch ein ganzes System vielfältig untereinander verflochtener Intermediäre. In der Bundesrepublik Deutschland umfasst dieses System insbesondere – Kreditinstitute einschließlich Teilzahlungsbanken und Realkreditinstituten, – Bausparkassen, – Kapitalverwaltungsgesellschaften, – Leasing- und Factoringunternehmen, – Kapitalbeteiligungsgesellschaften einschließlich Wagnisfinanzierungsgesellschaften, Venture-Fonds, Private Equity-Gesellschaften etc. sowie – Anbieter von Kapital-Lebensversicherungen. Darüber hinaus ist es zweckmäßig, auch sonstige Versicherungsunternehmen zu den Finanzintermediären im engeren Sinne zu zählen, soweit deren primäre Tätigkeit dadurch gekennzeichnet ist, dass sie sich verpflichten, ihren Vertragspartnern bestimmte möglicherweise entstehende Zahlungsverpflichtungen und sonstige finanzielle Beanspruchungen abzunehmen oder eventuell auftretende Vermögensminderungen durch entsprechende Zahlungen auszugleichen. Derartige Leistungen stehen zunächst in keinem Zusammenhang mit

1.1 Grundlagen

7

dem für die Tätigkeit von Finanzintermediären bislang als konstitutiv angesehenen Ausgleich von Anlage- und Finanzbedarf. Zwei Aspekte sprechen dennoch dafür, Versicherungsunternehmen in Übereinstimmung mit großen Teilen des Schrifttums den Finanzintermediären im engeren Sinne zuzurechnen: •

Zum einen kann die Motivation originärer Geldgeber, in bestimmten Perioden Gelder anzulegen und dadurch zukünftige Zahlungsansprüche zu erwerben, in dem Wunsch nach Vorsorge für mögliche Zukunftsrisiken bestehen. Genau dieser Wunsch kann aber auch den Anlass zum Abschluss eines Versicherungsvertrages darstellen. Aus der Sicht des Geldanlegers bzw. Versicherungsnehmers können Geldanlage und Versicherungsabschluss also durchaus funktional ähnliche, substitutionale Handlungsmöglichkeiten bilden. • Zum zweiten kommt es bei den Anbietern von Versicherungsleistungen häufig dazu, dass die Einzahlungen, die ihnen von der Gesamtheit ihrer Versicherungsnehmer zufließen, die an diese zu leistenden Auszahlungen übersteigen, so dass ein vorübergehender Anlagebedarf besteht, der die Versicherungsunternehmen zugleich auch als Geldgeber auftreten lässt. Somit ist die gesamte Tätigkeit von Versicherungsunternehmen in aller Regel dadurch gekennzeichnet, dass sie – einerseits Zahlungsmittel gegen die bedingte Verpflichtung zukünftiger Zahlungen entgegennehmen und – andererseits Zahlungsmittel gegen den Erwerb unbedingter künftiger Rückzahlungsansprüche an andere Geldnehmer weiterleiten, was den für die zuvor genannten Finanzintermediäre im engeren Sinne kennzeichnenden Merkmalen sehr nahe kommt. 1.1.2.2 Grundfunktionen von Finanzintermediären im engeren Sinne Banken, aber auch andere Unternehmen wie z.B. Factoringinstitute oder Leasingunternehmen,2 die als Finanzintermediäre im engeren Sinne tätig sind, können Probleme aller vier im Abschnitt 1.1.1 vorgestellten Problemgruppen reduzieren. Man bezeichnet diesen Effekt häufig als Transformationsfunktion und unterscheidet im Einzelnen zwischen Informationsbedarfs-, Losgrößen-, Fristen- und Risikotransformation. (1) Informationsbedarfstransformation Banken und andere Finanzintermediäre, die mit einer Vielzahl von Geldgebern und -nehmern Geschäfte abschließen, ersparen beiden Seiten die individuelle Suche nach geeigneten Marktpartnern. Der Informationsbedarf der eigentlichen Geldgeber und -nehmer reduziert sich auf die Kenntnis eines geeigneten Finanzintermediärs. Da Finanzintermediäre i.e.S. den eigentlichen Geldnehmern gegenüber als Anspruchsberechtigte auftreten, übernehmen sie zugleich deren Bonitätsprüfung. Der primäre Informationsbedarf der eigentlichen Geldgeber reduziert sich damit zugleich auf die Abschätzung der Bonität des Finanzintermediärs. Dieses Urteil wird dadurch erleichtert, dass zahlreiche Finanzintermediäre, wie z.B. Banken und Versicherungen, aufsichtsrechtlichen Regelungen unterworfen werden, mit dem Ziel, die Ansprüche der originären Geldgeber zu schützen. 2

Vgl. dazu Abschnitte 2.3.4 und 2.4.

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1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Ein unserem real existierenden Bankensystem entsprechender, gut ausgebauter Apparat von Finanzintermediären, die zusätzlich noch bestimmten Publizitätsvorschriften unterworfen sind, ermöglicht es originären Geldgebern und -nehmern schließlich auch, sich vergleichsweise einfach über marktgerechte Konditionen zu informieren. (2) Losgrößentransformation Indem sich Finanzintermediäre im engeren Sinne bereit halten, innerhalb bestimmter Grenzen beliebige Zahlungsmittelbeträge entgegenzunehmen und bereitzustellen, nehmen sie den originären Geldgebern und -nehmern zumindest einen großen Teil ihrer Stückelungsprobleme ab. Dabei erledigt sich das Gros dieser Probleme angesichts der Vielzahl von Geschäften auf beiden Seiten weitgehend von selbst. Ein funktionsfähiges System zum Ausgleich bei einzelnen Finanzintermediären verbleibender „Spitzen“, wie z.B. der Geldmarkt3, erhöht zudem die Transformationseffizienz. (3) Fristentransformation Soweit Banken oder andere Finanzintermediäre i.e.S. sich bereithalten, Beträge von den Geldgebern für andere Fristen entgegenzunehmen, als sie diese den Geldnehmern überlassen, tragen sie zugleich auch zum Abbau der Fristenprobleme bei. Die – etwa für viele Banken – typische Transformation kürzerer Einlagefristen in längere Kreditfristen wird durch folgende vier einander überlagernden Phänomene ermöglicht: •

Prolongation: Oftmals belassen Einleger ihre Gelder länger bei einer Bank als zunächst vereinbart oder legen frei werdende Beträge erneut an. • Substitution: Selbst wenn einzelne Einleger ihre Gelder bei Fälligkeit abziehen, kann der Zahlungsmittelfluss häufig durch neu zufließende Einlagen anderer Einleger ausgeglichen werden. • Aktive Geldaufnahme: Weiterhin ist es Banken möglich, sich am Geldmarkt aktiv um die Aufnahme kurz- und mittelfristiger Gelder bei anderen Banken zu bemühen. • Vorfällige Abtretung: Schließlich ist es in bestimmtem Umfang auch möglich, noch längere Zeit laufende Zahlungsansprüche bereits vor Fälligkeit an andere Marktpartner abzutreten. Dies ist insbesondere dann recht einfach, wenn die Ansprüche in börsengehandelten Wertpapieren verbrieft sind oder von einem potenten Marktpartner – etwa einer Zentralbank – standardmäßig angekauft werden. Fähigkeit und Bereitschaft zur Fristentransformation werden allerdings durch die damit verbundenen Risiken begrenzt. So besteht zunächst das sog. Geldanschlussrisiko, d.h. die elementare Gefahr, dass die genannten vier Effekte und Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer Gesamtheit nicht ausreichen, die benötigten Zahlungsmittel bereitzustellen. Und selbst wenn es gelingt, den Geldanschluss durch Prolongation bisheriger und Attrahierung neuer Einlagen oder die vorfällige Abtretung von Aktiven zu gewährleisten, verbleiben Zins- und Kursänderungsrisiken. Das heißt, es besteht die Gefahr, dass Geldanschluss oder vorfällige Abtretung nur zu höheren Zinsen bzw. gesunkenen Kursen möglich sind. Soweit Banken oder andere Finanzintermediäre i.e.S. die Verträge mit ihren Geldgebern und -nehmern mit Zinsgleitklauseln oder ähnlichen Vereinbarungen ausstatten, wälzen sie allerdings einen Teil der aus der Fristentransformation resultierenden Risiken letztlich doch wieder auf diese ab. 3

Als „Geldmarkt“ bezeichnet man die Gesamtheit von Transaktionen zum kurzfristigen Liquiditätsausgleich zwischen den Banken.

1.1 Grundlagen

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(4) Risikotransformation Durch den Eintritt eines Finanzintermediärs zwischen originäre Geldgeber und -nehmer kann schließlich auch das Ausfallrisiko, dem die Geldgeber hinsichtlich der vorgesehenen Rückzahlungsbeträge ausgesetzt sind, verändert werden. Dafür sind insbesondere die folgenden drei Teileffekte maßgeblich: •

Risikodiversifikation: Selbst wenn ein Finanzintermediär ohne jegliches Eigenkapital agieren sollte, die ihm überlassenen Einlagen jedoch an eine Vielzahl voneinander mehr oder weniger unabhängiger Geldnehmer weiterleitet, kann das Risiko der originären Geldgeber im Vergleich zum Abschluss einer entsprechenden Menge unmittelbarer Kontrakte mit wenigen originären Geldnehmern in dem Ausmaß verringert werden, wie die Gefahr, dass die Rückzahlungsbeträge hinter dem vorgesehenen Umfang zurückbleiben, bei den einzelnen Geldnehmern unterschiedlichen Eintrittsursachen unterliegt. Auch wenn die Möglichkeit des völligen Ausfalls bei jedem einzelnen Engagement ein spürbares Ausmaß aufweisen sollte, wird die Gefahr des gleichzeitigen Ausfalls aller Engagements mit steigender Zahl von Einzelengagements, die unterschiedlichen Risikoeinflüssen unterliegen, immer kleiner. • Intermediärhaftung: Zusätzlich zu derartigen Diversifikationseffekten wird die Risikoposition der Geldgeber insgesamt im Vergleich zum Abschluss einer entsprechenden Anzahl unmittelbarer Kontrakte mit originären Geldnehmern genau in dem Umfang verbessert, wie dem Finanzintermediär als – Leistung seiner Eigenkapitalgeber oder als Ergebnis früher erwirtschafteter Gewinne über die erworbenen Kreditforderungen hinaus zusätzliche Haftungsmasse zur Verfügung steht oder – externe Haftungsträger für die Verbindlichkeiten des Finanzintermediärs einstehen. • Risikoselektion und -gestaltung: Die aus Intermediärhaftung und Risikodiversifikation resultierenden Transformationseffekte würden selbst dann eintreten, wenn der Finanzintermediär die Finanzierungswünsche der originären Geldnehmer genau in dem gleichen Ausmaß und unter den gleichen Bedingungen erfüllen würde, wie dies bei unmittelbaren Vertragsabschlüssen durch die originären Geldgeber selbst der Fall wäre. Diese Übereinstimmung ist jedoch nicht zwingend. Vielmehr kann angenommen werden, dass Finanzintermediäre als Folge ihrer Spezialisierung auf Finanzgeschäfte im Wege der Kreditwürdigkeitsprüfung die mit einem potentiellen Engagement verbundenen Risiken besser erkennen. Dies ermöglicht ihnen dann, diese Risiken als unmittelbarer Geldgeber durch geeignete Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen zu begrenzen oder aber auf als besonders riskant identifizierte Engagements ganz zu verzichten. Der skizzierte Diversifikationseffekt ermöglicht es Finanzintermediären schließlich auch, die Bedingungsstruktur der übernommenen Zahlungsverpflichtungen systematisch anders zu gestalten als die der eigenen Zahlungsansprüche gegenüber den Geldnehmern. Diese Art der Risikotransformation kann am Beispiel der Versicherungen am einfachsten verdeutlicht werden. Diese erwerben mit den ihnen zufließenden Geldern überwiegend unbedingte Zahlungsansprüche; die Geldnehmer sind im einfachsten Fall verpflichtet, den ihnen überlassenen Betrag zuzüglich der vereinbarten Zinsen unabhängig davon an die Versicherung zurückzuzahlen, wie sich die eigene wirtschaftliche Situation entwickelt. Auf der anderen Seite geben die

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1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Versicherungsunternehmen ihren eigenen Geldgebern jedoch in der Weise bedingte Zahlungsversprechen, dass die Höhe des Geldgeberanspruchs davon abhängig gemacht wird, wie sich bestimmte, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unsichere Größen zukünftig entwickeln werden. Bei Versicherungsverträgen handelt es sich bei den Bedingungen für den Eintritt einer Zahlungspflicht regelmäßig um Ereignisse, durch die der Versicherte einen materiellen oder immateriellen Schaden erleidet. Daneben finden sich auch Beispiele für die Übernahme in anderer Weise bedingter Rückzahlungsverpflichtungen von Finanzintermediären. Dies ist etwa der Fall, wenn Finanzintermediäre den eigentlichen Geldgebern gegenüber als Garanten und Bürgen auftreten oder auch als Stillhalter bei Wertpapieroptionsgeschäften. Wir werden darauf später noch näher eingehen. Folgende Abbildung fasst die vier Arten von Transformationsleistungen und die für sie maßgeblichen Komponenten, die von Finanzintermediären im engeren Sinne erbracht werden, noch einmal kompakt zusammen:

Informationsbedarfstransformation

• Existenz von Marktpartnern • Bonität von Geldnehmern • Marktgerechte Konditionen

Losgrößentransformation

Fristentransformation

• Prolongation • Substitution • Aktive Geldaufnahme • Vorfällige Abtretung

Risikotransformation

• Diversifikation • Intermediärhaftung • Risikoselektion und -gestaltung Abb. 1.04:

Funktionen von Finanzintermediären im engeren Sinne

1.1 Grundlagen

11

Übungsaufgabe 1.02: Im Folgenden finden Sie einige Aussagen zur Transformationsfunktion von Banken. Nehmen Sie dazu jeweils kurz Stellung! a) Zinsgleitklauseln sind in erster Linie ein Instrument, um die mit der Kreditvergabe verbundenen Ausfallrisiken zu begrenzen. b) Zinsgleitklauseln sind in erster Linie ein Instrument, um die mit der Fristentransformation verbundenen Zinsänderungsrisiken zu begrenzen. c) Kreditsicherheiten sind in erster Linie ein Instrument, um die mit der Fristentransformation verbundenen Zinsänderungsrisiken zu begrenzen. d) Kreditsicherheiten sind in erster Linie ein Instrument, um die mit der Kreditvergabe verbundenen Ausfallrisiken zu begrenzen. e) Für eine Bank, die kürzere Einlagenfristen in längere Kreditfristen transformiert, besteht die wichtigste Rolle des Geldmarktes in der Möglichkeit, von Zeit zu Zeit auftretende Liquiditätsüberschüsse zinsbringend anzulegen. 1.1.2.3 Grundfunktionen von Finanzintermediären im weiteren Sinne Statt selbst als Geldgeber und -nehmer aufzutreten, zielt die Geschäftstätigkeit von Unternehmen, die als Finanzintermediäre im weiteren Sinne auftreten, definitionsgemäß darauf, den unmittelbaren Abschluss von Finanzkontrakten zwischen den originären Geldgebern und -nehmern einfacher und kostengünstiger herbeizuführen oder überhaupt erst zu ermöglichen. Hier sind mit – Vermittlungsleistungen, – Informationsleistungen sowie – Risikoübernahmeleistungen insbesondere drei Kategorien von Leistungen zu unterscheiden: (1) Vermittlungsleistungen Vermittlungstätigkeiten, wie sie auch in anderen Wirtschaftsbereichen von Maklern wahrgenommen werden, können im finanziellen Sektor im Einzelnen noch danach differenziert werden, ob sie sich auf die – Herbeiführung eines unmittelbaren Vertrages zwischen Geldnehmern und -gebern oder die – Übertragung bereits existierender Ansprüche von einem bisherigen Anleger auf einen neuen Anleger beziehen. Vermittlungsleistungen der ersten Art werden zum Teil auch von Finanzintermediären im engeren Sinne erbracht (z.B. im Emissionsgeschäft der Banken), daneben aber auch von Finanzmaklern und Kreditvermittlern. Während – erstere typischerweise zur Deckung des Finanzbedarfs von Unternehmen durch intermediäre, z.T. auch originäre Geldgeber beitragen, – vermitteln letztere insbesondere zwischen nicht gewerblichen, privaten Geldnehmern und Banken als intermediären Geldgebern. Weiterhin gehören zu dieser Vermittlergruppe die Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler sowie verschiedene Arten von Vertriebsorganisationen zum Absatz von Investmentzertifikaten und ähnlichen Anlageformen.

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1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Vermittlungsleistungen der zweiten Art sind in der Bundesrepublik Deutschland typisch für Wertpapiermakler, die Kauf- und Verkaufsaufträge in börsengehandelten Wertpapieren zum Ausgleich bringen. Allerdings nehmen sie ihre Vermittlungsaufträge nur von einer kleinen Anzahl von Börsenhändlern entgegen, bei denen es sich in aller Regel um Beauftragte von Kreditinstituten handelt, die ihrerseits neben Eigengeschäften zugleich Aufträge für ein breiteres Anlegerpublikum ausführen und somit noch einmal eine der eigentlichen Maklertätigkeit vorgeschaltete Vermittlungsfunktion übernehmen. Banken, die sich ganz überwiegend auf dieses Geschäftsfeld spezialisiert haben, bezeichnet man auch als Broker-Banken. Unabhängig von derartigen Details wird den originären Geldgebern (Anlegern) für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften auf jeden Fall ein mehrstufiges Vermittlungssystem zur Verfügung gestellt, bei dem es in aller Regel völlig unerheblich, oftmals sogar überhaupt nicht feststellbar ist, zwischen welchem bisherigen Anleger und welchem neuen Anleger sich die konkrete Übertragung der entsprechenden Wertpapiere vollzieht. Für die Effizienz der Vermittlungstätigkeit ist nicht nur die Leistungsfähigkeit der Wertpapiermakler und der vorgeschalteten Kreditinstitute bedeutsam, sondern darüber hinaus auch die Ausgestaltung des gesamten institutionellen Rahmens, innerhalb dessen sich der Wertpapierhandel abspielt. Unter diesem Aspekt sind auch die Wertpapierbörsen insgesamt als Finanzintermediäre im weiteren Sinne anzusehen. Denn ihre Einrichtungen tragen wesentlich dazu bei, die Kosten für die Herbeiführung eines Vertragsabschlusses zu senken. Auf die wichtigsten Gegebenheiten des Börsenwesens in Deutschland werden wir im Abschnitt 3.1.2 noch näher eingehen. (2) Informationsleistungen Leistungen der zweiten Kategorie, also die Bereitstellung von Informationen über Existenz und Qualität potentieller Geldnehmer sowie verschiedener Anlagemöglichkeiten, insbesondere in börsengehandelten Wertpapieren, werden zum einen häufig von Banken in Ergänzung ihres sonstigen Geschäfts mit erbracht, zum anderen aber auch von weitgehend auf diese Tätigkeiten spezialisierten Institutionen wie zum Beispiel – Börsendiensten, die ihre Leser regelmäßig mit speziell aufbereiteten Informationen über die Entwicklung bestimmter Börsensegmente – bis hin zu Anlageempfehlungen – versorgen, – Rating-Agenturen (wie Moody’s oder Standard & Poor’s), die Wertpapieremittenten ständig auf ihre Bonität untersuchen und die dabei gewonnene Einschätzung durch die Einordnung der Unternehmen und der von ihnen ausgegebenen Wertpapiere in verschiedene Bonitätsklassen publizieren, oder – Evidenz-Zentralen (wie z.B. die Schufa), die Informationen über relevante Verhaltensweisen von Geldnehmern sammeln und sie an bestimmte Geldgeber weiterleiten. (3) Risikoübernahmeleistungen Auch Leistungen der dritten Kategorie, also die Übernahme bestimmter Anlagerisiken, werden z.T. von Unternehmen, die schon als Finanzintermediäre im engeren Sinne tätig sind, insbesondere von Banken in Ergänzung ihrer sonstigen Transaktionen mit erbracht. Daneben existieren aber etwa mit Kreditkartenunternehmen und Kreditversicherern weitere Institutionen, deren primärer Geschäftszweck in der Übernahme derartiger Risiken besteht. Kreditkartenunternehmen erlauben es ihren Kunden, Rechnungen bei Vorlage der Kreditkarte „per Unterschrift“ zu begleichen. Dabei übernimmt das Kreditkartenunternehmen die Begleichung der Rechnung unabhängig davon, ob der Kreditkarteninhaber die ihm später

1.1 Grundlagen

13

belastete Summe ausgleicht oder nicht. Mit der primären Funktion der Übernahme von Ausfallrisiken geht eine kurzfristige Kreditgewährung an die Kreditkarteninhaber einher, so dass Kreditkartenunternehmen auch als Finanzintermediäre i.e.S. eingeordnet werden könnten. Kreditversicherer übernehmen gegen Zahlung einer Prämie das Risiko des Ausfalls einer Forderung. Je nach dem für die Entstehung der Forderungen maßgeblichen Geschäft unterscheidet man verschiedene Versicherungsarten wie z.B. Warenkredit-, Finanzkredit-, Teilzahlungskredit- oder Ausfuhrkreditversicherungen. Folgendes Schema verdeutlicht noch einmal zusammenfassend die wichtigsten Erscheinungsformen von Finanzintermediären im weiteren Sinne:

Vermittlungsleistungen

• Abschluss Abschluß von vonFinanzkontrakten Finanzkontrakten – – – –

Kreditvermittler Finanzmakler Versicherungsvertreter und -makler Vertriebsorganisationen

• Übertragung bestehender Kontrakte – Wertpapierbörsen und -makler – Wertpapiermakler Rückversicherungsbörsen und -makler

Informationsleistungen

• Börsendienste • Rating-Agenturen • Evidenz-Zentralen

Risikoübernahmeleistungen2 Risikoübernahmeleistungen Kreditkartenunternehmen Kreditkartenunternehmen Kreditversicherungen Kreditversicherungen

• ••

Abb. 1.05:

1.1.2.4

Funktionen und Erscheinungsformen von Finanzintermediären im weiteren Sinne

Klassifikation von Finanzintermediären nach Adressaten und Ausmaß der erbrachten Transformationsleistungen Um zu verdeutlichen, in welcher Weise die verschiedenen Finanzintermediäre zum Ausgleich von originärem Anlage- und Finanzbedarf beitragen, kann man diese nach zwei einander überlagernden Kriterien einteilen, nämlich – ob sie ihre Leistungen überwiegend unmittelbar originären Geldgebern oder -nehmern anbieten oder schwerpunktmäßig nur innerhalb des Intermediärsystems tätig sind, oder – welche der genannten Transformationsleistungen für ihr spezifisches Profil in erster Linie kennzeichnend sind.

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1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Man erhält so folgende Einteilung: (1) Originäre Geldgeber und -nehmer als überwiegende Adressaten Universalbanken, Realkreditinstitute, Bausparkassen und Versicherungen wenden sich sowohl bei der Geldbeschaffung als auch bei der Geldanlage in großem Umfang an originäre Geldgeber und -nehmer. Sie nehmen im Allgemeinen alle vier Arten von Transformationsleistungen wahr. Dabei ergibt sich das spezifische Leistungsprofil der Versicherungen insbesondere durch das Prinzip der Risikotransformation mittels bedingter Verpflichtungsstrukturen. Die Besonderheit von Realkreditinstituten wird demgegenüber durch Risikotransformation mittels Risikodiversifikation und -selektion bestimmt, während der Aspekt der Fristentransformation für diese Institute im Vergleich zu anderen Kreditinstituten eher nachrangige Bedeutung hat. Das Spezifikum der Bausparkassen schließlich besteht darin, dass sich deren aktuelle Geldnehmer ganz überwiegend aus früheren Geldgebern rekrutieren. Die Tabelle im numerischen Anhang am Schluss des Buches vermittelt einen gewissen Überblick über das Ausmaß, in dem Kreditinstitute, Versicherungen und Bausparkassen gegenüber verschiedenen Gruppen originärer Geldgeber und -nehmer Transformationsleistungen erbringen. (2) Originäre Geldnehmer und intermediäre Geldgeber als überwiegende Adressaten Leasing- und Factoringunternehmen wenden sich ebenso wie Teilzahlungsbanken (zumindest traditioneller Prägung) und Kapitalbeteiligungsgesellschaften typischerweise nur hinsichtlich der Mittelverwendung an originäre Geldnehmer, während sie ihren eigenen Finanzbedarf überwiegend bei anderen Finanzintermediären decken. In analoger Weise ist auch die Tätigkeit von Kreditvermittlern ganz überwiegend auf die Vermittlung zwischen originären Geldnehmern und intermediären Geldgebern ausgerichtet, wobei die Transformation des Informationsbedarfs den wichtigsten Leistungsschwerpunkt darstellt. Das Spezifische der durch die vier zuerst genannten Typen von Finanzintermediären im engeren Sinne erbrachten Transformationsleistungen besteht demgegenüber in erster Linie in der jeweils besonderen Form der Geldvergabe. Dabei steht bei den Kapitalbeteiligungsgesellschaften, insbesondere in ihrer Erscheinungsform als Wagnisfinanzierungsgesellschaften, eindeutig der Aspekt der Risikotransformation im Vordergrund und zwar in der Weise, dass Unternehmen Finanzierungsmöglichkeiten geboten werden, die von originären Geldgebern angesichts der erheblichen Rückzahlungsrisiken gar nicht oder nur in deutlich geringerem Ausmaß bereitgestellt würden. Für Factoringinstitute ist demgegenüber die Finanzierung von Unternehmen durch den vorfälligen Aufkauf von Forderungen typisch, während Leasinggesellschaften Unternehmen und zunehmend auch privaten Haushalten in der Weise indirekte Finanzierungsleistungen anbieten, dass sie von ihren Kunden benötigte Investitionen oder (langlebige) Konsumgüter selbst erwerben und diesen gegen die laufende Zahlung von Leasingraten zur Nutzung überlassen. Die Tabelle im numerischen Anhang am Schluss des Buches nennt aktuelle Zahlen zum Volumen der von Factoringinstituten gehaltenen Forderungen und über die im Wege des Leasing sowie durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften finanzierten Investitionen.

1.1 Grundlagen

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(3) Originäre Geldgeber und intermediäre Geldnehmer als überwiegende Adressaten Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungsvertreter und -makler, Wertpapiermakler und -börsen sowie Börsendienste und Ratingagenturen wenden sich mit ihrem Leistungsangebot primär an originäre (und auch intermediäre) Geldgeber, kaum jedoch an originäre Geldnehmer. Für Kapitalverwaltungsgesellschaften ist das Prinzip der Risikodiversifikation das konstitutive Merkmal: Mit der Ausgabe von Investmentzertifikaten bieten sie Geldgebern diversifizierte Anlagemöglichkeiten, die diese allein schon aus Stückelungsgründen oftmals gar nicht hätten realisieren können. Damit transformieren sie zugleich Informationsbedarf und Betrag. Fristentransformation betreiben sie hingegen nur insoweit, wie sie sich zur jederzeitigen Rücknahme der ausgegebenen Zertifikate bereithalten; da der Rücknahmepreis jedoch auf der Basis der jeweiligen Kurswerte des Fondsvermögens berechnet wird, verbleiben die Risiken der Fristentransformation letztlich doch beim Geldgeber. Versicherungsvertreter und Makler vermitteln praktisch ausschließlich Leistungen intermediärer Geldnehmer, eben der Versicherungen, und wenden sich dabei überwiegend an originäre Geldgeber und vermindern deren Informationsbedarf. Auch Wertpapierbörsen und die dort tätigen Makler reduzieren in erster Linie den Informationsbedarf der Anleger hinsichtlich möglicher Handelspartner. Zugleich tragen sie mit der Zusammenführung unterschiedlich dimensionierter Kauf- und Verkaufsaufträge auch zur Betragstransformation bei. Indirekt erleichtern sie damit natürlich den Emittenten börsengehandelter Wertpapiere, also bestimmten originären und intermediären Geldnehmern, den Vorgang der Mittelbeschaffung. Diesen indirekten Effekt entfalten schließlich auch Börsendienste und Ratingagenturen, deren primäre Leistung in der Verminderung des Informationsbedarfs der Geldgeber über die Qualität bestimmter Anlageformen besteht. Die Tabelle im numerischen Anhang am Schluss des Buches nennt aktuelle Zahlen zum Volumen der von Kapitalverwaltungsgesellschaften erbrachten Transformationsleistungen. (4) Finanzintermediäre als überwiegende Adressaten Schließlich gibt es Finanzintermediäre, die sich mit ihrem Leistungsangebot ganz überwiegend weder an originäre Geldgeber noch an originäre Geldnehmer wenden, sondern in erster Linie an andere Finanzintermediäre. Das trifft z.B. auf einige Spezialbanken zu, die sich weitgehend auf das Interbankgeschäft beschränken sowie auf Rückversicherungsmakler. Auch Evidenzzentralen, wie z.B. die Schufa in Deutschland oder das Institute of International Finance im internationalen Kreditgeschäft, bieten ihre Leistungen ganz überwiegend nur anderen Finanzintermediären an.

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1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

1.2

Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft

1.2.1

Vorüberlegungen

In dem überwiegend theoretisch ausgerichteten Abschnitt 1.1 haben Sie die grundlegenden Funktionen kennengelernt, die insbesondere Banken in ihrer Funktion als Finanzintermediäre sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne bei dem Ausgleich von Anlage- und Finanzbedarf ausüben. Wir wollen uns in diesem Abschnitt nun mit den wichtigsten Elementen beschäftigen, die das konkret existierende Bankensystem kennzeichnen. Das deutsche Bankensystem gliedert sich grundsätzlich in – das Zentralbankensystem und – das System der Geschäftsbanken. In diesem Lehrbuch interessieren in erster Linie die Geschäftsbanken, mit denen wir uns dementsprechend in den Abschnitten 1.2.2 bis 1.2.5 ausführlicher beschäftigen wollen. Der Vollständigkeit halber wollen wir diesen Ausführungen jedoch einige skizzenhafte Hinweise auf das Zentralbanksystem voranstellen. Dieses System umfasst zunächst die in Frankfurt ansässige Europäische Zentralbank (EZB), die zusammen mit den nationalen Zentralbanken aller „Euro“-Länder das sogenannte Eurosystem bildet. Die vordringliche Aufgabe von EZB und Eurosystem besteht in der Wahrung der Preisstabilität im Euro-Raum. Die wichtigsten Instrumente zur Realisierung dieses Ziels bestehen in verschiedenen Formen sogenannter Offenmarktgeschäfte des Eurosystems mit den Geschäftsbanken, durch die diesen in mehr oder weniger großem Umfang und zu jeweils wechselnden Zinskonditionen Zahlungsmittel in Form von Zentralbankguthaben überlassen werden. Zudem kann die EZB die Geschäftsbanken mit dem Instrument der Mindestreservepflicht dazu verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Kundeneinlagen (z.B. 2%) auf einem Einlagenkonto des Eurosystems „stillzulegen“. Die Deutsche Bundesbank ist die Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland. Ihre geldpolitischen Aufgaben beschränken sich auf die Entgegennahme von Weisungen des EZBDirektoriums. Im Rahmen dieser Weisungen ist die Bundesbank z.B. bei der Abwicklung von Offenmarktgeschäften zwischen der EZB und den deutschen Geschäftsbanken beteiligt. Daneben nimmt die Bundesbank etliche weiterer Aufgaben wahr: •

• • •

Sie ist die „Bank der Banken“ in Deutschland. Alle Geschäftsbanken müssen bei ihr Konten unterhalten, deren Nummern übrigens mit den Ihnen bekannten Bankleitzahlen übereinstimmen. Auch müssen die deutschen Geschäftsbanken die von der EZB festgelegten Mindestreserven bei der Bundesbank unterhalten. Die Bundesbank ist die Hausbank des Bundes und wirkt bei der Emission von Bundeswertpapieren mit. Sie verwaltet zudem Devisenreserven und Goldvorräte. Sie ist zuständig für die Ausgabe der Euro-Münzen in Deutschland und die Bargeldversorgung der deutschen Kreditinstitute. Die Bundesbank wirkt ferner bei der Beaufsichtigung der Geschäftsbanken mit und erstellt bank- und volkswirtschaftliche Statistiken und Gutachten.

1.2 Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft

1.2.2

17

Begriff und Arten von Geschäftsbanken

Die Geschäftstätigkeit deutscher Banken ist durch eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen etc. reglementiert. Ein Großteil dieser Vorschriften zielt darauf ab, Bankkunden vor der Übervorteilung beim Vertragsabschluss und vor Verlusten aus abgeschlossenen Verträgen zu schützen. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Kreditwesengesetz (KWG) zu, in dem – nebenbei bemerkt – nicht von „Banken“, sondern von „Kreditinstituten“ die Rede ist. Wir wollen hier beide Ausdrücke synonym verwenden. In § 1 des KWG werden Kreditinstitute als Unternehmen definiert, die Bankgeschäfte betreiben. Was unter Bankgeschäften zu verstehen ist, wird danach abschließend aufgezählt. Diese Liste umfasst u.a. die folgenden hier zur beispielhaften Verdeutlichung aufgezählten Geschäftsarten: Einlagengeschäft Annahme fremder Gelder mit dem Versprechen der späteren Rückzahlung, unabhängig davon, ob Zinsen vergütet werden oder nicht. Kreditgeschäft Gewährung von Gelddarlehen und von Akzeptkrediten. Diskontgeschäft Ankauf von Wechseln und Schecks vor ihrer Fälligkeit. Finanzkommissionsgeschäft Durchführung von Kauf- und Verkaufaufträgen in Wertpapieren für andere, aber im eigenen Namen. Depotgeschäft Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere. Emissionsgeschäft Übernahme von Wertpapieren für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien. Rechercheaufgabe:* Eine aktuelle Lesefassung des Kreditwesengesetzes finden Sie auf der Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin):  www.bafin.de Verschaffen Sie sich dort – oder auf anderem Wege – einen Überblick über die Gesamtheit der in § 1 definierten Bankgeschäfte! Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen als Kreditinstitut gilt und damit den Vorschriften des KWG unterliegt, ist, dass es mindestens eine dieser Geschäftsarten betreibt, und zwar in einem solchen Umfang, dass dies „einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“ (§ 1 Abs. 1, Satz 1 KWG). Von dieser Regelung ausgenommen sind lediglich die in § 2 KWG genannten Institutionen und Unternehmen, darunter unter anderem auch *

Im Laufe dieses Buches werden Sie ab und an auf „Rechercheaufgaben“ treffen, die Ihnen den Anlass geben sollen, sich über das eine oder andere rechtliche, institutionelle oder statistische Detail selbst – in der Regel mit Hilfe des Internets – zu informieren. Zu diesen Aufgaben präsentieren wir Ihnen aus naheliegenden Gründen keine Lösungshinweise.

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1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

– die Deutsche Bundesbank, – Versicherungsunternehmen sowie – Pfandleihinstitute. Die Gruppe der Kreditinstitute im Sinne von § 1 KWG wollen wir im Folgenden in Abgrenzung zum Bereich des Zentralbanksystems als die Geschäftsbanken bezeichnen. Die Geschäftsbanken können in Anlehnung an die Statistik der Deutschen Bundesbank in der durch Abb. 1.06 verdeutlichten Weise in mehrere Gruppen untergliedert werden.

Abb. 1.06:

Struktur des Geschäftsbankensystems in der Bundesrepublik Deutschland

Universalbanken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein breites Spektrum der allgemein nachgefragten Bankleistungen anbieten, während sich die Spezialbanken – ihrer Bezeichnung entsprechend – oftmals nur auf eine einzige Geschäftsart konzentrieren. Um Ihnen eine grobe Vorstellung von der Anzahl der verschiedenen, in Deutschland tätigen Kreditinstitute zu geben, sei erwähnt, dass sich die Zahl der Genossenschaftsbanken auf etwas über 1.000 und die der Sparkassen auf knapp 500 beläuft, während die privaten Geschäftsbanken mit weniger als 300, zumindest ihrer Anzahl nach, die kleinste Universalbankengruppe darstellen. Die Zahl der Spezialbanken ist naturgemäß sehr viel geringer; insgesamt gibt es von ihnen weniger als 100.

1.2 Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft

19

Rechercheaufgabe: Über aktuelle Entwicklungen können Sie sich in der „Bankenstatistik“ der Deutschen Bundesbank auf dem Laufenden halten, die Sie den monatlich erscheinenden „Monatsberichten“ entnehmen können oder im Internet finden:  www.bundesbank.de Unter den Rubriken „Statistik“ finden Sie eine Vielzahl statistischer Informationen, insbesondere zur „Bankenstatistik“. Versuchen Sie dort über die Statistik „wichtige Aktiva und Passiva der Banken in Deutschland nach Bankengruppen“ genauere Zahlen über die Stärke der drei Gruppen von Universalbanken herauszufinden! Wir werden im Folgenden zunächst den Bereich der Universalbanken etwas näher verdeutlichen (Abschnitte 1.2.3 und 1.2.4) und anschließend kurz auf die Spezialbanken eingehen (Abschnitt 1.2.5).

1.2.3

Das Leistungsangebot von Universalbanken im Überblick

Universalbanken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein breites Spektrum unterschiedlicher Finanzdienstleistungen anbieten. Dabei können mit – Anlageleistungen, – Finanzierungsleistungen, – Risikoübernahmeleistungen sowie – Zahlungsverkehrsleistungen vier grundlegende Kategorien von Bankleistungen unterschieden werden. Im Hinblick auf diese Leistungen treten Banken einerseits als unmittelbare Vertragspartner, also als Finanzintermediäre i.e.S. auf, bei anderen Leistungen erbringen Banken hingegen nur Vermittler- und Beratungsleistungen, agieren also als Finanzintermediäre i.w.S. (1) Anlageleistungen Banken halten sich zum einen bereit, Gelder in verschiedenen Formen zur verzinslichen Anlage – etwa als Spar- oder Termineinlagen – entgegenzunehmen. Daneben sind Banken bei anderen Formen der Vermögensanlage als Vermittler tätig. Dies gilt insbesondere für den Erwerb von Wertpapieren sowie auch für die Vermögensanlagen in Lebensversicherungen. In Abrundung derartiger Vermittlungsleistungen bieten die Banken zudem etliche weitere Dienstleistungen an, wie z.B. die Anlage- und Vermögensberatung, die Verwahrung von Wertpapieren, die Ausübung von Stimmrechten etc. (2) Finanzierungsleistungen Als Gegenpol zu dem Einlagengeschäft bieten Universalbanken zugleich ein breites Spektrum unterschiedlicher Formen von Darlehen an, wobei sie selbst unmittelbar als Gläubiger auftreten. Daneben treten Banken jedoch auch im Finanzierungsbereich als Vermittler auf. So gehört etwa die Mithilfe bei der Ausgabe von Wertpapieren anderer Emittenten seit langem zum traditionellen Bankgeschäft. Hinzu kommen aber auch weitere Vermittlungen, etwa von Leasingangeboten, Hypothekarkrediten, Factoringabschlüssen etc. Auf einige ausgewählte Finanzierungsleistungen werden wir in Kapitel 2 noch etwas näher eingehen.

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1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

(3) Risikoübernahmeleistungen Die Übernahme bestimmter Arten von Risiken in Form von Bürgschaften und Garantien sowie ggf. auch durch das Akzeptieren von Wechseln stellt ein weiteres Segment traditioneller Bankleistungen dar. Ähnlich wie schon im Hinblick auf die Anlageleistungen angemerkt – und z.T. in Überlagerung mit diesem Leistungsbereich – werden Banken zudem auch beim Abschluss der unterschiedlichsten Versicherungen vermittelnd tätig. (4) Zahlungsverkehrsleistungen Die Zahlungsverkehrsleistungen der Banken beziehen sich in erster Linie auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Ausgangspunkt für die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ist der Unterhalt von Bankguthaben in Form sogenannter Sichteinlagen. Darunter versteht man Guthaben, – die jederzeit in beliebiger Höhe wieder abgerufen werden können und – über die außer durch Barabhebung auch unbegrenzt mit den Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (s.u.) verfügt werden kann. Die Abrechnung der Zahlungsbewegungen erfolgt auf sog. Girokonten (auch laufendes Konto, Lohn- und Gehaltskonto, Kontokorrentkonto oder ähnlich genannt). Dabei gestatten die Banken dem Kontoinhaber häufig, das Konto zu „überziehen“,4 d.h. auch dann noch bargeldlose Zahlungen zu leisten, wenn das Konto gar nicht mehr einen entsprechenden Guthabenbestand aufweist. Aus dem Guthaben wird dann vorübergehend eine häufig als Dispo-Kredit oder auch Kontokorrentkredit bezeichnete Kreditbeziehung. Guthaben auf derartigen Konten werden in aller Regel sehr niedrig (z.B. mit 0,5% p.a.) oder gar nicht verzinst. Bei Überziehungen werden demgegenüber recht hohe Zinsen belastet; die Sätze wechseln je nach der gesamten Zinssituation, liegen aber nicht selten oberhalb von 10% p.a. Die Abrechnung der Girokonten erfolgt in der Regel quartalsmäßig, gelegentlich auch monatlich. Dabei werden die im Abrechnungszeitraum aufgelaufenen Guthabenzinsen gutgeschrieben, während die Schuldzinsen und etwaige Kontoführungsgebühren belastet werden. Leistungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind darauf ausgerichtet, den Ausgleich eines Zahlungsanspruchs in der Weise zu bewirken, dass eine Buchungskette ausgelöst wird, durch die – eine Belastung auf dem Konto des Zahlungsverpflichteten erfolgt und zugleich – eine Gutschrift auf einem Konto des Anspruchsberechtigten verursacht wird. Dazu stehen mit der Überweisung, dem Scheck und der Lastschrift im wesentlichem drei Instrumente bereit. Mit der Überweisung weist der Kontoinhaber seine Bank an, unter Belastung seines Kontos die Gutschrift auf dem Empfängerkonto zu bewirken. Sofern dessen Konto nicht auch bei der beauftragten Bank geführt wird, bedarf es dazu möglicherweise etlicher Zwischenschritte über mehrere Banken hinweg.

4

In der Bankpraxis wird der Begriff der „Kontoüberziehung“ i. d. R. erst dann verwendet, wenn die Kreditbeanspruchung über das eingeräumte Kreditlimit hinaus erfolgt.

1.2 Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft

21

Übungsaufgabe 1.03: ALPHA hat bei der BETA-Versand AG Bücher im Rechnungsbetrag von 1.000 Euro bestellt und will diesen Betrag durch Überweisung von seinem Girokonto bei der A-Bank auf das BETA-Konto bei der B-Bank begleichen. Das Girokonto von ALPHA weist aktuell ein Guthaben von 2.500 Euro auf; die BETA hat ihren Kontokorrentkredit zu 987.000 Euro beansprucht. Der Verkehr zwischen A- und B-Bank wird über ihre Konten bei der Zentralbank (Z) abgewickelt, die beide Guthaben von mehreren Mio. Euro aufweisen. Beschreiben Sie genau (auch anhand der jeweiligen Buchungssätze bei A, B und Z), welche Kontobewegungen durch die Abwicklung der betrachteten Überweisung ausgelöst werden! Der Scheck stellt – insoweit wie die Überweisung – eine Anweisung des Scheckausstellers an seine Bank dar, eine bestimmte Zahlung zu leisten. Durch den weithin üblichen Zusatz „nur zur Verrechnung“ wird dabei sichergestellt, dass die Ausführung dieser Anweisung nicht durch Barzahlung, sondern ebenfalls nur im Wege einer Kontengutschrift erfolgen kann. Im Gegensatz zur Überweisung geht die Initiative zur Ausführung der in dem Scheck enthaltenen Anweisung jedoch nicht von dem Kontoinhaber, sondern von dem Empfänger selbst aus. Dazu reicht er den ihm von dem Kontoinhaber übergebenen Scheck seiner Bank ein, die ihn – möglicherweise wieder über mehrere Zwischenschritte – an die Bank des Ausstellers zur Belastung von dessen Konto weiterleitet. Bei der Lastschrift schließlich liegt die Initiative für den konkreten Zahlungsvorgang ausschließlich beim Zahlungsempfänger. Er wendet sich ohne weitere Beteiligung des Kontoinhabers über seine eigene Bank – und ggf. wieder eine Kette zwischengeschalteter weiterer Banken – durch Vorlage des sog. Lastschriftformulars an dessen Bank mit der Bitte, die gewünschte Buchungskette auszulösen und das Konto des Kontoinhabers zu belasten. Dieser „Verfügung über ein fremdes Konto“ liegt – entweder eine unmittelbare Ermächtigung des Zahlungsempfängers durch den Kontoinhaber zugrunde, die sog. Einzugsermächtigung, – oder ein pauschaler Auftrag, den der Kontoinhaber seiner Bank erteilt hat, der sog. Abbuchungsauftrag. Als ergänzende Dienstleistung bieten die Banken die „girocard“ an, im allgemeinen Sprachgebrauch eher als „ec-Karte“ oder einfach „Bankkarte“ bekannt. Über die Magnetstreifencodierung oder einen integrierten Chip kann die Scheckkarte zur Begleichung bestimmter Einkäufe im Zuge des Lastschriftverfahrens genutzt werden. Folgendes Schema fasst die wichtigsten Arten von Bankdienstleistungen noch einmal überblickartig zusammen:

22

Abb. 1.07:

1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Bankleistungen im Überblick

1.2 Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft

1.2.4

23

Die Struktur des deutschen Universalbankensystems

Im Einzelnen umfassen die Universalbanken drei große Bankengruppen, nämlich – die privaten Geschäftsbanken (in der Bundesbankstatistik missverständlich als „Kreditbanken“ bezeichnet), – die Institute des Sparkassensektors und – die Banken des Genossenschaftssektors, die im Folgenden jeweils kurz charakterisiert werden. Die privaten Geschäftsbanken Diese Bankengruppe wird nach der Statistik der Deutschen Bundesbank weiter untergliedert in die – Großbanken (z.B. die Deutsche Bank AG); – Regionalbanken und sonstige Kreditbanken; – Zweigstellen ausländischer Banken. Zur Vertretung gemeinsamer Interessen haben sich die privaten Geschäftsbanken im Bundesverband deutscher Banken e.V. zusammengeschlossen. Im Bereich dieses Verbandes ist ein Einlagensicherungsfonds (sog. Feuerwehrfonds) gebildet worden. Aus diesem Fonds sollen die Einleger von Kreditinstituten, die ihren Rückzahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können, die entsprechenden Leistungen erhalten. Die maximale Sicherungsleistung für den einzelnen Einleger ist allerdings auf einen Betrag in Höhe von 30% des sogenannten „haftenden Eigenkapitals“, einer aus dem bilanziellen Eigenkapital abgeleiteten Kennzahl, des jeweiligen Instituts begrenzt. Dies führt bei privaten Anlegern in aller Regel zu einer vollständigen Sicherung ihrer Einlagen. Die Mitgliedschaft in diesem Sicherungsfonds ist allerdings nicht zwingend vorgeschrieben, sodass einzelne Kreditinstitute ihm nicht angehören. Für diese Institute greift das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG). Danach haben die Ein- bzw. Anleger – sofern ein Institut nicht in der Lage ist, die Einlagen zurückzuzahlen oder Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen – einen Rechtsanspruch auf eine in ihrer Höhe allerdings begrenzte Entschädigung. Näheres ist § 4 EAEG zu entnehmen. Die Banken dieser Gruppe werden ausschließlich in Rechtsformen des privaten Rechts betrieben, wobei die Kapitalgesellschaften, also GmbH und AG, deutlich überwiegen. Die Neuzulassung von Banken in der Rechtsform des Einzelkaufmanns ist seit 1976 nicht mehr möglich. Etliche dieser Institute, insbesondere die Großbanken, unterhalten oftmals 100%-ige Beteiligungen an verschiedenen Spezialbanken, insbesondere an Realkreditinstituten, Bausparkassen und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Der Sparkassensektor Diese Bankengruppe besteht aus – den Sparkassen, deren Geschäftstätigkeit grundsätzlich auf ihr Geschäftsgebiet (Gemeinde, Kreis) beschränkt ist, – den Landesbanken (früher auch als „Girozentralen“ bezeichnet), die in bestimmten Regionen als Spitzeninstitut des dortigen Sparkassenbereichs fungieren sowie – der DEKA-Bank – Deutsche Kommunalbank oder Girozentrale, die insbesondere im Investmentgeschäft bestimmte zentrale Funktionen für den gesamten Sparkassenbereich wahrnimmt.

24

1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Abgesehen von wenigen sog. „freien“ Sparkassen werden die Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts überwiegend von Gemeinden oder Kreisen getragen. Die DEKA-Bank und die meisten Landesbanken sind ebenfalls juristische Personen des öffentlichen Rechts; ihre Träger sind in jeweils unterschiedlicher Zusammensetzung die regionalen Sparkassenund Giroverbände, die zugehörigen lokalen Sparkassen und verschiedene öffentliche Gebietskörperschaften bzw. die Landesbanken und der DSGV. Dem Sparkassensektor angegliedert oder nahestehend sind außerdem verschiedene Spezialbanken, insbesondere Landesbausparkassen (LBS) und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Der Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben dienen mehrere regionale Sparkassen- und Giroverbände sowie als übergeordnete Verbandsorganisation der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Zur Sicherung der Einlagen bestehen mehrere regionale Sicherungsfonds der Sparkassen sowie die Sicherungsfonds der Landesbanken und Landesbausparkassen. Sämtliche Fonds sind untereinander zu einem umfassenden Haftungsverbund verknüpft. Der Genossenschaftssektor Diese Bankengruppe umfasst – i. d. R. nur lokal tätige Kreditgenossenschaften, die häufig als „Volksbanken“, „Sparund Darlehenskassen“ oder „Raiffeisenbanken“ firmieren sowie – zwei genossenschaftliche Zentralbanken (DZ-Bank AG und WGZ-Bank AG). Auf regionaler Ebene sind regionale Genossenschaftsverbände tätig, die gemeinsam mit den übergeordneten Instituten dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. angehören. Im Rahmen dieses Zentralverbandes ist auch ein zentraler Garantiefonds gebildet worden, dessen Aufgabe es ist, die Mitgliedsbanken zu unterstützen, wenn deren Existenz bedroht ist. Die Kreditgenossenschaften werden – ebenso wie die WGZ-Bank eG – ganz überwiegend in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) geführt. Die andere Zentralbank wird demgegenüber als Aktiengesellschaft (DZ-Bank AG) betrieben. Über unterschiedliche Beteiligungsformen bestehen außerdem enge Beziehungen zu verschiedenen Spezialbanken, insbesondere Realkreditinstituten, Bausparkassen und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Die Marktanteile der drei großen Bankengruppen im Geschäft mit der privaten Kundschaft liegen in etwa bei – 50% für den Sparkassensektor, – 30% für die privaten Geschäftsbanken, wovon wiederum rd. 2/3 auf die Großbanken entfallen, sowie – 20% für den Genossenschaftssektor. Rechercheaufgabe: Überprüfen Sie die letzten Angaben mit Hilfe der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank oder über das Internet  www.bundesbank.de Stellen Sie an Hand des statistischen Teils soweit wie möglich fest, wie sich die „Kredite an Nichtbanken“ und die „Einlagen von Nichtbanken“ prozentual auf die drei Gruppen von Universalbanken verteilen!

1.2 Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft

1.2.5

25

Die Spezialbanken

Spezialbanken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich auf einen eingeschränkten Kreis von Bankgeschäften spezialisiert haben und diese ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend betreiben. Im Gegensatz zu den Universalbanken erbringen die Spezialbanken also nicht das gesamte Spektrum bankbetrieblicher Leistungen. Realkreditinstitute zeichnen sich dadurch aus, dass sie – langfristige, grundpfandrechtlich gesicherte Kredite (Hypothekarkredite) und – Darlehen an öffentliche Stellen (Kommunaldarlehen) vergeben. Die Mittelbeschaffung erfolgt durch breit gestreute Ausgabe von Schuldverschreibungen in Form von sogenannten Pfandbriefen. Schuldner dieser Schuldverschreibungen sind die Realkreditinstitute. Die aus der Darlehensvergabe resultierenden Ansprüche gegenüber Grundeigentümern und Kommunen bilden jedoch eine gesonderte Deckungsmasse für diese Schuldverschreibungen, so dass diese indirekt letztlich durch „Grund und Boden“ bzw. die „Steuerkraft der Kommunen“ gesichert ist. Lange Zeit war es ein Privileg der Realkreditinstitute und der Landesbanken, sich durch die Ausgabe von Pfandbriefen zu finanzieren. Seit 2005 steht dieses Recht allen Kreditinstituten zu, die bestimmte Voraussetzungen des Pfandbriefgesetzes erfüllen. Bausparkassen nehmen auf der Basis langfristig abgeschlossener Bausparverträge Spareinlagen entgegen. Nach Erreichen einer bestimmten Sparsumme (und ggf. weiterer Voraussetzungen) werden die Guthaben ausgezahlt und zusätzliche Bauspardarlehen zur Finanzierung des Baus, des Erwerbs, der Renovierung oder der Entschuldung von Wohneigentum gewährt. Diese Darlehen werden i. d. R. durch nachrangige Grundpfandrechte (Hypothek oder Grundschuld) gesichert. D.h., dass die Bausparkassen bei einer zwangsweisen Verwertung der beliehenen Immobilie erst zum Zuge kommen, wenn der Inhaber des vorrangigen Grundpfandrechtes seinen Anspruch vollständig realisieren konnte. Das Spezifikum von Bausparkassen besteht dabei darin, dass sich die aktuellen Geldnehmer überwiegend aus früheren Bausparern rekrutieren. Übungsaufgabe 1.04: ALPHA hat eine Immobilie im geschätzten Verkehrswert von 500.000 Euro erworben. Finanziert hat er den Erwerb aus eigenen Mitteln und – einem Darlehen der Hypo-Bank von 280.000 Euro, für das eine entsprechende Grundschuld „an erster Stelle“ eingetragen ist sowie – einem nachrangig gesicherten Bauspardarlehen von 120.000 Euro. Nach einiger Zeit muss ALPHA die Zahlungen an die Banken einstellen und seine Immobilie wird zwangsweise versteigert. Wie wird der Versteigerungserlös auf die Beteiligten aufgeteilt, wenn dieser nach Abzug aller Kosten (1) 250.000 Euro (2) 350.000 Euro (3) 450.000 Euro beträgt?

26

1 Finanzintermediäre als Anbieter von Finanzdienstleistungen

Banken mit Sonderaufgaben stellen eine recht heterogene Gruppe von Banken dar, die überwiegend historisch bedingte Sonderaufgaben wahrzunehmen haben, die von anderen Instituten nicht hinlänglich erfüllt werden (können). Zu den bekanntesten Instituten dieser Gruppe zählen: •

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Ursprüngliche Aufgabe: Vergabe von Darlehen zum „Wiederaufbau“ der deutschen Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg im Rahmen des sog. Marshall-Plans; heutige Aufgabe: Förderung der Bereiche Infrastruktur, Soziales und Bildung oder Umwelt. Darüber hinaus bietet die KfW-Mittelstandsbank, die durch Fusion von Deutscher Ausgleichsbank (DtA) und KfW entstanden ist, Förderprogramme aus den Bereichen Unternehmensfinanzierung, Existenzgründung und Beteiligungsfinanzierung. • Landwirtschaftliche Rentenbank Aufgabe: Finanzierungsleistungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. • Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank) Aufgabe: Finanzierung ländlicher Infrastrukturinvestitionen. Heute ist die DSL Bank ein Geschäftsbereich der Deutschen Postbank AG und bietet Finanzdienstleistern Immobilien-Finanzierungsleistungen für deren Kunden an. • IKB Deutsche Industriebank AG Aufgabe: Vergabe von lang- und mittelfristigen Investitionskrediten unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse von Klein- und Mittelunternehmen. Kapitalverwaltungsgesellschaften – häufig auch als Investmentgesellschaften bezeichnet – bündeln die Gelder vieler verschiedener Anleger, indem sie verbriefte Anteile an Investmentfonds ausgeben (sog. Investmentzertifikate) und diese Fonds nach dem Prinzip der Risikomischung verwalten. Sie erweitern damit die Anlagemöglichkeiten von Geldgebern, denen entweder wegen nicht ausreichender Größe ihres Geldvermögens oder infolge unzureichenden ökonomischen Wissens bestimmte Geldanlagen nicht zur Verfügung stehen. Wertpapiersammelbanken übernehmen für die übrigen Banken und deren Kunden die Verwahrung und Verwaltung von börsengängigen Wertpapieren wie z.B. börsennotierten Schuldverschreibungen oder Aktien. In Deutschland betreibt dieses Geschäft z. Zt. nur ein Institut, das heute unter der Bezeichnung Clearstream Banking firmiert.5 Es ist Abwicklungspartner für alle Geschäfte in XETRA, dem elektronischen Handelssystem der Börse, und Zentralverwahrer für deutsche Wertpapiere. Auf internationaler Ebene ist es in der Funktion Verwahrung und Geschäftsabwicklung mit Lagerstätten in rund 50 Ländern präsent. Unter die Rubrik „Sonstigen Banken“ fallen insbesondere die sogenannten Servicebanken. Diese übernehmen z. B. die Wertpapierabwicklung, den Zahlungsverkehr oder die Depotverwaltung im Zuge des sogenannten Outsourcing (gesetzlich geregelt in § 25a KWG) von anderen Banken.

5

Es handelt sich dabei um ein Unternehmen innerhalb des Konzerns Deutsche Börse AG.

1.2 Struktur und Leistungsangebot der deutschen Bankwirtschaft

27

Übungsaufgabe 1.05: Erläutern Sie für die nachfolgend genannten Institutionen, ob es sich um Kreditinstitute im Sinne des KWG handelt sowie worin die besonderen Spezifika bei der Geldaufnahme und Geldvergabe bestehen! a) Realkreditinstitute b) Wertpapierbörsen c) Spielbanken d) Deutsche Bank AG e) Deutsche Bundesbank

2

Das Angebot von Finanzierungsleistungen

2.1

Grundbegriffe

2.1.1

Vorbemerkung

Wie wir gesehen haben, bieten die Finanzintermediäre den übrigen Wirtschaftssektoren einerseits Finanzierungs- und andererseits Anlageleistungen an. Diese beiden Angebotsarten sollen im Folgenden etwas näher dargestellt werden, wobei wir in diesem Kapitel zunächst das Angebot von Finanzierungsleistungen betrachten. Grundsätzlich können Finanzintermediäre solche Leistungen in zweifacher Weise anbieten, nämlich – zum einen, indem sie selbst unmittelbar als Geldgeber auftreten (Eigenleistung), – zum anderen, indem sie Geldgeber vermitteln (Vermittlungsleistung). Den eindeutigen Schwerpunkt des Leistungsangebots der Finanzintermediäre im engeren Sinne bilden dabei die Eigenleistungen, die wir im Folgenden in den Abschnitten 2.2 bis 2.5 näher darstellen werden. Bei diesen von Finanzintermediären i.e.S. selbst erbrachten Finanzierungsleistungen stehen Maßnahmen der Fremdfinanzierung – der Finanzintermediär erwirbt mit der Zahlungsmittelüberlassung Forderungen gegen seinen Kunden, wird also dessen Gläubiger – im Vordergrund. Für die nachfolgende Darstellung der entsprechenden Finanzierungsinstrumente erweist es sich als zweckmäßig, einige allgemeine Grundbegriffe vorab zu erläutern. Dies geschieht in den folgenden Abschnitten 2.1.2 bis 2.1.6, ehe in den Abschnitten 2.2 bis 2.4 einige bedeutsame Instrumente der Fremdfinanzierung ausführlicher dargestellt werden. Der Abschnitt 2.5 widmet sich dann einer im Vergleich zur Fremdfinanzierung viel seltener erbrachten Eigenleistung von Finanzintermediären i.e.S, nämlich der Eigenfinanzierung – der Finanzintermediär erwirbt mit der Zahlungsmittelüberlassung keine Gläubigerposition, sondern Teilhaberrechte. Daneben treten insbesondere Banken, aber gelegentlich auch andere Unternehmen, nur vermittelnd auf. Dies ist bei der Emissionsfinanzierung der Fall, bei der sich Unternehmen (oder auch die öffentliche Hand) in der Weise Zahlungsmittel beschaffen, dass sie einem breiten Anlegerpublikum Wertpapiere in kleiner Stückelung zum Kauf anbieten. Bei der „Platzierung“ dieser Wertpapiere, in denen Gläubiger- oder Teilhaberrechte verbrieft sein können, übernehmen in der Regel sog. Emissionskonsortien von Banken eine vermittelnde Funktion. Wir werden darauf im Abschnitt 2.6 näher eingehen.

30

2.1.2

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Zur allgemeinen Systematisierung von Instrumenten der Fremdfinanzierung

Instrumente der Fremdfinanzierung, d.h. solche Finanzkontrakte, bei denen dem Geldgeber in einem etwaigen Insolvenzfall die Position eines Gläubigers zusteht, können nach unterschiedlichen Gesichtspunkten systematisiert werden. Einige der gängigsten Systematisierungskriterien sind die folgenden, deren im Einzelfall jeweils anzutreffende Ausprägung Antwort auf die Fragen erteilt, wer, wofür, wie und wie lange Kredit gibt. Fristigkeit des Finanzkontraktes Dieses Kriterium bezieht sich – bei Finanzkontrakten, die auf unbestimmte Dauer abgeschlossen werden, auf die vereinbarte Kündigungsfrist, – ansonsten auf den Zeitraum bis zur Beendigung des Kontraktes, i.d.R. durch vollständige Tilgung der (Rest-)Schuld. Die daran anknüpfende Einteilung in kurz-, mittel- und langfristige Finanzierung ist allerdings insofern etwas problematisch, als keine natürlichen oder allgemein definierten Abgrenzungen zwischen diesen Fristigkeitsstufen bestehen. Folgende Tabelle verdeutlicht dies an Hand der in – den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank und – den Vorschriften für die Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Kapitalgesellschaften gem. §§ 268 Abs. 5, 285 Nr. 1a HGB anzutreffenden Abgrenzungen. Tab. 2.01: Fristigkeit kurzfristig mittelfristig langfristig

Verschiedene Fristeneinteilungen Deutsche Bundesbank bis zu einem Jahr über ein Jahr, bis unter vier Jahren vier Jahre und darüber

HGB bis zu einem Jahr über ein Jahr, bis zu fünf Jahren mehr als fünf Jahre

Herkunft des Gläubigers Nach diesem Kriterium ist speziell bei der Finanzierung von Unternehmen zunächst zu unterscheiden, ob der Gläubiger dem Leistungsbereich oder dem Finanzbereich des Schuldnerunternehmens zuzurechnen ist. Dem Leistungsbereich zuzurechnen sind vor allem Anzahlungen von Kunden und Kredite von Lieferanten; auf derartige Finanzierungsinstrumente werden wir hier nicht weiter eingehen. Im Finanzbereich können entsprechend den verschiedenen Wirtschaftssubjekten folgende Gläubiger unterschieden werden: – Privatpersonen, insbesondere Gesellschafter des Schuldnerunternehmens (Gesellschafterdarlehen), – Unternehmen, vor allem Kreditinstitute (Bankkredite) und Versicherungen (Versicherungsdarlehen) sowie die – Öffentliche Hand (Staatskredite, häufig mit Subventionscharakter).

2.1 Grundbegriffe

31

Zweck des Finanzkontraktes Im Hinblick auf dieses Kriterium findet man zunächst die grundlegende Unterscheidung zwischen – Investitionsfinanzierung (z.B. Investitionskredit, Investitionsgüterleasing etc.) und – Konsumfinanzierung im weiteren Sinne (z.B. Anschaffungsdarlehen, Konsumgüterleasing etc.). Als weitere nach dem Zweck benannte Kredite findet man z.B. den Saisonkredit, den Überbrückungskredit, den Importkredit, den Baukredit, den Effektenkredit etc. Geld- oder Kreditleihe Die Geldleihe besteht in der zeitweiligen Überlassung von Zahlungsmitteln. Diese Zahlungsmittelüberlassung geschieht in der Regel sofort bzw. recht bald nach dem Abschluss des Kreditvertrages, zuweilen jedoch auch zu einem erheblich späteren Zeitpunkt, z.B. zwei Jahre nach Vertragsabschluss („Forward-Darlehen“). Der Gläubiger verpflichtet sich also, Zahlungsmittel an den Schuldner zu übertragen, der seinerseits die Verpflichtung eingeht, Zahlungsmittel in der ihm überlassenen Höhe zuzüglich der vereinbarten Zinsen zu einem oder mehreren späteren Zeitpunkten an seinen Geldgeber zu zahlen. Bei der Kreditleihe werden dem Schuldner demgegenüber gar keine Zahlungsmittel übertragen; der Gläubiger verpflichtet sich vielmehr lediglich für den Fall zur Zahlung, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen einem Dritten gegenüber nicht nachkommen kann. Dadurch, dass der Gläubiger sich zur Abdeckung gewisser Verbindlichkeiten des Schuldners verpflichtet, werden für letzteren insbesondere dann die Möglichkeiten der eigenen Kreditaufnahme verbessert, wenn die Bonität des (Kreditleihe-) Gläubigers in den Augen sonstiger Kreditgeber besser erscheint als seine eigene. Formen der Kreditleihe sind insbesondere der Akzept- und der Avalkredit, auf die wir im Abschnitt 2.2 noch näher eingehen werden. Auf die teils gesetzlich, teils in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditgebern geregelten Kündigungsmöglichkeiten werden wir im Abschnitt 2.1.5 noch näher eingehen. Übertragbarkeit der Ansprüche Neben den bislang erörterten Elementen eines Finanzkontraktes kann es für den Geldgeber auch von Interesse sein, welche Möglichkeiten bestehen, seine Ansprüche – z.B. aus Gründen der eigenen Liquiditätssicherung – schon vor Fälligkeit an einen Dritten zu übertragen. Unter diesem Aspekt sind zwei Fälle zu unterscheiden: •

Der Finanzkontrakt ist durch eine Urkunde verbrieft, die als Wertpapier zu qualifizieren ist. In diesem Fall setzt die Geltendmachung des verbrieften Rechts die Vorlage der Urkunde voraus.



Der Finanzkontrakt ist nicht durch eine Wertpapierurkunde verbrieft. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Gläubiger eine Buchforderung gegenüber dem Schuldner hat, wie z.B. beim Kontokorrentkredit oder beim offenen, d.h. nicht durch Wechsel verbrieften Lieferantenkredit. Dies ist auch beim sog. Schuldscheindarlehen der Fall, da der in diesem Fall ausgestellte Schuldschein nicht den Charakter eines Wertpapiers hat. Die zugrundeliegende Forderung kann also auch ohne Vorlage des Schuldscheins geltend gemacht werden: dessen Vorlage erleichtert allerdings im Streitfall den Nachweis, dass der Anspruch zu recht geltend gemacht wird.

32

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

In diesem Zusammenhang können mit der Übertragungsmöglichkeit folgende Wertpapierarten unterschieden werden: •

Inhaberpapiere lauten auf den Inhaber. Das verbriefte Recht wird durch die Übereignung der Urkunde übertragen. Normale Stammaktien oder Inhaberschuldverschreibungen oder auch der übliche (Inhaber)Scheck sind Beispiele für derartige Wertpapiere. • Orderpapiere lauten auf den Namen einer bestimmten Person oder an deren „Order“. Das verbriefte Recht wird durch Indossierung der Urkunde und Übergabe der indossierten Urkunde übertragen. Als Indossament bezeichnet man den Übertragungsvermerk auf der Rückseite der Urkunde. Zu den Orderpapieren zählen z.B. Wechsel oder Namensaktien, die trotz dieser Bezeichnung gerade keine Namenspapiere sind (s. nächster Punkt). Für börsengehandelte Namensaktien ist die Übertragung per Indossament allerdings sehr schwerfällig. Daher wurde für die Börsenabwicklung ein System geschaffen, das auch eine Übertragung durch reine Buchungsakte auf den Depotkonten von Käufer und Verkäufer ermöglicht. Dies bleibt aber jenen Namensaktien vorbehalten, die in ein speziell für Namensaktien bestehendes, elektronisches Abwicklungssystem einbezogen sind. • Namenspapiere (Rektapapiere) lauten auf den Namen einer bestimmten Person. Das verbriefte Recht wird im Gegensatz zu den Inhaber- und Orderpapieren nicht durch Übereignung der Urkunde übertragen, sondern durch Abtretung des Rechts (Zession). Der Eigentumsübergang an der Urkunde folgt dem Übergang des in der Urkunde verbrieften Rechts. Als Beispiel sei die Briefhypothek genannt, die nach § 1154 BGB durch schriftliche Abtretung der Forderung und Übergabe des Hypothekenbriefes vollzogen werden kann. Nicht in der Form von Wertpapieren ausgestaltete Forderungen können durch Vertrag auf einen Dritten übertragen werden (Zession). Der Abtretungsvertrag wird zwischen dem Gläubiger der Forderung und dem Dritten ohne Mitwirkung des Schuldners geschlossen. Der Schuldner braucht von der Abtretung nicht benachrichtigt zu werden. Mit Abschluss des Abtretungsvertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Neben den bisher skizzierten Kriterien werden Instrumente der Fremdfinanzierung insbesondere durch – die Zinsverrechnungsmodalitäten, – die Zahlungsmodalitäten, – die Kündigungsmodalitäten und – die Besicherungsmodalitäten näher charakterisiert. Auf diese Aspekte gehen wir in den folgenden vier Abschnitten gesondert ein.

2.1.3

Zinsverrechnungsmodalitäten

Bezüglich der Verzinsung sind insbesondere Höhe und Bezugsgröße des Nominalzinses sowie die Termine der Zinsbelastung zu beachten. Der Nominalzins bezeichnet den vertraglich vereinbarten Zinssatz, der bei der in ihren Varianten im Folgenden noch näher darzustellenden Berechnung der jeweiligen Zinsschuld anzusetzen ist. Bezüglich der Festlegung seiner Höhe bestehen im Wesentlichen folgende vier Möglichkeiten:

2.1 Grundbegriffe •

33

Der Zinssatz wird für die gesamte Laufzeit des Kreditvertrages starr festgelegt.



Der Zinssatz wird für einen Teilabschnitt des Kreditvertrages starr festgelegt. Am Ende der entsprechenden Zinsbindungsfrist ist im Rahmen des ansonsten unverändert fortbestehenden Kreditverhältnisses eine neue Zinsvereinbarung zu treffen. Häufig wird dem Kreditnehmer zu diesen Zeitpunkten allerdings zusätzlich ein Kündigungsrecht zugestanden. • Der Zinssatz wird an eine andere Größe gekoppelt, z.B. an einen Marktzinssatz. Eine entsprechende Zinsgleitklausel könnte etwa vorsehen, dass der jeweils anzurechnende Zinssatz um 3 Prozentpunkte über dem jeweiligen Satz für kurzfristige Refinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank liegt. Eine andere verwendete Bezugsgröße stellt der sog. EURIBOR dar, d.h. der Zinssatz, zu denen Banken in der Europäischen Währungsunion bereit sind, anderen Banken kurzfristig, z.B. für 3 Monate, Geld zu leihen. • Der Kreditgeber kann den anzusetzenden Zinssatz entsprechend einer vereinbarten Zinsgleitklausel jeweils an die „allgemeine Zinsentwicklung“ anpassen. Bei der Bezugsgröße interessiert die Frage, auf welche Größe der in Prozent ausgedrückte Nominalzinssatz zur Berechnung der jeweiligen Zinsbelastung bezogen wird. Hier sind zunächst zwei Grundformen zu unterscheiden: • •

Als Bezugsgröße für die Zinsberechnung dient die verbleibende Restschuld. Alternativ kann der Gesamtbetrag ohne Rücksicht auf bereits erfolgte Tilgung Bezugsgröße für die Zinsberechnung sein. • Eine dritte Variante besteht darin, dass grundsätzlich zwar die Restschuld die Bezugsgröße für den Zins bildet, unterjährliche Tilgungen jedoch nur mit einer bestimmten Verzögerung zinswirksam erfasst werden. Die Zinstermine schließlich legen die Zeitpunkte der buchmäßigen Zinsbelastung, d.h. der Erhöhung der jeweils bestehenden Schuld um den Zinsbetrag fest. Hierbei ist zum einen die Abrechnungsperiode festzulegen, also zu fixieren, ob die Belastung z.B. monatlich, quartalsweise oder jährlich vorgenommen wird. Zum anderen ist zu bestimmen, zu welchen Terminen innerhalb der Abrechnungsperiode die Belastung erfolgt, also etwa vorschüssig (d.h. zu Periodenbeginn), nachschüssig (d.h. zu Periodenende) oder zu einem Zwischentermin. Angesichts der zahlreichen, preisbeeinflussenden Faktoren, wie z.B. eines Disagios (s. unten Abschnitt 2.1.4), verschiedener Zins- und Tilgungstermine, eventueller Bearbeitungsgebühren etc., besitzt der Nominalzins nur eine begrenzte Aussagekraft. Man versucht daher durch den sog. Effektivzins in einer einzigen Kennzahl auszudrücken, welche durchschnittliche jährliche prozentuale Belastung sämtliche Zahlungen für Zins und Tilgung sowie sonstige preisbestimmende Bestandteile darstellen, wenn man sie auf den effektiven Auszahlungsbetrag bezieht und unter Berücksichtigung von Zins und Zinseszins auf die gesamte Laufzeit umrechnet. Die Berechnung des Effektivzinses ist im Allgemeinen mathematisch recht aufwendig (Iterativverfahren), das folgende Beispiel erläutert eine Näherungsformel.

34

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Beispiel 2.01: Berechnet werden soll der effektive Zinssatz eines Kredites über nominal 100.000 Euro, Auszahlung zu 95%. Nominalzins i = 10%, Laufzeit n = 4 Jahre. Tilgung in 4 gleichen Jahresraten jeweils am Ende der Periode (Ratentilgung), Zinsbelastung (bezogen auf die jeweilige Restschuld am Jahresanfang) und Zinszahlung jeweils zum Jahresende. Zur Ermittlung der effektiven Zinsbelastung r kann dann beispielsweise folgende Näherungsformel verwendet werden: 100 - C E i + T r = ⋅ 100 CE

i CE T

= = =

Nominalzins Auszahlungskurs = 100 ./. Disagio „mittlere“ Kreditlaufzeit, definiert als Durchschnitt aus der gesamten Kreditlaufzeit (4 Jahre) und der Laufzeit bis zur ersten Tilgungsrate (1 Jahr). Für die Daten unseres Beispiels gilt also i = 10%, CE = 95% und T = 2,5. Mithin errechnet sich als Näherungswert für die Effektivverzinsung: 5 10 + 2, 5 r = ⋅ 100 = 12, 63% 95 Der finanzmathematisch exakte Wert beträgt demgegenüber 12,51%, liegt im vorliegenden Fall also etwas unter dem Näherungswert. Allgemein ist dieser Fehler umso größer, – je länger die Laufzeit des Kredites (T) und – je größer das Disagio (100 – CE) ist. Weitere Divergenzen treten bei der Berücksichtigung unterjährlicher Zahlungen auf. Mit der in dem Beispiel verwendeten Näherungsformel lassen sich sehr einfach weitere preisbestimmende Faktoren berücksichtigen: • •

Zusätzliche einmalige Kreditkosten, wie z.B. Bearbeitungsgebühren, Provisionen etc., können bei Umwandlung in Prozent des Kreditbetrages durch entsprechende Erhöhung des Disagios berücksichtigt werden. Zusätzliche laufende Kreditkosten, die jährlich in gleicher Höhe anfallen, lassen sich als entsprechende Erhöhung des Nominalzinssatzes einbeziehen.

Übungsaufgabe 2.01: Gehen Sie von dem vorstehenden Beispiel aus und stellen Sie fest, wie sich die näherungsweise bestimmte Effektivverzinsung verändert, wenn bei jeweils ansonsten unveränderten Daten a) eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 200 Euro bei der Auszahlung bzw. b) eine jährliche Bearbeitungsgebühr von 50 Euro zusätzlich in Rechnung gestellt würde!

2.1 Grundbegriffe

35

Der Vorteil einer derartigen Kennzahl, in der alle preisbestimmenden Faktoren vereint sind, wird darin gesehen, dass einem potentiellen Kreditnehmer der Vergleich zwischen verschiedenen Kreditangeboten erleichtert wird, diesem also zur Entscheidungsfindung dient. Diese Ansicht hat sich auch der Gesetzgeber zu eigen gemacht und in der Preisangabenverordnung vorgeschrieben, bei der Werbung mit konkreten Kreditkonditionen sowie bei der Unterbreitung von Finanzierungsangeboten den sog. effektiven Jahreszins anzugeben. Durch diese Vorschrift soll eine möglichst hohe Preistransparenz bei Krediten gewährleistet werden. Der effektive Jahreszins nach der Preisangabenverordnung stellt unter Berücksichtigung unterjährlicher Zahlungen einen finanzmathematisch exakten Wert dar: die Anwendung von Näherungsformeln ist für Preisangaben im Sinne der Preisangabenverordnung nicht zulässig. Die Berechnung eines Effektivzinssatzes stellt also einen Versuch dar, zumindest die unmittelbar quantitativ fassbaren Elemente verschiedener Kredite (und auch Anlagemöglichkeiten) zu Vergleichszwecken durch eine einzige Kennzahl zum Ausdruck zu bringen. Es gibt jedoch grundlegende konzeptionelle Zweifel an der Tauglichkeit derartiger Kennzahlen, die im Kern alle darauf hinauslaufen, in der einen oder der anderen Detailvariante den aus der Investitionstheorie bekannten internen Zinsfuß einer Zahlungsreihe zu bestimmen. Ungeachtet dieser theoretisch wohlfundierten Einwände, wird in der Finanzpraxis jedoch ständig mit derartigen Kennzahlen hantiert. Banken sind aufgrund der Preisangabenverordnung (PAngV) sogar in bestimmten Fällen verpflichtet, bei der Werbung für Kreditangebote und beim Abschluss entsprechender Verträge den “effektiven Jahreszins“ anzugeben. Wir wollen daher hier kurz die Grundidee von Effektivzinsberechnungen kurz verdeutlichen und uns dabei auf die AIBD-Methode6 beschränken, die seit dem Jahr 2000 auch in der PAngV vorgeschrieben wird. Ausgangspunkt dieser Methode ist die zeitpunktgenaue Darstellung des mit einem Kreditvertrag verbundenen Stroms von Zahlungen an den Kreditnehmer (Einzahlungen) und dessen Zahlungen an die Bank (Auszahlungen). Die PAngV enthält hier präzisierende Regelungen, welche zusätzliche Elemente neben der eigentlichen Kreditsumme und den Zins- und Tilgungszahlungen wie z.B. Provisionen, Gebühren etc. im Einzelnen in die Ermittlung der Zahlungsreihe einzubeziehen sind und wie sämtliche Zahlungen zeitlich zu lokalisieren sind. Bei einer einmal gegebenen Zahlungsreihe wird dann – genau wie bei dem Konzept des internen Zinsfußes – derjenige Zinssatz gesucht, auf dessen Basis die Endwerte – oder äquivalent dazu – die Kapitalwerte der Einzahlungen einerseits und der Auszahlungen andererseits übereinstimmen. Zur konkreten Umsetzung dieses Ansatzes ist es dann noch erforderlich, die genauen Verzinsungsmodalitäten festzulegen, die den notwendigen Auf- oder Abzinsungsoperationen – insbesondere bei unterjährlichen Zahlungen – zugrunde zulegen sind. Der AIBD-Ansatz und damit auch die PAngV verwenden hier die formal besonders einfache Methode der exponentiellen Verzinsung, die folgendes Beispiel veranschaulicht.

6

AIBD: Association of International Bond Dealers, Name inzwischen geändert in International Securities Market Association (ISMA), die Bezeichnung der Methode nach dem alten Namen hat sich aber erhalten.

36

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Beispiel 2.02: Die BETA-GmbH benötigt im Zusammenhang mit einer mittelfristigen Auftragsfertigung zum 30. September des laufenden Jahres für 18 Monate einen Kredit in der Größenordnung von 1 Mio. Euro. Die Hausbank unterbreitet ein entsprechendes Angebot zu folgenden Konditionen: • Nominelle Kreditsumme 1 Mio. Euro. • Auszahlung zu 98%. • Gesamtfällige Tilgung zum Ende des ersten Quartals des übernächsten Jahres. • Nominalzins 6% p.a.; quartalsweise Zinszahlungen von jeweils 1,5% der nominellen Kreditsumme vom Ende des letzten Quartals des laufenden Jahres bis zum Ende des ersten Quartals des übernächsten Jahres.

Bezeichnet man das Ausgangs- und die beiden Folgejahre einfach mit 01, 02, 03 und unterstellt man vereinfachend für alle Quartale exakt die Länge eines Vierteljahres7, so kann das Kreditangebot durch folgende Zahlungsreihe verdeutlicht werden (Zahlenangaben in 1.000 Euro): Jahr 01 01 02 02 02 02 03

Quartal

Zahlung zum Quartalsende + 980 – 15 – 15 – 15 – 15 – 15 – 1.015

3. 4. 1. 2. 3. 4. 1.

Bezeichnet q = (1 + r) den auf das Jahr bezogenen Aufzinsungsfaktor, so gilt für die Endwerte der Einzahlungen (EWE) und der Auszahlungen (EWA) bei exponentieller Aufzinsung (in 1.000 Euro) EWE (q) = 980 ⋅ q

6/4

und

(

EWA (q) = 15 ⋅ q 5 / 4 + q 4 / 4 + q3 / 4 + q 2 / 4 + q1 / 4

) + 1.015 .

Die einzelnen Zahlungen werden also mit Aufzinsungsfaktoren multipliziert, deren Exponent dem als Jahresbruchteil ausgedrückten Abstand der jeweiligen Zahlungen vom Endzeitpunkt der Kreditlaufzeit entspricht. Gesucht wird der kritische Wert r* des Zinssatzes bzw. q* des Zinsfaktors, für den die beiden Endwerte übereinstimmen, also EWE(q*) = EWA(q*) gilt. Zieht man als erste Näherung für den gesuchten Effektivzins den vereinbarten Nominalzins von 6% p.a. heran, so gilt für die beiden Endwerte: EWE (6%) = 980 ⋅ 1, 06 EWA (6%) =

7

6/4

=

1.069, 51 und 1.093, 37 .

Die PAngV sieht hier eine differenziertere Vorgehensweise vor.

2.1 Grundbegriffe

37

Die beiden Endwerte liegen also noch deutlich auseinander. Da EWE aufgrund des früher liegenden Zahlungsschwerpunktes spürbar stärker auf Erhöhungen des Kalkulationszinsfußes reagiert als EWA, muss der Zinsfuß tendenziell erhöht werden, um beide Endwerte einander anzunähern. Setzt man nun als zweiten Versuch einen Zins von 8% an, so erhält man: EWE (8%) = 1.099, 92 und

EWA (8%) = 1.094, 49 . Da jetzt EWE > EWA gilt, ist der Satz von 8% offenbar zu hoch gewählt. Die Möglichkeit, die Gleichung EWE = EWA explizit nach q* oder r* aufzulösen, besteht allerdings nur in weinigen Spezialfällen, die in unserem Beispiel nicht gegeben sind. Mit Hilfe der aktuell verfügbaren Rechnertechnik ist es jedoch nicht sonderlich aufwendig, den effektiven Jahreszins mit gewünschter Genauigkeit in einem Iterationsverfahren, also durch „systematisches Probieren“, herauszufinden. Man erhält in unserem Beispiel so den Wert von ziemlich exakt 7,63%. An der AIBD-Methode wird gelegentlich kritisiert, dass sie die real anzutreffenden Verzinsungsmodalitäten nicht exakt abbildet; Vereinbarungen mit der von diesem Verfahren unterstellten exponentiellen Verzinsung sind in der Praxis absolut unüblich. Dem steht als Vorteil dieser Methode allerdings der Umstand gegenüber, dass sie einen sehr einfachen Umgang mit unterjährlichen Zahlungen erlaubt. Überlagert werden derartige rechentechnische Zweckmäßigkeitserwägungen allerdings von den grundlegenden Einwänden gegen die Tauglichkeit von Effektivzinsgrößen als Kennzahlen zur Beurteilung von Kreditangeboten. Denjenigen unter Ihnen, die sich für diese Problematik näher interessieren, bieten die folgenden Übungsaufgaben die Möglichkeit, die beiden zuletzt angesprochenen Aspekte selbst weiter zu vertiefen. Ansonsten können Sie aber auch unmittelbar zur Lektüre von Abschnitt 2.1.4 übergehen. Übungsaufgabe 2.02: Alternativ zu dem endfälligen Kredit aus dem obigen Beispiel bietet die Hausbank der BETA-GmbH einen „Annuitätenkredit“ zu folgenden Konditionen an: • Nominelle Kreditsumme 1 Mio. Euro. • Auszahlung zu 98%. • Verzinsung und Tilgung durch sechs „Annuitäten“ von jeweils 173.000, zahlbar jeweils am Quartalsende, und zwar vom letzten Quartal des laufenden Jahres bis zum ersten Quartal des übernächsten Jahres.

38

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Die Zahlungsreihe hätte also folgendes einfaches Aussehen (Angaben in 1.000 Euro): Jahr

Quartal

01 01 02 02 02 02 03

Zahlung zum Quartalsende + 980 – 173 – 173 – 173 – 173 – 173 – 173

3. 4. 1. 2. 3. 4. 1.

Versuchen Sie den effektiven Jahreszins dieses Kreditangebotes nach der AIBD-Methode herauszufinden! Wenn Sie richtig gerechnet haben, werden Sie einen Wert ermittelt haben der um rund 0,5%Punkte unter dem für den endfälligen Kredit ermittelten Effektivzins von 7,63% liegt. Kann daraus wirklich schon geschlossen werden, dass der Annuitätenkredit günstiger ist? Betrachten Sie zur näheren Untersuchung dieser Frage die in der letzten Spalte der nachfolgenden Tabelle noch einmal angegebenen Zahlungsdifferenzen zwischen den beiden Kreditarten (Zahlenangaben in 1.000 Euro)! Tab. 2.02:

Vergleich von Kreditangeboten Quartal

Endfälliger Kredit

AnnuitätenKredit

Zahlungsdifferenz

01 01

3. 4.

+ 980 – 15

+ 980 – 173

±0 – 158

02 02 02 02

1. 2. 3. 4.

– 15 – 15 – 15 – 15

– 173 – 173 – 173 – 173

– 158 – 158 – 158 – 158

03

1.

– 1.015

– 173

+ 842

Der Vergleich der beiden Kreditarten kann also auf die Frage zugespitzt werden, ob – ein fünf mal jeweils zum Quartalsende auftretendes Zahlungsdefizit von 158.000 Euro, also von insgesamt 790.000 Euro durch – einen zusätzlichen Zahlungsüberschuss von 842.000 Euro am Ende des letzten Quartals überkompensiert wird oder nicht. Im ersten Fall wäre der Annuitätenkredit vorteilhaft, andernfalls der endfällige Kredit. Um die gestellte Frage zu beantworten, ist es notwendig, sich Gedanken darüber zu machen, welche Zinseffekte Zahlungsspitzen der in der letzten Spalte der Tabelle verdeutlichten Art auslösen. Je geringer diese Zinseffekte ausfallen, desto eher ist das Annuitätendarlehen vorteilhafter. Ab einer bestimmten Grenze „kippt“ die Entscheidung jedoch zugunsten des endfälligen Kredits.

2.1 Grundbegriffe

39

Übungsaufgabe 2.03: Gehen Sie von den Daten aus Tabelle 2.02 aus und nehmen Sie weiter an, dass die BETAGmbH die in den fünf ersten Quartalen entstehenden Zahlungsspitzen jeweils durch eine stärkere Beanspruchung des Kontokorrentkredits ausgleichen muss. Der Nominalzins beträgt 10% p.a., die Zinsabrechnung erfolgt jeweils zum Quartalsende zu 2,5%!

Um welchen Betrag würde der Kontokorrentkredit am Ende des ersten Quartals des übernächsten Jahres stärker oder niedriger beansprucht sein, wenn die BETA-GmbH den (scheinbar) „billigeren“ Annuitätenkredit an Stelle des endfälligen Kredits aufnehmen würde?

2.1.4

Zahlungsmodalitäten

Nachdem über die Zinsverrechnungsmodalitäten (und ggf. analog vorhandenen Gebührenverrechnungsregelungen) festgelegt wird, wie sich der jeweils zwischen den Vertragsparteien „ausstehende“ Kontosaldo ermittelt, behandeln die Zahlungsmodalitäten die damit noch nicht berührte Frage, wann und in welcher Höhe eine Vertragspartei der anderen Zahlungsmittel zu übertragen hat. Bei der Festlegung der Höhe des Finanzierungsbetrages sind folgende drei Größen zu unterscheiden: •

Der Nennbetrag ist eine rein rechnerische Größe, die Bemessungsgrundlage für verschiedene Rechnungen ist, z.B. für die Berechnung der Höhe von Zinsen. • Der Auszahlungsbetrag ist der Betrag, der tatsächlich ausgezahlt wird, d.h. der effektive Mittelzufluss beim Schuldner. Der Auszahlungsbetrag wird häufig in Prozent des Nennbetrages ausgedrückt und als „Auszahlungs- oder Emissionskurs“ bezeichnet, z.B. Ausgabe von Bundesanleihen zu 101% oder Auszahlung von Hypothekendarlehen zu 95%. Ist der Auszahlungsbetrag höher als der Nennbetrag, so bezeichnet man die Differenz als (Emissions-) Agio, im umgekehrten Falle als (Emissions-)Disagio oder Damnum. Neben der Höhe des Nominalzinses beeinflusst die Gestaltung des Auszahlungskurses die Verzinsung. Während die Nominalzinshöhe der Grobeinstellung dient, wird ein Agio bzw. Disagio häufig zur Feineinstellung der Verzinsung vereinbart (vgl. im Einzelnen Abschnitt 2.1.4). • Die Schuld bezeichnet jenen Betrag, der dem Gläubiger zu tilgen ist. Er stimmt in der Bundesrepublik in der Regel mit dem Nennbetrag überein. Bei den Zahlungsterminen sind analog zur Zinsverrechnung wieder die Zahlungsperiode und die Zahlungstermine innerhalb dieser Perioden festzulegen. Dabei können Verrechnungs- und Zahlungstermine übereinstimmen, müssen es jedoch keineswegs, bzw. können gar vom Schuldner bestimmt werden. (Letzteres ist bei der Verrechnung nur dann zu beobachten, wenn der Schuldner durch Kündigung innerhalb einer Abrechnungsperiode eine wirksame „Endabrechnung erzwingt“.) Für den Gläubiger gibt es häufig nur einen Zahlungstermin, der mit dem Beginn des Darlehensverhältnisses zusammenfällt; manchmal werden aber auch für die Gläubigerleistung mehrere Zahlungstermine festgelegt, z.B. bei einer Hypothekarkreditauszahlung nach Baufortschritt oder bei einem Studienkredit jeden Monat eine Rate.

40

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Bei der Bemessung der laufenden Zahlungshöhe für den Schuldner werden insbesondere vier Varianten praktiziert: •

Der Zahlungsbetrag ist – innerhalb gewisser Grenzen – in das Belieben des Schuldners gestellt. Diese Gestaltung kennzeichnet den Kontokorrentkredit, wo zugleich auch die Zahlungstermine weitestgehend in die Entscheidungssphäre des Schuldners gestellt sind. Die Konstruktion, dass nicht der Schuldner, sondern der Gläubiger den Tilgungsverlauf in nennenswertem Umfang nach eigenem Ermessen bestimmen kann, ist demgegenüber seltener anzutreffen. • Der Schuldner hat stets einen Betrag in genau jener Höhe zu entrichten, der gerade als Zins der Schuld hinzugefügt wurde. Auf diese Weise bleibt der Kontosaldo während der Laufzeit konstant und es bedarf einer endfälligen Zahlung in Höhe der Schuld, um das Darlehensverhältnis zu erlöschen. Typisch ist diese Tilgungsform etwa für die meisten festverzinslichen Wertpapiere wie z.B. Bundesanleihen. Sie bedeutet für den Schuldner eine außerordentlich hohe Liquiditätsbelastung zum Tilgungszeitpunkt. • Der Schuldner hat einen konstanten periodischen Betrag zu zahlen, der von Beginn an größer ist als der auf die zugehörige Periode entfallende Zins. Dadurch sinkt die Schuld mit zunehmender Laufzeit immer weiter herab, bis sie schließlich vollständig getilgt ist („Annuitätentilgung“). • Der Schuldner zahlt einen periodisch konstanten Anteil, der einem bestimmten Bruchteil der Schuld bzw. ihres Nennbetrages entspricht plus einen Betrag in Höhe der auf die letzte Zahlungsperiode verrechneten Zinsen. Dadurch wird die gesamte Zahlungshöhe mit jeder Zahlung kleiner („Ratentilgung“). Einen besonderen Extremfall bildet die Zinskumulation, bei der die Zahlung von Zins und Zinseszins erst für das Ende des Finanzkontraktes vorgesehen ist, wie es beispielsweise bei den sog. Zero-Bonds der Fall ist. Wir wollen an dieser Stelle das Folgende rekapitulieren. Bezüglich der Vergütung bzw. Tilgung von Finanzierungsleistungen sind drei Ebenen streng voneinander zu trennen: •





Zum ersten die Ebene von Verrechnungs- und Zahlungsregelungen, die üblicherweise verwendet werden, um den gesamten Zahlungsstrom einer Finanzierungsbeziehung zu determinieren. Diese Regelungen sind vertraglich fixiert, es ist dies die juristische Komponente der Finanzierungsleistung, die Regelungsebene. Die erste Ebene wird insbesondere dann wichtig, wenn es zwischen Schuldner und Gläubiger zu Uneinigkeiten oder Leistungsstörungen kommt. Ansonsten könnte man ihrer regelmäßig entbehren und in einen Kreditvertrag etwa schlicht nichts weiter hineinschreiben als: „Der Gläubiger zahlt am 25. Juli 09 dem Schuldner 184.000 Euro, der Schuldner zahlt am 25. Juli der Jahre 10 bis 16 dem Gläubiger jeweils 33.210,58 Euro.“ Das ist die ökonomisch-finanzielle Komponente der Finanzierungsleistung, die Zahlungsebene. Während die Regelungsebene also die primäre Aufgabe hat, die Zahlungsebene hervorzubringen, verwendet die dritte Ebene hingegen die Zahlungsebene als Ausgangspunkt, um deren Information in einer einzigen Zahl zu verdichten, dem Effektivzins. Der Effektivzins ist ein Kunstprodukt finanzmathematischer Überlegungen. Er tritt – entgegen häufiger anderslautender Darstellung – sowohl auf der Regelungs- wie auf der Zahlungsebene niemals direkt hervor, auch wenn er im Kreditvertrag genannt ist. Die dritte Ebene ist eine reine Bewertungsebene.

2.1 Grundbegriffe

41

Übungsaufgabe 2.04: Der Vertrag über ein Darlehen weist u.a. folgende Klauseln auf: 1. Der Zinssatz beträgt 7% pro Jahr und ist bis zum 31.12.2019 unveränderlich. Spätestens 4 Wochen vor Ablauf der Zinsbindungsfrist kann jede Partei verlangen, dass über die Bedingungen für die Darlehensgewährung neu zu verhandeln ist. 2. Die Auszahlung des Darlehens erfolgt zu 100%. 3. Die Zinsen werden aus dem „jeweils valutierten Kapital“ berechnet und jeweils zum Ende des laufenden Kalenderhalbjahres belastet; Tilgungsbeträge werden jeweils zum Ende des laufenden Kalenderhalbjahres vom Kapital schuldmindernd abgeschrieben. 4. Die Zinsen sind in vierteljährlichen Teilbeträgen jeweils am Ende des zweiten Quartalsmonats zu zahlen. 5. Die Tilgung erfolgt mit 1% des ursprünglichen Darlehensbetrages zuzüglich der durch die Rückzahlung ersparten Zinsen. 6. Die jährliche Leistungsrate (Zinsen und Tilgung) ist vierteljährlich zu den Zinsterminen gem. 4 zu zahlen.

a)

Beschreiben Sie unter Rückgriff auf die Ausführungen in den Abschnitten 2.1.3 und 2.1.4 in der dort verwendeten Terminologie möglichst präzise die vereinbarten Modalitäten! b) Angenommen, das Darlehen sei zum 1.1.2013 im Betrage von 100.000 Euro ausgezahlt worden. Versuchen Sie, die Kontoabrechnung für das erste Jahr und die am 31.12.2013 verbliebene Restschuld zu bestimmen.

2.1.5

Kündigungsmodalitäten

Die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen ein Kredit gekündigt werden kann, und der dabei einzuhaltenden Fristen ist grundsätzlich Sache der beiden vertragsschließenden Parteien. Der Gesetzgeber regelt zunächst nur ganz allgemein in § 488 BGB, dass Darlehen, die auf unbestimmte Zeit gewährt worden sind, von beiden Seiten mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden können. Diese Vorschrift kommt allerdings überhaupt nur dann zur Anwendung, wenn im Kreditvertrag nichts anderes vereinbart worden ist. Dies ist allerdings der Ausnahmefall, da bei der Vergabe eines Kredits in aller Regel die Kündigungsrechte der Parteien explizit geregelt werden. Dabei sind die Vertragspartner jedoch nicht völlig frei; vielmehr haben sie die Vorschriften des § 489 BGB über das ordentliche Kündigungsrecht des Kreditnehmers zu beachten. Mit dieser Regelung räumt der Gesetzgeber Kreditnehmern unter bestimmten Voraussetzungen Kündigungsrechte ein, die auch durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht wirksam ausgeschlossen werden können. D.h. selbst wenn ein Kreditnehmer einen Vertrag unterzeichnet, der den Ausschluss eines in § 489 BGB vorgesehenen Kündigungsrechts enthält, ist er an diesen Teil des Vertrages nicht gebunden und kann von dem entsprechenden Kündigungsrecht dennoch wirksam Gebrauch machen. Andererseits ist die Vereinbarung weitergehender Kündigungsmöglichkeiten als den in § 489 BGB vorgesehenen rechtswirksam. Die Regelung des § 489 BGB selbst ist relativ komplex und differenziert Art und Ausmaß des Kündigungsrechts nach der Person des Kreditnehmers, dem Verwendungszweck des

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Kredits, der Art der gestellten Sicherheiten, der Laufzeit des Kredits und der Art der getroffenen Zinsvereinbarung. Im Einzelnen ergeben sich folgende Festlegungen: (1) Kredite an private Haushalte und Unternehmen mit variabler Verzinsung Der Kreditnehmer kann jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten kündigen. (2) Kredite ohne variable Verzinsung an private Haushalte („Verbraucher“), soweit sie grundpfandrechtlich gesichert sind und Unternehmen a) Kredite mit festem Zins für die gesamte Laufzeit Der Kreditnehmer kann den Kredit nach 10 Jahren unter Wahrung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten kündigen. Daraus folgt, dass den Kreditnehmern bei Festzinskrediten mit einer Laufzeit von weniger als zehn Jahren ein gesetzliches Kündigungsrecht nicht zusteht, was selbstverständlich die Vereinbarung eines vertraglichen Kündigungsrechts nicht ausschließt. b) Kredite mit einer Zinsbindungsfrist von weniger als 10 Jahren für einen Teil der Laufzeit Solange vor oder bei Ablauf der Zinsbindungsfrist nicht schon wieder eine neue Vereinbarung für den nachfolgenden Finanzierungsabschnitt getroffen worden ist, kann der Kreditnehmer den Vertrag unter Wahrung einer Kündigungsfrist von 1 Monat frühestens zum Ablauf der Zinsbindungsfrist kündigen. c)

Kredite mit einer Zinsbindungsfrist von mehr als 10 Jahren für einen Teil der Laufzeit Dem Kreditnehmer stehen die Kündigungsmöglichkeiten gem. a) und b) wahlweise offen, wobei sich die Zehnjahresfrist allerdings nur während der ersten Zinsbindungsphase vom Auszahlungszeitpunkt an berechnet; später tritt der Beginn der laufenden Zinsbindungsfrist an dessen Stelle. Der Schuldner eines Darlehens, das bei einer Laufzeit von 25 Jahren zunächst mit einer 15-jährigen Zinsbindung ausgestattet war, kann also beispielsweise im 12-ten Jahr jederzeit mit einer 6-monatigen Kündigungsfrist oder zum Ende der Zinsbindungsfrist mit einer 1-monatigen Kündigungsfrist kündigen.

(3) Kredite an private Haushalte, soweit sie nicht grundpfandrechtlich gesichert sind, mit festem Zins für einen Teil oder die gesamte Laufzeit Unabhängig von Laufzeit und Zinsbindungsfrist kann der Kreditnehmer nach Ablauf von 6 Monaten jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten kündigen. Außerdem kann er in den unter (2) dargestellten Fällen auch jeweils frühestens zum Ende der Zinsbindungsfristen unter Wahrung einer Kündigungsfrist von nur einem Monat kündigen.

2.1 Grundbegriffe

43

Rechercheaufgabe: Aus dieser gesetzlichen Vorschrift ergibt sich für den Kreditnehmer auch dann ein Kündigungsanreiz, wenn er gar nicht über die zur Kredittilgung nötigen Zahlungsmittel verfügt, er sich diese aber zufolge gesunkener Kreditzinsen oder einer verbesserten Bewertung seiner Bonität über einen neuen Kredit günstiger beschaffen kann (Umschuldung). Versuchen Sie einmal zu erkunden, inwieweit in der Werbung für Konsumentenkredite die Banken einander ihre Kunden abzunehmen streben, indem genau dieser Sachverhalt herausgestellt wird! (4) Kredite an öffentliche Haushalte Ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung gelten die Regelungen gem. (1) und (2). Gegenüber dieser Kreditnehmergruppe ist ein vertraglicher Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechtes jedoch zulässig. Die dargestellten Regelungen gelten nicht für Schuldverhältnisse, die durch die Emission von Schuldverschreibungen (vgl. dazu Abschnitt 2.6) begründet werden. Dem Emittenten einer Industrieanleihe oder eines Pfandbriefes stehen die gesetzlichen Kündigungsrechte gem. § 489 BGB also nicht zu. Analoge Vorschriften über ein ordentliches Kündigungsrecht des Kreditgebers bestehen nicht. Hier sind der Gestaltungsfreiheit der Parteien keine speziellen Schranken gesetzt. Mit dem gesetzlich geregelten (§ 490 Abs. 1 BGB) außerordentlichen Kündigungsrecht sichern sich Kreditgeber die Möglichkeit, einen Kredit unabhängig von der Laufzeit und allen sonstigen Kündigungsklauseln jederzeit fristlos zu kündigen und die sofortige Tilgung zu verlangen, sofern bestimmte, näher spezifizierte Voraussetzungen vorliegen. Zu diesen Voraussetzungen zählen etwa üblicherweise ein Verzug des Schuldners mit den fälligen Zinsund Tilgungsleistungen um mehr als 14 Tage oder eine deutliche Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage bzw. der Werthaltigkeit einer Kreditbesicherung. Auch dem Darlehensnehmer ist gesetzlich ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt worden (§ 490 Abs. 2 BGB). Er kann mit einer Frist von drei Monaten kündigen, wenn ein „berechtigtes Interesse dies gebietet“. Ein solcher Fall ist insbesondere etwa dann gegeben, wenn ein Kreditnehmer eine zur Besicherung des Kredites verwendete Sache infolge veränderter Lebensumstände anders verwenden möchte, also beispielsweise nach einer Scheidung oder einem Arbeitsortswechsel sein Eigenheim zu veräußern gedenkt. Allerdings soll dem Gläubiger aus dem außerordentlichen Kündigungsrecht seines Schuldners kein Nachteil erwachsen. Daher muss der außerordentlich kündigende Kreditnehmer dem Kreditgeber den aus der vorzeitigen Kündigung entstehenden Schaden durch einen Geldbetrag ersetzen (Vorfälligkeitsentschädigung). Übungsaufgabe 2.05: Geben Sie für folgende Situationen jeweils an, zu welchem Termin der Kreditnehmer frühestens kündigen kann! a) Investitionskredit an eine GmbH über 20 Jahre (1) mit festem Zins für die gesamte Laufzeit, (2) mit variablem Zins.

44

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

b) Wie a), jedoch ist der Zins jeweils für Teilabschnitte festgelegt worden, zuletzt mit Ablauf des 8. Kreditjahres für die nächsten 8 Jahre. Welche Kündigungsmöglichkeiten hat die GmbH (1) acht Monate, (2) einen Monat vor Ablauf der augenblicklichen Zinsbindungsperiode zum Ende des 16. Jahres? c) Wie ändert sich die Antwort zu b), wenn die am Ende des 16. Jahres auslaufende Zinsbindungsperiode mit einer Vereinbarung zu Beginn des 6. Jahres begonnen hat? d) Sie haben als privater Verbraucher vor einem halben Jahr einen unbesicherten Konsumentenkredit bei einer Bank mit einer Laufzeit von 8 Jahren aufgenommen, dessen Zins für die gesamten 8 Jahre festgeschrieben ist. Wie können Sie kündigen?

2.1.6

Besicherungsmodalitäten

2.1.6.1 Kategorien von Gläubigerrisiken Gläubiger gewähren Kredite im Vertrauen darauf, dass die vereinbarten Leistungen vom Schuldner vertragskonform erbracht werden. Allerdings unterliegen die Ansprüche der Gläubiger verschiedenen Risiken, auf die im Folgenden einzugehen sein wird. Dabei bietet es sich an, die Gläubigerrisiken nach den einzelnen Phasen zu systematisieren, die im Ablauf einer Gläubiger-Schuldner-Beziehung unterschieden werden können. Es sind dies folgende drei Phasen:

o : Neutraler Ausgang des Gläubiger Schuldner-Kontaktes + : Positiver Ausgang des Gläubiger Schuldner-Kontaktes – : Negativer Ausgang des Gläubiger Schuldner-Kontaktes Abb. 2.01:

Phasen der Gläubiger-Schuldner-Beziehung

2.1 Grundbegriffe

45

Entscheidungsphase In dieser Phase entscheidet der Gläubiger über die Vergabe, Kündigung oder Prolongation eines Kredits. Soweit die zur Fundierung der Kreditvergabeentscheidung benötigten Informationen vom Schuldner selbst gegeben werden, ist der Gläubiger der Gefahr ausgesetzt, dass der Schuldner die Vermögenssituation und Ertragsaussichten günstiger darstellt, als es in Wirklichkeit der Fall ist, und der Gläubiger sich aufgrund unvollständiger oder verfälschter Informationen für die Vergabe oder Prolongation des Kredits entscheidet, obwohl er bei besserem Informationsstand den Kreditantrag des Schuldners abgelehnt hätte. Diese Risikokategorie soll im Folgenden als Informationsrisiko bezeichnet werden. Vertragsphase Ist die Kreditbeziehung zustande gekommen oder fortgesetzt worden, so besteht die Gefahr, dass sich die wirtschaftliche Lage des Schuldners soweit verschlechtert, dass die pflichtgemäße Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen allgemein nicht mehr gewährleistet ist und über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Wir wollen diese Gefahr als Insolvenzrisiko bezeichnen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ein Unternehmensvermögen bedeutet insbesondere, dass – die bisherigen Eigentümer oder die von ihnen beauftragten Geschäftsführer die Verfügungskompetenz über das Unternehmen verlieren, und stattdessen – ein Insolvenzverwalter mit dem Ziel eingesetzt wird, das verbliebene Vermögen im Interesse der Gläubiger zu verwerten und den Verwertungserlös unter diesen zu verteilen. Das Insolvenzrisiko kann zum einen durch unternehmensexterne Entwicklungen sowie unternehmerische Entscheidungen im Rahmen der ursprünglichen Investitionspolitik beeinflusst werden. Zum anderen kann auch eine Änderung der bei Vertragsabschluss vereinbarten Investitions- oder Finanzierungspolitik c.p. zu einer Erhöhung des Insolvenzrisikos führen. Unter Investitionsrisiko versteht man demnach die Gefahr, dass der Kreditnehmer nach Vertragsabschluss eine andere, für den Kreditgeber riskantere als die vereinbarte Investitionspolitik betreibt. Das Finanzierungsrisiko hingegen resultiert aus einer möglichen Erhöhung des Verschuldungsgrades des Kreditnehmers. Sowohl die Anwendung einer riskanteren Investitionspolitik als auch ein höherer Verschuldungsgrad erhöhen i.d.R. die Insolvenzwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers. Abwicklungsphase Im Zuge des Insolvenzverfahrens schließlich ist der einzelne Gläubiger der Gefahr ausgesetzt, dass seine Ansprüche nur zum Teil oder im Extremfall gar nicht erfüllt werden können. Wir wollen diese Gefahr als Verlustrisiko bezeichnen.ab

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

2.1.6.2 Vermögensverteilung im Insolvenzverfahren Für die vorausschauende Analyse des Verlustrisikos ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass das bei Insolvenzeintritt verbliebene Vermögen keineswegs gleichmäßig auf die Gläubiger aufgeteilt wird; vielmehr ergeben sich verschiedene Rangklassen von Gläubigern, wie folgendes Schema verdeutlicht, das wir anschließend schrittweise erläutern werden. Tab. 2.03:

Vermögensverteilung im Insolvenzverfahren Bruttovermögen des Unternehmens

. /. =

. /. =

. /. . /. =

. /. =

Aussonderungen (§§ 47-48 InsO)

Insolvenzmasse i.S.v. §§ 35-36 InsO Absonderungen (§§ 49–51 InsO)

„Freie Aktiva“ Kosten des Insolvenzverfahrens (§§ 53-54 InsO) sonstige Masseverbindlichkeiten (§§ 53 u. 55 InsO)

„Teilungsmasse“ Ansprüche „einfacher“ (unbesicherter, nicht nachrangiger) Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) Masse zur Befriedigung nachrangiger Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO)

Aussonderungen Aussonderungsrechte stehen insbesondere solchen Personen zu, die Eigentümer von Gegenständen sind, die sich bei Verfahrenseröffnung im Besitz des Schuldners befanden. Das trifft etwa auf ein Leasingfahrzeug, einen nur zu Demonstrationszwecken bereitgestellten PC oder auch auf Vorräte zu, die unter einfachem Eigentumsvorbehalt geliefert und noch nicht bezahlt worden sind. Sollte der Insolvenzverwalter ebenfalls nicht zur Zahlung aus der Insolvenzmasse bereit sein, können die Eigentümer verlangen, dass der Insolvenzverwalter die entsprechenden Gegenstände aus dem übernommenen Vermögen „aussondert“ und ihnen zurückgibt. Eine Abweichung von dem Prinzip, dass dem juristischen Eigentümer ein Aussonderungsrecht zusteht, besteht lediglich in den Fällen, in denen zur Sicherung eines Anspruchs gegen das Unternehmen ein Vermögensgegenstand formal übereignet oder eine Forderung des Unternehmens – etwa gegenüber einem eigenen Abnehmer – abgetreten worden ist (Sicherungsübereignung bzw. Sicherungszession). Trotz der formaljuristischen Position als Eigentümer steht dem Anspruchsberechtigten hier nur ein Absonderungsrecht (s.u.) zu. Das nach der Aussonderung verbleibende Vermögen, also zum einen das Vermögen, das dem Schuldnerunternehmen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört, zum anderen das Vermögen, welches das Schuldnerunternehmen während des Verfahrens noch erlangt, wird als Insolvenzmasse bezeichnet (§ 35 InsO). Absonderungen Insbesondere im Zusammenhang mit der Gewährung von Krediten und Darlehen werden häufig zusätzliche Vereinbarungen getroffen, durch die bestimmte Vermögensgegenstände in der Weise für einen bestimmten Gläubiger „reserviert“ werden, dass diesem ein exklusives Zugriffsrecht auf diese Gegenstände zusteht, um seine Forderungen zu befriedigen. Im Insolvenzverfahren werden diese „Sicherungsgüter“ zu Gunsten des Gläubigers „abgesondert“ verwertet, z.B. durch Verkauf oder Versteigerung. In Abweichung zu der bis 1998 gültigen

2.1 Grundbegriffe

47

Insolvenzordnung wird der Erlös aus der Verwertung beweglicher Gegenstände und Forderungen, die dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegen, vor der Befriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers um einen Kostenbeitrag gekürzt (§ 170 InsO). Mit diesem Kostenbeitrag, dessen Höhe sich aus § 171 InsO ergibt, sollen die mit Absonderungsrechten verbundenen Bearbeitungskosten, insbesondere die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Sicherungsgegenstandes, abgedeckt werden. Erlöse aus der Verwertung als Sicherung bereitgestellter Grundstücke bleiben demgegenüber von einer entsprechenden Kostenbelastung weitgehend frei. Für den absonderungsberechtigten Gläubiger ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: •

Bleibt der Verwertungserlös (abzüglich eventuell anfallender Umsatzsteuer) einer mit Absonderungsrechten belasteten beweglichen Sache oder Forderung hinter der Summe aus Forderungsbetrag und Feststellungs- und Verwertungskosten zurück, so erzielt der absonderungsberechtigte Gläubiger keine volle Befriedigung seiner Forderung. Er hat jedoch gem. § 52 InsO in Höhe der verbleibenden Forderung einen weiteren Anspruch, der innerhalb der Rangklasse der ungesicherten Gläubiger (s.u.) einzuordnen ist. Das gleiche gilt – von einigen Besonderheiten abgesehen –, wenn der ungekürzte Erlös aus der Verwertung eines Grundstücks hinter dem Forderungsbetrag zurückbleibt.



Übersteigt der erzielte Verwertungserlös (abzüglich eventuell anfallender Umsatzsteuer) einer mit Absonderungsrechten belasteten beweglichen Sache oder Forderung die Summe aus Forderungsbetrag und Feststellungs- und Verwertungskosten, so erzielt der absonderungsberechtigte Gläubiger die volle Befriedigung seiner Forderung. Der verbleibende Überschussbetrag kommt den im Rang folgenden Gläubigern zugute. Die wichtigsten – in folgender Tabelle aufgeführten – Instrumente, mit denen eine derartige Reservierung erreicht werden kann, zählen zu den sogenannten Realsicherheiten.

Tab. 2.04:

Die wichtigsten Absonderungssicherheiten im Überblick

Art der Sicherheit

Grundpfandrechte (Hypothek, Grundschuld) Mobiliarpfandrecht

Typischerweise reservierte Vermögensgegenstände Grundstücke und Gebäude Wertpapiere

Sicherungsübereignung

Maschinen, Fahrzeuge, Vorräte

Sicherungsabtretung

Forderungen von Lieferanten aus Lieferungen auf Ziel

Zustandekommen des Sicherungsrechts Eintragung im Grundbuch

Übergabe des Pfandgutes an den Geldgeber Abschluss eines Sicherungs- und Abtretungsvertrages, wonach der Geldnehmer den Sicherungsgegenstand – an den Geldgeber zur Sicherheit übereignet, – ihn jedoch weiter nutzen kann und – bei Zahlungsverzug an den Geldgeber zur Befriedigung seiner Forderung herauszugeben hat. Abschluss eines Sicherungs- und Abtretungsvertrages

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Aufrechnungen Soweit zwei Personen einander gleichartige Leistungen, speziell Zahlungen, schulden, können die wechselseitigen Forderungen unter bestimmten Voraussetzungen gegeneinander aufgerechnet werden. Als Ergebnis der Aufrechnung sind beide Forderungen in dem Ausmaß, in dem sie sich decken, als erloschen anzusehen. Von dieser Möglichkeit kann nach Maßgabe der §§ 94-96 InsO auch im Insolvenzverfahren Gebrauch gemacht werden. Das Ergebnis ist ähnlich wie bei der Absonderung: Der Anspruch des zur Aufrechnung berechtigten Gläubigers wird zwar nicht durch die Verwertung eines „reservierten“ Vermögensgegenstandes erfüllt, jedoch dadurch, dass er von der ansonsten bestehenden Verpflichtung befreit wird, dem insolventen Unternehmen die eigentlich geschuldete Zahlung oder sonstige Leistung zu erbringen. Kosten des Insolvenzverfahrens und Masseverbindlichkeiten Die nach Absonderung und Aufrechnung verbleibenden Vermögensgegenstände sind zunächst zur Abdeckung der Verfahrenskosten und der sogenannten Masseverbindlichkeiten zu verwenden. Zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zählen in erster Linie die Verfahrenskosten, insbes. Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters, Versteigerungs- und Gerichtskosten etc. Ist davon auszugehen, dass das noch vorhandene Vermögen nicht einmal die Kosten des Verfahrens bis zum sog. „Berichtstermin“ (§ 29 Abs. 1 InsO) deckt, so ist der Insolvenzantrag gemäß § 26 Abs. 1 InsO „mangels Masse“ abzulehnen. Wird der Insolvenzantrag „mangels Masse“ abgelehnt, erfolgt das, was durch das Insolvenzverfahren eigentlich vermieden werden soll: Einzelvollstreckungsversuche der verschiedenen Gläubiger im Windhundverfahren. Vor 1999, d.h. bei der seinerzeit gültigen Konkursordnung, war dies in Deutschland – vielfach beklagt – bei der Mehrzahl der Konkursanträge der Fall. Die sonstigen Masseverbindlichkeiten umfassen demgegenüber insbesondere Zahlungsverpflichtungen aus Geschäften, die der Insolvenzverwalter im Zuge des Insolvenzverfahrens noch vorgenommen hat (z.B. zur Fertigstellung eines begonnenen Auftrags) oder aus der Abwicklung gegenseitiger Verträge, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon abgeschlossen, aber noch nicht erfüllt worden waren und die der Insolvenzverwalter noch abwickelt (z.B. Abruf bestellter Ware durch den Insolvenzverwalter). Für den Fall, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht von Anfang an „mangels Masse“ abgelehnt worden ist (s.o.), geht der Gesetzgeber in der Regel davon aus, dass alle Masseverbindlichkeiten befriedigt werden können, und sieht daher zunächst keine bestimmte Rangfolge der genannten Ansprüche untereinander vor. Sollte sich im Zuge des Insolvenzverfahrens allerdings herausstellen, dass es doch nicht möglich sein wird, alle Masseforderungen zu befriedigen, so sieht der Gesetzgeber auch innerhalb dieser Gruppe von Ansprüchen gemäß § 209 InsO eine weitere Abstufung vor. Unbesicherte (nicht nachrangige) Insolvenzgläubiger Hat die Insolvenzmasse zur Befriedigung der absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger, der Verfahrenskosten und der Masseverbindlichkeiten ausgereicht, kommt endlich die Stunde der „par conditio creditorum“: Die verbliebene Restmasse wird in gleichen Quoten auf die unbesicherten Insolvenzgläubiger nach der Höhe ihrer noch nicht befriedigten Forderungen verteilt. Diese Gläubigergruppe umfasst – zum einen solche Gläubiger, für deren Ansprüche weder Sicherheiten bestehen noch ein gesetzlicher Vorrang vorgesehen ist und

2.1 Grundbegriffe

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zum anderen Sicherungsgläubiger, soweit ihre Ansprüche durch die Verwertung der Sicherheiten nicht vollständig befriedigt werden konnten. Zur Terminologie sei noch angemerkt, dass der prozentuale Anteil, in dem die Insolvenzforderungen der unbesicherten Insolvenzgläubiger erfüllt werden, – in Anlehnung an den früher geläufigen Begriff der Konkursquote – als Insolvenzquote bezeichnet werden kann. Übungsaufgabe 2.06: Im Wirtschaftsteil Ihrer Tageszeitung lesen Sie in einem Artikel „Pleiten über Pleiten – Vom Elend des deutschen Insolvenzrechts“ unter anderem folgende Ausführungen: „In mehr als 75% aller Unternehmenspleiten gehen die Gläubiger völlig leer aus, weil ein Insolvenzverfahren mangels Masse erst gar nicht stattfinden kann. Und in den wenigen Fällen, in denen es überhaupt zu einem solchen Verfahren kommt, erhalten die Gläubiger des Unternehmens lediglich die sogenannte Insolvenzquote, im Durchschnitt der letzten Jahre nicht einmal 5% ihrer Forderungen.“

Nehmen Sie zu diesen beiden Aussagen kritisch Stellung! Nachrangige Insolvenzgläubiger Sollte der – wohl eher seltene – Fall eintreten, dass nach der vollständigen Befriedigung aller ungesicherten Gläubiger noch verteilbares Vermögen übrig bleibt, so werden eventuell verbleibende Forderungen nachrangiger Gläubiger in einer bestimmten Rangfolge gemäß § 39 InsO befriedigt. Hierzu zählen – und zwar in der genannten Rangfolge – insbesondere Ansprüche aus – Zinsrückständen, die seit Verfahrenseröffnung für die Forderungen (aller Gläubiger) aufgelaufen sind, – Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch die Teilnahme am Insolvenzverfahren erwachsen sowie – Forderungen auf die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen bei Kapitalgesellschaften, sofern nicht die Ausnahmeregeln gemäß § 39 Abs. 4 und 5 InsO greifen. Zudem kann schon bei der Gestaltung von Forderungen, die eigentlich zu einem Anspruch als „normaler“, nicht nachrangiger Gläubiger führen würden, zwischen Gläubiger und Schuldner ein Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart werden. Die Rangstufe solcher Ansprüche innerhalb der Gesamtheit der nachrangigen Insolvenzgläubiger richtet sich nach der konkret getroffenen Abrede. Ist lediglich ein „Insolvenznachrang“ ohne genauere Spezifizierung vereinbart, so erfolgt eine mögliche Befriedigung in der allerletzten Klasse, also nach den Ansprüchen aus Gesellschafterdarlehen. Materiell ist das Insolvenzverfahren beendet, sobald die gesamte Insolvenzmasse nach den zuvor dargestellten Regeln an die Gläubiger verteilt worden, das Unternehmen also vollständig liquidiert ist. In formeller Hinsicht wird das Verfahren durch einen Aufhebungsbeschluss des zuständigen Gerichtes beendet. Soweit es sich bei dem Gemeinschuldner um eine natürliche Person handelt, können die nicht befriedigten Gläubiger danach wieder versuchen, ihre Ansprüche im Wege der Einzelvollstreckung zu realisieren, was immerhin dann von Erfolg sein kann, wenn der Gemeinschuldner später wieder „zu Geld kommt“. In diesem Zusammenhang soll auch kurz auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung eingegangen werden. Sie ist in den §§ 286 – 303 der Insolvenzordnung geregelt und verfolgt die Ziele, die Gesamtheit der Gläubiger bestmöglich

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

zu befriedigen und einem redlichen Schuldner, der gläubigerschädigendes Verhalten unterlässt, von seinen Schulden endgültig zu befreien. Restschuldbefreiung können nur natürliche Personen beantragen, über deren Vermögen vorher ein Insolvenzverfahren durchgeführt worden ist, welches nicht zu einer vollständigen Befriedigung der Gläubiger geführt hat. Nur der Schuldner selbst kann den schriftlichen Antrag bei dem für ihn zuständigen Insolvenzgericht stellen. Der Schuldner muss sich bereit erklären, während der sog. Wohlverhaltensperiode von drei Jahren einen gewissen Teil seiner laufenden Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abzutreten, der die Zahlungen einmal im Jahr an die Gläubiger verteilt. Um nur dem redlichen Schuldner eine endgültige Schuldenbereinigung zu ermöglichen und Missstände zu verhindern, wird dem Antrag auf Restschuldbefreiung nur stattgegeben, wenn keine Versagungsgründe, wie z.B. eine Verletzung der Obliegenheiten8 oder ein Kreditbetrug, vorliegen. Während der Wohlverhaltensperiode sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Gläubiger verboten. Bereits bestehende Lohn- oder Gehaltsabtretungen haben nur noch drei Jahre Bestand. Andere Kreditsicherheiten werden durch ein Restschuldbefreiungsverfahren hinsichtlich der aus ihnen resultierenden Rechte nicht berührt. Allerdings ist eine – unter Umständen nicht unerhebliche – Kostenbeteiligung des Gläubigers für Feststellung und Verwertung der Sicherheiten zu berücksichtigen. Am Ende der Wohlverhaltensperiode wird der Schuldner von allen nicht erfüllten Forderungen seiner Gläubiger befreit. Mitschuldner und Bürgen haften den Gläubigern gegenüber für die Forderungen jedoch weiter, ohne selbst die Möglichkeit des Rückgriffs auf den Schuldner zu haben. Die Regelung, die Gläubiger an den Kosten für Feststellung und Verwertung der Sicherheiten zu beteiligen, kann tendenziell dazu führen, dass Gläubiger den im Falle der Insolvenz zu tragenden Kostenanteil bereits bei der Sicherheitenbestellung antizipieren und einkalkulieren, so dass in Bezug auf einen konkreten Kredit eine Überbesicherung erfolgt oder der dem Schuldner insgesamt zur Verfügung stehende Kreditrahmen bei gleichem Umfang möglicher Sicherheiten eingeschränkt wird. Bei Personen- oder Kapitalgesellschaften sowie bei Genossenschaften ist die Möglichkeit, später noch „zu Geld zu kommen“, hingegen ausgeschlossen, da diese im Zuge der zwangsweisen Liquidation ja ihre Existenz verlieren. Verbleibt – als eher theoretischer Ausnahmefall – nach der Befriedigung aller Gläubiger und der Deckung sämtlicher Verfahrenskosten ein Vermögensrest, steht dieser den Gesellschaftern zu. Beispiel 2.03: Für die X-GmbH ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Es kommt zur Einzelliquidation aller Vermögensgegenstände der X-GmbH. Der Insolvenzverwalter hat unter anderem folgende Ansprüche zu berücksichtigen: 1. Die Cash-Bank verlangt die Rückzahlung des Kontokorrentkredits mit einem aktuellen Stand von 125.700 Euro. Zur Sicherung für diesen Kredit waren Warenbestände (sicherungs-) übereignet worden. Deren Verkauf bringt – nach Abzug von Feststellungs-, Verwertungskosten und Umsatzsteuer – einen Erlös von 162.500 Euro.

8

Zu den Obliegenheiten des Schuldners zählen beispielsweise die Pflicht, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen oder Vermögen aus einer Erbschaft zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben.

2.1 Grundbegriffe 2.

3.

4.

51

Die Waren KG hatte der GmbH unter Eigentumsvorbehalt Waren zum Vorzugspreis von 60.000 Euro geliefert. Die Ware ist noch nicht bezahlt, aber noch vorhanden. Mangels ihm erkennbarer Verwertungsmöglichkeiten ist der Insolvenzverwalter nicht bereit, die Kaufpreiszahlung noch zu erbringen. Die KG tritt daher von dem Kaufvertrag zurück, macht aber von ihrem Eigentumsvorbehalt Gebrauch und verlangt die Ware heraus, die sie im Endergebnis aber nur für 45.000 Euro an einen anderen Interessenten verkaufen kann. Eine Bäckerei hat der GmbH für Brötchenlieferungen 4.500 Euro in Rechnung gestellt. In etwa gleichzeitig hat die GmbH der Bäckerei eine fast neuwertige PC-Anlage zum Preis von 3.600 Euro überlassen. Beide Rechnungen sollten jeweils „sofort“ bezahlt werden, stehen de facto aber noch aus. Der Einzelkaufmann Alfons hat eine umfangreiche Bestellung aufgegeben und bereits 6.400 Euro als Anzahlung geleistet. Er verlangt nun Auslieferung der inzwischen bei der GmbH „zur Probe“ angelieferten Waren, hilfsweise Rückzahlung der geleisteten Anzahlung.

Nimmt man einmal an, die Forderungen der unbesicherten Insolvenzgläubiger (vgl. Tabelle 2.03), könnten nur zu 5% befriedigt werden, so ergeben sich in den vier genannten Fällen folgende Ergebnisse: 1. Die Cash-Bank erhält die ihr zustehenden 125.700 Euro in voller Höhe. An dem darüber hinaus erzielten Verkaufserlös der sicherungsübereigneten Waren partizipiert sie allerdings nicht. Ihre Befriedigungsquote beträgt also 100%. 2. Die Waren KG erhält die gelieferten Waren vollständig zurück, verliert dafür aber ihren Kaufpreisanspruch von 60.000 Euro. Da sie die zurückerhaltene Ware letztlich aber nur für 45.000 Euro verkaufen kann, erleidet sie im Vergleich zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung einen Verlust von 15.000 Euro. Diesen Verlust kann sie auch im Rahmen des weiteren Insolvenzverfahrens nicht – etwa als Schadenersatzanspruch – geltend machen, so dass sie im Endeffekt eine Befriedigungsquote von 75% erreicht. 3. Es ist davon auszugehen, dass die Bäckerei die Forderungen gegeneinander aufrechnen kann. Sie entzieht sich so der Verpflichtung, 3.600 Euro an die KG zahlen zu müssen, und nimmt dafür eine Minderung des ihr zustehenden Zahlungsanspruchs um denselben Betrag, also von 4.500 Euro auf 900 Euro in Kauf. Diesen Restanspruch kann sie allerdings noch als unbesicherte Insolvenzforderung geltend machen und so immerhin noch weitere 45 Euro erlangen. Insgesamt trifft sie ein Verlust von 855 Euro, was einer Befriedigungsquote von 81% ihres ursprünglichen Anspruchs von 4.500 Euro entspricht. 4. Alfons schließlich hat Pech. Trotz der Vorauszahlung hat er keinen Anspruch auf Auslieferung der bestellten Ware. Er kann lediglich die Rückzahlung der im voraus geleisteten 6.400 Euro verlangen. Da es sich dabei jedoch um eine unbesicherte Insolvenzforderung handelt, erhält er ganze 320 Euro, also eine Befriedigungsquote von nur 5%.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Übungsaufgabe 2.07: Gehen Sie von den Daten aus dem letzten Beispiel aus und nehmen Sie weiterhin an, dass die Forderungen der unbesicherten Gläubiger zu 5% befriedigt werden. Untersuchen Sie nochmals die Befriedigungsquote der vier Gläubiger für den Fall, dass alternativ folgendes unterstellt wird: 1. Der Verkauf der sicherungsübereigneten Warenbestände erbringt nach Abzug der Kostenbeiträge gemäß § 171 InsO einen Erlös von nur 115.300 Euro. 2. Der Waren KG gelingt es, die zurückerhaltenen Waren für 72.000 Euro an einen anderen Interessenten zu verkaufen. 3. Der Preis für die Brötchen belief sich nur auf 3.200 Euro. 2.1.6.3

Instrumente zur Begrenzung von Gläubigerrisiken durch vertragliche Vereinbarungen Aufgrund der mit der Vergabe eines Kredites verbundenen Risiken wird der Gläubiger bemüht sein, sich gegen die eben genannten Kreditrisiken zu schützen. Der Begrenzung des Informationsrisikos dienen die vielfältigen Verfahren der Kreditwürdigkeitsanalyse und der Schuldnerüberwachung, auf die im Rahmen dieses Buches allerdings nicht weiter eingegangen werden soll. Gegen die Folgen aus dem Informationsrisiko resultierender Fehlentscheidungen und damit zugleich gegen das Insolvenz- und Verlustrisiko, können sich Gläubiger zudem in gewissem Umfang durch die Vereinbarung außerordentlicher Kündigungsmöglichkeiten schützen. Diese räumen ihnen die Möglichkeit ein, die Verbindlichkeit vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Laufzeit fällig zu stellen, wenn sich die Vermögenssituation des Schuldners in zunächst nicht erwarteter Weise negativ entwickelt oder sonstige Unregelmäßigkeiten auftreten. Solche Kündigungsmöglichkeiten sehen etwa die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute allgemein für den Fall unrichtiger Angaben des Schuldners über seine Vermögenslage sowie bei einer wesentlichen Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse vor. Darüber hinaus kann dieses Kündigungsrecht individualvertraglich konkretisiert oder erweitert werden. Während solche Kündigungsklauseln auf eine risikobedingte Fälligstellung der Verbindlichkeiten abzielen, werden im Folgenden fünf Gruppen verschiedener Instrumente erörtert, die dazu beitragen sollen, die Chancen auf eine möglichst vollständige Realisierung einer Forderung auch ohne deren vorzeitige Kündigung zu erhöhen. (1) Erlangung von Prozessualvorteilen Das Merkmal dieser Gruppe von Sicherungsmitteln besteht darin, dass bei unveränderten Haftungsverhältnissen die Risiken der Rechtsverfolgung durch die Art des Vertragsabschlusses verringert werden. Hier wäre als klassisches Beispiel die Ausstellung eines Wechsels über den kreditierten Betrag zu nennen. Das Akzept des Wechsels durch den Schuldner eröffnet den Gläubigern im Ernstfall erheblich schnellere Zugriffsmöglichkeiten als Ergebnis des schnell abwickelbaren Wechselprozesses (vgl. Art. 43-54 WG; §§ 602 ff. ZPO). So kann der Wechselschuldner etwa nur noch Einwände gegen die Gültigkeit des Wechsels erheben (z.B. gefälschte Unterschrift o.ä.), nicht jedoch aus dem der Wechselausstellung zugrundeliegenden Geschäft (z.B. Kaufpreisminderung o.ä.). Ähnliche, wenn auch schwächere Wirkungen entfalten auch schon geeignete Formen der Beurkundung. Sie erleichtern es in einem mögli-

2.1 Grundbegriffe

53

chen Streitfall zumindest, den Nachweis zu führen, dass der reklamierte Anspruch auch wirklich besteht. (2) Einschränkung der schuldnerischen Handlungsfreiheit Durch eine Beschränkung der Handlungsfreiheit des Schuldners lässt sich sowohl das Finanzierungs- als auch das Investitionsrisiko verringern. In der Kreditvergabepraxis findet man daher verschiedene Instrumente, mit denen Gläubiger auf die Geschäftspolitik des Schuldners Einfluss zu nehmen versuchen. Beispielhaft seien genannt: – Die Delegierung von Angehörigen von Kreditinstituten in die Aufsichtsgremien von Gesellschaften, – die Bindung der Kreditvergabe an ganz bestimmte Verwendungen der überlassenen Kapitalbeträge oder – die an die Kreditvergabe geknüpfte Verpflichtung, dass der Schuldner ganz bestimmte risikopolitische Maßnahmen ergreift, wie z.B. den Abschluss eines Versicherungsvertrages, durch den das Risiko des Untergangs eines Vermögenswertes abgedeckt wird. Während die gerade angeführten Instrumente vornehmlich auf das Investitionsrisiko ausgerichtet sind, soll durch die Vereinbarung von sogenannten Negativklauseln vornehmlich das Finanzierungsrisiko beeinflusst werden. Durch solche Vereinbarungen kann der Schuldner beispielsweise verpflichtet werden, anderen Gläubigern keine Sicherheiten zu geben oder die Verschuldung seines Unternehmens innerhalb bestimmter Grenzen zu halten. (3) Erhöhung des individuell haftenden Vermögens zu Lasten anderer Gläubiger (Reservierung) Da die Verpflichtung des Schuldners zu Wohlverhalten nur einen relativen Schutz gewährleistet und zudem mit hohem Transaktions- und Kontrollaufwand verbunden ist, bieten sich als einfachere und wirksamere Sicherungsmöglichkeiten die verschiedenen Formen der „Reservierung“ von Vermögenswerten an. Das Merkmal dieser sogenannten Realsicherheiten besteht darin, dass der begünstigte Gläubiger einen im Einzelnen näher bestimmten Teil der Haftungsmasse insgesamt zu seiner ausschließlichen Befriedigung zugeordnet erhält, so dass sich die den übrigen Gläubigern haftende Masse in entsprechendem Umfang vermindert. Der Sicherungsgläubiger verbessert seine eigene Position also stets zu Lasten der übrigen Gläubiger. Die wichtigsten Instrumente zur Erlangung eines entsprechenden Aus- oder Absonderungsrechts haben Sie im vorangegangenen Abschnitt schon kennengelernt (vgl. insbesondere Tab. 2.04.). (4) Erhöhung des individuell haftenden Vermögens ohne Schlechterstellung anderer Gläubiger (Gläubigersubstitution) Während bei den Realsicherheiten die individuelle Besserstellung eines Gläubigers tendenziell mit einer Schlechterstellung aller oder einzelner anderer Gläubiger verknüpft ist, da die insgesamt verfügbare Haftungsmasse ja stets unverändert bleibt, besteht bei anderen Sicherungsformen die Möglichkeit, die eigenen Forderungen zu besichern, ohne dadurch die den anderen Gläubigern verbleibende Haftungsmasse zu vermindern. Dies ist etwa bei der Bürgschaft (§§ 765-778 BGB) der Fall. Ihre Funktion besteht darin, dass sich ein Dritter, der Bürge, verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Schuldners einzustehen. Wird der Bürge aufgrund der Bürgschaft in Anspruch genommen, so erwirbt er eine Forderung gegen den ursprünglichen Schuldner und tritt im Insolvenzverfahren an die Stelle des von ihm befriedigten Primärgläubigers. Aus Sicht des Schuldners tritt an die Stelle des durch

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

die Bürgschaft gesicherten Erstgläubigers also der Bürge als Sekundärgläubiger. Für die übrigen Gläubiger wird durch diese Form der Sicherung die eigene Position also weder verbessert noch verschlechtert. Bürgschaftsähnlich ist auch die gesetzlich nicht geregelte Garantie, durch die sich ein Dritter, der Garant, verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Gläubiger befriedigt wird. Zum Schutze der Gläubiger einer Untergesellschaft im Konzern können schließlich auch sog. Patronatserklärungen der Obergesellschaft dienen, deren Sicherungswert vom konkreten Inhalt der Haftungs- oder Erfolgszusage bestimmt wird. Unter dem Begriff „Patronatserklärung“ zusammengefasste Erklärungen der Obergesellschaft können von solchen, die nur „a warm feeling“ verschaffen, bis zu effektiven Garantiezusagen reichen. Das Spektrum entsprechender Formulierungen reicht von der Erklärung, man sei mit der Kreditaufnahme der Tochtergesellschaft einverstanden, bis hin zu Zusagen folgender Art: „Sie haben unserer Tochtergesellschaft einen Kredit in Höhe von Euro ... eingeräumt. Wir (Muttergesellschaft) übernehmen hiermit die uneingeschränkte Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Tochtergesellschaft in der Zeit, in der sie den bei Ihnen in Anspruch genommenen Kredit einschließlich Zinsen und Nebenkosten nicht vollständig zurückgezahlt hat, in der Weise geleitet und ausgestattet wird, dass sie stets in der Lage ist, ihren Verbindlichkeiten fristgemäß nachzukommen“. (5) Erhöhung des insgesamt haftenden Vermögens (Haftungserweiterung) Schließlich ist es auch möglich, dass im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung Maßnahmen vereinbart werden, durch die die Haftungsmasse, die der Gläubigergesamtheit zur Verfügung steht, insgesamt erhöht wird, indem über das bislang haftende Vermögen hinaus zusätzliche externe Haftungstatbestände vereinbart werden. Ein solcher Effekt kann etwa durch den Abschluss eines Verlustübernahmevertrages erzielt werden. Dabei verpflichtet sich ein Unternehmen, z.B. die Obergesellschaft innerhalb eines Konzernverbundes, etwaige Verluste des kreditnehmenden Tochterunternehmens auszugleichen. Durch den Abschluss eines solchen Vertrages vermindern sich für die Gläubiger des verlustabführenden Unternehmens offensichtlich sowohl das Insolvenzrisiko wie auch das Verlustrisiko. Demgegenüber sind die Gläubiger des verlustübernehmenden Unternehmens negativ betroffen, da sich für sie Insolvenz- und Verlustrisiko erhöhen. Auch Patronatserklärungen können eine ähnliche Funktion übernehmen, sofern sie nicht auf eine einzelne Verbindlichkeit bezogen sind, sondern auf die Zahlungsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens ganz allgemein abstellen.

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

2.2

Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

2.2.1

Vorbemerkung

55

In der Bankpraxis kennt man unterschiedliche Bezeichnungen zur Unterscheidung verschiedener Kreditangebote. Derartige Bezeichnungen weisen zum Teil eine instituts- oder institutsgruppenspezifische Prägung auf, zum Teil haben sie allgemeine Verbreitung gefunden. Dabei beziehen sich die zur näheren Charakterisierung einer Kreditform herangezogenen Termini auf unterschiedliche Kategorien von Kreditmerkmalen. So ist etwa, wie wir in den folgenden Darstellungen noch näher sehen werden – beim „Kontokorrentkredit“ der spezifische Abwicklungsmodus begriffsprägend, – bei „Lombardkredit“, „Zessionskredit“ oder „Hypothekarkredit“ die spezielle Sicherungsform, – beim „Konsumentenkredit“ die Person des Kreditnehmers, – beim „Kleinkredit“ die Kreditsumme oder – beim „kurzfristigen Kredit“ die Laufzeit der Finanzierungsvereinbarung. Offensichtlich können sich die so geprägten Begriffe überlappen. So kann etwa – wie gleich noch deutlicher wird – ein Kontokorrentkredit je nach der zugrundeliegenden Sicherungsform zugleich ein Lombard- oder Zessionskredit, ein Konsumentenkredit zugleich ein Kleinkredit, ein Lombardkredit zugleich ein kurzfristiger Kredit etc. sein. Ein zusätzliches terminologisches Problem resultiert daraus, dass Bankkredite zum Teil als „Kredite“ bezeichnet werden, zum Teil aber auch als „Darlehen“,9 ohne dass eine klare Trennlinie für die Verwendung der einen oder der anderen Bezeichnung ausgemacht werden kann. Wir können das Dilemma, das sich aus dieser begrifflichen Unordnung für den in diesem Buch angestrebten Versuch einer systematischen Darstellung pragmatisch lösen, indem wir die Behandlung unterschiedlicher Kreditformen den verschiedenen Abschnitten dieses Buches nach den Merkmalen zuordnen, die uns jeweils als die „gewichtigsten“ erscheinen. Die Gliederung der folgenden drei Abschnitte in ihrer nicht vollauf überzeugenden Systematik ist ein Ergebnis dieser Pragmatik.

2.2.2

Kontokorrent- und Lombardkredite

Ein Kontokorrentkredit (§§ 355-357 HGB) wird durch die Einräumung einer Kreditlinie seitens eines Kreditinstituts gewährt. Die zugesagte Kreditlinie stellt den Höchstbetrag dar, bis zu dem das Kontokorrentkonto überzogen werden darf. Die Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits nimmt der Kreditnehmer jeweils nach eigenem Bedarf vor, so wie das die Abwicklung seines laufenden Zahlungsverkehrs jeweils erfordert.

9

Zur rechtlichen Differenzierung Kredit/Darlehen: Ein Darlehen (Sachdarlehen) bezeichnet die Überlassung von Geld (bzw. Sachen); der Darlehensschuldner schuldet dem Darlehensgläubiger Geld (bzw. Sachen gleicher Menge und Güte). „Kredit“ hingegen erfasst als Oberbegriff eine Schuld (üblicherweise eine Geldschuld), der nicht notwendig eine Überlassung des Geschuldeten vorangehen muss. Beispielsweise hat der Nachbar, der sich am Sonntag mit drei Eiern aushelfen lässt, eine Darlehensschuld, ebenso der Bankkunde, der sein Girokonto „überzogen“ hat. Der Kunde hingegen, der sich von seinem Lieferanten „auf Ziel“ beliefern lässt, hat „lediglich“ eine Kreditschuld.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Der Kontokorrentkredit wird in der Regel entweder „bis auf weiteres“ mit kurzer, z.B. vierzehntägiger, Kündigungsfrist gewährt oder für eine feste Laufzeit von höchstens einem Jahr. Allerdings erfolgt oftmals eine ständige „Prolongation“ mit der Konsequenz, dass der Kontokorrentkredit de facto dann langfristig zur Verfügung steht. Für die Finanzplanung eines Unternehmens ist jedoch zu beachten, dass die Gefahr einer Kündigung seitens der Bank gerade dann besonders groß ist, wenn sich das Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befindet, i.d.R. also ganz besonders auf den Fortbestand der Kreditbeziehung angewiesen ist. Vor der Einräumung einer Kreditlinie führt das Kreditinstitut regelmäßig eine bankübliche Kreditwürdigkeitsprüfung des potentiellen Kreditnehmers durch. Als Kreditsicherheiten für einen Kontokorrentkredit kommen die Bürgschaft, die Forderungsabtretung, die Sicherungsübereignung u.a. in Betracht; hat das Kreditinstitut eine besonders starke Verhandlungsposition, wird dem Kreditnehmer gelegentlich zudem die Verpflichtung zur vollständigen Abwicklung aller finanziellen Transaktionen über das Kreditinstitut auferlegt werden. Diesem wird dadurch die laufende Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldners wesentlich erleichtert, wodurch die Chancen einer „rechtzeitigen“ Kündigung verbessert werden. Die Kosten des Kontokorrentkredites setzen sich üblicherweise zusammen aus – dem Sollzins nach jeweiliger Inanspruchnahme, – eventuell zusätzlich einer Bereitstellungsprovision auf die bereitgestellte (= Kreditlinie), aber nicht in Anspruch genommene Summe – und ggf. weiterer Preisbestandteile (z.B. Kontoführungsgebühren). Die Sollzinsen werden den Kontokorrentkonten häufig quartalsweise nachschüssig belastet. Dadurch ergibt sich für die auf das ganze Jahr bezogene Zinsbelastung ein etwas höherer Wert als der zugrundeliegende Soll-Zinssatz. Beispiel 2.04: Ein Kontokorrentkredit wird quartalsweise abgerechnet; der Sollzins beträgt 12% p.a. Der Einfachheit halber sei unterstellt, dass – der Kredit zum 1.1. einen Stand von 100.000 Euro aufweist und – während des gesamten Jahres keinerlei Aus- oder Einzahlungen erfolgen. Der Schuldbestand am Jahresende beträgt dann nicht etwa 112.000 Euro (100.000 Euro Anfangsschuld + 12.000 Euro Zinsen), sondern bestimmt sich wie folgt: Stand zu Beginn d. 1. Quartals 100.000 + Zins für das 1. Quartal*) 3.000 Stand zu Beginn d. 2. Quartals 103.000 + Zins für das 2. Quartal 3.090 Stand zu Beginn d. 3. Quartals 106.090 + Zins für das 3. Quartal*) 3.183 **) Stand zu Beginn d. 4. Quartals 109.273 **) Zins für das 4. Quartal 3.278 **) Endbestand 112.551 **) *) Jeweils 12/4 = 3% auf den Schuldbestand zu Quartalsbeginn. **) Auf volle Euro gerundet.

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

57

Dadurch, dass die erste Zinsbelastung schon nach drei Monaten erfolgt und darauf in der Folgezeit Zinseszinsen anfallen und ähnliches für die zweite und dritte Belastung gilt, ergibt sich auf das ganze Jahr bezogen also eine effektive Zinslast von über 12,5%. Die Höhe des Zinssatzes ist in aller Regel nicht dem Prozentsatz nach fest vereinbart, sondern variabel: – Entweder behält sich die Bank eine jederzeitige Anpassung der Konditionen vor – oder der Sollzins ergibt sich als Zuschlag zu einer anderen Zinsgröße, z.B. dem Zinssatz für kurzfristige Refinanzierungsgeschäfte bei der Zentralbank oder einer Marktgröße wie den EURIBOR.10 Die erstgenannte Regelung ist vor allem bei sog. Dispositionskrediten an Private anzutreffen, während die von einem Zentralbanksatz abhängige Verzinsung eher für Kredite an Unternehmen typisch ist. Verfügt der Kreditnehmer durch Überweisungen, Daueraufträge, Barabhebungen, Ausstellungen von Schecks etc. in einem solchen Ausmaß über sein Konto, dass die Kreditlinie überschritten würde, so kann die Bank die Ausführung der entsprechenden Aufträge ablehnen. Oftmals werden (kurzfristige) Überschreitungen der Linie jedoch stillschweigend geduldet; dem Kreditnehmer wird dann ein „Überziehungsprovision“ genannter Strafzins zusätzlich zu dem ohnedies anfallenden Sollzins in Rechnung gestellt. Ein Lombardkredit ist ein Kredit gegen die Verpfändung beweglicher Sachen. Das können Wertpapiere, Edelmetalle oder Waren sein. Der maximale Kreditbetrag ergibt sich aus der ermittelten Beleihungsgrenze, die bei Wertpapieren i.d.R. zwischen 50% und 75% ihres Kurswertes liegt. Die Laufzeit des Lombardkredites ist generell kurz. Die Kosten werden durch den Soll-Zinssatz bestimmt, der gewöhnlich 0,5% – 2% über dem Spitzenrefinanzierungssatz der Zentralbank liegt. Der Spitzenrefinanzierungssatz bezeichnet den Zinssatz, zu dem die nationalen Zentralbanken ihrerseits Kreditinstituten Liquidität entweder in Form von Übernacht-Pensionsgeschäften oder als Übernacht-Pfandkredite zur Verfügung stellen. Der Zinssatz dieser Spitzenrefinanzierungsfazilität bildet im Allgemeinen die Obergrenze für den Tagesgeldsatz.

2.2.3

Finanzierung durch Abtretung von Forderungen

2.2.3.1 Vorbemerkungen Bei vielen Unternehmen resultiert ein Teil ihres Finanzierungsbedarfs aus dem Umstand, dass die Absatzleistungen, die sie ihren Abnehmern erbringen, nicht sofort im Absatzzeitpunkt bezahlt werden, sondern erst in einem mehr oder weniger großen zeitlichen Abstand danach. Bilanziell schlägt sich ein solcher „Umsatz auf Ziel“ bekanntlich in dem Ausweis von „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ nieder. Eine seit langem in unterschiedlichen Varianten genutzte Möglichkeit, den daraus resultierenden Finanzierungsbedarf zumindest teilweise durch Rückgriff auf seine eigenen Ursachen zu decken, besteht in dem Versuch, diese Forderungsbestände schon vor Fälligkeit „zu Geld zu machen“.

10

Vgl. Abschnitt 2.1.3.

58

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Die Praxis kennt in diesem Zusammenhang etliche Instrumente, die zum Teil seit jeher von (Universal-)Banken als Eigenleistung im Rahmen ihres Kreditgeschäfts angeboten werden. Daneben gibt es aber auch Instrumente jüngeren Datums, die von speziellen Finanzdienstleistern bereitgestellt werden, wobei Banken allerdings zumeist als Vermittler und Berater auftreten. Wir werden Ihnen in den folgenden Abschnitten vier Gruppen derartiger Finanzierungsinstrumente kurz vorstellen und dabei – in den Abschnitten 2.2.3.2 und 2.2.3.3 mit dem Zessions- und dem Diskontkredit zwei Angebote aus dem „klassischen“ Banksortiment darstellen, anschließend – im Abschnitt 2.2.3.4 mit dem Factoring auf ein zwar jüngeres, aber inzwischen auch schon fest etabliertes Finanzierungsinstrument eingehen und abschließend – im Abschnitt 2.2.3.5 die Grundstruktur sogenannter ABS-Konstruktionen verdeutlichen, deren Lebenszyklus sich – zumindest in Deutschland – noch in einer relativ frühen Phase befindet. Bevor wir auf die spezifischen Besonderheiten dieser Finanzierungsinstrumente eingehen, ist es jedoch sinnvoll, einige allgemeine Aspekte, die für ihre wirtschaftliche Bewertung bedeutsam sind, „vor die Klammer“ zu ziehen. Es sind dies – zum einen die Effekte, die mit dem Einsatz dieser Instrumente verbunden sind, sowie – zum anderen die direkten und indirekten Kosten, die durch sie verursacht werden. Im Hinblick auf die Effekte spricht man in diesem Zusammenhang häufig davon, dass derartige Finanzierungsinstrumente im Wesentlichen drei Funktionen erfüllen können, nämlich eine Finanzierungsfunktion, eine Risikofunktion (auch „Delkrederefunktion“) und eine Dienstleistungsfunktion (auch „Servicefunktion“). Als Finanzierungsfunktion bezeichnet man den schon eingangs erwähnten Umstand, dass die aus dem Absatzprozess entstandenen Forderungen bei dem betrachteten Unternehmen schneller zu Zahlungsflüssen führen als das ohne den Einsatz des entsprechenden Instrumentes der Fall wäre. Wie stark dieser Effekt ausgeprägt ist, hängt vor allem davon ab, – zu welchem Anteil und – wie schnell nach ihrer Entstehung die zugrundeliegenden Forderungen zu Zahlungsflüssen führen. Die Risikofunktion bezieht sich auf die Möglichkeit, dass sich das betrachtete Unternehmen mit der Abtretung seiner Forderungen zugleich auch der damit verbundenen Ausfallrisiken entledigt. Zur näheren Beurteilung dieses Effektes kommt es in erster Linie darauf an, – in welchem Ausmaß das Risiko an einen Dritten übertragen wird und – unter welchen Voraussetzungen – schon bei Zahlungsverzögerung oder etwa erst bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens – dies der Fall ist. Unter der Servicefunktion schließlich versteht man den möglicherweise auftretenden Effekt, dass für das betrachtete Unternehmen mit der Übertragung seiner Forderungen auch die Notwendigkeit der sogenannten Debitorenbuchhaltung entfällt, worunter man neben rein buchhalterischen Tätigkeiten auch weitere Aufgaben wie die Terminüberwachung sowie das Mahn- und Inkassowesen zusammenfasst. Zu einer fundierten Beurteilung der mit den verschiedenen Finanzierungsinstrumenten verbundenen Konsequenzen reicht die oberflächliche Betrachtung dieser drei Funktionen allein allerdings nicht aus. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr die Frage, welche Sekundäreffekte die Forderungsabtretung nach sich zieht, d.h. welche Folgewirkungen entstehen, die

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

59

ohne die Abtretung der Forderungen unterblieben wären. Eine derartige Folgeanalyse ist im Hinblick auf alle drei Funktionen vonnöten. Wir wollen uns hier im Interesse einer exemplarischen Verdeutlichung allerdings auf die Finanzierungsfunktion beschränken und dabei auch nur einige besonders nahe liegende Anpassungsmaßnahmen betrachten. Geht man zunächst einmal davon aus, dass die Forderungsabtretung als Primäreffekt zu einer Erhöhung des Zahlungsmittelbestandes führt, so können grundsätzlich die folgenden drei Kategorien von Sekundäreffekten unterschieden werden: (1) Der primäre Zahlungsmittelzufluss wird zu einer weiteren Vermögensumschichtung genutzt. Das Spektrum entsprechender Folgemaßnahmen reicht vom Erwerb schnell liquidierbarer Wertpapiere oder der Bildung von Festgeldanlagen über die (vorgezogene) Beschaffung von Vorratsgütern bis hin zur Finanzierung von Anlageninvestitionen. (2) Der primäre Zahlungsmittelzufluss führt als Sekundäreffekt zu einer Schuldenminderung. Hier ist zunächst an einen Abbau von Kontokorrentverbindlichkeiten zu denken. Wird der laufende Zahlungsverkehr – wie das häufig anzutreffen ist – über das Kontokorrentkonto abgewickelt, so ist die Minderung dieses Kredits gar kein Sekundäreffekt, sondern der unmittelbare Primäreffekt der Forderungsabtretung, an den sich möglicherweise gar kein weiterer Folgeeffekt mehr anschließen muss. Daneben ist es allerdings auch denkbar, dass die Forderungsabtretung zunächst zu einer Erhöhung des Zahlungsmittelbestandes führt, die dann jedoch dazu genutzt wird, Festkredite bei Banken oder Lieferantenkredite abzubauen oder gar nicht erst in Anspruch zu nehmen. (3) Der primäre Zahlungsmittelzufluss wird zur Finanzierung aufwandswirksamer Auszahlungen genutzt, etwa für zusätzliche Werbemaßnahmen, die ansonsten erst später durchgeführt worden wären. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass derartige Sekundäreffekte in den unterschiedlichsten Gemengelagen und auch mit Änderungen im Zeitablauf auftreten können. Eng zusammenhängend mit der Art der mit der Forderungsabtretung verknüpften Sekundäreffekte ist die – gelegentlich etwas überbetonte – Frage, welche bilanziellen Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf den Verschuldungsgrad,11 damit letztlich verbunden sind. Zur Beurteilung dieser Frage ist zunächst zu klären, ob die Forderungen nach ihrer Abtretung – immer noch bilanziell auszuweisen sind oder – auszubuchen sind. Im ersten Fall geht der primäre Zahlungsmittelzufluss mit dem Ausweis zusätzlicher Verbindlichkeiten einher (Buchung: „Kasse/Bank an Verbindlichkeiten“), bewirkt zunächst also eine Bilanzverlängerung. Im zweiten Fall (Buchung: „Kasse/Bank an Forderungen“) schlägt sich der Primäreffekt in einem Aktivtausch nieder. Die endgültige bilanzielle Wirkung hängt dann jedoch auch noch davon ab, zu welcher Kategorie von Sekundäreffekt es kommt. Das folgende – in etlichen Elementen bewusst einfach konstruierte – Beispiel verdeutlicht einige der Konstellationen, die dabei letztlich eintreten können.

11

Als Verschuldungsgrad bezeichnet man allgemein – mit kleineren Detailvariationen – das Verhältnis zwischen dem bilanziell ausgewiesenen Fremdkapital (Rückstellungen, Verbindlichkeiten und passive Rechnungsabgrenzungsposten) und dem bilanziellen Eigenkapital.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Beispiel 2.05: Die ALPHA AG verfügt kurz vor Ende des Geschäftsjahres über Forderungen von 20 Mio. Euro, die erst im Laufe des kommenden Geschäftsjahres fällig werden. Ein Finanzinstitut zahlt der AG gegen Abtretung der Forderungen 20 Mio. Euro, die als Primäreffekt zu einer Erhöhung des Bankguthabens der AG führen. Als Sekundärmaßnahme erwägt die AG, – als Möglichkeit (1), in entsprechendem Umfang Wertpapiere zu erwerben, oder – als Möglichkeit (2), einen gerade zur Prolongation anstehenden Festkredit bei der Hausbank von bislang 50 Mio. Euro nur noch im Volumen von 30 Mio. Euro weiterzuführen. Je nachdem, ob die Forderungen nach ihrer Abtretung weiter bei der ALPHA AG bilanziert werden (Variante I) oder nicht (Variante II), ergeben sich folgende buchmäßige Effekte: Variante I Der Primäreffekt kann durch den Buchungssatz „Bankguthaben an So. Verbindlichkeiten“ beschrieben werden. Möglichkeit (1): Die weitere Verwendung der zugeflossenen Gelder zum Erwerb von Wertpapieren manifestiert sich in dem Buchungssatz „Wertpapiere an Bankguthaben“. Fasst man beide Buchungsvorgänge zusammen, so kann der Gesamteffekt letztlich durch den Buchungssatz „Wertpapiere an Verbindlichkeiten“ beschrieben werden. Bilanziell stellt sich die gesamte Transaktion also letztlich wie ein kreditfinanzierter Wertpapierkauf dar, schlägt sich also in einer Bilanzverlängerung nieder und führt damit verknüpft zu einer Erhöhung des Verschuldungsgrades. Möglichkeit (2): Werden die zugeflossenen Gelder zur Tilgung von Bankverbindlichkeiten verwendet, so lautet der entsprechende Buchungssatz „Bankverbindlichkeiten an Bankguthaben“. Der Gesamteffekt kann mithin durch den Buchungssatz „Bankverbindlichkeiten an So. Verbindlichkeiten“ abgebildet werden. Die gesamte Transaktion führt letztlich also zu einem Passivtausch, Bilanzsumme und Verschuldungsgrad bleiben unverändert. Variante II Der Primäreffekt der Forderungsabtretung lässt sich jetzt durch den Buchungssatz „Bankguthaben an Forderungen“ beschreiben. Möglichkeit (1): Der Kauf von Wertpapieren wird isoliert betrachtet nach wie vor durch den Buchungssatz „Wertpapiere an Bankguthaben“

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

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beschrieben, so dass ein Gesamteffekt eintritt, dem der Buchungssatz „Wertpapiere an Forderungen“ entspricht. Die Maßnahme schlägt sich letztlich also in einem Aktivtausch nieder. Bilanzsumme und Verschuldungsgrad bleiben wiederum unverändert. Möglichkeit (2): Wird der primäre Zahlungsmittelfluss schließlich entsprechend dem Buchungssatz „Bankverbindlichkeiten an Bankguthaben“ zum Abbau von Verbindlichkeiten genutzt, so manifestiert sich der Gesamteffekt in dem Buchungssatz „Bankverbindlichkeiten an Forderungen“, führt also zu einer Bilanzverkürzung und damit auch zu einer Reduzierung des Verschuldungsgrades.

Den soeben dargelegten positiven Effekten, die mit einer Abtretung von Forderungen möglicherweise verbunden sein können, stehen auf der anderen Seite diverse Kosten gegenüber. Diese werden gelegentlich gedanklich in zwei Gruppen eingeteilt, nämlich – in die direkten Kosten, die sich unmittelbar in Geldbeträgen niederschlagen, sowie – in sonstige negative Effekte, die mit der einen oder anderen Variante der Forderungsabtretung verbunden sein können, jedoch nicht unmittelbar in „Mark und Pfennig“ quantifiziert werden können (indirekte Kosten). Direkte Kosten resultieren ganz überwiegend aus Zahlungen, die das betroffene Unternehmen im Zusammenhang mit der Forderungsabtretung an einen oder mehrere Geschäftspartner leisten muss. Die Art dieser Kosten kann zwischen den verschiedenen Instrumenten deutlich divergieren. In formaler Hinsicht lassen sie sich immerhin im Wesentlichen in drei Gruppen einteilen: •

Zinsen und zinsähnliche Kosten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zum einen von der bereitgestellten Finanzierungssumme und zum anderen von der Bereitstellungsdauer abhängen. • Volumenabhängige Kosten werden demgegenüber nur durch das Volumen der abgetretenen Forderungen oder des dadurch bewirkten Mittelzuflusses bestimmt. • Transaktionsfixe Kosten schließlich fallen unabhängig von Zahlungsvolumen und -dauer für bestimmte Aktivitäten in fester Höhe an. Es bedarf nicht großer Phantasie sich vorzustellen, dass diese Kostenkategorien in der Praxis in den unterschiedlichsten Gemengelagen und mit diversen Detailvariationen auftreten können. Das gilt erst recht für die indirekten Kosten, die mit den verschiedenen Instrumenten der Forderungsabtretung verbunden sein können. Von besonderem Gewicht dürften in vielen Fällen allerdings die folgenden drei Aspekte sein:



Zum einen können Imageprobleme auftreten. Zumindest bestimmte Formen der Abtretung von Forderungen werden in einer eher konservativen Sichtweise gelegentlich als ein Zeichen von finanzieller Schwäche oder gar wenig soliden Finanzgebarens angesehen. Zwar kann der Einsatz derartiger Finanzierungsinstrumente de facto durchaus ein Beleg für ein effizientes Finanz- und Risikomanagement sein. Diese Erkenntnis allein

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

hilft betroffenen Unternehmen jedoch so lange wenig, wie die eigenen Geschäftspartner nicht auch davon überzeugt werden können. Halten diese die Forderungsabtretung für ein Schwächezeichen, so muss das Unternehmen die Gefahr ins Kalkül einbeziehen, dass sich die eigenen Lieferanten mit Lieferungen auf Ziel zurückhalten oder die Abnehmer aus Vorsicht schon nach anderen Lieferanten Ausschau halten. • Ein zweites Problemfeld ergibt sich daraus, dass der Kundenkontakt reduziert wird. Insbesondere die Möglichkeiten, gelegentliche Überschreitungen von Zahlungszielen angesichts der insgesamt guten Geschäftsbeziehung stillschweigend zu akzeptieren oder ausstehende Beträge nicht durch offizielle Schreiben, sondern durch bestehende persönliche Kontakte informell anzumahnen, können je nach den Modalitäten der Forderungsabtretung drastisch eingeschränkt werden. • Ein drittes Problem kann darin bestehen, dass das Unternehmen durch ein festes, auf Dauer angelegtes Arrangement zur Forderungsabtretung einen gewissen Autonomieverlust hinnehmen muss und in eine mehr oder weniger starke Abhängigkeit von dem entsprechenden Geschäftspartner geraten kann. Wir werden im Folgenden bei der Charakterisierung der verschiedenen Instrumente zur Abtretung von Forderungen jeweils sowohl auf die spezifische Ausprägung der drei grundlegenden Funktionen als auch die verschiedenen Kostenaspekte kurz eingehen. 2.2.3.2 Zessionskredite Zessionskredite sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Unternehmen der kreditgebenden Bank die eigenen Absatzforderungen als Sicherheit für den gewährten Kredit abtritt. Die Bank erwirbt damit das Recht, für den Fall, dass der Kredit nicht vereinbarungsgemäß „bedient“ wird, auf die Zahlungseingänge aus den abgetretenen Forderungen zuzugreifen. Oftmals werden entsprechende Vereinbarungen „revolvierend“ getroffen. Das bedeutet, dass die im Absatzprozess permanent neu entstehenden Forderungen in den Sicherungspool aufgenommen werden und die sukzessive durch Zahlung erlöschenden „Altforderungen“ ersetzen. Grundsätzlich können Kredite jeglicher Art in dieser Weise mit Forderungsbeständen abgesichert werden. Besonders häufig werden aber Kontokorrentkredite (vgl. Abschnitt 2.2.2) – zumindest teilweise – durch die Abtretung von Forderungen besichert. Dabei trifft man typischerweise auf folgende Ausprägungen der drei grundlegenden Funktionen:



Finanzierungsfunktion: Grundsätzlich kann das Beleihungsvolumen frei vereinbart werden. Typischerweise sind allerdings Quoten von 60% bis 70% anzutreffen; d.h. einem Unternehmen mit einem Forderungsvolumen, das um 10 Mio. Euro schwankt, würde darauf allein eine Kreditlinie in der Größenordnung von 6 bis 7 Mio. Euro eingeräumt. • Risikofunktion: Die Forderungen werden ausschließlich „zur Sicherheit“ abgetreten. Kommt es zu Forderungsausfällen, so muss das betrachtete Unternehmen uneingeschränkt für den beanspruchten Kontokorrentkredit geradestehen. Es trägt also ungeachtet der erfolgten Abtretung das volle Ausfallrisiko. • Servicefunktion: Das abtretende Unternehmen ist im Regelfall nach wie vor für die gesamte Debitorenbuchhaltung zuständig. Dementsprechend werden die abgetretenen Forderungen auch in bilanzieller Hinsicht nach wie vor dem betrachteten Unternehmen zugerechnet. Je nach der Verwendung der bereitge-

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

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stellten Kreditsumme kommt es somit entweder zu einer Bilanzverlängerung oder einem Passivtausch (vgl. Beispiel 2.05). Die direkten Kosten des Zessionskredits resultieren ganz überwiegend aus den Kontokorrentzinsen, liegen also eher am oberen Ende des Zinsspektrums. Die Gefahr von indirekten Kosten ist demgegenüber eher gering. 2.2.3.3 Diskontkredite Als Diskontkredit bezeichnet man die Überlassung von Zahlungsmitteln im Zusammenhang mit dem Ankauf eines Wechsels (= „Diskontierung“) durch eine Bank aus dem Wechselbestand eines Unternehmens. Diesem werden dabei Zahlungsmittel in Höhe der um den Diskontabschlag (s. u.) verminderten Wechselsumme schon vor dem Fälligkeitstermin des eingereichten Wechsels zur Verfügung gestellt. Oft wird zwischen Bank und Unternehmen eine Diskontkreditlinie vereinbart, d. h. das maximale Volumen, bis zu dem die Bank sich bereithält, Wechsel mit zuvor ebenfalls festgelegten Qualitätsmerkmalen anzunehmen. Die Entstehung eines Wechsels läuft typischerweise wie folgt ab:



Ein Unternehmen liefert an einen Abnehmer „auf Ziel“, d.h. der Rechnungsbetrag ist erst eine bestimmte Frist, z.B. 90 Tage, nach Eingang der Rechnung fällig. • Gleichzeitig stellt der Lieferant eine Wechselurkunde aus, die die Anweisung an den Abnehmer enthält, zum Fälligkeitstermin die geschuldete Summe zu zahlen. Man sagt auch: der Lieferant als „Aussteller“ „zieht“ einen Wechsel auf seinen Abnehmer, den „Bezogenen“. • Dieser „gezogene“ Wechsel (auch „Tratte“ genannt) wird dem Bezogenen vorgelegt, der mit seiner Unterschrift quer auf der Vorderseite des Wechsels die darin enthaltene Anweisung zur Zahlung akzeptiert und damit die wechselrechtliche Zahlungsverpflichtung übernimmt. • Anschließend wird der nun auch als „Akzept“ bezeichnete Wechsel an den Lieferanten zurückgegeben. Dieser kann ihn nach eigenem Gutdünken bis zur Fälligkeit im Bestand halten oder aber zu einem Diskontkredit nutzen. Einen solchen Wechsel, dem eine Warenlieferung oder eine Dienstleistung zugrunde liegt, bezeichnet man auch als Handelswechsel, im Gegensatz zum Finanzwechsel, dem ein reiner Finanzkontrakt zugrunde liegt. Die Verwendung von Wechseln und deren Refinanzierung durch einen Diskontkredit hat lange Tradition, ist in den letzten Jahren jedoch – aus hier nicht näher zu analysierenden Gründen – etwas „aus der Mode“ gekommen. Die direkten Kosten für den Kreditnehmer eines Diskontkredites ergeben sich in erster Linie aus dem Diskontabschlag bei Ankauf des Wechsels, der in der Regel 1 bis 3 Prozentpunkte über dem kurzfristigen Zinssatz für Interbankenkredite liegt. Die Kosten bewegen sich also eher im unteren bis mittleren Bereich des Zinsspektrums für Unternehmensfinanzierungen. Aus dieser kurzen Charakterisierung lassen sich folgende Hinweise auf die Ausprägung der grundlegenden Funktionen ableiten:

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen



Finanzierungsfunktion: Der Finanzierungseffekt beim Verkauf einer Wechselforderung ist vergleichsweise hoch. Bei einer Restlaufzeit von 4 Monaten und einem Diskontabschlag von 6% p.a. etwa würde ein Wechsel über 100.000 Euro mit einem Abschlag von 2% (6% pro Jahr auf 4 Monate bezogen), also zu 98.000 Euro ausgezahlt. • Risikofunktion: Ähnlich wie beim Zessionskredit verbleibt das Ausfallrisiko in vollem Umfang bei dem einreichenden Unternehmen. Zwar ermöglicht die Ausgestaltung der Absatzforderung als Wechselanspruch einen schnelleren Zugriff auf das Vermögen des Schuldners. Jedoch ist dies keine Folge des Diskontkredits; dieser Effekt ist vielmehr allein eine Folge der wechselmäßigen Verbriefung und tritt auch auf, wenn das Unternehmen den Wechsel bis zur Fälligkeit einfach im Bestand hält. • Servicefunktion: Der Bank obliegt die unmittelbare Überwachung der Fälligkeitstermine sowie die Vorlage des Wechsels beim Schuldner. Insoweit wird das Unternehmen von diesen Aufgaben entlastet. Da allerdings stets die Gefahr droht, dass der Wechsel nicht eingelöst und das Unternehmen selbst in Anspruch genommen wird, ist es erforderlich, doch eine Art Schattenbuchführung über die weitergegebenen, aber noch nicht eingelösten Wechsel zu führen. Eine solche Schattenbuchführung ist auch im Hinblick auf die bilanzielle Behandlung notwendig. Zwar werden die Wechselforderungen bei der Weitergabe an die Bank ausgebucht. Das Unternehmen muss allerdings zum Jahresende „unter dem Bilanzstrich“ die aus den weitergegebenen Wechseln noch bestehenden Eventualverbindlichkeiten als Merkposten angeben. Die direkten Kosten für die Inanspruchnahme von Diskontkrediten liegen tendenziell im unteren Bereich des Zinsspektrums. Im Übrigen gilt der Diskontkredit traditionell als „feines“ Finanzierungsinstrument, so dass Imageprobleme im Allgemeinen nicht zu erwarten sind. Als Probleme können die Unterbrechung des Kundenkontaktes und die Gefahr eines etwas „ruppigeren“ Inkassos durch die Bank verbleiben. Da nun aber das „Platzen“ eines Wechsels weiterhin als sehr negatives Signal über die wirtschaftliche Lage des Bezogenen gewertet wird, geht dieser im Allgemeinen ohnehin von der Notwendigkeit aus, den Wechsel bei Fälligkeit umgehend begleichen zu müssen. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Abrechnung eines Diskontkredites: Beispiel 2.06: Wechselsumme 10.000 Euro, Laufzeit 90 Tage, Diskontsatz: 9%. Der Auszahlungsbetrag errechnet sich dann wie folgt:

./. ./. =

Wechselsumme Diskontabschlag für 90 Tage, pro Quartal 9% : 4 = 2,25% Diskontprovision, z.B. 0,40% Auszahlung

10.000,− Euro 225,− Euro 40,− Euro 9.735,− Euro

Zum Kostenvergleich mit den Zinsbelastungen anderer Kreditarten ist es üblich, den effektiven Jahreszins bei Inanspruchnahme des Diskontkredits zu bestimmen. Zunächst ist das Jahresäquivalent nach folgender Formel zu ermitteln: Jahresäquivalent:

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

(Diskontabschlag + Diskontprovision) ⋅

65

360 Tage

Laufzeit des Kredites Für die Errechnung des effektiven Jahreszinses bezieht man das Jahresäquivalent auf die effektive Kreditsumme, also auf den oben ermittelten Auszahlungsbetrag: Jahresäquivalent effektiver Jahreszins = ⋅ 100 effektive Kreditsumme (Diskontabschlag + Diskontprovision) ⋅ =

=

360 Tage Laufzeit des Kredits

Wechselsumme − Diskontsumme − Diskontprovision

1.060, − Euro 9.735, − Euro

⋅ 100

⋅ 100 = 10,89%

2.2.3.4 Factoring In seiner am weitesten verbreiteten Standardform ist das Factoring dadurch gekennzeichnet, dass – ein spezielles Factoringinstitut – im Rahmen eines Pauschalvertrages – die Forderungen eines Unternehmens aus Lieferungen und Leistungen aufkauft, – sie unmittelbar nach ihrem Entstehen bevorschusst und – zugleich das Risiko eines etwaigen Zahlungsausfalls übernimmt. In der einschlägigen Terminologie wird der Verkäufer der Forderungen als Anschlusskunde bezeichnet; die Schuldner der verkauften Forderungen nennt man Debitoren. Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Factor und Anschlusskunde ist ein i.d.R. für eine Laufzeit von mehreren Jahren abgeschlossener Factoringvertrag, der beim StandardFactoring typischerweise u.a. folgende Elemente enthält:

• • • • •

12

Verpflichtung des Anschlusskunden, dem Factor sämtliche Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zum Kauf anzubieten, soweit nicht explizite Obergrenzen oder generelle Ausnahmen im Hinblick auf spezielle Abnehmergruppen vereinbart sind; Verpflichtung des Anschlusskunden, seine Rechnungen mit einem Vermerk zu versehen, aus dem die Abtretung der Forderung an den Factor klar ersichtlich ist, und die Zahlung auf ein Konto des Factoringinstituts zu erbitten;12 Übertragung der an den verkauften Forderungen bestehenden Sicherungsrechte (z.B. Eigentumsvorbehalt) auf den Factor; Ausschluss eines Rückgriffsrechts des Factors auf den Anschlusskunden, wenn der Debitor ohne rechtlichen Grund die Zahlungsziele nicht einhält; Festlegung, bis zu welchem Prozentsatz die angekauften Forderungen sofort ausbezahlt werden (i.d.R. zwischen 80% und 90% des Forderungsbetrages); Häufig bieten Factoringgesellschaften ihren Kunden als weitere Dienstleistung auch an, die Fakturierung zu übernehmen, also die Rechnungen für den Anschlusskunden zu erstellen und zu versenden. Diese Serviceleistung verschafft den Factoringgesellschaften dabei zugleich die Möglichkeit sicherzustellen, dass der offene Abtretungsvermerk auch wirklich auf den Rechnungen angebracht wird.

66

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen



Bestimmung der verschiedenen Gebührensätze und der dafür vorgesehenen Bezugsgrößen. Der Einbehalt eines Teils der Forderungen dient zur Deckung von berechtigten Kürzungen des Rechnungsbetrages durch die Debitoren, z.B. bei der Beanspruchung von Skonti, bei Reklamationen etc. Die Auszahlung der ggf. um entsprechende Kürzungen verminderten Restbeträge erfolgt jeweils regelmäßig bei Zahlungseingang. Überschreitet der Debitor allerdings das gesetzte Zahlungsziel, so wird der Restbetrag entweder sofort oder nach Ablauf einer gewissen Wartefrist unabhängig davon ausgezahlt, ob der Debitor inzwischen geleistet hat oder nicht. Bei dem soeben skizzierten Standardtyp des Factoring sind alle drei möglichen Grundfunktionen einer Forderungsabtretung deutlich ausgeprägt:







Finanzierungsfunktion: Je nach der Höhe der vereinbarten Einbehaltsquote beläuft sich die Finanzierungswirkung des Factoring auf 80 bis 90% der abgetretenen Forderungen. Es wird also eine deutlich höhere Quote als beim Zessionskredit erreicht, bei dem die Forderungen in der Regel ja nur zu 60 bis 70% beliehen werden. Auf der anderen Seite bleibt das Factoring deutlich hinter dem Diskontkredit mit Quoten zwischen 97% und 99% der Wechselsumme zurück. Die Nutzung des Diskontkredits setzt aber naturgemäß voraus, dass über die zugrundeliegende Forderung überhaupt ein Wechsel ausgestellt wird. Dies ist in etlichen Branchen durchaus anzutreffen, in anderen Bereichen hingegen völlig unüblich. Typische Adressaten von Factoringangeboten stellen dementsprechend ganz überwiegend solche Unternehmen dar, deren Forderungen nicht wechselmäßig unterlegt sind. Risikofunktion: Bezüglich der Risikowirkungen ist das Standardfactoring den beiden klassischen Formen forderungsgestützter Bankkredite eindeutig überlegen. Denn sowohl beim Zessions- als auch beim Diskontkredit verbleibt das Ausfallrisiko bei dem Unternehmen. Eine ähnliche Risikowirkung wie beim Factoring könnte allenfalls durch eine Kreditversicherung erreicht werden, wie sie in Deutschland von einigen Spezialversicherern angeboten wird. Zu beachten ist allerdings, dass im Rahmen derartiger Kreditversicherungen üblicherweise nicht die gesamte Forderung abgesichert wird, sondern eine quotale Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers, oftmals in der Größenordnung um 30%, vorgesehen wird. Zudem ist die Zahlungspflicht des Versicherers i.d.R. nicht bereits im Fälligkeitszeitpunkt der Forderung gegeben, sondern in der Regel erst bei Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Beim Standardfactoring kann der Anschlusskunde hingegen davon ausgehen, dass ihm spätestens im Fälligkeitszeitpunkt einer Forderung (oder nach einer weiteren Sperrfrist von wenigen Monaten) der gesamte Rechnungsbetrag durch den Factor ausgezahlt wird. Servicefunktion: Welcher Wert der Möglichkeit einer mehr oder weniger weitgehenden Auslagerung der Debitorenbuchhaltung beizumessen ist, hängt sehr stark von der spezifischen Situation des jeweiligen Einzelfalls ab. Verfügt ein Unternehmen über die notwendige EDV-Ausstattung sowie das erforderliche Personal und kann dieses nur begrenzt anderweitig eingesetzt werden, so dürfte der Vorteil einer Auslagerung geringer sein als etwa bei einem expandierenden Unternehmen, das zur Bewältigung der entsprechenden Aufgaben auf Dauer zu weiteren Investitionen und zur Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter gezwungen wäre.

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

67

In bilanzieller Hinsicht bewirkt Factoring in der bislang ausschließlich betrachteten Standardform eine sofortige Ausbuchung der abgetretenen Forderungen. Somit kann hier je nach den aus dem Zahlungsmittelzufluss resultierenden Sekundäreffekten möglicherweise eine u.U. erwünschte Bilanzverkürzung erreicht werden. Die mit einem Factoringvertrag verbundenen direkten Kosten knüpfen in der Regel an drei Funktionen an:



Der Factor belastet die an den Anschlusskunden ausgezahlten Beträge sowie etwaige Rückerstattungen an die Debitoren jeweils zeitgleich einem Konto, auf dem andererseits Zahlungen der Debitoren als Gutschriften erfasst werden. Bleibt die Zahlung aus, so erfolgt vermittels der Delkrederefunktion im Fälligkeitszeitpunkt – oder nach Ablauf der vertraglich vorgesehenen Wartefrist – ebenfalls die Gutschrift des Rechnungsbetrages. Die Salden, die dieses Konto aufweist, werden nach Art eines Kontokorrentkontos abgerechnet und in der Regel auch zu solchen Sätzen verzinst, die in etwa den üblichen Zinssätzen für Kontokorrentkredite entsprechen, die ja bekanntlich eher am oberen Ende des Zinsspektrums liegen. • Für die Übernahme des Ausfall-Risikos verlangen die Factoringgesellschaften in diesem Kontext häufig als „Delkrederegebühr“ bezeichnete Zahlungen zwischen 0,1 und 1,0% des abgetretenen Forderungsvolumens. Die Höhe dieses in jedem Einzelfall individuell vereinbarten Satzes hängt von der erwarteten Ausfallhäufigkeit ab. • Die verschiedenen Dienstleistungen schließlich werden üblicherweise mit Sätzen zwischen 0,5 und 2,5% des abgetretenen Forderungsvolumens in Rechnung gestellt. Die Höhe dieses ebenfalls in jedem Einzelfall gesondert festzulegenden Satzes hängt zum einen von dem jeweiligen Umfang des Leistungsangebots ab, zum anderen aber auch von der durchschnittlichen Höhe der Forderungsbeträge. Insgesamt steht dem recht umfangreichen Leistungsbündel des Standardfactoring also ein ebenfalls erheblicher Block direkter Kosten gegenüber und auch die indirekten Kosten sind angesichts des vergleichsweise „jungen“ Lebensalters des Factoring in Deutschland sowie die längere und stärkere Bindungswirkung eines Factoringvertrages oftmals von erheblichem Gewicht. So war das Factoring – im Gegensatz zu den schon länger eingeführten Instrumenten des Zessions- und Diskontkredits in Deutschland lange mit dem Odium des leicht Unseriösen umgeben. Um zunächst überhaupt die ersten Factoringgeschäfte realisieren zu können, haben die ersten in Deutschland tätigen Factoringgesellschaften in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zunächst als spezielle „deutsche“ Variante das sogenannte „stille“ Factoring erfunden, bei dem auf den offen auf den Rechnungen angebrachten Abtretungsvermerk verzichtet wurde. Der Debitor zahlte dementsprechend – ungeachtet der ihm ja gar nicht bekannten Forderungsabtretung – in gewohnter Weise an seinen Lieferanten, also den Anschlusskunden. Dieser wiederum musste den Zahlungseingang angesichts der zuvor schon von dem Factor erhaltenen Zahlungen dann an diesen weiterleiten. Dass das stille Factoring inzwischen nur noch selten anzutreffen ist, mag ein Indikator dafür sein, dass das Factoring die ursprünglichen Imageprobleme im Wesentlichen überwunden hat. Ab und an kann man aber nach wie vor gewisse Vorbehalte gegen dieses Finanzierungsinstrument antreffen. Auch der mit dem Abschluss eines zumeist ja auf mehrere Jahre ausgelegten Factoringvertrages verbundene Autonomieverlust dürfte in aller Regel von größerem Gewicht sein als bei Zessions- oder Diskontkrediten. Ist die für die Debitorenbuchhaltung notwendige Infra-

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

struktur erst einmal abgebaut, so kann das die eigene Verhandlungsposition bei Auslaufen des Factoringvertrages schwächen und es dem Factoringinstitut erleichtern, für einen Anschlussvertrag höhere Gebührensätze durchzusetzen. Übungsaufgabe 2.08: Die Anbieter von Factoringleistungen preisen in den entsprechenden Firmenbroschüren sowie in Verbandspublikationen oftmals als einen gewichtigen Vorteil des Factoring, dass allein diese „umsatzsynchrone Finanzierung“ den Anschlusskunden in die Lage versetze, die eigenen Wareneingänge sofort unter Abzug von Skonto zu bezahlen und dadurch den extrem teuren Lieferantenkredit zu vermeiden. Nehmen Sie zu dieser Werbebotschaft kritisch Stellung!

Der bislang skizzierte Standardtyp des Factoring ist dadurch gekennzeichnet, dass Finanzierungs-, Risiko- und Servicefunktion deutlich ausgeprägt sind. Über diesen Standardtyp hinaus findet man allerdings noch weitere Varianten von Factoringverträgen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine der drei Funktionen aus der Vereinbarung ausgespart wird.



So verbleibt etwa beim unechten Factoring, auch „Recourse Factoring“ genannt, demgegenüber das Ausfallrisiko beim Anschlusskunden. Bei dieser Variante ist der Anschlusskunde mithin verpflichtet, die im Hinblick auf eine bestimmte Debitorenforderung schon erhaltenen Zahlungen an den Factor zurückzuerstatten, sofern diese Forderung ausfällt. • Das Fälligkeits-Factoring, auch „Maturity Factoring“ genannt, ist dadurch gekennzeichnet, dass die Finanzierungsfunktion völlig oder zumindest weitgehend entfällt. Zahlungen von dem Factor erhält der Anschlusskunde bei dieser Variante erst zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen der abgetretenen Forderungen oder zum durchschnittlichen Fälligkeitstermin eines Forderungspools. • Beim Eigenservice-Factoring, auch als „New Factoring“ oder „Inhouse-Factoring“ bekannt, schließlich wird die gesamte Debitorenbuchhaltung beim Anschlusskunden belassen. Dieser verwaltet also für den Factor den Teil von dessen Forderungen, die ursprünglich einmal seine eigenen waren. Angesichts der fortgeschrittenen Entwicklung von EDV-Programmen zum Debitorenmanagement hat diese Form des Factoring in den letzten Jahren einen ganz erheblichen Marktanteil erreicht. Die folgende Abbildung verdeutlicht noch einmal zusammenfassend die grundlegenden Erscheinungsformen von Factoringverträgen.

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

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Vertragsformen des Factoring

Factoringvarianten

Standardfactoring • offener Abtretungsvermerk • Funktionen – Finanzierung – Risiko – Service

Erkennbarkeit

Funktionsumfang

stilles Factoring: kein Abtretungsvermerk

• ohne Finanzierung (Fälligkeits-Factoring) • ohne Risikofunktion (unechtes Factoring) • ohne Servicefunktion (Eigenservice-Factoring)

Abb. 2.02:

Erscheinungsformen von Factoringverträgen

Übungsaufgabe 2.09: Unternehmer ANKUND verschickt nur jeweils zu Beginn eines Monats eine Rechnung über einen Rechnungsbetrag von 1 Mio. GE mit Fälligkeit zum Ende des folgenden Monats und ohne Skontoabzugsmöglichkeit. Alle lfd. Zahlungen von ANKUND werden über ein Kontokorrentkonto abgewickelt, das ständig negative Salden aufweist, dessen Kreditlinie aber zu keinem Zeitpunkt ausgeschöpft wird. Für das Kontokorrentkonto gilt ein Sollzinssatz von 13,2% p.a. und ist eine monatliche Zinsabrechnung vereinbart. ANKUND wird nun ein Factoringvertrag zu folgenden Konditionen angeboten: – Auszahlung von 80% des Rechnungsbetrages bei Rechnungsversand und des Restbetrages bei Rechnungsfälligkeit. – Verzinsung des Factoringkontos mit 1% pro Monat mit monatlicher Zinsabrechnung (Belastung auf dem Factoringkonto). – Für die Übernahme der Delkrederefunktion und der Debitorenverwaltung sind bei Forderungsabtretung von ANKUND 3% des Rechnungsbetrages durch separate Überweisung zu zahlen.

a)

Soll ANKUND auf das Factoring-Angebot eingehen, wenn er – Endvermögensmaximierung anstrebt, – bei Inanspruchnahme des Angebots monatlich (jeweils am Monatsende fällige) Auszahlungen von 5.000 GE im Bereich der Debitorenverwaltung einsparen kann und – er mit Sicherheit davon ausgeht, dass seine Kunden bei Fälligkeit den Rechnungsbetrag ohne Kürzungen zahlen?

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

b) Wie ist das Factoring-Angebot zu beurteilen, wenn ANKUND bei sonst unveränderten Daten davon ausgeht, dass seine Kunden vom Rechnungsbetrag im Durchschnitt 5% berechtigte Kürzungen vornehmen? c) Wie ist das Factoring-Angebot zu beurteilen, wenn ANKUND zusätzlich zu den berechtigten Rechnungskürzungen unter b) davon ausgehen muss, dass ein Anteil von α seiner Rechnungen wegen Zahlungsunfähigkeit seiner Kunden unbeglichen bleibt und er bei einer Bewertung unsicherer Zahlungsströme dem Erwartungswertprinzip folgt? 2.2.3.5 ABS-Finanzierungen Die Abkürzung ABS steht in diesem Kontext für „Asset Backed Securities“, übersetzt in etwa: „durch (Forderungs-) Bestände gesicherte Wertpapiere“. Aus den USA kommend sind ABS-Konstruktionen – in den unterschiedlichsten Detailvarianten und auch mit variierenden Bezeichnungen – seit dem Ende des letzten Jahrhunderts zunehmend auch in Deutschland zu beobachten. Als gemeinsames Grundmerkmal sind all diese Konstruktionen in der sogenannten „regulären“ Form durch das Zusammenwirken von drei Akteursgruppen mit folgenden Rollenverteilungen gekennzeichnet:



Ein Unternehmen als Initiator (englisch: Originator) des ganzen Geschäftes verfügt aus der eigenen Absatztätigkeit in größerem Umfang über Forderungsbestände, möglicherweise auch mit längeren, über ein Jahr hinausreichenden, Restlaufzeiten. • Diese Forderungen werden an eine eigens zu diesem Zweck gegründete Zweckgesellschaft (englisch: Special Purpose Vehicle) verkauft.13 • Den Kaufpreis finanziert die Zweckgesellschaft, indem sie an einen Kreis (zumeist institutioneller) Investoren Wertpapiere („Securities“) verkauft, die bestimmte Ansprüche auf den aus dem Forderungspool resultierenden Zahlungsfluss verbriefen. Die Bezeichnung des Unternehmens als „Initiator“ der gesamten Aktion kann allerdings u.U. eher formaler Natur sein. Oftmals bieten nämlich Banken ihren Kunden als Alternative zu klassischen Formen der forderungsgestützten Finanzierung an, für sie eine ABSKonstruktion zu arrangieren, wobei sie dann zumeist auch schon eine Zweckgesellschaft „an der Hand haben“. Eigentliche Initiatoren sind in solchen Fällen also die Banken, die dann bei der weiteren Abwicklung der Transaktion u.U. noch diverse weitere Funktionen übernehmen, möglicherweise aber auch weitgehend im Hintergrund bleiben. Die „Asset Backed Securities“ sind also die Wertpapiere, die letztlich die Investoren halten. Bei deren Ausgestaltung sind zwei Grundtypen zu unterscheiden:





13

Beim sogenannten Pass-Through-Typ werden die aus dem Forderungspool resultierenden Zahlungen unmittelbar an die Investoren weitergeleitet. Die Zweckgesellschaft – oder eine für sie tätige Institution – ist dabei praktisch nur als „Vermögensverwalter“ für die Investoren tätig, selbst aber nicht Schuldner der ausgegebenen Wertpapiere. Die Stellung der Investoren gleicht somit der der Inhaber von Investmentzertifikaten. Die entgegengesetzte Möglichkeit, der Pay-Through-Typ, besteht darin, die Papiere als festverzinsliche Wertpapiere auszugestalten, deren Schuldner die Zweckgesellschaft ist, Dieser definitive Verkauf („True Sale“) der Forderungen ist das entscheidende Merkmal der „regulären“ Form von ABS-Konstruktionen. Daneben kennt man „synthetische“ Formen, bei denen lediglich die mit den Forderungsbeständen verknüpften Ausfallrisiken – gegen die Zahlung entsprechender Prämien – an andere Marktteilnehmer übertragen werden.

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deren Haftungspotenzial sich jedoch im Wesentlichen auf die erworbenen Forderungsbestände beschränkt. Die Zweckgesellschaft leitet die Rückflüsse aus dem Forderungspool jedoch nicht „wie sie kommen“ an die Investoren weiter, sondern nach dem für die ausgegebenen Wertpapiere vorgesehenen Zins- und Tilgungsplan. Zwischenzeitlich entstehende Liquiditätsüberschüsse werden verzinslich angelegt. Bei beiden Grundtypen, die selbstverständlich in den unterschiedlichsten Mischungen und Varianten anzutreffen sind, besteht weiterhin die häufig genutzte Möglichkeit, die Wertpapiere in verschiedene Tranchen mit unterschiedlichen Anspruch- und Risikostrukturen aufzugliedern. So kann man etwa auf Papiere der (risikoärmeren) „Senior Class“ und der (risikoreicheren) „Junior Class“ treffen. Möglicherweise gibt es auch eine dazwischen angesiedelte „Mezzanine Class“ oder eine noch risikoreichere „Equity Class“. Dabei kann es vorkommen, dass die Wertpapiere der risikoreichsten Klasse ganz oder teilweise von dem Initiator selbst übernommen werden, dieser also in gewissem Umfang „im Risiko“ bleibt. Oftmals treten bei ABS-Finanzierungen noch weitere Akteure auf, die spezielle Funktionen von Finanzintermediären im weiteren Sinne wahrnehmen, so zum Beispiel – Ratingagenturen, die die Qualität des Forderungspools und der Wertpapiere der verschiedenen Tranchen beurteilen, um den Investoren damit die Risikoeinschätzung zu erleichtern, – Banken, die bei der Konzipierung der gesamten ABS-Konstruktion sowie der Emission der Wertpapiere mitwirken und möglicherweise durch Garantiezusagen oder ähnliche Verpflichtungen einen Teil der Risiken übernehmen, – Treuhänder, die die ordnungsgemäße Verwendung der eingehenden Gelder im Interesse der Investoren überwachen, – Serviceunternehmen, die die Forderungsverwaltung, das Mahnwesen und den Forderungseinzug übernehmen. Auf der anderen Seite sind aber auch Konstruktionen zu finden, bei denen der Initiator – wie gerade schon erwähnt – selbst gewisse Risiken übernimmt oder die Verwaltung des Forderungspools bei sich behält. Im einfachsten Fall wird eine ABS-Konstruktion einmalig aufgelegt und nach dem Rückfluss aller Forderungen aufgelöst; anschließend folgt eventuell eine neue ABS-Maßnahme. Es besteht aber auch die Möglichkeit revolvierender Konstruktionen. Dabei kauft das Spezialunternehmen permanent weitere Forderungen auf, die bei dem Initiator entstehen, und refinanziert sich durch die Ausgabe weiterer Wertpapiere. Eine andere Variante besteht darin, dass eine Zweckgesellschaft die Forderungsbestände mehrerer Unternehmen aufkauft und als Basis für die beabsichtigte Ausgabe der Wertpapiere zu einem Pool zusammenfasst. Übungsaufgabe 2.10: ABS-Konstruktionen werden oftmals als Möglichkeiten zur „Verbriefung von Forderungen“ bezeichnet. Was ist von dieser Formulierung zu halten?

Angesichts der außerordentlich zahlreichen Ausgestaltungsmöglichkeiten von ABSKonstruktionen ist es kaum möglich, ganz generelle Aussagen über Nutzen und Kosten dieses „modernen“ Finanzierungsinstrumentes zu treffen.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Immerhin ist die Finanzierungsfunktion bei der regulären Form deutlich ausgeprägt. Ihre Stärke wird wesentlich dadurch bestimmt, zu welchen Konditionen die von der Zweckgesellschaft ausgegebenen Wertpapiere bei den Investoren platziert werden können und welche Transaktionskosten dabei anfallen. Bei synthetischen Konstruktionen hingegen entfällt die Finanzierungsfunktion – ähnlich wie beim Fälligkeitsfactoring – völlig. • Die Ausprägung der Risikofunktion hängt entscheidend von der im Detail gewählten Konstruktion ab. Das Spektrum denkbarer Gestaltungsformen reicht – von der Übertragung sämtlicher Ausfallrisiken an die Zweckgesellschaft und von dieser an die Investoren – bis zu der entgegengesetzten Konstruktion, dass der Initiator, etwa durch die Übernahme der „Equity Class“ oder durch sonstige Zusagen, die Ausfallrisiken im Wesentlichen nach wie vor selbst trägt. • Eine ähnliche Spannbreite möglicher Ausgestaltungsformen trifft man auch im Hinblick auf die Servicefunktion. Es gibt ABS-Konstruktionen, bei denen die komplette Verwaltung der verkauften Forderungen Aufgabe des Initiators bleibt. Ebenso gut ist es möglich, dass die Zweckgesellschaft selbst oder ein von ihr beauftragtes Serviceunternehmen diese Tätigkeiten übernimmt. In bilanzieller Hinsicht bewirkt eine ABS-Maßnahme in der regulären „True-Sale“-Variante – ähnlich wie beim Standardfactoring – eine sofortige Ausbuchung der verkauften Forderungsbestände und kann somit je nach den folgenden Sekundäreffekten möglicherweise zu einer Bilanzverkürzung und einer Verminderung des Verschuldungsgrades führen. Die direkten Kosten von ABS-Maßnahmen resultieren zum einen aus einmaligen und laufenden Transaktionskosten etwa in Form von Gebühren, Provisionen etc., die je nach Ausgestaltung des Programms insbesondere für – die Entwicklung des Konzepts und den Abschluss der zugrunde liegenden Verträge, – die Etablierung der Zweckgesellschaft, – die Emission der Wertpapiere sowie deren Rating, – die Verwaltung des Forderungspools und – die Übernahme gewisser Risiken durch Dritte zu entrichten sind. Hinzu kommen die Renditeansprüche der Investoren, denen die auszugebenden Wertpapiere durch ihren Ausgabepreis einerseits sowie die in ihnen verbrieften Zahlungsansprüche andererseits gerecht werden müssen, um überhaupt absetzbar zu sein. Diese Kosten lassen sich selbst im konkreten Einzelfall nicht so ohne weiteres einfach durch eine Zahl ausdrücken, geschweige denn in allgemeiner und abstrakter Form. Nichtsdestoweniger wird in diesem Punkt die Basis für einen entscheidenden Vorteilhaftigkeitsfaktor von ABS-Konstruktionen gesehen, und zwar für den Fall, dass – das Initiator-Unternehmen „als Ganzes“ nicht den Bonitätsanforderungen entspricht, die notwendig sind, um Wertpapiere mit einem hinlänglich guten Rating „am Markt“ platzieren zu können, – durch die Beschränkung der verbrieften Ansprüche auf die Rückflüsse aus dem Forderungspool jedoch ein solches Rating erreicht werden kann. Der dadurch erzielbare Vorteil ist dann „brutto“ umso größer, je weiter – die wie auch immer im Einzelnen zu bestimmenden Renditeansprüche der Investoren einerseits und

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

73



die Kosten, die mit Instrumenten der klassischen Bank- oder Factoringfinanzierung üblicherweise verbunden sind, andererseits auseinanderklaffen. Wirklich vorteilhaft ist eine ABS-Maßnahme allerdings erst dann, wenn der so möglicherweise entstehende Bruttovorteil auch noch die entstehenden Transaktionskosten übersteigt. Folgendes insbesondere im Hinblick auf die Risikowahrnehmung der Akteure bewusst einfach gewähltes Beispiel sowie die damit verknüpfte Übungsaufgabe verdeutlichen abschließend die angesprochenen Aspekte. Beispiel 2.07: Die ALPHA AG verfügt über einen Bestand an unverzinslichen Forderungen mit einem in einem Jahr fälligen Rückzahlungsanspruch von insgesamt 106 Mio. Euro. Nach Erfahrungen der Vergangenheit ist damit zu rechnen, dass „im Schnitt“ 10% der Forderungen ausfallen, so dass nur mit einem Rückzahlungsbetrag von 95,4 Mio. Euro gerechnet wird. Alternativ dazu wird es jedoch auch als möglich – wenn auch nicht sehr wahrscheinlich – erachtet, dass – entweder alle Forderungen zu 100% beglichen werden – oder sogar Ausfälle von 20% eintreten. Neben dem „im Schnitt“ erwarteten Rückzahlungsbetrag von 95,4 Mio. Euro werden also alternativ als optimistische Variante Rückflüsse von 106 Mio. Euro sowie als pessimistische Variante Rückflüsse von nur 84,8 Mio. Euro für möglich gehalten. Dabei werden diese beiden Extrementwicklungen jeweils als gleich wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich eingeschätzt. Im Bereich der kurzfristigen Finanzierung steht der ALPHA AG zum einen ein unabhängig von dem Forderungspool besicherter Kontokorrentkredit zu 10% p.a. zur Verfügung. Zum anderen ist die Hausbank bereit, auf den Forderungsbestand einen Zessionskredit als einjährigen Festkredit im Volumen von 70 Mio. zu gewähren, auf den in einem Jahr 75 Mio. Euro zurückzuzahlen sind, was einer Verzinsung von 7,143% entspricht. Alternativ ergibt sich für die ALPHA AG nun die Möglichkeit zu einer ABS-Maßnahme, bei der der gesamte Forderungspool an die GAMMA Zweckgesellschaft abgetreten wird, die Verwaltung der Forderungen allerdings nach wie vor von der ALPHA AG wahrgenommen wird. Die GAMMA emittiert zwei Klassen von Wertpapieren: • Die Inhaber der Senior-Class haben Anspruch auf die „ersten 74,2 Mio. Euro“, die aus dem Forderungspool zurückfließen. Die Investoren, die Gelder ansonsten nur zu maximal 5,5% anlegen können, sind mit einer Rendite von 6% zufrieden, wären also bereit, 74,2/1,06 = 70 Mio. Euro für die Papiere der (letztendlich risikolosen) SeniorClass zu zahlen. • Den Inhabern von Papieren der Junior-Class steht „der Rest“ der sich ergebenden Rückflüsse zu, „im Schnitt“ also 95,4 – 74,2 = 21,2 Mio. Euro, möglicherweise aber auch 106 – 74,2 = 31,8 Mio. Euro oder nur 84,8 – 74,2 = 10,6 Mio. Euro. An dem durchschnittlich erwarteten Rückfluss von 21,2 Mio. Euro gemessen, weisen diese Papiere also erhebliche Risiken, aber auch große Chancen auf. Diese Papiere sollen „am Markt“ zum Preis von 19 Mio. Euro absetzbar sein, was einer „Abzinsung“ des „im Schnitt“ erwarteten Rückflussbetrages von 21,2 Mio. Euro mit ca. 11,6% entspricht. Das Finanzmanagement der ALPHA erwägt zunächst die Möglichkeit, diese ABSMaßnahme durchzuführen, die Papiere der Junior-Class jedoch selbst zu übernehmen. Pa-

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

rallel dazu wird der klassische Zessionskredit ins Auge gefasst. Die folgenden beiden Tabellen verdeutlichen die mit den beiden Varianten verbundenen Zahlungsströme in den Zeitpunkten t = 0 und t = 1, wobei für den Zeitpunkt t = 1 die drei alternativ möglichen Entwicklungen A (bester Fall), B (wahrscheinlichster Fall) und C (schlechtester Fall) berücksichtigt werden: Zessionskredit

Zahlungen Forderungspool Zahlungen Festkredit Gesamtzahlungen

ABS

Verkauf Forderungspool Rückkauf Junior-Class Gesamtzahlungen

A

t=1 B

C



+106,0

+95,4

+84,8

+70

–75,0

–75,0

–75,0

+70

+31,0

+20,4

+9,8

A

t=1 B

C

+89







–19

+31,8

+21,2

+10,6

+70

+31,8

+21,2

+10,6

t=0

t=0

Vernachlässigt man zunächst Transaktionskosten, so erkennt man sofort, dass die ABSMaßnahme dem Festkredit von der Hausbank eindeutig überlegen ist: Der Finanzierungseffekt im Zeitpunkt t = 0 ist bei beiden Maßnahmen identisch; im Zeitpunkt t = 1 kann die ALPHA AG jedoch auf jeden Fall, d.h. unabhängig davon, welche Entwicklung eintritt, über 800.000 Euro mehr verfügen. Die Erklärung für diesen ganz eindeutigen Vorteil resultiert aus zwei Elementen der betrachteten Beispielsituation: • Zum einen findet letztlich kein Risikotransfer statt. Durch die Übernahme der gesamten Junior-Class verbleibt das gesamte Ausfallrisiko bei der AG. Darin stimmen die beiden zu vergleichenden Finanzierungsinstrumente also überein. • Der Vergleich kann somit auf die reine Finanzierungsfunktion reduziert werden. Und hier kommt der Umstand zum Tragen, dass sich die Investoren mit einer Rendite von 6% zufrieden geben, die AG im Vergleich zur Bankfinanzierung mit einem Zinssatz von 7,143% also 1,143%-Punkte an Finanzierungskosten einsparen kann. Bezogen auf das Finanzierungsvolumen von 70 Mio. Euro entspricht das genau dem Differenzbetrag von 800.000 Euro.

2.2 Kurzfristige Finanzierung durch Finanzintermediäre

75

In der spezifischen Aufbereitung unseres Beispiels resultiert die Vorteilhaftigkeit der ABSKonstruktion aus der Ausnutzung eines für die ABS-Philosophie grundlegenden Ungleichgewichts auf dem Finanzmarkt: Die Investoren haben zunächst nur die Möglichkeit, Geld zu 5,5% anzulegen; die ALPHA AG ihrerseits müsste für Bankkredite mehr als 7% bezahlen. Finden beide Seiten „an der Bank vorbei“ direkt zueinander, so entsteht ein Kooperationsvorteil von gut 1,5%-Punkten, der in bestimmter Weise aufgeteilt werden kann. Übungsaufgabe 2.11: Gehen Sie von den Gegebenheiten des Beispiels 2.05 aus! a) Wie groß ist der zuletzt angesprochene Kooperationsvorteil und wie wird er zwischen den Investoren und der ALPHA AG aufgeteilt? b) Nehmen Sie nun zusätzlich an, dass die Konstruktion des gesamten ABS-Konzepts und die Emission der Wertpapiere Kosten verursachen, die sich in einem Abschlag von der Summe niederschlagen, die die GAMMA im Zeitpunkt t = 0 an die ALPHA AG weiterleitet! Wie hoch dürfte dieser Abschlag höchstens sein, damit die ABSMaßnahme nicht unvorteilhaft wird? Unterstellen Sie dabei, dass die ALPHA Zahlungsdefizite der ABS-Maßnahme gegenüber dem Festkredit durch Beanspruchung des 10%-igen Kontokorrentkredits ausgleichen kann! c) Nehmen Sie nun an, der Kostenabschlag würde sich auf 1 Mio. Euro belaufen, also oberhalb der gemäß b) ermittelten Obergrenze liegen! Ehe die ABS-Maßnahme deshalb „ad acta“ gelegt wird, macht die Assistentin des Finanzvorstandes folgenden „Rettungsvorschlag“: „Wenn wir die Junior-Class selbst übernehmen, behalten wir doch letztlich genau die Risiken, die wir ansonsten auch hätten. Also müssen wir doch gar nicht mit dem hohen Risikozuschlag der externen Investoren rechnen. Wir können den erwarteten Rückzahlungsbetrag von 21,2 Mio. Euro also nur mit 6% statt mit 11,6% abzinsen. Das bringt einen Gegenwartswert von genau 20 Mio. Euro, statt der bislang nur angesetzten 19 Mio. Euro. Das deckt alle Kosten und lässt die ABS-Maßnahme doch vorteilhaft bleiben.“ Nehmen Sie zu dieser Argumentation kritisch Stellung! d) Nachdem sich die Argumentation der Assistentin gemäß c) letztlich nicht als stichhaltig erwiesen hat, startet sie einen weiteren Versuch, das von ihr favorisierte ABSKonzept doch noch zu retten. Dazu schlägt sie nun vor, auch die Papiere der JuniorClass für 19 Mio. Euro „an den Markt“ zu geben und damit zum einen den „vollen Finanzierungseffekt“ und außerdem auch noch den „kompletten Risikotransfer“ des ABS-Konzeptes zu nutzen. Wir wäre diese Lösung im Vergleich zu dem Zessionskredit bei der Hausbank zu beurteilen?

76

2.2.4

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Kreditleihe

Abschließend sind die beiden wichtigsten Instrumente der Kreditleihe zu erörtern, die bekanntlich gar nicht unmittelbar zu einem Zahlungsmittelzufluss führen, die Finanzierungsmöglichkeiten jedoch insoweit indirekt verbessern, als die Kreditaufnahme bei Dritten erleichtert wird. Die beiden wichtigsten Instrumente dieser Kategorie stellen der Akzept- und der Avalkredit dar. Ein Akzeptkredit wird einem Unternehmen gewährt, indem ein Kreditinstitut einen von dem Unternehmen ausgestellten Wechsel als Bezogener akzeptiert, d.h. sich durch Vermerk auf der Vorderseite des Wechsels (Akzept) verpflichtet, diesen zu dem angegebenen Fälligkeitstermin einzulösen. Das Unternehmen kann diesen als Bankakzept bezeichneten Wechsel dann z.B. zur Bezahlung von Rechnungen an die eigenen Lieferanten weitergeben oder bei anderen Banken diskontieren lassen. Diese erwerben somit nicht eine Forderung gegenüber dem betrachteten Unternehmen, sondern gegenüber der – in ihrem Urteil eventuell bonitätsmäßig besseren – Akzeptbank. Im Innenverhältnis zu der Bank ist das Unternehmen allerdings verpflichtet, dieser die Wechselsumme zum Fälligkeitstermin zur Verfügung zu stellen. Bei vertragskonformem Ablauf wird die Bank also liquiditätsmäßig überhaupt nicht belastet. Sie trägt allerdings das Risiko, dass das Unternehmen seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt. Die Übernahme dieses Risikos lässt sich die Bank durch die von dem Unternehmen zusätzlich zu zahlende Akzeptprovision (Größenordnung 1 bis 3% p.a.) vergüten. Häufig wird das Bankakzept allerdings von der akzeptgebenden Bank selbst diskontiert. In diesem Fall wird aus der Kreditleihe dann eine kurzfristige Geldleihe. Im Vergleich zu einem einfachen Buchkredit an das betrachtete Unternehmen hat das für die Bank den Vorteil, dass sie selbst sich bei Bedarf durch weitere Abtretung ihres eigenen Akzepts einfacher refinanzieren kann. Der Avalkredit besteht in der Übernahme einer Bürgschaft oder einer Garantie durch eine Bank gegenüber Dritten im Auftrag ihres Kunden. Ein Avalkredit ist für einen Kunden in dem Fall zweckmäßig, wenn ein Gläubiger für versprochene Leistungen oder bestehende Forderungen Sicherheiten verlangt. Die Laufzeit des Avalkredits ist durch den Zweck der Bürgschaft bzw. der Garantie determiniert. Es gibt unbefristete, die Regel jedoch sind kurzfristige Avalkredite. Für die Einräumung des Avalkredits berechnet die Bank eine Avalprovision. Diese ist abhängig vom Zweck, von der Laufzeit und von den möglicherweise gestellten Sicherheiten. In der Regel werden monatlich oder vierteljährlich etwa 1,5 bis 3% p.a. von der Bürgschafts/Garantiesumme als Avalprovision berechnet und dem Kreditnehmer belastet.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

2.3

Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

2.3.1

Grundbegriffe

77

In diesem Abschnitt werden Kreditformen betrachtet, deren Laufzeit in der Regel über ein Jahr, oft auch über vier Jahre hinausgeht. Üblicherweise wird für solche Kreditverhältnisse ein fester Zahlungsplan vereinbart, zumeist im Gewand einer Raten- oder Annuitätentilgung. Angesichts der längeren vertraglichen Bindung kommt den Kreditsicherheiten bei diesen Kreditverhältnissen im Allgemeinen eine noch größere Bedeutung zu als im Bereich der kurzfristigen Finanzierung. Die folgenden Ausführungen in diesem Abschnitt sind im Einzelnen wie folgt aufgebaut:

• •

Im Abschnitt 2.3.2 werden zunächst vier verschiedene Formen von Bankkrediten betrachtet. Anschließend werden im Abschnitt 2.3.3 die beiden wichtigsten Formen, in denen Versicherungen Kreditleistungen erbringen, behandelt.

2.3.2

Mittel- und langfristige Kredite von Banken und Bausparkassen

2.3.2.1 Hypothekarkredite Ebenfalls privaten Haushalten – in ähnlicher Weise aber auch Unternehmen – bieten Banken zur Finanzierung von Bauvorhaben sowie zum Erwerb von Grund- und Wohneigentum zweckgebundene langfristige Darlehen in Form sog. Hypothekar- oder Realkredite an. Diese Finanzierungsangebote sind im Allgemeinen durch folgende Merkmale gekennzeichnet, was Abweichungen im Einzelfall nicht ausschließt: (1) Hypothekarkredite werden in aller Regel als Annuitätendarlehen gewährt; d.h. die jährliche Summe aus Zins und Tilgung bleibt während der gesamten Laufzeit (oder eines Finanzierungsabschnitts; s.u.) konstant. Da sich der Zins aber – zuweilen von leichten Modifikationen bei unterjährlichen Zahlungen abgesehen – grundsätzlich auf die jeweilige Restschuld bezieht, geht der Zinsanteil von Jahr zu Jahr zurück, während der Tilgungsanteil „um die ersparten Zinsen“ steigt. Die faktischen Zahlungen erfolgen allerdings in aller Regel nicht nur einmal jährlich, sondern in mehreren unterjährlichen Raten, wobei für Arbeitnehmer monatliche Zahlungen am häufigsten anzutreffen sein dürften, für Selbständige sind auch Quartalszahlungen sehr üblich. Das für die Jahreszahlung Gesagte gilt dann ganz genauso auch für die unterjährige Zahlung: von Rate zu Rate steigt der Tilgungsanteil zu Lasten des Zinsanteils ein wenig an – und auch die Bezeichnung „Annuitätendarlehen“ bleibt erhalten, auch wenn man nun ebenso gut von einem Quartalitäts- bzw. Mensuitätsdarlehen sprechen könnte. Der für das erste Jahr maßgebliche Tilgungsanteil wird in der Regel als glatter Prozentsatz des Darlehensnennwertes festgelegt, wobei 1%, z.T. auch 2%, weithin üblich sind, aber auch jeder andere Satz vereinbart werden kann. Die letzte Rate, mit deren Zahlung das Darlehen vollständig getilgt ist, ist zwangsläufig fast immer geringer als die Annuität.

78

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen Gelegentlich treten weitere einmalige Kosten wie „Bearbeitungsgebühren“, „Wertermittlungskosten“ etc. auf. Zudem hat der Kreditnehmer unmittelbar die Kosten für die Bestellung der Sicherheiten (Grundbucheintragung etc.; s.u.) zu tragen.

Beispiel 2.08: Zum 01.01. des Jahres 09 wird ein Darlehen über 100.000 Euro zu folgenden Konditionen gewährt: – Zinssatz 8% p.a.; – Tilgung 1% p.a. „plus ersparte Zinsen“; – Disagio 4%. Der Darlehensnehmer erhält also de facto nur 96.000 Euro ausgezahlt und erbringt dafür einen jährlichen Kapitaldienst von 9.000 Euro (= 9% von 100.000 Euro).

Übungsaufgabe 2.12: Gehen Sie von den in vorstehendem Beispiel genannten Darlehensbedingungen aus und unterstellen Sie, dass der Kapitaldienst jährlich nachschüssig erfolgt! a) Berechnen Sie die am Ende des ersten und am Ende des zweiten Jahres noch verbleibende Restschuld! b) Schätzen Sie „nach Gefühl“ die Laufzeit und die Effektivzinsbelastung des dargestellten Darlehens!

Zuweilen wird bei Hypothekarkrediten ein Disagio („Abgeld“/„Abschlag“) vereinbart, d.h., die anfängliche Darlehensschuld ist größer als der Nennbetrag bzw. Auszahlungsbetrag des Darlehens. Zum Ausgleich für diesen Auszahlungsabschlag ist der Nominalzins üblicherweise geringer als bei einem vergleichbaren vollausgezahlten Kredit. Disagien waren früher wegen ihrer steuerlichen Vorteile beliebt und üblich, die heute jedoch nur noch selten bestehen. Zu beachten ist freilich, dass die Finanzierungswirkung eines Darlehens bei gegebenem Nominalbetrag umso kleiner wird, je höher das Disagio ist. Kann der entsprechende Fehlbetrag nicht aus anderen Mitteln abgedeckt werden, so muss der Nennbetrag des Darlehens entsprechend heraufgesetzt werden, um auf die effektiv benötigte Summe zu kommen. Eine andere Variante besteht in der zusätzlichen Aufnahme eines sog. Tilgungsstreckungsdarlehens (auch Disagiodarlehen) in Höhe des Disagios. Bei dieser Konstruktion bleibt der ursprüngliche Hypothekarkredit in den ersten Jahren tilgungsfrei, er ist lediglich zu verzinsen. In dieser Zeit ist dafür zunächst das Tilgungsstreckungsdarlehen abzutragen. Die Kreditinstitute sind dabei häufig bemüht, die Konditionen so festzusetzen, dass der gesamte Kapitaldienst während der ersten Jahre (= Zins auf Hypothekarkredit + Zins und Tilgung des Tilgungsstreckungsdarlehens) mit der späteren Annuität auf den Hypothekarkredit in etwa übereinstimmt.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

79

Beispiel 2.09: Neben dem o. g. Darlehen (8% Zins; 1% Tilgung; 4% Disagio) biete die Bank als Alternative ein Darlehen zu 8,5% Zins bei 1% Tilgung und 100%-iger Auszahlung. Benötigt der Darlehensnehmer genau 100.000 Euro, so bestehen folgende Möglichkeiten: (1) Aufnahme des 100%-Darlehens über 100.000 Euro: – Auszahlung 100.000 Euro, – jährliche Belastung 9.500 Euro, – Laufzeit 28 Jahre, – Schlusszahlung im 28. Jahr 5.756 Euro. (2) Aufnahme des 96%-Darlehens im Nennwert von 104.167 Euro (= 100.000/0,96): – Auszahlung 100.000 Euro, – jährliche Belastung 9.375 Euro = 8% Zins + 1% Tilgung, – Laufzeit 29 Jahre, – Schlusszahlung im 29. Jahr 5.243 Euro. (3) Aufnahme des 96%-Darlehens im Nennwert von 100.000 Euro und eines Tilgungsstreckungsdarlehens über 4.000 Euro. Bei einer Laufzeit von 5 Jahren und einem Zinssatz von 8,5% führt das Tilgungsstreckungsdarlehen zu einer Annuität von 1.015 Euro. Es ergeben sich also folgende Werte: – Auszahlung 96.000 + 4.000 = 100.000 Euro, – jährliche Belastung (erste fünf Jahre) 9.015 Euro), – jährliche Belastung (ab 6. Jahr) 9.000 Euro, – Laufzeit 34 Jahre, – Schlusszahlung im 34. Jahr 5.034 Euro.

Bei der Finanzierung von Bauvorhaben erfolgt die Auszahlung des Hypothekarkredits häufig in einzelnen Tranchen „nach Baufortschritt“ oder sogar erst nach Fertigstellung des Gebäudes. In diesen Fällen kann die Situation eintreten, dass die Zahlungsverpflichtungen des Bauherrn früher anfallen als die Auszahlung des Hypothekarkredits. Für solche Fälle bieten Banken die Möglichkeit der Zwischenfinanzierung durch einen kurzfristigen, i.d.R. tilgungsfreien, also nur zu verzinsenden Kredit, der anschließend durch den langfristigen Hypothekarkredit abgelöst wird. Übungsaufgabe 2.13: Vergleichen Sie die in dem letzten Beispiel dargestellten Finanzierungsvarianten und kommentieren Sie Ihren Vergleich kurz!

Die Laufzeit von Realkrediten wird üblicherweise nicht explizit festgelegt, sondern ergibt sich implizit aus den vereinbarten Konditionen. Bei anfänglichen Tilgungssätzen von 1% (2%) liegt die Gesamtlaufzeit in der Größenordnung von 25 bis 35 (20 bis 25) Jahren. Im Fall eines zusätzlichen Tilgungsstreckungsdarlehens erhöht sich die Laufzeit natürlich um die anfänglichen tilgungsfreien Jahre.

80

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Beispiel 2.10: In Abhängigkeit des anfänglichen Tilgungssatzes (= Annuitätssatz minus Zinssatz) ergeben sich die in der nachfolgenden Tabelle beispielhaft wiedergegebenen Gesamtlaufzeiten in Jahren. Dabei ist unterstellt, dass der Zinssatz während der gesamten Darlehenslaufzeit ein einheitliches Niveau aufweist, nämlich in der mittleren Spalte 8% und in der rechten Spalte 5%. Tilgungssatz 1% 2% 3%

Laufzeit bei 8% Zins 28,5 20,9 16,9

Laufzeit bei 5% Zins 36,7 25,7 20,1

Man erkennt zweierlei: Zum einen die beschleunigende Wirkung leicht erhöhter Annuitäten (man beachte, dass etwa eine Tilgungssatzverdoppelung von 1 auf 2% die laufende Zahlungsbelastung für den Schuldner nur um 11% (bei 8% Zins) bzw. 17% (bei 5% Zins) erhöht), und zum anderen die längeren Laufzeiten bei geringerem Zins. Letzteres erklärt sich einfach dadurch, dass die Tilgungswirkung „ersparter Zinsen“ bei hohem Zins größer ist. (2) Üblicherweise werden die Zinsen von Realkrediten allerdings nur für einen kürzeren Zeitraum als die Gesamtlaufzeit fest vereinbart. Die gängigsten Zinsbindungsfristen belaufen sich auf 5 und 10 Jahre, aber auch kürzere Fristen (2 oder 4 Jahre) sind ebenso anzutreffen wie die Vereinbarung jederzeit variierbarer Zinssätze. Auch längere Fristen als 10 Jahre werden angeboten; es ist gar möglich und wird teils auch betrieben, den Zinssatz für die Gesamtlaufzeit von etwa 20 bis 30 Jahren fest zu vereinbaren. Allerdings ist der Kreditnehmer vermöge des in Abschnitt 2.1.5 dargestellten gesetzlichen Kündigungsrechtes nie für länger als 10 ½ Jahre an den solchermaßen vereinbarten Zinssatz gebunden; der Kreditgeber aber sehr wohl und es ist anzunehmen, dass er sich diese asymmetrische Zinsrisikoverteilung in einem entsprechend erhöht kalkulierten Kreditzinssatz vergüten lässt, so dass die zum Schutze des Kreditnehmers bestehende Gesetzeslage diesem durchaus auch – vertraglich nicht „ausheilbare“ – Nachteile erzeugen kann. Am Ende dieser Fristen ist im Rahmen der ansonsten weiter bestehenden Darlehensbedingungen eine neue Vereinbarung über den Zinssatz und ggf. auch ein neuerliches Disagio herbeizuführen. Daneben wird dem Darlehensnehmer allerdings häufig auch die Möglichkeit eingeräumt, das Darlehen ohne zusätzliche Kosten zu kündigen und die am Ende des jeweiligen Finanzierungsabschnittes gegebene Restschuld in einer Gesamtzahlung zu tilgen. Eine solche Klausel liegt vor allem im Interesse des Darlehensnehmers, da sie ihm die Möglichkeit gibt, – auf günstigere Finanzierungsangebote umzusteigen, – damit zugleich eine bessere Verhandlungsposition hinsichtlich einer Fortführung des Darlehens bei dem bisherigen Geldgeber aufzubauen und – eventuell zusätzliche Tilgungsleistungen ohne Zusatzkosten in den gesamten Finanzierungsverlauf einzubauen.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

81

Als weiteres Vertragsmerkmal ist die eventuelle Vereinbarung sog. Sondertilgungen zu nennen. Diese ist regelmäßig so ausgestaltet, dass der Kreditnehmer das Recht, aber nicht die Pflicht hat, außerhalb der ansonsten festgelegten Zahlungsbedingungen seine Kreditschuld durch eine oder mehrere besondere, auf eine Maximalsumme beschränkte Zahlungen vorzeitig herabzusenken, wobei der Maximalbetrag – entweder im Gesamtzeitraum der Zinsbindungsfrist nicht überschritten werden darf – oder sich auf einen bestimmten Kalenderzeitraum bezieht, also etwa als jährlich höchstens zulässiges Sondertilgungsvolumen ausgestaltet ist. Bezüglich der Höhe der (effektiven) Zinssätze in Abhängigkeit von der Zinsbindungsfrist lassen sich keine generellen Aussagen treffen. Tendenziell kann jedoch festgestellt werden, dass – in Zeiten allgemein relativ niedriger Zinsen die Effektivzinssätze umso höher sind, je länger die Zinsbindungsfrist ist, – während in Zeiten relativ hoher Zinsen eher das Gegenteil zu beobachten ist. (3) Die Besicherung von Realkrediten erfolgt durch die Bestellung von Grundpfandrechten, d.h. die Belastung eines Grundstücks durch Eintragung einer Hypothek oder einer Grundschuld in das Grundbuch. Dem aus dieser Eintragung Begünstigten steht damit das Recht zu, seine Ansprüche bei Zahlungsverzug des Schuldners unter Einhaltung bestimmter Verfahrensvorschriften (Einzelzwangsvollstreckung) durch Verwertung des Grundstücks zu befriedigen. Im Insolvenzfall steht ihm dementsprechend das Recht auf eine abgesonderte Befriedigung zu. Aus diesem Wesensmerkmal des Realkredits leitet sich auch die in der Bankpraxis gängige Bezeichnung Hypothekarkredit ab, obwohl heutzutage häufiger auf die Grundschuld als auf die Hypothek als Sicherungsinstrument zurückgegriffen wird. Derartige Kredite werden üblicherweise nur im Rahmen einer Beleihungsgrenze von 60% des Beleihungswertes vergeben. Der Beleihungswert wird in der Regel durch einen Sachverständigen geschätzt und leitet sich im Allgemeinen aus den folgenden drei Wertkomponenten ab:



Sachwert von Grundstück und Gebäude: Dabei orientiert man sich an durchschnittlichen Bodenpreisen und Baukosten sowie dem Alter des Gebäudes. • Ertragswert: Dabei versucht man, den langfristig erzielbaren Überschuss der (eventuell fiktiven) Mieteinnahmen über die laufenden Instandhaltungsausgaben abzuschätzen und zu kapitalisieren. • Verkehrswert: Man versucht, jenen Preis abzuschätzen, der bei einer Veräußerung von Grundstück und Gebäude im Bewertungszeitpunkt erzielt werden könnte. Daher ist der Verkehrswert auch gesetzlich (§ 194 Baugesetzbuch) mit dem Begriff des „Marktwert“ gleichgesetzt. Je nach Institutsgruppe richtet sich die Technik der Beleihungswertermittlung für Hypothekarkredite nach amtlichen Vorschriften (z.B. für Pfandbriefe emittierende Banken nach der Beleihungswertermittlungsverordnung) oder hausinternen Richtlinien. Das Angebot von Hypothekarkrediten stellt die traditionelle Domäne der Hypothekenbanken dar. Daneben treten inzwischen aber auch Universalbanken aller drei Gruppen als Geldgeber auf. Ergänzend dazu halten sich die meisten Universalbanken außerdem bereit, ihren Kunden Hypothekarkredite von Hypothekenbanken aus dem eigenen Konzern- oder Gruppenverbund

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

zu vermitteln und dabei verschiedene verwaltende und vorbereitende Aktivitäten genau so abzuwickeln, als ob sie selbst als unmittelbarer Darlehensgeber aufträten. Der Kunde tritt bei dieser häufig geübten Praxis mit der Hypothekenbank als seinem effektiven Geldgeber praktisch überhaupt nicht in Kontakt. Das Volumen der für die Wohnraumfinanzierung in Deutschland vergebenen Hypothekenkredite ist erheblich und zeugt von der Bedeutung, den diese Finanzdienstleistung sowohl für die Bankwirtschaft als auch für die Volkswirtschaft insgesamt hat. Für einen zahlenmäßigen Eindruck dieser Bedeutung beachten Sie bitte wiederum die numerisch-empirische Darstellung im numerischen Anhang. 2.3.2.2 Bauspardarlehen Als weitere Form zur Finanzierung des Erwerbs und Baus von Wohnungseigentum bieten Bausparkassen – ebenfalls zweckgebundene – Bauspardarlehen an. Die Gewährung eines solchen Darlehens setzt voraus, dass der Kunde zuvor einen Bausparvertrag abgeschlossen hat und auf diesen über einen gewissen Zeitraum hinweg Sparleistungen erbracht hat. Der Bausparvertrag wird in aller Regel auf eine bestimmte Bausparsumme abgeschlossen. Zentrales Ziel eines Bausparers ist die Zuteilung, das ist das Recht, von der Bausparkasse eine Zahlung in Höhe der Bausparsumme zu erhalten. Dieses Ziel ist erreicht, wenn fünf Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Seit dem Vertragsabschluss ist eine tariflich bestimmte Frist („Mindestsparzeit“) von z.B. 18 oder 48 Monaten verstrichen. Viele Tarife verzichten auf diese Frist aber gänzlich. 2. Das Guthaben auf dem Bausparkonto hat ein tariflich fixiertes Mindestsparguthaben erreicht oder überschritten (in älteren Bauspartarifen 40%, heute zumeist 50% der Bausparsumme.) 3. Der „Mindestsparverdienst“ ist erreicht; der Sparverdienst ist eine nach der Logik eines „Zeit-mal-Geld-Systems“ erfasste Größe, die in einer Zahl verdeutlicht, wie lange jeweils und mit welchem Volumen sämtliche zwischenzeitlich erreichten Bausparguthabenkontosalden dem Bausparkollektiv „gewährt wurden“. Der Sparverdienst wird auf die Bausparsumme und einige technische Faktoren zu einer laufend berechneten Bewertungszahl normiert. Die individuelle Bewertungszahl des Bausparvertrages muss ein tariflich fixiertes Niveau (Mindestbewertungszahl) aufweisen. 4. Die von den Bausparkassen regelmäßig für die Gesamtheit ihrer Bausparkunden berechnete Zuteilungsmasse als Differenz aus zuzuteilenden Bausparsummen einerseits sowie Sparleistungen (inkl. Guthabenzinsen) und Tilgungen andererseits muss ein hinreichendes Maß aufweisen, was bauspartechnisch in die Anforderung übersetzt wird, dass die individuelle Bewertungszahl mindestens das Niveau einer nicht tariflich, sondern nach den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten fixierten Zielbewertungszahl aufweisen muss. Die Zielbewertungszahl kann die Mindestbewertungszahl ggf. erheblich überschreiten. 5. Der Bausparer muss hinreichende Sicherheiten stellen.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

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Sind alle fünf Voraussetzungen erfüllt und begeht der Bausparer seinen vollen Zahlungsanspruch, so – erhält er eine Zahlung in Höhe der Bausparsumme und – schuldet der Bausparkasse einen Betrag in Höhe der Differenz von Bausparsumme und seinem angesparten Bausparguthaben (Endbestand) zuzüglich einer Gebühr auf das so entstandene Darlehen. Der aus einem Bausparvertrag insgesamt, d.h. als Summe von Sparleistung und Darlehen, resultierende Finanzierungsbetrag stimmt also zwangsläufig mit der Bausparsumme überein. Der Bausparer ist allerdings keineswegs zur Darlehensaufnahme gezwungen; er kann vielmehr – je nach Tarifbedingungen – den Vertrag auch zeitweilig ruhen lassen oder weitere Beträge darauf ansparen oder natürlich sich das Guthaben ohne Darlehensergänzung auszahlen lassen. Die während der Sparphase entstehenden Guthaben werden mit einem tariflich für die gesamte Vertragsdauer einheitlich festgelegten Zinssatz verzinst, der in der Regel unter den Zinssätzen vergleichbarer langfristiger Sparverträge liegt. Traditionell betrug dieser Sparzins 3% p.a. Inzwischen bieten die Bausparkassen aber verschiedene Vertragsvarianten mit Sparzinsen zwischen ca. 0% und 4% an. Die laufenden Sparbeiträge werden traditionell durch die Vereinbarung eines festen Prozentsatzes der Bausparsumme (z.B. 0,5% pro Monat) definiert, wobei höhere Sonderzahlungen allerdings regelmäßig akzeptiert werden. Zu beachten ist noch, dass dem Bausparer bei Abschluss des Vertrages eine Abschlussgebühr in der Größenordnung von 1% der Bausparsumme belastet wird, die mit den ersten Sparleistungen verrechnet wird. Die in der Darlehensphase gewährten Bauspardarlehen sind weiterhin im Allgemeinen durch folgende Komponenten gekennzeichnet: (1) Die Darlehen werden wie die Hypothekarkredite als Annuitätendarlehen gewährt und zwar in Höhe der Differenz zwischen Bausparsumme und Bausparguthaben. Die Auszahlung der Darlehenssumme erfolgt traditionellerweise zu 100%; einige Tarife sehen allerdings die Möglichkeit eines Disagios vor. Unabhängig davon wird das Darlehenskonto allerdings mit einer Darlehensgebühr (i.d.R. 2% oder 3% der Darlehenssumme) belastet. Die Laufzeit der Bauspardarlehen ist angesichts des von Anfang an höheren Tilgungsanteils deutlich kürzer als bei Hypothekarkrediten. Sie liegt im Allgemeinen zwischen 8 und 12 Jahren. (2) Der Darlehenszins liegt üblicherweise 2%-Punkte über dem Sparzins, beträgt bei dem traditionellen Modell mit 3%-igem Sparzins also 5% p.a. Sieht man von Niedrigzinsphasen ab, ist die Verzinsung in aller Regel damit deutlich niedriger als bei Hypothekarkrediten. Zudem ist der Zinssatz für die gesamte Darlehenslaufzeit fixiert. Demgegenüber ist der (anfängliche) Tilgungsanteil deutlich höher als die bei Hypothekarkrediten gängigen Sätze von 1% oder 2%. Je nach den Einzelheiten des Tarifs beläuft sich der gesamte Kapitaldienst für einen bei ca. 40% der Bausparsumme zugeteilten Vertrag pro Jahr auf ca. 12% der Darlehenssumme. Dabei sind die Zahlungen üblicherweise in gleichbleibenden Monatsraten zu erbringen. Zusätzlich kann einmal jährlich eine im Zeitablauf fallende Prämie aus einer obligatorischen Restschuldversicherung anfallen, die die Bausparkassen im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages für ihre Darlehensnehmer abschließen.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

(3) Die Besicherung der Bauspardarlehen erfolgt ebenfalls durch die Bestellung von Grundpfandrechten. Allerdings bestehen zwei Besonderheiten im Vergleich zu Hypothekarkrediten:





Die Bausparkassen akzeptieren auch Grundpfandrechte an zweiter Rangstelle, z.B. hinter einer „ersten Hypothek“ zur Besicherung eines Hypothekarkredits. Bei einer Verwertung des Grundstücks, etwa im Wege einer Zwangsversteigerung, wird dann zunächst der Gläubiger der ersten Hypothek befriedigt, während der Bausparkasse nur der darüber hinausgehende Versteigerungserlös zusteht. Zudem werden Bauspardarlehen im Allgemeinen bis zu einer Gesamtbelastung von 80% des Beleihungswertes gewährt. Darüber hinausgehende Beleihungen werden bei der Stellung zusätzlicher Sicherheiten akzeptiert.

Beispiel 2.11: Der Beleihungswert einer Eigentumswohnung wird mit 250.000 Euro veranschlagt. Ein Bausparer verfügt über die beiden zugeteilten Bausparverträge: – Bausparkasse A: Bausparsumme 50.000 Euro Bausparguthaben 20.000 Euro – Bausparkasse B: Bausparsumme 70.000 Euro Bausparguthaben 30.000 Euro

Unterstellt man einmal, dass der Beleihungswert mit dem aktuellen Kaufpreis der Wohnung übereinstimmt, so könnte die Finanzierung des Wohnungskaufs wie folgt vorgenommen werden: Hypothekarkredit einer Bank 130.000 Euro Bauspardarlehen A 30.000 Euro Bauspardarlehen B 40.000 Euro Eigenmittel aus Bausparguthaben 50.000 Euro Summe 250.000 Euro Zur Sicherung der Darlehen würden folgende Grundpfandrechte eingetragen: – Eine erstrangige Hypothek zugunsten der Bank über 130.000 Euro (entspr. 52% des Beleihungswertes). – Zwei nachrangige, untereinander gleichrangige Hypotheken zugunsten der beiden Bausparkassen über 30.000 Euro und 40.000 Euro. Der insgesamt ausgeschöpfte Beleihungsrahmen beliefe sich also genau auf 80%. Wird der Wohnungskäufer noch vor der ersten Tilgungsleistung zahlungsunfähig und wird die Wohnung versteigert, so ergibt sich folgende Aufteilung des Erlöses: (1) Versteigerungserlös 220.000 Euro Alle Darlehensgeber werden voll befriedigt (200.000 Euro). Die restlichen 20.000 Euro stehen dem bisherigen Eigentümer zu oder fließen in die Insolvenzmasse.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

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(2) Versteigerungserlös 186.000 Euro Die Bank als Inhaber der ersten Hypothek erhält die vollen 130.000 Euro. Die restlichen 56.000 Euro werden im Verhältnis der Darlehenssummen von 3 : 4 auf die beiden Bausparkassen aufgeteilt; also erhält A 24.000 Euro und B 32.000 Euro.

Übungsaufgabe 2.14: Gehen Sie von den Daten des vorstehenden Beispiels aus und unterstellen Sie, dass die Bank einen Hypothekarkredit von maximal bis 60% des Beleihungswertes vergibt und die Bausparkassen nicht bereit sind, eine über 80% des Beleihungswertes hinausgehende Gesamtbelastung zu akzeptieren! a) Wie hoch wäre der nicht aus Bausparverträgen und Hypothekarkrediten abdeckbare Finanzierungsbedarf, wenn nur der Bausparvertrag A existierte, die insgesamt 70.000 Euro aus Bausparvertrag B hingegen nicht verfügbar wären! b) Wie hoch wäre der nicht aus Bausparverträgen und Hypothekarkrediten abdeckbare Finanzierungsbedarf, wenn zwar beide Bausparverträge wie angegeben bestehen, der Kaufpreis der Wohnung jedoch 320.000 Euro beträgt, also 70.000 Euro über dem Beleihungswert liegt? c) Vergleichen Sie die Ergebnisse zu a) und b) und geben Sie einen kurzen Kommentar!

Wegen der heute im Bausparwesen herrschenden Tarifvielfalt, die den Bausparkunden ein umfangreiches, schwer überschaubares Geflecht von Flexibilitäten im Bausparablauf ermöglichen, sei auf die an unserem Lehrstuhl in Hagen entstandene Dissertationsschrift „Bausparfinanzierung versus Freie Finanzierung“ von Stark (2003) verwiesen, die eine systematische Beschreibung und Analyse des Tarifspektrums bietet. Benötigt ein Bausparer bereits vor der Zuteilung des Bausparvertrages Finanzierungsmittel, besteht die Möglichkeit der sog. Zwischenfinanzierung14. Dabei vergibt die Bausparkasse selbst oder auch ein anderes Kreditinstitut ein Darlehen in Höhe der gesamten Bausparsumme. Bei Zuteilung des Bausparvertrages wird der Zwischenkredit durch die Auszahlung der Bausparsumme abgelöst. Tritt die Bausparkasse selbst als Zwischenfinancier auf, so besteht die Sicherheit für den Zwischenkredit zum einen in dem bereits angesparten Bausparguthaben sowie zum anderen in einem bereits bei Vergabe des Zwischenkredits einzutragenden Grundpfandrecht, das nach der Ablösung als Sicherheit für das nachfolgende Bauspardarlehen weitergeführt wird. Tritt hingegen ein anderes Kreditinstitut als Zwischenkreditgeber auf, so sind verschiedene Modelle denkbar. Eine Möglichkeit besteht darin, dass das Grundpfandrecht von Anfang an zugunsten der Bausparkasse bestellt wird und diese

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In der Praxis wird bei nicht ganz einheitlichem Sprachgebrauch noch zwischen Vor- und Zwischenfinanzierung eines Bausparvertrages unterschieden. Von einer Vorfinanzierung ist dann die Rede, wenn das Bausparguthaben die für die Zuteilung tariflich vorgesehene Mindestsparleistung (i.d.R. 40% der Bausparsumme) noch nicht erreicht hat. Von Zwischenfinanzierung (im engeren Sinne) wird dementsprechend gesprochen, wenn bei einem Bausparvertrag zwar die Mindestsparleistung erreicht ist, die Bewertungszahl (s. o.) aber noch nicht die notwendige Höhe erreicht hat, so dass die Zuteilung noch aussteht. Nach dieser Unterscheidung erstreckt sich eine Vorfinanzierung somit regelmäßig über einen längeren Zeitraum als eine Zwischenfinanzierung.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen



entweder gegenüber der Bank die Gewährleistung für die Rückzahlung des Zwischenkredits übernimmt – oder das Grundpfandrecht treuhänderisch für die Bank verwaltet – oder das Grundpfandrecht an die Bank unter der Bedingung abtritt, dass dieses bei Ablösung des Zwischenkredits rückübertragen wird. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass das Grundpfandrecht zunächst zugunsten der Bank eingetragen wird und diese es später an die Bausparkasse abtritt. Zusätzlich ist es möglich, dass der Bausparer seine Ansprüche aus dem Bausparguthaben zur Sicherheit an die Bank abtritt. 2.3.2.3 Ratenkredite Kreditinstitute bieten privaten Haushalten zur Anschaffung – in der Regel langlebiger – Gebrauchsgüter oder auch zur Finanzierung anderer Vorhaben (Reisen, Ausbildungsmaßnahmen etc.) Darlehen an, die ganz allgemein als Ratenkredite bezeichnet werden. Daneben findet man aber auch verschiedene andere Bezeichnungen wie z.B. Konsumentenkredit, Anschaffungsdarlehen, Privatdarlehen, etc. (1) Die Laufzeit liegt im Allgemeinen zwischen drei und sechs Jahren. Der Kreditbetrag schwankt zwischen einigen tausend und einigen zehntausend Euro, liegt in der Regel aber deutlich unter 50.000 Euro. Die Tilgung erfolgt zumeist in gleichbleibenden Monatsraten. Der anfängliche Schuldbetrag enthält häufig eine Bearbeitungsgebühr in der Größenordnung von 2% des Nennbetrages. (2) Die Zinsen werden bei der traditionellen Variante, wie sie zum Beispiel Sparkassen weiterhin betreiben, als Monatsprozentsatz ausgedrückt und unabhängig von erbrachten Tilgungsleistungen auf die ursprüngliche Kreditsumme bezogen. Sie sind zusammen mit den Tilgungsraten in aller Regel ebenfalls monatlich fällig. Für den in finanziellen Angelegenheiten wenig erfahrenen Betrachter birgt diese traditionelle Gestaltung der Konditionen von Konsumentenkrediten die Gefahr in sich, die daraus resultierende effektive Zinsbelastung zu unterschätzen. Dafür sind vier Aspekte maßgeblich:

• • • •

Zum ersten wirkt die Angabe eines Monatszinses rein optisch niedriger als die Angabe eines zwölfmal so großen Jahreszinses. Zum zweiten bezieht sich dieser Zins auf die Anfangsschuld; die Zinsbelastung nimmt in Bezug auf die jeweils noch verbliebene Restschuld im Zeitablauf also ständig zu. Zum dritten werden die Zinszahlungen nicht erst am Jahresende, sondern bereits früher, nämlich monatlich fällig. Zum vierten erhöht die formal nicht als Zins ausgewiesene Bearbeitungsgebühr auch noch die effektiven Kreditkosten.

Beispiel 2.12: Die Kunden-Bank finanziert einem jungen Ehepaar einen Teil der Wohnungseinrichtung und vergibt einen Kredit von 30.000 Euro zu folgenden Konditionen: – Laufzeit 5 Jahre, d.h. 60 Monate; – Tilgung 60 nachschüssige Monatsraten; – Bearbeitungsgebühr 2% der Kreditsumme; – Zins 0,5% der ursprünglichen Kreditsumme pro Monat.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

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Der von dem Ehepaar insgesamt zu leistende Kapitaldienst berechnet sich dann wie folgt: Kreditbetrag 30.000 Euro + Bearbeitungsgebühr 2% v. 30.000 Euro 600 Euro + Zins 60 x (0,5% v. 30.000 Euro) 9.000 Euro 39.600 Euro Dementsprechend gilt für die pro Monat zu erbringende Zahlung: 39.600 = 660 Euro . Monatszahlung = 60 Der effektive Jahreszins beläuft sich auf 12,1%.

Die moderne Variante vermeidet diese Nachteile. Sie gestaltet Konsumentenkredite einfach als Annuitätendarlehen aus, so wie wir sie vom Hypothekarkredit kennen (Abschnitt 2.3.2.1). (3) Als Maßnahmen zur Besicherung von Ratenkrediten trifft man vor allem – die Sicherungsübereignung, insbesondere bei Krediten zur Anschaffung langlebiger Gebrauchsgüter (z.B. Automobile), – die sicherungsweise Abtretung von Lohn- oder Gehaltsansprüchen und – die Mitverpflichtung anderer Personen, insbesondere von Ehegatten, Eltern etc. Parallel dazu findet man auch die Verknüpfung des Ratenkredits mit einer i.d.R. zugunsten des Kreditgebers abgeschlossenen Restschuldversicherung. Bei Eintritt des Schadensfalls, z.B. Tod oder Erwerbslosigkeit des Kreditnehmers, zahlt die Versicherungsunternehmung im Todesfall die vereinbarte Todesfallzahlung direkt auf das Kreditkonto. Die Todesfallleistung der Restschuldversicherung ist so bemessen, dass sie sich dem Schuldsaldo des Kreditkontos im Zeitablauf exakt oder zumindest ungefähr anpasst, d.h. die Versicherung gleicht diesbezüglich einer Risikolebensversicherung mit fallender Versicherungssumme. Die Zahlung im Todesfall liegt also in der Größenordnung des dann bestehenden Kontosaldos. Der danach auf dem Konto verbleibende Restsaldo besteht dann zu Gunsten bzw. zu Lasten des Erbes des Kreditnehmers. Im Falle er Erwerbslosigkeit übernimmt das Versicherungsunternehmen die Zahlung der Kreditraten so lange wie der Erwerbslosigkeitsstatus andauert. Das Kreditrisiko wird somit auf einen Dritten, eben die Versicherung, übergewälzt. Die dafür fälligen Prämien hat regelmäßig der Kreditnehmer zu tragen; häufig werden sie zusätzlich zu Zins, Tilgung und Bearbeitungsgebühr in die laufenden Monatsraten einbezogen. Ratenkredite werden in aller Regel in standardisierter Form angeboten; der Kreditnehmer kann lediglich innerhalb bestimmter Unter- und Obergrenzen Kreditbetrag und -laufzeit frei wählen – selbstverständlich nur insoweit, wie das Kreditinstitut ihn für hinlänglich kreditwürdig erachtet. Bei den Anbietern solcher Kredite lassen sich insbesondere zwei Gruppen unterscheiden. Zum einen bieten Sparkassen, Genossenschaftsbanken und auch zahlreiche private Kreditbanken seit etlichen Jahren standardmäßig Ratenkredite an. Zum anderen gibt es Kreditbanken, deren Geschäftsfeld ganz überwiegend in der Vergabe von Krediten der beschriebenen Art an Private liegt. Viele dieser spezialisierten Institute, z.B. die Banktöchter von Automobilherstellern, sind allerdings zunehmend dazu übergegangen, – einerseits ihr Aktivgeschäft über die Vergabe von Ratenkrediten an private Haushalte hinaus auszuweiten, z.B. durch Kredite an Unternehmen sowie Leasinggeschäfte, und

88 –

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen andererseits zur Refinanzierung auch Spar-, Termin- und Sichteinlagen entgegenzunehmen (vgl. dazu Kapitel 4).

Übungsaufgabe 2.15: Die Kunden-Bank vergibt einen Kredit in Höhe von 60.000 Euro zu folgenden Konditionen: – Laufzeit 3 Jahre, d.h. 36 Monate; – Tilgung 36 nachschüssige Monatsraten; – Bearbeitungsgebühr 2% der Kreditsumme; – Zins 0,38% der ursprünglichen Kreditsumme pro Monat. Ermitteln Sie die monatliche Ratenlast!

Ergänzend ist noch auf den Umstand einzugehen, dass Ratenkredite in nicht unerheblichem Umfang durch Vermittler zustande kommen. Dabei sind zwei Gruppen von Vermittlern zu unterscheiden: (1) Verschiedene Handelsunternehmen sowie von bestimmten Herstellern abhängige Händlernetze bieten ihren Kunden als Instrument der Verkaufsförderung die Finanzierung der gekauften Ware an. Dabei treten die Händler jedoch nur noch selten selbst als Kreditgeber bei einem solchen Abzahlungskauf auf; üblicherweise wird vielmehr parallel zu dem Kaufvertrag der Kredit einer kooperierenden Bank vermittelt, oftmals ohne dass dies dem Kunden überhaupt richtig bewusst wird. In einigen Fällen haben große Handelsunternehmen und Produkthersteller allerdings konzerneigene Kreditinstitute gegründet, die die entsprechenden Ratenkredite vergeben. Dies ist insbesondere bei den Automobilherstellern und im Versandhandel der Fall. Für eine solche Politik dürfte neben der Möglichkeit, an den Kreditgeschäften selbst zu verdienen, die Absicht maßgeblich sein, über die Gestaltung der Kreditkonditionen ein weiteres absatzpolitisches Instrument zu erhalten. (2) Außerdem gibt es eigenständige Kreditvermittler, die überwiegend privaten Haushalten Bankkredite vermitteln. Dabei ist der Rahmen für die Vermittlungstätigkeit in der Regel durch eine feste vertragliche Vereinbarung zwischen Bank und Vermittler, den sog. „Einreichervertrag“, geregelt. Die Vermittler werden in der Öffentlichkeit weithin als wenig seriös angesehen und nicht nur mit der wenig freundlichen Bezeichnung „Kredithaie“ bedacht, sondern auch unmittelbar für die Höhe der effektiven Kreditzinsen sowie rüde Methoden bei der Eintreibung von Zins und Tilgung verantwortlich gemacht. Zur Einordnung solcher weit verbreiteten Klischeevorstellungen ist folgendes zu beachten:



Die Kreditvermittler erbringen ihren Kunden durchaus zusätzliche Dienstleistungen, wie z.B. vergleichende Informationen über die Konditionen verschiedener Kreditangebote, Beratungen auch außerhalb banküblicher Geschäftszeiten, Unterstützung bei der Aufbereitung von Sicherheiten etc. Dass für diese Leistungen vom Grundsatz her ein Entgelt in Form einer Maklercourtage gerechtfertigt ist, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Strittig kann allenfalls die angemessene Höhe der Courtage sein, die sich im Allgemeinen in der Größenordnung von 3 bis 6% des effektiven Kreditbetrages bewegt.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre



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Zugleich stellen die Kreditvermittler für die mit ihnen kooperierenden Kreditinstitute eine Art flexiblen Außendienst dar, durch den in bestimmtem Ausmaß Akquisitions- und Verwaltungskosten eingespart werden können. Dass auch für diese Leistung ein Entgelt angemessen ist, dürfte grundsätzlich ebenfalls außer Zweifel stehen. Die entsprechende Provision liegt im Allgemeinen bei 0,2% bis 0,25% des Produktes aus Kreditsumme und Laufzeit (in Monaten). • Im Übrigen ist zu beachten, dass die Kreditvermittler gar nicht selbst als Kreditgeber auftreten und somit auch nicht für die Kreditkonditionen und, wenn überhaupt, im Auftrag der Banken für das Inkasso verantwortlich sind. Allerdings ist es üblich, die bei der Bank beantragte Kreditsumme über den von dem Kunden primär benötigten Betrag hinaus um die bei Auszahlung des Kredits fällige Maklercourtage zu erhöhen. So werden etwa bei einer Courtage von 5% statt der benötigten 10.000 Euro direkt 10.500 Euro als Kredit beantragt; bei der Auszahlung dieser Summe fließen dann 500 Euro als Courtage an den Kreditvermittler und der Kunde erhält die effektiv benötigten 10.000 Euro. • Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings die zumindest in der Vergangenheit von verschiedenen Kreditinstituten geübte Praxis, die an den Vermittler abzuführende Provision in Form des sogenannten „Packing“, d.h. durch eine entsprechende Erhöhung des Monatszinses auch noch auf den Kreditnehmer abzuwälzen. Soweit erkennbar, sind die Banken allerdings in den letzten Jahren zunehmend von der Praxis des Packing abgerückt und vergeben vermittelte Kredite zu den gleichen Konditionen wie vergleichbare „Schalterkredite“. Weder die Vermittlung von Krediten noch die Berechnung eines Entgeltes dafür sind an sich als bedenklich anzusehen; hier besteht kein grundsätzlicher Unterschied zum Angebot anderer Dienstleistungen. Die eigentlichen Probleme der Kreditvermittlung resultieren vielmehr aus der Gefahr, dass sich der Vermittler bei der Beratung seiner Kunden weniger von deren wohlverstandenen Interessen als vom eigenen Provisionsstreben leiten lässt und insbesondere in finanziellen Dingen unerfahrene Personen durch ständig neue Abschlüsse, Umschuldungsmaßnahmen, Ablösekredite etc. in eine lang andauernde, bis an die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit gehende Verschuldung treibt. Abschließend ist auch noch auf die gesetzlichen Regelungen zum Verbraucherdarlehen nach §§ 491 ff. BGB hinzuweisen. Mit diesen soll ein Verbraucherschutz im finanzwirtschaftlichen Bereich bewirkt werden. Dementsprechend ist der Anwendungsbereich auf fast alle Arten von Krediten an Verbraucher mit einem Nettodarlehensbetrag von mehr als. 200 Euro festgelegt. Einen einschneidenden Tatbestand stellen in diesem Zusammenhang die vielfältigen Informationspflichten des Kreditgebers dar, wie zwingende Mindestangaben über die Höhe der Gesamtbelastung aus der Kreditaufnahme (effektiver Jahreszins), Zahlungsmodi und alle Kosten einschließlich zu tragender Vermittlungskosten und zu bestellende Sicherheiten sowie Formvorschriften für den Geschäftsabschluss. Zielsetzung ist die Schaffung einer möglichst einheitlichen Basis für Kostenvergleiche mit anderen Angeboten.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

2.3.2.4 Investitions- und Kommunalkredite Außer privaten Haushalten bieten Kreditinstitute selbstverständlich auch Unternehmen und Selbständigen sowie öffentlichen Stellen Möglichkeiten der langfristigen Fremdfinanzierung. Man bezeichnet solche Kredite im Allgemeinen als Investitionskredite bzw. Kommunaldarlehen. Investitionskredite werden häufig zweckgebunden zur Beschaffung von Gebäuden, Maschinen und Geräten, EDV-Ausstattungen, Geschäfts- und Praxiseinrichtungen, Fahrzeugen und Transporteinrichtungen sowie zur Vergrößerung von Vorratslagern an Unternehmen oder Selbständige, wie z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer etc. gewährt. Diese Kredite sind bei vielfältigen Varianten im Einzelfall ganz allgemein durch folgende Merkmale charakterisiert: (1) Die Laufzeit liegt zumeist im Bereich von 8 bis 15 Jahren und wird häufig mit der voraussichtlichen Nutzungsdauer oder der steuerlichen Abschreibungsdauer der finanzierten Gegenstände synchronisiert. Die Tilgung erfolgt in aller Regel nach einem festen Plan als Raten- oder Annuitätentilgung (vgl. Abschnitt 2.1.4); mitunter findet man auch sog. „Festdarlehen“, bei denen die Tilgung erst am Ende der Laufzeit in einem einzigen Betrag erfolgt. Da die Vereinbarung eines Disagios bei gewerblichen Kreditnehmern meist keine besonderen steuerlichen Vorteile bringt, werden Investitionskredite häufig zu pari ausgezahlt. (2) Die Zinssätze für Investitionskredite liegen u.U. in Abhängigkeit von der Bonität des Kreditnehmers in der Größenordnung der Zinsen für Hypothekarkredite. Dabei ist sowohl die Vereinbarung eines variablen Zinses als auch eine Zinsfestschreibung für mehrere Jahre oder auch die gesamte Darlehenslaufzeit möglich. (3) Als Sicherheiten dienen in erster Linie die finanzierten Gegenstände selbst, die entweder durch die Eintragung von Grundpfandrechten (bei Grundstücken und Gebäuden) oder durch Sicherungsübereignung (bei beweglichen Gegenständen) zu Gunsten des Geldgebers belastet werden. Hinzu treten je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls Bürgschaften (z.B. von GmbH-Gesellschaftern), Patronatserklärungen (z.B. von Muttergesellschaften) oder die Abtretung von Ansprüchen aus einer Lebensversicherung oder künftigen Honorarforderungen (z.B. von Ärzten). Investitionskredite werden in den allermeisten Fällen nach den Gegebenheiten des Einzelfalls ausgehandelt, stellen also eine Individualfinanzierung dar. Mittleren und kleinen Unternehmen und Selbständigen bieten viele Kreditinstitute allerdings auch standardisierte Programmkredite an. Außerdem wirken die Kreditinstitute bei der Abwicklung unterschiedlichster öffentlicher Kreditprogramme mit, die zur Förderung bestimmter Branchen, Regionen, Investitionsarten oder zu ähnlichen gesamtwirtschaftlichen Zwecken durchgeführt werden und in der Regel durch spezielle Zinsvergünstigungen gekennzeichnet sind. Derartige Kreditprogramme werden regelmäßig über bestimmte Kreditinstitute mit Sonderaufgaben, wie z.B. die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW; vgl. Abschnitt 1.2.5) abgewickelt; die Auszahlung der Kreditbeträge erfolgt üblicherweise jedoch unter Zwischenschaltung einer Universalbank, in der Regel der Hausbank des Kreditnehmers. Die Rolle der zwischengeschalteten Bank kann dabei im Detail unterschiedlich ausgestaltet sein:

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

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Bei durchgeleiteten Krediten tritt die Bank selbst als Kreditgeber auf und trägt auch das volle Kreditrisiko. Die ihr im Gegenzug aus dem Sonderprogramm bereitgestellten Mittel dienen lediglich der Refinanzierung. Rückzahlungsverpflichteter ist jedoch die Bank, und zwar unabhängig davon, ob der eigene Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt oder nicht. • Bei den Treuhandkrediten übernimmt die Bank hingegen kein Kreditrisiko, dieses verbleibt bei dem ursprünglichen Kreditgeber. Im einzelnen kann die Bank dabei den Kredit entweder von vornherein im Namen des ursprünglichen Kreditgebers gewähren, also als reiner Vermittler auftreten (sog. Verwaltungskredite) oder aber im eigenen Namen vergeben, sich jedoch bei Zahlungsschwierigkeiten des Kreditnehmers ein Rückgriffsrecht auf den ursprünglichen Kreditgeber einräumen lassen (sog. durchlaufende Kredite). Als Kommunaldarlehen schließlich bezeichnet man langfristige Kredite an Bund, Länder, Gemeinden und vergleichbare öffentliche Kreditnehmer. Typisch für diese Kredite ist, dass sie ausnahmslos ohne Bereitstellung von Kreditsicherheiten vergeben werden, während im Hinblick auf die sonstigen Ausgestaltungsmerkmale keine systematischen Unterschiede zu den Investitionskrediten an Unternehmen bestehen.

2.3.3

Kredite von Versicherungen

2.3.3.1 Allgemeine Grundbegriffe Versicherungen, und in ganz besonderem Maße Lebensversicherungsunternehmen, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie über lange Jahre hinweg aus den abgeschlossenen Versicherungsverträgen höhere Einzahlungen erzielen, als sie an Auszahlungen für Versicherungsleistungen zu erbringen haben. Dementsprechend sind die Versicherungen bemüht, die entstehenden Einzahlungsüberschüsse mittel- bis langfristig anzulegen. Das gesamte Anlagevolumen von Versicherungen ist auch gesamtwirtschaftlich von erheblicher Bedeutung. Bei der Anlage ihres Vermögens können die Versicherungsunternehmen allerdings nicht völlig frei entscheiden; sie sind vielmehr an bestimmte aufsichtsrechtliche Vorschriften gebunden, die im Folgenden in ihren wichtigsten Grundzügen skizziert werden sollen. Ausgangspunkt dieser Darstellungen bildet die durch Abb. 2.03 verdeutlichte horizontale Verknüpfung bestimmter „Vermögensblöcke“ mit bestimmten Passiven. Sicherungsvermögen sonstiges gebundenes Vermögen fondsfreies Vermögen Abb. 2.03:

Deckungsrückstellungen sonstige versicherungstechnische Passiva Eigenkapital und sonstige nicht versicherungstechnische Passiva

Vermögensblöcke bei Versicherungsunternehmen

Die Deckungsrückstellungen stellen bei den meisten Versicherungen den größten Passivposten dar. Sie sollen die Leistungsverpflichtungen, die auf die Versicherungsunternehmen aus den bereits abgeschlossenen Versicherungsverträgen in Zukunft zukommen werden, verdeutlichen. Sie ergeben sich rechnerisch als versicherungsmathematisch bestimmter Gegenwartswert aller zukünftigen Leistungsverpflichtungen aus abgeschlossenen Verträgen

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

abzüglich des Gegenwartswertes der noch ausstehenden Prämienzahlungen der Versicherten. Aufgrund einschlägiger versicherungsaufsichtsrechtlicher Vorschriften haben die Versicherungen in Höhe ihrer jeweiligen Deckungsrückstellungen ein gesondert zu verwaltendes Treuhandvermögen zu unterhalten, das im Insolvenzverfahren zur ausschließlichen Befriedigung der Versicherten dient, das sogenannte Sicherungsvermögen. Neben den Deckungsrückstellungen weisen die Bilanzen von Versicherungsunternehmen auf der Passivseite weitere Rückstellungen, Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten auf, die unmittelbar aus dem Versicherungsgeschäft resultieren. In Höhe dieser „sonstigen versicherungstechnischen Passiva“ haben die Versicherungsunternehmen ebenfalls nach besonderen Anlagevorschriften entsprechende Vermögenswerte zu unterhalten, das „sonstige gebundene Vermögen“. Sicherungsvermögen und sonstiges gebundenes Vermögen werden dabei für verschiedene Betrachtungen begrifflich zu dem „gebundenen Vermögen“ insgesamt zusammengefasst. Die restlichen Aktiva, die bilanziell zwangsläufig der Summe aus Eigenkapital und nicht versicherungstechnischem Fremdkapital entsprechen, werden schließlich als „Freies Vermögen“ der Versicherungen bezeichnet. Allgemeine Anlagegrundsätze gemäß § 54 VAG Gemäß § 54 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) haben die Versicherungsunternehmen das gebundene Vermögen unter Beachtung der Grundsätze der Sicherheit, der Rentabilität, der Liquidität sowie der Mischung und Streuung anzulegen.









Das Prinzip der Sicherheit wird allgemein dahingehend interpretiert, dass nur solche Anlagen vorgenommen werden können, bei denen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zumindest mit dem Rückfluss des eingesetzten Kapitals zu rechnen ist. Als Implikation wird daraus die Verpflichtung der Versicherung abgeleitet, vor der Anlage ihrer Mittel hinlängliche Bonitätsanalysen durchzuführen, soweit wie möglich zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen (z.B. durch Beanspruchung von Kreditsicherheiten) sowie die Sicherheit der Vermögensanlagen ständig zu überwachen. Der Grundsatz der Rentabilität bedeutet, dass die Versicherungen bei der Vermögensanlage auf laufende Erträge in angemessener Höhe zu achten haben. Bei der Ermittlung der laufenden Erträge sind dabei nicht nur jährliche Zahlungen wie Zinsen, Dividenden, Mieten etc. zu berücksichtigen, sondern auch Kursgewinne und -verluste. Relevant ist dabei die nach Steuern erzielbare Rendite. Es leuchtet unmittelbar ein, dass der Grundsatz der Rentabilität leicht zu Konflikten mit dem Grundsatz der Sicherheit führen kann, da – wenn auch nicht ausnahmslos – tendenziell davon ausgegangen werden kann, dass sich Vermögensanlagen im Durchschnitt umso höher rentieren, je höher die mit ihnen verbundenen Risiken sind. Der Grundsatz der Liquidität wird allgemein dahingehend interpretiert, dass das Versicherungsunternehmen bei der Gestaltung seiner Vermögensanlage die jederzeitige Zahlungsfähigkeit des Versicherungsunternehmens selbst zu beachten hat. Es ist also nicht für jeden einzelnen Vermögensgegenstand eine hohe Liquidität als solche gefordert, es geht vielmehr um die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens insgesamt. Der Grundsatz der Mischung und Streuung schließlich verlangt, volkstümlich gesprochen, nicht alles auf ein Pferd zu setzen, das Vermögen also auf eine Vielzahl von Anlageformen aufzuteilen, die jeweils unterschiedlichen, voneinander möglichst unabhängigen Risikoursachen unterliegen. Kriterien für eine entsprechende Diversifikation der Vermögensanlage können also verschiedene Sektoren sein (z.B. Anlagen im öffentlichen

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

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Bereich, im Bankensektor, im nichtfinanziellen Sektor, bei privaten Haushalten), verschiedene Branchen, unterschiedliche Regionen oder unterschiedliche Anlagetypen (z.B. Grundstücke, Beteiligungen, Fremdfinanzierungstitel etc.). Die genannten vier Grundsätze weisen der Vermögensanlage von Versicherungen zwar eine grobe Richtung, belassen den Unternehmen im Detail jedoch noch einen sehr breiten Gestaltungsspielraum. Dieser wird allerdings durch die nach § 54 Abs. 3 von der Bundesregierung erlassene Anlageverordnung weiter eingeschränkt. In dieser Verordnung wird zum einen der Katalog zulässiger Anlageformen präzisiert. Zum anderen werden in Konkretisierung des Grundsatzes der Mischung und der Streuung sowohl für verschiedene Kategorien von Vermögensanlagen als auch für einzelne Engagements prozentuale Höchstgrenzen festgelegt. 2.3.3.2 Schuldscheindarlehen an gewerbliche Unternehmen Eine Möglichkeit der Vermögensanlage für Versicherungsunternehmen besteht in der Vergabe von Darlehen an Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors. Da derartige Darlehen ursprünglich ausnahmslos in Form eines Schuldscheines beurkundet wurden, werden sie auch heute noch generell als Schuldscheindarlehen bezeichnet, obwohl auf die Ausstellung eines Schuldscheines inzwischen oftmals verzichtet wird. Im Allgemeinen sind Schuldscheindarlehen durch folgende Merkmale gekennzeichnet, was individuelle Abweichungen im Einzelfall nicht ausschließt: (1) Die Laufzeit liegt im Bereich von fünf bis zehn Jahren. Der Kreditbetrag übersteigt in aller Regel die Grenze von 500.000 Euro und kann durchaus über 100 Mio. Euro hinausgehen. Die Schuldscheindarlehen sind entweder als gesamtfällige Schulden ausgestaltet oder sind in gleichmäßigen Raten zu tilgen, wobei u.U. einige tilgungsfreie Jahre vereinbart werden. Die Vereinbarung eines Disagios ist ebensowenig üblich wie die Berechnung von Bearbeitungsgebühren oder ähnlichen Preiselementen. (2) Die Verzinsung orientiert sich an der Zinsentwicklung am Rentenmarkt und liegt regelmäßig um ca. 1/4 bis 1/2%-Punkt über der Rendite vergleichbarer Industrieobligationen, wobei dieser Zinssatz in aller Regel für die gesamte Darlehenslaufzeit festgeschrieben wird. Die Zinszahlungen sind zumeist halbjährlich oder jährlich nachschüssig fällig. Angesichts der genannten Zinsdifferenz im Vergleich zu der Anlage in festverzinslichen Wertpapieren liegt die Attraktivität der Vermögensanlage in Form von Schuldscheindarlehen für Versicherungsunternehmen auf der Hand. Andererseits kann diese Finanzierungsform aber auch für die Industrieunternehmen Vorteile bieten, da die bei der Emission von Industrieobligationen entstehenden effektiven Finanzierungskosten angesichts der Aufwendungen für die Emission, die Börseneinführung etc. rund 1 bis 2 Prozentpunkte über der für den Anleger erreichbaren Rendite liegen. (Vgl. dazu Abschnitt 2.6). (3) Soweit die Vergabe von Schuldscheindarlehen als Anlage des gebundenen Vermögens, insbesondere des Sicherungsvermögens erfolgt, sind die durch das Versicherungsaufsichtsgesetz und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorgegebenen Sicherungskriterien zu beachten. Neben einer ausreichenden Bonität ist als Regelfall die Bestellung erstrangiger Grundpfandrechte vorgesehen. Dabei wird bei der Beleihung von gewerblichem Grundbesitz lediglich eine Quote von maximal 50% als erstrangig akzeptiert. Mit Zustimmung der BaFin kann die Bestellung entsprechender Grundpfandrechte auch durch eine Negativerklärung des Darlehensnehmers ersetzt werden. Eine

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

solche Negativerklärung kann etwa – neben der Verpflichtung, bestimmte noch darzustellende Kennzahlenrelationen einzuhalten – die Zusage zum Inhalt haben, dass Grundstücke, die die Voraussetzungen für die Belastung durch Grundpfandrechte, die von der Versicherungsaufsicht akzeptiert werden, erfüllen, nicht später veräußert oder für andere Verbindlichkeiten belastet werden. Zur Beurteilung der Bonität eines Unternehmens sind – neben der Würdigung aller Gegebenheiten des Einzelfalls – insbesondere die Ausprägungen dreier von der Aufsicht festgelegter Kennzahlen von Bedeutung15: – Die Gesamtkapitalrendite als Verhältnis von Betriebsergebnis und Zinsaufwand zu dem durchschnittlichen Gesamtkapital soll mindestens 6% betragen; – die Entschuldungsdauer als Verhältnis von „bereinigtem Gläubigerkapital“ zum Cash Flow darf 7 Jahre nicht überschreiten; – der Finanzierungskoeffizient legt fest, dass das „bereinigte Gläubigerkapital“ maximal das zweifache des „bereinigten Eigenkapitals“ zuzüglich der Pensionsrückstellungen betragen darf. Zusätzlich wird im Falle der Sicherheitenbestellung eine Eigenkapitalquote von 20% als Nebenbedingung gefordert. Bei Vorliegen einer Negativvereinbarung erhöht sich diese Quote auf 30%. Bezüglich der Modalitäten bei der Vergabe derartiger Schuldscheindarlehen sind insbesondere die folgenden drei Varianten zu beobachten:

• •



15

Die einfachste, aber dennoch am seltensten anzutreffende Form besteht darin, dass ein Versicherungsunternehmen ein entsprechendes Darlehen unmittelbar an ein Industrieunternehmen vergibt. Angesichts der Probleme, geeignete Geldnehmer und -geber zusammenzuführen, ist es allerdings eher üblich, dass ein spezieller Finanzmakler oder auch ein Kreditinstitut bei der Vergabe geeigneter Darlehen als Vermittler auftritt und unter Umständen auch gewisse weitere Dienstleistungen übernimmt, z.B. bei der Beratung des kreditsuchenden Unternehmens, um die Voraussetzungen für die „Sicherungsvermögensfähigkeit“ zu erreichen. In den letzten Jahren hat sich allerdings zunehmend die Variante durchgesetzt, dass zunächst Kreditinstitute gegenüber den Unternehmen als Kreditgeber auftreten und die aus der Vergabe dieses Darlehens erworbenen Ansprüche erst in einem zweiten Schritt an ein (oder auch in Teilen an mehrere) Versicherungsunternehmen abtreten. Dabei besteht auch die Möglichkeit, die aus der Darlehensvergabe erworbenen Ansprüche zunächst nur für einen kürzeren Zeitraum als die Darlehenslaufzeit an ein Versicherungsunternehmen abzutreten. Nach Ablauf des ersten Abtretungszeitraums kann das Kreditinstitut dann entweder für den Restzeitraum selbst als definitiver Darlehensgeber auftreten oder sich um die erneute Abtretung an ein anderes oder auch dasselbe Versicherungsunternehmen bemühen. Eine auf diese Weise evtl. entstehende Kette mehrerer aufeinanderfolgender zeitlich begrenzter Abtretungen der Ansprüche aus einem Schuldscheindarlehen bezeichnet man auch als „Revolving-Geschäft“.

Die in den einzelnen Kennzahlen enthaltenen Ausdrücke werden nach bestimmten Vorgaben gesondert ermittelt.

2.3 Mittel- und langfristige Kreditfinanzierung durch Finanzintermediäre

95

2.3.3.3 Darlehen an private Haushalte Außer an Unternehmen können Lebensversicherer auch an ihre eigenen Versicherten, in der Regel private Haushalte, Darlehen vergeben. Dabei sind zwei Varianten zu unterscheiden:



Beim Policendarlehen gewährt das Versicherungsunternehmen dem eigenen Kunden ein Darlehen bis zur Höhe des Rückkaufwertes der bestehenden Versicherungsverträge. Der Rückkaufwert einer Lebensversicherung entspricht – vereinfacht dargestellt – dem Betrag, auf den der Versicherte Anspruch hätte, wenn er den Versicherungsvertrag ohne Eintritt des Versicherungsfalles vorzeitig kündigen würde. Es ist dies der sogenannte „Sparanteil“, der während der Dauer eines Lebensversicherungsvertrages laufend anwächst. Das Versicherungsunternehmen bedarf bei derartigen Darlehen keiner weiteren Sicherheit; zahlt nämlich der Darlehensnehmer die geschuldete Summe nicht zurück, so entfällt im Gegenzug die Verpflichtung der Versicherung, den Sparanteil gegebenenfalls auszuzahlen. • Bei dem Vorauszahlungsdarlehen wird ein Versicherungsvertrag demgegenüber ungeachtet des bereits erreichten Rückkaufwertes in Höhe der vollen Versicherungssumme beliehen. Bei dieser Form der Darlehensgewährung geht das Versicherungsunternehmen somit ein deutlich höheres Risiko ein, so dass bei dieser Darlehensform üblicherweise zusätzliche Sicherheiten verlangt werden. Im Einzelnen sind Policen- und Vorauszahlungsdarlehen üblicherweise durch folgende Konditionen gekennzeichnet: (1) Die Laufzeit dieser Darlehen gleicht zumeist der Restlaufzeit des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages, kann jedoch auch kürzer sein. Das Volumen eines solchen Darlehens entspricht im Falle des Policendarlehens einem Betrag von 80 bis 100% des im Vergabezeitpunkt erreichten Rückkaufwertes bzw. beim Vorauszahlungsdarlehen üblicherweise der Versicherungssumme. Die Auszahlung erfolgt meist zu 100%, im Einzelfall ist jedoch auch die Vereinbarung eines Disagios möglich. Während der Darlehenslaufzeit ist eine Tilgung generell nicht vorgesehen, vielmehr besteht die Grundkonzeption dieser Form der Darlehensgewährung in der Vorstellung, dass das gewährte Darlehen bei Ablauf des Versicherungsvertrages aus der dann fällig werdenden Versicherungssumme als gesamtfällige Schuld getilgt wird. Üblicherweise wird allerdings das Recht eingeräumt, das Darlehen vorzeitig in Teilen oder auch vollständig zu tilgen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Versicherungsfall eintritt, der Versicherte also verstirbt. In dieser Situation wird die dann in voller Höhe fällig werdende Versicherungssumme dazu verwendet, den aufgenommenen Kredit vollständig abzutragen. (2) Die Versicherungsunternehmen sind im Allgemeinen bemüht, bei der Vergabe von Policen- oder Vorauszahlungsdarlehen eine Rendite zu erzielen, die der Verzinsung sonstiger Anlagemöglichkeiten zumindest gleichkommt. Bedenkt man jedoch, dass der Zins für die Anlage z.B. in Pfandbriefen oder Industrieanleihen auf der einen Seite und der Zins für die Aufnahme von Darlehen durch Privatpersonen auf der anderen Seite durchaus um mehrere Prozentpunkte divergieren können, so wird sofort deutlich, dass es im Einzelfall durchaus möglich ist, einen Zinssatz zu finden, der für die Versicherungsunternehmen einerseits eine durchaus attraktive Rendite darstellt, für den privaten Darlehensnehmer jedoch zugleich eine im Vergleich zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten billigere Form der Darlehensaufnahme beinhaltet.

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2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

(3) Wie schon eingangs erwähnt, bedarf es bei der Vergabe eines auf den Rück-kaufwert der zugrundeliegenden Versicherung beschränkten Policendarlehens keiner weiteren Kreditsicherheiten. Anders verhält es sich demgegenüber bei einem Vorauszahlungsdarlehen, da hier die Darlehenssumme im Allgemeinen deutlich über den Rückkaufwert des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages hinausgeht. Die häufigste Anwendungsform des Vorauszahlungsdarlehens liegt dementsprechend auch in der Finanzierung des Baus oder Erwerbs von Wohnungseigentum, wobei Grundstücke und Gebäude durch die Eintragung entsprechender Grundpfandrechte als zusätzliche Sicherheit herangezogen werden. Dabei akzeptieren die Versicherungen im Allgemeinen analog zu den Banken eine Belastung bis zu 60% des Beleihungswertes. Beispiel 2.13: Betrachten wir noch einmal die im Beispiel zu Abschnitt 2.3.2.2 vorgestellte Situation. Zum Erwerb einer Eigentumswohnung waren dort 250.000 Euro vorgesehen worden, 50.000 Euro aus Eigenmitteln, 70.000 Euro aus Bauspardarlehen und die restlichen 130.000 Euro waren durch einen Hypothekarkredit von einer Bank abzudecken. Alternativ zur Aufnahme des Hypothekarkredits könnte der Erwerber – einen Lebensversicherungsvertrag über 130.000 Euro abschließen und – zugleich bei der Versicherungsgesellschaft ein bei Fälligkeit der Lebensversicherungssumme rückzahlbares Darlehen über 130.000 Euro aufnehmen. Unterstellt man, dass der Versicherte 30 Jahre alt ist, der Versicherungsvertrag auf 35 Jahre abgeschlossen wird und die jährliche Versicherungsprämie 2.847,– Euro beträgt und nimmt man weiterhin an, dass das gewährte Darlehen bei 100%-iger Auszahlung zu 8% zu verzinsen ist, so ergeben sich folgende Belastungen für den Darlehensnehmer: Zinsbelastung p.a. 10.400,– Euro Versicherungsprämie p.a. 2.847,– Euro Gesamtbelastung p.a. 13.247,– Euro

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der im Erlebensfall nach 35 Jahren zu erwartende Rückzahlungsbetrag auf Grund der Überschussbeteiligung deutlich über die zur Darlehenstilgung benötigte Summe von 130.000 Euro hinausgehen würde. Es würde daher naheliegen, den Versicherungsvertrag gar nicht über 130.000 Euro, sondern etwa nur über 100.000 Euro abzuschließen, was zu folgender Gesamtbelastung führte: Zinsbelastung p.a. 10.400,– Euro Versicherungsprämie p.a. 2.180,– Euro Gesamtbelastung p.a. 12.580,– Euro Inwieweit solche Finanzierungsmodelle aus Sicht des Kunden überhaupt sinnstiftend sind, werden wir in Kapitel 7 diskutieren.

2.4 Leasing

97

2.4

Leasing

2.4.1

Begriffliche und rechtliche Grundlagen

Die Bezeichnung „Leasing“ wird für eine Vielzahl unterschiedlicher Vertragsformen verwendet, so dass es kaum möglich ist, den Begriff des Leasings umfassend zu definieren. Immerhin lassen sich einige Eigenschaften konstatieren, die die so bezeichneten Verträge üblicherweise aufweisen. So besteht ein Kennzeichen darin, dass sich der Eigentümer eines Gebrauchsgutes, der sog. Leasinggeber, verpflichtet, diesen Gegenstand dem sog. Leasingnehmer gegen Zahlung eines periodisch zu erbringenden Entgelts, der sog. Leasingraten, für eine begrenzte Zeitdauer zur Nutzung zu überlassen. Insoweit enthalten Leasingverträge als Kern mehr oder weniger deutliche Elemente eines traditionellen Mietvertrages. Dementsprechend ist im allgemeinen Sprachgebrauch auch keine klare Grenze mehr zwischen dem einfachen Mietvertrag und einem Leasingvertrag erkennbar. Üblicherweise sind Vereinbarungen, für die die Bezeichnung „Leasing“ verwendet wird, jedoch weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass sie über die Regelung der reinen Gebrauchsüberlassung hinaus in mehr oder weniger großem Umfang weitere Vertragselemente enthalten, die für traditionelle Mietverträge untypisch sind. Im Hinblick auf diese ergänzenden Vertragsklauseln existiert ein breites Kontinuum an grundsätzlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten. Dabei stellen die allgemein als „OperateLeasing“ und als „Finanzierungsleasing“ bezeichneten Vertragstypen zwei besonders profilierte Enden dieses Kontinuums dar, wobei in der realen Welt zahlreiche Zwischenformen existieren. Verträge des Operate-Leasing weisen insbesondere folgende Merkmale auf:



Die Verträge werden für eine im Vergleich zu der üblichen Einsatzdauer des Objektes kurze Dauer abgeschlossen oder sind – bei Abschluss auf unbestimmte Dauer – von beiden Seiten kurzfristig kündbar. Der Leasinggeber kann mithin nicht davon ausgehen, dass ein einziger Leasingvertrag schon ausreicht, das Leasingobjekt zu „amortisieren“, d.h. die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Zinskosten und die anteiligen laufenden Verwaltungskosten des Leasinggebers abzudecken. Diese Amortisation des Leasinggegenstandes kann im Allgemeinen erst durch eine Kette mehrerer aufeinander folgender Leasingverträge erreicht werden. • Das Objektrisiko verbleibt wie bei herkömmlichen Mietverträgen beim Leasinggeber, der insbesondere die Gefahr des zufälligen Untergangs, des Diebstahls, der Überalterung, technischer Defekte etc. trägt. • Die beiden zuvor genannten Umstände gemeinsam veranlassen Leasinggeber häufig, dem Leasingnehmer die Gebrauchsüberlassung nur im Verbund mit einem Vertrag über laufende Service- und Wartungsleistungen anzubieten, die der Leasinggeber selbst oder ein von ihm beauftragtes Unternehmen erbringt. Verträge des Finanzierungsleasing weisen demgegenüber üblicherweise folgende Merkmale auf:



Die Verträge sind für eine längere Zeitspanne für beide Seiten unkündbar. In der Praxis liegt diese sog. Grundmietzeit zumeist in der Größenordnung von 60 bis 80% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, wie sie sich aus den AfA-Tabellen der Finanzverwaltung ergibt.

98



2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Dabei sind die Verträge typischerweise so ausgestaltet, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Objektes, die Zinskosten und die laufenden Verwaltungskosten des Leasinggebers insgesamt durch eine etwaige Anfangszahlung, die laufenden Leasingraten und etwaige Zahlungen bei Beendigung des Leasingvertrages voll abgedeckt werden. Ein einziger Leasingvertrag bringt dem Leasinggeber also üblicherweise die volle Amortisation des Objektes. Dies gilt unbeschadet der später noch zu erläuternden Unterscheidung zwischen sog. Voll- und Teilamortisationsverträgen. • Die Objektrisiken werden für die Dauer des Leasingvertrages durch entsprechende Vertragsklauseln weitgehend entweder unmittelbar oder zumindest in ihren monetären Konsequenzen auf den Leasingnehmer abgewälzt. Dieser wird etwa verpflichtet, auf eigene Kosten verschiedene Objektversicherungen abzuschließen oder eventuell auftretende Defekte selbst zu beheben. • Häufig bieten die Leasinggeber allerdings trotzdem ergänzende Service- und Wartungsverträge an, ohne dass man dies jedoch als ein zwingendes Merkmal des Finanzierungsleasing ansehen kann. Im Folgenden wollen wir nur noch das Finanzierungsleasing betrachten. Dabei ist es müßig, darüber zu reflektieren, ob das Finanzierungsleasing „dem Wesen der Sache nach“ wirklich ein Finanzierungsinstrument darstellt, oder ob es eher als Investitionsmaßnahme oder gar als eine Aktivität sui generis anzusehen ist. Für das Finanzmanagement eines Unternehmens oder auch den Privatmann stellt das Finanzierungsleasing häufig eine Alternative zum unmittelbaren Kauf eines entsprechenden Objektes und seiner Finanzierung aus frei verfügbaren Mitteln oder durch die Aufnahme eines Kredits dar. Dabei unterscheiden sich Leasing- und Kaufalternativen zumindest für die Grundmietzeit praktisch nicht hinsichtlich der Nutzbarkeit des Objektes und der daraus resultierenden Erträge, sondern in erster Linie in den dafür aufzubringenden Zahlungsströmen, also den Leasingraten bzw. den Zins- und Tilgungsleistungen. Insofern erscheint es sinnvoll, das Finanzierungsleasing im Kontext mit Fremdfinanzierungsleistungen zu behandeln. Dabei wollen wir uns im Sinne einer exemplarischen Verdeutlichung auf die Darstellung der typischen Gegebenheiten beim Leasing von Fahrzeugen, Maschinen und ähnlichen beweglichen Gegenständen beschränken. Beim Immobilienleasing gelten strukturell ähnliche, im Detail jedoch abweichende Regelungen. Beim Finanzierungsleasing von Mobilen haben sich im Laufe der Zeit zwei Vertragstypen herausgebildet, die als Voll- und Teilamortisationsverträge bezeichnet werden. Vollamortisationsverträge sind dadurch gekennzeichnet, dass die während der Grundmietzeit fest vereinbarten Leasingraten zu einer vollen Amortisation des Leasingobjektes führen, also sowohl dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als auch die laufenden Zins- und Verwaltungskosten des Leasinggebers abdecken. Bei Teilamortisationsverträgen decken die während der Grundmietzeit anfallenden Leasingraten demgegenüber die genannten Kosten nicht voll ab. Eine vollständige Amortisation wird allerdings ebenfalls erreicht, und zwar durch zusätzliche Vereinbarungen über die weitere Verwendung des Leasingobjektes nach Ablauf der Grundmietzeit und etwaige Abschlusszahlungen des Leasingnehmers. Insofern ist die Bezeichnung Teilamortisationsverträge eigentlich nicht ganz zutreffend. Für die Beurteilung von Leasingangeboten ist – neben der Höhe der vorgesehenen Leasingraten – bedeutsam, welche Regelungen für die Zeit nach Ablauf der Grundmietzeit vorgesehen sind. Grundsätzlich sind in diesem Punkt beliebige Vereinbarungen denkbar. Die überwie-

2.4 Leasing

99

gende Mehrzahl der in der Praxis tatsächlich anzutreffenden Vereinbarungen folgt allerdings einem der sechs durch die Leasingerlasse16 von 1971 und 1975 geprägten Modelle. Diese Erlasse beziehen sich auf die Frage, welche Vertragspartei bei Verträgen des Mobilienleasing für steuerliche Zwecke als wirtschaftlicher Eigentümer des Leasingobjektes anzusehen ist. Die Antwort auf diese Frage ist generell an Hand sämtlicher Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls zu geben. Durch die Erlasse sind jedoch einige besonders prägnante Ausgestaltungsformen von Leasingverträgen präzisiert worden, bei deren Vorliegen das Leasingobjekt – wie bei der „normalen“ Miete – steuerlich dem Leasinggeber zugerechnet wird. Die wesentliche Stoßrichtung der Erlasse besteht dabei darin, Kriterien dafür festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der Leasinggeber „gerade noch hinlänglich“ vom wirtschaftlichen Schicksal des Leasingobjektes betroffen ist, obwohl ein Großteil der mit dem Objekt verbundenen Chancen und Risiken – im Gegensatz zu einem traditionellen Mietverhältnis – vom Leasingnehmer getragen werden. Die Erlasse definieren dementsprechend am Beispiel von sechs verschiedenen, seinerzeit in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Vertragstypen jeweils quantitativ fassbare Kriterien für eine „gerade noch hinlängliche Betroffenheit“ des Leasinggebers. Um gelegentlich auftretenden Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass die Leasingerlasse andere Vertragsgestaltungen in keiner Weise ausschließen. Die steuerliche Behandlung solcher „nicht erlasskonformen“ Verträge ist dann auf der Grundlage allgemeiner steuerlicher Beurteilungskriterien und im Vergleich mit den in den Erlassen explizit präzisierten Vertragsformen nach den konkreten Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Angesichts der in diesen Fällen möglicherweise bestehenden Rechtsunsicherheit verwundert es allerdings nicht, dass die standardmäßig angebotenen Leasingverträge in den allermeisten Fällen „erlasskonform“ ausgestaltet sind und somit keine Zweifel über die steuerliche Behandlung bestehen. Nichtsdestoweniger findet man in der Praxis neben der überwiegenden Mehrzahl (zumindest annähernd) erlasskonformer Verträge auch immer wieder Vertragsmodelle mit zum Teil deutlich abweichenden Vereinbarungen, die mitunter sogar ganz bewusst darauf abzielen, eine andere steuerliche Zurechnung zu erreichen, als das bei den standardmäßig angebotenen Leasingverträgen üblich ist. Den Vorgaben der Leasingerlasse entsprechend findet man bei Vollamortisationsverträgen für das Ende der Grundmietzeit die drei Varianten, dass – das Objekt an den Leasinggeber zurückgegeben und von diesem beliebig verwendet werden kann, – der Leasingnehmer das Objekt zu einem zuvor festgelegten Preis kaufen kann, aber nicht muss (Kaufoption) oder – der Leasingnehmer das Objekt zu einer ebenfalls zuvor schon festgelegten (niedrigeren) Anschlussmiete weiter mieten kann, aber nicht muss (Mietverlängerungsoption) Die „hinlängliche Betroffenheit“ sieht der Erlassgeber dabei dann noch als gegeben an, wenn – das Objekt am Ende der Grundmietzeit eine planmäßige Restlebensdauer hat, die mindestens 10% seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ausmacht und

16

Vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen: Ertragsteuerliche Behandlung von Leasing-Verträgen über bewegliche Wirtschaftsgüter vom 19.4.1971, IV B/2 – S. 2170–31/71; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 22.12.1975: Steuerrechtliche Zurechnung des Leasing-Gegenstandes beim Leasinggeber, IV B/2 – S. 2170–161/75.

100

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen



bei den Verträgen mit Option der zuvor festgelegte Kaufpreis bzw. die Anschlussmiete eine solche Höhe aufweisen, dass die Entscheidung des Leasingnehmers, die Option auszuüben, nicht schon so gut wie sicher „vorprogrammiert“ ist, sondern es eines „echten“, von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls abhängigen Entscheidungskalküls bedarf. Dementsprechend darf die Grundmietzeit erlasskonformer Leasingverträge generell nicht 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer übersteigen; zudem werden in Abhängigkeit von Anschaffungskosten und Abschreibungsdauer des Objektes Untergrenzen für Kaufpreis bzw. Anschlussmiete definiert. Bei Teilamortisationsverträgen findet man demgegenüber die folgenden drei Varianten:



Bei Verträgen mit Andienungsrecht hat der Leasinggeber das Wahlrecht, das Leasingobjekt nach eigenem Gutdünken zu verwenden oder es dem Leasingnehmer zu einem bereits bei Vertragsabschluss festgelegten Preis zu verkaufen. • Verträge mit Aufteilung des Mehrerlöses sehen demgegenüber zwingend die Veräußerung des Leasingobjektes (durch den Leasinggeber) vor. An einem gegenüber dem vertraglich fixierten kalkulatorischen Restwert möglicherweise eintretenden Mehrerlös wird der Leasingnehmer zu einem bestimmten Prozentsatz – i.d.R. 75% – beteiligt; ein etwaiger Mindererlös hingegen ist durch den Leasingnehmer zu 100% auszugleichen. • Sogenannte kündbare Leasingverträge schließlich werden auf unbestimmte Zeit geschlossen und können nach Ablauf der Grundmietzeit, allerdings nicht früher, vom Leasingnehmer jederzeit gekündigt werden. Dabei ist eine Abschlusszahlung in Höhe der durch die bis dahin erfolgten Leasingraten noch nicht gedeckten Gesamtkosten zu leisten. Allerdings sind 90% des von der Leasinggesellschaft möglicherweise erzielten Veräußerungserlöses auf die Restzahlung anzurechnen. Durch eine entsprechende Festlegung von Andienungspreis, Restwert oder Abschlusszahlung wird somit auch bei Teilamortisationsverträgen letztendlich eine Vollamortisation erreicht. Dabei sieht der Erlassgeber eine „hinlängliche“ Restbetroffenheit des Leasinggebers bei diesen drei Vertragstypen zum einen durch die schon von den Vollamortisationsverträgen bekannte Begrenzung der Grundmietzeit auf 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer sowie durch folgende weitere Elemente als gegeben an:



Bei Verträgen mit Mehrerlösaufteilung darf der Anteil des Leasinggebers am Mehrerlös 25% nicht unterschreiten. • Bei kündbaren Leasingverträgen dürfen maximal 90% des Veräußerungserlöses zu Gunsten des Leasingnehmers auf die von ihm zu leistende Abschlusszahlung angerechnet werden. Die folgende Abbildung verdeutlicht noch einmal zusammenfassend die sechs grundlegenden Erscheinungsformen von (erlasskonformen) Leasingverträgen.

2.4 Leasing

GMZ: LG: Abb. 2.04:

101

Grundmietzeit; Leasinggeber;

BGN: LN:

Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer; Leasingnehmer

Grundlegende Vertragsformen des Finanzierungsleasing und Anforderungen der Leasingerlasse

Der Vollständigkeit halber ist zum Abschluss dieses einleitenden Abschnitts noch das Verfahren des Sale-and-Lease-Back zu erwähnen. Davon spricht man, wenn der Eigentümer eines zumeist langlebigen Investitionsgutes, z.B. eines Bürogebäudes, dieses an eine Leasinggesellschaft verkauft und gleichzeitig darüber einen Leasingvertrag (zumeist mit Kaufoption am Ende der Grundmietzeit) abschließt, so dass er den verkauften Gegenstand wie zuvor selbst betrieblich nutzen kann. Auf der Seite des Verkäufers und Leasingnehmers kann für ein solches Vorgehen neben dem hier besonders klar erkennbaren Finanzierungseffekt die Absicht maßgeblich sein, das Jahresergebnis durch den ertragswirksamen Ausweis der realisierten „stillen Reserven“, d.h. der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Restbuchwert, positiv zu beeinflussen.

2.4.2

Steuerliche und bilanzielle Behandlung von Leasingverträgen

Leasingobjekte verbleiben juristisch gesehen im ausschließlichen Eigentum des Leasinggebers; die Möglichkeiten ihrer Nutzung und auch die typischen Eigentümerrisiken werden hingegen für einen erheblichen Zeitraum auf den Leasingnehmer übertragen. Unter steuerlichen Gesichtspunkten stellt sich daher die Frage, wem die Leasinggegenstände zuzurechnen sind. Je nach der Antwort auf diese Frage ergeben sich folgende Konsequenzen: Zurechnung zum Leasinggeber Wird der Leasinggegenstand steuerlich dem Leasinggeber zugerechnet, so hat das für ihn folgende Konsequenzen:

102

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen



Der Gegenstand zählt zu seinem Vermögen und erhöht damit die Bemessungsgrundlage von Substanzsteuern. • Der Leasinggeber schreibt den Gegenstand ab, was die Bemessungsgrundlage von Ertragsteuern mindert. • Die vereinnahmten Leasingraten gelten dementsprechend in voller Höhe als Ertrag und erhöhen die Bemessungsgrundlagen der Ertragsteuern. Beim Leasingnehmer hat eine steuerliche Zurechnung des Leasinggegenstandes zum Leasinggeber folgende Konsequenzen:



Die Bemessungsgrundlage von Substanzsteuern bleibt unberührt, da der Leasinggegenstand steuerlich ja dem Leasinggeber gehört. • Die verausgabten Leasingraten mindern hingegen als Aufwand die Bemessungsgrundlagen von Ertragsteuern, je nach Stand des Steuerrechts möglicherweise allerdings nicht in vollem Umfang. Diese Konsequenz ergibt sich zumindest für Unternehmen und Selbständige, während private Haushalte Leasingraten in aller Regel steuerlich nicht als Aufwand geltend machen können. Es ist jedoch zu beachten, dass seit 1997 die Vermögenssteuer abgeschafft ist und die Gewerbekapitalsteuer nicht mehr erhoben wird, so dass z.Zt. faktisch – sieht man von der Grundsteuer ab – keine Substanzsteuern zu berücksichtigen sind. Dennoch wird die Argumentation im Folgenden – auch wegen der Unwägbarkeit steuerlicher Änderungen – auch ein Augenmerk auf die substanzsteuerlichen Auswirkungen von Leasingverträgen richten. Zurechnung zum Leasingnehmer In diesem Fall wird der Leasingvertrag steuerlich ähnlich wie ein Abzahlungskauf behandelt. Dementsprechend werden die Leasingraten fiktiv jeweils in einen Tilgungs- und einen Kostenanteil aufgeteilt. Beim Leasinggeber wird dann nur der Kostenanteil erfolgswirksam mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage der Ertragsteuern erfasst. Der gewerbliche Leasingnehmer hingegen verrechnet diesen Zinsanteil sowie die auf das Objekt vorzunehmenden Abschreibungen als Aufwand, wodurch sich seine Bemessungsgrundlage der Ertragsteuern mindert. Auf der anderen Seite wird der Leasinggegenstand als positiver Bestandteil und die Tilgungsverpflichtung gegenüber dem Leasinggeber als negativer Bestandteil seinem Vermögen zugerechnet. Verwerfungen zwischen dem Wert des Leasinggegenstandes und der Höhe der Tilgungsverpflichtung schlagen sich dann in der Bemessungsgrundlage der – zurzeit in Deutschland nicht erhobenen – Substanzsteuern nieder. Welche der beiden Zurechnungsmöglichkeiten maßgeblich ist, richtet sich grundsätzlich nach den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls, für deren Beurteilung die bereits im Abschnitt 2.4.1 vorgestellten Leasingerlasse maßgeblich sind. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass diese Erlasse die Möglichkeit, Leasingverträge praktisch beliebig auszugestalten, überhaupt nicht einschränken. Es ist also keineswegs verboten, etwa die Grundmietzeit auf 30% oder 100% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer festzulegen oder bei Teilamortisationsverträgen mit Mehrerlösbeteiligung den Anteil des Leasinggebers auf weniger als 25% festzulegen. Die Erlasse verdeutlichen lediglich an Hand der in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Vertragstypen, unter welchen Voraussetzungen der Leasinggegenstand steuerlich dem Leasinggeber zuzurechnen ist. Dabei ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung auch bei anderen, in den Erlassen gar nicht angesprochenen Vertragskonstruktionen das Leasingobjekt ebenfalls dem Leasinggeber zurechnen würde.

2.4 Leasing

103

Im Interesse der eigenen steuerrechtlichen Sicherheit orientieren sich die Anbieter von Leasingleistungen allerdings in aller Regel an den Vorgaben der Erlasse und gestalten ihre Verträge standardmäßig „erlasskonform“ aus. Mithin kann in der Praxis zumeist davon ausgegangen werden, dass die steuerliche Zurechnung des Leasingobjektes zum Leasinggeber erfolgt, der Leasingnehmer mithin die Leasingraten in voller Höhe steuermindernd absetzen kann. Von der steuerlichen Zurechnung grundsätzlich zu trennen ist die Frage, wie die Unternehmen Objekte, die Gegenstand von Leasingverträgen sind, und die mit diesen Verträgen verknüpften Zahlungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss zu erfassen haben. Im HGB finden sich dazu keine expliziten Vorgaben. In der praktischen Handhabung orientiert man sich allerdings ganz überwiegend an der steuerlichen Behandlung. Mithin werden die Leasingobjekte in aller Regel beim Leasinggeber aktiviert und bei ihm abgeschrieben, während die Leasingraten voll ertragswirksam erfasst werden. Die Bilanz des Leasingnehmers bleibt hingegen unberührt, während die Leasingraten in seiner Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand erfasst werden. Im Zuge der sogenannten Internationalisierung der Rechnungslegungsvorschriften zeichnet sich allerdings die Möglichkeit ab, dass es zukünftig verstärkt dazu kommt, dass – die Leasinggegenstände bzw. die darauf bezogenen Nutzungsrechte beim Leasingnehmer aktiviert und – die aus dem Leasingvertrag resultierenden Zahlungsverpflichtungen bei den Verbindlichkeiten ausgewiesen werden.

2.4.3

Kriterien zur Beurteilung von Leasingangeboten

2.4.3.1 Problemstellung Leasing stellt häufig eine unter mehreren Finanzierungsalternativen dar. Es stellt sich daher die Frage, an Hand welcher Kriterien ein entsprechender Vergleich sinnvollerweise vorgenommen werden sollte. Diese Frage stellt sich umso mehr, als in der Leasingwerbung aber auch in anderen Darstellungen oftmals zahlreiche tatsächliche oder auch nur vermeintliche Vorteile des Leasing gegenüber anderen Finanzierungsmöglichkeiten sehr plakativ und suggestiv herausgestellt werden und der Adressat dieser Aussagen oftmals gar nicht in der Lage ist, die vorgetragenen Argumente sachgerecht zu würdigen. Um beispielhaft zu verdeutlichen, wie man bei einer hier erforderlichen Vorteilhaftigkeitsanalyse grundsätzlich vorgehen könnte, wollen wir uns auf folgenden Vergleich beschränken: Ein fest vorgegebener Investitionsgegenstand kann entweder im Wege des Leasing beschafft oder käuflich erworben und durch Beanspruchung vorhandener Kreditlinien sowie Aufnahme weiterer Darlehen finanziert werden, wobei das gekaufte Objekt im Wege der Sicherungsübereignung oder der grundpfandrechtlichen Belastung als Kreditsicherheit fungiert. Bei dem damit angesprochenen Vergleich „Leasing versus Kreditkauf“ ist es zweckmäßig, in zwei Schritten vorzugehen und – in einem ersten Schritt diejenigen Konsequenzen der beiden Finanzierungsalternativen gegenüberzustellen, die sich eindeutig in monetären Größen quantifizieren lassen (s. Abschnitt 2.4.3.2), und

104 –

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen in einem zweiten Schritt sonstige Effekte zu vergleichen, die sich nicht unmittelbar quantifizieren lassen, nichtsdestoweniger aber entscheidungsrelevant sein können (s. Abschnitt 2.4.3.3).

2.4.3.2 Quantitative Analyse Zur beispielhaften Verdeutlichung betrachten wir die Anschaffung einer maschinellen Anlage mit einem Anschaffungspreis von 2 Mio. Euro.17 Für die Maschine soll eine Nutzungsdauer von 5 Jahren und eine lineare Abschreibung über diese Nutzungsdauer unterstellt werden. Zu dieser Maschine mögen folgende – einem realen Fall nachgebildete, aber vereinfacht dargestellte – Finanzierungsangebote einer Bank und einer Leasinggesellschaft vorliegen:



Kredit über 2 Mio. Euro, Laufzeit 4 Jahre, zu verzinsen und zu tilgen in 3 gleichbleibenden nachschüssigen Jahresraten von 600.000 Euro und einer Abschlusszahlung am Ende des 4. Jahres von 617.311 Euro, was einer Verzinsung von 8% auf die jeweilige Restschuld zu Jahresbeginn entspricht. • Leasing mit einer Grundmietzeit von 3 Jahren; die jährlich nachschüssig fällige Leasingrate beträgt 564.000 Euro; am Ende der Grundmietzeit, also am Ende des dritten Jahres, wird die Maschine auf Grund des vorgesehenen Andienungsrechtes für 800.000 Euro an den Leasingnehmer veräußert. Der Einfachheit halber wird unterstellt, dass die mit dem Betrieb der Maschine verbundenen Aufwendungen für Versicherungen, Kostensteuern, Pflege etc. in beiden Fällen genau übereinstimmen und die Anlage am Ende des vierten Jahres verkauft wird, wobei der Resterlös unabhängig von der zuvor gewählten Finanzierungsform ist. Die quantitative Analyse kann sich in diesem Fall auf den Vergleich der unmittelbar aus den Verträgen resultierenden Zahlungsströme sowie der daraus folgenden steuerlichen Effekte beschränken. Ohne die Berücksichtigung steuerlicher Aspekte lassen sich die beiden Alternativen aus Sicht des Leasingnehmers zunächst durch folgende Zahlungsreihen verdeutlichen: Tab. 2.05:

Zahlungsreihe von Leasing und Kreditkauf ohne Steuern

Zahlungsreihen

Kreditkauf

Leasing

1. Jahr 2. Jahr

− 1) – 600.000 Euro – 600.000 Euro

− – 564.000 Euro – 564.000 Euro

3. Jahr

– 600.000 Euro

– 1.364.000 Euro3)

Startzeitpunkt

Euro2)

– 617.311 − 2) 1) Die Zahlung des Kaufpreises von 2 Mio. Euro wird durch die Aufnahme des Kredits gerade ausgeglichen. 2) Der Erlös aus dem Verkauf der Anlage am Ende des vierten Jahres fällt bei beiden Varianten in gleicher Höhe an und kann daher unberücksichtigt bleiben. 3) Neben der Leasingrate ist der Restkaufpreis von 800.000 Euro fällig. 4. Jahr

17

Beiden Finanzierungsvarianten ist der gleiche Wert für die Anschaffungskosten zugrunde gelegt worden. Ist dies nicht der Fall (weil z.B. bei Kauf ein zusätzlicher Rabatt ausgehandelt werden kann oder, umgekehrt, die Leasinggesellschaft günstigere Einkaufsbedingungen durchsetzen kann), so schlägt sich das in entsprechend modifizierten Zahlungsreihen nieder.

2.4 Leasing

105

Da Leasing einerseits und Kreditkauf andererseits in aller Regel mit unterschiedlichen steuerlichen Konsequenzen verbunden ist, stellen die in der Tabelle dargestellten Zahlungsreihen vor Steuern allein allerdings noch keine sinnvolle Beurteilungsbasis dar. Vielmehr sind zusätzlich die steuerlichen Auswirkungen der beiden Finanzierungsvarianten in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dazu gehen wir von folgenden vereinfachenden Annahmen über die steuerlichen Gegebenheiten aus: Es werden zwei Arten von Ertragsteuern berücksichtigt. Als Bemessungsgrundlage der Ertragsteuer I wird der Saldo aller Aufwendungen und Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres und als Steuersatz werden 15% unterstellt. Als Bemessungsgrundlage der Ertragsteuer II wird ebenfalls der Saldo aller Aufwendungen und Erträge unterstellt. Allerdings sollen Zinsaufwendungen in die Berechnung dieser Bemessungsgrundlage nur zu 75% und Leasingraten zu 95% eingehen. Für Ertragsteuer II wird ebenfalls ein Steuersatz von 15% unterstellt. Ertragsteuerzahlungen der jeweils anderen Kategorie bleiben in den Bemessungsgrundlagen beider Steuern unberücksichtigt. Die Zahlung beider Steuern wird am Ende eines Geschäftsjahres fällig. Die Ertragsteuer I könnte damit in etwa als die in der Realität anzutreffende Einkommenbzw. Körperschaftsteuer interpretiert werden und Ertragsteuer II in etwa als Gewerbeertragsteuer. Mit den hier unterstellten ertragsteuerlichen Annahmen wird von einer Vielzahl real existierender Detailregelungen abstrahiert. Z.B. wird abstrahiert von Freibetragsregelungen, Unterschieden zwischen Thesaurierungs- und Ausschüttungsbelastung, Unterschieden zwischen gewerblichen und sonstigen Einkünften, regionalen Unterschieden in der Höhe des Steuersatzes, Steuervorauszahlungen und Abschlusszahlungen etc. Da diese Detailregelungen je nach konkretem Einzelfall oft nur in unterschiedlichem Maße relevant sind und zudem einem stetigen Wandel unterliegen, erscheint es allerdings zur Vermittlung des grundsätzlichen Rechenkonzeptes sinnvoll, von ihnen zu abstrahieren. Aus den Vorgaben ergeben sich für die beiden Finanzierungsalternativen dann die in den folgenden Tabellen dargestellten steuerlichen Konsequenzen. Mit einem – (+) versehene Zahlen bezeichnen dabei steuerliche Mehrbelastungen (Einsparungen). In der Darstellung bleiben steuerliche Wirkungen von Abschreibungen im vierten Jahr und des Resterlöses unberücksichtigt, da diese bei Leasing und Kaufvariante in gleicher Höhe anfallen.

106

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Tab. 2.06:

Steuerliche Konsequenzen von Kreditkauf und Leasing

Restschuld Zinsen Abschreibung1) Ertragsteuer I – Minderung der Bemessungsgrundlage2) – Steuereinsparung Ertragsteuer II – Minderung der Bemessungsgrundlage3) – Steuereinsparung Summe der Steuereinsparung Leasingrate Ertragsteuer I – Minderung der Bemessungsgrundlage – Steuereinsparung Ertragsteuer II – Minderung der Bemessungsgrundlage4) – Steuereinsparung Summe der Steuereinsparung

Kreditkauf 1. Jahr 2. Jahr 2.000.000 1.560.000 160.000 124.800 400.000 400.000

3. Jahr 1.084.800 86.784 400.000

4. Jahr 571.584 45.727 –

– 560.000 + 84.000

– 524800 + 78.720

– 486.784 + 73.018

– 45.727 + 6.859

– 520.000 – 493.600 + 78.000 + 74.040 + 162.000 + 152.760 Leasing 564.000 564.000

– 465.088 + 69.763 + 142.781

– 34.295 + 5.144 + 12.003

564.000



– 564.000 + 84.600

– 564.000 + 84.600

– 564.000 + 84.600

– –

– 535.800 + 80.370 + 164.970

– 535.800 + 80.370 + 164.970

– 535.800 + 80.370 + 164.970

– – –

1) Die Abschreibung im vierten Jahr bleibt unberücksichtigt, da dann nach der Konstruktion des Beispiels bei der Leasingvariante eine Abschreibung in gleicher Höhe anfällt. 2) Die Bemessungsgrundlage vermindert sich um die Summe aus Zinsen und Abschreibungen. 3) Die Bemessungsgrundlage vermindert sich um die Summe aus 75% der Zinsen und den vollen Abschreibungen. 4) Die Bemessungsgrundlage vermindert sich um 95% der Leasingraten.

Fasst man die unmittelbaren Zahlungseffekte und die Steuereffekte beider Finanzierungsvarianten jeweils zusammen, so ergeben sich die in folgender Tabelle dargestellten Zahlungsreihen nach Steuern. Tab. 2.07:

Steuerliche Konsequenzen von Kreditkauf und Leasing

Zahlung vor Steuern + Steuereinsparung = Zahlung nach Steuern

1. Jahr – 600.000 + 162.000 – 438.000

Zahlung vor Steuern

1. Jahr – 564.000

Kreditkauf 2. Jahr – 600.000 + 152.760 – 447.240 Leasing 2. Jahr – 564.000

+

Steuereinsparung

+ 164.970

+ 164.970

+ 164.970

=

Zahlung nach Steuern

– 399.030

– 399.030

– 1.199.030

3. Jahr – 600.000 + 142.781 – 457.219 3. Jahr – 1.364.000

4. Jahr – 617.311 + 12.003 – 605.308 4. Jahr − − –

2.4 Leasing

107

Per Saldo ist die Leasingvariante also im ersten, zweiten und vierten Jahr mit niedrigeren Auszahlungen verbunden, bringt allerdings zum Ende der Grundmietzeit im dritten Jahr eine erheblich höhere Zahlungsbelastung. Eine eindeutige Aussage über die Vorteilhaftigkeit der einen oder der anderen Variante, ist wie ganz allgemein, so auch in diesem Fall also wiederum erst auf der Basis weiterer finanzmathematischer Operationen möglich. Im praktischen Anwendungsfall empfiehlt es sich dabei allerdings, zusätzlich die aus den unterjährlichen Zahlungen resultierenden Zinseffekte und die damit weiterhin verbundenen steuerlichen Auswirkungen zu erfassen. In unserem Beispiel zeigt eine nähere finanzmathematische Analyse, dass bei den vorliegenden Daten die Kreditkaufvariante sowohl für einen Privatmann, der keinerlei steuerliche Effekte zu beachten hat, als auch für ein Unternehmen, das die dargestellten Steuerwirkungen zusätzlich ins Kalkül ziehen muss, die günstigere Alternative darstellt. Dieses Ergebnis kann natürlich nicht verallgemeinert werden. Immerhin reicht dieses Beispiel jedoch aus, um die in der Leasingwerbung gelegentlich suggerierte Vorstellung zu widerlegen, bei Einbeziehung aller steuerlichen Effekte sei das Leasing quasi zwangsläufig die günstigere Finanzierungsform. Übungsaufgabe 2.16: Die ALPHA-GmbH will eine Maschine beschaffen, die Anschaffungskosten betragen 100.000 Euro; die Abschreibungsdauer (bei linearer Abschreibung) beträgt 5 Jahre. Der ALPHA-GmbH liegen die beiden folgenden Finanzierungsangebote vor: • Kredit über 100.000 Euro; Laufzeit 4 Jahre; Tilgung in 4 gleichen Raten jeweils zum Jahresende; Zinsen 10% pro Jahr auf die zu Jahresbeginn vorhandene Restschuld, zahlbar am Jahresende. • Leasing für 4 Jahre; jährlich am Jahresende fällige Leasingrate 30.000 Euro. Stellen Sie die zahlungsmäßigen Konsequenzen für die ALPHA-GmbH tabellarisch dar, die mit diesen beiden Finanzierungsvarianten verbunden sind, sowohl mit als auch ohne Berücksichtigung von Steuern. Gehen Sie von den im Text angegebenen Steuersätzen und Prämissen aus und unterstellen Sie dabei, dass die Maschine im Falle des Kaufes zum Ende des 4. Jahres für genau 10.000 Euro verkauft werden kann!

2.4.3.3 Qualitative Analyse Auf Grund der Verschiedenartigkeit der rechtlichen Rahmendaten, die für Leasing und Kreditkauf maßgeblich sind, sowie der Geschäftspolitik von Leasingunternehmen und Kreditinstituten bedarf ein fundierter Vergleich der beiden Finanzierungsinstrumente über die Betrachtung der unmittelbar quantifizierbaren monetären Konsequenzen hinaus der Analyse weiterer, sog. qualitativer Aspekte. Es ist im Rahmen dieses Buches unmöglich, die Vielzahl möglicherweise auftretender Effekte dieser Art umfassend zu behandeln. Wir wollen uns daher auf die folgenden vier Aspekte beschränken, denen in den meisten praktischen Anwendungsfällen das größte Gewicht zukommen dürfte.

108

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

(1) Restnutzung bei unterschiedlicher Nutzungsdauer Das Beispiel im vorigen Abschnitt war so konstruiert, dass das Investitionsobjekt bei beiden Finanzierungsvarianten gleich lange betrieblich genutzt und schließlich von dem Unternehmen veräußert wird. In der Realität muss dies allerdings keineswegs der Fall sein. Je nach der Ausgestaltung des Leasingvertrages kann vielmehr auch die Situation auftreten, dass das Objekt dem Unternehmen nach Ablauf der Grundmietzeit definitiv nicht mehr zur Verfügung steht, während es im Falle des Kreditkaufs selbstverständlich weiter genutzt werden kann. In diesem Fall muss der Nutzen, den das Unternehmen noch aus dem Objekt ziehen könnte, zusätzlich zu Lasten der Leasingvariante in das Kalkül einbezogen werden. Die einfachste Möglichkeit dazu ist dann gegeben, wenn angenommen werden kann, dass das Unternehmen das Objekt auch im Fall des Kaufs im gleichen Zeitpunkt wie beim Leasing verkaufen würde. In einem quantitativen Vergleich der im vorigen Abschnitt beschriebenen Art wäre der geschätzte Veräußerungserlös dann der Kaufvariante zusätzlich „gutzuschreiben“. Ist hingegen anzunehmen, dass das Objekt im Fall des Kaufs – im Gegensatz zum Leasing – noch für eine gewisse Zeit genutzt würde, so müsste versucht werden, die daraus resultierenden Nettovorteile abzuschätzen und zu Gunsten der Kaufvariante zu berücksichtigen. Wäre hingegen davon auszugehen, dass der Leasinggegenstand bei Vertragsende sofort im Wege des Leasing oder des Kaufs durch einen neuen ersetzt würde, so müssten die daraus resultierenden Finanzierungskosten ebenso wie im Vergleich zu dem alten Objekt eventuell eintretende Einsparungen sonstiger Kosten oder Mehrerträge abgeschätzt und zu Lasten bzw. zu Gunsten der Leasingvariante erfasst werden. Es bedarf keiner Erläuterung, dass es sich dabei um Schätz- und Prognoseprobleme handelt, für die in der praktischen Anwendung oftmals kaum eine eindeutige Lösung gefunden werden kann. Dies rechtfertigt es jedoch keineswegs, derartige Aspekte einfach zu vernachlässigen, wie das in einschlägigen Darstellungen aus der Leasingbranche nicht selten geschieht. Gelegentlich wird sogar versucht, aus der Not eine Tugend zu machen und behauptet, Leasing erleichtere die Erneuerung des Anlagenparks und die Anpassung an den technischen Fortschritt. Wenn die Finanzierungsform überhaupt einen Einfluss auf die genannten Phänomene hat, dürfte eher das Gegenteil richtig sein. Denn, wie wir unten noch näher sehen werden, erlaubt der kreditfinanzierte Kauf in aller Regel jederzeit – und nicht nur gerade bei Ende der Grundmietzeit – flexiblere Möglichkeiten zur Anpassung an sich ändernde Gegebenheiten. Und selbst wenn die im Vergleich zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer kürzere Grundmietzeit gerade die im Hinblick auf die Anpassung an den technischen Fortschritt optimale Nutzungsdauer wäre, so ist der Investor ja in keiner Weise daran gehindert, dies auch im Wege des Kreditkaufs entsprechend zu handhaben.18 Und auch die in diesem Zusammenhang suggerierte Vorstellung, die Leasinggesellschaften wüssten eigentlich besser als die investierenden Unternehmen, in welchem Rhythmus Anlagen erneuert werden sollten, überzeugt nicht.

18

Dies schließt nicht aus, dass das Unternehmen selbst u.U. nur einen niedrigeren Erlös für das gebrauchte Investitionsobjekt erzielen kann als die Leasinggesellschaft. Ein solcher Verwertungsvorsprung der Leasinggesellschaft ist für den Leasingnehmer jedoch nur dann von Bedeutung, wenn er davon in irgendeiner Weise profitiert. Je nach Vertragsgestaltung kann das etwa in Form entsprechend niedriger Leasingraten oder durch Teilhabe am Liquidationserlös der Fall sein. Genau diese Komponenten sind jedoch Gegenstand der quantitativen Analyse, so dass es insoweit nicht nur überflüssig, sondern sogar falsch wäre, diesen Aspekt zusätzlich noch einmal als „qualitatives“ Argument zu werten.

2.4 Leasing

109

(2) Unterschiede in der Finanzierungswirkung Im Einzelfall ist es möglich, dass die Leasinggesellschaft bereit ist, das Objekt zu 100% zu finanzieren, während ein Kreditinstitut nur bereit ist, auf das Objekt einen geringeren Kredit zu gewähren. Um den Kauf dennoch durchzuführen, muss der Investor mithin den Fehlbetrag entweder aus frei verfügbaren Mitteln und ungenutzten Kreditlinien aufbringen oder gegen Stellung weiterer Sicherheiten einen zusätzlichen Kredit aufnehmen. In allen Fällen wird der dem Investor noch verbleibende Finanzierungsspielraum bei der Entscheidung für das Leasing also weniger stark eingeschränkt als beim Kauf. Wenn damit zu rechnen ist, dass der Finanzierungsspielraum des Investors in den kommenden Jahren effektiv an seine Grenzen stößt oder bei der Entscheidung für den Kauf zumindest auf teurere Finanzierungsformen übergegangen werden muss, so kann die größere Finanzierungswirkung des Leasing somit zweifellos einen in Rechnung zu stellenden Vorteil darstellen.19 Entgegen einem in der Leasingwerbung verbreiteten Slogan ist es allerdings keineswegs zwingend, dass nur Leasing eine 100%-ige Objektfinanzierung erlaubt. Diese Aussage ist in zweifacher Hinsicht zu modifizieren:



Zum einen geben sich auch Leasinggesellschaften keineswegs blindlings mit der Sicherung ihrer Ansprüche an den Leasingnehmer durch das Objekt allein zufrieden. Je nach Einschätzung der Bonität des Kunden werden u.U. ebenfalls zusätzliche Sicherheiten oder bei Vertragsabschluss fällige Vorauszahlungen verlangt. • Zum anderen sind auch Kreditinstitute im Einzelfall je nach Bonität des Kunden und der Art des Investitionsobjektes bereit, die Anschaffung zu 100% mit einem Kredit zu finanzieren. Es kommt also letztlich immer auf die Gegebenheiten des Einzelfalles an, wobei zusätzlich zu beachten ist, dass von verschiedenen Leasinggesellschaften ebenso wie von verschiedenen Banken unter Umständen unterschiedliche Angebote erwartet werden können. Allgemeingültige Aussagen nach Art des oben genannten Slogans sind nicht möglich. Allerdings könnten folgende drei Gründe dafür sprechen, dass Leasinggesellschaften tendenziell eher zu einer 100%-igen Objektfinanzierung bereit sind als Banken:







19

Zum ersten kann eine Leasinggesellschaft im möglichen Insolvenzfall des Leasingnehmers auf Grund des ihr zustehenden Aussonderungsrechtes die Realisierung der eigenen Ansprüche schneller betreiben und über einen etwaigen Verwertungserlös freier verfügen als ein Kreditgeber, dem als Sicherungseigentümer oder Grundpfandrechtsgläubiger nur ein Absonderungsrecht zusteht. Zum zweiten verfügen Leasinggesellschaften auf Grund ihrer eigenen Tätigkeit, z.B. auf dem Gebrauchtmaschinen- oder Immobilienmarkt, oder ihrer Anbindung an eine entsprechende Handelsorganisation oftmals über ein höheres Verwertungs-Know-How als Kreditinstitute, für die die Verwertung etwa einer gebrauchten Maschine nicht zum üblichen Tagesgeschäft gehört. Zum dritten kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Leasinggesellschaften insgesamt – zumindest in der Vergangenheit – bereit waren, höhere Risiken zu übernehmen als die Banken. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre hat dies allerdings etliche auch sehr

Bei einer, im Abschnitt 2.4.3.2 mehrfach angedeuteten, aber nicht weiter durchgeführten, finanzmathematischen Analyse der Zahlungsströme kann der Umstand unterschiedlicher Finanzierungskosten allerdings in gewissem Umfang berücksichtigt werden, stellt insoweit also keinen zusätzlichen „qualitativen“ Aspekt dar.

110

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen namhafte Leasinggesellschaften in ganz erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Seitdem ist in der Leasingbranche tendenziell ein gewisser Rückgang der Risikobereitschaft zu erkennen.

(3) Bilanzwirksamkeit von Leasingverträgen Wie oben bereits dargestellt wurde, werden Leasinggegenstände in aller Regel vom Leasingnehmer ebenso wenig bilanziert wie die aus dem Leasingvertrag resultierenden Verpflichtungen. Im Vergleich zum Kreditkauf werden also das Anlagevermögen, die Verbindlichkeiten und dementsprechend auch die Bilanzsumme niedriger ausgewiesen. In einschlägigen Darstellungen wird dieser Umstand häufig in recht blumigen Formulierungen („Schonung der Bilanz“ etc.) als weiterer Vorteil des Leasing angepriesen, ohne allerdings weiter zu begründen, welchen Nutzen der Leasingnehmer daraus ziehen sollte. Im Einzelnen könnten folgende drei Aspekte zu beachten sein:







Unter Umständen kann die Leitung eines Unternehmens ein Interesse daran haben, bestimmte Investitionen vor gewissen Bilanzlesern geheim zu halten, z.B. vor Konkurrenten, Abnehmern oder Lieferanten. Diese Absicht kann durch die Finanzierung im Wege des Leasing in aller Regel eher realisiert werden als bei einem kreditfinanzierten Kauf. Allerdings ist zu beachten, dass im Sinne von § 267 HGB „große“ und „mittelgroße“ Kapitalgesellschaften gem. § 285 Nr. 3 HGB verpflichtet sind, den Gesamtbetrag der aus der Bilanz nicht erkennbaren sonstigen finanziellen Verpflichtungen in einem gesonderten Anhang anzugeben; dazu zählen insbesondere Verpflichtungen aus Leasingverträgen. Für verschiedene Bilanzkennzahlen, z.B. die Relation von Anlagevermögen zu Eigenkapital oder den Quotienten aus Fremd- und Eigenkapital, ergeben sich beim Leasing niedrigere und damit nach gängiger Interpretation „günstigere“ Werte. Dies – so wird gelegentlich argumentiert – erhöht die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und erleichtert somit weitere Finanzierungsmöglichkeiten. In der Tat ist es richtig, dass professionelle Kreditgeber, insbesondere Banken, bei der Kreditwürdigkeitsanalyse unter anderem auch derartige Kennzahlen beachten. In aller Regel wird dabei jedoch nicht unmittelbar auf den vorgelegten Jahresabschluss zurückgegriffen. Dieser wird vielmehr durch verschiedene Korrekturen der Ausgangsdaten aufbereitet. Dabei ist es inzwischen weithin üblich geworden, bestehende Leasingverträge abzufragen und in entsprechende Rechnungen einzubeziehen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung für einen Leasingvertrag im Vergleich zum Kreditkauf – auch bei oberflächlicher Betrachtung – keineswegs ausschließlich zu „günstigeren“ Kennzahlenwerten führen muss. Vielmehr ist es durchaus möglich, dass andere Kennzahlen – z.B. verschiedene Cash-FlowRelationen – schlechter ausfallen. Schließlich knüpfen sowohl das HGB als auch das Publizitätsgesetz gewisse auf den Jahresabschluss bezogene Verpflichtungen, insbesondere Gliederungs-, Offenlegungsund Prüfungspflichten, an die Größe des Unternehmens. Dabei wird die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einer bestimmten Größenklasse jeweils davon abhängig gemacht, dass zwei der drei Kriterien „Umsatz“, „Bilanzsumme“ und Beschäftigtenzahl“ oberhalb bestimmter Grenzwerte liegen. Die Möglichkeit, durch Leasing die Bilanzsumme kleiner zu halten als beim Kreditkauf, kann dementsprechend immer dann von Vorteil sein, wenn ein Unternehmen dadurch den „Aufstieg“ in die nächst höhere Größenklasse vermeiden oder zumindest hinauszögern kann. Dies setzt voraus, dass von den beiden übrigen Merkmalen gerade eines ober- und eines unterhalb eines Grenzwertes

2.4 Leasing

111

liegt und sich die Bilanzsumme vor der betrachteten Investition knapp unterhalb der kritischen Grenze bewegt. In den genannten drei Fällen kann die Bilanzunwirksamkeit von Leasingverträgen also in der Tat von Vorteil sein. Ob die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, muss allerdings in jedem Einzelfall überprüft werden. Aussagen von ganz allgemeiner Gültigkeit hingegen sind auch hier nicht möglich. (4) Risikounterschiede Als letzter wichtiger Aspekt ist die Frage zu untersuchen, inwieweit die Risikosituation des Investors durch die Wahl zwischen Leasing und Kreditkauf beeinflusst wird. Dabei sind vor allem folgende drei Aspekte zu bedenken:







Das Eigentümerrisiko, also die Gefahr des Unterganges, der Beschädigung etc., liegt beim Kreditkauf ausschließlich beim Investor als Eigentümer. Beim Leasing bleibt hingegen der Leasinggeber Eigentümer. Wie oben bereits erwähnt, sind die in der Praxis zu beobachtenden Leasingverträge jedoch in aller Regel so ausgestaltet, dass der Leasinggeber von allen hier einschlägigen Vermieterpflichten freigestellt wird und das Eigentumsrisiko weitestgehend auf den Leasingnehmer abgewälzt wird. Unter diesem Gesichtspunkt weisen Kreditkauf und Finanzierungsleasing somit üblicherweise keine entscheidungsrelevanten Unterschiede auf. Ähnliches gilt für das Gewährleistungsrisiko. Bei Sachmängeln an dem gekauften Objekt stehen dem Käufer die gesetzlichen und vertraglichen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Hersteller oder Lieferanten unmittelbar zu. Außer im Fall des reinen Herstellerleasing ist das bei Leasing zunächst nicht der Fall, da ja die Leasinggesellschaft und nicht der Investor Vertragspartner des Herstellers oder Lieferanten ist. Die Leasingverträge sehen allerdings standardmäßig vor, dass sämtliche Gewährleistungs-, Garantie- und Schadensersatzansprüche der Leasinggesellschaft gegenüber dem Hersteller oder Lieferanten an den Leasingnehmer abgetreten werden, während zugleich alle Gewährleistungspflichten des Leasinggebers selbst ausgeschlossen werden. Insoweit ergibt sich auch im Hinblick auf das Gewährleistungsrisiko letztlich kein ökonomisch relevanter Unterschied zwischen Kauf und Leasing. Lediglich in dem praktisch wahrscheinlich nicht sehr häufigen Fall der von Anfang an gegebenen Gebrauchsuntauglichkeit des Objektes weist ein Leasingengagement den Vorteil auf, dass der Investor kostenfrei von dem Vertrag zurücktreten und nach eigenem Ermessen anders disponieren kann. Beim Kreditkauf hingegen kann er natürlich ebenfalls nachträglich vom Kaufvertrag zurücktreten, der Kreditvertrag mit seinen Verpflichtungen bleibt davon jedoch zunächst unberührt. Weiterhin ist jeder Investor dem Fehlinvestitionsrisiko ausgesetzt, d.h. der Gefahr, dass sich Nutzungsmöglichkeiten des Investitionsobjektes de facto schlechter darstellen als ursprünglich erwartet. Die Gründe dafür mögen von technischen Neuentwicklungen über das Auftreten neuer Konkurrenten, Verschiebungen der Nachfragegewohnheiten bis hin zu Änderungen rechtlicher Vorschriften unterschiedlichster Art reichen. Diesem Risiko ist der Investor unabhängig von der Art der gewählten Finanzierung ausgesetzt, so dass sich auch daraus zunächst kein zusätzliches Entscheidungskriterium zwischen Leasing und Kreditkauf herleiten lässt. Welche Folgen sich aus der Realisierung des Fehlinvestitionsrisikos ergeben, hängt allerdings mitentscheidend davon ab, wie flexibel der Investor auf die eingetretene Situation reagieren kann (Anpassungsflexibilität). Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich der Kreditkauf in aller Regel als die günstigere Vari-

112

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

ante, da der Investor in diesem Fall sehr viel leichter, schneller und mit besserer Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg in der Lage ist, die ihm sinnvoll erscheinenden Anpassungsmaßnahmen durchzuführen, die von der Durchführung technischer Änderungen über die vorübergehende Stilllegung bis hin zum vorzeitigen Verkauf reichen können. Insbesondere während der unkündbaren Grundmietzeit ist der Leasingnehmer demgegenüber in seiner Anpassungsflexibilität deutlich eingeschränkt. Als Fazit lässt sich festhalten, dass es sicherlich sinnvoll ist, die auf eine reine Betrachtung der unmittelbar monetär fassbaren Konsequenzen beschränkte quantitative Analyse durch eine Untersuchung qualitativer Gesichtspunkte zu ergänzen, wie wir sie zuletzt unter (1) bis (4) ansatzweise verdeutlicht haben. Dabei hat sich allerdings gezeigt, dass diese Aspekte keineswegs zwingend nur zu Gunsten des Leasing sprechen. Wiederum kommt es auf die Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls an. Dieses eigentlich nicht sonderlich überraschende Ergebnis verdient deshalb besondere Betonung, weil nicht nur durch Darstellungen aus der Leasingbranche selbst, sondern auch in Abhandlungen „neutraler“ Autoren über Leasing hartnäckig entgegengesetzte Vorstellungen verbreitet werden. Dabei werden die vermeintlichen Vorteile des Leasing oftmals gleich dutzendweise zwar ohne sonderliche Systematik, dafür jedoch mit einer gewissen oberflächlichen Plausibilität präsentiert, die den mit den zugrundeliegenden Sachverhalten nicht hinlänglich vertrauten Leser durchaus in die Irre führen können. Als Beispiel für ein solches zumindest missverständliches Werbeargument sei abschließend kurz die häufig verbreitete Behauptung untersucht, Leasing erlaube eine Finanzierung nach dem Prinzip „pay as you earn“. Ganz abgesehen von dem Umstand, dass die englische Formulierung in ihrer Kürze wohl die Vorstellung evozieren soll, hier würden Prinzipien erfolgreichen und modernen amerikanischen Managements formuliert, legt dieser Slogan alternativ oder auch kumulativ zwei verschiedene Interpretationen nahe:



Zum einen kann „pay as you earn“ als Hinweis darauf verstanden werden, dass beim Leasing eine sofortige Liquiditätsbelastung in Höhe des Anschaffungspreises vermieden wird und die Zahlungen erst zeitlich mit der betrieblichen Nutzung des Objektes anfallen. Dies ist sicherlich richtig, kann jedoch durch die Koppelung von Kauf- und Kreditvertrag in prinzipiell gleicher Weise erreicht werden. In dieser Interpretation erweist sich „pay as you earn“ letztlich als Eigenschaft jeder Art projektbezogener Finanzierung und bezeichnet somit überhaupt keine Besonderheit des Leasing. • Zum zweiten suggeriert der Slogan „pay as you earn“, die Leasingraten stellten ertragsoder gewinnabhängige Belastungen dar, die bei schlechter Ertragslage gar nicht oder nur in geringerem Umfang fällig würden. Eine solche Regelung ist in aller Regel jedoch nicht anzutreffen, vielmehr stellen die Leasingraten genau wie der Kapitaldienst aus Krediten üblicherweise feste, von der Ertragslage völlig unabhängige Zahlungsverpflichtungen dar. Insoweit übermittelt „pay as you earn“ also gar nichts anderes als eine falsche Botschaft. „Pay – whether you earn or not“ wäre sicherlich sehr viel korrekter, nur eben nicht werbewirksam. In ähnlicher Weise erweisen sich auch etliche andere Slogans, mit denen vermeintlich vorteilhafte Eigenschaften des Leasing ins rechte Licht gerückt werden sollen, bei näherer Analyse als zumindest äußerst missverständliche, wenn nicht gar irreführende Aussagen. Das alles ändert auf der anderen Seite natürlich nichts daran, dass je nach den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls Leasing durchaus die günstigere Finanzierungsalternative darstellen

2.4 Leasing

113

kann. Woraus eine solche Vorteilhaftigkeit möglicherweise resultieren kann, wird im folgenden Abschnitt in Grundzügen verdeutlicht. 2.4.3.4 Mögliche Leasing-Vorteile Funktionsanalytisch kann Leasing insofern als eine Form der Arbeitsteilung angesehen werden, als der Investor das Objekt im Gegensatz zum Kreditkauf nicht selbst beschafft, finanziert, versteuert und am Ende verwertet, sondern diese Funktionen der Leasinggesellschaft überlässt. Wie bei allen Formen der Arbeitsteilung kann dies immer dann für beide Seiten Vorteile bringen, wenn dadurch insgesamt Kosten eingespart oder zusätzliche Erträge erzielt werden. Für derartige komparative Vorteile zugunsten des Leasing sind vor allem folgende Ansatzpunkte denkbar. (1) Niedrige Anschaffungs- oder Herstellungskosten Bei der Beschaffung von Leasinggegenständen kann eine Leasinggesellschaft unter Umständen als Großeinkäufer günstigere Preise durchsetzen, als das dem Investor alleine möglich wäre. Beim Immobilienleasing ist zudem vorstellbar, dass entsprechend ein spezialisiertes Leasingunternehmen die während der Bauphase notwendigen Planungsund Überwachungsaktivitäten effektiver vornehmen und damit eine Senkung der Herstellungskosten bewirken kann. (2) Niedrige laufende Kosten Weiterhin ist es möglich, dass bestimmte laufende Kosten, die der Sache nach auch beim Kreditkauf entstehen, niedriger ausfallen, wenn sie bei der Leasinggesellschaft und nicht bei dem Investor selbst entstehen. So ist es etwa vorstellbar, dass sich eine Leasinggesellschaft als großer Kunde oder eventuell auch als Tochterunternehmen eines Kreditinstituts zu Zinssätzen refinanzieren kann, die niedriger sind als die Finanzierungskosten, die der Investor selbst als Kreditnehmer zu tragen hätte. Ebenso ist es vorstellbar, dass die Leasinggesellschaft beim Abschluss von Versicherungs- oder Wartungsverträgen günstigere Konditionen erzielen kann. Schließlich ist es auch möglich, dass die Steuerlast, die beim Leasingnehmer und -geber entsteht, insgesamt niedriger ausfällt als die steuerliche Belastung, die der Investor im Falle des Kreditkaufs alleine zu tragen hätte. Insbesondere im Bereich der Gewerbesteuer sind derartige Einsparungen möglich, sei es allein schon auf Grund unterschiedlicher Hebesätze, sei es wegen der Ausnutzung steuerlicher Sondervorschriften, die zwar die Leasinggesellschaften, nicht jedoch der Investor selbst in Anspruch nehmen können. (3) Höhere Verwertungserlöse Bei solchen Leasingverträgen, bei denen das Objekt am Ende der Vertragslaufzeit von der Leasinggesellschaft verwertet wird, kann ein weiterer Vorteil daraus resultieren, dass dieser auf Grund des oben schon erwähnten höheren Verwertungs-Know-How dabei geringere Transaktionskosten entstehen und ein höherer Preis erzielt wird. Übersteigen etwaige Vorteile der genannten Art in ihrer Gesamtheit die Verwaltungs- und Vertriebskosten, die der Leasinggesellschaft natürlich auch entstehen, so entsteht ein Potenzial an Nettovorteilen, von dem bei geeigneter Vertragsgestaltung beide Vertragsparteien profitieren können.

114

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Ein weiterer Vorteil von Leasingverträgen könnte daraus resultieren, dass dabei gewisse Risiken anders verteilt werden als beim Kreditkauf. Führt dies zu einer Risikoallokation, bei der die Risiken auf den Marktpartner verlagert werden, der sie z.B. auf Grund besserer Diversifikationsmöglichkeiten leichter tragen kann, so begründet dies ebenfalls ein Potenzial für beiderseits vorteilhafte Vertragsgestaltungen. Im Bereich von Leasingverträgen kommen hier insbesondere die bereits mehrfach erwähnten Verwertungsrisiken in Betracht. Außerdem ist es denkbar, dass die vergleichsweise weitgehenden Einschränkungen der Verfügungsmöglichkeit des Leasingnehmers über das Leasingobjekt zu einer Reduzierung der Geldgeberrisiken beitragen können, was wiederum Spielraum dafür eröffnet, die wie in Kredit- so auch in Leasingkonditionen implizit enthaltenen Risikoprämien herabzusetzen. Übungsaufgabe 2.17: Auf den Internet-Seiten der CTB LEASING GmbH ist der folgend wiedergegebene Text über das Leasing zu lesen:

Leasing rechnet sich Für den Leasingnehmer ergeben sich gegenüber der bankgemäßigten Objektfinanzierung im Wesentlichen folgende Vorteile: 1. Feste gleichbleibende Zinsen Gleichbleibende Leasing-Zahlungen bilden eine klare Kalkulationsgrundlage für die gesamte Vertragsdauer. 2. Liquidität Leasing ist eine 100%ige Finanzierung, bestehende Kreditspielräume bleiben erhalten. 3. Steuern Beim Leasingnehmer fallen keine investitionsbezogenen Steuern an. 4. Rentabilität Niedrigere Gesamtkosten im Vergleich zu anderen Finanzierungsalternativen. 5. Pay as you earn Nutzung gegen Miete. Sie können das Objekt vom ersten Tag an gegen Zahlung der monatlichen Leasingraten voll nutzen. Die Investitionen erwirtschaften die Kosten „von selbst“ aus laufenden Erträgen. 6. Wiederbeschaffung Der Entschluss zur Erneuerung der Anlage nach Ende der Mietzeit fällt leichter. 7. Bilanzierung Leasing ist bilanzneutral. Geben Sie eine ausführliche kritische Diskussion zu den behaupteten Vorteilen des Leasing! Wägen Sie für jeden der sieben Punkte einzeln, inwieweit der Vorteil tatsächlich gegeben ist und auf welchen Prämissen er gegebenenfalls beruht!

2.5 Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre

2.5

Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre

2.5.1

Grundbegriffe

115

Maßnahmen der Eigenfinanzierung sind dadurch gekennzeichnet, dass einem Unternehmen durch Transaktionen außerhalb seines Leistungsbereichs Zahlungsmittel durch Geldgeber zugeführt werden, die dafür gewisse Teilhaberrechte erhalten, denen im Insolvenzverfahren jedoch keine Gläubigeransprüche zustehen. Art und Ausgestaltung der Teilhaberrechte hängen zum einen von den durch die Rechtsform des Unternehmens vorgegebenen gesetzlichen Bestimmungen ab, zum anderen von den darüber hinausgehenden Konkretisierungen durch den jeweiligen Gesellschaftsvertrag. Zu diesen Rechten gehören insbesondere – das Recht, in bestimmtem Umfang nach individuellem Ermessen Entnahmen zu tätigen, oder der Anspruch auf Beteiligung an einer beschlossenen Ausschüttung, – der Anspruch auf Anteil am Liquidationserlös sowie – bestimmte Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse, die vom einfachen Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung bis zur unmittelbaren Beteiligung an der Geschäftsführung reichen können. Bezüglich der mit dem Erwerb der Teilhaberrechte verbundenen Pflichten ist insbesondere von Bedeutung, ob – lediglich die Verpflichtung übernommen wird, der Gesellschaft einen bestimmten Einlagebetrag zu erbringen, oder – auch nach vollständiger Leistung der Einlage immer noch die Verpflichtung besteht, in begrenztem oder unbegrenztem Umfang auch mit dem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten des Unternehmens einzustehen. Bekanntlich hängt dies vor allem von der Rechtsform des Unternehmens ab. Bilanziell schlagen sich Maßnahmen der Eigenfinanzierung in der Weise nieder, dass einerseits die Position Kasse/Bank um den effektiv eingezahlten Betrag steigt und sich andererseits als Gegenbuchung dazu das Eigenkapital in entsprechendem Umfang erhöht. Bei Kapitalgesellschaften kann es vorkommen, dass der von dem Geldgeber effektiv eingezahlte Betrag hinter der von ihm insgesamt übernommenen Einlagenverpflichtung zurückbleibt. In diesem Fall wird die Position „gezeichnetes Kapital“ zwar um den Gesamtbetrag der übernommenen Einlage erhöht, der Betrag der „ausstehenden Einlagen“ jedoch davon abgesetzt, so dass das Eigenkapital per Saldo auch nur um den effektiv eingezahlten Betrag steigt.

116

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Beispiel 2.14: Die Bilanz einer GmbH weist folgende Struktur auf:

Aktiva Anlagevermögen Immat. Vermögen Sachanlagen Finanzanlagen Umlaufvermögen Vorräte Forderungen Kasse, Bank

0,9 2,4 0,6 3,1 2,6 0,4

(Mio. Euro) Eigenkapital Gezeichn. Kapital Rücklagen 3,9 Rückstellungen

Passiva 2,6 0,4

3,0 2,9

Verbindlichkeiten

4,1 ___ 10,0

6,1 10,0

Im Zuge einer Expansionsstrategie tritt ein neuer Gesellschafter in die Gesellschaft ein und übernimmt einen Gesellschaftsanteil von 800.000 Euro, auf den er sofort 500.000 Euro einzahlt. Die neue Bilanz hat dann folgendes Aussehen (Änderungen in Kursivdruck): Aktiva Anlagevermögen Immat. Vermögen Sachanlagen Finanzanlagen Umlaufvermögen Vorräte Forderungen Kasse, Bank

0,9 2,4 0,6

3,1 2,6 0,9

(Mio. Euro) Eigenkapital Gezeichn. Kapital (./.) Ausst. Einlagen 3,9 Rücklagen

6,6 10,5

Passiva 3,4 0,3 0,4

3,5

Rückstellungen

2,9

Verbindlichkeiten

4,1 ___ 10,5

Die durch Einzahlung auf das Bankkonto erbrachten Einlagen bleiben selbstverständlich in aller Regel nicht in dieser Form erhalten, sondern werden im Zuge der weiteren Geschäftstätigkeit in andere Vermögenswerte umgewandelt, zum Abbau von Verbindlichkeiten herangezogen oder zur Bestreitung sonstiger Auszahlungen, z.B. für Löhne, Mieten etc. verwendet. Im Hinblick auf die unmittelbare Finanzwirksamkeit ergeben sich aus Maßnahmen der Eigenfinanzierung keine Unterschiede zur Aufnahme von Fremdkapital in gleichem Umfang. Der Unterschied zur Fremdfinanzierung besteht vielmehr in folgenden beiden zukunftsbezogenen Sachverhalten:

2.5 Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre

117



Aus der Eigenkapitalaufnahme entstehen in der Zukunft keine juristisch zwingenden Auszahlungserfordernisse, so dass die zukünftige Liquiditätslage bei ansonsten gleichen Gegebenheiten weniger belastet wird als bei der Aufnahme von Fremdkapital und den daraus resultierenden Zahlungsverpflichtungen. • Dementsprechend steht der mit der Eigenkapitalaufnahme verbundenen Erhöhung des Gesamtvermögens keine entsprechende Steigerung der daraus zu befriedigenden Gläubigeransprüche gegenüber, so dass nicht nur die Haftungsmasse des Unternehmens sondern auch der Haftungsüberschuss steigt. Insoweit ist es durchaus gerechtfertigt, wenn die Eigenfinanzierung im Vergleich zur Fremdfinanzierung als die für das Unternehmen „weniger risikoreiche“ Finanzierungsform angesehen wird, da sowohl die Gefahr künftiger Illiquidität als auch das Überschuldungsrisiko tendenziell vermindert werden. Um gelegentlich anzutreffenden Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass Maßnahmen der Eigenfinanzierung zwar zwangsläufig das Eigenkapital des Unternehmens erhöhen, umgekehrt jedoch nicht jede Zunahme des Eigenkapitals Ergebnis eines Vorgangs der Eigenfinanzierung in dem hier verwendeten Sinne sein muss. Um dies einzusehen, ist zunächst zu beachten, dass das (bilanzielle) Eigenkapital definitionsgemäß die Differenz zwischen dem (bilanziell ausgewiesenen) Vermögen und den (bilanziell ausgewiesenen) Schulden, also das (bilanzielle) Reinvermögen, wiedergibt. Dieses Reinvermögen nimmt nun aber genau dann zu, wenn das Vermögen stärker steigt (oder weniger stark sinkt) als die Schulden. Das aber ist nicht nur bei der Eigenfinanzierung der Fall, sondern auch dann, wenn das Unternehmen aus der laufenden Geschäftstätigkeit Gewinne erzielt, die über die Ausschüttungen an die Anteilseigner hinausgehen. Ein Zuwachs des Eigenkapitals, der auf dem zuletzt angesprochenen Wege zustande kommt, wird im einschlägigen Schrifttum sehr häufig, aber wie wir meinen missverständlicherweise, als Selbstfinanzierung oder Finanzierung aus einbehaltenen Gewinnen bezeichnet, obwohl keineswegs zwangsläufig unterstellt werden kann, dass ein bilanziell ausgewiesener Gewinn tatsächlich zugleich finanzwirksam ist, d.h. sich in einem entsprechenden Zahlungsmittelzufluss niederschlägt.

2.5.2

Eigenfinanzierung durch Banken und Versicherungen

In den Abschnitten 1.1.2.2., 2.2. und 2.3 haben wir gesehen, dass insbesondere Banken, aber auch Versicherungen, in sehr großem Umfang zur Fremdfinanzierung der Unternehmen beitragen, indem sie selbst direkt als Geldgeber auftreten. Im Bereich der Eigenfinanzierung gilt dies zumindest in dieser unmittelbaren Form nicht. Vielmehr treten Banken und Versicherungen bei der unmittelbaren Eigenfinanzierung deutscher Unternehmen im Vergleich zu anderen Geldgebergruppen eher in den Hintergrund. Diese Aussage bezieht sich wohlgemerkt nicht generell auf den Erwerb von Unternehmensanteilen und Beteiligungen durch Banken und Versicherungen, sondern auf die unmittelbare Eigenfinanzierung der Unternehmen. Denn, soweit sich entsprechende Erwerbungen in der Weise vollziehen, dass die entsprechenden Unternehmensanteile über die Börse oder auf sonstige Weise von den bisherigen Anteilseignern aufgekauft werden, handelt es sich für das betrachtete Unternehmen ja überhaupt nicht um einen Finanzierungsvorgang. Unmittelbare Finanzierungswirkungen entfaltet ein solcher Vorgang vielmehr bei dem bisherigen

118

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Eigentümer der Anteile, für den der Anteilsverkauf eine Umwandlung von Anteilsvermögen in liquide Mittel darstellt, während für das betreffende Unternehmen lediglich ein Wechsel der Anteilseigner eintritt, der jedoch keine Finanzwirksamkeit entfaltet. Die Gründe, warum sich Banken und Versicherungen im unmittelbaren Eigenfinanzierungsgeschäft so zurückhalten, sind unterschiedlicher Natur. Zum einen dürfen Banken und Versicherungen auf Grund aufsichtsrechtlicher und anderer gesetzlicher Vorgaben nur in begrenztem Umfang Unternehmensanteile erwerben. So sah § 12 Abs. 1 Satz 2 KWG etwa vor, dass grundsätzlich „ein Kreditinstitut an Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors keine Beteiligungen halten darf, deren Nennbetrag zusammen 60 von Hundert des haftenden Eigenkapitals des Einlagenkreditinstitutes übersteigt.“ Die Beschränkung des Anteilsbesitzes auf einen Betrag, der zwangsläufig niedriger als das Eigenkapital ist, stellt eine ganz erhebliche Restriktion dar, wenn man bedenkt, dass die Bilanzsumme deutscher Kreditinstitute im Allgemeinen das 20- bis 30-fache ihres Eigenkapitals ausmacht. Eine ähnliche Wirkung haben auch § 54 VAG bzw. die Anlageverordnung. Danach wird der gesamte Besitz von Versicherungen an Aktien und sonstigen Unternehmensanteilen auf 35% des Sicherungsvermögens und 35% des sonstigen gebundenen Vermögens beschränkt (vgl. dazu auch Abschnitt 2.3.3). Die Vermögensanlage in nicht börsennotierten Anteilswerten wird darüber hinaus auf 10% des Sicherungsvermögens bzw. des sonstigen gebundenen Vermögens begrenzt. Schließlich ist auch das höchstzulässige Engagement bei einer einzelnen Gesellschaft jeweils auf 10% des Nominalkapitals dieser Gesellschaft beschränkt. Selbst wenn Kreditinstitute und Versicherungen dies wollten, wäre es ihnen also aufsichtsrechtlich verwehrt, in größerem Umfang als unmittelbarer Eigenmittelgeber aufzutreten. Zudem ist allerdings auch die Geschäftspolitik dieser beiden Gruppen von Finanzintermediären in aller Regel gar nicht darauf ausgerichtet, den ohnehin relativ engen aufsichtsrechtlichen Rahmen auszuschöpfen, da diese Institute offensichtlich die höheren Risiken scheuen, die mit dem Erwerb von Eigenfinanzierungstiteln im Vergleich zur Vergabe von Krediten oder der Vermögensanlage in festverzinslichen Wertpapieren verbunden sind. An diesem generellen Befund ändern auch gelegentliche spektakuläre Übernahmetransaktionen nichts. Wenn etwa eine Großbank von einer Holding-Gesellschaft einen nennenswerten Anteil aller Aktien eines großen Industrieunternehmens erwirbt, so sorgt ein solcher Vorgang zwar für Schlagzeilen, ist aber sowohl im Vergleich zum Kreditgeschäft des Instituts als auch in Relation zur gesamten Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen insgesamt eher von untergeordneter Bedeutung (Zur Veranschaulichung der Größenordnungen vgl. wieder den numerischen Anhang). Zudem handelt es sich bei einem solchen Anteilserwerb – wie oben schon erläutert wurde – für das betrachtete Unternehmen ohnehin gar nicht um einen Finanzierungsvorgang, sondern um die Übertragung bereits bestehender Unternehmensanteile von dem bisherigen Eigentümer auf einen neuen.

2.5 Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre

2.5.3

119

Eigenfinanzierung durch Kapitalbeteiligungs- und Wagnisfinanzierungsgesellschaften

Der folgenden Darstellung vorausgeschickt seien die Hinweise, dass



zum einen die hier vorgenommene Abschichtung zweier verschiedener Gattungen finanzintermediärer Eigenfinanciers in Beteiligungsfinancier einerseits und Wagnisfinancier andererseits inhaltlich zwei Reinformen der geschäftlichen Ausrichtung von Finanzdienstleistern als Eigenfinanciers erfasst. Diese Reinformen sind in der Praxis durchaus auch häufig anzutreffen, jedoch gibt es ebenfalls zahlreiche Financiers, die sich beiden Formen widmen, teils mit deutlichem Akzent auf einen Bereich, teils derart gleichgewichtig gemischt, dass eine trennscharfe Zuordnung schwerfällt. • Zum anderen werden die beiden Erscheinungsformen begrifflich nicht einheitlich erfasst. Während häufig die hier genannten Begriffe „Kapitalbeteiligung“ und „Wagnisfinanzierung“ benutzt werden, trifft man auch oft auf die angelsächsischen Entsprechungen „Private Equity“ und „Venture Capital“, wobei die letztere zuweilen aber – vermutlich eingedenk der im ersten Spiegelpunkt angedeuteten inhaltlichen Mischung beider Formen – auch synonym für jedwede Erscheinung finanzintermediärer Eigenfinanzierung gebraucht wird. Die dargestellte Zurückhaltung der beiden wichtigsten Gruppen von Kapitalsammelstellen unseres Wirtschaftssystems dürfte eine unter mehreren Ursachen dafür sein, dass die Eigenkapitalquote der deutschen Unternehmen über Jahrzehnte hinweg eine rückläufige Tendenz aufgewiesen hat. Wie folgende Tabelle verdeutlicht, ist die durchschnittliche Eigenkapitalquote aller deutscher Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors von 30,9% in der Mitte der 60er Jahre über 27,4% Anfang der 70er Jahre bis zum Jahr 1985 auf 18,3% gesunken und bewegt sich seitdem mit leichten Schwankungen um 20%. Tab. 2.08:

Entwicklung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen des nichtfinanziellen Bereichs

Eigenkapital1) 2)

1970 215,7

1980 323,4

1990 474,5

2000 370,0

2011 981,3

Fremdkapital1)

572,3

1.193,4

2.111,5

1.780,0

2.603,7

27,4

21,3

18,3

17,2

27,4

Eigenkapitalquote3) 1)

Angaben in Mrd. Euro 2) Abzüglich Berichtigungsposten zum Eigenkapital 3) Verhältnis des Eigenkapitals zur Summe aus Eigen- und Fremdkapital in% Quelle: DEUTSCHE Bundesbank

Die Werte für die einzelnen Unternehmen streuen natürlich ganz erheblich um die angegebenen Durchschnittswerte. Eine Detailanalyse zeigt dabei unter anderem, dass die Eigenkapitalausstattung der zahlenmäßig großen Gruppe von Unternehmen, denen die Möglichkeiten der Emissionsfinanzierung (s. Abschnitt 2.6) verschlossen sind, besonders niedrige Eigenkapitalquoten aufweist. Diese Entwicklung, die seit langem aus verschiedenen Gründen gesamtwirtschaftlich als unerwünscht angesehen und etwa unter dem Schlagwort der „Eigenkapitallücke“ beklagt wird, hat bereits Ende seit der 60er Jahre Anlass gegeben, spezielle Kapitalbeteiligungsgesellschaften als Anbieter von Möglichkeiten zur Eigenfinanzierung ins Leben zu rufen, deren Aktivitäten man heute, wie oben angedeutet, häufig mit dem Ausdruck „Private Equity“

120

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

erfasst. Diese Gründungen wurden meistens von mehreren Kreditinstituten, staatlichen Einrichtungen und weiteren Initiatoren aus unterschiedlichen Bereichen getragen. Aus steuerlichen, haftungsrechtlichen und publizitätspolitischen Gründen wurde für die Kapitalbeteiligungsgesellschaften zumeist die Rechtsform der GmbH oder GmbH & Co. KG gewählt. Aufgabe der Kapitalbeteiligungsgesellschaften sollte es sein, sich als Spezialfinanzierungsinstitut gerade an nicht emissionsfähigen, mittelständischen Unternehmen mit Kapitaleinlagen zu beteiligen. Zu diesem Zweck boten und bieten sie als institutionelle Investoren den kooperationsbereiten Unternehmen in der Regel Einlagen als Kommanditist, GmbHGesellschafter, Aktionär oder auch stiller Gesellschafter20 an. Mit dem zu finanzierenden Unternehmen wird dabei i.d.R. das Recht bzw. die Verpflichtung des Rückkaufs der Anteile vereinbart. Im Gegensatz zu Holdinggesellschaften streben die Kapitalbeteiligungsgesellschaften keine Mehrheitsbeteiligung und somit Beherrschung der anderen Unternehmen an, sondern verstehen sich tendenziell eher als „neutraler Gesellschafter“ mit eingeschränktem Einfluss auf die tägliche Unternehmensführung und die Geschäftspolitik. Allerdings sehen die vertraglichen Vereinbarungen häufig einen Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen vor, der besonders einschneidende Entscheidungen von der Zustimmung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft abhängig macht. Beispiele hierfür sind etwa Großinvestitionen, die gravierende Ausweitung der Verschuldung, wichtige Veränderungen im Gesellschafterkreis oder größere Grundstücksgeschäfte. Übungsaufgabe 2.18: Erläutern Sie, warum die Beteiligung als stiller Gesellschafter a) in dem hier definierten Sinne nicht als Eigenfinanzierung angesehen werden kann, b) dennoch je nach Ausgestaltungsform verschiedene eigenfinanzierungsähnliche Merkmale aufweisen kann! Hinweis: Lesen Sie die Vorschriften gem. §§ 230 bis 237 HGB!

Die Beteiligungspolitik der Kapitalbeteiligungsgesellschaften war von Anfang an durch strenge Anforderungen an die kapitalsuchenden Unternehmen gekennzeichnet. Bei den Unternehmen, denen die Mittel zumeist für Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen zur Verfügung gestellt werden, muss es sich um gesunde, bereits etablierte Unternehmen handeln, von denen eine dem Risiko und der Kapitalmarktsituation entsprechende Rendite erwartet werden kann. Die Gewinn- und Verlustbeteiligung wird individuell ausgehandelt. Es kommen sowohl einfache Quotenregelungen vor (z.B. Beteiligung am Gewinn und Verlust der Partnergesellschaft mit 25%) als auch differenzierte Staffelungen (Unternehmerlohn und Gewinntantieme, fixe Basisverzinsung und unterschiedliche Quoten für die Verteilung des Restgewinns). Des Weiteren wird die Beteiligung davon abhängig gemacht, dass das Unternehmen über ein erfahrenes Management, ein effizientes Rechnungswesen, gut eingeführte Produkte und eine gesicherte Marktstellung verfügt, die Entwicklungs- und Ertragsaussichten also insgesamt als sehr positiv einzustufen sind. Etwas überspitzt formuliert sollen also gerade solche Unternehmen gefördert werden, die es eigentlich nicht sonderlich nötig hätten. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass es den Kapitalbeteiligungsgesellschaften nicht gelungen ist, die als gewünschte Partner für sie in Frage kommenden Unternehmen in 20

Vgl. dazu auch die nachfolgende Übungsaufgabe.

2.5 Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre

121

großem Umfang von den Vorteilen einer derartigen Kooperation zu überzeugen. Als Ursache dafür ist neben der konservativen, bankähnlichen Geschäftspolitik auf der einen Seite, bei der Sicherheiten und laufende Verzinsung höher bewertet werden als die Chance, Wertsteigerungen zu realisieren, auf der anderen Seite vor allem die Befürchtung der Unternehmensinhaber maßgeblich, dass die Aufnahme eines neuen Teilhabers, und noch dazu eines finanziell sehr viel potenteren, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung der entsprechenden Verträge de facto doch zu unliebsamen Abhängigkeitsverhältnissen führen könnte. Es mag offen bleiben, inwieweit derartige Befürchtungen berechtigt waren oder sind und ob nicht die Abhängigkeit von einem großen Kreditgeber genauso einengend und lästig sein kann. Festzuhalten bleibt auf jeden Fall, dass die Ende der 60er Jahre im Zusammenhang mit der Gründung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften gehegte Euphorie zwischenzeitlich einer sehr viel nüchterneren Einschätzung gewichen ist. Kapitalbeteiligungsgesellschaften in der soeben skizzierten traditionellen Ausrichtung stellten aufgrund ihrer restriktiven Beteiligungspolitik nur für einen äußerst kleinen Kreis von mittelständischen Unternehmen eine interessante Finanzierungsalternative dar. Insbesondere junge bzw. neu gegründete, stark innovativ ausgerichtete Unternehmen können deren hohe Anforderungen nicht erfüllen. Gerade diesen Unternehmen wird jedoch ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität bei der Entwicklung neuer Produkte und moderner Verfahren zugeschrieben, die für ein exportorientiertes und vergleichsweise rohstoffarmes Industrieland wie die Bundesrepublik Deutschland zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von großer Bedeutung sind. Zur Förderung technischer Innovationen und deren Umsetzung wurden daher Anfang der 80er Jahre – zusätzlich zu den diversen bereits existierenden staatlichen Maßnahmen sogenannte Wagnisfinanzierungsgesellschaften gegründet, deren Angebot nach ihrem amerikanischen Vorbild auch in Deutschland als Venture Capital bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um Gründungen, die zum Teil von der Kredit- und Versicherungswirtschaft, zum Teil von öffentlichen Stellen, zum Teil aber auch von der Industrie selbst getragen werden. Genauso wie die traditionellen Kapitalbeteiligungsgesellschaften sollen die Wagnisfinanzierungsgesellschaften kleinen und mittleren Unternehmen Eigenmittel für eine begrenzte Zeit – in der Regel 5 bis 10 Jahre – zur Verfügung stellen. Auch hier werden üblicherweise lediglich Minderheitsbeteiligungen angestrebt. Die konzeptionellen Unterschiede dieser beiden Finanzierungseinrichtungen hingegen sind vor allem durch drei Aspekte charakterisiert:





Die Wagnisfinanzierungsgesellschaften beteiligen sich vornehmlich an jungen, innovativen Unternehmen in zukunfts- und wachstumsträchtigen Branchen – wie z.B. Mikroelektronik, Biochemie oder Gentechnik –, denen die Mittel für die Finanzierung ihrer riskanten, aber zugleich auch recht chancenreichen Projekte fehlen. Die Bereitschaft dieser Unternehmen, Beteiligungsrechte zu vergeben, wird daher im Vergleich zu den typischen Kunden der Kapitalbeteiligungsgesellschaften als deutlich höher eingeschätzt. In der Regel ist es so, dass sich die Produkte bzw. Verfahren dieser Unternehmen am Ende der Entwicklungs- oder am Beginn der Markteinführungsphase befinden. Ziel ist es, nicht nur die Entwicklung technischer Innovationen zu unterstützen, sondern auch Finanzmittel für deren erfolgreiche Vermarktung bereitzustellen. Die Motivation beim Eingehen einer Wagnisbeteiligung liegt nicht primär in der Erzielung von Erträgen aus der laufenden Erfolgsbeteiligung, sondern vielmehr in der Erwar-

122



2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen tung eines langfristigen Wertzuwachses der Anteile, der bei einer späteren Veräußerung realisiert werden soll. Zur Risikobegrenzung innerhalb einer Wagnisbeteiligungsgesellschaft wird dabei eine Diversifizierung der Beteiligungen sowohl über die Technologiebereiche als auch über die Entwicklungsphasen der Unternehmen angestrebt. Das bedeutet, dass nicht nur Gründungs-, sondern auch Wachstumsfinanzierungen durchgeführt werden. Die Wagnisfinanzierung umfasst neben der reinen Bereitstellung von „Risikokapital“ zusätzlich auch die intensive und systematische betriebswirtschaftliche Betreuung und Beratung der Geldnehmer. Soweit es die getroffenen Vereinbarungen vorsehen, kann dies – als Äquivalent für die Übernahme höherer Risiken – bis zur aktiven Teilnahme an der Geschäftsführung gehen. Dabei wird von der Vorstellung ausgegangen, dass derartige Unternehmen, die natürlicherweise in einem sehr schmalen Segment über ein recht hohes technisches Wissen verfügen, häufig Defizite im betriebswirtschaftlichen Bereich aufweisen. Ihnen sollen Hilfestellungen etwa bei der Entwicklung geeigneter MarketingKonzepte oder aber auch bei der Konzipierung unternehmensinterner Kontroll- und Steuerungsmechanismen gegeben werden.

Phase

Grundlagen- Entwicklung zur Marktentwicklung Produktionsreife einführung

MarktReife durchdringung

Gewinn

Verlust Risikokapital Abb. 2.05:

Phasen der Wagnisfinanzierung

Abbildung 2.05 verdeutlicht in stilisierter Weise das Idealkonzept der Wagnisfinanzierung. In dieser Abbildung ist ein Innovationsprozess idealtypisch durch folgende fünf Phasen dargestellt:





Am Anfang steht zunächst der Forschungs- und Entwicklungsprozess, der aufgrund der noch fehlenden Umsatzerlöse üblicherweise durch Verluste gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu traditionellen Finanzierungskonzepten soll der Einsatz von Risikokapital schon gegen Ende dieser ersten Phase einsetzen. Auch die Entwicklung zur Produktreife und die damit einhergehende Produktionsvorbereitung bringen dem Unternehmen noch Verluste. Da den – im Vergleich zu den Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen – in der Regel erhöhten Auszahlungen auch

2.5 Eigenfinanzierung durch Finanzintermediäre

123

hier in der Regel noch keine Einzahlungen gegenüberstehen, weitet sich in dieser Phase die begleitende Finanzierung durch die Wagnisfinanzierungsgesellschaften aus. • Obwohl in der dritten Phase – der Markteinführungsphase – dem Unternehmen erste Einzahlungen aus der Vermarktung des Produktes zufließen, können diese die erheblichen Auszahlungen für die Markteinführung des Produktes noch nicht decken. Dementsprechend hoch ist auch der Finanzierungsbedarf in diesem Stadium. • Bei erfolgreichem Verlauf und zunehmender Marktdurchdringung der Innovation gelangt das Unternehmen allmählich in die Gewinnzone. Die mit den nun vorhandenen Ertragsüberschüssen üblicherweise einhergehenden Einzahlungsströme können zur weiteren Wachstumsfinanzierung eingesetzt werden und lassen den Bedarf an „externem“ Risikokapital zurückgehen. • Mit zunehmendem Erreichen einer gefestigten Marktposition in der Reifephase wird dann das Ausmaß an Wagniskapital reduziert; die Risikokapitalgeber werden allmählich wieder „ausgezahlt“, sei es durch die Veräußerung ihrer Anteile an Personen aus dem (Um)Kreis der Altgesellschafter des finanzierten Unternehmens oder an Dritte. Als Idealkonzept wird es häufig angesehen, dass das Ausscheiden des Wagnisfinanciers mit der Einführung der Aktien des geförderten Unternehmens an der Börse (vgl. Abschnitt 2.6) einhergehen soll. Wie bei den traditionellen Kapitalbeteiligungsgesellschaften sind auch hier die Erwartungen des Gründungsbooms der Venture Capital-Gesellschaften Anfang der 80er Jahre anfänglich nicht erfüllt worden. Eines der Probleme schien in dem Mangel an investitionswürdigen Innovationsprojekten bzw. in der Fähigkeit der Wagnisfinanzierungsgesellschaften, diese zu identifizieren, begründet zu sein. Ein anderes Problem stellte häufig die fehlende Möglichkeit einer hinreichend lohnenswerten Desinvestition der Beteiligung dar. Seit den 90er Jahren konnten jedoch zahlreiche Aktienplatzierungen von innovativen Unternehmen vorgenommen werden, deren Anzahl und typisches Wertvolumen freilich erheblich mit der jeweiligen „Börsenverfassung“ korreliert. Die ursprünglich recht deutlich erkennbare strikte Trennung zwischen Kapitalbeteiligungsund Wagnisfinanzierungsgesellschaften hat, wie schon einleitend beschrieben, an Trennschärfe verloren. Äußeres Zeichen für diese Tendenz war die Fusion des Deutschen Venture Capital Verband e.V. (DVCV) mit dem Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften zu dem Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften – German Private Equity and Venture Capital Association e.V. (BVK). Dessen ungeachtet ist die gesamte Tätigkeit der Beteiligungsgesellschaften gesamtwirtschaftlich jedoch gemessen an dem gesamten Eigenkapital deutscher Unternehmen und verglichen mit dem Gesamtvolumen der von den Kreditinstituten an Unternehmen und Selbständige ausgereichten Kredite nach wie vor von recht bescheidener Größenordnung.

124

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

2.6

Emissionsfinanzierung

2.6.1

Grundbegriffe

Die in den Abschnitten 2.2 bis 2.5 betrachteten Finanzierungsinstrumente waren durchgängig dadurch gekennzeichnet, dass ihnen eine individuelle Vereinbarung zwischen Geldgeber und Geldnehmer zugrunde liegt. Demgegenüber wird ein gegebener Finanzbedarf im Wege der Emissionsfinanzierung in der Weise gedeckt, dass einem breiten Anlegerpublikum in großer Anzahl gleichartige, klein gestückelte Finanztitel zum Kauf angeboten werden. So könnte etwa zur Deckung eines Finanzbedarfs von 600 Mio. Euro ins Auge gefasst werden, insgesamt 4 Mio. Teilschuldverschreibungen zum Kurs von 100 Euro und 200.000 Teilschuldverschreibungen zum Kurs von 1.000 Euro zu emittieren. Das Spektrum für die Emissionsfinanzierung geeigneter Finanztitel umfasst neben festverzinslichen Anleihen und Aktien als den klassischen Instrumenten der emissionsmäßigen Fremd- bzw. Eigenfinanzierung eine Vielzahl von Zwischenformen wie z.B. Wandelschuldverschreibungen, Optionsanleihen, Genussscheine, Index-Anleihen, Zero-Bonds etc. Wir werden derartige Finanztitel im Kapitel 4 noch eingehender betrachten, dort allerdings primär aus der Sicht des Anlegers. Traditionell werden die Konditionen der Finanztitel wie z.B. Zinssätze, Laufzeit, Sicherheiten sowie auch der Ausgabekurs einseitig durch das emittierende Unternehmen in den sogenannten Emissionsbedingungen festgelegt und dem Anlegerpublikum zusammen mit der Aufforderung zum Kauf der Finanztitel, der sogenannten Zeichnungsaufforderung, bekanntgegeben. Mit der „Zeichnung“ einer solchen Festpreisemission verpflichten sich die einzelnen Anleger, jeweils eine bestimmte Anzahl der zur Emission vorgesehenen Finanztitel zu übernehmen und dafür den vorgesehenen Emissionskurs (Ausgabekurs) zu bezahlen. Bezüglich der Adressaten des Emissionsangebotes sind vor allem die folgenden beiden Konstellationen zu unterscheiden:



Zum einen ist es möglich, einen nicht näher abgegrenzten Kreis mehr oder weniger anonymer Anleger anzusprechen, die Emission also „jedermann“ anzubieten. • Insbesondere bei der Emission junger Aktien bereits börsengehandelter Unternehmen steht demgegenüber häufig den Altaktionären das exklusive Recht zum Bezug der neuen Aktien zu. Primärer Adressatenkreis der Emission sind hier also die Altaktionäre, denen aber in aller Regel das Recht zusteht, ihr Bezugsrecht an andere Interessenten zu verkaufen (vgl. dazu im Einzelnen Abschnitt 3.2.4). Nach Ablauf der Zeichnungsfrist sind grundsätzlich folgende drei Konstellationen vorstellbar: (1) Wendet sich die Emission an einen nicht begrenzten Adressatenkreis, so ist es möglich, dass die Zahl der gezeichneten, d.h. „bestellten“ Finanztitel das insgesamt vorgesehene Emissionsvolumen übersteigt. Bei einer solchen Überzeichnung können offensichtlich nicht alle Zeichnungswünsche erfüllt werden. Es kommt zu einer „Rationierung“ (Repartierung, Zuteilung), d.h. einem Verfahren, nach dem mehr oder weniger schematisch eine anteilige Erfüllung der einzelnen Zeichnungswünsche erfolgt. Beträgt das vorgesehene Emissionsvolumen etwa 600 Mio. Euro und belaufen sich die eingegangenen Zeichnungen auf 1 Mrd. Euro, so könnte etwa in der Weise rationiert werden, dass jedem Zeichner nur 60% des gezeichneten Betrages zugewiesen werden. Eine solche rein quotale Zuteilung ist jedoch keineswegs zwingend und zudem aus Stückelungsgründen

2.6 Emissionsfinanzierung

125

auch nur annäherungsweise durchführbar. Häufig werden daher „Kleinzeichnungen“ voll erfüllt und „Großzeichnungen“ dementsprechend stärker rationiert. Weitere Unterschiede in der Behandlung verschiedener Zeichnergruppen können sich aus der – in Deutschland weithin üblichen – Einschaltung eines Emissionskonsortiums ergeben. Wir werden darauf im Abschnitt 2.6.3 noch näher eingehen. (2) Zeichnungs- und geplantes Emissionsvolumen stimmen genau überein. Diese Konstellation tritt insbesondere dann ein, wenn „junge“ Aktien unter dem Marktpreis der Altaktien emittiert werden und die Zeichnung der jungen Aktien die Vorlage einer entsprechenden Anzahl von Bezugsrechten voraussetzt, die zunächst den Altaktionären zustehen, von diesen jedoch an andere zeichnungsinteressierte Anleger verkauft werden können. (3) Die Zahl der gezeichneten Titel bleibt hinter dem geplanten Emissionsvolumen zurück. Die Emission gelingt also nur zum Teil; der Emittent „bleibt auf dem Rest sitzen“, sofern er nicht durch Einschaltung eines Emissionskonsortiums (s. u.) Vorkehrungen gegen dieses Risiko getroffen hat. Ein zentrales Problem bei der Durchführung von Festpreisemissionen besteht, insbesondere im Fall ohne Bezugsrecht, in der Fixierung eines marktgerechten Emissionspreises, um das Ausmaß unerwünschter Über- oder Unterzeichnungen in Grenzen zu halten. Seit etlicher Zeit wird versucht, dieses Problem dadurch zu entschärfen, dass der Emissionspreis nicht von Anfang an definitiv festgelegt wird, sondern erst nachdem sich der Emittent oder ein ihn unterstützendes Bankenkonsortium einen gewissen Überblick über die „Zeichnungsbereitschaft des Marktes“ verschafft hat. Besondere Prominenz hat dabei eine bestimmte Gruppe von Emissionsverfahren gefunden, die häufig unter dem Begriff Bookbuilding zusammengefasst werden. In seinen wesentlichen Grundzügen kann dieses Verfahren durch die folgenden Schritte gekennzeichnet werden:







Nachdem der Emittent zusammen mit den Konsortialbanken eine umfassende Unternehmensanalyse durchgeführt hat, werden in der sog. Pre-Marketing-Phase zunächst erste Gespräche mit potentiellen Großanlegern geführt, deren Ergebnisse zur Festlegung einer Preisspanne für den möglichen Emissionspreis dienen. Hierbei wird das genaue Emissionsvolumen im Allgemeinen nicht bekannt gegeben. Nachdem schließlich die Preisspanne in der sog. Marketing-Phase bekannt gegeben wurde, beginnt das sog. Ordertaking, bei dem die Konsortialbanken Kaufgebote von potentiellen Anlegern entgegennehmen. Bei einem vom Emittenten bestimmten sog. Bookrunner laufen die Informationen über die sich aufbauende Nachfrage zentral zusammen. Ab einer bestimmten Ordergröße wird gegenüber dem Bookrunner die Identität institutioneller Anleger sowie eine Einschätzung ihres Anlageverhaltens mitgeteilt. Der Bookrunner erhält somit stets genaue Informationen, welche Volumina zu welchem Preis bei welchen Anlegertypen platzierbar sind. Am Ende der Ordertaking-Phase legt dann der Emittent zusammen mit dem Bookrunner endgültig das Emissionsvolumen und den Emissionspreis fest. Dabei muss der Emissionspreis – bei gegebenem Volumen – nicht unbedingt dem maximal realisierbaren Preis entsprechen.

126

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Durch die Einbindung der potentiellen Anleger in den Preisfindungsprozess hofft man, einem „marktgerechten“ Preis und einer erfolgreichen Platzierung näher zu kommen. Hiervon profitieren letztlich auch die Anleger, die ein Sinken des Aktienkurses auf dem Sekundärmarkt unter den Emissionspreis weniger zu fürchten brauchen. Allerdings bleibt der Emittent bis zur endgültigen Festlegung von Emissionsvolumen und -preis im Ungewissen über die Höhe seines Zahlungsmittelzuflusses. Die auf diese Weise emittierten Finanztitel werden üblicherweise durch entsprechende Wertpapiere verbrieft, wobei Inhaberpapieren (s. Abschnitt 2.1.2) wegen ihrer leichten Übertragbarkeit allgemein die größte Bedeutung zukommt. Allerdings wird zunehmend auf den (kostenintensiven) Druck der Wertpapierurkunden verzichtet. Gleichwohl spricht man weiterhin von der Verbriefung in einem Wertpapier („Entmaterialisierung des Wertpapierbegriffs“), das eben nur noch als Anspruch und nicht mehr physisch existiert. Das entmaterialisierte Wertpapier wird genauso wie schon bei seinem körperlichen Vorgänger üblich im Rahmen des Effektengiroverkehrs (vgl. dazu Kapitel 3) durch Buchungsvorgänge auf Wertpapierdepotkosten von einem Eigentümer zum nächsten übertragen; es entfällt natürlich die Möglichkeit für den Depotinhaber, den Depotposten durch effektive Lieferung des Wertpapiers zu ersetzen. Die Möglichkeit, einen gezeichneten Finanztitel jederzeit nach eigenem Gutdünken schnell, ohne nennenswerte Schwierigkeiten und mit niedrigen Transaktionskosten verkaufen zu können, ist für viele Anleger eine wichtige Voraussetzung für ihre Bereitschaft, einen zur Zeichnung angebotenen Finanztitel überhaupt zu übernehmen. (Man spricht in diesem Zusammenhang oft auch von der „Liquidität“ eines Wertpapiers.) Aus diesem Grunde wird für die zur Emission aufgelegten Wertpapiere (und Wertrechte) in aller Regel zugleich die Zulassung zum Börsenhandel beantragt. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Emissionsfinanzierung selbst entgegen landläufigen Vorstellungen gerade nicht im Rahmen der Wertpapierbörsen vollzieht, der Kontakt zwischen Emittent und Zeichner vielmehr auf andere Weise hergestellt wird (vgl. dazu Abschnitt 2.6.3). Wertpapierbörsen zählen also nicht zu den Institutionen, die unmittelbar Finanzierungsleistungen anbieten. Ihre Funktion besteht vielmehr darin, einen möglichst schnellen und billigen Handel in einmal emittierten Finanztiteln zu ermöglichen. In Abgrenzung zu dem durch den Abschluss neuer Finanzierungsbeziehungen gekennzeichneten Primärmarkt bezeichnet man die Wertpapierbörsen dementsprechend auch als Sekundär- oder Zirkulationsmarkt. Übungsaufgabe 2.19: Kommentieren Sie folgende Sätze a) „Aktiengesellschaften finanzieren sich über die Börse.“ b) „Aktiengesellschaften mit börsennotierten Aktien haben bessere Finanzierungsmöglichkeiten als andere Unternehmen.“

2.6 Emissionsfinanzierung

2.6.2

127

Rechtliche Voraussetzungen der Emissionsfinanzierung

Sinn der Emissionsfinanzierung ist es, die Finanzierungsleistungen einer großen Zahl von Geldanlegern unmittelbar, d.h. ohne die Zwischenschaltung von Finanz-intermediären als gleichzeitige Geldgeber und -nehmer, in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Umstand erklären sich auch verschiedene spezielle Rechtsvorschriften, die bei dieser Art der Finanzierung zu beachten sind. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass das breite Anlegerpublikum, das ja auch in finanziellen Dingen wenig erfahrene Privatleute umfasst, in stärkerem Maße schutzbedürftig ist als professionelle Kreditgeber wie Banken oder Versicherungen. Dieses Prinzip des Anlegerschutzes manifestiert sich unter anderem in folgenden Regelungen, die bei der Emission und der börsenmäßigen Zulassung von Finanztiteln zu beachten sind. (1) Emission und Börsenzulassung von Aktien Die Emission börsengängiger Eigenfinanzierungstitel ist in Deutschland nur Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien) möglich, da außer Aktien andere Eigenkapitaltitel wie z.B. Kommandit- oder GmbH-Anteile an deutschen Wertpapierbörsen nicht gehandelt werden. Der Grund für diese Einschränkung ist darin zu sehen, dass die Vorschriften des Aktienrechts am ehesten geeignet sind, den Interessen und Rechten einer großen Anzahl voneinander unabhängiger Anteilseigner einen gewissen Schutz zu bieten. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist allerdings nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für die Möglichkeit, börsengängige Eigenfinanzierungstitel zu emittieren. Vielmehr bedarf es zusätzlich einer gesonderten Zulassung zum Börsenhandel, über die die zuständigen Stellen der einzelnen Börsen unter Beachtung des Börsengesetzes und der jeweiligen Börsenordnung entscheiden. Da die Börsenzulassung an bestimmte Größenvoraussetzungen geknüpft ist, mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist und für das antragstellende Unternehmen verschiedene weitere Verpflichtungen, insbesondere im Bereich der Publizität, mit sich bringt, ist es nicht verwunderlich, dass nur die Aktien von weniger als 10 Prozent der deutschen Aktiengesellschaften börsenmäßig gehandelt werden. Die übrigen Aktiengesellschaften erfüllen entweder die Zulassungsvoraussetzungen nicht oder bewerten die Vorteile der Börsenzulassung geringer als die damit verbundenen Kosten und sonstigen Belastungen. Im Einzelnen stehen für den börsenmäßigen Aktienhandel verschiedene Marktsegmente zur Verfügung, die sich insbesondere hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen, der laufenden Publizitätsverpflichtungen und der Art der Kursermittlung unterscheiden. (Näheres siehe Abschnitt 3.1.2.2.) Außerdem können Aktien in Deutschland auch beliebig außerhalb des börsenmäßigen Rahmens frei gehandelt werden. Man bezeichnet diese Geschäfte, die überwiegend zwischen Kreditinstituten abgewickelt werden, auch als Telefonverkehr, ungeregelten Freiverkehr oder – inhaltlich am treffendsten – als außerbörslichen Wertpapierhandel. (2) Emission und Börsenzulassung von Schuldverschreibungen Schuldverschreibungen, d.h. Finanztitel, die einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch verbriefen, können auch von Nicht-Aktiengesellschaften ausgegeben werden; dies gilt insbesondere für die öffentliche Hand, die sich in Deutschland nach den Banken zum größten Emittenten von Schuldverschreibungen entwickelt hat.

128

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Für private Emittenten besteht mit dem Wertpapierprospektgesetz eine grundsätzliche Prospektpflicht für solche Wertpapiere, die erstmals zum Handel an einer inländischen Börse bestimmt sind. Zudem besteht – wenn auch nicht de jure – de facto die Notwendigkeit, Umfang, Ausstattung und Zeitpunkt der Emission mit dem Zentralen Kapitalmarktausschuss abzustimmen, der aus Vertretern privater und öffentlicher Kreditinstitute zur „freiwilligen Koordination“ privater Emissionen gebildet worden ist. Außerdem bedarf die Börseneinführung von Schuldverschreibungen der Zulassung durch die zuständigen Stellen der jeweiligen Wertpapierbörsen. Das gilt auch für die sog. Euro Commercial Papers. Diese sind Inhaberschuldverschreibungen, die im Rahmen eines zeitlich nicht begrenzten Programms wiederholt emittiert werden können. Die Papiere werden von Banken im Zuge einer Privatplatzierung in einer Stückelung von oftmals 1 Mio. Euro als erstrangige, unbesicherte Verbindlichkeiten des Emittenten – häufig eine erstklassige Industrieadresse – angeboten. Die Laufzeit kann zwischen 7 Tagen und 2 Jahren liegen, bei einer variablen Verzinsung auf Basis kurzfristiger Geldmarktsätze. Der Vorteil für den Emittenten liegt in der Sicherstellung eines wiederkehrenden nachhaltigen Finanzierungsbedarfs bei relativ geringen Kosten der Platzierung.

2.6.3

Die Mitwirkung von Kreditinstituten bei der Emissionsfinanzierung

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass der Emittent alle mit der Emission verbundenen Aktivitäten selbst organisiert, also insbesondere – Art, Umfang und Konditionen der Emission in Abstimmung mit dem Zentralen Kapitalmarktausschuss festlegt, – die notwendigen Genehmigungen einholt, – die Emissionsbedingungen publiziert, die Emissionswerbung organisiert und die Anleger zur Zeichnung auffordert, – die Zeichnungserklärungen entgegennimmt und die effektive Zuteilung der Wertpapiere an die Zeichner einschließlich einer eventuell notwendigen Rationierung selbst durchführt. Diese Form der Selbstemission oder direkten Emission ist in Deutschland allerdings nur bei Ausgabe eigener Wertpapiere durch Kreditinstitute üblich. Andere Unternehmen bedienen sich demgegenüber ebenso wie die öffentlichen Haushalte der Fremdemission oder indirekten Emission, bei der eine einzelne Bank oder in der Regel ein Bankenkonsortium einen Großteil der oben genannten Aufgaben übernimmt und dabei insbesondere das eigene Filialnetz als Absatzkanal bereitstellt. Einer solchen Fremdemission liegen üblicherweise zwei Vertragsverhältnisse zugrunde, nämlich – der Emissionsvertrag, der das Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und dem für ihn tätigen Konsortium festlegt, und – der Konsortialvertrag, der die Beziehungen der zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff. BGB zusammengeschlossenen Konsortialbanken untereinander regelt.

2.6 Emissionsfinanzierung

129

Je nach dem Ausmaß der in dem Emissionsvertrag festgelegten Aufgaben unterscheidet man beim traditionellen Festpreisverfahren vor allem die folgenden drei Arten von Emissionskonsortien:



Die in Deutschland am häufigsten anzutreffende Form stellt das kombinierte Übernahme- und Begebungskonsortium dar. Dabei übernehmen die Konsortialbanken die gesamte Emission zu einem fest vereinbarten Kurs und verpflichten sich, sie zugleich den Anlegern zur Zeichnung anzubieten oder „freihändig“ an die eigene Kundschaft zu verkaufen. Wird die Emission nicht voll gezeichnet, so verbleiben die restlichen Wertpapiere entsprechend den im Konsortialvertrag vereinbarten Quoten bei den Mitgliedern des Konsortiums; diese und nicht der Emittent tragen also das Platzierungsrisiko. Kommt es hingegen zu einer Überzeichnung, so führt das Konsortium die Rationierung durch. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass die Kunden verschiedener Konsortialbanken je nach deren Konsortialquoten unterschiedlich starke Kürzungen ihrer Aufträge hinnehmen müssen. • Beim reinen Begebungskonsortium hingegen übernimmt das Konsortium nur die technische Durchführung und den Vertrieb der Emission, nicht jedoch das Emissionsrisiko. Dieses verbleibt bei dem Emittenten, sofern er nicht in einem weiteren Vertrag mit einem Garantiekonsortium vereinbart hat, dass dieses die nicht abgesetzten Wertpapiere zu einem ebenfalls im Voraus festgelegten Kurs übernimmt. Eine solche Trennung zwischen Selling-Group (Begebungskonsortium) und Underwriting-Group (Garantiekonsortium) ist im internationalen Emissionsgeschäft häufig anzutreffen. Dabei bildet die Underwriting-Group in der Regel zugleich „den harten Kern“ der zahlenmäßig größeren Selling-Group. • Beim reinen Übernahmekonsortium schließlich zeichnen die Konsortialbanken die gesamte Emission zunächst selbst und übernehmen die Wertpapiere in den eigenen Bestand. In diesem Fall kann, je nachdem, ob und in welcher Weise die Weiterleitung an ein breiteres Anlegerpublikum vorgesehen ist, auf eine öffentliche Zeichnungsaufforderung der eingangs im Abschnitt 2.6.1 beschriebenen Art verzichtet werden. Die einzelnen Konsortialbanken können den von ihnen übernommenen Teil der Emission etwa ganz oder teilweise sukzessive und zu sich ändernden Kursen auf eigene Rechnung bei ihren Kunden unterbringen oder über die Börse verkaufen, sofern die emittierten Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind. In Ergänzung zu den eigentlichen Emissionsleistungen halten sich die Konsortialbanken häufig auch bereit, die Emission vorzufinanzieren, d.h. dem Emittenten bereits vor Durchführung der Emission einen kurzfristigen Kredit in Höhe des vorgesehenen Emissionserlöses zu gewähren, der aus dem Verkauf der Wertpapiere getilgt wird. Die grundlegenden Funktionen, die dem Emissionskonsortium beim Bookbuilding zukommen, sind in groben Zügen schon verdeutlicht worden. Eine weitere Besonderheit des Bookbuilding stellt die häufig praktizierte Institution des Greenshoe dar. Mit diesem Begriff bezeichnet man das Recht der Konsortialbanken, im Anschluss an den ersten Emissionsschritt in begrenztem Umfang, z.B. in Höhe von 15% des ursprünglichen Emissionsvolumens, nach eigenem Ermessen weitere Aktien auszugeben, die dann vom Emittenten zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Das Verfahren wurde offenbar erstmalig 1963 von dem amerikanischen Schuhhersteller Greenshoe eingesetzt.

130

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Die Kosten einer Fremdemission in der in Deutschland üblichen Form eines kombinierten Übernahme- und Begebungskonsortiums bewegen sich in der Größenordnung von – ca. 1,5% des Nennwertes bei der Ausgabe von Anleihen der öffentlichen Hand, – über ca. 2,5% des Nennwertes bei der Emission von Industrieanleihen sowie Wandelund Optionsanleihen, – bis zu ca. 4% des Nennwertes bei der Ausgabe nennwertbezogener junger Aktien. Wird zusätzlich ein kurzfristiger Emissionskredit gewährt, kommen natürlich noch entsprechende Zinskosten hinzu. Von den bisher erörterten Möglichkeiten der Emissionsfinanzierung sind solche Aktivitäten zu unterscheiden, die dazu dienen, Aktienbestände eines bisherigen Großaktionärs im Zuge eines entsprechenden Emissionsverfahrens einem mehr oder weniger klar umrissenen Anlegerkreis anzubieten. Die Modalitäten der Emission sind in aller Regel sehr ähnlich wie die bisher beschriebenen Verfahren. Allerdings stellen derartige Aktivitäten keine Finanzierungsmaßnahmen für das betrachtete Unternehmen dar, sondern – wenn überhaupt – für den bisherigen Aktionär. Die Möglichkeiten zur Platzierung der Aktien bei einem großen Anlegerpublikum unterscheiden sich allerdings kaum von den zuvor dargestellten Verfahren.

2.6.4

Mittelstandsanleihen: Fremdfinanzierungskontrakte via „börslichem Primärmarkt“

Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts entstand ein Börsensegment, das die Kreditaufnahme im Zuge einer Anleiheemission auch für „kleinere“ Unternehmen unabhängig von deren Rechtsform erleichtern soll. Dieses inzwischen an mehreren deutschen Börsenplätzen etablierte Segment unterscheidet sich ein wenig von der bekannten Emissionspraxis und soll daher kurz skizziert werden. Der interessierte Anleger kann während einer grundsätzlich mehrwöchigen – jedoch täglich schließbaren – Zeichnungsphase über sein Kreditinstitut Zeichnungsaufträge erteilen. Voraussetzung ist aber, dass die mit der Order beauftragte Depotbank Handelsteilnehmer an einer bestimmten deutschen Wertpapierbörse ist oder mit einem Handelsteilnehmer entsprechend kooperiert. Die Anleiheplatzierung wird nämlich maßgeblich von einer Wertpapierbörse begleitet, die hier nicht nur als Marktplatz des der Emission folgenden Sekundärmarkthandels fungiert, sondern auch das Primärmarktgeschehen ins Werk setzt. Zu diesem Zweck haben die Wertpapierbörsen im Rahmen ihrer Börsensysteme sog Zeichnungsfunktionalitäten geschaffen, die wenig anderes sind als eine Nutzung der vom Sekundärmarkt bekannten Ordersysteme, ergänzt um ein paar zusätzliche Regelungen. Das hierbei übliche Prozedere ist im Wesentlichen wie folgt beschaffen:

• •

Die potenziellen Anleihezeichner erteilen – unlimitierte oder zum (festen) Ausgabepreis limitierte – Kaufaufträge, welche ihre Bank über die üblichen Orderwege an die Börse übermittelt. Die Kaufaufträge werden börsentäglich solange vollständig zugeteilt, wie das gesamte Zeichnungsvolumen geringer ist als die Menge angebotener Wertpapiere. Insoweit kommt also in der Regel schon am Tag der Aufgabe der Zeichnungsorder ein Kaufvertrag über die georderten Anleihestücke zustande – der freilich bis zum Ende der Zeichnungsphase unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Anleihestücke nicht bege-

2.6 Emissionsfinanzierung

131

ben werden (was wohl zum Tragen kommt, falls die nachmalige Zeichnungsmenge ganz erheblich unter den Erwartungen bzw. der Angebotsmenge zurückbleibt). • An jenem Tag, an dem die Zahl insgesamt georderter Stücke die vom Emittenten vorgegebene (oder im Laufe der Zeichnungsphase angepasste) Höchstzahl erreicht bzw. überschreitet, wird die Zeichnungsphase beendet. (Nur) für diesen Tag ist ggf. nach einem bestimmten Schlüssel im Rahmen einer Teilzuteilung über die Annahme bzw. (partielle) Ablehnung der Zeichnungsorders (= Kaufaufträge) zu befinden. • Über die jeweils zustande gekommenen Umsätze wird börsentäglich unterrichtet, wobei den üblichen Börsenkürzeln der Buchstabe „P“ beigegeben wird. Eine übliche Preisbekanntmachung wird demnach auf „100 bP“ bzw. nur „100 P“ (bezahlt Primärmarkt) lauten, für den Tag der Zeichnungsschließung freilich auch „100 bGP“ (bezahlt Geld Primärmarkt) oder gar „100 ratGP“ (rationiert Geld Primärmarkt), im Falle eines wenig erfolgsträchtigen „Angebotes“ natürlich auch „100 BP“ (Brief Primärmarkt). (Die mit „P“ gekennzeichneten Preise gelten allerdings nicht als Börsenpreise im üblichen Sinne, sondern werden gar als außerbörsliche Preise bezeichnet.) • An einem vorgesehenen Tag kurz nach dem Ende der maximal vorgesehenen Zeichnungsphase werden die abgeschlossenen Geschäfte nach den üblichen Zahlungs- und Belieferungsverfahren abgewickelt. Kurz darauf setzt die bekannte Börseneinführung mit „echter“ börslicher Notiz der auf die beschriebene Weise beim Publikum untergebrachten Teilschuldverschreibungen im börslichen Sekundärmarkthandel ein. Die Umsätze auf dem börslich arrangiertem Primärmarkt – der im Übrigen auch für „kleinere“ Emissionen von Aktien sowie Genussscheinen praktiziert wird – sind ebenso wie auf dem herkömmlichen, börsenfreiem Primärmarkt courtagefrei. Der wesentliche Unterschied ist somit das Verfahren der Zuteilung. Aus Anlegersicht mag man diesen Unterschied als Vorteil werten, weil der Zeichnungsinteressierte einer ansonsten bei Neuemissionen bekannten Zuteilungsunsicherheit großteils enthoben ist. Denn in dem üblichen, etwa von Aktienneuemissionen bekannten Verfahren wird über die Zuteilung ja erst nach Ende der Zeichnungsphase befunden, wobei die orderindividuelle Zuteilungsberücksichtigung grundsätzlich nicht davon abhängig gemacht wird, zu welchem Zeitpunkt die Zeichnungsorder innerhalb der – wenngleich ebenso vorzeitig beendbaren – Zeichnungsphase eingegangen ist (vgl. Abschnitt 2.6). Das oben erörterte Prozedere begünstigt demgegenüber den Frühzeichner in der Weise, dass jeder, der nur zeitig vor einem „Ausverkauf“ seine Order aufgibt, unabhängig von der nachmaligen gesamten (möglichen) Nachfragemenge zum Zuge kommen wird. Der Markt für Mittelstandsanleihen steht allerdings wegen eines anderen Charakteristikums als der beschriebenen, finanzwirtschaftlich bemerkenswerten Zuteilungsfunktionalität im Blickpunkt des Interesses: wegen der auffallend hohen Zinskupons, mit denen die Anleiheangebote versehen sind. Das übliche Spektrum reicht dabei von ungefähr 5 bis 10% p.a., mithin durchaus ein Mehrfaches dessen, was erstklassige Staats- und Unternehmensschuldner in der Niedrigzinsphase neuen Anleihegläubigern zu zahlen haben. Als Grund der hohen Niveaus wird häufig vermutet, dass der Emittent kein Kreditinstitut auftun konnte, das zum Abschluss eines klassischen Firmenkredites bereit war. Falls diese Mutmaßungen auf breiter Basis zutreffen sollten, ist zu befürchten, dass der Markt für Mittelstandsanleihen eine negative Auslese jener Emittenten darstellt, die anderweitig keinen Kredit finden konnten. So dies zutrifft und die Banken vor dem Hintergrund des jeweiligen Kreditausfallrisikos recht darin taten, entsprechende Kreditgesuche abschlägig zu bescheiden, ist freilich zu befürchten, dass ebendiese Risiken gehäuft bei der Anlegerschaft schlagend werden werden. Die Nachrichten

132

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

aus einigen der Schuldnerunternehmen sowie die bisherige Kursentwicklung diverser Mittelstandsanleihen als auch das Indexniveau von Performanceindizes für Mittelstandsanleihen zeigen durchaus in diese Richtung. [Hinweis: Der Begriff „Primärmarkt“ wird mittlerweile noch in einer weiteren Weise verwendet, weil er einigen Börsenmanagern (oder deren Marketingassistenten) offenbar so gut gefiel, dass nun ein bestimmtes Handelsmarktsegment der Börse danach geheißen ist; somit gibt es nun einen börslichen Sekundärmarkt mit dem Namen „Primärmarkt“– ein spezielles Handelssegment im Freiverkehr der Börse Düsseldorf mit Emittentenpflichten, die teils über das im Freiverkehr Übliche hinausgehen, z.B. obligatorische Publikationen im Internet. Das mag dem älteren Börsenkenner befremdlich erscheinen, aber solange sich Merkwürdigkeiten im Finanzsektor auf den sprachlichen Bereich beschränken, sollten sie immerhin nicht mit Vermögensverlusten einhergehen.]

2.7

Zinsderivate (Derivate I)

2.7.1

Grundlegendes

Derivate im Allgemeinen sind Finanzkontrakte (Verträge), die Zahlungsansprüche und pflichten21 zwischen zwei Parteien definieren, wobei zumeist der Betrag mindestens einer Zahlung nicht im Vorhinein feststeht, sondern aus anderen Finanzgrößen in zukünftigen Zeitpunkten abgeleitet wird („derivare“ = lat. „ableiten“). Zinsderivate sind solche Derivate, bei denen die Ableitung sich auf Zinssätze oder zinsaffine Größen bezieht. Ebenfalls zu den Zinsderivaten gezählt werden üblicherweise solche Kredit- oder Rentenpapiergeschäfte, bei denen der Zahlungsfluss erst längere Zeit nach Vertragsabschluss (typischerweise einige Monate bis mehrere Jahre) stattfinden soll, der künftige Zinssatz/Preis jedoch bereits bei Vertragsabschluss unveränderlich festgelegt wird (= [unbedingte] Termingeschäfte). Das Geschäft mit Zinsderivaten hat mittlerweile eine kaum überschaubare Vielfalt erfahren. Wir wollen in diesem Grundlagentext nur einige der bedeutenderen Varianten vorstellen und verzichten an dieser Stelle auch auf eine detaillierte Systematisierung. Statt derer seien kurz einige zentrale Aspekte der Gestaltungsprinzipien von Zinsderivaten angerissen. Bezüglich der Bedingungsabhängigkeit künftiger Zahlungen gibt es zwei grobe Gestaltungsstränge:





21

Die Zahlungsansprüche der ersten Partei (= Zahlungspflichten der zweiten) sind von keinen Bedingungen abhängig, während die Zahlungsansprüche der zweiten Partei (= Zahlungspflichten der ersten) der Höhe nach von bestimmten Bedingungen (bezüglich Zinsgrößen) abhängig sind. Zahlungsansprüche und Verpflichtungen beider Parteien sind bedingungsabhängig.

Zuweilen werden statt Zahlungen auch andere Rechte bzw. Pflichten vereinbart wie z.B. die Lieferung von Wertpapieren.

2.7 Zinsderivate (Derivate I)

133

Ein weiteres wichtiges Kriterium betrifft den Börsenhandel. Einige Zinsderivate sind börsengehandelt, andere nicht. Der Börsenhandel setzt eine Standardisierung voraus, während die nichtbörsengehandelten Kontrakte zwischen den Vertragsparteien individuell ausgehandelt werden können.22 Der Vorteil der Börsennotierung liegt in der relativ einfachen Möglichkeit, ein einmal kontrahiertes Derivatgeschäft wieder zu lösen. Prinzipiell ist diese Möglichkeit zwar auch ohne Börsenhandel gegeben, setzt dann aber je nach Fall mehr oder weniger komplizierte Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien voraus. Schließlich gibt es bezüglich der Festlegung von bedingungsabhängigen Zahlungen einige Variationsmöglichkeiten: – Die einfachste Variante ist eine schlichte und sofort geltende 1:1-Bindung zwischen einer einzigen Bedingungsgröße und der an sie knüpfenden Zahlungspflicht, also z.B. eine Zahlung an einem festgelegten Tag x (z.B. 30. Juni) in Höhe des Euribor zu einem scharf definierten Zeitpunkt y (z.B. 15. Juni), 23 bezogen auf das Nennwertvolumen des Zinsderivats; – Abwandlungen entstehen etwa durch den Einbau einer Vorlaufzeit, in der die Bindung noch nicht gilt, sondern fixe oder gar keine Zahlungen vereinbart sind, oder – komplexere als einfache 1:1-Bindungen, z.B. Durchschnittswerte oder die Verwendung mehrerer Bedingungsgrößen, die miteinander algebraisch verknüpft werden (Differenzen- oder Quotientenbildung etc.). Aus diesen Gestaltungsmöglichkeiten haben sich am Markt insbesondere drei wesentliche Gruppen von Zinsderivaten herausgebildet:



Forward-Kontrakte dienen der Festlegung von Zinskonditionen für Zeiträume, die erst in der Zukunft beginnen. • Swaps definieren laufende Zahlungsansprüche und -verpflichtungen zwischen zwei Vertragspartien, die in der Regel darauf hinauslaufen, dass die Parteien feste gegen variable Zahlungen „tauschen“. • Zinsoptionen (insb. Caps/Floors) begründen eine asymmetrische Konstellation zwischen den Vertragsparteien: Der Käufer einer Zinsoption erwirbt das Recht auf eine bedingte, marktzinsabhängige Zahlung, deren Höhe schlimmstenfalls null werden kann, jedoch nicht negativ. Der Verkäufer wird dementsprechend bei Fälligkeit der Option bestenfalls nichts zahlen müssen, aber auf keinen Fall etwas bekommen; dafür erhält er zum Ausgleich dieser asymmetrischen Position bei Vertragsbeginn eine sichere Prämienzahlung vom Optionskäufer. In den folgenden Abschnitten wollen wir uns mit diesen drei gängigen Typen von Zinsderivaten etwas näher befassen.

22

23

Ein weiteres Problem des Börsenhandels betrifft den Sachverhalt, dass einige Derivate nach dem Vertragsabschluss noch Zahlungspflichten auf beiden Seiten auslösen können. Dies ist ein grundlegender Unterschied zum Handel in herkömmlichen Wertpapieren, bei denen nach der Emission ausschließlich der Emittent Zahlungen an den Wertpapierinhaber leisten wird – von exotischen Ausnahmen wie etwa ausstehenden Einlagen bei Aktien einmal abgesehen. Daher trägt im börslichen Derivatehandel ein ausgefeiltes System der Sicherheitenhinterlegung („Margin-System“, vgl. Abschnitt 5.2.4) dafür Sorge, dass die Teilnehmer am Derivatemarkt ihren Verpflichtungen in der Regel auch nachkommen können. Der Euribor wird nur tageweise festgestellt. Bei anderen Referenzobjekten wie etwa einem Aktienindex kann neben der Tages- auch die Uhrzeit eine bedeutsame Rolle spielen.

134

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

2.7.2

Forward/FRA

Das Forward-Darlehen ist ein in der Gegenwart geschlossener Kreditvertrag mit denselben Rechten und Pflichten wie sie ein herkömmlicher Kreditvertrag mit sich bringt. Der einzige Unterschied liegt in der erst in der weiteren Zukunft beginnenden Zahlungswirksamkeit des Kredites. Es gibt also eine zahlungslose „Vorlaufzeit“. Erst nach dieser Zeit zahlt der Kreditgeber den Auszahlungsbetrag, woran sich die üblichen Zahlungspflichten des Kreditnehmers anschließen. Unser Beispiel zeigt den Zahlungsstrom eines endfälligen Forward-Darlehens mit zweijähriger Vorlaufzeit, das über 5 Jahre gewährt wird. Die Zeit vom Vertragsabschluss bis zur Beendigung durch die endfällige Tilgung umspannt also 7 Jahre. Auszahlung Darlehen

Vereinbarung

0

1

jährliche Zinszahlungen

Rückzahlung

2

3

4

5

6

7

+100

–4

–4

–4

–4

–104

Ein Forward-Darlehen bietet dem Darlehensnehmer die Möglichkeit, einen Zinssatz für die Zukunft festzuschreiben. Die Zinssicherheit „erkauft“ sich der Darlehensnehmer im Falle einer normalen Zinsstruktur mit einem Zinsaufschlag. Zudem geht er der Chance verlustig, von sinkenden Zinssätzen Vorteil zu nehmen. Das Zahlungsergebnis eines Forward-Darlehens kann auch künstlich erzeugt werden mit Hilfe eines Forward Rate Agreement (FRA). So wird mit einem FRA wie beim ForwardDarlehen für ein vereinbartes Betragsvolumen über eine kalendermäßig bestimmte Zeit ein fester Zinssatz vertraglich zugrunde gelegt. Jedoch wird nicht der gesamte Zahlungsstrom tatsächlich abgewickelt. Vielmehr beschränken sich die Zahlungen zwischen den FRAParteien auf sog. Ausgleichszahlungen, die so bemessen sind, dass nach Ablauf der Vorlaufzeit ein zum dann herrschenden Zinsniveau zu vereinbarender Kredit inklusive dieser Ausgleichszahlungen zu den gleichen Zahlungswirkungen führt als wäre der Kredit zu jenem Zinssatz, der im Abschlusszeitpunkt des FRA am Markt herrschte, abgeschlossen worden. Es kommt bei der Ausgleichszahlung also zu einer Kompensation der Zinsdifferenz vom vertraglich festgesetzten FRA-Zinssatz (auch kürzer FRA-Satz genannt) und dem Referenzzins für die festgelegte Laufzeit. Was in der abstrakten Beschreibung ein wenig kompliziert klingen mag, lässt sich an einem Beispiel ganz einfach verdeutlichen. Wir orientieren uns dazu an unserem obigen ForwardDarlehen und nehmen nun an, in t = 0 sei statt eines Forward-Darlehens ein FRA mit einem Satz von 4% abgeschlossen worden. Nach Ablauf der zweijährigen Vorlaufzeit sei aber das Zinsniveau für endfällige Kredite fünfjähriger Laufzeit (Referenzzins) 6% hoch. Dann brächte eine Kreditaufnahme folgenden Zahlungsstrom mit sich:

2.7 Zinsderivate (Derivate I)

135

2

3

4

5

6

7

+100

–6

–6

–6

–6

–106

Dieser wird durch folgende Ausgleichszahlungen, die die eine FRA-Partei – die Praxis bezeichnet sie als Verkäufer des FRAs – an die andere Partei (man nennt sie Käufer des FRAs) zu leisten hat.

2

3

4

5

6

7

+2

+2

+2

+2

+2

Falls der Referenzzinssatz hingegen unter das Niveau des FRA-Satzes gefallen sein sollte, würde der Käufer Ausgleichszahlungen an den Verkäufer leisten müssen. Damit ist der Käufer im Endeffekt in jedem Fall genau so gestellt als wenn er – wie oben beschrieben – in t = 0 ein Forward-Darlehen zum alten Marktzinssatz von 4% abgeschlossen hätte. In der Praxis des FRA-Geschäfts dient als Referenzzins häufig ein kurzfristiger Marktzinssatz, insbesondere der Euribor. Zudem hat sich durchgesetzt, dass die Ausgleichszahlungen diskontiert werden, weil am Ende der Vorlaufzeit ohnehin keinerlei Unsicherheit mehr über deren Höhe besteht. Somit kann das FRA-Geschäft bereits kurz nach Beendigung der Vorlaufzeit durch Zahlung eines Betrages in Höhe des Barwertes der Ausgleichszahlungen vollständig abgewickelt werden. Wir zeigen das an einem Beispiel: Beispiel 2.15: Ein Kunde A benötigt in drei Monaten einen 3-Monats-Kredit über 5 Mio. Euro und möchte sich bereits heute, am 21. Februar, gegen steigende Zinsen absichern. Daher kauft er von einer Bank B einen sog. FRA „3 gegen 6 Monate“. Daten des Beispiels: Zugrunde liegender Betrag: FRA-Vertragszinssatz: T0 Abschlussdatum: T1 (Zins-) Laufzeit des FRA: Referenzzinsfeststellung:

T2

Endfälligkeit des FRA:

5 Mio. Euro 8,0% 21. Februar ab 21. Mai 19. Mai (üblicherweise zwei Bankarbeitstage vor Beginn der FRA-Laufzeit) 21. August (nach 92 Tagen Laufzeit)

136

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Der eigentliche „Lebenslauf“ dieses FRA lässt sich durch folgende Abbildung veranschaulichen:

Abb. 2.06:

„Lebenslauf“ eines Forward Rate Agreement (FRA)

Als relevanter Marktzinssatz sei diesem FRA der DREI-MONATS-EURIBOR zugrunde gelegt; es wird somit hier unterstellt, dass der Kunde A entgegen der Praxis keinen EURIBORAufschlag zu zahlen hat. Usancegemäß zwei Bankarbeitstage vor Beginn der eigentlichen FRA-Laufzeit findet die Referenzzinsfeststellung statt (das sog. Fixing), also am 19. Mai. An diesem Tag betrage der DREI-MONATS-EURIBOR 8,5%. Wenn der Kunde A nun einen 3Monatskredit aufnähme oder aufnimmt, hätte/hat er die entsprechenden Zinsen naturgemäß am 21. August zu entrichten. Für das FRA erfolgt aber bereits am 21. Mai ein Barausgleich: Der FRA-Käufer A erhält von Bank B 8,5%–8% = 0,5% p.a. auf 5 Mio. Euro für 92 Tage, diskontiert auf den 21. Mai. Er ermittelt sich wie folgt:

5.000.000 Euro ⋅ 0,5% ⋅

92 Tage 360 Tage

6.388,89 Euro

(

1 + 8,5% ⋅

92 Tage 360 Tage

)

= 6.388,89 Euro

= 6.253, 06 Euro .

Kunde A kann nun den 3-Monats-Kredit zu 8,5% aufnehmen. Die höheren Finanzierungskosten werden durch die Zahlung des Barausgleichs aus dem FRA wirtschaftlich exakt ausgeglichen. Denn es bedarf nun eines Kredites über nur noch 4.993.746,94 Euro, der nach 92 Tagen eine Zahlung an die Bank für 8,5% Zins und Tilgung von 5.102.222,22 Euro erfordert. Genau derselbe Betrag würde nach 92 Tagen fällig bei einer Kreditaufnahme über 5 Mio. Euro zu 8% Zins. Abschließend zum FRA sei eine terminologische Notiz nachgetragen. Die Einordnung des FRAs in eine Derivateklasse ist aufgrund der beschriebenen Eigenschaften nicht ganz einfach. Beim FRA gibt es nur eine zahlungsleistende Partei (und nur eine zahlungsempfangende). Bei Vertragsabschluss steht jedoch nicht fest, welche Partei wird zahlen müssen (in den seltenen Fällen einer Gleichheit von FRA-Satz und Referenzzins keine der beiden). Da beide Parteien einen bedingten Zahlungsanspruch (und damit auch eine bedingte Zahlungsverpflichtung) haben, könnte man das FRA den bedingten Zinsderivaten zuordnen. Aufgrund der verbindlichen Festlegung des FRA-Zinssatzes zu Beginn einer FRA-Vereinbarung wird das FRA aber häufig den (unbedingten) Termingeschäften zugerechnet, obgleich es sich bei dem Mechanismus der Ausgleichszahlung zweifellos um eine bedingungsabhängige Zahlung handelt.

2.7 Zinsderivate (Derivate I)

137

Übungsaufgabe 2.20: Kunde B möchte sich gegen sinkende Zinsen sichern. Für ein in etwa acht Monaten anzulegendes 3-Monats-Termingeld soll das aktuelle Zinsniveau erhalten bleiben. Dazu verkauft er einer Bank A ein sog. FRA „8 Monate gegen 11 Monate“. Daten: Betrag 5 Mio. Euro; FRA-Vertragszinssatz 6,3%; Abschlussdatum 11. Februar; Laufzeit des FRA: 29. September bis 29. Dezember des gleichen Jahres. Zwei Tage vor Laufzeitbeginn des FRA beträgt der EURIBOR 6%. a) Ermitteln Sie den Betrag der Ausgleichszahlung! b) Überprüfen Sie, zu welchem Endguthaben per 29. Dezember (1) die Anlage von 5 Mio. Euro zu 6,3% sowie (2) die Anlage von 5 Mio. Euro zuzüglich der unter a) ermittelten Zahlung zu 6% führen würden.

2.7.3

Zinsswap

Merkmal jedes Zinsswaps ist, dass beide Vertragsparteien während der Vertragslaufzeit sowohl Zahlungsansprüche als auch Zahlungspflichten treffen. Im üblichen Fall hat eine Swappartei von Vertragsbeginn an feststehende Zahlungen zu leisten, während die Zahlungspflicht der anderen Partei variabel ist. Man spricht daher auch vom „Tausch“ (= Swap) eines festen gegen einen variablen Zins. Das Volumen sowohl der festen wie der variablen Zahlungen ergibt sich über die Multiplikation einer vertraglichen Bemessungsgrundlage – dem Nennvolumen des Zinsswaps – mit einem Zinssatz. Der variable Zins knüpft an einen anerkannten Referenzzins an, sehr häufig den 3-Monats-Euribor. Die Höhe des jeweils vereinbarten festen Zinses wird von den Vertragsparteien individuell festgelegt. Bei einem Zinsswap leistet z.B. Unternehmen A Zinszahlungen zu einem variablen Zinssatz, während das Unternehmen B als Gegenleistung Zinszahlungen zu einem festen Zinssatz zu erbringen hat. Der mögliche Hintergrund dieses Geschäftes ist aus B’s Sicht: B muss aus anderweitigen Finanzierungen variable Zinsen zahlen und sichert sich durch den „aufgesattelten“ Swap im Endeffekt eine feste Zinsbelastung; B bekommt also eine Absicherung gegen Zinserhöhungsrisiken bei gleichzeitigem Verzicht auf Zinssenkungschancen. Folgende Abbildung zeigt schematisch die Beziehungen auf.

138

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen (2)

Unternehmen A

Unternehmen B (1)

(4)

Geldgeber

(3)

Geldgeber

1 variable Zinszahlungen aus einem einfachen Zinsswap 2 feste Zinszahlungen aus einem einfachen Zinsswap 3 variable Zinszahlungen von Unternehmen B an einen Geldgeber für einen in der Regel kurzfristigen Kredit 4 feste Zinszahlungen von Unternehmen A an einen Geldgeber für einen in der Regel langfristigen Kredit Abb. 2.07:

Zinsswap

Das Swapgeschäft ist eine gängige finanzintermediäre Leistung geworden. Daher ist eine der Vertragsparteien eines Swaps zumeist eine Bank, wodurch das Geschäft mit Zinsswaps eine institutionelle Standardisierung erfahren hat. Dank dieser Standardisierung ist ein sehr umsatzstarkes Marktgeschehen entstanden, das es erlaubt, die Höhe der festen Zinssätze von Zinsswap-Vereinbarungen nahezu kontinuierlich zu beobachten. Der feste Zinssatz wird dabei der Einfachheit halber mittlerweile als „Swapsatz“ (manchmal auch: „Swapzinssatz“) bezeichnet. Der Swapsatz ist eine laufzeitabhängige Größe. Der feste Zins eines über zwei Jahre laufenden Zinsswaps kann z.B. kleiner sein als der eines zum selben Zeitpunkt vereinbarten Zinsswaps zehnjähriger Laufzeit. Mit der regelmäßigen Feststellung von Swapsätzen ist das Swapgeschäft selbst zu einem „referenzfähigen“ Standard geworden. Damit sind nun auch Swapgeschäfte möglich, die ihrerseits wiederum auf Swapgrößen als Referenzsätze zugreifen. Dies geschieht etwa beim „Constant Maturity Swap“ (CMS). Ein variabler Zins des CMS richtet sich nach dem Swapsatz einer bestimmten Laufzeit, z.B. eine halbjährliche Anpassung an den am Markt jeweils geltenden Swapsatz für Zinsswaps zehnjähriger Laufzeit. Die Laufzeit des „referenzierten“ Zinsswaps bleibt stets gleich, daher die Bezeichnung „Constant Maturity“. Ein weiteres Beispiel der Komplexitätssteigerung bei Swap-Kontrakten ist der CMS-Spread-LadderSwap, den wir später ausführlicher behandeln werden (im Abschnitt 7.2.1.4). An dieser Stelle beschränken wir uns auf ein Beispiel eines einfachen Zinsswaps, für den das sog. Prinzip des komparativen Vorteils dargestellt werden soll.24 Wir nehmen dabei an, es handele sich um einen bilateral ausgehandelten Zinsswap zwischen zwei Industrieunternehmen und nicht, wie zunehmend üblich, um einen standardisierten Swapvertrag zwischen einer Bank und ihrem Kunden.

24

Die Grundidee ist in den Wirtschaftswissenschaften als RICARDOS THEOREM über komparative Kostenvorteile (nach DAVID RICARDO, 1772 – 1823) schon seit langem bekannt.

2.7 Zinsderivate (Derivate I)

139

Beispiel 2.16: Die möglichen Finanzierungskosten von Unternehmen A und Unternehmen B vor Abschluss eines Zinsswap seien: Finanzierungskosten A: Festsatz 9,0% Variabler Satz EURIBOR Finanzierungskosten B: Festsatz 10,50% Variabler Satz EURIBOR plus 0,50% In Verbindung mit einer Zinsswap-Vereinbarung ist nun geregelt, dass Unternehmen A, das eigentlich eine Finanzierung auf variabler Zinsbasis anstrebt, eine Festzinsanleihe zu 9,0% emittiert. Das Unternehmen B, das eigentlich eine Finanzierung auf Festzinsbasis benötigt, nimmt einen Kredit mit variablem Zins zu EURIBOR plus 0,50% in Anspruch. Diese Zinszahlungsverpflichtungen werden getauscht. Unternehmen A erhält von B Festzinsen in Höhe von 9,0%, während Unternehmen B von A variable Zinsen von EURIBOR minus 0,75% erhält. Effektiv zahlt A nun variable und B feste Zinsen. Insgesamt ergeben sich für beide Unternehmen die folgenden Zinszahlungsverpflichtungen: • Unternehmen A erhält von B Festzinszahlungen in Höhe von 9% (= Swapsatz dieser Vereinbarung). Es zahlt für die Festzinsanleihe ebenfalls 9%. Und leistet zudem variable Zinszahlungen von EURIBOR – 0,75% an das Unternehmen B. Insgesamt folgt aus diesen Zinszahlungen ( 9,0%− 9,0%−[EURIBOR − 0,75%]) = −[EURIBOR −0,75%]= − EURIBOR + 0,75%,

Als „Einzelkämpfer“ hätte Unternehmen A für eine Finanzierung zu variablen Konditionen Zinsen in Höhe des Euribor zahlen müssen. Als Folge des Zinsswaps hat es im Endeffekt aber nur eine um ¾%-Punkte niedrigere Belastung zu tragen. • Unternehmen B zahlt 9% Festzinsen an A und für den aufgenommenen Kredit einen Zins von EURIBOR + 0,5%-Punkte. Es erhält jedoch von A variable Zinszahlungen in Höhe von EURIBOR – 0,75%. Hieraus resultiert eine Festzinsverpflichtung von ( −9,0%−[EURIBOR + 0,5%] + [EURIBOR − 0,75%]) = − 10, 25% , was gegenüber der Vergleichssituation ohne Zinsswap eine um 0,25%-Punkte günstigere Finanzierung darstellt. Der komparative Vorteil insgesamt beträgt in diesem Beispiel 1%-Punkt. Dieser komparative Vorteil wird in der individuellen Vertragsgestaltung zwischen den beiden Partnern aufgeteilt. Die jeweils vereinbarte Aufteilung ist abhängig von der Verhandlungsmacht der beiden Partner des Zinsswaps. Diese wiederum dürfte von der jeweiligen Bonität der Partner abhängen. Wie die Ausgangsdaten zeigen, hat das Unternehmen B offenbar eine schlechtere Bonität, so dass entsprechend eine 75:25-Aufteilung zugunsten von Unternehmen A denkbar ist. Dementsprechend spart Unternehmen A 0,75%-Punkte und Unternehmen B nur 0,25%-Punkte im Vergleich zu der jeweiligen Situation ohne Vereinbarung eines Zinsswap. Es sei aber diesem Beispiel kritisch hinzugefügt, dass es sehr spezifische Konstellationen am Kreditmarkt voraussetzt. Ansonsten dürften durch solche Umtauschoperationen keine Einspareffekte entstehen. Es ist zu hinterfragen, warum die Gesamtheit der Kapitalgeber die gesamte Höhe der gegen Unternehmen A und B geforderten Kreditgegenleistungen davon abhängig macht, welcher Schuldner fest und welcher variabel finanziert. Stellen wir uns etwa vor, eine Bank sei Kreditgeber beider Unternehmen. Dann wäre ihre „gesamte

140

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Zinsforderung“ 9,5 plus Euribor, falls A fest und B variabel finanziert, jedoch 10,5 plus Euribor im umgekehrten Falle. Das ist nur plausibel, wenn die Bank die Unterschiede in den Ausfallwahrscheinlichkeiten bei festen Zinssätzen als sehr viel größer einschätzt denn im Falle variabler Zinssätze. Dafür mag es im praktischen Einzelfall gute Gründe geben, die Regel wird es aber nicht sein. Das obige Beispiel hat gezeigt, dass unter gewissen Voraussetzungen beide Vertragsparteien eines Zinsswaps zu günstigeren Finanzierungskosten gelangen können. Allerdings stammt diese Geschäftsart eher aus der Frühzeit des „Swappens“ und muss heute schon als traditionelles Swapgeschäft bezeichnet werden. Im modernen Swapgeschäft hingegen steht nicht mehr ein komparativer Vorteil im Vordergrund, sondern die Anpassung bestehender Festzinsgeschäfte an die subjektiven Zinserwartungen von Kreditnehmer und -geber. So kann sich etwa ein Kreditnehmer, dessen festverzinsliches Darlehen noch über eine mehrjährige Restlaufzeit verfügt, über den Abschluss eines Zinsswaps für die Zukunft so stellen, als sei er Schuldner eines variabelverzinslichen Darlehens. Daher wird das Gros der Swapgeschäfte heute nicht mehr bilateral zwischen Industrieschuldnern geschlossen, sondern ganz überwiegend als standardisierte Finanzdienstleistung im engeren Sinne zwischen Finanzintermediären und deren Kunden. Dabei bietet der Finanzintermediär mehrere Swap-Laufzeiten an, die er – nach Art eines Market-Makers – mit einer „Zinsspanne“ bezüglich des Swapsatzes versieht. Tab. 2.09:

Swapsätze (Quelle: WestLB; Stand: September 2007)

Laufzeit 1 J. 2 J. 3 J. 4 J. 5 J. 6 J. 7 J. 8 J. 9 J. 10 J. 15 J.

Briefsatz 4.58 4.48 4.47 4.51 4.52 4.54 4.57 4.59 4.62 4.65 4.78

Geldsatz 4.53 4.43 4.42 4.46 4.47 4.49 4.52 4.54 4.57 4.60 4.73

Die Tabelle zeigt Swapsätze der WestLB für Zinsswaps unterschiedlicher Laufzeiten. Der Briefsatz ist der fixe Zinssatz, zu dem die WestLB bereit ist, in einem Zinsswap für die gesamte Laufzeit den 6-Monats-Euribor zu zahlen und diesen festen Satz zu empfangen. Der Geldsatz ist der fixe Zinssatz, zu dem die WestLB bereit ist, in einem Zinsswap für die gesamte Laufzeit den 6-Monats-Euribor zu empfangen und diesen festen Satz zu zahlen. Schauen wir uns z.B. die Zeile für die dreijährige Laufzeit an. Wenn die WestLB in einem dreijährigen Zinsswap die Seite des Festzinszahlers einnimmt, so zahlt sie ihrem Swapkunden drei Jahre lang den festen Satz von 4,42%, während der Kunde seinerseits den jeweils geltenden 6-Monats-Euribor an die WestLB zu zahlen hat. Tritt die WestLB hingegen in einem dreijährigen Zinsswap als Festzinsempfänger auf, so zahlt sie ihrem Swapkunden drei

2.7 Zinsderivate (Derivate I)

141

Jahre lang den jeweils geltenden 6-Monats-Euribor, während der Kunde seinerseits den festen Satz von 4,47% an die WestLB zu zahlen hat. Terminologisch hat sich durchgesetzt, einen Zinsswap aus Sicht einer Vertragspartei als Payer-Swap zu bezeichnen, wenn die Partei feste Zahlungen zu leisten hat und als Receiver-Swap, wenn die Partei variable Zahlungen zu leisten hat, also feste Zahlungen empfängt. Jeder Zinsswap ist also für eine Partei ein Payer-Swap und für die andere ein Receiver-Swap. Bei einem Swap bleiben also, wie beim FRA, die zugrunde liegenden Nominalbeträge unberührt und lediglich die „Zinsströme“ werden zu den verschiedenen Fälligkeitszeitpunkten „ausgetauscht“. Der Unterschied zwischen Swap und FRA liegt darin, dass beim FRA einmalig am Ende der Vorlaufzeit für die gesamte Zeit bis zum Vertragsende eine Ausgleichszahlung in Abhängigkeit vom dann herrschenden Zinsniveau festgelegt wird, beim Swap hingegen mehrmalig in festgelegten Intervallen. Die Zahlungswirkungen des Swaps sind also abhängig vom Zinsniveau mehrerer Zeitpunkte, die des FRAs von nur einem. Daher kann ein Swap auch durch eine Aneinanderreihung von mehreren FRAs zahlungsidentisch ersetzt werden. Weitere spezielle Formen von Swapgeschäften wie Forward Swaps (Swaps, deren Laufzeit erst eine bestimmte Zeit nach Abschluss des Geschäftes beginnt) oder Swaptions (Optionen auf Swaps) sollen hier nicht näher erläutert werden.

2.7.4

Cap

Der Cap ist eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, durch den sich die eine Partei (Verkäufer des Caps, oft ein Finanzdienstleister) gegen Erhalt einer – i.d.R. sofort bei Vertragsabschluss zahlbaren – Prämie verpflichtet, der anderen Partei (Käufer des Caps) zu festgelegten Zeitpunkten einen Geldbetrag in Höhe einer Prozentpunktdifferenz auf einen Referenzbetrag zu zahlen, und zwar in dem Maße, wie ein definierter Referenzzins eine bestimmte Grenze (z.B. 7%) überschreitet. Der Inhaber eines Cap profitiert also umso mehr, je weiter der Referenzzins zu den maßgeblichen Zeitpunkten die vereinbarte Grenze überschreitet. Bei einem Cap handelt es sich somit um eine Option, d.h. ein vereinbartes Recht. Mit einer solchen Option kann sich der Käufer eines „aufgesattelten“ Caps gegen steigende Zinsen über das Cap-Niveau hinaus absichern, falls ihn aus anderen Finanzierungsgeschäften entsprechende variable Zinsverpflichtungen treffen. Falls der Euribor (als festgelegter Referenzzinssatz) den Strike (vereinbarte Zinsobergrenze) während der Laufzeit überschreiten sollte, erhält der Käufer des Caps also eine Zahlung. Dabei wird während der Laufzeit des Caps zu mehreren Zeitpunkten eine entsprechende Überprüfung vorgenommen. Die Frequenz der Zahlungen wird üblicherweise durch die Wahl des Referenzzinssatzes determiniert. So wird beispielsweise bei der Wahl des 6-MonatsEuribor eine halbjährliche Zahlung stattfinden.

142

2 Das Angebot von Finanzierungsleistungen

Beispiel 2.17: – Referenzzinssatz: EURIBOR – Zinsobergrenze: 8,75% p.a. – Cap-Prämie: 0,25% p.a. Die wirtschaftliche Wirkungsweise lässt sich in einer Ergebnisfunktion – hier bezogen auf einen einzigen Zahlungszeitpunkt – graphisch darstellen, die angibt, wie hoch das Ergebnis (Gewinn oder Verlust) eines Caps in Abhängigkeit von der Zinsentwicklung wäre. Gewinn in % 3.0

2.0 Gewinnzone möglicher Gewinn

Zinsobergrenze 8,75% plus Prämie 0,25%

1.0

1 – 0.25

2

3

4

5

6

7

8

9

10

EURIBOR in %

begrenzter Verlust Verlustzone

– 1.0 Verlust in % Abb. 2.08:

Ergebnisfunktion eines Caps für einen Zahlungszeitpunkt

Der Cap verursacht seinem Inhaber stets einen „Verlust“ in Form der Cap-Prämie. Er erwirbt dafür einen bedingten Zahlungsanspruch, der ab 8,75% wirksam wird und ihn einschließlich der Cap-Prämie bei einem EURIBOR von 9,0% in die „Gewinnzone“ bringen würde.

Übungsaufgabe 2.21: Mit einem „Floor“ – dem Spiegelbild zum Cap – verpflichtet sich der Verkäufer gegen die Zahlung einer Prämie, die Differenz zwischen dem Referenzzinssatz und der festgelegten Zinsuntergrenze auf ein vereinbartes Nominal zu zahlen, falls der Referenzzins unter die Zinsuntergrenze fällt. Stellen Sie die Wirkungsweise für den Floor bei folgenden Daten in einer Ergebnisfunktion – analog zum obigen Beispiel des Cap bezogen auf einen einzigen Zahlungszeitpunkt – graphisch dar: – Referenzzinssatz: Euribor; – Zinsuntergrenze: 6% p.a.; – Floor-Prämie: 0,25% p.a.

2.7 Zinsderivate (Derivate I)

143

Bei der Kombination aus Kauf eines Caps und Verkauf eines Floors entsteht ein sogenannter Collar. Dadurch ergibt sich unabhängig vom Referenzzinsniveau sowohl ein maximaler als auch ein minimaler Zahlungsanspruch. Die Prämieneinnahme durch den Verkauf des Floors lindert die Kosten für die Prämienzahlung des Caps bzw. eliminiert diese in bestimmten Fällen sogar vollständig („Zero-Cost-Collar“).

3

Vermögensanlage in Wertpapieren

3.1

Grundbegriffe

3.1.1

Begriff und Arten von Wertpapieren

Neben der Geldanlage bei Banken und Lebensversicherungsunternehmen (dazu mehr in Kapitel 4) stellt der Erwerb von Wertpapieren eine wesentliche Anlageform dar. Als Wertpapiere bezeichnet man Urkunden, in denen bestimmte Ansprüche in der Weise verbrieft werden, dass diese Ansprüche ohne die Vorlage der Urkunde nicht geltend gemacht werden können und der Verpflichtete nur bei Vorlage der Urkunde leisten muss. Im Zusammenhang mit der Vermögensanlage interessieren in allererster Linie solche Wertpapiere, die in der Weise fungibel sind, dass sie an Wertpapierbörsen gehandelt (sog. Effekten) oder von ihrem Emittenten jederzeit zurückgenommen werden. In der Statistik der Deutschen Bundesbank werden diese Wertpapiere nach der Art der in ihnen verbrieften Rechte grob in die drei Gruppen – der festverzinslichen Wertpapiere, – der Aktien und – der Anteile von Kapitalverwaltungsgesellschaften (Investmentzertifikate) eingeteilt. Wir werden wir uns im Folgenden an dieser Gliederung orientieren. Ein zweites Unterscheidungsmerkmal ergibt sich aus der Übertragbarkeit von Wertpapieren. Inhaberpapiere lauten nicht auf eine bestimmte Person, sondern einfach anonym auf „den Inhaber“. Dementsprechend gilt der Besitzer des Wertpapiers als der Berechtigte. Die Übertragung der in einem Inhaberpapier verbrieften Rechte vollzieht sich gem. § 929 BGB durch Einigung und einfache Übergabe der Urkunde. Ist der bisherige Eigentümer gar nicht selbst im Besitz des Wertpapiers, sondern hat er dies einem Dritten, z.B. einer Bank zur Aufbewahrung übergeben, so kann die Übergabe – und dies ist insbesondere für die Abwicklung von Börsengeschäften bedeutsam – gem. § 931 BGB durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegenüber dem Verwahrer ersetzt werden. Beispiele für derartige Inhaberpapiere sind die „normalen“ (Inhaber-) Aktien und (Inhaber-) Schuldverschreibungen oder auch – außerhalb des Bereichs der Effekten – der übliche (Inhaber-) Scheck. Orderpapiere sind demgegenüber auf den Namen eines Berechtigten ausgestellt. Dieser kann seine Rechte jedoch in der Weise an eine andere Person weiterleiten, dass er das Wertpapier auf der Rückseite mit einem Übertragungsvermerk (Indossament) versieht und es an den neuen Berechtigten übergibt. Ansprüche aus dem Wertpapier kann dementsprechend nur der in der Urkunde selbst Benannte oder eine durch entsprechende Übertragungsvermerke als legitimiert erkennbare Person geltend machen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass der Handel mit Orderpapieren transaktionstechnisch aufwendiger ist als bei Inhaberpapieren. Bei einem Übertragungsvermerk, der den Namen des neuen Berechtigten offen lässt, (Blankoindossa-

146

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

ment) kann ein Orderpapier aber de facto wie ein Inhaberpapier gehandelt werden.25 Beispiele für Orderpapiere sind – neben dem Wechsel – im Bereich der Effekten insbesondere Namensaktien und Orderschuldverschreibungen.

3.1.2

Der Börsenhandel von Wertpapieren

3.1.2.1 Aufgaben und Akteure Wertpapierbörsen dienen nicht der Emission neuer, sondern dem Handel bereits zuvor emittierter Wertpapiere. Aus Sicht der Anleger kommt den Börsen somit primär die Funktion zu, möglichst schnell und mit möglichst niedrigen Transaktionskosten einen Handel in Wertpapieren zu ermöglichen, also Kauf- und Verkaufsinteressenten zusammenzuführen. Außerdem kommt dem aus einer Vielzahl von Angebots- und Nachfrageaufträgen resultierenden Börsenkurs für viele Anleger eine wichtige Orientierungsfunktion zu. Insbesondere erleichtert der gleich noch näher zu erörternde Preisbildungsmechanismus den Abschluss von Handelskontrakten und erspart die beim Handel in nicht börsennotierten Wertpapieren notwendigen Preisverhandlungen. In Deutschland nehmen neben einigen Regionalbörsen vor allem die größte deutsche Börse in Frankfurt am Main diese Aufgaben wahr. Dort existiert auch eine Terminbörse. Auf die dort getätigten Geschäfte werden wir in Kapitel 5 noch näher eingehen. In diesem Kapitel beschränken wir uns jedoch auf sog. Kassageschäfte, bei denen Leistung und Gegenleistung unmittelbar auf den börsenmäßigen Vertragsabschluss folgen. Rechercheaufgabe: Versuchen Sie, sich mit Hilfe der „Börsenzeitung“ oder über das Internet einen groben Überblick über die Situation der deutschen Börsen zu verschaffen!

Eine wesentliche Voraussetzung dafür besteht darin, dass der Zugang zum Börsenhandel auf eine – gemessen an der Zahl aller Anleger – sehr kleine Zahl von Händlern beschränkt wird, von denen nach Einschätzung der Börsenleitung ohne weiteres zu erwarten ist, dass sie sämtliche von ihnen abgeschlossenen Börsengeschäfte auch pünktlich und präzise erfüllen. Das Geschehen an einer Wertpapierbörse wird also unmittelbar nur durch das Agieren einiger hundert zugelassener Börsenhändler bestimmt. Diese bringen allerdings nicht nur ihre eigenen Geschäfte bzw. die der Bank oder sonstigen Institution, für die sie tätig sind, in den Börsenhandel ein, sondern auch die Aufträge ihrer Kunden, also des breiten Anlegerpublikums. Private und auch institutioneller Anleger, die nicht gerade durch einen „eigenen“ Händler vertreten sind, müssen sich also stets eines offiziellen Börsenhändlers bedienen, der dann auch für die Erfüllung der entsprechenden Geschäfte selbst einstehen muss, auch wenn der auftraggebende Anleger seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, also den börsenmäßig vereinbarten Kaufpreis nicht zahlt oder die „für ihn“ verkauften Wertpapiere nicht liefert. An den Wertpapierbörsen in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern wird die Geschäftstätigkeit der Börsenhändler durch die Bestellung von Maklern unterstützt. Idealty25

Sofern der aus dem Wertpapier Berechtigte zugleich noch gewisse Verpflichtungen gegenüber dem Emittenten hat, können mit dem Blankoindossament jedoch weitere Probleme verbunden sein, auf die wir hier aber nicht eingehen wollen.

3.1 Grundbegriffe

147

pisch ist die Funktion eines Maklers dadurch gekennzeichnet, dass er sich als selbständiger Unternehmer in den ihm von den zuständigen Börsenorganen übertragenen Wertpapieren – um den möglichst vollständigen Ausgleich der von den verschiedenen Händlern entgegengenommenen Kauf- und Verkaufsaufträge mit dem Ziel bemüht, – durch die entsprechende Vermittlungsprovision, die sogenannte Courtage, möglichst hohe Gewinne zu erzielen und – im Gegensatz zu den Händlern jedoch keine Eigengeschäfte durchführt. Im realen Börsengeschehen sind allerdings diverse Abweichungen und Nuancen gegenüber diesem Idealbild zu verzeichnen. So können etwa in begrenztem Umfang auch Makler Eigengeschäfte abschließen. Im Interesse einer „glatten Kursbildung“ wird dies sogar von ihnen erwartet (s.u.). Der im Laufe der Zeit fortschreitenden Erweiterung der Aufgaben der Makler über die klassische Rolle des „reinen“ Vermittlers, versucht man in jüngster Zeit auch terminologisch gerecht zu werden, indem die Makler an den deutschen Börsen nunmehr offiziell als „Skontroführer“ bezeichnet werden. Nach dem im angelsächsischen Bereich schon lange üblichen Muster sind inzwischen auch an den deutschen Börsen neben den Maklern und den „einfachen“ Händlern sogenannte Market Maker tätig. Dabei handelt es sich ebenfalls um Börsenhändler, die sich jedoch verpflichtet haben, in den von ihnen „betreuten“ Wertpapieren auf Anfrage der „einfachen Händler“ durch die Angabe von zwei Kurswerten gleichzeitig ein verbindliches Kaufangebot (niedriger Kurs) und ein verbindliches Verkaufsangebot (höherer Kurs) abzugeben. Es liegt dann in der alleinigen Entscheidung des anfragenden „einfachen Händlers“, ob er auf eines der beiden Angebote eingeht oder sich anderweitig orientiert. Gibt der für eine bestimmte Aktie zuständige Market Maker etwa auf Anfrage die Kursspanne 217/218 an, so bietet er damit den anfragenden Händler an, ihm Aktien zum Kurs von 217 abzukaufen oder zum Kurs von 218 zu verkaufen. Market Maker sind als Idealtyp also im Gegensatz zu den übrigen Händlern dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Kundengeschäfte durchführen und ihre Eigengeschäfte nicht aktiv vorantreiben, sondern immer erst nach Ansprache durch einen anderen Händler abschließen. Um die dabei auftretenden Verkäufe realisieren zu können, benötigen sie selbstverständlich einen gewissen Transaktionsbestand. Im Idealfall ist ihr Bestreben darauf ausgerichtet, diesen Bestand im längeren Durchschnitt auf einem annähernd gleichbleibenden Niveau zu halten und entsprechend von Handelstag zu Handelstag nicht stark zu verändern, sondern stets annähernd so viele Aktien zu kaufen, wie sie auch verkaufen. Ihr Geschäftsinteresse ist mithin primär darauf gerichtet, an den Kursspannen zu verdienen und dabei insgesamt einen möglichst großen Umsatz zu erzielen. Ein Market Maker, der diesem Prinzip folgt, ist dementsprechend gezwungen, seine Quotes ständig an die jeweilige Marktlage anzupassen, da er bei zu hohen Kursen mit Verkaufsorders „zugedeckt“ würde und bei zu niedrigen Kursen Gefahr liefe, Lieferverpflichtungen in Höhe seines gesamten Transaktionsbestandes oder sogar noch darüber hinaus eingehen zu müssen.

148

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Folgendes Schaubild verdeutlicht die angesprochenen Zusammenhänge grafisch.

Abb. 3.01:

Akteure an deutschen Wertpapierbörsen

3.1.2.2 Marktzulassung und Marktsegmente im Aktienhandel Will ein Unternehmen erreichen, dass seine Aktien an einer oder mehreren deutschen Wertpapierbörsen oder auch darüber hinaus an einer ausländischen Börse gehandelt werden, so setzt dies an jeder der in Frage kommenden Börsen einen Antrag an die zuständigen Instanzen voraus. Dieser Antrag umfasst im Wesentlichen zwei Elemente:



Zum einen muss das Unternehmen nachweisen, dass es bestimmte geforderte Eigenschaften aufweist, die sich etwa auf Größe und Alter des Unternehmens, seine Aktionärsstruktur, den Geschäftsgegenstand etc. beziehen. • Zum anderen muss sich das Unternehmen für die Zukunft zur Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln, insbesondere zur Wahrung von Publizitätsstandards verpflichten, die über die nach HGB und AktG geforderten Informationspflichten hinausgehen. In Deutschland ist es zudem erforderlich, dass der Zulassungsantrag von einer weiteren Institution, etwa einem Kreditinstitut, mit unterstützt wird. Gemeinsam mit dem Emittenten haftet der Mitantragsteller unter bestimmten Umständen den späteren Aktionären, falls sich Angaben in dem Zulassungsantrag, dem sogenannten „Prospekt“, nachträglich als unvollständig oder unrichtig herausstellen (Prospekthaftung). Der Antrag des Unternehmens kann sich auf alle ausgegebenen Aktien oder aber auch nur auf bestimmte „Tranchen“ beziehen. Die Voraussetzungen für die Zulassung von Aktien zum Handel an einer deutschen Börse ergeben sich zum einen aus gesetzlichen Bestimmungen, wie sie in Deutschland etwa im Börsengesetz (BörsG) oder im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) enthalten sind, sowie zum anderen aus den jeweiligen „Geschäftsbedingungen“ der Börsen. Dabei stellen die deutschen Wertpapierbörsen verschiedene Marktsegmente bereit, die sich insbesondere hinsichtlich – der Zulassungsvoraussetzungen, – der laufenden Publizitätsanforderungen, – der Art des laufenden Handels und der Kursermittlung sowie – der Überwachung des Börsenhandels durch die zuständigen Börseninstanzen unterscheiden.

3.1 Grundbegriffe

149

Mit dem im Börsengesetz ausdrücklich vorgesehenen Segment des regulierten Marktes und dem gesetzlich lediglich „zugelassenen“, ansonsten jedoch ausschließlich durch börseninterne Regelungen bestimmten Freiverkehr sind in Deutschland – abweichend von früheren Regelungen – nur noch zwei grundlegende Marktsegmente vorgegeben. Diese sind in der genannten Reihenfolge durch abnehmende Zulassungsansprüche gekennzeichnet. Damit werden den Anlegern zwei verschiedene Sicherheitsstandards bezüglich Publizität und Geschäftsabwicklung zur Auswahl gestellt. Ein Anleger, der zum regulierten Markt zugelassene Papiere erwirbt, kann davon ausgehen, dass – bei der Zulassung zum Handel sowohl von den zuständigen Börsenorganen als auch von der als Mitantragsteller fungierenden Bank oder sonstigen Finanzdienstleistungsunternehmen besonders strenge Maßstäbe angelegt worden sind, – vergleichsweise umfangreiche Informationen über die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens verfügbar sind, – das Handelsvolumen und die Zahl der am Handel teilnehmenden Personen relativ groß sind, – die Kursermittlung nach besonders kontrollierten, für alle Beteiligten fairen Verfahren erfolgt. Beim Übergang zu Papieren des zweiten Segments muss der Anleger dann allerdings deutlichere Einschränkungen dieser Standards in Kauf nehmen. So ist es etwa bei einer nur mit geringen Umsätzen im Freiverkehr gehandelten Aktie sehr viel eher als bei einem umsatzstarken, im regulierten Markt gehandelten Wert möglich, dass etwa ein unlimitiert erteilter Kaufauftrag zu einer gegenüber den Vortagen deutlich erhöhten Kursfeststellung und damit zu einem unerwartet teuren Einkauf führt. Ein Anleger ist also gut beraten, wenn er mit fallendem Marktsegment in umso größerem Umfang Schutzmaßnahmen ergreift – etwa durch vorherige Informationsbeschaffung und Marktbeobachtung oder die zeitliche und kursmäßige Limitierung der Auftragserteilung. Dies schließt selbstverständlich keineswegs aus, dass gerade jüngere und kleinere Unternehmen, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt werden, oftmals ein ganz erhebliches Ertrags- und Wachstumspotenzial beinhalten, das zu ganz außerordentlichen Kursgewinnen führen kann. Auf der anderen Seite darf eine mögliche Beschränkung der Aktienanlage auf Werte an dem regulierten Markt nicht zu der Illusion führen, damit aller Risiken enthoben zu sein. Selbstverständlich ist es immer möglich, dass auch derartige Papiere ganz erhebliche Kursverluste erleiden oder im Extremfall bei Insolvenz des Emittenten wertlos werden. Über die beiden im Börsengesetz vorgesehenen Börsensegmente hinaus können die Börsen in Eigenautonomie weitere Segmentierungen vornehmen. So kann etwa vorgesehen werden, Aktiengesellschaften, die bestimmte, über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus gehende Standards erfüllen, zu besonderen Handelsklassen zusammenzufassen. Solche Standards können etwa folgende Elemente umfassen: Die Abgabe von Quartalsberichten, die Rechnungslegung nach internationalen Standards, die Vorlage eines Unternehmenskalenders, die Veranstaltung mindestens einer Analystenkonferenz pro Jahr sowie Ad-hoc-Mitteilungen und laufende Berichterstattung in englischer Sprache. Um die Marktteilnehmer über die Angabe von einzelnen Kursen hinaus überblicksartig über die Entwicklung „des gesamten Marktes“ oder einzelner Teilbereiche zu informieren, werden üblicherweise zumindest einmal täglich, häufig aber auch in deutlich kürzeren Zeitabständen, verschiedene Aktienindices berechnet und veröffentlicht. In Deutschland genießt der auf dreißig deutsche „blue chips“, d.h. besonders große und bedeutende Aktiengesellschaften mit

150

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

weit überdurchschnittlichen Börsenumsätzen in ihren Aktien, bezogene DAX die größte Prominenz. Rechercheaufgabe: Versuchen Sie mit Hilfe des Internets festzustellen, welche dreißig Aktien der DAX aktuell umfasst!

Es handelt sich dabei um einen sogenannten Performance-Index, dessen Berechnung, grob gesprochen, wie folgt vorgenommen wird:

• • •



Der Indexberechnung wird zunächst ein fiktives Portefeuille zugrunde gelegt, in dem die dreißig ausgewählten Aktien mit bestimmten Anteilen enthalten sind, die sich an deren „Börsenkapitalisierung“ orientieren. Der aktuelle Wert des Index gibt dann an, wie sich das Aktienvermögen eines Investors, der zum Indexstichtag (beim DAX der 30.12.1987) 1.000 GE in dieses fiktive Portefeuille investiert hätte, bis zu dem aktuellen Betrachtungszeitpunkt entwickelt hätte. Dabei wird im Hinblick auf zwischenzeitlich anfallende Bezugsrechte bei Kapitalerhöhungen und Dividendenzahlungen jeweils unterstellt, dass die entsprechenden Veräußerungserlöse bzw. Ausschüttungen sofort wieder in die zugrundeliegenden Aktien investiert werden. Weitere rechentechnische Bereinigungen werden bei sonstigen Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen, Nennwertänderungen und aus ähnlichen Anlässen vorgenommen. Schließlich wird die Zusammensetzung des fiktiven Portefeuilles von Zeit zu Zeit geändert, indem entweder nur die Gewichte der einbezogenen Werte verschoben oder die Auswahl der dreißig Aktien grundlegend verändert wird. Für die Ermittlung des Indexwertes wird bei einer Veränderung der Zusammensetzung dabei im einfachsten Fall der Fiktion gefolgt, der Inhaber des fiktiven Portefeuilles würde die aus dem Index ausscheidenden Werte zu dem dann aktuellen Kurs verkaufen und den Erlös in den neu aufzunehmenden Werten anlegen.

3.1.2.3 Handels- und Kursermittlungsformen Im Hinblick auf die Abwicklung des Börsenhandels und der dabei erfolgenden Kursermittlung kommt den folgenden beiden Varianten die größte Bedeutung zu. (1) Handel zu Gesamtkursen Das deutsche Börsensystem war lange Zeit durch den Handel zu Gesamtkursen als dominante Handelsform geprägt: Zu allen gehandelten Aktien wurde pro Tag einmal der sogenannte Kassakurs (oder auch Einheitskurs) durch den zuständigen Makler als Gesamtkurs ermittelt. Inzwischen hat der Handel zu Gesamtkursen zugunsten des Handels zu Einzelkursen allerdings an Bedeutung verloren, ist allerdings nach wie vor insbesondere bei „umsatzschwachen“ Papieren anzutreffen. Bei dieser Handelsform „sammelt“ der zuständige Makler zunächst alle sukzessive bei ihm eingehenden Orders. Diese können – entweder auf einen bestimmten Höchst- oder Mindestkurs limitiert sein – oder ohne ein solches Limit als „Bestensorder“ (bei Verkaufsaufträgen) bzw. „Billigstorder“ (bei Kaufaufträgen) erteilt werden.

3.1 Grundbegriffe

151

Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Laufe der Börsensitzung stellt er nach dem sog. Meistausführungsprinzip den Kurs fest, bei dem die Anzahl der umsetzbaren Wertpapiere am größten ist. Trifft dieses Kriterium auf mehrere Kurse gleichzeitig zu, ist als Hilfskriterium darauf zu achten, bei welchem Kurs die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage am geringsten ist. Folgendes Beispiel verdeutlicht schematisch dieses Vorgehen: Beispiel 3.01: Zu einem Wertpapier liegen unlimitierte Verkaufsaufträge über 127 Stück vor. Außerdem liegen auf die Kurse 210, 211, 212 und 213 limitiert jeweils 87, 112, 71 bzw. 93 Verkauforders vor. Die Zahl der unlimitierten Kauforders beträgt 198; außerdem liegen auf die genannten Kurse limitierte Kauforders im Volumen von 89, 72, 101 bzw. 75 vor. Daraus kann folgende Angebots-Nachfrage-Tabelle abgeleitet werden: Kurs über 213 213 212 211 210 unter 210

(„Brief“) Angebot/Verkauf 490 490 397 326 214 127

(„Geld“) Nachfrage/Kauf 198 273 374 446 535 535

mögl. Umsatz 198 273 374 326 214 127

Die Konstruktion dieser Angebots-Nachfrage-Tabelle sei beispielhaft an den zum Kurs 211 angegebenen Werten verdeutlicht: – Das Angebot von 326 zu diesem Kurs resultiert aus den 127 unlimitierten sowie den 87 auf 310 und den 112 auf 311 limitierten Verkaufsorders (127 + 87 + 112 = 326). – Die Nachfrage von 446 setzt sich analog aus den 198 unlimitierten sowie den (75 + 101 + 72 = 258) auf 311 oder höher limitierten Kauforders zusammen. Die maximale Aktienzahl könnte beim Kurs von 212 umgesetzt werden. Dieser Kurs wäre demnach als Gesamtkurs festzusetzen. Zu diesem Kurs könnten die maßgeblichen Kaufaufträge im Volumen von 374 Stück auch vollständig ausgeführt werden, nicht jedoch alle der 397 Verkaufsorders. Vielmehr verbliebe ein Angebotsüberhang von 23. Sieht man zunächst von dem seltenen Fall der Rationierung ab, so gilt folgende Erfüllungsregel: bei einem im amtlichen Handel festgestellten Einheitskurs haben alle Auftraggeber einen Anspruch auf Ausführung, die unlimitierte Orders oder höher (niedriger) als auf den Einheitskurs limitierte Kauf- (Verkaufs-) Aufträge erteilt haben. Lediglich im Hinblick auf die genau auf den Einheitskurs limitierten Orders kann es hingegen – so wie in dem letzten Beispiel – zu Angebots- oder Nachfrageüberhängen kommen. Häufig sind die Kursmakler allerdings bemüht, derartige Spitzen zu vermeiden, indem sie gerade in einem solchen Ausmaß Eigengeschäfte abschließen, dass auch alle genau auf den Einheitskurs limitierten Aufträge durchgeführt werden können. Wie das Beispiel verdeutlicht, kann im Allgemeinen nicht davon ausgegangen werden, dass sich Angebot und Nachfrage bei dem nach dem Meistausführungsprinzip ermittelten Gesamtkurs ganz exakt ausgleichen. Von Zufallskonstellationen abgesehen, wird vielmehr in aller Regel ein Angebots- oder Nachfrageüberhang bestehen. In diesem Fall bedarf es über

152

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

das allein für die Kursermittlung maßgebliche Meistausführungsprinzip hinaus einer weiteren Vereinbarung darüber, welche der bei dem festgestellten Kurs maßgeblichen Orders auszuführen sind und welche „leer“ ausgehen. Die in Deutschland übliche Erfüllungsregel sieht – außer für einen eher seltenen Spezialfall – vor, dass zunächst auf jeden Fall alle Auftraggeber Anspruch auf Ausführung ihrer Order haben, die – unlimitierte Orders oder – höher als auf den festgestellten Gesamtkurs limitierte Kaufaufträge oder – niedriger als auf den festgestellten Gesamtkurs limitierte Verkaufsaufträge erteilt haben. Zudem haben bei einem Nachfrageüberhang auch alle genau auf den Gesamtkurs limitierten Verkaufsorders Anspruch auf Ausführung, während bei den entsprechend limitierten Kauforders eine Auswahl getroffen werden muss, für die im Zweifel die zeitliche Reihenfolge des Ordereingangs bei dem Makler maßgeblich ist. Analoges gilt für einen Angebotsüberhang, wie folgende Fortsetzung unseres Beispiels verdeutlicht. Beispiel 3.01 (Fortsetzung): In unserem Beispiel liegt ein Angebotsüberhang von 23 Orders vor. Mithin haben alle zu dem festgestellten Gesamtkurs von 212 „passenden“ Kauforders Anspruch auf Erfüllung, im Einzelnen also – alle unlimitierten Kauforders, – alle oberhalb von 212 limitierten Kauforders sowie ebenfalls – alle genau auf 212 limitierten Kauforders.

Auf der Angebotsseite kommen demgegenüber nur – alle unlimitierten sowie – alle unterhalb von 212 limitierten Verkaufsorders uneingeschränkten Anspruch auf Erfüllung. Von den 71 genau auf 212 limitierten Verkaufsorders können hingegen nur 48 ausgeführt werden, während die restlichen 23 Orders unerfüllt bleiben. Häufig wird in einem Gesamtkurssystem allerdings erwartet, dass die zuständigen Makler sich bemühen, die bei dem festgestellten Gesamtkurs verbleibenden „Spitzen“ zwischen Angebot und Nachfrage zu vermeiden, indem sie gerade in einem solchen Ausmaß Eigengeschäfte abschließen, dass auch alle genau auf den Gesamtkurs limitierten Aufträge durchgeführt werden können. Welche Konstellation im Einzelfall vorgelegen hat, wird in Deutschland traditionell durch folgende Kurszusätze verdeutlicht: b (bezahlt)26 Angebot und Nachfrage waren genau ausgeglichen; also haben auch die Auftraggeber aller genau auf den Einheitskurs limitierten Aufträge einen Anspruch auf Ausführung. bG (bezahlt und Geld) Es ist ein Nachfrageüberhang verblieben; von den genau auf den Einheitskurs limitierten Orders müssen also sämtliche Verkaufsaufträge, nicht jedoch alle Kaufaufträge durchgeführt werden. 26

Häufig wird auf den reinen Zusatz ‚b‘ verzichtet. Eine Kursangabe ohne jeden Zusatz verdeutlicht somit stets einen „Bezahlt-Kurs“.

3.1 Grundbegriffe

153

bB (bezahlt und Brief) Es ist ein Angebotsüberhang verblieben; von den genau auf den Einheitskurs limitierten Orders müssen also sämtliche Kaufaufträge, nicht jedoch alle Verkaufsaufträge durchgeführt werden. Übungsaufgabe 3.01: Gehen Sie von den Daten des letzten Beispiels aus! a) Wie würde die Kursnotiz lauten, wenn der Makler keinen Spitzenausgleich vornehmen würde? b) Welchen zusätzlichen Auftrag müsste der Makler als Eigengeschäft einbringen, damit es zu einem Bezahlt-Kurs käme? c) Beantworten Sie die Fragen a) und b) noch einmal für den Fall, dass über die im Beispiel genannten Aufträge hinaus zusätzlich ein auf den Kurs von 209 limitierter Verkaufsauftrag über 70 Wertpapiere vorliegt! (2) Handel zu Einzelkursen Während es beim traditionellen Gesamtkurssystem pro Börsentag nur eine einzige Kursnotiz gibt, ist ein Handel zu Einzelkursen dadurch gekennzeichnet, dass passende Kauf- und Verkaufsaufträge jeweils sofort ausgeführt werden und der dabei vereinbarte Kurs je einzeln notiert wird. Während einer Börsensitzung ergibt sich so eine mehr oder weniger lange Kette unterschiedlicher Kurse. Mit den geringsten Anforderungen an den organisatorischen Aufbau des Handels wäre es verbunden, es den verschiedenen Händlern selbst zu überlassen zueinander passende Aufträge herauszufinden. Bei einer solchen Organisation des Börsenhandels nehmen die Informations- und Suchkosten allerdings mit steigender Teilnehmerzahl deutlich überproportional zu. In Börsensystemen mit mehreren dutzend oder gar mehreren hundert Händlern besteht daher ein ausgesprochener Bedarf, diese Kosten durch die Installation zentraler Anlaufstellen in Grenzen zu halten. Als diese zentralen Anlaufstellen fungieren – entweder Makler – oder die Ihnen schon bekannten Market-Maker. Bei dem ersten Lösungsansatz wird im Idealtyp für jeden gehandelten Wert ein einziger Makler bestimmt, der allein befugt ist, die bei ihm eingehenden Angebots- und Nachfrageorders zu definitiven Geschäftsabschlüssen zusammenzuführen – im Gegensatz zum Handel zu Gesamtkursen jedoch nicht erst nach „Sammlung“ einer größeren Zahl von Aufträgen, sondern stets dann, wenn zwei zueinander passende Orders vorliegen. Zudem werden die Börsenhändler in Ansätzen dadurch über die weitere „Auftragslage“ des Maklers informiert, dass er – das Limit der höchsten ihm vorliegenden Kauforder, versehen mit dem Zusatz „G“ sowie – das Limit der niedrigsten ihm vorliegenden Verkaufsorder, versehen mit dem Zusatz „B“ bekannt gibt.

154

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Beispiel 3.02: Bei dem für die ALPHA-Aktie zuständigen Makler gehen in kürzeren Abständen die Orders A bis F ein, die jeweils auf 1.000 Stück limitiert sind: t=1 A: Kauforder, Limit 67 t=2 B: Verkaufsorder, Limit 68 t=3 C: Verkaufsorder, Limit 67 t=4 D: Kauforder, Limit 66 t=5 E: Verkaufsorder, Limit 66 t=6 F: Kauforder, Limit 68

Dann kommt es zu folgenden Geschäftsabschlüssen: t=3 : A kauft von C zu 67 t=5 : D kauft von E zu 66 t=6 : F kauft von B zu 68 In unserem Beispiel werden also letztendlich alle Orders erfüllt, was selbstverständlich keineswegs immer so sein muss.

Übungsaufgabe 3.02: Gehen Sie von den Daten des letzten Beispiels aus! a) Welche Informationen über die „günstigsten“ der ihm vorliegenden, aber noch nicht erfüllten Orders wird der Makler in der börsenüblichen „Kurzschreibweise“ unmittelbar nach den Zeitpunkten t = 1 bis t = 6 jeweils „in den Markt“ geben? b) Welche Orders würden zu welchem Kurs durchgeführt, wenn der Makler die Orders A bis F sammeln und nach t = 6 einen Einheitskurs feststellen würde?

Der deutsche Börsenhandel war bis zum Ende des 20. Jahrhunderts dadurch gekennzeichnet, dass der flächendeckende Handel zum Einheitskurs in einzelnen besonders umsatzstarken Werten durch laufende Geschäfte (den sogenannten „fortlaufenden Handel“) zu Einzelkursen (sogenannte „variable Notiz“) ergänzt wurde, die entweder über die zuständigen Makler abgewickelt wurden oder aber auch im direkten Kontakt zwischen den einzelnen Händlern zustande kommen konnten. Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist allerdings auch im deutschen Börsengeschäft mit dem verstärkten Einsatz von Market Makern27 eine Annäherung an die im angelsächsischen Börsenwesen traditionelle Organisationsform zu verzeichnen. Wie Sie bereits aus dem einleitenden Teil dieses Abschnitts wissen, erfolgt die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in einem solchen Handelssystem nicht unmittelbar über einen Makler, sondern mittelbar dadurch, dass sich bestimmte Börsenhändler, eben die Market Maker, ständig bereit halten, in den ihnen zugewiesenen Werten, auf Anfrage eines „einfachen“ Händlers sogenannte Quotes (auch „bid-ask-spreads“) zu stellen. 27

Dies ist insbesondere für den elektronischen XETRA-Handel (s.u.) kennzeichnend. Die Market-Maker werden hier als „Betreuer“ oder auch „designated sponsor“ bezeichnet und nehmen über die reine Market-MakerFunktion hinaus einige weitere Aufgaben wahr.

3.1 Grundbegriffe

155

Für die Anleger bietet ein nach dem Market-Maker-Prinzip organisierter Börsenhandel den Vorteil, dass Kauf- und Verkaufswünsche auf jeden Fall sofort erfüllt werden können, was bei Maklersystemen ja keineswegs gesichert ist. Andererseits könnte ein Nachteil in der Möglichkeit gesehen werden, dass der Market Maker seine Spanne übermäßig hoch ansetzt. Dieser Gefahr kann in zweifacher Weise entgegengetreten werden, nämlich – zum einen dadurch, dass für jeden Wert mehrere Händler in der Erwartung zu Market Makern bestellt werden, dass deren Konkurrenz untereinander dem Auftreten übergroßer Spannen entgegenwirkt, sowie – zum anderen indem in den maßgeblichen Börsenregeln Höchstgrenzen für die jeweiligen Spannen festgelegt werden. Beide Ansätze sind auch in der Börsenpraxis in unterschiedlichen Varianten anzutreffen. Übungsaufgabe 3.03: Gehen Sie wieder von den Daten des letzten Beispiels aus, nehmen Sie nun jedoch an, der Handel werde ausschließlich über einen Market-Maker abgewickelt! a) Welche Orders würden zu welchen Kursen erfüllt, wenn der Market-Maker konstant den „Quote“ von 67/68 stellt? b) Wie würden sich Bankguthaben und Aktienbestand des Market-Makers durch die gemäß a) zu erfüllenden Orders verändern? Kommentieren Sie kurz Ihren Befund! 3.1.2.4 Parkett- und Computerhandel Über Jahrhunderte hinweg war der börsenmäßige Wertpapierhandel dadurch gekennzeichnet, dass – eine – gemessen an der Zahl aller Anleger – kleine Gruppe zum Börsenhandel zugelassener Händler – zu einer bestimmten Zeit – an demselben Ort zusammentreffen und dort – sei es direkt, sei es durch Vermittlung von Makler oder die Zwischenschaltung von Market-Makern – ihren Kauf- und Verkaufsgeschäften nachgehen. Ungeachtet der tatsächlichen Beschaffenheit des Bodenbelags in den entsprechenden „Börsensälen“ hat sich dafür die Bezeichnung „Parketthandel“ eingebürgert, und zwar in Abgrenzung dieser „traditionellen“ Handelsform von „moderneren“ Möglichkeiten des elektronischen Handels auf der Basis vernetzter Computer. Ungeachtet vielfältiger Detailvarianten sind derartige Handelssysteme in ihren Grundzügen durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

• • •

Die Händler treffen nicht mehr physisch zur gleichen Zeit am gleichen Ort zusammen, sondern sind von ihren jeweiligen Büros aus über ihren „Client-Rechner“ mit dem Zentralrechner der Börse verbunden. Über ihre Bildschirme können sie für alle gehandelten Papiere Informationen über die aktuell vorliegenden Kauf- und Verkaufsorders abrufen („öffentliches Orderbuch“) sowie die Kurse der zuletzt effektiv zustande gekommenen Geschäfte verfolgen. Sie können zudem je nach der eigenen Anlagestrategie entweder eigene Aufträge zusätzlich in das Orderbuch „einstellen“ oder aber auf vorhandene Kauf- oder Verkaufsange-

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

bote eingehen und so ein Börsengeschäft abschließen, was dann zu einer weiteren Kursnotiz führt. In dieser Grundform stellt der elektronische Handel eine Rückkehr zu der Urform der Börsengeschäfte, dem reinen „Händler-Handel“, dar. Die Funktion des Maklers wird durch die vollständige Markttransparenz, die der Computer ermöglicht, überflüssig. Zahlreiche Computerbörsen haben allerdings neben dem direkten Handel der Händler untereinander auch noch Market-Maker etabliert, die ja bekanntlich auf Anfrage eines Händlers verbindliche Geld-Brief-Spannen angeben müssen, also je einen Kurs, zu dem sie das fragliche Papier kaufen bzw. verkaufen würden. Gelegentlich besteht diese Einrichtung für alle gehandelten Wertpapiere, in anderen Fällen ist sie auf „umsatzschwächere“ Werte beschränkt. Ergänzend dazu wird schließlich häufig auch noch die Möglichkeit vorgesehen, dass zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb einer „Börsensitzung“ Auktionen stattfinden, d.h. Orders nach dem Verfahren der Einheitskursermittlung zusammengeführt werden. In Deutschland wurde ein solcher Computerhandel zunächst an der 1990 ins Leben gerufenen Terminbörse, die inzwischen als EUREX firmiert, etabliert. 1997 wurde dann auch im Kassahandel das volle elektronische Handelssystem XETRA (Exchange Electronic Trading) eingeführt, dessen Geschäftsvolumen inzwischen die im Parketthandel getätigten Umsätze bei weitem übertrifft. Rechercheaufgabe: Versuchen Sie, sich mit Hilfe des Internets über die aktuellen Modalitäten des XETRAHandels näher zu informieren! 3.1.2.5 Insider-Regelungen Die Insiderregelung bildet einen wesentlichen Bestandteil des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Für eine gesetzliche Regelung zum Insiderhandel ist die Überlegung grundlegend, dass sich am Börsenhandel grundsätzlich auch solche Personen beteiligen können, die regelmäßig über Veränderungen der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens oder sonstige kursbeeinflussende Sachverhalte früher informiert sind als die gesamte Öffentlichkeit (sog. Insider). Nutzen diese Personen ihren Informationsvorsprung durch entsprechende Effektentransaktionen (Kauf bei erwarteter Kurssteigerung, Verkauf bei erwarteter Kurssenkung) aus, so spricht man von Insidertransaktionen. Ziel der einschlägigen Regelungen ist es, derartige Transaktionen so weit wie möglich zu begrenzen. Dahinter steht die Vorstellung, systematisch schlechter informierte Anleger würden durch derartige Transaktionen geschädigt; sie davor zu schützen, entspreche nicht nur Gerechtigkeitsprinzipien, sondern sichere zugleich die Funktionsfähigkeit der Börsen. Diese Argumentation ist allerdings keineswegs unumstritten. Fraglich ist zunächst, ob Insidergeschäfte wirklich zu „Schädigungen“ anderer Marktteilnehmer führen, und nach welchem Maßstab ein etwaiger Schaden überhaupt bestimmt werden könnte. Umstritten ist zudem, ob der rational handelnde Nichtinsider überhaupt einer gesetzlichen Regelung bedarf und sich nicht vernünftigerweise selbst schützen wird. Er wird einen Risikozuschlag berechnen, der vom Umfang und der Wahrscheinlichkeit von Insiderhandel abhängig ist, und ent-

3.1 Grundbegriffe

157

sprechend seine Grenzpreise ändern. So wird er gegenüber einer Situation ohne Insiderhandel höhere Verkaufspreise und niedrigere Kaufpreise zu erzielen versuchen. Nahezu unstrittig ist, dass Insidergeschäfte dazu beitragen, dass neue Informationen sich schneller in den Kursen widerspiegeln und somit die Informationseffizienz und letztlich auch die Allokationseffizienz steigern. Eine gesetzlich vorgeschriebene Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG) soll diesen Insidereffekt ersetzen bzw. verbessern und gleichzeitig präventiv wirken. Die Ad-hoc-Publizität verpflichtet die Emittenten grundsätzlich, nicht öffentlich bekannte, kursbeeinflussende Tatsachen unverzüglich an die Börsen und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, das die zentrale Institution zur Überwachung der Insiderregelung darstellt, zu melden. Unter einer Insidertatsache ist „eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände“ zu verstehen, welche bei Bekanntwerden den Kurs „erheblich“ beeinflussen würde (§ 13 Abs. 1 WpHG). Als präventive Maßnahmen sind nicht nur die gesetzliche Ad-hoc-Publizität und die sog. Marktaufsicht, sondern auch die sog. Wohlverhaltensregeln (§§ 31–37 WpHG) anzusehen. Danach müssen Institute, die Wertpapierdienstleistungen betreiben, also vorwiegend Kreditinstitute, bestimmte Regeln befolgen, um Interessenkonflikte zwischen Kunde und Institut zu vermeiden. So darf beispielsweise das Wissen um die Großorder eines Kunden, der ein potentieller Insider ist, nicht für Eigengeschäfte genutzt werden.

3.1.3

Vermittlungs- und Verwahrleistungen bei der Vermögensanlage in Wertpapieren

Anleger, die Teile ihres Vermögens in börsengehandelten Wertpapieren anlegen wollen, bedienen sich dabei üblicherweise in zweifacher Weise entsprechender Dienstleistungen von Kreditinstituten. Diese bringen nämlich zum einen die Kundenaufträge in den Börsenhandel ein (Wertpapierkundengeschäfte); zum anderen übernehmen sie auch die Verwahrung und Verwaltung der Wertpapiere (Depotgeschäft). (1) Wertpapierkundengeschäfte Kundenaufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren wickeln die Kreditinstitute auf Basis der sog. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ab. Danach führen sie derartige Aufträge entweder als Kommissionär aus, unter Umständen mit Selbsteintritt, oder sie tätigen mit dem Kunden ein sog. Festpreisgeschäft. Für die Art der Abwicklung ist neben der jeweiligen Weisung des Kunden insbesondere das zugrunde liegende Wertpapier maßgeblich, speziell die Frage, ob es an einer inländischen oder ausländischen Börse oder nicht börslich gehandelt wird. Handelt das Kreditinstitut als Kommissionär, so schließt es für Rechnung des Kunden – wie bei seinen Eigengeschäften – mit einem anderen Marktteilnehmer oder einer zentralen Gegenpartei ein Kauf- oder Verkaufsgeschäft (Ausführungsgeschäft) ab oder es beauftragt einen anderen Kommissionär (Zwischenkommissionär), ein Ausführungsgeschäft abzuschließen. Die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte sehen vor, dass Aufträge über Wertpapiere, die an einer inländischen Börse gehandelt werden, stets börslich abgewickelt werden. Somit ist es möglich, dass der Wertpapierhändler einer Bank beispielsweise der zentralen Gegenpartei gleichzeitig in ein und demselben Papier etwa einen auf 410 limitierten Kauf- und einen auf 408 limitierten Verkaufsauftrag gleichen Volumens erteilt. Die Bank rechnet ge-

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

genüber dem Kunden den Preis des Ausführungsgeschäftes ab. Im Rahmen einer Bruttoabrechnung erhöht sich dieser explizit (bei Wertpapierkäufen) bzw. vermindert sich (bei Wertpapierverkäufen) um das Entgelt der Bank, also ihre Provision und ihre eigenen Auslagen, sowie zusätzlich um die fremden Kosten, die mit der ehemaligen Maklercourtage vergleichbar sind, die das Kreditinstitut selbst an den Makler zu zahlen hatte. Sofern der Kunde keine anders lautende Weisung erteilt hat, ist das Kreditinstitut auch berechtigt, als Kommissionär mit Selbsteintritt zu handeln; es kann den Kundenauftrag also auch zu Lasten oder zugunsten seines Eigenbestandes erfüllen oder zueinander passende Kundenaufträge hausintern ausgleichen („matchen“). Auch kann im Rahmen des elektronischen Handels an der Börse der Auftrag eines Kunden gegen die Bank oder den Zwischenkommissionär unmittelbar ausgeführt werden. Dem Kunden ist hierbei im Rahmen einer Bruttoabrechnung der betreffende Marktpreis sowie eventuelle Nebenkosten in Rechnung zu stellen. Bei bestimmten Wertpapieren, vor allem den nur außerbörslich gehandelten, oder auch bei einer speziellen Weisung des Kunden treten die Kreditinstitute als Eigenhändler auf. Sie vereinbaren hierbei mit dem Kunden ein sog. Festpreisgeschäft und verkaufen oder kaufen die betreffenden Wertpapiere im Hinblick auf ihren Eigenbestand, wobei es ihnen freisteht, ein entsprechendes Deckungsgeschäft mit anderen Marktteilnehmern durchzuführen oder nicht. Das Kreditinstitut berechnet dem Kunden dementsprechend den vereinbarten Preis. Hierbei werden die Nebenkosten üblicherweise nicht explizit in Rechnung gestellt, sondern nach dem Verfahren der sog. Nettoabrechnung als Zu- oder Abschlag in den vereinbarten Preis einbezogen. Bei der Auftragserteilung muss der Kunde neben der Weisung über die Art der Auftragsausführung zum einen noch festlegen, ob seine Order limitiert oder unlimitiert erteilt werden soll. Zum anderen ist zu fixieren, ob der Auftrag – nur für einen Tag, – für einen längeren Zeitraum, z.B. bis zum Monatsende, oder – bis zum Widerruf durch den Kunden gelten soll. (2) Depotgeschäft Die Verwahrung der Wertpapierurkunden und deren Verwaltung (z.B. Abtrennen von Dividendencoupons etc.) erfolgt heutzutage weitgehend über die zentrale Wertpapiersammelbank „Clearstream Banking AG“ Bei dieser sind ausschließlich Kreditinstitute als Hinterleger erfasst. Diese führen ihrerseits die „Depots“ ihrer Kunden, d.h. Listen, in denen verzeichnet ist, in welcher Anzahl verschiedene Wertpapiere für den einzelnen Kunden hinterlegt sind. Die diesem dreigliedrigen Verwahrverhältnis (Kunde-Bank-Wertpapiersammelbank) zugrundeliegende Rechtskonstruktion ist so gestaltet, dass der Kunde nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber seiner Bank oder der Wertpapiersammelbank hat. Er ist vielmehr Miteigentümer an dem bei der Wertpapiersammelbank unterhaltenen Sammelbestand und hat dementsprechend einen dinglichen Herausgabeanspruch. Der Gefahr, dass Banken durch Eigengeschäfte nicht nur über die ihnen selbst zustehenden Bestände sondern auch über die bei der Wertpapiersammelbank unter dem Namen der Bank geführten Kundenbestände widerrechtlich verfügen, wird durch ziemlich rigide gehandhabte Vorschriften zur Depotprüfung gem. § 30 KWG entgegengewirkt

3.1 Grundbegriffe

159

Die unter (1) und (2) dargestellte Praxis beinhaltet ein ganz erhebliches Potenzial, um die Abwicklung der an der Börse abgeschlossenen Geschäfte zu vereinfachen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht. Beispiel 3.03: In einer nur zum Einheitskurs notierten Aktie ist der Kurs an einem Börsentag auf 500 b festgestellt worden. Die dabei umgesetzte Menge von insgesamt 10.000 Aktien teilt sich wie folgt auf Orders der drei Banken (Händler) A, B und C, sowie Eigen- und Kundengeschäfte, auf: Bank/ Geschäftsart A, Eigeng. A, Kundeng. B, Eigeng. B, Kundeng. C, Eigeng. C, Kundeng. Summe * in Mio. Euro

Anzahl 1 36 – 24 – 19 80

Kauforders Aktienzahl 2.000 1.000 – 4.000 – 3.000 10.000

Kurswert* 1,0 0,5 – 2,0 – 1,5 5,0

Anzahl – 42 1 30 1 31 105

Verkauforders Aktienzahl – 2.800 600 3.000 1.000 2.600 10.000

Kurswert* – 1,4 0,3 1,5 0,5 1,3 5,0

Insgesamt wurden zu dem genannten Kurs also 10.000 Aktien umgesetzt. Dem lagen insgesamt 80 Kauf- und 105 Verkauforders, die zur Erfüllung kamen, zugrunde. Die transaktionskostenärmste Form der Abrechnung besteht dann in einem zweifachen Clearing nach folgendem Muster: 1. Auf den Depotkonten der Banken beim Kassenverein werden nur die aus allen von einer Bank abgeschlossenen Geschäften resultierenden Salden umgebucht. Die Banken A und B erhielten also „Gutschriften“ über 200 bzw. 400 Aktien, Bank C dementsprechend eine „Belastung“ über 600 Aktien. 2. Analog werden auch die entsprechenden Zahlungen im Clearing abgerechnet, so dass die Banken A und B „in den Topf“ 0,1 bzw. 0,2 Mio. Euro einzuzahlen haben, während Bank C eine Zahlung über 0,3 Mio. Euro erhält. Beachtet man, dass die Banken in aller Regel in mehreren Wertpapieren Geschäfte abgeschlossen haben, so kann das zahlungsmäßige Clearing natürlich noch weiter zusammengefasst werden. Die Abrechnung der insgesamt 182 Kundenaufträge kann dementsprechend ganz außerhalb des Bereichs von Börse und Wertpapiersammelbank ausschließlich zwischen den Banken und ihren Kunden erfolgen. Im praktischen Ablauf gestaltet sich die Abwicklung der Börsengeschäfte zwar noch etwas komplizierter. Nichtsdestoweniger werden sie durch die in Deutschland inzwischen weithin üblichen Handels- und Verwahrformen ganz erheblich vereinfacht. Dies gilt allein schon deshalb, weil die rein physische Übergabe der Wertpapiere – in unserem Beispiel von 105 Verkäufern an 80 Käufer – weitestgehend durch reine Buchungsvorgänge ersetzt werden kann.

160

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.2

Vermögensanlage in Aktien

3.2.1

Vorüberlegungen

Die Aktiengesellschaft (AG) ist ihrer rechtlichen Grundkonzeption nach auf die Prinzipien der Anonymität der Gesellschafter und der Trennung von Eigentum und Kontrolle28 ausgerichtet. Das bedeutet, dass es einer großen Anzahl untereinander nicht bekannter Anleger ermöglicht werden soll, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, das von einer selbständigen, sich nicht aus dem Kreis der Gesellschafter rekrutierenden Geschäftsleitung geführt wird. Die insoweit recht flexibel ausgestalteten Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) schließen allerdings die Möglichkeit nicht aus, eine Aktiengesellschaft faktisch in ganz anderer Weise zu konstruieren. So kann etwa ein ganz allein agierender Kaufmann seinem Geschäft die äußere Form einer Aktiengesellschaft geben, die allerdings von ihm selbst als einzigem Aktionär und alleinigem Vorstandsmitglied geleitet wird. Auch wenn etliche der folgenden Ausführungen für derartige atypische Gestaltungsmöglichkeiten ebenfalls Gültigkeit haben, soll das Hauptaugenmerk doch den sogenannten großen Publikumsgesellschaften gelten, deren Gegebenheiten der sogenannten Idealvorstellung recht nahe kommen. Für diesen Fall verbindet sich mit dem Leitbild der Aktiengesellschaft außerdem die Vorstellung, dass die Zusammensetzung des Aktionärskreises durch ein ständiges „Kommen und Gehen“ gekennzeichnet ist, ohne dass dieser laufende Gesellschafterwechsel spürbaren Einfluss auf die laufende Geschäftstätigkeit der Gesellschaft hat. Zentrales Element zur Umsetzung dieser Vorstellung ist die Regelung, dass die Gesellschafter ihr Engagement bei der AG nicht durch eine Kündigung gegenüber der Gesellschaft (und der Rückforderung der erbrachten Einlagen) beenden können, sondern nur in der Weise, dass sie sich darum bemühen müssen, in ihrer Eigenschaft als Aktionär einen „Nachfolger“ zu finden, der – zumeist gegen Zahlung eines Kaufpreises – bereit ist, die mit dem Anteil seines Vorgängers verbundene Gesellschafterposition zu übernehmen. Erleichtert wird ein solcher Gesellschafterwechsel durch das für die AG als Kapitalgesellschaft konstitutive Prinzip der Haftungsbeschränkung. Demnach sind die Aktionäre – von dem Sonderfall ausstehender Einlagen abgesehen – in keiner Weise verpflichtet, für die Schulden „ihrer“ AG einzutreten. Deren Haftung erstreckt sich auf das gesamte Gesellschaftsvermögen; eine Rückgriffsmöglichkeit auf das Privatvermögen der Aktionäre besteht hingegen nicht. Mithin werden mit der Übertragung einer Aktie lediglich Rechte übertragen, jedoch keinerlei Pflichten.)29 Besonders einfach gestaltet sich ein solcher Gesellschafterwechsel bei Aktiengesellschaften, deren Anteile börsenmäßig gehandelt werden. In der öffentlichen Wahrnehmung werden häufig sogar Aktiengesellschaften und börsennotierte Gesellschaften einfach gleichgesetzt, obwohl der Zahl nach die überwiegende Mehrzahl der in Deutschland existierenden Aktiengesellschaften ihre Anteile gar nicht an einer Wertpapierbörse handeln lässt. Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung des skizzierten aktienrechtlichen Leitbildes ist die Standardisierung der einzelnen Geschäftsanteile in Form von Aktien. Dabei überlässt das 28 29

„Kontrolle“ wird in dieser Wendung im Sinne von „Verfügungsrecht“ gebraucht. Diese Aussage gilt – wie schon angesprochen – nur im Fall voll eingezahlter Aktien. Steht hingegen ein Teil der eigentlich vorgesehenen Einlagen noch aus, so haftet den entsprechenden Aktien neben diversen Rechten eben auch noch die Pflicht an, die ausstehenden Einlagen auf Anforderung durch die AG noch nachzuzahlen.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

161

AktG den emittierenden Gesellschaften im Detail allerdings immer noch verschiedene Varianten zur konkreten Ausgestaltung ihrer Anteile. Auf die wichtigsten der daraus resultierenden Erscheinungsformen von Aktien werden wir im Abschnitt 3.2.2 etwas näher eingehen. Hinsichtlich der für einen Anleger bestehenden Möglichkeiten, Aktien zu erwerben, sind vor allem zwei verschiedene Arten öffentlich organisierter Marktveranstaltungen zu unterscheiden:



Die erste Möglichkeit zum Aktienerwerb bietet sich, wenn bislang nicht börsenmäßig gehandelte Aktien erstmalig einer breiteren Öffentlichkeit zum Kauf („Zeichnung“) angeboten werden. Dabei kann ein solches Angebot entweder von den bisherigen Eigentümern der Aktien oder von der betreffenden Aktiengesellschaft selbst ausgehen. In Deutschland werden solche Transaktionen in aller Regel außerhalb des laufenden Börsenhandels im Rahmen gesonderter Marktveranstaltungen abgewickelt. • Die zweite Möglichkeit zum Aktienerwerb bildet der laufende Handel bereits früher ausgegebener Aktien. Neben verschiedenen – an dieser Stelle trotz ihrer wachsenden Bedeutung nicht weiter zu behandelnden – Formen des „privaten“ Handels kommt hier den Wertpapierbörsen besondere Bedeutung zu. Auf den laufenden Börsenhandel sind wir bereits in Abschnitt 3.1.2 allgemein eingegangen. Die Möglichkeiten der „Erstausgabe“ werden wir in Abschnitt 3.2.3 behandeln. In Fortführung etlicher Gedanken dieses Abschnitts werden wir anschließend im Abschnitt 3.2.4 etliche Aspekte bei der Ausgabe „junger“ Aktien bei Aktiengesellschaften betrachten, deren „Altaktien“ bereits börsenmäßig gehandelt werden.

3.2.2

Ausgestaltungsformen von Aktien

3.2.2.1 Einführung Der Ausdruck „Aktie“ wird in zumindest zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet. Zum einen bezeichnet er das abstrakte Mitgliedschaftsrecht, das in der Regel in einer Urkunde verbrieft ist, aber auch schon vor der effektiven Ausgabe der Urkunde besteht. Dieses Mitgliedschaftsrecht umfasst nach Maßgabe weiterer Konkretisierungen insbesondere Ansprüche auf – Teilnahme an und Stimmrecht in der Hauptversammlung, – Vorlage des Jahresabschlusses in ausführlicher Fassung, – bestimmte Auskünfte durch den Vorstand, – Anteil an der von der Hauptversammlung beschlossenen Dividende, – Bezugsrechte bei der Ausgabe von jungen Aktien, Wandelschuldverschreibungen, Genussscheinen etc., – Anteil am Liquidationserlös bei Liquidation der Gesellschaft. Andererseits können mit einer Aktie auch gewisse Verpflichtungen verbunden sein. Dies gilt insbesondere für Aktien, bei denen die insgesamt vorgesehenen Einlagen noch gar nicht vollständig erbracht sind. Hier ist der jeweilige Eigentümer verpflichtet, die noch ausstehende Einlage unter bestimmten Voraussetzungen nachzuzahlen. Zum anderen bezeichnet „Aktie“ auch die Urkunde selbst. Letztere besteht traditionell aus der eigentlichen Aktienurkunde (Mantel) und dem Bogen (Dividendenscheine und Erneuerungsschein). Der Mantel verbrieft bei der Aktie das erwähnte Mitgliedschaftsrecht. Der

162

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Bogen setzt sich zusammen aus den Coupons, gegen deren Einreichung die fälligen Dividenden bezogen werden können, und dem Erneuerungsschein. Sind die Coupons verbraucht, so dient dieser Schein der „Bestellung“ eines neuen Bogens. Um Transaktionskosten einzusparen ist allerdings die zunehmend genutzte Möglichkeit geschaffen worden, eine größere Anzahl von Aktienrechten in einer kleinen Zahl von Sammelurkunden oder im Extrem in einer einzigen, dann Globalurkunde genannten Sammelurkunde zu verbriefen. Zudem sind derzeit Bestrebungen erkennbar, zukünftig gänzlich auf die urkundenmäßige Verbriefung von Aktien zu verzichten und diese unter Nutzung elektronischer Medien zur Datenübertragung und -speicherung nur noch „buchmäßig“ zu verwalten. Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Aktien sieht das AktG verschiedene Variationsmöglichkeiten vor. Wir werden Ihnen im Folgenden fünf verschiedene Differenzierungskriterien vorstellen, die sich auf folgende Aspekte beziehen: – die Stückelung der Aktien, insbesondere die Unterscheidung zwischen Nennwert- und Stückaktien (Abschnitt 3.2.2.2), – die Übertragbarkeit der Aktien und die Legitimierungsformen für die Aktionäre, insbesondere die Unterscheidung zwischen Inhaber- und Namensaktien (Abschnitt 3.2.2.3), – die Dividendenberechtigung, insbesondere die Unterscheidung zwischen Stamm- und Vorzugsaktien (Abschnitt 3.2.2.4), – die Ausgestaltung der Stimmrechte (Abschnitt 3.2.2.5) sowie – die Einzahlung der vorgesehenen Einlagen (Abschnitt 3.2.2.6). 3.2.2.2 Nennwert- und Stückaktien Aktiengesellschaften müssen satzungsmäßig einen bestimmten Betrag als Grundkapital festlegen, für den in § 7 AktG eine Untergrenze von 50.000 Euro vorgeschrieben ist. Bilanziell ist der so festgelegte Betrag als Unterposition des Eigenkapitals auszuweisen. Ihm kommt zunächst die Funktion einer Ausschüttungssperrgröße zu: sobald nämlich das bilanziell ausgewiesene Reinvermögen einer AG unter diese Sperrgröße gesunken ist oder soweit es durch Zahlungen an die Aktionäre darunter sinken würde, dürfen keinerlei Ausschüttungen an die Gesellschafter vorgenommen werden. Die Fixierung eines solchen Sperrbetrages könnte theoretisch ganz unabhängig von Anzahl und Art der ausgegebenen Aktien erfolgen. Durch die sprachlich nicht sonderlich geglückte Vorschrift des § 1 Abs. 2 AktG, wonach das Grundkapital in Aktien „zerlegt“ ist, wird hier jedoch eine keineswegs denknotwendige Verknüpfung geschaffen. Das traditionelle „Vehikel“ dieser Verknüpfung stellt der für jede Aktie festzulegende Nennwert dar. Im Zuge der Vorbereitungen zur Umstellung auf die Euro-Währung wurde in Deutschland Ende der 90er Jahre die Möglichkeit eröffnet, Aktien alternativ zu der bis dahin üblichen Form der Nennwertaktie auch als Stückaktien auszugestalten (§ 8 AktG). Allerdings müssen alle Aktien einer Gesellschaft entweder als Nennwert- oder als Stückaktien ausgestaltet sein. Wir werden im Folgenden zunächst das „Nennwertsystem“ in groben Zügen darstellen und anschließend auf die Stückaktien eingehen.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

163

(1) Nennwertaktien Im Nennwertsystem lauten die Aktien auf einen bestimmten Nennbetrag; gemäß § 8 Abs. 2 AktG muss dieser 1 Euro oder ein ganzzahliges Vielfaches davon betragen. Dabei ist es möglich, verschiedene Aktientranchen mit jeweils unterschiedlichen Nennwerten auszugeben, also etwa parallel 1-Euro- und 1000-Euro-Aktien. Die Verknüpfung zwischen der Gesamtheit der ausgegebenen Aktien und der bilanziellen Darstellung des Eigenkapitals einer AG wird dadurch erreicht, dass die schon erwähnte Vorschrift des § 1 Abs. 2 AktG dahingehend interpretiert wird, dass die Nennwertsumme aller ausgegebenen Aktien mit dem Betrag des Grundkapitals übereinstimmen muss. Dabei kommen dem Nennwert über diese rein formale Festlegung im 5Wesentlichen zwei Funktionen zu. Er definiert zum einen die auf eine Aktie mindestens zu erbringende Einlagensumme und dient zum anderen in mehrfacher Hinsicht als Schlüsselgröße. Der Nennwert als Mindestausgabebetrag Gemäß § 9 AktG dürfen Aktien zwar zu einem höheren Kurs als dem Nennwert, also mit einem sogenannten Agio, ausgegeben werden, nicht jedoch zu einem niedrigeren. Eine sogenannte Unter-pari-Emission ist in Deutschland also nicht zulässig. Es ist allerdings möglich, dass die AG in einem bestimmten Umfang von der sofortigen Einzahlung des insgesamt vorgesehenen Ausgabebetrages30 absieht. Wie bereits erwähnt, ist der Aktionär in einem solchen Fall ausstehender Einlagen allerdings verpflichtet, den ausstehenden Betrag später nachzuzahlen. Wir werden darauf näher im Abschnitt 3.2.2.6 eingehen. Der Nennwert als Schlüsselgröße Daneben erfüllt der Nennbetrag die Funktion einer Schlüsselgröße und zwar in dreifacher Hinsicht:







30 31

Basis der Kursangabe: Die Notiz von Börsenkursen erfolgt in Deutschland in Euro pro Aktie (sog. Stücknotierung). Im Fall von Nennwertaktien bezieht sich die Kursangabe dabei auf eine Aktie mit dem niedrigsten Nennbetrag. Der Kurs einer Aktie mit höherem Nennbetrag ergibt sich dann, indem der notierte Kurs im Verhältnis der Nennbeträge hochgerechnet wird. Basis der Dividendenangabe: Analog zur Kursangabe wird bei börsennotierten Gesellschaften auch die Dividendenangabe ganz überwiegend in Euro pro Aktie kleinster Stückelung vorgenommen.31 Die auf eine Aktie mit höherem Nennwert entfallende Dividende ergibt sich wiederum durch entsprechende Hochrechnung. Basis zur Bestimmung von Beteiligungsquoten: Etliche gesetzliche Vorschriften knüpfen an der Höhe der Beteiligungsquote eines einzelnen Aktionärs an einer Aktiengesellschaft an, so z.B. § 1 Abs. 9 KWG, §§ 122, 182, 262 AktG. Zur Berechnung der entsprechenden Quote ist im Regelfall die Relation der Nennwerte der im Besitz des betreffenden

Als Ausgabebetrag wird die Einlagensumme bezeichnet, zu dessen sofortiger oder späterer Einzahlung der die Aktie übernehmende Aktionär insgesamt verpflichtet ist. Daneben findet man in der öffentlichen Berichterstattung gelegentlich noch die früher weithin übliche Angabe der Dividende in Prozenten des Nennwerts. Eine Ausschüttung von 1,20 Euro auf eine 5-Euro-Aktie führte in dieser Darstellungsform also zu der Angabe einer Dividende von 24%. Sonderlichen ökonomischen Gehalt weist eine solche Prozentangabe allerdings nicht auf, da die Dividende einen weniger aussagefähigen Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens darstellt und – wenn überhaupt – eher der aktuelle Börsenkurs oder der individuelle Einstiegskurs eines einzelnen Aktionärs – nicht jedoch der Nennwert – eine sinnvolle Bezugsgröße für die laufende Dividende bildet.

164

3 Vermögensanlage in Wertpapieren Aktionärs befindlichen Aktien zur Summe aller Nennwerte, d.h. zum Grundkapital, zu bilden.

Übungsaufgabe 3.04: RAFFKE besitzt 3.000 Aktien der PRIMO-AG im Nennwert von jeweils 10.000 Euro. Die AG hat insgesamt 5.000 Aktien à 10.000 Euro Nennwert und 500.000 Aktien à 50 Euro Nennwert ausgegeben. Der aktuelle Börsenkurs einer 50-Euro-Aktie beträgt 124 Euro, die für eine 50-Euro-Aktie angekündigte Dividende 7 Euro. Bestimmen Sie für RAFFKE a) den Börsenwert seines Aktienbestandes, b) die von ihm insgesamt zu erwartende Dividendenauszahlung sowie c) seine Beteiligungsquote! (2) Stückaktien Stückaktien tragen definitionsgemäß keinen Nennwert. Im Interesse der Ausschüttungssperrfunktion muss allerdings auch im Fall von Stückaktien ein Grundkapital festgelegt werden. Dabei wird – analog zum System der Nennwertaktie – eine Verknüpfung zwischen Aktienzahl und Grundkapital durch die Vorschrift des § 8 Abs. 3 AktG in der Form geschaffen, dass der Quotient aus Grundkapital und Aktienzahl den Betrag von 1 Euro nicht unterschreiten darf. Wir wollen diesen Quotienten im Folgenden einfach als fiktiven Nennwert bezeichnen. Im Gegensatz zum Nennwertsystem darf ein über 1 Euro hinausgehender fiktiver Nennwert allerdings auch beliebige „krumme Werte“ annehmen.32 Beispiel 3.04: Die Gründer der FUTURA-AG wollen der Gesellschaft zunächst 400.000 Euro an Einlagen zur Verfügung stellen; im Gegenzug sollen (voll eingezahlte) Stückaktien angegeben werden. Die Gründer denken nun darüber nach, auf welchen Betrag sie das Grundkapital festlegen und wie viele Aktien sie ausgeben sollen. • Bezüglich des Grundkapitals ist zu beachten, dass dies lt. AktG mindestens 50.000 Euro betragen muss. Da die Aktien voll eingezahlt sein sollen kann das Grundkapital höchstens auf 400.000 Euro festgelegt werden. • Bezüglich der Zahl der Aktien ist nach der Fixierung des Grundkapitals lediglich zu beachten, dass der fiktive Nennwert nicht kleiner als 1 Euro ausfällt. Die Zahl der Aktien darf also höchstens gleich dem Euro-Betrag des Grundkapitals sein.

32

Angesichts des „krummen“ Umrechnungsfaktors von 1,95583 DM je Euro wird durch diese Regelung die Euro-Umstellung vereinfacht. Zahlreiche Aktiengesellschaften haben sich daher entschieden, ihre Aktien von Nennwert- auf Stückaktien umzustellen. Es wird in diesem Zusammenhang aber das Geheimnis des Gesetzgebers bleiben, warum er bei Nennwertaktien nach wie vor einen ganzzahligen Nennwert verlangt und nicht auch in diesem System beliebige „krumme“ Werte zugelassen hat.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

165

Entscheiden sich die Gründer nun etwa dafür das Grundkapital auf 280.000 Euro zu fixieren, so ergeben sich folgende EK-Positionen: GK 280.000 KRL 120.000 Die Zahl der Aktien darf dementsprechend maximal 280.000 betragen, kann aber nach Belieben kleinere Werte annehmen. Würde die zahl etwa auf 112.000 festgelegt, so würde sich der fiktive Nennwert auf (280.000/112.000 =) 2,5 Euro belaufen. Hinsichtlich des Mindestausgabebetrages kommt dem fiktiven Nennwert einer Stückaktie dieselbe Funktion zu wie dem explizit festgelegten Nennwert bei einer Nennwertaktie. Das bedeutet, dass der auf eine Stückaktie mindestens (wenn auch nicht zwingend sofort bei der Ausgabe) zu leistende Einlagenbetrag auf keinen Fall kleiner als dieser fiktive Nennbetrag sein darf. Die im Fall von Nennwertaktien bestehenden Schlüsselungsprobleme entfallen demgegenüber im Stückaktiensystem weitgehend, da alle Aktien eine einheitliche „Stückelung“ aufweisen. Die Beteiligungsquote eines Aktionärs ergibt sich mithin einfach als Quotient zwischen der Zahl der von ihm gehaltenen Aktien und der Gesamtzahl aller ausgegebenen Aktien. (3) Exkurs: Der Bilanzkurs einer Aktie Für verschiedene bilanzanalytische Zwecke wird gelegentlich neben dem Börsenkurs und dem Nennwert einer Aktie ihr Bilanzkurs betrachtet. Der Bilanzkurs CBi bezeichnet das bilanzielle Reinvermögen pro Aktie, ergibt sich bei Stückaktien also einfach, indem das Eigenkapital (EK) durch die Anzahl der Aktien (A) dividiert wird: EK . (3.01) CBi = A Der Bilanzkurs einer Nennwertaktie mit dem Nennwert NW wird demgegenüber allgemein wie folgt definiert: EK ⋅ NW (3.02) CBi = GK

Weisen alle Nennwertaktien denselben Nennwert auf, so gilt bekanntlich GK = A ⋅ NW. Mithin stimmen beide Formeln in diesem Fall überein, wie einfaches Einsetzen zeigt. Der Bilanzkurs einer Aktie kann im Vergleich zum (tatsächlichen oder fiktiven) Nennwert – größer sein, wenn das ausgewiesene Eigenkapital größer als das Grundkapital ist (durch Rücklagen oder Gewinnvorträge), – kleiner sein, wenn das Eigenkapital kleiner als das Grundkapital ist (durch Verlustvorträge), – gleich sein, wenn das Eigenkapital gleich dem Grundkapital ist. Der Börsenkurs CA der Aktie ist im Allgemeinen nicht identisch mit dem Bilanzkurs, vielmehr wird er im Vergleich zu diesem mit einer positiven oder negativen Marktprämie bewertet. Diese Marktprämie CA – CBi drückt das Urteil des Marktes darüber aus, inwieweit der Gegenwartswert des zukünftigen Erfolgspotenzials des betrachteten Unternehmens von dem bilanziell ausgewiesenen Reinvermögen (= Eigenkapital) abweicht.

166

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Übungsaufgabe 3.05: Gegeben sei folgende Bilanz der FAUST AG:

Aktiva Vermögen

(Mio. Euro) 150 Grundkapital Rücklagen Verbindlichkeiten 150

Passiva 30 24 96 150

a)

Wie viele Aktien hat die AG emittiert, wenn alle Aktien auf einen Nennwert von 5 Euro lauten? b) Wäre es möglich, dass die Zahl der ausgegebenen Aktien (1) 60 Mio. (2) 20 Mio. (3) 10 Mio. beträgt? Untersuchen Sie diese Frage getrennt für den Fall, dass Nennwert- bzw. Stückaktien ausgegeben worden sind! Gehen Sie dabei davon aus, dass alle Aktien gleich ausgestattet sind! c) Berechnen Sie für den in a) betrachteten Fall den Bilanzkurs der Aktie! 3.2.2.3 Inhaber- und Namensaktien Nach § 10 AktG können die Gesellschaften ihre Aktien wahlweise als Inhaber- oder Namensaktien ausgestalten. Dabei ist es möglich, beide Arten von Aktien parallel auszugeben. Für den Fall, dass die Einlagen noch nicht voll erbracht sind, müssen die Aktien gemäß § 10 Abs. 2 AktG allerdings zwingend als Namensaktien ausgestaltet sein. Mit der Unterscheidung zwischen Inhaber- und Namensaktien sind zwei Aspekte verknüpft, die sich – zum einen auf die Übertragungsmodalitäten im Zuge des Handels in Aktien beziehen und – zum anderen auf die Möglichkeiten eines Aktionärs, sich als solcher zu legitimieren, um seine Aktionärsrechte, etwa zur Teilnahme an der Hauptversammlung, wahrzunehmen. (1) Übertragbarkeit von Aktien Als Inhaberpapiere verbriefte Aktien, die bis zum Beginn dieses Jahrhunderts im börsenmäßigen Aktienhandel in Deutschland den Normalfall darstellten, werden durch die Übereignung der Aktienurkunde übertragen. Die juristisch, nicht jedoch verfahrenstechnisch, einfachste Möglichkeit dazu besteht in der Übergabe der Aktienurkunde durch den bisherigen Eigentümer an den Käufer. Für das börsenmäßige Massengeschäft ist diese Übertragungsform allerdings denkbar schlecht geeignet. Daher wird üblicherweise die juristisch gegebene Möglichkeit genutzt, die effektive Übergabe der Urkunden durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs oder – bei ausschließlicher Verbriefung in einer Globalurkunde – durch die rein buchtechnische Übertragung des Eigentums zu ersetzten. In diesem Zusammenhang ist ein kurzer Hinweis auf die in Deutschland bei börsengehandelten Wertpapieren weithin übliche Verwahrpraxis, die sogenannte Girosammelverwahrung angezeigt. Die effektive Verwahrung der Wertpapierurkunden und ihre Verwaltung (z.B. das Abtrennen der Dividendencoupons) erfolgt weitgehend durch eine auf dieses Geschäft spezi-

3.2 Vermögensanlage in Aktien

167

alisierte Wertpapiersammelbank, die zurzeit unter der Bezeichnung Clearstream Banking AG firmiert. Bei dieser Bank sind im Hinblick auf die Aktien des „breiten Publikums“ allerdings ausschließlich Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute im Sinne von § 1 Abs. 1a KWG als Hinterleger erfasst. Diese führen ihrerseits „Depots“ ihrer Kunden, d.h. Listen, in denen verzeichnet ist, in welcher Anzahl verschiedene Wertpapiere für den einzelnen Kunden hinterlegt sind. Kommt es etwa im Börsenhandel zu dem Ergebnis, dass Kunde a der Bank A eine X-Aktie verkauft und Kunde b der Bank B eine X-Aktie erwirbt, so wird im Zuge des sogenannten Effektengiroverkehrs bei der Wertpapiersammelbank (W) lediglich vermerkt, dass – das Miteigentum von A an dem von W verwahrten Sammelbestand an X-Aktien um 1 Stück gesunken und – das von B um 1 Stück gestiegen ist. Bank A ihrerseits teilt ihrem Kunden a den Abgang aus seinem Depot mit, während B dem Kunden b über die „Einbuchung“ einer X-Aktie in sein Depot unterrichtet. Juristisch wird dadurch der ursprünglich dem a zustehende mittelbare Anspruch gegenüber W auf den b übertragen, der damit Miteigentümer an dem bei W gehaltenen Aktienbestand wird. Im Gegensatz zu den „namenlosen“ Inhaberaktien werden Namensaktien bei ihrer Ausgabe auf den Namen des ersten Erwerbers ausgestellt. Zur Übertragung des Eigentums bedurfte es traditionell eines Indossaments, d.h. einer – in der Regel auf der Rückseite (italienisch: „in dosso“, d.h. auf dem Rücken) angebrachten – Erklärung des bisherigen Eigentümers, dass die in der Aktie verbriefte Rechtsposition an den namentlich genannten neuen Erwerber übergehen soll.33 Es ist unmittelbar einleuchtend, dass diese Übertragungsform für das börsenmäßige Massengeschäft nicht sonderlich gut geeignet ist. Dementsprechend bildeten Namensaktien im deutschen Börsengeschäft lange Zeit eine seltene Ausnahme. Seit Mitte der 90er Jahre wurden dann schrittweise etliche rechtliche und verfahrenstechnische Änderungen vorgenommen, die dazu geführt haben, dass die Eigentumsübertragung auch bei Namensaktien ohne Indossament durch reine Buchungen auf den Depotkonten der Beteiligten möglich ist. Dadurch ist der börsenmäßige Handel von Namensaktien deutlich vereinfacht und die Höhe damit verbundener Transaktionskosten den für Inhaberaktien maßgeblichen Sätzen weitgehend angepasst worden. Bei den nicht in das entsprechende System der Clearstream Banking AG einbezogenen, in der Regel nicht börsennotierten, Namensaktien bleibt es demgegenüber bei den bisherigen Regelungen. Einen Sonderfall von Namensaktien stellen die sogenannten vinkulierten Namensaktien (von lateinisch „vinculum“, die Fessel) dar. Die Übertragung der in der Aktie verbrieften Rechtsposition setzt hier zusätzlich noch die Zustimmung „der Gesellschaft“ voraus. Dabei wird das entsprechende Kontrollrecht üblicherweise von dem Vorstand ausgeübt; die Satzung kann jedoch auch eine andere Regelung vorsehen. Im Fall der Vinkulierung erlangt die zwischen Aktienkäufer und -verkäufer getroffene Vereinbarung die beabsichtige Wirkung erst, wenn die entsprechende Zustimmung erteilt wird. Es leuchtet unmittelbar ein, dass derartige Aktien selbst bei der ansonsten durch den Indossamentverzicht erleichterten Übertragungsmöglichkeit für den anonymen Börsenhandel kaum geeignet sind. Ein – in dieser oder ähnlicher Weise auch tatsächlich praktizierter – 33

Daneben bestand und besteht die im Endeffekt auch nicht mit weniger Transaktionskosten verbundene Möglichkeit, die in der Aktienurkunde verbriefte Rechtsposition unmittelbar im Wege der Zession zu übertragen.

168

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Ausweg kann allerdings dadurch gefunden werden, dass die Gesellschaft ihre Zustimmung zu Aktiengeschäften, die innerhalb des üblichen Börsenhandels abgewickelt werden und eine bestimmte Größenordnung nicht übersteigen, vorab gewissermaßen „blanko“ erteilt; die mit der Vinkulierung angestrebte Kontrolle des Aktienerwerbs bleibt dann auf außerbörsliche und besonders große Transaktionen beschränkt. (2) Legitimationswirkung von Aktien Im Hinblick auf die Wahrnehmung der einem Aktionär zustehenden Rechte sind zwei Fälle zu unterscheiden. Einige Rechte setzen die Vorlage bestimmter, zwar mit der Aktie verbundenen, aber dennoch eigenständiger Wertpapiere voraus. So erfolgt etwa die Auszahlung der durch die Hauptversammlung beschlossenen Dividende oder die Ausübung von Bezugsrechten in aller Regel gegen Vorlage eines dafür bestimmten Coupons des Bogens (s. Abschnitt 3.2.2.1). Insoweit bestehen keine Unterschiede zwischen Inhaber- und Namensaktien. Andere Rechte, so etwa insbesondere die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Mitwirkung an deren Beschlussfassung, setzen bei Inhaberaktien typischerweise die Vorlage der Aktienurkunde oder bei depotverwahrten Aktien den Nachweis voraus, dass der Anspruch auf die Herausgabe einer solchen Urkunde oder das Miteigentum an einer Sammelurkunde besteht. Bei Namensaktien kommt der Aktienurkunde diese Legitimationswirkung demgegenüber nicht zu. Hier ist nach § 67 AktG die Gesellschaft verpflichtet, die Namen und Adressen der Aktionäre in einem Aktienregister (früher „Aktienbuch“) zu erfassen. Zur Wahrnehmung der angesprochenen Rechte gegenüber der Gesellschaft ist dann einfach derjenige befugt, der in diesem Register eingetragen ist, und zwar auch dann, wenn er seine Aktien an einen Dritten weiterveräußert hat, die vorgesehene Meldung an das Register jedoch (noch) unterblieben ist. Die bei der Inhaberaktie gegebene Legitimationswirkung der Urkunde gegenüber dem Aussteller wird hier also durch die (nicht widerlegbare) Legitimationswirkung des Registereintrages ersetzt. Die sich aus der Existenz des Aktienregisters für die Geschäftsleitungen ergebenden Möglichkeiten dürften auch ein wesentlicher Grund dafür sein, dass sich zahlreiche Aktiengesellschaften nach dem Abbau der unter (1) erwähnten administrativen Hürden dazu entschlossen haben, ihre bisherigen Inhaberaktien in Namensaktien umzuwandeln oder dass sie dies für die nahe Zukunft beabsichtigen. Die Geschäftsleitung kann sich so ein besseres Bild von der Zusammensetzung des Aktionärskreises machen und wird dadurch zugleich in die Lage versetzt, abzeichnende Veränderungen in geeigneter Weise entweder zu unterstützen oder gerade im Gegenteil etwaige Gegenmaßnahmen einzuleiten. Außerdem wird es für die Gesellschaften leichter und wohl auch kostengünstiger, sich im Zuge der sogenannten Investor Relations unmittelbar an die eigenen Aktionäre zu wenden und mit diesen zu kommunizieren, was bei Inhaberaktien nur unter ständiger Einschaltung der Depotbanken möglich war.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

169

3.2.2.4 Stamm- und Vorzugsaktien Gemäß § 11 AktG kann hinsichtlich der Dividendenberechtigung zwischen Stammaktien und Dividendenvorzugsaktien unterschieden werden.34 Weiterhin besteht die Möglichkeit, Aktien mit Vorzügen bei der Verteilung des Liquidationserlöses auszustatten. Von dieser Möglichkeit wird in Deutschland allerdings kaum Gebrauch gemacht, so dass man häufig, so wie hier auch, die Begriffe Vorzugsaktien und Dividendenvorzugsaktien gleichsetzt. Hat eine Aktiengesellschaft nur Stammaktien ausgegeben, so wird die von der Hauptversammlung beschlossene Gesamtdividende – bei Nennwertaktien nach der Höhe der jeweiligen Nennbeträge und – bei Stückaktien in gleichen Beträgen gleichmäßig auf alle Aktien verteilt. Beispiel 3.05: Die MEPHISTO AG habe 2 Mio. Aktien mit einem Nennwert von 1 Euro und 1.000 Aktien mit einem Nennwert von 1.000 Euro emittiert. Das Grundkapital errechnet sich also wie folgt: 2 Mio. Aktien à 1 Euro 2 Mio. Euro 1.000 Aktien à 1.000 Euro 1 Mio. Euro 3 Mio. Euro Der zur Ausschüttung beschlossene Dividendenbetrag beläuft sich auf 360.000 Euro, also 12% des Grundkapitals. Auf die beiden Aktiengattungen verteilt sich der Dividendenbetrag dann wie folgt: Dividende pro 1 Euro-Aktie 0,12 Euro Dividende pro 1.000 Euro-Aktie 120 Euro

Bei Dividendenvorzugsaktien weicht der Dividendenanspruch dagegen – in der Regel positiv – von dem der Stammaktien ab. Als Motive für die Ausgabe von Vorzugsaktien kommt insbesondere den folgenden beiden Aspekten Bedeutung zu: •

Da die Ausgabe stimmrechtsloser Aktien (s. Abschnitt 3.2.2.5) ihre Ausgestaltung als Vorzugsaktie voraussetzt, ist es auf diese Weise möglich, Eigenfinanzierung zu betreiben, ohne dass sich die Stimmrechtsverteilung in der Hauptversammlung ändert. • Zum anderen ist es denkbar, damit auf eine Situation zu reagieren, in der die Zuführung finanzieller Mittel im Wege der Eigenfinanzierung nötig ist, der Aktienkurs jedoch unter den Nennwert abgesunken ist. Angesichts des Verbots der Emission unter pari wäre dann eine Emission neuer Stammaktien kaum möglich, da die Anleger wohl kaum bereit wären, mehr als den Börsenkurs zu bezahlen, es sei denn, die jungen Aktien lassen höhere Ausschüttungen erwarten als die bisherigen Stammaktien oder weisen sonstige „Vorzüge“ auf. Die Art und Weise, in der ein Dividendenvorzug im Einzelnen ausgestaltet wird, steht der Gesellschaft weitgehend frei. Ein besonders prominentes Beispiel stellt der prioritätische Dividendenanspruch dar. Hier gilt für den zur Ausschüttung vorgesehenen Dividendenbetrag folgende Verteilungsregel: 34

Der Begriff „Stammaktie“ wird im AktG selbst nicht verwendet, hat sich aber als Bezeichnung für nicht mit Vorzugsrechten ausgestattete „Normalaktien“ weithin durchgesetzt.

170 •

3 Vermögensanlage in Wertpapieren Reicht die gesamte Dividende zur Zahlung der Mindestdividende an die Vorzugsaktionäre nicht oder gerade aus, so erhalten die Stammaktionäre keine Dividende. – Geht die Gesamtdividende gar über diesen Betrag hinaus, so stehen die überschießenden Dividendenbeträge insoweit den Stammaktionären zu, wie ihre Dividende pro Aktie hinter dem Mindestsatz der Vorzugsaktionäre zurückbleibt. – Übersteigt die Gesamtdividende den Betrag, der notwendig ist, um auch an die Stammaktionäre den Mindestsatz der Vorzugsaktionäre auszuschütten, so wird der danach noch verbleibende Rest auf alle Aktien gleichmäßig bzw. proportional zu den Nennbeträgen verteilt.

Beispiel 3.06: Die GRETCHEN AG habe 3 Mio. Stammaktien und 1 Mio. Vorzugsaktien mit prioritätischen Dividendenanspruch ausgegeben. Die Vorzugsdividende betrage 0,2 Euro pro Aktie. Dann ergibt sich je nach dem zur Ausschüttung beschlossenen Dividendenbetrag folgende Situation für den Dividendensatz von Vorzugsaktien (DV) und Stammaktien (DS): 1.

Dividende = 180.000 Euro 180.000 DV = = 0,18 Euro pro Vorzugsaktie 1 Mio. DS = 0

2.

Dividende = 560.000 Euro D V = 0, 20 Euro pro Vorzugsaktie (insgesamt 200.000 Euro) DS =

3.

360.000

= 0,12 Euro pro Stammaktie 3 Mio. Dividende = 3,6 Mio. Euro Erster Verteilungsschritt: I

D V = 0, 20 Euro (insgesamt 200.000 Euro) I

DS = 0, 20 Euro (insgesamt 600.000 Euro) Zweiter Verteilungsschritt: Der verbleibende Dividendenbetrag von 2,8 Mio. Euro wird gleichmäßig auf alle Aktien verteilt, was noch einmal 2,8 / 4 = 0,70 Euro pro Aktie ergibt. Für die Dividendenbeträge insgesamt gilt somit übereinstimmend DV = DS = 0,90 Euro pro Aktie.

Auch Vorzugsaktionäre erhalten allerdings nur insoweit eine Dividende, wie ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird und die Hauptversammlung beschließt, diesen zumindest zum Teil als Dividende auszuschütten. Ist dies nicht der Fall, so gehen auch die Inhaber der Vorzugsaktien leer aus. Bei „einfachen“ Vorzugsaktien bedeutet das, dass der bei der Aktienausgabe zunächst in Aussicht gestellte Vorzug letztlich gar nicht oder – wie im Fall 1 in dem letzten Beispiel – nur teilweise erreicht wird, ohne dass der Aktionär dafür anderweitig einen Ausgleich erhält. Insoweit unterliegen auch Vorzugsaktien einem der Situation bei Stammaktien ähnlichen Dividendenrisiko.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

171

Bei sogenannten kumulativen Vorzugsaktien ist dieses Risiko jedoch weiter eingeschränkt. Bleibt bei diesen Aktien nämlich die in einem Geschäftsjahr tatsächlich gezahlte Dividende hinter einem zuvor genau definierten Vorzugsbetrag zurück, so erhöht sich der vorrangige Dividendenanspruch für das nächste Geschäftsjahr um den „ausgefallenen“ Betrag des Vorjahres. Für die weitere Verteilung der Gesamtdividende tritt dann der „erhöhte Dividendenanspruch“ der Vorzugsaktionäre an Stelle des bei dem „einfachen“ prioritätischen Dividendenanspruch maßgeblichen „Mindestsatz“ der Vorzugsaktionäre. Folgendes Beispiel verdeutlicht eine solche Konstellation. Beispiel 3.07: Wie im vorausgegangenen Beispiel hat eine AG 3 Mio. Stamm- und 1 Mio. Vorzugsaktien ausgegeben. Die kumulative prioritätische Vorzugsdividende der Vorzugsaktien betrage wiederum 0,20 Euro pro Vorzugsaktie. Im ersten Geschäftsjahr werde nur ein Dividendenbetrag von 150.000 Euro beschlossen (entspr. 0,15 Euro pro Vorzugsaktie). Für den im zweiten Geschäftsjahr zur Ausschüttung beschlossenen Betrag seien alternativ die folgenden beiden Konstellationen unterstellt. 1.

Dividende = 220.000 Euro Da der Vorzugsanspruch einer Vorzugsaktie angesichts des im Vorjahr erfolgten „Ausfalls“ von 0,05 Euro nun 0,25 Euro beträgt, gilt DV = 0,22 Euro und DS = 0. Zudem ist zu beachten, dass der Vorzugsanspruch im Folgejahr mit 0,23 Euro nach wie vor über dem Ausgangswert liegen würde.

2.

Dividende = 910.000 Euro D V = 0, 25 Euro pro Vorzugsaktie (insgesamt 250.000 Euro) DS =

660.000

= 0, 22 Euro pro Stammaktie 3 Mio. Der Vorzugsanspruch für das Folgejahr würde in dieser Konstellation also wieder auf die üblichen 0,20 Euro pro Aktie absinken.

Aus der Natur der Sache folgt, dass eine Gesellschaft nicht ausschließlich Vorzugsaktien ausgeben kann. Als Basis zur Definition des „Vorzugs“ muss es stets auch Stammaktien geben. Es ist allerdings möglich, neben den Stammaktien verschiedene Arten von Vorzugsaktien einzurichten. Zwingend vorgeschrieben ist die Ausgestaltung als kumulative Vorzugsaktie gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AktG für Aktien, die ohne Stimmrecht ausgegeben werden sollen (vgl. Abschnitt 3.2.2.5).

172

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.2.2.5 Die Stimmberechtigung von Aktien Sind im einfachsten Fall nur als Stammaktien ausgestaltete Stückaktien ausgegeben worden, so gewährt jede Aktie gemäß §§ 12 Abs. 1 sowie 134 Abs. 1 AktG ein einheitliches Stimmrecht. Einem Aktionär stehen mithin so viele Stimmen zu, wie er Aktien besitzt. Bei Nennbetragsaktien gewährt eine Aktie kleinster Stückelung eine Stimme; auf Aktien mit höheren Nennbeträgen entfällt eine proportional höhere Stimmenzahl. Abweichend von diesem allgemeinen Grundsatz kann die Hauptversammlung einer AG allerdings auch die Ausgabe stimmrechtsloser Aktien beschließen. Gemäß § 139 Abs. 2 AktG darf die Summe der den stimmrechtslosen Aktien entsprechenden (effektiven oder fiktiven) Nennbeträge nicht größer sein als die entsprechende Nennwertsumme stimmberechtigter Aktien. Bei stimmrechtslosen Aktien muss es sich gemäß § 139 AktG zudem zwingend um kumulative Vorzugsaktien handeln (vgl. Abschnitt 3.2.2.4). Dem liegt die Idee zugrunde, dass den Inhabern der entsprechenden Aktien durch eine Bevorzugung bei der Dividendenausschüttung eine Kompensation für den Verzicht auf das Stimmrecht geboten werden soll. Allerdings sieht das Aktiengesetz keine Untergrenze für den zu versprechenden Vorzug vor. Zudem kann diese Kompensation nicht fest versprochen werden, da die Ausschüttung einer entsprechend dimensionierten Dividende voraussetzt, dass – es der Gesellschaft auf Grund aktuell erzielter oder in früherer Periode einbehaltener Gewinne überhaupt erlaubt ist, Ausschüttungen in der erforderlichen Höhe vorzunehmen, – die Geschäftsleitung die bei der Feststellung des Bilanzgewinns bestehenden Spielräume zur Auflösung und Bildung von Gewinnrücklagen in entsprechender Weise ausübt und – die Hauptversammlung bei der Entscheidung über den Bilanzgewinn dann auch wirklich eine Ausschüttung in dem notwendigen Umfang beschließt.35 Rechercheaufgabe: Ziehen Sie die Finanzzeitung des Handelsblattes oder eine andere adäquate Quelle zurate und versuchen Sie etwas über die Ausgestaltungsform der im DAX und MDAX notierten Aktien in Erfahrung zu bringen. Welche der hier besprochenen Gestaltungselemente können Sie aus der Finanzzeitung eruieren und welche nicht?

Ob der bei der Ausgabe der stimmrechtslosen Aktien als Kompensation in Aussicht gestellte Vorzug auch wirklich realisiert wird, hängt somit nicht nur von der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft, sondern auch von dem Verhalten der Geschäftsleitung und der stimmberechtigten Aktionäre ab, die im Eigeninteresse möglicherweise geneigt sein könnten, die Vorzugsaktionäre durch eine restriktive Dividendenpolitik „auszuhungern“. Um diese Möglichkeit etwas zu erschweren, ist neben der Anfechtungsmöglichkeit gemäß § 243 Abs. 2 AktG in § 140 Abs. 2 AktG vorgesehen, dass den Vorzugsaktionären entgegen der ursprünglichen Ausstattung ihrer Aktien doch ein Stimmrecht zuwächst, sobald der ihnen zustehende kumulative Dividendenanspruch in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht erfüllt worden ist. Das Stimmrecht steht den Vorzugsaktionären dann ab der ersten (ordentlichen 35

Die Vorzugsaktionäre können allerdings den Beschluss einer hinter dem Bilanzgewinn zurückbleibenden Dividende unter Umständen gemäß § 243 Abs. 2 AktG anfechten.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

173

oder außerordentlichen) Hauptversammlung zu, die auf die Hauptversammlung folgt, auf der zum zweiten Male eine „zu niedrige“ Dividende beschlossen worden ist. Die Stimmberechtigung hält so lange an, bis die Dividendenausschüttung eines späteren Geschäftsjahres wieder so groß ist, um neben der laufenden Vorzugsdividende auch die Fehlbeträge der vorausgegangenen Jahre abzudecken. Beispiel 3.08: Die prioritätische Dividende pro Vorzugsaktie betrage 3,– Euro. Je nach der Höhe der an die Vorzugsaktionäre gezahlten Dividende ergibt sich dann folgende Entwicklung: Jahr

1

2

3

4

Gezahlte Dividende

2,00 Euro

1,50 Euro

5,00 Euro

3,50 Euro

Gezahlte Vorzugsdividende

2,00 Euro

1,50 Euro

3,00 Euro

3,00 Euro





2,00 Euro

0,50 Euro

1,00 Euro

2,50 Euro

0,50 Euro



Nachzahlung Kumulierter Rückstand

Unterstellt man, dass in jedem Jahr nur eine ordentliche Hauptversammlung stattfindet, so wächst den Vorzugsaktionären nach der Hauptversammlung im Jahre 2 das Stimmrecht zu, das sie dann in den Jahren 3 und 4 wahrnehmen können bis es nach der vollkommenen Zahlung aller kumulierten Vorzüge im Jahr 4 wieder zeitweise erlischt. Auf der Hauptversammlung im Jahre 5 steht ihnen somit kein Stimmrecht mehr zu.

Übungsaufgabe 3.06: Im folgenden Schema sind die Aktienarten nach ihrer unterschiedlichen Gewinnbeteiligung und Stimmberechtigung unterschieden. Erläutern Sie kurz die nach deutschem Aktienrecht zulässigen Kombinationen: Gewinnbeteiligung Stimmrecht Stimmrecht Kein Stimmrecht

Stammaktie

Vorzugsaktie

Kumulative Vorzugsaktie

1 4

2 5

3 6

174

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.2.2.6 Ausstehende Einlagen Wie bereits bekannt, gibt der – fiktive oder effektiv angegebene – Nennbetrag einer Aktie gemäß § 9 AktG zugleich den Mindestwert des Ausgabebetrages an, d.h. derjenigen Summe, zu deren (sofortigen oder späteren) Erbringung sich der erste Erwerber der Aktie zu verpflichten hat. Ein über den Nennbetrag hinausgehender Ausgabebetrag, eine sogenannte Überpari-Emission, ist allerdings ohne weiteres zulässig und – zumindest bei börsennotierten Gesellschaften – auch weithin üblich. Ihren bilanziellen Niederschlag findet eine solche Transaktion in dem einfachsten Fall sofort in vollem Umfang erbrachter Einlagen bekanntlich – auf der Aktivseite in einer Erhöhung der entsprechenden Vermögensposition in Höhe des gesamten Ausgabebetrages sowie – auf der Passivseite in einer Erhöhung des Grundkapitals um den (ggf. fiktiven) Nennwert und der Position Kapitalrücklage um den darüber hinausgehenden Ausgabebetrag, das sogenannte Agio. Bezüglich der näheren Modalitäten, nach denen die ihrer Höhe nach durch den Ausgabebetrag bestimmten Einlagen zu erbringen sind, können zwei Aspekte unterschieden werden, nämlich – zum einen durch welche Art von Vermögenswerten sowie – zum anderen zu welchem Zeitpunkt dies zu erfolgen hat. Soll der Ausgabebetrag nicht durch die Überlassung von Zahlungsmitteln erbracht werden, sondern als sogenannte Sacheinlage durch die Übertragung anderer Vermögensgegenstände an die Gesellschaft oder in ähnlicher Weise, so ist der Aktionär nach näherer Maßgabe der recht unübersichtlichen und auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinenden Vorschriften des § 36a AktG von Anfang an verpflichtet, die Einlage in vollem Umfang zu erbringen. In dem bei börsennotierten Gesellschaften allgemein üblichen Fall von Bareinlagen kann demgegenüber vereinbart werden, dass der Ausgabebetrag zunächst nicht in voller Höhe eingezahlt wird. Dazu legt § 36a AktG allerdings fest, dass die sofort zu leistende Zahlung mindestens – 25% des (fiktiven oder effektiv angegebenen) Nennbetrages sowie – das gesamte Agio umfassen muss. Das maximal zulässige Ausmaß der in einem solchen Fall auftretenden ausstehenden Einlagen beläuft sich somit auf 75% des Aktiennennbetrages. Der Inhaber einer solchen Aktie muss den noch ausstehenden Einlagebetrag auf einen entsprechenden Beschluss der Gesellschaft hin ganz oder teilweise nachzahlen. Dabei kann im Falle einer Insolvenz auch der Insolvenzverwalter diesen Anspruch der Gesellschaft geltend machen und die Einzahlung der ausstehenden Beträge verlangen. Vor diesem Hintergrund wird die Vorschrift des § 10 Abs. 2 des AktG verständlich, wonach es sich bei nicht voll eingezahlten Aktien zwingend um Namensaktien handeln muss. Wird eine nicht voll eingezahlte Namensaktie veräußert, so geht auch die Zahlungsverpflichtung zusammen mit den ansonsten bestehenden Aktionärsrechten auf den Erwerber über. Gegenüber der Gesellschaft ist allerdings ungeachtet eines zwischenzeitlich möglicherweise

3.2 Vermögensanlage in Aktien

175

erfolgten Verkaufs gemäß § 67 Abs. 2 AktG zunächst derjenige zur Zahlung der ausstehenden Einlage verpflichtet, dessen Name im Aktienregister erfasst ist.36 Stehen bei allen Aktien die Einlagen in dem gleichen Verhältnis aus, so bleibt es bei dem auch ansonsten geltenden Prinzip, dass die zur Ausschüttung beschlossene Dividende gleichmäßig auf alle Aktien verteilt wird. Eine Abweichung von dieser Regel sieht § 60 Abs. 2 AktG allerdings für den Fall vor, dass die Einlagen bei verschiedenen Aktientranchen in unterschiedlichem Ausmaß ausstehen. Danach ist eine von dem Ausmaß der tatsächlich geleisteten Einlagen abhängige „Vorabdividende“ in Höhe von 4% zu leisten und nur die darüber hinausgehende Dividendensumme nach den ansonsten zur Anwendung kommenden Gleichheitsgrundsätzen zu verteilen. Die Satzung der AG kann allerdings auch einen anderen Verteilungsmodus vorsehen. Ähnliche Regelungen wie hinsichtlich der Dividende gelten gemäß § 134 Abs. 2 AktG auch für die Stimmrechte bei Aktien mit ausstehenden Einlagen. Als faktischer Regelfall dürfte dabei im Allgemeinen folgendes gelten: • •

Stehen bei allen Aktien die Einlagen in dem gleichen Verhältnis aus, so gewährt jede Aktie kleinster Stückelung eine Stimme. Stehen die Einlagen hingegen bei verschiedenen Aktien in unterschiedlichem Ausmaß aus, so richtet sich das Stimmenverhältnis nach der Höhe der tatsächlich geleisteten Einlagen.

Übungsaufgabe 3.07: Bei Gründung einer AG werden die einzelnen Aktien im Nennwert von 5 Euro von den Aktionären zu einem Preis von 7 Euro pro Stück übernommen. Die Gesamtzahl der Aktien beträgt 200.000 Stück. Beantworten Sie die folgenden Fragen unter Beachtung der Vorschriften der §§ 9, 36a AktG und § 272 HGB! a) Ist diese Über-pari-Emission zulässig? b) Wieviel muss von den Aktionären bei Übernahme der Aktien mindestens pro Aktie eingezahlt werden? c) Wie schlägt sich die Emission bilanziell nieder, wenn alle Aktionäre nur die Mindesteinzahlung leisten?

36

Insoweit liegt es im Interesse des Verkäufers einer nicht voll eingezahlten Namensaktie dafür Sorge zu tragen, dass der Verkauf der Aktie der Gesellschaft umgehend gemeldet wird und die entsprechende Berichtigung des Aktienregisters zügig erfolgt. Für den Fall, dass die ausstehenden Einlagen von dem neuen Eigentümer nicht erlangt werden können, besteht gem. § 65 Abs. 1 und 2 AktG allerdings für alle „Vormänner“ eine zeitlich begrenzte Zahlungsverpflichtung gegenüber der Gesellschaft.

176

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.2.2.7 Zusammenfassung Folgendes Schema fasst die verschiedenen Erscheinungsformen von Aktien, die wir Ihnen in diesem Abschnitt vorgestellt haben, noch einmal zusammen:

Aktienarten

Quantifizierung des Anteils

Dividendenanspruch

Einzahlung der Einlage

• Nennwertaktien • Stückaktien

• Stammaktien • Vorzugsaktien • kumulative Vorzugsaktien

• voll eingezahlte Aktien • (Namens-)Aktien mit ausstehenden Einlagen

Abb. 3.02:

Übertragbarkeit

Stimmrecht

• Inhaberaktien • Namensaktien • vinkulierte Namensaktien

• Stimmrechtsaktien • stimmrechtslose (Vorzugs-)Aktien

Ausgestaltungsformen von Aktien

Übungsaufgabe 3.08: Bei Gründung der EGMONT AG werden die einzelnen Aktien im Nennwert von 5 Euro von den Aktionären zu einem Ausgabekurs von 7,60 Euro übernommen. Die Gesamtzahl der Aktien beträgt 2 Mio. Stück. Beantworten Sie die folgenden Fragen unter Beachtung der Vorschriften der §§ 8, 9, 10, 11, 36a AktG! a) Ist diese Über-pari-Emission mit einem „krummen“ Ausgabebetrag zulässig? b) Nehmen Sie an, alle ausgegebenen Aktien weisen die gleiche Ausstattung aus. Kann es sich dabei um – Namensaktien, – stimmrechtslose Aktien – Vorzugsaktien handeln? c) Angenommen, die Gesellschaft wird zahlungsunfähig und muss deshalb Insolvenz anmelden. Wie haftet ein Aktionär, der 100 Aktien übernommen und darauf nur den Mindesteinlagebetrag eingezahlt hat, den Gläubigern der Gesellschaft?

3.2 Vermögensanlage in Aktien

177

d) In dem Sachbuch „Der kleine Aktionär“ lesen Sie unter anderem: „Gelegentlich wird den Aktionären bei der Aktienausgabe gar nicht der volle Nennbetrag abverlangt, so dass sie die Aktien günstiger beziehen können. In diesem Fall haften sie bei einer Insolvenz allerdings mit den noch ausstehenden Einlagen.“ Kommentieren Sie diese Passage kurz!

3.2.3

Exkurs: Das Eigenkapital der Aktiengesellschaft

3.2.3.1 Begriff und Funktion des Eigenkapitals Zum besseren Verständnis verschiedener Passagen der im Abschnitt 3.2.4 folgenden Ausführungen zu verschiedenen Arten von Kapitalerhöhungen ist es hilfreich, sich zunächst noch einmal Begriff, Funktion und bilanziellen Ausweis des Eigenkapitals einer AG gedanklich zu verdeutlichen37. Formal entspricht das Eigenkapital zwingend der Differenz zwischen – dem Gesamtwert der auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Vermögensgegenstände und vermögensähnlichen Positionen und – dem Gesamtbetrag der Schulden (Rückstellungen, Verbindlichkeiten, passiven Rechnungsabgrenzungsposten und passiven letzten Steuern) als Ausdruck zukünftiger Zahlungs- und Leistungsverpflichtungen sowie bestimmter weiterer zukünftig erwarteter Belastungen. Der Ausweis des Eigenkapitals kennzeichnet somit die Höhe des Reinvermögens des bilanzierenden Unternehmens auf der Basis der für die Erstellung der Bilanz maßgeblichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Dieser Bilanzposten könnte dementsprechend eigentlich auch die präzisere Bezeichnung „bilanzielles Reinvermögen“ oder „bilanzieller Vermögensüberschuss“ tragen. Eine in dieser Weise geänderte Terminologie könnte eventuell auch dazu beitragen, verschiedene Fehlinterpretationen, denen das „Eigenkapital“ nicht selten ausgesetzt ist, zu vermeiden. So wird der bilanzielle Eigenkapitalausweis häufig fälschlicherweise als unmittelbarer Indikator von Haftungstatbeständen angesehen. Diese Sichtweise liegt etwa dem gängigen Schlagwort von der „Haftungsfunktion des Eigenkapitals“ zugrunde. Um diesen Problemkomplex gedanklich zu durchdringen, ist es hilfreich, sich zunächst einmal vor Augen zu führen, was „Haftung“ in dem hier behandelten Zusammenhang überhaupt bedeutet. Als Eigenschaft von Wirtschaftssubjekten bezieht sich „Haftung“ auf die Frage, – für welche Ansprüche und in welchem Umfang (natürliche oder juristische) Personen in der Weise einstehen müssen, – dass zur Befriedigung dieser Ansprüche – notfalls auch gewaltsam mit Hilfe der dazu legitimierten Personen – auf ihr Vermögen zugegriffen wird. Ökonomisch gesehen interessiert – daraus abgeleitet – aus der Sicht der Anspruchsberechtigten in erster Linie die Frage, auf welche Vermögensmassen sie in welchem Umfang zur Befriedigung ihrer Ansprüche zugreifen können. (Vgl. dazu auch Abschnitt 2.1.6.)

37

Vgl. zum Folgenden ausführlicher BITZ/SCHNEELOCH/WITTSTOCK/PATEK (2014), Teil I, Abschnitte 2.3 und 2.4.

178

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Bei Kapitalgesellschaften bestehen Zugriffsmöglichkeiten auf das Privatvermögen der Gesellschafter bekanntlich nur insoweit, wie diese ihre verbindlich übernommenen Kapitaleinlagen de facto noch gar nicht erbracht haben. Dessen ungeachtet erstreckt sich die Haftung einer Kapitalgesellschaft jedoch auf jeden Fall auf das gesamte Gesellschaftsvermögen und ist keineswegs nur auf Vermögensgegenstände im Wert des ausgewiesenen Eigenkapitalbetrages beschränkt. Die „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ haftet also – genau wie die AG – für ihre Verbindlichkeiten unbeschränkt mit dem gesamten Gesellschaftsvermögen; beschränkt – nämlich auf den Betrag noch ausstehender Einlagen – ist lediglich das Ausmaß, in dem Gläubiger zur Befriedigung ihrer Ansprüche darüber hinaus auch auf das Privatvermögen der Gesellschafter durchgreifen können. Sieht man von der Möglichkeit ausstehender Einlagen ab, so liefert in bilanzieller Sichtweise also die gesamte Aktivseite der Bilanz, und keineswegs nur das Eigenkapital, einen Hinweis auf das bei einer Kapitalgesellschaft insgesamt gegebenen Haftungspotenzial. Dementsprechend vergrößert auch jede Zunahme des Bruttovermögens einer Kapitalgesellschaft deren Haftungsmasse. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Vermögenszuwachs – aus der Aufnahme eines Darlehens oder dem Eingang auf Ziel gelieferter Ware resultiert (Buchungssätze z.B. „Bankguthaben an Verbindlichkeiten“ oder „Vorräte an Lieferantenverbindlichkeiten“) oder – sich aus gewinnbringenden Geschäften oder den Einlagen neuer Gesellschafter ergibt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Kategorien von Vermögenszuwächsen besteht allerdings darin, dass im ersten Fall zugleich auch die von der Gesellschaft zu erfüllenden Gläubigeransprüche zunehmen, im zweiten Fall hingegen unverändert bleiben. Dementsprechend bewirkt der Zuwachs an Vermögen, dass der Überschuss des Vermögens über die daraus zu erfüllenden Ansprüche und damit zugleich der Eigenkapitalausweis – im ersten Fall unverändert bleibt, – im zweiten Fall hingegen in entsprechendem Umfang zunimmt. Insoweit indiziert eine Zunahme des Eigenkapitals bei sonst unveränderten Gegebenheiten aus der Sicht der Gläubiger in der Tat eine Verbesserung der Haftungssituation. Dies ist jedoch nicht etwa deshalb der Fall, – weil dem Eigenkapital selbst eine unmittelbar Haftungsfunktion zukommt, – oder weil es die Höhe der Haftungsmasse anzeigt. Eine Zunahme des Eigenkapitals signalisiert vielmehr deshalb eine Verbesserung der für die Gläubiger bestehenden Haftungssituation, weil diese Größe einen Indikator für den Überschuss der Haftungsmasse über die darauf gerichteten Ansprüche darstellt und damit zugleich für das Ausmaß, in dem das Unternehmen zukünftige Verluste hinnehmen könnte, ohne dass das bilanziell ausgewiesene Vermögen kleiner wird als die daraus zu befriedigenden Ansprüche. Ein zweites Problemfeld bei der Interpretation des Eigenkapitals resultiert daraus, dass das Eigenkapital häufig in äußerst missverständlicher Weise mit Finanzierungstatbeständen in Verbindung gebracht wird. Ein eigentlich offensichtlicher Irrtum besteht in der Vorstellung, das Eigenkapital gebe den Betrag an Finanzierungsmitteln („Eigenmittel“) an, der dem bilanzierenden Unternehmen am Bilanzstichtag ganz unabhängig von den Ansprüchen der Gläubiger zur Finanzierung von Investitionen oder sonstigen Aktivitäten zur Verfügung steht. Dass die oftmals vorgenommene Gleichsetzung „Eigenkapital = frei verfügbare Finanzierungsmittel“ abwegig ist, ergibt sich unmittelbar aus der zuvor herausgearbeiteten Präzisie-

3.2 Vermögensanlage in Aktien

179

rung des Eigenkapitalbegriffs als reine Saldogröße, als Vermögensüberschuss. Über die Zusammensetzung des Vermögens aus mehr oder weniger liquiden Mitteln sagt diese Größe hingegen absolut nichts aus. Wer darüber etwas aus der Bilanz erfahren will, muss sich mit der Aktivseite beschäftigen. Einer etwas differenzierten Behandlung bedarf die Vorstellung, das Eigenkapital sei das Ergebnis von Finanzierungsvorgängen, seine Höhe zeige an, in welchem Umfang dem Unternehmen von seinen Gesellschaftern Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt worden seien. Generell gilt für den bilanziellen Eigenkapitalausweis – bei Vernachlässigung ausstehender Einlagen einerseits sowie Sacheinlagen oder -entnahmen andererseits – die in Abb. 3.03 angegebene Relation. (1)

kumulierte Einzahlungen der Gesellschafter (Einlagen, Nachschüsse etc.) in der Vergangenheit

./.

(2)

kumulierte Auszahlungen an die Gesellschafter (Entnahmen, Ausschüttungen etc.) in der Vergangenheit

+

(3)

kumulierte Gewinne in der Vergangenheit

./.

(4)

kumulierte Verluste in der Vergangenheit

=

aktuelles bilanzielles Eigenkapital

Abb. 3.03:

Entstehung des Eigenkapitals

Das Eigenkapital ist also zum Teil durchaus Ergebnis vorangegangener Finanzierungsleistungen der Gesellschafter (1. Komponente) und damit verknüpfter späterer Auszahlungen (2. Komponente), zum Teil aber auch buchmäßiger Niederschlag der aus der laufenden Geschäftstätigkeit resultierenden Veränderungen des Reinvermögens (3. und 4. Komponente). Über deren Zahlungswirksamkeit und insbesondere deren Zusammenhang mit Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen und Eigenkapitalgebern kann jedoch allgemein gar nichts ausgesagt werden. 3.2.3.2 Der bilanzielle Ausweis des Eigenkapitals Für Kapitalgesellschaften ist gem. § 266 Abs. 3 HGB zwingend vorgeschrieben, die bilanzielle Gesamtposition „Eigenkapital“ in mehrere Unterpositionen aufzugliedern wie Abb. 3.04 zeigt. Gezeichnetes Kapital +

Kapitalrücklage

+

Gewinnrücklagen

+

Gewinn- ./. Verlustvortrag

+

Jahresüberschuss ./. Jahresfehlbetrag

=

bilanzielles Eigenkapital

Abb. 3.04:

Eigenkapitalausweis bei Kapitalgesellschaften

180

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Das gezeichnete Kapital entspricht im Fall von Nennwertaktien der satzungsmäßig fixierten Nennwertsumme aller ausgegebenen Aktien und kann dementsprechend nur durch satzungsändernde Beschlüsse im Zusammenhang mit der Änderung der Zahl der Kapitalanteile oder ihrer Nennwerte in seiner Höhe verändert werden. In der Terminologie des AktG (GmbHG) wird das gezeichnete Kapital als Grundkapital (Stammkapital) bezeichnet. Die Kapitalrücklage entsteht in erster Linie als buchmäßiger Gegenposten für Zahlungen, die Gesellschafter über den Nennwert der übernommenen Anteile hinaus zugunsten des Eigenkapitals leisten. Dies ist etwa der Fall, wenn neue Aktien mit einem Agio, d.h. zu einem über dem Nennwert liegenden Kurs, ausgegeben werden. Folgendes Beispiel verdeutlicht diesen Zusammenhang. Beispiel 3.09: Bei der Gründung der ABC-AG verpflichten sich die fünf Gründer jeweils 20.000 Aktien im Nennbetrag von 5 Euro/Aktie zu übernehmen und dafür 7 Euro/Aktie an die Gesellschaft auf ein Bankkonto einzuzahlen. Der Vollzug dieser Verpflichtung schlägt sich in folgendem Buchungssatz nieder: Gezeichnetes Kapital 500.000 Euro per Bank 700.000 Euro an Kapitalrücklage 200.000 Euro Gewinnrücklagen resultieren demgegenüber daraus, dass durch das Unternehmen selbst erwirtschaftete Vermögenszuwächse (= Jahresüberschüsse) nicht mit Ausschüttungen an die Gesellschafter einhergehen, sondern als sog. thesaurierte Gewinne im Unternehmen verbleiben. Ein solcher Ausschüttungsverzicht kann auf zwingende gesetzliche Vorschriften, satzungsmäßige Regelungen oder entsprechende Beschlüsse der jeweils zuständigen Gesellschaftsorgane zurückzuführen sein. Rücklagen stellen also rein buchmäßige Unterpositionen des bilanziellen Eigenkapitalausweises dar. Sie entstehen aus Gegenbuchungen zu – Leistungen der Gesellschafter, die über den Nominalbetrag des übernommenen Anteils hinaus erbracht worden sind, oder – erwirtschafteten Gewinnen, soweit diese nicht mit Ausschüttungen an die Gesellschafter einhergegangen sind. Ob die Bezeichnung dieser Buchpositionen als „Rücklagen“ besonders glücklich ist, kann bezweifelt werden. Zumindest kann sie leicht zu Missverständnissen führen. Denn im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter „Rücklagen“ etwas ganz anderes, nämlich lt. „Duden“ „gespartes Geld, das zur Sicherheit, für den Notfall zurückgelegt wird“. Der bilanzielle Ausweis von „Rücklagen“ in dem hier erläuterten Sinn sagt demgegenüber absolut nichts darüber aus, in welchem Umfang dem betrachteten Unternehmen entsprechende Liquiditätsreserven etwa in Form von Bankguthaben oder leicht liquidierbaren Wertpapieren zur Verfügung stehen. Bei dem Gewinnvortrag handelt es sich, ähnlich wie bei den Gewinnrücklagen, ebenfalls um den buchmäßigen Niederschlag thesaurierter Gewinne. Ein Verlustvortrag hingegen verdeutlicht als negativer Korrekturposten zum Eigenkapital das Ausmaß, in dem in der Vergangenheit Verluste eingetreten sind, die bis zum Bilanzstichtag weder durch Umbuchun-

3.2 Vermögensanlage in Aktien

181

gen von Rücklagenpositionen noch durch spätere Jahresüberschüsse buchtechnisch ausgeglichen worden sind. Der Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag schließlich bezeichnet die aus der Geschäftstätigkeit des Unternehmens in der abgelaufenen Periode resultierende Veränderung des Reinvermögens. Er stimmt zwangsläufig mit dem in der Gewinn- und Verlustrechnung ermittelten Saldo aller Erträge und Aufwendungen überein.

3.2.4

Die Ausgabe von Aktien (Aktienemission)

3.2.4.1 Die erstmalige öffentliche Aktienausgabe Werden Aktien erstmalig einem breiteren Anlegerpublikum zur „Zeichnung“, d.h. zur Abgabe eines Kaufauftrages, angeboten, so kann dieses Angebot – entweder von den bisherigen Eigentümern – oder der Aktiengesellschaft ausgehen. Sofern es sich dabei um Aktien eines Unternehmens handelt, das bislang noch gar nicht börsennotiert war, werden solche Angebote auch als Initial Public Offering (IPO) bezeichnet. Wir wollen in diesem Abschnitt nur diesen für die Anleger besonders wichtigen Fall behandeln. Auf die Ausgabe „junger“ Aktien von Unternehmen, deren „Altaktien“ bereits börsennotiert sind, werden wir dann im Abschnitt 3.2.4.2 eingehen. Wie Sie schon wissen, werden derartige Transaktionen in Deutschland in aller Regel außerhalb des laufenden Börsenhandels abgewickelt. Typischerweise werden im Zusammenhang mit der öffentlichen Zeichnungsaufforderung jedoch zugleich alle Vorkehrungen getroffen, die notwendig sind, damit die angebotenen Aktien anschließend in den laufenden Börsenhandel einbezogen werden. Auch wenn die Börseneinführung keineswegs ein zwingender Bestandteil einer Zeichnungsaufforderung darstellt, wollen wir uns im Folgenden dennoch auf diesen Fall des sogenannten Gangs an die Börse beschränken. Bei der Vorbereitung und der Durchführung eines solchen Börsenganges übernehmen in aller Regel Bankenkonsortien wichtige Aufgaben, die sich vor allem auf die folgenden Aktionsfelder beziehen:



Zunächst übernehmen die Konsortialbanken einen mehr oder weniger großen Teil der Öffentlichkeitsarbeit „im Vorfeld“ der Emission. • Außerdem nehmen sie die Zeichnung der Anleger entgegen, registrieren und sichten sie und wirken bei der endgültigen Festlegung der Ausgabekurse mit. • Weiterhin wirken sie dabei mit, nach dem Ablauf der Zeichnungsfrist die nähren Modalitäten der Zuteilung der auszugebenden Aktien an die Kaufinteressenten zu regeln und die effektive Ausgabe der Wertpapiere vorzunehmen. • Oftmals halten sich die Konsortialbanken schließlich bereit, im Fall einer etwaigen „Unterzeichnung“ den von dem Anlegerpublikum nicht gezeichneten Teil des Aktienangebotes für eigene Rechnung zu übernehmen und den Emittenten so von dem Platzierungsrisiko zu befreien. Sie können sich leicht vorstellen, dass bei der Erfüllung dieses Aufgabenspektrum sehr vielfältige Möglichkeiten zur konkreten Ausgestaltung eines Emissionsverfahrens bestehen. Im praktischen Wirtschaftsgeschehen haben mit dem Festpreisverfahren und dem Bookbuilding zwei Formen – allerdings mit diversen Untervarianten – besondere Bedeutung erlangt.

182

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Das in Deutschland lange Zeit allein praktizierte Festpreisverfahren war typischerweise durch folgende Verfahrensschritte gekennzeichnet: •

In Abstimmung zwischen Konsortialbanken und Emittenten wird nach einer mehr oder weniger intensiven und offiziellen Markterkundung in einem ersten Schritt der Ausgabekurs definitiv festgelegt. • Dann werden die Anleger zur Abgabe von Zeichnungen aufgefordert, die bei den verschiedenen Konsortialbanken jeweils dezentral für die eigene Kundschaft entgegengenommen werden. • Nach Ablauf der Zeichnungsfrist übernimmt jede einzelne Konsortialbank die ihr zustehende Quote der Gesamtemission und bedient daraus die bei ihr eingegangenen Zeichnungswünsche der eigenen Kundschaft. Dabei kommt es in aller Regel von Konsortialbank zu Konsortialbank zu unterschiedlichen Zuteilungsquoten. Nach welchen Kriterien die einzelnen Kunden dabei bedient werden, liegt dabei grundsätzlich ebenfalls im Ermessen jeder einzelnen Bank. In Abkehr von dem Festpreisverfahren hat in den letzten Jahren das sogenannte Bookbuilding zunehmend Bedeutung gewonnen, das durch folgende Merkmale gekennzeichnet werden kann: •

In einer ersten Phase, der sog. pre-market-Phase wird ein systematischer Kontakt zu institutionellen Anlegern aufgebaut, um genauere Vorstellungen von deren Kauf- und Zahlungsbereitschaft zu gewinnen. • Zu Beginn der Zeichnungsfrist wird dann eine Preisspanne für den möglichen Emissionspreis festgelegt und das Publikum aufgefordert verbindliche Kaufangebote mit einem Limit innerhalb dieser Spanne abzugeben. • Die Zeichnungsphase wird von mehr oder weniger umfangreichen Werbemaßnahmen begleitet. Die eingehenden Kaufaufträge werden bei dem sogenannten book-runner in einem zentralen Orderbuch – daher der Name des Verfahrens – erfasst und ständig überwacht, unter anderem um daraus Anhaltspunkte zur weiteren Steuerung der Werbemaßnahmen zu erhalten. • Nach Abschluss der Zeichnungsfrist wird dann innerhalb der zuvor bekannt gegebenen Spanne der endgültige Emissionspreis festgelegt. Nachdem sich Konsortialbanken und Emittent auf bestimmte Zuteilungskriterien geeinigt haben erfolgt anschließend eine zentrale Zuteilung. Folgende Tabelle verdeutlicht zusammenfassend die wichtigsten Eigenarten dieser beiden Verfahren, die in der Praxis allerdings in zahlreichen Variationen auftreten.

3.2 Vermögensanlage in Aktien Tab. 3.01:

183

Festpreisverfahren und Bookbuilding

Festpreisverfahren

Bookbuilding

Premarket-Kontakte zu institutionellen Anlegern

allenfalls in unsystematischer Form

systematisch organisiert

Festlegung des Emissionspreises

definitiv zu Beginn der Zeichnungsfrist



Preisspanne zu Beginn der Zeichnungsfrist



definitive Festlegung nach Ordereingang

Erfassung der Zeichnungsaufträge

dezentral bei den einzelnen Konsortialbanken

zentral bei einem book-runner

Zuteilung

dezentral nach individuellen Kriterien der einzelnen Konsortialbanken

zentral nach einheitlichen Kriterien

3.2.4.2 Die Ausgabe junger Aktien bei börsennotierten Aktiengesellschaften Wir wollen jetzt nur noch Aktiengesellschaften betrachten, deren Aktien an einer Börse notiert werden. In diesem Fall vollzieht sich die Vermögensanlage in Aktien ganz überwiegend über die Börse als Sekundärmarkt, also durch Umschichtung von Aktienbeständen zwischen bisherigen und neuen Eigentümern. Das Unternehmen, das die entsprechenden Aktien einmal emittiert hatte, bleibt davon zunächst völlig unberührt. Allenfalls können indirekte Effekte auftreten, wenn etwa die aus derartigen Umschichtungen resultierende Kursentwicklung die Finanzierungspolitik des Unternehmens beeinflusst oder sich eine größere Anzahl von Aktien in einer Hand konzentriert. Neben dem Kauf über die Börse ist allerdings immer dann ein unmittelbarer Aktienerwerb möglich, wenn ein Unternehmen neue, sog. „junge“ Aktien emittiert. Für die nähere Darstellung dieser sogenannten Kapitalerhöhungen kann zunächst danach unterschieden werden, ob – die Ausgabe junger Aktien im Zusammenhang mit einer Umbuchung innerhalb der Eigenkapitalposten gratis erfolgt (Ausgabe von Gratisaktien), – der Gesellschaft als Gegenleistung Einlagen (Kapitalerhöhung gegen Einlagen) zufließen, oder – die jungen Aktien in Erfüllung von Wandlungs- oder Bezugsrechten von Inhabern von Wandelschuldverschreibungen oder Optionsschuldverschreibungen ausgegeben werden.

184

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Ausgabe junger Aktien

als Gratisaktien bei Rücklagenumbuchungen Abb. 3.05:

gegen Einlagen der Aktionäre

an Inhaber von Wandel- oder Optionsanleihen

Anlässe zur Ausgabe junger Aktien

In den folgenden Darstellungen werden wir uns auf die beiden erstgenannten Arten von Aktienemissionen beschränken. (1) Ausgabe von Gratisaktien (Aktiensplitting und nominelle Kapitalerhöhung) Das Aktiengesetz regelt in den §§ 207 – 220 die Möglichkeit, bestimmte Rücklagenpositionen rein buchtechnisch in Grundkapital umzuwandeln. Das Eigenkapital insgesamt bleibt dabei in seiner Höhe völlig unverändert und wird lediglich in seiner Untergliederung in verschiedenen buchtechnischen Komponenten verändert. Finanzielle Mittel fließen dem Unternehmen nicht zu. Dieser Vorgang der bilanziellen Umschichtung wird als „nominelle“ Kapitalerhöhung bezeichnet. Bei der weiteren Abwicklung dieses Vorgangs ist danach zu unterscheiden, ob die Gesellschaft Nennwert- oder Stückaktien ausgegeben hat. Bei Nennwertaktien muss bekanntlich die Summe aller Aktiennennwerte mit dem Grundkapital übereinstimmen. Mithin muss die rein buchtechnische Erhöhung des Grundkapitals mit einer entsprechenden Ausweitung der Aktienzahl einhergehen. Die jungen Aktien, die zum Kurs von 0 ausgegeben werden, stehen den bisherigen Aktionären anteilig zu ihren Beständen an Altaktien zu (§ 212 AktG). Wird also etwa das Grundkapital von bislang 50 Mio. Euro durch Umbuchung von Rücklagen auf 75 Mio. Euro erhöht, so steht jedem Altaktionär auf je zwei Aktien eine junge Aktie zu (auch „Berichtigungsaktie“ oder „Gratisaktie“ genannt). Die nach diesem „Aktiensplitting“ ausgegebenen drei Aktien verbriefen letztendlich genau die gleichen Rechte und Ansprüche, die zuvor durch die beiden Altaktien verbrieft waren. Daneben besteht die Möglichkeit des „reinen“ Aktiensplittings, indem die bisherigen Aktien gegen eine größere Anzahl von Aktien niedrigeren Nennwerts umgetauscht werden. So könnte etwa eine AG, die bislang 10 Mio. Aktien im Nennwert von 5 Euro/Aktie ausgegeben hat, diese gegen 50 Mio. Aktien im Nennwert von 1 Euro/Aktie umtauschen. Bei Stückaktien sind demgegenüber drei verschiedene Möglichkeiten zu unterscheiden:





Zum ersten ist es möglich, zwar das Grundkapital durch Auflösung von Rücklagen zu erhöhen, die Aktienzahl jedoch unverändert zu lassen. In diesem Fall tritt die nominelle Kapitalerhöhung also ohne ein gleichzeitiges Aktiensplitting auf; allerdings erhöht sich zwangsläufig der fiktive Nennwert der Aktien (vgl. Abschnitt 3.2.2.2). Zum zweiten ist es aber auch möglich, gerade entgegengesetzt junge Aktien als Gratisaktien auszugeben, ohne das Grundkapital zu erhöhen. In diesem Fall wird also ein Splittingeffekt auch ohne nominelle Kapitalerhöhung erreicht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der fiktive Nennwert nicht unter die Mindestgrenze von 1 Euro sinkt.

3.2 Vermögensanlage in Aktien •

185

Zum dritten ist es allerdings auch möglich, analog zum Vorgehen bei Nennwertaktien zu verfahren, d.h. Aktienzahl und Grundkapital jeweils genau im gleichen Verhältnis zu erhöhen.

Beispiel 3.10: Die TASSO-AG weist folgende Eigenkapitalpositionen (in Mio. Euro) auf. GK 700 KRL 400 GRL 500 Die AG hat 100 Mio. nennwertlose Aktien ausgegeben; der fiktive Nennwert beläuft sich mithin auf 7 Euro/Aktie. (1) Die AG beschließt, das Grundkapital durch Auflösung eines Teils der GRL um 40% zu erhöhen, ohne neue Aktien auszugeben. Dann weisen die EK-Positionen folgende Werte auf: GK 980 KRL 400 GRL 220 Da nach wie vor nur 100 Mio. Aktien ausgegeben sind, hat sich deren fiktiver Nennwert auf 9,8 Euro/Aktie erhöht. (2) Die AG beschließt, die Aktienzahl um 40% zu erhöhen, ohne das Grundkapital heraufzusetzen. Dann behalten die EK-Positionen die eingangs ausgegebenen Werte. Da sich die Aktienzahl jedoch von 100 Mio. auf 140 Mio. erhöht hat, beläuft sich der fiktive Nennwert nun nur noch auf (700 : 140 =) 5 Euro/Aktie. (3) Die AG beschließt, Aktienzahl und Grundkapital um 40% zu erhöhen. Dann ergeben sich die unter (1) aufgeführten EK-Positionen. Da sich jedoch auch die Aktienzahl auf 140 Mio. erhöht hat, bleibt der fiktive Nennbetrag bei (700/100 = 980/140 =) 7 Euro/Aktie.

Folgende Abbildung fasst die zuletzt vorgetragenen Überlegungen noch einmal zusammen:

Abb. 3.06:

Aktiensplitting und nominelle Kapitalerhöhung

186

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Gem. § 208 AktG dürfen Rücklagen nur insoweit umgewandelt werden, wie ihnen kein Verlust oder Verlustvortrag gegenübersteht, und zwar – andere Gewinnrücklagen in voller Höhe (es sei denn, sie dienen einem anderen, satzungsmäßig bestimmten Zweck), – die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage, soweit sie zusammen den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des bisherigen Grundkapitals übersteigen. Als Motive für nominelle Kapitalerhöhungen und Aktiensplitting kommen vor allem die folgenden drei Gründe in Betracht: •

Werden Gratisaktien ausgegeben, so bleiben das Vermögen der Gesellschaft sowie ihr Erfolgspotenzial zwar unverändert, verteilen sich nun jedoch auf eine größere Anzahl von Anteilen. Mithin ist damit zu rechnen, dass sich der Börsenkurs in entsprechendem Umfang reduziert.

Beispiel 3.11: Greifen Sie noch einmal auf die Daten des Beispiels 3.10 zurück. Zusätzlich sei angenommen, dass der Börsenkurs einer Aktie der TASSO-AG vor den betrachteten Kapitalerhöhungs- und Splittingaktivitäten ziemlich stabil bei 42 Euro/Aktie lag. Dann ist der Tendenz nach mit folgenden Kurseffekten zu rechnen: (1): Da sich die Aktienzahl nicht ändert und der Gesellschaft auch kein Vermögen zufließt, ergibt sich aus der nominellen Kapitalerhöhung kein unmittelbarer Kurseffekt. (2) und (3): Die Aktienzahl erhöht sich jetzt um 40%, d.h. auf jeweils 5 Altaktien entfallen 2 neue Aktien. Somit repräsentieren nach erfolgter Aktienausgabe 7 Aktien das gleiche Erfolgspotenzial wie zuvor 5 Aktien. Tendenziell ist also zu erwarten, dass der neue Kurs C der Relation 5 ⋅ 42 = 7 ⋅ C entspricht, woraus C = 30 folgt. Es wäre also zu erwarten, dass das mit den Maßnahmen (2) und (3) verbundene Aktiensplitting zu einer Senkung des Börsenkurses einer XAktie von 42 auf 30 Euro führen würde.



Man sagt im Börsenjargon auch, die Aktie werde „leichter“ und verspricht sich davon gelegentlich eine bessere Handelbarkeit und eventuell eine größere Attraktivität für Kleinanleger. Wie gewichtig dieser Aspekt wirklich ist, mag allerdings dahinstehen. Ebenfalls mit der Ausgabe von Gratisaktien ist ein zweiter Effekt verbunden. Bleibt die von der Gesellschaft insgesamt zur Ausschüttung beschlossene Dividendensumme nach einer solchen Maßnahme unverändert, so schlägt sich das in einem niedrigeren Dividendensatz pro Aktie nieder. Ein niedrigerer Dividendensatz erscheint den Geschäftsleitungen der Aktiengesellschaften gelegentlich aus mehr optischen Gründen wünschenswert. Ist hingegen davon auszugehen, dass die Gesellschaft bemüht sein wird, trotz des Aktiensplitting den Dividendensatz konstant zu halten, so bedeutet das per Saldo eine Erhöhung der Ausschüttung, die auf einen bestimmten Anteil am gesamten Aktienvolumen entfällt. Von vielen Aktionären wird das häufig positiv gewertet, obwohl es keineswegs zwingend ist, dass die Ausschüttung von Gewinnen langfristig für die Aktionäre günstiger ist als die gesellschaftsinterne Verwendung und die daraus eventuell resultierenden Kurssteigerungen.

3.2 Vermögensanlage in Aktien •

187

Ein dritter Effekt schließlich knüpft nicht an das Aktiensplitting, sondern die nominelle Kapitalerhöhung an. Diese vermindert nämlich den Spielraum, den die Gesellschaft in ihrer zukünftigen Ausschüttungspolitik hat. Denn soweit die Bilanz einer AG andere Gewinnrücklagen ausweist (oder diese einen etwaigen Verlust übersteigen), können in entsprechender Höhe Ausschüttungen an die Aktionäre vorgenommen werden, die eventuell deutlich höher sind als das im laufenden Jahr erwirtschaftete Ergebnis (Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag). Werden diese Rücklagenpositionen hingegen zum großen Teil in Grundkapital umgebucht, so entfällt diese Möglichkeit. Aus der Sicht potentieller Kreditgeber kann dies als positives Signal interpretiert werden und deren Bereitschaft erhöhen, dem Unternehmen weitere Kredite zur Verfügung zu stellen. Folgende Abbildung dient der schematischen Zusammenfassung der möglichen Effekte von Aktiensplitting und nominellen Kapitalerhöhungen.

Nominelle Kapitalerhöhung

Kurssenkung durch Aktiensplitting

Abb. 3.07:

Dividendenoptik durch Aktiensplitting

Erhöhung der Ausschüttungssperre durch nominelle Kapitalerhöhung

Effekte von Aktiensplitting und nominellen Kapitalerhöhungen

Übungsaufgabe 3.09: Die EK-Posten der FUTURA-AG weisen folgende Werte auf (Mio. Euro) GK 600 KRL 250 GRL 200 Die AG hat 100 Mio. Stückaktien emittiert, deren Börsenkurs konstant bei 24 Euro pro Aktie liegt. a) Bestimmen Sie den fiktiven Nennwert sowie den Bilanzkurs einer Aktie und erörtern Sie die bei dem gegebenen Bilanzbild bestehenden rechtlichen Ausschüttungsmöglichkeiten für den Fall, dass die GRL keine gesetzliche Rücklagen enthalten! b) Geben Sie jeweils an, wie sich die folgenden drei Maßnahmen auf den – fiktiven Nennwert, – den Bilanzkurs, – den Börsenkurs und – den EK-Ausweis sowie weiteren Ausschüttungsmöglichkeiten auswirken würden: (1) Ausgabe von 50 Mio. Gratisaktien ohne Kapitalerhöhung. (2) Erhöhung des GK um 300 durch Auflösung der GRL und Verminderung der KRL. (3) Gleichzeitige Durchführung von (1) und (2).

188

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

(2) Die Ausgabe von Aktien gegen Einlagen Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen besteht technisch in der Ausgabe neuer („junger“) Aktien zu einem bestimmten Emissionskurs; dem Unternehmen fließen also neue Finanzmittel zu, zugleich erhöht sich als Gegenbuchung das Eigenkapital, und zwar – das Grundkapital in Höhe der Nennbeträge der emittierten Aktien und – die Kapitalrücklage in Höhe des Agios (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Eine Ausgabe zu einem geringeren Preis als dem Nennbetrag ist nicht zulässig (§ 9 Abs. 1 AktG). In Deutschland ist es seit Jahrzehnten üblich, ordentliche Kapitalerhöhungen zwar über pari, zugleich aber auch mehr oder weniger deutlich unter dem bisherigen Börsenkurs durchzuführen. Folgendes Beispiel verdeutlicht den Ablauf aus der Sicht des Unternehmens und den buchmäßigen Niederschlag einer solchen Maßnahme: Beispiel 3.12: Eine AG mit einem in 2 Mio. Aktien à 5 Euro zerlegten Grundkapital von 10 Mio. Euro führt eine Kapitalerhöhung durch, indem sie 200.000 Aktien im Nennwert von 5 Euro ihren Aktionären zum Preis von 20 Euro anbietet (Zahlungsmittelzufluss: 4 Mio. Euro). Dadurch erhöht sich das Grundkapital um 1 Mio. Euro (= 200.000 ⋅ 5 Euro), während in die Kapitalrücklage 3 Mio. Euro (= 200.000 ⋅ 15 Euro) eingestellt werden. Bilanziell schlägt sich die Kapitalerhöhung wie folgt nieder: Aktiva Vermögen (ohne Kasse) Kasse

Bilanz vor Kapitalerhöhung (Mio. Euro) 47 3

50

Aktiva Vermögen (ohne Kasse) Kasse

10

Summe

50

Bilanz nach Kapitalerhöhung (Mio. Euro) 47 7

54

Passiva

Gezeichnetes Kapital Gewinnrücklagen gesetzliche Rücklage andere Gewinnrücklagen Verbindlichkeiten

2 4 34

Passiva

Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage Gewinnrücklagen gesetzliche Rücklage andere Gewinnrücklagen Verbindlichkeiten

11 3

Summe

54

2 4 34

Genau wie die Ausgabe von Gratisaktien setzt auch die Kapitalerhöhung gegen Einlagen einen satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung voraus. Dabei sind im Einzelnen zwei Varianten zu unterscheiden:

3.2 Vermögensanlage in Aktien

189

Ausgabe junger Aktien gegen Einlagen

Im Wege einer ordentlichen Kapitalerhöhung

In Ausnutzung von genehmigten Kapital





unmittelbarer Beschluss der Hauptversammlung

Abb. 3.08:





Beschluss der Geschäftsleitung nach vorheriger Ermächtigung durch die Hauptversammlung

Voraussetzung für die Ausgabe junger Aktien gegen Einlagen

Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung beschließt die Hauptversammlung gemäß § 182 AktG definitiv das Volumen der Kapitalerhöhung sowie den Mindestbetrag, zu dem die Aktien auszugeben sind; außerdem kann gemäß § 186 AktG der Ausschluss des Bezugsrechts (s. u.) beschlossen werden. Unmittelbar im Anschluss an diesen Beschluss ist die Kapitalerhöhung dann von den dafür zuständigen Gesellschaftsorganen umzusetzen. Mit der Beschlussfassung über das sog. genehmigte Kapital gemäß §§ 202 ff. AktG kann die Hauptversammlung den Vorstand für einen bestimmten Zeitraum ermächtigen, nach eigenem Ermessen junge Aktien gegen Einlagen auszugeben. Ob, wann und in welchem Umfang auf Grund eines solchen Beschlusses tatsächlich eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird, liegt dann in der alleinigen Kompetenz des Vorstandes. Gesetzlich ist eine derartige Ermächtigung auf einen Zeitraum von maximal fünf Jahren und ein Volumen von 50% des bisherigen Grundkapitals beschränkt. Das Bezugsrecht steht wiederum grundsätzlich den bisherigen Aktionären zu. Die Hauptversammlung kann dies allerdings ausschließen oder die endgültige Entscheidung darüber ebenfalls dem Vorstand übertragen.

Übungsaufgabe 3.10: Welche Motive könnten – die Hauptversammlung dazu bewegen, einen Beschluss über die Einrichtung genehmigten Kapitals zu fassen, – den Vorstand einer AG dazu bewegen, einen entsprechenden Antrag in die Hauptversammlung einzubringen?

Ohne einen entgegengesetzten Beschluss der Hauptversammlung steht den Aktionären bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen das ausschließliche Bezugsrecht auf die jungen Aktien zu, und zwar gemäß ihren bisherigen Beteiligungsquoten (§ 186 Abs. 1 AktG). In diesem Zusammenhang bezeichnet man die Relation zwischen der Zahl der bisher emittierten Aktien (A) und der Zahl der jungen Aktien (N) – ausgedrückt als so weit wie möglich gekürzter echter Bruch – als das Bezugsverhältnis (b). Das für unser letztes Beispiel maßgebliche Bezugsverhältnis von 10 : 1 besagt etwa, dass auf jeweils 10 Altaktien eine junge Aktie ent-

190

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

fällt; d.h. ein Aktionär, der bislang gerade 10 Aktien besitzt, hat das Recht, eine junge Aktie zu beziehen. Allerdings sind die Altaktionäre keineswegs verpflichtet, ihr Bezugsrecht auszuüben. Vielmehr können die Bezugsrechte – losgelöst von den Altaktien – selbständig verkauft und dementsprechend auch gekauft werden. Dazu wird in Deutschland üblicherweise in den letzten vierzehn Tagen vor der Ausgabe der jungen Aktien ein börsenmäßiger Bezugsrechtshandel organisiert. (In jüngster Zeit folgen allerdings vornehmlich kleinere börsennotierte AG’s dem aktuellen Trend, für ihre Bezugsrechte bewusst keinen Börsenhandel zu installieren, womit zunächst rechtliche Erleichterungen einhergehen können, insbesondere bezüglich der Pflicht, für die neuen Aktien einen „Wertpapierprospekt“ zu veröffentlichen.38 Dieses ermöglicht es im Übrigen auch Aktionären mit einer „krummen“ Zahl von Aktien (z.B. 24 Stück bei einem Bezugsverhältnis von 10 : 1) durch Zukauf (z.B. von 6 Stück) oder Verkauf (z.B. von 4 Stück) auf eine für den Bezug notwendige „glatte“ Zahl von Bezugsrechten zu kommen. Auf die für den Kurs von Bezugsrechten maßgeblichen Bestimmungsfaktoren werden wir im Gliederungspunkt 3.4.2 noch ausführlicher eingehen. Wird das Bezugsrecht hingegen gemäß § 186 AktG ausgeschlossen, so obliegt es der Geschäftsleitung, die jungen Aktien in geeigneter Weise zu platzieren. Häufig wird dabei auf Bankenkonsortien zurückgegriffen. Eine Emission zu einem Kurs, der deutlich unterhalb des aktuellen Börsenkurses liegt, zieht üblicherweise allerdings einen Kursverlust für die Altaktien nach sich (vgl. folgenden Abschnitt). Der Vorstand ist daher in einem solchen Fall verpflichtet, die jungen Aktien in etwa zu dem bisherigen Börsenkurs auszugeben. 3.2.4.3 Marktreaktionen bei der Ausgabe junger Aktien (1) Der Ankündigungseffekt Nach der Darstellung der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten verschiedener Arten von Kapitalerhöhungen wird im Folgenden die Frage untersucht, wie sich derartige Vorgänge auf die Vermögenssituation der Aktionäre auswirken. Zur exemplarischen Verdeutlichung dieses Problemkomplexes werden wir im Folgenden stets von einer ordentlichen Kapitalerhöhung ausgehen, bei der das Bezugsrecht der Altaktionäre nicht ausgeschlossen ist. Dabei kann allein schon das Bekanntwerden der Absicht eine Kapitalerhöhung durchzuführen, einen Einfluss auf den Börsenkurs haben. Dieser Umstand folgt im Wesentlichen aus der gerade bei Publikumsaktiengesellschaften besonders ausgeprägten Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht und dem daraus in aller Regel resultierenden deutlichen Informationsvorsprung der Geschäftsleitung vor den Aktionären und sonstigen Kapitalanlegern. Letztere sind bei ihrer individuellen Einschätzung des zukünftigen Erfolgspotenzials einer AG ganz wesentlich darauf angewiesen, von der Geschäftsleitung unmittelbare Informationen über die Ertragslage zu erhalten oder aus deren Verhaltensweisen indirekte Schlüsse zu ziehen. Dabei mag die Ankündigung einer beabsichtigten Kapitalerhöhung dann durchaus als positives Signal interpretiert werden. Zudem bereiten die Geschäftsleitungen von Aktiengesellschaften Kapitalerhöhungen in der Regel auch publizitätsmäßig in der Weise vor, dass in größerem Umfang – eventuell vorher bewusst zurückgehaltene – positive Informationen über die aktuelle Geschäftslage und die weiteren Entwicklungsperspektiven des Unternehmens verbreitet werden. 38

Vgl. dazu BITZ/Terstege/Stark (2007).

3.2 Vermögensanlage in Aktien

191

All dies kann dazu führen, dass das künftige Erfolgspotenzial der betrachteten AG von den Anlegern allgemein höher eingeschätzt wird als bisher. Das aber bedeutet weiter, dass – die Bereitschaft der Anleger, die betrachtete Aktie zu dem bisherigen Kurs zu kaufen, zunimmt, und gleichzeitig – die Bereitschaft der Altaktionäre, ihre Aktien zu diesem Kurs zu verkaufen, abnimmt. Das durch gestiegene Kaufbereitschaft (Nachfrage) und verminderter Verkaufsbereitschaft (Angebot) entstehende Ungleichgewicht kann dann nur durch eine Kurssteigerung zum Ausgleich gebracht werden. In einer solchen Situation bewirkt das Bekanntwerden der Kapitalerhöhungsabsicht also eine autonome Kurssteigerung. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem Ankündigungseffekt einer Kapitalerhöhung. Die damit verbundene positive Signalwirkung einer Kapitalerhöhung kommt auf jeden Fall den Altaktionären zugute und zwar bereits vor dem eigentlichen Vollzug der Kapitalerhöhung. Allerdings ist es auch denkbar, dass die Information über eine geplante Kapitalerhöhung „vom Markt“ eher negativ aufgenommen wird. In diesem Falle würde sich der Ankündigungseffekt selbstverständlich nicht in einer Kurserhöhung, sondern, gerade entgegengesetzt, in einer Kurssenkung niederschlagen. (2) Der Verwässerungseffekt Im Folgenden nehmen wir nun an, dass die geplante Kapitalerhöhung allgemein bekannt geworden ist und sich die Wertschätzung der emittierenden AG im „Urteil des Marktes“ nach erfolgten Ankündigungseffekt während des hier betrachteten Zeitraums kurz vor und nach der effektiven Ausgabe der jungen Aktien nicht ändert, so dass der Börsenkurs während dieses Zeitraums ebenfalls unverändert bleiben soll. Zu fragen ist nun, welchen Einfluss dann die effektive Durchführung der Kapitalerhöhung auf den Börsenkurs haben wird. Dazu betrachten wir zunächst folgendes Beispiel. Beispiel 3.13: Die EXTRA AG hat bislang A = 20 Mio. Aktien im Nennwert von 5 Euro/Aktie ausgegeben. Im Zuge einer ordentlichen Kapitalerhöhung sollen N = 5 Mio. junge Aktien zu einem Emissionskurs (CE) von 12 Euro/Aktie emittiert werden. Das Bezugsverhältnis beträgt also b = 4 : 1. Die jungen Aktien sollen in jeder Hinsicht die gleichen Rechte beinhalten wie die alten. In den letzten Tagen vor Ausgabe der jungen Aktien, also nach dem allgemeinen Bekanntwerden der geplanten Kapitalerhöhung, liegt der Kurs der alten Aktien (einschließlich der jeweiligen Bezugsrechte; s.u.) konstant bei CA =15 Euro. Der neue Aktienkurs CAn nach vollzogener Kapitalerhöhung kann nun wie folgt abgeschätzt werden: 1. Der bisherige „Marktwert“ der AG, d.h. das Produkt aus Aktienzahl und Aktienkurs betrug A ⋅ CA = 20 Mio. ⋅ 15 Euro = 300 Mio. Euro . 2. Durch die Ausgabe der jungen Aktien fließt dem Unternehmen zusätzliches Vermögen in Höhe des Emissionserlöses zu. Mithin erhöht sich der „Marktwert“ des Unternehmens um N ⋅ CE = 5 Mio. ⋅ 12 Euro = 60 Mio. Euro auf insgesamt A ⋅ CA + N ⋅ CE = 360 Mio. Euro .

192

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.

Dieser neue „Marktwert“ verteilt sich nun aber auf die gesamte Zahl alter und neuer Aktien (A + N = 25 Mio.). Für den Kurs einer einzelnen Aktie ist somit ein Wert von A ⋅ CA + N ⋅ CE 360 Mio. Euro CAn = = = 14, 40 Euro A + N 25 Mio. zu erwarten. Die Altaktien würden in unserem Fall also einen Kursverlust um 0,60 Euro von 15 Euro auf 14,40 Euro zu verzeichnen haben. Aus unserem Beispiel lässt sich sofort verallgemeinernd schließen, dass der sich nach der Ausgabe der jungen Aktien einstellende Aktienkurs CAn tendenziell dem durch die Formel (3.03)

CAn =

A ⋅ CA + N ⋅ CE A + N

ermittelten Wert entsprechen wird. Der neue Aktienkurs errechnet sich also einfach als Mischkurs, d.h. als gewogener Durchschnitt aus dem bisherigen Börsenkurs (CA) und dem Emissionskurs (CE). Als „Gewichte“ dienen dabei die Zahlen der bisherigen und der neuen Aktien, A bzw. N. Aus dieser Formel wird eine auch in der Praxis des Börsengeschäfts zu beobachtende Gesetzmäßigkeit deutlich. Werden die jungen Aktien zu einem niedrigeren Kurs als dem bisherigen Börsenkurs emittiert, gilt also CE < CA, so liegt der neue Kurs CAn unterhalb von CA, jedoch oberhalb von CE. Für die Altaktionäre ist die Kapitalerhöhung insoweit also stets mit einem Kursverlust verbunden, so wie wir das in unserem Beispiel ja auch schon gesehen haben. Man bezeichnet diesen Sachverhalt häufig als Verwässerungseffekt. Um diesen Verwässerungseffekt (VE) zu messen, bietet es sich an, die Differenz CA – CAn zwischen altem und neuem Kurs zu betrachten, also VE = CA − CAn

zu definieren. Beachtet man nun die in Formel 3.03 hergeleitete Relation für CAn, so erhält man nach geeigneter Umformung CA − CE (3.04) VE = CA − CAn = A/N + 1 Der Verwässerungseffekt wird – bei gegebenen A- und N-Werten umso größer, je weiter der Emissionskurs CE hinter dem bisherigen Kurs CA zurückbleibt, und – bei gegebenen Kursen CA, CE umso größer, je größer die Zahl der nun emittierten Aktien N in Relation zur Zahl der alten Aktien A ist, d.h. je geringer das Bezugsverhältnis b = A : N ausfällt. Die Formeln 3.03 und 3.04 können im Übrigen auch für den Fall des Aktiensplitting (vgl. Abschnitt 3.2.4.2 (1)) angewandt werden; für CE ist dann einfach der Wert 0 anzusetzen.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

193

Übungsaufgabe 3.11: Betrachten Sie noch einmal die Daten der FUTURA-AG aus Übungsaufgabe 3.09. a) Überprüfen Sie das dort für den neuen Börsenkurs in Fall (1) gefundene Ergebnis mit Hilfe von Formel 3.03! b) Nehmen Sie nun an, die AG führe eine ordentliche Kapitalerhöhung mit einem Bezugsverhältnis von b = 5 : 1 und einem Emissionskurs von CE = 10 Euro/Aktie durch. Der Börsenkurs einer Altaktie (inklusive Bezugsrecht) liegt nach Ankündigung der Maßnahme bis zur effektiven Ausgabe der jungen Aktie konstant bei 25 Euro/Aktie. Wie hoch wird der mit der Aktienausgabe verbundene Verwässerungseffekt VE sein? (3) Der Wert des Bezugsrechtes Wir betrachten bekanntlich eine Emission, bei der das Bezugsrecht auf die jungen Aktien ausschließlich den Altaktionären zusteht. Wie Sie schon wissen, wird den Aktionären, die sich an der Kapitalerhöhung gar nicht beteiligen wollen, die Möglichkeit gegeben, dieses Recht in börsenmäßig organisierter Form zu verkaufen. Anderen Aktionären oder „Quereinsteigern“ wird damit zugleich die Gelegenheit verschafft, sich (zusätzliche) Bezugsrechte zu besorgen. Wir wollen im Folgenden kurz der Frage nachgehen, welche Höhe der Kurswert des Bezugsrechtes wohl annehmen wird und von welchen Einflussfaktoren dieser Wert abhängt. Hierzu zunächst zwei Vorüberlegungen:



Das Bezugsrecht hat offensichtlich nur dann einen Börsenwert, wenn es Anleger gibt, die bereit sind, für das Recht, Aktien zum festgelegten Emissionskurs (CE) zu kaufen, etwas zu bezahlen. Das werden sie in aller Regel nur dann sein, wenn der Emissionskurs niedriger ist als der bisherige Aktienkurs (CA). Denn dann stellt das Bezugsrecht gewissermaßen die Eintrittskarte zu einer Sonderveranstaltung dar, auf der es Aktien billiger als zum sonst herrschenden Marktpreis gibt. Mithin wird der Wert des Bezugsrechts tendenziell umso größer sein, je größer die Differenz (CA – CE) ist. • Nun berechtigt aber im Allgemeinen nicht ein einzelnes Bezugsrecht zum billigeren Erwerb einer Aktie, sondern die durch das Bezugsverhältnis ausgedrückte Zahl von Bezugsrechten. Mithin wird der Wert des einzelnen Bezugsrechts tendenziell umso niedriger sein, je größer die zum Bezug einer jungen Aktie benötigte Anzahl ist, also je größer das Bezugsverhältnis b ist. Für die folgenden Überlegungen über den Wert des Bezugsrechts, den wir durch das Symbol B ausdrücken wollen, gehen wir zunächst von folgenden z.T. bereits erwähnten Annahmen aus: •

Die jungen Aktien stimmen in ihrer Ausstattung bezüglich Stimmrechten, Dividendenansprüchen etc. exakt mit den Altaktien überein. • Während des Bezugsrechtshandels werden zugleich auch Altaktien einschließlich Bezugsrecht („cum right“) gehandelt. • Die Anleger erwerben Bezugsrechte nur mit dem Ziel, diese auch auszuüben und ziehen einen Weiterverkauf während des Bezugsrechtshandels nicht in Betracht. • Zinseffekte können außer acht bleiben. Wir wollen die Situation eines „Quereinsteigers“ betrachten, der bislang noch gar keine Aktien der betrachteten Gesellschaft besitzt. Durch die mit der Emission verbundene Publizität sei er jedoch auf die Gesellschaft aufmerksam geworden und beabsichtige, sich an dieser AG

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

finanziell zu engagieren. Zur zunächst beispielhaften Verdeutlichung der dabei bestehenden Möglichkeiten greifen wir auf die Ausgangsdaten von Beispiel 3.13 zurück. Beispiel. 3.14: Will unser Quereinsteiger noch vor der effektiven Emission der jungen Aktien sicherstellen, dass er nach vollzogener Aktienausgabe genau eine EXTRA-Aktie besitzt, so stehen ihm dazu insbesondere die folgenden beiden Wege offen: Weg 1: Kauf von 4 Bezugsrechten und Erwerb einer jungen Aktie. Für die dabei entstehenden Kosten gilt K1 = 4 ⋅ B + 12 oder in allgemeiner Form K1 = b ⋅ B + CE . Weg 2: Kauf einer Altaktie inklusive Bezugsrecht und Veräußerung des Bezugsrechts. Für die dabei netto entstehenden Kosten gilt K 2 = 15 − B oder in allgemeiner Form K 2 = CA − B . Auf einem hinlänglich funktionierenden Markt wird zumindest annähernd K1 = K2 gelten und damit aber auch: 4 B + 12 = 15 − B oder 5B = 3 , d.h. B = 0, 6 . Für die konkreten Daten unseres Beispiels wäre also mit einem Bezugsrechtskurs von B = 0,6 zu rechnen.

Verallgemeinert man die zunächst nur beispielhaft vorgetragenen Überlegungen, so folgt aus der Gleichsetzung von K1 = b ⋅ B + CE und K2 = CA – B allgemein b ⋅ B + CE = CA − B

(3.05)

B =

oder

CA − CE . b +1

Die aus unseren Vorüberlegungen abgeleiteten Vermutungen sind also bestätigt: B wird umso größer, je größer die Kursdifferenz CA – CE ist und umso kleiner, je größer das Bezugsverhältnis b ist. Die mit Formel 3.05 angegebene traditionelle Bezugsrechtsformel verdeutlicht in der hier vorgestellten Form zunächst nur den Zusammenhang zwischen Bezugsrechts- und Aktienkurs zum gleichen Zeitpunkt. Ändert sich CA – entgegen den hier unterstellten idealen Bedingungen – während des Bezugsrechtshandels, so ändert sich auch B entsprechend. Für die weitere Betrachtung wollen wir jedoch weiter davon ausgehen, dass sich während des Bezugsrechtshandels die für die Kursbildung maßgebliche Einschätzung des zukünftigen Erfolgspotenzials des betrachteten Unternehmens durch „die Börse“, und damit auch CA, nicht ändern.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

195

Übungsaufgabe 3.12: Gehen Sie weiterhin von den aus den Aufgaben 3.11 Teil b) bekannten Daten der FUTURA-AG aus und betrachten Sie einen „Quereinsteiger“, der sich noch während des Bezugsrechtshandels den Besitz von 600 FUTURA-Aktien sichern will und dabei die beiden „Wege“ in Betracht zieht, die wir auch schon im Beispiel 3.14 behandelt haben. a) Wie würde er sich wohl verhalten, wenn das Bezugsrecht einen Kurs von B = 3 aufweisen würde? b) … und wie bei B = 2? c) Was folgt aus den Überlegungen zu a) und b) für den Gleichgewichtskurs des Bezugsrechtes? Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit Formel 3.05! (4) Kompensationseffekte In den beiden vorangegangenen Abschnitten haben wir uns im Wesentlichen drei Sachverhalte verdeutlicht, nämlich:







Mit einer Kapitalerhöhung ist in aller Regel ein Verwässerungseffekt verbunden, der gemäß Formel 3.04 umso stärker ausfällt, je tiefer der Emissionskurs unter dem bisherigen Börsenkurs liegt. Dies ist auch unmittelbar einsichtig, denn dem Unternehmen fließt ja pro junger Aktie weniger an Vermögen zu, als dem bisherigen Unternehmensvermögen pro Aktie im Urteil des Marktes entsprach. Steht den Altaktionären allerdings das Bezugsrecht auf die jungen Aktien zu, so können sie diese veräußern und erzielen dabei gemäß Formel 3.05 einen Erlös, der wiederum umso höher ist, je weiter der Emissionskurs hinter dem bisherigen Börsenkurs zurückbleibt. Machen die Altaktionäre hingegen von ihren Bezugsrechten Gebrauch, so eröffnet sich ihnen damit die Möglichkeit, die jungen Aktien zu einem niedrigeren Kurs (CE) zu erwerben als ihrem anschließenden Marktwert (CAn).

Sowohl bei Ausübung als auch bei Verkauf der Bezugsrechte steht dem Verwässerungseffekt also ein aus der Institution des Bezugsrechte folgender positiver Effekt gegenüber, der gelegentlich als Kompensationseffekt bezeichnet wird. Um das Ausmaß dieses Effektes näher zu untersuchen, betrachten wir zunächst einen Aktionär, der sämtliche Bezugsrechte verkauft. Ein Vergleich der für den Verwässerungseffekt einerseits und das Bezugsrecht andererseits hergeleiteten Formeln (3.04) und (3.05) zeigt unter Beachtung von b = A/N sofort, dass der Wert des Bezugsrechtes unter den hier unterstellten idealisierten Bedingungen genau der mit dem Verwässerungseffekt verbundenen Kurssenkung entspricht, also (3.06) VE = B gilt. Aus dieser Relation folgt – zumindest unter den hier unterstellten idealisierten Bedingungen –, dass die negativen Auswirkungen einer Kapitalerhöhung unter Börsenkurs auf das Vermögen der Altaktionäre im Falle einer Veräußerung der Bezugsrechte durch den dabei erzielten Erlös exakt ausgeglichen werden. Etwas komplizierter liegen die Verhältnisse bei einem Aktionär, der seine Bezugsrechte vollständig ausübt. Wir betrachten dazu einen Aktionär, der in der Ausgangssituation gerade b

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Altaktien besitzt, so dass er mittels seiner Bezugsrechte genau eine junge Aktie beziehen kann. Für den ihn insgesamt treffenden Verwässerungseffekt gilt dann analog zu Formel 3.04 (3.04′)

C − CE b ⋅ VE = b ⋅ A . b +1

Für den Kursgewinn (KG), den er durch den Bezugs einer jungen Aktie erzielen kann, gilt nun weiter KG = CAn − CE .

Stattdessen kann unter Rückgriff auf (3.03) auch KG =

A ⋅ CA + N ⋅ CE − CE A+N

geschrieben werden. Unter Berücksichtigung von b = A/N folgt daraus bei geeigneter Zusammenfassung weiter KG =

b ⋅ CA + CE b ⋅ CA − b ⋅ CE − CE = b +1 b +1

oder (3.07)

C − CE KG = b ⋅ A b +1

= b ⋅ VE .

Auch in diesem Fall wird der Verwässerungseffekt also exakt ausgeglichen. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass der mit der Ausgabe junger Aktien verbundene Verwässerungseffekt – zumindest unter den hier unterstellten idealisierten Bedienungen – durch die Institution des Bezugsrechtes genau kompensiert wird und zwar unabhängig davon, ob der Aktionär seine Bezugsrechte veräußert oder ausübt: •

So erhält der Aktionär, der sich daran nicht beteiligt, in Form der Bezugsrechtserlöse eine Kompensation für den ihn treffenden Kursverlust.39 • Der Aktionär hingegen, der sich an der Kapitalerhöhung beteiligt, wird für den Kursverlust seiner Altaktien gerade dadurch entschädigt, dass die ihm kostenlos zur Verfügung stehenden Bezugsrechte den Erwerb junger Aktien zum billigeren Emissionskurs erlauben. Außenstehende Anleger („Quereinsteiger“) schließlich, die bisher überhaupt nicht an dem emittierenden Unternehmen beteiligt waren, müssen für die Möglichkeit, Aktien zu dem günstigeren Emissionskurs zu erwerben, in Form des den Altaktionären zufließenden Bezugsrechtspreises so viel bezahlen, dass sich daraus per Saldo gegenüber dem Direkterwerb einer Aktie letztlich doch kein Vorteil ergibt. Das gleiche gilt auch für Altaktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung über ihre bisherige Quote hinaus beteiligen wollen. 39

Das setzt allerdings voraus, dass die Bezugsrechte auf einem hinlänglich effizienten Markt gehandelt werden können. Dementsprechend war es in Deutschland bei börsennotierten Aktiengesellschaften lange Zeit eine feste Regel, vor einer ordentlichen Kapitalerhöhung einen börsenmäßigen Bezugsrechtshandel zu organisieren. Seit etlichen Jahren ist allerdings verstärkt die Praxis zu beobachten, Bezugsrechte nicht zum Börsenhandel anzumelden. Altaktionäre, die sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen, ihre Aktienzahl jedoch unverändert halten wollen, werden dadurch zu transaktionskostenintensiveren Ersatzstrategien (Ausübung der Bezugsrechte und Verkauf einiger Aktien) gezwungen.

3.2 Vermögensanlage in Aktien

197

Man bezeichnet diese Wirkung des Bezugsrechts auch als dessen Kompensationseffekt. Folgende Fortsetzung des Beispiels 3.13, 3.14 dient der näheren Verdeutlichung dieses Effekts. Beispiel 3.15: Wir greifen auf das schon bekannte Beispiel mit CA = 15, CE = 12 und b = 4 : 1 zurück. Wie wir oben schon gesehen haben, gilt in diesem Fall – für den Verwässerungseffekt CAn – CA = 15 – 14,4 = 0,6 und – für den Wert des Bezugsrechtes B = 0,6. Wir betrachten nun zunächst zwei Aktionäre A und B mit einem Altbestand an Aktien von jeweils 200 Stück und einem Barbestand von jeweils 1.000 Euro (Gesamtvermögen damit jeweils 200 ⋅ 15 Euro + 1.000 Euro = 4.000 Euro). A übt die Bezugsrechte voll aus; dann ergibt sich für sein Vermögen nach Kapitalerhöhung: – Aktienbestand (200 + 50) = 250 à 14,40 Euro = 3.600 Euro – Barbestand 1.000 Euro – 50 ⋅ 12 Euro = 400 Euro Gesamtvermögen = 4.000 Euro Sein Vermögen ist also der Höhe nach unverändert geblieben; es hat jedoch eine Umschichtung von Bar- in Aktienvermögen stattgefunden. B übt gar nicht aus und verkauft die Bezugsrechte; für sein Vermögen gilt also: – Aktienbestand 200 à 14,40 Euro = 2.880 Euro – Barbestand 1.000 + 200 ⋅ 0,60 Euro = 1.120 Euro Gesamtvermögen = 4.000 Euro Auch das Vermögen des B ist konstant geblieben; für ihn hat sich jedoch eine Umschichtung von Aktien- in Barvermögen ergeben, was einer teilweisen Liquidation seines Aktienvermögens gleichkommt. Bei Aktionär B wird der Kompensationseffekt unmittelbar deutlich: Er verliert pro Altaktie 0,60 Euro an Kurs und erlöst andererseits 0,60 Euro für das Bezugsrecht.

Aber auch bei Aktionär A kommt der Kompensationseffekt des Bezugsrechtes zur Wirkung: – Denn auch A erleidet ja an seinen 200 Altaktien einen Kursverlust von 0,60 Euro, also insgesamt von 120 Euro. – Auf der anderen Seite kann er jedoch 50 junge Aktien zum Kurs von 12 Euro beziehen, die anschließend zu 14,40 Euro notieren. Er erzielt also pro junge Aktie einen Kursgewinn von 2,40 Euro, woraus sich insgesamt genau der Kompensationsbetrag von 120 Euro ergibt. Diese Kompensation ist für A aber nur deshalb möglich, weil ihm als Altaktionär die Bezugsrechte kostenlos zur Verfügung standen. Auch bei A ist es also letztlich die Institution des Bezugsrechtes, die für den Kompensationseffekt verantwortlich ist. Dies wird auch deutlich, wenn wir einen Anleger C betrachten, der bislang keine Aktien der betrachteten AG besitzt, jedoch 4 Bezugsrechte kauft und ausübt. Der Erwerb einer jungen Aktie kostet ihn

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

4 Bezugsrechte à 0,60 Euro = 2,40 Euro + Emissionskurs = 12,00 Euro = Gesamtpreis 14,40 Euro Dies entspricht aber genau dem Kurs der Aktien nach vollzogener Kapitalerhöhung. Zwar erzielt auch C an der neu erworbenen jungen Aktie einen Kursgewinn von 2,40 Euro. Nur wird ihm genau dieser Betrag beim Kauf der Bezugsrechte wieder „abgeknöpft“. Im Beispiel 3.1 haben wir nur die beiden „extremen“ Strategien betrachtet, die Bezugsrechte entweder vollständig auszuüben oder vollständig zu verkaufen. Daneben sind selbstverständlich diverse Mischstrategien denkbar, bei denen ein Teil der Bezugsrechte ausgeübt und der andere Teil verkauft wird. Eine besonders markante Form einer solchen Mischstrategie ist als opération blanche bekannt. Dabei werden genauso viele Bezugsrechte verkauft, um mit dem dabei erzielten Erlös die Ausübung der verbliebenen Bezugsrechte zu finanzieren. Folgende Abbildung verdeutlicht noch einmal zusammenfassend die verschiedenen Aspekte der mit dem Bezugsrecht verbundenen Kompensationswirkungen.

Abb. 3.09:

Kompensationseffekte des Bezugsrechtes

Rechercheaufgabe: Recherchieren Sie im Internet oder im Kursteil einer überregionalen Zeitung Konditionen und Bezugsrechtspreise aktueller Kapitalerhöhungen! Ermitteln Sie aus den Bezugsrechtskonditionen und dem Kurs der zugehörigen Aktie den Wert des Bezugsrechtes und denken Sie über die Gründe möglicher Abweichungen zwischen Ihrem Ergebnis und dem gefundenen Bezugsrechtspreis nach!

3.2 Vermögensanlage in Aktien

199

Außer dem Kompensationseffekt kommt dem Bezugsrecht noch eine weitere Wirkung zu: Altaktionäre, die eine Beteiligungsquote von einer gewissen Größenordnung erreicht haben, wird es durch das Bezugsrecht ermöglicht, diese Quote aufrecht zu erhalten, ohne deshalb zusätzlich Aktien über die Börse erwerben zu müssen. Dies setzt allerdings voraus, dass sie in der Lage sind, den anteiligen Emissionsbetrag aufzubringen. Sollte es hier möglicherweise zu Finanzierungsproblemen kommen, wäre das Interesse dieser Aktionäre – sofern es überhaupt zur Kapitalerhöhung kommt – auf einen möglichst niedrigen Bezugskurs gerichtet. Für den typischen „Kleinanleger“ aber auch für Großanleger ohne spezielle Beteiligungsabsicht stellt die Höhe des Emissionskurses eine eher zweitrangige Größe dar: Verwässerungs- und Kompensationseffekt gleichen sich ja stets wechselseitig aus. Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, ist es wichtig, sich im Zusammenhang mit der Bedeutung des Bezugsrechtes noch einmal folgende Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu verdeutlichen: •

Die Ursache für den Wert des Bezugsrechts besteht einzig und allein darin, dass es den Erwerb von Aktien zu einem unter dem Marktwert liegenden Kurs erlaubt. Auf einem hinlänglich funktionierenden Markt muss sich der entsprechende Preis dann – zumindest annähernd – so einpendeln, dass der Vorteil des günstigeren Aktienerwerbs durch den Preis der entsprechenden „Zulassungsberechtigung“ gerade kompensiert wird. • Die Wirkung einer solchen Gleichgewichtspreisbildung besteht dann in den oben ausführlich dargelegten vermögensmäßigen Kompensationseffekten zugunsten der Altaktionäre. Zuvor wurde erläutert, dass die Höhe des Emissionskurses für die Aktionäre auf Grund des Kompensationseffektes relativ unbedeutend ist. Dies darf jedoch nicht mit der Behandlung der Frage verwechselt werden, ob eine Kapitalerhöhung als solche für die Aktionäre von Vorteil ist oder nicht. In der Tat ist die durch gelegentliche Darstellungen in der Wirtschaftspresse genährte Vorstellung irrig, mit einer Kapitalerhöhung gewähre die Geschäftsleitung einer AG den Aktionären gnädig ein Geschenk. Wer – wie Vorstand und Aufsichtsrat einer AG – das Geld anderer Leute, der Aktionäre, verwaltet, kann diesen in der Tat nicht aus ihrem eigenen Vermögen ein Geschenk machen. In folgender Abbildung sind die drei Effekte, die wir im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung kennengelernt haben, noch einmal zusammengefasst.

200

Abb. 3.10:

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Ankündigungs-, Verwässerungs- und Kompensationseffekt

Übungsaufgabe 3.13: Die PHOENIX-Aktie notiert ziemlich stabil bei 27 Euro/Aktie. Nach einer Pressekonferenz des Vorstandes wird bekannt, dass demnächst eine ordentliche Kapitalerhöhung erfolgen soll. Der Aktienkurs springt am nächsten Tag auf 30 Euro/Aktie und bleibt danach stabil auf dieser Höhe. Die Kapitalerhöhung hat ein Volumen von 3 Mio. Aktien, die zum Kurs von 14 Euro/Aktie ausgegeben werden. Das Bezugsrecht liegt bei den Inhabern der 9 Mio. bislang ausgegebenen Altaktien. a) Bestimmen Sie den nach vollzogener Kapitalerhöhung zu erwartenden Kurs sowie den zu erwartenden Kurs für das Bezugsrecht. b) Betrachten Sie zwei Aktionäre ALPHA und BERTHA, die beide jeweils 300 (alte) PHOENIX-Aktien besitzen. ALPHA veräußert seine Bezugsrechte, BERTHA übt sie vollständig aus. Verdeutlichen Sie für beide Aktionäre Ankündigungs-, Verwässerungs- und Kompensationseffekt!

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

3.3

Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

3.3.1

Grundbegriffe

201

Die traditionelle Alternative zur Geldanlage in Aktien besteht in dem Erwerb langfristiger festverzinslicher Wertpapiere, insbesondere von öffentlichen Emittenten, die über einen längeren Zeitraum hinweg zu einem gleichbleibenden, rentenähnlichen Einkommen führen. So ist die Bezeichnung Rentenmarkt für den gesamten börsenmäßigen Austausch von Gläubigerpapieren auch bis heute üblich geblieben. Als Indikator für dieses Marktsegment wurde 1991 der Deutsche Rentenindex (REX) eingeführt. Über die traditionellen Rentenwerte hinaus sind im Laufe der Zeit allerdings vielfältige weitere Anlageformen entwickelt worden, die z.T. nur noch sehr wenig Ähnlichkeit mit dem klassischen Rentenpapier haben. Immerhin kann als gemeinsames Merkmal der im Folgenden zu behandelnden Wertpapiere noch festgehalten werden, dass ihre Eigentümer im Gegensatz zu Aktionären – über keine gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte verfügen und – bei einer möglichen Insolvenz des Emittenten eine – wie auch immer im Detail ausgestaltete – Gläubigerstellung einnehmen. Der Kreis möglicher Emittenten solcher Papiere umfasst neben Unternehmen des finanziellen und nichtfinanziellen Sektors auch öffentliche Stellen (Bund, Sondervermögen des Bundes, der Länder und in Einzelfällen auch Gemeinden). Dabei kann es sich sowohl um inländische als auch um ausländische Emittenten des privaten oder öffentlichen Sektors handeln. Die Vielfalt derartiger Finanztitel macht es praktisch unmöglich, aber inhaltlich auch unfruchtbar, alle tatsächlich anzutreffenden Erscheinungsformen aufzuzählen und zu würdigen. Stattdessen sollen im Folgenden die wichtigsten Ausprägungen der vier zentralen Konstruktionselemente derartiger Wertpapiere verdeutlicht werden. Es sind dies im Einzelnen – Rückzahlungsregelungsen, – Zinsregelungen, – Insolvenzregelungen sowie – Regelungen über zusätzliche Bezugsrechte gegenüber dem Emittenten. Wir werden diese vier Gruppen von Ausstattungsmerkmalen im folgenden Abschnitt 3.3.2 näher untersuchen. Die tatsächlich anzutreffenden Erscheinungsformen von Finanzanlagen können dann jeweils als Kombinationen ganz spezieller Ausprägungen dieser vier Hauptmerkmale begriffen werden. Zugleich öffnet eine derartige analytische Vorgehensweise den Blick für die kaum begrenzten Möglichkeiten, durch andersartige Kombinationen neue Anlageinstrumente zu „erfinden“. Im Abschnitt 3.3.3 sollen dann einige ausgewählte Typen von Anleihen, wie sie sich dem deutschen Anleger realiter als Anlagealternative stellen, in ihren wichtigsten Eigenschaften charakterisiert werden. Naturgemäß ergeben sich bei den folgenden Ausführungen gewisse Überschneidungen mit den Darstellungen der allgemeinen Kategorien der Fremdfinanzierung im Abschnitt 2.1 dieses Buches. Dies stellt eine bewusste Möglichkeit zur Verfestigung des Studienstoffes dar und ermöglicht es, verschiedene Sachverhalte unter Verweis auf die vorangegangenen Ausführungen hier nur sehr knapp darzustellen.

202

3.3.2

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Ausstattungscharakteristika von Anleihen und Genussscheinen

3.3.2.1 Rückzahlungsregelungen Als Rückzahlungsregelungen wollen wir die Gesamtheit der bei der Ausgabe der Wertpapiere fixierten Bedingungen bezeichnen, durch die festgelegt wird, – innerhalb welchen Zeitraums oder zu welchem Zeitpunkt sowie ggf. unter welchen zusätzlichen Bedingungen, – in welcher zeitlichen Verteilung, – in welcher Höhe und Form der Eigentümer eines Wertpapiers bei planmäßigem Ablauf von dem Emittenten Rückzahlungsbeträge erwarten kann. Die wichtigsten Ausprägungsformen dieser drei Untermerkmale sollen im Folgenden kurz verdeutlicht werden. (1) Rückzahlungszeitraum und -voraussetzungen Im Hinblick auf die Laufzeit und die Rückzahlungsvoraussetzungen sind die folgenden fünf Gestaltungsformen von besonderer Bedeutung. a) Fester Tilgungsplan Die Rückzahlung erfolgt nach einem bereits bei der Ausgabe der Wertpapiere definitiv festgelegten Terminplan. Kündigungsrechte bestehen auf keiner Seite. Diese Ausprägung findet man bei vielen Anleihen des traditionellen Typs, wie z.B. Bundesanleihen, Pfandbriefen oder Kommunalobligationen, allerdings auch bei Schuldverschreibungen, denen zusätzliche Wandlungs- oder Optionsrechte beigefügt sind, oder bei Genussscheinen. Eine besondere Form bilden Anleihen, deren Rückzahlung im Zuge der planmäßigen Auslosung einzelner Tranchen erfolgt. Für den Emittenten besteht auch in diesem Fall ein fest vorgegebener Rückzahlungsplan; der Inhaber eines einzelnen Wertpapiers hingegen kann a priori nicht sicher sein, wann sein Papier zur Rückzahlung ansteht. Bei dieser Konstruktion werden die Anleger also mit gewissen Risiken belastet, denen weder bei ihnen noch beim Emittenten nennenswerte Vorteile gegenüberstehen. Es verwundert daher nicht, dass diese früher bei Industrieobligationen weit verbreitete Ausgestaltung inzwischen kaum noch Bedeutung hat. Das gilt natürlich auch für die weitere Variante, wonach der Emittent das Recht hatte, die Anleihe durch sog. verstärkte Auslosung schneller zu tilgen als ursprünglich vorgesehen. b) Kündigungsrecht des Gläubigers Eine aus Anlegersicht besonders bei nicht börsengängigen Papieren interessante Variante besteht in der Möglichkeit, dem Eigentümer des Wertpapiers das Recht einzuräumen, das Papier ungeachtet des für den Normalfall vorgesehenen Tilgungsplanes vorzeitig an den Emittenten zurückzugeben. Entsprechende Rückgabeklauseln findet man etwa bei den vom Bund mit 6- oder 7jähriger Gesamtlaufzeit emittierten Bundesschatzbriefen, die zwar nicht an der Börse gehandelt werden, jedoch nach Ablauf eines Sperrjahres jederzeit zum Nennwert (zuzüglich aufgelaufener Zinsen für das laufende Jahr und alle Vorjahre beim sog. „Typ B“ sowie der aufgelaufenen Zinsen für das laufende Jahr beim „Typ A“) zurückgegeben werden können.

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

203

Eine andere Variante besteht darin, dem Inhaber des Wertpapiers ein Rückgaberecht nur für das Eintreten ganz bestimmter Bedingungen einzuräumen. Bezüglich dieser „Bedingungen“ könnte einmal an bestimmte Konstellationen exogener Faktoren gedacht werden (z.B. des Zinsniveaus, der Preisentwicklung etc.). Zum anderen wäre es möglich, den Wertpapierinhabern für den Fall ein Kündigungsrecht einzuräumen, dass der Emittent bestimmten zuvor festgelegten „Wohlverhaltensklauseln“ nicht nachkommt. So enthalten beispielsweise einige Optionsanleihen Regelungen folgenden Musters.40    c)

Der Emittent verpflichtet sich, bestimmte Bilanzrelationen, die gemeinhin als Ausdruck einer stabilen Finanzlage angesehen werden, einzuhalten. Wird diese Verpflichtung verletzt, sind die zunächst unbesicherten Ansprüche der Anleihegläubiger unverzüglich grundpfandrechtlich zu sichern. Unterbleibt dies innerhalb einer bestimmten Frist, steht den einzelnen Inhabern der Anleihe ein individuelles Kündigungsrecht zu.

„Ewige Renten“ Eine dritte Möglichkeit besteht schließlich darin, weder einen definitiven Rückzahlungstermin noch eine Kündigungsmöglichkeit vorzusehen. Bei öffentlichen Emittenten führt diese Konstruktion zu der in Deutschland wenig gebräuchlichen „Ewigen Rente“, einem Wertpapier, das auf unbegrenzte Zeit zu verzinsen, jedoch nie zu tilgen ist. Eine bei Emission durch Unternehmen anzutreffende Variante besteht darin, dass ein definitives Rückzahlungsdatum zwar ebenfalls nicht festgelegt, den Eigentümern der Wertpapiere für den Fall der Liquidation des emittierenden Unternehmens jedoch ein – in seiner Höhe fixer oder variabler – Rückzahlungsanspruch eingeräumt wird. Derartige Klauseln finden sich bei etlichen Genussscheinen, die jeweils statt einer definitiven Rückzahlung einen Anspruch auf Anteil am Liquidationserlös beinhalten.

(2) Zeitliche Verteilung der Rückzahlung Bei Wertpapieren mit festem Terminplan für die Rückzahlungen – vgl. (1) a) – sind bekanntlich die drei Varianten – der gesamtfälligen Rückzahlung, – der Ratenrückzahlung und – der Annuitätenrückzahlung anzutreffen. Bei den beiden letztgenannten Formen ist es zudem möglich, dass die Tilgung entweder sofort oder erst nach einigen tilgungsfreien Jahren einsetzt. Für alle drei Varianten sind Beispiele am deutschen Kapitalmarkt zu finden; dabei dominiert seit etlichen Jahren die Form der gesamtfälligen Rückzahlung ganz eindeutig. (3) Höhe und Form der Rückzahlung Bezüglich der Frage, auf welchen Geldbetrag sich die Summe aller gem. (1) und (2) fälligen Rückzahlungsbeträge beläuft, sind im Wesentlichen die folgenden drei Varianten anzutreffen. a) Betragsmäßige Fixierung Die einfachste Variante besteht darin, dass für den Rückzahlungsbetrag von Anfang an ein fester Geldbetrag fixiert wird. In diesem Fall des klassischen, festverzinslichen Wertpapiers ist es in Deutschland üblich, wenn auch nicht zwingend, die vorgesehenen 40

Vgl. hierzu auch BITZ/SCHNEELOCH/WITTSTOCK/PATEK (2014), Teil IV, Abschnitt 2.3.4.

204

3 Vermögensanlage in Wertpapieren Tilgungsleistungen so zu dimensionieren, dass ihre Summe dem Nennwert des ausgegebenen Papiers entspricht. Wird das Papier zu einem davon abweichenden Kurs (also über oder unter „pari“) emittiert, so beeinflusst das entsprechende Agio oder Disagio natürlich die sog. Emissionsrendite, also die effektive Verzinsung des eingesetzten Geldbetrages. Dabei ist es teils üblich, Anleihen ohne Zusatzrechte mit einem leichten Emissionsdisagio auszustatten, also z.B. den Emissionskurs einer zu 100% rückzahlbaren Anleihe auf 99% festzulegen. Die Emissionsrendite liegt dementsprechend üblicherweise knapp über dem Nominalzins. Einen Extremfall stellen die sog. Zero-Bonds („Nullkupon-Anleihen“) dar, bei denen überhaupt kein laufender Zins vorgesehen ist, dafür jedoch eine extrem große Differenz zwischen Ausgabe- und Rückzahlungsbetrag (z.B.: Ausgabe im Jahre 2000 zu 60, Rückzahlung im Jahre 2012 zu 100). Bei der Ausgabe von Anleihen mit Zusatzrechten trifft man demgegenüber häufiger eine Emission über pari an.

b) Indexierung Neben der definitiven betragsmäßigen Fixierung besteht eine zweite Möglichkeit darin, den Rückzahlungsbetrag an die Wertentwicklung einer exogenen, von der wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldners zumindest nicht direkt abhängigen Größe zu koppeln. Als derartige Bezugsgrößen kommen insbesondere Wechselkurse, Edelmetallpreise oder verschiedene Indizes (z.B. Ölpreisindex, Deutscher Aktienindex etc.) in Betracht. In den Emissionsbedingungen ist, neben der Bezugsgröße selbst, als weiteres die funktionale Verknüpfung zwischen deren Wert im Rückzahlungszeitpunkt und dem daraus resultierenden Rückzahlungsbetrag festzulegen. Im einfachsten Fall kann dies eine rein proportional steigende (oder auch fallende!) Beziehung sein. Es sind aber auch komplexere Zusammenhänge denkbar, wie Abbildung 3.11 für einen mit steigender Indexgröße fallenden Rückzahlungskurs verdeutlicht.

Rückzahlungsbetrag 160 140 120 100 80 60 40 20 Indexstand 1 Abb. 3.11:

Indexstand 2

Index

Rückzahlungskurs einer indexierten Anleihe

Das klassische Beispiel ist eine im Jahre 1986 von einer Auslandstochter der Deutschen Bank auf den FAZ-Aktienindex bezogene Indexanleihe, die in zwei Tranchen emittiert wurde. Der im Jahre 1991 fällige Rückzahlungskurs der sog. Bear-Tranche fällt nach

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

205

dem in Abb. 3.11 verdeutlichten Schema mit steigendem Aktienindex, während der Rückzahlungsbetrag der sog. Bull-Tranche gerade genau entgegengesetzt mit dem Index verknüpft ist. Den Anlegern werden so Möglichkeiten geboten, alternativ von einem Fallen oder einem Steigen des Aktienindex zu profitieren. Für den Emittenten stellt der insgesamt fällige Rückzahlungsbetrag hingegen eine feste Größe dar, sofern Wertpapiere der genau gegenläufigen Tranchen jeweils in gleicher Menge platziert worden sind. Neben der bislang betrachteten festen Kopplung des Rückzahlungsbetrages an eine externe Größe besteht alternativ auch die Möglichkeit, eine Anleihe im Hinblick auf den Rückzahlungsbetrag mit einem Wahlrecht – sei es des Inhabers, sei es des Emittenten – auszustatten. Ein Beispiel für eine Anleihe mit einem Wahlrecht auf Seiten des Inhabers stellt die Wandelanleihe dar, bei der der Inhaber bei Fälligkeit der Anleihe die Wahl hat – entweder den „normalen“ Tilgungsbetrag (im einfachsten Fall in Höhe des Nennwertes) zu verlangen – oder stattdessen – ggf. bei Zuzahlung eines bestimmten Betrages – die Lieferung von Aktien des Emittenten. Wir werden darauf in Abschnitt 3.3.2.4 noch etwas näher eingehen. Beispiele für Anleihen mit Rückzahlungswahlrechten auf Seiten des Emittenten stellen demgegenüber die sogenannten Discountzertifikate und Aktienanleihen dar. Hier hat der Emittent das Recht, bei Fälligkeit der Anleihe – entweder den nominell vereinbarten Rückzahlungsbetrag zu zahlen – oder dem Inhaber eine bestimmte Anzahl in den Emissionsbedingungen näher spezifizierter Aktien zu liefern, resp. deren aktuellen Gegenwert auszuzahlen. Wir werden darauf in Abschnitt 3.6 noch etwas näher eingehen. c)

Erfolgsabhängiger Rückzahlungsbetrag Eine dritte Variante zur Bestimmung des Rückzahlungsbetrages besteht in der Bindung an einen oder mehrere Indikatoren, die durch die wirtschaftliche Entwicklung des Emittenten selbst bestimmt werden. Dies trifft etwa auf die bereits unter (1. c) angesprochene Konstruktion zu, den Rückzahlungsbetrag als Anteil am Liquidationserlös zu definieren. Eine andere Variante findet man häufig bei Genussrechtsanleihen „mit Verlustteilnahme“. Genussrechtsanleihen, Genussscheine genannt, sind überwiegend dadurch gekennzeichnet, dass ihren Inhabern keinerlei gesellschaftsrechtliche Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse zustehen, jedoch finanzielle Ansprüche, die – zumindest für einen gewissen Zeitraum – denen der Aktionäre ähnlicher sind als den Ansprüchen der Inhaber klassischer festverzinslicher Anleihen, wobei insbesondere eine mehr oder weniger stark ausgeprägte erfolgsabhängige Verzinsung als ein weiteres charakteristisches Merkmal angesehen wird. Insgesamt können Genussscheine mangels besonderer gesetzlicher Vorschriften sehr flexibel ausgestaltet werden. Bei Genussscheinen „mit Verlustteilnahme“ bestimmt sich der Rückzahlungsanspruch im Fälligkeitszeitpunkt als Differenz zwischen – dem (ursprünglichen) Nennwert der Genussscheine und – der Summe der den Genussscheinen im Laufe der Zeit nach einem zuvor festgelegten Schlüssel zugerechneten Verlustanteile (ggf. vermindert um später wieder zugerechnete, aber nicht ausgeschüttete Gewinnanteile.)

206

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Übungsaufgabe 3.14 Die Export-AG hat ein Grundkapital von 10 Mio. Euro, das in 2 Mio. Aktien à 5 Euro zerlegt ist. Zum 01.01.2008 werden 50.000 Genussscheine im Wert von jeweils 100 Euro ausgegeben, die u.a. folgende Konditionen aufweisen: – Laufzeit 6 Jahre – Laufende Ausschüttung: Zum 30.6. eines jeden Geschäftsjahres 600% Dividende auf eine 5-Euro Aktie für das vorangegangene Geschäftsjahr – Verlustteilnahme: Ein Drittel eines etwaigen Jahresfehlbetrages für die Geschäftsjahre von 2008 bis 2012 wird anteilig dem Genussscheinkapital zugerechnet und mindert den zum 31.12.2013 bestehenden Rückzahlungsanspruch von zunächst 100 Euro pro Genussschein. Die Entwicklung von Dividenden und Jahresergebnissen weist folgenden Verlauf auf:

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Jahresüberschuss (+), -fehlbetrag (–) (Mio. Euro) Dividende pro 5-Euro-Aktie (Euro)

2,2

2,0

2,6

–1,5

–0,9

3,0

–1,8

1

1

1,2

0

0

0,8

0

Bestimmen Sie a) die jeweiligen Ausschüttungen pro Genussschein zum 30.6. der Jahre 2008 bis 2013, b) den Rückzahlungsanspruch zum 31.12.2013. Unabhängig von der Frage, nach welcher der drei Varianten a), b) oder c) sich der zurückzahlende Geldbetrag bemisst, stellt die Währung, in der die Rückzahlung zu erbringen ist, eine weitere Variable bei der Ausgestaltung von Anleihen dar. Bei Wertpapieren, die von deutschen Emittenten ausgegeben werden, lautet der Rückzahlungsbetrag zumeist auf Euro (bis 1998 auf DM). Dies trifft auch auf einen Teil der Emissionen ausländischer Emittenten zu, wie z.B. bei der Anleihe von Samsung Electronics, die zum 16.12.2001 in Euro zu tilgen ist. Man spricht hier von Euro-Auslandsanleihen. Ausländische Emittenten einschließlich der Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen haben jedoch auch die Möglichkeit, deutschen Anlegern sog. Währungsanleihen anzubieten, bei denen die Rückzahlung in einer fremden Währung zu leisten ist. Für den in Euro rechnenden Anleger beinhalten derartige Wertpapiere weitere Risiken, aber natürlich auch Chancen. 3.3.2.2 Zinsregelungen Unter Zinsregelungen wollen wir die Gesamtheit der bei der Ausgabe der Wertpapiere fixierten Bedingungen verstehen, durch die festgelegt wird – zu welchen Zeitpunkten sowie – in welcher Höhe und Form der Eigentümer eines Wertpapiers über die im Abschnitt 3.3.2.1 erörterten Rückzahlungsbeträge hinaus weitere Zahlungen zu erwarten hat. Die wichtigsten Ausprägungen dieser beiden Gestaltungselemente sollen im Folgenden kurz verdeutlicht werden.

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

207

(1) Zinstermine Bezüglich der Termine für die Zahlung von Zinsen und zinsähnlichen Leistungen kann zunächst danach differenziert werden, ob diese Zahlungen periodisch wiederkehrend oder einmal am Ende der Laufzeit erbracht werden. a) Laufende Zinszahlungen Die meisten der hier betrachteten Wertpapiere sind dadurch gekennzeichnet, dass Zinsen oder ähnliche Zahlungen während der gesamten Laufzeit in fest vorgegebenen periodischen Abständen erfolgen. Im Detail ist dabei noch weiter zu regeln – ob diese Zahlungen einmal pro Jahr oder in mehreren unterjährlichen Teilleistungen erfolgen, und – ob die Leistungen innerhalb der Zahlungsperiode vorschüssig, nachschüssig oder zu einem Zwischentermin fällig sind. Der in Deutschland inzwischen weitaus am häufigsten anzutreffende Wertpapiertyp sieht jährlich nachschüssige Zahlungen vor. Im Fachjargon werden solche Anleihen auch als Coupon-Titel41 bezeichnet. b) Zinskumulation Eine andere Variante besteht demgegenüber darin, die im Einzelnen nach den unter a) dargestellten Modalitäten periodisch entstehenden Zinsansprüche nicht sofort auszuzahlen, sondern zunächst nur gutzuschreiben und erst am Ende der Kontraktlaufzeit – sei es durch Ablauf der planmäßigen Laufzeit, sei es durch vorzeitige Kündigung – zusammen mit dem Rückzahlungsanspruch auszuzahlen. Diese Konstruktion ist typisch für die sog. Bundesschatzbriefe vom Typ B. Die im Zeitablauf von Jahr zu Jahr z.B. von 7,5% im ersten Jahr auf 9% im siebten und letzten Jahr steigenden Zinsen werden – im Gegensatz zum Bundesschatzbrief Typ A – nicht jährlich ausgezahlt, sondern einschließlich Zinseszins dem Rückzahlungsbetrag zugeschlagen, der bei einer vorzeitigen Rückgabe oder bei planmäßigen Ende der Gesamtlaufzeit (nach 7 Jahren) fällig wird. Übungsaufgabe 3.15: Ein Bundesschatzbrief Typ B sieht für die sieben Jahre der maximalen Laufzeit folgende Jahreszinssätze vor 7,5%; 7,75%; 8%; 8,25%; 8,5%; 8,75%; 9%. a) Berechnen Sie den Rückzahlungsbetrag für einen Bundesschatzbrief à 1000 Euro, den ein Anleger bei Rückgabe nach einem, zwei, ..., sechs Jahren bzw. am Ende der Laufzeit erhalten würde! (Runden Sie Ihre Zwischenergebnisse jeweils auf zwei Stellen nach dem Komma!) b) Bestimmten Sie die Effektivverzinsung für einen Anleger, der den Bundesschatzbrief über die gesamte Laufzeit hält!

In etwas anderer Betrachtungsweise können natürlich auch die im Abschnitt 3.3.2.1 bereits angesprochenen Zero-Bonds als Papiere mit (impliziter) Zinskumulation ausgegeben werden. Denn ob ein Bundesschatzbrief zu 100% emittiert wird und entsprechend 41

Diese Terminologie spielt auf die (frühere) Praxis an, die jährlich fälligen Zinsen durch Vorlage eines der Anleiheurkunde beigefügten Zinscoupons bei dem Emittenten einzuziehen.

208

3 Vermögensanlage in Wertpapieren den explizit vorgegebenen Jahreszinsen in der in Übungsaufgabe 3.15 verdeutlichten Weise nach 7 Jahren zu einer Rückzahlung von 174,17% führt, läuft letztlich auf das gleiche hinaus wie die Emission eines Zero-Bonds zu 57,42%, der nach 7 Jahren zu 100% zurückzuzahlen ist. Unterschiede zwischen den beiden Papieren bestehen natürlich insoweit, als der Bundesschatzbrief auch vor Endfälligkeit zu den zu Übungsaufgabe 3.15 berechneten Kursen an den Emittenten zurückgegeben werden kann, während der Zero-Bond nur zum jeweiligen Börsenkurs an einen anderen Anleger verkauft werden kann.

(2) Höhe und Form der Zinsleistungen Bezüglich der Höhe der in den einzelnen Jahren der Wertpapierlaufzeit anzurechnenden – nicht zwingend auch auszuzahlenden – Zinsen sind ähnlich wie bei der Höhe der Rückzahlung drei Varianten zu unterscheiden. a) Fester Zinsplan Eine Möglichkeit besteht darin, die in den einzelnen Perioden anzurechnenden Zinssätze schon im Emissionszeitpunkt definitiv festzulegen. Im einfachsten Fall wird dabei ein für alle Perioden konstanter Zinssatz fixiert, wie dies etwa für klassische Staats- und Industrieanleihen ebenso typisch ist wie für Kommunalobligationen oder Pfandbriefe. Bei einer sog. Staffelanleihe hingegen verändert sich der jährlich anzurechnende Zins nach einer von vornherein festgelegten Zinsstaffel. In Deutschland stellen die Bundesschatzbriefe in den beiden Typen A (über 6 Jahre steigender Zins mit laufender Auszahlung) und B (über 7 Jahre steigender Zins mit Zinskumulation) die prominentesten Beispiele für diese Ausgestaltungsform dar. Bei den sog. Kombizinsanleihen ist für einen Teil der Laufzeit kein oder nur ein sehr geringer Nominalzins vorgesehen, für den Rest der Laufzeit dann aber eine umso höhere Nominalverzinsung. Ein Beispiel hierfür ist die Anleihe der Hamburgischen Landesbank 1992/2002, bei der in den ersten fünf Jahren keine Zinszahlungen erfolgten, in den zweiten fünf Jahren dann aber jeweils in Höhe von 19% p.a. b) Kopplung des Zinses an eine exogene Größe Neben der definitiven Fixierung der maßgeblichen Zinssätze besteht als zweites die Möglichkeit, diese an die Entwicklung einer anderen Größe zu koppeln. Als sog. Floating-Rate-Notes oder einfach „Floater“ haben solche Emissionen zunehmend Bedeutung gewonnen, wobei als Bezugsgröße für den jeweils maßgeblichen Zinssatz in aller Regel auf Indikatoren für das Zinsniveau im kurzfristigen Geldgeschäft zwischen Kreditinstituten zurückgegriffen wird. Im internationalen Bereich haben die LIBOR-Sätze (LIBOR = London Inter Bank Offered Rate) bzw. die entsprechenden EURIBOR-Sätze besondere Prominenz erlangt. Dabei handelt es sich um die Zinssätze, zu denen Kreditinstitute am Bankplatz London bereit sind, anderen Banken mit erstklassigem Standing kurzfristige Kredite zu gewähren. Die LIBOR-Sätze differieren zum einen je nach der zugrundegelegten Währung, zum anderen in Abhängigkeit von der Laufzeit. Sie werden fortlaufend durch einige im Interbankgeschäft führende Londoner Institute für die wichtigsten Währungen (insbes. $, £, Euro, Yen etc.) und die gängigen Laufzeiten (1, 3, 6 oder 12 Monate) ermittelt.

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

209

Übungsaufgabe 3.16: Was erscheint Ihnen problematisch daran, wenn in der Berichterstattung über das internationale Finanzgeschäft sehr häufig von „dem EURIBOR“ die Rede ist?

Sollen Anleihezinsen an einen LIBOR-Satz gekoppelt werden, so ist also zum ersten genau festzulegen, auf welche Währung und welche Laufzeit Bezug zu nehmen ist. Zum zweiten ist der sog. Spread (auch Marge) zu fixieren, d.h. der (positive oder auch negative) Abstand zwischen dem auszurechnenden Zins und dem maßgeblichen LIBORSatz. Bei den sog. Floors und Caps werden außerdem Unter- bzw. Obergrenzen für den aus LIBOR und Spread resultierenden Gesamtzins vereinbart. Zum dritten bedarf es einer Vereinbarung, zu welchen Terminen (z.B. jeweils zum Monatsende oder zur Quartalsmitte) der Zins nach der zugrundegelegten Formel (z.B. $-Libor für 3 Monate + 1/2%) angepasst wird. Außerdem ist es möglich, den Spread zeitlich zu staffeln. Für Floater, die auf Euro lauten, stellt der EURIBOR (= European Interbank Offered Rate) den wichtigsten Referenzzins dar. Die EURIBOR-Sätze werden für 1- bis 12Monatsgeld im Handel zwischen Kreditinstituten aus der Europäischen Union durch ein standardisiertes Abfrageverfahren der Europäischen Bankenvereinigung bei erstklassigen europäischen Bankadressen – darunter etwa zehn deutsche Institute – täglich festgestellt. c)

Erfolgsabhängige Verzinsung Eine dritte Möglichkeit zur Bestimmung des maßgeblichen Zinssatzes besteht in der Kopplung an einen unternehmensinternen Erfolgsindikator, z.B. den Jahresüberschuss oder die Dividendenzahlung des Emittenten. Dabei ist es zum einen möglich, neben den erfolgsabhängigen Zinsanteilen einen festen Mindestzins vorzusehen. Zum anderen kann der gesamte Zins aber auch nach oben begrenzt werden. Unter der Bezeichnung Gewinnschuldverschreibungen ist die Ausgabe derartiger Papiere zwar seit langem aktienrechtlich geregelt (vgl. § 221 Abs. 1 AktG). Bis heute kommt diesem Finanzierungs- und Anlageinstrument in Deutschland allerdings nur geringe Bedeutung zu. Ähnliches galt lange Zeit auch für Genussrechtsanleihen. In den letzten Jahren hingegen ist es verstärkt zur Ausgabe von Genussscheinen (vgl. Unterpunkt (3.), c. im Abschnitt 3.3.2.1) gekommen, deren laufende Verzinsung in allen Fällen mehr oder weniger stark erfolgsabhängig ausgestaltet wurde. Ähnlich wie bei den Rückzahlungsmodalitäten werden die unter a) bis c) behandelten Ausgestaltungsformen der laufenden Verzinsung von der Frage überlagert, in welcher Währung die nach den jeweils maßgeblichen Modalitäten zu bestimmenden Zinsen auszuzahlen sind. Im einfachsten Fall ist – genau wie hinsichtlich des Rückzahlungsbetrages – der Euro die maßgebliche Währung. Bei Emissionen ausländischer Emittenten kann für die laufenden oder nach dem Prinzip der Kumulation einmaligen Zinszahlungen auch eine andere Währung vorgesehen sein. Im Normalfall stimmen dabei Rückzahlungs- und Zinszahlungswährung überein. Bei sog. Doppelwährungsanleihen hingegen erfolgen Rückzahlungen einerseits und Zinszahlungen andererseits in unterschiedlichen Währungen.

210

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.3.2.3 Insolvenzregelungen Als Insolvenzregelungen wollen wir die Gesamtheit der bei der Ausgabe der Wertpapiere maßgeblichen vertraglichen oder gesetzlichen Bedingungen bezeichnen, aus denen sich ergibt, welche Position die Inhaber der Wertpapiere bei einer möglichen Insolvenz des Emittenten einnehmen, insbesondere auf welche Vermögenswerte sie exklusiv zur Realisierung ihrer Ansprüche zugreifen können. Nach dem Umfang der entsprechenden Rechte gestaffelt lassen sich in einer ersten Grobklassifikation die folgenden drei Konstruktionsmöglichkeiten unterscheiden: (1) Reservierung bestimmter Gegenstände im Vermögen des Emittenten Eine Möglichkeit, die Anlegerrisiken zu begrenzen, besteht darin, durch geeignete rechtliche Gestaltungen dafür zu sorgen, dass bestimmte Vermögensteile des Emittenten in einem möglichen Insolvenzfall ausschließlich zur Befriedigung der Ansprüche der Wertpapierinhaber herangezogen werden, dem Zugriff anderer Gläubiger jedoch nicht offenstehen. Wie Ihnen aus den Abschnitten 2.1.6.2 und 2.1.6.3 bekannt ist, kann dies einmal durch die Bereitstellung dinglicher Sicherheiten geschehen. Von diesem Instrument wird häufig bei der Emission von Anleihen durch Wirtschaftsunternehmen (sog. Industrieanleihen) Gebrauch gemacht, wobei den Grundpfandrechten die weitaus größte Bedeutung zukommt. Eine entsprechende Registereintragung kann natürlich nicht auf die Namen der Inhaber der entsprechenden Papiere erfolgen. Diese sind dem Emittenten im Zweifel ja gar nicht bekannt und können zudem durch den laufenden Börsenhandel ständig wechseln. Um diesem Problem zu entgehen, werden die entsprechenden Sicherheiten regelmäßig zu Gunsten eines Treuhänders (häufig einer Bank) eingetragen, der die Sicherheiten gegen Gebühr im Interesse der Gesamtheit der Wertpapierinhaber überwacht und verwaltet. Eine etwas andere Sicherungskonstruktion findet man bei speziellen Bankschuldverschreibungen, die unter der Bezeichnung Pfandbrief emittiert werden. Voraussetzung für die Ausgabe von Pfandbriefen ist gem. § 4 PfandBG (Pfandbriefgesetz), dass der Gesamtbetrag der von einer Pfandbriefbank ausgegebenen Pfandbriefe in mindestens gleicher Höhe und mit mindestens gleichem Zinsertrag durch Kreditforderungen an Kommunen und andere inländische öffentliche Stellen oder durch grundpfandrechtlich besicherte Kreditforderungen „gedeckt“ sein muss („kongruente Deckung“). Diese Kreditforderungen sind gem. § 5 PfandBG in einem besonderen Deckungsregister zu erfassen und im Insolvenzfall der Bank zunächst ausschließlich zur Befriedigung der Ansprüche der Pfandbriefinhaber vorgesehen. (2) Sekundärhaftung Eine andere Möglichkeit, die Position der Wertpapierinhaber abzusichern, besteht in der Bereitstellung eines Bürgen oder Garanten, der sich verpflichtet, selbst für die gegen den Emittenten gerichteten Ansprüche einzustehen. Für die Inhaber der Wertpapiere erhöht sich dadurch letztlich ebenfalls die haftende Masse, auf die sie zur Befriedigung ihrer Ansprüche zurückgreifen können. Diese umfasst nicht mehr nur das Vermögen des Emittenten, sondern zusätzlich das der Bürgen oder Garanten. Eine solche Konstruktion findet man etwa – bei Emissionen von Kreditinstituten mit Sonderaufgaben (vgl. Abschnitt 1.2.5), bei denen der Bund oder ein Bundesland die Bürgschaft übernehmen oder – bei der Wertpapierausgabe durch Tochterunternehmen eines Konzerns, bei denen die an der Konzernspitze stehenden (Mutter-) Unternehmen eine ähnliche Funktion ausüben.

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

211

Außerdem wird häufig davon ausgegangen, dass es sich die Spitzeninstitute, insbesondere im Bankenbereich, gar nicht leisten könnten, Ansprüche gegen ein nachgeordnetes Konzernunternehmen notleidend werden zu lassen. Man unterstellt in solchen Fällen also de facto eine bürgschaftsähnliche Verpflichtung, auch wenn davon rein rechtlich überhaupt keine Rede sein kann, und ordnet entsprechende Emissionen dementsprechend in eine vergleichsweise hohe Sicherheitsklasse ein. (3) Verzicht auf Vorrechte im Insolvenzverfahren Zum dritten findet man Wertpapiere, deren Inhabern im Insolvenzfall des Emittenten keinerlei Sonderrechte zustehen, so dass sie ihre Ansprüche erst nach Befriedigung der Aus- und Absonderungsgläubiger sowie der sonstigen bevorrechtigten Gläubiger geltend machen können. Dabei sind im Einzelnen folgende drei Varianten anzutreffen:



Der Emittent verzichtet zwar auf die Bereitstellung spezieller Sicherheiten, verpflichtet sich durch eine Negativklausel jedoch dazu, bestimmte Maßnahmen zu unterlassen, die die Rechtsposition der Wertpapierinhaber zu Gunsten später neu hinzutretender Gläubiger verschlechtern würden. So können derartige Klauseln, für die sich natürlich vielfältige Ausgestaltungsformen bieten, etwa die Verpflichtung des Emittenten vorsehen, den Wertpapierinhabern nachträglich gleichwertige Sicherheiten einzuräumen, falls spätere Anleihen oder Darlehen besichert werden. Die Verwendung von Negativklauseln als Instrument der indirekten Besicherung ist insbesondere bei Emissionen von Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors (Industrieanleihen einschließlich deren Erweiterungen zu Wandel- oder Optionsanleihen) anzutreffen. • Bei Emissionen des Bundes, der Sondervermögen des Bundes, der Länder und anderer inländischer öffentlicher Stellen hingegen wird ausnahmslos auf jegliche Form der Besicherung verzichtet. Dahinter steht das Selbstverständnis dieser Emittenten, dass ihnen durch ihre öffentliche Stellung zwangsläufig eine unbegrenzte Bonität zukommt. Es ist hier nicht möglich, diesen Problemkreis näher zu erörtern. Beobachtet man allerdings die Anlegerpraxis, so spricht in der Tat vieles dafür, dass derartige Emissionen von einem breiten Publikum tatsächlich als bonitätsmäßig risikolose Anlagen angesehen werden, was natürlich aus Zinsänderungen resultierende Kursrisiken keineswegs ausschließt. • Als drittes besteht bei einer Emission schließlich die Möglichkeit, nicht nur auf jegliche Besicherungsmaßnahmen zu verzichten, sondern die in den ausgegebenen Wertpapieren verbrieften Ansprüche sogar mit einer Nachrangklausel zu versehen. Demnach können Inhaber dieser Wertpapiere ihre Rückzahlungsansprüche im Insolvenzfall erst dann geltend machen, wenn zuvor sämtliche anderen Gläubiger des Emittenten einschließlich der nicht bevorrechtigten Insolvenzgläubiger vollständig befriedigt worden sind. In Deutschland sind derartige Nachrangklauseln insbesondere bei Genussscheinemissionen von Banken und Versicherungen anzutreffen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Ausweitung der Geschäftstätigkeit dieser Finanzintermediäre gem. § 10 KWG bzw. § 53c VAG an die Höhe einer speziell definierten Eigenkapitalgröße geknüpft ist. Unter bestimmten Voraussetzungen können Rückzahlungsverpflichtungen aus emittierten Genussscheinen auf diese Eigenkapitalgröße angerechnet werden. Eine dieser Bedingungen besteht dabei – neben der „Teilnahme am laufenden Verlust“ (vgl. Unterpunkt (3), c. im Abschnitt 3.3.2.1) – in der Vereinbarung einer Nachrangklausel.

212

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.3.2.4 Bezugsrechte gegenüber dem Emittenten Als viertes zentrales Konstruktionselement bei der Emission von Wertpapieren ist zu regeln, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen den Anlegern ein Recht auf den Bezug weiterer Wertpapiere eingeräumt werden soll. Neben dem völligen Verzicht auf derartige Möglichkeiten sind vor allem die folgenden Ausgestaltungsvarianten zu beobachten, die unter Umständen allerdings auch noch miteinander kombiniert werden können. (1) Eigenständige Bezugsrechte auf Aktien des Emittenten Wesentliches Kennzeichen von Wandel- und Optionsanleihen ist es, dass sie neben den für eine „normale“ Anleihe typischen Zins- und Tilgungsansprüchen zusätzlich das Recht auf den Bezug „junger“ Aktien des Emittenten beinhalten. Bei Wandelanleihen (convertible bonds) setzt die Ausübung dieses Bezugsrechtes die (vorfällige) Rückgabe der Anleihe sowie ggf. eine weitere Zuzahlung voraus. Die Obligation wird also in einem bestimmten Verhältnis in Aktien „umgewandelt“. Während der reine Anleiheteil von Wandelanleihen traditionell einer einfachen, festverzinslichen Schuldverschreibung entspricht, werden zuweilen auch sogenannte Wandelgenussscheine emittiert, bei denen der zunächst emittierte Genussschein innerhalb einer bestimmten Frist in Aktien des Emittenten umgetauscht werden kann. Bei der Optionsanleihe bleibt die Anleihe hingegen auch nach Ausübung des Bezugsrechtes weiter bestehen. Dementsprechend ist der Bezugskurs höher als bei einer ansonsten vergleichbaren Wandelanleihe. Während Anleihe und Wandlungsrecht bei der Wandelanleihe eine zwar ökonomisch trennbare, jedoch rechtlich untrennbare Einheit bilden, stellen bei der Optionsanleihe die reine Anleihe und das Bezugsrecht zwei ohne weiteres separierbare Ansprüche dar. Dementsprechend werden an den deutschen Wertpapierbörsen üblicherweise – Optionsanleihen einschließlich Bezugsrecht (Anleihe ‚cum right‘), – reine Anleihen ('ex right') sowie – reine Bezugsrechte (Optionsscheine, Warrants) jeweils gesondert gehandelt. Die zuletzt genannte Form des Börsenhandels weist zugleich darauf hin, dass es grundsätzlich auch möglich ist, reine Optionsscheine auch ohne Koppelung an eine zugrundeliegende Anleihe zu emittieren. Wir werden darauf in Abschnitt 3.5 gesondert eingehen. In ihrer traditionellen, mit einer Anleihe gekoppelten Form sind Wandel- und Optionsanleihen im Einzelnen durch folgende Ausstattungsmerkmale gekennzeichnet: – Zins- und Tilgungsbedingungen, Laufzeit und Sicherheiten der „reinen“ Anleihe, – Geltungsdauer des Bezugsrechtes (frühester und spätester Wandlungs- bzw. Optionstermin), – Bezugsverhältnis (Zahl der zum Bezug einer Aktie vorzulegenden Wandelanleihen bzw. Optionsscheine oder Zahl der gegen eine Wandelanleihe bzw. einen Optionsschein beziehbaren Aktien), – Zuzahlungsbetrag beim Bezug einer Aktie sowie – „Verwässerungsschutzklauseln“, die darauf abzielen, die wirtschaftliche Stellung der Inhaber von Wandel- oder Optionsanleihen bei später nachfolgenden weiteren Emissionen des Emittenten, insbesondere bei Kapitalerhöhungen, aufrecht zu erhalten.

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

213

Übungsaufgabe 3.17: Die FINANZ-AG hat zum 2.1.2014 1 Mio. Optionsanleihen emittiert. Jede Optionsanleihe beinhaltet einen Optionsschein, der innerhalb der nächsten 10 Jahre zum Bezug von 30 Aktien zum Kurs von 25 Euro/Aktie berechtigt. Im Laufe des Jahres 2015 erhöht die FINANZ-AG ihre Aktienzahl durch Ausgabe sog. Gratisaktien von 60 Mio. Aktien auf 80 Mio. Aktien. Unmittelbar vor Durchführung dieser nominellen Kapitalerhöhung belief sich der Börsenkurs der Aktien auf 40 Euro. a) Welchen Effekt wird die nominelle Kapitalerhöhung auf den Börsenkurs der Aktien haben? Welche Folgewirkungen ergeben sich daraus für die wirtschaftliche Position der Optionsscheininhaber? b) Wie könnte eine „Verwässerungsschutzklausel“ aussehen, durch die der negative Effekt für die Optionsscheininhaber tendenziell neutralisiert wird?

Es ist unmittelbar einleuchtend, dass der Börsenwert von Wandel- und Optionsanleihen und erst recht der abgelösten Optionsscheine ganz wesentlich von dem Kurs der beziehbaren Aktie abhängt. (2) Bezugsrechte bei späteren Emissionen des Emittenten Bei den unter (1) behandelten Wandlungs- und Optionsrechten ist es stets ausschließlich dem Entschluss des Inhabers des jeweiligen Wertpapiers überlassen, ob es durch die Ausübung des Bezugsrechts zur Ausgabe „junger Aktien“ kommt oder nicht. Eine andere Variante der Ausstattung von Wertpapieren mit Bezugsrechten besteht demgegenüber darin, den Inhabern der emittierten Wertpapiere das Recht einzuräumen, an der Emission gleichartiger oder ähnlicher Wertpapieren in einem bestimmten Anteil zu partizipieren. So kann etwa den Inhabern von Genussscheinen oder Wandelanleihen – ähnlich wie Aktionären bei der ordentlichen Kapitalerhöhung – ein Bezugsrecht bei der späteren Ausgabe weiterer Genussscheine oder Wandelanleihen zustehen. Während Bezugsrechte der unter (1) behandelten Kategorie unabhängig von der weiteren Emissionsfähigkeit des Emittenten ausgeübt werden können und insoweit für den Inhaber eine eigenständige ökonomische Funktion aufweisen, zielen die Regelungen der hier zu erörternden Art in aller Regel primär darauf ab, die wirtschaftliche Position der Wertpapierinhaber bei späteren Emissionen des Emittenten aufrecht zu erhalten. Sie können also als spezielle Ausprägungen von Verwässerungsschutzklauseln angesehen werden, wie wir sie unter (1) in Übungsaufgabe 3.17 schon beispielhaft kennengelernt haben. Dementsprechend ist es durchaus möglich, dass eine Wandelschuldverschreibung oder eine Optionsanleihe mit zwei Arten von Bezugsrechten ausgestattet ist, nämlich – zum einen dem für Wandelschuldverschreibungen und Optionsscheine konstitutiven Wandlungs- oder Optionsrecht gem. (1) und – zum anderen mit einem bedingten Bezugsrecht auf weitere Wandelanleihen oder Optionsscheine für den Fall, dass es zu einer neuerlichen Emission kommt. Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Art des betrachteten Wertpapiers und den Objekten, auf die das Bezugsrecht gerichtet ist, sind dabei vielfältige Kombinationen denkbar. Einerseits besteht die Möglichkeit, Bezugsrechte auf die Ausgabe gleichartiger Wertpapiere zu beschränken, so dass etwa die Inhaber von Genussscheinen nur bei der Emission

214

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

neuer Genussscheine, die Inhaber von Optionsanleihen nur an der Ausgabe neuer Optionsanleihen partizipieren etc. Andererseits ist es jedoch auch möglich, Bezugsrechte „über Kreuz“ einzuräumen, so dass z.B. den Inhabern von Genussscheinen auch für die Ausgabe von Optionsanleihen ein Bezugsrecht eingeräumt wird oder ähnliches.

3.3.3

Zusammenfassender Gesamtüberblick

Die in den folgenden Abbildungen wiedergegebenen „Baum“-Schemata verdeutlichen noch einmal zusammenfassend die vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Anleihen an Hand von acht verschiedenen Ausstattungselementen, die sich in unserer Analyse im Abschnitt 3.3.2 als besonders wichtig erwiesen haben.

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

215

216

Abb. 3.12:

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Ausgestaltungsmöglichkeiten von Anleihen

Beachtet man, dass die verschiedenen Ausprägungen der erfassten acht Merkmale – von wenigen Ausnahmen abgesehen – praktisch beliebig miteinander kombiniert werden können, so erkennt man, dass ganz ungeachtet von den weiteren Differenzierungsmöglichkeiten im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung etwa von Laufzeit, Zinshöhe etc. weit über 100.000 Typen verschiedener Wertpapiere konstruierbar sind. Die tatsächlich schon anzutreffende Vielfalt unterschiedlichster Anleihen schöpft somit das Potenzial aller nur denkbaren Konstruktionsformen bei weitem nicht aus. Auch für die folgende Zusammenstellung einiger besonders prägnanter Anleiheformen, die sich einem deutschen Anleger bieten, kann keinesfalls Vollständigkeit beansprucht werden. Die zugefügten Kurzerläuterungen verdeutlichen jeweils die wichtigsten Besonderheiten der einzelnen Wertpapiere, insbesondere die Abweichungen von dem klassischen Typ der börsengehandelten Anleihe mit festem Zins, laufender Zinsausschüttung und festem Rückzahlungsbetrag am Ende der Laufzeit. Aktienanleihen Anleihen, die nach Wahl ihrer Emittenten wahlweise in Zahlungsmitteln oder in Aktien getilgt werden. Bundesanleihen Börsengehandelte, zumeist festverzinsliche Anleihen der Bundesrepublik Deutschland mit Gesamtlaufzeiten von 10 oder 30 Jahren. Durch den natürlichen „Alterungsprozess“ der

3.3 Vermögensanlage in Anleihen und Genussscheinen

217

Anleihen sind so an der Börse stets Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit über das gesamte Spektrum von null bis dreißig Jahren handelbar. Bundesobligationen Festverzinsliche Anleihen des Bundes mit einer Gesamtlaufzeit von 5 Jahren. Die Ausgabe erfolgt kontinuierlich in einzelnen Serien. Die Börseneinführung erfolgt erst nach dem vollständigen Verkauf der jeweiligen Serie. Bundesschatzbriefe Nicht börsengehandelte Anleihen des Bundes mit im Zeitablauf steigendem Zins und laufender Zinszahlung (Typ A mit 6-jähriger Laufzeit) oder Zinskumulation (Typ B mit 7-jähriger Laufzeit). Nach einer einjährigen Sperrfrist können innerhalb von 30 Zinstagen jeweils Schatzbriefe im Nominalwert bis zu 5.000 Euro zum Nominalwert (Typ A) bzw. zum Nominalwert zuzüglich aufgelaufener Zinsen (Typ B) zurückgegeben werden. Ab dem 01.01.2013 wurde die Ausgabe dieser Papiere (vorübergehend) eingestellt. Finanzierungsschätze Nicht börsengehandelte Anleihen des Bundes mit 1- oder 2-jähriger Laufzeit (Typ 1 bzw. Typ 2), die keinen laufenden Zins erbringen, jedoch bei einer Rückzahlung zum Nennwert deutlich unter pari ausgegeben werden. Eine vorzeitige Rückgabe an den Emittenten ist nicht möglich. Ab dem 01.01.2013 wurde die Ausgabe dieser Papiere (vorübergehend) eingestellt. Pfandbriefe Festverzinsliche Wertpapiere mit längerer Gesamtlaufzeit, zu deren Sicherung eine gesonderte Deckungsmasse aus Darlehensforderungen gegen Kommunen oder andere öffentliche Stellen oder grundpfandrechtlich abgesicherten Darlehensforderungen des Emittenten besteht. Industrieanleihen Festverzinsliche Anleihen, die von inländischen Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors ausgegeben worden sind. Euro-Auslandsanleihen Anleihen ausländischer (privater und öffentlicher) Emittenten außerhalb des Euro-Raumes, bei denen Verzinsung und Tilgung in Euro erfolgen. Währungsanleihen An deutschen Börsen gehandelte Anleihen ausländischer Emittenten, bei denen Verzinsung und Tilgung einheitlich in einer fremden Währung erfolgen. Doppelwährungsanleihen An deutschen Börsen gehandelte Anleihen ausländischer Emittenten, bei denen Verzinsung und Tilgung in unterschiedlichen Währungen erfolgen. Indexanleihen Anleihen, deren Rückzahlungsbetrag sich nach der Entwicklung eines bestimmten Index (z.B. einem Aktienindex) richtet. Zero Bonds (Nullkupon-Anleihen) Anleihen ohne laufende Verzinsung, bei denen sich die Verzinsung indirekt aus der Differenz zwischen Rückzahlungskurs und niedrigerem Ausgabe- oder Börsenkurs ergibt. Floating Rate Notes Anleihen (i.d.R. mittlerer Laufzeit), deren laufende Verzinsung an die Entwicklung anderer Referenzgrößen (z.B. LIBOR oder EURIBOR) gekoppelt ist.

218

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Gewinnschuldverschreibungen Anleihen, deren laufende Verzinsung an die Gewinnentwicklung des Emittenten gekoppelt ist. Wandelanleihen Festverzinsliche Anleihen, die nach Entscheidung ihres Inhabers (i.d.R. bei Zuzahlung eines bestimmten Betrages) in einem vorgegebenen Verhältnis in neu zu emittierende Aktien des Emittenten umgetauscht werden können. Optionsanleihen Festverzinsliche Anleihen, die nach Entscheidung ihres Inhabers dazu berechtigen, zusätzliche neu zu emittierende Aktien des Emittenten zu festgelegten Konditionen zu beziehen. Genussscheine Wertpapiere, die eine mehr oder weniger stark ausgeprägte gewinnabhängige laufende Verzinsung aufweisen und bei prinzipiell annähernd beliebigen Ausgestaltungsmöglichkeiten in Deutschland in aller Regel dadurch gekennzeichnet sind, dass der Rückzahlungsanspruch – um mögliche Verlustzurechnungen vermindert wird („Teilnahme am laufenden Verlust“) und – im Insolvenzverfahren des Emittenten erst nach Befriedigung aller übrigen Gläubiger geltend gemacht werden kann. Übungsaufgabe 3.18: Lassen Sie Ihre Phantasie zum Abschluss des Abschnitts 3.3 einmal spielen und konstruieren Sie selbst zwei neue Anleihetypen, die zumindest in dem zurückliegenden Abschnitt nicht behandelt worden sind!

3.4

Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

3.4.1

Grundkonzept und Ausgestaltungsformen von Investmentgesellschaften

Kleinanleger, d.h. Anleger, die pro Jahr vielleicht nur einige hundert Euro anlegen, können grundsätzlich natürlich auch Wertpapiere der in den vorangegangenen Abschnitten behandelten Art erwerben. Angesichts der vergleichsweise niedrigen Anlagebeträge wären sie dabei, zumindest in den ersten Jahren, jedoch gezwungen, ihr Geld in einigen wenigen Papieren anzulegen, also weitgehend „alles auf ein Pferd zu setzen“. Eine breite Streuung der Vermögensanlage auf eine Vielzahl von Wertpapieren unterschiedlicher Kategorien und verschiedener Emittenten hingegen ist zunächst kaum zu bewerkstelligen. Noch weniger ist es einem Kleinanleger im Allgemeinen möglich, sein Vermögen ganz oder teilweise in Grundstücken und Gebäuden anzulegen. Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems könnte darin bestehen, die von einer Vielzahl kleiner Anleger aufgebrachten Mittel zusammenzufassen und diesen Gesamtbetrag in einem breit gestreuten Wertpapierportefeuille oder auch verschiedenen Immobilien anzulegen. Dies könnte einmal in der Weise geschehen, dass sich die Anleger eigeninitiativ zu einer entsprechenden Anlegergemeinschaft zusammenschließen, wie dies etwa in privaten „Börsenclubs“

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

219

oder ähnlichen Vereinigungen praktiziert wird. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass ein Finanzintermediär von sich aus ein entsprechend gestreutes Wertpapier- oder Immobilienvermögen aufbaut und den Anlegern als Marktleistung anbietet, sich mit kleinen Quoten an diesem Vermögen zu beteiligen. Genau dieses Prinzip der indirekten Vermögensanlage über einen Zwischenträger charakterisiert das Grundkonzept sog. Investment- oder Kapitalverwaltungsgesellschaften. Bei der konkreten Umsetzung dieses Konzepts bestehen im Detail natürlich unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten. Die wichtigsten dieser Varianten werden in diesem Abschnitt vorgestellt. Im Abschnitt 3.4.2 werden wir dann auf die in Deutschland maßgeblichen rechtlichen Rahmendaten und die daraus resultierenden konkreten Ausprägungen entsprechender Anlageformen eingehen. (1) Rechtliche Regelung der Vermögensbeteiligung Bezüglich der rechtlichen Konstruktion der durch die Investmentgesellschaft zustande gebrachten indirekten Beteiligung an einem Wertpapier- oder Immobilienvermögen unterscheidet man üblicherweise zwischen Regelungen nach dem Gesellschaftstyp und dem Vertragstyp. Beim Gesellschaftstyp wird eine Aktiengesellschaft gegründet, die die entsprechenden Wertpapiere oder Immobilien als Eigentümer erwirbt und verwaltet. Finanziert wird diese Vermögensanlage durch die Ausgabe möglichst klein gestückelter Aktien. Die Käufer solcher Aktien erwerben also, wie jeder andere Aktionär auch, einen Anteil an der Gesellschaft und damit indirekt an deren Vermögen und den daraus fließenden Erträgen. Formal handelt es sich also um eine ganz „normale“ Aktienanlage. Die inhaltliche Besonderheit besteht jedoch darin, dass sich die Geschäftstätigkeit der Aktiengesellschaft weitgehend auf den Erwerb und die Verwaltung von Wertpapier- oder Grundvermögen beschränkt. Dementsprechend wird der Börsenkurs der entsprechenden Aktien primär durch die sich in Angebot und Nachfrage dokumentierende Wertschätzung der Anleger bestimmt; diese Wertschätzung dürfte sich in aller Regel jedoch an dem Kurswert des Wertpapiervermögens oder den geschätzten Verkehrswerten der Immobilienanlagen orientieren. Beim Vertragstyp erwerben die Anleger keine Anteile an der Investmentgesellschaft selbst, sondern an einem Sondervermögen aus Wertpapieren oder Immobilien, das die Investmentgesellschaft von ihrem eigenen Vermögen getrennt hält. Finanziert werden diese allgemein als Fonds bezeichneten Sondervermögen durch die Ausgabe von kleingestückelten Anteilscheinen, den sog. Investmentzertifikaten, die – zumindest wirtschaftlich gesehen – ein Miteigentum an dem Wertpapier- oder Immobilienbestand verbriefen. In den folgenden Ausführungen werden wir uns nur noch mit dem in Deutschland überwiegend üblichen Vertragstyp beschäftigen. (2) Anlageobjekte und Laufzeit Investmentfonds können unter anderem nach den Objekten klassifiziert werden, in denen sie das Fondsvermögen anlegen. Die grundlegende Unterscheidung in Wertpapierfonds und Immobilienfonds wurde beiläufig schon mehrfach angesprochen. Bei den Wertpapierfonds unterscheidet man traditionell weiter zwischen Aktienfonds und Rentenfonds. Angesichts der zunehmenden Einbeziehung unterschiedlicher Wertpapiere, die als Mischformen zwischen Aktien einerseits und den traditionellen festverzinslichen Wertpapieren andererseits angesehen werden können, in das Fondsvermögen, ist die einfache Zweiteilung in Aktien- und Rentenfonds inzwischen allerdings ergänzungsbedürftig geworden.

220

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Zudem haben sog. Geldmarktfonds, die ihr Vermögen in kurzfristigen Geldmarktpapieren (z.B. Schatzwechsel, Certificates of Deposits etc.) anlegen, als spezielle Variante von Wertpapierfonds zunehmend Verbreitung gefunden. Eine weitere Variante stellen sogenannte Dachfonds (auch Funds of Funds) dar, die ihr Vermögen ausschließlich oder ganz überwiegend in Zertifikaten anderer Investmentfonds anlegen. Im Einzelnen können Wertpapierfonds – ohne dass sich dafür eine einheitliche Terminologie herausgebildet hätte – nach verschiedenen weiteren Eigenschaften der erworbenen Papiere unterteilt werden. Entsprechende Differenzierungen können sich etwa auf – die Zugehörigkeit der Wertpapieremittenten zu bestimmten Branchen oder Regionen (also etwa „Banken- und Versicherungsfonds“ oder „High-Tech-Fonds“ bzw. „NRWFonds“ oder „Neue-Bundesländer-Fonds“), – die Währung, auf die laufende Erträge und mögliche Rückzahlungsbeträge an den erworbenen Wertpapieren lauten (also etwa „Euro-Fonds“, „$-Fonds“ oder „Yen-Fonds“) oder – die Fristigkeit der Wertpapieranlage beziehen (also etwa „Rentenfonds bei langfristiger Anlage und „Geldmarktfonds“ bei kurzfristiger Anlage). Ähnliche Differenzierungen sind auch bei Immobilienfonds denkbar. Unabhängig von der Art der Anlageobjekte können Investmentfonds weiterhin danach unterschieden werden, ob sie – auf unbestimmte Dauer errichtet werden oder – von Anfang an nur für eine bestimmte Laufzeit aufgelegt und am Ende zu Gunsten der Zertifikatinhaber liquidiert werden. In Deutschland stellt die erstgenannte Variante den Standardfall dar; seit etlichen Jahren werden jedoch auch Anteile an sog. Ablauffonds oder Laufzeitfonds angeboten. (3) Anlage- und Finanzierungspolitik Nach der Anlagepolitik können Investmentfonds in Fixed Funds und Managed Funds unterschieden werden. Fixed Funds sind dadurch gekennzeichnet, dass die einmal gewählte Vermögensanlage im Zeitablauf nicht mehr geändert wird. Bei einem Managed Fund hingegen wird das Fondsvermögen durch das Anlagenmanagement der Investmentgesellschaft ständig mit dem Ziel umgeschichtet, dadurch höhere laufende Erträge und/oder Kurssteigerungen zu erzielen. Im Hinblick auf die Mittelbeschaffung kann danach unterschieden werden, ob – das Fondsvermögen ausschließlich durch die Erlöse aus dem Verkauf der Investmentzertifikate finanziert wird (Eigenmittelfonds), oder – zu Lasten des Fonds in nennenswertem Umfang auch Kredite aufgenommen werden (Verschuldungsfonds, Leverage-Funds). Exkurs: Der Leverage-Effekt An dieser Stelle sollten wir uns die Wirkung des in der Unternehmensfinanzierung sog. Leverage-Effektes verdeutlichen. Zur exemplarischen Verdeutlichung dieses Phänomens betrachten wir ein Unternehmen, dessen Zielsetzung darin bestehe, eine möglichst hohe Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital zu erzielen. Dabei hängt die Eigenkapitalrendite (rE) von

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

221

der auf das eingesetzte Vermögen insgesamt, d.h. vor Zahlung der Fremdkapitalzinsen, erzielbaren Gesamtrendite rG ab, die ihrerseits eine unsichere Größe darstellen soll. Bezeichnet man die Durchschnittsverzinsung des aufgenommenen Fremdkapitals mit rF und den Verschuldungsgrad, d.h. das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital, mit V, so kann die zwischen rG und rE bestehende Beziehung durch die Relation rE = rG + (rG – rF) ⋅ V zum Ausdruck gebracht werden. Der Höhe des Verschuldungsgrades V kommt dabei folgende Hebelwirkung zu: •

Wird auf das insgesamt investierte Vermögen eine über dem Fremdkapitalzins liegende Rendite erzielt, „bringen“ die eingesetzten Fremdmittel also mehr als sie „kosten“ (rG > rF), so nimmt die Zielgröße rE einen umso größeren Wert an, je höher der Verschuldungsgrad ist. • Ist rG hingegen kleiner als rF, „bringen“ die eingesetzten Fremdmittel also weniger als sie „kosten“ (rG < rF), so tritt gerade der entgegengesetzte Effekt ein: rE wird umso kleiner und unter Umständen auch deutlich negativ, je größer V ist. Folgendes Beispiel dient zur exemplarischen Verdeutlichung der angesprochenen Zusammenhänge. Beispiel 3.16: Wir betrachten zwei Kapitalgesellschaften A und B, deren Verschuldungsgrade VA = 1 und VB = 4 sind. Die Fremdkapitalrendite für beide Unternehmen betrage einheitlich rF = 8%. Die Gesamtrendite rG nehme für beide Unternehmen in gleicher Weise in sieben aufeinanderfolgenden Jahren die in nachfolgender Tabelle angegebenen Werte an. Mit einem Minimum von –5% und einem Maximum von +25% weist rG also über den betrachteten 7-Jahreszeitraum hinweg eine Schwankungsbreite von 30%-Punkten auf. (Der einfache Durchschnittswert beträgt rG = 10%). Nimmt man nun an, dass die Verschuldungsgrade der beiden Unternehmen trotz der Ertragsschwankungen konstant bleiben – etwa weil bei konstantem Fremdkapital Gewinne ausgeschüttet, Verluste hingegen durch Zuzahlungen der Gesellschafter ausgeglichen werden –, so nehmen die Eigenkapitalrenditen der beiden Unternehmen nach der LEVERAGE-Formel im Zeitablauf folgende Werte an: Jahr rG

1

2

3

4

5

6

7

20%

5%

20%

–5%

0%

5%

25%

rE

A

32%

2%

32%

–18%

–8%

2%

42%

B

68%

–7%

68%

–57%

–32%

–7%

93%

rE

Wegen der größeren Anschaulichkeit wird die zeitliche Entwicklung der drei Renditegrößen noch einmal grafisch verdeutlicht:

222

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

r 90 80

rB E

70 60 50

rA E

40 30

rG

20 10

t

– 10 – 20 – 30 – 40 – 50

Abb. 3.13:

LEVERAGE-Effekt: Zeitliche Entwicklung der Renditegrößen

Man erkennt daran recht plastisch, dass die zeitlichen Schwankungen von rG in umso größere Schwankungen von rE transformiert werden, je größer V ist. Dem Entwicklungstief im vierten Jahr mit einer negativen Gesamtrendite von –5% entspricht bei Unternehmen A immerhin schon ein Verlust von 18%. Bei Unternehmen B sackt rE hingegen auf –57% ab, d.h. schlagartig entsteht ein Verlust, der mehr als die Hälfte des Eigenkapitals aufzehrt. Auf der anderen Seite führt der kräftige Anstieg der Gesamtrendite auf +25% im siebten Jahr bei Unternehmen A zu einem Gewinn von 42%, während rE bei Unternehmen B sogar auf +93% hochschnellt. Je höher also der Verschuldungsgrad eines Unternehmens ist, desto stärker werden schon vergleichsweise geringfügige Zufallsschwankungen der Gesamtrendite in sehr viel größere Schwankungen der Eigenkapitalrendite übertragen. Dies birgt natürlich Chancen in sich, aber auf der anderen Seite auch Risiken, die allgemein als Kapitalstrukturrisiko bezeichnet werden. Der Reiz eines Verschuldungsfonds besteht also in der Möglichkeit, dass die Gesamtrendite des Fondsvermögens größer ist als der Fremdkapitalzins, die eingesetzten Fremdmittel also mehr Ertrag bringen als sie kosten. Der entsprechende Überschuss kommt den Inhabern der Fondszertifikate zugute und erhöht deren Rendite, und zwar umso stärker, je größer der Anteil der Fremdfinanzierung ist. Bleibt die gesamte Fondsrendite allerdings hinter dem Fremdkapitalzins zurück, tritt gerade der entgegengesetzte Effekt ein, wie folgende Übungsaufgabe verdeutlicht.

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

223

Übungsaufgabe 3.19: Die MONEY-Investmentgesellschaft hat die drei Fonds SOLIDUS, RAPIDUS und RISIKUS aufgelegt. Das Fondsvermögen aller Fonds macht 10 Mio. Euro aus und ist allen drei Fällen in genau identischer Weise in Wertpapieren angelegt. SOLIDUS ist durch die Ausgabe von 100.000 Zertifikaten á 100 Euro finanziert worden; RAPIDUS (RISIKUS) hingegen durch die Ausgabe von nur 50.000 (10.000) Zertifikaten á 100 Euro, die restlichen 5 Mio. (9 Mio) Euro sind durch die Aufnahme eines 8%-igen Kredits finanziert worden. a) Angenommen, das Fondsvermögen insgesamt bringe eine Rendite von 15%. Berechnen Sie für alle drei Fonds die Rendite, die sich für die Inhaber der Investmentzertifikate nach Abführung der Kreditzinsen ergibt! b) Beantworten Sie Frage a) für den Fall, dass die für das Fondvermögen insgesamt erzielte Rendite nur 5% beträgt! c) Vergleichen Sie die zu a) und b) errechneten Renditewerte und kommentieren Sie das Ergebnis Ihres Vergleichs! (4) Ausgabe- und Rücknahmepolitik Im Hinblick auf die Ausgabe von Investmentzertifikaten kann zwischen offenen und geschlossenen Fonds unterschieden werden. Offene Fonds sind dadurch gekennzeichnet, dass in Abhängigkeit von der Nachfrage der Anleger ständig neue Zertifikate ausgegeben werden und der daraus erzielte Erlös zusätzlich angelegt wird. Bei geschlossenen Fonds hingegen erfolgt einmal die Ausgabe der vorgesehenen Anzahl von Anteilen; nach deren vollständiger Platzierung ist während der gesamten Restlaufzeit des Fonds die Ausgabe weiterer Zertifikate nicht vorgesehen. In analoger Weise können Fonds weiterhin danach unterschieden werden, ob – es grundsätzlich möglich ist, die Zertifikate an den Fonds gegen Erstattung ihres Gegenwertes zurückzugeben, oder – eine solche Rückgabemöglichkeit nicht vorgesehen ist, was natürlich nicht ausschließt, dass ein Anleger an einen anderen Interessenten verkauft. Aus dieser Überlagerung der bezüglich der Zertifikatausgabe einerseits und der -rückgabe andererseits bestehenden Varianten lassen sich zunächst rein kombinatorisch die folgenden vier Ausgestaltungsformen von Investmentfonds ableiten: (a) offener Fonds mit Rückgabemöglichkeit, (b) offener Fonds ohne Rückgabemöglichkeit, (c) geschlossener Fonds mit Rückgabemöglichkeit und (d) geschlossener Fonds ohne Rückgabemöglichkeit. Übungsaufgabe 3.20: Rein formal könnten die soeben genannten Varianten (a) bis (d) noch weiter mit der unter (3) behandelten Unterscheidung Fixed Funds und Managed Funds kombiniert werden. Geben Sie an, welche der so rein theoretisch gebildeten acht Ausgestaltungsformen keinen Sinn ergeben, weil sie nicht realisierbar sind!

224

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

In der praktischen Entwicklung haben allerdings nur die Varianten (a) und (d) Bedeutung erlangt. Dementsprechend versteht man im Allgemeinen – unter der Bezeichnung „offene Investmentfonds“ nur noch Fonds vom Typ (a) und – unter der Bezeichnung „geschlossene Investmentfonds“ nur noch Fonds vom Typ (d). Nach diesem Sprachgebrauch sind die von deutschen Investmentgesellschaften aufgelegten Wertpapierfonds in aller Regel als offene Fonds anzusehen, während im Bereich von Immobilienfonds sowohl offene als auch geschlossene Fonds anzutreffen sind. Im Hinblick auf die Ausgabepolitik von Investmentfonds hat in Deutschland seit dem Ende der 70-er Jahre neben der Differenzierung zwischen offenen und geschlossenen Fonds die Unterscheidung zwischen Publikums- und Spezialfonds an Bedeutung gewonnen. Publikumsfonds bieten ihre Zertifikate öffentlich ohne Ansehen der Person allen Anlegern frei an. Spezialfonds hingegen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Anteile ausschließlich von einem sehr kleinen Kreis institutioneller Anleger gehalten werden. Bei diesen Anlegern kann es sich insbesondere um Versicherungsunternehmen handeln sowie um Unternehmen oder deren Belegschaft, die Finanzmittel zur Absicherung von Pensionszusagen oder aus Maßnahmen der betrieblichen Vermögensbeteiligung anlegen. (5) Ausschüttungspolitik Ein letztes allgemeines Differenzierungskriterium bezieht sich schließlich auf die Art und Weise, wie über die im Laufe eines Jahres aus Zins- und Dividendenzahlungen sowie (ggf. realisierten) Kursgewinnen erzielten Wertzuwächse verfügt wird. Zwei Extremfälle sind hier denkbar:



Bei einem reinen Wachstumsfonds, auch thesaurierender oder akkumulierender Fonds genannt, erfolgen keinerlei Ausschüttungen. Alle Zahlungseingänge aus Zinsen, Dividenden und Wertpapierverkäufen werden wiederum in Wertpapieren angelegt. Die dabei erzielten Gewinne schlagen sich in einem Zuwachs des Zertifikatwertes nieder. • Bei einem reinen Ausschüttungsfonds erfolgt pro Jahr eine Ausschüttung in Höhe des erzielten Gewinnes. Bei positiver Entwicklung steigt der aus dem Gesamtwert des Sondervermögens berechnete Wert eines einzelnen Zertifikats also ständig an und sinkt dann nach erfolgter Ausschüttung auf den Anfangswert zurück. Über diese beiden „reinen“ Typen hinaus gibt es natürlich eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Ausschüttungspolitik. Die Einzelheiten sind in den jeweiligen Vertragsbedingungen der einzelnen Fonds mehr oder weniger präzise festgelegt.

3.4.2

Das Angebot deutscher offener Investmentfonds

Rechtsgrundlage für das Angebot von Anteilscheinen an offenen Investmentfonds und deren Verwaltung durch deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften ist das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Diesem Gesetz unterliegen u.a. Gesellschaften, die ihnen überlassene Gelder – zur „gemeinschaftlichen Kapitalanlage“ für Rechnung der Anleger – nach dem Grundsatz der Risikomischung – gesondert von ihrem eigenen Vermögen – in Wertpapiere, Immobilien- oder Derivate anlegen und über definierte Bruchteilseigentumsanteile an den damit gebildeten Vermögensbeständen Anteilscheine ausstellen.

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

225

Die diesbezüglichen Vorschriften des KAGB beziehen sich insbesondere auf die vier im Folgenden kurz darzustellenden Bereiche: (1) Stellung des Sondervermögens Gem. § 92 KAGB haben die Kapitalverwaltungsgesellschaften das Vermögen der einzelnen Fonds von ihrem „getrennt zu halten“. Diese Rahmenklausel wird in zweifacher Hinsicht konkretisiert:



§ 93 Abs. 2 KAGB stellt klar, dass das Sondervermögen nicht für die Verbindlichkeiten der Kapitalverwaltungsgesellschaft haftet. • §§ 71/80 KAGB sieht außerdem vor, dass die effektive Verwahrung und die Ausgabe und die Rücknahme der Anteilscheine sowie deren ständige Wertbestimmung (s.u.) durch eine Verwaltungsstelle oder auch ein Kreditinstitut, die sog. Depotbank, zu erfolgen hat. Die laufende Disposition über das Sondervermögen durch Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder Grundstücken hingegen obliegt im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Vorschriften und der jeweiligen Vertragsbedingungen der Kapitalverwaltungsgesellschaft. (2) Anlage- und Streuungsvorschriften Der in § 214 KAGB allgemein formulierte Grundsatz der Risikomischung wird in mehrfacher Hinsicht weiter präzisiert. Zum einen ist für Wertpapier- und Immobilienfonds jeweils ein Katalog der zulässigen Anlageformen formuliert worden. Darüber hinaus werden für bestimmte Arten von Anlageformen sowie Anlagen bei einem einzelnen Wirtschaftssubjekt Höchstgrenzen vorgegeben. Für Wertpapierfonds ergeben sich daraus – grob skizziert – folgende Restriktionen:



Gemäß § 193 Abs. 1 KAGB dürfen unbegrenzt nur börsengängige Wertpapiere und daraus abgeleitete Ansprüche wie Bezugsrechte etc. erworben werden. • Bankguthaben dürfen gem. § 195 KAGB nur gehalten werden, wenn sie eine Laufzeit von höchstens zwölf Monaten haben. • Eine Anlage in andere Geldmarktinstrumente gem. § 194 KAGB ist nur zulässig, wenn die dort genannten, strengen Anforderungen an die Bonität des Emittenten erfüllt sind. • In Instrumente, die diesen Voraussetzungen nicht genügen, dürfen nach § 198 KAGB maximal 10 Prozent des Vermögens investiert werden. Außerdem ist es für deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften generell nicht zulässig, Verbindlichkeiten zu Lasten des Wertpapiersondervermögens einzugehen. Bei entsprechender Ausgestaltung der Vertragsbedingungen ist gem. § 199 KAGB allerdings die Aufnahme kurzfristiger Kredite bis zu einer Höhe von 10% des Sondervermögens zulässig. Typische Leverage-Funds (s.o.) können dementsprechend nicht als Wertpapierfonds aufgelegt werden. Immobilienfonds dürfen ihr Vermögen nur in Grundstücken der durch § 231 KAGB bestimmten Art sowie in Bankguthaben, die innerhalb eines Jahres kündbar sind, sowie speziellen Wertpapieren anlegen. Dabei dürfen höchstens 30% vom Wert des Fondsvermögens einem Währungsrisiko unterliegen (§ 233 KAGB). •

Der Wert einer einzelnen Immobilie darf im Erwerbszeitpunkt höchstens 15% des Fondsvermögens ausmachen. Zudem darf der Gesamtwert aller Immobilien, deren einzelner Wert mehr als 10 Prozent des Fondsvermögens beträgt, 50 Prozent des Fondsvermögens nicht überschreiten (§ 243 KAGB).

226

3 Vermögensanlage in Wertpapieren



Bis zu 30 Prozent des Verkehrswertes der Immobilien dürfen Kredite aufgenommen werden (§§ 254/260 KAGB). Zweck der skizzierten Vorschriften ist es in allen Fällen – zum einen, die Anleger vor Risiken aus Anlageformen zu schützen, die nicht für die jeweilige Fondsart typisch sind, und – zum anderen, ein Mindestmaß an Risikostreuung zu gewährleisten.

(3) Informationsvorschriften Das KAGB enthält weiterhin etliche Vorschriften, die dazu dienen, den aktuellen und potentiellen Inhabern von Investmentzertifikaten die zurückliegende Entwicklung des Fondsvermögens und die Grundsätze der weiteren Anlagepolitik möglichst transparent zu machen.



So muss für jeden Fonds ein Jahresbericht gem. § 101 f. KAGB erstellt und veröffentlicht sowie von einem Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Der Bericht muss u.a. eine Vermögensaufstellung und eine Ertrags- und Aufwandsrechnung enthalten, aus der insbesondere auch die Aufwendungen für die Depotbank und die Verwaltung des Fondsvermögens durch die Kapitalverwaltungsgesellschaft erkennbar sind. • Weiterhin müssen die Kapitalverwaltungsgesellschaften für die Mitte des Geschäftsjahres Halbjahresberichte erstatten und veröffentlichen, die dem jährlichen Bericht ähnliche Angaben enthalten. Außerdem hat die Kapitalverwaltungsgesellschaft jedem Interessenten einen Verkaufsprospekt zur Verfügung zu stellen, der unter anderem Angaben darüber zu enthalten hat, – welche Anlage- und Ausschüttungspolitik für den Fonds betrieben wird, – unter welchen Bedingungen Anteilscheine ausgegeben und zurückgenommen werden, – welche Vergütungen für die Kapitalverwaltungsgesellschaft und die Depotbank vorgesehen sind, sowie – unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise das Sondervermögen aufgelöst werden kann. (4) Ausgabe- und Rücknahmeregelungen Schließlich enthält das KAGB in den §§ 71/98 Vorschriften über die Modalitäten für die Ausgabe und Rückgabe der Anteilscheine. Basis der entsprechenden Regelungen und der darauf aufbauenden praktischen Handhabung ist der sog. Inventarwert des gesamten Fonds und daraus abgeleitet eines einzelnen Anteilscheins. Der Inventarwert insgesamt ergibt sich als Überschuss des Wertes aller dem Fonds angehörender Vermögensgegenstände über die zu Lasten des Fonds aufgenommenen Kredite; der Inventarwert der einzelnen Anteile ergibt sich daraus mittels Division durch die Zahl der insgesamt ausgegebenen Anteilscheine. Im Hinblick auf die Wertermittlung sind im Einzelnen folgende Vorgaben zu beachten: •

Der Wert von Wertpapieren ist börsentäglich auf der Basis der aktuellen Börsenkurse festzustellen. • Die Bewertung von Grundstücken (Verkehrswert) erfolgt durch unabhängige Bewerter (§ 249 KAGB); die daraus abgeleiteten Wertfeststellungen für die einzelnen Anteile sind i.d.R. mindestens einmal alle drei Monate vorzunehmen (§ 251 KAGB). Die Ausgabe neuer Anteilscheine hat auf der Basis des (anteiligen) Inventarwertes zu erfolgen, wobei der konkrete Ausgabepreis um eine bestimmte, hauptsächlich zur Abdeckung der Vertriebskosten bestimmten Marge oberhalb dieses Ausgangswertes liegt. Üblicherweise liegt dieser Aufschlag in der Größenordnung von 3% bis 5% des anteiligen Inventarwertes.

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

227

Mit einer Zahlung von 100 Euro erwirbt ein Anleger also letztlich nur Fondsanteile im Wert von etwa 95 bis 97 Euro; mithin erzielt er eine positive Anlagerendite erst nach einer Wertsteigerung um ca. 5% bzw. 3%. In der praktischen Ausgabepolitik vieler Kapitalverwaltungsgesellschaften ist es üblich geworden, für die Wiederanlage seitens der Fonds ausgeschütteter Beträge Sonderkonditionen in Form niedrigerer Ausgabeaufschläge vorzusehen. Grundsätzlich sind die Kapitalverwaltungsgesellschaften verpflichtet, einmal ausgegebene Anteilscheine börsentäglich wieder zu Lasten des Fondsvermögens zurückzunehmen (§ 98 KAGB), wobei dafür grundsätzlich der anteilige Inventarwert maßgeblich ist. In Einzelfällen wird dabei – den jeweiligen Vertragsbedingungen entsprechend – ein zusätzlicher Abschlag in der Größenordnung von 1% vorgenommen, der zur Abdeckung der Transaktionskosten dienen soll. Bei Immobilienfonds darf die Rücknahme auf bestimmte Termine, jedoch mindestens einmal jährlich beschränkt werden (§ 255 KAGB), zudem müssen die Anteile mindestens 24 Monate gehalten worden sein. Bei der Beurteilung der Qualität von Kapitalverwaltungsgesellschaften haben in diesem Zusammenhang zwei miteinander konkurrierende Methoden Anwendung gefunden: •

Zum einen kann analysiert werden, welche Rendite auf das Fondsvermögen insgesamt durch Kursveränderungen sowie Zins- und Dividendenzahlungen erzielt wurde. • Zum anderen kann gefragt werden, welche Rendite ein Anleger erzielen konnte, der etwa zu Beginn eines Jahres einen Anteilschein erworben hat und diesen zum Jahresende wieder veräußert. Für die Qualität der „Performance“ des mit der Verwaltung eines Fonds betrauten Managements mag eine Kennzahl der zuerst genannten Kategorie bedeutsam sein. Aus der Sicht des Anlegers hingegen sind letztlich nur Renditeaspekte der zuletzt genannten Art relevant. Denn, was nützen ihm noch so hohe „Performance-Ergebnisse“, wenn die daraus resultierenden Erträge weitgehend durch Transaktionskosten in Form von Ausgabe- und Rücknahmegebühren aufgezehrt werden? 42 Übungsaufgabe 3.21: Für die drei Fonds Schlaraffia, Borussia und Nirosta liegen folgende Daten vor:

S

B

N

Fondsvermögen 01.01.2008 (Mio. Euro)

250

300

200

Ausschüttung per 31.12.2008 (Mio. Euro)

30

13,125

25,2

Fondsvermögen 31.12.2008 (nach Ausschüttung; Mio. Euro)

325

278,25

247,2

2 Mio.

4 Mio.

2,5 Mio.

Neuausgabe 2008

0,7 Mio.

1 Mio.

0,7 Mio.

Rücknahme 2008

Zertifikate am 01.01.2008

0,2 Mio.

1,5 Mio.

0,2 Mio.

Aufschlag bei Ausgabe

5%

3%

4%

Abschlag bei Rücknahme

1%





42

Vgl. hierzu insb. die empirische Analyse von Stark (2006), die u.a. einen erheblichen Einfluss dieser Gebühren auf die tatsächliche Performance der Fondsanleger am deutschen Markt für Investmentanteile feststellt.

228

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

a)

Berechnen Sie für alle drei Fonds (1) den Inventarwert eines Anteils zum 01.01.2008 und zum 31.12.2008, (2) die Ausschüttung pro Anteil, (3) den Ausgabepreis eines Anteils per 01.01.2008 und den Rücknahmepreis per 31.12.2008. b) Ermitteln Sie für alle drei Fonds (1) den – am Inventarwert gemessenen – prozentualen Wertzuwachs eines Anteils (nach Ausschüttung), (2) als Performance-Ergebnis pro Anteil, d.h. den prozentualen „Ertrag“ (Wertzuwachs und Ausschüttung) pro Anteil, (3) die Rendite, die ein Anleger erzielt, der am 01.01.2008 einen Anteilschein erwirbt und ihn am 31.12.2008 wieder verkauft. c) Kommentieren Sie kurz die zu b) gewonnenen Ergebnisse! Wie die Lösung von Übungsaufgabe 3.22 zeigt, liegt die für den Anlieger maßgebliche Rendite deutlich unter der Performance-Rendite. Dieser Effekt wird allerdings geringer, wenn man eine längere Anlagedauer betrachtet. Die im Ausgabe- und Rücknahmepreis enthaltenen einmaligen Transaktionskosten verteilen sich dann über einen längeren Zeitraum. Beim Vergleich mit anderen Formen der Vermögensanlage in Wertpapieren ist zudem zu beachten, dass dort ebenfalls – allerdings in aller Regel niedrigere – Transaktionskosten in Form von Courtage und Provision anfallen. Die beiden letztgenannten Aspekte rechtfertigen jedoch keineswegs die im Investmentgeschäft gelegentlich anzutreffende Praxis, bei der Beurteilung eines Engagements in Investmentzertifikaten die bei der Festlegung von Ausgabe- und Rücknahmepreise vorgenommenen Zu- bzw. Abschläge einfach zu vernachlässigen.

3.4.3

Hedgefonds

Das Investmentgesetz erlaubt eine weitere, besondere Gattung der Investmentfonds: die „Hedgefonds“. Dieser Begriff darf allerdings nicht anhand seiner wörtlichen Verwandtheit zu dem finanzwirtschaftlich in einem anderen Kontext gebrauchten Terminus „Hedging“ (vgl. Abschnitt 5.1.3 (2)) – nämlich im Sinne von „Absicherung“ – gedeutet werden. Denn Absicherung ist nicht das primäre Ziel dieser Fonds. Vielmehr wollen sie mit üblicherweise hohem Risiko auf ganz spezifische Finanzmarktentwicklungen spekulieren. Dies soll häufig dergestalt erreicht werden, dass ein spezifisches Risiko ganz bewusst eingegangen wird, andere Risiken jedoch ausgeschaltet („gehedgt“) werden sollen. Der auf diese Technik abstellende Begriff entstammt der Pionierzeit der Hedgefonds. Neben dieser etablierten Grundidee verfolgen Hedgefonds heute auch weitere Investitionsstrategien, die wir unten kurz erläutern werden. Nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (§ 283) ist ein Hedgefonds ein Fonds, der – zwar den Grundsatz der Risikomischung beachtet, – jedoch ansonsten keinerlei Beschränkungen bei der Auswahl seiner Investitionsobjekte unterworfen ist (sofern sie nur einer Verkehrswertermittlung zugänglich sind), und dessen Vertragsbedingungen mindestens eine der folgenden Bedingungen vorsehen 1. die grundsätzlich unbeschränkte Aufnahme von Krediten und damit die Nutzung des Leverage-Effektes (s.o.) und/oder

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten 2.

229

der Verkauf auch solcher Vermögensgegenstände, die sich gar nicht im Fonds befinden (Leerverkauf).

Der Leerverkauf Ein Leerverkauf erfolgt üblicherweise durch das Veräußern von Gütern, die sich im Zeitpunkt des Veräußerungsaktes (dem juristischen „Verpflichtungsgeschäft“) nicht im Eigentum des Veräußerers befinden. Der Leerverkäufer verpflichtet sich gleichwohl wie jeder andere Verkäufer auch, das veräußerte Gut zum vereinbarten Zeitpunkt zu liefern. Um diese Lieferpflicht einzuhalten und den Leerverkauf damit rechtskonform durchzuführen (also das juristische „Verfügungsgeschäft“ zu erfüllen), muss er sich das bereits verkaufte Gut bis zum Liefertermin beschaffen. Daher eignet sich der Leerverkauf praktisch nur für solche Gegenstände, deren Eigenschaften so standardisiert sind, dass eine hinreichende Zahl gleichartiger Exemplare besteht. Dies ist vor allem bei den sog. „vertretbaren“ Wertpapieren („Effekten“) gegeben, wie sie börsengehandelte Aktien oder Anleihen darstellen. An deutschen Börsen müssen Wertpapiergeschäfte nach zwei Börsentagen erfüllt werden. Zur Erfüllung der Lieferpflicht von Leerverkaufsgeschäften in Wertpapieren bestehen insbesondere zwei Möglichkeiten: 1) Der Leerverkäufer kann noch am Börsentage des Leerverkaufes ein Kaufgeschäft über dieselbe Menge abschließen. Dann hat er zwei Börsentage später aus dem Kaufgeschäft einen Lieferanspruch und kann die ihm gelieferten Wertpapiere sogleich an seinen Käufer „weitergeben“. Eine solche Geschäftsgestaltung wird etwa ein Hedgefondsmanager durchführen, wenn er davon ausgeht, dass im Laufe eines Börsentages ein Kursverfall eintritt. In diesem Fall kann er die morgens leerverkauften Papiere am Abend zu einem geringeren Preis (zurück-)kaufen und erzielt damit einen sog. „Intraday“-Gewinn. 2) Häufig soll die Leerverkaufsposition aber über eine längere Zeitspanne als nur für einige Stunden während eines Börsentages aufrechterhalten werden. In diesem Fall bedient man sich der „Wertpapierleihe“, die juristisch ein Darlehen über Wertpapiere darstellt: Der Entleiher der Wertpapiere bekommt diese gegen eine geringe periodische Gebühr sowie das Versprechen der späteren Rückübertragung zur freien Verfügung gestellt. Der Entleiher hält die entliehenen Stücke nicht, sondern verkauft sie umgehend zu dem gerade herrschenden Börsenkurs (oder nutzt sie, um eine aus einem zuvor schon abgeschlossenen Geschäft entstandene Lieferverpflichtung zu erfüllen). Gegenüber dem Verleiher der Wertpapiere hat er dann also eine zukünftige Lieferverpflichtung, die er aus eigenen Beständen gar nicht erfüllen kann. Er ist also darauf angewiesen sich bis zum Rückgabetermin „am Markt“ einzudecken. Dabei hofft er naheliegenderweise darauf, dass die Kurse bis dahin fallen, so dass er die zurückzugebenden Wertpapiere zu einem niedrigeren Kurs als dem anfänglichen Verkaufskurs wieder einkaufen kann. Die damit skizzierte Technik des Leerverkaufs erzeugt im Vergleich zu leerverkaufsfreien Strategien erweiterte Möglichkeiten der Renditeerhöhung, wobei zwei fundamentale Aspekte den Einsatz von Leerverkäufen zu einem entscheidenden Faktor im Fondsmanagement bzw. dem Chance/Risiko-Profil machen: • Zum einen gibt es keine „natürliche Einstiegsbarriere“ wie beim gewöhnlichen Kauf und Verkauf von Wertpapieren, bei dem der Wertpapierbestand eine natürliche Obergrenze des Verkaufsvolumens und der Zahlungsmittelbestand eine natürliche Obergrenze des Kaufvolumens darstellen. Beim Leerverkauf hingegen lässt sich das Volu-

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren men so lange erhöhen, wie sich Kontraktpartner finden, die Wertpapiere zu verleihen bereit sind. Zum anderen entsteht durch einen Leerverkauf ein theoretisch unbegrenztes Verlustrisiko, weil anders als im Falle des Kaufes, wo im schlimmsten Falle eben der gesamte Einsatz verloren ist (schlechtestmögliche Rendite ist also –100%), keine Maximalgrenze für den Verlust besteht. So kann sich der Kurs einer leerverkauften Aktie durchaus verdreifachen und damit für einen entsprechend hohen Verlust sorgen (für den mangels Mitteleinsatzes kein sinnvoller Renditeprozentwert angegeben werden kann).43

Sowohl die Aufnahme von Krediten als auch der Abschluss von Leerverkäufen stellen also Geschäfte dar, durch die die Anlagerenditen im günstigsten Fall sehr stark erhöht werden können, die zugleich jedoch auch die Gefahr ganz erheblicher Verluste, also deutlich negativer Anlagerenditen, beträchtlich erhöhen. Für „Kleinanleger“ hat sich eine besondere Form des Investments in Hedgefonds herausgebildet, die Dachhedgefonds (§ 225 KAGB). Diese dürfen ihre Mittel neben einer Liquiditätsreserve ausschließlich in Hedgefonds der oben beschriebenen Art investieren, wobei sie einige Vorschriften zur Risikomischung zu beachten haben. So darf nicht mehr als 20 Prozent des Fondsvermögens in einem einzelnen Hedgefonds angelegt sein. Kreditaufnahme und Leerverkauf ist Dachhedgefonds nicht erlaubt. Innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens sind eine Vielzahl unterschiedlicher Investitionsstrategien denkbar. Es hat sich die folgende, grobe Systematik zur Abgrenzung der diversen Investitionsansätze von Hedgefonds herausgebildet: Direktional: Ein Hedgefonds wird als direktional bezeichnet, wenn sein Vermögen „richtungsorientiert“ in solchen Vermögensgegenständen investiert ist (bzw. „leerverkauft ist“), von denen sich das Hedgefondsmanagement eine baldige Aufwertung (bzw. Abwertung) am Markt erwartet. Wenn beispielsweise ein Hedgefondsmanager erwartet, dass in den folgenden Monaten deutsche Aktien erheblich steigen werden, so kann er das gesamte Fondsvermögen44 in deutsche Aktien oder etwa Kaufoptionen auf den DAX investieren. Von einem herkömmlichen „deutschen“ Aktienfonds unterscheidet ihn dann nichts anderes als eben die Kreditaufnahme und/oder die Verwendung von Derivaten (wie z.B. Optionen, vgl. dazu Ab43

44

Dies gilt aber tatsächlich nur für Aktien. Beim Leerverkauf festverzinslicher Wertpapiere ist die Obergrenze des Verlustes durch die Summe aller (Zins- und Tilgungs-) Zahlungen der Anleihe determiniert, weil eine Anleihe in aller Regel nicht mehr wert sein kann als diese Summe (anderenfalls wäre ihre Rendite ja negativ). Unter Fondsvermögen sei hier stets das gesamte Vermögen eines Fonds verstanden, unabhängig von seiner Verschuldung. In der Fondsbranche wird mit Fondsvermögen – missverständlicherweise – hingegen meist gerade nicht das Vermögen im betriebswirtschaftlichen Sinne, sondern die Differenz zwischen Vermögen und Schulden eines Fonds verstanden, also jene Größe, die in der Betriebswirtschaft üblicherweise als „Reinvermögen“ bezeichnet wird und auf der Passivseite einer Bilanz als (buchmäßiges) „Eigenkapital“ abgebildet wird. Diese Unterscheidung macht für herkömmliche Investmentfonds keinen großen Unterschied, weil diese – wohl mit Ausnahme einiger offener Immobilienfonds – keine beträchtlichen Schuldenbestände aufweisen. Bei Hedgefonds ist der Unterschied aber ganz erheblich. So wird in der Wirtschaftspresse etwa häufig kolportiert, die Hedgefonds verwalteten weltweit Vermögen im Wert von ungefähr 1.000 Mrd. Dollar, und hätten damit im Weltfinanzsystem ein überschaubares Gewicht. Diese zigfach dargelegte Argumentation unterschätzt aber die Bedeutung der Hedgefonds insoweit als diese Zahl nicht das Vermögen, sondern eben tatsächlich nur das Reinvermögen wiedergibt. Die tatsächlich in der Investitionsmacht der Hedgefonds obwaltenden Mittel sind um ein Mehrfaches größer, weil viele Hedgefonds ihr Vermögen durch Kreditaufnahmen vervielfachen, teilweise bis zum Einhundertfachen ihres Reinvermögenswertes.

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

231

schnitt 5.1). Er kann aber anders als ein Aktienfondsmanager bei einer Erwartung fallender Kurse all diese Aktien verkaufen und darüber hinaus Leerverkäufe durchführen, die einem Mehrfachen seines Reinvermögens entsprechen. Der Aktienfondsmanager hingegen kann auf eine solche Erwartung nicht anders reagieren als mit einer leichten Reduzierung des Investitionsgrades. Marktneutral: Die Investitionsstrategie eines marktneutralen Hedgefonds richtet sich an der Erwartung relativer Wertentwicklungen aus. Während eine direktionale Strategie auf der Prognose einer absoluten „Richtung“ bzw. Wertentwicklung basiert, versucht die marktneutrale Strategie, vorwegzunehmen, wie sich ein Vermögensgut im Verhältnis zu anderen Vermögensgütern bzw. zum sonstigen „Markt“ entwickelt und baut darauf Kauf und Leerverkauf auf. Wenn – um ein ganz einfaches Beispiel zu konstruieren – ein Fondsmanager aus irgendwelchen Gründen der Meinung ist, die Siemens-Aktie werde sich in den bevorstehenden Wochen sehr viel besser als der restliche DAX entwickeln, so wird er für seinen Hedgefonds Siemens-Aktien kaufen und alle anderen Dax-Aktien leerverkaufen. Wenn er recht behält, wird der Fonds an Wert gewinnen und zwar unabhängig davon, ob Siemens gestiegen oder gefallen ist. Siemens muss nur besser sein als der DAX. Das ist z.B. auch dann erfüllt, wenn die Siemens-Aktie 15% ihres Kurswertes einbüßt und der (restliche) DAX 20%. Die Wertentwicklung des Hedgefonds ist also abhängig von der relativen Entwicklung der Siemens-Aktie zum DAX. Das nennt man marktneutral. Freilich kann man kritisch einwenden, dass diese Begriffsbildung eine Investitionswirklichkeit suggeriere, die seinem Wortsinne gar nicht entspricht. Denn der Fonds bleibt ja sehr wohl abhängig von einem Markt – und zwar vom Markt der 30 Dax-Aktien. Schließlich hängt seine Wertentwicklung vom Kurs aller 30 Aktien ab. Daran ändert gar nichts, dass eine Wertentwicklung (Siemens) im Vergleich zu den 29 anderen mit „umgekehrtem“ Vorzeichen und deutlich höherem Gewicht in die Fondsperformance eingeht. Event-Driven („ereignisgetrieben“): Hierunter versteht man Hedgefonds, deren Investitionskonzept auf „Sonderanlässen“ beruht, zu denen dann ein entsprechend aggressives Investieren „in die Sondersituation“ erfolgt. Als Sondersituationen kommen z.B. eventuell bevorstehende Fusionen oder Übernahmen bei Aktiengesellschaften in Betracht. Eine weitere Spezialität ist das Investment in Wertpapiere, deren Emittenten akut insolvenzgefährdet sind, wobei dies mit zwei unterschiedlichen Zielsetzungen erfolgen kann: Zum einen in der Meinung, „der Markt“ überschätze das Risiko bestimmter solcher Wertpapiere, so dass auf lange Sicht mit einem Portfolio ausgewählter stark rückzahlungsgefährdeter Anleihen eine sehr hohe Rendite erwirtschaftet werden könnte. Zum anderen mit der Absicht, auf das unternehmerische Schicksal des Emittenten durch bestimmte Maßnahmen einzuwirken, in der Hoffnung, eine drohende Insolvenz abzuwenden. Soweit die übliche Grobeinteilung, deren Grenzen freilich sehr unscharf sind. Betrachten wir zum Beispiel einen Hedgefondsmanager A, der vermutet, dass BMW-Aktien steigen werden. Daher kauft er für seinen Hedgefonds BMW. Weiter vermutet er, dass Daimler fallen werden und verkauft daher Daimler-Aktien (leer). Hedgefondsmanager B analysiert die gesamte deutsche Automobilbranche und kommt zum Schluss, dass Daimler im Verhältnis zu BMW überbewertet sei. Er konstruiert daher eine Spekulation auf den „BMW-Daimler-Spread“, indem er Daimler-Aktien leerverkauft und den daraus fließenden Veräußerungserlös in BMW-Aktien investiert. Fondsmanager A bezeichnet seine Strategie als direktional; schließlich hat er zwei Wertpapieroperationen entsprechend seiner jeweiligen Kursrichtungserwartung durchgeführt. Fondsmanager B hingegen möchte seine Operationen als marktneutral

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

bezeichnet wissen; schließlich habe er nur auf Basis relativer Kurserwartungen agiert, zu den absoluten Entwicklungen habe er sich gerade keine Meinung bilden wollen. Getan haben aber beide exakt das gleiche. Ihre unterschiedliche Herangehensweise und Motivation ändert nichts daran, dass hier zwei völlig identische Handelsweisen in unterschiedlichem Begriffsgewand – einmal direktional, einmal marktneutral – erscheinen. Ähnliche Abgrenzungsprobleme entstehen natürlich auch bei der ereignisgetriebenen Kategorie. Wo verläuft die Grenzlinie zwischen einem gewöhnlichen Investitionsmotiv und einem Sonderanlass? Einen Bankrott dürften wohl die meisten Manager als Sondersituation definieren. Wie aber sieht es mit einem Vorstandswechsel aus, einem Gewinneinbruch oder der Ankündigung einer Kapitalerhöhung oder einer großen Anleihenemission? Egal, welche Grenzziehung man konstruiert, es bleibt eine willkürliche. Zudem steht diese dritte Strategie eigentlich nicht gleichgeordnet neben den beiden anderen, sondern gehört vielmehr als Unterkategorie zur Klasse der direktionalen Hedgefondsstrategien.

3.4.4

Vermögensanlage in geschlossenen Fonds

Geschlossene Fonds sind in Deutschland typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass – das Fondsvermögen nur wenige Großobjekte, oftmals auch nur ein einziges, umfasst, z.B. Apartmenthäuser, Einkaufszentren, Containerschiffe, Flugzeuge etc. – eine laufende Umstrukturierung des Fondsvermögens nicht vorgesehen ist und – die Finanzierung außer durch die Aufnahme von Fremdkapital durch die Ausgabe einer fest vorgegebenen Anzahl von Anteilen erfolgt, die nicht zu Lasten des Fondsvermögens zurückgegeben, sondern nur an einen anderen Anleger verkauft werden können. In rechtlicher Sicht werden die verschiedenen Anleger – entweder Mitglied einer Bruchteilgemeinschaft gem. §§ 741 BGB, für die im Außenverhältnis ein Treuhänder agiert, – oder Mitglied einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gem. §§ 705 ff. BGB, für die im Außenverhältnis üblicherweise ebenfalls ein Treuhänder agiert, – oder Kommanditist einer Kommanditgesellschaft gem. §§ 161 ff. HGB. Seit 2013 werden auch geschlossene Fonds gesetzlich reguliert. Die zugehörigen Regelungen im KAGB sind allerdings schon wieder Objekt erheblicher Kritik und juristischen Auslegungsstreits geworden. Von einer Darstellung wird hier abgesehen.

3.4.5

Exchange Traded Funds (ETF)

3.4.5.1 Das Grundkonzept Häufig wird kritisch festgestellt, dass die Anlage in Investmentzertifikate in der Regel weniger rentabel sei als ein vergleichbares direktes Investment in jene Anlageformen, in die das jeweilige Fondsmanagement investiert (vgl. Abschnitt 7.2.1.2). Hierfür werden zwei wesentliche Gründe angegeben:



Zum einen vermochten es die Fondsmanager nicht, bessere Investitionsentscheidungen in dem Sinne zu treffen, dass durch passendes Timing von An- und Verkauf der einzel-

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

233

nen Anlagen eine höhere Rendite entstünde als im Durchschnitt aller Anlagen des jeweiligen Marktsegmentes durch einfaches Halten allein („Buy and Hold“) erreichbar sei. • Zum anderen gebiert ein Fonds Kosten, deren Intensität abhängig von der Ausrichtung des Fonds ist, insbesondere von der Häufigkeit, mit der das Fondsvermögen umgeschichtet wird. Im Wesentlichen dürften in diesem Kontext drei Kostenkomponenten angesprochen sein: – Die im Rahmen des sog. „aktiven“ Fondsmanagements bewusst betriebenen Umschichtungen verursachen An- und Verkaufskosten, etwa in Form von Ausführungsprovisionen, aber auch einer gewissen natürlichen Differenz zwischen Ankaufund Verkaufspreisen (u.a. die börsliche „Geld-Brief-Spanne“). – Auch abseits solcher aktiven Entscheidungen des Fondsmanagements fallen derartige Kosten gleichsam passiv an, wenn nämlich die Fondsanleger ihrerseits in ihrer Gesamtheit An- und Verkaufsentscheidungen bezüglich der Investmentzertifikate treffen, die per Saldo zu einer nennenswerten Veränderung der Anzahl der ausgegebenen Zertifikate und damit des Fondsvermögens führen. Derartige Vermögensänderungen werden in der Regel An- oder Verkaufsentscheidungen zur Folge haben (müssen). Je stärker die Mittelzu- und -abflüsse eines Fonds auf diese Weise einander abwechseln, desto intensiver wird à la long das Vermögen des Fonds mit den Kosten belastet. Dieser für sich genommen schon unersprießliche Umstand erfährt eine gewisse Verschärfung dadurch, dass diese Kosten stets die Gesamtheit aller Investoren belasten, obgleich sie nur durch jene Anleger veranlasst sind, die ein Fondsvermögen durch ihre Investitions- oder Desinvestitionsentscheidung im jeweiligen Zeitpunkt vergrößern oder verringern. Entscheidet sich etwa in einem bestimmten Zeitraum die Hälfte aller Anleger zum Verlassen des Fonds, so tragen die verbleibenden Zertifikatsinhaber an den sich nachziehenden Verkaufskosten infolge der insoweit stets quotalen Behandlung 50% mit. Bleibt ein Anleger viele Jahre in einem Fonds mit erheblich fluktuierender Zertifikatsmenge investiert, alimentiert er so unwillentlich die Wechselfreudigkeit seiner Mitinvestoren. – Zu allem hin verursachen die gleichwohl betriebenen Versuche des oben erwähnten Timings ohnedies – nach Ansicht der Kritiker gar weitestgehend unnötige – Kosten in Form der Entlohnung des Fondsmanagements, das tendenziell umso mehr und teureren Personals bedarf, als es ein besonders aktives, sprich umschichtungsfreudiges Management betreibt. Sämtliche der vorgenannten kritischen Aspekte adressiert eine besondere Form des Investmentfonds, die besonders seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts prominent geworden ist, die Exchange Traded Funds (ETFs). Diese unterscheiden sich von den hergebrachten Fonds im Wesentlichen in drei Aspekten: •



Der Investmentansatz ist „passiv“, das heißt, das Fondsmanagement trifft keine „aktiven“ An- und Verkaufsentscheidungen, sondern investiert einfach in alle Wertpapiere eines wohlbestimmten Marktsegmentes – zum Beispiel gemäß einem Aktienindex – und bleibt dabei. Die Zertifikate eines ETFs werden börslich gehandelt; wobei dieser börsliche Handel der vom Fondsanbieter gewollte Weg der anlegerseitigen Anteilsinvestition und desinvestition darstellt – und nicht ein gegen den Willen des Anbieters betriebener paralleler Handelsweg, wie der Freiverkehr in den Zertifikaten zahlreicher herkömmlicher offener Fonds. Tatsächlich macht es der ETF-Anbieter einem Privatanleger in der Regel

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

gar nicht möglich, Zertifikate eines ETFs direkt bei ihm zu erwerben, sondern wird bei entsprechenden Ankaufwünschen stets an die Börse verweisen. Der investmentrechtlich gebotenen Rücknahmepflicht (§ 98 Absatz 1 Satz 1 KAGB) versucht man durch einen Rücknahmeabschlag – der die Rückgabe im Vergleich zum börslichen Verkauf benachteiligt – faktisch zu entgehen (Ein paar Unwissende tun es trotzdem). • Die Investmentzertifikate entstehen demnach nicht wie üblich nach Geldzuflüssen des Anlagepublikums, sondern – dritte Besonderheit – nach Lieferung von „Wertpapierpaketen“ gemäß dem definierten Marktsegment durch spezielle Geschäftspartner des ETFAnbieters, die üblicherweise als Designated Sponsors bezeichnet werden. Deren Aufgabe besteht primär im Market-Making der ETF-Zertifikate, sie betreiben also den börslichen Handel und zwar in der Weise, dass sie sich während der Börsenöffnungszeiten stets zu An- und Verkauf der Zertifikate bereithalten. So sie im Rahmen dieser Tätigkeit (weiterer) Zertifikate bedürfen, erhalten sie diese, wenn sie dem ETF-Anbieter eine entsprechende Menge der dem ETF zugrundeliegenden Wertpapiere liefern. Umgekehrt können sie vom ETF-Anbieter Wertpapiere gegen Rückgabe von ETF-Zertifikaten erhalten. Diesen Vorgang der Erschaffung und Vernichtung von ETF-Zertifikaten bezeichnet die Praxis „Creation/Redemption-Prozess“. Durch den Creation/Redemption-Prozess wird erreicht, dass dem Fondsvermögen praktisch keine der oben beschriebenen Transaktionskosten entstehen, die Fondskosten sich also im Wesentlichen auf jene unvermeidbaren Teile beschränken, die durch administrative Tätigkeiten bedingt sind. Dies wird denn auch regelmäßig als Vorteil, der dem Anleger zugute komme, dargestellt. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass die oben beschriebene Problematik wechselnder Zertifikatsanzahl mit dieser Praxis freilich nicht aus der Welt geschafft, sondern nur delegiert ist. Dass die Designated Sponsors dauerhaft zu ihren Lasten die ja weiterhin irgendwo anfallenden Kosten tragen, dürfte eine verwegene Annahme sein; womöglich gelingt es aber den Designated Sponsors tatsächlich, diese Aufgabe effizienter zu versehen als ein Fondsmanagement es üblicherweise vermag. Exchange Traded Funds (ETFs) sind also passiv gemanagte Indexfonds, deren Anteilsscheine über den börslichen Handel zum Anleger finden. Ihr vornehmliches Ziel ist ein kosteneffizientes, diversifiziertes Investment in ein wohldefiniertes Marktsegment. Das Fondsvermögen wird daher aus genau jenen Wertpapieren gebildet, die dem zugrunde liegenden Index in dessen Gewichtung entsprechen. So besteht das Vermögen eines DaxETFs traditionellerweise aus Aktien der 30 deutschen Aktiengesellschaften des Deutschen Aktienindex Dax – mit ihrem jeweiligen prozentualen Gewicht. Jeder Anteilschein verbrieft damit einen Miteigentumsanteil an allen 30 Dax-Aktien, allerdings nicht gleichgewichtet, wie es unter dem Gesichtspunkt der Diversifikation für die meisten Anleger wohl wünschenswert wäre, sondern mit erheblichem Schwerpunkt auf den „großen“ Aktien (weil der Dax ein nach der Marktkapitalisierung seiner Indexaktien gewichteter Index ist).

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

235

3.4.5.2 Der swapbasierte ETF Allerdings hat auch die ETF-Welt sich fortentwickelt. Viele ETFs wurden mittlerweile swapbasiert, das heißt, der ETF hält ein beliebiges Wertpapierportfolio, das durch einen sog. Total Return Swap ergänzt wird. Dieser Swap ist eine schuldrechtliche Vereinbarung, die das Fondsmanagement der Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung des Fondsvermögens mit einem auf solche Geschäfte spezialisierten Swapkontrahenten abschließt. Danach „schuldet“ der Fonds dem Swapkontrahenten eine Zahlung in Höhe des Wertzuwachses seines, des Fonds, Wertpapierportfolios, sofern dieser positiv ist bzw. erhält einen Zahlungsanspruch, sofern dieser negativ ist. Zugleich schuldet der Kontrahent dem Fonds jedwede positive Indexperformance bzw. erwirbt einen Zahlungsanspruch gegen den Fonds im Betrag einer etwaigen negativen Indexperformance, jeweils bezogen auf den Nominalbetrag des Swaps. (Tatsächlich wird ein Netting in Höhe der Differenz von Index- und Portfolioperformance durchgeführt, weil aus der beschriebenen Vereinbarung per Saldo regelmäßig genau eine Partei als Nettozahler und die andere als Nettozahlungsempfänger hervorgeht.) Beispiel 3.16 a): Ein Dax-ETF hält ein Fondsvermögen von 1 Mrd. Euro, das in japanische Aktien investiert ist, so wie es eine Kapitalanlagegesellschaft in der Tat für sämtliche ihrer ETFs praktiziert haben soll. Es wird ein Total Return Swap über einen Nennbetrag von einer Mrd. Euro abgeschlossen. Angenommen, das japanische Aktienportfolio entwickelt sich um fünf Prozentpunkte besser als der Dax, z. B. 15% versus 10% Performance. Dann ist das Aktienvermögen des Fonds 50 Mio. Euro mehr wert als wenn es tatsächlich in Dax-Aktien investiert hätte. Doch zugleich besteht eine Verbindlichkeit von (0,15 – 0,1) ⋅ 1 Mrd. = 50 Mio. Euro gegenüber dem Swapkontrahenten, so dass netto das Fondsvermögen um genau die zehn Prozent der Dax-Performance angewachsen ist. Im alternativen Szenario einer fünfprozentigen Underperformance des Wertpapierportfolios entsteht dem Fonds ein Zahlungsanspruch von 50 Mio. gegen den Swapkontrahenten, so dass im Saldo von Portfoliowert und Wert des Swaps wiederum eine Fondsvermögensentwicklung in Höhe der Indexperformance gegeben ist.

Wann genau Zahlungsanspruch bzw. -verpflichtung aus dem Swap zahlungsmäßig ausgeglichen, also von der Buch- in die Zahlungsebene überführt werden, ist Sache der Vereinbarung zwischen den Swapparteien. Aus investmentrechtlichen Gründen wird das spätestens getan, wenn der Swapwert 10% des Nettofondsvermögens erreicht. Dann wird der Total Return Swap aufgelöst und sogleich ein neuer Swap kreiert, der wieder „bei null“ startet. Durch die Swapbasierung gleicht die Anteilscheinperformance eines ETFs konzeptionell stets der Indexperformance, auch wenn der Fonds nicht eine einzige der Indexaktien erworben haben sollte. Vorteile der Swapbasierung Oft ermöglicht die Swapbasierung eine Steueroptimierung, etwa bei Quellensteuerabzügen auf Dividendenzahlungen ausländischer Aktien, die im Falle eines ausländischen Index bei der traditionellen Nachbildungsmethodik anfielen, bei entsprechend freier Bildung des Wertpapierportfolios aber womöglich vermieden oder vermindert werden können. Zudem ergeben sich in der Regel Zeitvorteile bei der Vereinnahmung ausländischer Dividenden, die im Falle der Swapbasierung unmittelbar im Swapwert Niederschlag finden, während

236

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

bei der traditionellen Replikation oftmals Verzögerungen hinzunehmen sind, die etliche Wochen andauern können. Ein weiterer Vorteil zeigt sich bei Umbasierungen in der Zusammensetzung oder Gewichtung des Index. Während bei der traditionellen Methode aufwändige Portfolioanpassungen erforderlich werden, erübrigen sich diese bei einem swapbasierten ETF gänzlich. Dieser Transaktionskostenvorteil besteht auch generell bei der anfänglichen Implementierung einer ETF-Strategie bzw. jeder Veränderung in der Anzahl der umlaufenden Anteilscheine. Auch im Zusammenhang mit dem zuweilen für Fondsvermögen genutzten Instrument der Wertpapierleihe kann sich ein Vorteil ergeben, falls auf dem Wertpapierleihemarkt für Papiere des Fondsportfolios höhere Leihgebühren zu erzielen sind als für Papiere des Indexportfolios. Die Swapgebühr Bei den meisten dieser und verwandter Vorteile der Swapbasierung ist ein zentraler Aspekt zu beachten: Die Vorteile entstehen schlicht dadurch, dass die vermiedenen Lasten einer direkten Indexnachbildung auf den Swapkontrahenten verlagert sind. Dieser kontrahiert den Swap als finanzintermediäre Dienstleistung und wird bestrebt sein, sich seinerseits der (Netto-) Risiken aus dem Swap an anderen Märkten vermittels eines Hedgings zu entledigen. Das heißt vereinfacht, er muss nun in die Indexpapiere investieren und die Portfoliopapiere leerverkaufen, sei es durch herkömmliche Kauf- und Leerverkaufstransaktionen oder wiederum durch andere Derivate (Futures etc.). Daher fordert der Swapkontrahent regelmäßig eine Swapgebühr, die neben seiner Gewinnmarge die Kosten der beschriebenen Absicherungsmaßnahmen abdecken soll. Ob dem ETF aus einer solchen „Arbeitsteilung“ per Saldo, also nach Berücksichtigung der Swapgebühren, ein Effizienzgewinn verbleibt, ist eine vorab offene Frage. Zumindest ist das denkbar, etwa wenn man unterstellt, dass der Swapkontrahent aufgrund seiner Spezialisierung und/oder größeren Geschäftsvolumina einschließlich der Möglichkeit interner Positionskompensationen ein Hedging betreiben kann, das kostengünstiger ist als der direkte Aufbau und die Bewirtschaftung eines Portfolios von Indexaktien innerhalb des ETFs. Eine zwangsläufige Folge ist ein solcher Nettovorteil für den ETF aber keineswegs, sondern er hängt im Einzelfall von der Höhe der Swapgebühr sowie der Struktur des per ETF erschlossenen Marktsegmentes ab. Nachteile der Swapbasierung Der Swap kann seine Funktion der künstlichen Performancenachbildung nicht erfüllen, falls der Swapkontrahent einer Verpflichtung aus dem Swapvertrag nicht nachkommt. Es besteht also ein Kontrahentenrisiko. Als Swapkontrahenten fungieren in der Regel Banken. Deren Bonität wird mitunter skeptisch beurteilt; am Markt für Bankanleihen wurden schon Risikoprämien in der Größenordnung von 200 Basispunkten p.a. registriert. Eine vergleichbare Risikoprämie wird innerhalb eines Total Return Swaps aber kaum gewährt, obgleich das involvierte Gläubigerrisiko dieselbe Natur aufweist: die Gefahr, dass ein Zahlungsanspruch nicht (vollständig) erfüllt wird. Allerdings betrifft dieses Risiko nur einen Bruchteil des Fondsvermögens. Zum einen wird es auch im Falle einer Kontrahenteninsolvenz nur mit rund 50% Wahrscheinlichkeit schlagend werden, weil der Swapwert dem natürlichen Lauf der Dinge nach (sprich dem Vorzeichen der Performancedifferenz zwischen den Portfoliowertpapieren und den Indexwertpapieren) mit derselben Wahrscheinlichkeit einen negativen Wert aufweisen wird, also eine Zahlungsver-

3.4 Vermögensanlage in Investmentzertifikaten

237

pflichtung gegenüber dem Swapkontrahenten. Zum anderen wird praktisch nie der investmentrechtliche Maximalsatz von 10% erreicht werden. Somit ist von einem Kontrahentenrisiko auszugehen, das durchschnittlich einen Betrag in Höhe einiger weniger Prozent des Fondsvermögens ausmacht. Denken wir gleichwohl einmal den rechtlich schlechtestmöglichen Fall zu Ende: Der Swapwert beträgt zehn Prozent zugunsten des ETFs und der Kontrahent fällt vollständig aus. Dann verliert der ETF zehn Prozent seines Fondsvermögens unwiederbringlich und wird mit einem anderen Kontrahenten einen neuen Swapvertrag abschließen müssen – mit neuerlichem Kontrahentenrisiko (oder kehrt reumütig zur traditionellen Replikation zurück). Eine weitere Risikoerhöhung könnte die Swapbasierung indirekt auslösen, wenn das frei zu bildende Wertpapierportfolio nach Gesichtspunkten der Maximierung des potenziellen Wertpapierleiheertrages ausgerichtet würde. Es sind Marktsituationen vorstellbar, in denen sehr volatile Aktien die höchsten Leiherträge versprechen (wenngleich das Marktvolumen dort geringer sein dürfte). Das könnte insbesondere dem erfolgsentlohnten Management eines kleinen ETFs den Anreiz geben, eine entsprechende Portfoliokonstruktion vorzunehmen. Die Gefahr liegt darin, dass der Entleiher, der die entliehenen Papiere ja regelmäßig veräußert (Leerverkauf, z. B. durch einen Hedgefonds als entleihende Partei, vgl. Abschnitt 3.4.3), bei einem starken Kursanstieg womöglich erhebliche Verluste erleidet und nicht mehr in der Lage ist, die entliehenen Wertpapiere zu beschaffen. Mit diesem Extremszenario entstünde für den ETF eine sehr unangenehme Position: Die Forderung aus der Wertpapierleihe fällt aus und zugleich sind aus dem/den Total Return Swap(s) tendenziell sehr hohe Beträge an den Swapkontrahenten fällig geworden bzw. noch zu zahlen, weil wegen des starken Kursanstiegs die Performance der entliehenen Papiere die des Index beträchtlich übersteigen könnte. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies ist eine Betrachtung möglicher Gefahren einer Swapbasierung und kein Bericht der tatsächlichen Praktiken bestimmter ETF-Akteure. Jedoch sahen sich schon Kapitalanlagegesellschaften zu dem Hinweis veranlasst, dass sie von ihren Entleihern die Stellung von Sicherheiten verlangen. Das ist in der Tat kein nebensächlicher Aspekt, zumal für das Kontrahentenrisiko bei Wertpapierleihegeschäften keine 10%Grenze wie beim Swap besteht und für den Anleger eine mindestens ebenso hohe Intransparenz bezüglich der Gegenpartei vorliegt. Nichtfinanzielle Nachteile Jenseits finanzwirtschaftlicher Aspekte mögen zum Beispiel ethische, politische oder patriotische Motive gegen eine Swapbasierung sprechen. So könnte einer Stiftung etwa die Anlage in Aktien aus der Rüstungs-, Tabak- oder Glücksspielindustrie nicht genehm bzw. gar untersagt sein oder ein heimatverbundener Anleger verbindet mit seinem Investment nicht nur Renditewünsche, sondern möchte auch die Eigenfinanzerung der heimischen Wirtschaft befördern. Der traditionell replizierte ETF entspricht diesen Investitionsmotiven fast hundertprozentig. Anders als auch bei jedem herkömmlichen, aktiv gemanagten Aktienfonds ist durch die Bindung des Fondsportfolios an den jeweiligen Index exakt bekannt, an welchen Aktiengesellschaften ein Fondsanteil Miteigentum verbrieft; als einzige Unsicherheit verbleibt ein Wechsel im Bestand der Indexgesellschaften, der anders als bei Entscheidungen des Fondsmanagements aber sogleich öffentlich wird. Bei einem swapbasierten ETF ist dieser Aspekt nun zu 180 Grad verkehrt: Es gibt kaum einen sicheren Anhaltspunkt, worin der Fonds investieren wird.

238

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Fazit Der swapbasierte ETF ist ein womöglich kosteneffizienterer Weg auf der Suche nach einer perfektionierten Nachbildung der Indexperformance bei überschaubarem Kontrahentenrisiko. Jedoch büßt die Anlageklasse ETF durch die Swapbasierung von ihrer ansonsten gepriesenen Einfachheit ein gutes Stück ein. Die Komplexitätssteigerung geht mit einer erhöhten Intransparenz einher, hinter der sich neue Risiken verbergen können.

3.5

Optionsscheine (Derivate II)

3.5.1

Traditionelle Optionsscheine

3.5.1.1 Grundbegriffe Im Abschnitt 3.3.2.4 haben wir schon darauf hingewiesen, dass es seit langem üblich ist, die mit einer Optionsanleihe verbundenen Bezugsrechte (auf Aktien des Emittenten) nach der Emission später getrennt von der „reinen Anleihe“ gesondert zu handeln. Diese schon traditionelle Praxis hat in der weiteren Entwicklung der Finanzmärkte dann die Idee entstehen lassen, derartige Bezugsrechte nicht nur als „Beipack“ zu einer Anleihe auszugeben, sondern sie von Anfang an als eigenständige Wertpapiere zu emittieren. Inzwischen werden derartige Optionsscheine (englisch warrant) weltweit millionenfach gehandelt. Rechercheaufgabe: Die Stuttgarter Wertpapierbörse hat sich mit dem Handelssegment EUWAX u. a. auf den Handel von Optionsscheinen spezialisiert. Verschaffen Sie sich mit Hilfe des Internets einen ungefähren Eindruck davon, wie viele Optionsscheine dort aktuell gehandelt werden!

Wir wollen in diesem Abschnitt zunächst die traditionelle Grundform derartiger Optionsscheine betrachten, für die in Übernahme aus dem amerikanischen Börsenjargon auch die Bezeichnung plain-vanilla-Optionen üblich geworden ist. Im Abschnitt 3.5.2 werden wir dann einige oft als „exotisch“ bezeichnete Weiterentwicklungen skizzieren. Das Bezeichnungselement „Option“ weist darauf hin, dass der Inhaber des entsprechenden Optionsscheins ein Wahlrecht hat, während der im Optionsgeschäft allgemein ganz plastisch als „Stillhalter“ bezeichneter Emittent daran gebunden ist, die endgültige Entscheidung des Inhabers abzuwarten. Bei einem Kauf-Optionsschein (englisch call) auf Aktien besteht dieses Wahlrecht darin, bei Fälligkeit – entweder die zugrundeliegende Aktie („Basiswert“ oder „Basistitel“, englisch „underlying“) zu dem schon bei der Emission des Scheins festgelegten Preis („Basispreis“ oder „Basiskurs“, englisch „strike“) zu kaufen, – oder die Option ohne weitere Konsequenzen verfallen zu lassen. Analog kann der Inhaber eines Verkaufs-Optionsscheins (put) dem Emittenten bei Fälligkeit die zugrundeliegende Aktie andienen und die Zahlung des vereinbarten Basispreises verlangen oder die Option verfallen lassen. Neben dieser Differenzierung zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen können Optionsscheine weiter nach der Art der Erfüllung unterschieden werden: Beim sog. physical settlement

3.5 Optionsscheine (Derivate II)

239

führt die Ausübung des Optionsrechtes zur effektiven Lieferung des vereinbarten Basiswertes. Beim cash settlement (Zahlungsausgleich) hingegen zahlt der Emittent bei Ausübung des Optionsrechtes – die Differenz zwischen dem höheren Tageskurs bei Fälligkeit und dem Basispreis (Kaufoption) bzw. – die Differenz zwischen dem Basispreis und dem niedrigeren Tageskurs bei Fälligkeit (Verkaufsoption). Der aus einem solchen traditionellen Optionsschein resultierende Rückzahlungsanspruch (R) hängt bei gegebenem Basispreis (B) also in eindeutiger Weise allein von dem Kurs des Basistitels am Erfüllungstag (C) ab. Dieser Zusammenhang kann grafisch recht plastisch durch die in folgender Abbildung aufgezeigten Rückzahlungsprofile verdeutlicht werden, die aus der Kombination einer Waagerechten und einer 45°-Linie bestehen:

Abb. 3.14:

Rückzahlungsprofile traditioneller Optionsscheine

Liegt der Kurs eines Calls (Puts) im Erfüllungszeitpunkt nicht oberhalb (nicht unterhalb) von B, so gilt R = 0 (waagerechter Teil des Linienzuges). Andernfalls führt jede Steigerung (Minderung) von C im Verhältnis 1:1 zu einer Steigerung von R (45°-Linie). Trifft man die Konvention, dass negative R-Werte Rückzahlungsverpflichtungen verdeutlichen, so kann auch die Position des Emittenten eines Optionsscheins, also des Stillhalters, von Abbildung 3.14 ausgehend dadurch verdeutlicht werden, dass man die Linienzüge einfach an der C-Achse spiegelt. Man erhält so folgende Darstellung.

Abb. 3.15:

Rückzahlungsverpflichtungen des Emittenten von Optionsscheinen

240

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

So wie die Höhe von Rückzahlungsanspruch und -verpflichtung (ausschließlich) durch den dann herrschenden Kurs des Basistitels bestimmt wird, hängt auch der Wert eines Optionsscheines während seiner Laufzeit (ganz überwiegend) von der Kursentwicklung des Basistitels ab. Derartige Wertpapiere werden daher auch als „Derivate“45 bezeichnet. Der Begriff „Derivat“ wird allerdings nicht nur für Wertpapiere, deren Wert im Wesentlichen von dem Wert anderer Wertpapiere abhängt, verwendet, sondern weiter, und zwar in zweifacher Hinsicht: •

Zum einen müssen Derivate nicht zwangsläufig als Wertpapiere ausgestaltet sein, vielmehr werden z.B. auch unverbriefte Optionsgeschäfte, wie sie etwa an der EUREX und anderen Terminbörsen getätigt werden (vgl. Kapitel 5), unter diesem Begriff subsumiert. • Zum anderen kann es sich bei den Bezugsgrößen der entsprechenden Finanzprodukte über die Marktpreise von Wertpapieren hinaus auch um andere objektiv feststellbare Größen wie z.B. Edelmetall- oder Rohstoffpreise (Goldderivate, Rohstoffderivate) oder auch Temperaturwerte oder Niederschlagsmengen (Wetterderivate) handeln. Der Rückgriff auf „objektiv feststellbare“ Größen darf nicht missverstanden werden. Damit ist nur gemeint, dass es eine anerkannte Institution gibt, also etwa eine Börse, ein statistisches Amt oder ein meteorologisches Institut, das die fraglichen Daten nach einem nachvollziehbaren Verfahren ermittelt und in einer für jedermann zugänglichen Weise bekannt gibt. Zumindest im Hinblick auf die so ermittelten Preisfeststellungen folgt daraus jedoch in keiner Weise, dass sie so etwas wie den „richtigen Preis“ oder den „wahren Wert“ der fraglichen Basisgröße darstellen, auch wenn der im angelsächsischen Bereich gelegentlich auch hier verwendete Begriff des „fair value“ 46 solchen Fehlinterpretationen Vorschub leistet. Auch folgt aus der Objektivität des Feststellungsverfahrens nicht, dass der fragliche Wert nicht doch durch einzelne Marktteilnehmer in spürbarer Weise beeinflusst werden kann, indem sie zwar nicht auf den Feststellungsvorgang selbst, sehr wohl aber auf die der Feststellung zugrundeliegenden Daten, z.B. Angebots- und Nachfragemengen, Einfluss nehmen. Dabei muss es sich nicht einmal um offensichtlich betrügerische Machenschaften wie bei dem sogenannten LIBOR-Skandal handeln.47 3.5.1.2 Basiswerte von Optionsscheinen Wie bereits angemerkte, sind der Phantasie bezüglich der Wahl des Basiswertes von Optionsscheinen keine Grenzen gesetzt. Das Spektrum reicht von Aktien- über Rohstoffpreise bis hin zu Klimadaten. Wir wollen uns hier der Ausrichtung dieses Buches entsprechend nur auf vier besonders bedeutsame „finanznahe“ Formen von Optionsscheinen beschränken. (1) Optionsscheine auf Aktien Optionsscheine auf Aktien waren traditionell als Kaufoptionen (Calls), und zwar in Form der effektiven Lieferung, ausgestaltet. Dabei sind im Detail, tendenziell zugleich der historischen Entwicklung folgend, im Einzelnen die folgenden drei Grundvarianten zu unter45 46

47

Von lateinisch „derivare“, d.h. ableiten, herleiten. Der Begriff „fair value“ bezieht sich in erster Linie auf ein bestimmtes Bewertungskonzept bei der Bilanzierung, wird aber – zumeist ohne inhaltliche Präzisierung – inzwischen auch in anderen Zusammenhängen verwendet. Im Jahr 2012 wurde bekannt, dass mehrere international tätige Banken den insbesondere im Interbankengeschäft als Referenzzins verwendeten LIBOR über Jahre hinweg zu ihren eigenen Gunsten manipuliert hatten.

3.5 Optionsscheine (Derivate II)

241

scheiden, die im konkreten Einzelfall in den unterschiedlichsten Kombinationen auftreten können. •

Das Optionsrecht bezieht sich auf neu auszugebende Aktien des Unternehmens, das die Optionsscheine emittiert hat. Der Emittent kann die im Bedarfsfall zu liefernden Aktien also auf der Basis einer zuvor erfolgten bedingten Kapitalerhöhung (vgl. Abschnitt 3.2.4.2) jederzeit selbst „produzieren“. Der Optionsschein hat dann gewisse Ähnlichkeiten mit dem im Abschnitt 3.2.4 ausführlich behandelten Bezugsrecht. Typischerweise ist die gesamte Laufzeit von Optionsscheinen jedoch deutlich länger als die bei Bezugsrechten übliche Frist von zwei Wochen. • Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass – sich das Optionsrecht auf Aktien eines ganz anderen Unternehmens als das des Emittenten bezieht, – der Emittent zur Absicherung des gegebenen Stillhalterversprechens jedoch einen entsprechenden Deckungsbestand angelegt hat. Man spricht in diesem Fall von „gedeckten Optionsscheinen“ (covered warrants). • Die dritte Variante schließlich besteht darin, dass der Emittent der auf fremde Aktien lautenden Optionsscheine auch auf die Anlage eines Deckungsbestandes verzichtet. Wenn er aus der Option in Anspruch genommen wird, muss er sich dann kurzfristig „am Markt“ eindecken, um seine Lieferverpflichtungen zu erfüllen. In irreführender Weise werden auch derartige Optionen in der Praxis allerdings gelegentlich ebenfalls als „covered warrants“ bezeichnet, obwohl von einer „Deckung“ ja gar keine Rede mehr sein kann. Folgende Abbildung gibt noch einmal einen zusammenfassenden Überblick über die angesprochenen Varianten von Aktien-Optionsscheinen in ihrer traditionellen Ausgestaltungsform.

Optionsscheine auf Aktien

Aktien des Emittenten des Optionsscheins

Abb. 3.16:

Aktien aus einem Sicherungsbestand (covered warrants)

Aktien, die der Emittent des Optionsscheins bei Bedarf beschaffen muss

Varianten von Aktien-Optionsscheinen mit effektiver Lieferung

Wir haben eingangs schon darauf hingewiesen, dass Aktien-Optionsscheine traditionelle Kaufoptionen verbriefen, bei denen der Emittent die Stillhalterposition einnimmt. Die entgegengesetzte Konstruktion von Optionsscheinen, deren Emittent als Optionsinhaber und deren Zeichner als Stillhalter auftreten, war lange Zeit aus gutem Grund an den Märkten nicht anzutreffen: Der Emittent hätte sich ja der Notwendigkeit ausgesetzt gesehen, permanent die

242

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Bonität der Inhaber „seiner“ Optionsscheine zu überprüfen und ggf. den Verkauf an Stillhalter besonders schlechter Qualität ganz zu verhindern. Mit den häufig einfach als „Zertifikate“, z. T. auch „Aktienanleihen“ oder „Discountzertifikaten“ genannten Wertpapiertyp, hat man inzwischen allerdings einen Weg gefunden, auch Stillhalterpositionen in breit gestreuten „Scheinen“ zu verbriefen. Wir werden darauf im Abschnitt 3.6 noch etwas näher eingehen. (2) Optionen auf festverzinsliche Wertpapiere (Zinsoptionsscheine) Im Fall des physical settlement gewähren diese Optionsrechte dem Inhaber das Recht, ein bestimmtes festverzinsliches Wertpapier (Anleihe) zu dem zuvor festgelegten Basispreis zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). In dem – allem Anschein nach – häufiger anzutreffenden Fall des cash settlement hat der Inhaber des Optionsscheins hingegen einen Anspruch auf Auszahlung – der Differenz zwischen dem höheren Marktpreis der Anleihe am Ausübungstag und dem Basispreis (Call-Variante) bzw. – die Differenz zwischen dem niedrigeren Marktpreis der Anleihe am Ausübungstag und dem Basispreis (Put-Variante). Bei der jeweils entgegengesetzten Konstellation zwischen Basis- und Marktpreis hingegen werden die Optionsrechte nicht ausgeübt und es kommt zu keinerlei Zahlung. Bei den als Basisobjekt verwendeten festverzinslichen Wertpapieren handelt es sich typischerweise um Anleihen bonitätsmäßig erstklassiger Emittenten, insbesondere um Emissionen der öffentlichen Hand wirtschaftlich stabiler Länder. Die Kursentwicklung dieser Papiere wird dementsprechend ganz überwiegend durch die allgemeine Entwicklung des Zinsniveaus bestimmt. Man bezeichnet entsprechende Optionsscheine dementsprechend häufig auch als Zinsoptionsscheine. (3) Währungsoptionen Währungsoptionsscheine gewähren dem Inhaber das Recht, mit dem Stillhalter, also dem Emittenten des Optionsscheins, einen Austausch zwischen zwei Währungen zu einem vorher fixierten Wechselkurs vorzunehmen – oder auf die Ausübung der Option zu verzichten. Im Gegensatz zu den Zins-Optionsscheinen, bei denen eher das cash settlement üblich ist, ist bei Währungsoptionsscheinen typischerweise eine effektive Zahlung der vereinbarten Währungsbeträge vorgesehen. Die sonst übliche Unterscheidung zwischen Puts und Calls wird bei diesen Optionsscheinen allerdings unscharf, wie folgendes Beispiel verdeutlicht. Beispiel 3.17: Optionsschein X gibt dem Inhaber das Recht, innerhalb der kommenden 18 Monate 100 US $ zum Preis von 125 Euro zu kaufen oder das Recht verfallen zu lassen. Für einen deutschen Anleger (oder allgemeiner: einen Euro-Rechner) stellt die $-Zahlung das der Aktie oder der Anleihe entsprechende Basisobjekt dar. Aus seiner Sicht liegt also eine $-Kaufoption über 100 $ mit einem Basispreis von 1,25 Euro/$ vor. Für einen $-Rechner hingegen stellt die Euro-Zahlung das Basisobjekt dar. Aus seiner Sicht kann derselbe Optionsschein somit als Euro-Verkaufsoption über 125 Euro mit einem Basispreis von 0,80 $/Euro angesehen werden.

3.5 Optionsscheine (Derivate II)

243

(4) Indexoptionen Optionen auf Indices stellen im Vergleich zu den auf Wertpapieren oder Währungen bezogenen Optionen eine jüngere Entwicklung dar, die inzwischen aber auch schon ihren festen Platz auf den Finanzmärkten erreicht hat. Sie sehen naheliegender Weise in aller Regel die Erfüllung in Form des cash settlement vor. In der Form des Call gewähren sie ihrem Inhaber das Recht, von dem Stillhalter zu verlangen, dass er ihnen am Ausübungstag die Differenz zwischen – dem zuvor vereinbarten Stand eines Index (als Basispreis) und – dem höheren aktuellen Indexstand in bar auszahlt, während es bei der umgekehrten Konstellation zwischen Basisindexstand und aktuellem Indexstand nicht zur Ausübung der Option und entsprechend zu keinerlei Zahlung kommt. In der Variante des Put kann der Inhaber des Index-Optionsscheins hingegen die Auszahlung der Differenz zwischen dem Basisindexstand und dem niedrigeren aktuellen Indexstand verlangen. Bei den als Basisobjekten herangezogenen Indices handelt es sich typischerweise um – Aktienindices, die die Kursentwicklung eines größeren Aktienmarktes repräsentieren, oder aber auch als Branchenindices bestimmte Teilmärkte sowie – Rentenindices, die die Kursentwicklung ausgewählter festverzinslicher Wertpapiere (und damit letztlich die Zinsentwicklung) repräsentieren. Bei den als Basiswert verwendeten Indices kann es sich um ganz allgemein genutzte Größen wie etwa den DAX oder den EURO STOXX 50 handeln. Alternativ dazu bieten die Börsen den Emittenten indexbasierter Derivate aber – als kleines, aber durchaus lukratives Nebengeschäft – die Möglichkeit an, für sie emissionsindividuelle Indices zu konstruieren und deren Wertentwicklung ständig zu berechnen und zu publizieren. 3.5.1.3 Einsatzmöglichkeiten traditioneller Optionsscheine Wie andere Derivate auch können Optionsscheine unterschiedlich genutzt werden. Zum einen ist es möglich, sie zur Absicherung gegen Risiken zu nutzen, die aus der sonstigen Geschäftstätigkeit des betrachteten Unternehmens resultieren. Ein klassisches Beispiel für derartige Sicherungsstrategien stellt etwa die Absicherung von Währungsrisiken bei Unternehmen dar, bei denen aus ihrer Import- oder Exporttätigkeit Verbindlichkeiten oder Forderungen in fremden Währungen entstehen. Übungsaufgabe 3.22: Skizzieren Sie, wie ein in Euro rechnender Importeuer, der in einem halben Jahr 1 Mio. US-Dollar zu zahlen hat, sich durch den Einsatz „passender“ Währungsoptionsscheine gegen das damit verbundene Risiko steigender Dollar-Kurse absichern kann!

Alternativ lassen sich Optionsscheine aber auch zu mehr oder weniger risikoreichen Anlagestrategien nutzen. Dabei geht die Frage, ob Optionsscheine „an sich“ eher ein risikoerhöhendes oder ein risikobegrenzendes Anlageinstrument sind fehl. Die risikopolitischen Wirkungen sind keine den Optionsscheinen immanente Qualität, sondern hängen von der Art und Weise ihres Einsatzes ab. Wir werden im Kapitel 5 noch ausführlicher auf die verschiedenen

244

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

anlagestrategischen Möglichkeiten von Optionsgeschäften eingehen und wollen uns an dieser Stelle zunächst nur auf ein bewusst einfach konstruiertes Beispiel beschränken. Beispiel 3.18: BERTHA hat einen Teil ihres Vermögens in BETA-Aktien angelegt, deren Kurs sich aktuell auf 40 Euro/Aktie beläuft. BERTHA beabsichtigt, die Aktien noch ein Jahr im Bestand zu halten und dann „Kasse“ zu machen. Sie geht davon aus, dass keine Dividende zu erwarten ist und der Kurs in einem Jahr schlechtestenfalls auf 0 Euro/Aktie sinken kann und sich bestenfalls verdreifachen kann. Die Abhängigkeit ihres auf eine Aktie bezogenen Endvermögens in einem Jahr (EV), von dem dann herrschenden Kurs (C) einer BETAAktie kann durch folgende einfache 45°-Linie in einem C-EV-Diagramm verdeutlicht werden.

Abb. 3.17:

Ergebnisprofil I (1 Aktie)

BERTHAs Entschluss, ihre BETA-Aktien einfach noch ein Jahr im Bestand zu halten, gerät allerdings ins Wanken, als sie im Internet auf einen Emissionsprospekt für einen KaufOptionsschein mit folgenden Konditionen stößt: – Basistitel: 1 BETA-Aktie – Laufzeit: 1 Jahr – Basispreis: 40 Euro/Aktie – Erfüllungsart: Zahlungsausgleich – Emissionskurs: 10 Euro/Optionsschein BERTHA denkt nun darüber nach, ihre Aktien zu verkaufen und den Erlös umgehend in diesen Optionsscheinen anzulegen, also pro Aktie vier Optionsscheine zu erwerben. Ihr „Bauchgefühl“ sagt ihr, dass ein solcher Wechsel ja eigentlich nicht zu einem schlechteren Ergebnis führen kann als die bislang favorisierte „konservative“ Strategie, die Aktien einfach im Bestand zu halten. Dass BERTHAs Bauchgefühl kein sonderlich guter Ratgeber für Anlageentscheidungen ist, erkennt man, wenn man auch für diese Strategie das Ergebnisprofil für das in einem Jahr möglicherweise erzielbare Endvermögen grafisch darstellt. Es ergibt sich folgendes Bild:

3.5 Optionsscheine (Derivate II)

Abb. 3.18:

245

Ergebnisprofil II (vier Optionsscheine)

Falls der Aktienkurs im Laufe des Jahres konstant bei 40 bleibt oder fällt, würde BERTHA gänzlich leer ausgehen, während sie bei der Aktie doch noch einen mehr oder weniger hohen Erlös erzielen könnte. Wenn der Aktienkurs in einem Jahr jedoch oberhalb von 40 liegen würde, erhielte BERTHA das Vierfache der Differenz zwischen dem Börsenkurs und dem Basispreis von 40. Der entsprechende Linienzug steigt in diesem Bereich also mit einem „Hebel“48 von 4. So würde BERTHA schon beim Kurs von 60 eine Rückzahlung von 4 ⋅ (60 – 40) = 80 erhalten, und in dem Extremfall von C = 120 sogar einen Rückzahlungsbetrag von 4 ⋅ (120 – 40) = 320. Verglichen mit der „einfachen“ Aktienanlage (gestrichelte Linie) würde der Wechsel zu den Optionsscheinen also – die Gewinnchancen deutlich erhöhen, – zugleich jedoch auch die Verlustrisiken ganz erheblich steigern. Von dieser Erkenntnis erschreckt, will BERTHA den Emissionsprospekt schon wieder „wegklicken“, als ihr die Idee kommt, aus dem Verkaufserlös einer Aktie – nur einen Optionsschein zu erwerben und – die restlichen 30 Euro als (vereinfacht angenommen) zinslose Barreserve zu halten. Für diese Strategie würde sich ein ganz anderes Ergebnisprofil ergeben, wie folgende Grafik zeigt: 48

Der Begriff „Hebel“ wird im Zusammenhang mit Optionen in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Zum einen kann damit – so wie hier – die Beziehung zwischen der Höhe des Rückzahlungsbetrages und der Höhe des Kurses des Basiswertes im Fälligkeitszeitpunkt gemeint sein. Zum anderen kann sich „Hebel“ aber auch auf das Phänomen beziehen, dass während der Laufzeit einer Option möglicherweise eintretende Kursänderungen des Basistitels typischerweise zu relativ größeren Wertänderungen des Optionsrechtes führen.

246

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Abb. 3.19:

Ergebnisprofil III (1 Optionsschein und 30 Euro Barreserve)

Unabhängig davon, ob der Kurs der BETA-Aktie gerade konstant bleibt oder mehr oder weniger stark fällt, bleibt BERTHA auf jeden Fall ihre Barreserve von 30 Euro. An Kurssteigerungen über 40 Euro hinaus partizipiert BERTHA jedoch im Verhältnis 1:1, bleibt aber stets um 10 Euro hinter dem Ergebnis der unmittelbaren Aktienanlage zurück. In dieser Variante führte der Übergang von der Aktienanlage zu der auf Optionsscheinen basierenden Strategie also zu einer Reduzierung sowohl der Verlustrisiken als auch der Gewinnchancen.

3.5.2

Exotische Optionsscheine

Beschränken wir uns auf die Variante des cash-settlements, so lassen sich die bislang betrachteten, von uns beiläufig als „traditionell“ bezeichneten Optionsscheine insbesondere durch folgende Merkmale kennzeichnen: • • • •

Bei Emission des Optionsscheins wird ein genau spezifizierter Basiswert etwa in Form einer Aktie oder eines Index festgelegt. Für diesen Basiswert wird als Referenzgröße für die Ermittlung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs ein numerisch eindeutig fixierter Basiskurs festgelegt. Ob es aus dem Optionsschein überhaupt zu einem Rückzahlungsanspruch kommt oder nicht, hängt dann ausschließlich davon ab, ob der objektiv feststellbare Kurs des Basiswertes am Fälligkeitstermin oberhalb oder unterhalb des Basiskurses liegt. Dabei bestimmt sich die Höhe eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs stets als Differenz zwischen – dem höheren Kurs des Basiswertes und dem Basiskurs (Kaufoption) bzw. – dem Basiskurs und dem niedrigen Kurs des Basiswertes (Verkaufsoption), kann in der grafischen Darstellung also stets durch eine mit steigenden Kursen (bzw. fallenden Kursen) 1:1 steigende Linie verdeutlicht werden.

3.5 Optionsscheine (Derivate II)

247

Die weitere Entwicklung der Finanzmärkte hat dann zu dem Angebot einer Vielzahl von Optionsscheinen geführt, die in ihren Vertragsbedingungen von diesen vier Merkmalen traditioneller Optionsscheine mehr oder weniger stark abweichen. Derartige Papiere werden häufig als „exotische Optionsscheine“ bezeichnet, wobei keine scharfe begriffliche Trennlinie zwischen „traditionellen“ und „exotischen“ Optionsscheinen besteht. Der Umgang mit den vielfältigen Erscheinungsformen vom traditionellen Typ abweichender Optionsscheine wird zudem dadurch erschwert, dass einzelne Varianten mit bestimmten Bezeichnungen belegt werden, deren Verwendung auch nur mehr oder weniger einheitlich erfolgt. Hinzu kommt noch, dass einzelne Emittenten versuchen, für bestimmte Gruppen von ihnen ausgegebener Optionsscheine „Markennamen“ zu etablieren. Wir nehmen daher von Anfang an davon Abstand, die Vielfalt exotischer Optionsscheine und den damit verbundenen Begrifflichkeiten im Einzelnen nachzugehen. Stattdessen wollen wir den Lesern an Hand der vier eingangs genannten Merkmale – aus Zweckmäßigkeitsgründen in anderer Reihenfolge – einige grundlegende Variationsmöglichkeiten zumindest beispielhaft vor Augen führen und dabei auch auf einige inzwischen mehr oder weniger üblich gewordene Bezeichnungen eingehen. (1) Barriereprodukte Bei den sog. Barriereprodukten hängt die Höhe der am Laufzeitende fälligen Rückzahlung nicht mehr nur von dem Kurs des Basiswertes in diesem Zeitpunkt ab, sondern auch von dessen Kursentwicklung während der Laufzeit. Beispiel 3.19: Bei dem ansonsten ganz traditionell ausgestatteten Kauf-Optionsschein auf die ALPHAAktie mit einem Basiskurs von 100 Euro ist in Variante I zusätzlich vorgesehen, dass die Option auf jeden Fall sofort verfällt, wenn der Kurs der ALPHA-Aktie während der Laufzeit auch nur einmal unter die „Barriere“ von 85 Euro sinkt (Knock-Out-Variante). In Variante II (Knock-In-Variante) ist demgegenüber vorgesehen, dass ein Rückzahlungsanspruch am Ende der Laufzeit unabhängig von dem dann herrschenden Kurs des Basiswertes überhaupt nur dann besteht, wenn dessen Kurs während der Laufzeit mindestens einmal die Barriere von 120 Euro erreicht oder übersteigt.

Über die beiden in diesem Beispiel verdeutlichten Barriereformen kann man sich ohne große Phantasien eine Vielzahl weiterer Barriere-Regelungen vorstellen. So könnten etwa mehrere oder unterschiedliche Kombinationen von Knock-in oder Knock-out- Grenzen definiert werden. Weiterhin kann man sich vorstellen, dass nicht die gesamte Laufzeit des Optionsscheins für den Eintritt der Barriere-Ereignisse maßgeblich ist, sondern nur ausgewählte Zeitpunkte. Rechercheaufgabe: Suchen Sie mit Hilfe des Internet einige konkrete Angebote von Barriere-Optionsscheinen und vergleichen Sie die jeweiligen Konditionen und die verwendeten Bezeichnungen!

248

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

(2) Abweichende Rückzahlungsprofile Wie wir schon im Abschnitt 3.5.1.1 gesehen haben, kann das Rückzahlungsprofil traditioneller Optionsscheine stets durch eine Kombination aus einer Waagerechten (keine Rückzahlung) und einer daran anschließenden nach rechts oder links steigenden 45°-Linie gekennzeichnet werden. Wiederum bedarf es nicht großer Phantasie, um sich beliebige andere Profilformen auszudenken.







So könnte etwa die traditionelle 45°-Linie durch eine steilere oder flachere Gerade ersetzt werden. Eine Abweichung des maßgeblichen Kurses des Basiswertes von dem Basiskurs könnte so etwa zu einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von nur 50% oder auch des Dreifachen dieser Differenz führen. Weiterhin ist es möglich, den steigenden Linienzug des Rückzahlungsprofils nicht mehr als Gerade, sondern als über- oder unterproportional steigende Funktion auszugestalten. Eine gewisse Prominenz haben hier sogenannte Poweroptionen erlangt, bei denen der Rückzahlungsbetrag eine quadratische Funktion der Differenz zwischen dem Kurs des Basiswertes und dem Basiskurs darstellt.49 Eine weitere Variante besteht darin, die für traditionelle Kauf- und Verkaufsoptionen maßgeblichen Rückzahlungsprofile zusammenzufassen, so dass sich sowohl bei positiven als auch bei negativen Abweichungen des Kurses des Basiswertes vom Basiskurs ein – mit seigendem Abstand zunehmender – Rückzahlungsanspruch ergibt. Die folgende Abbildung verdeutlicht diese auch als „straddle“ oder „butterfly“ bezeichnete Konstellation.

Abb. 3.20:

Rückzahlungsprofil eines Straddle-Optionsscheins

Eine solche, von der Hoffnung auf hohe Kursveränderungen in der einen oder der anderen Richtung getragene Position kann theoretisch auch durch den gleichzeitigen Erwerb eines Kaufs- und eines Verkaufs-Optionsscheines mit übereinstimmendem Basiskurs 49

Während es bei linearen Rückzahlungsfunktionen unerheblich ist, in welcher Größendimension der zugrundeliegenden Währung der Rückzahlungsanspruch definiert ist, spielt dies bei nicht-linearen Verknüpfungsformen eine gewichtige Rolle: Liegt etwa bei einer Verkaufsoption der Kurs des Basiswertes um 1,20 Euro oberhalb des Basiskurses, so hätte das ja nach der Festlegung der Währungsdimension folgende Konsequenzen: • Stellt der Euro die relevante Dimension dar, so beliefe sich der Rückzahlungsanspruch auf 1,202 = 1,44 Euro. • Wäre hingegen der Cent als maßgebliche Abrechnungsdimension festgelegt worden, so beliefe sich der Anspruch auf 1202 = 14.400 Cent = 144 Euro, also exakt auf das Hundertfache des bei einer Abrechnung in Euro maßgeblichen Betrages.

3.5 Optionsscheine (Derivate II)



249

und gleicher Laufzeit erreicht werden. Die Bündelung von put und call in einem Optionsschein bietet den Vorteil, dass es nicht erforderlich ist, zwei zueinander passende Optionsscheine zu suchen, zumal ja gar nicht gesichert ist, dass sich ein solches Paar von Optionsscheinen überhaupt „im Markt“ befindet. Zu der durch Abb. 3.19 verdeutlichten Grundform eines Straddle-Rückzahlungsprofils sind selbstverständlich wiederum die unterschiedlichsten Arten von Modifikationen denkbar, wie z.B. ein zwischen den beiden steigenden Linienzügen platziertes „Flachstück“ oder unterschiedliche Steigungswinkel der beiden „Steilstücke“ etc. Schließlich besteht bei allen hier betrachteten Formen und Varianten des Rückzahlungsprofils die Möglichkeit, eine Obergrenze (R') für den maximal auszuzahlenden Betrag festzulegen. Das Profil eines mit einem solchen „Cap“ versehenen, ansonsten jedoch ganz traditionell ausgestatteten Kauf-Optionsscheins hätte dann folgendes Aussehen:

Abb. 3.21:

Rückzahlungsprofil eines Cap-Optionsscheins

Kurssteigerungen des Basiswertes führen in diesem Fall also nur im Bereich zwischen Basiswert und der Summe aus Basiswert und Obergrenze zu einem Ansteigen des Rückzahlungsbetrages. Ein besonders einfaches Rückzahlungsprofil weisen sogenannte Binär-Optionen oder auch Digital-Optionen auf: In der Grundform erfolgt die Zahlung eines festgelegten Betrages R' immer dann, wenn der Kurs des Basiswertes im Fälligkeitszeitpunkt oberhalb (bei der put-Variante: unterhalb) des Basiskurses liegt. Eine Variante stellen die sog. binären Range-Optionen dar, bei denen durch die Festlegung von zwei Referenzkursen B und B' eine Bandbreite (Range) definiert wird. Bei der binären In-Option erfolgt die Zahlung des festgelegten Betrages R' dann, wenn der Kurs des Basiswertes am Fälligkeitstag innerhalb dieser Bandbreite liegt, bei der binären Out-Option, wenn der Kurs außerhalb liegt. Übungsaufgabe 3.23: a) Skizzieren Sie jeweils das Rückzahlungsprofil eines – binären Call-Optionsscheins, – binären Put-Optionsscheins, – binären In-Optionsscheins sowie – binären Out-Optionsscheins

250

3 Vermögensanlage in Wertpapieren für den Fall, dass für den jeweiligen Rückzahlungsbetrag R' = 40 Euro gilt und für Basiskurs bzw. die beiden Referenzkurse B = 80 Euro und B' = 120 Euro gilt!

b) Die folgenden Grafiken verdeutlichen verschiedene Rückzahlungsprofile ansonsten ganz traditionell ausgestatteter Optionsscheine. Erläutern Sie möglichst präzise die entsprechenden Rückzahlungsbedingungen! Gehen Sie dabei davon aus, dass bei etwaigen „Sprungstellen“ immer der höhere Wert den maßgeblichen Rückzahlungsbetrag bestimmt!

3.5 Optionsscheine (Derivate II)

251

(3) Mehrere Basiswerte Die Rückzahlungsansprüche traditioneller Optionsscheine sind im Hinblick auf einen ganz bestimmten Basiswert definiert. Eine weitere Variation des traditionellen Musters kann darin bestehen, dem Optionsschein mehr als einen Basiswert zugrunde zu legen, den Rückzahlungsanspruch also etwa von zwei verschiedenen Aktien oder zwei Aktienindices und einem Rentenindex etc. abhängig zu machen. Folgendes Beispiel vermittelt einen ersten Eindruck von der Vielfalt der sich hier ergebenden Variationsmöglichkeiten. Beispiel 3.20: Der von einem deutschen Kreditinstitut in verschiedenen Detailvarianten emittierte TRIPLEX-Optionsschein bezieht sich auf die Aktien eines großen Automobilherstellers (X), eines führenden Unternehmens der IT-Branche (Y) und einer bedeutenden Handelskette (Z). • Die Basiskurse der drei Aktien sind ihrem aktuellen Kursniveau entsprechend auf BX = 120 Euro, BY = 100 Euro und BZ = 80 Euro festgelegt. • Für alle drei Aktien sind jeweils zwei Barrierewerte festgelegt; der untere liegt jeweils 10% unterhalb des Basispreises, der obere 20% darüber. • Unabhängig von den im Fälligkeitszeitpunkt herrschenden Kursen der drei Basiswerte besteht ein Rückzahlungsanspruch in den verschiedenen Optionsscheinvarianten nur unter den folgenden Knock-out-Knock-in-Bedingungen: Variante I: Keine der drei Aktien hat jemals die untere Barriere unterschritten oder die obere Barriere überschritten. Variante II: Mindestens eine der drei Aktien hat die untere Barriere nie unter- und die obere mindestens einmal überschritten. Variante III: Mindestens zwei der drei Aktien haben die untere Grenze einmal unterschritten oder die obere Grenze einmal überschritten. • Kommt es unter diesen Voraussetzungen überhaupt zu einem Rückzahlungsanspruch, so gilt für dessen Höhe: Variante I: Liegt der Kurs mindestens einer der drei Aktien oberhalb des Basiskurses, erfolgt eine Zahlung von 12 Euro, ansonsten wird nichts gezahlt. Variante II: Für jede der drei Aktien wird jeweils die Differenz zwischen dem aktuellen Kurs bei Fälligkeit und dem Basiskurs ermittelt. Diese (positiven oder negativen) Differenzen werden addiert. Ergibt sich dabei ein positiver Gesamtwert, entspricht das dem Rückzahlungsbetrag; ansonsten erfolgt keinerlei Zahlung. Variante III: Für die Aktien, deren Kurs oberhalb des Basiskurses liegt, wird die Differenz zum Basiskurs bestimmt. Die Rückzahlung entspricht dem höchsten Differenzbetrag.

Wenn Sie sich fragen, worin der Sinn einer Konstruktion nach Art dieses Beispiels liegen soll, können wir Ihnen darauf auch keine schlüssige Antwort geben. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass es entsprechend angeleiteten und durch die Aussicht auf lukrative Vermittlungsprovisionen motivierten Anlageberatern gelingen würde, die TRIPLEX-Optionsscheine problemlos bei ihrer vertrauensvollen Kundschaft zu platzieren.

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

(4) Variable Basispreise Bei traditionellen Optionsscheinen stellt der Basispreis eine von Anfang an festgelegte Größe dar.50 Es überrascht nicht, dass inzwischen auch Optionsscheine anzutreffen sind, die von dieser traditionellen Regel abweichen. Ein Beispiel stellen sog. Lookback-Optionsscheine dar, bei dem der letztendlich maßgebliche Basispreis durch den tatsächlichen Kursverlauf des Basiswertes innerhalb eines festgelegten Beobachtungszeitraums bestimmt wird. Als Bobachtungszeitraum kann im Extrem die gesamte Zeitspanne von der Emission bis zur Fälligkeit oder aber auch ein beliebiger kürzerer Zeitraum gewählt werden. Der Basispreis kann dann etwa durch den Durchschnitt, das Maximum oder das Minimum aller beobachteten Kurse oder durch eine beliebige andere Rechenregel bestimmt werden. Eine andere Variante besteht darin, den Basispreis von einem festgelegten Ausgangsniveau ausgehend um periodisch zuzuschlagende „Finanzierungskosten“ zu erhöhen. Folgendes Beispiel verdeutlicht eine solche Konstruktion und zeigt zugleich, dass die von den Emittenten bereitgestellten „Produktbeschreibungen“ oftmals eher verwirrenden Charakter haben. Beispiel 3.21: In der im Internet abrufbaren Produktbeschreibung eines von einem bekannten deutschen Kreditinstitut ausgegebenen Call-Optionsscheins finden sich u.a. folgende bemerkenswerte Aussagen (Nummerierung der Sätze von uns): (1) Die ... Bank bietet mit [dem] ... Call den Vorteil, die Bewegungen eines Basiswertes 1 zu 1 nachzuvollziehen, ohne im jeweiligen Basiswert voll investiert sein zu müssen. (2) Dadurch kann der Anleger einen Finanzierungsvorteil erlangen. (3) Jedoch entstehen für jeden Tag, an dem ein ... Call gehalten wird, Finanzierungskosten. (4) Bei ... Calls werden diese in Rechnung gestellt, indem der Basispreis täglich um Finanzierungskosten erhöht wird.

Und im weiteren Verlauf der Darstellung wird dann noch einmal klargestellt: (5) Die Weitergabe der Finanzierungskosten, die der ... Bank als Emittenten entstehen, erfolgt ... über die tägliche Anhebung des Basispreises.

Schauen wir uns diese Aussage einmal etwas näher an: Zwar benötigt man bei dem dargestellten Produkt mehrere Optionsscheine, um ein Rückzahlungsprofil mit einer 1:1-Beziehung zu erzielen, aber dennoch ist es möglich, dass das entsprechende „Bündel“ an Optionsscheinen zu einem niedrigeren Preis erworben werden kann als der Basiswert selbst. Im Vergleich dieser beiden Handlungsalternativen kann der Investor also in der Tat einen „Finanzierungsvorteil“ erlangen, also Finanzierungskosten einsparen. Die Sätze (1) und (2) gehen insoweit in Ordnung. Mit Satz (3) vollzieht sich dann – auf den ersten Blick kaum merklich – ein eklatanter Bruch in der Gedankenführung. Denn jetzt ist auf einmal gar nicht mehr von den zuvor angesprochenen Einsparungen an Finanzierungskosten die Rede, sondern von den – wie spätestens durch Satz (5) deutlich wird – Finanzierungskosten des Emittenten. Das erstaunt: Denn worin bestehen die „Finanzierungskosten“ einer Bank, die Einnahmen aus den von ihr emittierten Optionsscheinen erzielt hat? Und warum soll gerade der Basispreis 50

Allenfalls erfolgen nach vorher genau fixierten Rechenregeln gewisse Nachjustierungen im Fall zwischenzeitlicher Dividendenzahlungen, Kapitalerhöhungen oder ähnlicher Ereignisse.

3.6 Anlagezertifikate

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des Optionsscheins die maßgebliche Bezugsgröße sein? Und schließlich: Was hat das alles mit etwaigen „Finanzierungsvorteilen“ des Anlegers zu tun? Die Verfasser haben sich den Spaß gemacht, mehrere Anlageberaterinnen und -berater der fraglichen Bank mit dieser Frage zu konfrontieren, dabei allerdings keine auch nur ansatzweise befriedigende Antwort gefunden. Satz (4) ist dann wieder korrekt: Er verweist auf einen – an anderer Stelle der Produktbeschreibung näher erläuterten – Rechenmechanismus zur täglichen Heraufsetzung des Basispreises. Mit diesem „Beispiel aus der Praxis“ wollen wir unseren Ausflug in die Welt der exotischen Optionsscheine beenden. Es macht immerhin plastisch deutlich, dass es für den Anleger nicht nur wegen der quasi endlosen Gestaltungsvielfalt und zahlreicher begrifflicher Unklarheiten äußerst schwierig ist, den Überblick zu behalten. Ähnliches gilt im Übrigen ganz analog für die im folgenden Abschnitt zu behandelnden „Anlagezertifikate“.

3.6

Anlagezertifikate

3.6.1

Vorbemerkungen

Im Abschnitt 3.3.2 haben wir als eine Möglichkeit der Rückzahlung oder Verzinsung von Anleihen auch die Indexierung erfasst, also die Kopplung des Zinses und/oder der Tilgungszahlung an eine exogene Größe. In den letzten Jahren hat sich in Deutschland das Marktsegment der sog. „Anlagezertifikate“ etabliert, das genau von dieser Möglichkeit – man kann fast sagen: exzessiven – Gebrauch macht. Mittlerweile gibt es eine sechsstellige Zahl – das sind weit mehr als die Anzahl von Aktiengesellschaften und Investmentfonds zusammengenommen – solcher Zertifikate, die formal indexierte Anleihen darstellen. Allerdings erfüllen sie beim Geldnehmer in der Regel eine andere Funktion als eine traditionelle Anleihe oder ein Genussschein. Ihre Emittenten sind nämlich ausschließlich Finanzintermediäre, die diese Papiere nicht, wie sonst bei Anleihen üblich, deswegen begeben, weil sie einen entsprechenden expliziten Finanzmittelbedarf hätten und mit dem Emissionserlös etwaige unternehmerische Auszahlungserfordernisse aus Investitionen, für Umschuldungsmaßnahmen oder dergleichen finanzierten. Sie emittieren Anlagezertifikate vielmehr mit dem Ziel, ihrer Anlageklientel, sprich erhofften Kunden, ganz spezifische Anlagemöglichkeiten zu offerieren, um damit – Endziel der Kreation von Anlagezertifikaten – Geld zu verdienen. Daher wird der Erlös aus der Emission von Anlagezertifikaten von den Finanzintermediären regelmäßig genauso wieder angelegt, dass er die Risiken der mit dem Zertifikat verkauften Zahlungsansprüche gerade neutralisiert. Dies wird teils auch explizit in den Zertifikatbedingungen festgelegt, aber auch wenn das nicht der Fall ist, dürfte eine solche Absicherung für den Emittenten die überwiegende Übung darstellen. Übrig bleiben soll nichts weiter als eine risikolose Marge, das heißt die Erfolgsgröße für den Emittenten eines Anlagezertifikates liegt darin, möglichst viele dieser Zertifikate abzusetzen. Wir hatten im Abschnitt 3.3.2.1 bereits ein klassisches Beispiel einer indexierten Anleihe aus dem Jahre 1986 vorgestellt. Dabei bestand die Emission aus zwei verschiedenen Tranchen, deren riskante Rückzahlungsansprüche gerade derart gegenläufig konstruiert waren, dass ihre

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3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Risiken einander auslöschten. Der Emittent einer solchen „Tandem-Konstruktion“ ist genau dann aller Risiken ledig und verdient lediglich seine sichere Marge, wenn es ihm gelingt, von jeder Tranche gleich viele Stücke in Umlauf zu setzen. Mittlerweile unterhalten etliche Banken ganze Abteilungen, die sich darum kümmern, dass die Risikoposition einer Bank aus dem Absatz oftmals tausender verschiedener Anlagezertifikate insgesamt neutral bleibt. Das heißt, der Bankvertrieb muss keineswegs mehr darum Sorge tragen, dass das Zahlungsprofil eines Anlagezertifikates durch das eines anderen Anlagezertifikates gerade kompensiert wird. Vielmehr verkauft der Vertrieb, was das Publikum wünscht bzw. von dem es überzeugt wird, es zu erwerben, und die Absicherung ist Sache von Risikomanagern in der Bankzentrale. Dabei ist die Absicherung teils eine recht simple Angelegenheit – die Emission von DaxZertifikaten (Anleihen mit Zahlungsanspruch, der an die exogene Größe „Deutscher Aktienindex“ geknüpft ist) etwa bedarf lediglich des Erwerbes eines entsprechend gewichteten Portfolios von Aktien oder im bevorzugten einfachsten Falle dem Kauf von Terminkontrakten auf den DAX – teils aber hochkomplex, wie die Absicherung von Zertifikaten, deren Zahlungsanspruch vom Durchschnittskurs bestimmter Wertpapiere abhängig gemacht ist. Anlagezertifikate weisen heute eine ungeheuere Vielfalt auf. Diese Zertifikate sind zwar juristisch durchweg Schuldverschreibungen, ermöglichen aber qua ihrer Indexierung ein mittelbares Investment in fast jeden Winkel der weltweiten Aktien-, Renten-, Waren-, Rohstoff-, Immobilien- und noch weiterer Märkte. Bezüglich ihrer investmentstrategischen Ausrichtung ähneln sie damit durchaus den im vorangegangenen Abschnitt 3.4 behandelten Investmentzertifikaten, denen sie auch tatsächlich bei dem Einwerben von Anlegergeld ein sehr ernstzunehmender Konkurrent geworden sind. Trotz der Namensähnlichkeit von Anlagezertifikat und Investmentzertifikat sowie der teilweisen Identität der verfolgten Anlageideen bleibt aber der wesentliche Unterschied nicht zu vergessen. Dieser ist juristischen Ursprungs, hat aber durchaus ökonomische Bedeutung: Während Investmentzertifikate Eigentumsrechte verbriefen, geben Anlagezertifikate lediglich Gläubigerrechte. Das heißt, im Falle einer Insolvenz des emittierenden Finanzintermediärs haben die Inhaber von Investmentzertifikaten einen „Herausgabeanspruch“ auf die Vermögensgegenstände des Sondervermögens, erleiden also keinen Verlust durch die Insolvenz (von möglichen Betrugsfällen abgesehen). Ganz anders verhält sich das bei den Inhabern eines Anlagezertifikates; sie stehen mit ihrem indexierten Zahlungsanspruch in einer Reihe mit sonstigen „gewöhnlichen“ Gläubigern der Bank (vgl. Abschnitt 2.1.6.2) und können daher bei einer Bankinsolvenz erhebliche Verluste erleiden. Beispiel 3.22: Donald und Gustav sind beide Anhänger des sog. passiven Investmentansatzes, also der Anlage in möglichst viele Wertpapiere eines bestimmten Marktsegmentes zugleich ohne den Versuch, durch geschickte Wahl der An- und Verkaufzeitpunkte oder der Auswahl ganz bestimmter Wertpapiere eine höhere Rendite als die Durchschnittsrendite des Marktes zu erzielen. Donald entscheidet sich für ein Dax-Zertifikat der freien Entenhausener Sparkasse, Gustav erwirbt über dieselbe Sparkasse zum gleichen Zeitpunkt Anteile an einem DaxFonds, der von der Entenhausener Anlage AG, einer Sparkassentochter, emittiert wird. Damit wird Donald also Gläubiger der Sparkasse, Gustav hingegen Miteigentümer an einem Aktienbestand, dessen Zusammensetzung gerade dem Dax entspricht.

3.6 Anlagezertifikate

255

Drei Jahre nach dem Investment hat sich der Dax verdoppelt und damit auch der Betrag des Anspruches, den Donald wie Gustav mit ihrem jeweiligen Investment erworben haben. Nur leider sind die Sparkasse sowie sämtliche ihrer Töchter in Insolvenz gefallen und es stellt sich heraus, dass die Vermögenswerte der Sparkasse nahezu wertlos sind. Gustav ficht das aber nicht an. Das Sondervermögen seines Fonds gehört nicht zur Insolvenzmasse und seinem Eigentümeranspruch steht daher auch tatsächlich ein entsprechender Vermögenswert gegenüber. Donald hingegen verfügt über einen Gläubigeranspruch, dessen betragliche Höhe dem von Gustav zwar exakt gleicht. Jedoch kann er nur einen kleinen Bruchteil davon durchsetzen, da das Vermögen seines Schuldners nicht ausreicht, sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen. Somit steht Donald letztlich doch mit einem Verlust da. Insofern kann man Anlagezertifikate finanzwirtschaftlich zwischen Anleihen und Investmentzertifikaten einordnen. Sie erlauben die diversifizierte Anlage in verschiedenen Anlagemärkten, was bekanntlich die Domäne der Anlageleistung mit Investmentzertifikaten ist, verbinden dies aber mit der Gewährung von Gläubigerrechten. Insoweit scheint der gängige Sprachgebrauch der Praxis, Anlagezertifikate als eigenständige „Asset-Klasse“ zu bezeichnen, also durchaus gerechtfertigt, auch wenn mit Anlagezertifikaten nichts anderes getan wird als bekannte finanzwirtschaftliche Merkmale miteinander zu mischen. Zu ihrem Erfolg könnten mehrere Aspekte beigetragen haben: •





Aus Emittentensicht die Einfachheit der Emission: Die Emission eines Anlagezertifikates bedarf zwar der Veröffentlichung eines Verkaufsprospektes, in dem alle wichtigen Angaben über die Zertifikate sowie ihre Risiken bekanntzumachen sind, ist aber gleichwohl schneller und einfacher zu bewerkstelligen als die Auflegung eines Investmentfonds, für den erheblich mehr gesetzliche und aufsichtsrechtliche Aspekte zu beachten sind (vgl. Abschnitt 3.4.2). Aus Anlegersicht die Gebühren: Die Investition in Anlagezertifikate ist häufig tatsächlich oder zumindest dem äußeren Anschein nach mit weniger Transaktionskosten belastet als die Anlage in Zertifikate eines Fonds, insbesondere bestehen häufig keine Kosten wie sie durch die Ausgabeaufschläge bei Investmentzertifikaten hervorgerufen werden (vgl. Abschnitt 3.4.2). Jedoch können auch Anlagezertifikate bei der Emission mit einem Agio versehen sein und auch die Berechnung laufender Gebühren ist – durch die Einbindung eines entsprechenden Abzuges bei der Rückzahlungsdefinition – möglich und bei Zertifikaten mit „aufwendigen“ Anlagekonzepten auch durchaus üblich. Zuweilen sind Anlagezertifikate steuerlich günstiger als entsprechende Fondslösungen. So ist die Anlage in einen DAX-Fonds mit der laufenden Steuerbelastung auf die jährlichen Dividenden der Fonds-Aktien verbunden, während sich dieser bei einem DaxZertifikat lediglich in einem Zuwachs des Zertifikatwertes niederschlägt, der zumindest zunächst für den Privatanleger einkommenssteuerlich unbeachtlich bleibt.

256

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

3.6.2

Formenüberblick

Angesichts der extremen Vielfalt der Anlagestrategien, die mit Anlagezertifikaten prinzipiell verfolgt werden, fällt es schwer, eine übersichtliche Ordnung zu finden. Ganz grob kann man aber die folgenden vier Systematisierungskriterien heranziehen: (1) Anlagemarkt/Herkunft der exogenen Bezugsgröße Nach dem Marktsegment, auf das sich die exogene Größe bezieht, die den Zahlungsanspruch des Zertifikates determiniert, muss man mittlerweile fast alles nennen, in das sich Geld investieren lässt: – Aktien – Renten – Währungen – Rohstoffe – Immobilien, Schiffe – Derivate – und – ironischerweise – Fondszertifikate – oder auch: Anlagezertifikate („Dachzertifikat“) Zudem muss sich ein Anlagezertifikat keineswegs auf ein Marktsegment beschränken, sondern kann auch einer beliebig konstruierten Mischung entspringen. Des Weiteren besteht ein wesentlicher Unterschied darin, ob ein Anlagezertifikat sich – auf einen gesamten Index eines Marktsegmentes bezieht (insb. Aktienindex), – auf einen „Korb“ durch den Emittenten ausgewählter Wertpapiere („Basketzertifikat“) oder auf nur – ein einziges oder zumindest nur einige ganz wenige Wertpapiere (wie bei den unten näher behandelten Discountzertifikaten) bezieht. (2) Laufzeit und Zahlungstermine





Begrenzt: Wenn ein Anlagezertifikat von vornherein über eine endliche Laufzeit verfügt, so beträgt diese in der Regel etwa ein bis fünf Jahre, wobei das Schwergewicht eher auf den kürzeren Fristen von ein oder zwei Jahren Dauer liegt. Ganz oft existiert nur ein einziger Zahlungstermin, der das Ende der Zertifikatlaufzeit markiert. Aus abwicklungstechnischen Gründen liegen zwischen dem „Ablesetag“ der Feststellung des zahlungsmaßgeblichen Wertes der exogenen Bedingungsgröße und dem festgelegten Zahlungszeitpunkt üblicherweise mehrere Tage. Bei den Anlagezertifikaten mit mehrjährigen Laufzeiten gibt es auch die Variante mehrerer, z.B. jährlicher Zahlungstermine. Unbegrenzt: Bei dieser, gerne als „open-end“ bezeichneten Variante gibt es keine Laufzeitbegrenzung. Dem Anleger steht gleichwohl regelmäßig zu bestimmten Terminen die Auflösung seines Zertifikatanspruches in einer Zahlung zu. Diese Termine können wiederum jährlich, aber auch in kürzeren Abständen gesetzt sein, im Extrem wird auch die prinzipiell tägliche Rückzahlbarkeit – verzögert wiederum durch eine abwicklungstechnische Wartezeit einiger Tage – gegeben. Zudem bedeutet „ohne Laufzeitbegrenzung“ nicht, dass diese Zertifikate notwendig eine Existenz „ad infinitum“ haben werden. Vielmehr behält sich der Emittent stets eine Kündigung vor und hält auf diese Weise eben das „Ende offen“. Die Kündigungsmöglichkeit setzt dabei typischerweise erst nach

3.6 Anlagezertifikate

257

einiger Zeit ein, ist in größeren Abständen von beispielsweise einmal jährlich gegeben und erfordert auch zumeist das Einhalten einer längeren Kündigungsfrist von z.B. 12 Monaten. (3) Funktionale Verknüpfung zwischen Zahlungsanspruch und exogener Größe Die Zahl der Möglichkeiten wird hierbei – ähnlich wie bei der Gestaltung der Rückzahlungsprofile von Optionsscheinen – durch das Variationspotenzial algebraischer Operationen bestimmt – und die sind bekanntlich unerschöpflich. Prominente Varianten sind: •

Proportional: Der Zahlungsanspruch gleicht dem Betrag des Zahlenwertes der exogenen Größe oder einem Bruchteil davon, z.B. 1/100 Dax. • Proportionale Bindung mit Ober- oder Untergrenze. Bei einer Untergrenze spricht man von „Garantiezertifikaten“, zu Beispielen für Obergrenzen gehören Discountzertifikate. • Die Festlegung von „Schwellenwerten“, bei deren Wirksamwerden ein anderes Zahlungsszenario gilt als wenn die Schwellen nicht verletzt werden. Zum Beispiel kann festgelegt sein, dass eine Zertifikatszahlung proportional der Entwicklung eines Aktienkorbes folgt, jedoch nicht, wenn eine der Korbaktien während der Zertifikatlaufzeit ein definiertes Kursniveau unterschreitet. Bei Verletzung der Schwelle könnte die ansonsten vorgesehene Zahlung beispielsweise halbiert werden, auf den Nennwert reduziert werden oder gar gänzlich ausfallen etc. • Quadratische Funktionen und andere exotische Varianten. Die quadratische Variante hat es tatsächlich schon gegeben, die Emittenten benannten sie als „Power-Zertifikate“. Das Gros der Zertifikateemissionen funktioniert aber nach einer der drei erstgenannten Möglichkeiten. Am häufigsten wird zur Zeit die zweitgenannte Methode verwendet. Die ebenfalls zigtausendfach verwandte dritte Variante gibt ein besonders beliebtes Betätigungsfeld zur Schöpfung „innovativer“ Zertifikatkreationen. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendein Emittent sich rühmt, ein Zertifikat mit einem bislang unentdeckten Rückzahlungsprofil aufgelegt zu haben, das ganz neue Anlagemöglichkeiten erschlösse. Das mag formal stimmen. Ob ein neues Rückzahlungsprofil für den Anleger fürwahr eine Bereicherung darstellt, ist zweifelhaft. Wir ersparen uns an dieser Stelle die Besprechung mannigfach kombinierter Zahlungsprofilvarianten und verweisen auf die Kritik im Abschnitt 7.2.1.3. (4) Investmentstil Mit der Konzeption eines Anlagezertifikates können unterschiedliche Investmentstile verfolgt werden, die sich nicht ganz überschneidungsfrei von der Verknüpfungsfunktion und untereinander scheiden lassen, aber doch grob in drei Varianten zu fassen sind:

• •



Passiv: Der Zahlungsanspruch folgt „stur“ der vereinbarten exogenen Größe, das heißt, man enthält sich jeglichen Eingriffes in die einmal festgelegte funktionale Verknüpfung zwischen Anspruch und exogener Größe. Beispiel: Aktienindexzertifikat. Semiaktiv: An der Verknüpfung werden gezielte Eingriffe vorgenommen. Diese können aber nicht nach Gutdünken geschehen, sondern folgen einem in den Zertifikatbedingungen festgelegten Schema. Beispiele: „Saisonzertifikate“, die zu bestimmten Kalenderzeiten ihren Investitionsgrad ändern; „Höchststandseinfrierungen“ oder Gewichtungsänderungen zugunsten von Marktsegmenten mit guter Rendite in den zurückliegenden Monaten etc. Aktiv: Der Emittent kann „freihändig“ laufende Anpassungen vornehmen, also wie ein Fondsmanager die Investitionsstrategie auf solche Märkte/Vermögensgegenstände kon-

258

3 Vermögensanlage in Wertpapieren zentrieren, die nach der Meinung seiner oder auch extern angeheuerter Experten („GuruZertifikat“) vielversprechend sind. Formal besteht die exogene Größe dann in einem emittentenseitig geschaffenen „Index“, dessen Zusammensetzung entsprechend häufig geändert wird. Der Zahlungsanspruch aus dem Zertifikat folgt dem auf diese Weise fortwährend angepassten, „gedanklichen“ Portfolio.

3.6.3

Emission und Handel

Die Emission von Anlagezertifikaten bezieht sich üblicherweise auf ein maximales Stückzahlvolumen, das der Emittent festlegt. Wenn dieses Volumen nicht erreicht werden sollte, so ist das – anders als bei Aktien oder traditionellen Anleihen, die tatsächlich der originären Unternehmensfinanzierung dienen – aber kein sonderliches Problem. Der Emittent verkauft dann einfach weniger Papiere und schließt auch entsprechend weniger Absicherungsgeschäfte zur Neutralisierung der durch die Emission entstehenden Zahlungsverpflichtungen ab. Die Absicherungsgeschäfte erledigt ein Emittent grundsätzlich zeitnah zum Absatz der Anlagezertifikate. Die Absicherung erfolgt dabei entweder für alle Zertifikate gemeinsam zum Ende der Zeichnungsfrist oder nach und nach während der Zeichnungsfrist, dies ist von den weiteren Modalitäten der Emission abhängig. Bei der Emission von Anlagezertifikaten können nämlich zwei Verfahren unterschieden werden, – die preisflexible Emission sowie die – Festpreisemission. Bei einer preisflexiblen Emission wird der Emissionspreis während der Zeichnungsfrist permanent angepasst. Dabei ist die einzige Bestimmungsgröße des Emissionspreises der Wert der exogenen Größe zum Zeitpunkt der Zeichnungsorder. Zwei Anleger, die zum selben Zeitpunkt dasselbe Anlagezertifikat zeichnen, zahlen daher denselben Emissionspreis – unabhängig von ihrer jeweiligen Ordergröße. Ein und derselbe Anleger zahlt bei zwei Zeichnungsvorgängen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgegeben werden, in der Regel verschieden hohe Emissionspreise. Wenn beispielsweise bei einem einfachen Dax-Zertifikat jedes Zertifikat den Anspruch auf eine Zahlung in Höhe von einem Hundertstel des Dax’ verbrieft, so werden sich während der Zeichnungsfrist von üblicherweise ein bis vier Wochen auch die Emissionspreise sehr eng am jeweils aktuellen Niveau des Dax orientieren. Beträgt der Dax-Stand am Anfang der Zeichnungsfrist z.B. 8.000 Indexpunkte, so liegt der Emissionspreis bei 80 Euro je Zertifikat. Fällt der Index bis zum Ende der Zeichnungsfrist auf 7.800 Punkte herab, so zahlen Anleger, die dann zeichnen, nur noch 78 Euro je Zertifikat. Bei der Festpreisemission besteht ebenfalls eine mehrwöchige Zeichnungsfrist, jedoch gilt hier für alle Anleger unabhängig vom Zeichnungszeitpunkt ein einheitlicher Emissionspreis. Daher stellten Wertänderungen des Zertifikates während der Zeichnungsphase ein Problem dar: Sänke der Wert des Zertifikates unter den Emissionspreis herab, so wollte kein Anleger sie mehr zeichnen; stiege der Wert darüber, so würde die Emission zwar schnell überzeichnet sein, jedoch wäre die Absicherung aufgrund der Unmöglichkeit der Preisanpassung für den Emittenten dann eventuell verlustträchtig, weil der Emissionserlös womöglich geringer wäre als die zur Begründung der Absicherungsgeschäfte erforderliche Menge an Zahlungsmitteln. Daher legt der Emittent beim Festpreisverfahren erst mit Ende der Zeichnungsphase die genaue Ausgestaltung der funktionalen Verknüpfung fest. Bei Indexzertifikaten wird das Verfahren nicht angewendet, weil man gerne eine „glatte“ Beziehung (wie 1:1 oder 1:100) zwischen Zertifikatswert und Indexstand wünscht. Aber bei den sog. Basket-Zertifikaten

3.6 Anlagezertifikate

259

wird es häufig genutzt. Hier hängt der Zahlungsanspruch von einer Menge an Wertpapieren, häufig einem „Aktienkorb“ ab, die der Emittent vor Beginn der Zeichnungsphase verbindlich festlegt. Erst wenn die Zeichnungsfrist beendet ist, wird festgestellt, wie viele Wertpapiere mit dem festgelegten Emissionspreis – sehr häufig wählt man 100 Euro pro Zertifikat – erworben werden können. Diese Stückzahlen werden dann in den endgültigen Bedingungen festgehalten.51 Somit ist sichergestellt, dass der Wert des Aktienkorbes zum Ende der Zeichnungsfrist tatsächlich dem Emissionspreis gleicht. Nach der Emissionsphase setzt der Sekundärmarkthandel ein – zumeist ein bis einige Tage nach Beendigung der Zeichnungsfrist. In der Regel findet eine Börseneinführung im Freiverkehr (vgl. Abschnitt 3.1.2.2) statt. Mit der Börseneinführung verbunden ist regelmäßig ein Market-Making (vgl. Abschnitt 3.1.2.1) durch den Emittenten. Anders ließe sich kaum eine ordentliche „Liquidität“ für Anlagezertifikate, also eine hinreichend schnelle Erwerbs- und Veräußerungsmöglichkeit, bewerkstelligen. Aufgrund der Vielzahl verschiedener Anlagezertifikate wäre nämlich zu befürchten, dass in einem „reinen“ Börsenhandel – also Anleger ohne Market-Maker unter sich – in vielen Anlagezertifikaten nur sporadisch Umsätze zustande kämen. Damit wäre die Zertifikatidee aber kaum lebensfähig. Um bei ihrer Anlegerklientel erst gar keine Furcht vor einer Illiquidität von Anlagezertifikaten aufkommen zu lassen, verpflichten sich die Emittenten regelmäßig zum Market-Making. Eine solche Verpflichtung sieht im Allgemeinen vor, – während welcher Zeiten (z.B. börsentäglich von 9 bis 20 Uhr), – mit welcher maximalen Spanne zwischen An- und Verkaufskurs (z.B. 0,60 Euro), – ab welcher Mindestgröße oder bis zu welcher Maximalgröße (z.B. mindestens 3.000 Euro bis maximal 50.000 Euro) ein verbindlicher An- und Verkaufskurs für das Anlagezertifikat gestellt wird. Die Spanne zwischen An- und Verkaufskurs stellt für den Emittenten eine wesentliche, oft mit Abstand die bedeutendste Ertragsquelle im Geschäft mit Anlagezertifikaten dar. Häufig wird der Handel in Anlagezertifikaten auch außerbörslich durchgeführt. Dabei schließt der Kunde mit seiner Depotbank ein Festpreisgeschäft über das Zertifikat ab. Er weiß dabei vor dem Abschluss, zu welchem Preis das Geschäft durchgeführt wird und kann im Lichte dieses Preisangebotes (binnen einiger Sekunden) entscheiden, ob er das Zertifikat zu diesen Konditionen tatsächlich kaufen bzw. verkaufen möchte.

3.6.4

Discountzertifikate und Aktienanleihen

3.6.4.1 Das Grundkonzept Eine Sonderstellung innerhalb der Gesamtheit der Anlagezertifikate nehmen zwei einander recht ähnliche Wertpapiertypen ein, für die sich die zunächst nicht sehr aussagekräftigen Bezeichnungen „Discountzertifikate“ und „Aktienanleihen“ eingebürgert haben. Dabei handelt es sich zunächst einmal um – einen einfachen Zero-Bond (beim Discountzertifikat) bzw. – eine einfache Coupon-Anleihe (bei der Aktienanleihe), 51

Tatsächlich könnte man auf diese explizite Berechnung gar verzichten, indem man pro Wertpapier lediglich einen bestimmten Prozentbruchteil festlegte.

260

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

deren Besonderheit jedoch in folgender, von dem Normalfall abweichender Tilgungsregelung liegt: Nach Wahl des Emittenten, und eben nicht des Inhabers des Zertifikats, erfolgt die Tilgung – entweder durch Zahlung eines fest vorgegebenen Geldbetrages, der bei dieser Konstruktion häufig als Cap bezeichnet wird, – oder aber durch Lieferung einer zuvor festgelegten Anzahl einer bestimmten Aktie bzw. durch die Auszahlung des aktuellen Kurswertes dieses Aktienbündels bei Fälligkeit der Anleihe. Dabei liegt der Ausgabepreis bei dem Discountzertifikat typischerweise um einen bestimmten Betrag, eben den „Discount“, unterhalb des aktuellen Börsenwertes der entsprechenden Aktienzahl. Funktional läuft diese Konstruktion auf die Zusammenführung einer ganz „normalen“ Anleihe in Coupon- oder Zero-Bond-Form mit der Stillhalterposition einer Verkaufsoption hinaus. Mit der Kombination aus Anleihe und Option weisen Discountzertifikate und Aktienanleihen durchaus Ähnlichkeiten zu der klassischen Optionsanleihe auf, wie wir sie schon im Abschnitt 3.3.2.4 kennengelernt haben. Allerdings besteht ein ganz gravierender Unterschied darin, dass – bei der klassischen Optionsanleihe die „einfache“ Anleihe um ein Optionsrecht zugunsten des Anlegers ergänzt wird, während – bei Discountzertifikat oder Aktienanleihe der einfachen Anleihe eine Stillhalterverpflichtung „beigepackt“ wird. Dementsprechend können klassische Optionsanleihen im Vergleich zu „einfachen“ Anleihen zu höheren Kursen emittiert oder mit niedrigeren Zinsen oder Rückzahlungsbeträgen ausgestattet werden, während es sich bei Discountzertifikaten und Aktienanleihen gerade umgekehrt verhält. Folgendes Beispiel verdeutlicht das aufgezeigte Prinzip am Beispiel eines Discountzertifikats. Beispiel 3.23: Die von der DISCOUNT-AG emittierten (einfachen) Zero-Bonds, die in genau zwei Jahren zu einer Rückzahlung von 105 Euro/Stück führen, notieren, der Bonitätsklasse der AG entsprechend, aktuell gerade zu 100 Euro/Stück, was einer impliziten Rendite von 2,47 % p.a. entspricht. In dieser Situation bietet die DISCOUNT-AG dem Publikum ein Discountzertifikat mit folgenden Konditionen an: • Ausgabepreis: 100 Euro pro Zertifikat • Laufzeit: 2 Jahre • Rückzahlung in 2 Jahren: Nach Wahl des Emittenten pro Zertifikat – entweder eine feste Zahlung („Cap“) von 120 Euro – oder eine Zahlung in Höhe des dann aktuellen Gegenwerts einer Aktie der ALPHA-AG, die aktuell bei 110 Euro/Aktie notiert.

Die Situation des Inhabers eines solchen Zertifikats kann gedanklich in die folgenden beiden Komponenten zerlegt werden:

3.6 Anlagezertifikate

261

(1) Zum einen hält er einen ganz „normalen“ Zero-Bond mit einem Rückzahlungsanspruch von 120 Euro, was bei einem Ausgabekurs von 100 Euro einer Rendite von knapp 9,55 % p.a. entspricht. (2) Zum anderen ist er Stillhalter einer zum Zahlungsausgleich vorgesehenen Verkaufsoption auf eine ALPHA-Aktie mit einem Basispreis von 120 Euro/Aktie. Isoliert betrachtet lassen sich diese beiden Positionen durch folgende Zahlungsprofile verdeutlichen.

Aus der Zusammenfügung dieser beiden Kurvenzüge (mittels Vertikaladdition) erhält man dann als Resultante folgendes Zahlungsprofil für das Discountzertifikat als Ganzes. 52

Abb. 3.22: Rückzahlungsprofil eines Discountzertifikates

Die auf den ersten Blick möglicherweise verlockende Zero-Bond-Rendite von 9,55 % realisiert sich also nur dann, wenn der Kurs der ALPHA-Aktie in 2 Jahren mindestens 120 Euro beträgt. Bei niedrigeren Kursen muss der Anleger mehr oder weniger große Abschläge von seinem Maximalanspruch hinnehmen. Dabei kann er im Extremfall, nämlich bei gänzlicher Wertlosigkeit der ALPHA-Aktie, völlig leer ausgehen. Auf die entsprechenden

52

Dieses Profil kann selbstverständlich auch direkt aus den Emissionsbedingungen abgeleitet werden.

262

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Risiken und Chancen werden wir im Abschnitt 3.6.4.2 noch einmal etwas ausführlicher zurückkommen. Ähnlich, aber doch nicht genau gleich, liegen die Verhältnisse bei der Aktienanleihe. Im Unterschied zum Discountzertifikat bestehen hier die jährlichen Couponzahlungen ja ganz unabhängig von der Kursentwicklung der fraglichen Aktie, so dass der Anleger – die Zahlungsfähigkeit des Emittenten einmal als gegeben unterstellt – auch im schlechtesten Fall mit einem gewissen, zeitlich gestaffelten Rückzahlungsbetrag rechnen kann. Wir wollen dazu noch einmal auf das zuletzt betrachtete Beispiel zurückgreifen. Beispiel 3.23 (Fortsetzung): Ein kleiner Planungsstab der DISCOUNT-AG diskutiert die Möglichkeit, statt des Discountzertifikats eine ebenfalls auf die ALPHA-Aktie bezogene Aktienanleihe mit gleicher Laufzeit und „annähernd gleicher Attraktivität für die Anleger“ zu emittieren. Auf den ersten Blick erscheint die Lösung sehr einfach: • Die Anleihe wird wie das Discountzertifikat zu 100 Euro/Anleihe emittiert. • An die Stelle des Rückzahlungsagios von 20 Euro treten zwei am Ende des ersten und zweiten Jahres fällige Coupons von jeweils 9,55 Euro/Anleihe. • Die Rückzahlung nach zwei Jahren erfolgt zu „pari“ (also durch Zahlung von 100 Euro) oder durch Zahlung des dann gegebenen Gegenwertes einer ALPHA-Aktie.

Übungsaufgabe 3.24: Betrachten Sie die gerade vorgestellte Aktienanleihe! a) Skizzieren Sie das dafür maßgebliche Rückzahlungsprofil. Unterstellen Sie dabei vereinfachend, dass die beiden Couponzahlungen über jeweils 9,55 Euro gerade einer Zahlung von 20 Euro zum Ende des zweiten Jahres entsprechen! b) Vergleichen Sie das so erstellte Profil mit dem Zahlungsprofil des Discountzertifikats gem. Abb. 3.22 und kommentieren Sie Ihren Befund im Hinblick auf die Zielvorgaben des Planungsstabes!

Aus der Lösung der Übungsaufgabe wird erkennbar, dass die Aktienanleihe in der zunächst ins Auge gefassten Ausstattung aus Anlegersicht dem Discountzertifikat eindeutig überlegen wäre: Sie führt bereits ab Aktienkursen von 100 Euro/Aktie (und nicht erst ab 120 Euro/Aktie) zu dem Maximalergebnis von 120 Euro und bringt bei allen Kursen unterhalb von 100 Euro/Aktie einen wertmäßig um 20 Euro höheren Rückfluss als das Discountzertifikat. Wenn man einmal unterstellt, dass die Ausstattung des Discountzertifikats gerade „marktgerecht“ sei, also das geplante Emissionsvolumen zu den vorgesehenen Konditionen problemlos platziert werden könnte, so würde die DISCOUNT-AG die Aktienanleihe wesentlich „zu günstig“ anbieten; die Anleihe würde der AG von den Anlegern „aus den Fingern gerissen“. Es gibt selbstverständlich mehrere Wege, die zur Emission geplante Aktienanleihe auf ein mit dem Discountzertifikat vergleichbares Risiko-Chancen-Niveau zu bringen. Die am nächsten liegende Lösung bestünde in einer Reduzierung des laufenden Coupons. Eine zu-

3.6 Anlagezertifikate

263

sätzliche „Feinjustierung“ könnte durch die Variation von Ausgabe- und Rückzahlungskurs erfolgen. In welchem Ausmaß die eine oder die andere Maßnahme erforderlich wäre, hinge in erster Linie von dem Urteil „des Marktes“ darüber ab, in welchem Ausmaß und mit welchen Wahrscheinlichkeiten davon auszugehen ist, dass der Kurs der ALPHA-Aktie in zwei Jahren unterhalb von 120 Euro bzw. 100 Euro liegt. Im Abschnitt 3.5 hatten wir schon gesehen, dass in Optionsscheinen durchgängig nur Optionsrechte, nicht jedoch Stillhalterpositionen verbrieft werden, da sich die Emittenten ansonsten der für sie kaum kontrollierbaren Gefahr ausgesetzt sehen würden, dass die Inhaber dieser Stillhalterpositionen im Fälligkeitszeitpunkt ihren Verpflichtungen nicht nachkommen wollen oder können. Auch in den zuletzt betrachteten Beispielsituationen ist der Emittent im Hinblick auf die Option zunächst ebenfalls diesem Erfüllungsrisiko ausgesetzt. Die Kombination der „reinen“ Stillhalterposition mit der „einfachen“ Anleihe ermöglicht es dem Emittenten nun aber, – den eigenen Anspruch gegenüber dem Stillhalter und – die eigene Zahlungsverpflichtung aus der Anleihe miteinander zu verrechnen. Im Beispiel des Discountzertifikats beträgt die Zahlungsverpflichtung des Emittenten aus dem „reinen“ Zero-Bond 120 Euro. Der umgekehrt gegen den Stillhalter bestehende Anspruch ist demgegenüber bei jedem positiven Aktienkurs kleiner als 120 Euro und kann diesen Wert nur für den Extremfall erreichen, dass die ALPHA-Aktie im Fälligkeitszeitpunkt völlig wertlos geworden ist. Wie auch immer sich die Dinge entwickeln werden, kann es also niemals dazu kommen, dass per Saldo noch ein Zahlungsanspruch des Emittenten besteht, um dessen Erfüllung er besorgt sein müsste. Analoges gilt selbstverständlich auch für eine entsprechende Aktienanleihe. Nach diesem Prinzip ist es also stets möglich, Stillhalterpositionen aus Verkaufsoptionen mit traditionellen Anleihen zu einem Mix zu kombinieren, bei dem die maximale Belastung auf den Betrag des Basispreises – oder wie auch immer diese Größe in anderen Zusammenhängen genannt werden mag – beschränkt ist, so wie wir das schon in Abschnitt 3.5.1 in Abbildung 3.15 gesehen haben. Bei derartigen Konstruktionen muss der Emittent also nur darauf achten, dass der „Cap“ nicht kleiner ist als der Basispreis der (impliziten) Verkaufsoption, was bei der üblichen Form von Discountzertifikaten und Aktienanleihen „automatisch“ der Fall ist. Abbildung 3.15 zeigt allerdings auch, dass die Stillhalterposition aus einer Kaufoption zu theoretisch unbegrenzten Belastungen führen kann, bei einem noch so hoch angesetzten „Cap“ also immer noch die Möglichkeit besteht, dass die aus der Stillhalterposition resultierende Verpflichtung noch höher ausfällt. Unter diesem Aspekt ist es verständlich, dass Discountzertifikate und Aktienanleihen zunächst nur in der hier vorgestellten Form als Kombination einer „normalen“ Anleihe mit einer Stillhalterposition aus einer Verkaufsoption entwickelt worden sind. Wie wir im Abschnitt 3.5.2 schon gesehen haben, ist es allerdings ohne weiteres möglich, die Rückzahlungsansprüche des Optionsinhabers und damit zugleich auch die entsprechenden Verpflichtungen des Stillhalters an Obergrenzen zu binden. In dieser Variante ist es dann auch ohne weiteres möglich, Zertifikate zu kreieren, die eine Kombination einer einfachen Anleihe mit (betragsmäßig begrenzten) Stillhalterpositionen aus Kaufoptionen oder auch Straddlekonstellationen verknüpfen. Es muss eben nur sichergestellt werden, dass der “Cap“ nicht kleiner ist als dieser Maximalbetrag.

264

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Die folgende Übungsaufgabe gibt Ihnen Gelegenheit, die gerade skizzierte Idee selbst noch etwas zu vertiefen. In den weiteren Ausführungen werden wir uns allerdings wieder auf die in der Praxis (zumindest derzeit noch) ganz überwiegend anzutreffende Kombination „normaler Anleihen“ mit der Stillhalterposition aus einer Verkaufsoption beschränken. Übungsaufgabe 3.25: Gehen Sie von den Ausgangsdaten aus Beispiel 3.23 aus! Parallel zu dem dort betrachteten Discountzertifikat will die DISCOUNT-AG noch ein weiteres Zertifikat zum Emissionspreis von 100 Euro emittieren, in dem (1) der in zwei Jahren zu 120 Euro rückzahlbare Zerobond mit (2) einer auf eine Maximalbelastung von 120 Euro beschränkten Stillhalterposition einer durch Zahlungsausgleich erfüllbaren Kaufoption auf eine ALPHA-Aktie mit einem Basispreis von ebenfalls 120 Euro kombiniert wird. a) Betrachten Sie zunächst nur die Stillhalterposition gem. (2) und zeigen Sie das Belastungsprofil des Stillhalters in Abhängigkeit vom Kurs der ALPHA-Aktie im Fälligkeitszeitpunkt. Formulieren Sie außerdem möglichst präzise die „Regel“ für den von dem Stillhalter zu zahlenden Betrag! b) Skizzieren Sie anschließend das für den Inhaber des aus (1) und (2) kombinierten Zertifikats insgesamt resultierende Rückzahlungsprofil. Formulieren Sie außerdem wieder die für das Zertifikat insgesamt maßgebliche Rückzahlungsregel! 3.6.4.2 Beurteilungskriterien Wenn ein Anleger vor der Frage steht, ob er sich für ein Discountzertifikat oder eine Aktienanleihe entscheiden soll, ist „guter Rat“ nicht so einfach zu erhalten. Die inzwischen zunehmend im Internet abrufbaren gängigen Argumentationsmuster sowohl der Emittenten selbst und der beratenden Kreditinstitute als auch vermeintlicher „Experten“ der unterschiedlichsten Finanzportale kranken häufig daran, dass – sich die Argumentation oftmals auf einzelne, zumeist für den Anleger tendenziell positive Kenngrößen mit der Suggestion konzentriert, damit ein für das gesamte Spektrum möglicher Ergebnisse repräsentatives Bild zu vermitteln, – die jeweils maßgeblichen Vergleichsalternativen nicht klar formuliert und im Zuge der Argumentation unmerklich gewechselt werden, sowie – Aussagen über die Wertentwicklung des Papiers während der Laufzeit und die Zahlungsansprüche bei Fälligkeit oftmals munter miteinander vermengt werden. Wir wollen uns hier in erster Linie auf die beiden erstgenannten Aspekte beschränken und dabei wieder das schon aus Beispiel 3.23 bekannte Discountzertifikat betrachten. Sie sollten dabei immer das Rückzahlungsprofil aus Abbildung 3.22 vor Augen haben.53 Häufig werden die aus einem solchen Zertifikat resultierenden Rückzahlungsansprüche auf die folgenden drei Kennzahlen reduziert: 53

Bei dem Umgang mit diesen – bei verständiger Interpretation durchaus nützlichen – Profilen ist allerdings eine gewisse Vorsicht geboten: Auf der Abszisse werden in einfachem linearen Maßstab alle nur möglichen Werte des für die Höhe des Rückzahlungsbetrages maßgeblichen Aktienkurses abgetragen. Das könnte die Vorstellung suggerieren, dass all diese Werte auch mit der gleichen Wahrscheinlichkeit eintreten können, was natürlich in aller Regel gar nicht der Fall ist.

3.6 Anlagezertifikate

265

(1) Maximalrendite Diese Kennzahl gibt die – etwa nach der AIBD-Formel ermittelte – auf den Emissionskurs oder den Kaufpreis des Zertifikats ermittelte Rendite für den Fall an, dass der Aktienkurs bei Fälligkeit des Zertifikats so hoch ist, dass der vereinbarte „Cap“ zur Auszahlung kommt. In unserem Beispiel wären das 120 Euro, was – wie schon bekannt – auf einen Einsatz von 100 Euro und eine Laufzeit von 2 Jahren bezogen, einer Rendite von

rm =

2

120 /100 − 1 = 0,09545 ,

also von rd. 9,55% p.a. entspricht. Die Autoren haben es erlebt, dass diese Kenngröße in der Praxis der Anlageberatung verkürzend als die „normale“ Rendite oder auch einfach nur als die Rendite dargestellt wird. De facto repräsentiert diese Kennzahl jedoch nur den rechten, waagerechten, für den Anleger günstigen Teil des Rückflussprofils, während das durch den linken Teil verdeutlichte Spektrum weniger günstiger Ergebnismöglichkeiten ausgeblendet wird. (2) Seitwärtsrendite Die – terminologisch der Chart-Analyse54 entlehnte – „Seitwärtsrendite“ gibt die Rendite an, die der Anleger realisieren würde, wenn der Aktienkurs im Fälligkeitszeitpunkt gerade mit dem bei der Ausgabe oder dem späteren Erwerb des Zertifikats herrschenden Aktienkurs übereinstimmen würde. In unserem Beispiel erhielte man hier den Wert

rs =

2

110 − 100 − 1 = 0,04881,

also eine Rendite von rd. 4,88%, was immer noch spürbar über der bei einem „einfachen“ Zero-Bond erzielbaren Verzinsung liegt, die sich in unserem Beispielsfall ja auf nur 2,47% beläuft. Auch die Suggestion dieser Kennzahl wird schnell klar: Während sich beim direkten Erwerb einer Aktie in diesem Fall gerade ein Ergebnis von ± 0% erzielen ließe, führte das Zertifikat immer noch zu einer deutlichen „Überrendite“. Diese Botschaft ist formal sicherlich richtig; sie reduziert die Betrachtung jedoch wieder auf einen einzigen Punkt innerhalb des Spektrums unendlich vieler Entwicklungsmöglichkeiten.

54

Die Chart-Analyse stellt den – wissenschaftlich äußerst umstrittenen – Versuch dar, aus der Art der in der Vergangenheit beobachteten Kursentwicklung eines Wertpapiers die künftige Kursentwicklung vorherzusagen. Dazu bedient man sich sog. Charts, d.h. Koordinatensystemen, in denen auf der Abszisse die Zeit und auf der Ordinaten die Kurswerte abgetragen werden. Die sich im Zeitablauf vollziehende Kursentwicklung wird dann nach Art von Fieberkurven durch Punkte und sie verbindenden Geraden dargestellt. Betrachtet man den Verlauf der so entstehenden Linienzüge dem Zeitablauf entsprechend von links nach rechts, so werden drei elementare „Bilder“ unterschieden: Verläuft der Kurvenzug ungeachtet kleinerer „Zacken“ insgesamt deutlich steigend (fallend), so zeigt das einen Aufwärtstrend (Abwärtstrend). Verbleibt der Linienzug hingegen – wiederum ungeachtet einzelner Zacken – im Wesentlichen auf dem gleichen Niveau, so spricht man – sprachlich nicht sonderlich treffend – von einem „Seitwärtstrend“.

266

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

(3) Discount Diese Kennzahl gibt an, um wieviel Prozent der Emissionskurs oder der Erwerbspreis des Zertifikats niedriger ist als der in diesem Zeitpunkt herrschende Aktienkurs. In unserem Beispiel mit einem aktuellen Kurs der ALPHA-Aktie von 110 Euro und einem Emissionskurs des Zertifikates von 100 Euro beträgt diese Kennzahl

D =

110 − 100 = 0, 09091, 110

also rd. 9,09%. Der so als Prozentsatz ausgedrückte „Discount“ verdeutlicht, in welchem Ausmaß der Aktienkurs zum Fälligkeitszeitpunkt zurückgehen dürfte, ohne dass der Anleger – gemessen an seinem Einstiegspreis – einen Verlust erleidet. Wiederum wird nur ein einziger Punkt des Ergebnisspektrums mit dem Heilsversprechen verdeutlicht: Selbst wenn der Aktionär schon einen Verlust von 9,09% erleiden sollte, bleibt der Zertifikatsinhaber immer noch von Verlusten verschont. Alle drei Kennzahlen beleuchten ausgewählte Aspekte eines Discountzertifikats. Sie reichen jedoch sicherlich nicht aus, dem Anleger das gesamte Spektrum von Risiken und Chancen vor Augen zu führen, das in eine „vernünftige“ Anlageentscheidung einfließen sollte. Dazu sind Darstellungen nach Art der aus Abbildung 3.22 schon bekannten Rückzahlungsprofile wesentlich besser geeignet, insbesondere dann, wenn sie zugleich zum Vergleich mit anderen Anlagealternativen genutzt werden können. Wir wollen das an Hand einer weiteren Fortsetzung unseres Beispiels 3.23 verdeutlichen. Beispiel 3.23 (2. Fortsetzung): In unserem Beispiel gibt es zwei besonders naheliegende Alternativen zum Erwerb des Discountzertifikats, nämlich den Kauf – des „einfachen“ Zero-Bonds mit einem Einstiegspreis von 100 Euro und einem Rückzahlungsbetrag von 105 Euro oder – einer ALPHA-Aktie mit einem aktuellen Kurs von 110 Euro, die nach zwei Jahren zu dem dann herrschenden Kurs (C) veräußert wird.

(1)

Wir wollen uns zunächst der zuerst genannten Vergleichssituation zuwenden, das Discountzertifikat also dem „einfachen“ Zero-Bond gegenüberstellen. Die folgende Abbildung verdeutlicht die bei der (gleichzeitigen) Fälligkeit des Zertifikats und des Zero-Bonds erzielbaren Rückflüsse in Abhängigkeit von dem dann herrschenden Kurs der ALPHA-Aktie. Da deren Kurs für die Rückzahlung aus dem ZeroBond ohne Bedeutung ist, stellt dessen Profil einfach eine waagerechte Linie mit dem Ordinatenwert von 105 dar.

3.6 Anlagezertifikate

267

Abb. 3.23: Rückzahlungsprofile von Zero-Bond und Discountzertifikat

Das Profil des Zertifikats hat das schon aus Abb. 3.22 bekannte Aussehen. Die Punkte S und M auf diesem Profil verdeutlichen zunächst noch einmal die für die „Seitwärtsrendite“ (S) und die „Maximalrendite“ (M) maßgeblichen Konstellationen. Vergleicht man nun ungeachtet dieser beiden singulären Kennzahlen ZeroBond und Zertifikat an Hand der beiden Linienzüge, so wird Folgendes deutlich: • Wenn der Kurs der ALPHA-Aktie im Fälligkeitszeitpunkt kleiner als 105 Euro ist, führt das Zertifikat zu einem schlechteren Ergebnis als der Zero-Bond, wobei dieser Nachteil im Verhältnis 1:1 umso größer wird, je geringer C ist. Im Extremfall kann es dabei bei dem Zertifikat zum Totalverlust kommen, während bei dem Zero-Bond (Zahlungsfähigkeit der DISCOUNT-AG unterstellt) auf jeden Fall eine Rückzahlung von 105 Euro garantiert ist.55 • Liegt C hingegen oberhalb von 105 Euro, so bringt das Zertifikat das bessere Ergebnis, das allerdings ungeachtet einer noch so großen Steigerung des Aktienkurses auf einen Vorteil von 15 Euro beschränkt bleibt. Auf die Frage, ob der zuletzt skizzierte Vorteil des Zertifikats den zuvor umrissenen Nachteil überwiegt oder nicht, gibt es keine objektiv richtige Antwort. Es kommt zum einen auf die subjektive Risikoeinstellung des Investors an, zum anderen auf seine Vorstellung davon, mit welchen Wahrscheinlichkeiten der Kurs der ALPHAAktie den einen oder den anderen Wert annehmen kann. Aus Abb. 3.23 erkennt man auch sofort, dass die beiden Standardkennzahlen Maximal- und Seitwärtsrendite alleine zu einem recht verzerrten Vergleich führen wür55

Auch der inzwischen in jeder Produktdarstellung und Anlageberatung standardmäßig einzubringende Hinweis darauf, dass das betrachtete Wertpapier im Extremfall gänzlich wertlos werden und der Anleger seinen gesamten Mitteleinsatz verlieren kann, ist in der hier betrachteten Situation wenig hilfreich, eher sogar irreführend. Dieser Hinweis hat nämlich bei beiden Anlagemöglichkeiten zu erfolgen, was den Eindruck erwecken könnte, dass das Gefahrenmoment des Totalverlustes bei beiden Alternativen gleich ausgeprägt sei. Das stimmt auch im Hinblick auf den Betrag des Maximalverlustes, nicht jedoch für dessen Eintrittswahrscheinlichkeit. Der einfache Zero-Bond wird nämlich nur dann wertlos, wenn die DISCOUNT-AG in einer solchen Weise insolvent wird, dass die Rückzahlungsverpflichtungen aus den emittierten Zero-Bonds auch nicht mehr anteilig erfüllt werden können. Das gilt in gleicher Weise auch für die von der DISCOUNT-AG ausgegebenen Discountzertifikate. Bei diesen kommt jedoch als zweites Gefahrenmoment die Möglichkeit hinzu, dass die ALPHA-Aktien wertlos werden können, selbst wenn die DISCOUNT-AG „gesund und munter“ ist.

268

3 Vermögensanlage in Wertpapieren den. Beide Kennzahlen beleuchten nämlich zwei Konstellationen, in denen das Zertifikat im Vergleich zu dem einfachen Zero-Bond zu den besseren Ergebniswerten führt. Das für eine sachgerechte Gesamtbeurteilung allerdings genau so relevante „linke Spektrum“ wird hingegen völlig ausgeblendet – Zufall, Nachlässigkeit oder Vorsatz?

(2.1) Wird als zweite Möglichkeit der Kauf des Zertifikats mit dem direkten Erwerb einer ALPHA-Aktie verglichen, sind im Vorfeld die beiden folgenden Probleme zu beachten: • Um eine Aktie zu erwerben, sind in unserem Beispiel 110 Euro erforderlich; das Discountzertifikat kann demgegenüber schon für 100 Euro erworben werden. Um diesen Unterschied zu berücksichtigen, stellen wir im Folgenden dem Erwerb einer Aktie den Kauf von 1,1 Zertifikaten gegenüber.56 • Beim Erwerb einer Aktie kann es zwischenzeitlich möglicherweise zu Dividendenzahlungen kommen. Hier wären zum einen Schätzungen über deren Höhe erforderlich, zum anderen Annahmen darüber, wie sich etwaige Dividenden in der Zahlungsgröße am Ende des zweiten Jahres niederschlagen. Der Einfachheit halber wollen wir hier unterstellen, dass es bei der ALPHA-Aktie zu keinerlei Dividendenzahlungen kommt. Unter diesen Annahmen stellen sich die Profile der beiden Alternativen (1,1 Zertifikate oder 1 Aktie) wie folgt dar.

Abb. 3.24: Rückzahlungsprofile von Aktie und Discountzertifikat

Nimmt man den ursprünglichen Aktienkurs von 110 Euro als Ausgangspunkt, so erkennt man aus dem Vergleich dieser beiden Profile insbesondere Folgendes: • Solange der Aktienkurs im Fälligkeitszeitpunkt unter dem Ausgangswert von 110 Euro liegt, führt das Zertifikat – außer im Fall des Totalverlustes bei C = 0 – 56

Im „wirklichen Leben“ können Wertpapiere in aller Regel nur in ganzzahligen Einheiten erworben werden, so dass der hier angestellte Vergleich (1 Aktie versus 1,1 Zertifikate) auf den ersten Blick etwas realitätsfern wirken mag. Bei Anlagebeträgen in praxisrelevanter Größenordnung von einigen tausend oder zehntausend Euro oder noch deutlich höheren Beträgen verliert das Ganzzahligkeitsproblem allerdings weitgehend an Bedeutung.

3.6 Anlagezertifikate

269

stets zu einem besseren Ergebnis als die Aktie. Allerdings beläuft sich dieser Vorteil lediglich auf 10% des Aktienkurses. D.h. bei fallendem Aktienkurs geht auch das Zertifikat „mit in den Keller“, wobei dem 10%-Vorteil absolut gesehen immer weniger Gewicht zukommt. Im Hinblick auf fallende Kurse ist der Inhaber des Zertifikats der Tendenz nach also durchaus den gleichen Risiken wie ein Aktienbesitzer ausgesetzt. • An den Chancen steigender Kurse partizipiert der Zertifikatsinhaber demgegenüber nur eingeschränkt: – An Kurssteigerungen bis 120 Euro nimmt auch die Rückzahlung an den Zertifikatsinhaber proportional zu. – Auf weitere Kurssteigerungen reagiert die Zertifikats-Rückzahlung demgegenüber nicht mehr, führt aber immerhin bis zu einem Kurs von 132 Euro immer noch zu einem besseren Ergebnis als die Aktienanlage. – Bei Kurssteigerungen über 132 Euro hinaus schließlich würde sich die Aktienanlage in immer größerem Ausmaß als vorteilhaft erweisen. Wiederum gibt es keine objektiv richtige Antwort auf die Frage, ob die bei dem Zertifikat im Falle sinkender Kurse realisierbaren Vorteile die bei steigenden Kursen hinnehmbaren Nachteile überwiegen. Wiederum verhält es sich allerdings so, dass die beiden gängigen Renditekennzahlen (vgl. Punkt S und M in Abb. 3.24) das gesamte Ergebnisspektrum nur sehr unvollständig und zu Gunsten des Zertifikats verzerrt abbilden. Betrachtet man schließlich die beiden Vergleichssituationen (1) und (2.1) gemeinsam, so stellt man Folgendes fest: • Bei Aktienkursen unterhalb von 105 Euro würde sich der „einfache“ Zero-Bond im Nachhinein als die beste der drei Anlagemöglichkeiten erweisen. • Umgekehrt würde sich die direkte Aktienanalage bei Kursen oberhalb von 132 Euro als optimal herausstellen. • Das Discountzertifikat schließlich würde im Bereich von Kursen zwischen 105 und 132 Euro die beste Alternative darstellen. (2.2) Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt man auch, wenn man die bislang betrachtete Vergleichssituation (2.1) dahingehend modifiziert, dass dem Erwerb von einer ALPHA-Aktie zum Preis von 110 Euro die Möglichkeit gegenübergestellt wird, – ein Discountzertifikat zum Preis von 100 Euro zu erwerben und – zusätzlich 10 Euro als (hier vereinfachend angenommen: zinslose) Barreserve zu halten. Die beiden Rückzahlungsprofile haben dann folgendes Aussehen:

270

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Abb. 3.25: Rückzahlungsprofile von Aktie sowie Discountzertifikat und Reserve

Ein Vergleich der Abbildungen 3.24 und 3.25 zeigt, dass diese Variation der Vergleichssituation nur zu „kleineren“ Modifikationen führt, an der „Gesamttendenz“ aber wenig ändert: Der „Puffer“ bei deutlichen Kurssenkungen wird jetzt etwas höher; er beläuft sich konstant auf 10 Euro und wird nicht umso kleiner, je größer der Kursverlust ist. Aus unserem Beispiel kann verallgemeinernd gefolgert werden, dass Discountzertifikate ihre Attraktivität typischerweise nur für den Fall – annähernd gleich bleibender, – allenfalls leicht fallender oder – nur moderat steigender Kurse entfalten. Es verwundert im Übrigen nicht, dass die beiden gängigen Renditekennzahlen genau in diesem Bereich möglicher Ergebnisse angesiedelt sind. Mit der folgenden Übungsaufgabe wollen wir Ihnen zum Abschluss unseres Ausflugs in die Welt der Anlagezertifikate die Gelegenheit geben, sich die Vielschichtigkeit denkbarer Vergleichssituationen und daraus (oftmals nur implizit) abgeleiteter Beurteilungskriterien noch einmal vor Augen zu führen. Übungsaufgabe 3.26: Gehen Sie von den Daten des Beispiels 3.23 aus und betrachten Sie wieder einen Anleger, der 110 Euro für zwei Jahre anlegen will! Vergleichen Sie nun aber – entsprechende Stückelungsmöglichkeiten unterstellt– die beiden Anlagealternativen (1) 1,1 Discountzertifikate zu erwerben oder (2) jeweils 55 Euro in – eine halbe ALPHA-Aktie sowie – in 55% eines „einfachen“ Zerobonds mit einer Rückzahlung von 55 ⋅ 1,05 = 57,75 Euro zu investieren!

3.7 „Private Equity“ als Vermögensanlage

3.7

271

„Private Equity“ als Vermögensanlage

In Abschnitt 2.5 haben wir Leistungen jener Finanzintermediäre beschrieben, deren Geschäftsfeld in der Bereitstellung von Eigenfinanzierungsmitteln besteht. Häufig entstehen aus diesen Leistungen wiederum Anlagemöglichkeiten und zwar dadurch, dass die Kapitalbeteiligungsgesellschaften ihrerseits zur Finanzierung ihrer Eigenfinanzierungsleistungen selbst wiederum Finanzierungstitel begeben bzw. bei der Kreation entsprechender Anlagevehikel mitwirken. Im Wesentlichen sind hier zu nennen: • •

Aktien börsennotierter Kapitalbeteiligungsgesellschaften („Private-Equity-Aktien“). Nicht börsengängige, von den Kapitalbeteiligungsgesellschaften aufgelegte geschlossene Fonds. • Von Dritten initiierte Dachfonds, die ihrerseits in einen oder mehrere der vorgenannten geschlossenen Fonds investieren („Private-Equity-Fonds“). Die Aktien entstehen einfach dadurch, dass Kapitalbeteiligungsgesellschaften oft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben werden. Werden diese Aktien per Börseneinführung auch in kleinen Stückzahlen handelbar, besteht für praktisch jeden Anleger die Möglichkeit, sich am Geschäft einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft zu beteiligen, genauso wie man sich etwa durch Erwerb börsengehandelter Bankaktien sehr einfach als Eigenfinancier an einem Kreditinstitut beteiligen kann. Den Kapitalbeteiligungsgesellschaften erschließt eine Börsennotiz in der Regel neue Investorenkreise bzw. die womöglich verbesserte Möglichkeit, eine Expansion ihres Beteiligungsgeschäftes durch Ausgabe weiterer Aktien zu finanzieren. Eventuell kann eine börsennotierte Kapitalbeteiligungsgesellschaft auch weitere Beteiligungsinvestments dadurch begründen, dass sie neu zu erwerbende Anteile nicht bar bezahlt, sondern im Tauschwege durch Hergabe – womöglich frisch kreierter – eigener Aktien erwirbt. Durch einen solchen Tausch nichtbörsennotierter Unternehmensanteile (des Beteiligungsunternehmens) gegen börsennotierte Unternehmensanteile (der Kapitalbeteiligungsgesellschaft) profitiert die Kapitalbeteiligungsgesellschaft insofern vom Börsenhandel ihrer eigenen Aktien als sie den Alteignern des Beteiligungsunternehmens eine „liquidere“, weil börsenmäßig veräußerbare Anlage verschafft. Häufiger als die soeben skizzierte Finanzierungsgestaltung qua Anteilstausch dürfte die im zweiten Spiegelpunkt gelistete Auflegung von Fonds sein. Mit diesen Fonds wenden sich Kapitalbeteiligungsgesellschaften vornehmlich an institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds, denen sie anbieten, sich mit einem erheblichen Anteil (Anlagebeträge üblicherweise mehrere, oftmals gar zig Millionen Euro/Dollar) an einer neu geschaffenen Rechtseinheit, eben dem Fonds, der häufig in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführt wird, zu beteiligen, wobei die zu werbenden Investoren regelmäßig nur beschränkt haften. Dieser Fonds wird nach seiner Schließung zwar von der Kapitalbeteiligungsgesellschaft gemanagt, sein Vermögen wird aber getrennt von den sonstigen Geschäften dieser geführt. Ein solcher Fonds investiert typischerweise nach einer mehr oder weniger strikt festgelegten Anlagestrategie in Anteile von etwa einigen bis einigen Dutzend nicht börsengelisteter Unternehmen, wobei angestrebt wird, diese Beteiligungen nach einer „Entwicklungszeit“ von ca. fünf bis 15 Jahren gewinnbringend zu veräußern und im Zuge dieser Veräußerungen den Fonds nach und nach zu verkleinern, bis er im Idealfall nach einigen Jahren mit hohem Gewinn vollständig in Barmittel aufgelöst ist.

272

3 Vermögensanlage in Wertpapieren

Die dritte der oben genannten Möglichkeiten hat sich in Deutschland als weiteres Geschäftsfeld der Initiatoren geschlossener Fonds herausgebildet, zu deren Kerngeschäftsfeldern üblicherweise die Investition in Immobilien und Schiffe bzw. deren Finanzierung über den Vertrieb geschlossener Immobilienfonds (vgl. Abschnitt 3.4.4) respektive Schiffsbeteiligungen gehört. Wohl angelockt durch die ganz erheblichen Rentabilitäten, welche in den eben beschriebenen Fondsanlagen in den neunziger Jahren – etwa in den beiden Segmenten sog. Wachstums- sowie Turnaroundunternehmen – teils zu verzeichnen waren, erkoren mehrere Emissionshäuser diese Fonds als Grundlage einer neuen Gattung geschlossener Fonds, welche die in Rede stehenden Fondsinvestments auch Privatanlegern erschließen soll (Minimumanlagebeträge um rund 10.000 Euro). Dies geschieht, indem die Anlageobjekte des geschlossenen Fonds statt Immobilien oder Schiffen nun eben Fondsanteile der oben beschriebenen Gattung sind. Das heißt, der PrivateEquity-Fonds ist in aller Regel ein geschlossener Dachfonds, der seinerseits als institutioneller Investor diverse Fondsanlageofferten von (verschiedenen) Kapitalbeteiligungsgesellschaften zeichnet. Ein typischer Private-Equity-Fonds investiert seine zum Beispiel bei Privatkunden von Kreditinstituten eingeworbenen Mittel von etwa 100 Mio. Euro in einige wenige Fonds, beispielsweise je 30 Mio. in drei Fonds. Nach Abschluss der Investitionsphase beschränkt sich die Tätigkeit des Private-Equity-Fondsmanagements im Wesentlichen auf die Kontrolle der Fondsinvestments, wobei je nach Fonds gewisse Mitspracherechte geltend gemacht werden können. Diese können durchaus ins Gewicht fallen, weil der Private-EquityFonds als institutioneller Großanleger in der Regel einer von nur wenigen Fondsinvestoren ist, dessen Beteiligungsanteil eine zweistellige Prozentzahl ausmachen kann. Gleichwohl erweckt die Lektüre der Geschäftsberichte mancher Private-Equity-Fonds den Eindruck einer recht passiven Verwaltung, deren Tätigkeit sich im Wesentlichen in der Entgegennahme und Weiterleitung von Informationen erschöpft. Ein kritischer Punkt ist neben der Rentabilität, die oftmals die prospektierten Ziele bei weitem verfehlt, nämlich die Frage, wann denn tatsächlich die vollständige Liquidation der Fondsanteile eines Private-EquityFonds ansteht bzw. zu erwarten ist, wobei man den Berichten kaum entnehmen kann, wer hierüber faktisch das letzte Wort hat, die institutionellen Investoren oder die Kapitalbeteiligungsgesellschaft. Ein weiterer kritischer Aspekt sind die hoch anmutenden Transaktionskosten der Private-Equity-Fonds, die sich grob gesprochen auf rund 15% des anfänglichen Investitionsbetrages sowie jährlich etwa 2% desselben Betrages belaufen, ggf. zuzüglich erfolgsabhängiger Entgelte. Diese fallen bei außergewöhnlich erfolgreichen Fonds mit teils dreistelligen jährlichen Renditen zwar nicht besonders auf. Solche Fälle dürften aber die Minderheit darstellen; vielmehr sind zahlreiche Private-Equity-Fonds am Markt, die es kaum schaffen, ihren Investoren mehr zu erwirtschaften als deren ursprüngliche Anlagesumme.

4

Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

4.1

Allgemeine Grundbegriffe

In Kapitel 3 haben wir uns mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Vermögensanlage in Wertpapieren beschäftigt. Die Funktion verschiedener Finanzintermediäre besteht dabei in erster Linie in vermittelnden und organisatorischen Leistungen; sie treten jedoch nicht systematisch zugleich auch als Vertragspartner des eigentlichen Wertpapierengagements auf. Die in diesem Kapitel 4 zu behandelnde zweite große Gruppe von Anlagemöglichkeiten ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass Finanzintermediäre im engeren Sinne in der im Abschnitt 1.1 verdeutlichten Weise als unmittelbarer Vertragspartner auftreten und gegenüber dem Anleger bestimmte Zahlungsverpflichtungen übernehmen. Nach der Art dieser Zahlungsverpflichtungen lassen sich folgende drei elementare Kategorien von „Anlageverträgen“ unterscheiden: (1) Die einfachste Möglichkeit besteht darin, dass dem Anleger das Recht zusteht, zu einem festgelegten Zeitpunkt, nach Ablauf einer Kündigungsfrist oder jederzeit einen Betrag in Höhe der geleisteten Zahlungen zuzüglich etwaiger vergüteter Zinsen zu erhalten. Die Zinsen können dabei – ähnlich wie bei der Geldanlage in festverzinslichen Wertpapieren (vgl. Abschnitt 3.3.2.2) – für die gesamte Laufzeit festgelegt oder zwischenzeitlich änderbar sein. Auch für die Zinstermine bestehen ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten, wie wir sie im Abschnitt 3.3.2.1 dargestellt haben. Diese Form der Vermögensanlage ist typisch für die Geldanlage bei Universalbanken. (2) Als Variante dazu besteht die Möglichkeit, dass der Anleger nach Erbringung bestimmter Sparleistungen einen zusätzlichen Zahlungsanspruch in Form eines Darlehens zu vorher festgelegten Bedingungen erlangt. Wie Sie aus dem Abschnitt 2.3.2.2 bereits wissen, ist eine solche Vertragsgestaltung für das Angebot von Bausparkassen typisch. (3) Eine dritte Möglichkeit der unmittelbaren Geldanlage bei Finanzintermediären ist dadurch gekennzeichnet, dass – der Anleger nach Ablauf einer vereinbarten Frist den Anspruch auf Zahlung eines Betrages hat, der nur einem bestimmten Teil der geleisteten Zahlungen sowie auf diesen Teil entfallender Gutschriften entspricht, – bei einem vorherigen Todesfall dem Begünstigten jedoch – unabhängig von den schon erbrachten Anlageleistungen – auf jeden Fall eine fest vereinbarte Summe zusteht sowie eventuell auch noch ein Teil der tatsächlich erbrachten Einzahlungen einschließlich der darauf entfallenden Zinsen und Zinseszinsen. Wie ebenfalls bereits im einleitenden Teil dieses Buches erörtert, ist die Abgabe derartiger bedingter

274

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

Zahlungsversprechen ein konstitutives Merkmal für das Leistungsangebot von Lebensversicherungsunternehmen. Im Folgenden werden wir zunächst die wichtigsten Formen der Vermögensanlage bei Banken in ihren Grundzügen darstellen (Abschnitt 4.2). Anschließend werden wir einen kurzen Überblick über die Merkmale und Ausgestaltungsformen von Lebensversicherungen vermitteln (Abschnitt 4.3).

4.2

Vermögensanlage bei Banken

4.2.1

Sicht- und Termineinlagen (Depositen)

Im Wesentlichen bestehen drei Möglichkeiten der Vermögensanlage bei Banken, nämlich in Form von Sicht-, Termin- und Spareinlagen. Als Sichteinlagen bezeichnet man Guthaben bei Banken, die „bei Sicht“, d.h. jederzeit und ohne Kündigungsfrist in beliebiger Höhe wieder abgerufen werden können. Es ist zweckmäßig, zwei Arten von Sichteinlagen zu unterscheiden, denen gemein ist, dass sie auf Kontokorrentkonten (vgl. § 355 HGB) geführt werden: Die „traditionellen“ Sichteinlagen auf Girokonten und Sichteinlagen auf sog. Tagesgeldkonten. Das Girokonto dient in erster Linie dem Zahlungsverkehr. Über das Guthaben auf Girokonten kann durch Barabhebung sowie mit den Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (Überweisung, Scheck, Lastschrift) verfügt werden. Die Verzinsung derartiger Guthaben ist in der Regel sehr niedrig. Viele Banken verzinsen Giroeinlagen auch gar nicht oder nur insoweit, wie sie gewisse Mindestgrenzen überschreiten oder nur für bestimmte Gruppen von Kontoinhabern wie z.B. Minderjährige. Angesichts dieser Zinsgegebenheiten ist es unmittelbar einsichtig, dass Sichteinlagen als Form der Vermögensanlage kaum von Interesse sind. Sie stellen vielmehr Puffer- und Transaktionsbestände dar, die vor allem der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und damit zugleich der Verringerung der Bargeldhaltung dienen. Demgegenüber bieten die insbesondere von Direktbanken – filiallose Kreditinstitute, die ihre Kunden ausschließlich via Brief, Telefon oder Internet bedienen – prominent gemachten Tagesgeldkonten die Möglichkeit, Sichteinlagen vergleichsweise hochverzinslich zu halten. Diese Art der Sichteinlagen sind im Gegensatz zu Giroeinlagen explizit der Vermögensanlage zugedacht; über das Guthaben auf Tagesgeldkonten kann üblicherweise nur durch Überweisung auf ein Girokonto bei der Hausbank des Kontoinhabers („Referenzkonto“) verfügt werden, nicht zur Abwicklung des laufenden Zahlungsverkehrs. Zusätzlich ist es allenfalls noch möglich, das Tagesgeldguthaben zur Finanzierung von Wertpapierkäufen zu verwenden, wenn der Kunde bei derselben Bank ein Wertpapierdepot unterhält. Ein besonderes Segment innerhalb der Tagesgeldkonten bilden die Währungsanlagekonten. Auf diesen Konten werden täglich verfügbare Guthaben in fremder Währung geführt. Von den möglichen Anlagemotiven, Einlagen auf solchen Konten zu halten, dürfte die Chance auf einen höheren Ertrag als in der heimischen Währung im Vordergrund stehen. Dies kann über zwei Wirkungskanäle gelingen: Zum einen ist die – zwar jederzeit veränderliche, aber insoweit sichere – Verzinsung des Währungskontos häufig höher als bei einem in der Heimat-

4.2 Vermögensanlage bei Banken

275

währung (Euro) geführten Tagesgeldkonto. Zum anderen kann sich der Devisenumrechnungskurs zwischen Anlagewährung und Heimatwährung während der Anlagedauer zugunsten des Anlegers verändern. Dem steht freilich das Risiko gegenüber, dass die gewählte Anlagewährung sich abwertet. Die Liste der möglichen Währungen ist lang und reicht von den klassischen „Hartwährungen“ wie Dollar oder Pfund bis zu exotischeren Varianten wie Peso, Zloty oder türkischer Lira. Das Verzinsungsspektrum reicht von 0 bis ca. 15%. Termineinlagen dienen der befristeten Vermögensanlage. Darunter versteht man Bankguthaben, – die auf sog. Termingeldkonten geführt, – für einen bestimmten Zeitraum festgelegt werden und – dementsprechend für diesen Zeitraum nicht für den Zahlungsverkehr genutzt werden können. Im Einzelnen unterscheidet man folgende zwei Arten von Termineinlagen: (1) Festgelder werden für eine definitiv vereinbarte Frist festgelegt. Nach deren Ablauf ist die Einlage ohne besondere Kündigung fällig, d.h. der Einleger kann darüber nach Belieben verfügen; dazu wird ihm der Einlagebetrag nebst Zinsen (s.u.) zumeist auf seinem Girokonto gutgeschrieben, d.h., die Termineinlage wird zu einer Sichteinlage. Viele Kreditinstitute teilen ihren Kunden allerdings bei der Eröffnung eines Festgeldkontos standardmäßig mit, dass sie den Einlagenbetrag bei Fälligkeit wiederum als Festgeld für die gleiche Dauer prolongieren, sofern der Kunde nicht rechtzeitig eine andere Weisung erteilt. (2) Kündigungsgelder hingegen sind erst nach erfolgter Kündigung und Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist fällig. In Deutschland dominieren die Festgeldanlagen, während Kündigungsgelder nur noch selten anzutreffen sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden dementsprechend die Bezeichnungen „Termingeld“ und „Festgeld“ auch häufig schon gleichgesetzt. Die Banken bieten ihren Kunden in aller Regel mehrere Festlegungs- bzw. Kündigungsfristen an. Dabei sind insbesondere 1-, 3- und 6-Monatsfristen anzutreffen; aber auch andere und längere Laufzeiten sind möglich.57 Dabei können Termingeldguthaben zu jedem beliebigen Termin eröffnet werden, also nicht etwa nur zum Monatsbeginn. Die Hereinnahme von Termingeldern erfolgt bei den meisten Banken erst ab bestimmten Mindesteinlagen (z.B. 5.000 Euro). Die Höhe der Zinsen hängt zum einen von der Fristigkeit sowie zum anderen vom Volumen der Einlagen ab. Dabei gilt die Regel, dass die Zinsen mit zunehmender Einlagenhöhe steigen. Weniger eindeutig ist der Zusammenhang zwischen Zinshöhe und Fristigkeit, der auch von der jeweils herrschenden Zinsstrukturkurve am Rentenmarkt – dem Zinsniveau von Krediten an erstklassige Schuldner im Verhältnis zur vereinbarten Kreditlaufzeit – beeinflusst wird. Diese Regel ist jedoch bei den zahlreichen Programmen zur Neukundengewinnung häufig außer Kraft gesetzt. Hierbei bietet eine Bank dem Neukunden quasi als „Begrüßungsgeschenk“ einen außerordentlich guten Zins an, der oft so hoch konditioniert ist, dass er auf ein 57

Insbesondere bei Realkreditinstituten, Girozentralen und Kreditinstituten mit Sonderaufgaben überwiegen Termineinlagen mit Laufzeiten von 4 Jahren und länger, die allerdings überwiegend von gewerblichen und nicht von privaten Anlegern stammen.

276

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

Höchsteinlagevolumen begrenzt ist. Die Bank schützt sich damit vor der Gefahr, mit ihrem Angebot insbesondere solche Anlegern anzulocken, die ausschließlich dieses für sich genommen wenig gewinnträchtige Hochzinsangebot wahrnehmen wollen und an weiteren Produkten weder sofort noch später Interesse haben, um dessen Absatz willen die Sonderofferte aber gerade kreiert wurde. Rechercheaufgabe: Untersuchen Sie das Angebot an Termineinlagen mindestens zweier Kreditinstitute, z.B. Ihrer lokalen Sparkasse sowie einer großen Filial- oder Direktbank. • Stellen Sie zunächst fest, welches Fristigkeitsspektrum dem Kunden überhaupt offeriert wird. • Betrachten Sie im Anschluss das Zinsgefüge, also die Abhängigkeit des gebotenen Zinssatzes p.a. von der zugehörigen Anlagefrist der Termineinlage. Vergleichen Sie auch zwischen den Banken! Stellen Sie strukturelle Gemeinsamkeiten fest?

Bei Festgeldern wird der Zinssatz in aller Regel für die vorgesehene Festlegungsdauer starr vereinbart. Bei Kündigungsgeldern hingegen ist es eher üblich, dass die Bank den Zinssatz an die allgemeine Marktentwicklung anpassen kann. Die Zinsen werden üblicherweise bei Fälligkeit des Guthabens gutgeschrieben. Sofern bei Festgeldern eine automatische Prolongation vereinbart ist, ist zusätzlich noch zu regeln, ob die Zinsen dem prolongierten Terminguthaben zugeschlagen oder dem Girokonto gutgeschrieben werden. In ihrer traditionellen Form stellen Termineinlagen unverbriefte Ansprüche gegenüber Banken dar. Im internationalen Geldgeschäft haben allerdings sogenannte Certificates of Deposit (Einlagenzertifikate, Depositen-zertifikate oder auch einfach nur CD) Bedeutung gewonnen. Dabei handelt es sich um kurzfristige Inhaber-Schuldverschreibungen, in denen praktisch die Ansprüche aus Terminguthaben bei der emittierenden Bank verbrieft sind. Für den Anleger bietet die Verbriefung den Vorteil, dass dadurch eine vorfällige Abtretung der Ansprüche wesentlich erleichtert, wenn nicht gar erst ermöglicht wird. Dies gilt umso mehr, als sich im internationalen Geschäft ein außerbörslicher Sekundärmarkt für Einlagenzertifikate gebildet hat, der insbesondere von einigen darauf spezialisierten Instituten gepflegt wird.

4.2.2

Spareinlagen und Sparbriefe

4.2.2.1 Spareinlagen Als Spareinlagen gelten Guthaben auf Sparkonten. Es handelt sich dabei um Gelder, die dem Kreditinstitut grundsätzlich auf unbestimmte Dauer zur Verfügung stehen. Grundsätzlich ist die Bezeichnung „Spareinlage“ nicht geschützt. Das heißt, dass Banken verschiedenste Einlagearten als Spareinlagen bezeichnen können. In der Rechnungslegungsverordnung für Kreditinstitute (RechKredV) ist allerdings festgelegt, welche Merkmale Spareinlagen aufweisen müssen, die im bilanziellen Sinne als Spareinlagen gelten. Wenn Kreditinstitute Einlagen als Spareinlagen bezeichnen, die nicht die in der Rechnungslegungsverordnung genannten Bedingungen erfüllen, ist es ihnen somit lediglich verwehrt, solche „Spareinlagen“ unter dem Bilanzposten „Spareinlagen“ auszuweisen.

4.2 Vermögensanlage bei Banken

277

Im Einzelnen enthalten die für den Bilanzposten „Spareinlagen“ geltenden Bestimmungen des § 21 Absatz 4 RechKredV folgende Anforderungen: „Als Spareinlagen sind nur unbefristete Gelder auszuweisen, die folgende vier Voraussetzungen erfüllen: 1. sie sind durch Ausfertigung einer Urkunde, insbesondere eines Sparbuchs, als Spareinlagen gekennzeichnet; 2. sie sind nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt; 3. sie werden nicht von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Personenhandelsgesellschaften oder von Unternehmen mit Sitz im Ausland mit vergleichbarer Rechtsform angenommen, es sei denn, diese Unternehmen dienen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken oder es handelt sich bei den von diesen Unternehmen angenommenen Geldern um Sicherheiten gemäß § 550 b des Bürgerlichen Gesetzbuches oder § 14 Abs. 4 des Heimgesetzes; 4. sie weisen eine Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten auf. Sparbedingungen, die dem Kunden das Recht einräumen, über seine Einlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten bis zu einem bestimmten Betrag, der jedoch pro Sparkonto und Kalendermonat 2.000 Euro nicht überschreiten darf, ohne Kündigung zu verfügen, schließen deren Einordnung als Spareinlagen im Sinne dieser Vorschrift nicht aus. Geldbeträge, die aufgrund von Vermögensbildungsgesetzen geleistet werden, gelten als Spareinlagen. Bauspareinlagen gelten nicht als Spareinlagen.“ Üblicherweise legen die Kreditinstitute in institutsspezifischen Bedingungen für den Sparverkehr bzw. Sparkonten fest, welche Merkmale die von der jeweiligen Bank angebotenen Sparkonten aufweisen. Die in diesen Bedingungen enthaltenen Merkmale entsprechen im Allgemeinen den Anforderungen an Spareinlagen gemäß § 21 Abs. 4 RechKredV. Somit können die in der RechKredV enthaltenen Bestimmungen als konstituierend für die Gestaltung der Spareinlagen von Kreditinstituten angesehen werden. Daneben enthalten die Bedingungen weitere Festlegungen hinsichtlich der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Sparer und Kreditinstitut. Trotz der festgelegten Kündigungsfristen kommen die Kreditinstitute üblicherweise den Wünschen ihrer Kunden nach vorzeitiger Rückzahlung – auch über den vereinbarten Freibetrag hinaus – nach. Allerdings ist diese Praxis häufig an die Erhebung sogenannter „Vorschusszinsen“ gebunden, die in Höhe eines Viertels des für die vorzeitig gewährte Spareinlage geltenden Zinssatzes, berechnet auf die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, dem Kunden von seinem Sparguthaben abgezogen werden. Im Gegensatz zu Termineinlagen können Sparguthaben auch in kleineren Beträgen unterhalten werden. Die Höhe der Verzinsung hängt vor allem von der Laufzeit ab, so dass sie in der Regel umso höher ist, je länger die vereinbarte Kündigungsfrist ist. Die Kreditinstitute sind berechtigt, die laufende Verzinsung durch einseitige Erklärung der jeweiligen Marktsituation anzupassen. Die Verzinsung ist dabei häufig deutlich niedriger als bei anderen Formen der festverzinslichen Geldanlage mit entsprechenden Laufzeiten, also etwa Termineinlagen oder festverzinslichen Wertpapieren. Darüberhinaus existieren verschiedene Arten von bonifizierten Spareinlagen und Sondersparformen. Diese Einlagen sind üblicherweise so ausgestaltet, dass beim Einhalten einer festgelegten Vertragsdauer ein höherer Zinssatz gezahlt wird als bei Spareinlagen ohne Sonderver-

278

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

einbarung. Trotzdem sind i.d.R. Verfügungen vor dem Ablauf der Vertragsdauer möglich. Es wird dann allerdings nicht die in Aussicht gestellte Bonus-Verzinsung, sondern lediglich eine geringere Grundverzinsung gewährt. Daneben ist im Allgemeinen auch bei diesen Spareinlagen eine mindestens dreimonatige Kündigungsfrist vereinbart. Die so gestalteten Spareinlagen erfüllen i.d.R. ebenfalls die Anforderungen gemäß § 21 Abs. 4 RechKredV. 4.2.2.2 Sparverträge Neben der Möglichkeit, Spareinlagen je nach der eigenen Vermögens- und Liqui-ditätslage zu bilden und auch wieder abzuziehen, bieten die Banken ihren Kunden verschiedene Formen von Sparplänen und Sparverträgen an. Beim sog. Einmalsparvertrag verpflichtet sich der Sparer, einmal einen bestimmten Sparbetrag einzuzahlen und für einen vereinbarten Zeitraum von z.B. sechs oder sieben Jahren festzulegen. Beim Ratensparvertrag geht der Anleger demgegenüber die Verpflichtung ein, über einen bestimmten Zeitraum von etwa ebenfalls sechs oder sieben Jahren hinweg regelmäßig – zumeist monatlich – gleichbleibende Sparbeträge einzuzahlen. Diese vertragliche Verpflichtung konstituiert aber keinen faktischen Zwang, die vereinbarten Sparraten auch tatsächlich zu entrichten. Vielmehr ist die Sparrate juristisch als eine sogenannte „Naturalobligation“ zu qualifizieren, d.h. sie ist eine Schuld, die nicht gegen den Willen des Schuldners (hier also des Anlegers) durchgesetzt werden kann. Das Angebot verschiedener Arten von Sparverträgen ist insbesondere im Hinblick auf die in den fünfziger und sechziger Jahren entwickelten Instrumente der staatlichen Sparförderung durch das Wohnungsbauprämiengesetz von 1952und das Vermögensbildungsgesetz von 1961 entwickelt und den vielfältigen Änderungen dieser Gesetze ständig angepasst worden. Im Rahmen des derzeit geltenden 5. Vermögensbildungsgesetzes von 1987 werden vorrangig nur noch Vermögensbeteiligungen – etwa durch den Erwerb von Aktien, Genussscheinen oder Investmentzertifikaten von Aktien- oder Beteiligungsfonds – durch die sog. Arbeitnehmersparzulagen gefördert. Lediglich das auf die Subventionierung des Bausparens abzielende Wohnungsbauprämiengesetz wird – wenn auch mit einem gegenüber früher deutlich reduzierten Förderungssatz – neben dem Vermögensbildungsgesetz noch fortgeführt. Da die Kreditinstitute aus verschiedenen geschäftlichen Zielsetzungen heraus jedoch ein gewisses Eigeninteresse an dem Abschluss verschiedener Arten von Sparverträgen haben, sind die meisten Banken dazu übergegangen, gegenüber dem „ungeregelten“ Kontensparen gewisse zusätzliche Anreize zu schaffen, etwa in der Weise, dass am Ende der Vertragsdauer über die kumulierten Zinsen hinaus noch ein zusätzlicher „Bonus“ vergütet wird. 4.2.2.3 Sparbriefe In der Befürchtung, angesichts der vergleichsweise niedrigen Verzinsung von Spareinlagen zunehmend Anleger an andere Anlageformen zu verlieren, haben die Banken bereits Mitte der sechziger Jahre begonnen, ihren Kunden in Form sogenannter Sparbriefe Zwischenformen zwischen traditionellen Spareinlagen und festverzinslichen Wertpapieren anzubieten. Dahinter stand die Erwartung, dadurch einen ansonsten in die direkte Wertpapieranlage fließenden Teil des Sparaufkommens doch in einlagenähnlicher Form unmittelbar an das Bankensystem zu binden. Bei den – unter verschiedenen Bezeichnungen anzutreffenden – Sparbriefen handelt es sich um Wertpapiere oder wertpapierähnliche Urkunden, die von den einzelnen Kreditinstituten

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

279

unmittelbar an ihre Kunden ausgegeben werden und im Einzelnen durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind: •

Die Laufzeit liegt zumeist im Bereich zwischen 1 und 10 Jahren, überwiegend zwischen 4 und 8 Jahren. Die Rückzahlung erfolgt in Höhe des Einlagebetrages. • Die Verzinsung ist – als ganz entscheidender Unterschied zu den traditionellen Spareinlagen – für die gesamte Laufzeit definitiv festgelegt, gelegentlich auch in Form einer im Zeitablauf steigenden Zinsstaffel. Die Zinszahlungen erfolgen teils jährlich oder halbjährlich, teils werden die Zinsen wie beim Bundesschatzbrief vom Typ B über die Laufzeit kumuliert und einschließlich Zinseszins erst am Ende der Laufzeit mit dem Rückzahlungsbetrag zusammen ausgezahlt. • Ein Börsenhandel findet nicht statt. In etlichen Fällen halten sich die emittierenden Institute jedoch bereit, von ihnen ausgegebene Sparbriefe vor Fälligkeit zu einem den allgemeinen Kapitalmarktverhältnissen angepassten Kurs zurückzunehmen. Zudem sind die Banken in aller Regel bereit, selbst emittierte Sparbriefe hoch, zumeist sogar zu 100%, zu beleihen, allerdings zu einem Zins, der üblicherweise über der Verzinsung der Sparbriefe liegt. Eine Abtretung der Verpfändung der Forderung aus dem Sparbrief an Dritte schließen die Sparbriefemittenten hingegen häufig vertraglich aus. • Für die bei der Geldanlage in Sparbriefen erzielbare Rendite ist schließlich zu beachten, dass im Gegensatz zum Erwerb von börsengehandelten Wertpapieren üblicherweise keinerlei Transaktionskosten in Rechnung gestellt werden. Im Einzelnen werden Sparbriefe unter verschiedenen Bezeichnungen wie z.B. „Spar(kassen)brief“, „Kapital-Sparbrief“, „Spar-(kassen)obligation“ etc. angeboten. Dabei kommt den Sparkassen – wie allgemein im Spargeschäft – auch beim Absatz von Sparbriefen die weitaus größte Rolle zu. Dies dürfte auch für das abschließend zu erwähnende Segment „innovativer“ Sparbriefe gelten, bei denen der Sparbriefinhaber keine unbedingte Forderung gegen den Sparbriefemittenten innehat. Sein Zahlungsanspruch bemisst sich vielmehr nach bestimmten exogenen Bedingungen dergestalt wie sie bei Anlagezertifikaten der in Abschnitt 3.5 dargestellten Art zunehmend auftreten. Der Inhaber eines solchen Sparbriefes hat dann beispielsweise genau jene Position inne wie der Inhaber einer Aktienanleihe, mit dem einen Unterschied, dass sein Sparbrief nicht handelbar ist, sondern in aller Regel bis zum Laufzeitende „durchgehalten“ werden muss.

4.3

Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

4.3.1

Problemstellung

Für die Vermögensanlage in Form von Wertpapieren oder Bankeinlagen mögen die unterschiedlichsten Gründe maßgeblich sein. Dabei dürften die folgenden beiden Motive in vielen Fällen eine besondere Rolle spielen, nämlich – die vermögensmäßige Absicherung eines gewissen Lebensstandards für die Zeit nach Beendigung der Erwerbstätigkeit (Altersversorgung) sowie – die vermögensmäßige Absicherung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes oder der Berufsunfähigkeit des Hauptverdieners (Hinterbliebenen-Versorgung).

280

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

Beiden Motiven kann auch durch den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages sehr gut Rechnung getragen werden. Das konstitutive Merkmal solcher Verträge besteht darin, dass die Begünstigten unabhängig von der bereits verstrichenen Laufzeit des Vertrages eine vorher vereinbarte Geldleistung erhalten, wenn innerhalb der vereinbarten Vertragsdauer der Tod – oder ggf. auch Berufsunfähigkeit – des Versicherten eintritt. Sieht man zunächst von den fondsgebundenen Lebensversicherungen (s.u.) ab, so lässt sich die Vielfalt der in der Praxis anzutreffenden Ausgestaltungsformen von Lebensversicherungsverträgen nach den folgenden vier Kriterien in eine gewisse Ordnung bringen: – Bedingung für den Eintritt der Leistungsverpflichtung, – Art der vereinbarten Versicherungsleistung, – Zeitpunkt und Höhe der Prämienzahlungen und – Art der Überschussbeteiligung. Diese vier Konstruktionsmerkmale sollen in den folgenden Abschnitten kurz erörtert und in ihren wichtigsten Ausprägungen verdeutlicht werden. Dieses Vorhaben wird allerdings stellenweise dadurch etwas erschwert, dass in der Versicherungspraxis und im einschlägigen Schrifttum gelegentlich ein uneinheitlicher Sprachgebrauch besteht. Wir werden an der einen und anderen Stelle darauf hinweisen.

4.3.2

Ausgestaltungsformen von Lebensversicherungen

4.3.2.1 Leistungsvoraussetzungen Im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen die Zahlungspflicht des Versicherungsunternehmens einsetzt, können vier Grundtypen von Lebensversicherungen unterschieden werden: (1) Leistungspflicht nur bei Tod/Berufsunfähigkeit Diese Konstruktionsform ist insbesondere bei der sogenannten Risikolebensversicherung anzutreffen. Hier wird die Versicherungssumme nur ausgezahlt, wenn der Versicherte während der vereinbarten Vertragsdauer stirbt. Bei Ablauf des Versicherungsvertrages wird jedoch keine Versicherungsleistung fällig. Für den Abschluss derartiger Versicherungen ist vorrangig das Motiv der Hinterbliebenenversorgung maßgeblich. Ebenso ist die gemeinhin dem Bereich der Lebensversicherungen zugerechnete Berufsunfähigkeitsversicherung dadurch gekennzeichnet, dass die vertraglich vereinbarte Rentenzahlung (s. Abschnitt 4.3.2.2) nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit – eventuell oberhalb eines bestimmten Mindestgrades – eintritt. (2) Leistungspflicht bei Tod oder Vertragsablauf Die in Deutschland am weitaus häufigsten anzutreffende Lebensversicherung auf den Todesoder Erlebensfall ist dadurch gekennzeichnet, dass die vereinbarte Versicherungsleistung – unabhängig von der bereits verstrichenen Laufzeit des Vertrages beim Tod des Versicherten, – spätestens jedoch zu dem vereinbarten Ablauftermin fällig wird. Eine Sonderform stellt dabei die Versicherung auf „verbundene Leben“ dar, bei der das Todesfallrisiko zweier (oder mehrerer) Personen gleichzeitig versichert wird. Die Leistungspflicht tritt ein, sobald einer der Versicherten stirbt, spätestens jedoch bei Ablauf

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

281

des Versicherungsvertrages. Diese Versicherungsform wird häufig von Ehepaaren oder auch den Gesellschaftern einer Personengesellschaft abgeschlossen und in diesem Zusammenhang auch als Ehegatten- bzw. Teilhaberversicherung bezeichnet. Auch die selten anzutreffende „reine Todesfallversicherung“ begründet in der in Deutschland üblichen Ausgestaltung – entgegen ihrer Bezeichnung – nicht nur im Todesfall eine Leistungsverpflichtung. Vielmehr wird die Versicherungssumme hier bei Tod des Versicherten, spätestens jedoch bei Vollendung des 85. Lebensjahres fällig. Angesichts der allgemeinen Lebenserwartung entsteht die Leistungspflicht bei dieser Versicherungsform de facto also häufig beim Todesfall; nichtsdestoweniger ist sie systematisch als eine (extreme) Form der Todes- und Erlebensfallversicherung einzustufen. Die Versicherungsprämie enthält dementsprechend im Gegensatz zur reinen Risikolebensversicherung58 (s.o.) neben dem Risiko- und dem Kostenanteil auch einen Sparanteil (s. Abschnitt 4.3.2.4). (3) Leistungspflicht nur bei Vertragsablauf Im genauen Gegensatz zur Risikolebensversicherung tritt bei dieser sogenannten reinen Erlebensfallversicherung die Leistungspflicht der Versicherung nur ein, wenn die versicherte Person das vertraglich festgelegte Alter erreicht. Bei vorzeitigem Tod hingegen erfolgt überhaupt keine Zahlung der Versicherung. Für den Abschluss solcher Versicherungen ist offenbar nicht die Vorsorge für die Hinterbliebenen, sondern die eigene Altersvorsorge das dominierende Motiv. Diese Ausgestaltungsform findet man gelegentlich bei Rentenversicherungen (s.u.). (4) Unbedingte Leistungspflicht zu einem bestimmten Zeitpunkt Die sogenannte Termfixversicherung schließlich ist dadurch gekennzeichnet, dass die vorgesehene Versicherungsleistung zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt unabhängig davon fällig wird, ob der Versicherte noch lebt oder nicht. Das Versicherungselement bei derartigen Verträgen besteht darin, dass die Beitragspflicht bei einem vorzeitigen Tod des Versicherten endet, die Versicherungssumme aber trotzdem zu dem vereinbarten Termin an die Begünstigten ausgezahlt wird. Wichtigster Anwendungsfall dieser Versicherungsform ist die sogenannte Ausbildungsversicherung. Der Ablaufzeitpunkt wird dabei so gewählt, dass er mit dem Beginn einer bestimmten Ausbildungsphase des Begünstigten (in der Regel eines Kindes) zusammenfällt, und die Versicherungssumme so, dass sie ausreicht, um zumindest einen nennenswerten Teil der veranschlagten Ausbildungskosten abzudecken. Ähnlich wie bei der reinen Risikolebensversicherung steht also auch bei der Termfixversicherung das Motiv der Hinterbliebenenversorgung im Vordergrund. 4.3.2.2 Versicherungsleistungen Lebensversicherungsverträge können weiterhin danach untergliedert werden, ob bei Eintritt der Leistungspflicht (s.o.) – eine einmalige Zahlung erfolgt (Kapitallebensversicherung) oder – über einen bestimmten Zeitraum hinweg regelmäßig wiederkehrende Zahlungen zu erbringen sind (Rentenversicherung). 58

Die reine Risikolebensversicherung der unter (1) erörterten Art wird gelegentlich als Unterform der Todesfallversicherung angesehen, gelegentlich aber auch begrifflich davon getrennt.

282

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

(1) Kapitallebensversicherungen59 Im Rahmen der hier nur interessierenden Einzelversicherungen kommt der Kapitallebensversicherung in Deutschland die klar dominierende Rolle zu, und zwar insbesondere in der Form der Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall (s.o.). Bezüglich der Höhe der Versicherungsleistung sind dabei die drei Varianten anzutreffen, dass die Leistung im Todesfall – mit der Leistung im Erlebensfall übereinstimmt (sogenannte gemischte Lebensversicherung)60, – höher ist als die Erlebensfallleistung oder – niedriger als diese ist. Die Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall dient der Alters- und der Hinterbliebenenversorgung zugleich. Dabei zielt die letztgenannte Variante stärker auf das Motiv der Altersversorgung, die zweite Variante hingegen stärker auf das Motiv der Hinterbliebenenversorgung ab. Alle drei Varianten können auch in Form der dynamischen Lebensversicherung angeboten werden. Dabei wird schon bei Vertragsabschluss festgelegt, dass sich die Beiträge der Versicherung (s. Abschnitt 4.3.2.3) um einen bestimmten Prozentsatz pro Jahr erhöhen. Dadurch steigt dann auch, wenngleich naturgemäß weniger stark, die bei Fälligkeit zu zahlende Versicherungsleistung. Für den Versicherungsnehmer stellt die Dynamisierung allerdings nur ein jährlich wiederkehrendes Recht dar, er ist nicht an sie gebunden, sondern darf jährlich von neuem entscheiden, ob er die Versicherungssumme – ohne erneute Gesundheitsprüfung – heraufgesetzt haben möchte. Dem Versicherten wird allerdings regelmäßig das Recht eingeräumt, der Erhöhung zu widersprechen. Zudem endet die Dynamisierung auf jeden Fall, wenn der Versicherte das 65. Lebensjahr überschritten hat. D.h., die Versicherung wird dann in konstanter Höhe – und dementsprechend auch mit gleichbleibenden Beiträgen – fortgeführt. Neben der Todes- und Erlebensfallversicherung stellt die reine Risikolebensversicherung die zweite prominente Form der Kapitallebensversicherung dar. Auch hier bleibt im einfachsten Fall die im Versicherungsfall zu leistende Summe während der gesamten Vertragsdauer konstant. Als Alternative dazu kennt man jedoch auch hier die dynamische Form, bei der die Leistungssumme im Zeitablauf ständig steigt. Andererseits gibt es als Besonderheit der Risikolebensversicherung auch die Variante einer im Zeitablauf fallenden Versicherungssumme. Diese Versicherungsform wird häufig in Verbindung mit Verträgen abgeschlossen, aus denen für den Versicherten über einen gewissen Zeitraum hinweg bestimmte finanzielle Leistungsverpflichtungen resultieren, wie etwa aus Bauspardarlehen oder sonstigen Krediten, Leasing- oder Sparverträgen. Der fallenden Risikolebensversicherung kommt hier die Funktion zu, die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen auch für den Fall sicherzustellen, dass der 59

60

Gelegentlich wird auch der verkürzte Ausdruck „Kapitalversicherung“ benutzt. Beide Begriffe werden jedoch nicht einheitlich gebraucht. Im versicherungswissenschaftlichen Schrifttum werden darunter häufig alle Versicherungsarten zusammengefasst, die – im Gegensatz zur Rentenversicherung – im Leistungsfall eine einmalige Zahlung vorsehen. Demnach stellt auch die reine Risikolebensversicherung (s.o.) eine Kapitalversicherung dar, von der dann die Versicherung mit Sparcharakter zumeist durch die Bezeichnung „kapitalbildende Lebensversicherung“ abgegrenzt wird. In der Versicherungspraxis werden demgegenüber Kapital-, Risiko- und Rentenversicherungen häufig als drei verschiedene Versicherungskategorien behandelt. Wiederum ist ein uneinheitlicher Sprachgebrauch festzustellen: Die Bezeichnung „gemischte Lebensversicherung“ wird z.T. für jede Art der Todes- und Erlebensfallversicherung verwendet, z.T. aber auch nur für den Spezialfall einer im Todes- und Erlebensfall einheitlichen Versicherungssumme.

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

283

Zahlungspflichtige stirbt (oder erwerbsunfähig wird) und damit die Einkünfte, aus denen die Zahlungen eigentlich geleistet werden sollten, plötzlich entfallen. Je nach dem Vertragszusammenhang werden derartige Risikolebensversicherungen auch als Bausparrisikoversicherung, Restschuldversicherung oder Leasing-Lebensversicherung bezeichnet. Im Zusammenhang mit der unmittelbaren Vermögensanlage kommt dem sogenannten Sparplan mit Versicherungsschutz besondere Bedeutung zu. Darunter versteht man einen langfristigen Sparvertrag (vgl. Abschnitt 4.2.2.2), der in der Weise durch eine Risikolebensversicherung ergänzt wird, dass die Versicherung beim vorzeitigen Tod des Sparers die noch ausstehenden Sparleistungen übernimmt und damit die Auszahlung der in dem Sparvertrag vorgesehenen Endsumme ermöglicht. Im Endeffekt wird durch diese Kombination von Sparund Versicherungsvertrag eine ähnliche Absicherung erreicht wie bei der traditionellen Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall. (2) Rentenversicherungen Die (private) Rentenversicherung tritt einmal als sogenannte Leibrentenversicherung auf, bei der ab einem festgelegten Zeitpunkt Rentenzahlungen bis ans Lebensende des Begünstigten geleistet werden. Eine besondere Ausgestaltungsform stellt dabei die Versicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung dar. Gegen Zahlung einer einmaligen Prämie erwirbt der Versicherte einen lebenslangen Rentenanspruch; das Versicherungsmoment besteht dabei in der Unsicherheit darüber, wie lange der Versicherte noch in den Genuss der Rente kommt. In der Praxis werden derartige Verträge häufig bei Ablauf einer Todes- und Erlebensfallversicherung abgeschlossen. Häufig sehen Versicherungen auf den Todes- und Erlebensfall auch bereits als Vertragsbestandteil ein Wahlrecht zwischen einer einmaligen Zahlung und einer „Verrentung“ vor. Bei der Leibrentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung wird demgegenüber der Beginn der Zahlungspflicht erst für einen späteren Zeitpunkt vereinbart, z.B. für das 65. Lebensjahr des Versicherten. In diesem Fall erfolgen die Prämienzahlungen üblicherweise – wenn auch nicht zwingend – laufend und nicht durch eine Einmalleistung. Beide Formen von Leibrentenversicherungen können mit zusätzlichen Klauseln ausgestattet werden, wonach die Rentenzahlungen – i.d.R. in reduzierter Höhe – auch nach dem Tod des Hauptversicherten an den Ehegatten bis zu dessen Tod oder an die Kinder bis zu einem bestimmten Alter weiter erfolgen. Man bezeichnet derartige Rentenversicherungsverträge dementsprechend häufig auch als Witwen- bzw. Waisenrenten. Zwei weitere oft verwendete Elemente der Tarifgestaltung sind die Beitragsrückgewährung und/oder die Rentengarantiezeit. Die Rentenversicherung mit Beitragsrückgewähr zahlt im Falle des Ablebens der versicherten Person vor dem festgelegten Rentenbeginn eine Einmalzahlung in Höhe der Summe aller bis dahin gezahlten Versicherungsbeiträge an eine vertraglich zu bestimmende Person, zum Beispiel den Ehepartner der versicherten Person. Eine vergleichbare Leistung bietet die Rentengarantiezeit. Hier wird die Rente auch für den Fall eines relativ frühen Todes der versicherten Person gleichwohl bis zu einem festgelegten Termin – z.B. 10 Jahre nach Rentenbeginn – an eine vertraglich zu bestimmende „Ersatzperson“ weitergeleitet. Beide Elemente erhöhen also den Wert einer Rentenversicherungspolice. Aber natürlich gibt es in der Versicherungswelt nichts geschenkt – wer diese Klauseln einschließt, muss entweder höhere Beitragszahlungen entrichten oder mit einer geringeren Rente Vorlieb nehmen als

284

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

bei einem ansonsten identisch ausgestalteten Rentenversicherungsvertrag ohne Beitragsrückgewährung und Rentengarantiezeit. Ebenfalls zum Bereich der Rentenversicherungen zählt die Berufsunfähigkeitsversicherung. Die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung sieht für den Fall der Berufsunfähigkeit eine Rentenzahlung etwa bis zum 60. Lebensjahr bei Frauen bzw. bis zum 65. Lebensjahr bei Männern vor. Die Höhe der Rentenzahlung hängt dabei zum einen von der Versicherungssumme und zum anderen von dem Grad der Berufsunfähigkeit ab, wobei im Detail verschiedene Vertragsgestaltungen anzutreffen sind. In Ergänzung zu einer Kapitallebensversicherung abgeschlossene BerufsunfähigkeitsZusatzversicherungen gewähren demgegenüber – neben der Beitragsbefreiung für die Hauptversicherung – einen Rentenanspruch nur bis zur Fälligkeit der Hauptversicherung, längstens allerdings bis zum 60. bzw. 65. Lebensjahr. 4.3.2.3 Beitragszahlungen Die Gegenleistung des Versicherten für die Ansprüche an die Versicherten besteht in den vereinbarten Beitragszahlungen, auch Prämienzahlungen genannt. Diese können zum einen nach ihrer zeitlichen Verteilung, zum anderen nach der Entwicklung ihrer Höhe im Zeitablauf systematisiert werden. (1) Zeitliche Verteilung Zumeist werden die Versicherungsbeiträge während der gesamten Laufzeit periodisch, also z.B. monatlich oder jährlich, entrichtet, wobei die Zahlung stets vorschüssig, also zu Beginn der gewählten Periode zu erfolgen hat. Eine Variante besteht dabei in der Möglichkeit, die Versicherung von einem bestimmten Zeitpunkt an prämienfrei weiterzuführen. Typischerweise findet man derartige Klauseln bei Terminfixversicherungen (s.o.) für den Fall, dass der Versicherte vor Ablauf der Versicherung stirbt. Daneben besteht auch bei Versicherungen auf den Todes- oder Erlebensfall die Möglichkeit der prämienfreien Fortführung. Dies führt allerdings zu einer nach bestimmten versicherungsmathematischen Verfahren zu ermittelnden Minderung der Versicherungssumme gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung. Auf der anderen Seite ist es aber auch möglich, den vereinbarten Versicherungsschutz durch die Entrichtung einer sogenannten Einmalprämie zu Beginn des Versicherungsverhältnisses zu erlangen. Diese Variante ist insbesondere im Bereich der (privaten) Rentenversicherung (s.o.) häufiger anzutreffen. (2) Höhe der Prämien Generell ergibt sich die Prämienhöhe aus den Tarifbedingungen der Versicherungen und hängt dabei insbesondere von der Versicherungssumme, dem Gesundheitszustand und den Lebensgewohnheiten (z.B. Nikotinsucht) sowie dem Eintrittsalter des Versicherten und der Laufzeit bei Kapitallebensversicherungen bzw. dem vorgesehenen Beginn der Leistungspflicht bei Rentenversicherungen ab. Die meisten Versicherungsverträge mit laufenden Beitragszahlungen sehen dabei eine im Zeitablauf konstant bleibende Prämie vor. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, dass die Beiträge im Zeitablauf kontinuierlich steigen. Das ist einmal bei den verschiedenen Formen der dynamischen Lebensversicherung (s.o.) der Fall. Hier steigt bekanntlich zugleich auch die Versicherungssumme – in aller Regel allerdings in einem geringeren Ausmaß als die Prämie. Daneben trifft man aber auch Versicherungsverträge, die vorsehen, dass die Beiträge im Zeitablauf ständig um einen bestimmten

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

285

Prozentsatz steigen, die Versicherungssumme jedoch konstant bleibt. Derartige Tarife „mit steigenden Beiträgen“ haben zunächst überwiegend den Charakter einer Risikolebensversicherung, die mit vergleichsweise geringen Beiträgen eine hohe Versicherungssumme für den Todesfall ermöglicht. Erst im Zeitablauf mit steigenden Prämien tritt der Charakter der Todes- und Erlebensfallversicherung in den Vordergrund. Eine dritte Variante besteht schließlich in der Möglichkeit im Zeitablauf fallender Versicherungsbeiträge. Dies ist typisch für die bereits im Abschnitt 4.3.2.2 unter (1) dargestellten Risikolebensversicherungen mit fallenden Versicherungssummen, die in erster Linie zur Absicherung von Kredit- oder Sparverträgen dienen sollen. Im Grundsatz kann die für einen Lebensversicherungsvertrag zu zahlende Prämie rechnerisch in einen Risiko-, einen Kosten- und einen Sparanteil zerlegt werden. •

• •

Durch die Risikoanteile aller Versicherungsverträge sollen die Leistungen für vorzeitig eingetretene Versicherungsfälle abgedeckt werden. Idealtypisch entspricht der Risikoanteil den im Durchschnitt erwarteten Versicherungsleistungen und einem zusätzlichen Risikozuschlag. Durch die Kostenanteile sollen die gesamten Betriebs- und Vertriebskosten des Versicherungsunternehmens wie z.B. Gehälter, Provisionen, Mieten, Büromaterial, Abschreibungen etc. abgedeckt werden. Der Sparanteil schließlich dient, über die Versicherungslaufzeit verzinslich angelegt, der Ansparung der bei Versicherungsablauf fälligen Summe. Dabei wird in Deutschland üblicherweise ein sogenannter Rechnungszinsfuß zugrunde gelegt. Dieser wird von Zeit zu Zeit den jeweils herrschenden Kapitalmarktverhältnissen angepasst und befindet sich zumeist in einem Bereich zwischen zwei und vier Prozent. Eine Anpassung des Rechnungszinsfußes erfasst jedoch stets ausschließlich die nach dem Anpassungsstichtag abgeschlossenen Verträge. Bestehende Lebensversicherungen werden von einer Anpassung nicht berührt. Die ökonomische Bedeutung des Rechnungszinsfußes in der Lebensversicherung beschränkt sich jedoch weitgehend auf die gleich zu behandelnde Prämienkalkulation. Auf die Rentabilität einer Lebensversicherung hat der Rechnungszinsfuß demgegenüber kaum einen Einfluss, weil er nur eine bewusst gering angesetzte „Mindestverzinsung“ festsetzt, die in aller Regel durch eine erhebliche, ebenfalls unten zu behandelnde „Überschussbeteiligung“ aufgestockt wird. Die „Überschüsse“ (über den Rechnungszins) sind aber naturgemäß bzw. definitorisch umso größer, je kleiner der Rechnungszins angesetzt wurde. Wir kalkulieren im Folgenden mit einem exemplarischen, willkürlich festgelegten Rechnungszins von 3,5% p.a.

Rechercheaufgabe: a) Stellen Sie die aktuelle Höhe des Rechnungszinsfußes fest und erkunden Sie seinen Entwicklungsgang in den letzten Jahren! b) Forschen Sie in Ihren eigenen Versicherungsunterlagen oder denen einer vertrauten Person und stellen Sie das Niveau des dort jeweils geltenden Zinsfußes fest und bringen Sie es in Bezug zum jeweiligen Datum des Versicherungsabschlusses!



Würde also etwa eine Todes- und Erlebensfallversicherung mit einer einheitlichen Versicherungssumme von 100.000 Euro, einer Laufzeit von 20 Jahren und einer Einmalprämie vereinbart, so würde der darin enthaltene Sparanteil durch den über 20 Jahre mit

286

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

3,5% abgezinsten Barwert von 100.000 Euro bestimmt, beliefe sich also auf 50.257 Euro.61 Bei der reinen Risikolebensversicherung entfällt der Sparanteil, da es keine Abschlusszahlung gibt, also nichts anzusparen ist. Unter Berücksichtigung dieser drei Komponenten wird die Höhe der Versicherungsprämie im Prinzip so kalkuliert, dass – der Barwert aller erwarteten Prämienzahlungen und – der Barwert aller von der Versicherung zu erbringenden Todes- und Erlebensfallleistungen – ggf. einschließlich eines Risikozuschlages – zuzüglich der erwarteten Kostenanteile übereinstimmen, wobei der Berechnung dieser Barwerte in der Regel der vergleichsweise niedrige Rechnungszinsfuß zugrunde gelegt wird. Im Zuge der Deregulierung des Versicherungsmarktes sind die Möglichkeiten der Versicherungsunternehmen, der Prämienkalkulation auch höhere Zinsen zugrunde zu legen, deutlich erweitert worden. Folgendes bewusst vereinfachte – und daher in einzelnen Elementen nicht ganz wirklichkeitsnahe – Beispiel verdeutlicht das Grundkonzept der Prämienkalkulation. Beispiel 4.01: Die Phoenix-Versicherung will mit 10.000 Versicherten eine „gemischte Lebensversicherung“ über eine Summe von jeweils 100.000 Euro abschließen. Die Laufzeit der Versicherungen soll drei Jahre betragen. Die statistisch ermittelten Sterbewahrscheinlichkeiten liegen – jeweils bezogen auf den anfänglichen Versichertenbestand – bei 4% im ersten Jahr, 5% im 2. Jahr und 6% im 3. Jahr. Innerhalb eines Jahres fällig werdende Versicherungsleistungen werden jeweils zum Jahresende ausgezahlt, d.h. in den Zeitpunkten t = 1, t = 2 und t = 3. Die jährlich gleichbleibende Prämie ist jeweils zu Beginn des Jahres fällig, also in den Zeitpunkten t = 0, t = 1 und t = 2. Die gesamten Vertriebs- und Betriebskosten der Phoenix belaufen sich durchschnittlich auf 1.000 Euro pro zu Jahresanfang versicherte Person. Dabei wird vereinfachend unterstellt, dass die entsprechenden Beträge ebenfalls jeweils zu Jahresbeginn zu zahlen sind, also in t = 0, t = 1 und t = 2.

Folgende Tabelle verdeutlicht die geplanten Zahlungsströme in den Zeitpunkten t = 0, 1, 2, 3. Dabei bezeichnen die ersten Zahlen in den einzelnen Feldern jeweils die Zahl der betroffenen Versicherten (in 1.000 Personen) und die zweiten Zahlenangaben jeweils die Zahlungen pro betroffenem Versicherten (in 1.000 Euro). P schließlich bezeichnet die gesuchte Prämie (ebenfalls in 1.000 Euro). t=0

t=1

t=2

t=3

Prämieneinzahlungen

10 ⋅ P

9,6 ⋅ P

9,1 ⋅ P



Betriebsauszahlungen Versicherungsleistungen

10 ⋅ 1 –

9,6 ⋅ 1 0,4 ⋅ 100

9,1 ⋅ 1 0,5 ⋅ 100

– 9,1 ⋅ 100

Die Prämieneinzahlungen (erste Zeile) ergeben sich jeweils als Produkt der Zahl der noch lebenden Versicherten mit der gesuchten Prämie. Sie sinken also ebenso wie die Betriebs-

61

Rechnerisch gilt: 100.000 . 1,035-20 = 50.257

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

287

kosten (zweite Zeile) entsprechend der „planmäßigen Sterberate“ – makaber, aber so geht’s in der Versicherungsmathematik zu. Die Versicherungsleistungen (dritte Zeile) ergeben sich schließlich ganz analog in t = 1 und t = 2 aus der Zahl der im ersten bzw. zweiten Jahr Verstorbenen, multipliziert mit der Versicherungssumme von 100 Tausend. In t = 3 schließlich wird für alle im ersten oder im zweiten Jahr nicht Verstorbenen die Versicherungssumme von 100 Tausend fällig, sei es als neuerliche Todesfallleistung, sei es als Erlebensleistung. Legt man nun einen Rechnungszins von 3,5% zugrunde, so ergibt sich für die Barwerte aller Einzahlungen (BE) und Auszahlungen (BA): BE = 10 ⋅ P +

BA = 10 +

9, 6 ⋅ P 9,1 ⋅ P + 1, 035 1, 0352

= 27, 77 ⋅ P

49, 6 59,1 910 + + = 933,86 . 2 1, 035 1, 035 1, 0353

Aus der Gleichsetzung von BE und BA ermittelt sich dann die gesuchte Prämie: 933,86 27, 77 ⋅ P = 933,86 d.h. P = = 33, 628 . 27, 77 Die gesuchte Prämie beträgt also 33.628 Euro. 4.3.2.4 Überschussbeteiligung In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass einzelne oder alle dieser drei Prämienelemente gemessen an den tatsächlich eintretenden Belastungen zu hoch angesetzt werden. Man unterscheidet dabei im Einzelnen – Sterblichkeitsgewinne, die entstehen, weil die tatsächlich eingetretenen Versicherungsfälle de facto mit niedrigeren Belastungen verbunden waren, als der (vorsichtigen) Prämienkalkulation zugrunde gelegt wurde, – Kostenersparnisse im Vergleich zu den kalkulierten Kosten und – Verzinsungsgewinne, die dadurch entstehen, dass die Sparanteile zu einem höheren Zins als dem unterstellten Rechnungszinsfuß angelegt werden können. Übungsaufgabe 4.01: Angenommen, in dem zur Verdeutlichung des Sparanteils herangezogenen Beispiel der Phoenix-Versicherung könnte der Sparanteil tatsächlich zu 6% p.a. angelegt werden. Stellen Sie fest, um welchen Betrag der Sparanteil und damit insoweit auch die gesamte Einmalprämie zu hoch angesetzt worden ist!

Die so entstehenden Überschüsse sind auf Grund aufsichtsrechtlicher Vorgaben zu mindestens 90% den Versicherten im Rahmen der sogenannten Überschussbeteiligung gutzubringen. Folgendes Beispiel verdeutlicht schematisch die Entstehung derartiger Überschüsse.

288

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

Beispiel 4.02: Wir gehen von den Daten des Beispiels der Phoenix-Versicherung zur Prämienkalkulation aus. Bei einem planmäßigen Ablauf bezüglich Sterbequoten, Verzinsung und Verwaltungskosten würden sich Einzahlungen und Auszahlungen gerade die Waage halten und das in t = 3 verbleibende Vermögen genau ausreichen, um die dann noch fälligen Versicherungsleistungen von 910 Mio. Euro zu leisten.

Kann nun aber das Vermögen tatsächlich zu 5% (statt nur zu 3,5%) angelegt werden und betragen die Sterblichkeitsquoten in den ersten beiden Jahren tatsächlich nur 3% und 4,5% (statt der unterstellten 4% und 5%), so ergibt sich die folgende tatsächliche Vermögensentwicklung (Angaben in Mio. Euro; Klammerangaben: kalkulierte Vermögensentwicklung). Prämienzahlungen in Verwaltungskosten in

t = 0: t = 0:

336,28 10,00

(336,28) (10,00)

=

Vermögensanlage in

t = 0:

326,28

(326,28)

+ + ./. ./.

5% (3,5%) Zinsen Prämieneinzahlungen in t = 1: Verwaltungskosten in t = 1: Versicherungsleistungen in t = 1:

16,31 326,19 9,70 30,00

(11,42) (322,83) (9,60) (40,00)

=

Vermögensanlage in

t = 1:

629,08

(610,93)

+ + ./. ./.

5% (3,5%) Zinsen Prämieneinzahlungen in t = 2: Verwaltungskosten in t = 2: Versicherungsleistungen in t = 2:

31,45 311,06 9,25 45,00

(21,38) (306,01) (9,10) (50,00)

=

Vermögensanlage in

t = 2:

917,34

(879,22)

+ ./.

5% (3,5%) Zinsen Versicherungsleistungen in t = 3:

45,87 925,00

(30,78) (910,00)

=

Endvermögen in

38,21

(0,00)

./.

t = 3:

9.700 (9.600) Überlebende! 300 (400) Todesfälle!

9.250 (9.100) Überlebende! 450 (500) Todesfälle!

Bei dem jetzt unterstellten, gegenüber der Prämienkalkulation günstigeren Verlauf von Sterblichkeit und Verzinsung würde über die betrachteten Jahre hinweg also insgesamt ein Überschuss von gut 38 Mio. Euro erzielt. Damit besteht ein nicht unerhebliches Potenzial, das nach verschiedenen Varianten auf – die Versicherungsgesellschaft und deren Gesellschafter einerseits sowie – auf die verschiedenen Gruppen von Versicherten (Verstorbene, Überlebende) andererseits aufgeteilt werden kann. In der Praxis des Versicherungsgeschäfts wird die rechtlich vorgegebene 90%-Quote regelmäßig überschritten; in vielen Fällen werden sogar deutlich mehr als 95% der Überschüsse an die Versicherten weitergeleitet. Bezüglich der Art und Weise, in der die Überschussbeteiligung konkret erfolgt, sind im Wesentlichen die folgenden drei Grundvarianten zu unterscheiden:

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

289

(1) Laufende Weiterleitung Eine Möglichkeit besteht darin, den Versicherten die ihnen zuzurechnenden Überschussanteile auch laufend zahlungswirksam zukommen zu lassen. Dies kann entweder durch Barauszahlungen erfolgen oder in der häufiger praktizierten Weise, dass die Überschussanteile mit laufenden Beiträgen verrechnet werden. Im letztgenannten Fall wird dem Versicherten also per Saldo nur der um den Überschussanteil verminderte Nettobeitrag in Rechnung gestellt. Diese Variante ist insbesondere bei der Risikolebensversicherung verbreitet. (2) Erhöhung späterer Versicherungsleistungen Die zweite, insbesondere bei der Todes- und Erlebensfallversicherung praktizierte Möglichkeit besteht darin, dass die dem einzelnen Versicherten zugerechneten Überschussanteile nicht sofort an ihn gezahlt werden, sondern zu einer Erhöhung der Ansprüche des Versicherten gegenüber dem Versicherungsunternehmen führen. Bei Fälligkeit der Versicherung zahlt das Versicherungsunternehmen dann – die ursprünglich vereinbarte Versicherungssumme sowie – sämtliche im Zeitablauf aus der Vermehrung der Überschussgutschriften entstandenen Mehransprüche. Dabei sind insbesondere die folgenden zwei Varianten anzutreffen: Bei der verzinslichen Ansammlung werden die Überschussanteile von dem Versicherungsunternehmen zugunsten des Versicherten angelegt und bei der Beendigung der Versicherung durch Tod oder Ablauf – vermehrt um einen durch die Anlage erreichten bzw. zugerechneten Zuwachs, der mindestens einer Verzinsung in Höhe des Rechnungszinses entspricht – ausgezahlt. Beim Bonus-System werden die Überschussanteile zur Erhöhung der Versicherungssumme verwendet. Dazu wird auf der Basis des jährlichen Überschussanteils als Einmalprämie jeweils eine zusätzliche beitragsfreie Versicherung über die sogenannte Bonussumme abgeschlossen, die zum gleichen Zeitpunkt endet wie die ursprünglich abgeschlossene Grundversicherung. Aus den Boni später resultierende Überschussanteile werden dann – zusammen mit den Überschüssen aus der Grundversicherung – wiederum zur Begründung weiterer Bonussummen verwendet. Damit bestehen anders als bei der verzinslichen Ansammlung sämtliche Ansprüche aus der Versicherung aus Versicherungssummen – nämlich jener der Grundversicherung sowie denen der jährlich hinzukommenden Bonusversicherungen. Im Vergleich zur verzinslichen Ansammlung führt das Bonussystem daher zu höheren Versicherungsleistungen bei einem frühzeitigen Todesfall. Andererseits ist die bei planmäßigem Ende des Versicherungsvertrags fällige Ablaufleistung wegen der zusätzlichen Risikoanteile, die in den aus den jährlichen Überschussanteilen gedeckten Einmalprämien enthalten sind, niedriger. (3) Abkürzung der Laufzeit Bei der Todes- und Erlebensfallversicherung (sowie prinzipiell auch bei Leibrentenversicherungen mit aufgeschobener Rentenzahlung; s.o.) besteht eine weitere Variante der Überschussbeteiligung schließlich darin, dass die laufenden Überschussanteile zu einer Verkürzung der Laufzeit führen. Dies erfolgt im Prinzip in der Weise, dass die Überschussanteile ebenfalls angelegt werden. Die Versicherung endet dann, sobald – die aufgezinsten Sparanteile aus der laufenden Prämie und – die aufgezinsten Überschussanteile

290

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

zusammen die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme erreicht haben. Bei einem vorzeitigen Todesfall ergibt sich die Versicherungsleistung dementsprechend aus der vereinbarten Todesfallsumme zuzüglich der bis dahin aufgezinsten Überschussanteile. Überschussbeteiligung

Laufende Weiterleitung

Barauszahlung

Abb. 4.01:

Beitragsverrechnung

Erhöhung späterer Versicherungsleistungen bei fester Laufzeit

Verzinsliche Ansamm lung

Bonus-System

Abkürzung der Laufzeit

Verzinsliche Ansamm lung

Bonus-System

Grundvarianten der Überschussbeteiligung

Übungsaufgabe 4.02: Gehen Sie von den der Übungsaufgabe 4.01 zugrundeliegenden Daten aus (Versicherungssumme 100.000 Euro, Laufzeit 20 Jahre, in der Einmalprämie enthaltener Sparanteil 50.257 Euro, Rechenzins 3,5%) und nehmen Sie – abweichend von realen Gegebenheiten an – der in Übungsaufgabe 4.01 berechnete Differenzbetrag von 19.077 würde dem Versicherungsvertrag sofort als Überschussanteil gutgeschrieben!

a) Wie hoch wäre die Versicherungsleistung bei Ablauf des Vertrages, wenn sich auch der Überschussanteil zu 6% verzinst? b) Nach wievielen Jahren wäre der Sparanteil von 50.257 Euro erstmals auf einen Betrag von 100.000 Euro angewachsen? Um wieviele Jahre könnte die Laufzeit also insoweit bei tatsächlich 6%-iger Verzinsung verkürzt werden? c) Begründen Sie, warum die Verwendung der Überschussanteile zur Laufzeitabkürzung bei der reinen Risikoversicherung keinen Sinn macht! Wie müsste hier eine sinnvolle Ver-knüpfung von Überschussbeteiligung und Laufzeitvariation aussehen? d) Die Teilhabe an Überschüssen in Form von Barauszahlungen, Beitragssenkungen, der verzinslichen Ansammlung oder des Bonus-Systems ist für jeden Versicherten im Vergleich zu der Situation ohne eine solche Überschussbeteiligung offensichtlich vorteilhaft. Gilt das auch so eindeutig für die Abkürzung der Laufzeit, wenn unterstellt wird, dass die im Leistungsfall erfolgende Zahlung auf jeden Fall der fixierten Versicherungssumme entspricht?

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

4.3.3

291

Besonderheiten fondsgebundener Lebensversicherungen

Als Reaktion auf die zunehmenden Absatzerfolge verschiedener Investmentfonds brachten mehrere Versicherungsunternehmen Anfang der siebziger Jahre die sogenannte fondsgebundene Lebensversicherung auf den Markt, die als Mischform aus der traditionellen Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall und der Vermögensanlage in Investmentzertifikaten konzipiert ist. In seiner Grundstruktur ist dieser Typ von Lebensversicherung durch die folgenden drei Merkmale gekennzeichnet: •

Es handelt sich um Versicherungen auf den Todes- und Erlebensfall mit in aller Regel laufenden Prämienzahlungen. • Die in den Prämien enthaltenen Sparanteile werden in Anteilen an einem offenen Investmentfonds im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) angelegt. Dabei kann es sich sowohl um Spezialfonds, die in enger Abstimmung mit dem Versicherungsunternehmen verwaltet werden, als auch um Publikumsfonds handeln. Alternativ besteht für das Versicherungsunternehmen auch die Möglichkeit, selbst ein Sondervermögen nach den Vorschriften des KAGB zu bilden. Etwaige Ausschüttungen werden in allen Fällen wieder in das Sondervermögen, den sogenannten Anlagestock, reinvestiert. • Der speziellen Anlage der Sparanteile entsprechend richtet sich auch die Höhe der Versicherungsleistung grundsätzlich nach der Wertentwicklung des Anlagestocks. Bezüglich der näheren Ausgestaltung entsprechender Versicherungsverträge unterscheiden sich einzelne Verträge vor allem in folgenden Merkmalen: Laufende Beitragszahlungen Während der Versicherungsdauer sind im Normalfall Beiträge in gleichbleibender Höhe zu entrichten. Der darin enthaltene Sparanteil wird dann jeweils in Anteilen des Sondervermögens angelegt. Dabei schwankt die Zahl der so erworbenen Anteile in Abhängigkeit von dem jeweiligen Kurswert des Sondervermögens. Dabei tritt der als Cost Averaging bezeichnete Effekt auf, dass bei niedrigen Kursen jeweils mehr, bei hohen Kursen weniger Anteile erworben werden. Beispiel 4.03: Der in dem Sparbeitrag einer fondsgebundenen Lebensversicherung enthaltene Sparanteil belaufe sich in den ersten drei Versicherungsjahren jeweils auf 9.000 Euro pro Jahr. Die Einstandskurse pro Anteil des Anlagestocks weisen in dieser Zeit Werte von 45 Euro, 40 Euro und 50 Euro auf. Mithin werden dem Anleger in diesen Jahren zunächst 200, dann 225 und zuletzt nur 180 Anteilseinheiten zugerechnet. Der durchschnittliche Einstiegskurs für die insgesamt 605 Anteilseinheiten liegt also nicht bei 45 Euro, sondern mit 27.000 : 605 = 44,63 Euro etwas niedriger.

Seltener hingegen ist der Fall anzutreffen, dass die laufenden Beiträge durch die vertragliche Festlegung einer festen Anzahl von Anteilseinheiten bestimmt werden. Der Versicherte muss dann jeweils einen Beitrag in Höhe des Kurswertes der vereinbarten Anzahl von Anteilen entrichten. Die jährlichen Zahlungen schwanken also entsprechend der Kursentwicklung der Anteile.

292

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

Beispiel 4.04: Wir gehen von den Daten des vorherigen Beispiels aus, unterstellen jetzt aber, der Jahresbeitrag sei auf den Gegenwert von 200 Anteilen festgelegt. Die erforderlichen Prämienzahlungen in den ersten drei Jahren betragen dann 9.000 Euro, 8.000 Euro und 10.000 Euro. Versicherungsleistung im Erlebensfall Im Erlebensfall wird dem Versicherten der Gegenwert aller Anteile, die ihm während der Versicherungsdauer zugerechnet worden sind, bar ausgezahlt. Oft hat der Versicherte das Wahlrecht zwischen der Barauszahlung des Anteilsgegenwertes oder der effektiven Auslieferung von Wertpapieren (i.d.R. Investmentzertifikaten) in entsprechender Anzahl. Im Falle der sogenannten Sachleistung wird diese allerdings um den Gegenwert der durch die Übertragung entstehenden Transaktionskosten gekürzt. Versicherungsleistung im Todesfall Hinsichtlich der Versicherungsleistung im Todesfall sind verschiedene Varianten denkbar:





Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Begünstigten Anspruch auf den Gegenwert der erreichten Anteilszahl haben, wenigstens jedoch auf eine vereinbarte MindestTodesfallsumme. Diese Risikoleistung wird – analog zu den laufenden Beitragszahlungen – z.T. auch durch die Festlegung einer bestimmten Anzahl von Anteilen ausgedrückt. Eine andere Variante besteht darin, dass die vereinbarte Todesfallsumme zusätzlich zu dem Anteilsgegenwert ausgezahlt wird.

Beispiel 4.05: Tritt in dem zuletzt betrachteten Beispielsfall zu Beginn des vierten Jahres der Todesfall ein und beläuft sich der dann maßgebliche Wert eines Anteils auf 52 Euro, so beträgt der entsprechende Anteilsgegenwert 605 ⋅ 52 = 31.460 Euro. In Abhängigkeit von der Vereinbarung für den Todesfall ergeben sich dann folgende Zahlungsbeträge: (1) Mindesttodesfallsumme 30.000 Euro Auszahlung des Anteilsgegenwertes von 31.460 Euro (2) Mindesttodesfallsumme 40.000 Euro Auszahlung der Mindestsumme von 40.000 Euro (3) Additive Todesfallsumme 20.000 Euro Auszahlung von 51.460 Euro (Anteilswert + Todesfallsumme)



Bezüglich der konkreten Erfüllung des Versicherungsanspruchs kann allerdings wiederum das Wahlrecht zwischen Geld- und Sachleistungen vereinbart werden. In der Praxis sind im Einzelnen vielfältige Kombinationen dieser Merkmale sowie auch Kombinationen mit traditionellen Formen der Lebensversicherung anzutreffen. Zudem wird regelmäßig auch eine Überschussbeteiligung gewählt, die jedoch naturgemäß erheblich geringer ausfällt als bei einer traditionellen Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall, weil die Überschüsse nur aus Sterblichkeitsgewinnen und Kostenersparnissen herrühren können, nicht jedoch aus der sonst so bedeutenden Quelle der Zinsgewinne.

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

293

Insgesamt stellen die fondsgebundenen Lebensversicherungen in Neuabschlüssen und besonders im Bestand nur einen geringen Teil des gesamten Volumens an Lebensversicherungsverträgen dar, was allerdings nicht ausschließt, dass dieses Produkt für einzelne Anbieter von erheblicher Bedeutung ist. Bis in die neunziger Jahre hinein wurde die Verschmelzung zweier recht unterschiedlicher Finanzdienstleistungen, nämlich – der primär auf Sicherheit abzielenden Lebensversicherung und – der mit Kursrisiken verbundenen Wertpapieranlage zu einem neuen, synthetischen Produkt vom Anlegerpublikum mit einem Neugeschäftsanteil von nur 0 bis 3% sehr zurückhaltend aufgenommen. Doch im Gefolge der Börsenhausse waren beträchtliche Marktanteilsgewinne zu beobachten, die im Neugeschäft je nach Börsenlage – gleichsam standesgemäß – freilich entsprechend schwanken.

4.3.4

Neuere Tarifentwicklungen im Spannungsfeld von Rechnungszinsfuß und Niedrigzinsphase

Im Zuge einer länger anhaltenden, ausgeprägten Niedrigzinsphase ist das jahrzehntelang praktizierte System der Zusage von („garantierten“) Versicherungsleistungen auf Basis des Rechnungszinsfußes innerhalb wie außerhalb der Assekuranz in Frage gestellt worden. Die ökonomische Brisanz der solchermaßen ermittelten Versicherungsleistung erkennt man, wenn man sich die finanzwirtschaftliche Qualität dieser Leistung vergegenwärtigt: Das Versicherungsunternehmen verspricht dem Versicherungsnehmer einer Kapitallebensversicherung während des gesamten Zeitraums der Versicherungslaufzeit von regelmäßig mehreren Jahrzehnten – im Gewand der Rentenversicherung faktisch häufig mehr als ein halbes Jahrhundert – eine Verzinsung all seiner Sparleistungen (schon geleistete wie noch zu leistende!) mit einem für die gesamte Zeit festen, einheitlichen Zinssatz. Dieser beträgt je nach Abschlussjahr bis zu 4,0% (Rechnungszinsfuß, der für Verträge der Abschlussjahrgänge 1994 bis 2000 gilt.) In der Vergangenheit erschienen diese Zusagen weniger mutig als sie heute in der Tat anmuten, war doch das Niveau des Rechnungszinsfußes stets erheblich geringer als das „am Kapitalmarkt“ – sprich: hier dem Markt für langlaufende Fremdfinanzierungstitel erstklassiger Bonität – herrschende Renditeniveau. So war etwa in der ersten Hälfte der neunziger Jahre im vereinigten Deutschland die Rendite von Bundesanleihen rund doppelt so hoch wie der Rechnungszinsfuß. Dieses nur scheinbar beruhigende Verhältnis hat sich im Laufe der Jahre dramatisch verkehrt: Mit Bundesanleihen war teils kaum mehr als die Hälfte des – wenngleich (nur) für neue Verträge beträchtlich herabgesenkten – Niveaus des Rechnungszinsfußes zu erwirtschaften. Dem Drohpotential dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, stehen der Assekuranz naturgemäß nur eingeschränkte Möglichkeiten zu Gebot – eben weil die rechtswirksamen Zusagen aus bestehenden Verträgen nicht einseitig geändert werden können (das kann allenfalls die Versicherungsaufsicht bzw. der Gesetzgeber) und die Wirkungen einer Herabsenkung des Zinsfußes neuer Verträge erst mit langjähriger Verzögerung eine wesentliche Wirkung zu entfalten vermögen. Nichtsdestoweniger wollen wir einen in den zehner Jahren kreierten Tarif, der wohl als tariflicher Lösungsansatz der geschilderten Problematik eingestuft werden darf, kurz betrachten, und zwar am Beispiel des Tarifes „E 170“ („Zukunftsrente Perspektive“) des Marktführers Allianz Lebensversicherungs-AG, dessen hier wesentliche Bestimmungen im Folgenden aus

294

4 Vermögensanlage bei Banken und Versicherungen

den Tarifbedingungen (in verkürzten Auszügen, mit hinzugefügten Hervorhebungen im Kursivdruck) wiedergegeben seien: Wenn die versicherte Person am vereinbarten Rentenbeginn lebt, zahlen wir eine der Höhe nach ab diesem Zeitpunkt garantierte Rente, solange die versicherte Person lebt. … Die Höhe der Rente berechnen wir zum Zeitpunkt des Rentenbeginns aus dem zum Rentenbeginn vorhandenen Gesamtkapital und mit den zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Rechnungsgrundlagen. Wenn die zum Zeitpunkt des Rentenbeginns berechnete Rente geringer ist als die im Versicherungsschein genannte garantierte Mindestrente, zahlen wir die garantierte Mindestrente. … Zum Rentenbeginn steht als Deckungskapital … mindestens die Summe der vereinbarten Beiträge zur Altersvorsorge für die Bildung der Rente zur Verfügung (Garantiekapital). Ein das Garantiekapital übersteigendes Deckungskapital können wir nicht verbindlich zusagen. Maßgebende Rechnungsgrundlagen sind der Rechnungszins und die Sterbetafel, die wir in der Beitragskalkulation zum Zeitpunkt des Rentenbeginns für neu abzuschließende vergleichbare Rentenversicherungen mit sofort beginnender Rentenzahlung bei uns verwenden. … Wenn wir zum Rentenbeginn keine vergleichbaren Rentenversicherungen … anbieten, verpflichten wir uns, Rechnungsgrundlagen festzulegen, die nach anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelt werden und die wir deshalb als angemessen ansehen und die sicherstellen, dass wir dauerhaft unsere Verpflichtungen aus den Verträgen erfüllen können. Diese Tarifinnovation enthält im Vergleich zu herkömmlichen Rentenversicherungstarifen damit folgende Besonderheiten: •

Die Höhe der – wie auch bisher üblich von Vertragsbeginn an mit einem betragsmäßigen Minimum garantierten – Rente wird zum Beginn der Rentenphase im Lichte des dann vorhandenen „Gesamtkapitals“ (nicht wie üblich aus dem Deckungskapital) neu justiert. Dies erfolgt zur Basis des dann gültigen Rechnungszinses, also nicht wie üblich mit dem bei Vertragsabschluss gültigen Niveau. (Wie die anfänglich zugesagte „garantierte Mindestrente“ ermittelt wird, geht aus den Bedingungen nicht hervor.) • Wie bisher auch, wird bei Vertragsabschluss ein bestimmtes Minimalniveau des bei Rentenbeginn vorhandenen Deckungskapitals garantiert („Garantiekapital“). Jedoch wird dieses nicht mehr als Summe der mit dem Rechnungszinsfuß aufgezinsten Sparanteile (vgl. insoweit Abschnitt 4.3.2.3, Beispiel 4.01) ermittelt, sondern als die schlichte, nicht aufgezinste Summe dieser Sparanteile. Qualitativ ändert sich damit aus Sicht des Versicherungsnehmers vordergründig eigentlich gar nicht so viel: Ihm wird wie bisher eine – wenngleich anders berechnete – Mindestrente zugesagt, während die Möglichkeit offenbleibt, dass das dereinst tatsächliche Rentenniveau bei hinreichend gutem Geschäftsverlauf entsprechend höher ausfallen wird. Exakt so wird es ja bei den herkömmlichen Tarifen seit jeher praktiziert, weil bislang wohl fast jeder Renten-

4.3 Lebensversicherungsverträge als Vermögensanlage

295

versicherungsnehmer in der Rentenphase mehr als die einstmals garantierte Mindestrente empfangen dürfte. Quantitativ ändert sich freilich einiges: Statt einer Verzinsung wird lediglich der Erhalt der Sparanteile für das „Kapital“ zum Rentenbeginn – und damit weniger als die Summe der Versicherungsprämien – zugesagt, die dann Basis einer ebenfalls numerisch in keiner Weise garantierten Berechnung der Rente sein wird. Aus Sicht des Versicherungsgebers sinkt damit aber das Risiko, die zugesagten Leistungen womöglich gar nicht erbringen zu können, ganz beträchtlich. Denn das zum Rentenbeginn garantierte Kapitalniveau wird ja schon dann erreicht, wenn es nur gelingt, die Sparanteile verlustfrei anzulegen. Somit ist der Tarif wiederum grundsätzlich geeignet, die Stabilität des Lebensversicherungswesens zu stärken und besitzt insoweit eine Eigenschaft, die natürlich für sämtliche Lebensversicherten wünschenswert ist – und die auch jenen zugutekommt, die noch in einem „Hochzinstarif“ versichert sind.

5

Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

5.1

Vorbemerkung

Wir wollen uns in diesem Abschnitt mit einer weiteren Gruppe von Wertpapier-Derivaten beschäftigen und dabei wie folgt vorgehen: Im Abschnitt 5.2 wird zunächst der Gegenstand unserer Betrachtungen, eben börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte, näher präzisiert. Zudem werden – teilweise in Wiederholung bereits aus den Abschnitten 2.7, 3.4 und 3.6 bekannter Sachverhalte – einige für das Folgende erforderliche Grundbegriffe erläutert. Im Abschnitt 5.3 wird dann zunächst ein einführender Überblick über die aus den hier betrachteten Termingeschäften resultierenden Risiken und Chancen vermittelt; anschließend werden einige besonders prägnante anlagestrategische Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt. Ein Teil dieser Überlegungen gilt im Übrigen nicht nur für die betrachteten börsenmäßigen Wertpapiertermingeschäfte, sondern kann analog auch auf das Engagement in anderen Derivatarten, z.B. Optionsscheinen der schon aus dem Abschnitt 3.4 bekannten Art, übertragen werden. Im Abschnitt 5.4 schließlich wird ein erster Einblick in die institutionelle Ausprägung des Termingeschäfts an einer der größten Terminbörsen der Welt vermittelt, der von der EUREX Frankfurt AG betriebenen „EUREX Deutschland“, einer öffentlich-rechtlichen Börse nach deutschem Recht. Ein Großteil der vorgestellten Regelungen ist an anderen Terminbörsen in ähnlicher Weise anzutreffen.

5.2

Grundbegriffe

5.2.1

Der Abschluss von Wertpapiertermingeschäften

Ein Termingeschäft ist ganz allgemein dadurch gekennzeichnet, dass zwischen – dem Vertragsabschluss, d.h. der Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung, und – der Erfüllung des Vertrages, d.h. der Erbringung der vereinbarten Leistungen, vereinbarungsgemäß eine größere Zeitspanne liegt, als zur rein technischen Abwicklung des Geschäftes nötig ist. Solche Geschäfte können sich auf die unterschiedlichsten Gegenstände, etwa Rohstoffe, Edelmetalle oder Devisen beziehen. Unsere nachfolgenden Ausführungen beschränken sich allerdings auf Wertpapier-Termingeschäfte.62 Darunter verstand man 62

Der Wortteil „Wertpapier“ bezieht sich hier also auf den Gegenstand des Geschäftes, sagt jedoch nichts über eine etwaige Verbriefung als Wertpapier aus.

298

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

ursprünglich solche Vereinbarungen, die darauf ausgerichtet sind, zu einem wohl definierten späteren Zeitpunkt – ggf. nur bei Eintritt bestimmter Bedingungen – ein Wertpapier definitiv zu liefern. Inzwischen hat sich das Begriffsverständnis allerdings dahingehend ausgeweitet, dass auch solche Geschäfte als „Wertpapiertermingeschäfte“ bezeichnet werden, bei denen es gar nicht mehr um die effektive Lieferung von Wertpapieren geht, sondern Zahlungsvereinbarungen63 getroffen werden, deren Ausmaß davon abhängt, welchen Kurs das als Referenz vereinbarte Wertpapier oder auch ein durch einen Index abgebildeter Korb von mehreren Wertpapieren bei Fälligkeit des Kontraktes hat. Solche auf effektive Lieferung oder Zahlungsausgleich gerichtete Vereinbarungen können auf unterschiedliche Weise „ins Leben gerufen“ werden. •

Eine Möglichkeit haben wir schon in den Abschnitten 3.4 und 3.6 bei der Ausgabe von Optionsscheinen oder Anlagezertifikaten kennengelernt. Hier legt ein Emittent sämtliche Konditionen des Terminkontraktes – allenfalls nach Absprache mit einem die Emission begleitenden Bankenkonsortium – einseitig fest und bietet die entsprechenden Kontrakte in Form klein gestückelter Wertpapiere einem mehr oder weniger anonymen Anlegerpublikum zum Kauf an. Wenn die ersten Zeichner solcher Papiere diese dann möglicherweise vor Fälligkeit weiterveräußern, so ändert das nichts mehr an dem darin verbrieften Terminkontrakt; die daraus resultierenden Rechte „wandern“ nur von einem Anleger zu dem nächsten. • Eine zweite Möglichkeit Terminkontrakte abzuschließen, besteht darin, dass sich zwei Geschäftspartner ganz individuell über Gegenstand, Laufzeit, Liefer- und Zahlungsbedingungen etc. verständigen und einen entsprechenden Vertrag schließen. Dabei bestehen im Detail noch einmal zwei grundlegende Varianten für den Abschluss solcher Individualvereinbarungen. – Zum einen können sich zwei Geschäftspartner ganz nach ihren jeweiligen Zielen und Bedürfnissen auf einen Terminkontrakt einigen, ohne in nennenswertem Umfang über die ganz allgemeinen Rechtsvorschriften hinausgehende Einschränkungen beachten zu müssen. Solche Vereinbarungen werden im Fachjargon – in einem eigentlich nicht sonderlich treffenden Bild – auch als OTC-Geschäfte („over the counter“) bezeichnet. – Zum anderen ist es aber auch möglich, solche Kontrakte innerhalb des durch eine Terminbörse vorgegebenen institutionellen Rahmens abzuschließen. Diese Möglichkeit besteht zunächst nur für den – gemessen an der Zahl aller Anleger – sehr kleinen Kreis zum Handel an einer solchen Börse zugelassenen Personen. Die zugelassenen Marktteilnehmer können jedoch – genau wie an den traditionellen „Kassa“-Börsen neben Eigengeschäften auch Aufträge ihrer Kunden – wenn auch im eigenen Namen – in das Börsengeschehen einbringen. Somit stehen auch die börsenmäßig organisierten Wertpapiertermingeschäfte durchaus einem breiten Anlegerpublikum offen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur noch auf solche Wertpapiertermingeschäfte, die in einem börsenmäßig organisierten Rahmen abgeschlossen werden. Aus der vorgenommenen Verdeutlichung wird zugleich ein weiterer Unterschied zwischen den an den klassischen Kassabörsen und den Terminbörsen getätigten Geschäften deutlich: 63

Die Differenzierung zwischen „physical settlement“ und „cash settlement“ haben wir schon im Abschnitt 3.4 vorgestellt.

5.2 Grundbegriffe •



299

Kassabörsen sind in der Tat – so wie man das aus den gängigen Funktionsbeschreibungen von Börsen kennt – Handelsplätze, d.h. sie dienen der „Wanderung“ bereits bestehender Wertpapiere von deren bisherigen Eigentümern zu neuen Eigentümern. Die Handelsobjekte, also die Wertpapiere, ändern sich durch diese Handelsaktivitäten weder in ihrer Zahl noch in ihrer Qualität. Das entspricht ja auch der primären Aufgabe der Kassabörsen, nämlich Anlegern die Möglichkeit zu geben, sich unabhängig von dem Emissionsverhalten der entsprechenden Unternehmen in deren Wertpapieren finanziell zu engagieren und derartige Engagements auch unabhängig von der (bei Aktien a priori gar nicht definierten) Laufzeit der Papiere jederzeit kurzfristig beenden zu können. Selbstverständlich werden an den Kassabörsen zunächst Verträge abgeschlossen. Diese haben jedoch ausgesprochen ephemeren Charakter als kurzfristige Durchgangssituation auf dem Wege zum eigentlichen Ziel des Börsengeschäfts – der Übertragung der fraglichen Wertpapiere von den bisherigen zu den neuen Eigentümern. Ganz anders verhält es sich bei den Terminbörsen. Deren Tätigkeit ist in allererster Linie auf die Begründung neuer Verträge gerichtet und gerade nicht auf den Handel bereits existierender Wertpapiere. 64 Vereinbaren also etwa zwei Banken im Rahmen einer Terminbörse ein Optionsgeschäft, so ist nach erfolgtem Geschäftsabschluss ein Optionskontrakt mehr „in der Welt“ als zuvor. Die Terminbörsen bieten auch nicht die Möglichkeit, die aus einem solchen Individualvertrag resultierenden Ansprüche weiter zu verkaufen oder die entsprechenden Verpflichtungen an einen anderen Marktteilnehmer zu übertragen. Allerdings haben die Terminbörsen einen anderen Weg gefunden, die durch die primären Geschäftsabschlüsse aufgebauten Engagements durch den Abschluss entsprechender Gegengeschäfte „glattzustellen“, also vor Fälligkeit zu beenden. Wir werden darauf im Abschnitt 5.4 noch näher eingehen.

5.2.2

Fixgeschäfte und Optionen

Nach dem Verpflichtungsgrad der getroffenen Vereinbarungen werden zwei grundlegende Kategorien von „Wertpapier“-Termingeschäften unterschieden, Fix- und Optionsgeschäfte. (1) Fixgeschäfte Bei einem Fixgeschäft in der traditionellen Prägung mit effektiver Lieferung („physical settlement“) gehen die Vertragspartner die unbedingte Verpflichtung ein, das vereinbarte Wertpapier (den „Basiswert“ oder „Basistitel“) zu einem festgelegten Termin – als Terminverkäufer zu liefern und den ebenfalls fest vereinbarten Kaufpreis entgegenzunehmen bzw. – als Terminkäufer abzunehmen und den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen.

64

Zu einem „Handel“ kommt es lediglich insoweit, wie Geschäfte überhaupt auf eine effektive Lieferung ausgerichtet sind und dann auch wirklich zur Erfüllung kommen, was – wie wir noch sehen werden – die eher seltene Ausnahme darstellt. Und selbst wenn dieser Fall einmal eintritt, liegt ein Handel in den als Basistitel vorgesehen Wertpapieren vor, nicht jedoch in wie auch immer gearteten Terminkontrakten.

300

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

In der „moderneren“ Variante des reinen Zahlungsausgleichs („cash settlement“) läuft ein Fixgeschäft demgegenüber auf folgende wechselseitige Zahlungsverpflichtungen zwischen den auch in diesem Fall häufig noch als „Käufer“ bzw. „Verkäufer“ bezeichneten Vertragspartnern hinaus: •

Für den Fall, dass der dann maßgebliche Kurs des Basistitels oberhalb des vereinbarten Terminpreises liegt, erhält der „Käufer“ eine Zahlung in Höhe dieser Kursdifferenz. • Liegt umgekehrt der maßgebliche Kurs des Basistitels unterhalb des Terminpreises liegt, so erhält der „Verkäufer“ eine Zahlung in Höhe dieser Differenz.65 Für den Fall des Zahlungsausgleichs können die wechselseitigen Ansprüche und Verpflichtungen der beiden Partner eines Fixgeschäfts in der bereits aus Abschnitt 3.4 bekannten Weise durch die folgenden „einfachen“ Zahlungsprofile verdeutlicht werden, bei denen C den Kurs des Basistitels bei Fälligkeit bezeichnet, B den vereinbarten Terminpreis und R den Zahlungsanspruch des jeweiligen Vertragspartners (R > 0) bzw. die entsprechende Zahlungsverpflichtung (R < 0).66

Abb. 5.01:

Zahlungsprofile von Fixgeschäften mit Zahlungsausgleich

Fixgeschäfte – sei es mit effektiver Lieferung, sei es mit Zahlungsausgleich – die innerhalb des institutionellen Rahmens einer Terminbörse abgeschlossen werden können, werden – im Gegensatz zu den nicht börsenmäßig standardisierten Forwards – inzwischen allgemein als Futures bezeichnet. Dabei ist es üblich, diese Kontraktarten nach den ihnen zugrunde liegenden Basistiteln zu benennen. So ist etwa der „Bund-Future“ ein Terminkontrakt, der auf bestimmte Anleihen der Bundesrepublik Deutschland bezogen ist, oder der „DAX-Future“, ein auf den Stand des „Deutschen Aktienindex DAX“ bezogenes Fixgeschäft.

65 66

In dieser Ausprägung werden Fixgeschäfte traditionell auch als Differenzgeschäfte, modern als CFDs („Contracts for Difference“) bezeichnet. Diese Zahlungsprofile können auch auf den Fall der effektiven Lieferung übertragen werden, wenn man unterstellt, dass – der Terminkäufer den ihm gelieferten Basistitel zeitgleich wieder am Fälligkeitstermin veräußert und – sich der Terminverkäufer den zu liefernden Basistitel erst durch einen entsprechenden (Kassa-)Kauf zum Fälligkeitstermin beschafft.

5.2 Grundbegriffe

301

(2) Optionsgeschäfte Während Fixgeschäfte in dem Sinn als „symmetrisch“ angesehen werden können, dass beide Seiten sowohl (unbedingte) Zahlungs- und/oder Leistungsverpflichtungen übernehmen als auch (ebenfalls unbedingte) Zahlungs- und/oder Leistungsansprüche erhalten, stellen Optionsgeschäfte „asymmetrische“ Vereinbarungen dar, wie wir schon im Abschnitt 3.4 über Optionsscheine gesehen haben. Für den Fall der effektiven Lieferung steht dem Inhaber der Option das Wahlrecht zu, – den vereinbarten Basistitel zu dem festgelegten Basispreis zu kaufen („Kaufoption“ oder „call“) bzw. zu verkaufen („Verkaufsoption“ oder „put“) – oder die Option verfallen zu lassen. Sein Vertragspartner, der „Stillhalter“, ist demgegenüber verpflichtet, dem Wunsch des Optionsberechtigten zu folgen, also ggf. den Basistitel zu liefern (call) bzw. abzunehmen (put). Im Fall des Zahlungsausgleichs kann der Inhaber des Optionsrechtes demgegenüber von seinem Vertragspartner eine Zahlung in Höhe der Differenz – zwischen dem (höheren) Kurs des Basistitels bei Fälligkeit und dem Basiskurs (Kaufoption) bzw. – zwischen dem Basiskurs und dem (niedrigeren) Kurs des Basistitels bei Fälligkeit (Verkaufsoption) verlangen oder die Option verfallen lassen. Die Zahlungsprofile solcher Optionskontrakte haben mithin das folgende, schon aus Abschnitt 3.4 bekannte Aussehen.

Abb. 5.02:

Zahlungsprofile bei Optionsgeschäften

Obwohl es sich dabei, wie wir schon gesehen haben, gar nicht um einen Kaufvertrag handelt, wird der börsenmäßige Abschluss solcher Optionsgeschäfte im Börsenjargon – aus Sicht des Optionsberechtigten als „Kauf“ und – aus Sicht des Stillhalters als „Verkauf“ bezeichnet, die beiden Vertragspartner dementsprechend auch als „Käufer“ bzw. „Verkäufer“. Ungeachtet der damit verbundenen begrifflichen Unschärfen werden wir diesem weithin üblichen Sprachgebrauch in den weiteren Ausführungen zum Teil ebenfalls folgen.

302

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Im angelsächsischen Sprachraum wird die Position des so verstandenen „Käufers“ einer Option mit dem neutraleren Begriff „long“ belegt, während die Stellung des Stillhalters als „short“ bezeichnet wird. So ist mit „short call“ („long put“) etwa die Position des Stillhalters einer Kaufsoption (Inhaber einer Verkaufsoption) gemeint. Wie die in Abbildung 5.02 dargestellten Zahlungsprofile erkennen lassen, hat der Optionskäufer bei Fälligkeit lediglich (Zahlungs-)Ansprüche, der Stillhalter nur (Zahlungs)Verpflichtungen. Ein solches Geschäft wird daher nur zu Stande kommen, wenn der „Käufer“ dem „Verkäufer“ einen Anreiz bietet, sich auf eine solche Position einzulassen. Dies erfolgt üblicherweise dadurch, dass der „Käufer“ dem „Verkäufer“ unmittelbar bei Vertragsabschluss eine entsprechende „Prämie“67 (Optionspreis) zahlt. Diese Prämie ist bei gegebenem Kurs des Basistitels tendenziell – wenn auch nicht zwingend – umso höher – je länger die Laufzeit der Option ist, – je größer die „Volatilität“, d.h. das (auf Grund von Vergangenheitsbeobachtungen) für möglich erachtete Ausmaß von Kursschwankungen des Basiswertes ist, – je niedriger bei einer Kaufoption bzw. je höher bei einer Verkaufsoption der vereinbarte Basispreis ist, und – je höher der Zinssatz für eine sichere Alternativanlage ist. Je nach der Größenrelation zwischen Basispreis und aktuellem Kassakurs des Basistitels unterscheidet man dabei häufig die folgenden drei Konstellationen: – Eine Kaufoption/Verkaufsoption ist „im Geld“ (in the money), wenn der Kassakurs (deutlich) über/unter dem Basispreis liegt, – sie ist „aus dem Geld“ (out of the money), wenn der Kassakurs (deutlich) unter/über dem Basispreis liegt, und – „am Geld“ (at the money), wenn der Kassakurs (in etwa) mit dem Basispreis übereinstimmt.

5.3

Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

5.3.1

Grundlegende Ergebnisprofile

5.3.1.1 Vorbemerkung Erfolg oder Misserfolg einmal abgeschlossener Termingeschäfte hängen in erster Linie von der Kursentwicklung des Basiswertes ab. Um diese Zusammenhänge und die damit verknüpften anlagestrategischen Möglichkeiten von Termingeschäften in ihren elementaren Grundlagen zu verdeutlichen, gehen wir von folgenden vereinfachenden Annahmen aus:

67

Das Wort „Prämie“ wird im Zusammenhang mit Optionsgeschäften in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Neben dem Optionspreis kann damit auch die – häufiger als „Zeitwert“ bezeichnete – Differenz zwischen dem Optionspreis und dem sogenannten „inneren Wert“ einer Option gemeint sein. Der innere Wert ist ein rechnerisches Konstrukt und gibt – für den Fall des Zahlungsausgleichs – den Betrag an, den der Inhaber der Option den Zahlungsprofilen nach Abb. 5.02 entsprechend erhielte, wenn das Geschäft zu dem gerade aktuellen Kassakurs des Basistitels abgerechnet würde.

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften •

303

Der Anleger schließt im Ausgangszeitpunkt ein Termingeschäft über einen Basistitel ab, der sich nicht schon in seinem Bestand befindet. Bis zum Ende der Kontraktlaufzeit tätigt er auch keine weiteren Transaktionen in dem Basistitel. • Beim Abschluss eines Fixgeschäftes erfolgen zunächst gar keine Zahlungen; bei Abschluss eines Optionsgeschäfts wird die vereinbarte Prämie sofort beglichen. Es bestehen keinerlei Verpflichtungen zur Hinterlegung von Sicherheiten oder ähnliche Auflagen. • Alle Kontrakte werden bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit gehalten; eine vorzeitige Glattstellung oder Ausübung (bei Optionen) sei ausgeschlossen. • Beide Vertragspartner kommen den übernommenen Verpflichtungen auf jeden Fall fristgerecht nach. Wir abstrahieren also zunächst von dem sog. „Erfüllungsrisiko“. (Wir werden darauf im Abschnitt 5.4 noch einmal zurückkommen.) • Soweit es zur Erfüllung des Terminkontraktes der effektiven Lieferung des Basistitels bedarf, werden die entsprechenden Wertpapiere zu dem auch für die Abrechnung des Termingeschäfts maßgeblichen Kassakurs des Basistitels beschafft; der Empfänger andererseits verkauft die ihm zu liefernden Papiere ebenfalls zu diesem Kurs. In diesem Fall lassen sich Geschäfte mit effektiver Lieferung und solche mit Zahlungsausgleich durch die gleichen Ergebnisprofile darstellen. • Steuern, Zinsen und sonstige Transaktionskosten werden vernachlässigt. Die ökonomischen Konsequenzen der jeweils betrachteten Geschäfte können dann einfach durch den Saldo aller damit verbundenen Ein- und Auszahlungen verdeutlicht werden. Dieser Annahmenkatalog erscheint auf den ersten Blick sehr restriktiv. Die daraus abgeleiteten Ergebnisse behalten jedoch auch unter weniger einschränkenden Annahmen „der Tendenz nach“ ihre Gültigkeit und vermitteln somit durchaus einen treffenden Einblick in die auch „im wirklichen Leben“ mit Termingeschäften verknüpften Chancen und Risiken. Wir werden in den folgenden beiden Abschnitten 5.3.1.2 und 5.3.1.3 zunächst die aus Einzelgeschäften resultierenden Gewinn- und Verlustmöglichkeiten verdeutlichen und anschließend ausgewählte Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Geschäfte betrachten. Dabei werden wir folgende z.T. schon bekannte Symbole verwenden. P bezeichnet die bei Abschluss eines Optionsgeschäftes vom „Käufer“ an den Stillhalter zu zahlende Prämie. B bezeichnet den in einem Fixgeschäft vereinbarten Kaufpreis bzw. den in einem Optionsgeschäft vorgesehenen Basispreis. C bezeichnet den Abrechnungspreis, d.h. den für die Abrechnung des betrachteten Termingeschäfts maßgeblichen Kassakurs des Basistitels zum Fälligkeitstermin. E bezeichnet als Ergebnis eines Termingeschäfts den einfachen Saldo aller damit verknüpften Ein- und Auszahlungen. Dabei wird ein positiver Zahlungssaldo auch als Gewinn (G), ein negativer Saldo als Verlust (V) bezeichnet. Weiterhin werden wir – ein Fixgeschäft durch ein „F“, – eine Kaufoption durch „KO“ und – eine Verkaufsoption durch „VO“

304

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

verdeutlichen und dabei die Position des Käufers/Inhabers durch ein vorangestelltes „+“, die des Verkäufers/Stillhalters durch ein „–“ verdeutlichen. So soll etwa „(+F)“ den Käufer in einem Fixgeschäft oder „(–VO)“ den Stillhalter einer Verkaufsoption anzeigen. 5.3.1.2 Einzelgeschäfte (1) Fixgeschäfte Unter den getroffenen Annahmen entsprechen die Ergebnisprofile eines Fixgeschäfts den schon aus Abschnitt 5.2.2 bekannten Rückzahlungsprofilen nach Abb. 5.01, haben also das durch Abb. 5.03 noch einmal verdeutlichte Aussehen.

Abb. 5.03:

Ergebnisprofile Fixgeschäft

Gilt C > B, so zahlt der Käufer mit B weniger als den aktuellen Kurswert der Wertpapiere, erzielt also einen Gewinn, während der Verkäufer die Papiere zu einem niedrigeren Kurs als dem Marktwert liefern muss, also einen Verlust erleidet. Gilt hingegen C < B, so zahlt der Käufer mit B mehr als den Marktwert, erleidet insoweit also einen Verlust, während sich für den Verkäufer die entgegengesetzte Wirkung ergibt. (2) Kaufoptionen Es scheint vernünftig zu unterstellen, dass der Optionskäufer die Option nur dann ausübt, wenn der Kurs des Basiswertes am Verfalltag (C) größer als der vereinbarte Basispreis (B) ist. Berücksichtigt man zusätzlich die bei Abschluss des Geschäfts fällige Zahlung der Optionsprämie (P), so verdeutlichen Abb. 5.04 und 5.05 Gewinn und Verlust, den „Käufer“ bzw. Stillhalter bei alternativen C-Werten im Vergleich zur Situation ohne Abschluss des Optionsgeschäftes erzielen.

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

Abb. 5.04:

Käufer einer Kaufoption (Long Call)

Abb. 5.05:

Stillhalter einer Kaufoption (Short Call)

305

Gilt C < B, wird die Option nicht ausgeübt. Der Käufer verliert den Optionspreis P; der Stillhalter erzielt einen entsprechenden Gewinn. Gilt hingegen C > B, so wird die Option ausgeübt. Solange der Kurswert C jedoch um weniger als P über dem Basispreis B liegt, erleidet der Käufer trotzdem noch einen Verlust, der allerdings geringer ist als der Verlust bei Verfall der Option. Übersteigt C hingegen B + P, so erzielt der Optionskäufer einen Gewinn. Die Situation des Stillhalters ist der des Käufers wiederum gerade entgegengesetzt. (3) Verkaufsoptionen Nun wird unterstellt, dass die Option nur ausgeübt wird, wenn der Abrechnungskurs (C) niedriger ist als der vereinbarte Basispreis (B). Die Ergebnisprofile haben dann folgendes Aussehen:

306

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Abb. 5.06:

Käufer einer Verkaufsoption (Long Put)

Abb. 5.07:

Stillhalter einer Verkaufsoption (Short Put)

Der Verlauf der Gewinn- und Verlust-Linien ergibt sich aus ganz ähnlichen Überlegungen wie zu (2). Übungsaufgabe 5.01: Ein Anleger erwägt den Erwerb von 100 Kaufoptionen auf die PHOENIX AG zu folgenden Konditionen (pro Option): – Basispreis B = 160 – Optionspreis P = 20 – Laufzeit 6 Monate a) Verdeutlichen Sie möglichst exakt die aus dem möglichen Abschluss des betrachteten Optionsgeschäftes resultierenden Gewinnchancen und Verlustrisiken in einem Diagramm nach Art der Abbildungen 5.04 bis 5.07!

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

307

b) Nehmen Sie weiter an, auf die PHOENIX AG könnten auch (ebenfalls auf 6 Monate laufende) Kaufoptionen mit einem Basispreis von 140 abgeschlossen werden! Welche Aussagen lassen sich über den Preis dieser Option machen, wenn unterstellt werden kann, dass der Optionsmarkt hinlänglich gut funktioniert? Gehen Sie zur Begründung Ihrer Antwort gedanklich von der Situation aus, die sich ergeben würde, wenn auch diese Option einen Preis von 20 aufweisen würde! Verdeutlichen Sie diese – fiktive – Situation ebenfalls in dem zu a) erstellten Diagramm und kommentieren Sie den Befund! 5.3.1.3 Kombinierte Geschäfte Termin- und Kassageschäfte der durch (1) bis (3) verdeutlichten Art brauchen natürlich nicht nur „pur“ abgeschlossen zu werden, sondern können auf die unterschiedlichste Weise miteinander kombiniert werden. Dem Erfindungsreichtum sind dabei praktisch keine Grenzen gesetzt. Wir wollen uns daher auf die Darstellung einiger besonders markanter Kombinationsformen beschränken und dabei – sofern nicht ausdrücklich etwas anderes unterstellt wird – zusätzlich davon ausgehen, dass alle Termingeschäfte jeweils in Basistitel, Basispreis und Laufzeit übereinstimmen und Kauf- und Verkaufsoptionen auch die gleichen Optionspreise aufweisen. Die Gewinn- und Verlustlinien der ausgewählten Kombinationsformen ergeben sich dann rein formal jeweils aus der Vertikalaggregation der entsprechenden Linienzüge gem. (1) bis (3). (4) Synthetische Fixgeschäfte Zum Einstieg betrachten wir einen Anleger, der gleichzeitig – eine Kaufoption erwirbt (long call; + KO) und – Stillhalter einer Verkaufsoption wird (short put; – VO). Im linken Teil von Abbildung 5.08 sind zunächst die für die beiden Einzelpositionen maßgeblichen Linienzüge entsprechend Abb. 5.04 und 5.07 gemeinsam eingetragen. Addiert man nun für jeden Kurswert C die sich aus den beiden Einzelgeschäften ergebenden Gewinne bzw. Verluste (mit negativem Vorzeichen!), so erhält man als Resultante den durch die durchgezogene Linie im rechten Teil von Abb. 5.08 wiedergegebenen Linienzug.

Abb. 5.08:

Synthetischer Fixkauf

308

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Als Ergebnis dieser Kombination wird per Saldo also genau die Position des Käufers eines Fixgeschäfts (+F) gemäß Abb. 5.03 erreicht. Ein solcher Terminkauf kann also gewissermaßen „synthetisch“ aus der Zusammenfügung anderer Termingeschäfte hergestellt werden. Dieser Effekt ist kein Zufall, er hat vielmehr System. In der eingangs eingeführten Notation kann der in Abb. 5.08 gezeigte Zusammenhang durch die Relation (+ F) = (+ KO) & (− VO) verdeutlicht werden. Es liegt nun nahe, diese Relation – nach den Ihnen ansonsten aus der Mathematik geläufigen Regeln – in verschiedener Weise umzuformen und die Ergebnisse jeweils in der oben festgelegten Form zu interpretieren. So erhält man etwa als eine mögliche Umstellung: (+ VO) = (+ KO) & (− F). Demnach müsste sich also die Position des Käufers einer Verkaufsoption (long put) synthetisch durch den Kauf einer Kaufoption und einen Terminverkauf nachbilden lassen. Übungsaufgabe 5.02: Es gelte B = 200 und P = 20. Überprüfen Sie grafisch, ob die zuletzt angegebene Relation zutrifft!

Wie die Lösung zu Übungsaufgabe 5.02 vermuten lässt, ist es unter den eingangs getroffenen Prämissen in der Tat möglich, alle nur denkbaren Umstellungen der oben angegebenen Ausgangsformel in entsprechender Weise inhaltlich zu interpretieren. Wir erhalten so die folgenden sechs Relationen: (5.01)

(+

F)

=

(+

KO)

&

(−

VO)

(5.02) (5.03)

(− (+

F) KO)

= =

(− (+

KO) VO)

& &

(+ (+

VO) F)

(5.04)

(−

KO)

=

(−

VO)

&

(−

F)

(5.05)

(+

VO)

=

(+

KO)

&

(−

F)

(5.06) (− VO) = (− KO) & (+ F) Die durch die Relationen (5.01) bis (5.06) verdeutlichten Beziehungen sind über den intellektuellen Reiz hinaus, den der eine oder andere Leser dabei empfinden mag, in zweifacher Hinsicht auch von praktischer Bedeutung: •

Synthetische Termingeschäfte: An den Terminbörsen kann durchaus die Situation auftreten, dass in bestimmten Basistiteln sehr wohl Kontrakte in Kauf- und Verkaufsoptionen abgeschlossen werden können, nicht jedoch Fixgeschäfte. In solchen Fällen ist es einem daran interessierten Anleger möglich, gemäß (5.01) oder (5.02) ein „synthetisches Fixgeschäft“ abzuschließen, sich also durch den Abschluss von zwei passenden Optionsgeschäften im Hinblick auf die ökonomischen Konsequenzen letztlich doch in die Position des Käufers oder Verkäufers eines Fixgeschäftes zu versetzen. Entsprechendes gilt natürlich auch für die praktisch weniger relevanten Möglichkeiten, dass zu einem Basistitel nur Fixgeschäfte und Kaufoptionen (Verkaufsoptionen), nicht jedoch Verkaufsoptionen (Kaufoptionen) „im Markt“ sind.

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften •

309

Arbitrage: Die Relationen (5.01) bis (5.06) können zugleich dazu genutzt werden, den Markt nach Arbitragemöglichkeiten abzusuchen. Wir werden auf das Thema der Arbitrage im Abschnitt 5.3.2.3 noch etwas allgemeiner eingehen. Das folgende Beispiel illustriert jedoch schon einmal das Grundprinzip.

Beispiel 5.01: An einer Terminbörse könnten dreimonatige Kauf- und Verkaufsoptionen in der ALPHAAktie mit einem Basispreis von B = 100 Euro zu Optionspreisen von 20 Euro abgeschlossen werden. Außerdem können ebenfalls dreimonatige Fixgeschäfte auf die ALPHA-Aktie zu einem Terminpreis von 102 Euro abgeschlossen werden. In dieser Situation wäre es für jeden Anleger lohnend, – eine Kaufoption mit B = 100 Euro zu 20 Euro zu erwerben, – gegen eine Einzahlung von 20 Euro Stillhalter einer Verkaufsoption mit B = 100 zu werden und – die APLHA-Aktie per Termin zu B' = 102 Euro zu verkaufen. Durch die beiden Optionsgeschäfte würde der Anleger die ALPHA-Aktie im Endeffekt per Termin zum Preis von 100 Euro kaufen und sie gleichzeitig durch das Fixgeschäft zum gleichen Termin zum Preis von 102 Euro verkaufen. Er erzielte also – das Erfüllungsrisiko annahmegemäß ausgeschlossen – einen sicheren Gewinn von 2 Euro. Es liegt nahe, dass eine solche Marktsituation nicht lange Bestand haben könnte, bestünde doch für alle „sehenden“ Marktteilnehmer der Anreiz, – sich um den Abschluss von Kaufoptionen zu bemühen, was deren Preis tendenziell steigen lassen würde, – sich als Stillhalter von Verkaufsoptionen anzubieten, was deren Preis tendenziell sinken lassen würde, und – die APLHA-Aktie per Termin anzubieten, was deren Terminpreis ebenfalls tendenziell sinken lassen würde.

Wir haben die Relationen (5.01) bis (5.06) zunächst für den Fall übereinstimmender Basisund Optionspreise hergeleitet. Geht man von dieser einschränkenden Annahme ab, so bleiben die Aussagen allerdings immer noch zumindest „der Tendenz nach“ erhalten. Dazu betrachten wir zunächst folgendes Beispiel: Beispiel 5.02: Für dreimonatige Optionen auf die ALPHA-Aktie mit einem Basispreis von B = 100 Euro können – Kaufoptionen zum Preis von PK = 10 Euro und – Verkaufsoptionen zum Preis von PV = 15 Euro abgeschlossen werden. Fügt man nun zu diesen Konditionen den Kauf einer Kaufoption (+KO) mit der Stillhalterposition in einer Verkaufsoption (–VO) zusammen, so resultieren daraus die folgenden Ergebnisprofile.

310

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Die betrachtete Kombination (+KO) & (–VO) läuft also auf einen synthetischen Terminkauf zum Preis von 95 Euro hinaus. Man kann zeigen, dass das in Beispiel 5.02 gefundene Ergebnis kein Zufall ist, sondern System hat: Werden eine Kauf- und eine Verkaufsoption mit unterschiedlichen Optionspreisen, jedoch nach wie vor übereinstimmendem Basispreis nach den Relationen (5.01) oder (5.02) miteinander kombiniert, so ergibt sich in der Profildarstellung als Resultante stets exakt die für einen Fixkauf bzw. -verkauf typische steigende bzw. fallende 45°-Linie. Der (implizite) Basispreis dieses synthetischen Fixgeschäfts entspricht allerdings nicht mehr dem gemeinsamen Basispreis der beiden Optionsgeschäfte, sondern liegt um die Differenz zwischen den beiden Optionsprämien darüber (PK < PV) bzw. darunter (PK > PV). Etwas anders verhält es sich, wenn die beiden Optionsgeschäfte in ihren Basispreisen nicht übereinstimmen. Die folgende Übungsaufgabe bietet Ihnen die Möglichkeit, sich diesen Effekt selbst zu verdeutlichen. Übungsaufgabe 5.03: Zum Basispreis von BK = 200 notieren Kaufoptionen auf die BLUFF-AG zu PK = 60. Verdeutlichen Sie grafisch, wie durch Kombination mit einer Verkaufsoption daraus entsprechend Relation (5.02) die Position eines Terminverkäufers zumindest annähernd nachgebildet werden kann, wenn für Verkaufsoptionen die nachfolgend genannten Bedingungen gelten! Erläutern Sie Ihre Ergebnisse kurz verbal! a) Zu einem Basispreis von BV = 160 notieren Verkaufsoptionen zu PV = 40. b) Zu einem Basispreis von BV = 240 notieren Verkaufsoptionen zu PV = 80.

Auch hier verdeutlichen die Ergebnisse von Aufgabe 5.03 ein allgemein gültiges Prinzip: Weisen zwei nach (5.01) oder (5.02) kombinierte Optionen divergierende Basispreise auf, so besteht die Resultante in der Profildarstellung „zu den Rändern hin“ aus zwei zueinander

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

311

nach rechts verschobenen (steigenden bzw. fallenden) 45°-Linien. Für C-Werte im Bereich zwischen den beiden Basispreisen hingegen stellt sich die Resultante – entweder als Waagerechte dar (BK > BV) – oder als steilere Gerade (BK < BV). In der Gesamttendenz gilt jedoch auch hier, dass das Gesamtergebnis für den Inhaber einer Kombination nach (5.01) – genauso wie beim unmittelbaren Terminkauf – im Bereich deutlich steigender (fallender) Kurse ebenfalls 1:1 zunimmt (abnimmt), während bei einem synthetischen Terminverkauf nach (5.02) gerade die umgekehrte Konstellation vorliegt. (5) Straddle-Positionen Bei einem als Long Straddle bezeichneten Geschäft (Symbol +ST) werden gleichzeitig eine Kauf- und eine Verkaufsoption (Abb. 5.04 und 5.06) in demselben Basiswert zum selben Basispreis sowie zum gleichen Termin erworben. Beim Short Straddle (–ST) wird hingegen sowohl bei einer Kauf- als auch bei einer Verkaufsoption die Stillhalterposition (Abb. 5.05 und 5.07) eingenommen. Abb. 5.09 und 5.10 verdeutlichen die daraus resultierenden Ergebnisprofile unter der Annahme, dass auch die beiden Optionsprämien äquivalent sind. Dabei werden im linken Teil der Abbildung jeweils die beiden Einzelpositionen verdeutlicht und im rechten Teil die sich daraus ergebende Resultante.

Abb. 5.09:

Long Straddle

312

Abb. 5.10:

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Short Straddle

Der Inhaber eines Long Straddle profitiert also immer dann, wenn sich der Kurs des Basiswertes möglichst weit vom vereinbarten Basispreis fortbewegt – sei es nach oben, sei es nach unten. Der Stillhalter eines Straddle hingegen profitiert davon, wenn der Kurs möglichst wenig vom vereinbarten Basispreis abweicht. Die exakte Dreiecksformation der Resultanten in unseren Diagrammen setzt die Übereinstimmung der Basispreise voraus. Ist diese strenge Bedingung nicht erfüllt, ergeben sich aus den betrachteten Kombinationen allerdings wiederum den Darstellungen gemäß Abb. 5.09 und 5.10 „ähnliche“ Formationen, die häufig als Strangle bezeichnet werden. Die entsprechenden Ergebnisprofile sind generell dadurch gekennzeichnet, dass sie in der Mitte keine Spitze aufweisen, sondern im Bereich zwischen den beiden Basispreisen waagerecht verlaufen. (6) Spread-Positionen Kennzeichnend für sogenannte Spreads ist, dass Kontrakte der gleichen Optionsklasse gleichzeitig gekauft und verkauft werden. Von vertikalen Spreads – auch Price Spread genannt – spricht man, wenn der Verkaufs- und der Kaufkontrakt die gleiche Laufzeit haben, aber einen (deutlich) unterschiedlichen Basispreis aufweisen. Beim horizontalen Spread (Time Spread) hingegen werden Kontrakte mit unterschiedlicher Laufzeit, aber gleichem Basispreis kombiniert. Haben die Kontrakte sowohl eine unterschiedliche Laufzeit als auch einen unterschiedlichen Basispreis, so spricht man von einem Diagonal Spread. Spreads ermöglichen eine Spekulation mit begrenztem Gewinn- und Verlustpotenzial, wie wir im Teil (2.3) von Abschnitt 5.3.2.2 noch näher verdeutlichen werden.

5.3.2

Anlagestrategische Einsatzmöglichkeiten von Termingeschäften

5.3.2.1 Vorbemerkung Termingeschäfte können in unterschiedlichster Weise in die übergeordnete Anlagestrategie eines Anlegers einbezogen werden und dabei sowohl risikosteigernd als auch risikobegrenzend wirken. Wiederum sind im Grunde beliebig viele Strategiearten denkbar. Die in den folgenden Abschnitten 5.3.2.2 bis 5.3.2.4 kurz dargestellten drei Grundtypen von Anlagestra-

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

313

tegien – Spekulation, Hedging und Arbitrage – markieren somit nur besonders markante Eckpunkte in diesem vieldimensionalen Möglichkeitsspektrum. Als Spekulation wollen wir in dem hier betrachteten Zusammenhang – ohne jeden wertenden Unterton – solche Verhaltensweisen bezeichnen, bei denen einzelne oder kombinierte Termingeschäfte der im Abschnitt 5.3.1 vorgestellten Art ohne jegliche Deckung – oder Gegengeschäfte – abgeschlossen werden, die daraus resultierenden Risiken also ganz bewusst wegen der zugleich bestehenden Chancen in Kauf genommen werden. Je nachdem, ob solche Strategien primär von der Hoffnung auf steigende Kurse, sinkende Kurse oder starke Kursänderungen (in welche Richtung auch immer) getragen werden, spricht man im Börsenjargon häufig von Bull-Strategien, Bear-Strategien oder Volatilitäts-Strategien. Im Gegensatz zu Spekulationsstrategien besteht die primäre Zielsetzung des Hedging gerade entgegengesetzt darin, aus anderen Geschäftsaktivitäten resultierende Risiken durch ergänzende Termingeschäfte abzubauen, dafür jedoch ggf. auch auf bestimmte Chancen zu verzichten. Arbitragestrategien schließlich sind – so wie wir das in Beispiel 5.01 schon gesehen haben – im Idealfall darauf ausgerichtet, Marktunvollkommenheiten auszunutzen und durch den gleichzeitigen Abschluss mehrerer gegenläufiger Geschäfte sichere Gewinne zu realisieren. Zur Verdeutlichung der Konsequenzen verschiedener Anlagestrategien werden wir von der im Abschnitt 5.3.1 gewählten Darstellungsform etwas abweichen und als zentrale Maßgröße das am Ende des jeweils betrachteten Zeitraums verbleibende Vermögen, das sogenannte Endvermögen, verwenden. Dabei beschränken wir uns grundsätzlich auf die Betrachtung von Termingeschäften in Aktien, werden an einzelnen Stellen allerdings auch die Möglichkeiten des unmittelbaren Aktienerwerbs zum Kassakurs sowie der festverzinslichen Geldanlage mit in die Betrachtung einbeziehen. 5.3.2.2 Spekulationsstrategien (1) Vorbemerkung In den folgenden Abschnitten (2) und (3) werden wir zur exemplarischen Verdeutlichung jeweils drei mögliche Erscheinungsformen von Bull- bzw. Bear-Strategien vorstellen. Abschließend werden wir im Unterabschnitt (4) noch kurz auf zwei Volatilitätsstrategien eingehen. Zur Verdeutlichung betrachten wir ein Beispiel, dem folgende Annahmen zugrunde liegen:

• • • • •

Zum Zahlungsausgleich vorgesehene Kauf- und Verkaufsoptionen auf eine bestimmte Aktie zum Basispreis von 210 Euro notieren jeweils zu 20 Euro. Die Laufzeit der Optionen beträgt genau 1 Jahr. Der Kassakurs der fraglichen Aktie beträgt 200 Euro. Während der Kontraktlaufzeit können Gelder so angelegt werden, dass sich eine laufzeitbezogene Verzinsung von 5% ergibt, 100 Euro Anlagesumme also auf 105 Euro anwachsen. Ein Anleger hat genau 200 Euro als Anlagebetrag zur Verfügung, die er genau für die Laufzeit der Optionen anlegen will.

314

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

(2) Bull-Strategien: Spekulation auf steigende Kurse (2.1) Erwerb von Kaufoptionen im Vergleich zum direkten Aktienkauf Als erstes wollen wir eine mögliche Anlagestrategie betrachten, die darauf abzielt, von steigenden Aktienkursen zu profitieren. Betrachtet man zunächst nur auf eine Anlageform bezogene Strategien, so stehen die folgenden beiden Möglichkeiten zur Auswahl: Kauf einer Aktie S1 :

S2 :

Kauf von 10 Kaufoptionen.

Bezeichnen wir den am Ende der Kontraktlaufzeit gegebenen Aktienkurs mit C, so gilt für das zu diesem Zeitpunkt verbleibende Endvermögen EV1 =

C 68

/ C ≤ 210 0  EV2 =  10 ⋅ (C − 210) / C > 210  Abb. 5.11 verdeutlicht grafisch den Zusammenhang zwischen Endvermögen (EV) und dem am Ende des Anlegezeitraums herrschenden Aktienkurs (C).

Abb. 5.11:

68

Endvermögen bei Aktien- und Optionskauf (risikoerhöhende Bull-Strategie)

Die gleiche Relation gilt auch für einen Terminkauf, der im Zeitpunkt t = 0 ja keinen Mittel-einsatz erfordert, mithin die festverzinsliche Anlage von 200 Euro ermöglicht. Daraus ergibt sich dann ein Endvermögensbetrag von 210 Euro; hinzu kommt der Gewinn bzw. Verlust aus dem Bezug der Aktie für 210 Euro und ihrer sofortigen Weiterveräußerung zum dann gegebenen Kurs C. Für das insgesamt erzielbare Endvermögen gilt somit 210 + (C – 210) = C. Das gleiche Ergebnis ergibt sich im Übrigen auch, wenn statt des – marktmäßig möglicherweise gar nicht angebotenen – direkten Terminkaufs die entsprechende Position durch Kauf einer Kaufoption und den gleichzeitigen Verkauf einer Verkaufsoption synthetisch nachgebildet wird.

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

315

Vergleicht man diese beiden Kurvenzüge so erkennt man folgendes: S1 Reine Aktienanlage • Die Gewinnschwelle (d.h. Erhöhung des Vermögens gegenüber der Ausgangssituation) liegt bei einem Aktienkurs von 200 Euro. • Steigt dieser über 200 Euro, so entspricht jeder zusätzliche Kurspunkt auch einem Zusatzgewinn von 1 Euro. • Ein Absinken unter 200 Euro bringt entsprechend pro Kurspunkt einen Zusatzverlust von 1 Euro. • Der Maximalverlust in Höhe des gesamten Mitteleinsatzes wird erst erreicht, wenn der Aktienkurs auf den Extremwert von 0 Euro (Insolvenz des Emittenten) sinken sollte. S2 Erwerb von 10 Kaufoptionen • Die Gewinnschwelle liegt jetzt bei einem Aktienkurs von 230 Euro (Basispreis + Optionspreis; vgl. Abb. 5.04). • Steigt der Aktienkurs allerdings über 230 Euro, so entspricht jeder zusätzliche Kurspunkt einem Zusatzgewinn von 10 Euro. (Man spricht in diesem Zusammenhang im Vergleich zur reinen Aktienanlage auch von einem Hebel von 10 : 1.) • Ein Absinken des Aktienkurses unter 230 Euro bringt allerdings pro Kurspunkt auch einen Zusatzverlust von 10 Euro. • Mithin ist der Maximalverlust in Höhe des gesamten Mitteleinsatzes bereits erreicht, sofern der Aktienkurs bei Fälligkeit unter dem vereinbarten Basispreis liegt oder – anders ausgedrückt – gegenüber der Ausgangssituation um weniger als 5% steigt. Im Vergleich zur unmittelbaren Aktienanlage bietet ein gemäß S2 ausgestaltetes Optionsgeschäft somit die deutlich höheren Chancen, beinhaltet andererseits aber auch ein sehr viel größeres Risiko. Der gelegentlich vorgetragene Hinweis, beim Optionskauf sei das Risiko auf den Verlust des – im Vergleich zum Aktienkurs deutlich niedrigeren – Optionspreises begrenzt, ist zwar im Prinzip richtig, kann in diesem Zusammenhang aber dennoch zu Missverständnissen führen. Denn wenn der Optionspreis den gesamten Mitteleinsatz ausmacht, bedeutet die vermeintliche „Begrenzung des Risikos“ auf den Verlust des Optionspreises dennoch den Totalverlust. Insoweit sind Kaufoptionen im Vergleich zur Aktienanlage durchaus als deutlich risikoerhöhende Anlagemöglichkeit anzusehen. Allerdings ist dies letztlich kein den Kaufoptionen schlechthin immanentes Merkmal, sondern eine Folge ihres anlagestrategischen Einsatzes, wie der Vergleich mit folgender weiteren Anlagevariante sofort zeigt: S3 Kauf von einer Kaufoption (20 Euro) und festverzinsliche Anlage des Restbetrages (180 Euro, Rückzahlung incl. Zins: 189 Euro) Für das bei dieser Anlagestrategie erzielbare Endvermögen gilt: 0  EV3 = 189 +  (C − 210) 

/ C ≤ 210 / C > 210

316

Abb. 5.12:

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Endvermögen bei Aktien- und Optionskauf (risikobegrenzende Bull-Strategie)

Abbildung 5.12, in die zum Vergleich auch noch einmal die Endvermögenslinien der Strategien S1 und S2 eingezeichnet worden sind, verdeutlicht das bei Strategie S3 erzielbare Ergebnisspektrum: •

Die Gewinnschwelle liegt jetzt bei einem Aktienkurs von 221 Euro [Basispreis (210) + Optionspreis (20) ./. Zinsgewinn (9)]. • Steigt der Aktienkurs über diesen Wert, so entspricht jeder zusätzliche Kurspunkt einem Zusatzgewinn von 1 Euro. Die EV3-Linie verläuft also im Bereich steigender Aktienkurse parallel zu der dem unmittelbaren Aktienkauf entsprechenden EV1-Kurve, allerdings stets um 21 Euro nach unten versetzt. Dieser Abstand ergibt sich als folgender Saldo: Optionspreis + (Basispreis ./. Kassakurs in t = 0) ./. Zinsgewinn. Sofern der Basispreis und der auf t = 1 aufgezinste Kassakurs in t = 1 – so wie in unserem Beispiel unterstellt – übereinstimmen, entspricht der genannte Saldo genau dem aufgezinsten Optionspreis. • Fällt der Aktienkurs unter die Gewinnschwelle von 221 Euro, so entspricht das zunächst ebenfalls einem Zusatzverlust von 1 Euro pro Kurspunkt. • Diese proportionale Beziehung gilt allerdings – ganz analog zur Strategie S2 – nur für Aktienkurse oberhalb des Basispreises von 210 Euro. Bei darunter liegenden Kursen hingegen würde die Option nicht ausgeübt. Dem Anleger verbliebe aus der festverzinslichen Anlage jedoch immer noch ein Restvermögen von 189 Euro. Der Maximalverlust tritt also – wie bei Strategie S2 – bereits dann ein, wenn der Aktienkurs gegenüber dem aktuellen Kassakurs um weniger als 5% steigt, er beträgt allerdings nur 11 Euro (Optionspreis ./. Zinsgewinn), beschränkt sich also auf einen kleinen Bruchteil der eingesetzten Mittel. Der Einsatz von Optionen nach Strategien vom Typ S3 führt also nicht nur gegenüber der reinen Optionsanlage gemäß S2, sondern auch gegenüber der reinen Aktienanlage gemäß S1 zu einer deutlichen Risikoreduktion. Das Verlustrisiko wird auf den Verlust des Preises einer Option, zudem noch reduziert um den Zinsgewinn, begrenzt. Dennoch partizipiert der Anleger 1 : 1 an den Chancen eines möglicherweise deutlichen Anstieges des Aktienkurses – allerdings im Vergleich zur direkten Aktienanlage um einen konstanten Betrag „nach unten versetzt“. Dieser Betrag, der sich als Saldo aus Basis- und Optionspreis einerseits sowie

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

317

Kaufpreis in t = 0 und Zinsgewinn andererseits ergibt, kann ökonomisch als eine Art Versicherungsprämie für die deutliche Begrenzung des Verlustrisikos interpretiert werden. Die Strategien S2 und S3 stellen offenbar nur die beiden Endpunkte in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Einsatzmöglichkeiten von Kaufoptionen dar. Denn es ist ja auch möglich 2, 3, 4, … etc. Optionen zu erwerben und jeweils nur den entsprechend kleineren Betrag festverzinslich anzulegen. In einem Diagramm nach Art von Abb. 5.12 würde sich dementsprechend ein ganzes Bündel weiterer Linienzüge ergeben, bei denen mit steigender Zahl von Optionen – das flache Linienstück (Mindestendvermögen) immer weiter nach unten verschoben würde, – die Steigung des ansteigend verlaufenden Linienstücks (Hebel) jedoch immer größer würde. Ob der Erwerb von Kaufoptionen im Vergleich zum unmittelbaren Kauf des zugehörigen Basiswertes als risikosteigernde oder risikobegrenzende Maßnahme anzusehen ist, ist also keine Eigenschaft der Option als solcher, sondern hängt von der Art ihres anlagestrategischen Einsatzes ab. (2.2) Verkauf von Verkaufsoptionen im direkten Vergleich zum Aktienkauf (Stillhalter-Bull-Strategie) Dem aus (2.1) bekannten Muster folgend, vergleichen wir in diesem Abschnitt short puts mit einem direkten Aktienkauf. Wenn wir wieder die Daten unseres Beispiels zugrunde legen und jeweils die Betrachtung auf die beiden Möglichkeiten beschränken, eine oder zehn Optionen zu verkaufen, so können folgende Strategien betrachtet werden: Kauf einer Aktie S1 :

S4 :

Verkauf von 10 Verkaufsoptionen; festverzinsliche Anlage von 200 Euro (Anfangsvermögen) + 200 Euro (Optionspreis) = 400 Euro (Rückzahlungsbetrag: 420 Euro) S5 : Verkauf von 1 Verkaufsoption; festverzinsliche Anlage von 200 Euro + 20 Euro = 220 Euro (Rückzahlungsbetrag: 231 Euro) Für die Endvermögensfunktion gilt dann: EV1 =

C (s.o.)

10 ⋅ (210 − C)  EV4 = 420 −  0 

/ C < 210

(210 − C)  EV5 = 231 −  0 

/ C < 210

/C ≥ 210

/C ≥ 210

318

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Die Abbildung 5.13 verdeutlicht die Strategien grafisch.

Abb. 5.13:

Endvermögen bei Aktienkauf und Verkauf von Verkaufsoptionen

Beim Vergleich der Strategien werden wiederum die schon bekannten Hebeleffekte deutlich; allerdings setzt der Hebel hier am Verlustrisiko an, das aus der Gefahr sinkender Kurse resultiert. Dabei ist der Maximalverlust bei einem Hebel von 1 : 1 (Strategie S5) immerhin noch etwas geringer als bei der Aktienanlage; bei größeren Hebeln hingegen übersteigt der Maximalverlust den ursprünglichen Mitteleinsatz bei weitem. Dies schlägt sich in der hier angewandten Darstellung als negatives Endvermögen nieder, d.h. der Anleger hätte am Ende nicht nur den gesamten Mitteleinsatz verloren, sondern sogar noch weitere Zahlungsverpflichtungen. An den Chancen deutlich steigender Kurse partizipiert der Stillhalter einer Verkaufsoption im Gegensatz zum Aktienkäufer nicht. Sein Gewinn bleibt auf den vereinnahmten Optionspreis sowie die Zinsgewinne begrenzt; dieser Betrag ist selbstverständlich umso höher, je größer die Zahl der verkauften Optionen, also der Hebel, ist. Die hier vorgestellte Stillhalterstrategie stellt insbesondere bei der Erwartung nicht oder (leicht) steigender Kurse eine interessante Spekulationsmöglichkeit dar. Bei der Erwartung deutlich steigender Kurse beinhaltet eine Strategie der in (2.1) dargestellten Art im Allgemeinen die größeren Gewinnmöglichkeiten. (2.3) Bull-Spread-Strategien Wie schon in Abschnitt 5.3.1.2 Teil (6) angedeutet, können Spreads zur Spekulation mit begrenztem Gewinn- und Verlustpotenzial eingesetzt werden. Ein Beispiel für einen Spread, der in der Erwartung steigender Kurse eingesetzt wird, ist der sogenannte Call Bull Price Spread, wobei ein Call mit einem relativ niedrigen Basispreis gekauft und ein Call mit einem relativ hohen Basispreis verkauft wird. In Ergänzung unseres Standardbeispiels sei angenommen, dass neben der Kaufoption mit dem Basispreis von 210 und dem Optionspreis von 20 auch Kaufoptionen mit einem Basispreis von 160 zum Optionspreis von 40 erworben werden können. Nach wie vor betrachten wir einen Anleger, der insgesamt 200 Euro anlegen will und analysieren folgende Strategien:

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

319

S6 :

Kauf einer Kaufoption (160/40); verzinsliche Anlage von 160 Euro (Rückzahlungsbetrag: 168 Euro). S7 : Verkauf einer Kaufoption (210/20); verzinsliche Anlage von 220 Euro (Rückzahlungsbetrag: 231 Euro). S8 : Call Bull Price Spread: Kombination von S6 und S7, d.h. Kauf der Kaufoption (160/40), Verkauf der Kaufoption (210/20) und festverzinsliche Anlage von 180 Euro (Rückzahlungsbetrag: 189 Euro). Dem entsprechen folgende Endvermögensfunktionen: 0  EV6 = 168 +  C − 160 

/C ≤ 160 /C > 160

0  EV7 = 231 +  210 − C 

/C ≤ 210

0   EV8 = 189 + C − 160   50

/C ≤ 160

/C > 210

/160 < C ≤ 210 /C > 210

Abbildung 5.14 verdeutlicht diese drei Strategien, von denen uns hier primär die SpreadStrategie S8 interessiert, grafisch.

Abb. 5.14:

Call Bull Price Spread

320

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Ein Call Bull Price Spread in der hier betrachteten Form (Strategie S8) wird als „konservative“ Spekulationsstrategie bezeichnet, da das Potenzial eines möglichen Gewinns begrenzt ist, in unserem Beispiel auf 39 Euro. Allerdings ist auch das Verlustpotenzial begrenzt, und zwar stärker als beim reinen Kauf einer Kaufoption (s. o. Strategie S3), da dem Anleger ja weitere Beträge aus dem Verkauf der zweiten Kaufoption und der verzinslichen Anlage zufließen. Kurssteigerungen des Basistitels schließlich haben nur insoweit einen positiven Einfluss auf das Endvermögen, wie sie sich innerhalb des „Spreads“, d.h. zwischen den unterschiedlichen Basispreisen der beiden Kaufoptionen, im Beispiel also zwischen 160 und 210, bewegen. Das, gemessen am Gesamtvermögen, relativ geringe Verlustpotenzial resultierte in unserem Beispiel allerdings aus der speziellen Annahme, dass insgesamt nur 10% des verfügbaren Vermögens in Optionen investiert werden. Ähnlich wie unter (2.1) gezeigt, können allerdings auch Spread-Strategien mit einem „Hebel“ versehen werden. In unserem Beispiel etwa wäre es möglich, mit dem vorhandenen Anfangsvermögen 10 Spreads zu realisieren und auf jegliche festverzinsliche Anlage zu verzichten. Wie Sie sich selbst leicht verdeutlichen können, würde die EV-Linie dieser Strategie für Kurse bis 160 den Wert 0 aufweisen, dann für Kurse zwischen 160 und 210 mit einem 10-fachen Hebel von 0 auf 500 steigen, auf weitere Kurssteigerungen dann jedoch nicht mehr reagieren. Wir wollen die weitere Analyse derartiger Spread-Strategien ebenso wie die Möglichkeit, auch mit Verkaufsoptionen einen Bull-Spread zu realisieren, ihren eigenen Überlegungen überlassen. (3) Bear-Strategien (3.1) Erwerb von Verkaufsoptionen im Vergleich zum Terminverkauf einer Aktie Ähnliche Aussagen, wie sie unter (2.1) hinsichtlich der Spekulation auf steigende Kurse abgeleitet worden sind, lassen sich auch für die Spekulation auf fallende Kurse herleiten. Als Instrumente stehen hier der – ggf. durch Verkauf einer Kauf- und Kauf einer Verkaufsoption synthetisch nachzubildende – Terminverkauf sowie der Erwerb von Verkaufsoptionen zur Auswahl. Zur beispielhaften Verdeutlichung legen wir wieder die oben genannten Daten zugrunde und betrachten analog zu (2.1) folgende drei Strategien: S9 : Terminverkauf einer Aktie zu 210; Festzinsanlage in t = 0 von 200 Euro.

S10 :

Kauf von 10 Verkaufsoptionen.

S11 :

Kauf von 1 Verkaufsoption; Festzinsanlage in t = 0 von 180 Euro.

Für die Endvermögensfunktionen gilt dann: EV9 = 210 + (210 − C) = 420 − C EV10

10 ⋅ (210 − C)  =  0 

210 − C  EV11 = 189 +  0 

/ C < 210 /C ≥ 210 / C < 210 /C ≥ 210

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

321

Abb. 5.15 verdeutlicht die durch diese Funktionen dargestellten Zusammenhänge grafisch.

Abb. 5.15:

Endvermögen bei Terminverkauf und Verkaufsoptionen

Im Hinblick auf fallende Kurse stellen sich Beziehungen der Strategien S9, S10 und S11 zueinander genauso dar, wie wir das für die jeweils analogen Strategien S1, S2 und S3 im Hinblick auf steigende Kurse bereits näher aufgezeigt haben. Bei S10 wird im Vergleich zur Aktienanlage wiederum ein Hebel von 10 : 1 wirksam; das bei S11 erzielbare Endvermögen hingegen bleibt wiederum um eine „Versicherungsprämie“ hinter dem beim direkten Terminverkauf erzielbaren Wert zurück. Wiederum tritt auch bei Strategie S10 der Totalverlust der eingesetzten Mittel ein, sofern der Kurs den vereinbarten Basispreis übersteigt; bei Strategie S11 hingegen bleibt der Verlust wiederum auf die Differenz zwischen Optionspreis und Zinsgewinn beschränkt. Abweichend zu der unter (2.1) untersuchten Situation ist beim Terminverkauf (S9) der Maximalverlust jedoch nicht auf den ursprünglichen Mitteleinsatz begrenzt, sondern kann diesen bei entsprechend hoher Kurssteigerung sogar noch übersteigen.69 (3.2) Verkauf von Kaufoptionen im Vergleich zum Terminverkauf einer Aktie (Stillhalter-Bear-Strategie) In diesem Abschnitt sollen analog zu Abschnitt (2.2) short calls mit Terminverkäufen verglichen werden. Dabei werden wir wiederum die Daten aus dem Ausgangsbeispiel zugrunde legen und jeweils die Betrachtung auf die beiden Möglichkeiten beschränken, eine oder zehn Optionen zu verkaufen. Die Strategien sind folgende:

69

Steigt der Aktienkurs etwa auf 500, so bringt der für 210 vereinbarte Terminverkauf isoliert betrachtet einen Verlust von 290 Euro. Dem steht aus der Festgeldanlage ein Rückzahlungsbetrag incl. Zins von 210 Euro gegenüber, so dass per Saldo über den Verlust der ursprünglich eingesetzten Mittel hinaus weitere 80 Euro Verlust eintreten.

322

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

S9 :

Terminverkauf einer Aktie zu 210 Euro; Festzinsanlage in t = 0 von 200 Euro.

S12 :

Verkauf von 10 Kaufoptionen; festverzinsliche Anlage von 400 Euro.

S13 :

Verkauf von 1 Kaufoption; festverzinsliche Anlage von 220 Euro.

Für die Endvermögensfunktionen gilt dann: EV9 = 420 − C (s.o.)

0  EV12 = 420 −  10 ⋅ (C − 210)  EV13

0  = 231 −  C − 210 

/C ≤ 210 /C > 210 /C ≤ 210 / C > 210

Die Abbildung 5.16 verdeutlicht die dargestellten Zusammenhänge wiederum grafisch.

Abb. 5.16:

Endvermögen bei Terminverkauf und Verkauf von Kaufoptionen

Die hier gezeigten Strategien weisen für den Fall steigender Kurse prinzipiell ein unbegrenztes Verlustpotenzial auf. Dabei schlägt wiederum das Verlustrisiko umso stärker durch, je größer der Hebel ist. Lediglich bei einem Hebel von 1 : 1 (Strategie S13) bleibt der Verlust jeweils um den Optionspreis incl. dem daraus resultierenden Zinsgewinn hinter dem des fixen Terminverkaufs zurück. Der Maximalgewinn ist demgegenüber bei allen Strategien begrenzt; bei S9 und S12 gerade auf die Summe aus – Zinsgewinn auf das Anfangsvermögen und – Basispreis (im vorliegenden Fall gleich dem Gesamtpreis aller Optionen) plus Zinsgewinn.

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

323

Bei Strategie S13 fällt der Maximalgewinn entsprechend niedriger aus. Die hier gezeigten Strategien stellen insbesondere bei der Erwartung nicht oder (leicht) fallender Kurse eine interessante Spekulationsmöglichkeit dar. Bei der Erwartung deutlich fallender Kurse beinhaltet die in (3.1) vorgestellte Strategien im Allgemeinen die größeren Gewinnmöglichkeiten. (3.3) Bear-Spread-Strategien Ein Beispiel für einen Spread, der in der Erwartung fallender Kurse eingesetzt werden kann, ist der Call Bear Price Spread, wobei ein Call mit einem relativ niedrigen Basispreis verkauft wird und ein Call mit einem relativ hohen Basispreis gekauft wird. Wir greifen auf die aus (2.3) schon bekannten Daten zurück und betrachten nun die folgenden drei Strategien: S14 : Kauf einer Kaufoption (210/20); verzinsliche Anlage von 180 Euro (Rückzahlungsbetrag: 189 Euro). S15 : Verkauf einer Kaufoption (160/40): verzinsliche Anlage von 240 Euro (Rückzahlungsbetrag: 252 Euro). Kombination von S14 und S15, d.h. Kauf der Kaufoption (210/20) und Verkauf der S16 : Kaufoption (160/40); verzinsliche Anlage von 220 Euro (Rückzahlungsbetrag: 231 Euro). Für die Endvermögensfunktionen gilt dann:

EV14

EV15

EV16

0  = 189 +  C − 210 

/C ≤ 210 /C > 210

0  = 252 +  160 − C 

/C ≤ 160

0   = 231 + 160 − C   −50

/C ≤ 160

/ C > 160

/ 160 < C ≤ 210 /C ≥ 210

Abbildung 5.17 verdeutlicht die durch die Funktionen dargestellten Zusammenhänge grafisch.

324

Abb. 5.17:

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Call Bear Price Spread

Analog zu der unter (2.3) verdeutlichten Bull-Spread-Strategie sind auch bei der BearSpread-Strategie Gewinne und Verluste begrenzt, eine Abhängigkeit des Endvermögens von der Kursentwicklung des Basistitels besteht wiederum nur innerhalb des Kursspreads, im Beispiel also für Kurse zwischen 160 und 210. Allerdings ist die „Richtung“ der Endvermögenskurve – der Natur einer Bear-Strategie entsprechend – gerade entgegengesetzt so, dass niedrigere Kurse des Basistitels zu günstigeren Ergebnissen führen. Die auch hier bestehenden Möglichkeiten, auch Bear-Spread-Strategien statt mit Kauf- auch mit Verkaufsoptionen zu realisieren oder sie mit „Hebeln“ zu versehen, wollen wir wiederum Ihren eigenen Überlegungen überlassen. (4) Volatilitäts-Strategien Neben den Strategien, die auf die Richtung der künftigen Kursentwicklung abzielen, gibt es auch solche, die auf die Volatilität der zukünftigen Kursentwicklung ausgerichtet sind. Innerhalb der letzteren Gruppe kann man zwei grundsätzliche Strategien unterscheiden: solche, die mit einer relativ hohen Volatilität rechnen (Long Straddle), und solche, die mit einer relativ geringen Volatilität rechnen (Short Straddle). (4.1) Long Straddle: Spekulation auf starke Kursänderungen Wie wir bereits in Abschnitt 5.3.1.2 Teil (5) gesehen haben, werden beim Long Straddle gleichzeitig eine Kauf- und eine Verkaufsoption mit demselben Basiswert zum selben Basispreis sowie zum selben Termin gekauft. Wie die Abbildung 5.09 zeigt, ist das Verlustpotenzial dabei auf die Summe der beiden Optionspreise begrenzt. Das Gewinnpotenzial ist umso höher, je größer die Differenz zwischen zukünftigem Kurswert und Basispreis ist, d.h. der Inhaber eines Long Straddle verdient sowohl an starken Kurssenkungen als auch an starken Kurssteigerungen. Das Gewinnpotenzial bei steigenden Kursen ist theoretisch unbegrenzt, bei fallenden Kursen ist es auf die Differenz zwischen Basispreis (der Verkaufsoption) und der Summe der beiden Optionspreise begrenzt.

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

325

Der Inhaber eines Long Straddle profitiert also immer dann, wenn sich der Basiswert möglichst weit von dem vereinbarten Basispreis fortbewegt – sei es nach oben oder sei es nach unten. (4.2) Short Straddle: Spekulation auf geringe Kursänderungen Bei einem Short Straddle wird gleichzeitig bei einer Verkaufs- und bei einer Kaufoption eine Stillhalterposition eingenommen (gleicher Basispreis und gleicher Verfalltermin). Das Verlustpotenzial bei einem Short Straddle ist bei starken Kurssenkungen bzw. bei starken Kurssteigerungen besonders hoch. Bei steigenden Kursen ist der Maximalverlust theoretisch unbegrenzt, bei fallenden Kursen ist der Maximalverlust auf die Differenz zwischen Basispreis und der Summe der beiden Optionspreise begrenzt. Das Gewinnpotenzial ist auf die Summe der beiden Optionsprämien begrenzt. Der Straddle-Stillhalter profitiert davon, wenn der Kurs möglichst wenig vom vereinbarten Kurs abweicht. 5.3.2.3 Hedging-Strategien Während die im vorangegangenen Abschnitt behandelten Spekulationsstrategien alle darauf hinauslaufen, Kursänderungsrisiken in mehr oder weniger großem Ausmaß bewusst in Kauf zu nehmen, besteht das Ziel des Hedging gerade entgegengesetzt darin, bestimmte Risiken, die sich aus zuvor abgeschlossenen Primärgeschäften ergeben, durch ergänzende Sekundärgeschäfte zu vermindern oder im Extremfall völlig zu beseitigen. Dieser Effekt kann immer dann erreicht werden, wenn die Sekundärgeschäfte in Abhängigkeit von dem Eintritt der maßgeblichen Zufallsereignisse, z.B. der Entwicklung eines bestimmten Aktienkurses, gerade in entgegengesetzter Weise zu Gewinnen oder Verlusten führen wie die Primärgeschäfte. Als besonders prägnantes Beispiel für derartige Hedgingstrategien mit Hilfe von Wertpapiertermingeschäften wollen wir die Möglichkeit zur Absicherung eines gegebenen Aktienbestandes gegen etwaige Kursverluste betrachten. Im Wesentlichen bestehen dazu zwei Möglichkeiten: (1) Hedging durch Fixgeschäfte Der Anleger verkauft seinen Bestand – ggf. durch ein synthetisches Geschäft gemäß Abschnitt 5.3.1.2, Teil (4) – per Termin und sichert sich damit bis zum Erfüllungstermin gegen Kursschwankungen ab, wobei sich ihm im Erfüllungstermin grundsätzlich zwei Möglichkeiten bieten:





In Erfüllung des Termingeschäfts baut er seinen Bestand definitiv ab. Er hat sich dann bereits bei Abschluss des Termingeschäfts den Verkaufspreis gesichert und ist von möglicherweise nachfolgenden Kurssenkungen nicht mehr betroffen. Allerdings verzichtet er damit zugleich auch auf die Chance steigender Kurse.

Er behält seinen Bestand und deckt sich in Erfüllung des Termingeschäfts zu dem dann aktuellen Kurs ein. Ist der Kurs zwischenzeitlich gesunken, realisiert er aus dem Termingeschäft einen Gewinn, der den an seinem Bestand eingetretenen Wertverlust kompensiert. Bei einer zwischenzeitlichen Kurssteigerung hingegen führt das Termingeschäft zu einem Verlust, der jedoch durch den Wertzuwachs an seinem Bestand kompensiert wird. In beiden Fällen entledigt sich der Anleger also des Risikos fallender Kurse; der „Preis“ dafür besteht in dem gleichzeitigen Verzicht auf die Chance von Kurssteigerungen.

326

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Übungsaufgabe 5.04: Die CAPITAL-GmbH hat vor einiger Zeit 100.000 Euro in Aktien der PHOENIX AG angelegt. Seitdem ist der Kurs von 200 in den Bereich um 300 gestiegen. Der Finanzvorstand rechnet subjektiv nicht mit weiteren Kurssteigerungen, will die Aktien jedoch – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht sofort, sondern erst in einem halben Jahr verkaufen, sich aber dennoch gegen die Gefahr etwaiger Kursrückgänge absichern. Am Optionsmarkt werden auf einen Basispreis von 300 bezogene 6 Monats-Optionen (Puts und Calls) zu 20 gehandelt. Zeigen Sie auf, wie der Finanzvorstand sich durch ein „synthetisches“ Fixgeschäft den Kursgewinn sichern kann, ohne die Aktie zu verkaufen! Verdeutlichen Sie Ihre Überlegungen auch anhand einer Grafik nach Art der Abbildungen 5.11 und 5.12! (2) Hedging durch Verkaufsoptionen Ähnliche Effekte können auch durch den Kauf einer Verkaufsoption erreicht werden.



Sinkt der Kurs des abzusichernden Bestandes unter den Basispreis, so übt der Anleger sein Optionsrecht aus und liefert entweder aus seinem Bestand oder – falls er den Bestand beibehalten will – aus einem Deckungsgeschäft. Die Effekte sind insoweit die gleichen wie beim Terminverkauf; allerdings entstehen zusätzlich fixe Kosten in Höhe des Optionspreises. • Steigt der Kurs hingegen, so lässt der Anleger die Option verfallen und profitiert – sei es durch Verkauf, sei es durch Wertzuwachs des Bestandes – von der Kurssteigerung, soweit sie den Optionspreis übersteigt. Während der Anleger beim Fixverkauf die Abwälzung des Kursverlustrisikos mit dem Verzicht auf mögliche Kursgewinne „bezahlt“, bleibt dem Käufer der Verkaufsoption diese Chance erhalten, er zahlt dafür jedoch durch die Entrichtung des fixen Optionspreises. Übungsaufgabe 5.05: Gehen Sie von den Daten der Aufgabe 5.04 aus und zeigen Sie nun, wie der Finanzvorstand die angestrebte „Konservierung“ des Kursgewinns für ein halbes Jahr zumindest annähernd auch durch den alleinigen Kauf einer Verkaufsoption bewerkstelligen kann! Unterstellen Sie dabei, der Finanzvorstand würde die dazu benötigten Mittel durch einen Kredit mit einem Zins von 7 % p. a. finanzieren! Bedienen Sie sich zur Lösung wiederum einer Grafik und vergleichen Sie das Ergebnis mit dem als Lösung von Aufgabe 5.04 abgeleiteten Resultat!

In ähnlicher Weise wie Verkaufsoptionen oder synthetische Terminverkäufe dazu genutzt werden können, vorhandene Bestände gegen Kursverluste abzusichern, können auch Kaufoptionen und synthetische Terminkäufe zu Hedging-Strategien herangezogen werden. Diese Geschäfte ermöglichen es nämlich, bestimmte Arten von Zahlungs- oder Lieferverpflichtungen in Objekten, über die der Verpflichtete aktuell noch gar nicht verfügt, gegen die in diesem Fall bestehende Gefahr von Kurssteigerungen abzusichern. Im Idealfall werden Hedging-Geschäfte so vorgenommen, dass das abzusichernde Geschäft und das zusätzliche Sicherungsgeschäft im Hinblick auf Objekt, Volumen und Zeitpunkt exakt übereinstimmen, so wie wir das in unseren Beispielen kennengelernt haben. Man

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

327

spricht dann von einem perfect hedge. In der Praxis wird allerdings auch dann von „Hedging“ gesprochen, wenn es in einem oder mehreren der genannten Merkmale zu gewissen Divergenzen kommt: •

So kann etwa ein breit gestreutes Portefeuille deutscher Standardaktien durch den Kauf von Put-Optionen auf den DAX oder einen anderen Aktienindex – je nach seiner Zusammensetzung – mehr oder weniger gut abgesichert werden. • Hat ein deutsches Unternehmen eine Zahlungsverpflichtung von 2,142 Mio. US-$, so kann das damit verbundene Risiko steigender Dollarkurse annähernd durch den Erwerb von Dollar-Kaufoptionen in Höhe des „glatten“ Betrages von 2 Mio. US-$ abgedeckt werden. • Ist schließlich ein Unternehmen im Januar eines Jahres eine zum 26. Juli fällige Zahlungsverpflichtung in US-$ eingegangen, so kann das damit verknüpfte Kurssteigerungsrisiko in nicht unerheblichem Umfang auch durch den Erwerb einer erst zum 31. Juli fälligen europäischen Dollar-Kaufoption begrenzt werden: Zwar müsste das Unternehmen sich zunächst zum 26. Juli zu dem dann herrschenden Kurs $ beschaffen und insoweit das volle Kurssteigerungsrisiko tragen. Bei deutlich gestiegenen Kursen würde der nur wenige Tage später fällige Call jedoch einen entsprechenden Gewinn bringen (vgl. Abb. 5.04). Die Rechnung ginge lediglich dann nicht auf, wenn der $ ausgerechnet in der Zeit zwischen 26. und 31. Juli einen starken Kursrückgang erleiden würde. Es verbleibt also durchaus ein gewisses Kursrisiko, das jedoch immer noch deutlich geringer als bei dem völligen Verzicht auf jegliche Absicherung von Januar an ist. Sofern die Optionen ihrerseits jederzeit börsenmäßig weiterverkauft werden können, reduziert sich das Restrisiko im Übrigen noch weiter. Übungsaufgabe 5.06: Anleger MUTIG hat vor 4 Monaten 100.000 Euro in 500 Aktien der PHOENIX AG angelegt. Inzwischen ist der Kurs von seinerzeit 200 Euro auf 300 Euro gestiegen, was einem aktuellen Marktwert seines Aktienbestands von 150.000 Euro entspricht. MUTIG „traut der Börse nicht mehr richtig“ und neigt eigentlich dazu, den Gewinn von 50.000 Euro zu realisieren. Er sträubt sich anderseits aber auch dagegen, die Aktien schon wieder zu verkaufen, da es vielleicht ja „doch noch aufwärts gehen“ könnte. Per Zufall stößt er auf die Möglichkeit, eine dreimonatige Put-Option auf die PHOENIXAktie zum Basispreis 300 Euro abzuschließen. Der Preis einer Option, die zum Verkauf einer Aktie berechtigt, beläuft sich auf 20 Euro. Zeigen Sie, wie MUTIG die angestrebte Gewinnrealisierung – zumindest annähernd – mit Hilfe dieser Option bewerkstelligen könnte. Verdeutlichen Sie dabei für die beiden folgenden Strategien S1 und S2 grafisch das in 3 Monaten erzielbare Endvermögen EV, in Abhängigkeit von dem dann herrschenden Aktienkurs C!

S1: Weiterhalten des Aktienbestandes und Verkauf in 3 Monaten zum Kurs C; S2: Wie S1, aber zusätzlicher Erwerb von 500 Optionsscheinen der beschriebenen Art.

328

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

5.3.2.4 Arbitragestrategien Ein weiteres Motiv zum Engagement in Wertpapiertermingeschäften kann in der Absicht bestehen, zu einem ersten Geschäft – im Idealfall gleichzeitig, ansonsten kurz darauf –, ein zweites Geschäft abzuschließen, das – in seiner Risiko-Chance-Position der des ersten Geschäftes gerade entgegengesetzt ist, so dass sich Risiken und Chancen gegeneinander aufheben und – per Saldo eine sicher vorhersehbare Zahlungsreihe entsteht, die

• •

entweder sofort im Abschlusszeitpunkt einen sicheren Gewinn aufweist oder eine höhere Verzinsung erbringt als die ansonsten mögliche sichere Alternativanlage. Grundsätzlich sind derartige Arbitragemöglichkeiten in verschiedener Hinsicht denkbar, insbesondere – hinsichtlich der gleichen Objekte an verschiedenen Terminbörsen, – an der gleichen Terminbörse zwischen verschiedenen Formen und Kombinationen von Termingeschäften in dem gleichen Basiswert, – zwischen Kassa- und Terminbörse in dem gleichen Basiswert. Beispiel 5.03: a) Die ABC-Aktie wird aktuell zum Kassakurs von C0 = 530 Euro gehandelt; jederzeitig ausübbare Kaufoptionen auf die ABC-Aktie mit einem Basispreis von 500 Euro notieren zu P = 20 Euro. In diesem Fall führte folgende Arbitragetransaktion zu einem sicheren Gewinn: – Kauf einer Kaufoption und sofortige Ausübung („Preis“: 500 + 20 = 520 Euro), – gleichzeitiger Verkauf einer Aktie im Kassahandel (Preis 530 Euro). b) Die XY-Aktie wird aktuell zum Kassakurs von 200 Euro gehandelt, Kauf- und Verkaufsoptionen per 6 Monate mit einem Basispreis von 210 Euro werden zu 20 Euro gehandelt. Liquide Mittel können für beliebige Zeiträume zu 8% p.a. sicher angelegt werden. Für einen Anleger, der über einen Anlagebetrag von 20.000 Euro verfügt, wäre dann folgende Kombination von Geschäften lohnend: – Er kauft 100 XY-Aktien zum Kurs von 200 Euro. – Zugleich „verkauft“ er im Wege eines synthetischen Fixgeschäfts gem. Abschnitt 5.3.1.2, Teil (4), 100 XY-Aktien per Termin zum Kurs von 210 Euro, wird also Stillhalter einer Kaufoption und zugleich Inhaber einer Verkaufsoption. Im Fälligkeitszeitpunkt sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: 1) Der Aktienkurs liegt unter 210. Dann nutzt der Anleger seine Verkaufsoption und verkauft den vorhandenen Aktienbestand zu 21.000 Euro. 2) Der Aktienkurs liegt über 210. Dann wird der Anleger als Stillhalter der Kaufoption in Anspruch genommen und verkauft ebenfalls den vorhandenen Bestand zu 21.000 Euro. Aus dem geschilderten Geschäft erzielt der Anleger also in einem Halbjahr mit einem Einsatz von 20.000 Euro einen sicheren Vermögenszuwachs von 1.000 Euro. Bei der alternativ möglichen festverzinslichen Anlage hätte er jedoch nur einen Zinsgewinn von 800 Euro erzielen können.

5.3 Risiko-Chance-Strukturen von Termingeschäften

329

Für alle Anleger, die Mittel – als Ergebnis unmittelbarer Vereinbarungen oder als Resultante eines Bündels anderer Vereinbarungen – festverzinslich und sicher anlegen wollen, wäre es somit vorteilhaft, statt der unmittelbaren festverzinslichen Anlage zu 8% p.a. das geschilderte Arbitragegeschäft durchzuführen. Dementsprechend würden Kaufoptionen verstärkt angeboten, Verkaufsoptionen hingegen verstärkt nachgefragt. Wie die geschilderten Beispiele ebenfalls deutlich machen, liegt das Dilemma der Arbitrage darin begründet, dass sie stets Wirkungen entfaltet, die ihr selbst die Basis entziehen. So dürfte in dem zuletzt betrachteten Beispiel im Fall a) bei ABC-Aktien zu einem Kurs von 530 Euro ein hohes Angebot, aber kaum Nachfrage vorliegen, während Kaufoptionen zu 20 Euro stark nachgefragt würden, aber nur wenig Bereitschaft bestehen dürfte, entsprechende Stillhalterpositionen einzugehen. Ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage könnte mithin erst bei einem niedrigeren Aktienkurs und/oder höheren Optionspreis gefunden werden, also etwa bei der Konstellation C0 = 522, P = 25. In ähnlicher Weise würde auch im Fall b) die im Hinblick auf das Zinsniveau „zu große“ Differenz zwischen Kassa- und (implizitem) Terminkurs über Arbitragegeschäfte der geschilderten Art dazu führen, dass – der Kassakurs wegen des zunehmenden Kaufinteresses steigt, – der Preis von Verkaufsoptionen wegen des zunehmenden Kaufinteresses ebenfalls steigt, – der Preis von Kaufoptionen hingegen wegen des zunehmenden Angebotsdruckes fällt. Schließlich wäre es je nach der gesamten Marktsituation auch noch denkbar, dass der Zins für kurzfristige Anlagen steigt. Auf gut funktionierenden Märkten, wie es Wertpapierbörsen üblicherweise sind, können sich somit in aller Regel nur kurzfristig und in geringfügigem Ausmaß lohnende Arbitragemöglichkeiten in dem skizzierten Sinne bieten. Übungsaufgabe 5.07: Gehen Sie von den Daten des letzten Beispiels unter b) aus! a) Bei welchem Anlagezins würde sich bei ansonsten unveränderten Daten eine Arbitrage der geschilderten Art gerade nicht mehr lohnen? b) Welche Beziehung müsste zwischen den Preisen für Kauf- und Verkaufsoptionen herrschen, damit bei sonst unveränderten Daten gegenüber dem Beispiel die geschilderte Arbitrage nicht mehr lohnt?

Im einschlägigen Sprachgebrauch fasst man den Begriff der Arbitrage allerdings auch weiter und versteht darunter auch noch das gewinnbringende Ausnutzen geeigneter Kurskonstellationen zu verschiedenen, nicht allzu weit auseinanderliegenden Zeitpunkten. Ein Arbitrageur in diesem Sinne geht also zunächst eine offene Position der im Abschnitt 5.2.1.3, Teil (1) erläuterten Art ein, jedoch nicht mit dem Ziel, diese bis zum Vertragsende offen zu halten, sondern mit der Absicht, sich möglichst schnell durch ein geeignetes Gegengeschäft „glatt“ zu stellen und dabei einen Gewinn zu realisieren. Erweitert man den Arbitragebegriff in dieser Weise, so gewinnt über die bislang verdeutlichten Arbitrageformen hinaus die Möglichkeit an Bedeutung, einen zunächst abgeschlossenen Terminkontrakt auf dem Sekundärmarkt wieder zu verkaufen oder sich durch ein passendes Gegengeschäft „glatt“ zu stellen. Im Gegensatz zur zeitgleichen Arbitrage kann der Anleger bei dieser intertemporalen Arbitrage jedoch nicht sicher sein, dass es ihm die Marktentwick-

330

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

lung auch wirklich erlauben wird, das zunächst abgeschlossene Primärgeschäft durch ein späteres Gegengeschäft mit Gewinn auszugleichen. Auf der anderen Seite besteht natürlich auch bei einem zunächst in spekulativer Absicht im Sinne von Abschnitt 5.2.1.3, Teil (1) abgeschlossenen Geschäft die Möglichkeit, sich bei einer günstigen Marktkonstellation vor Fälligkeit gewinnbringend „glatt“ zu stellen. Mit anderen Worten: Im konkreten Anwendungsfall sind die Grenzen zwischen Arbitrage- und Spekulationsgeschäften sehr viel weniger scharf, als das im einschlägigen Schrifttum häufig dargestellt wird. Ähnliches gilt im Übrigen auch für die Unterscheidung zwischen Hedging- und Arbitragegeschäften einerseits, sowie Hedging- und Spekulationsgeschäften andererseits. In reiner Form markieren diese drei Geschäftstypen eher die Eckpunkte eines Dreiecks, dessen übrige Punkte die verschiedenen Zwischenformen zwischen den drei „reinen“ Extremtypen verdeutlichen. Übungsaufgabe 5.08: An einem Terminmarkt herrschen folgende Gegebenheiten: – Terminkurs der XY-Aktie per 6 Monate: – Preis einer Kaufoption mit dem Basispreis von 200 Euro in XY-Aktien per 6 Monate: – Preis einer Verkaufsoption mit dem Basispreis von 200 Euro per 6 Monate:

200 Euro 20 Euro 18 Euro

a)

Verdeutlichen Sie, welche Arbitragemöglichkeiten sich in dieser Situation bieten würden! Beachten Sie dabei die Ausführungen unter (4) im Abschnitt 5.3.1.2 und vernachlässigen Sie bei der rechnerischen Herleitung Zinseffekte und Transaktionskosten! b) Welche Kurstendenzen würden durch das Bestehen von Arbitragemöglichkeiten der unter a) abzuleitenden Art ausgelöst, wenn man einmal vereinfachend den Terminkurs der Aktie als Datum ansieht?

5.4

Wertpapiertermingeschäfte an der EUREX

5.4.1

Überblick

In Deutschland waren börsenmäßig organisierte Wertpapiertermingeschäfte nach einer ersten Blüte in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts über Jahrzehnte hinweg verboten. Erst im Jahre 1970 wurden an den bereits aus Abschnitt 3.1.2 bekannten „Kassa“-Börsen bestimmte Arten von Optionsgeschäften zugelassen. Auf der Basis der dort gesammelten Erfahrungen kam es dann im Jahr 1990 zur Gründung der „Deutschen Terminbörse“ (DTB), deren Geschäftstätigkeit ausschließlich auf den Abschluss von Options- und FuturesKontrakten in einigen ausgewählten Wertpapieren gerichtet war. Im Zuge einer ständigen Ausweitung der börsenmäßigen Geschäftstätigkeit und internationaler Beteiligungen entstand aus der Fusion der DTB und der schweizerischen SOFFEX im Jahr 1998 die „Eurex Deutschland“ (im Folgenden kurz EUREX). Die EUREX ist eine von der „Eurex Frankfurt AG“ betriebene öffentlich-rechtliche Börse nach deutschem Recht. Ihr Geschäftszweck ist – wie wir schon im Abschnitt 5.2.1 erläutert haben – nicht auf den Handel von Wertpapieren ausgerichtet, sondern auf den Abschluss von

5.4 Wertpapiertermingeschäfte an der EUREX

331

Options- und Futures-Kontrakten, deren Erfüllung in aller Regel gar nicht beabsichtigt ist. Die an der EUREX tätigen Marktteilnehmer sind dementsprechend – im Gegensatz zu den an den Kassabörsen tätigen Händlern – auch gar keine „Händler“ im üblichen Sinne des Wortes. Dennoch ist es üblich geworden, die an der EUREX tätigen Akteure als „Händler“ zu bezeichnen und bei den von Ihnen abgeschlossenen Geschäften von „Kauf“ und „Verkauf“ zu reden. Wir werden diesem Sprachgebrauch in den weiteren Ausführungen gelegentlich auch folgen, soweit dadurch keine Missverständnisse entstehen können. Genau wie an den Kassabörsen vollzieht sich auch die Geschäftstätigkeit der EUREX in einem Rahmen diverser Standardisierungen und sonstigen Regulierungen. Dies gilt insbesondere für die – überhaupt zur Tätigkeit an der EUREX zugelassenen Marktteilnehmer sowie deren Rechte und Pflichten, – die technischen Modalitäten der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften, – die Art, Laufzeit und Preisgestaltung der von ihnen abschließbaren Terminkontrakte sowie – das sogenannte Clearingsystem. In den drei folgenden Abschnitten werden wir einen groben Überblick über die entsprechenden Gegebenheiten an der EUREX vermitteln. Von einzelnen Details abgesehen gelten etliche der dargestellten Regelungen in ganz ähnlicher Weise auch für die anderen großen Wertpapierterminbörsen dieser Welt.

5.4.2

Handelssysteme, Marktteilnehmer und Aufträge

Die EUREX ist von Anfang an als reine Computerbörse aufgebaut worden, bei ihrer Gründung im letzten Jahrhundert durchaus noch eine Besonderheit. Es gibt also keinen Börsensaal mit heftig gestikulierenden Händlern und Maklern. Die Geschäftsabschlüsse an der EUREX vollziehen sich vielmehr ausschließlich über die Terminals der etlichen hundert zum Handel an dieser Börse zugelassenen Marktteilnehmer, die mit dem Zentralcomputer der EUREX verbunden sind. Dort können sie in dem „zentralen Orderbuch“ unter anderem – die ständige Kursentwicklung beobachten, – die sogenannten Quotes abfragen, d. h. die Angebots- und Nachfragekurse der Market Maker (s.u.) und – selbst Orders „in den Markt“ geben oder unmittelbar auf Angebote der Market Maker oder anderer Marktteilnehmer eingehen. Die Teilnahme an den Geschäften der Terminbörse setzt die Zulassung durch den Börsenvorstand voraus. Diese ist an die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen in persönlicher, sachlicher und finanzieller Hinsicht geknüpft. Abgesehen von der noch im Abschnitt 5.4.4 näher zu behandelnden unterschiedlichen Positionierung innerhalb des Clearing-Systems sind im Einzelnen die folgenden beiden Gruppen von Marktteilnehmern zu unterscheiden: •

„Händler“ geben ihre Aufträge über ihre Terminals in den „Markt“ (also den Zentralcomputer der Terminbörse). Dabei kann es sich der Sache nach sowohl um Eigengeschäfte als auch um die Erledigung von Kundenaufträgen handeln. De jure werden die einzelnen Händler jeweils für alle von ihnen getätigten Geschäfte der unmittelbare Vertragspartner und damit Träger aller Rechte und Pflichten. Um dem eigentlichen Kun-

332

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III) denwunsch zu entsprechen, schließen sie mit diesem dann ein entsprechendes Gegengeschäft ab.

Beispiel 5.04: ALPHA beauftragt seine Hausbank, ihm „über eine Terminbörse“ Stillhalterposition in einer bestimmten Kaufoption zu verschaffen. Die Bank schließt daraufhin an der EUREX einen entsprechenden Kontrakt ab, wird also gegen Erhalt der entsprechenden Prämienzahlung zunächst Stillhalter gegenüber dem fraglichen Vertragspartner. Gleichzeitig schließt die Bank mit ALPHA einen Vertrag ab, wonach dieser ihr gegenüber die Stillhalterverpflichtung übernimmt, die Bank also das Recht erhält, ihm das fragliche Wertpapier zu dem festgelegten Basispreis anzudienen.



Market Maker sind verpflichtet, in den von ihnen betreuten Geschäftsarten auf Anfrage sog. Quotes (auch bid-ask-spread genannt) zu stellen, d.h. jeweils einen Preis zu nennen, zu dem sie bereit sind, die entsprechende Position auf eigene Rechnung zu übernehmen, und einen zweiten Preis, zu dem sie bereit sind, die entsprechende Position auf eigene Rechnung abzugeben. Market Maker können aber auch unaufgefordert ihre jeweiligen Quotes bekanntgeben, an die sie dann bis zur Bekanntgabe neuer Werte gebunden sind.

Beispiel 5.05: Die BETA-Bank betätigt sich u.a. als Market Maker für im Dezember fällige Kaufoptionen auf die DELTA-Aktie, deren aktueller Kurs bei ca. 200 Euro liegen soll. Die entsprechenden Eingaben in den Zentralcomputer der EUREX könnten dann – vorbehaltlich anderer Formatvorgaben – etwa folgendes Aussehen haben:

DELTA – CALL 180 200 220

Dezember 26/26,20 10/10,15 4/4,10

Die BETA-Bank wäre demnach bereit, die fragliche Option bei einem Basispreis von 180 – für 26,20 Euro zu „verkaufen“, d.h. die Stillhalterposition einzunehmen, oder – für 26,00 Euro zu „kaufen“, d.h. dem so zum Stillhalter werdenden Vertragspartner gegenüber die Position des Optionsberechtigten einzunehmen. Entsprechend niedrigere Quotes gelten für höhere Basispreise von 200 bzw. 220. Unter den an der Terminbörse agierenden Personen befinden sich also – im Gegensatz zu dem klassischen Idealbild einer Börse – überhaupt keine Makler. Den rein mechanischen Teil ihrer Aufgabe, das „matching“, d.h. die Zusammenführung zueinander passender Aufträge, übernimmt der Zentralcomputer der Terminbörse. Ansonsten wird darauf gesetzt, dass Market Maker, die daran interessiert sind, per Saldo keine offenen Positionen aufzubauen, aber in möglichst großem Umfang an den Spannen zwischen den eigenen „Käufen“ und „Verkäufen“ zu verdienen, in Konkurrenz mit anderen Market Makern dazu beitragen, – ständig möglichst „marktgerechte“ Kurse zu nennen und zugleich – für eine weitestgehende „Räumung“ des Marktes zu sorgen.

5.4 Wertpapiertermingeschäfte an der EUREX

333

Aufträge, die von den Händlern in den Markt gegeben werden, können limitiert oder unlimitiert erteilt werden. Dabei können oder müssen sie zum Beispiel durch eine der folgenden Gültigkeitsklauseln gemäß den Eurex-Trading-Bedingungen konkretisiert werden: •

Good-till-Cancelled (GTC): Sofern der Auftrag nicht sofort zur Ausführung gelangt, bleibt er so lange gültig, bis er widerrufen wird. • Good-till-Date (GTD): Sofern der Auftrag nicht sofort zur Ausführung gelangt, bleibt er bis zum Ablauf der angegebenen Frist gültig. Limitierte Aufträge können darüber hinaus als sog. eingeschränkt limitierte Aufträge zusätzlich mit einer der folgenden Ausführungsklauseln versehen werden:



Fill-or-kill (FOK): Sofern der Auftrag nicht sofort vollständig ausgeführt wird, ist er umgehend wieder zu löschen. • Immediate-or-cancel (IOK): Der Auftrag soll umgehend ganz oder, sofern dies nicht möglich ist, auch nur teilweise ausgeführt werden; der nicht sofort ausführbare Rest ist wieder zu streichen. Zudem gibt es die Möglichkeit Stop-Aufträge zu stellen. In diesem Fall gibt der Kunde einen gewünschten Preis an, bei deren Erreichen es zur Auftragsausführung als Bestens- oder Billigst-Order kommt. Für die weitere Behandlung der in der einen oder anderen Weise spezifizierten Aufträge der Händler wie auch der Quotes der Market Maker ist entscheidend, in welcher der folgenden in den Eurex-Trading-Bedingungen präzisierten Handelsphasen sie erfolgen:



Pre-Trading-Phase: In der vorbörslichen Phase können Aufträge und Quotes eingegeben werden. Eine Zuordnung von Angebot und Nachfrage erfolgt noch nicht; alle Eingaben werden gesammelt. • Trading-Phase: Der Handel beginnt mit dem sog. Opening, in dem für jede Kontraktart nach dem Meistausführungsprinzip ein Eröffnungskurs ermittelt wird. Anschließend werden die Geschäfte in der Handelsphase nach dem Prinzip des Ihnen bereits bekannten fortlaufenden Handels weiter abgewickelt. Bei einigen Futures-Kontrakten endet die Handelsphase mit der Ermittlung eines Schlusskurses, der wiederum nach dem Meistausführungsprinzip bestimmt wird. • Post-Trading-Periode: Für eine gewisse Zeit nach Beendigung der Handelsphase können weitere Aufträge und Quotes eingegeben werden, die allerdings erst am nächsten Börsentag im Verbund mit den weiteren Aufträgen in der nächsten vorbörslichen Phase zur Ausführung gelangen können. Die Erfüllung von Aufträgen, das sog. Matching, kann also nur in der Trading-Phase erfolgen, und zwar – sowohl in der Weise, dass Aufträge von Marktteilnehmern mit passenden Quotes der Market Maker zusammengeführt werden, – als auch dadurch, dass miteinander kompatible Aufträge verschiedener Marktteilnehmer zusammengeführt werden. Die Ermittlung des Eröffnungskurses sowie die ständige Zuordnung von Angebot und Nachfrage werden dabei ohne jegliche menschliche Einwirkung durch den zentralen Computer der EUREX vorgenommen. Die für das zugrundeliegende Programm maßgeblichen Regelungen über die Art und Weise, wie die Aufträge zusammengeführt werden, sind in den EUREXTrading-Bedingungen fixiert.

334

5.4.3

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Kontraktspezifikationen

Die EUREX bietet – neben etlichen weiteren Geschäften – insbesondere die Möglichkeit, Terminkontrakte auf die folgenden Basiswerte abzuschließen: – knapp tausend einzelne Aktien deutscher und ausländischer Gesellschaften, – rund hundert deutscher und internationaler Aktienindices, – über ein dutzend deutscher und französischer Staatsanleihen und Geldmarktprodukte (Zinsderivate), – rund zwei dutzend börsengehandelter Investmentfonds (ETF-Derivate) sowie – die für den EURO-Raum wichtigen Fremdwährungen (FX-Derivate). Sämtliche Kontrakte sind in mehrfacher Hinsicht standardisiert. Dies gilt insbesondere für die folgenden Elemente: (1) Kontraktarten Zu den meisten Basistiteln können sowohl Futures als auch Kauf- sowie Verkaufsoptionen abgeschlossen werden, bei den meisten Aktien zudem auch Straddles und Spreads (vgl. Abschnitt 5.3.1.3). Bei bestimmten Basiswerten sind allerdings nur Futures vorgesehen, bei anderen nur Optionen. Schließlich besteht in einigen Fällen auch die Möglichkeit, Optionen auf Futures zu vereinbaren. In allen Fällen ist durch das Regelwerk der EUREX festgelegt, ob die Kontrakte – wenn es denn überhaupt zur Erfüllung kommt – durch Zahlungsausgleich oder durch effektive Lieferung zu erfüllen sind. Bei Optionen ist zudem noch vorgegeben, ob sie jederzeit oder nur zum Fälligkeitstermin ausgeübt werden können. (2) Kontraktlaufzeiten Die Marktteilnehmer sind bei ihren Vertragsabschlüssen an ein vorgegebenes Raster möglicher Laufzeiten gebunden. Dieses Raster wird durch die Festlegung verschiedener kalendarisch fixierter Verfalltage bestimmt, von denen jeweils eine bestimmte Teilmenge „im Handel“ ist. Kurz vor dem Erreichen des zeitlich nächstliegenden Verfallstages wird dieser aus dem Raster genommen und ein neuer, zeitlich weiter entfernter Verfalltag „hinten angehängt“. Folgendes – die an der EUREX tatsächlich anzutreffenden Regelungen etwas vereinfachende – Beispiel verdeutlicht das Grundkonzept dieser Regelung. Beispiel 5.06: Zu Beginn eines Jahres stehen für den Abschluss von Optionen auf die ALPHA-Aktie folgende fünf Verfalltage zur Verfügung: • als die nächsten drei Monatsverfalltage der 15.1., 15.2. und 15.3. sowie • als die danach folgenden beiden Quartalsverfalltage der 15.6. und 15.9. Kontrakte mit diesen fünf Verfalltagen können bis zum 13.1. abgeschlossen werden. Ab dem 14.1. steht der 15.1. nicht mehr zur Verfügung, stattdessen wird der 15.4. neu in das Raster aufgenommen. Ganz analog wird am 14.2. verfahren: Kontrakte bis zum 15.2. sind jetzt nicht mehr möglich; stattdessen kommt der 15.5. neu in das Raster. Etwas anders verhält es sich dann am 14.3.: Jetzt fällt der 15.3. aus dem Raster. Da der 15.6. aber ohnehin schon dem Raster angehört, wird jetzt ein weiterer Quartalsverfalltag, der 15.12., eingefügt. Das Raster umfasst dann also folgende Termine:

5.4 Wertpapiertermingeschäfte an der EUREX

335

15.4. | 15.5. | 15.6. | 15.9. | 15.12. Diese für die Marktteilnehmer verbindlichen Raster der jeweils zulässigen Verfalltage haben für verschiedene Kontraktgruppen ein durchaus unterschiedliches Aussehen. (3) Kontraktgröße und Preisabstufungen Für die einzelnen Kontraktmöglichkeiten ist weiterhin festgelegt, – auf welche Dimensionierung des jeweiligen Basiswertes sich ein Future bzw. eine Option bezieht (z.B. auf 1 Aktie oder auf Anleihen im Nominalwert 100.000 Euro etc.) sowie – in welchen „Stückzahlen“ nur Kontrakte abgeschlossen werden können (z.B. über 1 Option oder nur über jeweils 100 Optionen etc.). Außerdem ist festgelegt, ob und ggf. in welcher Weise die Basispreise gegenüber den zunächst vereinbarten Werten angepasst werden, wenn es zwischenzeitlich zu Dividendenzahlungen, Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen oder ähnlichen Transaktionen kommt. Weiterhin wird durch die EUREX vorgegeben, zu welchen Basispreisen Futures und Optionen abgeschlossen werden können sowie in welchen Abstufungen beim Abschluss von Optionskontrakten fällige Prämien vereinbart werden können.

5.4.4

Clearing-System

Unter der Bezeichnung Clearing ist zunächst die Gesamtheit der Maßnahmen zur Abwicklung, Besicherung sowie geld- und stückmäßigen Regulierung der abgeschlossenen Terminkontrakte zu verstehen (Clearing im engeren Sinne). Ausschließliche Clearingstelle der EUREX ist die EUREX CLEARING AG, eine Tochtergesellschaft der EUREX Frankfurt AG. Die Clearingstelle fungiert – über die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs „Clearing“ hinaus – zudem für alle zwischen den Clearing-Mitgliedern (s.o.) abgeschlossenen Kontrakten als zentraler Kontrahent. D.h. wenn über den Zentralcomputer der EUREX zwei miteinander kompatible Aufträge zwischen zwei Clearingmitgliedern X und Y „gematcht“ werden, entsteht dadurch gar kein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen X und Y, vielmehr entstehen zwei, die beiden zusammengeführten Aufträge widerspiegelnde Vertragsverhältnisse zwischen X und der Clearingstelle einerseits sowie der Clearingstelle und Y andererseits. Beispiel 5.07: Während der Handelsphase gibt ein Market Maker einen Quote für einen bestimmten Call mit den Preisen 50 (Kauf) und 52 (Verkauf) in den Markt. Im Markt befinden sich zurzeit – von Bank A ein unlimitierter Kaufauftrag für einen Call über 100 Aktien, – von Bank B ein auf 52 limitierter Kaufauftrag für einen Call über 200 Aktien und – von Bank C ein auf 49 limitierter Verkaufsauftrag für einen Call über 250 Aktien. Der Terminbörse-Computer führt die drei Aufträge mit dem Quote des Market Maker zusammen, woraus dann durch den sofortigen Eintritt der Terminbörse folgende Rechtsbeziehungen resultieren: (1) Die Clearingstelle ist gegenüber den Banken A und B in der Position des Stillhalters einer Kaufoption über 100 bzw. 200 Aktien. Sie ist außerdem gegenüber der Bank C in der Position des Käufers einer Kaufoption über 250 Aktien.

336

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

(2) Zugleich ist die Clearingstelle gegenüber dem Market Maker – zum einen in der Position des Käufers einer Kaufoption über 300 Aktien und – zum anderen in der Position des Stillhalters einer Kaufoption über 250 Aktien. Dieser generelle Eintritt der Clearingstelle in alle Geschäfte hat neben der Vereinfachung der Abrechnung für die Marktteilnehmer insbesondere den Vorteil, dass die Bonität und Leistungsfähigkeit des Marktpartners, dem der eigene Auftrag zunächst zugeführt wird, für sie unerheblich ist. Ausschließlich die Terminbörse mit ihrer gemeinhin als absolut erstklassig angesehenen Bonität steht für die Auftragserfüllung gerade. Allerdings können nicht alle zum Handel an der Terminbörse zugelassenen Händler in dieser Weise in unmittelbare Rechtsbeziehung zu der Terminbörse treten. Vielmehr sind folgende drei Kategorien von Börsenteilnehmern zu unterscheiden: •

General-Clearing-Mitglieder (GCM) können zum einen unmittelbare Geschäfte mit anderen Börsenteilnehmern abschließen. Zum anderen treten sie gegenüber der Terminbörse auch für solche Geschäftsabschlüsse als unmittelbarer Vertragspartner auf, die aus Aufträgen der von ihm „betreuten“ Non-Clearing-Mitglieder (s.u.) resultieren. Direct-Clearing-Mitglieder (DCM) hingegen können ebenfalls unmittelbar mit anderen Clearing-Mitgliedern Geschäfte abschließen, jedoch nur eingeschränkt in Geschäfte der Non-Clearing-Mitglieder eintreten. Non-Clearing-Mitglieder (NCM) schließlich können zwar ebenfalls am Börsenhandel teilnehmen, also etwa Quotes abfragen und Aufträge in den Markt geben. Gelangt der Auftrag allerdings zur Ausführung, so wird das „betreuende“ GCM – quasi stellvertretend für das NCM – Vertragspartner der Terminbörse und – in entgegengesetzter Richtung – zugleich Vertragspartner seines NCM.70

• •

Beispiel 5.08: In unserem vorangegangenen Beispiel sei zusätzlich unterstellt, Bank C sei ein NCM, das von der Bank X als GCM betreut wird. Die beiden nachfolgenden Skizzen verdeutlichen 1. das Zustandekommen des Geschäftsabschlusses (Matching) und 2. die daraus entstehende Kette von vertraglichen Ansprüchen: Market Maker

Nachfrage Call

Market Käufer Call Maker

Angebot Call

Bank C

Matching

Cl. St.

Käufer Call

Bank X

Käufer Call

Bank C

Die GCM-Bank X tritt also gegenüber der Terminbörse in die Position des Stillhalters einer Kaufoption und zugleich gegenüber der Bank C in die Position des Käufers eines entsprechenden Calls.

70

Um möglichen Missverständnissen sofort vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass hier nur von den Beziehungen verschiedener Börsenteilnehmer untereinander die Rede ist. Davon zu trennen ist die Frage, ob ein Händler im Rahmen seiner eigenen Anlagepolitik oder für Kunden Aufträge in den Markt gibt. Zur Abwicklung von Kundenaufträgen sind Mitglieder aller drei Kategorien berechtigt.

5.4 Wertpapiertermingeschäfte an der EUREX

337

Aus diesem Beispiel wird auch die Ratio dieser Regelung erkennbar: Stillhalter gegenüber der Terminbörse ist nicht die Bank C, sondern Bank X, die als GCM deutlich höheren finanziellen Anforderungen genügen muss. Selbst wenn Bank C bei der Erfüllung der aus dem eingegangenen Terminkontrakt resultierenden Verpflichtungen in Probleme geraten sollte, berührt dies die Terminbörse nicht, solang nur die GCM-Bank X leistungsfähig bleibt. Die Clearing-Regelung erlaubt es den Marktteilnehmern zugleich, einmal eingegangene Positionen schon vor Fälligkeit „glatt“ zu stellen, indem sie das entsprechende Gegengeschäft abschließen, also z.B. auf einen Long Put oder den Verkauf eines Futures einen Short Put bzw. den Kauf eines Futures in demselben Basiswert, zum selben Verfallstag und mit demselben Basispreis folgen lassen. Da Rechtsbeziehungen in beiden entgegengesetzten Termingeschäften nur gegenüber der Clearingstelle begründet werden, heben sich Rechte und Pflichten gerade gegenseitig auf. Wären hingegen etwa für den Fall des Optionsgeschäftes der Optionsanspruch und die Stillhalterverpflichtung gegenüber unterschiedlichen Vertragsparteien entstanden, käme es ggf. trotz Glattstellung immer noch in beiden Geschäften zu Lieferungen. Durch das Entfallen dieser Notwendigkeit wird dementsprechend auch der Umfang der zur Erfüllung der Optionsgeschäfte notwendigen Wertpapierlieferungen drastisch reduziert. Verständlich wird hierdurch, warum an der EUREX wie auch an vielen anderen Terminbörsen in aller Regel nur ein äußerst geringer Bruchteil der abgeschlossenen Termingeschäfte auch tatsächlich ausgeübt wird; die ganz überwiegende Mehrheit der Positionen, sowohl short als auch long, werden vielmehr vor Fälligkeit durch ein Gegengeschäft glattgestellt. Neben der Differenzierung in unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen für Börsenmitglieder sichert die Clearingstelle ihre Ansprüche zusätzlich durch die börsentägliche Neufestsetzung des von den Clearing-Mitgliedern insgesamt zu leistenden Gesamtvolumens an Sicherheiten. Übersteigen die bereits gestellten Sicherheiten das erforderliche Maß, kann über den „freien“ Teil beliebig disponiert werden. Erreichen die Sicherheiten hingegen den SollWert nicht, muss ein Ausgleich spätestens bis zum Morgen des nachfolgenden Börsentages erfolgt sein. Nach dem für die EUREX maßgeblichen Clearing-Bedingungen sind GCMitglieder verpflichtet, den von ihnen betreuten NC-Mitgliedern mindestens in der Höhe Sicherheiten abzuverlangen, wie sie die Terminbörse von einem Clearing-Mitglied mit einer entsprechenden Position verlangen würde. Bei Optionsgeschäften wird beispielsweise folgendes Sicherungssystem praktiziert: • •



Börsentäglich wird für jedes Basispapier je Clearing-Mitglied die per Saldo „offene“ Stillhalterposition ermittelt, d.h. der Überschuss der eingegangenen Stillhalterverpflichtungen (short positions) über entsprechende Optionsrechte (long positions). Von der Anzahl der Aktien, die der so ermittelten offenen Stillhalterposition gemäß aus Short Calls möglicherweise zu liefern wären, wird die Anzahl der entsprechenden Aktien abgezogen, die bereits zugunsten der Clearingstelle hinterlegt sind (kongruente Deckung). Für die danach noch offenen Liefer- und Zahlungsverpflichtungen ist der Clearingstelle in Form der sog. Margins zusätzlich Sicherheit in Geld oder Wertpapieren zu leisten. Dabei ist das Ausmaß der zu leistenden Sicherheiten tendenziell umso größer, je weiter die Optionen „in the money“ sind. Mit der sog. Premium Margin sollen bei Optionen diejenigen Kosten abgedeckt werden, die sich bei einer Glattstellung zum aktuellen Marktpreis ergeben würden.

338

5 Börsenmäßige Wertpapiertermingeschäfte (Derivate III)

Für sämtliche Kontrakte (Optionen, Futures und Optionen auf Futures) deckt die sog. Additional Margin darüber hinaus die Kosten ab, die der Clearingstelle im ungünstigsten Fall bis zum nächsten Börsentag entstehen könnten. Sie ist der Kern des sog. Risk-BasedMargining-Systems der Terminbörse, welches das Ausmaß der verlangten Sicherheitsleistungen nicht mehr rein additiv aus den Sicherheitsanforderungen verschiedener offener Positionen ableitet. Vielmehr werden nach diesem Prinzip alle Options- und Futures-Positionen eines Clearing-Mitglieds gemeinsam der Margin-Berechnung zugrundegelegt. Dabei werden insbesondere – die Volatilität, d.h. das Ausmaß der in der Vergangenheit beobachteten Kursschwankungen der einzelnen Titel, und – die Korrelationen, d.h. das Ausmaß, in dem Kursschwankungen von je zwei Titeln eher gleichgerichtet, entgegengesetzt oder ohne erkennbaren Zusammenhang verlaufen sind, mit berücksichtigt. Das Ziel des Risk-Based-Margining-Systems ist es, Kombinationen von Optionen auf Aktien, Optionen auf Futures und Futures auf ihr Gesamtrisiko hin zu überprüfen. Positionen mit entgegengesetztem Risikopotenzial sollen auf diese Weise angemessen berücksichtigt werden. Wie bereist erwähnt, werden für jedes Clearing-Mitglied börsentäglich die rechnerischen Gewinne oder Verluste für jede einzelne Futures-Position und jede einzelne Position aus Optionen aus Futures gegenüber dem letzten Börsentag ermittelt und dem Mitglied gutgeschrieben oder belastet. Grundlage für die Ermittlung von Gewinn oder Verlust ist dabei der Vergleich des in dem betrachteten Kontrakt vereinbarten Basispreises mit dem am Ende des jeweiligen Börsentages festgestellten Marktpreis, der sog. tägliche Abrechnungspreis. Das skizzierte Prinzip des Daily Settlement bewirkt im Allgemeinen, dass sich bei den einzelnen Marktteilnehmern unrealisierte Gewinne oder Verluste nur in geringem Ausmaß aufbauen können und sich dementsprechend auch die im Erfüllungszeitpunkt effektiv noch offene Differenz in engen Grenzen halten. Die von der Terminbörse zu tragenden Realisationsrisiken werden somit zusätzlich begrenzt. Weitere Vorteile des Clearings ergeben sich auch im Hinblick auf die Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Alle Clearingmitglieder gleichen börsentäglich (außer mit den von ihnen betreuten NC-Mitgliedern) lediglich mit der Clearingstelle den Saldo der aus der Gesamtheit aller getätigten Transaktionen resultierenden Zahlungsansprüche und -verpflichtungen aus.

6

Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

6.1

Allgemeine Vorüberlegungen

6.1.1

Problemstellung

In den Kapiteln 2 bis 5 haben wir uns vorwiegend mit zwei Arten von Finanzdienstleistungen beschäftigt, nämlich – zunächst mit Finanzierungsleistungen, die von verschiedenen Finanzintermediären teils als Eigen-, teils als Vermittlungsleistungen erbracht werden (Kapitel 2), sowie – anschließend mit Anlageleistungen, bei denen Finanzintermediäre teils als unmittelbare Geldnehmer, teils wiederum als Vermittler auftreten (Kapitel 3 bis 5). Bei etlichen dieser Leistungen war zudem als mehr oder weniger gewichtige Nebenwirkung der Effekt zu verzeichnen, dass verschiedene Arten finanzwirtschaftlicher Risiken durch die Tätigkeit der Finanzintermediäre vermindert werden. Übungsaufgabe 6.01: Verdeutlichen Sie an Hand von drei Beispielen Ihrer Wahl die zuletzt aufgestellte These, wonach verschiedene Arten der bislang erörterten Finanzdienstleistungen zugleich zur Verminderung bestimmter finanzwirtschaftlicher Risiken beitragen!

Darüber hinaus bieten Finanzintermediäre in verschiedenen Feldern die Übernahme von Risiken jedoch als eigenständige Marktleistung an. Dieser Geschäftsbereich ist natürlich zunächst die Domäne der Versicherungen. In bestimmten Segmenten bieten jedoch auch andere Finanzdienstleistungsunternehmen wie z.B. Banken oder Kreditkartenorganisationen vergleichbare Leistungen an. Bevor wir uns in den Abschnitten 6.2 und 6.3 einen groben Überblick über die institutionellen Gegebenheiten des Versicherungsgeschäfts verschaffen, wollen wir uns zuvor kurz an Hand eines bewusst einfach gehaltenen und auf eine beispielhafte Darstellung beschränkten Modells mit einem für die Möglichkeit der Risikoübernahme als Marktleistung konstitutiven Phänomen beschäftigen, dem Risikoausgleich im Kollektiv.

6.1.2

Das versicherungstheoretische Grundmodell

6.1.2.1 Die Ausgangssituation Wir unterstellen, eine größere Anzahl von Fahrradbesitzern sei – jeweils für ein Jahr betrachtet – in folgender Weise der Gefahr eines Diebstahls ausgesetzt:

340

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung



Mit 90%-iger Wahrscheinlichkeit kommt es zu keinem Diebstahl; der Schaden beträgt also 0 Euro. • Mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 0,1, d.h. 10%, kommt es hingegen zu einem Diebstahl; der Schaden beläuft sich dann auf S = 500 Euro. Um Risikosituationen dieser Art vergleichen zu können, ist es seit langem üblich, auf bestimmte wahrscheinlichkeitstheoretische Parameter zurückzugreifen, wobei dem Erwartungswert μ (griech. „müh“) und der Standardabweichung σ (griech. „sigma“) besondere Prominenz zukommt. Der Erwartungswert μ wird allgemein berechnet, indem man zunächst jeden möglichen Ergebniswert mit der zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert und diese Produkte anschließend addiert. In unserem Ausgangsbeispiel gilt also ganz einfach μ1 = 0,9 ⋅ 0 + 0,1 ⋅ 500 = 5071

Der Erwartungswert des Schadens, die Schadenserwartung, beträgt in unserem Fall also 50 Euro. Die Berechnung der Standardabweichung σ ist etwas komplizierter: •

Zunächst bildet man für jeden möglichen Ergebniswert die Differenz zum Erwartungswert μ. In unserem Beispiel also: 0 − 50 = −50 und 500 −50 = 450. • Anschließend quadriert man diese Differenzen. Also (−50)2 = 2.500 und 4502 = 202.500. • Diese Quadratwerte werden dann mit den zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten multipliziert und aufaddiert. Das so erzielte Zwischenergebnis wird allgemein als Varianz bezeichnet. In unserem Beispiel ergibt sich für die Varianz also: 0,9 ⋅ 2.500 + 0,1 ⋅ 202.500 = 2.250 + 20.250 = 22.500 • Aus dem so gefundenen Wert wird als letzter Schritt zur Ermittlung von σ schließlich die Wurzel gezogen. 22.500 = 150. Also

Zusammenfassend kann für unser Ausgangsbeispiel also geschrieben werden: σ1 =

0,9 ⋅ ( 0 − 50 )2 + 0,1 ⋅ ( 500 − 50 )2 = 150

Für Situationen, in denen es mit der Wahrscheinlichkeit p zu einem Schaden S und mit der Gegenwahrscheinlichkeit (1 – p) zu keinem Schaden kommt, kann gezeigt werden, dass sich μ und σ allgemein nach folgenden Formeln berechnen lassen: (6.01)

μ1 = p ⋅ S

(6.02)

σ1 =

p ⋅ (1 − p) ⋅ S

μ ist dabei ein Indikator für die im statistischen Durchschnitt zu erwartende durchschnittliche Schadenhöhe. σ ist hingegen ein Indikator für das Ausmaß, indem die tatsächlich eintretenden Ergebnisse von dem rechnerischen Erwartungswert abweichen können, besagt also etwas über die Größe der Unsicherheit, der sich die betrachteten Personen ausgesetzt sehen.

71

Die hier und im Folgenden häufiger benutzten Indizes bei μ und σ beziehen sich auf die Zahl der betrachteten Personen.

6.1 Allgemeine Vorüberlegungen

341

Im Folgenden wollen wir eine im einschlägigen Schrifttum gängige Annahme übernehmen und unterstellen, dass die betrachteten Personen in der Weise risikoscheu eingestellt sind, dass sie – –

bei gegebenem Unsicherheitsgrad (σ) eine niedrigere Schadenserwartung (μ) einer höheren vorziehen und bei gegebener Schadenserwartung (μ) einen niedrigeren Unsicherheitsgrad (σ) einem höheren vorziehen.

Übungsaufgabe 6.02: Gehen Sie von folgenden Schadenssituationen A bis E aus: P S A 10% 500 B 20% 375 C 12,5% 400 D 20% 300 E 5% 700

a) Bestimmen Sie jeweils μ und σ! b) Angenommen, eine im zuvor definierten Sinne risikoscheue Person habe die Wahl zwischen den Schadenssituationen A, B und C. Für welche würde sie sich – als kleinstes Übel – entscheiden? Begründen Sie Ihre Antwort! c) Beantworten Sie Frage b) erneut für den Fall, dass die Wahl zwischen C, D und E besteht! 6.1.2.2 Das Modell der Gefahrengemeinschaft Als nächstes wollen wir nun annehmen, zwei Fahrradbesitzer kämen auf die Idee, in der Weise eine „Gefahrengemeinschaft“ zu bilden, dass alle eventuell auftretenden Schäden – unabhängig davon, wessen Fahrrad ggf. gestohlen wird – gemeinsam getragen werden. Was ändert sich dadurch für jeden einzelnen, wenn wir weiterhin unterstellen, die Gefahr, dass einem der beiden das Rad gestohlen wird, sei völlig unabhängig davon, ob es bei dem anderen zu einem Diebstahl kommt und umgekehrt? Zunächst erkennt man, dass es jetzt nicht mehr nur die beiden Möglichkeiten „Schaden“ oder „kein Schaden“ gibt. Vielmehr können nun insgesamt drei verschiedene Situationen eintreten, nämlich die, dass es zu keinem, zu einem oder zu zwei Diebstählen kommt. Die ersten drei Spalten von Tabelle 6.01 verdeutlichen diese drei Konstellationen und die zugehörigen Schadenssummen insgesamt sowie pro Kopf des einzelnen Partners. Tab. 6.01:

Schadenssummen und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten

Zahl der Schäden

Schadenssumme

Zahl der Konstellation

Wahrscheinlichkeit

(1)

insgesamt (2)

pro Kopf (3)

0

0

0

1

1 ⋅ 0,92

:81%

1

500

250

2

:18%

2

1.000

500

1

2 ⋅ 0,9 ⋅ 0,1 1 ⋅ 0,12

(4)

(5)

:1%

342

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Im Hinblick auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten dieser drei Konstellationen wollen wir hier zunächst idealisierend unterstellen, dass sich das Risiko eines Diebstahls des einen Fahrrads völlig unabhängig davon realisiert, ob zugleich auch das andere gestohlen wird oder nicht. Wir unterstellen also – in der statistischen Fachterminologie –, dass es sich um zwei voneinander stochastisch unabhängige Ereignisse handelt. In diesem Fall gilt für die Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeit der drei Konstellationen das Folgende: (1) Allgemein ergibt sich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass zwei voneinander unabhängige Ereignisse zugleich eintreten, einfach als Produkt der jeweils zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten. So erhält man die in Spalte 5 von Tab. 6.01 wiedergegebenen Werte für die Möglichkeiten von 0 bzw. 2 Schäden. (2) Kann ein bestimmtes Ereignis auf verschiedene Weisen durch das Zusammentreffen von zwei voneinander unabhängigen Ereignissen zustande kommen, so sind die gem. (1) ermittelten Wahrscheinlichkeitsprodukte aufzuaddieren oder – bei wertmäßiger Identität – mit der Zahl der zu diesem Ergebnis führenden Konstellationen zu multiplizieren. So ergibt sich der in Tab. 6.01 für die Möglichkeit genau eines Schadens angegebene Wahrscheinlichkeit von 18% als Summe aus 9% für den Diebstahl des einen Fahrrads und weiteren 9% für den Diebstahl des anderen Fahrrads. In Tab. 6.02 sind zur Verdeutlichung noch einmal die Schadensverteilungen (pro Kopf) zusammengestellt, denen sich ein einzelner Fahrradbesitzer gegenübersieht, je nachdem ob er einen etwaigen Schaden isoliert zu tragen hat, oder sich mit einem Partner zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengeschlossen hat. Tab. 6.02:

Pro-Kopf-Schaden und Eintrittswahrscheinlichkeiten

Gruppengröße Pro-Kopf-Schaden Wahrscheinlichkeit

1

0 90%

500 10%

0 81%

2 250 18%

500 1%

Vergleicht man diese beiden Verteilungen, so erkennt man auf den ersten Blick zweierlei Effekte, die durch die Bildung der Gefahrengemeinschaft entstanden sind: •

Die Eintrittswahrscheinlichkeiten für die beiden Extremwerte (0 und 500) sind in gleicher Weise um 9%-Punkte kleiner geworden, was bei der Schadenswahrscheinlichkeit mit einer Reduktion von 10% auf 1% natürlich relativ viel stärker ins Gewicht fällt als bei der Wahrscheinlichkeit für den schadensfreien Fall. • Zugleich ist nun jedoch ein in der Ausgangssituation gar nicht erreichbarer „mittlerer“ Schadenswert von 250 mit einer Wahrscheinlichkeit von 18% möglich geworden. Die Zusammenfügung von zwei identischen Schadenssituationen zu einer Gefahrengemeinschaft der geschilderten Art hat die Risikosituation der Beteiligten also auf jeden Fall verändert. Wie diese Veränderung zu bewerten ist, hängt grundsätzlich natürlich von den subjektiven Präferenzen der Beteiligten ab. Geht man allerdings weiterhin davon aus, dass diese in dem oben definierten Sinne risikoscheu eingestellt sind, so lassen sich weitere Aussagen dadurch gewinnen, dass wir für die neue Situation wiederum μ und σ berechnen. Man erhält so nach den oben verbal umschriebenen Rechenregeln:

6.1 Allgemeine Vorüberlegungen

343

μ 2 = 0,81 ⋅ 0 + 0,18 ⋅ 250 + 0, 01 ⋅ 500 = 50

σ2 =

2

0,81 ⋅ ( −50 ) + 0,18 ⋅ 2002 + 0, 01 ⋅ 4502 = 106,1

Vergleicht man diese Werte mit den für die Ausgangssituation bestimmten Größen (μ1 = 50; σ1 = 150), so erkennt man, dass – –

die Schadenserwartung völlig unverändert geblieben ist, der durch die Standardabweichung gemessene Unsicherheitsgrad jedoch spürbar kleiner geworden ist. Wie Sie wahrscheinlich schon vermutet haben, ist dieser Befund kein Zufall, sondern hat Methode. Werden nämlich mehrere – allgemein – einfache Schadensverteilungen der in unserer Ausgangssituation betrachteten Art in eine Gefahrengemeinschaft eingebracht, so gilt – wie sich allgemein zeigen lässt – für die auf die Verteilung der Pro-Kopf-Schäden bezogenen Parameter: (6.03)

μn =

1 ⋅ n ⋅ p ⋅ S = p ⋅ S = μ1 n

(6.04)

σn =

σ p ⋅ (1 − p) ⋅S = 1 n n

Überprüft man (6.04) für unser Beispiel numerisch, so erhält man mit

150 2

=

150 1,4142

= 106 ,1

eine Bestätigung. Mit zunehmender Größe des zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengeschlossenen Kollektivs wird der Unsicherheitsgrad – bei gleich bleibender Schadenserwartung – also immer kleiner, allerdings nicht proportional, sondern gedämpft nach dem Prinzip der Quadratwurzel. Dementsprechend bewirkt also etwa eine Vervierfachung (Verneunfachung) der Kollektivgröße nur eine Halbierung (Drittelung) des Unsicherheitsgrades. Übungsaufgabe 6.03: Machen Sie sich die zuletzt abgeleiteten Zusammenhänge selbst noch einmal klar und gehen Sie zunächst davon aus, dass sich vier Fahrradbesitzer zu einer Gefahrengemeinschaft zusammenschließen! a) Ermitteln Sie die Verteilung der möglichen Pro-Kopf-Schäden in einer Aufstellung nach Art von Tab. 6.01! b) Geben Sie kurz Ihre Eindrücke beim Vergleich dieser Verteilung mit der ursprünglichen Schadensverteilung wieder! c) Berechnen Sie aus dieser Verteilung nach der eingangs angegebenen verbalen Umschreibung die Parameter μ4 und σ4 und überprüfen Sie die gefundenen Ergebnisse mit Hilfe der Formeln (6.03) und (6.04)!

Schließt sich nun eine größere Zahl von Fahrradbesitzern zu einer Gefahrengemeinschaft zusammen, so bleibt unter unseren bisherigen Annahmen der Durchschnittsschaden unverändert, während der Unsicherheitsgrad über den tatsächlich zu tragenden Pro-Kopf-Schaden immer kleiner wird. Schon bei einer Gruppengröße von 900 (mit σ900 = 5) beläuft sich die

344

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Wahrscheinlichkeit dafür, dass der tatsächlich eintretende Pro-Kopf-Schaden im Bereich von 50 ± 20 Euro liegt, auf über 99,99%. Bei einer Gruppengröße von 10.000 (mit σ = 1,5) gilt dieser Sicherheitsgrad bereits für eine Schadensmarge von 50 ± 6 Euro. Für Personen, die in der eingangs definierten Weise risikoscheu sind, bringt der Zusammenschluss zu einer Gefahrengemeinschaft also deutliche Vorteile: das ursprünglich vergleichsweise hohe Risiko wird durch den Risikoausgleich im Kollektiv ganz erheblich reduziert. Die Bildung einer solchen Gefahrengemeinschaft kann daher sogar dann noch lohnend sein, wenn deren Organisation (Abschluss der Verträge, Erhebung der Umlage zur Abwicklung eingetretener Schäden etc.) zusätzliche Kosten verursacht. Übungsaufgabe 6.04: Gehen Sie von den Daten unserer bisherigen Beispiele aus und unterstellen Sie zusätzlich, der Fahrradbesitzer V. ORSICHT „bewerte“ Risikosituationen der betrachteten Art nach der Bewertungsfunktion b = μ + 0,1 σ Eine Risikosituation wird also als umso weniger unangenehm eingeschätzt, je niedriger der zugehörige b-Wert ist. a) Bestimmen Sie die b-Werte für einen Fahrradbesitzer (1) in der Ausgangssituation („Einzelkämpfer“), (2) als Mitglied einer Gefahrengemeinschaft von 900 Personen, und kommentieren Sie Ihr Ergebnis! b) Angenommen, die Organisation der Gefahrengemeinschaft verursacht Kosten von 10 Euro pro Kopf. Wie würde ORSICHT jetzt die Mitgliedschaft in der Gefahrengemeinschaft beurteilen? c) Berechnen Sie die kritische Grenze für die Organisationskosten, bei deren Überschreiten ORSICHT die Mitgliedschaft in der Gefahrengemeinschaft nicht mehr als vorteilhaft ansehen würde! 6.1.2.3 Versicherungsschutz als Marktleistung Im vorigen Abschnitt haben wir, ohne dies explizit so zu benennen, die Grundstruktur eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit skizziert. Die zuletzt verdeutlichte Konstellation, dass etliche Personen bereit sein könnten, sogar eine etwas höhere Gesamtbelastung in Kauf zu nehmen, wenn sich dadurch der Unsicherheitsgrad der auf sie zukommenden Belastungen nur hinlänglich reduziert, weist zugleich auf die Möglichkeit hin, Risikoübernahme (Versicherungsschutz) als Marktleistung anzubieten. Um dies näher zu verdeutlichen, greifen wir auf das in Übungsaufgabe 6.03 betrachtete Modell der Vierer-Gemeinschaft zurück. Für den dabei möglicherweise auftretenden Gesamtschaden errechnet sich μg4 = 0, 6561 ⋅ 0 + 0, 2916 ⋅ 500 + 0, 0486 ⋅1.000 + 0, 0036 ⋅ 1.500 + 0,0001 ⋅ 2.000 = 200

6.1 Allgemeine Vorüberlegungen

345

σg4 =  0, 6561 ⋅ (−200) 2 + 0, 2916 ⋅ 3002 + 0, 0486 ⋅ 8002 + 0, 0036 ⋅1.3002 +  12

0, 001 ⋅1.8002  

= 300

Auch hinter diesen Ergebnissen steht natürlich eine allgemeine Gesetzmäßigkeit, die – nach wie vor nur für den Fall einfacher Schadensverteilungen der hier betrachten Art – durch die folgenden Formeln verdeutlicht werden: (6.05)

μgn = n ⋅ μ1 = n ⋅ μn

(6.06)

σgn = σ1 ⋅ n = σ n ⋅ n

wobei nach wie vor μ1, σ1, die gem. (6.01) und (6.02) definierten Parameter für die ursprünglich einfache Schadensverteilung bezeichnen und μn, σn die gem. (6.03) und (6.04) definierten Parameter für die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Pro-Kopf-Schäden in einer Gefahrengemeinschaft von n Personen. Nehmen wir nun an, die vier Fahrradbesitzer seien, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage, eigeninitiativ eine Gefahrengemeinschaft der im Abschnitt 6.1.2.2 behandelten Art zu bilden. Ein cleverer Geschäftsmann überlege jedoch, ob es hier nichts zu verdienen gebe. Auch ihm sind Risiken per se zwar nicht angenehm; sofern die dafür erlangbare Prämie jedoch „stimmt“, ist er durchaus bereit, Risiken zu übernehmen. Unterstellen wir der Einfachheit halber, alle beteiligten Personen würden Risikosituationen in übereinstimmender Weise mittels der Funktion b = μ + 0,1 ⋅ σ bewerten, wobei μ bekanntlich den Erwartungswert der auf die betrachtete Person insgesamt zukommenden Belastungen darstellt. Ein negativer μ-Wert würde also anzeigen, dass im Durchschnitt gerade keine Belastung zu erwarten ist, sondern im Gegenteil eine Einzahlung oder ein sonstiger Vorteil zu erwarten ist. Unser Geschäftsmann überlegt nun, den vier Fahrradbesitzern anzubieten, sie gegen eine Prämie von 60 Euro bei einem möglichen Diebstahl mit 500 Euro zu entschädigen. Folgende Rechnung zeigt, dass dies ein für beide Seiten vorteilhaftes Geschäft sein kann: (1) Für jeden einzelnen Fahrradbesitzer gilt ohne Versicherungsvertrag bekanntlich μ1 = 50, σ1 = 150 und dementsprechend b = 50 + 15 = 65 . Schließt er hingegen den angebotenen Versicherungsvertrag ab und unterstellt man, dass der Versicherer seine Verpflichtungen bei möglichen Schadensfällen auf jeden Fall nachkommen kann, so gilt μ = 60, σ = 0 und somit b = 60 + 0 = 60 . Für den einzelnen Fahrradbesitzer ist es also eindeutig von Vorteil, sich auf den angebotenen Versicherungsvertrag einzulassen. (2) Für den Anbieter der Versicherungsleistung steht der Schadenerwartung von μg4 = 200 eine Prämieneinnahme von 4 ⋅ 60 = 240 gegenüber. Mithin ergibt sich für ihn aus dem Versicherungsgeschäft per Saldo ein erwarteter Überschuss von 40 Euro. Dementspre-

346

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung chend gilt für den Versicherer μ = 200 − 240 = −40. Dafür muss der Geschäftsmann je-

doch ein Risiko von σg4 = 300 übernehmen.

Fasst man nun Erwartungswert und Risikoindikator in der gewohnten Weise zu einer Bewertungskennzahl zusammen, so erhält man mit b = −40 + 0,1 ⋅ 300 = −10 einen negativen Wert für den Belastungsindikator, also einen Hinweis auf die subjektive Vorteilhaftigkeit des Geschäftes. Sofern es unserem Geschäftsmann also gelingt, vier Versicherungsverträge der betrachteten Art abzuschließen, so stellt er sich dabei besser als bei Verzicht auf dieses Geschäft (b = 0). Unser bewusst einfach gewähltes Beispiel zeigt deutlich, dass es durchaus möglich sein kann, – Versicherungsverträge mit Aussicht auf Gewinn für den Anbieter als Marktleistungen anzubieten, – durch deren Abschluss sich zugleich auch die Versicherten besser stellen als ohne Abschluss eines solchen Vertrages. Der Grund für diese Möglichkeit liegt wiederum in den Phänomenen des Risikoausgleichs im Kollektiv, das sich jetzt allerdings zunächst der Versicherer selbst zu Nutzen macht. Indirekt partizipieren natürlich die Versicherten ebenfalls insoweit davon, wie die von ihnen zu zahlende Prämie niedriger ist als der b-Wert, mit dem sie die Situation ohne jegliche Versicherung bewerten. Dabei bleibt die Möglichkeit zum Abschluss beiderseits vorteilhafter Versicherungsverträge auch dann noch bestehen, wenn berücksichtigt wird, dass dem Anbieter Transaktionskosten entstehen. Übungsaufgabe 6.05: Der clevere Geschäftsmann unseres Beispiels rechnet damit, dass 10.000 Fahrradbesitzer einen Versicherungsvertrag abschließen werden. Das Prämienaufkommen soll seinen Vorstellungen nach zumindest folgende drei Komponenten abdecken: • Die Höhe der insgesamt zu erwartenden Schadenszahlungen (μg), • einen Risikozuschlag in Höhe des Dreifachen der Standardabweichung (σg) der gesamten Schadenssumme und • die erwarteten Transaktionskosten in Höhe von 75.000 Euro.

a) Berechnen Sie μg und σg nach den einschlägigen Formeln! b) Berechnen Sie die nach den oben genannten Vorgaben mindestens notwendige Höhe des gesamten Prämienaufkommens und die entsprechende Versicherungsprämie pro Einzelvertrag! c) Nehmen Sie an, die Versicherung werde letztendlich zu einer Prämie von 63,25 Euro angeboten. Zerlegen Sie diesen Betrag rechnerisch in die vier Komponenten – Schadenserwartung, – Risikozuschlag, – Kostenanteil und – Gewinnanteil.

6.1 Allgemeine Vorüberlegungen

347

d) Was würde sich an der Kalkulation gem. Aufgabenteilen b) und c) ändern, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass sich nicht nur 10.000, sondern 40.000 Fahrradbesitzer zum Abschluss einer Versicherung entschließen werden? Um zu weitgehenden Schlussfolgerungen vorzubeugen, sei abschließend darauf hingewiesen, dass unser einfaches Modell zwar in den Grundzügen die Struktur der bei Versicherungsverträgen auftretenden Phänomene gut verdeutlicht, in der konkreten Ausprägung der verwendeten Formeln allerdings an die folgenden Voraussetzungen gebunden ist, die in der Versicherungspraxis in dieser strengen Form in aller Regel nicht erfüllt sind. (1) Alle potentiellen Versicherungsnehmer sind einer in sämtlichen Fällen genau übereinstimmenden einfachen Schadensverteilung ausgesetzt. Die Möglichkeit einer betragsmäßigen Streuung der Schadensbeträge kann in das Modell allerdings eingebaut werden. Es wird dadurch formal komplizierter, die Grundaussagen bleiben jedoch unberührt. (2) Die Schadenswahrscheinlichkeiten werden auch nicht dadurch beeinflusst, dass die Versicherten nach Abschluss eines Versicherungsvertrages ihr Verhalten unbewusst oder bewusst, aus Nachlässigkeit, Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz, in der Weise ändern, dass eher mit einem Schaden zu rechnen ist als im Fall ohne Versicherungsschutz. Das im Gegensatz zu unseren vereinfachenden Modellannahmen real durchaus existierende Phänomen des sog. Moral Hazard beeinträchtigt nicht nur die Aussagekraft unseres Modells, sondern stellt ein zentrales Problem der Versicherbarkeit von Risiken überhaupt dar. In der Praxis versuchen Versicherer dieses Problems durch verschiedene Maßnahmen Herr zu werden wie z.B. – die akribische Untersuchung der Schadensursachen, insbesondere im Hinblick auf die Mitwirkung des Versicherten selbst, – die Ausstattung von Versicherungsverträgen mit Selbstbeteiligungsregelungen oder Rückerstattungsansprüchen für den Fall der Schadensfreiheit, – die Differenzierung der Versicherungsprämien nach den in der Vergangenheit tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen. Diese und ähnliche Maßnahmen sollen dazu dienen, Anreize zu Verhaltensweisen des Moral Hazard zu vermindern. (3) Die Schadenswahrscheinlichkeiten in jedem Einzelfall sind unabhängig davon, ob bei anderen Versicherten ein Schaden auftritt oder nicht. Diese Annahme der stochastischen Unabhängigkeit war eine zentrale Prämisse unserer wahrscheinlichkeitstheoretischen Ableitungen, insbesondere der grundlegenden Formeln (6.04) und (6.06). Vom statistischen Instrumentarium her bereitet es keine grundsätzlichen Schwierigkeiten auch die Möglichkeiten voneinander mehr oder weniger stark abhängiger Schadensursachen in das Modell einzubeziehen. Allerdings schwindet die für den Versicherungseffekt fundamentale Möglichkeit des Risikoausgleichs im Kollektiv umso mehr, je stärker die einzelnen Schadensmöglichkeiten voneinander abhängen. Sind im Extremfall die Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt der Schäden bei den einzelnen Versicherten in der Weise miteinander verknüpft, dass es entweder überall oder nirgends zu einem Schaden kommt, so findet auch bei einem noch so großen Kollektiv überhaupt kein Risikoausgleich mehr statt: Die Standardabweichung für den Pro-Kopf-Schaden

348

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung bleibt – entgegen (6.04) – bei wachsendem n unverändert (σn = σ1), während die Standardabweichung für die gesamte Schadenssumme – entgegen (6.06) – streng proportional zur Größe des Kollektivs wächst (σg = n ⋅ σ1). Dieses Phänomen liefert auch die Rechtfertigung für die bei verschiedenen Versicherungszweigen zu beachtende Praxis, solche Arten von Schäden aus dem Versicherungsschutz auszuschließen, die auf eine einheitliche breitflächig wirkende Risikoursache (z.B. kriegerische Ereignisse) zurückzuführen sind.

6.2

Risikoübernahme durch Versicherungen

6.2.1

Grundbegriffe

Der Grundstruktur nach sind „reine“ Versicherungsverträge in der Weise asymmetrisch gestaltet, dass – die Vertragspartner der Versicherungsunternehmen mit der Verpflichtung zur Zahlung der Prämien unbedingte Zahlungsverpflichtungen eingehen, – dafür von den Versicherungen in der Weise bedingte Zahlungsversprechen erhalten, dass die Höhe ihres Anspruchs davon abhängt, ob und in welchem Umfang ein zuvor genau definierter „Schaden“ eintritt. Im Hinblick auf die Art des versicherten „Schadens“ werden Versicherungsleistungen oft in die beiden elementaren Zweige – der Güterversicherung einerseits und – der Personenversicherung andererseits eingeteilt. Güterversicherungen sind idealtypisch dadurch gekennzeichnet, dass der versicherte Schaden die Vermögenslage des Versicherten unmittelbarer trifft und die Höhe der erfolgenden Versicherungsleistung aus der tatsächlich eingetretenen Vermögensminderung abgeleitet wird. Bei Personenversicherungen trifft der Schaden demgegenüber zunächst die versicherte Person (z.B. durch Krankheit), was mittelbar jedoch Auswirkungen auf deren Vermögenslage (z.B. als Folge von Medikamenten- und Behandlungskosten) haben kann. Die Differenzierung von Versicherungsleistungen in Güter- und Personenversicherungen wird von einer zweiten Einteilungsmöglichkeit überlagert, die sich auf die Bemessung der im Schadensfall zu erbringenden Versicherungsleistung bezieht: •



Zum einen ist es möglich, dass sich die Versicherungsleistung nach der effektiv messbaren Vermögensminderung bemisst, die in mittelbarer oder unmittelbarer Folge des Schadensereignisses eingetreten ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich die Versicherungsleistung etwa nach den entstandenen Krankenhaus- oder Werkstattkosten richtet. Zum anderen ist es aber auch möglich, dass bei Eintritt eines bestimmten Schadensfalls eine in ihrer Höhe vorab fixierte Versicherungsleistung fällig wird, und zwar unabhängig davon, wie hoch die aus dem schädigenden Ereignis letztlich resultierende Vermögensminderung ist. Von dieser Möglichkeit wird naheliegender Weise insbesondere in solchen Fällen Gebrauch gemacht, in denen eine Quantifizierung der Vermögensminderung nur schwer oder gar nicht möglich ist. Als klassisches Beispiel kann die Risiko-

6.2 Risikoübernahme durch Versicherungen

349

Lebensversicherung dienen, bei der es beim Tod des Versicherten auf jeden Fall zur Auszahlung der vereinbarten Summe kommt, ohne dass es einer – wie auch immer zu bewerkstelligenden – Ermittlung der damit verbundenen Vermögensminderung bedarf. Allgemein ist das zuletzt dargestellte Modell der reinen Summenversicherung im Bereich der Personenversicherungen häufiger anzutreffen. Für die Güterversicherungen hingegen ist die reine Summenversicherung gem. § 1 Abs. 1 VVG allgemein nicht zulässig. Hier dominiert der Typ der eigentlichen Schadensversicherung in den unterschiedlichsten Varianten, die insbesondere aus verschiedenen Regelungen von Selbstbeteiligungen und Höchstentschädigungen resultieren. Im Folgenden werden wir der im einschlägigen Schrifttum gängigen Einteilung in Güterund Personenversicherungen folgen und die wichtigsten Erscheinungsformen dieser beiden Versicherungszweige im Abschnitt 6.2.2 kurz darstellen. Im Abschnitt 6.2.3 werden wir dann über die bereits erläuterte Unterscheidung zwischen Schadens- und Summenversicherungen hinaus noch kurz auf verschiedene Regelungsvarianten hinsichtlich der im Versicherungsfall zu erbringenden Leistungen eingehen.

6.2.2

Versicherungsarten

6.2.2.1 Güterversicherungen Die verschiedenen Arten von Güterversicherungen werden häufig in die folgenden drei Bereiche unterteilt: Güterversicherung

1. Versicherung von Aktiven Abb. 6.01:

2. Versicherung von Passiven

3. Ertragsversicherung

Bereiche der Güterversicherung

(1) Die Versicherung von Aktiven Die „Versicherung von Aktiven“ bezieht sich auf solche Vermögensgegenstände, die bei Unternehmen typischerweise auf der Aktivseite ihrer Bilanz abgebildet werden. Dabei ist es üblich, die entsprechenden Versicherungsverträge in der aus Abb. 6.02 erkennbaren Weise weiter zu differenzieren.

350

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung Versicherung von Aktiven

Versicherung von Sachgütern

Versicherung von finanziellen Gütern

Sachversicherung i.e.S.

Typ Feuerversicherung Abb. 6.02:

Typ Maschinenversicherung

Transportversicherung

Kreditversicherung

Bereiche der Versicherung von Aktiven

Bei der Sachversicherung i.e.S. gilt das Prinzip der „Spezialität der Gefahrendeckung”. Es sind nur die Risiken gedeckt, die ausdrücklich im Einzelnen aufgezählt werden. Sie lässt sich in zwei Typen unterscheiden, die hier anhand der Feuer- und Maschinenversicherung charakterisiert werden sollen: Typ Feuerversicherung: – Eine Vielzahl von Objekten (Gebäude, Maschinen, Vorräte etc.) – wird gegen eine eng begrenzte Zahl von Gefahren versichert (Brand, Blitz, Explosion). Versicherungsverträge dieser Art werden häufig nach der zu deckenden Gefahr benannt. So kennt man z.B. die Leitungswasserversicherung, die Sturmversicherung oder die Einbruchdiebstahlversicherung etc. Typ Maschinenversicherung: – Ein bestimmtes Objekt – wird gegen alle oder zumindest die Mehrzahl der für seinen Betrieb typischen Gefahren versichert. Diese Versicherungsverträge werden in der Regel nach den versicherten Gütern benannt. So kennt man etwa die Hausratversicherung, die Tierversicherung, die Bauwesenversicherung oder die Kraftfahrzeug-Kasko-Versicherung. Nach der gängigen Sichtweise ist die Sachversicherung i.e.S. im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass sich die Gegenstände, auf die sich der Versicherungsschutz bezieht, üblicherweise an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten ständigen Einsatzgebiet befinden. Im Gegensatz hierzu wird der Versicherungsschutz bei der Transportversicherung nur für die Dauer des Transports gewährt.72 Sie ist durch folgende Merkmale charakterisiert:

72

Es kann zu Überschneidungen kommen, da die Transportversicherung häufig auch Vor- und Zwischenlagerung einschließt. Erwähnenswert ist die Entwicklung von übergreifenden Versicherungen, z.B. der Kühlgüterversicherung (Transport und Lagerung).

6.2 Risikoübernahme durch Versicherungen

351

– Sie versichert sowohl eine Vielzahl von beförderten Gütern (Kargoversicherung) – als auch die Transportmittel (Kaskoversicherung) – gegen eine Vielzahl von Gefahren während des Transports. Über die Versicherung der Güter und Transportmittel gegen Beschädigung und Untergang hinaus erfolgen i.d.R. noch – eine Ertrags- oder Gewinnversicherung sowie – eine Haftpflichtversicherung. Die Transportversicherung ist also nur mit Einschränkungen der Versicherung von Aktiven zurechenbar. Bei der Versicherung von finanziellen Gütern handelt es sich um die Versicherung unkörperlicher Vermögenswerte, d.h. in erster Linie Forderungen. Die Versicherung erfolgt durch eine Kreditversicherung, die in unterschiedlichen Formen auftreten kann, z.B. als Warenkredit-, Finanzkredit-, Teilzahlungskredit-, Ausfuhrkredit- oder Hypothekenversicherung. (2) Die Versicherung von Passiven (Aufwandversicherung) Das Reinvermögen eines Wirtschaftssubjektes wird nicht allein durch die Höhe der vorhandenen Aktiva bestimmt, sondern auch durch die Schulden. Solche Belastungen können durch „Zufall“ entstehen und somit Gegenstand von Versicherungsverträgen sein. Sofern man unter Passiven nur die Schulden versteht, kann man daher auch von einer Versicherung gegen die Erhöhung von Passiven sprechen. Parallel wird für die entsprechenden Versicherungsverträge auch der Begriff „Aufwandversicherung“ mit dem Hinweis darauf verwendet, dass es hier um die Absicherung gegen möglicherweise entstehende Aufwendungen gehe. Dies trifft jedoch letztlich auch auf die Aktivenversicherung zu. Typische Beispiele für eine Passivenversicherung stellen die verschiedenen Formen der Haftpflichtversicherung dar. Sie schützt den Versicherungsnehmer vor dem unvorhergesehenen Entstehen von Zahlungsverpflichtungen aus Haftpflichtansprüchen, denen er sich etwa als Kraftfahrzeughalter, Hersteller bestimmter Produkte, Bauherr oder Tierhalter ausgesetzt sehen kann. Ähnliche Funktionen übernehmen die Maschinengarantieversicherung, die Computermissbrauchsversicherung, die Kautionsversicherung oder die Rechtsschutzversicherung. (3) Die Ertragsversicherung Eine weitere Gefährdung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens kann daraus resultieren, dass zunächst erwartete Erträge, d.h. Vermögenszuwächse, als Folge zufälliger Ereignisse entfallen. Zur Absicherung gegen bestimmte Formen derartiger „Schäden“ kann ebenfalls auf verschiedene Versicherungsangebote zurückgegriffen werden. Prominentestes Beispiel für eine Ertragsversicherung ist die Betriebsunterbrechungsversicherung, die in der Regel im Zusammenhang mit einer Feuer- oder einer Maschinenversicherung (s.o.) abgeschlossen wird. Sie deckt den Ertragsausfall ab, der durch vorübergehenden Betriebsstillstand als Folge eines Feuer- oder Maschinenschadens eintreten kann. Auch die (landwirtschaftliche) Hagelversicherung kann letztlich der Ertragsversicherung zugerechnet werden, da nicht nur der Wert der zerstörten Frucht, sondern darüber hinaus auch der entgehende Ernteertrag versichert sind.

352

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

6.2.2.2 Personenversicherungen Die drei wichtigsten Erscheinungsformen der Personenversicherung sind die Lebens-, die Kranken- und die Unfallversicherung. Auf die Lebensversicherung sind wir bereits im Abschnitt 4.3 eingegangen, so dass hier nur noch die Kranken- und die Unfallversicherung kurz darzustellen sind. (1) Die Krankenversicherung Die (private) Krankenversicherung deckt als Krankheitskostenversicherung zunächst die Aufwendungen ab, die als Folge einer Krankheit zu deren Heilung oder laufender Behandlung entstehen. Im Gegensatz zur Lebensversicherung als Summenversicherung stellt sie also eine Schadensversicherung dar, die konzeptionell in etwa dem zunächst nur für den Bereich der Güterversicherungen definierten Typ der Maschinenversicherung entspricht. Hinzu tritt die sogenannte Tagegeldversicherung, die in der Regel in der Weise nach Art einer Summenversicherung ausgestaltet ist, dass dem Versicherungsnehmer für jeden Tag krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Aufenthaltstag in einem Krankenhaus ein fester Betrag ausgezahlt wird (Kranken- und Krankenhaustagegeldversicherung). Für den Abschluss solcher Versicherungen dürfte überwiegend das Motiv maßgeblich sein, aus einer Krankheit resultierende Verdienstausfälle (z.B. als Selbständiger) in bestimmtem Umfang auszugleichen. Insoweit kann die Tagegeldversicherung also durchaus als eine auf den Bereich der Personenversicherung bezogene Form der Ertragsversicherung angesehen werden. (2) Die Unfallversicherung Die Unfallversicherung versichert gegen die unterschiedlichsten Schäden, die die versicherten Personen als Folge eines Unfalls erleiden können. Lassen sich Lebens- und Krankenversicherung untereinander nach der Art des Schadens (Tod oder Krankheit) recht klar voneinander abgrenzen, so ist eine derartige Abgrenzung gegenüber der Unfallversicherung nicht möglich. Das liegt daran, dass die Unfallversicherung Schäden unterschiedlichster Art erfasst, sofern sie aus einer bestimmten Ursache, nämlich einem Unfall resultieren. Sie ähnelt insofern der Sachversicherung vom Typ der Feuerversicherung. Im Einzelnen kann die Unfallversicherung – überwiegend in Form der Summenversicherung73 – unter anderem folgende Leistungen umfassen: – Zahlung der Versicherungssumme beim unfallbedingten Tode des Versicherten, – Zahlung von Kranken- und Krankenhaustagegeld für die Dauer einer ärztlichen Behandlung oder eines Krankenhausaufenthaltes, – Erstattung unfallbedingter Heil- und Behandlungskosten, 74 – Zahlung der vollen oder anteiligen Versicherungssumme bei unfallbedingter Invalidität, je nach dem Invaliditätsgrad. Die entsprechenden Verträge können auf einzelne Leistungsarten oder bestimmte Arten von Unfällen begrenzt werden. Je nach den versicherten Risiken stellt die Unfallversicherung also eine Kombination von Spezial-Lebensversicherung, Spezial-Krankenversicherung etc. dar.

73 74

Lediglich die in einer Unfallversicherung möglicherweise enthaltenen Heilkosten- und Bergungskostenversicherungen stellen eine Abweichung vom Prinzip der Summenversicherung dar. S. vorige Fußnote.

6.2 Risikoübernahme durch Versicherungen

353

Übungsaufgabe 6.06: Versuchen Sie bei den im Folgenden genannten Versicherungszweigen, soweit möglich, jeweils anzugeben, welchen der in den Abschnitten 6.2.2.1 und 6.2.2.2 dargestellten Kategorien sie zuzuordnen sind. Geben Sie insbesondere an, ob sie – der Güter- oder der Personenversicherung, – der Schadens- oder der Summenversicherung, – der Aktiven-, Passiven- oder Ertragsversicherung zuzurechnen sind!

a) b) c) d) e) f)

Schwamm- und Hausbockkäferversicherung, Filmausfallversicherung, Kraftfahrt-Gepäckversicherung, Reise-Rücktrittskosten-Versicherung, Krankenhauskostenzusatzversicherung Konsumentenkreditversicherung

6.2.3

Versicherungsformen

6.2.3.1 Grundlegende Erscheinungsformen Mit der Unterscheidung verschiedener Versicherungsformen zielt man üblicherweise auf eine Differenzierung von Versicherungsverträgen nach dem Umfang der im Versicherungsfall zu erbringenden Leistung. Bei der Summenversicherung (s.o.) ergibt sich die Leistung unabhängig von der Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens aus der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme, eventuell multipliziert mit der Zahl der „Schadenseinheiten” (z.B. Aufenthaltstage im Krankenhaus bei der Krankenhaustagegeldversicherung). Bei der Schadensversicherung hingegen ist die Versicherungsleistung nach näherer Maßgabe der konkret vereinbarten Bedingungen aus dem in seiner Höhe nachzuweisenden Schaden abzuleiten. Bezeichnet man den nach Eintritt des Versicherungsfalls ermittelten Schaden als S und die daraufhin fällig werdende Leistung des Versicherungsunternehmens als „Entschädigung“ E, so bedarf es zur Konkretisierung eines Versicherungsvertrages u.a. der genauen Fixierung der Entschädigungsfunktion E = f(S), d.h. einer Regel, durch die jedem möglichen Schadensbetrag eine bestimmte Entschädigungssumme zugeordnet wird. Den Quotienten i =

Entschädigung (E) Schaden (S)

bezeichnet man dabei als Intensität des Versicherungsschutzes. In Deutschland ist die Entschädigungsleistung gem. § 55 VVG generell auf die Höhe des eingetretenen Schadens, also eine Intensität von eins, beschränkt. Auf der anderen Seite ist es jedoch möglich und in vielen Versicherungszweigen auch üblich, die Konditionen so zu vereinbaren, dass die Intensität generell oder unter bestimmten Umständen kleiner als 1 wird. Nach diesem Kriterium sind im Einzelnen insbesondere die folgenden Grundtypen der Schadensversicherung zu unterscheiden, die realiter in verschiedenen Varianten und zum Teil auch Kombinationen anzutref-

354

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

fen sind. Die dafür üblichen Bezeichnungen folgen allerdings keinem einheitlichen System und sind nur aus der historischen Entwicklung zu erklären. (1) Unbegrenzte Interessenversicherung Im Versicherungsfall wird der entstandene Schaden in voller Höhe abgedeckt. Für Entschädigungsfunktion und Intensität gilt somit einfach (6.07) E = S und i = 1. Die Abhängigkeit der Versicherungsleistung E sowie der Intensität i von der Schadenssumme S entspricht also den einfachen, in Abb. 6.03 wiedergegebenen Verlaufsformen. E

tg a = 1 0

a S

i 1

0 S Abb. 6.03:

Unbegrenzte Interessenversicherung

Ein prominentes Beispiel für die unbegrenzte Interessenversicherung stellt die Krankenversicherung dar. (2) Erstrisikoversicherung Im Versicherungsfall wird der entstandene Schaden (S) voll, maximal jedoch in Höhe der vereinbarten Versicherungssumme, der sog. Deckungssumme (D), ausgeglichen. Für Entschädigungsfunktion und Intensität gilt also

(6.08)

S, sofern S ≤ D E =   D, sofern S > D i

sofern S ≤ D 1, =   D/S, sofern S > D

Abb. 6.04 verdeutlicht diese Versicherungsform wiederum grafisch.

6.2 Risikoübernahme durch Versicherungen

355

E D tg a = 1 0

a D

S

D

S

i 1

0 Abb. 6.04:

Erstrisikoversicherung

Hauptanwendungsgebiete der Erstrisikoversicherung sind insbesondere die verschiedenen Arten von Haftpflichtversicherungen. Übungsaufgabe 6.07: Die HEUREKA AG beliefert den nordamerikanischen Markt mit diversen Haarwuchs- und Enthaarungspräparaten. Gegen die damit verbundenen Haftpflichtrisiken hat sie bei der SECURA eine Produkthaftpflichtversicherung vom Typ einer Erstrisikoversicherung mit einer Deckungssumme von 10 Mio. Euro pro Schadensfall abgeschlossen. Kurz darauf stellt sich heraus, dass das Enthaarungsmittel NIVELLA zu erheblichen Pigmentstörungen auf den behandelten Hautpartien führt. Die HEUREKA wird daraufhin verurteilt, an die Betroffenen Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen (S&S) zu leisten, und nimmt dementsprechend die SECURA in Anspruch.

a) Bestimmen Sie jeweils, – zu welchem Prozentsatz die gesamten S&S-Zahlungen von der SECURA getragen werden sowie – welchen Restbetrag die HEUREKA selbst tragen muss, wenn sich die S&S-Zahlungen insgesamt auf einen Gegenwert von (1) 8 Mio. Euro (2) 16 Mio. Euro (3) 25 Mio. Euro belaufen!

356

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

b) Zeichnen Sie die Intensitätsfunktion der abgeschlossenen Versicherung möglichst genau in das folgende Diagramm ein! i

1

0

10

20

30

40

S (Mio. Euro)

(3) Vollwertversicherung in traditioneller Form Während sich die unbegrenzte Interessenversicherung und die Erstrisikoversicherung typischerweise auf Situationen beziehen, in denen für die eventuell auftretenden Schadensbeträge keine „natürliche“ Obergrenze existiert, findet die Vollwertversicherung Anwendung, wenn eine Obergrenze für die möglichen Schäden definiert werden kann. Man bezeichnet diese Obergrenze häufig als den Versicherungswert (VW). Wie die Erstrisikoversicherungen ist auch die Vollwertversicherung zusätzlich durch die Vereinbarung einer Versicherungssumme (D) gekennzeichnet. Diese begrenzt bei der traditionellen Form der Vollwertversicherung aber nicht nur den maximalen Erstattungsbetrag, sondern auch den tatsächlichen Erstattungsbetrag bei kleineren Schäden, indem der vereinbarten Versicherungssumme (D) der Versicherungswert (VW) gegenübergestellt wird. Die in einem konkreten Schadensfall erfolgende Versicherungsleistung bestimmt sich dabei in folgender Weise nach dem Verhältnis der Größen D und VW:



Gilt D > VW (Überversicherung) oder D = VW (Vollversicherung), so wird der tatsächlich eintretende Schaden zu 100% ausgeglichen; es gilt also

(6.09) •

E = S  bei D ≥ VW i = 1

Liegt hingegen Unterversicherung vor (D < VW), so wird der tatsächlich eintretende Schaden nur entsprechend der Relation von D zu VW ausgeglichen; es gilt also i = D/VW < 1.

(6.10)

E = (D / VW) ⋅ S  bei D < VW i = D / VW 

Die Abbildungen 6.05 und 6.06 verdeutlichen Entschädigungs- und Intensitätsfunktion für die beiden Konstellationen D > VW und D < VW.

6.2 Risikoübernahme durch Versicherungen i

E VW

1

VW D Abb. 6.05:

357

S

VW

D

S

D

VW

S

Vollwertversicherung bei Überversicherung (D > VW)

VW D

1 D/VW

D VW Abb. 6.06:

S

Vollwertversicherung bei Unterversicherung (D < VW)

Formen der Vollwertversicherung findet man in unterschiedlichen Detailvarianten vor allem in verschiedenen Zweigen der Sachversicherung wie z.B. im privaten Bereich in der Hausratversicherung. Übungsaufgabe 6.08: Gehen Sie von den Abbildungen 6.05 und 6.06 aus! a) Die in Abb. 6.05 dargestellten Kurvenverläufe decken sich weitgehend mit den entsprechenden Darstellungen für die unbegrenzte Interessenversicherung nach Abb. 6.03. Erläutern Sie kurz, worin sich die beiden Versicherungsformen dennoch unterscheiden! b) Wie ist in Abb. 6.06 jeweils der vertikale Abstand zwischen den dargestellten Funktionen (durchgezogenen Linien) und den darüber eingezeichneten (steigenden bzw. parallelen) Hilfslinien zu interpretieren? (4) Vollwertversicherung mit modifizierter Unterversicherungsregelung In Ergänzung zu der soeben dargestellten traditionellen Ausgestaltungsform der Vollwertversicherung hat sich Ende des 20. Jahrhunderts eine neuere Variante entwickelt, die durch eine Unterversicherungsverzichtsklausel gekennzeichnet ist. Mit diesem Musterbeispiel eleganter sprachlicher Gestaltungskunst wird die Vereinbarung bezeichnet, dass auch im Unterversicherungsfall unterhalb der Deckungssumme liegende Schäden dennoch zu 100% ausgeglichen werden. Für die E- und i-Funktion gilt also:

358

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

(6.11)

S, sofern S ≤ D E =   D, sofern S > D

i

sofern S ≤ D 1, =  D/S, sofern S > D .

Analog zu den ganz ähnlichen Regelungen bei der Erstrisikoversicherung nach Abb. 6.04 haben diese Funktionen das in Abb. 6.07 wiedergegebene Aussehen. Der Unterschied zur Darstellung in Abb. 6.04 besteht wiederum lediglich darin, dass die E- und i-Kurven nicht für unbegrenzte positive S-Werte definiert sind, sondern nur innerhalb des Bereiches S ≤ VW. E

i

D

1

D VW Abb. 6.07:

S

D

VW

S

Vollwertversicherung mit modifizierter Unterversicherungsregelung

In der Praxis ist diese modifizierte Form der Vollwertversicherung etwa im „oberen Segment“ der Hausratversicherung anzutreffen, d.h. in Verträgen, bei denen die Versicherungssumme pro versichertem Quadratmeter Wohnfläche einen gewissen Mindestbetrag übersteigt. 6.2.3.2 Franchise-Tarife Im Versicherungsbereich versteht man unter Franchiseklauseln75 zusätzliche Vereinbarungen in einem Versicherungsvertrag, wonach der Versicherungsnehmer generell oder unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil des aufgetretenen Schadens selbst trägt. Man spricht dabei auch von „Selbstbeteiligung“ oder „Selbstbehalt“. Derartige Franchisevereinbarungen können grundsätzlich mit allen vier Grundformen von Versicherungsverträgen kombiniert werden, die Sie gerade im Abschnitt 6.3.1 kennengelernt haben. Für die folgende Darstellung der beiden wichtigsten Erscheinungsformen von Franchisevereinbarungen gehen wir der Einfachheit halber jedoch davon aus, dass der Basisvertrag, der nun um eine Franchiseklausel ergänzt werden soll, eine Erstrisikoversicherung darstellt. Im Einzelnen sind im Bereich von Franchisevereinbarungen die folgenden drei Grundtypen zu unterscheiden, die in der Versicherungspraxis in unterschiedlichen Detailvarianten und zum Teil auch in Kombination miteinander anzutreffen sind.

75

Das Wort „Franchise“ wird in diesem Kontext französisch ausgesprochen f r a ′  i:z ∂  und darf nicht mit der – englisch ausgesprochenen – Bezeichnung für lizenzierte Vertriebssysteme verwechselt werden.

6.2 Risikoübernahme durch Versicherungen

359

(1) Prozentualfranchise Bei diesem Franchisetyp ersetzt das Versicherungsunternehmen nur einen zuvor festgelegten Prozentsatz q (0 < q < 1) des aufgetretenen Schadens; der Versicherte übernimmt also einen prozentualen Selbstbehalt von (1 – q). Für die E- und i-Funktion gilt somit:

(6.12) E = q ⋅ S und i = q. Die entsprechenden Grafiken haben mithin folgendes Aussehen, das dem der traditionellen Vollwertversicherung im Unterversicherungsfall gemäß Abb. 6.06. stark ähnelt. E

i

1 q tg b = q

b

VW Abb. 6.08:

S

S

Unbegrenzte Interessenversicherung mit prozentualem Selbstbehalt

In der Versicherungspraxis sind derartige Tarife etwa in der Krankheitskosten- oder auch der Kreditversicherung anzutreffen. (2) Abzugsfranchise Bei diesem Franchisetyp wird ein Schaden in dem Ausmaß ersetzt, wie er eine zuvor vereinbarte Mindesthöhe (M) übersteigt. Der Versicherte trägt also einen absoluten Selbstbehalt in entsprechender Höhe. Für die bekannten Funktionen gilt somit:

(6.13)

wenn S ≤ M 0, E =  − S M, wenn S > M 

i

wenn S ≤ M 0,  =  M 1 − S , wenn S > M

Die zugehörigen Kurven haben somit folgendes Aussehen. E

i 1

M Abb. 6.09:

S

M

Unbegrenzte Interessenversicherung mit absolutem Selbstbehalt

S

360

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Tarife mit Abzugsfranchisen sind beispielsweise in der Kraftfahrzeug-Kasko-Versicherung weit verbreitet. (3) Integralfranchise Wie bei der Abzugsfranchise werden auch bei diesem Franchisetyp Schäden unterhalb einer Mindestsumme M nicht erstattet, höhere Schadenssummen jedoch in vollem Umfang und nicht nur in Höhe des über M hinausgehenden Betrages. Somit gilt hier:

(6.14)

0, wenn S ≤ M E =  S, wenn S > M

i

0, wenn S ≤ M =  1, wenn S > M

Die zugehörigen Kurvenzüge sind dementsprechend jeweils durch eine Sprungstelle bei S = M gekennzeichnet. E

i 1

M Abb. 6.10:

S

M

S

Unbegrenzte Interessenversicherung und Integralfranchise

In der Praxis sind Vereinbarungen von Integralfranchisen eher selten anzutreffen; man findet sie jedoch beispielsweise im Bereich der Seewarenversicherung. Übungsaufgabe 6.09: a) Welche Gründe können für ein Versicherungsunternehmen generell dafür sprechen, Franchise-Tarife anzubieten? b) Welche Gründe können für einen Versicherungsnehmer dafür sprechen, einen Franchise-Tarif an Stelle einer Vollversicherung zu wählen?

6.3 Risikoübernahme durch Kreditinstitute

6.3

Risikoübernahme durch Kreditinstitute

6.3.1

Vorüberlegungen

361

Wie in den vorangegangenen Kapiteln an mehreren Stellen, insbesondere in Kapitel 1, dargestellt wurde, tragen Kreditinstitute durch ihre sonstigen Geschäfte zugleich auch dazu bei, ihren Kunden gewisse Risiken abzunehmen. Ist die Risikoverminderung bei den bislang betrachteten Marktangeboten von Kreditinstituten jedoch eher ein Nebeneffekt der primären Leistung, so gibt es auch einzelne Bereiche, in denen Kreditinstitute – ähnlich wie Versicherungen – die Übernahme von Risiken als eigenständige Hauptleistung anbieten. Zu den Anbietern derartiger Leistungen zählen zum einen die Universalbanken und einzelne Kreditinstitute mit Sonderaufgaben, die ihren Kunden Avalkredite und Akzeptkredite zur Verfügung stellen. Wir werden darauf im Abschnitt 6.4.2 näher eingehen. Außerdem gibt es in Deutschland sog. Kreditgarantiegemeinschaften, auch „Bürgschaftsbanken“ genannt, die sich als Selbsthilfeeinrichtungen bestimmter Gewerbezweige darauf spezialisiert haben, zugunsten ihrer Mitglieder Bürgschaften oder Garantien zu vergeben. Wir werden sie im Abschnitt 6.4.3 behandeln. Schließlich kann auch bei dem Angebot von Factoringinstituten der Aspekt der Risikoübernahme von mehr oder weniger großer Bedeutung sein. Wir sind darauf schon im Abschnitt 2.2.3.4 ausführlich eingegangen, so dass sich hier eine weitere Erörterung erübrigt.

6.3.2

Aval- und Akzeptkredite

Aval- und Akzeptkredite sind gemeinsam dadurch gekennzeichnet, dass sich die kreditgebende Bank zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages für den Fall verpflichtet, dass ihr eigener Kunde seinen Verpflichtungen gegenüber Dritten nicht nachkommt. Die Bank erbringt zunächst also keine unmittelbare Finanzierungsleistung, übernimmt mit der entsprechenden Eventualverpflichtung jedoch ein ähnliches Risiko, als wenn sie dem eigenen Kunden unmittelbar einen zahlungswirksamen Kredit in der entsprechenden Höhe gegeben hätte. Die in dieser Weise auf den Kunden übertragene Kreditwürdigkeit der Bank erleichtert es diesem, von dritter Seite „Kredit“ im weitesten Sinne des Wortes zu erlangen. (1) Der Avalkredit Beim Avalkredit übernimmt die Bank die Haftung für die Erfüllung der Verbindlichkeiten ihres Kunden gegenüber einem Dritten in Form einer Bürgschaft oder einer Garantie. Hauptanwendungsgebiet für die in aller Regel selbstschuldnerische Bankbürgschaft ist die Sicherung von bestimmten Ansprüchen öffentlicher Stellen, die vorübergehend gestundet werden, wie z.B. Zollgebühren, Bahnfrachtgelder, Holzkaufgelder (gegenüber den staatlichen Forstverwaltungen) oder Branntweinkaufgelder gegenüber der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein. Weiterhin geben Banken Prozessbürgschaften, Bürgschaften für den noch ausstehenden Einlagebetrag bei nicht voll eingezahlten Aktien oder Bürgschaften gegenüber anderen Kreditgebern etwa im Rahmen von Bauzwischenfinanzierung. Während die Bürgschaft akzessorischen Charakter hat, dass heißt an Existenz und Höhe der zugrundeliegenden Forderung gegenüber dem eigenen Kunden gebunden ist, stellt die Garantie ein abstraktes Zahlungsversprechen dar, das unabhängig von einer Hauptforderung

362

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

besteht. Garantieleistungen von Banken sind insbesondere in folgenden Anwendungsbereichen anzutreffen: •

Verpflichtung zur Übernahme der Vertragsstrafe, wenn der Bieter bei einer Ausschreibung den erteilten Zuschlag dann doch nicht annimmt (Bietungsgarantie) oder ein Lieferant die vereinbarte Lieferungs- oder Leistungsverpflichtung nicht erfüllt (Lieferungsund Leistungsgarantie). • Verpflichtung zur Rückzahlung einer an einen Auftragnehmer geleisteten Anzahlung für den Fall, dass dieser seiner Lieferungs- oder Leistungspflicht nicht nachkommt (Anzahlungsgarantie). • Verpflichtung zur finanziellen Abgeltung von Gewährleistungsansprüchen für den Fall, dass das verpflichtete Unternehmen diesen Ansprüchen nicht nachkommt (Gewährleistungsgarantie). • Absicherung eines Reeders gegen alle Schäden, die daraus resultieren können, dass er Ware an den Empfänger aushändigt, obwohl das vorgesehene Konnossement nicht vorliegt oder inhaltlich von den vereinbarten Bedingungen abweicht (Konnossementsgarantie). Die Laufzeit des Avalkredits ist durch den Zweck der Bürgschaft bzw. der Garantie determiniert. Es gibt unbefristete, die Regel jedoch sind kurzfristige Avalkredite. Für die Einräumung des Avalkredits berechnet die Bank eine Avalprovision. Diese ist abhängig vom Zweck, von der Laufzeit und von den möglicherweise gestellten Sicherheiten. In der Regel werden monatlich oder vierteljährlich etwa 1,5 bis 3% p.a. von der Bürgschafts-/Garantiesumme als Avalprovision berechnet und dem Kreditnehmer belastet. (2) Der Akzeptkredit Ein Akzeptkredit wird einem Unternehmen gewährt, indem ein Kreditinstitut einen von dem Unternehmen ausgestellten Wechsel als Bezogener akzeptiert, d.h. sich durch Vermerk auf der Vorderseite des Wechsels (Akzept) verpflichtet, diesen zu dem angegebenen Fälligkeitstermin einzulösen. Das Unternehmen kann diesen als Bankakzept bezeichneten Wechsel dann z.B. zur Bezahlung von Rechnungen an die eigenen Lieferanten weitergeben oder bei anderen Banken diskontieren lassen. Diese erwerben somit nicht eine Forderung gegenüber dem betrachteten Unternehmen, sondern gegenüber der – in ihrem Urteil eventuell bonitätsmäßig besseren – Akzeptbank. Im Innenverhältnis zu der Bank ist das Unternehmen allerdings verpflichtet, dieser die Wechselsumme zum Fälligkeitstermin zur Verfügung zu stellen. Bei vertragskonformem Ablauf wird die Bank also liquiditätsmäßig überhaupt nicht belastet. Da die Bank jedoch unabhängig von ihren internen Vereinbarungen mit ihrem Kunden auf jeden Fall zur Einlösung des Wechsels verpflichtet ist, übernimmt sie damit das Risiko, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Die für die Übernahme dieses Bonitätsrisikos zu zahlende Akzeptprovision wird in der Regel als Pro-Monat-Satz auf den Wechselbetrag berechnet und liegt in der Größenordnung von 1/8% bis 1/4% p.m. Außerdem werden häufig gewisse Bearbeitungskosten in Rechnung gestellt. Häufig wird das Bankakzept von der akzeptgebenden Bank selbst diskontiert. In diesem Fall wird aus der Kreditleihe dann eine kurzfristige Geldleihe. Im Vergleich zu einem einfachen Buchkredit an das betrachtete Unternehmen hat das für die Bank den Vorteil, dass sie selbst sich bei Bedarf durch weitere Abtretung ihres eigenen Akzepts leichter refinanzieren kann.

6.3 Risikoübernahme durch Kreditinstitute

363

Besondere Bedeutung hat die Risikoübernahme in Form eines Akzeptkredits bei der Finanzierung von Außenhandelsgeschäften in Form des sog. Rembourskredits erlangt. Der Importeur zieht dabei auf eine Bank einen Wechsel, den diese für Rechnung des Importeurs oder seiner Bank akzeptiert und dem Exporteur gegen Vorlage der vereinbarten Transportdokumente aushändigt. Soweit Banken Aval- und Akzeptkredite der soeben erläuterten Weise vergeben, besteht ihre primäre Leistung in der Übernahme bestimmter Risiken, insoweit also durchaus in versicherungsähnlichen Leistungen. Ein Spezifikum dieser Art von Risikoübernahme, das sie von dem Gros der Versicherungsleistungen unterscheidet, besteht jedoch darin, dass die Risikoübernahme von entscheidender Bedeutung für ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden der Bank und einem Dritten ist, wobei – dieser Dritte in aller Regel der Begünstigte ist, – während der Bankkunde zunächst der mit der Aval- oder Akzeptprovision Belastete ist. Während bei Versicherungsverträgen – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – der zur Prämienzahlung verpflichtete Versicherungsnehmer selbst auch unmittelbar der Begünstigte ist, der gegebenenfalls Anspruch auf die Versicherungsleistung hat, zielt ein Aval- oder Akzeptkredit auf die Begünstigung eines Geschäftspartners des Kreditnehmers ab. Dieser profitiert allerdings indirekt auch von der vereinbarten Kreditleihe, jedoch gerade nicht durch die tatsächliche Beanspruchung der zugesagten Risikoübernahme, sondern dadurch, dass es ihm die erfolgte Risikoübernahme durch die Bank erst ermöglicht, ein für ihn vorteilhaftes Geschäft abzuschließen, das andernfalls mangels hinlänglicher eigener Kreditwürdigkeit in der Form gar nicht zustande gekommen wäre. Insofern führen weder der Aval- noch der Akzeptkredit zu einem direkten Zahlungsmittelzufluss durch die Bank. Die Finanzierungsmöglichkeiten werden jedoch insoweit indirekt verbessert, als die Kreditaufnahme bei Dritten erleichtert wird. Somit erfüllt die Aufnahme von Aval- und Akzeptkrediten neben der Risikoübernahmefunktion auch eine Finanzierungsfunktion.

6.3.3

Risikoübernahme durch Kreditgarantiegemeinschaften

In ähnlichem Sinne ist auch das Leistungsangebot der sog. Bürgschaftsbanken zu sehen. Durch die Übernahme von Bürgschaften oder Garantien soll den der Selbsthilfeeinrichtung angehörenden Unternehmen die Kreditaufnahme bei anderen Institutionen, in der Regel Banken, erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht werden. Die Kreditgarantiegemeinschaften, die insbesondere in den Bereichen von Handel und Handwerk, mittelständischer Industrie, Hotel- und Gaststättengewerbe, Gartenbau, Verkehrsgewerbe und gemeinnützigem Wohnungsbau gebildet worden sind, betreiben in aller Regel ausschließlich das Avalkreditgeschäft und sind damit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG Kreditinstitute. Sie werden ganz überwiegend in der Rechtsform der GmbH betrieben. Neben den bereits im Abschnitt 6.4.2 besprochenen Bietungs-, Lieferung- und Leistungs-, Auszahlungs- sowie Gewährleistungsgarantien übernehmen diese Gesellschaften insbesondere – Kreditbürgschaften für Existenzgründungs-, Investitions- und Betriebsmittelkredite, – Leasing-Bürgschaften sowie – Beteiligungsgarantien bei der Beteiligung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften (vgl. Abschnitte 2.5.3) an mittelständischen Unternehmen.

364

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Die Bürgschaften sind in aller Regel als Ausfallbürgschaften ausgestaltet und auf maximal 80% der geschuldeten Summe begrenzt. In einem Volumen von derzeit rund 60% werden die übernommenen Ausfallbürgschaften üblicherweise noch einmal durch Rückbürgschaften beim Bund und dem jeweiligen Bundesland abgesichert. Das Volumen der einzelnen Bürgschaften bewegt sich allgemein im Bereich fünf- bis sechsstelliger Euro-Beträge und überschreitet nur in Ausnahmefällen die Millionengrenze. Die Kosten für die Beanspruchung der oftmals sehr langfristig, d.h. im Zeitrahmen von 10 bis 25 Jahren, gewährten Bürgschaft setzen sich aus einer laufenden Bürgschaftsprovision von ca. 1% p.a. der noch in Anspruch genommenen Bürgschaftssumme sowie einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von zumeist ebenfalls 1% des ursprünglichen Bürgschaftsbetrages zusammen.

6.4

Kreditderivate (Derivate IV)

6.4.1

Begriff, Funktionen und Kategorien von Kreditderivaten

Als Kreditderivate bezeichnet man einem Versicherungsvertrag ähnliche Vereinbarungen, die einen Vertragspartner (den „Verkäufer“) verpflichten, an dem aus dem Vertrag Berechtigten (den „Käufer“) bestimmte Zahlungen zu leisten, sofern sich eine der Vereinbarung zugrunde gelegte Kreditbeziehung in ihrer Qualität verschlechtert. Für diese Zusage, bestimmte Arten von Kreditrisiken zu übernehmen, erhält der Verkäufer, in der Regel sofort bei Vertragsabschluss, eine Ausgleichszahlung, die durchaus mit einer Versicherungsprämie oder auch der Prämienzahlung an den Stillhalter einer Option verglichen werden kann. Daneben findet man aber auch Kreditderivate, bei denen der Verkäufer während der Laufzeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten mehrere Zahlungen erhält oder in sonstiger Weise für die Risikoübernahme entschädigt wird. Zur konkreten Ausgestaltung eines solchen Kreditderivats bedarf es in erster Linie der präzisen Festlegung der folgenden drei zentralen Vertragselemente: •

Zum ersten muss festgelegt werden, auf welches Kreditengagement sich die Vereinbarung beziehen soll. • Zum zweiten ist zu definieren, welche Ereignisse überhaupt zu einer Zahlungsverpflichtung des Verkäufers führen, also gewissermaßen den „Versicherungsfall“ auslösen. • Zum dritten ist schließlich festzulegen, wonach sich die Höhe der bei Eintritt des „Versicherungsfalls“ effektiv zu leistenden Zahlung bemisst. Je nach der Art des Kreditderivats können weitere Vertragsbestandteile hinzukommen; wir wollen uns hier jedoch vorrangig auf die Betrachtung dieser drei zentralen Vertragselemente beschränken. (1) Gegenstand eines Kreditderivates kann eine einzelne Forderung sein, ein Teilbetrag einer einzelnen Forderung oder auch ein Pool mehrerer Forderungen. Dabei kann es sich sowohl um einfache Buchkredite als auch um wertpapiermäßig verbriefte Ansprüche handeln, die zudem möglicherweise börsenmäßig gehandelt werden können. (2) Im Hinblick auf die Voraussetzungen für den Eintritt des „Versicherungsfalls“ unterscheidet man allgemein zwei grundlegende Kategorien von Kreditderivaten:

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

365



Bei den sogenannten ereignisbezogenen Derivaten entsteht die Zahlungspflicht des Verkäufers dann, wenn bestimmte, bei Vertragsabschluss wohldefinierte kredittypische Ereignisse („Credit Events“) eintreten. Solche Ereignisse können etwa die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, jedwede Herabstufung des ursprünglichen Kreditratings durch eine Ratingagentur oder das Unterschreiten eines bestimmten Rating-Grades sein. • Bei marktpreisbezogenen Derivaten knüpft die Zahlungspflicht des Verkäufers demgegenüber an die Entwicklung des Marktwertes der zugrundeliegenden Kreditansprüche an, was in der Regel voraussetzt, dass diese als börsengehandelte Wertpapiere verbrieft sind. (3) Die Höhe der von dem Derivatverkäufer ggf. zu leistenden Zahlungen hängt zumeist davon ab, ob das Derivat ereignis- oder marktpreisbezogen ausgestaltet ist: •

Im ersten Fall könnte etwa der bei Eintritt des „Ereignisses“ noch offene Forderungsbetrag die Basis für die Bestimmung der Zahlungsverpflichtung des Derivatverkäufers bilden, der im Endeffekt an Stelle des säumigen Schuldners zumindest einen Teil von dessen Verpflichtungen zu erfüllen hat. Im Gegenzug dazu geht zumeist der entsprechende Anspruch des Derivatkäufers gegenüber seinem ursprünglichen Kreditnehmer an den Verkäufer über, der dann versuchen kann, zumindest einen Teil des ausstehenden Betrages doch noch zu realisieren. • Bei marktpreisbezogenen Kreditderivaten hängt in aller Regel nicht nur das generelle Eintreten der Zahlungspflicht, sondern auch deren Höhe davon ab, wie sich der Marktwert des zugrundeliegenden Wertpapiers entwickelt. Derartige Derivate sind häufig in der Weise symmetrisch konstruiert, dass Marktpreissenkungen zu Zahlungen des Derivatverkäufers an den Käufer führen, dieser jedoch umgekehrt bei Steigerungen des Marktpreises verpflichtet ist, entsprechende Zahlungen an den Verkäufer zu leisten. Kreditderivate werden häufig durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Inhaber der zugrunde gelegten Forderung(en) als Käufer und einem anderen Geschäftspartner als Verkäufer begründet. Mittlerweile ist es aber auch häufig der Fall, dass keine der beiden Vertragsparteien Inhaber einer zugrunde gelegten Forderung ist, also beide Vertragspartner nicht aus Gründen der Absicherung, sondern aus anderen, z.B. spekulativen Motiven. Typischerweise – wenn auch nicht zwangsläufig – handelt es sich bei beiden Parteien um Kreditinstitute oder andere Finanzdienstleistungsunternehmen, für die der Erwerb oder die Begründung von Forderungen etwa als Factoring-, Leasing-, Kreditkarten- oder Darlehengeschäft zum primären Betriebszweck zählt und nicht nur ein – möglicherweise eher lästiger – Nebeneffekt der eigentlichen Unternehmenstätigkeit darstellt. Zunehmend beteiligen sich jedoch auch andere Unternehmen an diesem Geschäft. Die so begründeten Rechtspositionen können dann jedoch im Zuge eines Handels von Kreditderivaten möglicherweise an Dritte weitergeleitet werden. Wie bei anderen Finanzgeschäften auch kann also auch hier zwischen einem Primär- und einem Sekundärmarkt unterschieden werden. In funktioneller Hinsicht ermöglichen Kreditderivate zum einen eine Separation von Risikoübernahme und Finanzierung. So kann etwa eine Bank die eigene Kundschaft auch dann noch in vollem Umfang mit den gewünschten Krediten versorgen, wenn sie dazu unter Risikoaspekten „eigentlich“ gar nicht mehr in der Lage wäre – sei es, weil interne Risikolimits dagegen sprechen, sei es, weil bankenaufsichtsrechtliche Restriktionen verletzt würden.

366

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Kreditrisiken können somit von den ursprünglichen Kreditgebern zu den Institutionen „wandern“, die – aus welchen Gründen auch immer – besser als diese in der Lage sind, solche Risiken zu tragen. Über ihre einzelwirtschaftliche Separationsfunktion hinaus können Kreditderivate somit zugleich zu einer Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Risikoallokation beitragen. Daneben können Kreditderivate zum zweiten auch dazu benutzt werden das Ausmaß der Risikodiversifikation – zunächst einzel-, daraus folgend aber auch gesamtwirtschaftlich – zu steigern. Das im folgenden Abschnitt präsentierte Beispiel verdeutlicht diesen Aspekt exemplarisch.

6.4.2

Risikodiversifikation durch Kreditderivate: Ein Beispiel

Das folgende Beispiel ist in seinen Konturen bewusst einfach und zugleich überzeichnend gewählt, um die Grundidee jedoch umso deutlicher hervortreten zu lassen. Beispiel 6.01: Eine im nordostdeutschen Raum tätige Bank W hat ihren lokalen Gegebenheiten folgend einen Großkredit über 500 Mio. Euro an einen Werftkonzern vergeben (im Folgenden kurz: W-Kredit). Die Laufzeit beträgt genau 1 Jahr;, der nach einem Jahr zusammen mit der Tilgung fällige Zins beläuft sich auf 20% p.a. Die Risikostruktur dieses Engagements wird wie folgt eingeschätzt: • Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% wird der Kredit vereinbarungsgemäß einschließlich der Zinsen, also zu 600 Mio. Euro, zurückgezahlt. • Tritt hingegen der ex ante zu 20% wahrscheinliche Insolvenzfall ein, so kann angesichts der bereitgestellten Sicherheiten mit 90%-iger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Zins- und Tilgungsanspruch, wenn auch nicht vollständig, so doch zumindest im Volumen von 480 Mio. Euro erfüllt wird. Der Einfachheit halber wird hier unterstellt, dass diese Zahlung ebenfalls genau im eigentlichen Fälligkeitstermin des Kredits erfolgt. • Mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% ist demgegenüber nach eingetretener Insolvenz davon auszugehen, dass sich die Sicherheiten als gänzlich wertlos erweisen, es also zum Totalausfall des gesamten Kredites kommt. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der alternativ möglichen Rückzahlungsbeträge sowie der an der ursprünglichen Kreditsumme gemessenen Verluste des W-Kredites hat somit folgendes Aussehen (Angaben in Mio. Euro): Wahrscheinlichkeit

80%

16

Rückzahlung

600

480

0



20

500

Verlust

2%

Für den Erwartungswert der alternativ möglichen Rückzahlungsbeträge gilt somit μ = 600 ⋅ 0,8 + 480 ⋅ 0,18 = 566, 40 , was trotz des vereinbarten Kreditzinses von 20% im Endeffekt nur einer erwarteten Verzinsung von 14,72% entspricht.

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

367

Zur Beschreibung des mit diesem Engagement verbundenen Risikos kann einmal auf die schon aus dem Abschnitt 6.1 bekannte Standardabweichung σ zurückgegriffen werden. Man erhält hier:

σ2 = 33,62 ⋅ 0,8 + 86, 42 ⋅ 0,18 + 566, 42 ⋅ 0,02 = 8.663 und somit σ = 8.663 = 93,1 . Im Risikomanagement der Banken hat als Folge aufsichtsrechtlicher Vorgaben, wie sie etwa unter der Bezeichnung „Basel II“ auch über Fachkreisen hinaus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden sind, eine andere Kennzahl, der sogenannte Value-at-Risk (VaR), besondere Prominenz gewonnen. Diese Kennzahl misst den möglichen Verlustbetrag eines Engagements, der nur mit einer „vernachlässigbar kleinen“ Wahrscheinlichkeit noch übertroffen werden kann. Wo die Schwelle für diese „vernachlässigbar kleine“ Wahrscheinlichkeit liegt, wird aufsichtsrechtlich vorgegeben. Die so ermittelte VaR-Kennzahl geht dann in die Bemessung des Reinvermögens ein, das eine Bank in Abhängigkeit von den insgesamt eingegangenen Geschäftsrisiken als Deckungspotenzial vorhalten muss. Für unser Beispiel sei angenommen, dass die für die Ermittlung des VaR maßgebliche Wahrscheinlichkeit auf 0,1% festgelegt sei. Aus der vorstehenden Tabelle ergibt sich dann sofort, dass in der Ausgangssituation VaR = 500 gelten würde. Denn die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Totalverlustes liegt mit 2% eindeutig oberhalb der unterstellten Toleranzgrenze von 0,1%. Das betrachtete Kreditengagement wäre also in vollem Umfang von 500 Mio. Euro in die Berechnung des aufsichtsrechtlich erforderlichen Deckungspotenzials einzubeziehen. Zur weiteren Fortführung unseres Beispiels betrachten wir nun eine zweite, im südwestdeutschen Raum tätige Bank F, die derselben Bankengruppe wie die Bank W angehören soll. Diese Bank habe – den für sie bestimmenden regionalen Gegebenheiten entsprechend – an ein Unternehmen aus der Feinmechanik-Branche einen Kredit (F-Kredit) über ebenfalls 500 Mio. Euro vergeben, der in allen Risikomerkmalen sowie dem vereinbarten Zins dem betrachteten W-Kredit entsprechen soll. Durch Vermittlung des gemeinsamen Spitzeninstituts ihrer Bankengruppe vereinbaren Wund F-Bank nun die folgenden beiden Kreditderivate DW und DF: DW: Bank F verpflichtet sich, der Bank W für den Fall, dass der aus dem W-Kredit resultierende Anspruch von 600 Mio. Euro nach einem Jahr nicht oder nicht vollständig erfüllt wird, eine Ausgleichszahlung in Höhe von 50% des entsprechenden Fehlbetrages zu leisten. DF: Im Gegenzug verpflichtet sich Bank W zu ganz analogen Zahlungen für den Fall, dass der ebenfalls auf 600 Mio. Euro lautende Anspruch aus dem F-Kredit nicht oder nicht vollständig erfüllt wird. Die in unserem Beispiel herbeigeführte Konstellation wirft die Frage auf, ob sich der gleichzeitige Kauf und Verkauf der beiden ja durchaus gleichartigen Kreditderivate in ihren Wirkungen nicht gegenseitig aufheben oder – wenn nicht – welche risikopolitischen Konsequen-

368

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

zen sich für die involvierten Banken daraus ergeben. Bevor wir unser Beispiel im Hinblick auf diese Frage weiter analysieren, gibt Ihnen die folgende Übungsaufgabe Gelegenheit, die vorangegangenen Anführungen noch einmal zu rekapitulieren und auf unseren konkreten Beispielfall anzuwenden. Übungsaufgabe 6.10: Betrachten Sie das in dem vorstehenden Beispiel dargestellte Kreditderivat DW und erläutern Sie in der Terminologie des vorangegangenen Textes – welche Funktionen die beiden Banken F und W dabei wahrnehmen, – um welche Art von Kreditderivat es sich handelt und – wie die oben unter (1) bis (3) allgemein verdeutlichten grundlegenden Vertragselemente konkret ausgeprägt sind!

Vor der Rückkehr zu unserem Beispiel erscheint es des Weiteren zweckmäßig, zwei damit verknüpfte Problemfelder kurz in allgemeiner Form anzusprechen: •

Der Käufer eines Kreditderivates sieht sich als Konsequenz dieses Geschäfts stets dem sogenannten Erfüllungsrisiko ausgesetzt, d.h. der Gefahr, dass der Verkäufer im Bedarfsfall nicht willens oder nicht in der Lage ist, die versprochenen Ausgleichszahlungen auch tatsächlich zu leisten. Vor Abschluss eines entsprechenden Vertrages müssen also – genau so wie bei der Kreditwürdigkeitsanalyse selbst – Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Verkäufers überprüft werden. Dabei mag man im konkreten Einzelfall durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass das Erfüllungsrisiko als vernachlässigbar gering angesehen werden kann. Diese Möglichkeit kann jedoch keineswegs a priori als Selbstverständlichkeit unterstellt werden. Um unser Beispiel überschaubar zu halten, wollen wir hier allerdings von dieser Idealkonstellation ausgehen. • Ein zweites Problemfeld resultiert in unserem Beispiel daraus, dass durch die wechselseitigen Derivatgeschäfte zwei zunächst eigenständige Kreditbeziehungen in ihren Ergebnissen mit einander verknüpft werden. Für die Beurteilung der daraus resultierenden neuen Situation wird somit der zwischen diesen beiden Krediten bestehende stochastische Zusammenhang bedeutsam, d.h. die Frage, inwieweit die bei den beiden Krediten bestehenden Möglichkeiten des Insolvenzeintritts – einander wechselseitig beeinflussen oder – durch einen übergeordneten gemeinsamen Faktor bestimmt werden. Je enger derartige Zusammenhänge sind, desto geringer sind die im Folgenden an Hand unseres Beispiels noch näher zu analysierenden Diversifikationseffekte, die durch eine derartige Verknüpfung von zwei (oder mehreren) Krediten erreicht werden können. Für unser Beispiel wollen wir – ebenfalls im Interesse einer möglichst einfachen Darstellung – von dem Idealfall vollkommener stochastischer Unabhängigkeit ausgehen.

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

369

Beispiel 6.01 (Fortsetzung): Folgende Tabelle gibt (aus Sicht der Bank W) einen Überblick über die alternativ möglichen Konsequenzen, die sich aus der ursprünglichen Vergabe des W-Kredits sowie der zusätzlichen Vereinbarung der Kreditderivate DW und DF ergeben. Diese Tabelle ist wie folgt zu lesen: • In der Kopfzeile sind die drei alternativ möglichen Rückzahlungsbeträge aus dem WKredit sowie die zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten aufgeführt. • In der Vorspalte sind die entsprechenden Werte für den F-Kredit angegeben. • Die inneren Felder der Tabelle kennzeichnen die Konsequenzen, die sich für die WBank ergeben, wenn ein bestimmtes Ergebnis des W-Kredits mit einem bestimmten Ergebnis des F-Kredits zusammentrifft. Dabei bezeichnet – die erste Zahl den Rückzahlungsbetrag aus dem W-Kredit, – die zweite Zahl (+) die in diesem Fall aus Derivat DW fällig werdende Ausgleichszahlung der Bank F an Bank W, – die dritte Zahl (–) analog die bei der jeweiligen Ergebniskonstellation aus dem Derivat DF fällig werdende Ausgleichszahlung der Bank W an Bank F sowie – die darunter in Fettdruck ausgewiesene Zahl den Saldo der drei vorstehenden Zahlungen, also den Betrag, den die Bank F bei der jeweiligen Ergebniskonstellation im Endeffekt vereinnahmen kann. Zusätzlich sind als Klammerangaben die Eintrittswahrscheinlichkeiten für die einzelnen Ergebniskonstellationen aufgeführt. Diese ergeben sich in dem hier unterstellten Fall der stochastischen Unabhängigkeit einfach als Produkt der in Kopfzeile und Vorspalte jeweils angegebenen Ausgangswahrscheinlichkeiten. W F 600 (80%) 480 (18%) 0 (2%)

600 (80%)

480 (18%)

0 (2%)

600 + 0 – 0 = 600 (64,00%) 600 + 0 – 60 = 540 (14,40%) 66 + 0 – 300 = 300 (1,60%)

480 + 60 – 0 = 540 (14,40%) 480 + 60 – 60 = 480 (3,24%) 480 + 60 – 300 = 240 (0,36%)

0 + 300 – 0 = 300 (1,60%) 0 + 300 – 60 = 240 (0,36%) 0 + 300 – 300 =0 (0,04%)

Im Endeffekt sieht sich Bank W in derselben Situation, die sie auch erreicht hätte, wenn sie den W-Kredit von Anfang an nur zur Hälfte des vorgesehenen Gesamtvolumens, also zu 250 Mio. Euro, ausgereicht, dafür jedoch die Hälfte des F-Kredits übernommen hätte. Ganz Analoges gilt selbstverständlich auch für die Bank F. Fasst man nun die zu jeweils übereinstimmenden Zahlungsgrößen führenden Ergebniskonstellationen zusammen und ordnet man die saldierten Beträge in absteigender Ordnung, so erhält man folgende „neue“ Wahrscheinlichkeitsverteilung, der zu Vergleichszwecken die schon bekannte ursprüngliche Verteilung noch einmal gegenübergestellt worden ist:

370 Wahrscheinlichkeit

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung 64,00%

28,80%

3,24%

3,20%

0,72%

600

540

480

300

240

0





20

200

260

500

Wahrscheinlichkeit

80%

18%

2%

Rückzahlung

600

480

0



20

500

Rückzahlung Verlust

Verlust

0,04%

Ein erster Blick auf die beiden Verteilungen zeigt sofort, dass sich die Verhältnisse gegenüber der Ausgangssituation auf jeden Fall verändert haben. Die eventuell gehegte Vermutung, die beiden so völlig gleichartigen Derivatgeschäfte DW und DF würden sich in ihren Konsequenzen wechselseitig aufheben und in der Summe letztlich ganz ohne Konsequenz bleiben, wird also nicht bestätigt. Vergleicht man die beiden Verteilungen etwas näher, so wird auch ohne nennenswerte Berechnungen weiterhin Folgendes deutlich: • Die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der beiden Extremkonstellationen (vollständige Realisierung bzw. Totalausfall) sind von ursprünglich 80% bzw. 2% auf 64% bzw. 0,04% zurückgegangen. Insofern steht einer Verschlechterung der Situation in Form geringerer Erfolgschancen auf der anderen Seite eine Verbesserung in Form verminderter Ausfallrisiken gegenüber, ohne dass daraus schon ein Gesamturteil abgeleitet werden könnte. • Zugleich sind mit 540, 300 und 240 etliche „Zwischenwerte“ in das Möglichkeitsspektrum gerückt, die in der Ausgangssituation gar nicht auftreten konnten. • Dabei hat sich die Chance, mit den Zahlungswerten von 600 sowie 540 überhaupt eine positive Verzinsung zu erzielen, von ursprünglich 80% auf nunmehr 92,8% deutlich erhöht. • Die Verlustwahrscheinlichkeit ist dementsprechend von ursprünglich 20% auf nunmehr (3,24 + 3,20 + 0,72 + 0,04 =) 7,20% zurückgegangen. Viele Betrachter dürften die „neue“ Wahrscheinlichkeitsverteilung auf der Basis derartiger Betrachtungen im Vergleich zur Ausgangssituation insgesamt als weniger risikoreich einschätzen. Ein solcher eher intuitiver Befund wird durch die Berechnung der zuvor schon eingeführten Kennzahl bestätigt. So ergeben sich zunächst für den Erwartungswert der Zahlungen mit μ′ = 600 ⋅ 0,64 + 540 ⋅ 0,288 + 480 ⋅ 0,0324 + 300 ⋅ 0,032 + 240 ⋅ 0,0072 = 566, 40 und der dementsprechend erwarteten Verzinsung von 14,72% exakt dieselben Werte, die auch schon in der Ausgangssituation gegolten hatten. Diese Identität ist übrigens keineswegs das Ergebnis einer zufälligen oder für unser Beispiel besonders raffiniert konstruierten Datenkonstellation, sondern resultiert allein daraus, dass die miteinander verknüpften Kredite W und F annahmegemäß in ihrer erwarteten Verzinsung übereinstimmen. Jede beliebige „Mischung“ der beiden Kredite führt dann zwangsläufig zu demselben Erwartungswert. Diversifikation von Risiken allein hat also keinen Einfluss auf den Erwartungswert, sehr wohl aber auf die Risikokennzahlen. So errechnet sich auch für die Standardabweichung mit

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

371

σ2 = 33, 62 ⋅ 0, 64 + 26, 42 ⋅ 0, 288 + 86, 42 ⋅ 0, 0324 + 266, 42 ⋅ 0, 032 + 326, 42 ⋅ 0, 0072 + 566, 42 ⋅ 0, 0004 = 4.332

und somit σ′ =

4.332 = 65, 8

ein spürbar niedrigerer Wert als in der Ausgangssituation. Folgt man der in Theorie und Praxis weit verbreiteten Übung, die Höhe das mit einem finanziellen Engagement verbundenen Risikos – zumindest auch – an der Standardabweichung zu messen, so haben die beiden Derivatgeschäfte das von Bank W – und ganz analog auch von Bank F – zu tragende Kreditrisiko mit einer Minderung von ursprünglich σ = 93,1 auf nunmehr σ′ = 65,8 also deutlich reduziert – und das, ohne dass deshalb eine Einbuße bei der erwarteten Verzinsung hinzunehmen wäre; diese beläuft sich ja nach wie vor auf 14,72%. Insoweit wird die bei beiden Banken gleichermaßen eintretende Risikoreduktion also „kostenlos“ erreicht. Sie ist einfach eine Folge des schon im Abschnitt 6.1.2.2 im Hinblick auf das Versicherungsgeschäft aufgezeigten Risikoausgleichs, der durch eine Diversifikation der Risikoursachen erreicht werden kann. Parallel zu diesem zunächst eher theoretischen Effekt würde sich für unsere beiden Banken im realen Anwendungsfall noch eine ganz praktische Auswirkung für das aufsichtsrechtlich verlangte Deckungspotenzial ergeben: Bei einer annahmegemäß auf 0,1% fixierten Toleranzwahrscheinlichkeit wäre die Gefahr des Totalverlusts von 500 Mio. Euro mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von nunmehr nur noch 0,04% jetzt nämlich dem Bereich der „vernachlässigbaren“ Risiken zuzurechnen. Die für die Bestimmung des VaR maßgebliche Toleranzgrenze von 0,1% würde vielmehr erst bei der zweitschlechtesten Ergebnismöglichkeit, also bei einer Rückzahlung von 240 und einem dementsprechenden Verlust von 260, überschritten, so dass nun nur noch VaR′ = 260 gelten würde. Als Folge der Ergänzung um die beiden Kreditderivate DW und DF wäre das ursprüngliche Kreditengagement somit nicht mehr im vollen Umfang von 500 Mio. Euro, sondern nur noch mit 260 Mio. Euro in die Berechnung des aufsichtsrechtlichen Deckungspotenzials einzubeziehen. Unser Beispiel war aus Gründen der Vereinfachung bewusst auf nur zwei Banken und auch auf nur zwei Kredite beschränkt. De facto gehen Banken selbstverständlich eine sehr viel höhere Zahl von Kreditbeziehungen ein und erreichen dabei schon ohne besonderes eigenes Zutun oder auch als Ergebnis bewussten Risikomanagements eine gewisse Diversifikation der Kreditrisiken „im eigenen Haus“. Nichtsdestoweniger kann man sich von unserem Beispiel ausgehend leicht vorstellen, dass der Diversifikationsgrad durch ergänzende Derivatgeschäfte erhöht werden kann. Zudem kann es den Banken durch die Möglichkeit ergänzender Derivatgeschäfte erleichtert werden, sich im primären Finanzierungsgeschäft den eigenen absatzpolitischen Möglichkeiten entsprechend auf eher einseitige, schlecht diversifizierte „Risikoballungen“ einzulassen. Dabei ist es durchaus vorstellbar, dass bestimmte Banken angesichts eher geringer Primärrisiken überwiegend als Verkäufer, andere überwiegend als Käufer von Kreditderivaten auftreten. Ebenso gut kann es aber auch Banken geben, die – der Idealkonstellation unseres Beispiels folgend – in etwa gleichem Umfang als Käufer und

372

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Verkäufer zugleich auftreten, also annähernd im gleichen Volumen Einzelrisiken abgeben, wie sie neue übernehmen, das damit verknüpfte Gesamtrisiko jedoch vermindern. In unserem Beispiel wurde dieser Effekt durch einen “Tausch“ zweier einander sehr ähnlicher Derivate erreicht. Bei der immensen Vielzahl im realen Fall theoretisch miteinander verknüpfbarer Derivate dürften derartige unmittelbare Tauschgeschäfte im Allgemeinen allerdings wenig zweckmäßig sein. Die in aller Regel überlegene Lösung wird darin bestehen, dass Derivatgeschäfte je einzeln zu bestimmten Preisen abgeschlossen werden, und sich jede Bank durch eine Vielzahl entsprechender Geschäfte am Primär- und ggf. auch am Sekundärmarkt für Derivate das ihr optimal erscheinende „Portefeuille“ an Käufer- und Verkäuferpositionen in Kreditderivaten zulegt. Ein solcher Handel wird selbstverständlich durch eine gewisse Standardisierung der Kontrakte erleichtert. Einige der wesentlichen Grundformen von Kreditderivaten, die sich dementsprechend in der praktischen Handhabung heraus gebildet haben, wollen wir Ihnen im nächsten Abschnitt skizzenhaft vorstellen.

6.4.3

Ausgewählte Grundformen von Kreditderivaten

In Anlehnung an das inzwischen in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aufgegangene Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen lassen sich folgende Grundformen von Kreditderivaten unterscheiden:76 •







76

Bei einem Total Return Swap übernimmt der Verkäufer des Derivats vom Käufer für die Laufzeit eines Kreditgeschäfts oder einer gehaltenen Anleihe die daraus resultierenden Erträge sowie deren Wertsteigerungen. Im Gegenzug erhält der Käufer eine periodische Zahlung eines variablen oder festen Bezugszinses sowie den Ausgleich einer eventuellen Wertminderung der Forderung oder der Anleihe. Bei einem Credit Default Swap leistet der Verkäufer nur bei Eintritt eines vorab spezifizierten Kreditereignisses (z.B. Insolvenzantrag) bei dem Schuldner der zugrunde liegenden Forderung eine Ausgleichszahlung. Als Gegenleistung erhält der Verkäufer eine einmalige oder bei längeren Laufzeiten gegebenenfalls eine jährliche Prämie. Mit einer Credit Default Option erwirbt ihr Käufer gegen Zahlung einer Prämie das Recht auf Erhalt eines Ausgleichsbetrages, der sich aus der Differenz des „Marktwertes“ der zugrunde gelegten Kreditforderung zu einem festgelegten Basispreis herleitet. Es kann also zu Ausgleichszahlungen kommen, ohne dass der Schuldner des Kredites überhaupt zahlungssäumig geworden wäre. Denn eine Marktwertverringerung kann ja z.B. schon allein dadurch eintreten, dass die Zahlungswahrscheinlichkeit des Schuldners im Urteil der Marktteilnehmer kleiner geworden ist (vgl. dazu auch das nachfolgende Beispiel). Wegen der Schwierigkeit bei der Definition des Marktwertes einer Kreditforderung bietet sich die Vereinbarung von Credit Default Options insbesondere bei wertpapierverbrieften, börsengehandelten Kreditforderungen an, wie z.B. Unternehmensanleihen. Die drei gerade skizzierten Kreditderivate sind reine Derivate. Zur Weiterplatzierung von Kreditrisiken an Investoren eignen sich jedoch auch sogenannte strukturierte Schuldverschreibungen. Die Credit Linked Note (CLN) stellt eine Kombination aus einer Anleihe und einer Credit Default Option dar.

Vgl. zu Kreditderivaten z.B. BUNDESAUFSICHTSAMT FÜR DAS KREDITWESEN (1999).

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

373

Eine CLN ist eine z.B. von einer Bank emittierte verzinsliche Schuldverschreibung (Note), die von einem Investor zum Nominalwert erworben wird. Sie wird von der Bank an ihrem Laufzeitende aber nur dann zum Nominalwert getilgt, wenn eine vorab genau definierte Forderung der Bank nicht ausfällt. Fällt die spezifizierte Forderung dagegen vollständig oder teilweise aus, so tilgt die Bank die CLN nur zu einem Betrag (DefaultZahlung), der dem Restwert ihrer Forderung77 (ggf. zuzüglich eines Selbstbehaltes78) entspricht. Der Investor trägt somit das Risiko aus dem vollständigen oder teilweisen Ausfall der Forderung (in diesem Fall die Differenz zwischen der Tilgung zum Nominalwert der Note und dem tatsächlich zurückgezahlten Betrag). Im Unterschied zu den reinen Kreditderivaten leistet der Investor als Verkäufer des in der CLN enthaltenen „reinen“ Kreditderivates seine Zahlung in Höhe des Anleihebetrages jedoch schon bei Emission der Note. Im Vergleich zu den anderen drei Varianten von Kreditderivaten hat eine CLN für die Bank also den Vorteil, dass sie keine im voraus gezahlten Prämien verliert und sich auch nicht erneut absichern muss, falls der Investor zwischenzeitlich insolvent wird. Die folgende Grafik verdeutlicht die wesentlichen Strukturelemente der vier vorgestellten Derivate noch einmal zusammenfassend.

77 78

Der Restwert der Forderung ergibt sich aus der Verwertung eventuell gestellter Sicherheiten oder einer eventuellen Insolvenzquote. Der vorab vereinbarte Selbstbehalt dient dazu, der Bank – im Sinne des Investors – Anreize zu geben, den Kredit auch nach Vereinbarung des Kreditderivats noch ordnungsgemäß zu überwachen. Als Höhe des Selbstbehaltes könnten zwischen Bank und Investor z.B. 5% des Forderungsbetrages oder 10% des ausgefallenen Forderungsbetrages vereinbart werden.

374

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung Verkäufer

Käufer = Kreditgeber

Total Return Swap

Zinsen aus Kredit + Wertsteigerungen

Credit Default Swap

Prämie

Zins + Wertverluste

Default: Ausgleichszahlung Kreditnehmer Prämie

Credit Default Option

Max (Basispreis – „Marktwert“ b. Fälligkeit; 0) Kein Default: Nominalbetrag Note Default: Default-Zahlung

Credit Linked Note

Nominalbetrag Zins auf Note

Abb. 6.11:

Zahlungsvereinbarungen einiger Kreditderivate

79

Beispiel 6.02: Der Fall der Credit Default Option soll an einem Beispiel deutlich gemacht werden. In t = 0 vergibt die Bank X einen Kredit in Höhe von 100.000 Euro an den Kreditnehmer Y zu einem Zinssatz von 8%. Der Kredit hat eine Laufzeit von 5 Jahren bei endfällig vereinbarter Tilgung. Auf dem Markt sollen bei einem risikolosen Zinssatz für alle Laufzeiten von 5,5% für verschiedene „Ratingstufen“ folgende Risikoaufschläge gelten:

AAA AA A BBB BB

Risikoaufschlag in Prozentpunkten 0,3% 0,6% 1,0% 1,5% 2,0%

Zinssatz für die Abzinsung 5,8% 6,1% 6,5% 7,0% 7,5%







Rating

Der vereinbarte Kredit (bzw. der Kreditnehmer Y) erhält im Zeitpunkt t = 0 ein Rating von „A“. Mit einem Investor Z (= „Verkäufer“ des Kreditderivates) wird vereinbart, dass die Bank X den Kredit an diesen übertragen kann, falls das Rating des Kreditnehmers Y in t = 2 unter 79

Darstellung in Anlehnung an HARTMANN-WENDELS/PFINGSTEN/WEBER (2010), S. 299 und Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (1999).

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

375

„A“ fällt. Als Basispreis wird ein Preis von 103.973 Euro festgelegt. Im Gegenzug zahlt die Bank in t = 0 an den Investor Z eine (Versicherungs-) Prämie von 1.000 Euro. Zunächst soll der Wert des Kredites in t = 0 berechnet werden (mit CR t als „Marktwert“ des Kredites zum Zeitpunkt t mit einem Rating R): 5

Zins und Tilgungszahlungen in t

t =1

(1 + risikoloser Zins + Risikoaufschlag) t

C0A = 

C0A =

8.000

8.000

CBB 2 =

8.000

8.000

6.4.4

2

+

108.000

= 101.300 Euro. 1, 075 1, 075 1, 0753 Die Bank X wird den Kredit nun zu einem Preis von 103.973 Euro an den Investor verkaufen und kann damit einen Verlust verhindern.80 Im Regelfall erfolgt dabei keine wirkliche Übertragung der Kreditforderung, vielmehr wird ein Cash Settlement vereinbart, d.h. der Investor zahlt die Differenz zwischen dem Basispreis und dem Wert im Zeitpunkt t = 2, in unserem Fall also 2.673 Euro. Der Wertverfall des Kredites ergibt sich aufgrund einer höheren Abzinsung (höhere Risikoprämie bzw. höherer Spread), weshalb sich in der Praxis auch die Bezeichnung Credit Spread Call findet. 1

+

2

+ ... +

108.000

= 106.234 Euro. 1, 065 1, 065 1, 0655 Der Kredit hat diesem Ansatz zufolge in t = 0 einen Wert von 106.234 Euro; in der Bilanz dürfen nach HGB jedoch nur 100.000 Euro ausgewiesen werden. Im Zeitpunkt t = 2 hat sich die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers Y verschlechtert. Der Kredit/Kreditnehmer wird nur noch mit einem BB-Rating versehen. Der Wert des Kredites im Zeitpunkt t = 2 ergibt sich nun bei einem BB-Rating mit: 1

+

,

Kreditderivate-Indizes

6.4.4.1 Das Grundkonzept Der Begriff des Index hat im Geschäft mit Kreditderivaten eine etwas umfassendere Bedeutung als von anderen Märkten bekannt. Ein Aktienindex etwa gibt bekanntlich ein Abbild eines bestimmten Wertpapiersegmentes, indem er die Entwicklung der Kurse ausgewählter Aktien nach einer wohldefinierten Berechnungsregel in einer Zahl wiedergibt. Er ist gleichsam ein Marktbarometer. Am Markt für Kreditderivate hingegen ist das, was die auf jenem Markt gebräuchliche Fachsprache als Index bezeichnet bzw. deutsche Praktiker aus dem Englischen Fachterminus so übertragen haben („credit index“) selbst ein Handelsobjekt. Die aus dem deutschen Sprachgebrauch übliche begriffliche Unterscheidung zwischen „Index“ einerseits und „Indexkontrakt“ andererseits (etwa Dax-Futures oder Dax-Optionen, vgl. Abschnitt 5.2) wird also unterlassen.

80

Der Wert des Kredites hätte bei einem Rating von A in t = 2 genau 103.973 Euro betragen. Vollziehen Sie dies bitte nach. Die Prämie von 1.000 Euro ist annahmegemäß in t = 0 bereits gewinnmindernd angesetzt worden.

376

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Wir stellen in diesem Abschnitt zunächst Kreditderivate-Indizes in ihrer Eigenschaft als Handelsobjekte vor, also standardisierte Geschäfte (Kontrakte), nicht hingegen (reine) Indizes, die lediglich Geschäfte abbilden. Die in Rede stehenden Geschäfte unterliegen durchaus häufigen Wandlungen bezüglich ihrer Vertrags- wie Handelsusancen. Wir beschränken uns daher auf eine knappe idealtypische Beschreibung als wesentlich ausgemachter Charakteristika. Unter einem solchen Kontrakt (vgl. z.B. „itraxx Europe“) wird üblicherweise vereinbart: •





Eine Partei (Indexkäufer) hat der anderen Partei (Indexverkäufer) während der gesamten Kontraktlaufzeit von ca. drei bis zehn Jahren ein festes, unveränderliches periodisches Entgelt als Prämie für die Übernahme des im folgenden Punkt beschriebenen Kreditrisikos zu entrichten. Der Indexverkäufer übernimmt die Gefahr bestimmter negativer Kreditereignisse (insbesondere Zahlungsausfall bzw. Insolvenz) in einem vorab definierten Portfolio einer Vielzahl von Schuldneradressen (aus dem Unternehmens- oder auch öffentlichen Sektor) in der Weise, dass bei Eintritt je eines Kreditereignisses eine Zahlung an den Indexkäufer zu leisten ist, deren Höhe sich nach dem Indexgewicht der betroffenen Schuldneradresse sowie dem Schweregrad des Kreditereignisses richten kann, wobei sich zwei Varianten der Abwicklung herausgebildet haben: 1. Der Indexkäufer übergibt dem Indexverkäufer eine Forderung gegen die Schuldneradresse – deren Nennwert sich am Indexgewicht orientiert – und erhält vom Indexverkäufer im Gegenzug eine Zahlung in Höhe des Nennwertes dieser Forderung („physical settlement“). 2. Der Indexverkäufer zahlt dem Indexkäufer einen Betrag, dessen Höhe sich aus der Differenz zwischen dem Forderungsnennwert und einem standardisierten (Rest-) Wert der Forderung bestimmt („cash settlement“). Hernach wird der Kontrakt mit einem um das Indexgewicht der ausgefallenen Schuldneradresse reduzierten Kontraktnennwert fortgeführt.

Beispiel 6.03: Ein Kreditindex umfasst 100 Schuldnerunternehmen mit einem gleichgewichteten Indexgewicht von je einem Prozent. Ein Geschäft gilt einem Kontraktnennwert von 10 Mio. Euro. Der Indexkäufer hat vierteljährlich ein Viertel der vereinbarten Jahresprämie von 1% p.a. an den Indexverkäufer zu zahlen, also 25.000 Euro. Tritt bei einem der Schuldnerunternehmen ein Kreditereignis ein, darf der Indexkäufer Teilschuldverschreibungen ebenjenes Schuldners im Nominalwert von 100.000 Euro an den Indexverkäufer liefern, der ihm hierfür 100.000 Euro zu zahlen hat. In der Wahl der Schuldverschreibungen sind dem Indexkäufer mitunter gewisse vertragliche Freiheiten belassen, so dass er etwa aus einem Katalog möglicher Titel sich den für ihn günstigsten heraussuchen mag („cheapest to deliver“). Anschließend wird der Kontrakt mit einem Nominalwert von 9,9 Mio. Euro fortgeführt und würde nach einem weiteren Kreditereignis auf 9,8 Mio. sinken usw. Folglich sinkt auch die zu zahlende Prämie entsprechend, im Beispiel hier also zunächst auf 99.000 Euro im Jahr.

Bezüglich der Bemessung des Prämienprozentsatzes sind zwei Verfahren zu unterscheiden:

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

377

1.

Die Prämie ergibt sich im Rahmen von Angebot und Nachfrage potentieller Indexkäufer und -verkäufer und spiegelt insoweit insbesondere deren Ausfallerwartungen und Risikoneigungen wider. 2. Der Indexkonstrukteur standardisiert auch die Prämienhöhe und setzt diese gemäß der durchschnittlichen Schuldnerbonität des abgebildeten Indexsegmentes, also der vermuteten Bonität der Indexschuldneradressen, numerisch unveränderlich fest. Damit die Marktteilnehmer unabhängig von dieser starren Vorgabe weiter marktadäquat handeln können, wird dieses Verfahren des starren Prämiensatzes durch eine Einmalzahlung zu Beginn eines Kontraktes („Upfrontzahlung“) ergänzt, deren Höhe und Vorzeichen wiederum dem freien Spiel des Marktes unterliegen und zum Ausgleich einer nun ja von Ausnahmen abgesehen nicht mehr marktgerechten laufenden Prämie allemal ausreicht. Das zweite Verfahren hat sich aus Gründen der Abwicklungsvereinfachung zuletzt durchgesetzt, weil man offenbar einen Vorteil darin sieht, dass die laufenden Prämienzahlungen der Prozenthöhe nach unabhängig vom Kontrahierungstermin bei allen Geschäften insoweit gleich sind. So wie vom Terminbörsengeschäft bekannt, ist eine der beiden Parteien eines solchen kreditderivativen Indexgeschäftes häufig ein Market-Maker in ebendiesen Derivateprodukten bzw. eine zentrale Organisation, die mit der indexkreierenden Institution geschäftlich mehr oder weniger eng verbunden oder gar identisch sein mag. Dabei haben sich im heute dominierenden Geschäft folgende weitere Gestaltungsmechanismen/Designs herausgeschält, unter denen die beschriebenen Aktivitäten in hohem Standardisierungsgrad betrieben werden: •

Der Indexkonstrukteur schafft periodisch neue „Serien“ der beschriebenen Gestalt mit mehreren standardisierten Laufzeiten bzw. Verfallterminen. • Bei Auflegung einer neuen Serie werden die Portfolien der Indexschuldner neu festgelegt, wobei diese vom Portfolio der Vorgängerserie je nach Marktentwicklungen bzw. Verhalten und Erwartungen von Marktakteuren (insb. bezüglich Schuldnerbonitäten sowie Handelsliquidität der auf die einzelnen Schuldner bezogenen „CDS“ (Credit Default Swap, s. Abschnitt 6.4.3) sowie von den Schuldnern emittierten Wertpapiere oder (unverbriefter) Darlehen) mehr oder weniger stark abweichen können. • Die Einführung neuer Serien führt nicht zur Einstellung der früheren Serien, die ja regelmäßig noch über beträchtliche Restlaufzeiten verfügen. Jedoch konzentriert sich das Interesse am Derivateindexmarkt in aller Regel auf die jeweils neuesten, somit liquidesten Serien. Der letzte Punkt verdient noch ein wenig Beachtung. Der genannte Aspekt hat u.a. die selbstverstärkende Wirkung, dass viele Marktteilnehmer ihre Positionen in den beschriebenen Kontrakten gar nicht bis zum Laufzeitende aufrechterhalten, sondern recht bald nach Einführung neuer Serien ihre Engagements in diese „rollen“, was nichts anderes heißt, als dass sie die alten Geschäfte vorzeitig glattstellen, um neue Positionen durch Abschluss von Geschäften in den frischen, liquiden („on-the-run“-) Kontrakten einzugehen. Die Technik des Schließens der alten Serien gleicht ebenfalls den von Terminbörsen bekannten Verfahren: Eine zentrale Partei hält sich regelmäßig und ständig zur Beendigung laufender Geschäfte gegen Zahlung einer das Geschäft vorzeitig beschließenden Abschlusszahlung bereit, wobei deren Vorzeichen und Höhe wiederum von den einschlägigen Marktparametern nach allgemein anerkannten Regeln ermittelt werden.

378

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Beispiel81 6.04: The index launches with a price of 100 on September 20th, and a fixed coupon of 60. Investor A buys $10,000,000 notional protection on the index on November 30th, when the spread has moved to 90 and corresponding price is 98.67 (the price is par minus the present value of the spread differences). Investor A makes an upfront payment to account for the movement in the spreads. Payment = 10,000,000 * (100 – 98.67)/100 = $133,000 In addition, he will receive the accrued interest up to trade date (as he will have to make the full coupon on coupon payment date – this simplifies operations as all protection buyers make the same payment on the same date): 71/360 * 10,000,000 * 0.006 = $11,833.3 Net outflow = $121,166.67 December 20th – Investor A pays the fixed coupon. Cash outflow = 0.006 * 10,000,000 * 91/360 = $15,166.67 March 13th – Investor A closes the trade on March 13 when the spread is 120 and the equivalent price is 97.44. Investor A pays the accrued interest up to trade date and receives payment. Inflow = 10,000,000 * (100-97.44)/100 – 0.006 * 10,000,000 * 84/360 = 256000 – 14000 = $242,000 ] 6.4.4.2 Typische Marktpartner Weil kaum ein Kreditinstitut über ein Kreditportfolio verfügt, dessen Zusammensetzung den standardisierten Indexportfolien auch nur annähernd gliche, scheiden Motive der Absicherung bestimmter Kreditengagements weitgehend aus (vgl. aber das oben in Abschnitt 6.4.2 beschriebene Beispiel der Risikodiversifikation per Kreditderivat). Vielmehr werden diese Geschäfte häufig von institutionellen Marktteilnehmern losgelöst von etwaigen Kreditengagements betrieben, insbesondere in Verfolg spezieller Handelsstrategien, die auf Erwartungen über die Veränderung der Schuldnerbonitäten bestimmter Marktsegmente basieren bzw. gar auf Erwartungen über die Erwartungen der anderen Marktteilnehmer bezüglicher mannigfaltiger Größen und Differenzgrößen von Bonitätsrisikoprämien diverser Schuldner respektive Schuldnersegmente; zum Beispiel eine „Wette“ darauf, dass sich die Differenz der durchschnittlichen, „gehandelten“ Bonitätsrisikoprämie zwischen europäischen Automobilherstellern und asiatischen Handelsunternehmen in den folgenden acht Wochen vergrößern möge. Man sieht schon an diesem Beispiel, dass dem „Spieltrieb“ der Akteure und somit ihrer Handelsfreudigkeit kaum Grenzen gesetzt sind. So ändern sich die Preise der Kontrakte quasi fortlaufend, ohne dass es der konkreten Befürchtung eines spezifischen Kreditereignisses oder gar dem tatsächlichen Eintreten eines solchen bedürfte. Wesentliche Marktteilnehmer sind denn auch Eigenhandelsabteilungen von Banken sowie Hedgefonds. Eine weitere wesentliche Gruppe von Marktteilnehmern sind Finanzdienstleister, die ihrerseits Finanzanlageprodukte auflegen, deren Erfolg ihrerseits wiederum an die Entwicklung bestimmter (reiner) Kreditderivateindizes knüpfen. Diese Entwicklung bedienend, sind denn auch aus dem Geschäftssegment der beschriebenen Indexkontrakte wiederum (reine) Indizes abgeleitet worden, die ihrerseits die Wertentwick-

81

Markit Credit Indices, A Primer, Markit Group Limited; April 2013, S. 11 f.

6.4 Kreditderivate (Derivate IV)

379

lung spezieller Handelsstrategien nachzeichnen. Einer solcher Entwicklungszweige sei abschließend genannt, sog. Total Return Indizes und auf ihnen fußende Anlageprodukte. Ein Total Return Index misst beispielsweise den finanziellen Erfolg, der bei einem permanenten Indexverkauf zutage tritt, wobei etwa unterstellt wird, dass die Verkaufsposition stets im „on-the-run“-Kontrakt fünfjähriger Fristigkeit (einer wohl sehr liquiden Laufzeitklasse) gehalten wird. Dies vorausgesetzt, ist rechnerisch der Gang der dieser Strategie folgenden Zahlungsströme einfach nachzuvollziehen: Upfrontzahlung, laufende Prämieneinzahlungen, Auszahlungen bei Kreditereignissen, Abschlusszahlung beim Rolltermin und so fort. Beispiel 6.05: Ein Kontrakt handle zum Betrachtungsbeginn ohne Upfrontzahlung und erbringe seinem Verkäufer 150 Basispunkte jährlicher Prämie (= 1,5 Prozent p.a.). Der nachmalige Erfolg für den Indexverkäufer kann grob in die folgenden drei Klassen geschieden werden:  Positiv: Die kumulierten Prämienzahlungen erweisen sich als kleiner denn die Summe dessen, was während der betrachteten Dauer an kreditereignisbedingten Zahlungen an den (die) Indexkäufer zu zahlen ist.  Neutral: Die beiden Komponenten gleichen einander in etwa (aus).  Negativ: Sie wissen schon … Definiert ein Finanzdienstleister nun noch eine gewisse anfängliche „Einlage“, das der in Rede stehenden Strategie gleichsam als Startkapital – einer Marginleistung ähnlich (vgl. Abschnitt 5.2.4) – zugedacht wird, so lässt sich eine Rentabilität der rollierenden „Kreditrisikoverkaufsstrategie“, nämlich in Bezug zu ebendiesem Startkapital, ermitteln. Beispiel 6.06: Ein Spekulant stellt 1 Mio. Euro bereit, die als „Unterlegung“ einer eben skizzierten Kreditrisikoverkaufsstrategie über einen Kontrakt à 10 Mio. Nennwert dienen sollen und zwar in einem marktseitig als dergestalt riskant eingestuften Marktsegment, dass in einer Indexserie zehnjähriger Fristigkeit Prämien in Höhe von 350 Basispunkten vereinnahmt werden können. Wenn nun dem hohen Prämienniveau zum Trotz bzw. „entgegen“ der vormaligen „eingepreisten“ Erwartungen aber für Kreditereignisse über zwei Jahre hinweg keinerlei Zahlungen zu beklagen sind und infolgedessen das nämliche Prämienniveau (für Kontrakte achtjähriger Serien) auf ein Niveau von nur noch 100 Basispunkten abbröckelt, macht sich für unseren Spekulanten bei Glattstellung des Engagements folgende Rentabilitätsrechnung auf: Weil die Prämiendifferenz des glattzustellenden Kontraktes im Vergleich zur „on-the-run“-Serie 250 Basispunkte beträgt, ergibt sich zugunsten des Spekulanten eingedenk der beträchtlichen Restlaufzeit des Kontraktes gemäß einem hier nicht näher zu erläuterndem speziellem, marktorientierten („mark-to-market“) Barwertkalkül eine Abschlusszahlung von rund 1.800 Basispunkten. Zusammen mit den 700 Basispunkten aus den während der Laufzeit letztlich gegenleistungsfrei vereinnahmten Prämien ergeben sich somit 2.500 Basispunkte = 25 Prozent = 2,5 Mio. Euro. Somit wurde eine Rentabilität auf das „Spekulationskapital“ von 150% = 58% p.a. erzielt.

380

6 Risikoübernahme als Finanzdienstleistung

Ebensolche oder zumindest ähnliche Operationen lassen sich – mit gehörigen Modifikationen im Detail – auch in Anlageprodukten niederlegen, etwa im Rahmen von Zertifikaten (vgl. Abschnitt 3.5) oder ETFs (vgl. Abschnitt 3.4.5). Die Deutsche Bank etwa hat mit ihrer dieser Sparte zugehörigen ETFs immerhin Anlagewerte im dreistelligen Millionenbereich „under management“, teils mit nahezu dreistelliger Rentabilität über einige Jahre.

7

Finanzdienstleistungen in der Kritik

7.1

Vorbemerkung

In den bisherigen sechs Kapiteln des Buches haben wir einen systematischen Überblick über Finanzdienstleistungen, ihre Anbieter und auch ihre Vertriebswege gegeben. Wir sind hierbei hauptsächlich einem funktionellen Darstellungsansatz gefolgt und haben Finanzdienstleistungen in der Summe ihrer Eigenschaften charakterisiert, dabei ihre grundlegenden Konstruktionsprinzipien systematisch untersucht und typische Einsatzmöglichkeiten unter üblicherweise herrschenden Marktbedingungen aufgezeigt. Damit ist ein Funktionswissen über Finanzdienstleistungen geschaffen, das im Einzelfall vielfach schon implizit in die Lage versetzt, ein Qualitätsurteil über ein konkretes Finanzdienstleistungsangebot zu fällen. Teils haben wir auch bereits – etwa zum Leasing – der systematischen Darstellung eine kritische Anwendungsanalyse folgen lassen. Gleichwohl wollen wir in diesem Schlusskapitel einer expliziten Behandlung der Kritik an Finanzdienstleistungen Raum geben. Wie bei den meisten anderen Leistungen, die eine Marktwirtschaft hervorbringt, gibt es auch bei Finanzdienstleistungen gute und schlechte Qualität, gibt es neben sinnvollen eben auch weniger sinnstiftende oder gar äußerst zweifelhafte Angebote. Wir wollen im Folgenden sowohl Aspekte der öffentlich geäußerten Kritik wiedergeben und aufarbeiten als auch eigene Kritik üben, die aus der sachlich nüchternen Perspektive finanzwirtschaftlicher Analytik Stellung zur häufig emotionalisierten und interessegeleiteten, teils gar ideologisch gefärbten Finanzdienstleistungskritik nehmen soll. Angesichts des Umfanges des damit angerissenen Themenfeldes kann dies nicht im Stile einer wissenschaftlich geschlossenen Abhandlung geschehen, die sämtliche relevanten Aspekte in allen Details beleuchtet – solches könnte allenfalls ein komplettes Buch mit dem Titel „Finanzdienstleistungskritik“ leisten. Stattdessen wollen wir einen eher essayistischen Rundgang durch einige ausgewählte, tendenziell besonders kritikempfindliche Finanzdienstleistungen tun; freilich ohne auf diesem Gang die Übung einer gewissen Systematik zu unterlassen. So wollen wir in unserem Diskurs insbesondere zwei Gesichtspunkte voneinander scheiden, die in der öffentlichen Diskussion oft vermengt werden: die Kritik an einer Finanzdienstleistung als von Finanzintermediären im engeren Sinne erbrachten Anlage- oder Finanzierungsleistung als solcher von dem Wege, auf dem diese Leistung „an den Mann gebracht“ wird durch etwaige Information, Beratung, Vermittlung – also Leistungen einer Finanzintermediation im weiteren Sinne – und Werbung. Zwar bestehen zwischen diesen beiden Punkten etliche Berührungen und Zusammenhänge, jedoch gibt es auch zahlreiche Fälle, in denen sich die Kritik gar nicht an der Beschaffenheit einer Finanzdienstleistung entzündet, sondern allein daran, wie oder an wen sie verkauft wird. Wir werden zunächst im Abschnitt 7.2 die Kritik an einigen klassischen und modernen Anlage- und Finanzierungsleistungen erörtern wie an der Kapitallebensversicherung, der Bausparfinanzierung oder komplexen Derivaten und anschließend im Abschnitt 7.3 einige

382

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

kritische Punkte von Information, Vermittlung und Werbung bei Finanzdienstleistungen behandeln, wobei auch hier wieder die beispielhafte Darstellung im Vordergrund stehen soll. Hierbei sollen in diesem Kapitel neben traditionellen Anlagen stets auch einige aktuelle, womöglich nur einer kurzen Mode entspringende Neuschöpfungen aus den Produktenwicklungsabteilungen deutscher Banken gewürdigt werden, von denen sich erst zeigen muss, ob sie in Neuauflagen weiter zu berücksichtigen oder durch wieder neuere Entwicklungen zu ersetzen sein werden.

7.2

Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

7.2.1

Anlageleistungen

7.2.1.1 Die Kapitallebensversicherung – Anlegerschädigung? Die Kapitallebensversicherung82 erhitzt schon seit langem so sehr die Gemüter von Verbraucherschützern, dass sie ihr sogar das dramatisch klingende Schlagwort „legaler Betrug“ zugeordnet haben. Die Kritik an der Kapitallebensversicherung bezieht sich insbesondere auf zwei Aspekte:

• •

Mangelhafte Rentabilität: Die Rendite in der Kapitallebensversicherung sei zu gering. Mangelnde Transparenz: Das komplexe Produkt Kapitallebensversicherung als ganzes sei zu wenig durchschaubar. Die Rentabilitätskritik zerfällt in zwei Teilaspekte: •

Zum einen bezieht sie sich auf den Vorwurf, die Rendite, die im Erlebensfalle aus einem „planmäßig“ abgelaufenem Vertrag resultiert – wir wollen sie hier „Ablaufrentabilität“ nennen –, sei zu gering. Kurzum: die Erlebensfallzahlungen sollten größer sein. • Zum anderen wird bemängelt, die Zahlungen, die die Versicherten im Falle der Kündigung einer Kapitallebensversicherung erhalten, seien ebenfalls – und zwar ganz erheblich – zu klein. Beschäftigen wir uns zunächst mit der Ablaufrentabilität. Wir müssen zwei Fragen klären: Wie hoch ist die typische Ablaufrentabilität einer deutschen Kapitallebensversicherung? Woran wollen wir messen, ob dieses Niveau tatsächlich unzumutbar gering ist? Schauen wir in die wissenschaftliche Literatur zur Kapitallebensversicherung. Aus den wenigen quantitativ-empirischen Arbeiten zur Rentabilität der klassischen deutschen Kapitallebensversicherung sind drei Beiträge aufgrund ihrer Untersuchungsmethodik und/oder öffentlichen Rezeption betrachtenswert: Zuvorderst gewürdigt seien die wichtigsten Beiträge der wohl bedeutendsten Antipoden in der wissenschaftlichen Diskussion um die Kapitallebensversicherung: Auf der einen Seite steht Adams als Exponent der Kapitallebensversicherungskritiker, auf der anderen Seite des Spektrums der Kreis um Albrecht als entschiedenem Befürworter der Kapitallebensversicherung.83 Dass wir hiermit zwei Extrema im 82

83

Gemeint ist damit im ganzen Kapitel 7 die gemischte Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall („kapitalbildende Lebensversicherung“). Der sprachlichen Einfachheit wegen verwenden wir hier ausschließlich die übliche, kurze Bezeichnung „Kapitallebensversicherung“. Zu den Begriffen vgl. auch Abschnitt 4.3.2.2. Vgl. ADAMS (1997) und ALBRECHT (2010).

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

383

Meinungsspektrum vor uns haben, zeigt sich schon an den Formulierungen, welche die Opponenten sowohl bezüglich ihres Untersuchungsobjektes als auch in der Diskussion der Argumente des jeweiligen Gegners verwenden. Wir wollen hier nur einige wenige Worte aus ihren Untersuchungsergebnissen wiedergeben: Adams bezeichnet die Kapitallebensversicherung lakonisch als „Anlegerschädigung“, während Albrechts Schlussfolgerung zur Kapitallebensversicherung im Lob einer Anlage „genuiner Stärke“ mündet. Immerhin reden beide – mit dem Anspruch der Verallgemeinerbarkeit – über dieselbe Anlageform. Wie kommt es zu den diametralen Wertungsunterschieden? ADAMS rechnet einen „häufig anzutreffenden Kapitallebensversicherungsvertrag durch“84 und ermittelt unter bestimmten, hier nicht weiter interessierenden Annahmen eine Ablaufrentabilität nach dreißig Jahren von immerhin 6,84%. Zusätzlich kalkuliert er die Rendite im Falle einer Kündigung für 29 verschiedene Kündigungsjahre und ermittelt eine mit den Häufigkeiten der so betrachteten 30 verschiedenen Vertragslaufzeiten „Gewichtete Gesamtrendite“ von minus 13,90%. Sein Gewichtungsverfahren der Mittelung von Renditegrößen völlig unterschiedlicher Zahlungsreihen ist für das angestrebte Erkenntnisziel zur Rentabilität in der Kapitallebensversicherung aber von zweifelhaftem Nutzen. Zudem ergibt sich aus seinem Beitrag kein Beleg der Repräsentativität des berechneten Vertrages. Aus diesen Gründen lässt sich aus seiner Arbeit keine finanzanalytisch glaubwürdige Kritik zur Kapitallebensversicherung ableiten. Schauen wir ins andere Lager: ALBRECHT et al. untersuchen die Kapitallebensversicherung mehrerer deutscher Lebensversicherungsunternehmen. Aus Datenmangel untersuchen sie allerdings nicht direkt die eigentlich interessierende Größe empirisch gesicherte Versicherungsabläufe mit den zugehörigen Zahlungsströmen zwischen Versicherern und Versicherten. Stattdessen greifen sie stellvertretend auf die sog. „Nettoverzinsung“ der Kapitalanlagen der jeweiligen Lebensversicherungsunternehmen zurück und unterstellen, die Rentabilität einer Kapitallebensversicherung bei diesem Unternehmen gleiche gerade dieser Kennzahl. Dieses Vorgehen ist zu Recht scharf kritisiert worden. Zum einen wird die „Nettoverzinsung“ aus Bilanzdaten, also Buchwerten errechnet und gleicht insofern allenfalls zufällig einer tatsächlich erzielten Rentabilität. Zum anderen ist die Rentabilität, die Versicherer mit ihrem Anlagebestand erzielen, keineswegs gleichzusetzen mit jener, die beim Kunden „ankommt“. Daher gilt für diesen Ansatz exakt das gleiche wie den von Adams: er erzielt nicht im Geringsten finanzanalytisch gesicherte Erkenntnisse zur Rentabilität der Kapitallebensversicherung. Blicken wir daher auf den dritten und methodisch höchststehenden Ansatz von GRÜNDL/ STEHLE/WALDOW (im Folgenden: GSW)85. Sie untersuchen für zahlreiche Perioden die tatsächlichen Zahlungen, die zwischen Lebensversicherungsunternehmen und Kunden während der Versicherungslaufzeit fließen und gelangen zum Ergebnis, dass nach Steuern die Kapitallebensversicherung gegenüber alternativen Anlageformen wie Sparbuch, Anleihen oder auch Aktien, zumeist vorzuziehen sei. Allerdings bestehen auch bei dieser finanzwirtschaftlich anspruchsvollen Untersuchung zwei erhebliche Problemfelder: zum ersten untersuchen GSW ausschließlich die historischen Versicherungsabläufe eines einzigen der rund 100 deutschen Lebensversicherungsanbieter. Zum 84 85

ADAMS (1997), S. 1858. Vgl. GRÜNDL/STEHLE/WALDOW (2003).

384

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

zweiten treffen GSW bei der „Herausrechnung“ des Risikoanteils (vgl. Abschnitt 4.3.2.3) aus der Kapitallebensversicherungsprämie – die erforderlich ist, um die Rendite des „reinen“ Sparvorganges zu erkennen – eine kritische Prämisse. Sie setzen für den Risikoteil nämlich jene Prämie an, die ein isolierter Risikotarif bei demselben Unternehmen gekostet hätte. Diese liegt aber, wie GSW selbst konzedieren, um ein Mehrfaches über dem Prämienniveau, das nach solchen Tarifen bei anderen, für reine Risikolebensversicherungen als „günstig“ bekannten Versicherern, zu zahlen ist. Allein dies hat einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse. Damit bleibt uns nur das ernüchternde Fazit zu treffen, dass uns auch diese wohl umfassendste Studie keine generalisierbaren Erkenntnisse liefert. Dieser Wissensbefund ist bemerkenswert und macht die so heftig geführte Diskussion um die Kapitallebensversicherungsrentabilität umso erstaunlicher: Wir wissen gar nicht um die Höhe der typischen Rentabilität im deutschen Lebensversicherungssparen, weil eine umfassende, marktrepräsentative Studie bis heute noch aussteht. Bis sich dieser Erkenntniszustand ändert, bleibt uns nur in ehrlicher Würdigung der Sachlage festzuhalten, dass die Rendite unbekannt ist und insoweit erübrigen sich auch weitere Überlegungen, woran die Rentabilität der Kapitallebensversicherung denn zweckmäßigerweise vergleichend zu messen wäre. Es bleibt noch ein Wort zur Rendite der Kündigungsfälle zu sagen. Zwar fehlen uns auch hier marktbreite Daten, die angesichts einer unternehmensspezifisch unterschiedlichen Behandlung der Kündigungsfälle für ein quantitatives Urteil wünschenswert wären. Allerdings bestreitet, soweit ersichtlich, niemand, dass bei sehr frühen Kündigungszeitpunkten negative Rentabilitäten die Regel sind und damit oft niedrigere Renditen vorliegen als bei einem vergleichbaren Kündigungsfall in anderen Finanzprodukten, wie z.B. einem Sparplan über Investmentzertifikate. Hierin kommt die spezifische Preisgestaltung in Lebensversicherungsprodukten zum Ausdruck, die den Aufwand, der den Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit der Anbahnung und dem Abschluss von Kapitallebensversicherungsverträgen entsteht, asymmetrisch zulasten der ersten Vertragslaufzeitjahre „verteilt“. Hier ist in der Tat hinterfragenswert, ob nicht andere, kundenfreundlichere Modelle eingesetzt werden könnten, die sich zumindest teils dadurch „finanzieren“ ließen, dass dem Vermittler eines gekündigten Vertrages ein entsprechender Kündigungsmalus zugerechnet würde. Damit sind wir fast schon bei der Beurteilung des Finanzdienstleistungsvertriebs angelangt. Wer Kritik am geltenden Verfahren der Abschlusskostenverteilung übt, kritisiert damit zumeist auch die Vertriebspraxis von Kapitallebensversicherungen, die womöglich Fehlanreize im Vermittlungssystem setzt. Wir werden auf diesen Aspekt im Abschnitt 7.3.1 zurückkommen und wollen uns jetzt dem zweiten der oben angesprochenen Kritikkreise zuwenden, der Intransparenz in der Kapitallebensversicherung. Der Intransparenzvorwurf beklagt eine mangelnde Nachvollziehbarkeit der Abläufe und Ergebnisse in der Kapitallebensversicherung. Erinnern wir uns, was der Kunde mit einem Kapitallebensversicherungsvertrag abschließt, wobei wir uns vereinfachend auf die Erlebensfallkomponente beschränken wollen. Der Regelfall ist sehr leicht zu beschreiben: Der Kunde leistet während einer definierten Zeit regelmäßige Zahlungen; zu einem definierten späteren Zeitpunkt leistet dann das Versicherungsunternehmen eine Zahlung an den im Vertrag festgelegten Begünstigten. Für die Höhe dieser Zahlung besteht eine zugesicherte Untergrenze, die Versicherungssumme. Insoweit besteht also eine sehr einfache, jedermann erklärliche und hochtransparente Vertragsgestaltung. Aber eben nur soweit, wie es diese Untergrenze betrifft.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

385

Der Intransparenzvorwurf bezieht sich also auf die nicht zugesicherten Bestandteile der Erlebensfallzahlungen, die Summe der Überschussbeteiligung (vgl. Abschnitt 4.3.2.4). Mit der Existenz einer Überschussbeteiligung treten drei Aspekte, die ohne sie von geringerer Bedeutung sind, in das besondere Interessenfeld des Versicherten: 1. Was geschieht mit den Prämienzahlungen, insbesondere: welche Investitionen bzw. Anlageformen tätigt der Lebensversicherer mit diesen Geldern? 2. Welche Ergebnisse erzielt der Lebensversicherer aus diesen Anlagen? 3. Wie werden diese Ergebnisse aufgeteilt, das heißt, welche Ansprüche werden den einzelnen Verträgen zugerechnet? Auf alle drei Fragen finden sich nur nebulöse Antworten. So heißt es etwa in den Musterbedingungen des Gesamtverbandes für die Versicherungswirtschaft: „... müssen wir eine Deckungsrückstellung bilden und Mittel in entsprechender Höhe anlegen (z.B. in festverzinslichen Wertpapieren, Hypotheken, Darlehen, Aktien und Immobilien). ... In der Regel übersteigen die Kapitalerträge den Mindestzins, da wir das Vermögen nach den Prinzipien möglichst großer Rentabilität und Sicherheit anlegen. Außerdem beachten wir den wichtigen Grundsatz der Mischung und Streuung.“ und weiter: „Die Höhe der Überschussanteilsätze wird jedes Jahr vom Vorstand unseres Unternehmens auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars festgelegt.“ Derartige Passagen sind symptomatisch für das Bedingungswerk zur Kapitallebensversicherung. Alle drei genannten Aspekte sind entweder nicht eindeutig geregelt oder aber von vornherein so geregelt, dass ein erheblicher Gestaltungsspielraum für den Versicherer bei der tatsächlichen Anwendung des Geregelten verbleibt. Darüber hinaus bleibt dem Kunden häufig verborgen, welcher Teil seiner Prämienzahlung auf den Sparanteil entfällt, bzw. wie viel davon für Risiko und Kosten beansprucht wird. Der Kritikpunkt der Intransparenz trifft also zu. Immerhin weiß der (verständige) Kunde aber, woran er ist. Denn aus den Bedingungen wird genau diese intransparente Struktur ja offenkundig. Wer mehr Transparenz wünscht, kann schlicht den Abschluss einer Kapitallebensversicherung unterlassen und statt derer beispielsweise in Fondsanteile investieren, die einem Transparenzbedürfnis in weit besserem Maße entsprechen, wie wir im folgenden Abschnitt sehen werden. 7.2.1.2 Wertpapier-Investmentfonds – Anlegertäuschung? Wir beschränken die folgenden Ausführungen auf Aktienfonds, weil bei ihnen die zu besprechenden Erscheinungen deutlicher als bei Rentenfonds hervortreten. In teils sehr polemischen Schriften86 wird der Investmentfondsbranche in Deutschland wie auch den USA vorgeworfen, sie betreibe mit ihren Finanzdienstleistungen eine Verblendung der Anleger. Inhaltlich lässt sich der Tenor der kritischen Stimmen auf den einen Hauptaspekt verdichten: Die Rentabilität der Aktienfonds sei, gemessen an den allgemein an den Aktienmärkten erzielten Erträgen, zu gering. Es geht also auch hier wieder um die Rendite, die Kritik ist offenbar gierig. Dank der Transparenz der Aktienfondsanlage besteht anders als über Kapitallebensversicherungen ein erheb86

Das wohl extremste Beispiel liefern als Exponenten der Verfechter von Anlagezertifikaten (s. dazu mehr unten im Abschnitt 7.2.1.3) RÖHL/HEUSSINGER (2004), S. 60 ff.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

liches Wissen über die vergangenheitlich erreichte Rentabilität. Denn sowohl die Ausschüttungen aus einem Aktienfonds als auch die Anteilspreisentwicklung der auf ihn bezogenen Investmentzertifikate werden bekanntgemacht, so dass Rentabilitätsberechnungen für Investmentzertifikate einfach durchführbar sind. Zudem kann man auch ziemlich genau prüfen, in welcher Höhe und aus welchen Vermögensgegenständen die Rentabilität eines Aktienfonds resultiert, weil über das Vermögen eines Aktienfonds halbjährlich Rechenschaft gegeben wird (vgl. Abschnitt 3.4.2 (3)), woraus ersichtlich ist, in welche Aktien der Fonds investiert ist bzw. war. Das renditemindernde Agio (vgl. Abschnitt 3.7.2 (4)) vernachlässigen entsprechende Studien in der Regel, weil es nur dann sinnvoll einzurechnen wäre, wenn eine bestimmte Anlagedauer unterstellt würde. Ein weiteres Problem von Studien zur Aktienfondsrentabilität betrifft den sog. „Survivorship-Bias“: Weniger erfolgreiche Aktienfonds haben nämlich regelmäßig eine kürzere Lebensdauer als die erfolgreichen, weil die Kapitalverwaltungsgesellschaften sich durch die Schließung erfolgloser Fonds ihrer unreputierlichen Produkte elegant entledigen können. Dadurch werden Rentabilitätsmessungen nach oben verzerrt („biased“), wenn sich eine Studie an einem aktuell vorzufindenden Bestand orientiert. Eine Querschnittsstatistik der Rendite gerade existierender Fonds überzeichnet daher die wahre Rentabilität. Dieses Problem ist mit einer Datenbank, die auch Informationen zu aufgelösten Fonds enthält, aber prinzipiell lösbar. Solche Studien wurden denn auch weltweit entsprechend häufig betrieben, so dass anders als bei der Kapitallebensversicherung die Rentabilitätshöhe von Aktienfonds nicht streitgegenständlich ist. Denn die Zahlen dieser Studien geben ein einheitliches Ergebnisbild: •

Die Rentabilität der Aktienfonds war in den vergangenen Jahrzehnten dank steigender Aktienbörsen durchschnittlich auf einem allgemein als hoch anzusehenden, oftmals zweistelligen Prozentpunktniveau. • Gleichwohl bleibt das Gros der Aktienfonds hinter der Entwicklung der Märkte zurück. Ganz grob gesagt, ist die Rentabilität des durchschnittlichen Aktienfonds um etwa zwei Prozentpunkte geringer als jene des Aktienmarktes, auf dem der Manager des Fonds die Mittel investiert. Dieser Renditeunterschied übersetzt sich langfristig zu ganz beträchtlichen Endvermögensunterschieden. So führt etwa die Anlage von 10.000 Euro bei 30 Jahren Anlagedauer und 10% Rendite zu einem Endvermögen von 174.000 Euro, während bei 12% Rendite in der gleichen Zeit ein Vermögen von 300.000 Euro entsteht. • Praktisch keinem Fonds gelingt es, „seinen“ Markt dauerhaft zu schlagen. Zwar gibt es in jeder Untersuchungsperiode etliche Fonds, auf die genau das zutrifft. Doch sind es in jedem Zeitraum andere. Den Markt zu schlagen, hängt ganz offensichtlich nicht von der Qualität eines Aktienfonds ab, sondern vom Glück! Die wohl umfassendste Beobachtung von Fondsrenditen lässt sich mit dem Datenmaterial von Micropal durchführen, einem amerikanischen Finanzdatenanbieter, dessen Fondsdatenbank weltweit Fondsrenditen zurück bis 1970 verzeichnet. Die Tabelle 7.01 zeigt die Überrendite der jeweils 30 besten Fonds zum Durchschnitt aller Fonds innerhalb einer halben Dekade und stellt die Überrendite genau jener 30 Siegerfonds in der auf die „Siegesperiode“ folgenden Zeit (bis 1998) dar (in Renditeprozentpunkten):

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen Tab. 7.01:

387

Die Überrenditen der „besten“ Fonds

Auswahlperiode

Überrendite im Auswahlzeitraum

Überrendite in der Folgezeit

70 – 74

+6,9%

– 0,3%

75 – 79

+15,3%

+0,5%

80 – 84

+7,7%

+0,4%

85 – 89

+5,7%

+1,0%

90 – 94

+9,6%

– 3,3%

Durchschnitt

+9,0%

– 0,3%

Das Ergebnis birgt keine Überraschung: im Auswahlzeitraum sind die ausgewählten Fonds erheblich besser als der Rest, weil ja gerade positive Abweichung das Auswahlkriterium war. Die Abweichung beruht aber nur auf natürlicher statistischer Streuung, nicht etwa auf wahrhaftiger Überlegenheit, wie die letzte Tabellenspalte bezeugt: die Mehrrendite verschwindet in der Folgezeit. Beispiel 7.01: Ähnlich geht eine Studie des bekannten US-Finanzforschers und Princeton-Professors Burton Malkiel vor: Malkiel reihte 211 Aktienfonds nach ihrer (arithmetischen) Rendite in den siebziger Jahren und verglich den Rang der 20 besten mit ihrer Platzierung in den achtziger Jahren (unter dann 260 Fonds). Die folgende Tabelle verzichtet auf die Nennung der hier nicht interessierenden Fondsnamen und beschränkt sich auf die Zuordnung der erreichten Ränge in den siebziger und achtziger Jahren.87 Rang 70er Jahre 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

87

Vgl. MALKIEL (1995), S. 565.

Rang 80er Jahre 151 101 161 260 112 17 249 29 97 1 210 243 136 65 18 30 222 50 147 48

388

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Dieses Ergebnis bedarf kaum der Kommentierung. Der renditeträchtigste Fonds über beide Dekaden zusammen ist die Nr. 10 der siebziger und die Nr. 1 der achtziger Jahre; es ist der nun weltberühmte Magellan-Fund. Seine Renditeplatzierung in den neunziger Jahren: nicht mal Durchschnitt. Er ist heute wegen seiner zunehmend schlechten Renditen gar häufig in den negativen Schlagzeilen der Finanznachrichten. Ein Problem seines früheren Erfolges ist zudem seine immense Größe, die er durch Wertsteigerungen und den Zufluss überproportional vieler frischer Anlegergelder erreichte (zeitweiliges Volumen: über 100 Mrd. Dollar) und die das Agieren auf dem Aktienmarkt zufolge der nötigen Handelsvolumina schwer macht. Daher wurde der Fonds mittlerweile für neue Anleger geschlossen. Für deutsche Investmentfonds haben vergleichbare Untersuchungen zu praktisch identische Ergebnissen geführt: Wittrock zeigte Mitte der neunziger Jahre, dass auch deutsche Fondsmanager den Aktienmarktdurchschnitt nicht zu übertreffen vermögen. Theissen/Greifzu belegten das 1998 im Übrigen auch für den deutschen Rentenfondsmarkt. Eine neuere Studie aus dem Jahre 2003 bestätigte die Ergebnisse für Aktienfonds und zeigte darüber hinaus, dass dem Anleger auch durch Umschichtungsstrategien zugunsten der historisch erfolgreichsten Fonds keine Erzielung von Überrenditen gelingen konnte.88 Soweit ist die Kritik also treffend: Den Fonds als Gruppe gelingt es nicht, den Markt zu schlagen. Sollte dieser Befund besonders verwundern und Anlass zu entsprechend heftiger Kritik geben? Wir meinen nein, aus den folgenden Gründen: •

Die Fonds machen einen erheblichen Teil des Marktgeschehens aus. Zusammen mit anderen institutionellen Anlegern, die Kundengelder anlegen, dürfte die professionelle Anlegerschaft mehr als die Hälfte der Marktvolumina verwalten. Da ist es nur natürlich, wenn ihre Rentabilität nicht über der einer Marktrentabilität liegt. • Bei der Produktion der Fondsdienstleistungen entstehen unweigerlich Kosten, die die Rentabilität eines Fondsvermögens, die regelmäßig netto gemessen wird, unvermeidlich negativ beeinträchtigen. • Auch bei einer Direktanlage am Markt entstehen gewisse Kosten. Der Vergleich mit der „Marktrendite“ ist also immer ein Vergleich mit einer idealen, real so gar nicht erreichbaren Rentabilität. • Der Fondsanleger erhält trotz des Renditenachteils eine „werthaltige“ Dienstleistung: – Er kann schon mit ganz geringen Beträgen oder gar zur Grundlage eines Sparplanes mit regelmäßigen Raten eine Anlage in Aktien bewerkstelligen, was ihm sonst praktisch unmöglich wäre (Losgrößentransformation, vgl. Abschnitt 1.1.2.2 (2)). – Zudem kauft er sich mit diesen Beträgen in ein breit diversifiziertes Portfolio von vielleicht 100 verschiedenen Aktien ein, und erreicht somit eine Investitionsstreuung, die er eigenständig ebenso wenig sinnvoll realisieren könnte. Wenn gleichwohl Enttäuschung über die Fondsrenditen entsteht, so liegt das wohl weniger am Ergebnis selbst als an einer überzogenen Erwartungshaltung an die Fondsrentabilität. Dieser Anspruch auf Überrendite wiederum mag aber auch durch das Verhalten der Fondsbranche selbst erzeugt sein, deren Verlautbarungen über Aktienfonds in der Tat übertriebene Erwartungen zu schüren vermögen. Das jedoch ist ein anderes Thema, das wir im Abschnitt 7.3.3 aufgreifen werden. 88

Vgl. WITTROCK (2000), THEISSEN/GREIFZU (1998), GRIESE/KEMPF (2003).

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

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Vorerst dürfen wir hier zur Fondskritik zusammenfassen: Die Kritik scheint überzogen. Man sollte sie dahingehend abmildern, dass Aktienfonds ein sinnvolles Diversifikationsinstrument sind, deren Versuche, ihr Marktsegment zu schlagen, langfristig aber zu keinen besseren Ergebnissen führen als der Marktrendite selbst. Um dieser so nahe wie möglich zu kommen, empfiehlt sich dem Anleger, einen Fonds mit geringen Gebühren auszuwählen, der sein Aktienvermögen möglichst selten umschichtet, zum Beispiel einen sog. Indexfonds. An dieser Stelle sei der wichtige Hinweis gegeben, dass die Studien zur Fondsrentabilität entgegen ihrem Wortlaut üblicherweise nicht direkt die Rentabilität der Fonds, sondern vielmehr der Investmentzertifikate vermessen, also der Wertpapiere, die das Bruchteilseigentum am Fonds verbriefen. Fondsrentabilität und Zertifikatrentabilität können aber beträchtlich auseinanderfallen. So ist etwa die Fondsrentabilität eines Aktienfonds unterhalb der Zertifikatrentabilität, wenn dem Fonds zu hohen Börsenkursen überdurchschnittlich viele Mittel neuer Anleger zufließen, hingegen zu niedrigen Börsenkursen die Anleger aus dem Fonds mehr Mittel abziehen als neu hineinfließen. Wir wollen diesen Aspekt hier nicht vertiefen 89 und verweisen auf die jüngere Fachliteratur zum deutschen Fondsmarkt. Hedgefonds Bei der Kritik an Hedgefonds sind insbesondere die folgenden vier Behauptungen wichtig:



Hedgefonds gefährden durch ihre riskanten Handelsstrategien und ihr erhebliches Marktgewicht das Weltfinanzsystem und damit könnte über „Domino-Effekte“ die gesamte Weltwirtschaft durch Hedgefonds Schaden nehmen. • Die Risiken sind für den privaten Anleger nicht vertretbar und/oder nicht überschaubar. • Die Gebühren sind zu hoch. • Die Nettorenditen sind zu gering. Zum ersten, volkswirtschaftlich geprägten Punkt können wir im Rahmen dieser kleinen Abhandlung nicht Stellung nehmen. Beschäftigen wir uns daher mit den einzelwirtschaftlich bedeutsamen Punkten 2 bis 4. Dass Hedgefonds ein hochriskantes Investment darstellen, dürfte auch von ihren Protagonisten nicht bestritten werden. Risiko für sich ist aber natürlich kein gewichtiger Kritikpunkt. Schwerwiegender sind – die Art des Risikos, – wie es von den Hedgefonds- Protagonisten dargestellt wird und – wie es vom Anleger wahrgenommen bzw. beurteilt werden kann. Wir wollen diesen Themenkreis anhand eines einfachen Beispiels diskutieren. Eine sehr beliebte Strategie der „marktneutral“ agierenden Hedgefonds ist die kreditfinanzierte Investition in solche Anleihen, die zufolge eines gegenüber erstklassigen Staatsanleihen etwas erhöhten Bonitätsrisikos und/oder geringerer Liquidität mit einem kleinen „Preisabschlag“ gehandelt werden – verglichen mit einer ansonsten identischen Staatsanleihe. Durch den geringeren Preis ergibt sich eine etwas höhere Rentabilität der in den meisten Fällen ja doch pünktlich bedienten Anleihen. Beispiele könnten etwa Hypothekenpfandbriefe oder Asset-Backed Securities (ABS) sein (vgl. Abschnitt 2.3.4), die typischerweise um ca. 0,1 bis 0,4 Prozentpunkte höher „rentieren“ als vergleichbar ausgestattete Staatsanleihen erstklassiger Schuldnerländer. Etwas riskanter und damit im Erfolgsfalle noch renditeträchti89

Vgl. STARK (2006).

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

ger sind dabei die besonders in den USA gerne verwendeten und bewusst für risikoreiche Anlagezwecke kreierten Anleihen des sog. „Subprime“-Marktsegmentes, die Forderungen gegen Kreditschuldner der „schlechteren“ Bonitätsklassen verbriefen. Damit die Mehrrendite auch spürbar wird, investiert ein Hedgefonds in solche Anleihen neben seinen Eigenmitteln fremde Mittel in erheblicher Höhe. Die fremden Mittel beschafft er sich über Bankkredite oder den Leerverkauf von Staatsanleihen. Der Aufwand für die Fremdmittel liegt damit etwas unter der erwarteten Rendite der erworbenen Anleihen. Dazu ein Zahlenbeispiel: Ein Hedgefonds verfüge über Eigenmittel seiner Anleger von 100 GE (Geldeinheiten). Über Kredite und Leerverkäufe beschafft er sich weitere Mittel in Höhe von 2.400 GE, deren Fremdmittelkosten sich auf 3% p.a. belaufen. Die 2.500 GE Vermögen werden nun in eine Portfoliomischung aus den oben genannten höherverzinslichen Anleihen investiert, die eine Rendite von 3,3% p.a. versprechen. Unterstellt, das alle Anleihen nur ein Jahr Restlaufzeit aufweisen und nach einem Jahr sämtlich bedient werden, ergibt sich folgende Rechnung: 2.500 ⋅ 0,033 = 82,5 GE Zinserträgen stehen Zinsaufwendungen von 2.400 ⋅ 0,03 = 72 GE gegenüber. Dem Fonds verbleibt ein Zuwachs von 10,5 GE, bezogen auf seine anfänglichen Eigenmittel hat sich also ein erfreulicher Reinvermögenszuwachs von 10½ Prozent eingestellt. Die hier entscheidende Frage lautet: Welches Risiko mussten die Anleger eigentlich tragen, um diese überdurchschnittliche Rendite zu erzielen? Dazu werden regelmäßig spezielle Kennziffern veröffentlicht, die auf der Basis von Vergangenheitsdaten Aussagen zur „RisikoRendite-Charakteristik“ eines Investmentfonds ermöglichen sollen. Üblicherweise bedient man sich hierzu der Rendite, die der Fonds in den letzten 1 bis 5 Jahren erreicht hat, vergleicht sie mit der risikofreien Rendite desselben Zeitraumes und setzt die Differenz ins Verhältnis zur Volatilität (vgl. Abschnitt 5.1.1), die mit einem statistischen Maß für die Schwankungen einer Größe um ihren Mittelwert, üblicherweise der sog. Standardabweichung, erfasst wird. Je höher dieses Verhältnis – nach seinem Erfinder als „Sharpe-Ratio“ bekannt – ausfällt, als desto besser wird ein Fonds eingestuft, weil er dann „pro Einheit Risiko (Volatilität)“ eine entsprechende Rendite erzielt hat. Unser Fonds hat nun mit 10,5% um 7,5 Prozentpunkte mehr Rendite erreicht als mit „risikofreien“ Staatsanleihen erzielbar war. Und zwar einfach deshalb, weil er „25mal“ die unterstellten 0,3% p.a. Zusatzrendite der erworbenen Anleihen verdienen konnte – einmal mit seinen eigenen Mitteln und 24 weitere Male mit den Fremdmitteln. (Das Renditeergebnis lässt sich auch mit der in Abschnitt 3.4.2 erläuterten Leverage-Formel herleiten: Nach dieser Formel beträgt die Rendite nämlich rE = 3,3% + 24 ⋅ 0,3% = 10,5%.) Die Volatilität wird aber gleichwohl recht gering ausfallen, weil die erworbenen Anleihen bzw. Hypothekenpfandbriefe meistens gerade keinen besonderen Kursschwankungen unterliegen. Daher wird die Sharpe-Ratio häufig einen exzellenten Wert aufweisen. Fraglich ist aber, ob damit das Risiko adäquat erfasst ist. Das Problem bei Hedgefondsstrategien der skizzierten Art ist, dass ihre Ergebnisse stark „asymmetrisch verteilt“ sind: In der Mehrzahl der Anwendungsjahre funktionieren sie, weil die kleine Risikoprämie von hier 0,3% ja gerade auf ein Investment hindeutet, das nur selten Ausfälle bzw. Kursverluste verursachen wird. Daher wird nur in wenigen Anwendungsjahren ein Verlust zu beklagen sein. Der wird dann aber wegen des hohen Fremdmittelanteils häufig sehr groß sein. Wenn etwa in einem schlechten Jahr 2% der Anleiheinvestments keinen Rückfluss erbringen, so verlöre der Fonds bereits etwa die Hälfte seiner Eigenmittel.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

391

Wegen dieser ungewöhnlichen zeitlichen Struktur der Renditeverteilung geben die üblichen Risikomaße für einen solchen Hedgefonds wenig Sinn. Die Kalkulation vergangenheitsorientierter Kennziffern kann konstruktionsbedingt kein adäquates Gefühl für die Verlustgefahren vermitteln. Im Gegenteil könnte man fast sogar behaupten, dass sie grundsätzlich ein falsches Bild abliefern: In guten Jahren entsteht der falsche Eindruck eines wenig riskanten Investments, in schlechten Jahren liegt eine Überzeichnung dieses Risikos vor. Unser Beispiel erinnert im Übrigen an den prominenten Fall des amerikanischen Hedgefonds „Long Term Capital Management (LTCM)“, der ganz ähnliche wie die hier grob skizzierte Strategie verfolgte und damit über viele Jahre zweistellige Renditen bei nur geringen Schwankungen seiner Eigenmittel erreichte. In dieser Zeit gaben denn auch die mannigfaltigen Risikokennziffern naturgemäß ein (in doppelter Hinsicht) „blendendes“ Bild von der Leistung des LTCM. Jedoch kam der Fonds in Schwierigkeiten als die Kurse einiger seiner Anleiheinvestments unter Druck gerieten. Der Fonds wurde zwar schließlich dank einer Unterstützungsaktion mehrerer Banken vor dem Bankrott bewahrt, doch die Anleger verloren gleichwohl den größten Teil ihrer Gelder. Wir wollen mit dieser ausschnittartigen Betrachtung kein abschließendes Urteil über die Risiken von Hedgefonds sprechen; jedoch ist immerhin festzustellen, dass die Risiken dem Anleger mit den gängigen Methoden womöglich verzerrt übermittelt werden. Der nächste Kritikpunkt betrifft die laufenden Gebühren, die bei Hedgefonds sehr viel höhere Prozentsätze aufweisen als bei den traditionellen Investmentfonds. Während bei einem Aktienfonds dem Fondsvermögen Gebühren von jährlich ca. ein bis zwei Prozent seines Reinvermögens belastet werden, sind bei Hedgefonds durchaus fünf Prozent und mehr keine ungewöhnliche Größenordnung. Immerhin ist wegen des höheren Verschuldungsgrades aber auch das verwaltete Vermögen bei einem Hedgefonds regelmäßig sehr viel größer als bei einem Aktienfonds. Andererseits zielen viele Hedgefondsstrategien, ähnlich wie oben erläutert, darauf ab, mit sehr hohen Volumina auch aus kleinen Preisdifferenzen, Risikoprämien bzw. etwaigen Marktineffizienzen erkleckliche Gewinne zu erwirtschaften. Daher sind hohe Gebühren eine Belastung, die das Fondsmanagement nicht mühelos wieder „hereinspielen“ kann. Denken wir beispielsweise in unserem oben geschilderten Beispielsfall an eine jährliche Gebühr von 5%, so würde sich die Nettorendite ungefähr halbieren und läge mit rund 5% auch in guten Jahren auf einem nicht mehr besonders attraktiven Niveau, insbesondere nicht unter Berücksichtigung der aufgezeigten Risikostruktur. Letztlich sind die Gebühren für sich aber kein hinreichender Kritikpunkt, wenn es der Hedgefondsbranche denn gelingen sollte, ihren Anlegern nach Gebühren entsprechende Nettorenditen zu erwirtschaften. Damit sind wir beim letzten Kritikpunkt angelangt, der Performance von Hedgefonds. Diese hat sich in marktrepräsentativen Studien für den amerikanischen Markt als eher enttäuschend erwiesen. Für den deutschen Markt liegen noch keine hinreichend langen Zeitreihen für Hedgefondsrenditen vor. Die bisherigen Ergebnisse sind aber auch in Deutschland für potenzielle Investoren wenig ermutigend. Angesichts der weltweit immer größer werdenden Zahl von Hedgefonds und den hohen Mittelzuflüssen in diese Fonds sind zumindest erhebliche Zweifel angebracht, ob deren Fondsmanager genügend Möglichkeiten finden werden, der Hedgefondskundschaft trotz ihrer hohen Gebühren attraktive Renditen zu verschaffen.

392

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

7.2.1.3 „Strukturierte“ Anlagezertifikate Somit haben wir von der über hundert Jahre alten Kapitallebensversicherung über das in Deutschland seit rund fünfzig Jahren etablierte Investmentsparen fast schon den Bogen zu einer mittlerweile akzeptierten Innovation der neunziger Jahre geschlagen: Die Rede ist von den sog. Anlagezertifikaten, von denen die Indexzertifikate bislang wohl die größte Bekanntheit erlangt haben. Sie gehören zu den einfacher strukturierten Varianten der im Abschnitt 3.5 behandelten Schuldverschreibungen, die keine unbedingten Zahlungsansprüche verbriefen, sondern von definierten Bedingungen abhängige. Sie verbriefen eine Forderung gegen ihren Aussteller, zumeist eine Investmentbank, die an bestimmte Ereignisse – eben z.B. den Stand eines Aktienindex – anknüpft. Die Kritik bezieht sich aber weniger auf solche Einfachvarianten, sondern richtet sich auf die buchstäblich zigtausend Emissionen komplex gestalteter Anlagezertifikate, von denen das folgende Beispiel eine Vorstellung vermittelt. Beispiel 7.02: Ein Strategie-Zertifikat der Commerzbank gibt den Anspruch auf eine einzige Zahlung, die in den folgenden Bedingungen festgelegt ist: »Die Einlösung eines jeden Zertifikats erfolgt, vorbehaltlich der Bestimmungen über die Zahlung eines Mindesteinlösungsbetrages nach Absatz 3., zu einem Betrag (der „Einlösungsbetrag“), der sich wie folgt berechnet: Falls am 5. September 2006 (der „Bewertungstag“) a) Index T < 75% Index 0, so beträgt der Einlösungsbetrag EUR 50,00 x Index T/75% Index 0 b) 75% Index 0 = Index T = Index 0, so beträgt der Einlösungsbetrag EUR 50,00 c) Index T > Index 0, so beträgt der Einlösungsbetrag EUR 50,00 x (1+P%(Index T/Index 0) – 1), wobei Index 0 = 2.472,17 Indexpunkte 75% Index 0 = 1.854,13 Indexpunkte. Index T = der Referenzkurs (Absatz 5. b)) des Index (Absatz 5. c)) am Bewertungstag. P = Partizipationsfaktor (= 70)

Der Einlösungsbetrag entspricht jedoch in jedem Fall mindestens dem in der nachstehenden Tabelle definierten Betrag (der „Mindesteinlösungsbetrag“), falls der Referenzkurs des Index während des Zeitraumes zwischen dem 5. September 2002 und dem Bewertungstag (jeweils einschließlich) (der „Beobachtungszeitraum“) die nachstehend definierten Kursschwellen mindestens einmal erreicht oder überschreitet. Mindesteinlösungsbetrag Kursschwelle EUR 50,00 2.966,60 Indexpunkte (= 120 % von Index 0) EUR 57,00 3.461,03 Indexpunkte (= 140 % von Index 0) EUR 64,00 3.995,46 Indexpunkte (= 160 % von Index 0) EUR 71,00 4.449,89 Indexpunkte (= 180 % von Index 0) EUR 78,00 4.944,32 Indexpunkte (= 200 % von Index 0) usw. usw. Falls der Referenzkurs des Index während des Beobachtungszeitraumes einmal eine Kursschwelle erreicht oder überschreitet, die 494,43 Indexpunkte über der nächstkleineren Kursschwelle liegt, erhöht sich der Mindesteinlösungsbetrag um jeweils weitere EUR 7,00.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

393

Die Kritik lässt sich auf zwei Punkte verdichten: •

Die Komplexität der Zertifikate führt zu einer Intransparenz bezüglich ihrer Preisgestaltung. • Die Komplexität erschwert die Beurteilung von Chancen und Risiken eines Zertifikates. Zwar ist anders als bei der Kapitallebensversicherung der Zahlungsanspruch des Anlegers in den Zertifikatbedingungen in der Regel eindeutig und auslegungsfrei niedergelegt. Gleichwohl bleibt anders als bei einem Aktienfonds der objektive Wert des Zertifikates oft im Dunkeln. Während der gesetzlich regulierte Rücknahmepreis eines Investmentzertifikates durch die Börsenkurse der im Fonds befindlichen Aktien objektiv determiniert ist, bestimmt bei den Anlagezertifikaten der Emittent den Preis nach seinem Ermessen bzw. seinem Preismodell. Denn der Emittent fungiert zugleich als Market-Maker (vgl. Abschnitt 3.1.2.1) in den von ihm begebenen Papieren, das heißt, er legt die Preise fest, zu denen er Anlagezertifikate an die Anlegerschaft verkauft und von dieser ankauft. Dieser Preis entzieht sich bei einer komplizierten Zertifikatstruktur einer objektiven Überprüfung durch das Anlagepublikum. Oder welcher Anleger könnte das Strategiezertifikat der Commerzbank aus dem Beispiel 7.02 eigenständig bewerten? Zwar ist richtig, dass über die vom Emittenten festgelegte Preisspanne zwischen An- und Verkaufspreis von z.B. 2 Prozent (der „Bid-Ask-Spread“) mit der Festlegung eines „hohen“ Verkaufspreises auch ein relativ hoher Ankaufspreis entstünde. Das relativiert aber nicht die Gefahr, dass Emittenten anlegerunfreundliche Preisstrategien durchsetzen können, weil abhängig vom „Lebensalter“ eines Zertifikates typischerweise entweder mehr Anlegerkäufe als -verkäufe vorkommen oder umgekehrt. Somit kann der Emittent in gewissen Grenzen den Preis zu jener Marktseite hin „verschieben“, die ihm günstige Abschlüsse ermöglicht. Damit sind wir bei dem „Vorwurf“ der Lebenszyklushypothese angelangt, der von kritischen Finanzexperten der Praxis wie auch der Fachliteratur gegen die Zertifikateemittenten erhoben wird,90 den wir zunächst an einem Zahlenbeispiel verdeutlichen wollen: Angenommen, ein Emittent habe ein komplex strukturiertes Zertifikat ersonnen, dessen Wert außer ihm kaum ein Marktteilnehmer genau einschätzen kann. Dieser Wert betrage 97 Euro, doch dem Emittenten gelinge ein Verkauf zu 100 Euro und damit eine sehr auskömmliche Gewinnmarge von drei Euro (einfachere Zertifikate ließen Margen von nicht einmal 50 Cent zu). Weil die Spanne im Market-Making etwa zwei Prozent betrage, gilt neben dem Verkaufspreis ein zeitpunktgleicher Ankaufspreis von 98 Euro. Zwar nehmen Anbieter von Zertifikaten diese mit einer bestimmten Spanne auch jederzeit zurück – allerdings zwangsläufig nie mehr Stücke als sie davon ausgegeben haben. Weil ein Teil der Anleger das Zertifikat gar nicht verkauft, sondern erst zum Fälligkeitstag einlöst, bleiben sie folglich im Handel mit dem Zertifikat bis zum Ende der Zertifikatlebenszeit Nettoverkäufer und profitierten daher über die (Geld-Brief-)Spanne hinaus von dauerhaft zu hohen Preisen. Zudem fand man eben für das Marktsegment der Aktienanleihen und Discountzertifikate – das sind Schuldverschreibungen, deren Emittent seine Verbindlichkeit wahlweise in Zahlungsmitteln oder Aktien tilgen darf –, heraus, dass die Spanne, obgleich ihr relatives Niveau regelmäßig festgeschrieben ist, abhängig von der Zertifikatslebensphase in die eine oder andere Richtung verzerrt ist: zu Beginn der Lebensphase, wenn der Emittent mehr Zertifikate verkauft als ankauft, ist der Angebotspreis signifikant weiter vom „reinen“ 90

Vgl. ERNER/WILKENS/RÖDER (2004).

394

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Wert (der Summe der jeweiligen Einzelkomponenten) entfernt als der Nachfragepreis; gegen Ende, wenn der Emittent mehr Zertifikate ankauft als verkauft, ist es gerade andersherum, der Angebotspreis ist recht günstig, der Nachfragepreis jedoch auffallend gering. So zahlt der Anleger langfristig betrachtet trotz konstanter relativer Spanne mehr als ihr numerisches Niveau vermuten lässt.91 Damit verpflichtet sich der Emittent also auch, mehr für ein Zertifikat zu zahlen als es eigentlich wert ist. Das kann er aber, wie gesagt, hinnehmen, weil die Zahl der anzukaufenden Zertifikate naturgemäß die der ausgegebenen nicht übersteigen kann. Zudem bleibt ihm unbenommen, im „Lebenszyklus“ des Zertifikates die Preisrelation zu ändern. Nehmen wir an, wenige Monate vor dem Laufzeitende des Zertifikates bestehe wieder dieselbe Konstellation eines objektiven Wertes von 97 Euro. Weil es so kurz vor dem Ende ohnehin kaum noch Käufer gibt, setzt der Emittent nun eine andere Preisspanne: er verkauft die Zertifikate an die wenigen Kaufinteressenten zu 97 Euro. Ankäufe werden dementsprechend nun zu nur noch 95 Euro durchgeführt, was einen entsprechenden Zusatzgewinn beschert, bzw. dem ausstiegswilligen Anleger eine Renditeschmälerung aufzwingt. Fraglich ist, inwieweit die Lebenszyklushypothese tatsächlich auf das Marktgeschehen am Zertifikatemarkt zutrifft. Die zitierte Studie behauptet, für das Marktsegment der Discountzertifikate auf Aktien einen numerisch ganz erheblichen Effekt gefunden zu haben. Dieser führe zu durchschnittlich 7% Überpreisung zu Emissionsbeginn und mündet in ein „Underpricing“ von 4%, bezogen auf die Spannenmitte. Wenn diese Berechnungen zuträfen, hieße das zweierlei: zum einen verlören Anleger, die „frisch emittierte“ Zertifikate erwerben und sie zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebenszyklusses wieder an den Emittenten verkauften, systematisch mehrere Renditeprozentpunkte und stünden damit vermutlich regelmäßig schlechter da als Lebensversicherungs- oder Fondsanleger. Zum anderen böte sich damit Spekulanten eine vorzügliche Gelegenheit: Wenn man dauerhaft Zertifikate gegen Ende ihrer Laufzeit zu vier Prozent unter Wert erwerben könnte, so müsste eine solche Strategie langfristig mit ganz erheblichen Renditen verbunden sein. Zudem wäre diese Strategie extrem einfach, zum Beispiel: Kaufe alle Zertifikate einen Monat vor Laufzeitende, halte sie bis zu diesem Ende und kassiere die Einlösungsbeträge am Fälligkeitstag. Der durchschnittliche Erlös sollte den Erwerbspreis um etwa vier Prozent übersteigen. Zwar wären die Abweichungen der einzelnen Ergebnisse von diesem Durchschnittswert wohl mitunter beträchtlich. Aber so lange der Durchschnitt tatsächlich stimmte, würde dieses Problem viele Spekulanten nicht schrecken, sich systematisch und immerzu Portfolios sterbender Anlagezertifikate zusammenzustellen. Damit würde dann aber das Kalkül des Emittenten vermutlich zerstört, weil die Spekulanten das erwünschte Ungleichgewicht zwischen Zertifikatsankäufen und -rückgaben stören. Kurzum, den genannten Prozentwerten der Kritiker sollte man mit Skepsis begegnen. Es ist wenig einleuchtend, dass solch eine Konstellation in der gemessenen Breite (Hunderte von Zertifikaten von mehr als zwanzig Emittenten) Bestand haben könnte. Eine Folgestudie, die auf aktuellerem Kursdatenmaterial dieses noch recht jungen und jüngst stark expandierenden Marktsegmentes basiert, findet denn auch erheblich geringere Abweichungen.92

91 92

Vgl. ERNER/WILKENS/RÖDER (2004), S. 105-113. Vgl. BAULE/RÜHLING/SCHOLZ (2004).

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

395

Wir halten an diesem Punkt inne und stellen fest: Allein die Existenz einer solchen Diskussion in Finanzmedien und -literatur scheint ein Indiz für die Intransparenz in der Preisgestaltung. Es wäre auch fast naiv zu glauben, die Emittenten würden die aufgezeigte Undurchschaubarkeit ihrer Produkte nicht zum Nutzen ihrer Geschäfte steuern. Andererseits wirken auch im Zertifikatemarkt Kräfte von Wettbewerb und Spekulation, die einer extremen Verzerrung der (Emissions-) Preise vorbeugen dürften. Kommen wir damit zum zweiten der oben genannten Kritikpunkte, der erschwerten Risiko/Chance-Beurteilung. In der Tat gilt hier Ähnliches wie zum verwandten Vorwurf der beliebigen Preisgestaltung. Während bei einem einfachen Dax-Zertifikat klar ist, dass der Zertifikatwert das Steigen und Sinken des DAX’ praktisch 1:1 nachvollziehen wird, fällt es bei einem komplexen Zertifikat schwer, einen Anhalt zu finden, wie sich Marktschwankungen auf die Werteigenschaften des Zertifikates übersetzen werden. Wir betrachten hierzu das nächste Beispiel: Beispiel 7.03: Die WestLB hat im Jahr 2003 einen „Move-Bond“ begeben. Jedes Zertifikat gibt die Anlage in eine Forderung gegen die WestLB von 100 Euro am Ende der Laufzeit sowie eine jährlich nachschüssige Forderung, die neben einem Mindestzins (1,75%) geknüpft ist an die Entwicklung 20 ausgewählter Aktien. Maßgebend für eine „Verzinsung“ über den Mindestzins hinaus ist die Hälfte jenes Prozentbetrags, um den sich die Aktie mit der geringsten prozentualen Kursänderung unter den 20 Aktien während des jeweils abgelaufenen Vorjahreszeitraumes im Kurs verändert hat. Ob diese geringste Kursänderung ein Kursgewinn oder ein Kursverlust war, ist dabei unerheblich.

Ganz abgesehen davon, dass dieses Zertifikat eher an die Tüftelei verspielter Jungs erinnert denn an ordentliche Anlage, ist es ohne den mathematischen Hintergrund einer möglichen Absicherungskonstruktion oder vergleichbarer Informationen nicht bewertbar noch ist sein Wert wenigstens halbwegs sicher abschätzbar. Ob eines dieser Zertifikate auf Basis der herrschenden Erwartungen am Finanzmarkt einen Wert von 97 oder 105 Euro haben sollte – welcher Anleger vermag das zu kalkulieren? Ihm bleibt lediglich eine intuitive Wertabschätzung. Zwar ist der Zahlungsanspruch des Move-Zertifikates durch die WestLB tadellos präzisiert worden. Doch hilft das bei der Chanceneinschätzung weiter? Fast gar nicht. Und solcherlei extremer Beispiele lassen sich auf dem Zertifikatemarkt tausendfach zusammentragen. Als Ausweg bieten Emittenten und verbreitende Medien die Methode einer historischen Rückrechnung an. Dabei wird simuliert, wie sich ein Zertifikat in der Vergangenheit entwickelt hätte, wenn es schon früher unter denselben Bedingungen existiert hätte. Damit ist eine grundsätzlich interessante Möglichkeit geschaffen, aus der Finanzgeschichte zu lernen. Aber es gibt zumindest zwei Punkte, vor denen es zu warnen gilt: • •

Jede Rückrechnung gibt nur eine Orientierung, deren Aussagekraft von Laien offenbar häufig überschätzt wird. Wir werden zu diesem Kontext im nächsten Buchabschnitt 7.2.1.4 einige Beispiele besprechen. Viele Rückrechnungen jedoch leisten das nur eingeschränkt, weil sie zufolge eines „Auswahleffektes“ ein verzerrtes Bild geben: Der Emittent zeigt nur glänzende Rück-

396

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

rechnungen, nie kritische. Durch eine geschickte Auswahl von Objekten, Zeitausschnitten, Kennzahlen kann er das Ergebnis der Rückrechnung in seinem Sinne manipulieren. Hierzu muss er überhaupt nicht lügen. Seine Rückrechnung zeigt ein wahres Bild. Jedoch hat er es gerade deshalb ausgesucht, weil es eines der schönsten war, das seine Finanzingenieure unter vielen anderen gefunden haben. Daher hülfe dem Anleger im Falle des Move-Bonds im Übrigen auch nicht der Hinweis, dass in den letzten fünf Jahren der Durchschnitt der geringsten Wertänderung zum Beispiel 7% betrug. Damit begibt er sich in die Gefahr, wenn nicht Gewissheit, einem verzerrten Bild der Rückschau aufzusitzen.93 Denn wenn die Bank ein solches Zertifikat herausgibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die geringste Änderung der letzten Jahre oberhalb jenes der kommenden Jahre liegt, beträchtlich. Diese Wahrscheinlichkeit steigt eher noch, wenn die Anlage ausdrücklich mit der Renditerückrechnung beworben wird. Aus diesen Zusammenhängen folgt also geradezu eine Naturgesetzlichkeit rückgerechneter Zertifikate: Der durchschnittlich zu erwartende Erfolg wird das Ergebnis der Rückrechnung spürbar unterschreiten! Wir ziehen das Fazit: Wir können uns der Kritik der mangelnden Beurteilungsfähigkeit komplexer Zertifikate durch den Anleger anschließen. Die Informationsasymmetrie zwischen Zertifikatgläubiger und -schuldner ist derart intensiv ausgeprägt, dass von einem Investment in diese Produkte zugunsten einfacher Varianten generell abgesehen werden sollte. 7.2.1.4 Anlageleistungen mit Hebelwirkung Wir betrachten im Folgenden drei Finanzdienstleistungen der jüngsten Zeit, deren Struktur so gewebt ist, dass eine eindeutige Zuordnung zu einer der beiden üblicherweise disjunkten Kategorien Anlage- oder Finanzierungsleistung Schwierigkeiten bereitet. Denn diese Produkte vereinen Merkmale beider Kategorien in sich, man könnte sie als kreditfinanzierte Anlageformen bezeichnen. Die vorgenommene Auswahl spiegelt damit neben dem deutlichen Trend zur Komplexität in Finanzdienstleistungen eine weitere Entwicklung in vielen jüngeren Produkten wider: es findet sich ein ausgeprägter „Spread-Gedanke“ der Art, dass innerhalb eines Verbund-Produktes eine als günstig erhoffte Finanzierung von Mitteln dargestellt wird, die mit einer als entsprechend ertragreicher erhofften Anlage dieser Mittel in einem anderen Marktsegment einhergeht. Wir beginnen mit dem Beispiel geringster Komplexität, einer fremdfinanzierten Fremdwährungsanlage. (1) Fremdfinanzierte Türkische-Lira-Anlage Banken offerieren dieses Produkt bevorzugt bereits vorhandenen Kreditkunden. Einem Immobilieninvestor beispielsweise, der bereits eine Kundenverbindung in Form eines laufenden Hypothekarkredites über 500.000 Euro unterhält. Ihm wird nun angeboten, eine weitere Finanzierungssumme über ebenfalls 500.000 Euro aufzunehmen, bis auf weiteres tilgungsfrei bei einem variablen Kreditzins von Euribor plus 100 Basispunkten (= 1 Prozentpunkt). Die Mittel, die gegen Begründung dieser Schuld gewährt werden, fließen dem Anleger aber nicht zu, sondern werden unmittelbar investiert. Hierzu wird die gesamte Summe am Devisenmarkt in türkische Lira umgewandelt und der entsprechende Lira-Betrag wird am türkischen Interbankenmarkt zu den dort üblichen Zinssätzen einer Größenordnung von etwa 15% ange-

93

Vgl. zu den Gefahren von Rückrechnungen bei Finanzprodukten ausführlich STARK (2005), §12 (3).

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

397

legt. Entstehende Zinsgutschriften werden dem Lira-Währungskonto des Kunden zugeschlagen. Ansonsten passiert bis auf weiteres erstmal nichts. Der Kunde kann jederzeit die Konstruktion auflösen lassen. Dann werden die Lira-Mittel inklusive erzielter Zinszuwächse frei und wieder in Euro eingetauscht. Aus dem Euro-Betrag muss zunächst der Euro-Kredit abgelöst werden. Der hoffentlich verbleibende Rest stellt den Gewinn des Kunden dar, den dieser ohne jeden eigenen Zahlungsmitteleinsatz erzielen konnte. Das Produkt ist vergleichsweise einfach und sollte in seiner Konstruktion auch für Finanzlaien durchschaubar sein. Der aber in jeder Hinsicht kritische Punkt ist das Risiko, das womöglich unterschätzt werden mag. Eine Fremdwährungsanlage ist zufolge der Wechselkursschwankungen schon für sich allein eine risikoreiche Anlage. Das gilt für eine kreditfinanzierte Investition natürlich umso mehr. Zudem wurde bewusst eine Währung gewählt, die nicht gerade für ihre Stabilität bekannt ist. Denn das ist der Grund, warum der Lirazins so hoch ist. Die Märkte „erwarten“ eine Abwertung der Lira. Eine Erwartung, die zu einem Großteil durch die hohe türkische Inflation zu erklären ist. Inwieweit die Markterwartungen sich mit der Realität decken werden, kann nur Gegenstand von Spekulationen sein. Dem Anleger sollte aber bewusst sein, dass bereits die Schwankungen in der Parität Euro/Lira weniger Tage ausreichen, um den Lirazinsvorteil eines ganzen Jahres „aufzufressen“. So verlor die Lira allein im Sommer 2006 zum Euro etwa ein Viertel ihres Wertes. Selbst ein Lirazins von 15% würde also nicht genügen, um binnen Jahresfrist einen Verlust zu vermeiden. Schon erheblich komplizierter konstruiert ist das zweite Produktbeispiel, das im Jahr 2007 eine erhebliche Medienwirksamkeit erfahren hat, als bekannt wurde, dass mehrere Kommunen hohe Verluste damit erlitten haben. Extrem betroffen war unsere Stadt Hagen, an deren Fall wir das Produkt etwas ausführlicher betrachten wollen. (2) CMS-Spread-Ladder-Swap Immer mehr Banken wenden sich dem Geschäftsfeld des sog. „Kommunalen Schuldenmanagement“ zu. Innerhalb dessen geben sie öffentlichen Schuldnern Empfehlungen zur Gestaltung ihrer Verbindlichkeiten. Neben Aspekten des Risikomanagements ist es dabei vor allem die Verlockung, Zinsaufwendungen zu „ersparen“, die sowohl Kunden wie auch Anbieter dieses jungen Geschäftsfeldes als wesentlicher Anreiz zum Abschluss von Geschäften führt. Der Begriff „Schuldenmanagement“ fällt dabei fast immer im gleichen Atemzug mit Slogans wie „Zinskosten minimieren“. Nicht nur die WestLB verheißt etwa in einer Broschüre: „Die Zinskosten im Griff. Kommunale Zinsaufwendungen senken.“94 Diesen ehrgeizigen Zielvorgaben gerecht zu werden, wurden neue Derivate entwickelt und an die kommunale Kundschaft abgesetzt. So schließen in jüngster Zeit Kommunen und gemeinwirtschaftliche Unternehmen vermehrt Zinsderivate ab. Sie beschränken sich hierin nicht mehr auf klassische Zinsswaps, sondern wenden sich zunehmend den exotischeren, komplexen Zinsprodukt-Konstruktionen aus den Financial-Engineering-Abteilungen deutscher und internationaler Investmentbanken zu. Hierbei werden diverse Spielarten mannigfach kombinierter Zins- und Währungskursbezüge zu einem Bündel umweltzustandsabhängiger Zahlungspositionen komponiert. Besondere Aufmerksamkeit und wirtschaftliche 94

Aus der Broschüre „Schuldenmanagement für Kommunen: Zinssteuerung mit Weitblick, Westdeutsche Landesbank, Düsseldorf.

398

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Bedeutung hat der so genannte CMS-Spread-Ladder-Swap (im Folgenden „CSL-Swap“) erlangt. Die Bedeutung des langen Namens erschließt sich erst nach Kenntnis der Struktur dieses Finanzproduktes, das vereinfacht folgendermaßen darzustellen ist: Der CSL-Swap ist eine Vereinbarung zwischen Bank und Kommune, die beide Parteien verpflichtet, der jeweils anderen Partei Zahlungen zu leisten. In unserem Beispiel bestehen zehn halbjährliche Zahlungszeitpunkte. In jedem dieser zehn Zeitpunkte fließt genau eine Zahlung von einer Partei zur anderen. Wer jeweils Zahlungsleistender und wer Zahlungsempfänger ist, ergibt sich aus der Aufrechnung der im jeweiligen Zeitpunkt entstehenden Zahlungspflicht der Parteien. Die Zahlungspflichten bemessen sich wie folgt, wobei Bemessungsgrundlage der Prozentwerte ein vereinbartes Nominalvolumen des CSL-Swaps ist, das wir hier mit 100 Mio. Euro unterstellen wollen (der tatsächliche Betrag war noch etwas höher): Die Bank hat an die Kommune eine Zahlungspflicht von: in jedem Zeitpunkt 3% p.a., also zehn Halbjahreszahlungen von 1,5 Mio. Euro. Die Kommune hat an die Bank eine Zahlungspflicht, die sich für die beiden Halbjahreszeitpunkte je eines Vertragsjahres nach folgendem Schema bestimmt, wobei die jeweils genannte Differenz zwischen 10- und 2-Jahreszinssatz am Ende der Klammern sich auf die in dem betreffenden Jahr dann aktuellen Marktsätze bezieht, also von Jahr zu Jahr schwanken kann. 1. Jahr: 1,25% p.a. 2. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 * [(1,02% – (10-Jahreszins –2-Jahreszins)] 3. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 * [(0,82% – (10-Jahreszins –2-Jahreszins)] 4. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 * [(0,62% – (10-Jahreszins –2-Jahreszins)] 5. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 * [(0,42% – (10-Jahreszins –2-Jahreszins)] Nun können wir auch den Namen erläutern: CMS steht für „Constant Maturity Swap“, zu Deutsch so viel wie „Tausch konstanter Fälligkeiten“, womit auf die stets mit gleicher Fristigkeit beharrenden Referenzzinssätze in der runden Klammer Bezug genommen wird, die mit unterschiedlichem Vorzeichen in die Gesamtzahlungsfunktion eingehen, daher gleichsam zwischen den Vertragsparteien getauscht werden. „Spread“ weist auf den Charakter eines Differenzgeschäftes hin, und „Ladder“ bezieht sich auf feste Zahlungselemente in der Zahlungsfunktion für die Kommune, die im Zeitablauf eine treppenförmige Abfolge beschreiben. In unserem Beispiel sind das die von 1,02 auf 0,42 herabsinkenden Zahlungskonstanten der eckigen Klammer (die auch „Strikes“ genannt werden). Trotz dieses im Zeitablauf scheinbar sinkenden Zahlungseinfluss vermittelnden Elementes verbirgt sich in der Formel der gegenteilige Effekt steigender fester Zahllasten, wie wir im Folgenden sehen werden. Die Zahlungspflicht der Bank ist also fest, die der Kommune variabel. Zu den Begrifflichkeiten des Formelschemas: •

Es findet sich der Ausdruck „Zinssatz“. Ein Zinssatz suggeriert eine Art der Kreditbeziehung. Wir wollen uns von dieser Bezeichnung nicht beirren lassen. Ein Kreditvertrag ist das vorliegende Finanzkonstrukt gerade nicht, auch wenn der Kommune – wie für Kreditaufnahmen charakteristisch – zu Beginn des Kontraktes zunächst ein (kleiner) Zah-

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

399

lungsmittelzufluss entsteht. Vielmehr handelt es sich schlicht um eine Vereinbarung zur wechselseitigen Leistung umweltzustandsabhängiger, also bedingter Zahlungen. • Der Ausdruck in den runden Klammern definiert eine Differenz zwischen zwei Finanzmarktgrößen und zwar – vereinfacht beschrieben – dem Marktzinssatz für Kredite an erstklassige Schuldner mit einer Zinsbindungsfrist von zehn respektive zwei Jahren, gemessen am Wert festgelegter Referenzgrößen zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt, deren Details hier nicht weiter erläutert werden müssen. Damit sind die Konditionen eindeutig festgelegt. Für die beiden ersten Zahlungszeitpunkte steht damit auch die Flussrichtung der Zahlungen fest: Die Bank zahlt der Kommune jeweils (0,03 – 0,0125) * 0,5*100 Mio. Euro = 875.000 Euro. Das sind zusammen sichere 1¾ Mio. Euro im ersten Vertragsjahr, von denen man böswillig behaupten könnte, sie dienten der „Anfütterung“, schafften also einen wesentlichen Anreiz zur Vertragsentscheidung bei der Kommune. Im Vergleich zur möglichen Dimension der acht nachfolgenden, variablen Halbjahreszahlungen geht ihre Bedeutung nämlich fast unter. Für die dritte Zahlung ermittelt sich die Zahlungspflicht der Kommune aus dem Zinssatz der Vorperiode, also 1,25% plus dem dreifachen des eckigen Klammerausdruckes. Nun kommt es also erstmals auf die genannte Marktzinsdifferenz an. An dieser Stelle ist es zweckmäßig, den Begriff der Zinsstruktur zu kennen. Zinsstruktur heißt die wichtige Erscheinung, dass Zinssätze realer Finanzmärkte eine Fristigkeitsstruktur besitzen. Der Zinssatz ist eine Funktion der zwischen den Kreditparteien vereinbarten Zinsbindungsfrist bzw. der Restlaufzeit eines festverzinslichen Wertpapiers – in der Regel besitzen verschiedene Zinsbindungsfristen auch verschiedene Zinssätze, man unterscheidet drei idealtypische Verlaufsformen: normale, flache und inverse Zinsstrukturkurven. Nur bei der im vorigen Abschnitt unterstellten flachen Zinsstruktur sind keine Unterschiede im Zinsniveau vorhanden, während unter einer normalen Struktur ein Anstieg entlang der Fristigkeit gegeben ist und unter der inversen Struktur ein Abstieg. Formen der Zinsstruktur

10 8 6 4 2 0 0

1

2

3 Mrz 04

Abb. 7.01:

4

5

6 Nov 00

7

8

9

10

Aug 92

Idealtypische, empirische Zinsstrukturformen

Die Abbildung zeigt drei in der Vergangenheit am deutschen Kapitalmarkt tatsächlich zutage getretene idealtypische Verlaufsformen der Zinsstruktur. Die Beispiele sind auch insofern

400

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

exemplarisch, als inverse Zinsstrukturen meist mit einer Hochzinsphase einhergehen, während die normale Zinsstruktur in der Regel mit moderaterem Zinsniveau zusammentrifft. Wir unterstellen nun zunächst einmal das Szenario einer flachen Zinsstruktur, der Zinssatz am Markt ist also für alle dort zu beobachtenden Laufzeiten gleich hoch. Somit ist die gesuchte Zinsdifferenz null und die Zahlungspflicht der Kommune beträgt damit 1,25% plus 3*1,02% = 4,31%. Die Bank hat wieder 3% zu zahlen, so dass im Saldo die Stadt an die Bank zahlen muss, nämlich 1,31% p.a., für diese dritte Halbjahresperiode also 655.000 Euro. Vor der Berechnung der vierten Zahlung müssen wir eine Besonderheit der Zahlungsformel beachten. Es ergibt sich durch den jeweiligen Rückgriff auf den „Zinssatz der Vorperiode“ eine additive, kumulative Verknüpfung der jeweiligen Zahlungspflicht für die Kommune. Ein besonderer Sprengsatz versteckt sich in der Bezeichnung „Vorperiode“, nicht etwa „Vorjahr“. Das heißt, die Kumulation arbeitet umso schneller. Weil z.B. der Zinssatz für das siebte Halbjahr den des sechsten Halbjahrs „beinhaltet“, der wiederum jenen des fünften in sich trägt usw., kann die Zahlungslast je nach Zinssituation erheblich anschwellen, wie wir gleich errechnen werden. Wir unterstellen weiterhin eine flache Zinsstruktur in allen Zeitpunkten. Für die vierte Zahlung ermittelt sich die Zahlungspflicht der Kommune aus dem Vorperiodenwert von 4,31% + 3*1,02% – 3% = 4,37%. Somit hat die Kommune 4,37% zu zahlen, die Bank bekommt von ihr folglich eine Halbjahreszahlung über nun schon 2,185 Mio. Euro. Rechnet man nach diesem Schema bis zum Ende weiter, so ergeben sich die weiteren Zahlungen so wie in der folgenden Tabelle zu sehen, die alle zehn Zahlungen für das Szenario einer stets flachen Zinsstruktur ausweist. Die Summe der Zahlungen beläuft sich auf 36 Mio. Euro, die die Kommune während der Laufzeit an die Bank zu zahlen hat. Tab. 7.02:

Summe:

Die CSL-Zahlungen im Falle flacher Zinsstruktur, aus Sicht der Kommune, in Mio. Euro +0,8750 +0,8750 – 0,655 – 2,185 – 3,415 – 4,645 – 5,575 – 6,505 – 7,135 – 7,765 – 36,13

Bei flacher Zinsstruktur also ein sehr schlechtes Geschäft für die Kommune. Aber genau das ist – entgegen den Erwartungen vieler – in den zwei Jahren nach Abschluss dieses CSLSwaps im Frühjahr 2005 eingetreten: eine Verflachung der Zinsstruktur. Der CSL-SwapInhaber setzt aber auf eine ansteigend verlaufende Zinsstrukturkurve, genauer: darauf, dass der Zehnjahreszins möglichst weit über dem Zweijahreszins notiert. Man kann eine Art „Break-even-Zinsdifferenz“ berechnen: Wenn wir von einer konstanten Zinsdifferenz über die Laufzeit des CSL-Swaps ausgehen, so muss diese 0,67 Prozentpunkte betragen, damit der kumulierte Saldo der über die zehn Halbjahre einander gewährten Zahlungen hinweg gerade null ist. Oberhalb dieses Wertes erzielt die Kommune einen Zahlungsüberschuss; mit jedem Basispunkt (0,01 Prozentpunkte) ca. 500.000 Euro. Bei einem konstanten Differenzwert von

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

401

einem Prozentpunkt – das entspricht ungefähr dem historisch beobachteten Mittelwert – kämen somit 18 Mio. Euro zugunsten der Kommune zusammen. Das gilt aber nur für die Denkvorstellung einer über die Jahre in gleicher Gestalt verharrenden Zinsdifferenz. Beträgt die Zinsdifferenz in frühen Vertragsjahren einen für die Kommune ungünstigen Satz, also insbesondere weniger als Prozentpunkte, so bedarf es in späteren Jahren einer überproportionalen Steigerung der Differenz, um den „Rückstand aufzuholen“. Dies liegt an dem der Zahlungsformel inhärenten Kumulierungseffekt. Durch die kumulative Verknüpfung der Zahlungsfunktion ist eine Risikokonzentration auf die Zinsstrukturgestalt früher Vertragshalbjahre gegeben, während das Zinsniveau in den späten Vertragshalbjahren einen unterdurchschnittlichen Einfluss auf den Gesamtzahlungssaldo hat. Eine früh eintretende ungünstige Konstellation pflanzt sich dadurch auf spätere Jahre aufsummiert fort, weil ein Nachteil sich von Periode zu Periode „vererbt“ und verstärkt. So hat etwa die Zinsdifferenz im ersten Fixinghalbjahr einen achtmal so großen Einfluss auf den Gesamtzahlungssaldo wie die des letzten Fixinghalbjahrs. Nehmen wir zum Beispiel an, die Zinsdifferenz betrage in sieben der acht „variablen“ Halbjahresperioden einen Prozentpunkt und in einer null, wobei die Nullperiode einmal zum Anfang und alternativ zum Ende der Laufzeit angenommen sei. Im ersten Falle ergäbe sich ein kumulierter Einzahlungsüberschuss aus Sicht der Kommune von 5,87 Mio. Euro, im alternativen Falle trotz identischer durchschnittlicher Zinsdifferenz hingegen ein nahezu dreimal so hoher Betrag von 16,37 Mio. Euro. Damit wird bewusst abgewichen von dem zumeist gegebenem Effekt so genannter Zeitdiversifikation: einer Verteilung von Kreditaufnahmen und -prolongationen auf verschiedene Haushaltsjahre mit einhergehender natürlicher Zinslast-Mittelung und somit geringerer Abhängigkeit vom Kreditzinsniveau eines einzelnen Jahres. Der CSL-Swap hingegen erzeugt die gegenteilige Wirkung, eine Zeitkonzentration. Aus diesem spezifischen Risiko darf keine Risikoprämie erwartet werden, wie es beim CSLSwap ansonsten durchaus der Fall ist: Die CSL-Konstruktion stellt ab auf das zinsstrukturelle Phänomen einer langfristigen Renditeüberlegenheit von Anleihen langer Zinsbindung im Vergleich zu ansonsten identischen Anleihen geringerer Restlaufzeit. Diese Renditedifferenz darf man als Erscheinungsform einer Risikoprämie einordnen, weil das Kursänderungsrisiko von Anleihen längerer Zinsbindung jenes so genannter Kurzläufer erheblich übersteigt.95 Insofern basiert der CSL-Swap auf der nachvollziehbaren Grundidee, Risikoprämien „aus der Zinsstruktur zu verdienen“. Der CSL-Inhaber tut der Grobstruktur nach das gleiche wie eine Eigenhandelsbank, die revolvierend mit kurzer Zinsbindung versehene Mittel am Finanzmarkt aufnimmt, um sie (hoffentlich) höherverzinslich in länger laufenden Forderungen gegen andere Schuldner investiert zu belassen. Nur geschieht dies beim CSL-Kontrakt nicht so einfach und transparent wie im Falle einer solchen, aktiv gewillkürten Fristentransformation (vgl. Abschnitt 1.1.2.2), sondern auf dem erheblich verschlungenerem Pfade der oben berichteten Beschaffenheit. An dieser Verschlungenheit setzt unser wesentlicher Kritikpunkt am CSL-Produkt an. Die aufgezeigten Eigenheiten der CSL-Formel erzeugen zusätzliches Risiko über das natürliche Maß jeder konventionellen Fristentransformation hinaus, dem keine weitere Risikoprämie gegenübersteht. Zudem ist die Konstruktion geeignet, ihre Risiken eher zu verschleiern denn

95

Vgl. z.B. LOISTL (2001).

402

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

sie offenzulegen, was gerade vor dem Hintergrund der kommunalen Anwenderzielgruppe bedenklich scheint. Ergebnis: Der CMS-Spread-Ladder-Swap ist ein nach seiner inneren Logik nachvollziehbares Finanzprodukt, das aus der wohlbekannten Beobachtung zumeist steigender Zinsstrukturkurven – das Zinsniveau am „langen Ende“ übersteigt jenes des „kurzen Endes“ – Gewinn vermitteln will. Der verwinkelte Weg, auf dem dieses prinzipiell auch einfacher erreichbare Ziel realisiert werden soll, bringt jedoch neben einer gefahrverschleiernden Komplexität eine Risikostruktur mit sich, die das Produkt an der Grenze finanzwirtschaftlicher Sinnhaftigkeit ansiedelt. Zu einer ausführlicheren Analyse seiner Chancen und Risiken mittels historischer Kapitalmarktsimulation, die auch ein hier vernachlässigtes Kündigungsrecht der Bank be96 handelt, verweisen wir auf eine einschlägige, an unserem Lehrstuhl gefertigte Studie. Wir wenden uns nunmehr einem weiteren, komplex strukturierten Finanzprodukt zu, das ebenfalls für Aufregung – wenn auch bislang lediglich in Fachpresse und institutioneller Anlagepraxis – gesorgt hat. (3) CPDO: Constant Proportion Debt Obligation Diese Finanzdienstleistung wendet sich an den institutionellen Investor, der mehr als den üblichen „risikolosen“ Zins erzielen möchte. Es wird behauptet, dass dieses Ziel durch CPDOs trotz hoher Sicherheit – CPDO-Emissionen besitzen häufig ein AAA-Rating (vgl. Abschnitt 1.1.2.3) – erreicht wird. Wir geben eine beispielhafte Beschreibung, wobei wir aus Vereinfachungsgründen einige der zahlreichen Details fortlassen, um die interessierende Grundstruktur klarer zu erfassen. Der an Einzelheiten Interessierte sei auf die Fachpresse verwiesen.97 Was wird vereinbart? Ein Anleger gibt den gewünschten Investitionsbetrag, sagen wir 100 Millionen Euro, in die Hände einer Investmentbank. Die investiert das Geld zu einem risikolosen Zinssatz, z.B. Drei-Monats-Euribor. Dieses „Euribor-Guthaben“ erwirtschaftet also nur geringe Zinsen. Es dient der Bank zugleich als Sicherheit für ein anderes, zunächst keinen weiteren Zahlungsmitteleinsatz erforderndes Geschäft, das sie für Rechnung der Anleger im Bestreben abschließt, deren risikolose Verzinsung aufzustocken. Die arrangierende Investmentbank schließt nämlich ein Stillhaltergeschäft (vgl. Abschnitt 5.1.1) besonderer Art ab: Sie übernimmt das Kreditausfallrisiko, das aus einem (indexgehandelten) Portfolio von typischerweise 250 Unternehmensanleihen großer amerikanischer und europäischer Industrieschuldner resultiert. Diese Risikoübernahme wird in standardisierten Kontrakten („i-traxx Europe“) von fünfjähriger Laufzeit vorgenommen und mit einer sicheren Prämie vergolten, wobei das CPDO-Konzept vorsieht, alle sechs Monate den dann noch für verbleibende 4½ Jahre gewährten Risikoschutz zurückzukaufen, um ein neues Stillhaltergeschäft mit wiederum 5 Jahren Laufzeit einzugehen („halbjährlicher Rolltermin“). Kommt es bei einem (oder mehreren) der Indexschuldner während der sechs Monate zu einem „Kreditereignis“ (d.h. Zahlungsausfall oder gar Insolvenz), so muss eine Zahlung geleistet werden, deren Höhe so bemessen ist, dass sie dem Sicherungskäufer gerade den durch das Kreditereignis hervorgerufenen Wertverfall der entsprechenden Unternehmensanleihe kompensiert. Nach Ablauf der sechs Monate wird eine neue Vereinbarung – mit einer dann womöglich anderen Risikoprämie – abgeschlossen. Die Laufzeit des CPDO beträgt maximal zehn Jahre, 96 97

Vgl. STARK/LOOSE (2007). Zum Beispiel JOHANNSEN (2006).

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

403

so dass es im Zeitablauf zu einer Kette von bis zu zwanzig solcher Stillhaltergeschäfte kommt. Die entscheidende Komponente beim CPDO: Die Stillhaltergeschäfte werden über ein sehr viel höheres (Anleihe-) Volumen als der Investitionsbetrag abgeschlossen, üblich ist ein 15-faches. Wir betrachten ein numerisches Beispiel unter Annahme einer konstanten Prämie von 25 Basispunkten p.a. (¼ %): Für das 15-fache von 100 Mio., also für ein diversifiziertes Unternehmensanleiheportfolio im Nennbetrag von 1,5 Mrd. wird das Kreditrisiko übernommen. Folglich resultieren Prämieneinzahlungen von 3,75 Mio. pro Jahr. Die Bank zieht eine feste Gebühr ein von 750.000. Die verbleibenden drei Mio. werden zu einem größeren Teil zusammen mit einem Betrag in Höhe der Zinsen aus dem Euribor-Guthaben an die Investoren ausgezahlt, teils werden sie dem Euribor-Guthaben zu deren Erhöhung zugeführt. Die Aufteilung wird grundsätzlich so vorgenommen, dass die Investoren eine Zahlung erhalten, die dem Euribor-Ertrag aus der risikolosen Anlage entspricht plus eines festen Zusatzbetrages von beispielsweise 2 Prozentpunkten. Der Investor erhält also während der Laufzeit des CPDOs immer Euribor plus zwei Prozentpunkte, egal was passiert. Tritt ein Kreditereignis ein, zum Beispiel ein einziger Komplettausfall unter 250 Schuldnern, so würde eine Ausgleichszahlung von 0,4% des „versicherten“ Nennbetrages zu leisten sein, das wären 6 Millionen Euro, die aus dem Euribor-Guthaben entnommen würden, das damit immerhin einen Betrag in Höhe von 6% seines Anfangsvermögens einbüßte. Sollte das Euribor-Guthaben durch dauerhaft höhere Auszahlungen (Gebühren an Bank, Ausfallleistungen an Sicherungsnehmer, Zinsen an Investor) als Einzahlungen (Zinsen aus Euribor-Anlage, Prämien) irgendwann auf einen Betrag von weniger als zehn Prozent des Investitionsbetrages, hier also 10 Mio., ausgezehrt sein, so wird die gesamte CPDO-Struktur durch entsprechend zu ergreifende Gegengeschäfte sofort aufgelöst und der verbleibende Restbetrag an den Investor ausgekehrt. Sollte es umgekehrt dermaßen gut verlaufen, dass das EuriborGuthaben irgendwann auf einen solchen Betrag anwächst, dass sämtliche Gebühren- und Zinszahlungen der noch verbleibenden CPDO-Restlaufzeit aus dem Euribor-Guthaben geleistet werden können, ohne dieses unter den Betrag der anfänglichen Investitionssumme von 100 Mio. herabzusenken, so werden die Stillhaltergeschäfte ebenfalls sofort aufgelöst und der Investor erreicht sein Ziel einer erhöhten Verzinsung forthin auch ohne Risikoübernahme. Ergebnis: Der Erfolg der gesamten, komplexen CPDO-Struktur hängt von einer einfachen Konstellation ab: Im Durchschnitt müssen die Prämieneinnahmen höher sein als die Beanspruchung durch Kreditausfälle. Weil darüber hinaus Gebühren und Zusatzzinsen gedeckt werden sollen, müssen in unserem – sehr praxisnahen! – Zahlenbeispiel für eine erfolgreiche Beendigung des CPDOs die Prämieneinnahmen rund viermal so hoch sein wie die Ausfallausgaben. Denn 3,75% Prämien minus 0,75% Gebühren minus 2,00 % Zusatzzinsen belässt nur ein Prozent für Ausfallleistungen. Gleichwohl sind die Chancen, dass dies während der Laufzeit eines CPDOs glückt, gar nicht so gering. Denn bei den erstklassigen Schuldnern, die sich im Indexportfolio zufolge der sechsmonatigen Anpassung – schlechte Schuldner gehören dann qua Konstruktion nicht mehr zum Indexportfolio, werden aber bis zu ihrem Ausscheiden oftmals Auszahlungen verursachen – fast ausschließlich befinden, sind Ausfälle tatsächlich seltene Ereignisse. So mag das CPDO-Spiel also häufig glücken. Dass jedoch langfristig das Ziel immer erreicht wird, ist eine kühne Hoffnung. Die Märkte vergüten die Prämie für Ausfallrisikoübernahme ja nicht ohne Grund und man sollte nicht annehmen, dass der zu erwartende Wert durch-

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

schnittlicher Beanspruchungen durch Ausfälle nur ein Viertel der Prämien ausmachte. Von solch einer Relation können jedenfalls die meisten Versicherungsunternehmen nur träumen, obgleich sie sich auf Märkten bewegen, die grundsätzlich nicht effizienter sein sollten als die hier involvierten Finanzterminmärkte für Kreditrisikokontrakte. Vielmehr steht zu vermuten, dass die langfristige durchschnittliche Inanspruchnahme durch Ausfälle sehr wohl ein Viertel der Prämienbeträge übersteigen wird. Jedoch dürfte die Verteilung sehr „asymmetrisch“ sein. Nicht ein ungefährer Ausgleich von Prämien und Beanspruchungen in der Betrachtung kleinerer Zeitausschnitte dürfte zu erwarten sein. Sondern eher ein Wechsel von langen „Schönwetterperioden“ geringer oder gar keiner Ausfälle mit kurzen Perioden konjunkturbedingt selbstverstärkender, heftiger Ausfallraten. Gegen dieses „Spitzenrisiko“ hilft auch nicht die halbjährliche Neuvereinbarung der Kreditrisikokontrakte, wie zuweilen von Ratingagenturen in grotesker Verkennung der finanzwirtschaftlichen Charakteristika gemutmaßt wird. Zwar würde bei einem Anstieg der Ausfallraten der Markt erheblich höhere Risikoprämien zahlen, die innerhalb eines neuen Kontraktes vereinnahmt würden. Doch muss dann natürlich auch für die gesamte verbleibende Restlaufzeit des zurückzukaufenden Vorgängerkontraktes von typischerweise 4½ Jahren eine höhere Prämie gezahlt werden als sechs Monate zuvor Grundlage des Abschlusses war, oder einfacher formuliert: die Egalisierung des alten Kontraktes kostet Geld. Dieser Betrag kann erheblich sein. Stellen wir unser etwa vor, das Prämienniveau erhöhe sich von 25 auf 75 Basispunkte – ein durchaus nicht spektakuläres Niveau, das zuletzt im Jahr 2005 zu beobachten war. Dann kostete die Auflösung einen Betrag von rund 200 Basispunkten (4,5 ⋅ (75 – 25) wären 225). 200 Basispunkte verzehren aber vermittels des 15-fachen Hebels 30 Prozent des Euribor-Guthabens! Wir brauchen gar keine langen Modellrechnungen durchzuführen, um zu erkennen, dass in wirtschaftlich angespannten Zeiten ein vollständiger Verlust des Euribor-Guthabens vorstellbar ist. Und somit erscheint auch die hohe Kuponverzinsung in einem anderen Licht: sie ist schlicht Ausdruck der Übernahme von Extremrisiken. Fraglich bleibt nur, warum die Ratingagenturen das Risiko eines CPDOs mit dem Gütesiegel einer Staatsanleihequalität versehen, zumal regelmäßig kein einziges Schuldnerunternehmen des Indexportfolios ein solches Rating besitzt. Nachzutragen bleibt die Herkunft des Namens Constant Proportion Debt Obligation. Er bezieht sich auf zwei Elemente, die wir nicht betrachtet haben. „Constant Proportion Debt“ soll anzeigen, dass der Verschuldungsgrad der Struktur laufend angepasst wird, und zwar so, dass bei höheren Kreditausfallprämien der Verschuldungsgrad erhöht wird. „Obligation“ weist daraufhin, dass die Zahlungsansprüche des Investors in einem schuldrechtlichen Wertpapier, also einer Anleihe oder Obligation verbrieft sind. Diese Anleihe ist aber nicht börsengehandelt. (4) Zusammenfassende Würdigung Die im Vorangegangenen untersuchten Finanzprodukte geben ein symptomatisches Spiegelbild der aktuellen Entwicklungslinien in der Produktion von Anlageleistungen. Wir wollen zunächst einige Gemeinsamkeiten der drei vorgestellten Produkte erarbeiten. Es sind alles Anlageformen, die aus dem bekannten finanzwirtschaftlichen Hebeleffekt einer Verschuldung Nutzen ziehen wollen. Die Verschuldung wird dabei – sei es eine reale oder durch Finanzkonstruktionen synthetisierte Verschuldung – auf ein Marktsegment bezogen, von dem ein geringerer (Schuld-)Zins erwartet wird als von jenem Marktsegment, in dem die

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

405

„Schuldmittel“ investiert werden. Tabelle 7.03 stellt die entsprechenden Segmente für die betrachteten drei Finanzprodukte gegenüber. Tab. 7.03:

Die Segmente von Finanzierung und Investition der betrachteten Finanzdienstleistungen mit Hebelwirkung

Lira-Anlage CSL-Swap CPDO

Finanzierung Euro Kurzzins hohe Bonität

Investition Lira Langzins geringere Bonität

Das Lira-Produkt stellt diese Konstruktion tatsächlich unmittelbar dar. Einer Verschuldung in der Niedrigzinswährung steht eine Anlage in der Hochzinswährung gegenüber. Aber auch die beiden anderen Produktstrukturen ähneln einer realen Verschuldung im „günstigeren“ Marktsegment bei gleichzeitiger Anlage im „teureren“ Segment, die immer so lange erfolgreich ist, wie – vereinfacht gesagt – das übliche, aber keinesfalls immer geltende Gesetz der höheren Rentierlichkeit riskanterer Anlagen zutrifft: Riskantere Anlagen rentieren langfristig besser, gerade weil sie riskant sind. Das bedeutet aber, dass es auch immer wieder durchaus längere Perioden geben können muss, in denen das gerade nicht zutrifft – sonst wären sie ja nicht riskanter. Anders gewendet: Die Risikoprämie kann naturgemäß nicht in jeder beliebigen betrachteten, auch längeren, Periode immer ausreichen, für dieses Risiko zu kompensieren: Der Lira-Wert kann in einem Jahr stärker verfallen als die Zinsdifferenz zwischen Lira und Euro. Der Wert einer langfristigen Anleihe kann in einem Jahr stärker verfallen als die Zinsdifferenz zwischen langer und kurzer Zinsbindung. Der Wert einer bonitätsrisikobehafteten Anleihe kann in einem Jahr stärker verfallen als die Zinsdifferenz zwischen Anleihen geringerer und höherer Bonität. Zudem erzeugt der hohe Hebeleffekt eine besondere Anfälligkeit für verzerrende Rückrechnungen. Je höher der Leverage eines Produktes gewählt wird, umso einfacher fällt es, eine exorbitante historische Rendite zu präsentieren. Diese Praxis der Finanzintermediäre provoziert Fehleinschätzungen durch die Anlegerschaft. Somit sind solche „Überraschungen“, die für den Finanzfachmann gar keine sind, vorprogrammiert. Beim CSL-Swap in Hagen ist das schon geschehen, bei vielem ähnlichen werden wir es noch erleben. Im Übrigen arbeiten viele andere Finanztransaktionen nach demselben Muster eines mehr oder weniger riskant inszenierten Leverageeffektes. So beruhen etliche Immobilieninvestitionen auf der groben Überlegung, die Rentabilität der Vermietung werde das Niveau eines Hypothekarzinses übersteigen. Oder jüngst vermutete die WestLB, eine Wertpapierverschuldung zum „Zins“ der Rendite einer VW-Stammaktie sei attraktiv, weil eine zugleich getätigte Investition in VW-Vorzugsaktien höher rentieren werde. Es trat das Gegenteil ein. Solche und ähnliche gehebelten Investitionsmodelle müssen nicht per se finanzwirtschaftlich töricht sein, zumal ihr unübersehbarer Charme im „Drehen größerer Räder“ liegt. Doch sind viele von ihnen aus der Verführung einer einseitigen „Schönrechnung“ geboren. Der nächste „Finanzskandal“ in gehebelten Anlageleistungen wird gewiss kommen. Die vorstehenden Ausführungen mögen schon heute einer Einordnung und Erhellung seiner Hintergründe dienlich sein.

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7.2.2

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Finanzierungsleistungen

7.2.2.1 Die Bausparfinanzierung – ein Schneeballsystem? Die Bausparfinanzierung ist ein besonderes, geschlossenes Finanzierungssystem, dass ob seiner Spezifika auch immer wieder einer besonderen Kritik ausgesetzt ist. Zwei wesentliche Punkte dieser Kritik sind – eine generelle Systemkritik am kollektiven Bausparen als in sich abgeschlossenem Finanzierungsmodell bezüglich seiner Stabilität bzw. gar Funktionsfähigkeit in einer dynamischen Finanzmarktumwelt sowie – die Unvorteilhaftigkeit der angebotenen Bausparprodukte als kombinierter Anlage- und Finanzierungsleistung. (1) Kollektivkritik Der erste Kritikpunkt richtet sich auf das Bausparen als kollektives System, während der zweite einzelwirtschaftlich aus der individualistischen Perspektive an der von diesem System hervorgebrachten Anlage- und Finanzierungsleistung ansetzt. Wir beginnen mit der Kollektivkritik. Diese rührt an dem wesensprägenden Prinzip des Bausparens, dass die Bausparfinanzierung zu einer Finanzierungsform sui generis macht. Gemeint ist das Junktim von Anlage und Finanzierung, die Identität von heutigen Geldgebern und späteren Geldnehmern. Rufen wir uns in Erinnerung (vgl. Abschnitt 2.3.2.2), dass die Vergabe eines Bauspardarlehens unabdingbar an die vorhergehende Leistung von Sparbeiträgen geknüpft ist, die wiederum verwendet werden, um sie an andere Bausparkunden darlehensweise weiterzuleiten, die ihrerseits wiederum früher auch Sparbeiträge leisten mussten, die einer noch älteren Bausparkundengeneration nach dem gleichen System zugutekamen usw. An dieser Beschreibung erkennt man bereits die intertemporalen Verflechtungen, die dem Bausparsystem zu eigen sind und die die häufig erhobene Feststellung hervorrufen, dass Bausparsystem sei anders als herkömmliche, nichtkollektive Finanzierungssysteme in so besonderem Maße von einer erfolgreichen Neukundenakquisition abhängig, dass seine Existenz einer ständigen, latenten Bedrohung unterliege. Exponenten der Kritik bezeichnen das kollektive Bausparen daher mitunter gar als Schneeballsystem. Träfe dieser Vorwurf zu, so könnte das Bausparen also nur solange überleben, wie der Zustrom neuer Kundengelder wächst. Wir wollen uns dem Kern dieser Kritik durch Betrachtung eines einfachen Zahlenmodells nähern. Das Bausparen funktioniert bekanntlich nach Tarifen, die für alle Kunden gleichermaßen gelten. Der traditionelle Standardtarif schreibt dem Bausparer 3% Zinsen p.a. auf seine monatlichen Sparbeiträge in Höhe von 4‰ der Bausparsumme gut, die frühestens nach Erreichen eines vierzigprozentigen Mindestsparguthabens ausgezahlt wird und dann demzufolge in die Gewährung eines ca. 60% der Bausparsumme ausmachenden 5%Bauspardarlehens mündet, das mit annuitätischen Darlehensraten von 6‰ monatlich zu bedienen ist. Zudem sind eine üblicherweise einprozentige Abschlussgebühr auf die Bausparsumme sowie eine Darlehensgebühr von 2% des Darlehensbetrages zu beachten. Entscheidend für unsere Beurteilung sind nicht diese Konditionen selbst, sondern der aus ihnen sowie den Zuteilungsregeln (vgl. Abschnitt 2.3.2.2) resultierende Zahlungsstrom zwischen

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

407

Bausparkunde und Bausparkasse. Uns genügt hier eine Betrachtung für den vereinfachten Fall jährlicher Zahlungen, der aus Sicht eines einzelnen Kunden etwa so aussieht:98

Die erhobene Systemkritik zu prüfen, heißt eine einzige Frage zu beantworten: Kann die Bausparkasse diesen Zahlungsstrom ihren Kunden aus dem Kollektivsystem heraus gewähren, ohne dass das Kollektiv auf permanentes Wachstum angewiesen ist? Schauen wir zunächst einmal, wie es um die Zahlungsströme stünde, wenn es im Kollektiv weder Wachstum noch Schrumpfung gäbe, das heißt, die Zahl von Sparern und Darlehensnehmern ist immer gleich, es kommen stets so viele neue Bausparkunden ins System hinein, wie es von älteren Bausparergenerationen verlassen wird. Der Bauspartechniker spricht von so einem Fall als „statischem Beharrungszustand“. Wie sehen die Zahlungsströme aus Sicht der Bausparkasse in diesem Zustand, normiert auf einen Sparerzugang von 100.000 neuer Bausparsumme pro Jahr, aus? Weil jede Bausparergeneration gleichstark ist und exakt dieselben Stadien durchläuft, finden wir die folgenden Zahlungen: Jährlichen acht Sparbeiträgen über 4.800 und 10 Annuitäten über 7.400 steht jeweils eine Zuteilungszahlung über 100.000 gegenüber. In diesem „eingeschwungenem“ Zustand bleibt also ein komfortabler Überschuss von 12.400 jährlich für die Kasse zur Deckung von Provision, Kosten der Verwaltung und Werbung, Kreditausfällen und weiterem. Diese Kosten betragen je 100.000 Bausparsumme tatsächlich gar nur einen Bruchteil von 12.400. Allerdings ist damit unsere Rechnung noch nicht zu Ende. Denn der eingeschwungene Zustand muss ja erst einmal erreicht werden und auf dem Weg dorthin mögen Unterdeckungen zu beklagen sein. Das ist hier tatsächlich der Fall. Nach acht Jahren muss zum ersten Mal zugeteilt werden. Allerdings gibt es jetzt ja noch gar keine Annuitäten, sondern nur Sparbeiträge. Denn bis zur vollständigen Einschwingung vergehen 18 Jahre. Mithin müssten Reserven aus den ersten acht Jahren angezapft werden. Wie hoch sind diese? Sie betragen (1+2+3 ... +8) mal den Sparbeitrag, das sind 36 * 4.800 = 172.800 mit etwas Zinsen darauf, weil die Bausparkasse die Mittel ja irgendwo anlegen wird, sagen wir zusammen rund 200.000. Ab dem Jahr der ersten Zuteilung fließen jeweils 8 mal 4.800 = 38.400 an Sparbeiträgen zu, so dass im ersten Zuteilungsjahr eine Zahlungslücke von 100.000 minus 38.400 = 61.600 aus den Reserven zu decken ist. Im zweiten Zuteilungsjahr sinkt die Zahlungslücke um 7.400 auf 54.200, weil dann bereits die erste Annuität fließt. In den beiden Folgejahren fließen bereits zwei bzw. drei Annuitäten, es entstehen also Zahlungslücken von nur noch 46.800 respektive 39.400. Die Summe der Zahlungslücken beläuft sich damit mit dem vierten Zuteilungsjahr auf 202.000 Euro. Die Reserven aus dem so genannten „Anlaufeffekt“ sind nun also gerade aufgezehrt. Bis zur Einschwingung vergrößert sich aber die kumulierte Zahlungslücke noch weiter auf summiert etwa 100.000. Es stellt sich in der Tat die Frage, wie diese finanziert werden sollte. Die Bausparkasse könnte ein Darlehen aufnehmen, das aus dem ewigen Überschuss aber allenfalls mit Mühe und bei niedrigem Zins getragen werden könnte. 98

Vgl. STARK (2003), S. 244.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Somit bleiben nur drei realistische Auswege: •

Viele Bausparkunden rufen ausschließlich ihre Bausparguthaben ab und verzichten auf das Bauspardarlehen dauerhaft. Wenn deren Zahl groß genug ist, entfällt das Unterdeckungsproblem. • Es stellt sich doch ein Wachstum ein. • Die Bausparkasse modifiziert die Wartezeiten bis zur Zuteilung, greift also in den Bausparzahlungsstrom verändernd ein. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere Rechnung ohne Kosten der Bausparkasse kalkuliert, die es realiter freilich gibt. Daher hat auch die Bausparkasse selbst Zahlungsansprüche an das Kollektiv. In der Praxis wird eine von unserer Rechnung leicht abweichende Kalkulation einer sogenannten „Zuteilungsmasse“ betrieben. Der Zuteilungsmasse werden auch die – im Kollektiv ja niemals zahlungswirksamen – Guthabenzinsen zugerechnet. Im Gegenzug beansprucht die Bausparkasse einen Zahlungsbetrag in Höhe der vollen in den Annuitäten „enthaltenen“ Darlehenszinsen. Auf Basis einer solchen Zuteilungsmassenrechnung lässt sich zeigen, dass ein Wachstum ungefähr 10 % betragen muss, um eine dauerhafte finanzielle Ausgeglichenheit bei Durchhaltung des Zahlungsstromes auch ohne Darlehensverzichter darstellen zu können. Auf eine solche Wachstumsrate, die doch beträchtlich oberhalb von üblichen Inflationsraten oder Sozialproduktzuwachsraten liegt, „bauen“ zu wollen, ist aber gerade der Anstoßpunkt zu einer Systemkritik am kollektiven Bausparen. Zudem reicht es etwa keineswegs aus, wenn diese Wachstumsrate nur bestünde, bis das Kollektiv aus dem „Gröbsten heraus“ wäre. Ganz im Gegenteil, jedes Wachstum des Bausparneugeschäftes ist zwar zunächst einmal willkommene Liquiditätszufuhr, erhöht aber proportional aus diesen neu zugewachsenen Bausparsummen die späteren Zahlungsansprüche an das Kollektiv bzw. die Bausparkasse. Es ist daher vielmehr so, dass die nötige Wachstumsrate unter den gegebenen Bedingungen dann auch für alle Zeiten fortgelten müsste: Das Wachstum erzeugt den Fluch des Erfordernisses weiteren Wachstums. Somit ist aus diesem Modell heraus die Systemkritik absolut nachvollziehbar, zumal die bauspartechnischen Berechnungen zur Wartezeit im Bausparen des ehemaligen Wüstenrot-Chef-Bausparmathematikers Hans Laux als prominentestem Vertreter des Faches tatsächlich von Wachstumsraten solcher Größenordnung ausgingen. Doch was geschah in der Praxis wirklich? Es traten alle drei der genannten Auswege ein. Zum einen riefen natürlich nie alle Kunden ihre Darlehen auch ab. Zudem erlebte das Bausparen ein erhebliches Wachstum, in besonderem Maße von den Fünfzigern bis in die siebziger Jahre. Spätestens gegen Anfang der achtziger Jahre trat dann aber doch bei fast allen Bausparkassen die Kehrseite dieses Wachstums auf. Am Finanzmarkt stiegen die Zinsen. Daher wollten weniger Menschen (niedrigverzinslich) bausparen, aber umso mehr gewannen die (niedrigverzinslichen) Bauspardarlehen an Attraktivität, was zufolge des einstigen Neugeschäftswachstums nun ein entsprechendes Anwachsen der Zuteilungswünsche nach sich zog. Die dringend benötigte Wachstumsrate verkehrte sich jedoch teils in eine Schrumpfungsrate. Nun blieb nur noch der dritte Ausweg: Die Bausparkassen verlängerten die Ansparphasen. Doch dabei blieb es nicht: Man erkannte die grundsätzliche Gefahr einer bösartigen Abwärtsspirale und fand einen vierten Ausweg: Neue Tarife kamen auf den Markt. Das Neue: Einige eher verzierende Details wie Optionselemente bezüglich der Wahl von Zinsen und ähnlichen Tarifmerkmalen, die aber mehr einer PR-Konzeption geschuldet waren, um ein

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

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gewichtiges Tarifmerkmal eher lautlos und vom Publikum kaum bemerkt zu verändern: Das Mindestsparguthaben wurde um zehn Prozentpunkte auf 50% angehoben. Statt 40% Ansparen/60% Darlehen galt fortan also die Formel 50%/50%. Daraus resultierten Bausparzahlungsströme, die auch ohne Darlehensverzichte und Wachstum zu dauerhaft funktionierenden Kollektiven führen, wie man analog zu den oben vorgetragenen Berechnungen aus den Merkmalen gängiger Tarife ermitteln kann. Allerdings gab und gibt es auch weiterhin die alten Tarife. Doch haben die Bausparkassenmanager es verstanden, das Neugeschäft schwerpunktmäßig auf die modernen Tarife zu lenken. Was bedeutet das für die heutige (und künftige) Situation? Die Bausparkassen haben zufolge des Tarifierungswechsels aktuell keinerlei Zuteilungsprobleme mehr. Dank ihrer einhergehenden, üppigen Liquiditätslage haben einige Kassen die Zuteilungszeiten wieder ein wenig verkürzt, jedoch in einem Maß, das zur Sorge noch keinen Anlass gibt. Die Reserven sind gar so hoch, dass viele Kassen auch einen vollständigen Verlust von Neugeschäft ohne Beeinträchtigung für ihre Bausparkunden hinnehmen könnten. Ein solchermaßen degenerierendes Bausparkollektiv hätte zwar für die folgenden Jahre eine kumulierte Unterdeckung zu erwarten, die aber zu einem großen Teil durch Reserven abdeckbar wären. Verbleibende Reste könnte die Bausparkasse bedenkenfrei durch außerkollektive Kreditaufnahme für einige Jahre fremdfinanzieren, weil das degenerierende Bausparkollektiv ja für die letzten ca. 10 Jahre seines Bestehens ausschließlich Einzahlungen an die Bausparkasse verursachte, denen nun keinerlei Ansprüche aktueller Bausparer mehr entgegenstünden. Ergebnis: Die Bausparer brauchen aktuell keine Verlängerung der Zuteilungszeiten zu befürchten. Fraglich ist aber, inwiefern durch die mittlerweile etablierte, neuere Tarifstruktur die individuelle Vorteilhaftigkeit, also der zweite der hierzu zu diskutierenden Aspekte einer Bausparkritik, beeinträchtigt wird. (2) Vorteilhaftigkeitskritik Für eine Vorteilhaftigkeitsbetrachtung sind die resultierenden Zahlungsströme die relevante Untersuchungsgröße. Alles andere ist zweitrangig. Insbesondere die Zinssätze haben in der Bausparfinanzierung praktisch keine Bedeutung. Warum nicht? Weil wir es bei Bausparzahlungsströmen mit einer spezifischen Kombination von Anlage und Finanzierung zu tun haben.99 Ein niedriger Darlehenszins für sich genommen hat so gut wie keine Aussagefähigkeit. Man muss vielmehr wissen, – wie hoch der zugehörige Guthabenzins der Ansparphase ist und – welche zeitlich-betragliche Erstreckung für Spar- und Darlehensphase gilt. Auch die Zinsspanne zwischen Guthaben- und Darlehenszins ist kein wesentlich besserer Maßstab als die beiden absoluten Zinssätze. Stellen Sie sich etwa vor, Sie dürften zwischen zwei Tarifvarianten wählen, die sich in nichts anderem unterscheiden mögen außer den Zinskonditionen. Der erste Tarif verbindet 3% Guthabenzins mit 5% Darlehenszins, während der zweite 10% Guthabenzins und 13% Darlehenszins aufweist. Wüssten Sie sofort, welcher besser ist? Gewiss nicht, denn das kann man ohne Kenntnis der Struktur von Spar- und Darlehensphase gar nicht. Je nach der Ausprägung von Sparbeiträgen und Annuitäten und evtl. auch dem Mindestsparguthaben ist nämlich mal die niedrigere, mal die höhere Zinskombina99

Anders als bei den oben behandelten Leistungen mit Hebelwirkung vollzieht sich im Bausparprodukt die Verbindung von Anlage und Finanzierung nicht simultan, sondern sequentiell und dadurch potenziell risikoärmer.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

tion die bessere. Zum Beispiel ist bei acht Jahren Sparzeit und jährlichem Sparbeitrag und Annuität von jeweils 6.000 Euro trotz größerer Zinsspanne die höhere Zinskombination besser. (Das Darlehen ist dann schon gut neun Jahre nach der Zuteilungszahlung abgetragen, bei der niedrigeren Zinskombination erst nach zehn Jahren).100 Verändert man in diesem Beispiel ausschließlich den Sparbeitrag, und zwar auf 5.000 Euro, so kippt das Ergebnis schon und es stellt sich eine drastische Vorteilhaftigkeit zugunsten der niedrigeren Zinskombination ein. (Die Darlehensphase ist dann gar um neun Jahre kürzer als mit der höheren Zinskombination.) Für eine ausführliche Analyse dieses „Zinsebenenproblems“ verweisen wir den Interessierten auf die Fachliteratur.101 Doch zurück zur Vorteilhaftigkeitsfrage. Wir brauchen also zunächst den Bausparzahlungsstrom. Als Beispiel sei ein Standardtarif der Deutschen Bank Bauspar aus Stark (2003) gewählt. Seine resultierende Sparphase besteht aus 98 Monatsraten zu 500 Euro. Am Ende des 98. Monats zahlt die Bausparkasse die Bausparsumme von 100.000 Euro. Einen Monat später ist die erste von 96 Annuitäten zu monatlich 600 Euro fällig, wobei die Schlussrate etwas kleiner ist (450 Euro). Dieser Bausparzahlungsstrom ist repräsentativ für den Bausparmarkt und stimmt beispielsweise fast genau mit jenem im aktuellen Standardtarif von Schwäbisch Hall überein, obgleich dieser mit 1%/3,75% ganz andere Zinskonditionen aufweist als der Deutsche Bank Tarif (2,5%/4,5%). Diesen Bausparzahlungsstrom zu beurteilen, zieht notwendig die Frage nach sich, wofür die Sparbeitragszahlungen denn alternativ hätten Verwendung finden können. Denn bewerten heißt vergleichen. Wer behauptet, die Bausparfinanzierung sei unvorteilhaft, muss zeigen, dass eine bessere Alternative besteht. Denn ohne irgendeinen Vergleichsmaßstab ist kein Werturteil möglich. Wer etwa von einer Immobilie sagt, sie sei zu teuer oder gefalle nicht, der denkt beim Aussprechen solch eines Werturteils – sei es bewusst, unterbewusst oder unbewusst – an ihm bekannte andere Immobilien, die billiger sind oder besser gefallen. Einen objektiven Maßstab für sich gibt es nicht. Als natürlicher Vergleichsmaßstab zur Bausparfinanzierung diene für die Sparphase ein Ratensparplan bei einer Bank, die Darlehensphase sei durch einen hypothekarischen Annuitätenkredit nachgebildet. Eine einfache Herangehensweise ist die Unterstellung eines bestimmten Guthabenzinsniveaus, von dem man wisse, dass es im Ratensparplan erreichbar ist. Wir wollen einmal 4% unterstellen, die wir also für den exakt gleichen Einzahlungsstrom wie bei dem zu beurteilenden Bausparzahlungsstrom erzielen. Nach 98 Monaten rufen wir unser Endguthaben aus dem Ratensparplan ab und nehmen bei einer Bank ein Darlehen in einer derart bemessenen Höhe auf, dass die Summe aus dem Endguthaben des Sparplans und den Darlehensmitteln genau 100.000 beträgt. Damit haben wir bis jetzt wie bei der Bausparfinanzierung – 98 Monate lang 500 Euro gespart und – verfügen nach 98 Monaten über Zahlungsmittel von 100.000 Euro. Nun bedienen wir das Bankdarlehen wie es der Bausparkunde zu tun hat mit ebenfalls 600 Euro monatlich. Jetzt können wir jenen „kritischen Darlehenszins“ berechnen, der für das Hypothekardarlehen gelten müsste, damit es zu exakt demselben Zeitpunkt abgetragen wäre 100 101

Gebühren in dieser und der folgenden Berechnung jeweils vernachlässigt; Bausparsumme jeweils 100.000 Euro. Vgl. STARK (2003), S. 217 – 221.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

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wie das Bauspardarlehen. Dieser kritische Zins beträgt in unserem Falle 8,15%. Bei diesem Zinssatz bestünde vollkommene Zahlungsstrukturgleichheit zwischen Bausparfinanzierung und der Kombination aus Ratensparplan und Bankkredit („Freie Finanzierung“). Das heißt weiter, dass bei jedem Bankdarlehenszins unterhalb von 8,15% die Freie Finanzierung vorteilhafter wäre – denn die Dauer, während derer monatlich 600 Euro zu zahlen wären, ist dann kürzer als bei der Bausparfinanzierung – und bei jedem Bankdarlehenszins oberhalb von 8,15% die Freie Finanzierung unvorteilhafter wäre – denn die Dauer, während derer monatlich 600 Euro zu zahlen wären, ist dann länger als bei der Bausparfinanzierung. Somit verkürzt bzw. verlagert sich die Vorteilhaftigkeitsfrage unter den skizzierten Bedingungen auf jene nach dem acht Jahre später wohl geltenden Zinsniveau für Hypothekarkredite. Dieses kennt vorab freilich niemand. Einen guten Anhaltspunkt, um zumindest eine „langfristige Durchschnittsaussage“ zur diskutierten Fragestellung machen zu können, stiftet aber die Differenz zwischen dem Guthabenzins des Banksparplanes und dem kritischen Darlehenszins. Diese ist mit 4,15% recht groß. Da die Zinskonditionen für Anlage- und Finanzierungsleistungen üblicherweise nur ein bis zwei Prozentpunkte voneinander abweichen und stark vom allgemeinen Zinsniveau am Finanzmarkt determiniert sind, das überdies langfristig nicht immer nur steigen kann, ist zu erwarten, dass zumeist eine Freie Finanzierung tatsächlich besser ist als eine Bausparfinanzierung. Eine historische Simulation bestätigt diese Vermutung.102 Allerdings mögen im Einzelfall hier nicht betrachtete qualitative Faktoren wie eine nachrangige Besicherung, Risikoaspekte oder die als einfacher empfundene Handhabbarkeit ein individualisiertes Vorteilhaftigkeitskalkül zugunsten der Bausparfinanzierung beeinflussen. Wir können aber festhalten, dass nach allen uns bekannten quantitativen Anhaltspunkten die Bausparfinanzierung im typischen Falle einer alternativen bausparfreien Gestaltung unterlegen ist. 7.2.2.2 Tilgungsaussetzungsmodelle Kredite müssen nicht nur verzinst werden, sondern irgendwann einmal will die Schuld auch getilgt sein. Teils, z.B. im Staatsfinanzierungsgeschäft der Banken, wird eine gesamtfällige Tilgung (vgl. Abschnitt 3.6.2.1) vereinbart, also am letzten Tag der Darlehenslaufzeit die gesamte Schuld mit einer einzigen Zahlung beglichen. In vielen anderen Bereichen wie dem Privatkundengeschäft ist es aber üblich, dass der Schuldner über die gesamte Laufzeit hinweg neben Zinsleistungen auch Zahlungen zur schrittweisen Verringerung der Kreditschuld leistet. Nur in wenigen Ausnahmen wird hiervon abgewichen, etwa, wenn dem Kreditkunden eine gewisse Zeit der Tilgungsfreiheit zu Beginn der Laufzeit vertraglich eingeräumt wird; oder zuweilen verständigen sich die Vertragsparteien auch während der Kreditlaufzeit darauf, dass die vereinbarten laufenden Tilgungsleistungen für eine bestimmte Zeit ausgesetzt werden. Andere Ausnahmen sind Zwischenfinanzierungen im Bausparen (s. unten bei (3)) Daneben gibt es aber noch ganz bestimmte Modelle, die eine Tilgungsfreiheit bis zum Laufzeitende bewusst vorsehen. Allerdings wird bei diesen Modellen für einen solchen Verzicht auf laufende Tilgungen anders als bei den eben genannten Fällen der Tilgungsfreiheit eine „Ersatzleistung“ gefordert, die der Schuldner in den sogenannten „Tilgungsersatz“ zu investieren hat. Solche Vereinbarungen fasst die Praxis unter der Bezeichnung „Tilgungsaussetzungsmodelle“ zusammen.

102

Vgl. STARK (2003), Abschnitt 3.2.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Als Tilgungsersatz werden unterschiedliche Anlageformen angeboten. Das können Ratensparpläne, Bausparverträge, kapitalbildende Lebensversicherungen oder Investmentfondsanteile sein. Der Schuldner wird also zugleich Anleger und erwirbt mit den Tilgungsersatzzahlungen Eigentum am jeweiligen Anlagegegenstand. Die Verfügungsgewalt über dieses Eigentum tritt er üblicherweise an den Kreditgeber ab, dem es als (ggf. weitere) Pfandsicherheit für seine Forderungen gegen den Schuldner dient. Solange dieser aber seinen Verpflichtungen nachkommt, darf die Sicherheit auch vom Gläubiger nicht angetastet werden. Im Regelfalle ist vorgesehen, dass der Wert des Tilgungsersatzes gegen Ende der Kreditlaufzeit ausreicht, um aus dessen Liquidationserlös die Kreditschuld endfällig zu tilgen. Ist der Liquidationserlös größer als die Schuld, so bleibt dem Schuldner ein entsprechender Restwert. Ist der Liquidationserlös kleiner als die Schuld, so hat er den dann noch fehlenden Tilgungsbetrag aus anderen Quellen zu begleichen. Der wohl häufigste Anwendungsfall von Tilgungsaussetzungsmodellen ist in der privaten Immobilienfinanzierung zu finden. (1) Fondssparplan Beispiel: Ein Privatmann erwirbt eine Immobilie, die er zu 100.000 Euro bei einer Bank fremdfinanziert. Das vollausgezahlte Darlehen ist mit 5,6566% p.a. zu verzinsen. Neben der üblichen Variante einer laufenden Tilgung von 1,3434% p.a. zuzüglich ersparter Zinsen (vgl. das letzte Beispiel in Abschnitt 2.3.2.1) wird ihm ein tilgungsfreies Darlehen angeboten, dass vorsieht, bis zum dreißigsten Jahr 1.343 Euro jährlich in einen Investmentfondssparplan zu investieren. Damit sind die Zahlungsströme bis vor dem Zeitpunkt t = 30 für beide Varianten gleich. Einer Annuität von 7.000 Euro im einen Falle steht eine jährliche Zinszahlung von 5.657 Euro neben 1.343 Euro jährlichen Investitionsbetrags gegenüber. Der einzige Zahlungsunterschied entsteht in t = 30. Beim Annuitätendarlehen ist mit der Zahlung der letzten Annuität die Darlehensschuld vollständig abgetragen, im Fall der Tilgungsaussetzung beträgt sie zunächst weiter den vollen Betrag der ursprünglichen Schuldsumme von 100.000 Euro und auf den Schuldner kommt noch eine Schlusszahlung zu. Das ist zumindest ziemlich sicher, denn der Wert der Fondsanteile wird sich nur zufällig auf genau 100.000 Euro belaufen. In Höhe des Differenzbetrages trifft den Investor eine letzte – positive oder negative – Zahlung. Über Betrag und Vorzeichen dieser Zahlung lassen sich nur Vermutungen treffen. Somit ist diese Variante der Tilgungsaussetzung also riskant, was ihr zuweilen kritisch zur Last gelegt wird. Zumeist handelt es sich bei den Fondsanteilen um solche von Aktienfonds. Die Rentabilität von Aktienfondssparplänen über einen derart langen Zeitraum war in den möglichen Dreißigjahresperioden seit Bestehen des deutschen Investmentsparens in den fünfziger Jahren praktisch immer positiv, weil sich die Aktienmärkte entsprechend gut entwickelten. Über die Rentabilität in den nächsten dreißig Jahren wissen wir aber fast nichts. Die meisten Experten vermuten freilich, dass an den Aktienmärkten auch künftig eine Risikoprämie zu verdienen sein wird. Deren Höhe werden wir aber allenfalls nach Ablauf dieses Zeitraumes zweifelsfrei feststellen können – daher ist es ja eine Risikoprämie. Gleichwohl gibt es einen guten Eindruck über das „Erfolgspotenzial“ dieser Tilgungsaussetzung, wenn man ein paar Szenarien durchrechnet. Wir tun das der Anschaulichkeit halber anhand verschiedener Annahmen über die Rentabilitätsgröße des Fondssparplanes. Was geschähe, wenn diese genau null wäre, also sehr enttäuschend ausfiele? In diesem Fall betrüge das Endguthaben der Fondsanteile gerade die nominale Investitionssumme von 30 mal 1.343

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

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Euro. Das sind ziemlich genau 40.000 Euro und der Schuldner hätte noch 60.000 Euro an die Bank zu zahlen. Was geschähe, wenn die Rentabilität gerade dem Kreditzins entspräche, also immer noch etwas unterhalb der üblicherweise an Aktien(fonds)renditen gestellten Erwartungen bliebe? In diesem Fall gliche das Endguthaben aus den dreißig Einzahlungen in den Fondssparplan genau der nominalen Schuldsumme von 100.000 Euro und der Schuldner hätte an die Bank weder weitere Zahlungen zu leisten noch bliebe ihm etwas übrig. Dieses Ergebnis ist ganz natürlich, denn aus Sicht eines Schuldners ist jede Tilgungszahlung ja nichts anderes als eine „Anlage“, die sich zum Satz des Kreditzinses rentiert. Rentiert eine andere Anlage ebenso, muss sie zum gleichen Endergebnis führen. Und wenn die Investitionsrentabilität tatsächlich das gewünschte tut und den Kreditzins überschreitet? Dann bleibt etwas übrig und zwar überproportional umso mehr, je höher die Rentabilität. Die Tabelle fasst einige Fälle zusammen: Tab. 7.04:

Ergebnisse der Tilgungsaussetzung für alternative Investitionsrenditen

Investitionsrentabilität –2% 0% 3% 5,65% 7% 10% 12%

Sparendguthaben 30.520 40.290 63.894 100.000 126.861 220.915 324.110

Nettoergebnis –69.480 –59.710 –36.106 0 26.861 120.915 224.110

Entscheidend sind die Einträge in der letzten Tabellenspalte. Man erkennt, dass das Nettoergebnis eine hohe Sensitivität in Bezug auf die Investitionsrentabilität aufweist. Werden statt sieben Prozent Rendite derer zehn erreicht, so vervierfacht sich das Nettoergebnis. Zwei weitere Prozentpunkte mehr brächten noch mal eine Verdoppelung. Allerdings spiegeln diese Sensitivitäten insoweit kein Risiko wider als die verbundenen Ergebnisse alle einen Vorteil gegenüber der Tilgungsvariante des Darlehens darstellen. Nicht zu verkennen ist freilich die Gefahr, dass das Nettoergebnis jenes der Tilgungsvariante (0 Euro) unterschreitet. Beurteilung: Der Kreditschuldner unterlässt es bewusst, ihm zur Verfügung stehende Mittel zur Abtragung seiner Schuld zu verwenden. Im Ergebnis ähnelt diese Tilgungsaussetzungsvariante einer kreditfinanzierten Investition in den Aktienmarkt, von der im Allgemeinen abgeraten wird. Wenn sich jedoch der Kreditnehmer der damit verbundenen Gefahren bewusst ist, so bestehen keine gravierenden Bedenken gegen diese Art der Tilgungsaussetzungsofferte als Angebot kombinierter Anlage- und Finanzierungsleistung. In Anbetracht der involvierten Anlage in Investmentfondsanteile ist an das hier unter 7.2.1.2 Gesagte zu erinnern. (2) Kapitallebensversicherung Der klassische und wohl bei weitem häufigere Fall einer Tilgungsaussetzung erfolgt gegen eine Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall (vgl. Abschnitt 4.3.2). Die durch die Tilgungsaussetzung eingesparten Mittel werden als Prämienzahlungen zur Besparung einer Kapitallebensversicherung verwendet. Die Versicherungs- und Prämienzahlungsdauer stimmen mit der Laufzeit des gesamtfälligen Darlehens überein. Die Ansprüche aus

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

der Versicherungspolice für den Todes- wie Erlebensfall werden an den Kreditgeber als Darlehenssicherheit abgetreten. Im Fälligkeitszeitpunkt soll das Darlehen mit der Lebensversicherungszahlung (Ablaufleistung) getilgt werden, wobei die Differenzen wieder zugunsten/zulasten des Kreditnehmers gehen. Stirbt der Kreditnehmer vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so dient die Todesfallzahlung zur vorzeitigen Ablösung auch des Kreditvertrages. Zu beachten ist, dass die garantierte Zahlung des Versicherungsunternehmens am Ende der Versicherungsdauer, also in der Regel die Versicherungssumme, die mit den eingesparten Tilgungszahlungen begründet werden kann, regelmäßig nicht ausreicht, den Kredit abzulösen. Dies liegt daran, dass die garantierte Verzinsung in der Lebensversicherung praktisch immer unterhalb des Kreditzinssatzes liegt, und zudem nicht der gesamte Prämienanteil in den Sparvorgang bei der Kapitallebensversicherung fließt (vgl. zur Prämienkalkulation Abschnitt 4.3.2.3). Ein vollständiger Ausgleich gelingt nur, wenn die im Vorhinein ja nicht bekannte Überschussbeteiligung entsprechend hoch genug ausfällt. Insofern besteht hier das gleiche Problem wie bei der Aussetzung gegen einen Investmentfondssparplan: der Kreditnehmer weiß nicht, ob noch vorhanden und falls ja, wie hoch seine Restschuld am Laufzeitende sein wird. Dieses Problem wird zuweilen so gelöst, dass eine entsprechend erhöhte Versicherungssumme abgeschlossen wird. Freilich ist dann die Summe aus laufenden Zinsund Prämienzahlungen aber höher als beim vergleichbaren Annuitätendarlehen. Somit sind wir bezüglich der Beurteilung dieses Tilgungsaussetzungsmodells fast schon zurückgeworfen auf die oben unter 7.2.1.1 als nicht generell beantwortbar erkannte Frage nach der Rentabilität aus einer Kapitallebensversicherung. Es gibt aber einige Spezifika, welche die Beurteilung erleichtern: •

Die Kapitalanlagen, die das Versicherungsunternehmen mit den Sparanteilen der Prämien zugunsten der Versicherungskunden begründet, bestehen ganz überwiegend aus festverzinslichen Forderungen, insbesondere Staatsanleihen, Pfandbriefen und ähnlichen Wertpapieren von hoher Sicherheit. Daher kann man von der Rentabilität einer Kapitallebensversicherung – auch wenn wir um deren Höhe nicht genau wissen – doch immerhin sagen, dass sie sie das Renditenniveau von Staatsanleihen schon von ihrer traditionell sicherheitsbetonten Konzeption her nicht weit übertreffen kann. Berücksichtigt man zusätzlich, dass einerseits die Kosten innerhalb der Kapitallebensversicherung kein unerheblicher Posten sind und andererseits die Kreditzinsen einer Immobilienfinanzierung regelmäßig über den beim Abschluss des Kreditvertrages vorherrschenden Anleiherenditen liegen müssen, so erkennt man den schmalen Grat, auf dem das Modell einer Tilgungsaussetzung zugunsten einer Kapitallebensversicherung wandert. • Außerdem ist bekannt, dass die Todesfallversicherung innerhalb des intransparenten Ablaufes einer Kapitallebensversicherung häufig teurer ist als in einer einfachen Risikolebensversicherung. Das stellt die übergeordnete Vorteilhaftigkeit dieses Tilgungsaussetzungsmodells ferner in Frage. Wir wollen uns mit diesen Aspekten und der Vorteilhaftigkeitsfrage anhand eines typischen Beispiels beschäftigen. Zu diesem Zweck nutzen wir wieder das oben genannte Beispiel einer Annuitätenfinanzierung, das wir aus Gründen der Vergleichbarkeit noch um den Abschluss einer Restschuldversicherung erweitern müssen. Dazu nehmen wir an, der Darlehensnehmer sei ein dreißigjähriger, gesunder nichtrauchender Mann. Dann beträgt die Jahresprämie bei einem durchschnittlich günstigen Versicherer rund 100 Euro. Somit erhöht sich die gesamte jährlich aufzubringende Zahlungslast für Annuität und Restschuldversiche-

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

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rungsprämie also auf 7.100 Euro. Damit bleiben jetzt 1.334 + 100 = 1.434 Euro, die innerhalb eines Tilgungsaussetzungsmodells für eine Kapitallebensversicherungsprämie verwendet werden. Mit dieser Prämie erreicht man typischerweise eine Versicherungssumme von rund 50.000 Euro plus einer in Aussicht gestellten Überschussbeteiligung, die beispielsweise bei der Allianz Lebensversicherung 35.000 Euro beträgt. Damit stünden also im Fall eines Eintreffens dieser prognostizierten Überschussleistung nur 85.000 Euro zur Verfügung. Dieses Ergebnis kann zwar bei günstiger Entwicklung oder einem leistungsstärkeren Versicherer übertroffen, bei schlechter Entwicklung oder einem leistungsschwächeren Versicherer aber auch verfehlt werden. Im Ergebnis 1. tauscht der Kunde mit der Tilgungsaussetzung die sichere Annuitätentilgung gegen eine unsichere Aussetzungsvariante ein. 2. Nur bei sehr günstiger Entwicklung der Überschussbeteiligung stellt er sich besser. 3. Die Überschussbeteiligung wird in der Regel umso höher sein, je höher das Zinsniveau am Finanzmarkt über die dreißigjährige Laufzeit sein wird. Wenn der Kreditzins entgegen der hier vereinfachend unterstellten – und auch in der Praxis realisierbaren – Annahme, er sei für die gesamte Laufzeit festgelegt, nur für die üblichen revolvierenden Zinsbindungsfristen von jeweils zehn Jahren gilt, so geht eine höhere Überschussbeteiligung in der Kapitallebensversicherung aber auch tendenziell mit einer höheren Gesamtzinsbelastung über die gesamten 30 Jahre einher. Denn die Lebensversicherer erzielen hauptsächlich dann höhere Erträge, wenn das Zinsniveau ansteigt. Auch unter diesem Blickwinkel sind also nur wenige Umweltzustandskonstellationen vorstellbar, unter denen die Tilgungsaussetzung mit Kapitallebensversicherung einen Vorteil gegenüber der annuitätischen Entschuldung verspräche. Wenn der Leser sich nun fragt, welcher Finanzierungskunde dann überhaupt ein Modell mit diesen Konditionen abschlösse, so gilt es zu bedenken, dass üblicherweise vor dem Abschluss eines solchen die von uns hier zu Zwecken der Erläuterung angestrengte Vergleichsrechnung gerade nicht betrieben wird. Des Weiteren können steuerliche Aspekte die Vorteilhaftigkeit zugunsten der Tilgungsaussetzung beeinflussen, weil die eventuell als Werbungskosten absetzbaren Kreditzinsen (nämlich bei Immobilien, die der Schuldner nicht selbst bewohnt, sondern zur Erzielung von Einkünften vermietet) in summa über die Laufzeit bei einer Tilgungsaussetzung naturgemäß höher sind als bei der annuitätischen Finanzierung mit ihrer mit fortschreitender Zeit abnehmenden Restschuld. Allerdings wird der Einfluss dieses Aspektes häufig überschätzt und Konstellationen, in denen daraus eine Verkehrung der Vorteilhaftigkeit resultiert, bleiben auf Einzelfälle beschränkt. Zudem wird das Modell häufig bei solchen Finanzierungen durchgeführt, in denen steuerliche Aspekte eine nur untergeordnete Rolle spielen, wie der Finanzierung von Einfamilienhäusern. Der häufig von Seiten der Anbieter genannte besondere Vorteil, die Tilgungsaussetzung über eine Kapitallebensversicherung biete „für den Todesfall Versicherungsschutz“ und mache die Finanzierung damit sicherer, verkürzt die Vergleichsproblematik in unzulässiger Weise. Zum Abschluss sollte gerade bei diesem Modell ein kurzer Blick auf die Ertragsmöglichkeiten der Anbieterseite nicht ausbleiben. Zum einen ist generell das Ertragspotenzial bei der Tilgungsaussetzung schon deswegen höher, weil dadurch das kumulierte Geschäftsvolumen aus den zwei Verträgen „tilgungsfreies Darlehen und Kapitallebensversicherung“ größer ist als bei „Annuitätendarlehen plus Restschuldversicherung“. (Zuweilen lässt sich (deswegen)

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

bei der Tilgungsaussetzung immerhin ein etwas besserer Zinssatz aushandeln als bei einem Annuitätendarlehen.) Zum anderen ist eine Kapitallebensversicherung erheblich margenträchtiger als eine Restschuldversicherung. Betrachten wir den klassischen Fall, dass die Finanzierung von einer Bank arrangiert wird, welche die Darlehensmittel selbst vergibt, aber für das jeweilige Versicherungsprodukt den Kunden an eine Versicherungstochter im Konzernverbund vermittelt. Die resultierende Vermittlungsprovision beträgt dann: – im Annuitätenfall ungefähr 100 bis 300 Euro für die Restschuldversicherung – im Aussetzungsfall ungefähr 1.000 bis 3.000 Euro für die Kapitallebensversicherung. Außerdem ergibt sich im letztgenannten Fall in der Regel ein höheres Zinsmargenvolumen aus der Finanzierung. Angesichts dieser erheblichen Unterschiede erübrigt sich die Suche nach weiteren Gründen, wenn man unterstellt, dass der Anbieter seinen Verdienst aus der Kundenbeziehung kurzfristig maximieren möchte. Diesen Vorwurf wollen wir hier nicht als grundsätzlich gültig unterstützen, doch ist davon auszugehen, dass häufig tatsächlich das Provisionskalkül des Anbieters über die Finanzierungsvariante entscheidet. Wir kommen darauf noch im Allgemeinen im Abschnitt 7.3.1 zurück. Auf jeden Fall ist die Kritik an diesem Tilgungsaussetzungsmodell schon insofern berechtigt als es dem Finanzdienstleister kundenunfreundliche Anreize setzt. Wie häufig die Finanzierungspraxis diesem Anreiz tatsächlich erliegt, kann hier nicht beurteilt werden. (3) Bausparsofortfinanzierung Neben herkömmlichen Bauspardarlehen gewähren Bausparkassen im Zusammenhang mit Bausparverträgen auch Darlehen außerhalb ihres Kollektivgeschäfts. Die Bausparpraxis kennt dabei drei unterschiedliche Varianten, die mit folgenden oder ähnlichen Begriffen bezeichnet werden:



Zwischenfinanzierung: Ein Darlehen, das einem Bausparer gewährt wird, dessen Bausparvertrag das Mindestsparguthaben zwar schon erreicht hat, der aber noch nicht zugeteilt ist. Die Zwischenfinanzierung stellt Mittel bis zur Höhe der Bausparsumme bereit, das Zwischendarlehen wird mit der Zuteilungszahlung gesamtfällig getilgt. • Vorfinanzierung: Ein Darlehen, das einem Bausparer gewährt wird, dessen bestehender Bausparvertrag ein Guthaben unterhalb des Mindestsparguthabens aufweist. Die Vorfinanzierung des Vertrages stellt Mittel bis zur Höhe der Bausparsumme bereit, auch dieses Darlehen wird mit der späteren Zahlung aus der Vertragszuteilung gesamtfällig getilgt. • Sofortfinanzierung: Ein Darlehen, das in Verbindung mit einem neu abgeschlossenen Bausparvertrag, der noch über kein Guthaben verfügt, in Höhe von dessen Bausparsumme gewährt wird. Die Tilgung erfolgt wiederum endfällig mit der Zuteilungszahlung. Wir wollen hier ausschließlich die dritte Variante untersuchen, wobei die Ergebnisse wegen der Produktähnlichkeit tendenziell auch auf die Vorfinanzierung gering besparter Bausparverträge übertragbar sind. Ein typisches Angebot lautet (Deutsche Bank Bauspar AG, Mai 2007): •

Es wird ein Bausparvertrag über eine Summe von 100.000 Euro abgeschlossen, der voraussichtlich 124 Monate mit 400 Euro monatlich bespart wird.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen •

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Zugleich wird ein tilgungsfreies Sofortdarlehen zu einem Zins von 5,2% p.a. gewährt, es sind also monatlich 433 Euro Zinsen zu zahlen. • Nach Ablauf der Sparzeit von 124 Monaten wird das Sofortdarlehen voraussichtlich durch die Zuteilungszahlung getilgt. • Fortan besteht ein Bauspardarlehen, das durch 159 Monatsraten zu 400 Euro abgetragen wird (Zinssatz 3,5%). Aus Sicht des Kunden entsteht ein Zahlungsstrom, der dem eines herkömmlichen Kredites ähnelt: Er erhält im Abschlusszeitpunkt einen größeren Geldbetrag und muss dann jeden Monat einen kleineren Betrag zahlen, wobei dieser sich allerdings nach 124 Monaten von 833 auf 400 Euro reduziert. Die Zuteilung der Bausparsumme „spürt“ er kaum, weil Zuteilungszahlung und Tilgung des Sofortdarlehens in ihrer Zahlungswirkung einander neutralisieren. Soweit ein Beispielsfall eines Modells, das von Verbraucherschützern stark kritisiert wird, von der Anbieterseite aber viel beworben wird. Wir greifen die zwei wichtigsten Argumente der Deutschen Bank Bauspar heraus, die für das Modell sprechen sollen: 1. Günstige Zinssätze während der gesamten Laufzeit. 2. Zinssicherheit für die gesamte Darlehenslaufzeit. zu 1.: Gemeint ist offenbar, dass die Zinssätze von Sofortdarlehen und noch mehr des Bauspardarlehens ein recht niedriges Niveau aufweisen, so dass während der gesamten Laufzeit geringe Zinsen zu zahlen seien. Beurteilung: Zu hinterfragen ist zunächst, ob dieser Zahlungsstrom, also der Erhalt von 100.000 Euro gegen die Verpflichtung zur Leistung von 124 anschließenden Monatszahlungen von 833 Euro und daraufhin weiteren 159 Monatszahlungen von 400 Euro, einer vorteilhaften Kondition entspricht. Dazu kann man zuerst einmal den effektiven Jahreszins (vgl. Abschnitt 2.1.3) dieses Zahlungsstroms ausrechnen. Er beträgt 6,24%. Das ist zum einen erheblich mehr als der Bauspardarlehenszins und auch der Zinssatz des Sofortdarlehens vermuten ließen und zum anderen auch mehr als bei einer zahlungsstrukturidentischen Finanzierung bei einer NichtBausparkasse zum Tragen käme. Deren Sätze lagen zeitpunktgleich im Gros bei etwas über 5%, der beste Wert bei 4,85% effektivem Jahreszins. Das bedeutet: Würde derselbe Strom an Rückzahlungsleistungen bei einem anderen Finanzintermediär im Rahmen eines herkömmlichen Annuitätendarlehens vereinbart, so wäre der ausgezahlte Kreditbetrag um bis zu 10.000 Euro höher – wohlgemerkt bei absolut identischen Zahlungen seitens des Kunden. Das Argument des günstigen Zinssatzes trifft also keineswegs zu – das Gegenteil ist der Fall, es handelt sich um eine ausgesprochen teure Finanzierungsvariante. Die Fokussierung auf die beiden Darlehenssätze allein führt vielmehr in die Irre, weil damit die niedrige Rentabilität des Bausparguthabens unzulässigerweise ausgeblendet wird. Es bleibt (zu oben 2.) das Argument der Zinssicherheit zu prüfen. Es spielt wohl an auf das üblicherweise vorhandene Zinsrisiko herkömmlicher Annuitätendarlehen, das darin besteht, dass im typischen Fall der Zinssatz nur für eine Zinsbindungsfrist von oftmals zehn Jahren gilt. Somit ist der Kreditnehmer in der Tat einer erheblichen Gefahr ausgesetzt, weil seine weitere finanzielle Belastung von jenem praktisch nicht prognostizierbaren Zinsniveau, das genau zehn Jahre später am Finanzmarkt herrschen wird, abhängt.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Doch ist zum einen dieses Risiko auch beim herkömmlichen Annuitätendarlehen durchaus vermeidbar, indem eine für die gesamte Laufzeit gültige Zinsbindung vereinbart wird. Die oben genannte Konkurrenzkondition von etwa 5% galt tatsächlich dem Angebot von Krediten mit einer solchen, für den gesamten Zeitraum festgelegten Zinsbindung. Zum anderen ist die Behauptung der Zinssicherheit für die gesamte Laufzeit nicht einmal formal richtig: Denn die Bausparkasse darf den Bauspardarlehenszins „ohne Einverständnis des Bausparers, aber mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ... mit Wirkung für bestehende Verträge ändern“ (§ 21 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge). Durchgeführt würde eine solche Maßnahme, die bislang noch nie ergriffen werden musste, vermutlich nur in einem Umfeld extremer hoher Finanzmarktzinsen. Allerdings sind es ja gerade solche Extremszenarien, in denen Zinssicherheit tatsächlich einen besonderen Wert genösse. Und die Gläubiger bausparfreier Immobilienkredite behalten sich kein Recht vor, in schlechten Zeiten ihre Schuldner mit höheren Zinsen zur Kasse bitten zu dürfen. Zudem betrifft die Behauptung nicht die hier relevante Kategorie. Zwar weiß der Kunde bei der Sofortfinanzierung tatsächlich von vornherein um die Darlehenszinssätze von sowohl dem Sofortdarlehen als auch dem Bauspardarlehen. Aber er kann nicht sicher sein, welcher Zins wie lange gilt, da der Zuteilungszeitpunkt gerade nicht feststeht, sondern nur nach unverbindlichen Berechnungen in Aussicht gestellt wird. Somit hat der Kunde gerade auch keine Sicherheit über den genauen Zahlungsstrom während der nächsten ca. 25 Jahre. Und allein auf den Zahlungsstrom kommt es letztlich an. Es gilt immer: Wer seinen Zahlungsstrom ex ante genau kennt, der braucht über die zugrundeliegenden Zinssätze eigentlich überhaupt nichts zu wissen – und nicht etwa andersherum. Wer also Sicherheit begehrt, der benötigt ein ganz einfaches Annuitätendarlehen mit fester Zinsbindung für die gesamte Laufzeit und keine Bausparsofortfinanzierung, die zudem noch regelmäßig erheblich teurer ist. Die Kritik an einer Tilgungsaussetzung gegen die Besparung eines Bausparvertrages wird also völlig zu Recht geübt. Wir wollen ein Resümee ziehen: Tilgungsaussetzungsmodelle sind relativ komplexe Angebote zweifelhaften Nutzens. Allerdings ist das Urteil im Hinblick auf den gewählten Tilgungsersatz zu differenzieren. Während eine Tilgungsaussetzung zugunsten einer Aktienfondsanlage spekulativ ist, aber durchaus erfolgreich enden kann, ist das im Falle des Tilgungsvehikels Kapitallebensversicherung doch sehr in Zweifel zu ziehen und schließlich im Falle des Bausparvertrages so gut wie ausgeschlossen.

7.2.3

Derivatgeschäfte zwischen Banken und Kommunen (exemplarische Besprechung)

Derivate sind bekanntlich Verträge, die Zahlungsansprüche und -pflichten zwischen zwei Parteien begründen, wobei zumeist der Betrag mindestens einer Zahlung nicht im Vorhinein feststeht, sondern aus anderen Finanzgrößen in künftigen Zeitpunkten ermittelt wird (lat. „derivare“ = „ableiten“). Zinsderivate sind prinzipiell solche Derivate, bei denen die Ableitung sich auf Zinssätze bezieht (vgl. Abschnitt 2.7); mittlerweile nimmt man es mit diesem Prinzip aber nicht mehr so genau und referenziert auch auf zinsfremde Größen, insbesondere Devisenkurse.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

419

Mit Derivaten werden von deutschen Kommunen zwei elementare, voneinander unabhängige Strategien verfolgt: •

Strategie der Risikominderung: Der Derivateeinsatz dient der Kompensation von Unsicherheiten über die Höhe künftiger Zahlungen aus Kreditverträgen, indem zwei für sich je riskante Einzelpositionen (Kredit einerseits, Derivat andererseits) zu einer zusammen weniger riskanten – im Extremfall gar risikolosen – Gesamtposition (Kredit plus Derivat) „verbunden“ werden. • Strategie der „Zinsoptimierung“: Der Derivateeinsatz gilt dem Versuch der Erwirtschaftung von Zahlungsüberschüssen aus den Derivaten für sich. Die genannten Strategien unterscheiden einander in erheblichen Aspekten: •

Kreditbezug: Während bei der Risikominderung die Abstimmung zwischen Derivat- und Kreditzahlungen im Mittelpunkt der strategischen Bemühungen steht, wird dieser bei der „Zinsoptimierung“ lediglich artifiziell hergestellt. Dies geschieht häufig, indem sowohl Bank als auch Kommune über das zinsoptimierende Derivat feste Zahlungspflichten – anstatt der natürlichen Beschränkung auf jene eine Partei, die per Saldo festzahlungsverpflichtet ist – auferlegt werden, wobei die Festzahlungspflicht der Bank betraglich jener aus irgendeinem zugedachten Festzinskredit des kommunalen Schuldenportfolios gleicht. Zuweilen wird selbst diese „verschämte Referenz“ zum Kredit unterlassen und einfach ein glatter Festsatz für beide Parteien vereinbart. Das eigentliche „Optimierungselement“ vollzieht sich in jedem Fall über die Einfassung einer mehr oder minder komplex definierten Zahlungsformel, die regelmäßig der Kommune variable Zahlungspflichten auferlegt, welche an bestimmte Finanzmarktgrößen anknüpfen, die mit ihrem Schuldenportfolio wenig, in extremen Fällen gar nichts zu tun haben, z.B. Devisenkurse. • Prognoseabhängigkeit: Der Erfolg „zinsoptimierender“ Derivateeinsätze ist abhängig vom Prognoseerfolg der beratenden Bank, z.B. bei Devisenkursprognosen für die Laufzeit des Derivates von typischerweise mehreren Jahren. Die Strategie der Risikominderung durch Derivate hingegen ist weniger prognosebezogen, im Extremfall praktisch vollständig prognoseunabhängig, nämlich dann, wenn Zahlungspflichten aus Kredit und Derivat perfekt negativ korrelieren, also insbesondere eine Erhöhung der Kreditzahlungspflicht exakt durch einen entsprechenden Zahlungsanspruch aus dem Derivat ausgeglichen wird. • Komplexität versus Transparenz: Für Risikominderungen kommen in der Regel einfache Swaps, Caps oder Forwards (vgl. Abschnitt 2.7) zum Einsatz, die mittels hoher Standardisierung am Markt Vergleiche zwischen verschiedenen Derivateanbietern ermöglichen. Im Zentrum „zinsoptimierender“ Maßnahmen dagegen stehen regelmäßig hochkomplexe Derivatekonstruktionen, deren Ausprägungen jede Bank zudem so individuell gestaltet, dass ein Marktvergleich kaum möglich ist. • Kosten: In der Überprüfung der Kostenkalkulationen von Derivaten zeigt sich häufig, dass die komplexeren, „zinsoptimierenden“ Derivate um ein Mehrfaches höhere Bankmargen in sich tragen als ihre einfacheren, risikomindernden Pendants. Dabei ist es gleichsam ein finanzwirtschaftliches „Naturgesetz“, dass die „zinsoptimierenden“ Derivate riskant sein müssen, weil ihr Gelingen unstreitig von unsicheren Prognoseerfolgen abhängt. Die prognostizierte Größe muss unsicher sein, weil anderenfalls gar keine Chance bestünde, mit einer Prognose Geld zu verdienen.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Beispiel 7.03 a): Ein „3,124% Forwardpayerswap 6-M-Euribor 2022/43“ hat aus Sicht einer Kommune folgende Bedeutung: Diese hat nach Ablauf der Vorlaufzeit im Jahre 2022 halbjährlich bis zum Jahre 2043 eine feste Zahlung zu leisten, die sich aus der Multiplikation eines festen, taggenau angewendeten Prozentsatzes von 3,124% p.a. auf ebenfalls feststehende, womöglich für jede Halbjahresperiode individuell geltende Nominalbeträge ermittelt. Diesen festen Zahlungsverpflichtungen stehen variable Zahlungsansprüche der Kommune gegenüber, deren Höhe jeweils zu Beginn einer Halbjahresperiode aus dem dann geltenden Niveau des Referenzzinssatzes „6-Monats-Euribor“ auf dieselben Nominalbeträge hergeleitet wird. Bei diesem handelt es sich um einen Durchschnittszinssatz, der banktäglich aus den Zinssätzen für Kreditgeschäfte sechsmonatiger Fristigkeit unter Banken festgestellt wird. Angenommen, der einer Halbjahresperiode zugedachte Nominalbetrag sei genau zehn Mio. Euro und der 6-Monats-Euribor werde am fraglichen Zeitpunkt mit 5,124 Prozent festgestellt. Dann ergibt sich per Saldo zugunsten der Stadt ein Zahlungsanspruch von (5,124% minus 3,124%) dividiert durch 2 [wegen Halbjahr] mal 10 Mio., also genau ein Prozent von 10 Mio., mithin 100.000 Euro. Würde alternativ der 6-Monats-Euribor am fraglichen Zeitpunkt nicht mit 5,124 Prozent, sondern 1,124 Prozent festgestellt, ergäbe sich in analoger Rechnung ein Ergebnis selben Betrages, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen, sprich per Saldo eine Zahlungsverpflichtung der Stadt gegenüber der Bank von 100.000 Euro.

Aus dem Beispiel ersieht man leicht, dass der Payerswap für sich genommen Risiken birgt, weil aufgrund des unbekannten künftigen Euriborzinssatzes unsicher ist, welcher Vertragspartner per Saldo welchen Betrag zu entrichten haben wird. Gleichwohl ist ein Forwardpayerswap als Instrument der Zinssicherung verbreitet. Dieser Verbreitung liegt die Anwendung zugrunde, nach Ablauf der Vorlaufzeit den dann – zufolge der abgelaufenen Forwardlaufzeit – gewöhnlichen Payerswap durch Abschluss eines variabelverzinslichen Kredites (identischer Euriborreferenzierung und selben Nominalbetrages wie der Swap) zu ergänzen. Wird das getan, kompensieren nämlich der Höhe nach unsicherer Zahlungsanspruch aus dem Swap und der Höhe nach ebenfalls unsichere Zahlungsverpflichtung aus dem Kredit in perfekter Weise und münden so in eine risikofreie Gesamtposition, die man auch als „synthetischen Festzinskredit“ bezeichnet. Dies wird idealtypisch aber nur auf dem finanzwirtschaftlichen Reißbrett erreicht, weil in der Praxis einige Restrisiken verbleiben, die insbesondere in folgenden Voraussetzungen sichtbar werden: • • • •

Es muss sicher sein, dass das Kreditvolumen in einer dem Swapnominal entsprechenden Höhe tatsächlich benötigt werden wird. Es muss sicher sein, dass der Swapkontrahent seinen etwaigen (Netto-) Zahlungspflichten stets vertragsgerecht nachkommen wird. Es muss sicher sein, dass der variabelverzinsliche Kredit auf Euribor-Basis ohne Zuschlag oder zumindest mit einem im Vorhinein bekannten Zuschlagsniveau beschaffbar sein wird. Es muss organisatorisch sichergestellt sein, dass nach Ablauf der – mitunter beträchtlich langen – Vorlaufzeit des Swaps entsprechend gedacht wird, also nicht „aus Versehen“ doch ein Festzinskredit abgeschlossen wird.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

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Zumindest die letzten beiden Voraussetzungen sind in praxi oftmals als verletzt zu beobachten. Beispiel 7.03 b): „Zinsoptimierung“ (vgl. auch „Ladderswap“, Abschnitt 7.1.2.4): CHF-Swap Ein „CHF-Swap“ ist eine Erfindung der ehemaligen, mittlerweile in Abwicklung befindlichen Westdeutsche Landesbank Girozentrale (WestLB), dessen Gestalt vom traditionellen Zinsswap recht weit entfernt ist, von der WestLB gleichwohl deutschen Städten, Gemeinden und kommunalwirtschaftlichen Betrieben als Instrument eines „Zins- und Schuldenmanagements“ empfohlen wurde. Wir wollen dieses Instrument folgend an einem leicht vereinfachten, anonymisierten Praxisbeispiel vorstellen und diskutieren: Dieser “Swap” ist eine Vereinbarung wechselseitiger Zahlungsansprüche und Zahlungspflichten zu 40 festgelegten Zahlungsterminen in den Jahren 2011 bis 2021. Danach schuldet die Bank der Stadt quartalsweise ein Viertel von 3% des Nominalbetrages (1,4 Mio. Euro), die Stadt der Bank quartalsweise ein Viertel von nur 2,5% des Nominalbetrages, jedoch zuzüglich eines sog. “Basissatzes”. Dieser – gleich näher zu erläuternde – Basissatz ist abhängig vom Devisenkurs des Euro zum Schweizer Franken. Der Basissatz kann positiv oder negativ werden, jedoch bewirkt eine weitere Vereinbarung (“Mindestsatz”), dass der Basissatz die Gesamtzahlungspflicht der Stadt nur erhöhen kann, nicht aber verringern. Das bedeutet für jeden Zahlungstermin: Ist der Basissatz null oder negativ, hat die Bank der Stadt per Saldo ein Viertel von 0,5% zu zahlen (1.750 Euro). Ist der Basissatz hingegen größer als null, so verringert sich der Zahlungsanspruch entsprechend bzw. schlägt in eine Zahlungsverpflichtung der Stadt um. Betrag und Vorzeichen des Basissatzes ergeben sich für jeden der 40 Zahlungstermine aus dem zwei Bankarbeitstage vor dem Zahlungstermin um 10 Uhr New Yorker Zeit geltenden Devisenkassakurs CHF/EUR. Dieser Kurs gibt an, wie viel Schweizer Franken und Rappen am Devisenmarkt für einen Euro gezahlt werden (zum Beispiel 1 Franken und 25 Rappen, das heißt ein Schweizer Franken kostet ca. 80 Eurocent). Der Basissatz errechnet sich nach folgender vertraglich vereinbarten Formel: Basissatz = (1,3985 – Kurs) / Kurs * 100% Beispiele: Für einen Kurs von 1,20 ergibt sich demnach ein Basissatz von (1,3985 – 1,20) / 1,20 * 100% = 0,1985 / 1,20 * 100% = 16,54% und damit ein Zahlungsanspruch der Bank gegen die Stadt von 0,25 * (16,54 +2,5 – 3) / 100 * 1,4 Mio. = ca. 56.000 Euro.

Für einen Kurs von 1,3985 ergibt sich ein Basissatz von (1,3985 – 1,3985) / 1,3985 * 100% = 0 % und damit ein Zahlungsanspruch der Stadt gegen die Bank von 0,25 * 0,5 / 100 * 1,4 Mio. = 1.750 Euro.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Ein solcher Zahlungsanspruch ergäbe sich wegen der oben erwähnten Mindestsatzklausel auch für Kurse oberhalb 1,3985, weil dann der Basissatz negativ würde. Somit kann für eine Bewertung ist die vorstehend skizzierte Vereinbarung in zwei Einzelkomponenten zerlegt werden: (1) Fester, unbedingter Zahlungsanspruch der Stadt gegen die Bank von 0,5% p.a.; (2) bedingte Zahlungspflicht der Stadt, die entweder null schuldet oder (1,3985 – Kurs) / Kurs in % p.a. Die erste Komponente ist einfach zu bewerten. Sie entspricht dem Barwert 40 künftiger Zahlungen über je 1.750 Euro, das sind ca. 60.000 Euro (aus Sicht der Stadt also insoweit ein positiver Marktwert, aus Sicht der Bank ein negativer). Die zweite Komponente gleicht dem Zahlungsprofil (des Stillhalters = Verkäufers) einer Devisenoption. Eine Option vermittelt bekanntlich ihrem Käufer das Recht (aber nicht die Pflicht), einen bestimmten Basiswert (z.B. Wertpapiere, Waren oder fremde Währung) zu einem üblicherweise bereits bei Vereinbarung der Option festgelegten Preis (dem sog. Basispreis) später vom Verkäufer der Option zu kaufen (Kaufoption) oder dem Verkäufer der Option zu verkaufen (Verkaufsoption) – unabhängig davon, wie der Marktpreis des Basiswertes zwischen Abschluss und Wahrnehmung der Option sich entwickelt haben mag (vgl. Abschnitte 5.2/5.3). Formal notiert man den (Zahlungs-) Anspruch aus einer Verkaufsoption üblicherweise wie folgt: max (0; Basispreis minus Basiswertmarktpreis), womit man ausdrückt, dass der Wert einer Verkaufsoption im Zeitpunkt einer möglichen Ausübung dem Größeren zweier Werte gleicht, nämlich null oder der Differenz zwischen Basispreis und Marktpreis des Basiswertes bei möglicher Ausübung der Option. Ist diese Differenz nämlich negativ, also der Marktpreis des Basiswertes größer als der Basispreis, so unterlässt der Käufer der Verkaufsoption es schlicht, dem Verkäufer der Verkaufsoption den Basiswert tatsächlich zu verkaufen, weil dieser ja mehr wert ist als der vereinbarte Basispreis. Für die Position der Bank gegen die Stadt an jedem der 40 Termine kann man ihren Wert vereinfacht je Euro Nominalbetrag notieren als: max [0; (1,3985 – Kurs) / Kurs] oder umgeformt 1 / Kurs * max (0; 1,3985 – Kurs). Damit ist zweierlei festzustellen: • Der zweite Multiplikand entspricht dem Ausübungswert der jeweiligen Devisenoption an ihrem Fälligkeitstag. • Der erste Multiplikand schafft eine weitere Abhängigkeit vom Devisenkurs. Hierdurch wird erreicht, dass das Ergebnis aus dem Swap trotz dessen Eurodenominierung exakt dem Ergebnis einer entsprechenden Devisenoption gleicht, dessen in Heimatwährung ausgedrückter Ausübungswert stets ebenfalls in doppelter Weise vom Fremdwährungskurs abhängt. (Je „weiter weg“ der Kurs, desto höher ist zum einen der für die Ausübung maßgebliche Differenzbetrag und zum anderen der Wert dieses Fremdwährungsbetrages in Heimatwährung.) Damit vereinfacht sich auch die von der Bank mutmaßlich betriebene Absicherung ihrer Position am Devisenoptionsmarkt.

7.2 Ausgewählte „kritische“ Finanzdienstleistungen

423

Es handelt sich insgesamt um vierzig von der Stadt an die Bank verkaufte Euroverkaufsoptionen mit Optionslaufzeiten von 15 bis 135 Monaten über einen Nominalbetrag von je 350.000 Euro (ein Viertel von 1,4 Mio.). Basiswert der Verkaufsoption ist der Euro, der Basispreis je Euro beträgt 1,3985 CHF. Zu berücksichtigen ist, dass im Zuge des Abschlusses dieses Vertrages ein anderer mit (von der WestLB nicht beziffertem) negativem Marktwert abgelöst bzw. „eingepreist“ wurde. Risikoaspekte Mutmaßlich nur vermittels der komplexen Konstruktion hat es die Bank vermocht, ein Derivat mit einem Nominalbetrag von 1,4 Mio. Euro zu kontrahieren, in dem Devisenoptionsgeschäfte über ein Nominal von über 10 Mio. Euro eingebettet sind. Neben dem außergewöhnlich hohen Nominal entsteht ein besonderes Risiko für die Stadt dadurch, dass sie bei diesen impliziten Devisenoptionsgeschäften stets die Stillhalterposition (Optionsverkäuferin) einnimmt, die ein theoretisch unbegrenztes Verlustrisiko beinhaltet, weil sie zum einen ungedeckt (die Stadt hat keine Frankenposition) und zum anderen unlimitiert ist (es existiert kein „Cap“). Ungedeckte Stillhaltergeschäfte gehören aber zum Gefährlichsten, was auf den Finanzmärkten abzuschließen ist. Erschwerend kommt bei der über das Derivat gehebelten Position hinzu, dass ein Großteil der üblichen Stillhalterprämie durch die Marge der Bank verzehrt wird, wodurch die Chance für den Kunden, langfristig von solchen Geschäften Gewinn zu nehmen, beträchtlich gemindert ist, wenn nicht gegen null geht. Dieser Gesetzmäßigkeit könnte man nur dann entgehen, wenn entsprechende Prognosen „gegen den Markt“ dauerhaft gelängen. Die prognostizierte Größe muss unsicher sein, weil anderenfalls gar keine Chance bestünde, mit einer Prognose Geld zu verdienen. Man müsste also der Meinung sein, die eigenen Prognosen oder jene der Bank seien so exzellent, dass sie neben den hohen Bankmargen noch derart erkleckliche Zahlungsüberschüsse gestatteten, dass sich ihr Risiko rechtfertigte. Diese Meinung beinhaltet aber unvermeidlich die Überzeugung, künftige Kurse oder Zinssätze besser vorhersagen zu können als Zigtausende professioneller Finanzmarktteilnehmer, deren kollektives Wissen gleichsam sekündlich in Kursen und Marktzinssätzen niederschlägt. Würdigung Der betrachtete CHF-Kontrakt stellt im Wesentlichen ein kompliziert verpacktes Stillhaltergeschäft dar, dessen korrespondierender Prämienertrag zu einem beträchtlichen Teil zur Deckung früherer Verluste sowie zur Margendeckung der Bank verwendet wurde. Infolge dieser Sachverhaltskombination entstand zwangsläufig ein ausgeprägt asymmetrisches Chance-/Risiko-Profil, wie nachstehende Graphik bildlich verdeutlicht.

424

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Vereinfachtes Gewinn-Verlust-Profil beim CHF-Swap im historischen Devisenkursspektrum aus Sicht der Stadt

€1.000.000

1,70 1,66 1,62 1,58 1,54 1,50 1,46 1,42 1,38 1,34 1,30 1,26 1,22 1,18 1,14 1,10 1,06 1,02

€0 (€1.000.000) (€2.000.000) (€3.000.000) (€4.000.000) (€5.000.000) (€6.000.000) m Rahmen begleitender Beratungen suggerierte die WestLB, bei den Derivategeschäften handele es sich um „zinsoptimierende“ Maßnahmen eines Zins- oder Schuldenmanagements, die in einem finanzwirtschaftlichen Zusammenhang zum Schuldenportfolio der Stadt stünden. Dies trifft freilich nicht zu. Vielmehr handelt sich um Geschäfte, die losgelöst von den Schulden der Stadt stehen und mit dem einen Ziel der Erwirtschaftung von Zahlungsüberschüssen aus den Derivaten abgeschlossen wurden. Wären diese Derivatgeschäfte tatsächlich für eine (verschuldete) Stadt als vorteilhaft zu bezeichnen gewesen, so wären sie dies auch für praktisch jede andere verschuldete oder nicht verschuldete Kommune oder Unternehmung gewesen. Tatsächlich hätten sie dies aber nur bei dauerhaft überdurchschnittlich erfolgreichen Prognoseleistungen sein können. Dieser Ansatz ist strittig. Der Schluss vieler wissenschaftlicher Studien ist, dass derart erfolgreiche Finanzmarktprogosen nicht möglich sind, während Bankpraktiker oftmals das Gegenteil behaupten. Ein eindeutiger Entscheid über diesen Streit ist unmöglich. Sicher ist: Der Ansatz birgt zum einen erhebliche Prognoserisiken, zum anderen bestünden auch bei einem Vertrauen auf Prognoseleistungen bessere Instrumente als das hier betrachtete WestLB-Derivat. Als Fazit ist festzuhalten, dass auf diese Weise ohne den Einsatz von Eigenmitteln hochriskante Finanzgeschäfte abgeschlossen wurden, die mit den Schulden deutscher Kommunen in aller Regel in keinem Zusammenhang stehen.

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung

7.3

Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung

7.3.1

Allgemeine Kritik an Beratungs- bzw. Vermittlungsleistungen

425

Finanzdienstleistungen finden wie andere Leistungen auch auf insbesondere zwei Arten ihren Weg zum Leistungsempfänger: •

Sie werden auf Initiative des Kunden erworben, der sich eigenständig entschieden hat, und beispielsweise deswegen eine Bankfiliale aufsucht, um 225 Anteile am Investmentfonds mit der WKN 980230 zu erwerben. • Oder die Initiative geht von einem Finanzdienstleister aus, der z.B. einen seiner Kunden anruft und diesem nahelegt, in Aktien eines vietnamesischen Kakaoproduzenten zu investieren. Der erste Fall steht weniger im Zentrum der Kritik als der zweite, weil der Kunde im ersten Falle sozusagen als „selbstverantwortlich“ für die Folgen der Investitionsentscheidung angesehen wird. Unsere Betrachtungen beziehen sich auf den zweiten Fall. „Mischfälle“, wie etwa jenen Kunden, der mit relativ festen Zielvorstellungen eigeninitiativ das Gespräch mit einem Finanzdienstleister sucht und sich erst dann endgültig entscheidet, werden nicht explizit betrachtet. Wie in der Vorbemerkung zu diesem Kapitel 7 erläutert, erfolgen die hier zu machenden Ausführungen nun ausschließlich unter dem Blickwinkel der geübten Vertriebspraktiken, es geht hingegen nicht mehr um die bisher behandelte Qualität einer wie auch immer vertriebenen Finanzdienstleistung an sich. Ein wesentlicher Anstoßpunkt für jene Finanzdienstleistungskritik, die man eben als Kritik am Vertrieb einordnen muss, ist der Sachverhalt, dass der Verkäufer bzw. Vermittler einer Finanzdienstleistung sich zugleich als Berater geriert oder eine Beratung zumindest von ihm erwartet wird. Dieser Aspekt des Finanzdienstleistungsvertriebs ist aber nicht finanzspezifisch. So erwartet und erhält man regelmäßig auch bei nichtfinanziellen Dienstleistungen oder Sachleistungen vom Schuh- bis zum Autoverkäufer eine die Verkaufsbemühungen begleitende, mehr oder weniger profunde Beratungsleistung. In die Kritik ist aber insofern einzustimmen als dass Finanzdienstleister häufig in ihrem Marktauftritt eine ganz besondere Beratungskompetenz herausstreichen und oftmals den Eindruck erwecken als bestünde ihr eigentlich zentrales Anliegen – der Absatz ihrer oder die Vermittlung fremder Leistungen – überhaupt gar nicht. So existieren in Deutschland viele kleinere und einige sehr große Gesellschaften, die mit dem Etikett der Beratungsleistung operieren, obgleich ihr wesentlicher und einzig umsatzbringender Unternehmensgegenstand die Vermittlung von Finanzdienstleistungen anderer Finanzdienstleister (Finanzintermediäre) – hauptsächlich an Private – ist. Diese Gesellschaften bemühen sich geradezu darum, ihre Wahrnehmung am Markt auf das Prädikat „Beratung“ hin- und vom Verkauf wegzulenken. Suggeriert wird dies mit Schlagwörtern wie „objektiver Vermögensberatung“, „unabhängiger Finanzoptimerung“ und ähnlichem. Damit entsteht eine beträchtliche Diskrepanz zwischen beabsichtigter Außenwirkung dieser vermittelnden Finanzdienstleister und ihrer de facto gelebten Innenkultur, die nämlich den Verkauf in den Mittelpunkt ihrer Anstrengungen stellt. So richtet sich die Entlohnung ihrer Mitarbeiter – die als „Berater“, nicht etwa „Verkäufer“ bezeichnet werden – denn auch sehr stark, häufig ausschließlich, nach deren Umsatz. Das Bekenntnis, dass langfristig nur der gut bera-

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

tene Kunde den Unternehmenserfolg sichere, dürfte häufig doch der kurzfristigen Notwendigkeit nach Umsatzerzielung geopfert werden müssen. Dies ist im finanzintermediären Geschäft im engeren Sinne – also Finanzdienstleistung ohne Vermittlung (vgl. Abschnitt 1.1.2.1) – traditionell anders. So unterhalten etwa Sparkassen oder private Universalbanken Mitarbeiter in der „Kundenberatung“, deren Entlohnung zum großen Teil unabhängig davon ist, wie viele Kredite oder Einlagen die betreuten Kunden bei dem Kreditinstitut kontrahieren. Gleichwohl führt auch hier selbstverständlich nichts daran vorbei, dass der Finanzintermediär seine Mitarbeiter zum Absatz von Geschäft anhalten muss. Provisionen für Beratung: Die Beratungsleistung eines Finanzdienstleisters wird häufig über Vermittlungsprovisionen vergütet, die der Anlageanbieter (zum Beispiel eine Versicherung, Bank oder Kapitalverwaltungsgesellschaft) an den vermittelnden Berater (etwa ein freier Berater oder ein Anlageberater einer Bank) bzw. dessen Arbeitgeber zahlt. Hieran ist nichts zu ändern, denn irgendwie muss die Beratungsleistung bezahlt werden und die reine Honorarberatung ist ein Ausnahmefall. Allerdings wird die Provisionshöhe in der Regel dem Kunden nicht bekannt gemacht, so dass dieser nicht weiß, was die Beratungs- und Vermittlungsleistung, die letztlich doch der Kunde trägt – und zwar auch für solche Beratungs-/Verkaufsbemühungen, die durch Interessenten entstanden, die später nicht Kunde wurden – an Kosten verursacht. Häufig bewegt sich die Provision im Bereich von 1 bis 5 Prozent der angelegten oder aufgenommenen (Kreditprovision) Geldsumme. Daher ist zu bedenken, dass Anlagen, die mit einer begleitenden Beratung versehen sind, zwangsläufig mit höheren impliziten Transaktionskosten belastet sind, zumal der gewonnene Kunde die Kosten der Beratung des nichtgewonnenen Kunden mitzutragen hat. Entscheidend ist, ob der Anleger denn der Beratung bedarf und falls ja, ob die Beratung gut ist oder womöglich gerade die Provisionsentlohnung eine gute Beratung vereitelt.

Das zentrale Problem jeder als Beratung verschleierter Verkaufstätigkeit ist eine ausgesprochene Disharmonie zwischen den Zielen von Verkäufern und Kunden: Ganz häufig ist bei Finanzdienstleistungen das, was für den Kunden gut ist, leider schlecht für den Verkäufer/Vermittler und das was für den Kunden schlecht ist, gut für den Vermittler. Dieser auch mit noch so ziselierten Konzepten ganzheitlicher oder sonst wie verzauberter „Beratung“ nicht zu eliminierende, natürliche finanzwirtschaftliche Zusammenhang hat einen ganz einfachen Grund: Jeder Cent, der innerhalb einer Finanzdienstleistung vom Finanzdienstleister vereinnahmt wird, kann nicht mehr dem Kunden zugutekommen und zehrt an dessen Rendite bzw. erhöht seine Finanzierungskosten. So – verdient eine Bank umso mehr im Effekten- und Investmentgeschäft, je stärker sie ihre Kunden zum Handel mit Wertpapieren bzw. der Umschichtung von Investmentfondsanteilen animieren kann, – verdient ein Vermittler umso mehr, je höher der Provisionssatz einer Lebensversicherung bemessen ist und je höher die Versicherungssummen ausfallen, von dessen Abschluss er seine Kunden zu überzeugen vermochte, gleich, ob diese der Versicherungsleistung überhaupt bedürfen oder nicht,

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung –

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verdient eine Bank umso mehr Zinsmargenbeträge, je größer der Kreditzinssatz und je höher das kreditierte Volumen. Diese Problematik verschärft sich durch ein natürliches Kompetenzgefälle zwischen Kunden und Finanzdienstleister, das unter anderem deswegen erheblicher ausgeprägt zu sein scheint als bei Sachleistungen, weil der „Preis“ der verkäuferischen Leistung für den Externen schwer abzuschätzen ist. So hat der Schuh- wie der Autokäufer in der Regel eine gewisse Vorstellung von dem Charakter des Handelsgeschäftes, das der Verkäufer betreibt und auch eine im Alltagsleben an erworbene Sachkundschaft, die ihm bezüglich der Preiswürdigkeit offerierter Sachleistungen mehr oder weniger fundierte Preisvergleiche anzustellen in die Lage versetzt. Aus irgendeinem Grund ist das bei Finanzdienstleistungen ein wenig anders. Der Kunde hat oft nur geringe Kenntnis von der Kalkulation des Verkäufers oder Vermittlers. So wissen beispielsweise viele Bankkunden nicht, dass die ihnen verkauften Aktien- und Immobilienfondsanteile ein Agio von üblicherweise 5% der Anlagesumme gekostet haben, obwohl das mit ein wenig Sachverstand und etwas Zeit doch recht problemlos den entsprechenden Vertragsunterlagen zu entnehmen ist. Hinzu kommt, dass viele Finanzdienstleistungsempfänger, anders als beim Kauf von Schuhen oder Automobilen, bei einem Vergleich von nicht vollständig übereinstimmenden Leistungen die Preiswürdigkeit der Unterschiede nicht sachkundig beurteilen können. So fällt es ihnen etwa schwer, den gerechtfertigten Prämienunterschied für eine Unfallzusatzversicherung in Lebensversicherungsprodukten oder den Wert einer höheren Witwenrente beim Abschluss privater Rentenversicherungen zu bewerten. Gleiches gilt erst recht von der Beurteilung bedingter Leistungen in modernen Finanzprodukten, wie wir sie im Abschnitt 7.2.1.3 besprochen haben. Von solchen Beispielen ließen sich noch vielerlei mehr anführen. Und genau diese Kundenüberforderung in der vielzitierten „Unüberschaubarkeit“ der Finanzangebote adressieren ja die „Beratungsansätze“ zahlreicher Vertriebsorganisationen in ihren Konzepten. Ihr besonderer Hinweis gilt dabei ihrer Unabhängigkeit, weil sie für viele verschiedene Finanzintermediäre vermittelnd tätig sind und nicht nur für einen einzigen. Das Argument ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, entbindet aber ihre Mitarbeiter nicht im mindesten von dem Druck, ihr Einkommen über den Absatz entsprechend attraktiv verprovisionierter Finanzdienstleistungen zu erzielen. So verteilen sich die von diesen Vermittlungsgesellschaften an ihre Kunden abgesetzten Finanzdienstleistungen denn durchaus auf mehrere Finanzintermediäre; nur gehören dazu typischerweise gerade jene nicht, die in fürwahr objektiven Vergleichen regelmäßig als besonders günstig auffallen. Fazit: Die Kritik hat recht, wenn sie den Finanzdienstleistungskunden häufig als überfordert ansieht. Sie hat natürlich weiter recht, wenn sie den Verkäufern Eigeninteressen unterstellt. Und nach der herrschenden Sachlage hat sie wohl auch recht, wenn sie behauptet, dass diese oftmals ihre eigenen Verkaufsinteressen über die ihrer Kunden stellen und ihren Kompetenzvorsprung auszunutzen wissen, was den Kunden zu suboptimalen Ergebnissen verhilft. Sollte uns all das verwundern? Finanzdienstleister sind auch nur Gewerbetreibende, also wie Schuh- und Automobilhändler auf Maximierung ihrer Gewinne fixiert, und dieses Ziel deckt sich nun einmal häufig nicht mit dem der Kunden. Etwas härter finden sich diese doch eigentlich recht klaren Verhältnisse in Thomas Manns Kaufmannsroman „Buddenbrooks“ in dem ebenso klaren, etwas überspitzten Ausspruch beschrieben: „Eigentlich und bei Lichte besehen sei doch jeder Geschäftsmann ein Gauner“.

428

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Was bliebe, diesem Umstande abzuhelfen? Insbesondere zwei Lösungsansätze sind vorstellbar: 1. Der Finanzdienstleistungskunde beseitigt oder vermindert die attestierte Informationsasymmetrie, indem er entsprechend aufbereitete Fachinformationen nutzt oder z.B. dieses Buch liest, oder 2. der Kunde unterlässt diese zugestandenermaßen zeitraubende Lösung und versucht, eine Zielharmonie zwischen Berater- und Eigeninteresse herzustellen, indem er einen „echten“ Berater anheuert, der ausschließlich an Honoraren verdient. Die Honorarberatung ist der kurzfristig teurere, aber vermutlich langfristig günstigere Weg in der Finanzgestaltung bzw. der Inanspruchnahme von Finanzdienstleistungen. Sie wird in Deutschland seit geraumer Zeit angeboten, macht aber gleichwohl nur einen verschwindend geringen Bruchteil des maßgeblichen Marktes aus.

7.3.2

Kritik an ausgewählten Informationsleistungen

7.3.2.1 Börsendienstliche Anlageempfehlungen und -systeme (1) Börsendienste – Bärendienste? Zu den Finanzdienstleistungen im weiteren Sinne gehören auch Informationsleistungen von Börsendiensten (vgl. Abschnitt 1.1.2.3 (2)). Trotz ihrer Beliebtheit beim Anlagepublikum wird von der Finanzierungswissenschaft immer wieder Kritik an ihrer Nützlichkeit vorgetragen. Im Kern geht es um eine einzige Fragestellung: Erzielt der Anleger, der den Hinweisen dieser professionellen Empfehlungsgeber folgt, überdurchschnittliche Anlageergebnisse? Damit dies möglich ist, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein: 1. Den Empfehlungsgebern müssen dauerhaft erfolgreiche Prognosen über die künftigen Wertpapierpreise gelingen. 2. Die Veröffentlichung der Prognosen, die mit dem Betreiben eines Börsendienstes zwangsläufig einhergeht, darf nicht dazu führen, dass die Börsenpreise der empfohlenen Wertpapiere so stark auf eine Empfehlung reagieren, dass die Empfehlung obsolet wird. Anders gesagt: „Der Markt“ in seiner Breite darf den publizierten Empfehlungen keinen besonderen Glauben schenken, obgleich diese sich langfristig immer wieder als korrekt erweisen müssten. Die Empfehlungsgeber müssen also dem Markt in der Tat ein gutes Stück voraus sein. Das ist keine geringe Voraussetzung. Des Weiteren darf die Menge der Empfehlungsnehmer keinen zu großen Einfluss auf das Kursgeschehen haben. Prognosen: „Vor Prognosen soll man sich unbedingt hüten, vor allem vor solchen über die Zukunft.“ (Mark Twain)

Einschätzungen über die Zukunft werden häufig unter dem Begriff der „Prognose“ verbreitet. Letztlich können seriöse Prognostiker auch nichts anderes als einen statistischen Erwartungswert schätzen, aber der Anspruch, den Anbieter und Nachfrager von Prognosen an diese stellen, ist häufig höher gesetzt und teilt der Prognose eher den Charakter einer Prophezeiung zu, verbunden mit der entsprechenden Enttäuschung, wenn diese nicht eintritt. Es soll hier nicht über Prognosen und ihre Treffergenauigkeit im Allgemeinen referiert werden. Doch eine Binsenweisheit sollte man bei der Lektüre einer Prognose immer berücksich-

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung

429

tigen: sie wird vermutlich nicht eintreffen. Dieser Grundsatz ist praktisch unabhängig vom prognostizierten Gegenstand, wenngleich natürlich erhebliche graduelle Unterschiede in der Prognostizierbarkeit von Größen bestehen. So lässt sich etwa der nächste Tagesumsatz eines Karstadt-Kaufhauses einfacher prognostizieren als die Inflationsrate Venezuelas im nächsten Jahr. Noch schwieriger, um nicht zu sagen: fast unmöglich, ist die Prognose von Anlagepreisen, weil gerade jene Daten, derer sich der Prognostiker bei der Erstellung seiner Prognose üblicherweise bedient, bereits den Preis der Anlage beeinflusst haben, in ihm geradezu schon „enthalten“ sind. Die Prognose fundamentaler Faktoren (wie Schuldnerbonitäten, Umsätze, Marktanteile) ist daher scharf von einer Prognose von Anlagepreisen bzw. Anlagerenditen zu unterscheiden. Während die erstere Art zwar mehr oder minder erheblichen Problemen begegnet, ist sie doch einfacher als eine Anlagepreisprognose, weil in den Anlagepreis regelmäßig alles fundamental Prognostizierbare – und sei es nur mit einem vagen Erwartungswert – bereits eingeflossen ist. Die Anlagepreisprognose findet also gleichsam in einer um eine Dimension komplexeren, die Fundamentalprognose umschließenden und überhöhenden Ebene statt. Statt einer Vertiefung sei diese „Warnung“ vor Prognosen mit einer Anregung geschlossen: Wer mehr über die Genauigkeit von Prognosen erfahren möchte, der möge sich einmal die Zeit nehmen und in einer Bibliothek in den gebundenen Exemplaren alter Tageszeitungen oder Wirtschaftsmagazinen stöbern. Dort finden sich häufig Artikel oder Interviews prognostischen Inhalts, die oft schnell wieder vergessen werden. Gleichwohl werben Empfehlungsgeber immer wieder mit ihren Prognosen aus der Vergangenheit, die sie nachweislich und erfolgreich getätigt haben. Ist das nicht ein Beleg für die Prognosefähigkeit von Börsenpreisen? Es ist eher Ausfluss eines anderen einfachen Zusammenhangs. Prognosen über Anlagepreise werden viele gemacht. Ganz natürlich stellen sich zwangsläufig einige davon als korrekt heraus. Ebenso natürlich machen die Urheber der korrekten darauf mehr Hinweise als das Gros der anderen. Wer viele Prognosen macht, weist auf die gelungenen in späteren Aussagen zum selben Thema gerne hin, zu den missglückten schweigt er. Beispiel 7.04: Ständig sagt irgendein „Untergangsguru“ einen Börsenkrach voraus. Im Oktober 1987 gehörte zu ihnen eine Analystin eines amerikanischen Finanzdienstleisters, Elaine Garzarelli, die in der überregionalen, amerikanischen Tageszeitung „USA Today“ den Lesern empfahl, alle Aktien zu verkaufen, weil ein dramatischer Kursverfall von 500 Punkten (gut 20%) im Dow Jones Index unmittelbar bevorstünde. Die Voraussage von Mrs. Garzarelli hatte zu denen ihrer zahlreichen Standeskollegen einen einzigen Unterschied: sie traf zu(fällig); einige Tage später (am 19. Oktober) erlitt die Wall Street den zweitgrößten prozentualen Tagesverlust ihrer Geschichte und verlor tatsächlich 508 Indexpunkte. Diese extrem geglückte Prognose genügte, Weltruhm in der Investmentbranche zu erreichen und noch heute wird Mrs. Garzarelli in Kolumnen als Vorhersagerin des ‘87er Börsenkrachs vorgestellt. In den Jahren danach ist sie durch nichts anderes als diesen Kult-Status aufgefallen und es ist unwahrscheinlich, dass sie in ihrem verbleibenden Arbeitsleben eine ähnlich treffende Prognose abliefern wird.

430

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Die Untersuchungen einzelner Börsendienste kommen regelmäßig zu ernüchternden Ergebnissen. Genannt sei aus der Fülle der Studien diejenige mit dem erheblichsten Umfang der untersuchten Dienste. Sie stammt aus dem Jahr 1998. Jaffe/Mahoney werteten mit Hilfe des Sekundärdienstes „Hulbert Financial Digest“, die Empfehlungen aller bekannten amerikanischen Börsenbriefe aus. Damit entstand eine äußerst umfassende Analyse der Leistung öffentlicher Empfehlungsgeber. Sie fanden heraus, dass die Anlagedienste zwar voneinander unabhängig agierten, jedoch ihren Lesern keinen wesentlichen Informationsnutzen vermitteln konnten. Die Rendite der empfohlenen Wertpapiere unterschied sich nicht vom Marktdurchschnitt.103 Studien zu deutschen Empfehlungsdiensten sind extrem rar, und beziehen sich lediglich auf deren kurzfristige Verwertbarkeit. Pieper/Schereck/Weber stellen fest, dass diese für Kaufempfehlungen des „Effecten-Spiegels“, dem wohl auflagenstärksten Dienst seiner Art, nicht gegeben ist.104 (2) „Anlagesysteme“ Anfang 2002 startete ein deutsches Börsenmagazin ein Musterdepot, das mit „Money Management und Charttechnik“ hohe Renditen bei begrenztem Risiko durch häufigen Handel mit Wertpapieren erstrebte. Kern des „Systems“ ist eine Formel, nach der man berechnen soll, welcher Betrag in ein bestimmtes Wertpapier angelegt wird. Das System zeigt an, ab welcher Verlustschwelle ein eingetretener Verlust realisiert werden muss, auf dass weiterer Schaden vom Aktiendepot des Anlegers ferngehalten werde. Dieses System konsequent durchzuhalten sei „Grundlage für eine positive Performance“. Und weiter: „Money Management ist das Zauberwort, das die Tür zum langfristigen Börsenerfolg öffnet.“105 All das ist freilich von zweifelhaftem Nutzen. Das einzige, was das System wirklich kann, ist den Verlust eines Anlegers in einem ganz bestimmten Wertpapier zu begrenzen. Das geht aber auch ohne den vermeintlichen Zauber irgendwelcher Formeln. Wer sich nach spätestens zehn Prozent Verlust von einer Aktie trennt, begrenzt freilich den Verlust in dieser Aktie. Doch wohin mit den verbliebenen neunzig Prozent? In eine neue Aktie, mit der das „Risikomanagement“ von vorne beginnt. Doch ändert das weder etwas am bereits erlittenen Kapitalverzehr noch am Verlustrisiko der neu erworbenen Aktie. Das System suggeriert, wer Verluste in einer einzelnen Aktie stets klein hielte, könnte an den Aktienmärkten überdurchschnittliche Kursgewinne erzielen, ohne die natürlichen Risiken zu tragen, die eine Anlage in Aktien für all jene Normalsterblichen mit sich bringt, die das Geheimnis dieses MoneyManagements noch nicht erkannt haben. Das System könnte nur dann funktionieren, wenn jene Wertpapiere, die im Kurs gefallen sind, anfälliger für weitere Verluste sind als andere Wertpapiere. Das ist auf unseren hochentwickelten Finanzmärkten zumindest fraglich, vielleicht stimmt gerade das Gegenteil. Auf jeden Fall wäre ein Zusammenhang solcher Natur eine ausbeutbare Ineffizienz der Finanzmärkte, mit der sich viel Geld verdienen ließe. Die Finanzmarkteffizienz scheint aber, wie wir oben gesehen haben, schon hinreichend genug zu sein, um zu vermeiden, dass so professionelle Marktteilnehmer wie Fondsmanager in der Lage sind, von solchen Ineffizienzen zu profitieren. Das dürfen wir erst recht für den Privatanleger als Adressaten des MoneyManagements unterstellen. 103 104 105

Vgl. JAFFE/MAHONEY (1999). Vgl. PIEPER/SCHIERECK/WEBER (1993). Börse Online, Heft 3, 2002, S. 66 f.

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung

431

Der „Beweis“ für die Funktionsfähigkeit des Money-Management-Systems sei mit dessen Erfolg in einem früheren Jahr (30% p.a.) erbracht worden. Doch es wurde ein sehr schlechtes Börsenjahr und nach einem Jahr verschwand das Musterdepot aus der Zeitschrift. Wäre es hingegen gegen den Trend und mit Glück erfolgreich gewesen, so würbe das Magazin nun vielleicht mit dessen Rendite um neue Abonnenten. Tatsächlich verlieren Anleger, die solchen und ähnlichen Systemen folgen, im Durchschnitt dauerhaft Geld, weil sie sehr oft ihre Wertpapieranlagen umschichten müssen, was erhebliche Einbußen verursacht, der langfristig kein Nutzen entgegensteht. Empfehlungsdienste und Anlagesysteme nach der Art des „Tipps zum schnellen Gewinn“ sind daher in der Tat sehr kritisch zu betrachten. Durchaus nützlich sein können hingegen Hilfen bei der Strukturierung langfristig haltenswerter Vermögensstrukturen. 7.3.2.2 Die Leistungen der Schufa Die Schufa („Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“) gehört zu den im Abschnitt 1.1.2.3 genannten Finanzdienstleistern, die ihre Leistungen ganz überwiegend an andere Finanzdienstleister absetzen. Die Informationsleistung der Schufa ist darauf gerichtet, Informationen über (potenzielle) Geldnehmer zu sammeln und diese hauptsächlich an gewerbsmäßige Kreditgeber weiterzuleiten. Zu den Abnehmern dieser Leistung gehören neben Kreditinstituten auch Unternehmen aus Handel und Produktion, die ihren Kunden als Instrument der Absatzförderung Lieferantenkredite oder Ratenzahlungen anbieten; des Weiteren solche Dienstleister des nichtfinanziellen Sektors, deren Leistungen typischerweise Dauerschuldverhältnisse zu ihrer Kundschaft mit sich bringen, wie es etwa bei Telefongesellschaften der Fall ist. Ein wesensprägendes Merkmal der Schufa AG ist die Identität zwischen Kunde und Lieferant durch das „Prinzip der gegenseitigen Information“. Alle Vertragspartner der Schufa übermitteln der Schufa-Zentrale Daten über ihre eigenen Kunden; somit entsteht im Laufe der Zeit ein Datenkranz über Personen, die mit gewerbsmäßigen Kreditgebern Geschäftsbeziehungen unterhalten, vor allem Privatkunden von Banken. Da die meisten Personen im Laufe ihres Lebens zu verschiedenen Schufa-Vertragspartnern Geschäftsbeziehungen unterhalten, „weiß“ die Schufa praktisch immer mehr als jede einzelne Bank über eine bestimmte Person – sie führt mehrere hundert Millionen Datensätze über mehr als 60 Millionen Personen. Gespeichert werden neben Girokonten vor allem Kreditbeträge sowie etwaige Zahlungsrückstände eines Schuldners. Zudem verdichtet die Schufa die Daten jeder Person auf Basis mathematisch-statistischer Systeme zu einem individuellen „Score“ zwischen 0 und 1.000. Diese Kennziffer soll anzeigen, wie hoch die Gefahr ist, dass eine Person seinen Zahlungspflichten nicht nachkommen wird. All dieses Wissen kann jeder Schufa-Vertragspartner nach dem Prinzip der gegenseitigen Information anzapfen. Damit ist klar, aus welcher Richtung diese Finanzdienstleistung besonders kritisiert wird: Allein diese Möglichkeit der Information erregt bereits das Misstrauen vieler Datenschützer. Drei wesentliche Vorwürfe lauten: 1) Die Daten können in unberechtigte Hände gelangen. 2) Das Scoring-Verfahren ist undurchsichtig und unfair. 3) Die Aufnahme immer weiterer Vertragspartner und die damit einhergehende Vergrößerung der Datenmengen führe zu „einem detaillierteren Persönlichkeitsprofil der betroffenen Menschen" und damit würde der „gläserne Bürger“ Realität.

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7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

ad 1) Grundsätzlich übermittelt die Schufa einem Vertragspartner nur dann die zu einer Person gespeicherten Daten, wenn dieser ein „berechtigtes Interesse“ daran darlegen kann, was insbesondere im Falle eines Kreditantrags der Person der Fall ist. Doch prüft die Schufa nicht in jedem Einzelfall, ob das Interesse wirklich berechtigt ist. Damit kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die Vertragspartner bzw. deren Mitarbeiter auch Anfragen ohne Berechtigung durchführen. Tatsächlich wurden Fälle des Missbrauchs bekannt, die aber angesichts des Datenumfanges der Schufa wohl als eben nie vollständig vermeidbare Einzelfälle betrachtet werden können. ad 2) Der Vorwurf der Undurchsichtigkeit trifft zu, denn die Schufa macht nicht öffentlich, auf welchem konkreten Wege das Scoring ermittelt wird. „Unfair“ ist es zufolge seines statistischen Ansatzes zwangsläufig, als es ein Urteil abgibt, das in vielen Einzelfällen ganz gewiss falsch ist. Zum Beispiel wirkt ein häufiger Wohnungswechsel mindernd auf den Score einer Person, weil die Schufa-Daten gezeigt haben, dass die Menge der häufig umziehenden Personen erheblich öfter zahlungssäumig ist als die Menge der selten umziehenden Personen. Freilich gibt es aber auch „Vielumzieher“, die in Betrachtung des Einzelfalles als äußerst zahlungssolide einzustufen wären. Diese werden durch den Score also schlechter dargestellt als es ihrer persönlichen Bonität entspräche. Zwei gedachte Personen, deren Lebensweg, Lebensgewohnheiten, beruflicher Status usw. – großteils Dinge, von denen die Schufa ohnehin nichts weiß – sich in nichts anderem unterscheiden als dass die erste Person ihr Elternhaus zeitlebens nicht verlässt, während die zweite 15mal umzieht, erhalten unterschiedlich hohe Score-Werte. Das ist bedauerlich, aber eben ein Reflex des statistischen Ansatzes, der im Mittel richtig liegen sollte, aber im Einzelfall häufig irrt. ad 3) Dieser oft zu vernehmende Vorwurf ist zugleich der diffuseste. Man kann eigentlich nur erraten, was konkret der Inhalt seiner Kritik ist. Dass die Vermehrung von Daten das Kundenverhalten schärfer abbildet, ist eine natürliche Folge, wenn die Zahl der Vertragspartner wächst. Das zu kritisieren heißt, dem System seinen Erfolg vorzuwerfen, der doch gerade Grundlage für die Qualität der Informationsleistung ist: je mehr Vertragspartner, desto eher wird eine Auskunft die wahren Verhältnisse widerspiegeln können. Die Verbindung zum „gläsernen Bürger“ ist nur dann nachzuvollziehen, wenn Befürchtungen berechtigt sein sollten, der Staat bzw. seine Behörden könnten sich der Daten der Schufa, die eine rein private Veranstaltung ist, irgendwann einmal bemächtigen. Inwieweit solche Szenarien realistisch sind, gehört freilich zum Kompetenzbereich der Verwaltungs- und Poltikwissenschaften und soll hier nicht beurteilt werden. Stattdessen wollen wir kurz reflektieren, wie eine Finanzwelt ohne ein System wie das der Schufa denn eigentlich aussähe. In diesem Fall fehlte den Kreditgebern eine wesentliche Informationsgrundlage. Natürlich gelangt jeder Kreditgeber auch individuell zu seiner Bonitätseinschätzung über einen Kreditantragsteller, doch wäre das Bonitätsurteil zumindest oft auf ein geringeres Wissen gestützt als mit einer Schufa-Information. Wir wollen daher einmal modellhaft davon ausgehen, dass es einer Bank ohne Schufa-Hilfe gelänge, von 100 Personen, die einen einjährigen Kredit in Höhe von 1.000 Euro begehren, zwei als spätere Nichtzahler zu erkennen. Unter den einhundert Personen mögen sich aber, und das wisse auch die Bank, annahmegemäß fünf spätere Nichtzahler befinden, von denen mit Hilfe einer SchufaAuskunft zwei weitere hätten im Vorfeld der Kreditvergabe identifiziert werden können. Was tut die Bank nun? Sie weiß in jedem Falle, dass fünf Antragsteller „faul“ sind. Sie weiß nur nicht, welche. Ohne Schufa erkennt sie davon zwei, mit Schufa vier. Die Bank will 5% Rendite aus der Kreditvergabe erzielen.

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung •



433

Ohne Schufa vergibt sie an 98 Antragsteller zusammen 98.000 Euro und muss nach einem Jahr von den 95 zahlenden Kreditkunden 98.000 ⋅ 1,05 = 102.900 Euro bekommen, folglich einen Kreditzinssatz von 102.900/95.000 = 8,32% verlangen.

Mit Schufa vergibt sie an 96 Antragsteller zusammen 96.000 Euro und muss nach einem Jahr von den 95 zahlenden Kreditkunden 96.000 ⋅ 1,05 = 100.800 Euro bekommen, folglich einen Kreditzinssatz von 100.800/95.000 = 6,11% verlangen. In unserem Modellbeispiel müssten also alle zahlenden Kreditkunden mit Schufa 2,2 Prozentpunkte weniger Zinsen tragen als ohne Schufa. Durch die Schufa-Einrichtung erzielen demnach 95 von 100 Antragstellern finanzielle Vorteile, während zwei benachteiligt sind – nämlich jene zwei zusätzlich identifizierten Nichtzahler, zu deren Gunsten die Mehrbelastung der Zahler letztlich floss. Noch schlimmer sähe die Rechnung aus, wenn unterstellt würde, von den „guten“ Antragstellern würden einige gerade wegen der hohen Zinsen den Kredit letztlich doch gar nicht in Anspruch nehmen. Dann verschärft sich nämlich die Kalkulation, weil so das Verhältnis von Zahlern zu Nichtzahlern sich verschlechterte. Denn die Nichtzahler bleiben vermutlich gleich viele, weil sie auch ein hoher Zins nicht schreckte. Überspitzt betrachtet ist ihnen egal, ob sie später acht oder zehn Prozent Zinsen schuldig bleiben müssen. Wir wollen die modellhafte Betrachtung an dieser Stelle beenden. Gesagt sei nur, dass das, was im Modell für den Vergleich zwischen einer Welt mit und ohne Schufa galt, auch für die Qualität der eingesetzten Verfahren zutrifft: Mit einer tatsächlichen Verbesserung der statistischen Verfahren, also einer Erhöhung der Identifikation „schlechter“ Schuldner, sinkt der von den Banken zur Geschäftsbetreibung zu kalkulierende Kreditzins herab. Eine Verfeinerung der Datenqualität nutzt also den guten Kunden und schadet den schlechten. Außerdem bedeutet ja ein geringerer Score-Wert für den Einzelnen noch lange nicht, dass er überhaupt keinen Kredit bekommen kann. Er muss aber damit rechnen, einen etwas höheren Zins in Kauf zu nehmen. Zwar könnte man einwenden, das benachteilige gerade den sozial Schwächeren, während der Reiche auch noch günstig Kredit nehmen könne. Das ist aber ein eher gesundes Merkmal einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft, der in zahlreichen Geschäftszweigen der Assekuranz, so der Hausrat-, der Kfz- oder der Krankenversicherung mit ihren risikoabhängigen Versicherungsprämien, schon seit langem gängige Praxis ist. Transferleistungen von Starken zu Schwachen haben ihren berechtigten Platz in den sozialen Trägersystemen unserer Gesellschaft, nicht auf dem Finanzdienstleistungsmarkt. Inwieweit mit einer Erhöhung der Datendichte fürwahr die Prognosegüte zunimmt, muss hier freilich dahinstehen. Zudem mag es ja durchaus sein, dass dem Einzelnen die finanziellen Vorteile einer solchen Datenverschärfung weniger wert sind als ihm das subjektiv empfundene Gefühl einer „Überwachung“ Schaden zufügt. Wir hoffen jedenfalls, mit diesen kurzen Erläuterungen unseren Standpunkt nachvollziehbar gemacht zu haben, dass die Leistungen der Schufa für die „Finanzgesellschaft“ im Großen und Ganzen einen erheblichen Nutzen abwerfen. Damit hat diese vielgescholtene Einrichtung zahlreichen anderen Finanzdienstleistungen einen ganz wesentlichen Aspekt voraus.

434

7.3.3

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Zins- und Renditeangaben in der Finanzwerbung

Wir wollen uns jetzt ein wenig mit der Werbung für Finanzdienstleistungen beschäftigen. Wir tun das wie im Verlauf des gesamten bisherigen Kapitels 7 ausschließlich aus einer finanzwirtschaftlichen Perspektive, und nicht etwa aus einer juristischen. Das heißt, wir treffen keine Aussagen darüber, ob eine Werbung rechtlich zu beanstanden sein könnte oder nicht. Außerdem beschränken wir uns auf einen einzigen Bereich von Finanzwerbung: Wir prüfen lediglich, inwiefern die von den Finanzdienstleistern bevorzugten Formen der Bewerbung ihrer Leistungen mittels Zins- und Renditeangaben für den Rezipienten der Finanzwerbung auch einen entscheidungsrelevanten Informationswert besitzt, oder ob die per Finanzwerbung übermittelten Verzinsungssätze eine erheblich verzerrte Information tragen. Dies ist ja auch in der Bewerbung von Sachleistungen ein vieldiskutierter Streitpunkt: Ist die Werbung von echtem Informationswert, der zudem noch gefällig serviert wird? Oder unbrauchbare Anpreisung mehr oder weniger brauchbarer Produkte? (1) Kreditzinssätze In der Bewerbung von Finanzierungsleistungen wird regelmäßig der Zinssatz als ein besonders günstiger herausgestellt. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn es sich denn auch wirklich um jenen Zinssatz handelt, den die Nachfrager tatsächlich „abschließen“ können und solange die beworbene Zinsgröße einer finanzwirtschaftlich entscheidungsrelevanten Kategorie zugehört, also ein brauchbares Maß für den Preis einer Finanzierung gibt, die halbwegs sinnfällig mit den Zinssätzen alternativer Finanzierungsofferten vergleichbar ist. Ein Fall von erheblicher Marktbedeutung, wo genau dies nicht zutrifft, wird von den deutschen Bausparkassen in der Werbung für die Bausparfinanzierung gegeben. So heißt etwa ein Slogan des Marktführers, der Bausparkasse Schwäbisch Hall: „Wir drücken den Bauspardarlehenszins auf winzige 1,95%! Jetzt Zinsen und Prämie sichern!“

Diese Werbeaussage ist ebenso korrekt wie informationsleer. Wie wir oben gesehen haben, ist der Bauspardarlehenszins für die Frage nach der Vorteilhaftigkeit einer Bausparfinanzierung fast bedeutungslos. Entscheidend ist vielmehr der Zahlungsstrom, der sich aus der Kombination von Spar- und Darlehensphase ergibt. Der Zahlungsstrom, der aus einer Tarifgestaltung mit diesen 1,95% Darlehenszins resultiert, verbindet eine Ansparphase von 8 Jahren mit einer Kreditdauer von nur 5 Jahren. (Der günstige Zinssatz gilt also nur für eine recht kurze Finanzierungsdauer.) Eine solche Variante ist keine Neuheit im Bausparen und war und ist innerhalb von Tarifen mit 4 bis 5 Prozent Darlehenszins genauso abschließbar: gleicher Zahlungsstrom, nur abgewandelte Numerik der Tarifelemente. Die Bausparkassen haben ihr Tarifgepräge lediglich dem gefallenen Zinsniveau am Finanzmarkt angepasst, um ihrem Produkt den Schein einer Verbesserung zu geben, obwohl seine wahrhaft wesentlichen Eigenschaften systembedingt gar nicht verändert wurden. Ihre Werbung nimmt diesen Sachverhalt auf, und suggeriert fälschlich, allein ein niedriger Darlehenszins bedeute eine günstige Finanzierung. Mit dem Bauspardarlehenszins allein erfährt der Rezipient dieser Werbeaussage jedoch so gut wie nichts über das Leistungsvermögen des Angebots. Weder kann er es mit anderen Bauspartarifen ordentlich vergleichen noch einer bausparfreien Finanzierung sinnvoll gegenüberstellen. Eine andere Bausparkasse könnte

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung

435

ohne Probleme auch einen Tarif mit negativem Darlehenszins konstruieren, der aber keineswegs besser sein müsste als der hier von Schwäbisch Hall beworbene. Ein ganz ähnliches Problem von irreführender Werbung entsteht, wenn Bausparkassen für „Kombinationsfinanzierungen“ aus Zwischen-, Vor-, oder Sofortfinanzierungen mit einem Bauspardarlehen, wie wir sie oben in 7.2.2.2 behandelt haben, nur den Bauspardarlehenszins oder auch das Zinspaar aus Zinssatz „Vorabdarlehen“/Zinssatz Bauspardarlehen angeben. Denn der „wahre“ Zins für den einzig maßgeblichen Gesamtzahlungsstrom liegt regelmäßig oberhalb beider Teilzinssätze, wie wir auch am Beispiel im Abschnitt 7.2.2.2 (3) gesehen haben. Diese Probleme sind natürlich durch die Spezifizität des Bausparens bedingt. Doch auch bei anderen Finanzierungsangeboten gibt es Fälle, in denen mit einem irreführenden Zins geworben wird. Verlassen wir daher den Bereich des Bausparens und wenden uns Ratenkrediten (vgl. Abschnitt 2.3.2.3) zu. Hier sind zwei Methoden gängig: •

Die erste wirbt mit sehr niedrigen Zinssätzen, die dann aber nur für ein relativ geringes Volumen von beispielsweise 3.000 Euro pro Kreditnehmer gelten oder etwas nebulöser nur bestimmten Bonitäten oder gar „Kontingenten“ vorbehalten sind. • Gefährlicher und subtiler ist aber die andere Methode, die angewendet werden kann, wenn die Kreditvergabe mit dem Abschluss einer Restschuldversicherung (vgl. Abschnitt 2.3.2.3) einhergeht. In diesem Fall wirbt der Anbieter mit dem effektiven Jahreszins (vgl. Abschnitt 2.1.3), der aus dem Zahlungsstrom der Ratenkreditfinanzierung korrekt berechnet wird und auch tatsächlich sehr gering, im Einzelfall gar konkurrenzlos günstig erscheint. Die Prämien der bei solchen Angeboten obligatorischen Restschuldversicherung gehören nicht zur Finanzierung und werden daher vom effektiven Zins auch nicht erfasst. Das lässt dem Finanzintermediär Gestaltungsspielraum durch eine „Subventionierung“ eigentlich „zu billig“ angesetzter Kreditzinsen, die er über eine „zu teuer“ kalkulierte Versicherungsprämie wieder hereinholt. Das zu billig angesetzte Element fließt in den zur Schau gestellten Effektivzins hinein, das zu teure nicht. Erwähnen wir zum Abschluss der Bewerbung von Kreditzinssätzen noch den Markt für (bausparfreie) Immobilienfinanzierungen, der erheblich größere Finanzierungsvolumina umfasst als die beiden bisher behandelten Segmente. Glücklicherweise geben die hier üblicherweise beworbenen Darlehenszinssätze ein ziemlich getreues Abbild der tatsächlichen Verhältnisse. Zwar ist ein Vergleich von Finanzierungsangeboten mit unterschiedlichem Zahlungsstrom auf Basis des (effektiven) Zinssatzes kein ganz „sauberes“ Verfahren, weil das Angebot mit dem niedrigsten Zinssatz nicht notwendig zum günstigsten Endvermögen führt. Jedoch sind die somit entstehenden Unterschiede bei der üblichen Gestalt der Zahlungsströme von Immobilienfinanzierungen so gering, dass die Zinssätze von Immobilienfinanzierungsofferten im Großen und Ganzen ein brauchbares und einfaches Vergleichskriterium darstellen. (2) Anlagerenditen Bei der Bewerbung von Anlagerenditen ist die Sachlage noch etwas diffiziler als bei den Kreditzinssätzen. Wir wollen fünf – nicht ganz überschneidungsfreie – Bereiche der verzerrenden „Renditewerbung“ voneinander scheiden:

436

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

1) Es wird mit einer zwar korrekten, aber nicht entscheidungsmaßgeblichen Renditegröße geworben. 2) Es liegt ein Fall „verbundener“ Produkte vor, zwischen denen eine „Renditesubventionierung“ stattfindet. 3) Die Rendite ist zwar korrekt und „unverbunden“, jedoch keine reale, sondern fiktiv, da rückgerechnet. 4) Beworbene Mehrjahresrenditen p.a. sind zwar korrekt, unverbunden und real, jedoch arithmetisch statt geometrisch gemittelt worden. 5) Die Rendite ist zwar korrekt, unverbunden, real und geometrisch, aber ihre Informationsqualität leidet gerade an der Auslese, dass mit ihr Werbung getrieben wird. Wir erläutern alle Fallunterscheidungen mit Hilfe von Beispielen: ad 1) Dieser Fall funktioniert analog zur isolierten Bewerbung eines Bauspardarlehenszinses im Finanzierungsbereich. Wenn zum Beispiel ein Lebensversicherer mit einer vergleichsweise günstigen Ausprägung seiner Kennziffer „Nettoverzinsung“ der Kapitalanlagen wirbt, so kann man ihm keine Fehlinformation in seiner Werbung vorwerfen. Gleichwohl wird damit eine Renditegröße übermittelt, die für sich genommen ein falsches Anlagesignal senden kann. Denn für den Anleger ist nicht diese Kennzahl vorteilhaftigkeitsentscheidend, sondern einmal mehr die aus Prämien einerseits und Versicherungsleistungen andererseits gebildete Zahlungsreihe bzw. allenfalls der aus dieser Zahlungsreihe ermittelten (ggf. risikobereinigten) Rentabilitätsziffer. Anders gewendet: Ein Versicherer A mit geringerer Nettoverzinsung als ein Versicherer B kann durchaus höherrentierliche Lebensversicherungen in seinem Produktangebot führen als Versicherer B. ad 2) Banken bieten in jüngerer Zeit häufig den Verbund von „spektakulär“ hochverzinster Termineinlage mit dem Erwerb von Aktienfonds zum regulären Ausgabeaufschlag von oft 5% und betreiben für solche Verbundangebote einen hohen Werbeaufwand im Rahmen von „Aktionswochen“, „Sonderkontingenten“ oder ähnlichem. Alternativ findet der Anleger aber zeitgleich nicht besonders beworbene Angebote ausgabeaufschlagverminderter Aktienfonds und normalverzinster Termineinlagen, die zusammengenommen günstiger sind als das offensiv beworbene Verbundangebot. So ist ein Verbund von jeweils hälftig angelegter 7%iger (p.a.) Sechsmonatseinlage mit fünfprozentig ausgabebeaufschlagtem Aktienfonds um etwa 1,25% teurer als eine marktgängige, zu 2% p.a. verzinste Sechsmonatseinlage, die der Anleger mit einem ausgabeaufschlagfreiem Aktienfonds kombiniert. Denn einem „Zinsgeschenk“ von 1,25% des gesamten Anlagebetrages (Fünf Prozentpunkte Mehrverzinsung auf die Hälfte des Anlagebetrages ein halbes Jahr lang) steht eine Agiolast in Höhe von 2,5% des Anlagebetrages (5% auf die Hälfte des Anlagebetrages) gegenüber. ad 3) Finden Scheinkorrelationen in Finanzprodukten Ausfluss, so wird die scheinbare Renditeüberlegenheit häufig mit historischen Rückberechnungen „belegt“. Daher sind solche Anlagen regelmäßig schlechter als mit der Produktidee in Aussicht gestellt, weil der Erwartungswert zufolge des Auswahleffektes natürlicherweise geringer ist als die vergangene Rendite. Denn selbstverständlich suchen die Produktmanager aus der Fülle möglicher Ideen, Strategien und Rückberechnungen solche heraus, die vergangenheitlich vom Mittelwert weit positiv abwichen.

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung

437

Beispiele: 1) „Handelsstrategie auf Basis der technischen Analyse/Gewinne bei steigenden und fallenden Kursen möglich/Wertentwicklung des DAX® seit 1987 um das Fünffache übertroffen“ So die Werbeaussage für ein idealtypisches, drastisches Beispiel, das ein Ende 2002 aufgelegtes „Long/Short“-Zertifikat auf den Deutschen Aktienindex liefert. Es folgt einem Handelssystem, das auf Basis eines „technischen“ Indikators (zwei exponentielle gleitende Durchschnitte) Kauf- und Verkaufsentscheidungen für oder gegen den DAX tätigt, wenn der Index bestimmte Durchschnittslinien schneidet. Dieses eher simple System hatte in den 15 Jahren zuvor gemäß einer Rückberechnung einen Wertzuwachs von 600 Prozent erzielt (das entspricht ca. 14% p.a.), verglichen mit „nur“ gut einhundert Prozent, die der DAX erreichte. Seit seiner Verwirklichung in dem Zertifikat hat der Dax sich etwa verdreifacht, die Strategie aber nach knapp fünf Jahren nicht einmal eine positive Rendite erreicht. Weil das Zertifikat regelmäßig auch Leerverkaufspositionen („short“) einnimmt, deren erwartete „Rendite“ auf einem effizienten Aktienmarkt negativ ist, bedarf es nahezu eines Wunders, die Renditeverheißung der Rückberechnung zu erreichen.

2) Über mehrere Börsenjahre in den neunziger Jahren waren die Aktienrenditen des DAX in den Sommermonaten unzweifelhaft deutlich schlechter als in den Monaten Oktober bis Mai. Diesen Rückblick nahm eine Bank zum Anlass, ein Wertpapierzertifikat herauszugeben, das auf einer Aktienanlage basiert, die jeweils für den Sommer in eine Festgeldanlage umgewandelt wird. Wer vergangenheitlich einer solchen Strategie gefolgt wäre, hätte natürlich zufolge der „schlechten Sommer-Monate“ eine gute Rendite eingefahren, wie eine Rückberechnung zeigte. Allerdings fließt hier in erheblichem Maße das spätere Wissen über diesen wahrscheinlich nicht kausalen Effekt ein. Der Erwartungswert für die kommenden Jahre ist dann aber natürlich unabhängig von den Jahreszeiten und ob das Zertifikat künftig erfolgreicher sein wird als der DAX, ist zu bezweifeln. ad 4) Arithmetische Rendite versus geometrische Rendite Rendite wird regelmäßig auf die willkürliche Periode eines Jahres gerechnet – dafür kennzeichnet man sie zuweilen mit dem Zusatz p.a. für lateinisch per annum = für das Jahr – und gibt an, welche Vermögensänderung über diese Jahresperiode eingetreten ist. Die Rendite zieht also gleichsam eine jährliche Bilanz. Mit einem neuen Jahr beginnt eine neue Renditerechnung. Und diese bemisst sich auf das Vermögen zu Beginn des neuen Jahres, das die Erträge und sonstigen Vermögensmehrungen des alten Jahres natürlich mit enthält. In anderen Worten: Die Rendite eines beliebigen Jahres zählt immer auch die Erträge von zuvor gemachtem Ertrag mit, der „Zinseszins“ ist in der Rendite gleichsam schon erfasst. Beispiel 7.05: Wir legen 100 Euro für zwei Jahre an. Nach einem Jahr haben wir 110, nach einem weiteren Jahr 120 Euro Vermögen. Die Rendite des ersten Jahres ist 10%, die des zweiten Jahres trotz gleich hohen Vermögenszuwachses kleiner, nämlich 9,1%, weil sie sich auf das um die Erträge des ersten Jahres vermehrte Vermögen bezieht.

438

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik

Bis jetzt ist nur die Rede von Renditen, die sich auf ein bestimmtes Jahr richten. Häufig möchte man aber die Vermögensänderung mehrerer Jahre in einer einzigen Renditezahl erfassen. Dazu bedarf es einer geeigneten Durchschnittsrendite. Die Renditen vieler Anlagen und daher auch vieler Vermögen schwanken von Jahr zu Jahr. Daher ist es wichtig, zu unterscheiden zwischen – der arithmetischen Rendite und – der geometrischen Rendite. Die arithmetische Rendite ist das einfache Mittel aus den Renditen der einzelnen Jahre. Sie berücksichtigt somit sämtliche jährlichen Vermögensänderungen, sie ist deren Durchschnitt. Kennt man die Vermögensänderungen der einzelnen Jahre aber gar nicht, sondern nur das Endvermögen nach mehreren Jahren, so behilft man sich gerne mit einer gleichmäßigen Aufteilung des Vermögenszuwachses auf die Einzeljahre. Die geometrische Rendite berücksichtigt nur das Endvermögen am Ende aller betrachteten Jahre und setzt es in Beziehung zum Vermögen zu Beginn des ersten Jahres. Die Vermögensänderungen der einzelnen Jahre braucht man zu ihrer Ermittelung also gar nicht zu kennen, weil sie alle zwischenzeitlichen Vermögensänderungen ignoriert. Dabei wird sie so berechnet, als wäre das Vermögen jedes Jahr um den gleichen relativen Anteil gewachsen. Beispiel 7.06: Wir legen 100 Euro für zwei Jahre an. Vor Ablauf der zwei Jahre werden keinerlei Erträge ausgekehrt. Mit Ende der Frist realisieren wir eine Wertsteigerung von 21 Prozent und erhalten also 121 Euro ausbezahlt. Wie groß ist die Rendite? Die arithmetische Rendite lässt sich in diesem Beispiel gar nicht berechnen, weil nur die Vermögensänderung für die gesamten zwei Jahre bekannt ist, nicht aber ihre Verteilung auf erstes und zweites Jahr. Hilfsweise lässt sich nur der Vermögenszuwachs gleichmäßig auf beide Jahre verteilen. Die Vermögensmehrung von 21% entspricht 10,5% für jedes Jahr. Die geometrische Rendite ist niedriger, weil sie nach einem Jahr stets einen – und sei es wie hier nur gedanklichen – Schnitt macht und dann mit dem neuen, durch die Rendite des ersten Jahres erhöhten Vermögen fortrechnet. Daher ist die geometrische Rendite mehrjähriger Anlagen immer kleiner als die hilfsweise errechnete gleichmäßige Verteilung, hier genau 10,0%. Das lässt sich mit einer hier nicht weiter interessierenden Formel errechnen106 und auch sehr leicht nachprüfen: Wenn wir 100 zu 10% anlegen, so werden daraus nach einem Jahr 110; wenn wir die 110 sofort wieder weggeben und abermals zu 10% anlegen, haben wir nach einem weiteren Jahre 121. Das entspricht tatsächlich genau dem vorgegebenen Endvermögen.

Die Berechnung der arithmetischen Rendite setzt die Kenntnis sämtlicher jährlicher Vermögensänderungen innerhalb einer betrachteten Mehrjahresperiode voraus. Sie ist somit abhängig von dem Pfad, den ein Vermögen vom ersten bis zum letzten Jahr nimmt. Daher können identische Endvermögensergebnisse auch unterschiedliche arithmetische Renditen bedeuten.

106

Die Formeln zur Berechnung für diese und weitere Renditen oder Endvermögensbeträge findet der doch Interessierte in jedem finanzmathematischen Lehrbuch, z.B. – um einen Klassiker zu nennen – WIMMER/CAPRANO (2013).

7.3 Finanzdienstleistungsvertrieb, -information und -werbung

439

Im vorhergehenden Beispiel ist zu sehen, dass die geometrische Rendite kleiner ist als die arithmetische Rendite. Das ist bei schwankenden Jahresrenditen tatsächlich immer so. Nur im Extremfall jährlich konstanter Renditen gleichen sich arithmetische und geometrische Rendite; niemals ist die geometrische größer als die arithmetische Rendite. Weil die Renditen jedes Jahres sich bekanntlich immer auf das Vermögen zu Beginn des jeweiligen Jahres beziehen, ist der arithmetische Mittelwert bei schwankenden Renditen und damit einhergehend ungleichmäßiger Vermögensänderung immer zu hoch und gibt kein eindeutiges Bild des tatsächlich über mehrere Jahre erzielten Endvermögens wieder. Daher ist der geometrischen Rendite der Vorzug zu geben. Der Werbungtreibende kann sich den Effekt in spiegelbildlicher Anwendung zunutze machen. Ein letztes Beispiel verdeutlicht das. Beispiel 7.07: Ein Vermögensverwalter wirbt mit der Aussage, im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre eine Rendite von 8,4% auf die verwalteten Vermögen erwirtschaftet zu haben. Erfährt man die Reihe der zehn Einzelrenditen (–8%, 16%, 22%, 3%, 15%, –10%, 38%, –18%, 12%, 14%), so erkennt man, dass die Aussage zwar stimmt, aber eben die arithmetische Rendite gemeint ist (84% geteilt durch 10 = 8,4%). Die aus den zehn Einzelrenditen folgende geometrische Rendite beträgt nur 7,2%.

Wenn Sie also Renditevergleiche – sei es in Statistiken oder in der Finanzwerbung – studieren, so geben Sie Acht, ob es arithmetische oder geometrische Renditen sind. ad 5) Auswahleffekte wirken nicht nur bei der Kreation von Finanzprodukten (ad 3), sondern betreffen auch bestehende Finanzprodukte. Denn weiterhin beworben werden tendenziell nur die erfolgreichsten, deren mittlere historische Rendite daher natürlicherweise über dem Durchschnitt liegt. Studie: Diese Behauptung gehört zu jener Kategorie von Aussagen, deren theoretische Ableitung so offensichtlich richtig ist, dass auf eine empirische Prüfung fast schon Verzicht getan werden könnte. Zwei Wissenschaftler wollten es aber dennoch genau wissen und haben 294 Investmentfonds untersucht, die in Inseraten mit ihrer vergangenen Rendite um Anlegergelder geworben haben.107 Die Ergebnisse ihrer Studie: • Die historischen Renditen der beworbenen Fonds sind erheblich höher (um sechs Renditeprozentpunkte) sowohl als die durchschnittliche Rendite aller vergleichbaren Fonds des zugehörigen Zeitraumes denn auch jener der korrespondierenden Marktindizes vor dem Inserat. • Für die Zeit nach dem Inserat hingegen hebt sich die Rendite der inserierten Fonds nicht bemerkenswert vom Durchschnitt aller vergleichbaren Fonds ab, die beworbenen waren sogar ein wenig schlechter (0,8 Renditeprozentpunkte) als der Durchschnitt. (Was aber einfach daran liegen könnte, dass die stärker beworbenen Fonds höhere Gebühren berechnen als der Durchschnitt. Anmerkung des Verfassers, G.S.)

107

Vgl. JAIN/WU (2000).

440

7 Finanzdienstleistungen in der Kritik



Die beworbenen Fonds haben jedoch in der Zeit nach dem Inserat signifikant mehr Mittelzufluss zu verzeichnen als die anderen Fonds. Die Werbung wirkt also, obwohl die beworbenen Produkte nicht besser sind als die übrigen, was wir ja auch von anderen als Finanzprodukten kennen. Eine drastischere Form der von der Studie behandelten Erscheinung ist die oft zu beobachtende Anpreisung von Rentenfonds nach Zinssenkungsjahren. Denn fallende Marktzinsen bedingen unvermeidlich Kursanstiege bei Anleihen und damit naturnotwendig Rentenfondsrenditen, die beträchtlich oberhalb ihres Erwartungswertes liegen, jedoch keinerlei aufschlussreichen Hinweis auf deren künftige Wertentwicklung zulassen. Damit ist abschließend festzustellen, dass der Finanzwerbung einige Möglichkeiten offenstehen, die Renditen ihrer Anlageleistungen höher erscheinen zu lassen als sie tatsächlich sind. Von diesen Möglichkeiten wird offensichtlich Gebrauch gemacht. Somit ist die wahre Rendite von Anlagen tendenziell niedriger als in der Werbung angepriesen. Die Finanzdienstleistungsbranche ist damit aber nicht alleine – auch in anderen Branchen sieht die Werbewelt doch meist schöner aus als die Wirklichkeit.

7.4

Schlussbemerkung

Damit beenden wir unseren Rundgang durch einige ausgewählte, tendenziell besonders kritikempfindliche Finanzdienstleistungen. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass viele Finanzdienstleistungen zu Recht im Lichte besonderer öffentlicher Kritik stehen. Die Finanzdienstleistungsqualität ist häufig schlecht – auch wenn die Kritik zuweilen überzogen scheint. Wir haben in unserem Rundgang sowohl traditionelle wie moderne Finanzdienstleistungen berücksichtigt. Die modernen Angebote zeichnen sich häufig durch eine ausgeprägte Komplexität aus. Diese Komplexitätssteigerung ist einerseits Zeichen eines finanzwirtschaftlichen Fortschritts. Denn vieles von dem, was heutige Finanzdienstleistungen abbilden, war vor zwanzig bis dreißig Jahren noch gar nicht beherrschbar, weil die damals verfüglichen Informationstechniken und Handelsstrukturen für Finanzmärkte sowie auch die finanzierungstheoretischen Erkenntnisse dazu nicht genügten. Andererseits ist dieser Fortschritt insofern ein Rückschritt als komplexe Finanzdienstleistungen geradezu prädestiniert sind, Verdruss zu produzieren. Denn ihre Komplexität überfordert den Nachfrager regelmäßig, der damit umso mehr auf die Beratung bzw. die Werbung durch den Finanzdienstleister angewiesen ist. Damit liefert er sich der erheblichen Gefahr aus, dass die Darstellung des Finanzdienstleisters nicht in seinem Sinne durchgeführt wird, sondern zuvorderst an dessen Verkaufsinteressen ausgerichtet ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass über die Beschaffenheit eines komplizierten Produktes einfacher getäuscht werden kann als über die eines einfachen. Der Finanzdienstleistungsnachfrager kann auf diese Entwicklung mit insbesondere zwei Strategien reagieren: entweder beschränkt er sich auf die einfachen, von ihm leichter nachvollziehbaren Angebote oder er sucht Wege, seinen Informationsstand zu verbessern, um auch unter den komplexeren Varianten ein für ihn geeignetes Angebot finden zu können.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben Übungsaufgabe 1.01: „Desintermediation“ bezeichnet in diesem Zusammenhang den Umstand, dass das Ausmaß, in dem Anlage- und Finanzbedarf durch Leistungen von Finanzintermediären im engeren Sinne ausgeglichen werden, zumindest relativ rückläufig ist. Die Formulierung „vorbei an den Banken“ suggeriert, dass damit zugleich auch der Anteil, zu dem Banken an diesen Finanzgeschäften beteiligt sind, zurückgeht. Der Hinweis auf die „Verschiebung vom Zinsgeschäft zum Provisionsgeschäft“ relativiert diese Suggestion mit der Feststellung, dass die Banken zwar in der Tat weniger als Finanzintermediäre im engeren Sinne gefragt sind und von der Divergenz zwischen Kredit- und Einlagenzinsen profitieren, sie jedoch gleichzeitig durch Beratungs-, Vermittlungs- und sonstige Serviceleistungen verstärkt als Finanzintermediäre im weiteren Sinne tätig werden und sich hier zusätzliche Ertragsquellen erschließen. Übungsaufgabe 1.02: a)/b): Zinsgleitklauseln dienen dazu, die aus der Fristentransformation resultierenden Zinsund Kursänderungsrisiken in der Weise zu begrenzen, dass eventuell steigende Refinanzierungskosten an die Kreditkunden weitergereicht werden können. Auf das Ausfallrisiko haben derartige Klauseln keinerlei direkten Einfluss. c)/d) Kreditsicherheiten haben demgegenüber in erster Linie die Funktion, der Bank bei Zahlungsschwierigkeiten eines Kreditkunden die Möglichkeit zu eröffnen, schneller und vorrangig gegenüber anderen Gläubigern auf dessen Vermögen zuzugreifen. Auf das Zinsänderungsrisiko haben Kreditsicherheiten hingegen praktisch keinen Einfluss. e) Für eine Bank, deren Kreditlaufzeiten länger als ihre Einlagefristen sind, hat der Geldmarkt in erster Linie die Aufgabe, der Bank eine kurzfristige Refinanzierung bei anderen Banken zu ermöglichen. Übungsaufgabe 1.03: Die Abwicklung der Überweisung kann man sich in folgenden Schritten vorstellen: (1) Die A-Bank mindert das Guthaben von ALPHA um 1.000 (SOLL-Buchung) und zugleich ihr eigenes Guthaben bei Z (HABEN-Buchung. Also: Einlagen von Kunden (ALPHA)

1.000

an

Zentralbankguthaben

1.000

442

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

(2) Die Zentralbank schreibt der B-Bank 1.000 gut (HABEN-Buchung) und belastet das Konto der A-Bank (SOLL-Buchung). Also: Guthaben A

1.000

an

Guthaben B

1.000

(3) Die B-Bank schließlich erfasst die Steigerung ihres Z-Guthabens als SOLL-Buchung und schreibt der BETA 1.000 gut (HABEN-Buchung). Also: Zentralbankguthaben

1.000

an

Kredite an Kunden (BETA)

1.000

Übungsaufgabe 1.04: Der erzielte Versteigerungserlös wird in der Weise aufgeteilt, dass die Hypo-Bank zunächst vorrangig bedient wird und die Bausparkasse erst zum Zuge kommt, wenn der Anspruch der Hypo-Bank vollständig erfüllt ist. Es ergeben sich folgende Aufteilungsergebnisse: Fall (1) (2) (3)

Hypo-Bank 250.000 Euro 280.000 Euro 280.000 Euro

Bausparkasse – 70.000 Euro 120.000 Euro

Im Fall (3) steht der die Ansprüche beider Banken übersteigende Erlös von 50.000 Euro dem bisherigen Eigentümer, also ALPHA, oder – im Fall eines allgemeinen Insolvenzverfahrens – dem Insolvenzverwalter zur Verteilung an die übrigen Gläubiger zur Verfügung. Übungsaufgabe 1.05: a) Kennzeichnend für Realkreditinstitute ist die Mittelbeschaffung durch Ausgaben von Schuldverschreibungen in Form von Pfandbriefen. Diese Mittel werden in Hypothekarkrediten und Kommunaldarlehen angelegt. Sie betreiben damit Bankgeschäfte gemäß § 1 KWG Nr. 1, sind also in diesem Sinne Kreditinstituten zuzurechnen. b) Wertpapierbörsen sind Institutionen, die durch Festlegung bestimmter Regeln den Austausch von Wertpapieren vereinfachen und somit die mit dem An- und Verkauf verbundenen Transaktionskosten senken. Da sie jedoch nicht selbst die Übernahme und Platzierung fremder Wertpapiere übernehmen, also kein Emissionsgeschäft gemäß § 1 KWG Nr. 10 betreiben, gehören sie nicht zu den Kreditinstituten. c) Spielbanken gehören überhaupt nicht zur Gruppe der Finanzdienstleistungsunternehmen. Es handelt sich vielmehr um Unternehmen, die die Möglichkeit zum öffentlichen Glücksspiel bieten. d) Die Deutsche Bank AG ist als private Geschäftsbank ein Kreditinstitut im Sinne des KWG. e) Die Deutsche Bundesbank betreibt zwar auch etliche der in § 1 KWG aufgezählten Geschäft. Gemäß § 2 KWG gilt sie aber dennoch nicht als „Kreditinstitut“ im Sinne dieses Gesetzes und unterliegt mithin auch nicht dessen Vorschriften.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

443

Übungsaufgabe 2.01 a) Einbeziehung einer einmaligen Bearbeitungsgebühr bei der Auszahlung in Höhe von 200 Euro

→ Bearbeitungsgebühr in Prozent des Kreditbetrages = 0,2% 5, 2 2,5 ⋅ 100 = 12, 74% 94,8

10 + r′ =

b) Einbeziehung einer jährlichen Bearbeitungsgebühr in Höhe von 50 Euro → erhöhter Nominalzinssatz = 10,05% 10, 05 + r′ =

5 2,5

95

⋅ 100 = 12, 68%

Übungsaufgabe 2.02 Für die beiden Endwerte gilt jetzt

EWE (q) = 980 ⋅ q 6/4 und

(

).

EWA (q) = 173 ⋅ q5/4 + q 4/4 + ... + q1/4 + 1

Der gesuchte kritische Wert q* ist über die Gleichsetzung dieser beiden Ausdrücke oder die äquivalente Bestimmungsgleichung EWE (q*) − EWA (q*) = 0

zu ermitteln. Durch „Probieren“ erhält man die Differenz EWE (q) − EWA (q) zunächst folgende Werte: q = 1, 08 → EWE − EWA =

+12,57

q = 1, 07 → EWE − EWA =

−2, 67

Der gesuchte Effektivzins muss also zwischen 7% und 8% und dabei deutlich näher an dem unteren als an dem oberen Randwert liegen. Man kann durch weitere Proberechnungen den exakten Wert immer enger einkreisen oder ein Programm zur Nullstellenbestimmung verwenden. Dieses führt dann zu einem Wert von q* = 1,0717572 ... Der Effektivzins des Annuitätenkredits beträgt also – auf zwei Kommastellen gerundet – 7,18% und liegt damit klar unter dem für den endfälligen Kredit ermittelten Satz von 7,63%. Nach gängiger Interpretation wäre das ein klarer Indikator für die Vorteilhaftigkeit des Annuitätenkredits. Die Problematik dieser Sichtweise werden wir im Buchtext kurz verdeutlichen.

444

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 2.03 Die fragliche „Endgröße“ kann man am einfachsten ermitteln, indem man alle in Tabelle 2.02 aufgeführten Zahlungsdifferenzen mit einem Zinssatz von 2,5% pro Quartal auf das Ende des letzten Quartals aufzinst und die aufgezinsten Größen (bei Beachtung des Vorzeichens) addiert. Man kommt so über

(

)

−158 ⋅ 1, 0255 + 1, 0254 + 1, 0253 + 1, 0252 + 1, 0251 + 842 = − 9, 26

zu dem Befund, dass der Kontokorrentkredit am Ende des Betrachtungszeitraums eine um 9.260 Euro höhere Belastung aufweisen würde, wenn statt des endfälligen Kredits der Annuitätenkredit gewählt würde. Trotz des niedrigeren Effektivzinssatzes nach Übungsaufgabe 2.02 wäre es also vorteilhaft, sich gegen den scheinbar billigeren Annuitätenkredit zu entscheiden. Übungsaufgabe 2.04 a) Auszahlungs- und Tilgungsmodalitäten

• •

Bei dem durch die vertraglichen Vereinbarungen beschriebenen Darlehen handelt es sich um ein Annuitätendarlehen (→ vertraglich festgelegter Verlauf) mit einem Auszahlungskurs von 100%. Die Tilgungsleistungen sind unterjährlich (→ vierteljährlich) zu erbringen, wobei die Zahlungen weder am Ende (→ nachschüssig) noch am Anfang (→ vorschüssig) der vierteljährlichen Zahlungsperiode erfolgen, sondern zu einem Zwischentermin, nämlich am Ende des zweiten Quartalsmonats.

Verzinsungsmodalitäten





• •

Bezüglich der Verzinsungsmodalitäten ist festzustellen, dass zunächst ein starrer Nominalzinssatz in Höhe von 7% p.a. vereinbart wurde. Diese Zinsbindungsfrist endet am 31.12.2019. Jede der Vertragsparteien kann bis spätestens vier Wochen vor Ablauf dieser Frist das Darlehen kündigen. Die Bezugsgröße für die Zinsberechnung bildet die Restschuld, wobei jedoch die vierteljährlichen Tilgungsleistungen erst jeweils zum Ende des laufenden Kalenderhalbjahres vom Restkapital abgeschrieben und somit zinswirksam werden (→ modifizierte Restschuld). Die Zinsbelastung wird halbjährlich und nachschüssig vorgenommen. Für die periodischen Zinszahlungen gelten die Ausführungen zu den Tilgungsleistungen (s.o.) in analoger Weise.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben Buchungen

b)

445 Zahlungen

01.01.2003



28.02. 2003



Restschuld –

Zins:

100.000,–

1.750,– 1)

100.000,– 2.000,–

31.05. 2003



Tilg.:

250,–

Zins:

1.750,–

Tilg.:

250,–

2.000,– 30.06. 2003

Zins: Tilg.:

31.08. 2003

3.500,– 500,– –



Zins:

99.500,–

1.741,25 2)

99.500,– 2.000,–

30.11. 2003



Tilg.:

258,75

Zins:

1.741,25

99.500,– 2.000,–

Tilg.: 31.12. 2003

Zins:

3.482,50

Tilg.:

517,50

258,75 –

98.982,50

1)

Da die Restschuld zu Beginn des ersten Halbjahres 100.000 Euro beträgt, errechnet sich der Zinsanteil der im ersten und zweiten Quartal erfolgenden Zahlungen wie folgt: ¼ ⋅ 0,07 ⋅ 100.000 = 1.750.

2)

In analoger Weise errechnet sich für den Zinsanteil im dritten und vierten Quartal: ¼ ⋅ 0,07 ⋅ 99.500 = 1.741,25.

Übungsaufgabe 2.05 Kündigungsmodalitäten a) Investitionskredit an eine GmbH über 20 Jahre (1) mit festem Zins für die gesamte Laufzeit: Der Kreditnehmer kann den Kredit nach 10 Jahren unter Wahrung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten kündigen (Fall 2a). (2) mit variablem Zins: Der Kreditnehmer kann jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten kündigen (Fall 1). b) Investitionskredit mit Zinsbindungsfrist unter 10 Jahren Der Kreditnehmer kann den Vertrag in beiden Fällen frühestens zum Ablauf der Zinsbindungsfrist kündigen (Fall 2b). c) Investitionskredit mit Zinsbindungsfrist über 10 Jahren (1) Der Kreditnehmer kann frühestens zu einem Termin 2 Monate vor Ablauf der Zinsbindungsfrist kündigen (Fall 2c in Verbindung mit 2a). (2) Wie die Lösung zu b) (Fall 2c in Verbindung mit 2b). d) Konsumentenkredit mit festem Zins für die gesamte Laufzeit Sie können jederzeit mit einer Frist von 3 Monaten kündigen.

446

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 2.06 Die Angaben geben in ihrem statistischen Kern die in den 80er und 90er Jahren in Deutschland herrschenden Verhältnisse korrekt wieder. Die daraus gezogenen Folgerungen gehen allerdings in die Irre:





Die erst Aussage impliziert, dass alle Gläubiger bei der Ablehnung eines Insolvenzverfahrens „mangels Masse“ leer ausgingen. Dies mag eventuell für die Inhaber unbesicherter Forderungen auch zutreffen; zumindest die Sicherungsgläubiger wie etwa Kreditinstitute und häufig auch Lieferanten haben jedoch immer noch gute Aussichten, im Wege der Einzelvollstreckung einen nennenswerten Teil ihrer Ansprüche zu realisieren. Die zweite Aussage impliziert, bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens erhielte die Gesamtheit der Gläubiger lediglich eine Befriedigungsquote von 5%. Die zitierte Insolvenzquote bezieht sich aber nur auf die ungesicherten Insolvenzgläubiger. De facto können die tatsächlichen Befriedigungsquoten der anderen Gläubigergruppen deutlich höher liegen, wie die – vergleichsweise wenigen – insolvenzstatistischen Untersuchungen auch klar belegen.

Übungsaufgabe 2.07 (1) Die CASH-Bank erhält den ihr zustehenden Forderungsbetrag nunmehr nicht in voller Höhe, sondern nur den erzielten Verkaufserlös in Höhe von 115.300 Euro. Wegen des ausstehenden Differenzbetrages (10.400 Euro) wird sie in die Gruppe „unbesicherte Insolvenzgläubiger“, ganz am Ende der Verteilungsskala eingeordnet und erhält davon nur noch 5%, d.h. 520 Euro. Insgesamt realisiert sie demnach mit einem Gesamtrückzahlungsbetrag von 115.820 Euro eine Befriedigungsquote von gut 92%. (2) Der WAREN KG gelingt durch Verkauf der zurückerhaltenen Waren über dem mit der X-GmbH vereinbarten Kaufpreis die Erzielung eines Gewinns in Höhe von 12.000 Euro. Da es sich bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt um ein Aussonderungsrecht handelt, fließt dieser Gewinn nicht in die Insolvenzmasse der GmbH ein. Die WAREN KG hat eine Befriedigungsquote von 100% und sogar noch einen darüber hinausgehenden Gewinn erreicht. (3) Dem Anspruch von der Bäckerei in Höhe von 3.200 Euro steht eine gegen ihn gerichtete Forderung der X-GmbH von 3.600 Euro gegenüber. Durch die Aufrechnung wird zum einen sein Anspruch voll befriedigt; er erreicht also eine Befriedigungsquote von 100%. Zum anderen ist er verpflichtet, den der X-GmbH geschuldeten Betrag in Höhe von 400 Euro in die Insolvenzmasse einzubringen. (4) Die Position von Alfons verändert sich nicht. Übungsaufgabe 2.08: Die zitierte „Werbebotschaft“ ist in mehrfacher Hinsicht zu relativieren: 1. Die Finanzierung mittels Factoring erfolgt nicht vollständig „umsatzsynchron“, sondern je nach der konkret getroffenen Vereinbarung nur zu 80%-90%. Immerhin kann noch von einer „annähernd“ umsatzsynchronen Finanzierung gesprochen werden. 2. Unabhängig von diesem eher sprachlichen Einwand ist materiell zu berücksichtigen, dass der Verzicht auf die Beanspruchung von Lieferantenkrediten nur ein mögliches Reaktionsmuster auf den Abschluss eines Factoringvertrages darstellt.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben 3.

447

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es jedwede andere Art der Finanzierung – also etwa ein Diskont- oder Zessionskredit – ebenfalls ermöglicht, auf Lieferantenkredite zu verzichten, sofern dies als die günstigste Verwendung der Finanzmittel angesehen wird. Diese Möglichkeit stellt also keineswegs einen ausschließlich für das Factoring spezifischen Effekt dar.

Übungsaufgabe 2.09: a) Zur Beurteilung des Factoring-Angebotes reicht ein Vergleich der Zahlungsreihen, die aus einer Rechnung mit und ohne Factoring resultieren. Die Zahlungskonsequenzen einer Rechnung – mit und ohne Factoring – werden in folgender Tabelle dargestellt. Anfang des 1. Monats

Ende des 1. Monats

Ende des 2. Monats

Zahlungen bei Factoring: Rechnungsbetrag abzgl. Einbehalt Auszahlung des Einbehalts Gebühren Zinsen eingesparte Auszahlungen**

+ 800.000 – – 30.000 – –

– – – – + 5.000

Zahlungsreihe mit Factoring (1) Zahlungsreihe ohne Factoring (2)

+ 770.000 –

+ 5.000 –

+ 183.920 + 1.000.000

Differenzzahlungsreihe (1) ./. (2)

+ 770.000

+ 5.000

– 816.080

– + 200.000 – – 16.080*

*

Die Zinsbelastung ergibt sich aus: 800.000 ⋅ (1 + 0,01) ⋅ (1 + 0,01) – 800.000 = 16.080 Die Gebühren und die eingesparten Auszahlungen gehen in diese Zinsrechnung nicht ein, da sie nicht das Factoringkonto betreffen.

**

Als eingesparte Auszahlungen im Bereich der Debitorenverwaltung können den Forderungen eines Monats nur einmal 5.000 GE zugerechnet werden.

Als Endwert des Factoring-Vertrages (bezogen auf eine Rechnung und einen Bewertungszeitpunkt nach 2 Monaten) ergibt sich also:  0,132    0,132   EW =  770.000 ⋅  1 +  + 5.000  ⋅ 1 +  – 816.080 12  12      = – 23.991,83 .

ANKUND sollte unter den getroffenen Annahmen also nicht auf das Angebot eingehen. b) Die Berücksichtigung berechtigter Kürzungen ist nicht entscheidungsrelevant. Sie führt mit oder ohne Factoring zu einer Minderung der Einzahlung am Ende des 2. Monats um 50.000,– GE. Die entscheidungsrelevante Differenzzahlungsreihe bleibt also unverändert.

448 c)

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben Das Ausfallrisiko lässt die Zahlungsreihe mit Factoring (gegenüber b) unverändert, ist aber in der Zahlungsreihe ohne Factoring zu berücksichtigen.

ZR mit Factoring ZR ohne Factoring Differenzzahlungsreihe

Anfang des 1. Monats + 770.000

Ende des 1. Monats + 5.000

Ende des 2. Monats + 133.920





+ (1 – α)

+ 770.000

+ 5.000

+ 133.920 – (1 – α)

*



950.000



950.000

Gegenüber Aufgabenteil a) sind hier wegen der berechtigten Rechnungskürzungen jeweils um 50.000 GE verminderte Zahlungseingänge anzusetzen.

Die Vorteilhaftigkeit des Factoring-Angebotes hängt jetzt von der Höhe der Ausfallwahrscheinlichkeit α ab. Das Angebot ist vorteilhaft, wenn gilt   + 770.000 ⋅ 

  0,132   0,132  1 +  + 5.000  ⋅  1 +  + 133.920 > (1– α ) ⋅ 950.000 12  12    

⇔ 926.008,17 > (1 – α ) ⋅ 950.000 ⇔

α > 0, 0253 .

Das Factoring-Angebot ist für ANKUND also dann vorteilhaft, wenn er die Ausfallwahrscheinlichkeit größer als 2,53% einschätzt. Übungsaufgabe 2.10: Die fraglichen Forderungen werden von dem Initiator an die Zweckgesellschaft abgetreten, ohne dabei in irgendeiner Weise ihre Qualitäten zu ändern oder gar „verbrieft“ zu werden. Die „Verbriefung“, d.h. die Unterlegung mit Wertpapieren, bezieht sich vielmehr auf die Ansprüche, die die Investoren als Gegenleistung für ihre Zahlungen an die Zweckgesellschaft erwerben. Die zitierte Formulierung ist also – ungeachtet ihrer weiten Verbreitung – eigentlich unzutreffend. Übungsaufgabe 2.11: a) Der Kooperationsvorteil kann beziffert werden, indem man die Differenz zwischen – dem alternativen Anlagezins der Investoren (5,5%) und – dem alternativen Kreditzins der ALPHA AG (7,143%), also einen Satz von 1,643% auf den maßgeblichen Finanzierungsbetrag von 70 Mio. Euro bezieht. Man erhält so den Betrag von 1,15 Mio. Euro, der sich wie folgt aufteilt:



Die Investoren einerseits erzielten auf die Investitionssumme von 70 Mio. Euro eine um 0,5%-Punkte höhere Verzinsung, also ein Plus von 0,35 Mio. Euro.



Die ALPHA AG andererseits spart die schon im Beispieltext angesprochenen 1,143% auf den ihr zufließenden Finanzierungsbetrag von 70 Mio. Euro, also 0,80 Mio. Euro.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

449

b) Bezeichnet man den Betrag der Transaktionskosten mit K, so können die mit dem Zessionskredit einerseits und der ABS-Maßnahme andererseits verbundenen Zahlungsreihen und die zwischen ihnen auftretenden Differenzen wie folgt verdeutlicht werden. t=0

(1) (2)

Zahlungen Zessionskredit Zahlungen ABS (2) ./. (1)

+70 +70 – K –K

A +31,0 +31,8

t=1 B +20,4 +21,2 + 0,8

C +9,8 +10,6

Die letzte Zeile verdeutlicht die Konsequenzen eines Übergangs von dem Zessionskredit zu der ABS-Finanzierung: Im Zeitpunkt t = 0 entstehen Minderzahlungen von K; dem – stehen unabhängig von dem Volumen etwaiger Forderungsausfälle – im Zeitpunkt t = 1 zusätzliche Zahlungseingänge von 0,8 Mio. Euro gegenüber. Da die Minderzahlung annahmegemäß zu Lasten des 10%-igen Kontokorrentkredits aufgefangen wird, sind die beiden Finanzierungsvarianten gerade äquivalent, wenn 1,1 K = 0,8 bzw. K = 0, 727

c)

gilt. Solange die Transaktionskosten also (gerundet) unter 727.000 Euro liegen würden, wäre die ABS-Konstruktion dem traditionellen Bankkredit vorzuziehen. Dass die Argumentation der eifrigen Assistentin eine „Milchmädchenrechnung“ ist, lässt sich auf unterschiedliche Weise zeigen. Eine mögliche Widerlegung wäre die folgende: Lässt man zunächst die Kosten außer Acht, so kann die GAMMA ja an die ALPHA AG nur genau den Betrag weiterleiten, den sie von sämtlichen Investoren erhält. Es sind dies – wie gehabt 70 Mio. Euro von den Zeichnern der Senior-Class sowie – nach der vorgetragenen Argumentation immerhin 20 Mio. Euro von den Zeichnern der Junior-Class. Die ALPHA AG erhielte insoweit in der Tat mit einem Gesamtbetrag von 90 Mio. Euro genau 1 Mio. Euro mehr ausgezahlt, als das in der bisherigen Darstellung des Beispiels der Fall war. Der „Pferdefuß“ besteht allerdings darin, dass die ALPHA AG als alleiniger Zeichner der Junior-Class ihrerseits an die GAMMA 20 statt der bislang unterstellten 19 Mio. Euro zahlen muss, so dass die Variation des unterstellten Verkaufspreises „zur einen Tasche hinein“ und gleichzeitig „zur anderen Tasche hinaus“ geht. Solange die ALPHA AG die gesamte Junior-Class vollständig übernimmt, ist der dafür angesetzte Preis letztlich völlig unerheblich. Entscheidend ist allein der durch den Verkauf der Senior-Class erzielbare Emissionserlös.

450

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

d) Die zu vergleichenden Zahlungsströme haben jetzt – bei Vernachlässigung von Kosten – das folgende Aussehen: t=0

(1) Zahlungen Zessionskredit (2) Zahlungen ABS

+70 +89

A +31,0

t=1 B +20,4 0

C +9,8

Ob – der erste, auf die Zeitpunkte t = 0 und t = 1 aufgesplittete und mit Unsicherheit behaftete Zahlungsstrom oder – die sichere Zahlung von 89 Mio. Euro in t = 0 als besser zu beurteilen ist, hängt von zwei Einflussfaktoren ab. •

Zum einen ist die Frage bedeutsam, wie Zahlungen in den Zeitpunkten t = 0 und t = 1 vergleichbar gemacht werden können. • Zum Zweiten kommt es darauf an, wie das Phänomen der Unsicherheit in das Kalkül mit einbezogen wird. Angesichts der Vorgaben zur Finanzierungssituation der ALPHA AG liegt es nahe, das erste Problem durch Aufzinsung der im Zeitpunkt t = 0 erfolgenden Zahlungen mit 10 % zu lösen. Zu vergleichen sind dann – die Verteilung (108,0/97,4/86,8) der beim Zessionskredit in t = 1 erzielbaren Zahlungsergebnisse mit – dem sicheren Zahlungsergebnis von 97,9 bei der ABS-Maßnahme. Welcher dieser beiden Zahlungsstrukturen der Vorzug gebührt, kann ohne nähere Informationen über die maßgebliche Risikoeinstellung nicht beantwortet werden. Übungsaufgabe 2.12

a)

01.01.2009: Auszahlung von 96.000; Restschuld 31.12.2009: Zahlung der fälligen Zinsen = 8% von 100.000 Zahlung der fälligen Tilgung = 1% von 100.000 Restschuld 31.12.2010: Zahlung der fälligen Zinsen = 8% von 99.000 Zahlung der fälligen Tilgung = 1% von 100.000 + ersparte Zinsen Restschuld

= = = = = = =

100.000 Euro 8.000 Euro 1.000 Euro 99.000 Euro 7.920 Euro 1.080 Euro 97.920 Euro

b) Wir wissen nicht, zu welchem Ergebnis Ihre Schätzung geführt hat. Eine exakte finanzmathematische Rechnung führt zu folgenden Ergebnissen: • • •

Am Ende des 28. Jahres beträgt die Restschuld noch 4.661,17 Euro. Das Darlehen könnte durch eine am Ende des 29. Jahres erfolgende Schlusszahlung von (4.661,17 ⋅ 1,08 =) 5.034,06 Euro getilgt werden. Der exakte Wert für die Effektivverzinsung beträgt dann 8,45%.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

451

Übungsaufgabe 2.13 Die drei Alternativen entfalten alle eine identische Finanzierungswirkung im Zeitpunkt t = 0 (100.000 Euro Auszahlung). Als Vergleichsmerkmale bieten sich somit zunächst die „Laufzeit“ und die „jährliche Belastung“ an: Unter dem Aspekt der Laufzeit ergibt sich folgende Rangfolge der Alternativen: 1. Alternative I (= 28 Jahre) 2. Alternative II (= 29 Jahre) 3. Alternative III (= 34 Jahre). Die jährliche Belastung stellt sich wie folgt dar: 1. Alternative III (= 9.015 bzw. 9.000 Euro) 2. Alternative II (= 9.375 Euro) 3. Alternative I (= 9.500 Euro) Für den angestrebten Vergleich lässt sich nun folgender „trivialer“ Zusammenhang erkennen: Die Höhe der jährlichen Belastung ergibt sich in Abhängigkeit von der Laufzeit des Darlehens. So hat die erste Alternative mit der kürzesten Laufzeit die höchste, Alternative III mit der längsten Laufzeit die niedrigste jährliche Belastung. Daraus ergibt sich, dass anhand der vorhandenen Angaben eine eindeutige Vorteilhaftigkeitsanalyse nicht möglich ist: Dies wäre z.B. über eine finanzmathematische Betrachtung der gesparten Beträge bei Alternative III im Vergleich zu den ersten beiden unter Heranziehung weiterer Informationen möglich. Übungsaufgabe 2.14

a)

b)

Hypothekarkredit der Bank + Bauspardarlehen A + Eigenmittel aus Bausparvertrag A Summe

150.000 Euro 30.000 Euro 20.000 Euro 200.000 Euro

Kaufpreis der Eigentumswohnung ./. Darlehen und Eigenmittel (s.o.) Rest-Finanzierungsbedarf

250.000 Euro 200.000 Euro 50.000 Euro

Hypothekarkredit der Bank + Bauspardarlehen A + Bauspardarlehen B + Eigenmittel aus Bausparvertrag A und B Summe

150.000 Euro 20.000 Euro 30.000 Euro 50.000 Euro 250.000 Euro

Kaufpreis der Eigentumswohnung ./. Darlehen und Eigenmittel (s.o.) Rest-Finanzierungsbedarf

320.000 Euro 250.000 Euro 70.000 Euro

452 c)

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben Im Fall b) liegt der Rest-Finanzierungsbedarf mit 70.000 Euro um 20.000 Euro höher als im Fall a). Der im Vergleich zum Fall a) um 70.000 Euro erhöhte GesamtFinanzierungsbedarf (Kaufpreis der Wohnung) im Fall b) konnte also nur teilweise durch den dort zur Verfügung stehenden Bausparvertrag B abgedeckt werden. Zwar konnte auf das Bausparguthaben in Höhe von 30.000 Euro aus Bausparvertrag B zurückgegriffen werden, die grundsätzlich disponiblen Bauspardarlehen aus den Bausparverträgen A und B konnten jedoch wegen Überschreitens der mit 80% fixierten Gesamtbelastung (150.000 Euro (Hypothekarkredit) + 30.000 Euro (Bauspardarlehen A) + 40.000 Euro (Bauspardarlehen B) = 220.000 Euro = 88% des Beleihungswertes von 250.000 Euro) nicht in voller Höhe in Anspruch genommen werden. Bei der Berechnung im Fall b) wurden die Bauspardarlehen in gleicher Höhe um jeweils 10.000 Euro gekürzt, da sie durch untereinander gleichrangige Hypotheken zugunsten der beiden Bausparkassen gesichert sind.

Übungsaufgabe 2.15

+ +

Kreditbetrag Bearbeitungsgebühr 2% v. 60.000 Euro Zins 36 x (0,0038 v. 60.000 Euro)

60.000 Euro 1.200 Euro 8.208 Euro 69.408 Euro

Dementsprechend gilt für die pro Monat zu erbringende Zahlung: Monatszahlung =

69.408 = 1.928, 00 Euro . 36

Übungsaufgabe 2.16 Zahlungsreihen ohne Berücksichtigung von Steuern

1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

4. Jahr

Kreditkauf

Tilgung

–25.000

–25.000

–25.000

–25.000

Zinsen

–10.000

–7.500

–5.000

–2.500

Verkaufserlös Gesamtzahlung

+10.000 –35.000

–32.500

–30.000

–17.500

Leasing

Leasingrate

–30.000

–30.000

–30.000

–30.000

Gesamtzahlung

–30.000

–30.000

–30.000

–30.000

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

453

Zahlungsreihen mit Berücksichtigung von Steuern 1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

4. Jahr

Kreditkauf

Restschuld

100.000

75.000

50.000

25.000

Zinsen

10.000

7.500

5.000

2.500

Planm. Abschreibung

20.000

20.000

20.000

20.000

Mindererlös

10.000

Ertragsteuer I Mind. der Bemessungsgrundlage

–30.000

–27.500

–25.000

–32.500

Steuereinsparung

+4.500

+4.125

+3.750

+4.875

Mind. der Bemessungsgrundlage

–27.500

–25.625

–23.750

–31.875

Steuereinsparung

+4.125

+3.844

+3.563

+4.781

Summe der Steuereinsparung

+8.625

+7.969

+7.313

+9.656

–26.375

–24.531

–22.688

–7.844

Ertragsteuer II

Zahlung nach Steuern

Leasing

Leasingrate

30.000

30.000

30.000

30.000

Mind. der Bemessungsgrundlage

–30.000

–30.000

–30.000

–30.000

Steuereinsparung

+4.500

+4.500

+4.500

+4.500

Mind. der Bemessungsgrundlage

–28.500

–28.500

–28.500

–28.500

Steuereinsparung

+4.275

+4.275

+4.275

+4.275

Summe der Steuereinsparung

+8.775

+8.775

+8.775

+8.775

–21.225

–21.225

–21.225

–21.225

Ertragsteuer I

Ertragsteuer II

Zahlung nach Steuern

454

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 2.17 Zunächst einmal ist festzustellen, dass es unnötig ist zu diskutieren, ob Leasing (insbesondere das Finanzierungsleasing) ein Finanzierungsinstrument, eine Investitionsmaßnahme oder gar eine Aktivität sui generis darstellt. Leasing ist als Alternative zum unmittelbaren Kauf eines entsprechenden Objektes und seiner Finanzierung aus frei verfügbaren Mitteln oder durch die Aufnahme eines Kredits zu sehen. Hinsichtlich der Nutzbarkeit des Objektes und der daraus resultierenden Erträge unterscheiden sich Leasing- oder Kaufalternative zumindest für die Grundmietzeit nicht. Untersuchungsgegenstand sind daher die jeweils aufzubringenden Zahlungsströme, genauer gesagt die Zahlungsreihen nach Steuern. 1. Feste gleichbleibende Zinsen Gemeint sind nicht Zinsen, sondern die in der Erläuterung zu diesem ersten Slogan genannten Zahlungen. Richtig ist, dass in der Grundvariante des Leasing der Zahlungsstrom eine nach Vertragsabschluss feststehende Größe darstellt und somit eine Kalkulation unter Sicherheit ermöglicht. Fraglich ist aber, worin hier der behauptete Vorteil zur „bankgemäßigten Objektfinanzierung“ zu sehen ist. Denn auch bei einer Kreditfinanzierung ist eine Festlegung aller Zahlungsgrößen – durchaus auch bis zum Ende der Finanzierungsdauer – möglich und üblich (z.B. im Wege eines Annuitätendarlehens). Womöglich stellt die Behauptung darauf ab, dass bei sehr langen Laufzeiten bis zur vollständigen Tilgung eines Bankkredites die Zinsbindungsfrist, also die Dauer, für welche die Kreditzinsen fest vereinbart sind, häufig endet, bevor die Kreditschuld vollständig abgetragen ist. Dies ist aber eine keineswegs notwendig zutreffende Konstellation, insbesondere nicht bei den eher im mittelfristigen Bereich liegenden Vertragsdauern in der Kreditfinanzierung typischer betrieblicher Investitionsgegenstände wie Maschinen oder Fahrzeuge. 2. Liquidität Unter diesem Schlagwort werden hier zwei Aspekte angesprochen. Zum einen der Zahlungsmittelbedarf im Zeitpunkt der Anschaffungsauszahlung („100%ige Finanzierung“), zum anderen die Aufrechterhaltung weiterer Verschuldungsmöglichkeiten („Kreditspielräume bleiben erhalten“). Zum ersten Aspekt ist einerseits die Verkürzung des Leasing auf solche Fälle festzustellen, in denen die Leasinggesellschaft tatsächlich den benötigten Kaufpreis vollumfänglich finanziert. Das ist jedoch nicht immer so. Vielmehr sind als „Sonderzahlungen“ oder „Anzahlungen“ oder ähnlich bezeichnete Zahlungsleistungen durch den Leasingnehmer bei Beginn des Leasingverhältnisses eine vielfach zu beobachtende Praxis (die übrigens auch das Berechnungsmodul auf der Internet-Seite der CTB LEASING explizit berücksichtigt!). Andererseits sind auch Banken je nach Kundenbonität und Investitionsobjekt häufig durchaus bereit, eine Anschaffung zu 100% mit einem Kredit zu finanzieren. Beim zweiten Aspekt fällt zunächst einmal die vorgenommene Behauptung einer kausalen Beziehung zum ersten Aspekt auf. Dass die 100%ige Fremdfinanzierung die Voraussetzung der Erhaltung von Kreditspielraum ist, kann zutreffen; denn ein späterer Kreditgeber könnte zur Kreditvergabe eventuell nur bereit sein, wenn der Kreditnehmer teils Eigenmittel einsetzt. Allerdings könnte man sich auch vorstellen, dass umgekehrt gerade heutige Fremdfinanzierungen mit einem geringeren „Verschuldungsgrad“ künftige Kreditgeber eher geneigt machen, später ein umso höheres Kreditvolumen auszureichen.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

455

Abgesehen von dieser nicht eindeutigen Kausalität wird zudem offenbar behauptet, eine Leasingfinanzierung schränke im Gegensatz zum Bankkredit die Möglichkeiten späterer (weiterer) Kreditaufnahmen überhaupt nicht ein. Dem liegt augenscheinlich die Vorstellung zugrunde, mögliche spätere Gläubiger interessierten sich bei der Kreditwürdigkeitsprüfung ausschließlich für bestehende „echte Darlehen“ des Kreditantragstellers, jedoch keinesfalls für existierende Verpflichtungen aus Leasingverträgen. Das ist eine zumindest als spekulativ einzustufende Annahme. Das Gros der professionellen Kreditgeber dürfte sich sehr wohl auch für die laufenden Leasingverträge ihrer Schuldnerschaft interessieren. 3. Steuern Hier bleibt unklar, was mit „investitionsbezogenen Steuern“ gemeint ist. Die Erträge, die das Investitionsgut hoffentlich einstmals erzielen wird, können nicht gemeint sein, da diese im Allgemeinen zu versteuern sind. Vermutlich ist die Umsatzsteuer gemeint, die dem Kreditkäufer entsteht, dem Leasingnehmer jedoch zunächst tatsächlich nicht, allerdings später mit den Leasingraten. Die damit zunächst erreichte Verminderung von Auszahlungen ist jedoch kein Spezifikum der Leasingfinanzierung, sondern bewegt sich auf der schlichten Ebene der Verschiebung von Zahlungslasten in die Zukunft – schließlich ist die Umsatzsteuer eine proportionale Größe des Nettokaufpreises bzw. der Leasingrate –, die auch mit einer Kreditfinanzierung ganz natürlicherweise erreicht wird. 4. Rentabilität Dies ist einfach die generelle Behauptung, die gesamte Belastung aus Finanzierungs- und wohl auch sonstigen Kosten sei beim Leasing geringer als beim Kreditkauf. Dass diese Aussage in ihrer Pauschalität zutrifft, dürfte eine durchaus verwegene Hoffnung sein, die ja durch ein einziges Gegenbeispiel zu entkräften wäre. Im Einzelfall kann die Vorteilhaftigkeit des Leasing nur durch eine Endvermögensrechnung geprüft werden, die sämtliche monetisierbaren Aspekte des Vergleichs bezüglich eines treffend gewählten Endzeitpunktes enthalten müsste. 5. Pay as you earn Üblicher Slogan, der eine ganz besondere Abstimmung zwischen Investitionsertrag – genauer: Investitionseinzahlung – und Leasingzahlung suggeriert. Richtig ist aber das Gegenteil: die Leasingrate ist eine unbedingte Zahlungsverpflichtung, die der Leasingnehmer zu erfüllen hat, ganz gleich, wie gut oder schlecht seine Geschäfte – seien es nun solche, die mit dem Leasinggut tatsächlich in Zusammenhang stehen oder sonstige Geschäfte – laufen. „Pay – whether you earn or not“ wäre eine dem wahren Sachverhalt gemäße Formulierung. Und damit fragt sich auch hier wieder, wo der Unterschied zum Bankkredit denn liegen soll. Zumal auch der Kreditkäufer das Investitionsobjekt „vom ersten Tag an voll nutzen“ kann. 6. Wiederbeschaffung Im Vergleich zu den bisherigen Punkten ein fast schon originelles Argument. Unterstellt ist vermutlich ein Vollamortisationsvertrag ohne Kauf- oder Mietverlängerungsoption. Dann steht der Leasingnehmer bei Vertragsende schließlich ohne das geleaste Objekt dar, das er im Falle des Kreditkaufes – weitere Annahme! – noch besäße. Wenn nun noch unterstellt wird, dass es sich in jedem Falle um eine betriebsnotwendige Anlage handelt, so fällt der Entschluss zur Ersatzinvestition in der Tat recht leicht, denn er ist ja unumgänglich. Allerdings ist damit noch lange nicht entschieden, wie die Ersatzinvestition und ihre Finanzierung denn beschaffen sein soll. Das damit Zusammenhängende fällt womöglich um vieles „schwerer“ als einfach eine alte kreditfinanzierte Maschine weiter zu nutzen, so lange es geht. Zudem ist entgegenzusetzen, dass der in der Regel flexiblere Wiederbeschaffungszeitpunkt einer kredit-

456

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

finanzierten Anlage durchaus nicht nur als zusätzliche Entscheidungslast, sondern als Chance eines gegen Umweltveränderungen anpassungsfähigeren Investitionsmanagements empfunden werden dürfte. 7. Bilanzierung Bilanzneutralität ist ein häufig genannter Aspekt des Leasing. Richtig ist, dass Leasinggegenstände in aller Regel tatsächlich vom Leasingnehmer nicht bilanziert werden, ebensowenig die aus dem Leasingvertrag resultierenden Verpflichtungen. Inwiefern daraus ein Vorteil erwachsen mag, verschweigt die Liste allerdings. Denkbar sind insbesondere zwei Wirkungskanäle: Günstigere Bilanzkennzahlen sowie geringere Offenlegungspflichten (vgl. zu den somit möglicherweise entstehenden vorteilhaften Effekten der Leasingfinanzierung die Ausführungen in der Kurseinheit 2, Gliederungspunkt 2.3.3.2 (3) (c)).

Als Fazit lässt sich festhalten, dass in dieser Werbeaussage in recht suggestiver Weise dem Leasing vermeintliche Vorteile zugeschrieben werden, die im Vergleich zu anderen Finanzierungsvarianten im Einzelfall zwar vorliegen können, keineswegs jedoch in der behaupteten Allgemeingültigkeit bestehen. Übungsaufgabe 2.18 a) Einlagen stiller Gesellschafter sind nicht der Eigenfinanzierung, sondern der Fremdfinanzierung zuzurechnen, da dem stillen Gesellschafter im Insolvenzfall auf jeden Fall eine Gläubigerposition zukommt (vgl. § 236 HGB). b) Je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags kann die Beteiligung als stiller Gesellschafter dem für die Eigenfinanzierung typischen Merkmalen ziemlich nahe kommen. So kann diese Finanzierungsform etwa durch folgende vertragliche Vereinbarungen auch verschiedene eigenmittelähnliche Merkmale aufweisen: – Beteiligung am Gewinn und Verlust des Unternehmens (vgl. §§ 231, 232 HGB); – über den Nominalbetrag der Einlage hinausgehender Rückzahlungsbetrag aufgrund quotaler Beteiligung am Unternehmenswert (einschließlich stiller Rücklagen und Firmenwert) bei Kündigung bzw. Auseinandersetzung; – über die Einsichts- und Kontrollrechte gemäß § 233 HGB hinausgehende aktive Mitwirkung an der Geschäftsführung. Soweit die beiden letztgenannten Kriterien gegeben sind, spricht man auch von einer atypischen stillen Gesellschaft. Übungsaufgabe 2.19 a) „Aktiengesellschaften finanzieren sich über die Börse“. Hierbei handelt es sich um ein weitverbreitetes Missverständnis. Die Emissionsfinanzierung selbst vollzieht sich entgegen landläufigen Vorstellungen gerade nicht über die Börse. Der Kontakt zwischen Emittent und Zeichner wird vielmehr auf andere Weise hergestellt. Folgende Möglichkeiten der Emissionsfinanzierung lassen sich nennen: – Selbstemission und – Fremdemission.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

457

Bei ersterer stellt der Emittent selbst die Beziehung zum Zeichner her, bei der zweiten, weitaus gebräuchlicheren, Form übernimmt eine Bank oder ein Bankenkonsortium diese Funktion. b) „Aktiengesellschaften mit börsennotierten Aktien haben bessere Finanzierungsmöglichkeiten als andere Unternehmen“. Mit der Börsennotierung wird bestimmten Anforderungen der Anleger Rechnung getragen. Die Möglichkeit, einen gezeichneten Finanztitel jederzeit nach Gutdünken schnell, ohne nennenswerte Schwierigkeiten und mit niedrigen Transaktionskosten verkaufen zu können, ist für viele Anleger eine wichtige Voraussetzung für ihre Bereitschaft, einen zur Zeichnung angebotenen Finanztitel überhaupt zu übernehmen. Aus diesem Grund wird für die zur Emission aufgelegten Wertpapiere (und Wertrechte) in aller Regel zugleich die Zulassung zum Börsenhandel beantragt. Übungsaufgabe 2.20 a) Die Laufzeit des FRA geht vom 29. September bis 29. Dezember des gleichen Jahres, was genau 91 Tagen entspricht. Usancegemäß zwei Tage nach Laufzeitbeginn, also am 1. Oktober hat die Ausgleichszahlung zu erfolgen. An diesem Tag erhält der Kunde B von Bank A folgenden diskontierten Betrag, wobei sich kleinere Abweichungen von Ihren Rechenergebnissen durch Rundungen ergeben können:

5.000.000 Euro ⋅ 0,3% ⋅ 91/360 3.791,67 Euro / (1 + 0,06/360.⋅ 91)

= 3.791,67 Euro; = 3.735,02 Euro.

b) (1) 5 Mio. ⋅ (1+0,063/360⋅91) = 5.079.625 Euro (2) 5.003.735,02 ⋅ (1+0,06/360 ⋅ 91) = 5.079.625 Euro Die Endguthaben stimmen tatsächlich überein; die Sicherung durch das FRA ist also wirksam. Übungsaufgabe 2.21 Wie die Graphik in der folgenden Abbildung zeigt, gerät der Floor bei einem EURIBOR von 5,75% in die Gewinnzone:

458

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Gewinn in %

1,0 0,75 0,50 0,25

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

EURIBOR in %

– 0,25 Begrenzter Verlust – 0,50 – 0,75 – 1,0

Verlust in %

Ergebnisfunktion für einen Floor Übungsaufgabe 3.01 a) Die Kursnotiz lautet 312 bB, da beim umsatzmaximalen Kurs (312 Euro) noch ein kleiner Angebotsüberhang von 20 Stück besteht. b) Der Makler müsste einen zusätzlichen Kauf – Auftrag (Nachfrage) mit Limit bis 312 über 20 Stück in den Markt geben, d.h. die limitierten Kauf – Aufträge müssten um 20 von 101 auf 121 aufgestockt werden. neue kumulierte Nachfragefunktion

unter

über

310 310 311 312 313 313

555 555 466 394 273 198

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben c)

459

In einem ersten Schritt sind zunächst erst die neuen kumulierten Angebots- und Nachfragefunktionen abzuleiten: Kurs unter 309 309 310 311 312 313 über 313

Angebot 127 197 284 396 464 557 557

Nachfrage 535 535 535 446 374 273 198

möglicher Umsatz 127 197 284 (396) 374 273 198

1) Die neue Kursnotiz müsste 311 bG lauten, da ein Nachfrageüberhang in Höhe von 50 Stück besteht. 2) Ein Ausgleich des Nachfrageüberhanges könnte durch einen zusätzlichen Verkaufsauftrag über 50 Aktien erfolgen, der unlimitiert oder auf einen Kurs unter 312 limitiert sein müsste. Übungsaufgabe 3.02: a) Als „günstig“ werden jeweils die am niedrigsten limitierte Verkaufsorder und die am höchsten limitierte Kauforder interpretiert. Dann ergeben sich folgende Informationen über die Orderlage: Zeitpunkt t=1+ t=2+ t=3+ t=4+ t=5+ t=6+

Informationen 67 G 67 G; 68 B 68 B 66 G; 68 B 68 B –

Erläuterung offene Order A offene Orders A und B offene Order B offene Orders D und B offene Order B keine offene Order mehr vorhanden

b) Aus den vorliegenden Daten lässt sich folgendes Bild des Orderbuchs für die Einheitskursermittlung herleiten: Kurs 66 67 68

Angebot (Orders) 1.000 (E) 2.000 (E, C) 3.000 (E, C, B)

Nachfrage (Orders) 3.000 (F, A, D) 2.000 (F, A) 1.000 (F)

Umsatz 1.000 2.000 1.000

Zu dem Einheitskurs von 67 würden also die Orders A, C, E und F durchgeführt, während die „Grenzaufträge“ B (Angebot mit Limit 68) und D (Nachfrage mit Limit 66) nicht zur Ausführung kämen.

460

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben Im Vergleich zu der unter a) betrachteten Situation ergeben sich dabei für die in beiden Konstellationen durchgeführten Orders als Resultat des Einheitskursverfahrens folgende Abweichungen: A: unveränderter Kauf zu dem selbst gegebenen Limit von 67 F: Kauf zu 67 anstatt zum Limit von 68 C: unveränderter Verkauf zu dem selbst gegebenen Limit von 67 E: Verkauf zu 67 anstatt zum Limit von 66. Die Anleger F und E stellen sich beim Kauf bzw. Verkauf der Aktien also jeweils um 1.000 Geldeinheiten besser als bei a). Auf der anderen Seite – bleibt Anleger B im Besitz von Aktien zum aktuellen (Einheits-) Kurswert von 67, die er in Situation a) zu 68 hätte verkaufen können, während – Anleger D Aktien, die er nach a) zu 66 hätte erwerben können, nun nicht erhält.

Übungsaufgabe 3.03: a) Wenn der Market-Maker permanent Papiere – zu 67 ankauft und – zu 68 verkauft, werden offensichtlich – die Verkaufsorders C (Limit 67) und E (Limit 66) jeweils zum Kurs von 67 durchgeführt und analog auch – die Kauforder F (Limit 68). Die Verkaufsorder B (Limit 68) und die Kauforders A (Limit 67) und D (Limit 66) bleiben hingegen unerfüllt. b) Der Market-Maker – kauft insgesamt 2.000 Aktien zum Kurs von 67 (Gesamtausgabe 134.000) und – verkauft 1.000 Aktien zum Kurs von 68 (Gesamteinnahme 68.000). Mithin – steigt sein Aktienbestand im Endeffekt um 1.000 Stück, während – sein Bankguthaben um (134.000 – 68.000 =) 66.000 Geldeinheiten sinkt. Letztendlich stellt sich der Market-Maker also so, als habe er 1.000 Aktien zum Kurs von 66 gekauft. Übungsaufgabe 3.04:

a)

Der Kurs von 124 Euro je 50-EURO-Aktie entspricht (124 ⋅ 200 =) 24.800 Euro je 10.000-EURO-Aktie. Der Börsenwert von RAFFKES Aktien beträgt somit (24.800 ⋅ 3.000) = 74,4 Mio. EURO.

b) Eine Dividende von 7 EURO je 50-EURO-Aktien entspricht (7 ⋅ 200 =) 1.400 Euro je 10.000-EURO-Aktie. RAFFKE hat mithin eine Dividende von (1.400 ⋅ 3.000=) 4,2 Mio. Euro zu erwarten. c)

Das Grundkapital der AG beläuft sich auf (5.000 ⋅ 10.000 + 500.000 ⋅ 50 =) 75 Mio. Euro. Der Nennwert von RAFFKES Aktienbestand beträgt insgesamt (3.000 ⋅ 10.000 =) 30 Mio. Euro. Seine Beteiligungsquote macht somit (30 : 75 =) 40% aus.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

461

Übungsaufgabe 3.05: a) Das Grundkapital (GK) ergibt sich hier als Summe der Nennwerte (NW) aller Aktien. Damit bestimmt sich (wenn alle Aktien wie hier auf den gleichen Nennwert lauten) die Zahl der Aktien (A) als Quotient aus Grundkapital und Nennwert, also

A =

GK 30 Mio. = = 6 Mio. NW 5

Die AG hat also 6 Mio. Aktien in Nennwert von jeweils 5 Euro ausgegeben. b) Berechnet man die Quotienten zwischen dem Grundkapital und der Aktienzahl, so erhält man den – explizit angegebenen oder fiktiven – Nennwert (NW) der Aktien. Also gilt: (1) NW = 30 Mio. / 60 Mio. = 0,5 Euro (2) NW = 30 Mio. / 20 Mio. = 1,5 Euro (3) NW = 30 Mio. / 10 Mio. = 3,0 Euro Konstellation (1) ist auf keinen Fall zulässig, da der (ggf. fiktive) Nennwert nicht kleiner als 1 Euro sein darf. Konstellation (2) ist im Nennwertsystem ebenfalls nicht zulässig, da der Nennwert auf „glatte“ Euro-Beträge lauten muss. Bei Stückaktien darf der fiktive Nennwert demgegenüber auch nicht ganzzahlige Werte annehmen. Konstellation (3) schließlich wäre in beiden Systemen zulässig. c) Der Bilanzkurs der Aktie kann auf zwei verschiedene Arten berechnet werden. Zum einen als Quotient aus Eigenkapital (EK) und Zahl der Aktien, zum anderen aus dem Verhältnis von Eigenkapital zu Grundkapital multipliziert mit dem Nennwert. Da sich das Eigenkapital auf 54 Mio. Euro beläuft, ergibt sich: (1) CBi = CBi =

EK 54 Mio. = = 9 Euro / Aktie A 6 Mio. EK 54 Mio. ⋅ NW = ⋅ 5 = 9 Euro / Aktie . GK 30 Mio.

Übungsaufgabe 3.06: Nach der unterschiedlichen Gewinnbeteiligung und Stimmberechtigung sind theoretische sechs Kombinationen denkbar: (1) Stammaktie mit Stimmrecht: Die gewöhnliche und häufigste Form der Aktie, die dem Inhaber die normalen, im AktG vorgesehenen Mitgliedschaftsrechte (Stimm- und Dividendenrechte) gewährt. (2) Vorzugsaktie mit Stimmrecht: Eine aufgrund Satzung gemäß § 11 AktG mit besonderen Vorrechten (insbesondere Dividendenvorzugsrechte) gegenüber den Stammaktien ausgestattete Gattung von Aktien, die gleiches Stimmrecht wie die Stammaktie haben (einfache Vorzugsaktien). (3) Kumulative Vorzugsaktien mit Stimmrecht: Mit gleichem Stimmrecht wie die Stammaktien ausgestattete Dividendenvorzugsaktien, bei denen ausgefallene Dividendenvorzugszahlungen solange auf die Folgejahre vorgetragen werden, bis sämtliche Rückstände aufgefüllt sind.

462

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

(4) Stimmrechtslose Stammaktien: Nach dem AktG unzulässig (§ 12 Abs. 1 AktG). (5) Stimmrechtslose einfache Vorzugsaktien: Nach dem AktG unzulässig (§§ 12 Abs. 1, 139 Abs. 1 AktG). (6) Kumulative Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gemäß § 139 Abs. 1 AktG: Wie bei (3), jedoch ohne Stimmrecht. Allerdings lebt das Stimmrecht vorübergehend auf, wenn der Bilanzgewinn in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht zur Zahlung der versprochenen Vorzugsdividende ausreicht, und zwar solange, bis der Bilanzgewinn eines späteren Geschäftsjahres so groß ist, um den Vorzugsaktionären auch die Fehlbeträge der vorangegangenen Jahre nachzuzahlen (§140 Abs. 2 AktG). Übungsaufgabe 3.07: a) Ja. Im Gegensatz zu Unter-pari-Emissionen (Ausgabepreis der Aktien unter dem Nennwert) sind Über-pari-Emissionen (Ausgabepreis über dem Nennwert) zulässig (vgl. § 9 AktG). b) Von den Aktionären müssen mindestens das Agio (Differenz zwischen Ausgabepreis und Nennwert der Aktien) und 25% des Nennbetrages eingezahlt werden (vgl. § 36a Abs. 1 AktG). Sie müssen also pro Aktie mindestens 25% von 5 Euro (= 1,25 Euro) und das Agio in voller Höhe von 2 Euro (=7 – 5 Euro) einzahlen, d.h. hier insgesamt 3,25 Euro. c) Das gesamte Eigenkapital der Gesellschaft beläuft sich auf: 200.000 ⋅ 7 Euro = 1.400.000 Euro.

Das Grundkapital entspricht der Summe der Nennbeträge aller ausgegebenen Aktien, hier also: 200.000 ⋅ 5 Euro = 1.000.000 Euro. Das Agio erhöht die Kapitalrücklage (vgl. § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG). Es beläuft sich auf: 200.000 ⋅ 2 Euro = 400.000 Euro. Da die Aktionäre nur die Mindesteinzahlung geleistet haben, ergibt sich ein Kassenzufluss von 650.000 Euro (= 200.000 ⋅ 3,25 Euro). Der Restbetrag ist eine Forderung der Gesellschaft an die Aktionäre und wird als „ausstehende Einlagen“ ausgewiesen. Diese betragen 750.000 Euro (= 200.000 ⋅ 3,75 Euro). Bilanziell schlägt sich die Emission gem. § 272 HGB wie folgt nieder: Aktive

1.000 Euro

Kasse

650

Gezeichnetes Kapital ./. Ausstehende Einlagen Eingefordertes Kapital Kapitalrücklage

650

Passiva

1.000 750 250 400 650

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

463

Übungsaufgabe 3.08: a) Im Gegensatz zu Unter-pari-Emissionen (Ausgabepreis der Aktien unter dem Nennwert) sind Über-pari-Emissionen (Ausgabepreis über dem Nennwert) zulässig (vgl. § 9 AktG). Daran ändert auch der „krumme“ Ausgabekurs von 7,60 Euro nichts, da gemäß § 8 Abs. 2 AktG nur für den Nennbetrag, nicht jedoch für den Ausgabebetrag, ein „glatter“ Wert verlangt wird.

b) •

Werden die Einlagen voll erbracht, dann kann es sich um Namensaktien handeln, andernfalls muss es sich um Namensaktien gem. § 10 Abs. 2 AktG handeln. • Stimmrechtslose Aktien dürfen generell nur als Vorzugsaktien gem. § 12 Abs. 1 AktG ausgegeben werden. Es können nicht nur Vorzugsaktien ausgegeben werden, denn die Vorzüge müssen sich auf eine Vergleichsbasis beziehen können. Diese Basis bilden die Stammaktien. Somit können die Aktien nicht alle samt Vorzugsaktien sein und somit auch nicht stimmrechtslose Aktien. c) Von den Aktionären muss mindestens das Agio (Differenz zwischen Ausgabepreis und Nennwert der Aktien) und 25% des Nennbetrages eingezahlt werden (vgl. § 36a Abs. 1 AktG). Sie müssen also pro Aktie mindestens 25% von 5 Euro (= 1,25 Euro) und das Agio in Höhe von 2,60 Euro einzahlen, d.h. hier insgesamt 3,85 Euro/Aktie. Im Falle der Insolvenz ist jeder Inhaber nicht voll eingezahlter Aktien verpflichtet, den noch fehlenden Einlagenbetrag nachzuzahlen. Da ursprünglich pro Aktie 3,75 Euro (75 % von 5 Euro) ausstanden, muss ein Aktionär mit 100 Aktien 375 Euro nachschießen. Insoweit haftet er also mit seinem Privatvermögen, jedoch beschränkt auf den genannten Betrag. d) Der erste Satz des Zitates ist im Prinzip zutreffend, wenn man das Wort „günstiger“ im Sinne von „mit dem Einsatz geringerer Barmittel“ oder ähnlich interpretiert. Ob der Verzicht auf die sofortige Einzahlung des vollen Ausgabebetrages insgesamt einen wirtschaftlichen Vorteil für den Aktionär darstellt, kann so allgemein gar nicht beurteilt werden. Unzutreffend ist aber auf jeden Fall der zweite Satz. Der Aktionär haftet nicht mit den ausstehenden Einlagen. Er haftet vielmehr, wie es ja auch anders gar nicht sein kann, mit seinem Vermögen, allerdings beschränkt auf den Betrag der noch ausstehenden Einlage.

Übungsaufgabe 3.09: a) Der fiktive Nennwert einer Aktie beträgt (600 Mio. / 100 Mio. =) 6 Euro. Der Bilanzkurs beträgt demgegenüber (1.050 Mio. / 100 Mio. =) 10,50 Euro). Bei rein buchtechnischer Auflösung der GRL durch die Geschäftsleitung könnte die HV zum Ende des Geschäftsjahres eine Ausschüttung beschließen, die um 200 Mio. Euro über dem erzielbaren Jahresüberschuss liegen würde.

464

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

b) Es ergeben sich folgende Effekte: Fall (1):

• • • •

Der fiktive Nennwert fällt auf (600 Mio. / 150 Mio. =) 4 Euro. Der Bilanzkurs fällt auf 1.050 Mio. / 150 Mio. =) 7 Euro. Da nunmehr 3 Aktien das gleiche Erfolgspotenzial repräsentieren wie zuvor 2 Aktien dürfte der Börsenkurs C tendenziell so fallen, dass die Relation 3 ⋅ C = 2 ⋅ 24 erfüllt ist, sich also auf ca. 16 Euro einpendeln. Die Ausschüttungsmöglichkeiten bleiben unverändert.

Fall (2):

• • • •

Der fiktive Nennwert steigt auf (900 Mio. / 100 Mio. =) 9 Euro. Der Bilanzkurs bleibt unverändert, da sich weder die Aktienzahl noch die Höhe des EK insgesamt ändern. Der Börsenkurs würde tendenziell ebenfalls unverändert bleiben. Die rechtlich möglichen Ausschüttungsmöglichkeiten würden angesichts der EKPositionen GK 900 KRL 150 GRL 0 gegenüber der Ausgangssituation drastisch reduziert. Für das Geschäftsjahr könnte jetzt höchstens noch der Jahresüberschuss ausgeschüttet werden.

Fall (3):

• • • •

Der fiktive Nennwert bleibt letztlich unverändert, da GK und Aktienzahl im gleichen Verhältnis erhöht werden, so dass (600 Mio./100 Mio. = 900 Mio./150 Mio. =) 6 Euro gilt. Für den Bilanzkurs gilt das Ergebnis von (1). Für den Börsenkurs gilt ebenfalls das Ergebnis von (1). Für die Ausschüttungsmöglichkeiten gilt hingegen das Ergebnis von (2).

Übungsaufgabe 3.10: Als mögliche Motive für die Beschaffung genehmigten Kapitals sind denkbar: 1. Motive der Hauptversammlung: Delegation von Entscheidungskompetenzen an den Vorstand in der Erwartung, dass dieser seine Kompetenzen im Interesse der Aktionäre nutzt, etwa um eine günstige Kapitalmarktsituation schnell auszunützen. 2. Motive des Vorstandes: Erhöhung der Flexibilität der Geschäftsführung und des autonomen Handlungsspielraums, ohne von einem weiteren Beschluss der Hauptversammlung abhängig zu sein.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

465

Übungsaufgabe 3.11: a) In der in Übungsaufgabe 3.10 Fall (1) betrachteten Situation galten CA = 24, A = 100 Mio., N = 50 Mio. und CE = 0. In Formel 3.03 eingesetzt ergibt sich somit CAn =

100 ⋅ 24 + 50 ⋅ 0 = 16 100 + 50

was genau dem schon dort ermittelten Ergebnis entspricht. b) Jetzt gilt CA = 25, A = 100 Mio., N = 20 Mio. und CE = 10. Mithin ergibt sich CAn =

100 ⋅ 25 + 20 ⋅ 10 = 22,50. 100 + 20

Der Verwässerungseffekt wird sich also tendenziell auf (CA – CAn =) 2,50 Euro pro Aktie belaufen. Übungsaufgabe 3.12: Angesichts der Daten CA = 25, CE = 10 und B = 5:1 wären die beiden „Wege“ zum Erwerb von 600 FUTURA-Aktien mit folgenden Kosten verbunden:

(1) Kauf von 5 ⋅ 600 Bezugsrechten und Ausübung: K1 = 5 ⋅ 600 ⋅ B + 600 ⋅ 10 = 6.000 + 3.000 B (2) Kauf von 600 Altaktien und Verkauf der Bezugsrechte: K2 = 600 ⋅ 25 – 600 ⋅ B = 15.000 – 600 B a)

In diesem Fall würde gelten: K1 = 15.000 und K2 = 13.200.

Der Quereinsteiger würde also Weg (2) wählen und dementsprechend zum Kurs von B = 3 Bezugsrechte zum Verkauf anbieten. b) In diesem Fall würde gelten: K1 = 12.000 und K2 = 13.800.

c)

Jetzt würde der Quereinsteiger also Weg (1) wählen und dementsprechend zum Kurs von B = 2 Bezugsrechte nachfragen. In den beiden mit B = 3 und B = 2 unterstellten Situationen würde sich somit kein Marktgleichgewicht einstellen. Dies wäre vielmehr der Fall, wenn K1 = K2 gelten würde, also 6.000 + 3.000 B = 15.000 − 600 B, d.h. 3.600 b = B =

9.000

oder

9.000 / 3.600 = 2,50.

466

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben Der Gleichgewichtskurs des Bezugsrechts würde also 2,5 Euro / Bezugsrecht betragen. Diesen Wert erhält man auch direkt über Formel 3.05; danach gilt nämlich B = =

CA − CE b +1 25 − 10 15 = = 2,50. 5 +1 6

Übungsaufgabe 3.13: Nach der Aufgabenstellung gelten folgende Daten: CA = 30 Euro/Aktie; CE = 14 Euro/Aktie A = 9 Mio.; N = 3 Mio.; b=3:1 a) Gemäß Formel 3.03 wird sich der Kurs nach vollzogener Kapitalerhöhung auf folgenden Idealwert einpendeln:

9 ⋅ 30 + 3 ⋅14 = 26 Euro / Aktie. 12 Für das Bezugsrecht ist gemäß Formel 3.05 analog mit einem Kurs von CAn =

B =

30 − 14 = 4 Euro / Bezugsrecht 3 + 1

zu rechnen. Wie man leicht sieht, wird auch Relation (6) bestätigt, da CA − CAn = 30 − 26 = 4 = B

gilt. b) Der Ankündigungseffekt berührt beide Aktionäre in gleicher Weise: Ihre jeweils 300 Aktien erfahren einen Kurssprung von jeweils 3 Punkten. Für jeden der beiden ergibt sich somit ein Vermögensvorteil von 900 Euro. Auch das Verwässerungseffekt trifft beide Aktionäre in gleicher Weise: Ihre zunächst auf 30 Euro gestiegenen Aktien (s.o.) erleiden nun einen Kursverlust von jeweils 4 Punkten. Insoweit trifft beide Aktionäre nun ein Vermögensnachteil von 1.200 Euro. Der Kompensationseffekt hingegen realisiert sich für ALPHA und BERTHA in unterschiedlicher Weise: •

ALPHA veräußert die ihm zustehenden 300 Bezugsrechte und erzielt somit bei einem Preis von 4 Euro/Bezugsrecht einen Erlös von 1.200 Euro, durch den der Verwässerungseffekt gerade ausgeglichen wird.



BERTHA hingegen nutzt die ihr zustehenden 300 Bezugsrechte um 100 junge Aktien zum „Vorzugskurs“ von 14 Euro/Aktie zu beziehen. Nach vollzogener Kapitalerhöhung wird sich deren Kurs jedoch auf 26 Euro/Aktien belaufen. BERTHA erreicht durch die Ausübung ihrer Bezugsrechte somit insgesamt einen Kursgewinn von 1.200 Euro und kann auf diese Weise ebenfalls den Verwässerungseffekt ausgleichen.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

467

Übungsaufgabe 3.14 a) Die Genussscheine erhalten jeweils das 6-fache der Dividende pro 5 Euro/ Aktie des Vorjahres. Jahr: 2008 2009 2010 2011 2012 2013 6 6 7,2 – – 4,8

b) Die Jahresfehlbeträge von 1,5 und 0,9 Mio. Euro in den Jahren 2010 und 2011 werden zu einem Drittel, also mit 0,5 + 0,3 = 0,8 Mio. Euro, dem Rückzahlungsanspruch der Genussscheininhaber angelastet. Der Rückzahlungsanspruch eines einzelnen Genussscheines mindert sich somit um 0,8 Mio. : 50.000 = 16 Euro auf 100 ./. 16 = 84 Euro. Übungsaufgabe 3.15 a) Berechnung des Rückzahlungsbetrages: Jahr

Ausgangsbetrag

1 2 3 4 5 6 7

1.000,00 1.075,00 1.158,31 1.250,97 1.354,18 1.464,29 1.597,85

anzusetzender Zinsfaktor 1,075 1,0775 1,08 1,0825 1,085 1,0875 1,09

Rückzahlungsbetrag 1.075,00 1.158,31 1.250,97 1.354,18 1.464,29 1.597,85 1.741,66

b) Ermittlung der Effektivverzinsung: Gesucht ist r*, so dass gilt: 1.000 ⋅ (1 + r*)7 = 1.741,66 Durch Umformen und Ziehen der siebten Wurzel ergibt sich: r* = 0,0825. Die auf die Gesamtlaufzeit bezogene Rendite beträgt also 8,25% p.a. Übungsaufgabe 3.16 Der allgemein gebräuchliche Ausdruck „der EURIBOR“ lässt den Umstand außer Acht, dass es – je nach zugrundegelegter Währung und – je nach der Laufzeit verschiedene EURIBOR-Sätze gibt.

468

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 3.17 a) Wirkung der Kapitalerhöhung auf den Börsenkurs der Aktien: 3 Altaktien mit einem Börsenkurs von jeweils 40 Euro repräsentieren ein Gesamtvermögen von 120 Euro. Durch die nominelle Kapitalerhöhung wird dieser Vermögensbetrag nunmehr auf Aktien umverteilt, so dass der Börsenkurs auf 120 / 4 = 30 Euro sinkt. Auswirkungen auf die Position des Optionsscheininhabers: I. Mindestwert des Optionsscheines vor der Kapitalerhöhung: • Bezugsrecht auf 3 Aktien • Basispreis 25,– Euro/Aktie • Börsenkurs der Aktie vor Kapitalerhöhung: 40,– Euro/Aktie

Der Kurs des Optionsscheins müsste sich auf mindestens 3 ⋅ (40 – 25) = 45,– Euro/Optionsschein belaufen. II. Bei unveränderten Bezugsbedingungen würde der Mindestwert des Optionsscheines nach der Kapitalerhöhung demgegenüber nur noch 3 ⋅ (30 – 25) = 15,– Euro/Optionsschein betragen. Der Mindestwert des Optionsscheines sinkt demnach durch die Kurssenkung des Aktienkurses von 45 auf 15, d.h. um insgesamt 30,– Euro ab. Dies entspricht der dreifachen Wertminderung des Aktienkurses. b) Die Konstruktion einer Verwässerungsschutzklausel für Optionsscheininhaber könnte folgender Überlegung folgen: •

Die bisherige Position beinhaltete das Recht zum Bezug auf Aktien im Börsenwert von 120 Euro zu einem Bezugspreis von insgesamt 75 Euro; daher betrug der Mindestwert des Optionsscheins = 120 – 75 = 45 Euro.



Nunmehr wird das Ertragspotenzial von 3 Altaktien auf 4 Aktien umverteilt. Also läge es nahe, die Zahl der pro Optionsschein beziehbaren Aktien bei unveränderter Gesamtzahlung von 75 Euro auf 4 zu erhöhen. Der Optionsscheininhaber sollte also das Recht zum Bezug von 4 Aktien im Börsenkurs von 120 Euro zu unverändert 75 Euro, d.h. zu 18,75 Euro/Aktie als neuem Bezugspreis erhalten. Der entsprechende Mindestpreis des Optionsscheins beliefe sich dann unverändert auf 120 – 75 = 45 Euro.

Allgemeine Regel: 1. Erhöhung der Zahl der Bezugsaktien, so dass gilt: ZAlt Z Neu

mit:

=

ZAlt ZNeu AAlt ANeu

A Alt A Alt + A Neu

= = = =

bisherige Anzahl der beziehbaren Aktien (in unserem Beispiel: 3) neue Anzahl der beziehbaren Aktien (?) bisherige Aktienzahl (60 Mio. Aktien) Zahl der neu emittierten Aktien (20 Mio.)

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

469

Durch Auflösen nach ZNeu ergibt sich: Z Neu =

2.

ZAlt A

Alt

(

⋅ A Alt + A Neu

)

  3 ⋅ ( 60 Mio. + 20 Mio.) = 4   = 60 Mio.  

Herabsetzung des Bezugskurses (B) nach der Formel:

BAlt ⋅ ZAlt = BNeu ⋅ ZNeu Ersetzt man ZNeu gem. obiger Formel, ergibt sich nach Kürzen von ZAlt: B Neu = BAlt ⋅

A Alt A

Alt

+A

Neu

  60 Mio. = 25 ⋅ 0, 75 = 18, 75   = 25 ⋅ 80 Mio.  

Übungsaufgabe 3.18 Folgende „Innovationen“ wären beispielsweise denkbar: 1) – Koppelung des Zinssatzes an den EURIBOR; – Koppelung des Rückzahlungsbetrages an den DAX. Zielrichtung wäre in diesem Fall die fortlaufende Anpassung der Anleihe an die aktuellen Gesamtmarktentwicklungen. 2) – Kumulierte Zinszahlungen, deren Höhe sich nach dem jeweiligen Jahresüberschuss des Emittenten bemisst, erst am Ende der Laufzeit; – Rückzahlung zum Nennwert nach Wahl des Emittenten frühestens nach 8, spätestens nach 12 Jahren. Zielrichtung wäre in diesem Fall, die Unternehmung zwischenzeitlich von allen Verpflichtungen aus der Anleihe zu entbinden, die Anleger jedoch an der Entwicklung des Unternehmens zu beteiligen. Übungsaufgabe 3.19 Ausgangssituation:

Fonds Solidus Rapidus Risikus a)

Anlage in Wertpapieren 10 Mio. 10 Mio. 10 Mio.

Eigenfinanzierung 10 Mio. 5 Mio. 1 Mio.

Fremdfinanzierung – 5 Mio. 9 Mio.

Rendite des Fondsvermögens von 15% (in Mio.) Gewinn vor Zinsen ./. Zinsen = Gewinn nach Zinsen Kapitaleinsatz Rendite

Solidus 1,5 – 1,5 10 15%

Rapidus 1,5 0,4 1,1 5 22%

Risikus 1,5 0,72 0,78 1 78%

470

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

b) Rendite des Fondsvermögens von 5% (in Mio.) Gewinn vor Zinsen ./. Zinsen = Gewinn nach Zinsen Kapitaleinsatz Rendite c)

Solidus 0,5 – 0,5 10 5%

Rapidus 0,5 0,4 0,1 5 2%

Risikus 0,5 0,72 –0,22 1 –22%

Interpretation Im Fall a) fällt die Rendite für die Inhaber der Zertifikate umso höher aus, je größer der Anteil der Fremdfinanzierung ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Darlehen nur 8% kostet, die damit beschafften Mittel sich jedoch zu 15% verzinst haben. Der verbleibende Überschuss von 7 Cent je Euro Fremdkapital kommt den Zertifikatinhabern zugute, und zwar in umso größerem Umfang, je höher die Relation zwischen Fremd- und Eigenmitteln ist (0; 1 bzw. 9). Im Fall b) tritt der entgegengesetzte Effekt ein. Das Darlehen kostet mehr, als damit erwirtschaftet wurde. Das Defizit von 3 Cent pro Euro Fremdkapital geht jetzt zu Lasten der Zertifikatinhaber, und zwar umso stärker, je höher die Relation zwischen Fremdund Eigenmitteln ist. Hochverschuldete Fonds bieten also einerseits die Chance erheblicher Renditen (Fall a), beinhalten aber zugleich auch ganz erhebliche Risiken (Fall b).

Übungsaufgabe 3.20 Folgende Tabelle verdeutlicht rein schematisch die acht verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten.

Ausgestaltungsform offener Fonds mit Rückgabemöglichkeit offener Fonds ohne Rückgabemöglichkeit geschlossener Fonds mit Rückgabemöglichkeit geschlossener Fonds ohne Rückgabemöglichkeit

Fixed Fonds 1 3 5 7

Managed Fonds 2 4 6 8

Die Formen 1, 3 und 5 können dabei nicht vorkommen, da wegen der Rückgabe oder Neuausgabe von Zertifikaten das Fondsvermögen variabel ist, also in gewissem Umfang zwingend gemanaged werden muss.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

471

Übungsaufgabe 3.21 a) Berechnung des Inventarwertes, Ausschüttung und Ausgabepreises:

Fonds Schlaraffia Borussia Nirosta

Inventarwert 1.1.08/31.12.08 125/130 75/79,50 80/82,40

Ausschüttung pro Anteil 12 3,75 8,4

Ausgabe-/Rücknahmepreise 1.1.08/31.12.08 131,25/128,70 77,25/79,50 83,2/82,4

b) Ermittlung des prozentualen Wertzuwachses, der Performance pro Anteil und der Rendite zwischen 1.1.08 und 31.12.08 Fonds: Schlaraffia Borussia Nirosta c)

Wertzuwachs nach Inventarwert 4% [5/125] 6% [4,5/75] 3% [2,4/80]

Performance pro Anteil 13,6% [5+12/125] 11% [(4,5+3,75)/75] 13,5% [(2,4+8,4)/80]

Rendite zwischen 1.1.08 und 31.12.08 7,2% [(–2,55+12)/131,25] 7,77% [(+2,25+3,75)/77,25] 9,13% [(–0,8+8,4)/82,2]

Kurzkommentierung der Ergebnisse aus b): Während Borussia die höchste Wertsteigerung mit 6% verzeichnen kann, wird dieser Fonds in Bezug auf die Performance-Rendite durch Schlaraffia (13,6%) deutlich geschlagen, da Schlaraffia einen spürbar höheren Ausschüttungsprozentsatz hat. Die höchste Anleger-Rendite innerhalb des Einjahres-Zeitraumes entfällt hingegen auf Nirosta (9,13%), obwohl das Performance-Ergebnis knapp hinter Schlaraffia zurückbleibt. Dies resultiert aus der ungünstigen Gestaltung der Auf- und Abschlagsätze bei Schlaraffia.

Übungsaufgabe 3.22 Für den betrachteten Importeur, der zum Ende des kommenden Halbjahres 1 Mio. US$ zu zahlen hat, besteht das Risiko, dass der Euro-Kurs des US$ bis dahin steigt und er sich die Dollar zu einem höheren Gegenwert beschaffen muss. Eine Call-Option über 1 Mio. US$ zu etwa 1,10 $/Euro reduziert das Risiko. Liegt der Kurs bei Fälligkeit der Rechnung über 1,10 $/Euro, übt der Importeur die Option aus, ist also gegen über 1,10 $/Euro hinausgehende Kurssteigerungen gefeit. Liegt der Kurs unter 1,10 $/Euro, lässt er die Option verfallen und deckt sich zum aktuellen Kurs günstiger ein. In analoger Weise kann sich ein Exporteur, der noch offene $-Forderungen hat, durch den Kauf einer Put-Option gegen das Risiko eines fallenden $-Kurses absichern.

472

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 3.23 a) Die fraglichen Profile haben folgendes Aussehen

Bezeichnet man den Kurs des Basistitels bei Fälligkeit einfach als „Kurs“, so lassen sich die Rückzahlungsbedingungen wie folgt formulieren. b) (1)

• •

(2)

• • •

(3)

• •

(4)

• • •

(5)

• •

Bei Kursen bis 120 Euro erfolgt eine Zahlung von 40 Euro. Bei Kursen oberhalb von 120 Euro erfolgt keine Zahlung. Bei Kursen unterhalb von 60 Euro erfolgt keine Zahlung. Bei Kursen von 60 Euro bis unter 80 Euro erfolgt eine Zahlung von 40 Euro. Bei Kursen von 80 Euro und mehr erfolgt eine Zahlung von 80 Euro. Bei Kursen bis 120 Euro erfolgt eine Zahlung in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen 120 Euro und dem Kurs. Bei Kursen oberhalb von 120 Euro erfolgt keine Zahlung. Bei Kursen unterhalb von 80 Euro erfolgt keine Zahlung. Bei Kursen zwischen 80 Euro und 140 Euro erfolgt eine Zahlung in Höhe des Doppelten der Differenz zwischen Kurs und 80 Euro. Bei Kursen oberhalb von 140 Euro erfolgt eine Zahlung von 120 Euro. Bei Kursen unter 40 Euro sowie zwischen 160 Euro und 220 Euro erfolgt keine Zahlung. Bei Kursen zwischen 40 Euro und 120 Euro erfolgt eine Zahlung in Höhe der Differenz zwischen dem Kurs und 40 Euro.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben • • •

473

Bei Kursen zwischen 120 Euro und 160 Euro erfolgt eine Zahlung in Höhe des Doppelten der Differenz zwischen 160 Euro und dem Kurs. Bei Kursen zwischen 220 Euro und 340 Euro erfolgt eine Zahlung in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen Kurs und 220 Euro. Bei Kursen oberhalb von 340 Euro erfolgt eine Zahlung von 60 Euro.

Übungsaufgabe 3.24 a) Unter den vorgegebenen Annahmen hat das Rückzahlungsprofil der Aktienanleihe das durch den durchgezogenen Linienzug verdeutlichte Aussehen:

b) Das Rückzahlungsprofil des Discountzertifikats stimmt ab C ≥ 120 mit dem der Aktienanleihe überein, wird für C < 120 hingegen durch den gebrochenen Linienzug verdeutlicht. Für Kurse der ALPHA-Aktie unterhalb von 120 Euro führt die Aktienanleihe in der hier betrachteten Ausstattung also stets zu besseren Ergebnissen als das Discountzertifikat; sie wäre somit – entgegen der Zielvorgabe für den Planungsstab – auf jeden Fall eindeutig „attraktiver“ als das Discountzertifikat.

474

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 3.25: a) Das Belastungsprofil hat folgendes Aussehen:



Der Stillhalter ist zu gar keiner Zahlung verpflichtet, sofern der Kurs der DISCOUNTAktie bei Fälligkeit des Zertifikats nicht mehr als 120 Euro beträgt.



Beträgt der Aktienkurs bei Fälligkeit mehr als 120 Euro, ist der Stillhalter verpflichtet, die Differenz zwischen dem (höheren) Aktienkurs und 120 Euro zu zahlen, maximal jedoch 120 Euro.

b) Das sich insgesamt ergebende Rückzahlungsprofil des betrachteten Zertifikats hat folgendes Aussehen:

Verbal könnte dieses Profil wie folgt verdeutlicht werden: •

Der Inhaber des Zertifikats erhält bei Fälligkeit eine Rückzahlung von 120 Euro, sofern der Kurs der Discount-Aktie zu diesem Zeitpunkt nicht oberhalb von 120 Euro liegt.



Liegt der Aktienkurs oberhalb von 120 Euro, jedoch nicht oberhalb von 240 Euro, erhält der Zertifikatsinhaber eine Zahlung in Höhe der Differenz zwischen 240 Euro und dem Aktienkurs.



Liegt der Aktienkurs oberhalb von 240 Euro, erhält der Zertifikatsinhaber keinerlei Zahlung.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

475

Übungsaufgabe 3.26: Die Rückzahlungsprofile der beiden nun zu betrachtenden Alternativen haben folgendes Aussehen:

Offensichtlich ist die „gemischte“ Anlagestrategie (2) sowohl im Fall deutlich fallender, als auch im Fall deutlich steigender Kurse der ALPHA-Aktie die bessere Alternative gegenüber dem Erwerb des Discountzertifikats. Eine genaue Berechnung zeigt, was der Tendenz nach auch aus der Grafik erkennbar wird, dass sich das Zertifikat in dem hier angestellten Vergleich für Kurse der ALPHA-Aktie im Bereich zwischen 96,25 Euro und 148,50 Euro als optimal erweist. Übungsaufgabe 4.01 Der kalkulierte Sparanteil beträgt, wie im Text dargelegt, 50.257 Euro. Bei einem Anlagezins von 6% hätte allerdings folgender Anlagebetrag ausgereicht, um in 20 Jahren einschließlich Zins und Zinseszins auf 100.000 Euro anzuwachsen:

100.000 · 1,06–20 = 31.180. Mithin ist der Sparanteil um 50.257 – 31.180 = 19.077 zu hoch veranschlagt worden. Übungsaufgabe 4.02 a) Neben der Versicherungssumme von 100.000 Euro wäre zusätzlich der über 20 Jahre mit 6% verzinste Überschussanteil von 19.077 Euro auszuzahlen, also

19.077 ⋅ 1,0620 = 61.183 Euro. Mithin beliefe sich die gesamte Versicherungsleistung auf 161.183 Euro. b) Gesucht ist der Zeitpunkt, zu dem der Sparanteil mit 6% aufgezinst erstmalig die Versicherungssumme von 100.000 Euro übersteigt. Die folgende Übersicht zeigt, dass dies nach 12 Jahren der Fall ist

476

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben 50.257 ⋅ 1,0610 = 90.003 50,257 ⋅ 1,0611 = 95.403

50.257 ⋅ 1,0612 = 101.127 Bereits nach 12, und nicht erst nach 20 Jahren hätte der mit 6% verzinste Sparanteil der Einmalprämie die Versicherungssumme von 100.000 Euro überschritten. c) Bei einer reinen Risikoversicherung ohne Schlusszahlung und mit gegebenen Werten für Beiträge und Versicherungssumme stellt eine Vertragsverkürzung gar keinen Vorteil dar. Er verlöre vielmehr für die letzten Jahre den ursprünglich vereinbarten Versicherungsschutz, ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu erlangen. Wenn in diesem Fall überhaupt eine Verknüpfung von Überschussbeteiligung und Laufzeit hergestellt werden soll, dann kann das sinnvollerweise nur so geschehen, dass die Zurechnung von Überschussanteilen zu einer Verlängerung der Laufzeit führt. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, Versicherungsdauer und Beitragszahlungsdauer auseinanderfallen zu lassen, also mittels der Überschussverwendung die Beitragszahlungsdauer zu verkürzen, jedoch die zeitliche Erstreckung, während derer der Versicherungsschutz besteht, unverändert zu belassen. d) Zu vergleichen sind die folgenden beiden Situationen: – Situation I: Überschussbeteiligung und daraus resultierender Laufzeitverkürzung. – Situation II: Keine Überschussbeteiligung und dementsprechend Laufzeitende wie ursprünglich vereinbart. Tritt der Todesfall vor dem in Situation I erreichbaren Laufzeitende auf, weisen beide Situationen keinen Unterschied auf. Ansonsten weist Situation I gegenüber Situation II jedoch zwei Unterschiede auf: 1. Die Versicherungssumme wird im Fall des Erlebens früher fällig. 2. Nach Auszahlung der Versicherungssumme entfällt der weitere Versicherungsschutz. Der erstgenannte Effekt ist isoliert betrachtet sicherlich als positiv zu bewerten. Das frühe Entfallen des Versicherungsschutzes in Situation I könnte jedoch – analog zur Argumentation zu c) – auf den ersten Blick als Nachteil angesehen werden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass in Situation I die gesamte Versicherungssumme schon früher in voller Höhe zur Verfügung steht und während der Zeitdauer bis zum ursprünglichen Versicherungsbedarf verzinslich angelegt werden könnte. Mithin kann während dieser Zeitspanne durch Vermögensanlage in demselben oder noch einem stärkeren Umfang Risikovorsorge getroffen werden wie bei Fortbestehen der Versicherung. Insoweit ist also auch der Verwendung von Überschussanteilen zur Laufzeitverkürzung im Vergleich zum Unterbleiben einer solchen Maßnahme eindeutig als vorteilhaft einzuschätzen. Dieses Ergebnis bedürfte allerdings unter Umständen gewisser Modifikationen, wenn • für den Todesfall eine höhere Leistung als für den Erlebensfall vorgesehen ist, oder • primär auf das Interesse der im Todesfall aus der Versicherung Begünstigten abgestellt wird. Eine andere und nur im Einzelfall zu beantwortende Frage ist demgegenüber, welche Form der Überschussbeteiligung bei gegebenen Überschussanteilen als die günstigere angesehen wird.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

477

Übungsaufgabe 5.01 a) Nach den vorliegenden Angaben gilt B = 160 P = 20

Für eine Kaufoption ergibt sich somit das durch die durchgezogene Linie in folgender Graphik verdeutlichte Gewinn-Verlust-Profil:



Bleibt der Kurs des Basiswertes unter 160, wird die Option nicht ausgeübt; der Anleger erleidet – einschließlich entgehendem Zins – einen Verlust von 20 pro Option. • Bei Kursen oberhalb von 160 wird die Option ausgeübt. Jede Steigerung des Aktienkurses um 1 Punkt führt zu einer Verlustminderung oder Gewinnsteigerung von 1. Mithin wird bei einem Kurs von 180 die Gewinnschwelle erreicht. b) Die gebrochene Linie verdeutlicht den entsprechenden Zusammenhang für eine Option mit einem Basispreis von 140 und einem Optionspreis von ebenfalls 20. Man erkennt, dass die 140-er Option – bei Kursen bis 140 Euro zu dem gleichen Endvermögen führen würde wie die 160er Option (linker Teil der Grafik) – bei Kursen oberhalb von 140 Euro jedoch zu einem höheren Endvermögen. Bei gleichem Optionspreis würde die 140-er Option also von allen rational handelnden Marktteilnehmern eindeutig präferiert. Es würde sogar lohnen, in der 160-er Option Stillhalterpositionen einzunehmen und den dabei erzielten Erlös in 140-er Optionen anzulegen. Bei einem einheitlichen Preis für beide Optionen wären also – 140-er long calls und 160-er short calls sehr gefragt, – während 140-er short calls und 160-er long calls kaum Interessenten finden dürften. Der Effekt eines dementsprechenden Angebots- und Nachfrageverhaltens wäre, dass ein Marktgleichgewicht wohl erst bei – höheren Preisen für die 140-er Option und/oder – niedrigeren Preisen für die 160-er Option eintreten würde.

478

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 5.02 Die gebrochenen Linien in folgender Grafik verdeutlichen in der üblichen Darstellungsweise die aus einem fixen Terminverkauf (– F) und dem Erwerb einer Kaufoption (+ KO) zu den angegebenen Kursen je einzelnen resultierenden Gewinne und Verluste.

Leitet man aus diesen beiden Linienzügen durch Vertikaladdition die Resultante ab, so erhält man mit der durchgezogenen Linie exakt den für den Käufer einer Verkaufsoption (long put) typischen Linienzug, so dass in der Tat C + VO) = C + KO) & (–F) gilt. Übungsaufgabe 5.03 Die folgenden Grafiken verdeutlichen durch die gebrochenen Linienzüge jeweils die Gewinn- und Verlustmöglichkeiten – des short call (–KO) zu BK = 200, PK = 60 sowie – des long put zu (+VO) zu den alternativ vorgegebenen BV-PV-Kombinationen von 160/40 (Fall a) bzw. 240/80 (Fall b). Die durchgezogenen Linien stellen die jeweiligen Resultanten dar, die der Position eines direkten Terminverkäufers zumindest insoweit entsprechen, dass außerhalb eines „kritischen Intervalls“ zwischen 160 und 200 bei a) bzw. 200 und 240 bei b) – jede weitere Steigerung des Aktienkurses zu einer entsprechenden Erhöhung des Gesamtverlustes und – jede weitere Senkung des Aktienkurses zu einer entsprechenden Steigerung des Gesamtgewinnes führt.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

479

Fall a)

Fall b)

Lediglich „in der Mitte“, d.h. für C-Werte im Größenbereich zwischen den beiden Basispreisen kommt es zu einem von der 45°-Linie abweichenden Verlauf.

480

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Übungsaufgabe 5.04 Durch den gleichzeitigen Kauf einer Verkaufsoption (long put) und Verkauf einer Kaufoption (short call) zu übereinstimmenden Options- und Basispreisen kann der Finanzvorstand der CAPITAL-GmbH exakt die Position eines Terminverkäufers zum Kurs von 300 erreichen. In folgender Abbildung verdeutlichen die gebrochenen Linien die auf eine Aktie bezogenen Endvermögensbeträge, die – jeweils isoliert betrachtet – in sechs Monaten – aus dem vorhandenen Aktienbestand (+ A) einerseits und – aus dem „synthetischen“ Fixverkauf (– F) andererseits zu erwarten sind.

Aus der Vertikaladdition dieser beiden Geraden resultiert eine auf dem Niveau von EV = 300 parallel zur C-Achse verlaufende Gerade. Gemessen am Einstandspreis von 200 kann der Finanzvorstand der CAPITAL-GmbH sich also zum Ende des kommenden Halbjahres einen Kursgewinn von 100 GE/Aktie jetzt schon sichern. Übungsaufgabe 5.05 Auf eine Option bezogen bedingt der zum Erwerb einer Verkaufsoption benötigte Kredit eine Rückzahlung von 20 ⋅ (1 + 0,035) = 20,70. Unterstellt man in der üblichen Weise, dass die Verkaufsoption nur ausgeübt wird, wenn der Aktienkurs im Fälligkeitszeitpunkt unter dem Basispreis von 300 liegt, so kann das aus diesem Geschäft resultierende Endvermögen – isoliert betrachtet – in folgender Abbildung durch die gebrochene Linie (+ VO) verdeutlicht werden. Wird diese Linie vertikal mit der aus der Lösung zu Übungsaufgabe 5.05 übernommenen Linie (+ A) addiert, so resultiert daraus die durchgehend gezeichnete EV-Linie, die per Saldo der Position eines long call entspricht. Für das – bezogen auf eine Aktie – erzielbare Endvermögen gilt dabei

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

481

300 − 20, 7 / C ≤ 300 EV =   C − 20, 7 / C > 300

Im Vergleich zu dem „synthetischen“ Terminverkauf gem. Übungsaufgabe 5.04 beläuft sich der von der weiteren Kursentwicklung unabhängige Mindestwert des Endvermögens nun nur auf 279,30 (gegenüber 300). Dafür besteht andererseits aber noch die Chance, von möglicherweise eintretenden weiteren Steigerungen des Aktienkurses über 300 hinaus zu profitieren. Übungsaufgabe 5.06: Bei Strategie S1 entspricht das erzielbare Endvermögen genau dem am Ende des dritten Monats geltenden Tageswert der 500 Aktien, also gilt: EV1 = 500 ⋅ C .

Bei Strategie S2 sind demgegenüber die folgenden beiden Konstellationen zu unterscheiden: •

Liegt der Aktienkurs unter 300 Euro, so wird MUTIG von seinem Optionsrecht Gebrauch machen und seine 500 Aktien zu dem festgelegten Basispreis von 300 Euro verkaufen, also einen Erlös von 150.000 Euro erzielen. • Bei einem Kurs über 300 Euro wird er hingegen auf die Ausübung der Option verzichten und seine Aktien „freihändig“ an der Börse zum Kurs von C verkaufen. Berücksichtigt man den „Einstandspreis“ für die 500 Optionsscheine von insgesamt 10.000 Euro, so ergibt sich für das bei Strategie S2 erzielbare Endvermögen:

482

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

EV2

150.000 , falls C < 300  (Put Option wird ausgeübt)  = − 10.000 +  500 ⋅ C , falls C ≥ 300 . (Put Option verfällt.) 

MUTIG sichert sich also unabhängig von der weiteren Kursentwicklung auf jeden Fall einen Kursgewinn von 40.000 Euro und hat zudem die Chance, an etwaigen weiteren Kurssteigerungen über 300 hinaus zu partizipieren. Übungsaufgabe 5.07 a) Bezogen auf den Betrachtungszeitpunkt (t = 0) einerseits und das Ende des kommenden Halbjahres (t = 1) andererseits ist das Arbitragegeschäft mit folgendem Zahlungsstrom (pro Aktie) verbunden: − 200 ; + 210

Bezeichnet r den Jahreszins, so gilt für den aus der festverzinslichen Anlage resultierenden Zahlungsstrom analog: − 200

;

 r + 200 ⋅  1 +   2

Das untersuchte Arbitragegeschäft bringt genau dann keinen Vorteil mehr, wenn die Rückzahlungsbeträge exakt übereinstimmen, was für r = 0,1 der Fall ist. Bei einem Anlagezins von 10% p.a. böte die betrachtete Situation also keinen Anreiz für Arbitragegeschäfte. b) Bezeichnet man die Preise von Kauf- und Verkaufsoption vereinfachend mit K und V, und nimmt man an, dass dem Anleger im Zeitpunkt t = 0 über den zum Aktienkauf zum Kassakurs benötigten Betrag hinaus auch noch weitere Mittel in Höhe von V – K zur Verfügung stehen, so gilt für die relevanten Zahlungsströme in den Zeitpunkten t = 0 und t = 1:

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

483

Festzinsanlage

−  200 + ( V − K )  ; +  200 + ( V − K )  ⋅ 1, 04 Arbitragetransaktion

Kauf Aktie −200   Kauf Put −V ;  + 210  Verkauf Call + K  Im Gleichgewicht müssen wiederum beide Rückzahlungsbeträge übereinstimmen, also gilt:

( 200 + V − K ) ⋅ 1, 04

= 210

V−K

=

210 − 200 = 1,92 1, 04

Die untersuchte Arbitragemöglichkeit verliert also genau dann ihre Vorteilhaftigkeit, wenn – der Preis der Verkaufsoption den Preis der Kaufoption umso viel übersteigt – wie der abgezinste Basispreis höher ist als der aktuelle Kassakurs. Im vorliegenden Fall entspricht das einer Differenz von 1,92 Euro. Über den als unmittelbare Lösung der gestellten Übungsaufgabe erwarteten Text hinaus sei angemerkt, dass die hergeleitete Beziehung Ausdruck einer allgemein gültigen Arbitragerelation, der sog. Put-Call-Parität, ist, wonach die interessierenden Größen in folgender Relation stehen müssen: (*)

V − K = CB ⋅

1 − C0 . 1+ r⋅T

Dabei bezeichnet r den maßgeblichen Jahreszins, T die Optionslaufzeit und C0 den aktuellen Kassakurs. Zinst man alle Größen auf den Zeitpunkt T auf, multipliziert man sie also mit (1 + r ⋅ T), so kann statt (*) auch geschrieben werden: (**) (V − K) ⋅ (1 + r ⋅ T) = CB − C0 ⋅ (1 + r ⋅ T) . Übungsaufgabe 5.08 a) In der genannten Situation wäre es gewinnbringend, folgende drei Geschäfte gleichzeitig abzuschließen: (1) Kauf der XY-Aktie per Termin zu 200 Euro/Aktie (2) Kauf einer Verkaufsoption zu 18 Euro/Bezugs-Aktie (3) Verkauf einer Kaufoption zu 20 Euro/Bezugs-Aktie In Abhängigkeit von der Kursentwicklung (C) ergeben sich folgende Ein- und Auszahlungen (+/–) sowie Abnahme- oder Lieferverpflichtungen in Aktien (+ A/– A):

484

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben C (1) (2) (3)

160 –200/+A –18 +200/–A +20

180 –200/+A –18 +200/–A +20

200 –200/+A –18 +200/–A +20

220 –200/+A –18 – +20 +200/–A

240 –200/+A –18 – +20 +200/–A

Σ

+2/–

+2/–

+2/–

+2/–

+2/–

Dabei ist unterstellt worden, dass beim Kurs von 200 Euro die Verkaufsoption ausgeübt wird, die Kaufoption allerdings nicht. Würde die Kaufoption ausgeübt, so könnte der Anleger auf die Ausübung seiner Verkaufsoption verzichten und damit denselben Gesamteffekt erreichen. Durch die gezeigte Kombination der drei Geschäfte wäre es – bei Vernachlässigung von Zinsen und Transaktionskosten – also möglich, einen sicheren Gewinn in Höhe von jeweils 2 Euro zu erzielen. Dieser Gewinn entspricht der Differenz zwischen dem Preis der Kaufoption (20 Euro) und der Verkaufsoption (18 Euro). b) In der unter a) herausgearbeiteten Situation wäre es ja attraktiver – bei einem Preis von 18 Euro Verkaufsoptionen nachzufragen und – sich gegen eine Prämie von 20 Euro auf die Stillhalterposition in einer Kaufoption einzulassen. Auf einem einigermaßen funktionierenden Markt würde das dazu führen, dass die Preise für Verkaufsoptionen tendenziell steigen; die für Kaufoptionen tendenziell sinken würden. Ein Gleichgewicht würde dabei unter der Annahme eines fest vorgegebenen Terminkurses genau dann erreicht, wenn beide Optionspreise übereinstimmen. Übungsaufgabe 6.01 Folgende Finanzdienstleistungen könnten beispielhaft genannt werden, die zugleich zur Verminderung bestimmter finanzwirtschaftlicher Risiken beitragen:





Factoring Neben einer Finanzierungs- und Dienstleistungsfunktion übernimmt das StandardFactoring auch eine Versicherungs- oder Delkredere-Funktion. Durch den Verkauf der Forderungen wird zugleich auch das Ausfallrisiko auf den Factor übertragen. Der Anschlusskunde wird insoweit vor Vermögensverlusten geschützt und erhält eine verlässliche Liquiditäts- und Finanzierungspolitik. Erwerb von amtlich gehandelten Wertpapieren Die Emission börsengängiger Eigenkapitaltitel ist in Deutschland nur Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (oder Kommanditgesellschaft auf Aktien) möglich. Die Vorschriften des Aktiengesetzes sollen hierbei die Interessen und Rechte der Anteilseigner schützen. Die Einbeziehung in den amtlichen Handel setzt sowohl bei Aktien, als auch bei Schuldverschreibungen eine Börsenzulassung voraus. Die Zulassung ist an bestimmte Größenvoraussetzungen und verschiedene weitere Verpflichtungen, insbesondere im Bereich der Publizität geknüpft. Aufgrund der genannten Regelungen reduzieren sich für den Erwerber amtlich gehandelter Wertpapiere die Informationsrisiken. Einerseits wird die Solvabilität der Emittenten besser einschätzbar. Andererseits wird aufgrund der Größen-

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben





485

voraussetzungen eine hinreichende Markttiefe gesichert, die i.d.R. eine unproblematische Veräußerung ermöglicht. Kredit mit Restschuldversicherung Bei dieser Vertragsform wird ein Finanzierungsprodukt mit einem Versicherungsprodukt verknüpft. Dadurch wird sowohl das Risiko des Kreditnehmers, als auch des Kreditgebers gesenkt, sofern dieser nicht mit dem Versicherungsgeber identisch ist. Bei Eintritt des Versicherungsfalles trägt der Versicherungsgeber die vermögensmäßigen Konsequenzen. Bankeinlage Wählt ein Anleger die Bankeinlage (z.B. in Form einer Spareinlage, einer Festgeldeinlage oder eines Sparbriefes) anstatt ein Privatdarlehen zu vergeben, ergibt sich für ihn aufgrund der folgenden Teilaspekte eine Risikosenkung: Intermediärhaftung: Die Bank haftet für auftretende Verluste mit ihrem Vermögen. Risikodiversifikation: Der Bank wird aufgrund ihrer Spezialisierung eine Risikodiversifikation bei der Weitergabe der Einlagen an originäre Geldgeber vornehmen können, die bei der Vergabe eines Privatkredits kaum möglich ist. Risikoselektion: Die Bank ist aufgrund ihrer Spezialisierung besser in der Lage die mit einem potentiellen Engagement verbundenen Risiken zu erkennen. Dies ermöglicht durch geeignete Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen eine Begrenzung des Risikos, die bei der Vergabe eines Privatdarlehens häufig nicht möglich sein wird.

Übungsaufgabe 6.02 a) Es ergaben sich folgende Werte: μA μB μC μD

= = = =

0,1 ⋅ 500 + 0,9 ⋅ 0 0, 2 ⋅ 375 + 0,8 ⋅ 0 0,125 ⋅ 400 + 0,875 ⋅ 0 0, 2 ⋅ 300 + 0,8 ⋅ 0

μ E = 0, 05 ⋅ 700 + 0,95 ⋅ 0

= = = = =

50 75 50 60 35

σA =

0,1 ⋅ ( 500 − 50 ) + 0,9 ⋅ ( 0 − 50 )

2

2

= 150

σB =

0, 2 ⋅ ( 375 − 75 ) + 0,8 ⋅ ( 0 − 75 )

2

2

= 150

σC =

0,125 ⋅ ( 400 − 50 ) + 0,875 ⋅ ( 0 − 50 )

σD =

0, 2 ⋅ ( 300 − 60 ) + 0,8 ⋅ ( 0 − 60 )

σE =

0, 05 ⋅ ( 700 − 35 ) + 0,95 ⋅ ( 0 − 35 )

2

2

2

2

2

= 132 = 120

2

= 153

486

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

b) Vergleicht man die Situation A mit B, so erkennt man, dass die Standardabweichungen gleich sind, bei A jedoch die Schadenserwartung niedriger ist. Die Situation A würde der Situation B von einer risikoscheuen Person vorgezogen (man sagt auch: A „dominiert“ B). Vergleicht man Situation A mit C, so erkennt man, dass die Schadenserwartungen gleich sind, bei C jedoch die Standardabweichung niedriger ist. Die Situation C würde der Situation A von einer risikoscheuen Person vorgezogen. Da Situation B von A und diese wiederum von C dominiert wird, entscheidet sich eine risikoscheue Person für C. (Die Dominanz von C über B lässt sich auch in einem direkten Vergleich feststellen. So verfügt B sowohl über eine höhere Schadenserwartung als auch über eine höhere Standardabweichung als B). c) Vergleicht man Situation C mit D, so lässt sich keine Dominanzrelation feststellen. Situation C weist zwar einen niedrigeren Erwartungswert, dafür aber eine höhere Standardabweichung als D auf. Vergleicht man Situation C mit E, so lässt sich ebenfalls keine Dominanzrelation feststellen, da C zwar eine niedrigere Standardabweichung, dafür aber eine höhere Schadenserwartung als E aufweist. Auch ein Vergleich von Situation D mit E ergibt keine Dominanzrelation, da D zwar eine niedrigere Standardabweichung als E, dafür aber eine höhere Schadenserwartung als E aufweist. Ohne weitere Informationen über die individuelle Einstellung einer risikoscheuen Person ist demzufolge keine Entscheidung möglich. Übungsaufgabe 6.03 a) Schadenssumme Zahl der Schäden insgesamt pro Kopf

0 1 2 3 4

0 500 1000 1500 2000

0 125 250 375 500

Zahl der Konstellationen 1 4 6 4 1

Wahrscheinlichkeit 1⋅0,94 4⋅0,93⋅0,1 6⋅0,92⋅0,12 4⋅0,9⋅0,13 1⋅0,14

= = = = =

65,61% 29,16% 4,86% 0,36% 0,01%

Da sich bei der Ermittlung der Konstellationen Verständnisprobleme ergeben können, sei hier beispielhaft für eine Schadenszahl von 2 noch einmal verdeutlicht, indem aus den Buchstaben A,B,C,D nach der lexikographischen Reihenfolge jeweils zwei herausgenommen werden. Man erhält so folgende 6 Konstellationen für die Möglichkeit von genau 2 Schadensfällen: AB, AC, AD, BC, BD, CD b) Da Sie hier Ihre persönlichen Eindrücke formulieren sollen, können wir Ihnen verständlicherweise keine Lösung vorgeben. Wir vermuten jedoch, dass den meisten von Ihnen die „neue“ Verteilung angenehmer als die ursprüngliche sein dürfte.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben c)

487

Die Eintrittswahrscheinlichkeiten haben wir wie folgt geändert: Schadenswert 0 125 250 375 500

ursprüngliche Wahrscheinlichkeit 0,9 0 0 0 0,1

neue Wahrscheinlichkeit 0,6561 0,2916 0,0486 0,0036 0,0001

Änderung – 0,2434 + 0,2916 + 0,0486 + 0,0036 – 0,0999

Damit ergibt sich eine Schadenserwartung μ4 = 50. Für die Standardabweichung ergibt sich somit: 2

2

σ4 = 0, 6561 ⋅ ( −50 ) + 0, 2916 ⋅ (125 − 50 ) + 0, 0486 ⋅ ( 250 − 50 ) 2

+ 0, 0036 ⋅ ( 375 − 50 ) + 0, 0001 ⋅ ( 500 − 50 )

2

2

= 75 Überprüft man diese Ergebnisse mit Hilfe der Formeln (6.03) und (6.04), so wird dieses Resultat bestätigt. μ 4 = 0,1 ⋅ 500 = 50 σ4 = 150 / 2

= 75

Übungsaufgabe 6.04 a) (1) In der Ausgangssituation (Einzelkämpfer) errechnet sich der b-Wert wie folgt:

b = 50 + 0,1 ⋅ 150 = 65 (2) Als Mitglied einer Gefahrengemeinschaft von 900 Personen errechnet sich der bWert wie folgt: b = 50 + 0,1 ⋅ 5 = 50,5 wobei sich der Wert für die Standardabweichung von 5 gem. Formel (6.04) aus 150/30 ergibt. Fahrradbesitzer v. Orsicht wird den Beitritt zu der Gefahrengemeinschaft als angenehmer empfinden (b = 50,5), als das alleinige Tragen des Diebstahlrisikos (b = 65). Da bei gleicher Schadenserwartung im Falle des Beitritts die Standardabweichung sinkt, ist dies bei einem risikoscheuen Entscheider verständlich. b) Sofern Kosten von 10 Euro pro Kopf entstehen, muss Orsicht diese Kosten der Schadenserwartung voll hinzuzählen, da sie mit Sicherheit entstehen. Für die Bewertungsfunktion ergibt sich demnach: b = μ + k + 0,1 ⋅ σ900 = 50,5 + 10 + 0,1 ⋅ 5 = 60,5 Orsicht würde sich demnach zwar schlechter stellen als bei einem Beitritt zu einer kostenlosen Gefahrengemeinschaft (b = 50,5), aber immer noch besser denn als Einzelkämpfer (b = 65).

488 c)

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben Die Mitgliedschaft in der Gefahrengemeinschaft ist dann nicht mehr vorteilhaft, sobald die Kosten den kritischen Wert k* erreicht haben, bei dem die b-Werte für die Mitgliedschaft und für den Einzelkämpfer gleich sind. Also gilt μ + 0,1 σ1 = μ + k * + 0,1 σ900 50 + 0,1 ⋅ 150 = 50 + k * + 0,1 ⋅ 5 k * = 14,50

Übungsaufgabe 6.05 a) Es errechnen sich folgende Werte:

Erwartungswert gem. (6.05): 10.000 ⋅ 50 = 500.000 = 15.000 Standardabweichung gem. (6.06): 150 ⋅ 10.0000,5 b) Das notwendige Prämienaufkommen errechnet sich wie folgt: PRAUF = 500.000 + 3 ⋅ 15.000 + 75.000 = 620.000 Bei einem Mindestprämienaufkommen von 620.000 Euro ergibt sich bei 10.000 Versicherten pro Kopf eine Prämie von 62,– Euro, die sich in folgende Komponenten zerlegen lässt: Schadenserwartung Risikozuschlag Kostenanteil Summe

50,00 4,50 7,50 62,00

c)

Über die drei in der Lösung zu b) bereits ermittelten Komponenten hinaus verbliebe bei einer Prämie von 63,25 Euro ein unmittelbarer Gewinnanteil von 1,25 Euro. d) Sofern nicht 10.000 sondern 40.000 Fahrräder versichert würden, ergäben sich folgende Effekte: – Die Schadenserwartung vervierfacht sich auf: – Die Risikoprämie verdoppelt sich auf: Damit ergibt sich pro Kopf: Schadenserwartung Risikoprämie

40.000 ⋅ 50 150 ⋅ 40.0000,5

= =

2.000.000 30.000

50,00 2,25 (halbiert)

Aufgrund der Senkung der notwendigen Risikoprämie wäre also bei konstanten Transaktionskosten pro Kopf eine Prämiensenkung möglich: Versicherte: Schadenserwartung Risikoprämie Kostenanteil Mindestprämie

10.000 50,00 4,50 7,50 62,00

40.000 50,00 2,25 7,50 59,75

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

489

Würden hingegen auch die Transaktionskosten pro Kopf steigen, so hätte dies folgende Auswirkungen: – Blieben sie unter 9,75 Euro kann die Prämie gesenkt und/oder der Gewinn pro Vertrag erhöht werden; – betragen sie exakt 9,75 Euro ändern sich Prämie und Gewinn nicht; – steigen sie über 9,75 Euro muss die Prämie erhöht oder der Gewinn pro Vertrag gesenkt werden. Übungsaufgabe 6.06 a x

Güterversicherung Personenversicherung Schadensversicherung Summenversicherung

x

b x x

x1)

Aktivenversicherung

c x

d x

x

x

x x

x

f x x x

x

Aufwandsversicherung Ertragsversicherung

e

x

x

1) Die Schwamm- und Hausbockkäferversicherung ist der Gebäudeversicherung und damit der Aktivenversicherung zuzuordnen.

Übungsaufgabe 6.07: a) Die abgeschlossene Versicherung ist vom Typ einer Erstrisikoversicherung. Auftretende Schäden werden in voller Höhe, maximal jedoch bis zu der Deckungssumme, erstattet. Mithin ergeben sich für die drei Fälle folgende Werte (in Mio. Euro bzw. %): Schaden 8 16 25

Versicherungsleistung (absolut) (prozentual) 8 100% 10 62,5% 10 40%

Versicherungslücke (absolut) (prozentual) 0 0% 6 37,5% 15 60%

b) Für die Entschädigungsfunktion gilt allgemein die Relation / S ≤ 10 S E =   10 / S > 10

Mithin gilt für die Intensitätsfunktion  1 E  i = =  10 S  S

/ S ≤ 10 / S > 10

490

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben So gilt etwa: i (S = 10) = 1 i (S = 20) = 0,5 i (S = 30) = 0,33 i (S = 40) = 0,25. Dementsprechend ergibt sich folgender Kurvenverlauf: i 1

0,5 0,33

0,25

10

20

30

40

S (Mio. Euro)

Übungsaufgabe 6.08: a) In den für die Erstrisikoversicherung maßgeblichen Diagrammen sind die Linienzüge „nach rechts“ nicht begrenzt, sondern verlaufen bei unbegrenzt wachsenden S-Werten – weiter linear steigend (E) bzw. – konstant bei i = 1, da es keine natürliche Obergrenze für die möglichen Schadensbeträge gibt. Die Kurvenzüge für die Vollwertversicherung (bei Überversicherung) brechen demgegenüber bei dem den maximalen Schadensbetrag repräsentierenden Wert VW ab. b) Der Abstand zwischen den beiden Linien verdeutlicht – als absoluten Betrag bzw. %Satz – die „Versicherungslücke“, d.h. das Ausmaß, in dem der Versicherte einen aufgetretenen Schaden selbst tragen muss. Übungsaufgabe 6.09 a) Für das Angebot von Franchise-Tarifen kann aus Sicht der Versicherungsunternehmen unter anderem sprechen, dass – hierdurch der relativ hohe Verwaltungsaufwand bei Bagatellschäden verringert wird – dies gilt jedoch nicht bei prozentualer Selbstbeteiligung –, – Moral-Hazard-Risiken gemindert werden können, – Kunden (aus den unter b) genannten Gründen) Franchise-Tarife wünschen.

Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

491

b) Für die Wahl von Franchise-Tarifen kann aus Sicht des Versicherungsnehmers Folgendes sprechen: •

• •

Die Prämie ist bei Übernahme eines durchaus „tragbar“ angesehenen Risikos in Höhe des Franchisebetrages deutlich niedriger. Dabei bleibt zugleich die Absicherung gegen Großschäden erhalten (dies gilt nur eingeschränkt für prozentuale Beteiligungen). Franchise-Tarife ermöglichen eine Kombination der Versicherung mit anderen Formen der Risikodeckung (z.B. prozentuale Beihilfe zu Krankheitskosten). Bei Individualverhandlungen kann durch die Bereitschaft zur Selbstbeteiligung die Selbsteinschätzung signalisiert werden (geringe Schadenswahrscheinlichkeit) und damit versucht werden, Einfluss auf die Prämie auszuüben (signalling).

Übungsaufgabe 6.10 Bank F ist Verkäufer, Bank W Käufer des Kreditderivats DW. Bank F übernimmt damit das Risiko (zu 50%), versichert also gleichsam den zugrundeliegenden Kredit der Bank W. Es handelt sich um ein ereignisbezogenes Derivat, dessen Gegenstand eine einzelne Buchforderung ist, nämlich die aus dem Kreditvertrag resultierende Forderung gegen die Werft in Höhe von 600 Mio. Euro. Das „Credit Event“ gilt als eingetreten, falls nach Ablauf des Fälligkeitstages des Werftkredites die Zahlungsverpflichtung der Wert nicht oder nicht vollständig erfüllt sein sollte. Bemessungsgrundlage der vereinbarten Ausgleichszahlung ist der noch offene Forderungsbetrag nach Eintritt des Kreditereignisses.

Literaturhinweise Kapitel 1 Mit Erscheinungsformen und Funktionen von Finanzintermediären beschäftigt sich BITZ (1989) und (1994). Eine ausführliche Beschreibung der Struktur des deutschen Bankwesens kann bei ADRIAN/HEIDORN/HAGENMÜLLER (2000) nachgelesen werden. Eine anspruchsvolle Darstellung zu Finanzmärkten und Bankensystem präsentieren HARTMANN-WENDELS/ PFINGSTEN/WEBER (2010). Kapitel 2 Sowohl für die Betrachtung der kurzfristigen, als auch der mittel- und langfristigen Fremdfinanzierung sei auf die entsprechenden Abschnitte der Werke von BREUER (2013), BÜSCHGEN/BÖRNER (2003), DRUKARCZYK (2008), GRÄFER/SCHILLER/RÖSNER (2014), KAISER (2011) und WÖHE/BILSTEIN/ERNST/HÄCKER (2013) und verwiesen. Zum Factoring empfiehlt sich als Nachschlagewerk das Factoring-Handbuch von HARTMANN-WENDELS/MOSESCHUS/ WESSEL (2014), eine Analyse zur Bausparfinanzierung bietet das Werk von STARK (2003). Einen über die Analyse des Leasing in Abschnitt 2.4 hinausgehenden Ansatz bieten BITZ/NIEHOFF (2002) sowie KRAHNEN (1990). Weiterführende Artikel zum Thema Leasing finden sich im Leasing-Handbuch von HAGENMÜLLER/STOPPOK (1992). Einen aktuelleren Überblick gibt KROLL (2007). Zur Vertiefung der Ausführungen zur Eigenfinanzierung durch Kapitalbeteiligungs- und Wagnisfinanzierungsgesellschaften (Abschnitt 2.5.3) empfehlen sich das Werk von ZEMKE (1995) und SCHEFCZYK (2006). Eine umfassende Darstellung der Emissionsfinanzierung des Abschnitts 2.6 findet sich u.a. in WÖHE/BILSTEIN/ERNST/HÄCKER (2013). Kapitel 3 Zur Ergänzung und Vertiefung des im Kapitel 3 behandelten Stoffes sei zunächst auf die Lehrbücher von DRUKARCZYK (2008), PERRIDON/STEINER (2012) oder WÖHE/BILSTEIN/ ERNST/HÄCKER (2013) hingewiesen. Die Darstellung in diesen Büchern erfolgt allerdings überwiegend aus der Sicht des Emittenten und nicht so stark ausgeprägt wie in dem vorliegenden Buch aus der Sicht des Anlegers. Zum Bereich des Börsenhandels sei grundlegend auf SCHMIDT (1988), zum Problem des Eigenkapitals und seines bilanziellen Ausweises auf BITZ/SCHNEELOCH/WITTSTOCK/PATEK (2014) verwiesen. Wegen der Möglichkeit, verschiedene Aspekte der Vermögensanlage in Aktien und Anleihen an Hand von Übungsaufgaben zu behandeln, ist das Übungsbuch von BITZ/EWERT (2014) in Betracht zu ziehen, insbesondere die Aufgaben 2.55 bis 2.62 und 2.16 bis 2.21 sowie 2.32 bis 2.36. Zu einer weitergehenden Vertiefung zur Vermögensanlage in Investmentzertifikaten ist das grundlegende Buch von PÄSLER (1990) zu empfehlen. Einen guten und übersichtlichen Ein-

494

Literaturhinweise

blick geben auch GRILL/PERCZYNSKI (2013). Bei weiterem Interesse an ausgewählten Problemstellungen der Vermögensanlage in Investmentzertifikaten ist die Lektüre von WITTROCK (2000) und STARK (2006) anzuraten. Kapitel 4 Zur Vertiefung und Ergänzung der Ausführungen über die verschiedenen Formen der Vermögensanlage bei Banken wird auf die Darstellungen in GRILL/PERCZYNSKI (2013) und OBST/HINTNER (2000) verwiesen. Einen ergänzenden Überblick zur Lebensversicherung vermitteln die Beiträge in FARNY (2011) und das grundlegende Buch von HAGELSCHUER (1987). Kapitel 5 Eine sehr übersichtliche Einführung zu Kapitel 5 finden Sie in USZCZAPOWSKI (2012), das auch zu einer Vertiefung des Verständnisses von Futures geeignet ist. Zur Ausgestaltung des Marktsegments des Terminhandels und als grundsätzliche Einführung sei erneut auf SCHMIDT (1988) verwiesen. Grundlegende Optionspositionen und Strategien werden von MÜLLER-MÖHL (2002) plastisch dargestellt. Zusätzlich sei auf BÖSCH (2013), HULL (2012), RUDOLPH/SCHÄFER (2010) und STEINER/BRUNS/STÖCKL (2012) verwiesen. Kapitel 6 Für theoretisch interessierte Leser liefern die grundlegenden Beiträge von KREMER (1988) und HELTEN (1988) sowie SCHMIDT (2009) eine über das Grundmodell der Gefahrengemeinschaft weit hinausgehende Darstellung. Die verschiedenen Versicherungsformen werden von KOCH (1988) dargestellt. Für eine weitergehende Darstellung der einzelnen Versicherungssparten sei auf FARNY (2011) und FÜHRER/GRIMMER (2010) hingewiesen. Dort werden die verschiedenen Versicherungen unter dem entsprechenden Stichwort ausführlich dargestellt. Eine kurze und präzise Darstellung der Aval- und Akzeptkredite sowie der Kreditgarantiegemeinschaften findet sich unter dem entsprechenden Stichwort im GABLER BANK LEXIKON (2012). Kapitel 7 Für Leser von Kapitel 7 sei neben der dort genannten Literatur zu kritisierten Finanzdienstleistungen auf das Grundlagenwerk von STARK (2005) gewiesen, das den gesamten Bereich der privaten Finanzen behandelt. Sonstiges Zur allgemeinen Orientierung über einzelne Fachausdrücke wird auf das Lexikon von BESTMANN (2013) hingewiesen. Zur Vertiefung verschiedener Detailfragen aus dem Finanzbereich kann ganz allgemein auf das „Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens“, herausgegeben von GERKE/STEINER (2001) verwiesen werden. Darüber hinaus empfehlen wir Ihnen das Übungsbuch von BITZ/EWERT (2014). Es enthält u.a. eine Vielzahl von Übungsaufgaben aus dem Bereich „Finanzierung“ mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Es ist sowohl als begleitende Lektüre bei der Durcharbeitung des Lehrstoffes als auch zur gezielten Prüfungsvorbereitung geeignet.

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Glossar Ablauffonds → Laufzeitfonds.

3.4.1

ABS-Finanzierungen 2.2.3.5 ABS- („Asset-Backed-Securities-“) Finanzierungen bewirken in ihrer Grundform, dem → Factoring ähnlich, bei dem Eigentümer von Forderungen durch deren vorfällige Abtretung einen Zahlungsmittelzufluss. Konstitutives Merkmal der ABS-Konstruktionen ist, dass der Käufer der Forderungen, im Gegensatz zu einem typischen → Factoringunternehmen oftmals eine reine Ad-hoc-Gründung (die sog. → Zweckgesellschaft), die Transaktion durch die Ausgabe von → Wertpapieren („Securities“) an Investoren finanziert. Deren Rechtsposition kann je nach Ausgestaltung der Wertpapiere (→ PassThrough-/→ Pay-Through-Typ) näher bei der von Eigen- oder bei der von Fremdfinanciers liegen. Abschreibung 2.4.2 Die (planmäßige) Abschreibung dient dem Zweck, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren Gegenständen des → Anlagevermögens im Rechnungswesen eines Unternehmens auf die Perioden ihrer voraussichtlichen betrieblichen Nutzung zu verteilen. Absonderung (-srecht) 2.1.6.2 (Recht auf) vorzugsweise Befriedigung eines Anspruchs durch Verwertung eines zur → Insolvenzmasse gehörenden Gegenstandes (z.B. auf Grund eines Pfandrechts). Abtretung → Sicherungsabtretung.

2.3.2.3

Abzugsfranchise 6.3.2 Bei der (absoluten) Abzugsfranchise als Form der → Franchisen-Versicherung nimmt die → Intensität der Versicherungsleistung mit steigender Schadenshöhe zu. AfA-Tabellen 2.4.1 Unter dem steuerlichen Begriff „Absetzung für Abnutzung“ (AfA) wird die Erfassung der nutzungsbedingten Wertminderung einzelner Wirtschaftsgüter des → Anlagevermögens verstanden. Mittels der AfA sollen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter möglichst periodengerecht auf die Nutzungsdauer verteilt werden, um so eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten. Die Bemessung der AfA setzt die Kenntnis der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer und des Verlaufs der Nutzung voraus. Um Gewinnverlagerungen durch überhöhte oder zu geringe → Abschreibungen zu vermeiden, sind die AfA-Sätze und die AfA-Dauer in sogenannten AfATabellen der Finanzverwaltung auf Grund von Erfahrungswerten normiert. Agio (ital. = Aufschlag, Aufgeld) 3.2.4.2 Betrag, um den der → Ausgabebetrag von Aktien oder einem Fremdfinanzierungsinstrument den → Nennbetrag bzw. Rückzahlungsbetrag überschreitet. Akkumulierender Fonds → Wachstumsfonds.

3.4.1

Akquisition (ital.) 2.3.2.3 Kundenwerbung durch bankeigene Mitarbeiter. Aktie 2.6.1/3.1.1/3.2 Ein in einer Urkunde verbrieftes Mitgliedschaftsrecht, das eine bestimmte Beteiligung am → Vermögen einer AG

500 ausweist. Es ist zu unterscheiden zwischen den „alten“ Aktien und den „jungen“ Aktien. Letztere werden im Rahmen einer Kapitalerhöhung neu ausgegeben. Den Altaktionären steht dabei zur Wahrung ihrer Vermögens- und Stimmrechtsanteile ein → Bezugsrecht auf den Teil der jungen Aktien (→ Aktien, junge) zu, der ihrem Anteil an den alten Aktien entspricht. Aktienanleihe 3.6.4 Entspricht einem → Discountzertifikat, das an den Kurs einer → Aktie gekoppelt ist, im Unterschied zu diesem jedoch mit einem Zinskupon ausgestattet ist. Aktienfonds 3.4.1 Besondere Form eines → Investmentfonds, dessen Portefeuille hauptsächlich Aktien enthält. Aktien, junge 3.2.1/3.2.4.2/3.3.2.4 Neue, im Rahmen der Erhöhung des → Grundkapitals einer Aktiengesellschaft ausgegebene Aktien. Besitzern alter Aktien stehen in der Regel Ansprüche auf den Bezug junger Aktien zu (Bezugsrecht). Sobald die jungen Aktien den alten in allen Funktionen gleich stehen, entfällt die Bezeichnung. Aktienoptionen 3.3.3 Beinhalten im Rahmen des Optionsgeschäftes das Recht, eine bestimmte Anzahl Aktien zu einem festgelegten → Basispreis zu kaufen/verkaufen. Im Rahmen der → Optionsanleihe wird das Recht beschrieben, eine bestimmte Anzahl Aktien zu den vertraglichen Bedingungen zu erwerben; bei der → Wandelanleihe wird das Recht, im Umtausch gegen die Anleihe Aktien zu beziehen, entsprechend den vertraglichen Wandlungsbedingungen gewährt. Aktien, stimmrechtslose 3.2.2.5 Aktiengattung ohne Stimmberechtigung in der → Hauptversammlung, oftmals mit besonderen Vorzügen gegenüber den →

Glossar

Stammaktien. Kompensation des fehlenden Stimmrechts erfolgt durch Vorzugsaktien. Hierbei wird ein nachzuzahlender Vorzug bei der Verteilung des Jahresüberschusses festgelegt (→ Vorzugsaktie, kumulative). Rückerhalt der Stimmberechtigung bei rückständiger Dividendenzahlung. Aktiva, freie 2.1.6.2 Im Eigentum des → Schuldners befindliche Vermögensgegenstände, welche nicht mit Ansprüchen auf → Aussonderung oder → Absonderung belastet sind. Akzept 2.2.3.3 a) Begriff für die schriftlich auf dem → Wechsel abgegebene Willenserklärung des → Bezogenen, dass er den Wechsel akzeptiert und sich zur Zahlung verpflichtet. b) Begriff für einen vom → Bezogenen akzeptierten → Wechsel. Akzeptkredit 2.2.4 → Kreditleihe, bei der die Bank einen vom Kreditnehmer auf sie gezogenen → Wechsel unter der Bedingung akzeptiert, dass der Kreditnehmer den Gegenwert vor dessen Fälligkeit bereitstellt. Akzeptprovision 2.2.4 Entgelt als Gegenleistung für die Annahmeerklärung eines → Wechsels (→ Akzept), der auf die Bank gezogen wurde. Amerikanische Option 5.1.1 → Option, die jederzeit während der Laufzeit der Option ausgeübt werden kann. Andienungsrecht 2.4.1 Bezeichnung für eine Regelung in einem Leasingvertrag, wonach der Leasinggeber nach Ablauf der → Grundmietzeit das Wahlrecht hat, den Leasinggegenstand nach eigenem Gutdünken zu verwerten oder ihn zu einem bereits bei Vertragsabschluss festgelegten Preis an den Leasingnehmer zu verkaufen.

Glossar

501

Ankündigungseffekt 3.2.4.3 Autonome Kursänderung durch die Ankündigung einer → Kapitalerhöhung.

Ziel einer risikolosen Marge für den Finanzintermediär. (→ Aktienanleihe; → Discountzertifikat.)

Anlagebedarf 1.1.1 Er entsteht, wenn bestimmte Wirtschaftssubjekte (→ Geldgeber) in einzelnen Perioden weniger → Auszahlungen zu leisten beabsichtigen, als sie → Einzahlungen erzielen, und bereit sind, die entsprechenden Überschüsse den potentiellen → Geldnehmern im Wege gesonderter Finanztransaktionen zu überlassen.

Anleger 2.6.1 Potentielle Käufer und Verkäufer von → Wertpapieren, die für sich selbst und nicht für Dritte, wie z.B. → Wertpapiermakler, handeln. Man unterscheidet Privatanleger und institutionelle Anleger. Zu letzteren zählt man gewöhnlich → Kapitalverwaltungsgesellschaften, → Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds, Stiftungen, mitunter aber auch → Kreditinstitute.

Anlageleistungen 1.1.2.1 Leistungen eines → Finanzintermediärs, die es einem → Geldgeber ermöglichen, nicht für Investitions- oder Konsumzwecke benötigte → Zahlungsmittelbestände gegen das Versprechen späterer Rückzahlung dem Finanzintermediär oder durch dessen Vermittlung einem Dritten zu überlassen. Anlagevermögen 2.4.3.3/2.5.1 Derjenige Teil des → Vermögens eines Unternehmens, der dazu bestimmt ist, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Zum Anlagevermögen zählen z.B. Patentrechte, Grundstücke und Gebäude, Maschinen und maschinelle Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie Finanzanlagen. Anlagezertifikate 3.6 In rechtlicher Hinsicht indexierte → Anleihen (→ Index-Anleihen; → Indexierung), deren Inhabern eine Gläubigerstellung zukommt. Die Indexierung folgt vermittels einer mehr oder weniger komplexen Berechnungsformel den Kursen anderer Wertpapiere oder sonstiger Anlageformen. Als Emittenten betätigen sich ausschließlich Finanzintermediäre. Die dem Emittenten zufließenden Mittel werden typischerweise zur Kompensation der aus dem vereinbarten Rückzahlungsprofil resultierenden Risiken investiert, mit dem

Anleihe 2.6.1 Bezeichnung für ein langfristiges, festverzinsliches → Darlehen, welches von der öffentlichen Hand, einem Unternehmen oder einem → Kreditinstitut durch die Ausgabe von → Schuldverschreibungen aufgenommen wird. Anleihen lauten über einen hohen Gesamtbetrag, welcher zumeist in kleinere Beträge gestückelt ist. Die → Emission einer Anleihe erfolgt auf Basis des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes. Anleihe „cum right“ 3.3.2.4 Bezeichnung für eine Anleihe mit verbundenem → Optionsrecht. Anleihen, ewige 3.3.3 Bezeichnung für Anleihen, deren Rückzahlungstermin im Voraus noch nicht bekannt ist. Bei diesen ewigen Renten behält sich der Schuldner meist das Recht der Tilgung und der Gestaltung der Tilgung vor. In Deutschland nicht gebräuchlich. Anleihe „ex right“ 3.3.2.4 Anleihe ohne gleichzeitig verbundenes → Optionsrecht. At-the-money 5.1.1 → Option, bei der der → Basispreis mit dem aktuellen Preis des zugrundeliegenden Wertes übereinstimmt.

502

Glossar

Auftrag, limitierter 3.1.2.3 Kursbegrenzung eines Auftrages beim Kauf/Verkauf von Wertpapieren. Im Gegensatz zu unlimitierten Käufen (→ Billigstorder) und Verkäufen (→ Bestensorder) darf der festgesetzte Kurs nicht über-/unterschritten werden. Aufwand 2.2.3.1/2.4.2 Aus geschäftlichen Transaktionen resultierende Verringerung des buchmäßig ausgewiesenen → Reinvermögens. Aufwandversicherung → Versicherung von Passiven.

6.2.2.1

Ausbildungsversicherung 4.3.2.1 Beispiel einer → Lebensversicherung, bei der die Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird, unabhängig davon, ob der Versicherte lebt oder nicht. Ausfallrisiko 1.1.2.2 Gefahr für einen → Geldgeber, dass der → Geldnehmer seinen Rückzahlungsverpflichtungen überhaupt nicht oder nur zu einem niedrigeren Betrag als vertraglich vereinbart nachkommt. Ausgabepreis 3.2.2.2 Kurs oder Preis, zu welchem → junge Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere ausgegeben werden. Der Ausgabepreis bei Anteilen von Kapitalverwaltungsgesellschaften wird nach dem Inventarwert pro Anteil ermittelt und börsentäglich festgestellt. Ausgabepreis ist der Anteilwert am Fonds unter Hinzurechnung eines Zuschlages für Ausgabekosten je nach Vertragsbedingungen. Ausschüttungen 3.2.3.1/2.5.1 → Auszahlungen von Teilen des Gewinns eines Unternehmens an die Gesellschafter. Bei der Aktiengesellschaft z.B. werden sog. Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet. Über die Höhe der Ausschüttungen beschließt in Übereinstimmung mit handelsrechtlichen Vorschriften sowie den Regelungen im →

Gesellschaftsvertrag die Gesellschafterversammlung. Aussonderung 2.1.6.2 Möglichkeit des Eigentümers eines nicht zur → Insolvenzmasse gehörenden Gegenstandes (z.B. auf Grund eines → Eigentumsvorbehalts), diesen aus dem → Vermögen eines im → Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmens auszusondern. Ausstehende Einlage → Einlage.

2.5.1

Auszahlung 1.1.1 Verminderung des Bargeldbestandes oder Belastung des Girokontos. Auszahlungsbetrag 2.1.4 Betrag, der bei Ausgabe einer Aktie oder eines Fremdfinanzierungsinstruments tatsächlich ausgezahlt wird; effektiver Mittelzufluss beim → Emittenten bzw. Schuldner. Avalkredit 2.2.4 → Kreditleihe, bei der die Bank als → Bürge oder als → Garant für die Erfüllung von Verbindlichkeiten des Kreditnehmers gegenüber Dritten einsteht. Avalprovision 2.2.4 Entgelt für die Bereitschaft der Bank zur Übernahme einer → Bürgschaft oder einer → Garantie (→ Avalkredit). Die Avalprovision ist abhängig vom Zweck und der Laufzeit des → Avalkredits und den möglicherweise gestellten → Kreditsicherheiten. Sie wird berechnet in Prozenten der Bürgschafts- bzw. Garantiesumme. Bankakzept 6.4.2 Vom Kunden auf die Bank nach Absprache gezogener Wechsel, der von der Bank akzeptiert wird. Möglichkeit für den Kunden, den Wechsel in Zahlung zu geben oder für einen Geldkredit von einer Bank diskontieren zu lassen.

Glossar Bankgeschäfte 1.2.2 Gemäß § 1 KWG zählen folgende Geschäfte zu den Bankgeschäften: „1. Die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einlagengeschäft); 1a. die in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Pfandbriefgesetzes bezeichneten Geschäfte (Pfandbriefgeschäft); 2. die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten (Kreditgeschäft); 3. der Ankauf von Wechseln und Schecks (Diskontgeschäft); 4. die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten in eigenem Namen für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft); 5. die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft); 6. (weggefallen); 7. die Eingehung der Verpflichtung, zuvor veräußerte Darlehensforderungen vor Fälligkeit zurückzuerwerben; 8. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere (Garantiegeschäft); 9. die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs (Girogeschäft); 10. die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft); 11. (weggefallen); 12. die Tätigkeit als zentraler Kontrahent im Sinne von Absatz 31.“

503 Basispreis 5.2 Beim Optionsgeschäft wird außer der zu zahlenden Prämie (→ Optionsprämie) auch der bei Ausübung der Option zu zahlende Preis des zugrundeliegenden Basistitels bei Vertragsabschluss festgesetzt. Basiswert 5.2 Wertpapier, zu dessen Kauf oder Verkauf z.B. eine → Option berechtigt. Bauspardarlehen 2.3.2.2 Langfristiger, durch zweitrangige → Grundpfandrechte abgesicherter Kredit, der zweckgebunden zur Finanzierung von Bauvorhaben sowie zum Erwerb von Grund- und Wohneigentum durch → Bausparkassen im Rahmen eines → Bausparvertrages vergeben wird. Die Rückzahlung erfolgt in Form der → Annuitätentilgung. Der → Zins liegt im Allgemeinen deutlich niedriger als bei → Hypothekarkrediten. Bausparguthaben 2.3.2.2 Summe der im Rahmen eines → Bausparvertrages angesparten Beträge. Das Guthaben wird mit einem vertraglich festgelegten → Zinssatz verzinst, der in der Regel unter dem Zinssatz für vergleichbare → Spareinlagen liegt. Bausparkasse 2.3.2.2 → Spezialbank, die auf der Basis langfristig abgeschlossener → Bausparverträge unterverzinsliche → Spareinlagen entgegennimmt und nach Erreichen einer bestimmten → Bausparsumme die → Bausparguthaben ausbezahlt und unterverzinsliche → Bauspardarlehen vergibt, die zweckgebunden zur Finanzierung des Erwerbs oder Baus von Wohnungseigentum dienen. Bausparsofortfinanzierung 7.2.2.2 Kreditvergabe im Zusammenhang mit einem → Bausparvertrag, die unmittelbar nach dessen Abschluss erfolgt, ohne dass überhaupt ein → Bausparguthaben exis-

504 tiert. Die Bausparsofortfinanzierung stellt somit die frühestmögliche Kreditbeziehung im Rahmen des Bausparens dar, vor → Vorfinanzierung, → Zwischenfinanzierung und der Vergabe des eigentlichen → Bauspardarlehens. Bausparsumme 2.3.2.2 In einem → Bausparvertrag festgelegter Betrag, der Bemessungsgrundlage für zahlreiche Vertragselemente ist wie z.B. das vom Bausparer für die → Zuteilung zu erreichende Mindestsparguthaben oder die Höhe von Zahlungsleistungen und Gebühren). Bausparvertrag 1.2.5/2.3.2.2 Vertrag zwischen einem Bausparer und einer → Bausparkasse, worin sich der Bausparer verpflichtet, vertraglich festgesetzte Sparraten zu leisten. Eine einmalige Zahlung der Sparleistung wird i.d.R. gestattet. Nach Erreichen der vertraglich vereinbarten Mindestsparleistung (häufig 50 Prozent der → Bausparsumme), Ablauf einer Mindestsparzeit von z.B. 18 Monaten und dem Erreichen einer bestimmten → Bewertungszahl erwirbt der Bausparer den Anspruch auf → „Zuteilung“ der Bausparsumme. Bear-Anleihe 3.3.2.1 Koppelung des Rückzahlungsbetrages an einen Aktienindex. Der Rückzahlungsbetrag steigt mit fallendem Aktienindex und umgekehrt. Begebungskonsortium 2.6.3 Form der → Fremdemission, bei der die → Konsortialbanken lediglich die technische Vorbereitung und den Vertrieb der → Emission, nicht jedoch das → Platzierungsrisiko übernehmen. Belegschaftsaktien 4.2.6.1 Aktien, die an Arbeitnehmer eines Unternehmens oft im Rahmen eines Gewinnbeteiligungssystems und häufig unter Börsenkurs ausgegeben werden.

Glossar Beleihungsgrenze 2.3.2.1/2.3.2.2/2.3.3.2 Sie beträgt bei → Hypothekarkrediten 60 Prozent des → Beleihungswertes. Bei → Bauspardarlehen beträgt sie 80 Prozent und bei → Schuldscheindarlehen von → Versicherungsunternehmen 40 Prozent des Beleihungswertes. Beleihungswert 2.3.2.1 Wert, der einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht (Wohnungseigentum, Erbbaurecht) von einem → Kreditinstitut beigemessen wird. Die Ermittlung wird von Sachverständigen nach gesetzlichen Vorschriften oder hausinternen Richtlinien durchgeführt. Grundlagen für die Ermittlung des Beleihungswertes sind der → Sachwert, der → Ertragswert und der → Verkehrswert. In der Regel ist der Beleihungswert der Mittelwert von Sach- und Ertragswert. Bereitstellungsprovision 2.2.2 Entgelt für einen zugesagten, aber nicht in Anspruch genommenen Kredit. Berichtigungsaktien 3.2.4.2 Im Rahmen einer nominellen Kapitalerhöhung (→ Kapitalerhöhung, nominelle) ausgegebene neue Aktien. Berufsunfähigkeitsversicherung 4.3.2.2 Im Falle der Berufsunfähigkeit wird eine Rente bis zum 60. (Frauen) bzw. zum 65. (Männer) Lebensjahr gezahlt. Besicherung 2.3.2.1 Alle Ausgestaltungsformen eines Kreditvertrags, die Form und Inhalt von → Kreditsicherheiten regeln. Bestensorder 3.1.2.3 Unlimitierter Verkaufsauftrag (→ Auftrag, limitierter) mit sofortiger Ausführung im Markt am jeweiligen Verkaufstag. Beteiligungsquote 3.2.2.2/3.2.4.2/3.2.4.3 Aus dem Verhältnis der Summe der Nennwerte der Aktien eines Aktionärs zur Gesamtsumme aller → Nennwerte

505

Glossar

(→ Grundkapital) ergibt sich die Beteiligungsquote des Einzelaktionärs.

Zahlungsanweisung eine Zahlungsverpflichtung hinzu.

Bewertungsfunktion 6.1.2.2 Funktion, die jeder Handlungsmöglichkeit eine Bewertungskennzahl zuordnet, mit deren Hilfe Alternativen ihrer Vorziehenswürdigkeit nach geordnet werden.

Bezugsfrist 3.2.4.2 Zeitspanne für die Ausübung des Bezugsrechtes. Mindestzeitraum sind 2 Wochen, in welchen sich der Aktionär für die Beteiligung an der → Kapitalerhöhung und den Erwerb junger Aktien (→ Aktien, junge) oder den Verkauf der Bezugsrechte zu entscheiden hat.

Bewertungskennzahl → Bewertungsfunktion.

6.1.2.2

Bewertungszahl 2.3.2.2 Auf die Bausparsumme normierte Kennzahl, die nach der Logik eines „Zeit-malGeld-Systems“ festhält, wie lange und mit welchem jeweiligen Volumen von einem Bausparer dem Bausparkollektiv Beträge überlassen wurden. bezahlt (b) 3.1.2.3 → Kurszusatz, signalisiert exakten Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Außer den unlimitierten Aufträgen konnten auch alle zum/über dem ermittelten Kurs limitierten Kaufaufträge, bzw. alle unter dem/zum ermittelten Kurs limitierten Verkaufsaufträge im Markt ausgeführt werden (→ Auftrag, limitierter). bezahlt und Brief (bB) 3.1.2.3 → Kurszusatz: Die zum festgestellten Kurs limitierten Verkaufsaufträge konnten nicht vollständig in den Markt gegeben werden, es bestand ein kleiner Angebotsüberhang. bezahlt und Geld (bG) 3.1.2.3 → Kurszusatz: Die zum festgestellten Kurs limitierten Kaufaufträge konnten nicht vollständig in den Markt gegeben werden, es bestand ein kleiner Nachfrageüberhang. Bezogener 2.2.3.3 Wechselschuldner, den der Aussteller eines → Wechsels angewiesen hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Zahlung an den durch die Wechselurkunde als berechtigt Ausgewiesenen zu leisten. Wenn der Bezogene den Wechsel akzeptiert (→ Akzept), tritt zur

Bezugsrecht 2.6.1 Das einem Altaktionär bei der → Emission von jungen Aktien (→ Aktien, junge) zustehende Recht, gemäß seinem bisherigen Anteil am Aktienvolumen einen entsprechenden Teil der jungen Aktien zu beziehen (§ 186 AktG). Bezugsrechtsformel, traditionelle 3.2.4.3 Nach der traditionellen Ermittlung ergibt sich der rechnerische Bezugsrechtswert durch das Verhältnis der Differenz zwischen dem Börsenkurs der alten Aktien und dem Emissionskurs der jungen Aktien zu dem um 1 erhöhten → Bezugsverhältnis. Bei nur anteiliger Dividendenberechtigung ist das Bezugsrecht ggf. um einen Abschlag zu vermindern. Bezugsrechtshandel 3.2.4.2/3.2.4.3 Der Handel mit Bezugsrechten beginnt an deutschen Börsen i.d.R. am 1. Tag der → Bezugsfrist und erstreckt sich über die gesamte Bezugsfrist (mindestens 2 Wochen) mit Ausnahme der letzten beiden Bezugstage. Hierdurch wird die Möglichkeit eröffnet, Bezugsrechte hinzuzuerwerben oder sich von den zustehenden Bezugsrechten zu lösen. Nach Eröffnung des Bezugsrechtshandels notieren alte Aktien ex Bezugsrechte (→ ex Bezugsrecht). Bezugsrechtspreis 3.2.4.3 → Bezugsrechtsformel, traditionelle

506

Glossar

Bezugsverhältnis 3.2.4.2/3.2.4.3 Anzahl alter Aktien in Relation zu den jungen, neu zu emittierenden Aktien.

te, z.B. des → Wertpapieroptionsgeschäfts, versorgt sowie Hinweise und Ratschläge zur Vermögensanlage gibt.

Bietungsgarantie 6.4.2 Insbesondere im Rahmen eines Avalkredites übernimmt eine Bank die Verpflichtung zur Übernahme der Strafe, wenn der Bieter bei einer Ausschreibung den erteilten Zuschlag doch nicht annimmt.

Börsenorgane 3.1.2.2 Hierzu gehören: Geschäftsführung der Börse, Börsenrat, Zulassungsstelle zum Wertpapierhandel, Sanktionsausschuss sowie der → Freiverkehrsausschuss.

Bilanzgewinn 3.2.2.4/3.2.2.5 Bilanzgewinn = Jahresüberschuss + Gewinnvortrag ./. Verlustvortrag + Auflösung von → Rücklagen ./. Bildung von → Rücklagen. Normalerweise wird der Bilanzgewinn an die Aktionäre ausgeschüttet oder nach Beschluss der → Hauptversammlung in freie Rücklagen überführt. Bilanzkurs 3.2.2.2 Verhältnis zwischen der Summe aus dem gezeichneten Kapital und Rücklagen, d.h. dem ausgewiesenen Eigenkapital, zum gezeichneten Kapital einer Aktiengesellschaft, pro Aktie.

Börsenzulassung 2.6.2 Zum Schutz der → Anleger ist die Zulassung von → Wertpapieren zum Börsenhandel an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die für → Aktien und → Anleihen verschieden sind. Für die Strenge der Voraussetzungen ist das Marktsegment maßgeblich, für welches die Aktien zugelassen werden sollen. Hierbei ist zwischen dem → amtlichen Handel, dem → geregelten Markt und dem → Freiverkehr zu unterscheiden. Bogen 3.2.2.1 Der Bogen eines Wertpapiers enthält Coupons (GewinnAnteilscheine, Zinsscheine) und einen Erneuerungsschein (Talon) zum Bezug eines neuen Bogens.

Billigstorder 3.1.2.3 Ohne Kursangabe erteilter (unlimitierter) Kaufauftrag (→ Auftrag, limitierter) von Wertpapieren mit sofortiger Ausführung im Markt am jeweiligen Kauftag.

Bonität 1.1.2.3 Aus der → Bonitätsprüfung abgeleitete Einschätzung über die Bereitschaft und Fähigkeit eines (potentiellen) → Schuldners, seine Verpflichtungen vertragsgemäß zu erfüllen.

Blankoindossament 3.1.1 Übertragungsvermerk auf Wertpapieren, die den Empfänger nicht bezeichnen. Ein blanko indossiertes Wertpapier ist im Handel einem Inhaberpapier fast gleichwertig, da dieses dann auch durch Einigung und Übergabe übertragen werden kann.

Bonitätsprüfung 1.1.2.2 Systematische Analyse der persönlichen Merkmale eines (potentiellen) → Schuldners oder Kreditnehmers sowie seiner wirtschaftlichen Faktoren der Vergangenheit, z.B. seines Zahlungsverhaltens und Geschäftsgebarens sowie seiner Jahresabschlüsse.

Börsendienst 1.1.2.3 Unternehmen, welches die Abonnenten seiner allgemein „Börsenbrief“ genannten Publikationen regelmäßig mit speziell aufbereiteten Informationen über die Entwicklung bestimmter Börsensegmen-

Briefhypothek 2.1.2 Form der → Hypothek, bei der zusätzlich zur Eintragung im → Grundbuch ein Hypothekenbrief ausgestellt wird. Der Hypothekenbrief wird vom Grundbuchamt erteilt. Eine Briefhypothek entsteht

Glossar

nicht bereits durch Einigung über die Belastung des Grundstücks und Eintragung im Grundbuch, sondern erst mit Übergabe des Hypothekenbriefes an den → Gläubiger. Die Übertragung erfolgt entweder durch schriftliche Abtretung der Forderung und Übergabe des Hypothekenbriefes oder durch mündliche Abtretung der Forderung, Übergabe des Hypothekenbriefes und Eintragung der Abtretung im Grundbuch. Buchforderung 2.1.2 Schuldrechtlicher Anspruch eines → Gläubigers gegenüber dem → Schuldner, der nicht durch ein → Wertpapier verbrieft ist, sondern lediglich in den Handelsbüchern verzeichnet ist. Bürge 1.1.2.2 Er verpflichtet sich gegenüber dem → Gläubiger, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des → Schuldners einzustehen. Im Gegensatz zur → Garantie ist das Schuldverhältnis zwischen Bürge und Gläubiger in seinem Bestand vom Umfang der Hauptschuld zwischen Gläubiger und Schuldner abhängig. Bürgschaft 2.1.6.3 → Personalsicherheit; Verpflichtung eines Dritten (→ Bürgen) für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des → Schuldners einzustehen; vgl. §§ 765-778 BGB. Bundesschuldbuch 2.6.1 Öffentliches Register, in welches die Namen der → Gläubiger sowie die Höhe ihrer Forderungen für jede → Schuldverschreibung des Bundes eingetragen werden. Das Bundesschuldbuch erspart den Druck und die Ausgabe von Wertpapierurkunden, an deren Stelle sog. → Wertrechte treten. Bull-Anleihe 3.3.2.1 Koppelung des Rückzahlungsbetrages an einen Aktienindex. Der Rückzahlungsbe-

507 trag fällt mit fallendem Aktienindex und umgekehrt. Bull-& Bear-Anleihe 3.3.2.1 Kopplung von → Bear- und → BullAnleihe in einer gemeinsam emittierten Anleihe. Bundesanleihen 3.3.2.1/3.3.3 Festverzinsliche Anleihen des Bundes mit Gesamtlaufzeiten, die üblicherweise zwischen 10 und 30 Jahren liegen. Bundesobligationen 3.3.3 Festverzinsliche Anleihen des Bundes mit einer Gesamtlaufzeit von 5 Jahren. Die Ausgabe erfolgt kontinuierlich in einzelnen Serien. Die Börseneinführung erfolgt erst nach dem vollständigen Verkauf der jeweiligen Serie. Bundesschatzbriefe 3.3.2.1/3.3.2.2 Nicht börsengehandelte Anleihen des Bundes mit im Zeitablauf steigendem Zins und laufender Zinszahlung (Typ A mit 6-jähriger Laufzeit) oder → Zinskumulation (Typ B mit 7-jähriger Laufzeit). Nach einer einjährigen Sperrfrist können innerhalb von 30 Zinstagen jeweils Schatzbriefe im Nominalwert bis zu 5000 Euro zum Nominalwert (Typ A) bzw. Nominalwert zuzüglich aufgelaufener Zinsen (Typ B) zurückgegeben werden. Bürgschaftsbanken 6.4.1/6.4.3 → Kreditgarantiegemeinschaften, die als Selbsthilfeorganisationen Bürgschaften oder Garantien für Leistungen ihrer Mitglieder übernehmen. Call-Option 3.3.2.4/5.1.1 Kaufoption, bei der der Käufer der Option das Recht erwirbt, innerhalb der Optionsfrist jederzeit (→ amerikanische Option) bzw. am Ende der Optionsfrist (→ europäische Option) vom Verkäufer der Option (→ Stillhalter) die Lieferung eines zugrunde gelegten Basistitels zum vereinbarten → Basispreis zu verlangen.

508 Cap-Klausel (engl. = Deckel) 2.7.2 Vereinbarung in einem mit einer → Zinsgleitklausel versehenen Kreditvertrag, wonach die Verzinsung nicht über eine vereinbarte Obergrenze hinaus steigen kann. Capped-Indexoptionsscheine 3.3.2.4 Capped- → Indexoptionsscheine gewähren dem Inhaber die in Euro ausgedrückte Differenz, um die am Ausübungstag der aktuelle Indexstand den Basiskurs übersteigt (Kauf/Call) bzw. unterschreitet (Verkauf/Put), maximal jedoch den in den Optionsscheinbedingungen festgelegten Höchstbetrag. Caps 3.3.2.2 Auf der Basis einer → Floating-RateNote, d.h. einer variabel verzinslichen Anleihe, besteht die Möglichkeit, eine Maximalverzinsung festzusetzen. Certificates of Deposit (CD) 4.2.1 Hierbei handelt es sich um kurzfristige Inhaber-Schuldverschreibungen, in denen praktisch die Ansprüche aus Termingeldern bei der emittierenden Bank verbrieft sind. Clearingstelle 5.2.4 Zentrale Institution zur geregelten, gegenseitigen Aufrechnung und Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Teilnehmern einer Einrichtung, z.B. einer Wertpapierbörse. Letztendlich sind nur die Salden auszugleichen. Clearing-Mitglied 5.2.4 Institut, das für Kunden bzw. Börsenmitglieder die Abwicklung von Transaktionen vornimmt. Clearstream 3.1.3 → Wertpapiersammelbank in der Gruppe Deutsche Börse. Clearstream ist als Zentralverwahrer („Central Securities Depository“ – CSD) für die deutschen und Luxemburger Wertpapiermärkte tätig.

Glossar Convertible Bonds → Wandelanleihen.

3.3.2.4

Covered Warrants → Optionsscheine, gedeckte.

3.3.2.4

Credit Default Option 6.5.2 Durch den Kauf dieses → Kreditderivates erwirbt der → Gläubiger einer Kreditbeziehung das Recht, bei Fälligkeit von dem Verkäufer die Haftung für die Verpflichtungen des Kreditschuldners zu verlangen. Credit Default Swap 6.5.2 Die Vereinbarung eines Credit Default Swap verpflichtet den Verkäufer dieses → Kreditderivates, bei Eintritt wohldefinierter Ereignisse (sog. Kreditereignisse) Ausgleichszahlungen an den Käufer zu leisten. Letzterer ist als Kreditgläubiger beispielsweise dann abgesichert, wenn sein → Schuldner Insolvenz anmeldet. Credit Linked Note (CLN) 6.5.2 → Kreditderivat; Kombination aus einer → Anleihe und einer → Credit Default Option. cum right 3.2.4.3 Bezeichnung für Wertpapiere mit Bezugsscheinen, Zinsscheinen, Dividendenscheinen oder sonstigen anteiligen Rechten (→ Anleihe „cum right“). Dachfonds 3.4.1 Besondere Art von → Investmentfonds, deren Vermögen hauptsächlich in Anteilen anderer Investmentfonds angelegt ist. Damnum (lat. = Schaden, Nachteil) 2.1.4 Bei Hypothekendarlehen (→ Hypothekarkredit) übliche Bezeichnung für → Disagio. Darlehen 2.3 Langfristige, häufig auch als → Kredit bezeichnete Überlassung von → Zahlungsmitteln durch eine Bank, ein → Versicherungsunternehmen oder durch sonstige Unternehmen oder Privatperso-

509

Glossar

nen. In der Regel erfolgt die Überlassung in Form eines Buchkredits, die Ausstellung eines → Schuldscheins ist seltener.

ternehmen zu bildenden Deckungsstocks (heute: → Sicherungsvermögen) von der Versicherungsaufsicht zugelassen sind.

Debitor 2.2.3.4 Beim → Factoring → Schuldner der verkauften Forderungen.

Deckungssumme 6.3.1 Ein entstandener Schaden wird bei der sogen. → Erstrisikoversicherung vollkommen, maximal bis zu einer vertraglich fixierten Deckungssumme beglichen.

Debitorenbuchhaltung 2.2.3.4 Kontrolle des fristgerechten Zahlungseingangs ausstehender Forderungen sowie der wirtschaftlichen Lage der → Schuldner. Deckungsgeschäft 3.1.3 Insbesondere Wertpapierkäufe zur Erfüllung eingegangener Lieferverpflichtungen. Deckungsregister 3.3.2.3 Die zur Deckung von Kommunalschuldverschreibungen verwendeten Kommunaldarlehen und sonstigen Werte sind von der Hypothekenbank einzeln in ein Register einzutragen. Innerhalb jedes Quartals hat der → Treuhänder beglaubigte Abschriften der Eintragungen bei der Aufsichtsbehörde einzureichen. Deckungsrückstellungen 2.3.3.1 → Rückstellungen von Versicherungsunternehmen für diejenigen Leistungsverpflichtungen, die auf das Versicherungsunternehmen aus den bereits abgeschlossenen → Versicherungsverträgen in Zukunft zukommen werden. Sie sind bei den meisten Versicherungsunternehmen der größte Passivposten und ergeben sich rechnerisch als versicherungsmathematisch bestimmter Gegenwartswert aller zukünftigen Leistungsverpflichtungen aus abgeschlossenen Verträgen abzüglich des Gegenwartswertes der noch ausstehenden Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer. Deckungsstock (hist.) → Sicherungsvermögen.

2.3.3.1

Deckungsstockfähigkeit (hist.) 2.3.3.2 Eigenschaft solcher → Wertpapiere, die zur Anlage des von → Versicherungsun-

Delkredere (ital.) 2.2.3.4 Gewährleistung für den Eingang von Forderungen. Delkrederegebühr 2.2.3.4 Entgelt, welches ein → Factoringunternehmen dafür verlangt, dass es das Risiko für den Eingang der Lieferantenforderungen übernimmt. Delkredereversicherung 2.2.2.3 Versicherung, welche sich mit der Absicherung von → Lieferantenkrediten befasst, die der Lieferant einer Ware oder Dienstleistung seinen Kunden einräumt. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Kunden ersetzt der Versicherer dem Lieferanten den Ausfall der Forderungen in der versicherten Höhe. Depotbank 3.4.2 Banken mit der Berechtigung zur Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere. Depotgeschäft 3.1.3 Die von Banken vorgenommene gewerbsmäßige Verwahrung von Wertpapieren und evtl. anderweitigen Gegenständen. Die Errichtung von Konten, Depots in offener und geschlossener Form, Aufbewahrung und Haftung, Verwaltung und Gebührenberechnung sind als wichtigste Tätigkeitsfelder anzuführen. Depotprüfung 3.1.3 Nach dem Gesetz für das Kreditwesen ist bei Banken, die → Depotgeschäfte betreiben, eine jährliche Prüfung auf Basis der Depotbücher der Bank und der Depotauszüge der Kunden vorzunehmen.

510

Glossar

Deutscher Aktienindex (DAX) 3.1.2.2 Laufindex, der im Computersystem der Frankfurter Börse im Verlauf der Börsenzeit sekündlich neu berechnet und optisch angezeigt wird. Der Index enthält 30 Aktien, die zusammen 75% des gesamten → Grundkapitals inländischer börsennotierter Gesellschaften und 85% der Börsenumsätze in deutschen Beteiligungswerten repräsentieren. Eingehende Werte sind z.B. Allianz, BASF, BMW, Deutsche Bank, Lufthansa, Siemens und VW.

jedoch nur bis zu einer festgelegten Obergrenze. Liegt der Kurs bei Fälligkeit darunter, kann auch durch Lieferung des Wertpapiers selbst getilgt werden. Die aus der Obergrenze resultierende Chancenverringerung des Zertifikatsinhabers wird durch einen Verkaufspreis des Zertifikates kompensiert, der unterhalb des Wertpapierkurses im Verkaufszeitpunkt liegt. Dieser „Discount“ (Abschlag) auf den aktuellen Kurs ermöglicht die sog. → „Seitwärtsrendite“.

Deutsche Börse Clearing AG (hist.) 4.1.3 Zusammenschluss der Deutschen Kassenverein AG (umfasste sieben deutsche Wertpapiersammelbanken) und der Deutschen Auslandskassenverein AG mit Sitz in Frankfurt am Main. Die Deutsche Börse Clearing AG war Abwicklungspartner für alle Geschäfte in Xetra und Zentralverwahrer für deutsche Wertpapiere; verschmolz durch Fusion zur Wertpapiersammelbank Clearstream.

Diskontabschlag 2.2.3.3 Abschlag beim Ankauf eines → Wechsels vor Fälligkeit; im Vergleich zum → Diskontsatz nicht auf Jahresbasis umgerechnet.

Devisentermingeschäfte 2.7.1 Devisenkauf/-verkauf, der von den Vertragspartnern nicht innerhalb von 2 Tagen nach Geschäftsschluss erfüllt werden muss (→ Kassahandel), sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einem fixierten Kurs. Disagio (ital. = Abgeld, Abschlag) 2.1.4 Betrag, um den der → Auszahlungsbetrag den → Nennbetrag unterschreitet. Disagiodarlehen 2.3.2.1 Andere Bezeichnung für → Tilgungsstreckungsdarlehen. Discountzertifikat 3.6.4 Ausgestaltungsform eines → Anlagezertifikates, unverzinslich und mit einem Rückzahlungsanspruch ausgestattet, der dem Kurs eines einzelnen → Wertpapiers, üblicherweise einer → Aktie, folgt,

Diskontkredit 2.2.3.3 Kredit, bei dem die Bank vom Kreditnehmer → Wechsel vor deren Fälligkeit unter Abzug eines → Diskontabschlags ankauft. Diskontprovision 2.2.3.3 Entgelt für die Bearbeitung und Abwicklung beim → Diskontkredit. Diskontsatz 2.2.3.3 Abschlag beim Ankauf von → Wechseln vor deren Fälligkeit; als Zinssatz auf Jahresbasis umgerechnet. Dispositionskredit 2.2.2 → Kontokorrentkredit zur Überbrückung eines überwiegend kurzfristigen → Finanzbedarfs im privaten Bereich. Dividendenberechtigung 3.2.2.4 Bei der Aktiengesellschaft haben Aktien einer Gattung jeweils den gleichen Anspruch an der Verteilung der Dividende. Lediglich junge Aktien (→ Aktien, junge) werden teilweise mit einer unterschiedlichen Dividendenberechtigung versehen. Dividendencoupon 3.1.3 Auch Dividendenschein genannt, dient in erster Linie zur Auszahlung der Dividende und eines evtl. Bonus, jedoch auch als

511

Glossar

Basis der Ausgabe von → Berichtigungsaktien und zur Ausübung des Bezugsrechtes. Ist vom → Bogen jeweils abzutrennen. Dividendensatz 3.2.4.2 Absolute oder prozentuale Höhe der Dividende im Verhältnis zum → Nennwert der Aktie. Dividendenschein → Dividendencoupon.

3.2.2.1

Dividendenscheinbogen → Bogen.

3.2.2.1

Dividendenvorzugsaktien 3.2.2.4 Aktien, die mit einer bevorrechtigten Dividendenbehandlung ausgestattet sind. DM-Auslandsanleihen 4.3.2.1 Anleihen ausländischer (privater und öffentlicher) Emittenten, bei denen Verzinsung und Tilgung in DM erfolgten. Sofern solche Anleihen bis heute noch nicht getilgt sind, erfolgt eine Börsennotiz weiterhin in Prozent vom Nennwert; Zins und Tilgung in Euro nach dem offiziellen Umrechnungskurs. Doppelwährungsanleihen 3.3.2.2 An deutschen Börsen gehandelte Anleihen ausländischer Emittenten, bei denen Verzinsung und Tilgung in unterschiedlichen Währungen erfolgen. Drittvertriebsleasing 2.4.4 Form des → institutionellen Leasing, bei der das Leasingunternehmen mit einem oder mehreren → Kreditinstituten in der Weise zusammenarbeitet, dass letztere ihren Kunden in Ergänzung eigener → Finanzierungsleistungen die Vermittlung von Leasingverträgen mit dem kooperierenden Leasingunternehmen anbieten. ECU (hist.) 4.3.2.1 European Currency Unit. Bis zur Einführung des Euro Funktion als Bezugsgröße zur Festsetzung der Wechselkurse, Indikator für Wechselkursabweichungen, Rechengröße, Zahlungsmittel und Reser-

veinstrument zwischen den Notenbanken der EG. Effektengiroverkehr 2.6.1 (Eigentums-) Übertragung von → Wertpapieren auf einen neuen → Gläubiger, nicht durch körperliche Übergabe, sondern durch Buchung auf Wertpapierkonten bei → Wertpapiersammelbanken (entspricht der bargeldlosen Verfügung über ein Girokonto). Effektivzins 2.1.3 Zins, der in Prozent anzugeben versucht, welche durchschnittliche jährliche Belastung sämtliche Zahlungen für Zins und → Tilgung sowie sonstige preisbeeinflussende Bestandteile, wie z.B. → Disagio oder Bearbeitungsgebühren, verursachen, wenn man sie auf den → Auszahlungsbetrag bezieht und unter Berücksichtigung von Zins und Zinseszins auf die gesamte Laufzeit umrechnet. Eigenfinanzierung 2.5 Teilbereich der Außenfinanzierung, bei der der → Geldgeber in der → Insolvenz des Unternehmens nicht die Rechtsstellung eines → Gläubigers einnimmt. Maßnahmen der Eigenfinanzierung sind dadurch gekennzeichnet, dass dem Unternehmen entweder durch die bisherigen oder durch neu eintretende Gesellschafter Vermögenswerte in Form von → Einlagen zugeführt werden. Eigenkapital 2.5.1 Bilanzieller Ausweis der Differenz zwischen dem (bilanziell ausgewiesenen) → Vermögen und den (bilanziell ausgewiesenen) Schulden, also das (bilanzielle) → Reinvermögen. Eigenkapital erhöht sich durch → Einlagen von Gesellschaftern (→ Eigenfinanzierung) und erwirtschaftete Gewinne; es vermindert sich durch → Ausschüttungen an die Gesellschafter und Verluste.

512 Eigenkapital, haftendes 2.5.2 Bankaufsichtsrechtlicher Begriff für das Risikodeckungspotenzial eines → Kreditinstitutes. Je nach Rechtsform setzt sich diese Größe gemäß § 10 KWG aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Das haftende Eigenkapital dient als Anknüpfungspunkt, um das risikotragende Kredit- und Beteiligungsgeschäft einer Bank im Sinne des Einlegerschutzes zu begrenzen. Eigenkapitalquote 2.5.3 Verhältnis des → Eigenkapitals zur Summe aus Eigen- und → Fremdkapital. Die Eigenkapitalquote wird häufig bei der Analyse der Bilanzstruktur im Rahmen einer Jahresabschlussprüfung herangezogen. Eigentümerrisiko 2.4.3.3 Gefahr für den Eigentümer eines Gegenstandes, dass dieser untergeht oder beschädigt wird. Eigentumsvorbehalt 2.1.6.2 → Realsicherheit, bei der der an den → Schuldner gelieferte Gegenstand bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises im Eigentum des Verkäufers bleibt; vgl. § 449 BGB. Wenn der Schuldner mit der Zahlung in Verzug gerät, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten. Der Schuldner hat den gekauften Gegenstand an den Verkäufer zurückzugeben und dieser hat den bereits geleisteten Teil des Kaufpreises zurückzuzahlen. Im → Insolvenzverfahren berechtigt der Eigentumsvorbehalt zur → Aussonderung des betreffenden Gegenstandes. Einheitskurs 3.1.2.3 Umsatzmaximaler Kurs eines Börsentages bei gegebener Gesamtauftragsstruktur. Der Einheitskurs wird einmal berechnet, im Gegensatz zur variablen Notiz (→ Notiz, variable).

Glossar Einkommensteuer 2.4.3.2 Steuer, die vom Einkommen von Privatpersonen und Selbständigen erhoben wird. Einlage 2.5.1 Vermögenswerte, die ein Gesellschafter dem Unternehmen, in der Regel in Form von → Zahlungsmitteln, zur Verfügung stellt. Zu unterscheiden ist zwischen der gezeichneten und der ausstehenden Einlage. In Höhe der gezeichneten Einlage hat sich der Gesellschafter verpflichtet, dem Unternehmen sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen. Die ausstehende Einlage ist der Differenzbetrag zwischen der gezeichneten Einlage und der tatsächlich in das Unternehmen eingebrachten Einlage. In Höhe der ausstehenden Einlage haftet der Gesellschafter in der → Insolvenz des Unternehmens mit seinem sonstigen → Vermögen. Einlagensicherungsfonds 1.2.4 Sicherungseinrichtung, deren Zweck es ist, Einleger bei privaten Geschäftsbanken bis zur Höhe von 30 % des → haftenden Eigenkapitals des betreffenden Instituts für den Fall zu befriedigen, dass diese Bank ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Einmalsparvertrag 4.2.2.2 Der Sparer verpflichtet sich, einmal einen bestimmten Betrag einzuzahlen und für einen vereinbarten Zeitraum festzulegen (z.B. 6 oder 7 Jahre). Einzahlung 1.1.1 Erhöhung des Bargeldbestandes oder Gutschrift auf Girokonto. Einzelzwangsvollstreckung 2.3.2.1 Ein einzelner → Gläubiger setzt seinen in einem → vollstreckbaren Titel festgestellten Anspruch unabhängig von etwaigen anderen Gläubigern durch Zugriff auf das → Vermögen des → Schuldners durch. Sind mehrere Gläubiger vorhan-

513

Glossar

den, die sich aus einem bestimmten Vermögensgegenstand des Schuldners befriedigen wollen, wird derjenige Gläubiger zuerst befriedigt, der als erster den Gegenstand pfänden lässt. Der nachfolgende Gläubiger geht u.U. völlig leer aus. Emission 2.6.1 a) Bezeichnung für die Gesamtheit der → Wertpapiere einer Ausgabe. b) Bezeichnung für die Erstausgabe, d.h. den Absatz und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, von → Wertpapieren. Die Emission erfolgt entweder auf direktem Wege als → Selbstemission oder durch Vermittlung von → Kreditinstituten als → Fremdemission. Emission, direkte 2.6.3 Andere Bezeichnung für → Selbstemission. Emission, indirekte 2.6.3 Andere Bezeichnung für → Fremdemission. Emissionsfinanzierung 2.1.1/2.6 → Finanzierungsleistung, bei der ein → Finanzintermediär nicht unmittelbar selbst als → Geldgeber auftritt, sondern lediglich Geldgeber vermittelt. Ein gegebener → Finanzbedarf eines Unternehmens, aber auch der öffentlichen Hand, wird in der Weise gedeckt, dass den → Anlegern → Wertpapiere, z.B. → Aktien oder → Anleihen, in kleiner Stückelung zum Kauf angeboten werden. Bei der Unterbringung dieser Wertpapiere, insbesondere beim Verkauf an die → Anleger, übernehmen in der Regel sog. → Emissionskonsortien von Banken eine vermittelnde Funktion. Emissionsgeschäft 1.2.3/2.6.3 Mit der Erstausgabe und dem Absatz von → Wertpapieren verbundene Dienstleistungen eines → Kreditinstituts.

Emissionskonsortium 2.1.1/2.6.3 Zeitlich begrenzter Zusammenschluss selbständig bleibender → Kreditinstitute (üblicherweise in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft) zur Durchführung einer → Emission von → Wertpapieren, z.B. → Aktien oder → Anleihen. In Deutschland ist heute das kombinierte → Übernahme- und Begebungskonsortium üblich, bei dem die gesamte Emission von den Banken mit der Verpflichtung übernommen wird, diese bei den → Anlegern zu platzieren. Emissionskurs 2.1.4 In Prozent des → Nennbetrages ausgedrückter → Auszahlungsbetrag, z.B. bei der → Emission von → Schuldverschreibungen oder bei der Auszahlung von → Hypothekarkrediten. Emissionsrendite 3.3.2.1 Rendite festverzinslicher Wertpapiere, die erstmals im Markt an die jeweiligen Inhaber veräußert werden. Emissionsrisiko → Platzierungsrisiko

2.6.3

Emissionsvertrag 2.6.3 Vertrag, der die Beziehungen zwischen dem Emittenten und dem für ihn die Emission durchführenden Kreditinstitut regelt. Letzteres ist üblicherweise entweder die führende Bank im → Emissionskonsortium oder die Hausbank des Emittenten. Der Vertrag bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausgestaltung der → Emission, vor allem die Art der Emissionspapiere, das Emissionsvolumen, das Börsensegment, den → Emissionskurs sowie den Emissionszeitpunkt. Entnahmen 2.5.1 Alle Vermögensgegenstände, z.B. → Zahlungsmittel oder Sachgüter sowie Nutzungen und Leistungen, die ein Gesellschafter im Laufe eines Geschäftsjahres für private und andere betriebsfremde Zwecke aus dem Unternehmen entnimmt.

514 Erstrisikoversicherung 6.3.1 Bei der Erstrisikoversicherung wird im Versicherungsfall der entstandene Schaden maximal bis zur sogen. → Deckungssumme erstattet. Ertrag 1.1.1 Aus geschäftlichen Transaktionen resultierende Erhöhung des buchmäßig ausgewiesenen → Reinvermögens. Ertragsversicherung 6.2.2.1 Hierunter versteht man die Versicherung gegen die Bedrohung von Erträgen (z.B. Betriebsunterbrechungsversicherung). Ertragswert 2.3.2.1 Komponente zur Ermittlung des → Beleihungswertes, bei der man sich an dem kapitalisierten Überschuss der (eventuell fiktiven) Mieteinnahmen über die laufenden Instandhaltungsausgaben für Grundstücke und Gebäude orientiert. Ertragswertverfahren 4.4.2 Vereinfachtes Wertermittlungsverfahren bei Grundbesitz für steuerliche Zwecke durch Multiplikation der Jahresrohmiete mit einem gesetzlich vorgegeben Multiplikator und Korrekturgrößen. Erwartungswert 6.1.2.1 Der mit den zugehörigen Wahrscheinlichkeiten gewichtete durchschnittliche Wert aller möglichen Ausprägungen einer Zufallsvariablen. EURIBOR 3.3.2.2 European Interbank Offered Rate. Der EURIBOR stellt den Zinssatz dar, zu dem Banken in der Europäischen Währungsunion bereit sind, anderen Banken kurzfristig, z.B. für 3 Monate, Geld zu leihen. Euro-Commercial-Paper (ECP) 2.6.2 Euro-Commercial-Papers sind Inhaberpapiere, die üblicherweise als erstrangige, unbesicherte Verbindlichkeiten des Emittenten angeboten werden. Die Laufzeit reicht bis zu einem Jahr, wobei die Verzinsung auf Basis der kurzfristigen Geldmarktsätze erfolgt. Ein Börsenhandel

Glossar

ist im Allgemeinen nicht vorgesehen, da ECPs meist nur an einen engen Kreis professioneller Investoren abgegeben werden. Europäische Option 5.1.1 Optionsart, bei der der Optionsbesitzer sein Recht erst am Verfalltag der → Option geltend machen kann. Evidenz-Zentrale 1.1.2.3 Unternehmen, welches Informationen über → Geldnehmer sammelt und diese an interessierte → Geldgeber weiterleitet. Beispiele: Der Schufa (= Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) melden alle angeschlossenen Einzelhändler und Kreditinstitute die abgeschlossenen Kreditverträge unter Angabe von Kredithöhe und Laufzeit sowie ihre Erfahrungen bei der Abwicklung. Auf Anfrage erhalten die Mitglieder von der Schufa Auskunft über die Abwicklung früherer oder an anderen Stellen bestehender Ratenverpflichtungen. Die Deutsche Bundesbank fungiert auf Grund von § 14 KWG als Evidenz-Zentrale für Millionenkredite, d.h. für von → Kreditinstituten vergebene Kredite von mehr als 1,5 Mio. Euro. ex Berichtigungsaktien (ex BA) 3.1.2.3 → Kurszusatz am Tage des Abschlags der → Berichtigungsaktien. Höhe des Abschlags nach dem rechnerischen Wert. ex Bezugsrecht (exB) 3.1.2.3 → Kurszusatz am Tage des Abschlags des Bezugsrechtes. I.d.R. am ersten Tag des → Bezugsrechtshandels. Der Erwerber der Aktie hat keinen Anspruch auf das Bezugsrecht mehr. ex Dividende (exD) 3.1.2.3 → Kurszusatz am Tage des Dividendenabschlages. Normalerweise in den ersten Tagen nach der beschlussfassenden → Hauptversammlung. Erwerber der Aktie besitzt keinen Dividendenanspruch mehr.

515

Glossar ex right 3.3.2.4 Wertpapier, das keine Rechte mehr an laufenden Dividendenzahlungen (→ exD), Bezugsrechten (→ exB), → Berichtigungsaktien (→ exBA) besitzt. Factor 2.2.3.4 Bezeichnung für den Käufer von Forderungen vor deren Fälligkeit (→ Factoringunternehmen). Factoring 2.2.3.4 Ankauf sämtlicher im Rahmen des laufenden Umsatzprozesses gegenüber den Abnehmern (→ Debitoren) entstandener Forderungen vor deren Fälligkeit durch ein besonderes Unternehmen (→ Factoringunternehmen oder → Factor). Factoringunternehmen(-institut) 2.2.3.4 Unternehmen, welches → Factoring gewerbsmäßig betreibt. Fakturierung 2.2.3.4 Ausstellen einer Rechnung für gelieferte Waren oder erbrachte Dienstleistungen. Fehlinvestitionsrisiko 2.4.3.3 Gefahr für einen Investor, dass sich die Nutzungsmöglichkeiten des Investitionsobjektes de facto schlechter darstellen als ursprünglich erwartet. Die Gründe dafür mögen von technischen Neuentwicklungen über das Auftreten neuer Konkurrenten, Verschiebungen der Nachfragegewohnheiten bis hin zu Änderungen rechtlicher Vorschriften reichen. Festgelder 4.2.1 Festgelder sind → Termineinlagen, die für eine definitiv vereinbarte Frist festgelegt sind. Fill-or-kill 5.4.2 Ausführungsrestriktion bei Ordererteilung. Sie besagt, dass die entsprechende Order nur sofort und in ihrer Gesamtheit ausgeführt werden darf, ansonsten verfällt sie.

Finanzbedarf 1.1.1 Er entsteht, wenn bestimmte Wirtschaftssubjekte (→ Geldnehmer) in einzelnen Perioden für private oder betriebliche Zwecke mehr → Auszahlungen zu leisten beabsichtigen, als ihnen aus ihren Einkommensquellen an → Einzahlungen zufließen. Finanzierungsleasing 2.4.1 Form des → Leasing, die im Gegensatz zum Operate-Leasing üblicherweise folgende Merkmale aufweist: 1. Der Leasinggegenstand wird für eine im Verhältnis zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nicht unbeträchtliche und bei vertragsgemäßer Erfüllung unkündbare → Grundmietzeit überlassen. 2. Während dieser Überlassungszeit amortisiert sich der Leasinggegenstand durch die Leasingraten sowie etwaige Anfangs- und Abschlusszahlungen. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie die Finanzierungs- und Verwaltungskosten des Leasinggebers werden also durch die im Zuge eines Vertragsverhältnisses zu erwartenden Zahlungen voll abgedeckt.

3.

4.

Die → Objektrisiken werden weitgehend entweder unmittelbar oder zumindest in ihren monetären Konsequenzen auf den Leasingnehmer abgewälzt. Service- und Wartungsleistungen durch den Leasinggeber sind kein zwingender Bestandteil des Finanzierungsleasing.

Finanzierungsleistungen 1.1.2.1 Leistungen eines → Finanzintermediärs, die für einen → Geldnehmer zu einer unmittelbaren sofortigen oder zu einer im Falle eines Bedarfs späteren Erhöhung seines → Zahlungsmittelbestandes führen oder diese ersetzen können.

516 Finanzierungsrisiko 2.1.6.3 Komponente des → Insolvenzrisikos, welche sich aus der nachträglichen Zunahme des Verschuldungsgrades ergibt. Finanzierungsschätze 3.3.3 Nicht börsengehandelte Anleihen des Bundes mit 1- oder 2- jähriger Laufzeit (Typ 1 bzw. Typ 2), die keinen laufenden Zins erbringen, jedoch bei einer Rückzahlung zum → Nennwert deutlich unter pari ausgegeben werden. Eine vorzeitige Rückgabe an den Emittenten ist nicht möglich. Finanzintermediär 1.1.2 a) Im engeren Sinne: Institution, deren primäre Geschäftstätigkeit darauf gerichtet ist, in der Weise zu einem Ausgleich von → Anlage- und → Finanzbedarf beizutragen, dass sie sich bereithält, einerseits → Zahlungsmittel von den → Geldgebern gegen das Versprechen späterer Rückzahlung entgegenzunehmen (→ Anlageleistung) und andererseits den → Geldnehmern die benötigten Zahlungsmittel ebenfalls gegen das Versprechen späterer Rückzahlung zur Verfügung zu stellen (→ Finanzierungsleistung). b) Im weiteren Sinne: Institution, deren Geschäftstätigkeit darauf gerichtet ist, den unmittelbaren Abschluss von Finanzkontrakten zwischen → Geldgebern und → Geldnehmern effizient zu gestalten, ohne dabei als Partner eines solchen Vertrages aufzutreten. Insbesondere werden dabei → Vermittlungsleistungen, → Informationsleistungen und die → Risikoübernahme erbracht. Finanzmakler 1.1.2.3 Sammelbezeichnung für Unternehmen, welche gewerbsmäßig mittel- und langfristige Kredite (→ Schuldscheindarlehen, → Hypothekarkredite und sog. re-

Glossar

volvierende → Diskontkredite) sowie Beteiligungen und Unternehmen insgesamt vermitteln. Finanzwechsel 2.2.3.3 → Wechsel, der der Beschaffung von → Zahlungsmitteln dient, ohne dass ein Waren- oder Dienstleistungsgeschäft zugrunde liegt. Fixed Funds 3.4.1 Anlageliste dieser Form von → Investmentfonds liegt bei Gründung sowohl artals auch mengenmäßig fest. Fixgeschäft 5.2 Auch Festgeschäft genannt, als Form des → Termingeschäftes, bei welchem zu dem vereinbarten Termin Leistung und Gegenleistung unbedingt zu erbringen sind. Floating-Rate-Notes 3.3.2.2 Anleihen (i.d.R. mittlerer Laufzeit), deren laufende Verzinsung an die Entwicklung anderer Referenzgrößen (z.B. → LIBOR oder → EURIBOR) gekoppelt ist. Floors 3.3.2.2 Variabel verzinsliche Anleihen (→ Floating-Rate-Notes), bei denen eine Zinsuntergrenze schon bei Begebung festgelegt wird. Fonds 1.2.5 Sondervermögen bei → Kapitalverwaltungsgesellschaften, welches durch das bei der Gesellschaft gegen → Investmentzertifikate eingezahlte Geld und die damit angeschafften Vermögenswerte gebildet wird. Fonds, geschlossener 3.4.1 Normalerweise ein Fonds, der die Ausgabe von Anteilen auf eine bestimme Summe beschränkt. Fonds, offener 3.4.1 Laufende Ausgabe neuer Zertifikate eines Sondervermögens je nach Nachfragesituation und zusätzliche Anlage des Erlöses.

517

Glossar Fonds, thesaurierende 3.4.1 → Investmentfonds, die keine Erträge ausschütten, sondern diese sofort wieder anlegen. Forderungsabtretung Auch: → Sicherungsabtretung.

2.2.3

Forward Rate Agreement 2.7.3 Individuelle Vereinbarung zwischen zwei Vertragsparteien, die sich auf zukünftige Marktzinssätze bezieht. Je nach deren Entwicklung (Überschreiten oder Unterschreiten eines festgelegten Vertragszinssatzes) hat jeweils die eine Seite der anderen Ausgleichszahlungen zu erbringen. Geeignet für das → Hedging von Zinsrisiken (Absicherung gegen Zinsrisiken). Franchisen-Versicherung 6.3.2 Versicherungsverträge mit einer prozentualen oder absoluten Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers. Freijahre Tilgungsfreier Zeitraum.

2.3.2.1

Freiverkehr 2.6.2/3.1.2.2 Marktsegment für den börsenmäßigen Handel in → Wertpapieren. Die → Zulassung erfolgt durch sog. Freiverkehrsoder Ortsausschüsse der jeweiligen Börse. Die Anforderungen für die Einbeziehung in den Handel sind nur teilweise geregelt; in der Regel wird lediglich ein Exposé verlangt, das Angaben zum Emittenten, zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und den zuzulassenden Wertpapieren enthalten muss. Außerdem ist der Antrag auf Einbeziehung von einem Kreditinstitut zu stellen. Die Preisfeststellung (nicht-amtliche Kurse) erfolgt nach Maßgabe der jeweiligen Börsenordnung (→ Kursermittlung). Fremdemission 2.6.3 Der → Emittent nimmt zur Durchführung seiner → Emission die Leistungen einer einzelnen Bank oder in der Regel eines → Emissionskonsortiums in Anspruch.

Fremdfinanzierung 2.1.1/2.1.2 Teilbereich der → Außenfinanzierung, bei der der → Geldgeber im → Insolvenzverfahren des Unternehmens die Rechtsstellung eines → Gläubigers einnimmt. Fremdkapital 2.5.1 Bilanzieller Ausweis zukünftiger Zahlungs- und Leistungsverpflichtungen, für die das Unternehmen schon eine Gegenleistung erhalten hat. Fremdkapital entsteht insbesondere durch → Fremdfinanzierung. Fristentransformation 1.1.2.2 Prozess, bei dem ein → Finanzintermediär zwischen → Geldgeber und → Geldnehmer tritt und mit diesen jeweils einen Finanzkontrakt über die Überlassung von → Zahlungsmitteln abschließt, wobei die Überlassungsfristen unterschiedlich festgelegt werden. Fungibilität 3.1.1 Erfassung der Austauschbarkeit bei Waren, Devisen, Wertpapieren, wobei auf die Vertretbarkeit des Wertpapiers durch ein anderes Wertpapier derselben Art und desselben Ausstellers über denselben → Nennbetrag abgestellt wird. Futures 5.2 Oberbegriff für spezifische börsengehandelte Fest-Terminkontrakte. Ausgestaltung ist insbesondere möglich als stock index future (z.B. DAX-Future) oder auch als Future auf Zinskontrakte (interest rate future) oder Devisenkontrakte (currency future). Zwischenzeitliche Wertänderungen des Future-Kontraktes werden auf einem separat geführten Konto, dem Margin Account, gutgeschrieben bzw. belastet. Garant 1.1.2.2 Er übernimmt in einem Vertrag die → „Garantie“ für einen bestimmten Erfolg oder die Gefahr bzw. den Schaden, der aus einem Rechtsverhältnis mit einem

518

Glossar

Dritten entstehen kann. Der Garantievertrag unterscheidet sich von der → Bürgschaft dadurch, dass durch ihn eine selbständige, neue Verbindlichkeit begründet wird.

Geldanschlussrisiko 1.1.2.2 Gefahr für einen → Finanzintermediär, dass erwartete → Zahlungsmittel aus der Rückzahlung vergebener Kredite oder der Aufnahme neuer Gelder ausbleiben.

Garantie 2.1.6.3 → Personalsicherheit; Verpflichtung eines Dritten (→ Garanten), dafür zu sorgen, dass der → Gläubiger befriedigt wird.

Geldgeber 1.1.1 Wirtschaftssubjekt, welches in einzelnen Perioden seinen → Anlagebedarf durch unmittelbare Geldanlage oder mit Hilfe von → Finanzintermediären befriedigt. Zu den Geldgebern zählt die Gesamtheit der privaten Haushalte.

Garantiefonds 1.2.4 Sicherungseinrichtung, deren Zweck es ist, → Kreditgenossenschaften bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten derart zu helfen, dass diese Institute erhalten bleiben und somit die Sicherheit der Einlagen von Kunden gewährleistet wird. Ergänzend zu dem Garantiefonds existiert ein Garantieverbund, dessen Zweck es ist, Kreditgenossenschaften Bilanzierungshilfen in Form von → Bürgschaften oder → Garantien zu gewähren. Garantiekonsortium 2.6.3 Form der → Fremdemission, bei der die → Konsortialbanken die im Zuge eines → Begebungskonsortiums nicht abgesetzten → Wertpapiere zu einem im Voraus festgelegten Kurs und damit auch das → Platzierungsrisiko übernehmen. Gedeckte Optionsscheine (Covered Warrants) 3.3.2.4 → Optionsscheine, die Rechte auf den Bezug von Aktien aus einem Deckungsbestand beinhalten, den der Emittent zuvor gebildet hat. Gefahrengemeinschaft 6.1.2.2 Im Modell werden Schäden, die Personen als Mitglieder innerhalb einer Gefahrengemeinschaft entstehen, gemeinsam getragen, weshalb es auf der Seite der Einzelperson zu einer geringeren Risikozuweisung kommt (→ Risikoausgleich im Kollektiv).

Geldleihe 2.1.2 Der Kreditgeber stellt dem Kreditnehmer für einen bestimmten Zeitraum → Zahlungsmittel zur Verfügung. Geldmarkt 1.1.2.2 Markt für kurzfristige → Kredite, insbesondere zwischen → Kreditinstituten. Gegenstand des Handels sind Guthaben bei der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie notenbankfähige → Wertpapiere mit kurzen Laufzeiten. Notenbankfähig sind Wertpapiere dann, wenn sie von der Europäischen Zentralbank vorgegebene Qualitätsmerkmale erfüllen. Sie können dann von dieser angekauft oder beliehen werden, um Kreditinstituten Zahlungsmittel zuzuführen. Geldnehmer 1.1.1 Wirtschaftssubjekt, welches in einzelnen Perioden seinen → Finanzbedarf mit Hilfe von → Finanzintermediären oder anderen → Geldgebern befriedigt. Zu den Geldnehmern zählen die öffentliche Hand und die Gesamtheit der Unternehmen des nicht-finanziellen Sektors. Geldwirtschaft 1.1.1 Im Gegensatz zur Naturaltauschwirtschaft, bei der ein unmittelbarer Tausch „Gut gegen Gut“ erfolgt, vereinfacht die Einführung des Geldes als generelles Tauschgut die Tauschvorgänge.

Glossar Genussscheine 3.3 Wertpapiere, die eine mehr oder weniger stark ausgeprägte gewinnabhängige laufende Verzinsung aufweisen und bei prinzipiell annähernd beliebigen Ausgestaltungsmöglichkeiten in Deutschland in aller Regel dadurch gekennzeichnet sind, dass – der Rückzahlungsanspruch – um mögliche Verlustzurechnungen vermindert wird („Teilnahme am laufenden Verlust“) und – im Insolvenzverfahren des Emittenten erst nach Befriedigung aller übrigen Gläubiger geltend gemacht werden kann. Gesellschafterdarlehen 2.1.2 → Darlehen, welches ein Gesellschafter seiner eigenen Gesellschaft gewährt (insbes. bei der GmbH). Gesellschafter, stiller 2.5.3 Privatperson oder Unternehmen (z.B. eine → Kapitalbeteiligungsgesellschaft), welche sich an einem anderen Unternehmen mit einer → Einlage beteiligt, die in das → Vermögen des mittelaufnehmenden Unternehmens übergeht (§§ 230-237 HGB). Der stille Gesellschafter ist stets am Gewinn beteiligt, seine Teilnahme am Verlust kann vertraglich ausgeschlossen werden. Seine Einflussnahme auf die Geschäftspolitik ist rechtlich auf ein Kontrollrecht beschränkt, ergibt sich faktisch aber auf Grund der Höhe seiner Kapitaleinlage. Im → Insolvenzverfahren nimmt der stille Gesellschafter eine Gläubigerstellung ein. Gesellschaftsvertrag 2.5.1 Vertrag, der die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter eines Unternehmens untereinander regelt, d.h. ihre Rechte und Pflichten festlegt. Gewährleistungsgarantie 6.4.2 Übernahme von Ansprüchen aus Gewährleistungen im Rahmen eines Avalkredi-

519 tes, wenn das eigentlich verpflichtete Unternehmen nicht seinen Ansprüchen nachkommen kann. Gewährleistungsrisiko 2.4.3.3 Gefahr für den Leasingnehmer, dass er bei Sachmängeln des Leasinggegenstandes die gesetzlichen und vertraglichen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Hersteller oder Lieferanten nicht unmittelbar selber ausüben kann. Gewerbeertragsteuer 2.4.3.2 Steuer, die von Unternehmen erhoben wird. Bemessungsgrundlage ist der um bestimmte Kürzungen und Zurechnungen modifizierte einkommensteuerliche Gewinn. Der Steuersatz ergibt sich als Produkt aus der Steuermesszahl und dem gemeindespezifischen → Hebesatz. Gewerbekapitalsteuer (hist.) 2.4.2 Steuer, die bis 1998 von Unternehmen erhoben wurde. Bemessungsgrundlage war der um bestimmte Kürzungen und Zurechnungen korrigierte → Einheitswert des Betriebsvermögens. Der Steuersatz ergab sich als Produkt aus der Steuermesszahl und dem gemeindespezifischen → Hebesatz. Gewinnrücklagen 3.2.3.2 Bilanzieller Niederschlag von erwirtschafteten, aber nicht ausgeschütteten Vermögenszuwächsen (Gewinnen) bei Kapitalgesellschaften. Gewinnschuldverschreibungen 3.3.2.2 Anleihen, deren laufende Verzinsung an die Gewinnentwicklung des Emittenten gekoppelt ist. Girozentralen 1.2.4 Regionale Zentralen der Sparkassen als öffentlich-rechtliche Anstalten. Hauptaufgaben sind die Funktionen als Hausbanken des betreffenden Bundeslandes (Landesbanken) und Sparkassenzentralbanken.

520 Gläubiger 2.1.2 Person, der ein Anspruch, z.B. auf → Zins und → Tilgung, gegen einen anderen, den → Schuldner, zusteht, den er auch im Insolvenzverfahren des Schuldners geltend machen kann. Gläubigerrechte 2.1.2 Rechte eines → Geldgebers, der dem Unternehmen im Rahmen der → Fremdfinanzierung → Zahlungsmittel zur Verfügung stellt. Im Gegensatz zu den → Teilhaberrechten hat der → Gläubiger Anspruch auf Befriedigung im → Insolvenzverfahren. Zu den Gläubigerrechten, deren konkrete Ausgestaltung häufig zwischen dem Unternehmen und dem Geldgeber frei vereinbart wird, gehören zumeist der Anspruch auf → Zinszahlungen als Entgelt für die Überlassung von Zahlungsmitteln sowie der Anspruch auf die vereinbarungsgemäße → Tilgung des überlassenen Betrages. Gläubigerrisiken 2.1.6.1 Gefahren für den → Gläubiger, dass der → Schuldner seine → Zins- und → Tilgungsleistungen nicht vertragsgemäß erfüllt. Sie lassen sich nach den einzelnen Phasen einer Gläubiger-SchuldnerBeziehung in → Informationsrisiko, → Insolvenzrisiko und → Verlustrisiko unterscheiden. Glattstellung 5.4 Transaktion, in der z.B. der Optionsbesitzer (Käufer) seine früher gekaufte → Option verkauft oder bei welcher der Optionsschreiber (Verkäufer) die früher verkaufte Option zurückkauft (Gegentransaktion). Good-till-canceled 5.4.2 Gültigkeit eines limitierten Auftrages bis zum Widerruf. Good-till-date 5.4.2 Gültigkeit eines limitierten Auftrages bis zum angegebenen Datum.

Glossar Gratisaktien → Berichtigungsaktien.

3.2.4.2

Grundbuch 2.1.6.2 Öffentliches, vom Amtsgericht geführtes Register, in welchem alle im Zuständigkeitsbereich liegenden Grundstücke verzeichnet sind. Für jedes Grundstück ist in der Regel ein Grundbuchblatt angelegt, das über Eigentumsverhältnisse, Lasten und Beschränkungen, → Grundschulden und → Hypotheken Auskunft gibt. Grundkapital 3.2.2.2/3.2.4.2 Satzungsmäßig fixierte Größe bei einer Aktiengesellschaft, die bei Nennwertaktien mit der Nennwertsumme aller Aktien übereinstimmen muss. Grundmietzeit 2.4.1 Zeitspanne, während der Leasingverträge sowohl für den Leasinggeber als auch für den Leasingnehmer nicht gekündigt werden können. Sie liegt in der Praxis zumeist in der Größenordnung von 60-80 Prozent der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes. Grundpfandrecht 2.1.6.2 → Realsicherheit, bei der der → Schuldner einer Forderung seinem Gläubiger ein Pfandrecht an Grundstücken und ihren wesentlichen Bestandteilen, wie z.B. Gebäuden, einräumt. Das belastete Grundstück bleibt im Besitz des Schuldners. Er kann es weiter nutzen. An einem Grundstück können mehrere Grundpfandrechte bestehen; → nachrangige Grundpfandrechte. Zu den Grundpfandrechten zählen → Hypothek und → Grundschuld. Im Insolvenzverfahren berechtigen die Grundpfandrechte zur → Absonderung. Grundpfandrechte, nachrangige 1.2.5 An einem Grundstück können mehrere → Grundpfandrechte bestehen. Der ihnen zukommende Rang legt die Reihenfolge fest, in der die → Gläubiger bei der Verwertung des Grundstücks befriedigt werden.

Glossar Grundschuld 2.1.6.2 → Grundpfandrecht an einem bestimmten Grundstück. Im Gegensatz zur → Hypothek setzt die Grundschuld für ihre Existenz keine Forderung voraus. Güterversicherung 6.2.1/6.2.2.1 Schadensfälle treffen unmittelbar versicherte Vermögensgüter, im Gegensatz zur → Personenversicherung. Haftung 2.1.6.3 Einstehen des → Schuldners für die Ansprüche seiner → Gläubiger mit seinem gesamten → Vermögen. Die Haftung eines schuldnerischen Unternehmens für seine Verbindlichkeiten erstreckt sich auf sein gesamtes Geschäftsvermögen; hinzu kann – je nach Rechtsform – in mehr oder weniger großem Umfang das Privatvermögen der Gesellschafter kommen. Haftungsmasse 2.1.6.3 Gesamtheit aller Vermögensgegenstände und Rechte, welche zur Befriedigung der Ansprüche von → Gläubigern zur Verfügung stehen. Hierzu zählen das → Vermögen des → Schuldners selbst sowie sämtliche Formen der → Personalsicherheiten, also z.B. → Bürgschaft, → Garantie, → Verlustübernahmevertrag, → Patronatserklärung, → Gewährträgerhaftung. Haftungsträger, externer 1.1.2.2 Person oder Institution (Unternehmen oder öffentliche Hand), welche mit ihrem eigenen → Vermögen für die Verbindlichkeiten einer anderen Person oder Institution einsteht. Beispiele: Nachschusspflicht von Genossenschaftsmitgliedern, → Gewährträgerhaftung, → Bürgschaft, → Verlustübernahmevertrag, → Patronatserklärung. Handelswechsel 2.2.3.3 → Wechsel, der der Finanzierung eines Waren- oder Dienstleistungsgeschäfts dient.

521 Hauptversammlung 3.2.2.1/3.2.4.2 Versammlung der Aktionäre einer AG, beschließt über Fragestellungen langfristiger Tragweite, wie Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrates, Verwendung des Jahresüberschusses und Entlastung des Vorstandes. Hebel (bei Optionen) 5.3.2.2 Der Hebelfaktor zeigt an, in welchem Maß eine Preisveränderung des zugrundeliegenden Wertes (Aktie) den Optionspreis beeinflusst. Hedgefonds 3.4.3 → Investmentfonds, dessen Zusammensetzung das Ergebnis einer als „riskant“ eingestuften Anlagepolitik ist. Charakteristisch sind kreditfinanzierte Käufe, Leerverkäufe sowie der Abschluss von → Termingeschäften in spekulativer Absicht. In Deutschland ist der Vertrieb der Anteilscheine diversen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. (→ Leverage-Effekt; → Leverage-Fonds). Hedging 5.3.2.3 Kompensation eines vorhandenen Risikos durch die Übernahme eines zweiten Risikos. Ausgleich von Gewinnen und Verlusten aus den entgegengesetzten Geschäften. Herstellerleasing 2.4.4 Form des → Leasing, bei der der Hersteller oder Händler des Leasinggegenstandes selbst oder eine zu seinem Konzern gehörende „Leasing-Tochter“ als Leasinggeber auftritt. Das Angebot von Leasingleistungen ist in diesem Zusammenhang als Instrument zur Absatzförderung anzusehen, so z.B. bei den Automobilkonzernen. Holding-Gesellschaft 2.5.2 Unternehmen, welches Beteiligungen an anderen Unternehmen besitzt und verwaltet.

522

Glossar

Horizontal Spread 5.3.1.3/5.3.2.2 → Spread aus Optionen gleichen Typs mit identischem Basispreis, jedoch unterschiedlicher Laufzeit (auch Time-Spread genannt). Hypothek 2.1.6.2 → Grundpfandrecht an einem bestimmten Grundstück, durch das eine Forderung gesichert werden soll. Im Gegensatz zur → Grundschuld kann die Hypothek nicht ohne die zu sichernde Forderung bestellt werden. Die gesicherte Forderung kann nicht ohne die für sie gestellte Hypothek, die Hypothek nicht ohne die gesicherte Forderung selbständig übertragen werden. Hypothekarkredit 2.3.2.1 Langfristiger, durch erstrangige → Grundpfandrechte abgesicherter Kredit zur Finanzierung von Bauvorhaben sowie zum Erwerb von Grund- und Wohneigentum. Die Rückzahlung erfolgt in aller Regel in Form der → Annuitätentilgung. Hypothekenbanken → Realkreditinstitut. Hypothekendarlehen → Hypothekarkredit.

2.3.2.1 2.1.4

Immediate-or-cancel 5.4.2 Ausführungsrestriktion, wonach eine Order sofort mit größtmöglichem Umfang ausgeführt wird. Der nicht ausgeführte Teil wird annulliert. Immobilienfonds 3.4.2 Besondere Form eines → Investmentfonds, bei dem das Fondsvermögen in Immobilien angelegt ist. Immobilienfonds, geschlossene 3.4.4 Dienen i.d.R. zur Finanzierung eines einzelnen bestimmten Investitionsprojektes, das allerdings auch verschiedene Immobilien beinhalten kann. Nach der Aufbringung des erforderlichen Kapitals werden von der Gesellschaft keine weiteren Anteile mehr emittiert. Handel kann

nur in bereits bestehenden Anteilen erfolgen. Immobilien-Leasing 2.4.4 Leasinggegenstände sind Grundstücke und Gebäude, Schiffe sowie Betriebsanlagen, also z.B. Verwaltungsgebäude, Lagerhallen, Einkaufszentren, Raffinerien oder industrielle Fertigungsanlagen, sofern sie auf Grund ihrer Größe und technischen Konzeption nicht ohne das Grundstück, auf dem sie stehen, oder das Gebäude, in dem sie aufgestellt sind, wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden können. Index-Anleihe 3.3.2.1/2.6.1 → Anleihe, bei der die Höhe des → Rückzahlungsbetrages an einen Index gebunden wird. Ein derartiger Index kann sich z.B. auf den Goldpreis, die Lebenshaltungskosten oder bestimmte Aktienkurse beziehen. Indexierung 3.3.2.1/3.3.3 Kopplung bestimmter Größen an einen Index, z.B. Aktienindex, Zinsniveau (→ Indexanleihe, → Floating-Rate-Notes). Indexoptionsscheine 3.5.1.2 Indexoptionsscheine gewähren dem Inhaber das Recht, von dem Emittenten der Indexoptionsscheine die Zahlung der Differenz zu verlangen, um die der jeweilige Indexstand (i.d.R. der Schlussstand) des zugrundeliegenden Index am Ausübungstag den Basiskurs über(Kauf/Call) bzw. unterschreitet (Verkauf/Put). Die tatsächliche Lieferung der dem Index zugrundeliegenden Aktien unterbleibt (sog. Cash-Settlement, d.h. Differenzausgleich in bar). Basisobjekte sind i.d.R. Aktienindizes (wie der DAX oder der FAZ-Index). Innerhalb der Optionsbedingungen wird neben dem Basiskurs auch das Optionsverhältnis angegeben, welches den Bruchteil der auszugleichenden Differenz zwischen Basiskurs und Indexstand am Ausübungs-

523

Glossar

tag angibt. Ein Optionsschein kann sich z.B. auf die volle oder auch nur ein Zehntel der auszugleichenden Differenz beziehen. Indossament 2.1.2 Übertragungserklärung auf der Rückseite eines → Orderpapiers. Industrieanleihen 3.3.3 Festverzinsliche Anleihen, die von inländischen Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors ausgegeben worden sind. Informationsbedarfstransformation 1.1.2.2 Prozess, bei dem ein → Finanzintermediär im engeren oder weiteren Sinne zwischen → Geldgeber und → Geldnehmer tritt und mit diesen jeweils einen Finanzkontrakt über die Überlassung von → Zahlungsmitteln abschließt oder zwischen ihnen vermittelt, wobei sich der Informationsbedarf der Geldgeber und nehmer auf die Abschätzung der → Bonität oder sonstige Qualitätsmerkmale des Finanzintermediärs reduziert. Informationsleistungen 1.1.2.3 Kategorie von Leistungen eines → Finanzintermediärs, bei denen potentiellen → Geldgebern Informationen über die Existenz und Qualität möglicher → Geldnehmer oder Anlageformen bereitgestellt werden. Informationsrisiko 2.1.6.1 Gefahr für den → Gläubiger, dass er sich auf Grund manipulierter Informationen des → Schuldners für die Vergabe oder → Prolongation eines Kredits entscheidet. Inhaber-Aktien 3.1.1/3.2.2.3 Auf den Inhaber, jedoch nicht auf den Namen einer bestimmten Person lautende Aktie, wie sie in Deutschland als Regelfall anzutreffen ist. Formlose Übertragung mit Einigung und Übergabe.

Inhaber-Papier 2.1.2/3.1.1/3.2.2.3 Der Berechtigte wird nicht namentlich erwähnt und kann das Recht aus der Urkunde geltend machen. Übertragung durch Einigung und Übergabe. Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht an dem Papier. Inhaber-Scheck 3.1.1 Inhaber-Schecks sind an den Vorleger zahlbar. Sie kommen in der Praxis als Überbringerschecks vor. Durch den Eindruck der Überbringerklausel wird aus dem geborenen Orderpapier ein Inhaberpapier. Inhaberschuldverschreibung 2.1.2/3.1.1 → Schuldverschreibung, in der sich der Aussteller zur Leistung an den Inhaber der Urkunde verpflichtet. Insolvenz → Insolvenzverfahren.

2.1.6.1

Insolvenzforderungen, unbesicherte 2.1.6.2 Ansprüche, die qua Gesetz nach Befriedigung der absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger und der → Masseforderungen im → Insolvenzverfahren in gleichen Quoten nach der Höhe der noch nicht befriedigten Forderungen zu erfüllen sind. Insolvenzforderungen, nachrangige 2.1.6.2 Ansprüche von → Insolvenzgläubigern, die nach vollständiger Erfüllung aller → unbesicherten Insolvenzforderungen in einer bestimmten Reihenfolge gemäß § 39 InsO zu befriedigen sind. Insolvenzgläubiger 2.1.6.2 → Gläubiger, der zur Zeit der Eröffnung des → Insolvenzverfahrens eine begründete Forderung an das → Vermögen des → Schuldners hat. Insolvenzmasse 2.1.6.2 Im Eigentum des → Schuldners befindliches → Vermögen, welches nicht mit

524 Ansprüchen auf → Aussonderung belastet ist. Insolvenzquote 2.1.6.2 Verhältnis zwischen dem nach → Aussonderung und → Absonderung sowie nach Erfüllung der → Masseforderungen verbliebenen Restvermögen und den daraus noch zu erfüllenden Ansprüchen aus → unbesicherten Insolvenzforderungen. Insolvenzrisiko 2.1.6.1 Gefahr für den → Gläubiger, dass sich die wirtschaftliche Lage des → Schuldners soweit verschlechtert, dass die pflichtgemäße Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen allgemein nicht mehr gewährleistet ist und über das → Vermögen des → Schuldners das → Insolvenzverfahren eröffnet wird. Insolvenzverfahren 2.1.6.1/2.1.6.2 Gerichtliches Verfahren, in dem das gesamte → Vermögen des → Schuldners verwertet und die → Insolvenzgläubiger entsprechend der Rangklasse ihrer Forderungen aus dem Erlös anteilmäßig befriedigt werden. Das Insolvenzverfahren kann nur eröffnet werden, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, ein Insolvenzantrag gestellt wurde und das Vermögen des Schuldners ausreicht, zumindest die Kosten des Verfahrens zu decken. Ein möglicher Insolvenzgrund ist gegeben, wenn der Schuldner aus nicht nur vorübergehenden Gründen außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Einen Insolvenzantrag können der Schuldner oder jeder Gläubiger stellen (im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit nur der Schuldner). Insolvenzverwalter 2.1.6.1 In der Regel ein Rechtsanwalt, der bei der Eröffnung eines → Insolvenzverfahrens vom zuständigen Amtsgericht eingesetzt wird. Seine Aufgabe ist es, die → Insolvenzmasse zu verwalten, das verbliebene

Glossar

→ Vermögen des → Schuldners im Interesse der → Insolvenzgläubiger zu verwerten und den Verwertungserlös unter diesen zu verteilen. Integralfranchise 6.3.2 Zeichnet sich durch eine 100%-ige Schadensregulierung aus, sobald eine Schadenssumme größer als der Mindestbetrag vorliegt. Interessenversicherung, unbegrenzte 6.3.1 Bei der unbegrenzten Interessenversicherung wird der entstandene Schaden in voller Höhe abgedeckt. Intermediärhaftung 1.1.2.2 Form der → Risikentransformation, bei der sich die → Ausfallrisiken für die → Geldgeber genau in dem Umfang vermindern, wie ein eingeschalteter → Finanzintermediär zur → Haftung in der Lage ist. Diese Intermediärhaftung wird einerseits durch das → Vermögen, welches dem Finanzintermediär über die Rückzahlungsansprüche an die → Geldnehmer hinaus zur Verfügung steht, und andererseits durch → externe Haftungsträger bestimmt. In-the-money 5.1.1 Option, bei der der → Basispreis deutlich unter dem Tageskurs des Basiswertes (inthe-money call) oder deutlich über dem Tageskurs des Basiswertes (in-the-money put) liegt. Die Option besitzt dann einen inneren Wert (→ Wert, innerer). Intensität des Versicherungsschutzes 6.3.1 Die Intensität eines Versicherungsschutzes ergibt sich aus dem Verhältnis von erlangter Entschädigung zum entstandenen Schaden. Inventarwert 3.4 Wert eines Fondsvermögens. Berechnung des → Inventarwertes pro Anteil durch Division des → Sondervermögens durch

Glossar

die Anzahl der ausgegebenen Anteilscheine. Investitionskredit 2.3.2.4 Langfristiger → Kredit an Unternehmen oder Selbständige, der im Allgemeinen zweckgebunden zur Finanzierung von Gebäuden, Produktionsanlagen, Maschinen oder Transporteinrichtungen sowie Vorratslagern gewährt wird. Die Konditionen werden in der Regel zwischen Bank und Kreditnehmer ausgehandelt; es werden aber auch standardisierte Programmkredite angeboten. Investitionsrisiko 2.1.6.1/2.1.6.3 Komponente des → Insolvenzrisikos, welche aus einer riskanteren Geschäftspolitik des → Schuldners erwächst. Investmentfonds 3.4.1 Nach dem Grundsatz der Risikomischung erfolgte Bildung eines Vermögensstocks in Wertpapieren oder sonstigen Werten (Immobilien). → Investmentzertifikate. Investmentgesellschaft 3.4.1 Auch → Kapitalverwaltungsgesellschaft, d.h. Gesellschaft, die einen oder mehrere Wertpapierfonds bildet und in diesen Fonds Wertpapiere und/oder Immobilien hält. Verkauf von Anteilscheinen an dem Fondsvermögen in kleingestückelter Form auch an Kleinanleger. Rechtliche Regelung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Investmentzertifikate 1.2.5/3.4.1 Anteilscheine über die als Sondervermögen der → Kapitalverwaltungsgesellschaften gehaltenen Wertpapieranlagen, deren Wert sich anteilsmäßig nach dem augenblicklichen Kurs der → Wertpapiere im Sondervermögen bemisst. I.d.R börsentägliche Ausgabe der Investmentzertifikate durch die → Kapitalverwaltungsgesellschaft zum anteiligen Inventarwert. Seit einiger Zeit auch Börsenhandel üblich.

525 Jahresabschluss 3.2.2.1 Gegenüberstellung des Vermögens und der Verbindlichkeiten sowie der Erträge und Aufwendungen einer Unternehmung am Ende eines Geschäftsjahres. Umfasst Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und ggf. noch den Anhang. Jahreszins, effektiver 2.1.3 → Effektivzins, der gem. § 6 Preisangabenverordnung bei der Werbung mit konkreten Kreditkonditionen sowie bei der Unterbreitung von Finanzierungsangeboten anzugeben ist. Er soll eine möglichst hohe Preistransparenz bei standardisierten Krediten gewährleisten. Er stellt unter Berücksichtigung unterjährlicher Zahlungen einen finanzmathematisch exakten Wert dar. Bei Krediten, in deren Konditionen eine Änderung des → Nominalzinses oder anderer preisbeeinflussender Faktoren vorbehalten ist, sind ein „anfänglicher effektiver Jahreszins“ sowie die entsprechenden Änderungstermine anzugeben. Kapitalverwaltungsgesellschaft 1.2.5/3.1.1/3.4.2 Sie beschaffen sich durch Ausgabe von Anteilscheinen oder → Investmentzertifikaten die Mittel, die sie im Interesse der Anleger in → Wertpapieren nach bestimmten Methoden und Grundsätzen (insbesondere nach dem Prinzip der → Risikodiversifikation) anlegen. Kapitalbeteiligungsgesellschaft 2.5.3 Von → Kreditinstituten und öffentlichen Stellen gegründete Finanzierungsinstitute, die insbesondere mittelständische Unternehmen über Beteiligungen mit → Eigenkapital versorgen, ohne Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen zu wollen. Kapitalerhöhung 3.2.4.2 Bei Aktiengesellschaften Bezeichnung für alle Maßnahmen, die zu einer Erhöhung des → Grundkapitals führen.

526 Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 3.2.4.2 Missverständliche Bezeichnung für eine nominelle Kapitalerhöhung (→ Kapitalerhöhung, nominelle). Kapitalerhöhung gegen Einlagen3.2.4.2 Erhöhung des Grundkapitals gegen Einlagen kann nur durch Ausgabe neuer Aktien vollzogen werden, auf Basis eines Mehrheitsbeschlusses der → Hauptversammlung. Bei dieser ordentlichen Kapitalerhöhungsform (→ Kapitalerhöhung, ordentliche) werden bei der AG innerhalb eines bestimmten → Bezugsverhältnisses junge Aktien (→ Aktien, junge) zu einem festgesetzten Emissionskurs oder Ausgabepreis emittiert. Zusätzliche Rechte können mittels → Bezugsrechten innerhalb des → Bezugsrechtshandels gekauft/verkauft werden. Die Gegenbuchung des Emissionserlöses (Aktienzahl x Emissionskurs) erfolgt in Höhe der Nennbeträge bei der Position → Grundkapital, in Höhe des Agios bei der Position → Kapitalrücklage. Kapitalerhöhung, nominelle 3.2.4.2 Umbuchung bestimmter → Rücklagenposten in → Grundkapital; Ausgabe der neuen Aktien zum Kurs von null. Kapitalerhöhung, ordentliche 3.2.4.2 → Kapitalerhöhung gegen Einlagen. Kapitaldienst 2.3.2.1 Gesamtbetrag aus → Tilgung und → Zinszahlung, der pro Periode vom → Schuldner zu leisten ist. Kapital, genehmigtes 3.2.4.2 Der Vorstand einer AG kann von der → Hauptversammlung mit einer 3/4Mehrheit ermächtigt werden, innerhalb der 5 darauffolgenden Jahre das Grundkapital einer AG bis zu einem bestimmten Nennbetrag durch Ausgabe neuer Aktien (→ Aktien, junge) zu erhöhen. Nennbetrag des genehmigten Kapitals

Glossar

darf 50% des bisherigen nicht überschreiten. Kapital, gezeichnetes 3.2.3.2/3.2.4.2 Bei Aktiengesellschaften bilanzielle Bezeichnung für das → Grundkapital. Kapitalgesellschaften 3.2.3.1 In Deutschland insbesondere Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bei denen im Regelfall nur das Gesellschaftsvermögen – dies jedoch unbeschränkt – für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Kapitalmarktausschuss, zentraler 2.6.2 Auf freiwilliger Basis gebildetes Gremium aus Vertretern von → Kreditinstituten, die im → Emissionsgeschäft eine bedeutende Rolle spielen. Seine Aufgabe ist es, die → Emissionen von → Anleihen im Hinblick auf ihre Höhe, Ausstattung und zeitliche Durchführung derart abzustimmen, dass eine Überforderung des Marktes vermieden wird. Kapitalrücklage 3.2.3.2/3.2.4.2 Form der → Rücklagen bei einer Kapitalgesellschaft. → Kapitalerhöhung gegen Einlagen Kassageschäfte 3.1.2.1/5.2.1 Geschäfte, die im Gegensatz zu Termingeschäften bereits innerhalb einer bestimmten Frist nach dem Tage des Abschlusses zu erfüllen sind. Gemäß deutschen Usancen beträgt die Frist zur Erfüllung zwei Tage. Kassahandel 3.1.2.4/5.2.1 Im Gegensatz zum → Terminhandel erfolgt die beiderseitige Erfüllung des Geschäftes sofort nach dem Vertragsabschluss, eventuell nach einer abwicklungstechnisch begründeten Zeitspanne von zwei Tagen. Kassakurs 3.1.2.3 Kurs bei Wertpapierumsätzen in Kassageschäften.

527

Glossar Kassenverein → Wertpapiersammelbank.

3.1.3

Kaufoption (Leasing) 2.4.1 Bezeichnung für eine Regelung in einem Leasingvertrag, wonach der Leasingnehmer nach Ablauf der → Grundmietzeit das Wahlrecht hat, den Leasinggegenstand an den Leasinggeber zurückzugeben oder ihn zu einem in der Regel zuvor fest vereinbarten Preis zu kaufen. (→ Option.) Kommanditist 2.5.3 Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der im Gegensatz zum Komplementär nur bis zu einem bestimmten Betrag mit seinem → Vermögen für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft einsteht. Kommunaldarlehen 1.2.5/2.3.2.4 a) → Darlehen an Bund, Bundesländer, Gemeinden, Kreise, Gemeindeverbände und vergleichbare öffentliche Kreditnehmer zur → Finanzierung von Investitionen der öffentlichen Hand (Straßenbau, Schulbau usw.). Die Darlehen werden ausnahmslos ohne → Kreditsicherheiten vergeben. b) → Darlehen, für das eine öffentlichrechtliche Körperschaft lediglich als → Bürge oder → Garant einsteht. Kompensationseffekt 3.2.4.3 Das → Bezugsrecht sorgt für den Ausgleich für den Kursverlust der Altaktien im Rahmen einer → Kapitalerhöhung. Hiermit sollen Vermögensverschiebungen innerhalb der Gruppe der Aktionäre sowie zwischen Aktionären und außenstehenden Anlegern verhindert werden. Konnossement 6.4.2 Das Konnossement (Bill of Lading) ist ein Wertpapier, das im Seefrachtverkehr schwimmende Ware verkörpert. Bescheinigt wird hiermit, dass die Waren vom Verfrachter in guter Verfassung oder

Beschaffenheit sind.

übernommen

worden

Konsortialbanken 2.6.3 → Kreditinstitute, die Mitglieder in einem → Emissionskonsortium sind. Eine der Konsortialbanken hat als Konsortialführerin die Leitung des Konsortiums. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass vor allem die privaten Geschäftsbanken und von diesen insbesondere die drei Großbanken sowie die großen Zentralinstitute des Sparkassensektors zu den Konsortialbanken zählen. Aus dem Genossenschaftssektor ist lediglich die DZ-Bank (hervorgegangen aus der Fusion von DG Bank und GZ-Bank) manchmal vertreten. Konsortialvertrag 2.6.3 Vertrag, der die Beziehungen zwischen den → Konsortialbanken untereinander regelt. Vertragsinhalte sind im Wesentlichen der von der einzelnen Konsortialbank zu übernehmende Anteil an der → Emission, die weiteren Rechte und Pflichten der Konsortialbanken, die Geschäftsführung und die Vertretung des → Emissionskonsortiums sowie dessen Beendigung. Kontokorrentkredit 2.2.2 Bankkredit, den der Kreditnehmer innerhalb der eingeräumten Kreditlinie nach eigenem Ermessen in ständig wechselnder Höhe in Anspruch nehmen kann. Körperschaft des öffentlichen Rechts 1.2.4 Juristische Person des öffentlichen Rechts, die im Gegensatz zur Anstalt des öffentlichen Rechts verbandsförmig organisiert, d.h. wesentlich auf der Mitgliedschaft der ihr zugehörigen Personen aufgebaut ist. Körperschaftsteuer 2.4.3.2 Steuer, die von Unternehmen erhoben wird. Bemessungsgrundlage ist der Gewinn, bei dessen Ermittlung u.a. die →

528 Gewerbeertragsteuer abzusetzen ist. Der Steuersatz beträgt 25%. Kostenanteil 4.3.2.3 Dieser Teil der Prämie soll die Betriebskosten des Versicherungsunternehmens abdecken. Kranken- und Krankenhaustagegeldversicherung 6.2.2.2 Für jeden Tag krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. für jeden Krankenhaustag wird dem Versicherten ein fester Betrag gezahlt. Krankenversicherung 6.2.2.2 Die (private) Krankenversicherung deckt als Krankheitskostenversicherung die Aufwendungen ab, die als Folge einer Krankheit zu deren Heilung entstehen. Kredit (credere, lat. = glauben) 2.1.2 a) Vertrauen in die Fähigkeit einer Person oder eines Unternehmens, ihren schuldrechtlichen Verpflichtungen vertragsgemäß nachzukommen. b) Bezeichnung für den Vorgang der Überlassung von → Zahlungsmitteln. c) Bezeichnung für den überlassenen Betrag an Zahlungsmitteln. Kredit, durchgeleiteter 2.3.2.4 → Kredit im Rahmen eines öffentlichen → Kreditprogramms, bei dem die abwickelnde Bank das volle → Kreditrisiko trägt. Kredit, durchlaufender 2.3.2.4 → Treuhandkredit bei einem öffentlichen → Kreditprogramm, welchen die abwickelnde Bank im eigenen Namen vergibt, sich jedoch bei Zahlungsschwierigkeiten des Kreditnehmers ein Rückgriffsrecht auf die ursprünglichen Kreditgeber einräumen lässt. Kreditderivate 6.4 Bezeichnung für Geschäfte, die der Absicherung gegen aus Kreditverträgen resultierende Risiken dienen. Terminologisch werden zur Eliminierung oder Verminderung derartiger Risiken Kreditderivate

Glossar

„gekauft“ (beispielsweise von einer Bank im Rahmen der Risikosteuerung), während der Geschäftspartner diese „verkauft“. → Total Return Swap; → Credit Default Swap; → Credit Default Option; → Credit Linked Note (CLN). Kreditgarantiegemeinschaften Bürgschaftsbanken.

6.4.1/6.4.3

Kreditinstitute mit Sonderaufgaben 1.2.5 Banken mit Sonderaufgaben, wie (1) Banken zur Durchführung zentraler, staatlicher Kreditaktionen, (2) Banken zur Gewährung längerfristiger Kredite an bestimmte Wirtschaftsbereiche oder (3) Banken, die von Bankenkonsortien bestimmte Sonderaufgaben zugewiesen bekommen. Kreditleihe 2.2.4 Der Kreditgeber verpflichtet sich zur Zahlung an einen Dritten für den Fall, dass der Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen diesem Dritten gegenüber nicht nachkommt. Die wichtigsten Formen der Kreditleihe sind der → Akzeptkredit und der → Avalkredit. Kreditprogramme, öffentliche 2.3.2.4 Sie werden vom Bund, den Bundesländern oder anderen öffentlichen Stellen zur Förderung bestimmter Wirtschaftszweige oder bestimmter Investitionen durchgeführt. Die öffentliche Förderung besteht vor allem in der Bereitstellung von zinsgünstigen Krediten, Zinsbeihilfen oder → Bürgschaften. Die Kreditprogramme werden regelmäßig über die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben vergeben, vor allem über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Kreditanträge sind über die jeweilige Hausbank des Kreditnehmers einzureichen. Die Kreditbeträge werden unter Einschaltung dieser Hausbank ausgezahlt.

Glossar Kreditrisiko 2.3.2.4 Gefahr für einen → Geldgeber, dass der → Geldnehmer seinen Rückzahlungsverpflichtungen überhaupt nicht, zu einem niedrigeren Betrag oder zu einem späteren Zeitpunkt als vertraglich vereinbart nachkommt. Komponenten des Kreditrisikos sind das → Ausfallrisiko und das → Verzugsrisiko. Kreditsicherheiten 1.1.2.2/2.1.6.2 Instrumente, die als Bestandteile eines Kreditvertrages die ökonomische Funktion haben, für den → Gläubiger die Chancen zu erhöhen, auch in einer kritischen Situation des → Schuldners seine Ansprüche möglichst vollständig realisieren zu können. Kreditvermittler 1.1.2.3 → Finanzintermediär, welcher überwiegend privaten Haushalten → Kredite von Kreditinstituten vermittelt. Zwischen Bank und Kreditvermittler wird als feste vertragliche Vereinbarung in der Regel ein sog. „Einreichervertrag“ geschlossen. Kreditversicherer 1.1.2.3 Unternehmen, dessen Zweck es ist, Verluste aus der Kreditgewährung zu verhüten oder zu vermindern. In der Bundesrepublik Deutschland ist außer der Versicherung von → Lieferantenkrediten im Rahmen der → Delkredereversicherung die Versicherung von Krediten, insbesondere Bankkrediten, nicht üblich. Kreditwürdigkeitsprüfung 1.1.2.2/2.2.2 → Bonitätsprüfung vor und während einer Kreditgewährung. Kündigung 2.1.5 Einseitige Erklärung eines Vertragspartners gegenüber dem anderen über die Beendigung der Vertragsbeziehung. Allgemein zu unterscheiden sind das ordentliche und das außerordentliche Kündigungsrecht. Ersteres ist regelmäßig an eine bestimmte Frist und oftmals an sonstige Voraussetzungen gebunden. Das

529 außerordentliche Kündigungsrecht ermöglicht die Beendigung der Vertragsbeziehung in der Regel ohne Einhaltung einer Frist, vielfach aber erst nach vorheriger erfolgloser Abmahnung. Zu den Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung zählt üblicherweise ein wichtiger Grund. Den Rahmen, innerhalb dessen sowohl das ordentliche als auch das außerordentliche Kündigungsrecht zwischen den Vertragspartnern frei vereinbart werden können, setzt das gesetzliche Kündigungsrecht. Für → Darlehen bestimmen §§ 489, 490 BGB diesen Rahmen. Kündigungsgelder 4.2.1 Kündigungsgelder sind → Termineinlagen, die erst nach erfolgter Kündigung und Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist fällig sind. Kursänderungsrisiko 1.1.2.2 Gefahr für einen → Geldgeber, dass der Börsenkurs der → Anleihen oder → Aktien, die er für seine → Zahlungsmittel erworben hat, sinkt und insofern der → Rückzahlungsbetrag bei Verkauf der Wertpapiere niedriger ist als erwartet. Kursermittlung 2.6.2/3.1.2.3/3.1.3 Der Kurs ist der Preis für vertretbare → Wertpapiere. Es ist zwischen der Ermittlung von Einzel- und Gesamtkursen zu unterscheiden. Einzelkurse werden von einem Käufer und einem Verkäufer ausgehandelt und gelten nur für das von diesen Parteien vereinbarte Geschäft. Der Gesamtkurs gilt dagegen für eine Vielzahl von Abschlüssen. Er wird von mehreren Händlern derart festgelegt, dass möglichst alle Kauf- und Verkaufsaufträge ausgeführt werden können. Darüber hinaus ist zwischen der Ermittlung von amtlichen und nicht-amtlichen Kursen zu unterscheiden. Bei amtlicher Kursfeststellung können die Kreditinstitute rechtlich als Kommissionär mit Selbsteintritt auftreten. Werden nicht-amtliche Kurse

530 ermittelt, so treten die Kreditinstitute ihren Kunden gegenüber als Eigenhändler auf und schließen in der Regel ein Deckungsgeschäft an der Börse ab. Kurszusätze 3.1.2.3 Zu einem detaillierteren Einblick in den Markt werden folgende Kurszusätze teilweise mit veröffentlicht: b = bezahlt, d.h. Ausgleich von Angebot und Nachfrage B = Briefkurs, d.h. es war nur Angebot vorhanden G = Geldkurs, es war nur Nachfrage vorhanden bG = bezahlt und Geld, d.h. kleiner Nachfrageüberhang (→ bezahlt und Geld) etw. bG = etwas bezahlt und Geld; die limitierten Kaufaufträge konnten nur zu einem Teil ausgeführt werden bB = bezahlt und Brief; kleiner Angebotsüberhang (→ bezahlt und Brief) etw. bB = etwas bezahlt und Brief; die limitierten Verkaufsaufträge konnten nur zu einem Teil ausgeführt werden bG rep. = bezahlt und Geld repartiert oder bG rat = bezahlt und Geld rationiert; zum Kurs und höher limitierte sowie unlimitierte Kaufaufträge konnten nur durch beschränkte Zuteilung ausgeführt werden (→ Rationierung, → rat B) bB rep. = bezahlt und Brief repartiert oder bB rat = bezahlt und Brief rationiert = die zum Kurs und niedriger limitierten sowie ein Teil der unlimitierten Verkaufsaufträge konnten nur durch beschränkte Abnahme ausgeführt werden

Glossar

–G

= gestrichen Geld; es bestanden nur Billigst-Kauforders ohne Angebot –B = gestrichen Brief; bestanden nur Bestens-Verkaufsorders ohne Nachfrage T = Taxkurs, d.h. geschätzter Kurs exD = ex Dividende; Aktienhandel ohne Dividendenberechtigung am 2. Börsentag nach der → Hauptversammlung exBR = Handel alter Aktien ohne Bezugsrecht, erfolgt am 1. Tag des → Bezugsrechtshandels exBA = ohne Berichtigungsaktien, Kurs am Tage des Berichtigungsabschlages Z = Ziehung; Notierung wird bei festverzinslichen Anleihen 2 Tage vor der Ziehung ausgesetzt exZ = ex Ziehung; Kurszusatz unmittelbar am Auslosungstag bei verlosbaren Wertpapieren als Kurs für nicht ausgeloste Stücke. Laufzeitfonds 3.4.1 Konstruktion eines Investmentfonds mit begrenzter Laufzeit und anschließender Liquidation (→ Ablauffonds). Leasing, Leasinggeschäft 2.4/2.4.1/2.4.4 Atypische Form der Miete, bei der sich der Leasinggeber verpflichtet, dem Leasingnehmer gegen die Zahlung sog. Leasingraten zum einen für eine begrenzte Zeitdauer ein bestimmtes Wirtschaftsgut, den sog. Leasinggegenstand, zur Nutzung zu überlassen und zum anderen darüber hinaus in unterschiedlichem Umfang weitere Leistungen, z.B. Service- und Wartungsleistungen, zu erbringen. Das Leasinggeschäft wird entweder im Rahmen des → Herstellerleasing oder des →

Glossar

institutionellen Leasing von speziellen Unternehmen betrieben. Leasing, institutionelles 2.4.4 Form des → Leasing, bei der das Leasingunternehmen von Herstellern und Händlern unabhängige Leasinggeschäfte betreibt. Bezüglich der Gewinnung von Kunden ist neben dem → Vertriebsleasing und dem → Drittvertriebsleasing die Variante bedeutsam, bei der dem Kunden ein von ihm selbst ausgesuchtes oder in Auftrag gegebenes Wirtschaftsgut vermietet wird. Insbesondere im Bereich des →Immobilienleasings werden derartige Leasingverträge oftmals durch umfangreiche Planungs-, Überwachungs- und Serviceleistungen ergänzt. Leasingunternehmen 2.4.3.3 Unternehmen, welches → Leasing gewerbsmäßig betreibt. Lebensversicherung 2.3.3.3/4.3 Bei der am häufigsten vorkommenden Art erhält der sog. Bezugsberechtigte die vereinbarte → Versicherungsleistung entweder mit dem Tod des Versicherungsnehmers oder mit dem Vertragsablauf. Diese Versicherungsart dient sowohl der Vorsorge für die Hinterbliebenen als auch der Alterssicherung des Versicherungsnehmers im Erlebensfall. Die Versicherungsleistung besteht aus der Zahlung eines einmaligen Betrages oder einer in der Regel monatlichen Rente. Lebensversicherung auf verbundene Leben 4.3.2.1 Hier wird das Todesfallrisiko zweier Personen gleichzeitig versichert. Lebensversicherung, dynamische 4.3.2.2 Bei dieser Versicherung erhöhen sich Leistung und Beitrag im Zeitablauf ständig um einen bestimmten Prozentsatz.

531 Lebensversicherung, fondsgebundene 4.3.3 Form einer → Lebensversicherung auf Investmentbasis. Zusätzlich zu einer normalen Lebensversicherung wird auch die Möglichkeit eines Wertzuwachses/Wertverlustes angeboten. Leverage-Effekt 3.4.1 Bezeichnung für den folgenden Zusammenhang zwischen Eigenkapitalrendite (rE), Fremdkapitalrendite (rF), Gesamtrendite (rG) sowie Verschuldungsgrad (V): rE = rG + (rG – rF)V. Schwankungen der Gesamtrendite werden bei gegebenem Fremdkapitalzins (der Fremdkapitalrendite) in umso größere Schwankungen der Eigenkapitalrendite übertragen, je höher der Verschuldungsgrad ist. V fungiert als Verstärker oder Hebel (engl.: leverage = Hebel(kraft)). Der Zusammenhang illustriert die mit einer Fremdfinanzierung verbundenen Chancen und Risiken. Leverage-Fonds 3.4.1 In Deutschland unzulässige Form eines → Investmentfonds, der auch in nennenswertem Umfang Kredite zum Kauf von Anlagewerten einsetzen kann. LIBOR 3.3.2.2 London Interbank Offered Rate, im Interbankenhandel in London angewendeter kurzfristiger Geldmarktsatz zur Übernahme kurzfristiger Einlagen oder Kredite bei einer erstklassigen Bonität. Lieferantenkredit 2.2.3.4 Kredit, bei dem der Lieferant dem Abnehmer ein Zahlungsziel einräumt, d.h. die Kaufpreisforderung bis zu einem festgelegten Termin stundet. Limit 3.1.2.3 Vorgeschriebene Preis- oder Mengengrenze bei Kauf oder Verkauf (→ Auftrag, limitierter).

532 Liquidität 2.3.3.1 a) Bezeichnung für den → Zahlungsmittelbestand. b) Bezeichnung für die Geldnähe oder Liquidierbarkeit einzelner Vermögensgegenstände. c) Bezeichnung für die → Zahlungsfähigkeit einer Person oder eines Unternehmens. Liquiditätsreserve 3.2.3.2 Gesamtheit von mehr oder weniger leicht veräußerbaren Vermögensgegenständen (z.B. börsenmäßig gehandelten → Wertpapieren), die im Bedarfsfall zur Deckung unvorhergesehener Auszahlungsanforderungen herangezogen werden können. Lombardkredit 2.2.2 Kredit gegen die Verpfändung beweglicher Sachen und Rechte (→ Mobiliarpfandrecht). Lombardsatz der Deutschen Bundesbank (hist.) 2.2.2 → Zinssatz, zu dem die Deutsche Bundesbank → Kreditinstituten kurzfristige → Lombardkredite gewährte, die durch die Verpfändung erstklassiger Wertpapiere, z.B. → Handelswechsel oder → Anleihen der öffentlichen Hand, gesichert waren. Der Lombardsatz lag im Allgemeinen einen Prozentpunkt über dem → Diskontsatz der Deutschen Bundesbank. Long-Position 5.2 Kauf-Position im → Kassa- oder → Terminmarkt. Long-Straddle 5.3.1 Eingehen einer Straddle-Position (→ Straddle), auf Basis eines Optionskäufers. Losgrößentransformation 1.1.2.2 Prozess, bei dem ein → Finanzintermediär zwischen → Geldgeber und → Geldnehmer tritt und mit diesen jeweils einen Finanzkontrakt über die Überlassung von → Zahlungsmitteln abschließt, wobei die Betragsgrößen unterschiedlich ausfallen.

Glossar Makler, amtliche (hist.) 3.1.2.1 Kursmakler an den Wertpapierbörsen, die amtlich bestellt und vereidigt wurden und eine Prüfung vor der Maklerkammer zu absolvieren hatten. Aufgabe war die börsentägliche Entgegennahme von Aufträgen und Abwicklung im Markt, ebenso wie die Mitwirkung an der amtlichen Kursfeststellung. Eigengeschäfte durften nur in stark begrenztem Umfang getätigt werden; seit dem Jahre 2002: → Skontroführer. Maklercourtage 2.3.2.3 Entgelt für die → Vermittlungsleistung eines → Kreditvermittlers, welches vom Kreditnehmer zu zahlen ist, wenn ein → Kredit vermittelt wurde. Makler, freie 3.1.2.1 Vermitteln Wertpapiergeschäfte hauptsächlich zwischen den an der Börse vertretenen Banken, bei geringeren Restriktionen als früher für die amtlichen Makler (→ Makler, amtliche) und heute für die → Skrontroführer maßgeblich. Mantel 3.2.2.1 Urkunde über die erworbenen Rechte bei Aktien, aber auch bei Schuldverschreibungen. Margin 5.2.4 Sicherheitsleistung zur Risikoabdeckung einer Terminposition. Market-Maker 3.1.2.1/5.2.2 Börsenmitglied, das verbindliche Geldund Briefkurse stellt. Masseforderungen 2.1.6.2 Ansprüche an das nach → Aussonderung und → Absonderung verbleibende Vermögen, welche im → Insolvenzverfahren vorab zu befriedigen sind. Hierzu zählen insbesondere Ansprüche aus Geschäften des → Insolvenzverwalters nach Verfahrenseröffnung (Masseverbindlichkeiten) sowie Ausgaben für das → Insolvenzverfahren selbst.

533

Glossar Matching 5.4.2 Handelsabschluss durch Zusammenführung von Kauf- und Verkaufsorders. Meistausführungsprinzip 3.1.2.3 Prinzip zur Ermittlung des → Einheitskurses. Mietverlängerungsoption 2.4.1 Bezeichnung für eine Regelung in einem Leasingvertrag, wonach der Leasingnehmer nach Ablauf der → Grundmietzeit das Wahlrecht hat, den Leasinggegenstand an den Leasinggeber zurückzugeben oder ihn zu einer zuvor festgelegten Anschlussmiete zu mieten. Mindestschluss Mindestauftragsgröße Börsengeschäfte.

für

4.1.2 bestimmte

Mobiliarpfandrecht 2.1.6.2 → Realsicherheit, bei der der → Schuldner einer Forderung seinem → Gläubiger bewegliche Sachen oder übertragbare Rechte, z.B. → Wertpapiere, Urheberrechte oder Guthaben bei Banken, verpfändet. Das Pfandrecht wird durch Einigung und Übergabe des Pfandgutes in den Besitz des Gläubigers bestellt. Der Schuldner kann das Pfandgut somit nicht nutzen, weswegen insbesondere das Pfandrecht an beweglichen Sachen im Wirtschaftsleben kaum noch eine Rolle spielt. Sobald der Schuldner die fällig gewordene gesicherte Forderung nicht erfüllt, hat der Gläubiger das Recht, das Pfandgut zu verwerten und sich aus dem Erlös zu befriedigen. Im → Insolvenzverfahren berechtigt das Mobiliarpfandrecht zur → Absonderung. Mobilien-Leasing 2.4.4 Leasinggegenstände sind Fahrzeuge aller Art, Büromaschinen und EDV-Anlagen sowie Maschinen oder Betriebsvorrichtungen, sofern sie einzeln wirtschaftlich genutzt werden können.

Moral Hazard 6.1.2.3 Unter der Moral-Hazard-Problematik versteht man die Versuchung, eine eigene Verhaltensweise nach Vertragsabschluss zu Lasten des Vertragspartners anders zu gestalten als vorher in Aussicht gestellt. Nachrangklausel 3.3.2.3/3.3.3 Vereinbarung zwischen einem Unternehmen und einem Gläubiger, wonach diese Ansprüche im Insolvenzfall erst nach vollständiger Befriedigung der übrigen Gläubiger geltend gemacht werden können. Naked Warrants 3.5 Isoliert ausgegebene → Optionsscheine, ohne Zugrundelegung einer → Optionsanleihe. Namensaktie 2.1.2/3.2.2.3 → Aktie, deren Übertragung durch Einigung und Übergabe sowie zusätzlich durch schriftliche Abtretungserklärung auf der Rückseite des → Wertpapiers (→ Indossament) erfolgt. Darüber hinaus ist die Umschreibung im Aktienbuch vorgesehen (§ 68 AktG). Namensaktien, vinkulierte 3.2.2.3 Namensaktien, die nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden können. Namenspapier (Rektapapier) 2.1.2 → Wertpapier, bei dem eine bestimmte Person als Berechtigter bezeichnet ist. Negativklausel 2.1.6.3 → Kreditsicherheit; Klausel in Kreditverträgen, wonach der → Schuldner im Hinblick auf seine Investitions- und Finanzierungspolitik bestimmten Bedingungen unterworfen wird, insbesondere zur Begrenzung des → Finanzierungsrisikos. Nennbetrag 2.1.4 Rein rechnerische Größe, die Bemessungsgrundlage für verschiedene Rechnungen ist, z.B. für die Berechnung der Höhe von Zinszahlungen.

534

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Nennwert 3.2.2.2/3.3.2.1 Währungsangabe (in Deutschland i.d.R. in Euro) in einem Wertpapier, die die Bezugsgröße und Rechenschlüssel für verschiedene andere Größen, wie z.B. den Zins und den Ausgabe- oder Rückzahlungsbetrag darstellt. Bei Aktien zugleich Mindesteinlagebetrag. Nettoabrechnung 3.1.3 Einbeziehung von Maklerkosten, Spesen und Provisionen in die Abrechnung eines Wertpapiergeschäftes ohne gesonderten Ausweis. Neuer Markt (hist.) Der 1997 eingeführte Neue Markt war durch Zulassungsvoraussetzungen gekennzeichnet, die zwischen dem geregelten Markt und dem amtlichen Handel anzusiedeln waren, in einzelnen Kriterien aber darüber hinausgehen. Zugelassen waren ausschließlich Stammaktien mit einem Mindestemissionswert von 5 Mio. Euro und einem Streubesitz über 20%. Der Emissionsprospekt, die Rechnungslegung und die Veröffentlichung von Geschäftsberichten mussten internationalen Standards genügen. Eingestellt im Jahre 2003. Nominalzins 2.1.3 Der vertraglich vereinbarte Zinssatz, der vom → Effektivzins zu unterscheiden ist. Es sind seine Höhe in Prozent, seine Bezugsgröße sowie die Termine für → Zinsbelastung und Zinszahlung festzulegen. Notiz, variable 3.1.2.3 Fortlaufende Kursfestsetzung an der Börse, vor allem bei umsatzstarken Werten, unter Beachtung des → Mindestschlusses. Gegensatz zur Ermittlung des Kurses auf Basis des → Einheitskurses. Nullkupon-Anleihen → Zero-Bond.

3.3.2.1

Objektrisiko 2.4.1 Gefahr, dass ein betrieblich genutzter Gegenstand untergeht oder beschädigt wird. Öffentliche Pfandbriefe 3.3.2.1/3.3.2.2 Bis 2005 ausschließlich von → Realkreditinstituten und → Girozentralen ausgegebene festverzinsliche Wertpapiere mit längerer Gesamtlaufzeit, zu deren Sicherung eine gesonderte → Deckungsmasse aus Darlehensforderungen des Emittenten gegenüber Gemeinden, Kreisen und ähnlichen öffentlichen Stellen besteht. Vereinzelt tragen öffentliche Pfandbriefe noch die früher übliche Bezeichnung „Kommunalobligationen“. Open-End-Fonds 3.4.1 Offener Fonds (→ Fonds, offener), d.h. mit laufender Ausgabe und Rücknahme von Anteilen, d.h. satzungsmäßiger Verpflichtung zur jederzeitigen Rücknahme der Anteilscheine. Operate-Leasing 2.4.1 Form des → Leasing, die im Gegensatz zum → Finanzierungsleasing üblicherweise durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: 1. Der Leasinggegenstand wird nur für eine im Verhältnis zu der üblichen Einsatzdauer kurze Zeit überlassen. 2. Während dieser Überlassungszeit amortisiert sich der Leasinggegenstand üblicherweise nicht durch die Leasingraten. Um die Anschaffungsoder Herstellungskosten sowie die Finanzierungs- und Verwaltungskosten des Leasinggebers abzudecken, muss der Leasinggegenstand mehrmals nacheinander „verleast“ werden. 3. Die → Objektrisiken verbleiben beim Leasinggeber. 4. Der Leasinggeber verlangt zumeist, dass die laufenden Service- und Wartungsleistungen von ihm selbst oder

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einem von ihm beauftragten Unternehmen durchgeführt werden. Option 5.2 Recht, einen bestimmten Basiswert, i.d.R. ein Wertpapier, zu einem vereinbarten Kurs oder Preis innerhalb eines festgelegten Zeitraumes zu kaufen oder zu verkaufen. Für das Recht hat der Erwerber eine Prämie zu bezahlen. Die Besonderheit der Vereinbarung besteht darin, dass lediglich ein Vertragspartner das Recht hat, die Transaktion durchzuführen, ohne dazu verpflichtet zu sein. Optionsanleihe 3.3.2 → Schuldverschreibung, die zusätzlich zu dem Anspruch auf → Zins und → Tilgung innerhalb bestimmter Fristen das Recht verbrieft, → Aktien des emittierenden Unternehmens zu einem bei → Emission festgelegten Kurs zu beziehen. Optionspreis (-prämie) 5.2 Der für das Optionsrecht vom Optionskäufer an den Optionsverkäufer zu zahlende Preis. Optionsscheine 3.5 Selbständig börsengehandelte Wertpapiere, die dem Inhaber bestimmte Bezugsrechte gegenüber dem Emittenten gewähren. Sie können entweder durch Ablösung des reinen → Optionsrechts von der → Optionsanleihe entstehen oder von Anfang an isoliert ausgegeben werden (→ Naked Warrants). Optionstyp → Call oder → Put.

5.2.2

Order, limitierte 3.1.2.3 → Auftrag, limitierter, → Limit. Orderpapier 2.1.2 → Wertpapier, bei dem der Aussteller das verbriefte Recht einer bestimmten Person oder aber einer anderen Person verspricht, welche die zuerst genannte Person durch → Indossament als → Gläubiger bezeichnet.

Orderschuldverschreibungen 3.1.1 Schuldverschreibungen, innerhalb derer sich der Schuldner verpflichtet, die urkundlich verbrieften Forderungen an den Gläubiger oder an dessen Order zu zahlen. Daher wird eine bestimmte Person als Berechtigter festgesetzt. Out-of-the-money 5.2 → Option, bei der der → Basispreis deutlich über dem aktuellen Tageskurs des → Basiswertes (out-of-the-money call) oder deutlich unter dem Kurs des Basiswertes (out-of-the money put) liegt. Die Option besitzt in diesem Fall keinen inneren Wert“ (→ Wert, innerer). „Packing“ 2.3.2.3 Bezeichnung für die in der Vergangenheit von Kreditinstituten geübte Praxis, die an den → Kreditvermittler abzuführende Provision durch eine entsprechende Erhöhung des monatlichen Zinssatzes auf den Kreditnehmer abzuwälzen. Pass-Through-Typ 2.2.3.5 Ausgestaltungsvariante der im Rahmen von → ABS-Finanzierungen ausgegebenen → Wertpapiere, die in dieser Form einen unmittelbaren Anspruch auf die Zahlungen aus dem Forderungspool der → Zweckgesellschaft verbriefen. Diese fungiert quasi als „Verwalter“ der von ihr erworbenen Forderungen; die Wertpapiere ähneln daher → Investmentzertifikaten. Patronatserklärung 2.1.6.3 → Kreditsicherheit; Erklärung eines als Obergesellschaft fungierenden Unternehmens gegenüber dem → Gläubiger einer Untergesellschaft, direkt oder indirekt für die → Zahlungsfähigkeit des kreditnehmenden Unternehmens zu sorgen. Pay-Through-Typ 2.2.3.5 Ausgestaltungsvariante der im Rahmen von → ABS-Finanzierungen ausgegebe-

536 nen → Wertpapiere, die in dieser Form einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zins und Tilgung gegen die → Zweckgesellschaft verbriefen, deren Vermögen im Wesentlichen aus den erworbenen Forderungen besteht. Der Pay-Through-Typ hat somit Anleihecharakter. Performance 3.4.2 Wertzuwachs des Vermögens oder auch Wertentwicklung einer → Investmentgesellschaft, bzw. des Investmentfonds. Gemessen wird dieser Wert auch als zeitliche Steigerung des → Inventarwertes. Personalsicherheiten 2.1.6.3 Form der → Kreditsicherheit, bei der die Besserstellung eines → Gläubigers nicht mit einer Schlechterstellung anderer Gläubiger verbunden ist. Typische Personalsicherheiten sind die → Bürgschaft und die → Garantie. Sie räumen dem Gläubiger einen schuldrechtlichen Anspruch ein, auf Grund dessen er auch von einer anderen Person (→ Bürge, → Garant) als der des → Schuldners die Leistung verlangen kann. Personenversicherung 6.2.1/6.2.2.2 Versicherung von Schäden, die unmittelbar an Personen entstehen können, im Gegensatz zur → Güterversicherung. Pfandbrief 1.2.5/2.1.5 → Schuldverschreibung von → Realkreditinstituten, die durch Hypothekenforderungen abgesichert ist. Pfandbriefe 3.3.2.1/3.3.2.2 Bis 2005 ausschließlich von → Realkreditinstituten und → Girozentralen ausgegebene festverzinsliche Wertpapiere mit längerer Gesamtlaufzeit, zu deren Sicherung eine gesonderte Deckungsmasse aus grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensforderungen der Emittenten besteht; die Genehmigung zur Ausgabe kann heute auch anderen Banken erteilt werden.

Glossar Platzierungsrisiko 2.6.3 Gefahr, dass neuemittierte → Wertpapiere nicht vollständig beim anlagesuchenden Publikum untergebracht werden können. Policendarlehen 2.3.3.3 → Darlehen, welches ein → Versicherungsunternehmen einem eigenen Kunden bis zur Höhe des → Rückkaufwertes der bestehenden → Lebensversicherung gewährt. Prolongation 1.1.2.2/2.1.6.1/2.2.2 Verlängerung der Frist für die Rückzahlung eines Kredits. Prospekt 3.1.2.2 Veröffentlichung bestimmter Angaben über ein Unternehmen bei der Emission von Wertpapieren oder deren Einbeziehung in den Börsenhandel. Prospekthaftung 3.1.2.2 Gesamtschuldnerische Haftung von Emittent und Konsortialbanken bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Falschangabe bei der Emission von Aktien oder Obligationen. Prozentnotierung 4.04 Notierung des Kurses einer Anleihe oder Aktie als Prozentsatz vom → Nennwert. Publikumsfonds 3.4.1 → Investmentfonds für ein breit ausgelegtes Anlegerpublikum – Gegensatz: → Spezialfonds. Publizitätspflicht 3.1.2.2 Verpflichtung zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses aus Bilanz und GuVRechnung, gestaffelt nach verschiedenen Größenordnungen und Rechtsformen im Rahmen des HGB und des Publizitätsgesetzes (PublG). Put-Option 5.2 Verkaufsoption, bei der im Gegensatz zu einer → Call-Option der Käufer der Option das Recht erwirbt, innerhalb der Optionsfrist jederzeit (→ amerikanische

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Option) bzw. am Ende der Optionsfrist (→ europäische Option) vom Verkäufer der Option (→ Stillhalter) den Kauf eines zugrunde gelegten Basistitels zum vereinbarten → Basispreis zu verlangen. Quoting 5.2.2 Stellen von verbindlichen Geld- und Briefkursen durch → Market-Maker. Raiffeisenbanken 1.2.4 Ländliche Kreditgenossenschaften, deren Gründungen als Zusammenschluss finanzschwacher Landwirte von RAIFFEISEN und HAAS initiiert wurden. Ratenkredit 2.3.2.3 → Darlehen, das → Kreditinstitute privaten Haushalten zur Anschaffung von Konsumgütern (in der Regel langlebige Gebrauchsgüter, Reisen usw.) anbieten. Die → Tilgung erfolgt üblicherweise in gleichbleibenden Monatsraten. Wegen des Verwendungszwecks werden diese Kredite auch als Konsumentenkredit, Anschaffungsdarlehen oder Privatdarlehen bezeichnet. Die Konditionen sind in der Regel standardisiert: Die Laufzeit beträgt im Allgemeinen bis zu 6 Jahren; der Kreditbetrag liegt üblicherweise unter 50.000 Euro. Ratensparvertrag 4.2.2.2 Der Anleger geht die Verpflichtung ein, über einen bestimmten Zeitraum (z.B. 6 oder 7 Jahre) regelmäßig gleichbleibende Sparbeträge einzuzahlen. Ratentilgung 2.1.3/2.1.4 Die → Tilgung erfolgt – ggf. nach einigen → Freijahren – in gleichhohen Beträgen bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit. Rating-Agentur 1.1.2.3 Unternehmen, z.B. Standard & Poor's und Moody’s in den USA, die die Emittenten von → Wertpapieren auf ihre → Bonität untersuchen und die dabei gewonnene Einschätzung durch die Klassifizierung der Emittenten in verschiedene Bonitäts-

klassen veröffentlichen. Zunehmende Bedeutung durch die Emission von → Euro-Commercial-Papers. Rationiert Brief (ratB) → Kurszusätze.

3.1.2.3

Rationiert Geld (ratG) → Kurszusätze.

3.1.2.3

Rationierung → Kurszusätze.

3.1.2.3/2.6.1/2.6.3

Realkredit 2.3.2.1 Andere Bezeichnung für → Hypothekarkredit. Realkreditinstitut 1.1.2.1/1.2.4/1.2.5 → Spezialbank, die → Hypothekarkredite und → Kommunaldarlehen vergibt und sich durch die Ausgabe von → Pfandbriefen und → öffentlichen Pfandbriefen (Kommunalobligationen) refinanziert. Sie ist entweder als private Hypothekenbank oder als öffentlich-rechtliche Anstalt organisiert. Realsicherheiten 2.1.6.3 Form der → Kreditsicherheit, bei der die Besserstellung eines → Gläubigers nur auf Grund der Schlechterstellung anderer Gläubiger erreichbar ist. Zu den Realsicherheiten gehören das → Mobiliarpfandrecht, die → Grundpfandrechte (→ Hypothek und → Grundschuld), die → Sicherungsübereignung, die → Sicherungsabtretung und der → Eigentumsvorbehalt. Gemeinsam ist allen diesen Formen der Realsicherheiten, dass der begünstigte → Gläubiger einen im Einzelnen näher bestimmten Vermögenswert aus der → Haftungsmasse des → Schuldners zugeordnet erhält, aus dessen Verwertung er Befriedigung erlangt, wenn der Schuldner nicht leisten kann. Registereintragung 3.3.2.3 Eintragung in das i.d.R. von Gerichtsbehörden geführte öffentliche Verzeichnis bestimmter Rechtsverhältnisse und

538 Rechtsstellungen. Dient zur Beweisbarkeit und Veröffentlichung. Reinvermögen 2.5.1/3.2.2.2/3.2.3.1 Es setzt sich zusammen aus dem → Zahlungsmittelbestand zuzüglich aller übrigen Vermögenspositionen abzüglich aller Verbindlichkeiten. Der bilanzielle Ausweis des Reinvermögens entspricht dem (bilanziellen) → Eigenkapital und ist die Differenz zwischen dem (bilanziell ausgewiesenen) → Vermögen und den (bilanziell ausgewiesenen) Verbindlichkeiten. Renten 2.3.3.2/3.3.1 Als Renten bezeichnet man festverzinsliche Wertpapiere. Rentenfonds 3.4.1 → Investmentfonds aus überwiegend festverzinslichen Wertpapieren. Rentenmarkt 2.3.3.2/3.3.1 Markt für → Wertpapiere mit → Gläubigerrechten (→ Fremdkapital). Gehandelt werden im Wesentlichen → Anleihen oder Obligationen des Bundes, der Bundesländer und der Gemeinden sowie der privaten Unternehmen, insbesondere der Industrie und der Banken, des weiteren → Pfandbriefe und → Kommunalobligationen. Rentenversicherung 4.3.2.2 Hier wird die Versicherungsleistung nicht in einer Summe, sondern als Rente bis zum Lebensende fällig. Reserven, stille 2.4.1 Differenz zwischen dem Wert, mit dem ein Vermögensgegenstand (Schuldposition) in der Bilanz ausgewiesen wird, und einem anderen, höheren (niedrigeren) Wert. Restschuld 2.1.3 Der insgesamt zu tilgende Betrag abzüglich der bereits erfolgten → Tilgungsleistung zuzüglich der belasteten, aber noch nicht bezahlten Zinsen.

Glossar Restschuldversicherung 2.3.2.3/4.3.2.2 Zur → Besicherung von → Ratenkrediten anzutreffende Form der → Versicherung. Versichert wird das → Ausfallrisiko zum Beispiel gegen Tod oder Erwerbsunfähigkeit. Revolving-Geschäft 2.3.3.2 Geschäft, bei dem ein → Kreditinstitut oder seltener ein → Finanzmakler die Ansprüche aus einem → Schuldscheindarlehen an ein Unternehmen zunächst nur für einen kürzeren Zeitraum als für die Darlehenslaufzeit an ein (oder auch in Teilen an mehrere) → Versicherungsunternehmen abtritt. Nach Ablauf des ersten Abtretungszeitraums folgen weitere zeitlich begrenzte Abtretungen. REX 3.3.1 Analog zum DAX steht seit 1991 auch ein Indikator für den deutschen Rentenmarkt bereit. Wichtige Elemente eines festverzinslichen Wertpapiers und damit auch des Indikators sind sowohl Kursveränderungen als auch Zinseinkommen. Um Probleme, wie die permanente Laufzeitverkürzung von Anleihen, zu berücksichtigen, wird die Berechnung des REX in einem mehrstufigen Verfahren vollzogen. Aus den Schlusskursen aller Anleihen, Obligationen und Schatzanweisungen des Bundes werden die Renditen berechnet; hieraus wird in einem zweiten Schritt die sog. Zinsstrukturkurve ermittelt, d.h. die Renditen werden in Abhängigkeit von ihrer Restlaufzeit dargestellt. Aus dieser Zinsstruktur werden in einem nächsten Schritt die Renditen für ganzzahlige Laufzeiten zwischen 1 und 10 Jahren abgelesen und in entsprechende (fiktive) Kurse umgerechnet. Als letztes erfolgt die Gewichtung der Kurse entsprechend einer historischen Marktgewichtung und die Aggregation zu einer Kennzahl.

Glossar Risikentransformation 1.1.2.2 Prozess, bei dem ein → Finanzintermediär zwischen → Geldgeber und → Geldnehmer tritt und mit diesen jeweils einen Finanzkontrakt über die Überlassung von → Zahlungsmitteln abschließt, wobei sich das → Ausfallrisiko hinsichtlich der → Rückzahlungsbeträge für die Geldgeber verringert. Maßgeblich hierfür sind folgende Teileffekte: → Intermediärhaftung, → Risikodiversifikation, → Risikoselektion sowie das Auftreten → bedingter Verpflichtungsstrukturen. Risikoanteil 4.3.2.3 Dieser Teil der Prämie soll die Leistungen für vorzeitige Versicherungsfälle abdecken.

539 Risikoübernahme 1.1.2.3 Kategorie von Leistungen eines → Finanzintermediärs, bei denen dieser bestimmte, vertraglich genau umschriebene Anlagerisiken übernimmt. Risikoversicherung 4.3.2.4 Reine Risikoversicherungen sind Lebensversicherungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nur der Tod des Versicherten die Pflicht zur Zahlung auslöst. Rückkaufwert 2.3.3.3 Der Betrag, der einem Versicherungsnehmer ausgezahlt wird, wenn er seine → Lebensversicherung vorzeitig kündigt.

Risikoausgleich im Kollektiv 6.1.2.2 Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Art → Gefahrengemeinschaft sorgt aufgrund des abnehmenden Gesamtrisikos als Summe der Einzelrisiken für eine Verminderung des auf den Einzelnen entfallenden Risikos.

Rücklagen 2.5.1/3.2.2.2/3.2.3.2 Teil des → Eigenkapitals eines Unternehmens, der auf Grund handelsrechtlicher Vorschriften oder Regelungen im → Gesellschaftsvertrag oder freiwillig gebildet und auch aufgelöst werden kann. Im Gegensatz zu den sog. stillen Reserven (→ Reserven, stille) werden die Rücklagen auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen.

Risikodiversifikation 1.1.2.2 = Risikostreuung: Anlage von → Zahlungsmitteln in Engagements, bei denen die Gefahr, dass die → Rückzahlungsbeträge hinter dem vorgesehenen Umfang zurückbleiben, unterschiedlichen Eintrittsursachen unterliegt.

Rückstellungen 2.5.1 Am Bilanzstichtag bestehende Verpflichtungen eines Unternehmens, deren Bestehen, Höhe oder Zeitpunkt der Fälligkeit ungewiss sind. Sie stellen noch keine „echte“ Verbindlichkeit dar, sind aber auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen.

Risiko-Lebensversicherung 4.3.2.1 Versicherung für den Todesfall. Innerhalb eines vertraglichen Zeitraumes besteht Versicherungsschutz im Todesfall. Insbesondere zur Absicherung von Kredittilgungen und Sparprogrammen gebräuchlich.

Rückversicherer Unternehmen, welches im Gegensatz zum Erstversicherer das Rückversicherungsgeschäft betreibt, um das sog. versicherungstechnische Risiko abzudecken. Darunter versteht man die Gefahr, dass der tatsächliche Schadensverlauf von den der Prämienkalkulation zugrunde gelegten statistischen Annahmen abweicht. Dies kann z.B. auf zufälligen Schwankungen oder dem Eintritt von Großschäden beruhen. Fast alle Erstversicherer sind darauf angewiesen, einen Teil der übernommenen Risiken im Wege der

Risikoselektion 1.1.2.2 = Risikoauslese: Anlage von → Zahlungsmitteln in Engagements, bei denen die Gefahr, dass die → Rückzahlungsbeträge hinter dem vorgesehenen Umfang zurückbleiben, als besonders gering anzusehen ist.

540 Rückversicherung weiterzugeben. Aber auch Rückversicherer decken Risiken über die Weiterrückversicherung bei anderen Erst- oder Rückversicherern ab. Somit wird eine Vielzahl von → Versicherungsunternehmen an den Risiken beteiligt. Rückversicherungsmakler 1.1.2.4 Unternehmen, welches gewerbsmäßig Rückversicherungsgeschäfte zwischen Erst- und → Rückversicherern vermittelt. Rückzahlungsbetrag 3.3.2.1 Betrag, den der → Schuldner insgesamt zurückzuzahlen hat, also die Summe der vereinbarten → Tilgungsleistungen. Sachwert 2.3.2.1 Komponente zur Ermittlung des → Beleihungswertes, bei der man sich an durchschnittlichen Bodenpreisen und Baukosten sowie dem Alter des Gebäudes orientiert. Sale-and-Lease-Back 2.4.1 Sonderform des → Leasing, bei dem ein Unternehmen eigene Anlagegegenstände an ein Leasingunternehmen verkauft und sie von diesem sofort wieder anmietet. Schadensversicherung 6.2.1 Die Versicherungsleistung bemisst sich nach dem effektiv messbaren Vermögensschaden. Scheck 2.1.2 Unbedingte Anweisung des Ausstellers an die bezogene Bank, zu Lasten seines Kontos den angegebenen Betrag auszuzahlen. Auf Grund des Scheckgesetzes ist der Scheck ein „geborenes“ → Orderpapier. Üblicherweise ist jedoch auf den Bank-Vordrucken die sog. Überbringerklausel eingedruckt, so dass der Scheck zum → Inhaberpapier wird, d.h. der angegebene Betrag ist an den Vorleger der Urkunde auszuzahlen. Schufa 1.1.2.3 = Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung; → Evidenz-Zentrale.

Glossar Schuldner 1.2.5/2.1.2 Person, gegen die einem anderen, dem → Gläubiger, ein Anspruch, z.B. auf → Zins und → Tilgung, zusteht. Schuldschein 2.1.2 Beweisurkunde, in der sich der → Schuldner zu einer bestimmten Leistung, in der Regel zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, verpflichtet. Der Schuldschein ist kein → Wertpapier. Schuldscheindarlehen 2.1.2/2.3.3.2 a) Bezeichnung für ein → Darlehen, über das ein → Schuldschein ausgestellt worden ist. b) Häufig auch eine (unpräzise) Bezeichnung für ein → Darlehen von → Versicherungsunternehmen, auch wenn kein → Schuldschein ausgestellt wurde. Schuldverschreibung 1.2.5/2.6.2 → Wertpapier, das dem Inhaber einen schuldrechtlichen Anspruch auf → Zins und → Tilgung gegen den Emittenten verbrieft. Seitwärtsrendite 3.6.4 Bezeichnung für die positive Rendite eines → Discountzertifikates, die sich dann einstellt, wenn der Kurs des zugrundeliegenden Wertpapiers zwischen Verkauf und Fälligkeit des Zertifikats unverändert bleibt, also gerade eine Rendite von 0% aufweist. Die Seitwärtsrendite entspricht dem Verhältnis von „Discount“ und Emissionskurs des Zertifikates. Sekundärhaftung 3.3.2.3/3.3.3 Haftung eines Dritten für den eigentlich Verpflichteten (Bürgschaft, Garantie). Sekundärmarkt 2.6.2/3.2.4.2 Handel in bereits zuvor emittierten Wertpapieren oder begründeten Optionen oder Futures. Selbstemission 2.6.3 Der Emittent führt alle mit der → Emission verbundenen Tätigkeiten eigenstän-

Glossar

dig, d.h. ohne Einschaltung von → Kreditinstituten durch. Diese Form der Emission ist in Deutschland nur bei der Ausgabe eigener → Wertpapiere durch Banken, insbesondere → Realkreditinstitute, anzutreffen. Selbstfinanzierung 2.5.1 Missverständliche Bezeichnung für eine Erhöhung des → Eigenkapitals dadurch, dass → Ausschüttungen von Gewinnanteilen aus der laufenden Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise unterlassen werden. Short-Position 5.1.1 Bezeichnung für die Stillhalterposition im Optionsgeschäft. Short-Straddle 5.3.1.3 Eingehen einer Straddle-Position (→ Straddle), in Form von Stillhaltergeschäften. Sicherungsabtretung 2.1.6.2 → Realsicherheit, bei der der → Schuldner einer Forderung seinem → Gläubiger zur Sicherung eine Forderung gegen eine andere Person gemäß §§ 398-413 BGB abtritt (→ Zession). Sobald der Schuldner die fällig gewordene gesicherte Forderung nicht erfüllt, hat der Gläubiger in der Regel das Recht, die Forderung beim Drittschuldner einzuziehen oder sie zu verkaufen. Im → Insolvenzverfahren berechtigt die Sicherungsabtretung zur → Absonderung. Sicherungsübereignung 2.1.6.2 → Realsicherheit, bei der der → Schuldner dem → Gläubiger das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt, die jedoch im Besitz des Schuldners verbleibt und die er auch benutzen darf. Sobald der Schuldner die fällig gewordene Leistung nicht erbringt, hat der Gläubiger das Recht, das Sicherungsgut vom Schuldner zur Verwertung herauszuverlangen. Im → Insolvenzverfahren berechtigt die

541 Sicherungsübereignung zur → Absonderung. Sicherungsvermögen 2.3.3.1 Bezeichnung für denjenigen Teil des → Vermögens eines → Versicherungsunternehmens, welcher auf Grund von Vorschriften der Versicherungsaufsicht als ein vom übrigen Vermögen intern getrenntes Sondervermögen von einem Treuhänder zu verwalten ist (vgl. insbes. § 66 VAG). Die Höhe des Sicherungsvermögens bestimmt sich im Wesentlichen aus den → Deckungsrückstellungen. Er soll die Ansprüche der Versicherungsnehmer im → Insolvenzverfahren sicherstellen. Für die Anlage der Bestände des Sicherungsvermögens gibt es spezielle, strenge Vorschriften der Versicherungsaufsicht. Sichteinlagen 4.2.1 Als Sichteinlagen bezeichnet man Guthaben bei Banken, – die auf sog. Girokonten geführt werden, – die jederzeit in beliebiger Höhe abgerufen werden können, – und über die neben der Barabhebung unbegrenzt mit Hilfe des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verfügt werden kann. Skonto 2.2.3.4 Teil des Rechnungsbetrags, der bei Begleichung der Rechnung innerhalb einer bestimmten Frist in Abzug gebracht werden kann. Skontroführer 3.1.2.1 Traten aufgrund des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes 2002 an die Stelle der amtlichen Kursmakler (→ Makler, amtliche), mit weitgehend übereinstimmendem Aufgabenbereich. Sollzins 2.2.2 Entgelt für den in Anspruch genommenen Kredit.

542 Sondervermögen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft 3.4.2 Das gegen Ausgabe von Anteilscheinen eingelegte Geld und hiervon beschaffte Anlagegegenstände bilden das Sondervermögen. Bildung mehrerer Sondervermögen möglich, je nach unterschiedlicher Bezeichnung und meist auch Anlageschwerpunkt. Begrenzungen einzelner Engagements innerhalb der Sondervermögen. Sparanteil 4.3.2.3 Dieser Teil der Prämie einschließlich der erwirtschafteten Zinsen dient der Versicherungsgesellschaft zur Zahlung der vereinbarten Summe bei Ablauf einer Lebensversicherung. Sparbriefe 4.2.2.3 Wertpapiere oder wertpapierähnliche Urkunden, die von den Kreditinstituten unmittelbar an ihre Kunden ausgegeben werden und durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind: – Laufzeit zumeist zwischen 1 und 10 Jahren, – Rückzahlung in Höhe des Einlagebetrages, – die Verzinsung ist für die gesamte Laufzeit festgelegt. Spareinlagen 1.2.5/4.2.2.1 Spareinlagen sind gem. § 21 Abs. 4 RechKredV Einlagen, – die durch Ausfertigung einer Urkunde (Sparbuch) gekennzeichnet sind; – über die grundsätzlich nicht mit Hilfe des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verfügt werden darf; – die eine Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten aufweisen. Sparkasse(n) 1.2.4 → Universalbanken, die Anfang des 19. Jahrhunderts aus sozialreformerischen Erwägungen gegründet wurden, um auch ärmeren Bevölkerungsschichten verzinsliche Anlagemöglichkeiten zu bieten. Sie

Glossar

unterliegen dem sog. „öffentlichen Auftrag“, worunter unter anderem die Pflege des Spargedankens und die Unterstützung des Mittelstandes in der Kommune, in deren Trägerschaft die Sparkasse sich befindet, verstanden werden könnte. Sparkasse, Freie 1.2.4 → Sparkasse, welche nicht auf öffentlichrechtlicher Trägerschaft einer Kommune, sondern auf privatrechtlicher Grundlage, z.B. eines Vereins oder einer Stiftung, beruht. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland weniger als ein Dutzend Freie Sparkassen. Spezialbank 1.2.5 → Kreditinstitut, welches sich im Gegensatz zur → Universalbank auf bestimmte → Bankgeschäfte spezialisiert hat und diese ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend betreibt. Spezialfonds 3.4.1 Anteile des Investmentfonds sind einem kleineren Kreis, i.d.R. institutioneller Großanleger vorbehalten. Nicht zu verwechseln mit den sogen. Spezialitätenfonds, deren Anlagetätigkeit sich durch Konzentration in speziellen Regionen oder Branchen auszeichnet. Spread (1) 3.3.2.2 Vor allem am Euromarkt verwendete Bezeichnung für die Differenz zwischen An- und Verkaufspreisen oder Aufschlag auf einen bestimmten Zinssatz (→ Floating-Rate-Notes), z.B. 2% über LIBOR. Spread (2) 5.3.1.3 Gleichzeitiges Eingehen zweier Kauf(Verkaufs-) positionen, jedoch stets einmal als Optionskäufer (long) und einmal als Optionsverkäufer/Stillhalter (short). Stammaktie 2.1.2 Gewöhnliche Form der → Aktie, die dem Inhaber die normalen, im Aktiengesetz vorgesehenen Mitgliedschaftsrechte (Stimm- und Dividendenrechte) im Gegensatz zur → Vorzugsaktie gewährt. Sie

Glossar

ist in der Regel ein → Inhaberpapier und wird durch Einigung und Übergabe bzw. Abtretung des Herausgabeanspruchs übertragen. Seltener ist die → Namensaktie. Stammaktien 3.2.2.4 Aktie mit normalen, per Aktiengesetz festgelegten, ausgestatteten Rechten. Gegensatz zur →Vorzugsaktie. Stammkapital 3.2.3.2 Auf bestimmten → Nennbetrag lautende Eigenkapitalposition einer GmbH, als Summe aller Gesellschaftsanteile. Standardabweichung 6.1.2.1 Statistisches Streuungsmaß als Wurzel aus der Varianz. Standardisierung 2.7.3 Vereinheitlichte Kontraktspezifikationen insbes. bei → Termingeschäften wie → Basiswert, Laufzeit und → Basispreis. Standing 3.3.2.2 Zusammenfassung aller Parameter der Beurteilung der Bonität eines Wertpapiers oder Unternehmens, insbesondere auch im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit. Stillhalter 1.1.2.2/5.2 Verkäufer eines → Wertpapieroptionsgeschäftes, der innerhalb der Optionsfrist „stillhält“, während der Käufer wählen kann, ob er sein Recht aus der Option ausüben oder verfallen lassen will. Straddle 5.3.1.3 Optionsposition, die durch Zusammenfügung von → Call- und → Put- Optionen in demselben Basiswert zum selben Termin entsteht; als → Long-Straddle oder → Short-Straddle möglich. Strangle 5.3.1.3 Kombination ähnlich dem → Straddle, aber mit unterschiedlichen Basispreisen.

543 Stücknotierung 3.2.2.2 Börsennotierung für Wertpapiere in Euro pro Aktie (Gegensatz: → Prozentnotierung). Regelfall in Deutschland. Summenversicherung 6.2.1/6.3.1 Festsetzung einer bestimmten Versicherungssumme im Schadensfall, z.B. Lebensversicherung. Teilamortisationsvertrag 2.4.1 Bezeichnung für einen Leasingvertrag, bei dem die gesamten Leasingzahlungen, die der Leasingnehmer während der unkündbaren → Grundmietzeit zu leisten hat, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Leasinggebers für den Leasinggegenstand sowie alle sonstigen Nebenkosten nicht vollständig abdecken. Der Leasinggeber deckt seine Gesamtkosten erst nach der Grundmietzeit, z.B. durch → Andienungsrecht, Aufteilung des Mehrerlöses oder Schlusszahlung des Leasingnehmers. Damit bei diesem Vertragstyp die steuerrechtliche Zurechnung zum Leasinggeber erfolgen kann, müssen nach Auffassung der Finanzverwaltung folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die → Grundmietzeit muss zwischen 40% und 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes betragen und der Leasinggeber muss in irgendeiner Form an einem eventuellen Veräußerungserlös des Leasinggegenstandes beteiligt sein. Teilhaberrechte 2.5.1 Rechte eines → Geldgebers, der dem Unternehmen im Rahmen der → Eigenfinanzierung → Zahlungsmittel zur Verfügung stellt. Im Gegensatz zu den → Gläubigerrechten hat der „Teilhaber“ keine Ansprüche im → Insolvenzverfahren. Zu den Teilhaberrechten, deren konkrete Ausgestaltung von der Rechtsform des Unternehmens sowie dem jeweiligen → Gesellschaftsvertrag abhängt, gehören insbesondere das Recht auf → Entnah-

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men oder → Ausschüttungen, der Anspruch auf Anteil am Liquidationserlös sowie bestimmte Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse.

Tilgungsplan 3.3.2.1 Vertragliche Festlegung von Höhe und Fälligkeit der einzelnen → Rückzahlungsbeträge bei einem → Kredit.

Teilzahlungsbank 1.1.2.1/1.1.2.4 → Spezialbank, die in erster Linie → Ratenkredite gewährt, deren Rückzahlung in gleichen Raten und gleichen Zeitabschnitten erfolgt. Teilzahlungskreditinstitute werden je nach Status in der Gruppe der Kreditbanken, Sparkassen- oder Genossenschaftsbanken erfasst.

Tilgungsstreckungsdarlehen 2.3.2.1 (auch Disagiodarlehen genannt) → Darlehen, welches zusätzlich zu einem → Hypothekarkredit in Anspruch genommen wird, wenn sich der Kreditnehmer einerseits aus steuerlichen Erwägungen für eine Auszahlung des Hypothekarkredits mit einem hohen → Disagio entscheidet, er andererseits aber den vollen Darlehensbetrag benötigt.

Termineinlagen 4.2.1 Unter Termineinlagen versteht man Bankguthaben, – die auf sog. Termingeldkonten geführt werden, – für einen bestimmten Zeitraum festgelegt werden und – dementsprechend nicht dem Zahlungsverkehr dienen. Termingeschäfte 5.1.1 Geschäfte, bei denen Vertragsabschluss und eigentlicher Erfüllungstag nicht unbedeutend auseinanderfallen. Terminhandel 2.7.3/5.1.1 Im Gegensatz zum → Kassahandel ist die Frist zwischen Abschluss und Erfüllung des Geschäftes länger als der zur Abwicklung der Erfüllung notwendige Zeitraum. Tilgung, Tilgungsleistung

2.1.2/ 2.1.3/2.1.4 Rückzahlung von → Fremdkapital, insbesondere von → Krediten, → Darlehen oder → Schuldverschreibungen durch den → Schuldner auf Grund eines im Kreditvertrag vereinbarten → Tilgungsplans. Tilgung, gesamtfällige 2.1.3 Die → Tilgung erfolgt in einem Betrag am Ende der vereinbarten Laufzeit oder nach → Kündigung.

Titel, vollstreckbarer Urkunde, in der von der zuständigen Stelle das Bestehen eines Rechts festgestellt wird und die vom Gesetz ausdrücklich mit der Wirkung der Vollstreckbarkeit ausgestattet ist. Vollstreckungsverfahren sind die → Einzelzwangsvollstreckung und das → Insolvenzverfahren. Todesfallversicherung 4.3.2.1 Die Leistung wird bei Tod, spätestens jedoch bei Vollendung des 85. Lebensjahres fällig. Todes- oder Erlebensfallversicherung 4.3.2.1 Die Versicherungsleistung wird mit dem Tod des Versicherten, spätestens jedoch mit Vertragsablauf fällig. Total Return Swap 6.5.2 Der Käufer dieses → Kreditderivates tauscht die Erträge aus einem zuvor vergebenen → Kredit sowie evtl. Wertsteigerungen gegen eine sichere periodische Zahlung und den Ausgleich möglicher Wertminderungen. Transformationsfunktion 1.1.2.2 Funktion, die von → Finanzintermediären erbracht wird und die sich in verschiedene Leistungskategorien untergliedern lässt, je nachdem, ob bei dem Ausgleich von

Glossar

→ Finanzbedarf und → Anlagebedarf zwischen → Geldnehmer und → Geldgeber Probleme der Informationsbeschaffung und -auswertung, der Losgrößen, der Überlassungsfristen sowie der Risikenstruktur gelöst oder günstig beeinflusst werden. Treuhänder 2.2.3.5/3.3.2.3/3.3.2.4 Natürliche oder juristische Person, die die Rechte von Dritten wahrnimmt, z.B. Gesamtheit der Anleihegläubiger oder Anteilsinhaber bei der → Kapitalverwaltungsgesellschaft. Treuhandkredit 2.3.2.4 → Kredit im Rahmen eines öffentlichen Kreditprogramms (→ Kreditprogramme, öffentliche), bei dem die abwickelnde Bank kein → Kreditrisiko übernimmt; dieses verbleibt bei dem ursprünglichen Kreditgeber. Übernahme- und Begebungskonsortium 2.6.3 In Deutschland am häufigsten anzutreffende Form der → Fremdemission. Dabei übernehmen die → Konsortialbanken die gesamte → Emission zu dem fest vereinbarten Übernahmekurs und verpflichten sich, sie den → Anlegern zur → Zeichnung anzubieten oder „freihändig“ an ihre eigene Kundschaft zu verkaufen. Das → Platzierungsrisiko tragen die Konsortialbanken. Übernahmekonsortium 2.6.3 Form der → Fremdemission, bei der die → Konsortialbanken die gesamte → Emission zunächst selbst übernehmen und sich Art und Zeitpunkt der Weiterleitung an die → Anleger vorbehalten. Das → Platzierungsrisiko tragen die Konsortialbanken. Überschuldungsrisiko 2.5.1 Gefahr, dass die Schulden eines Unternehmens größer sind als sein → Vermögen. Die Überschuldung ist ein möglicher Insolvenzgrund (→ Insolvenzverfahren).

545 Überschussbeteiligung 4.3.2.4 Beiträge sind im Verhältnis zur garantierten Versicherungssumme aus Vorsichtsgründen zu hoch angesetzt. Um Ausgleich zwischen Beiträgen und Leistungen herzustellen, wird die Versicherungssumme durch eine Zusatzleistung aus der Überschussbeteiligung ergänzt. Überversicherung 6.3.1 Versicherungssumme im Schadensfall ist größer als der angerichtete Schaden. Überzeichnung 2.6.1 Die Summe der gezeichneten Beträge bei der → Emission von → Wertpapieren liegt über dem angebotenen Emissionsvolumen. Überziehungsprovision 2.2.2 Entgelt für die Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie, welches zusätzlich zu den → Sollzinsen, aber nur in Höhe des überzogenen Betrages erhoben wird. Umlaufvermögen 2.5.1 Derjenige Teil des → Vermögens eines Unternehmens, der im Gegensatz zum → Anlagevermögen nur zur vorübergehenden Nutzung im Geschäftsbetrieb bestimmt ist. Zum Umlaufvermögen zählen z.B. Vorräte, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie → Wertpapiere und → Zahlungsmittelbestände. Unfallversicherung 6.2.2.2 Die Unfallversicherung versichert gegen die unterschiedlichsten Schäden, die die versicherten Personen als Folge eines Unfalls erleiden können. Universalbank 1.2.3/1.2.4 → Kreditinstitut, welches im Gegensatz zur → Spezialbank grundsätzlich sämtliche → Bankgeschäfte betreibt, was einzelne Schwerpunkte in der Geschäftstätigkeit nicht ausschließt. Unsicherheit 6.1.2.1 Unvorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse, ohne dass diesen eine subjekti-

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ve/objektive Wahrscheinlichkeit zugewiesen werden kann (Unsicherheit i.e.S.). Unterversicherung 6.3.1 Die im Schadensfall anfallende Versicherungssumme reicht nicht zur Deckung eines Schadens. Venture Capital-Gesellschaft 2.5.3 → Wagnisfinanzierungsgesellschaft. Venture Fonds 1.1.2.1 → Wagnisfinanzierungsgesellschaft. Verkaufsoption → Put-Option.

5.2

Verkehrswert 2.3.2.1 Komponente zur Ermittlung des → Beleihungswertes, bei der man sich an dem Preis orientiert, der bei der Veräußerung von Grundstück und Gebäude erzielt werden könnte. In der Gutachterpraxis wird dieser Wert allerdings häufig nicht eigenständig abgeschätzt, sondern rein formal als Durchschnitt aus → Sachwert und → Ertragswert berechnet. Verlustrisiko 2.1.6.1 Gefahr, dass dem einzelnen → Gläubiger im Zuge eines → Insolvenzverfahrens Ansprüche nur zum Teil oder im Extremfall gar nicht erfüllt werden können. Verlustübernahmevertrag 2.1.6.3 → Kreditsicherheit; Verpflichtung eines Unternehmens, mögliche Verluste eines anderen Unternehmens auszugleichen. Vermittlungsleistungen 1.1.2.3 Kategorie von Leistungen eines → Finanzintermediärs, bei denen der Abschluss von Finanzkontrakten zwischen originären und/oder intermediären → Geldnehmern und → Geldgebern vermittelt wird. Vermögen 2.1.6.2 Gesamtheit aller „Aktiva“, die sich im Verfügungsbereich einer Privatperson oder eines Unternehmens befindet. Hierzu zählen der Bestand an Zahlungsmitteln, alle Rechte, Forderungen und Betei-

ligungen sowie Sachgüter. In der Bilanz wird üblicherweise in → Anlagevermögen und → Umlaufvermögen differenziert. In Fragen der → Haftung ist regelmäßig zwischen dem Vermögen des Unternehmens selbst und dem Privatvermögen der Inhaber oder Gesellschafter zu unterscheiden. Vermögen, freies 2.3.3.1 Bezeichnung für denjenigen Teil des → Vermögens eines → Versicherungsunternehmens, welcher nicht zu dem gebundenen Vermögen (→ Vermögen, gebundenes) zählt. Seine Höhe ergibt sich im Wesentlichen aus dem → Eigenkapital sowie allen nicht versicherungstechnischen Passivpositionen. Für die Anlage des freien Vermögens hat die Versicherungsaufsicht keine speziellen, sondern lediglich die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit, Rentabilität, Liquidität sowie der Mischung und Streuung aufgestellt. Vermögen, gebundenes 2.3.3.1 Bezeichnung für denjenigen Teil des → Vermögens eines → Versicherungsunternehmens, welcher sich durch die Zusammenfassung von → Sicherungsvermögen und sonstigem gebundenen Vermögen (→ Vermögen, sonstiges gebundenes) ergibt. Vermögen, sonstiges gebundenes 2.3.3.1 Teil des → Vermögens eines → Versicherungsunternehmens außerhalb des → Sicherungsvermögens. Seine Höhe wird bestimmt von Rückstellungen, Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten, die unmittelbar aus Versicherungsverträgen resultieren. Bei dem sonstigen gebundenen Vermögen (wie auch bei dem → freien Vermögen) handelt es sich im Gegensatz zum → Sicherungsvermögen nicht um ein abgegrenztes Sondervermögen, sondern um eine rechnerische Gegenüberstellung mit den

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jeweils zuzuordnenden Passivpositionen. Für die Anlage des sonstigen gebundenen Vermögens gibt es spezielle Vorschriften der Versicherungsaufsicht, die aber weniger streng als bei den Beständen des Sicherungsvermögens sind.

mer gegen die Zahlung einer Prämie ein in die Zukunft gerichtetes Schutzversprechen gewähren, welches bei Eintritt des Versicherungsfalles entsprechende Zahlungen an den Versicherungsnehmer oder einen anderen Berechtigten beinhaltet.

Vermögensteuer (hist.) 2.4.2 Steuer, die bis 1997 vom → Vermögen von Privatpersonen, Selbständigen und Unternehmen erhoben wurde. Bemessungsgrundlage bei Unternehmen waren 75% des → Einheitswertes des Betriebsvermögens; der Steuersatz betrug 1% für natürliche Personen und 0,6% für sonstige Steuersubjekte.

Versicherungsmakler 1.1.2.3 Rechtlich selbständiger Vertriebspartner eines oder auch mehrerer → Versicherungsunternehmen, der zwischen dem Unternehmen und dem Versicherungsnehmer vermittelnd tätig ist. Im Gegensatz zum → Versicherungsvertreter ist der Versicherungsmakler sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht vom Versicherungsunternehmen unabhängig.

Verpflichtungsstruktur, bedingte 1.1.2.2 Art der → Risikotransformation von → Finanzintermediären, bei der die Verpflichtungen zur Zahlungsleistung erst entstehen, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind. Verschuldungsfonds → Leverage Fonds.

3.4.1

Versicherung 1.1.2.1/1.1.2.2/2.3.3.1 a) Häufig verwandte Kurzbezeichnung für → Versicherungsunternehmen. b) Seltener verwandte Kurzbezeichnung für → Versicherungsleistung. Versicherung von Aktiven 6.2.2.1 Hierunter versteht man die Versicherung von Sachvermögen und finanziellen Gütern. Versicherung von Passiven 6.2.2.1 Hierunter versteht man die Versicherung gegen die Erhöhung von Schulden (Passiven), wie sie beispielsweise durch Haftpflichtforderungen entstehen können. Häufig wird sie auch als Aufwandsversicherung bezeichnet. Versicherungsleistungen

1.1.2.1/ 1.1.2.2/2.3.3.1 Leistungen eines → Finanzintermediärs, insbesondere eines → Versicherungsunternehmens, die dem Versicherungsneh-

Versicherungstarif, dynamischer4.3.2.2 Planmäßige Anpassung der Versicherungsbeiträge und -leistungen z.B. an geänderte Einkommens- und Kostensituation. Versicherungssumme 6.3.1 Obergrenze für die Leistung im Versicherungsfall und Grundlage für die Ermittlung der zu entrichtenden Prämien. Versicherungsunternehmen 1.1.2.1/ 1.1.2.2/2.3.3.1 → Finanzintermediär, welcher sich einerseits gegen die Zahlung einer Prämie verpflichtet, an den Versicherungsnehmer bei Eintritt bestimmter Schadensfälle entsprechende Zahlungen zu leisten. Andererseits stellt er die ihm z.B. in Form der Prämie zufließenden → Einzahlungen gegen das Versprechen späterer Rückzahlung bestimmten → Geldnehmern zur Verfügung. Versicherungsvertrag 1.1.2.1/2.3.3.3 Vertrag zwischen einem → Versicherungsunternehmen und einem Versicherungsnehmer, durch den das Versicherungsunternehmen sich gegen die Zahlung von Versicherungsprämien verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungs-

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falles (z.B. Feuer, Invalidität, Tod) vertraglich festgelegte Zahlungen an den Versicherungsnehmer oder einen anderen Bezugsberechtigten zu leisten.

Verwässerungseffekt 3.2.4.3 Wertminderung von Wertpapieren als Folge weiterer Emissionen des Emittenten.

Versicherungsvertreter 1.1.2.3 Vermittler von Versicherungen im Auftrag eines → Versicherungsunternehmens, dessen Aufgabe es ist, Kunden für das jeweilige Unternehmen zu werben, über den notwendigen Versicherungsschutz zu informieren und persönlich zu betreuen. Im Gegensatz zum → Versicherungsmakler ist der Versicherungsvertreter bei seiner Tätigkeit an das Versicherungsunternehmen und dessen Vorgaben gebunden.

Verwässerungsschutzklauseln 3.3.2.4 Vertragliche oder gesetzliche Regelungen zur Kompensation von → Verwässerungseffekten.

Versicherungswert 6.3.1 In der Sachversicherung festgelegter Wert, der für die Versicherung von Sachen in Frage kommt (gemeiner Wert, Zeitwert).

Volatilität 5.2.4 Schwankungsbereich der Kurse eines Wertes. Mathematisch betrachtet als annualisierte Standardabweichung der logarithmisierten Preisschwankungen.

Vertical Spread 5.1.2.3/5.2.3 → Spread aus Optionen gleichen Typs mit unterschiedlichen Basispreisen und mit gleicher Laufzeit.

Volksbanken 1.2.4 Gewerbliche Kreditgenossenschaften, deren Gründungen als Selbsthilfeeinrichtungen kleiner Handwerksbetriebe auf SCHULZE-DELITZSCH zurückgehen.

Vertriebsleasing 2.4.4 Form des → institutionellen Leasing, bei der das Leasingunternehmen mit mehreren Herstellern oder Händlern in der Weise zusammenarbeitet, dass letztere weitgehend die Kundenkontakte übernehmen und ihren Kunden als Instrument der eigenen Absatzförderung die Vermittlung von Leasingverträgen mit dem kooperierenden Leasingunternehmen anbieten. Verwaltungskredit 2.3.2.4 → Treuhandkredit bei einem öffentlichen Kreditprogramm (→ Kreditprogramme, öffentliche), welchen die abwickelnde Bank im Namen des ursprünglichen Kreditgebers gewährt.

Verwertungsrisiko 2.4.3.4 Gefahr für den Eigentümer eines Wirtschaftsgutes, dass er wegen mangelnder Kenntnisse und Erfahrungen über den entsprechenden Markt für Gebrauchsgüter niedrigere Verwertungserlöse erzielt als möglich gewesen wären.

Vollamortisationsvertrag 2.4.1/2.4.2 Bezeichnung für einen Leasingvertrag, bei dem die gesamten Leasingzahlungen, die der Leasingnehmer während der unkündbaren → Grundmietzeit zu leisten hat, mindestens die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Leasinggebers für den Leasinggegenstand sowie alle sonstigen Nebenkosten decken. Damit bei diesem Vertragstyp die steuerrechtliche Zurechnung zum Leasinggeber erfolgen kann, müssen nach Auffassung der Finanzverwaltung folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die → Grundmietzeit muss zwischen 40% und 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes betragen und bei einem eventuell vereinbarten Optionsrecht des Leasingnehmers (→ Kaufoption

Glossar

oder → Mietverlängerungsoption) muss der Optionspreis angemessen sein. Vollwertversicherung 6.3.1 Versicherungsvertrag, wonach sich der Entschädigungsprozentsatz im Schadensfall nach dem Quotienten aus Versicherungssumme und Versicherungswert bemisst, maximal jedoch 100% beträgt. Vorauszahlungsdarlehen 2.3.3.3 → Darlehen, welches ein → Versicherungsunternehmen einem eigenen Kunden im Rahmen einer bestehenden → Lebensversicherung in Höhe der vollen Versicherungssumme gewährt. Vorfinanzierung 2.3.2.2 Finanzierung im Zusammenhang mit einem → Bausparvertrag, bei dem die vertraglich vereinbarte Mindestsparleistung von dem Bausparer noch nicht erbracht ist. Vorzugsaktie 3.3.2.4 Sie weicht z.B. beim Dividendenanspruch (in der Regel positiv) von den im Aktiengesetz vorgesehenen Mitgliedschaftsrechten (Stimm- und Dividendenrechten) einer → Aktie ab. Vorzugsaktien, kumulative 3.3.2.4 Vorzugsaktie, der meist das Stimmrecht fehlt und deren kompensatorischer Vorzug das Recht auf Nachzahlung der Dividende ist. Vorzugsdividende 3.3.2.4 Bevorrechtigte Gewinnausschüttung vor allem in Form einer Vorweg- oder garantierten Mindestzahlung. Wagnisfinanzierungsgesellschaft 1.1.2.1/2.5.3 Neuere Entwicklung im Bereich der → Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die auch als Venture-Fonds oder Venture Capital-Gesellschaften bezeichnet werden und die zum Teil von der Kredit- und Versicherungswirtschaft, zum Teil von öffentlichen Stellen oder auch von der Industrie gegründet und getragen werden.

549 Sie dienen speziell zur Finanzierung riskanter, aber zugleich auch recht chancenreicher Projekte in entwicklungsträchtigen Bereichen (wie z.B. der Mikroelektronik oder der Gentechnologie). Die Finanzierung durch Wagnisfinanzierungsgesellschaften soll besonders bei jungen Unternehmen erfolgen, deren Produkte sich noch am Ende der Entwicklungs- oder am Beginn der Markteinführungsphase befinden. Währungsanleihen 3.3.2.1 An deutschen Börsen in Euro gehandelte Anleihen ausländischer Emittenten, bei denen Verzinsung und Tilgung einheitlich in einer fremden Währung erfolgen. Währungsoptionsscheine 3.5.1.2 → Optionsscheine, die entweder das Recht gewähren, von dem Emittenten einen bestimmten Währungsbetrag zu einem zuvor fixierten Kurs gegen Euro zu kaufen (→ Call-Option), oder, einen bestimmten Währungsbetrag zu einem zuvor fixierten Kurs gegen Euro zu verkaufen (→ Put-Option). Wandelanleihen 3.3.2.4/3.3.3 Festverzinsliche Anleihen, die nach Entscheidung ihres Inhabers (i.d.R. bei Zuzahlung eines bestimmten Betrages) in einem vorgegebenen Verhältnis in neu zu emittierende Aktien des Emittenten umgetauscht werden können. Wandelschuldverschreibung 2.6.1/3.2.2.1/3.3.2.4 Oberbegriff für → Wandel- und → Optionsanleihen. Gelegentlich wird die Bezeichnung „Wandelschuldverschreibung“ auch synonym zu „Wandelanleihe“ verwendet. Wandlungsverhältnis 3.3.2.4 Verhältnis des Nominalbetrages einer → Wandelanleihe zum Nominalbetrag oder der Anzahl der dafür eintauschbaren Aktien. Abhängig vom Kurs der Aktien,

550 Kapitalmarktlage und → Standing des Emittenten. Warrant 3.3.2.4 Teil des Anleihescheins einer Optionsanleihe. Kann auch unabhängig von einer Anleihe gehandelt werden. Besitzt keinerlei Vermögens- oder Mitgliedschaftsrechte. Abstand des Kurses des Warrant bewegt sich im Abstand der Kosten der Ausübung der Rechte aus dem Warrant, da sonst die Erzielung von Arbitragegewinnen möglich wäre. Wechsel 2.2.3.3 → Orderpapier mit einer abstrakten Zahlungsverpflichtung. Beim → „gezogenen“ Wechsel („Tratte“) weist der Aussteller den → Bezogenen an, die Wechselsumme zu einem bestimmten Termin an den Aussteller selbst oder einen anderen Begünstigten zu zahlen. Mit seiner Unterschrift quer auf der Vorderseite des Wechsels erkennt der Bezogene die Anweisung an (→ „Akzept“) und wird damit zum Zahlungsverpflichteten. Der Begünstigte sowie jeder weitere Besitzer können den Wechsel durch einen Übertragungsvermerk auf der Rückseite (→ Indossament) vor Fälligkeit weiterverkaufen (→ Diskontkredit). Zahlt der Bezogene bei Fälligkeit nicht, so bieten die formelle Wechselstrenge und die Gesamthaftung der aus dem Wechsel Verpflichteten eine größere Sicherheit für den Wechselbesitzer als bei nicht durch Wechsel unterlegten Forderungen. Wechsel, gezogener 2.2.3.3 (= Tratte); Anweisung des Ausstellers eines → Wechsels an den → Bezogenen, zum Fälligkeitstermin die Wechselsumme zu zahlen. Durch ein → „Akzept“ des Bezogenen wird die Zahlungsanweisung akzeptiert und der Bezogene übernimmt die wechselrechtliche Zahlungsverpflichtung.

Glossar Wert, innerer 5.1.1 Der „innere Wert“ einer → Option ist die positive Differenz zwischen dem aktuellen Tageskurs des → Basiswertes und dem tieferen → Basispreis bei → CallOptionen bzw. dem höheren Basispreis bei → Put-Optionen. Wertpapier 2.1.2/3.1.1 Urkunde, in der ein privates Recht verbrieft ist. Hinsichtlich der Übertragbarkeit ist zwischen → Inhaber-, → Order- und → Namenspapieren zu unterscheiden. Ferner wird zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Wertpapieren differenziert. Vertretbare (oder fungible) Wertpapiere sind solche, die jeweils identische Rechte verbriefen, z.B. → Aktien einer Aktiengattung. Nicht vertretbare Wertpapiere sind insbesondere → Wechsel und → Scheck. Nicht zu den Wertpapieren gehören die reinen Legitimationspapiere (z.B. Sparbuch) und die Urkunden, die lediglich zum Beweis eines privaten Rechts dienen (→ Schuldschein). Wertpapierbörse 1.1.2.3/2.6.1/3.1.2 Von ihren Mitgliedern, insbesondere → Kreditinstituten, organisierte Institution für den Handel in umlaufenden vertretbaren → Wertpapieren. Durch eine Konzentration von Angebot und Nachfrage und durch eine ausgefeilte Organisation des Handels verbessern die Wertpapierbörsen die Markttransparenz und erleichtern den Abschluss von Geschäften. Sie werden in Abgrenzung zu dem durch den Abschluss neuer Finanzierungsbeziehungen gekennzeichneten sog. Primärmarkt für → Emissionen auch als Sekundäroder Zirkulationsmarkt bezeichnet. Wertpapiermakler 1.1.2.3 Berufsmäßiger Wertpapierhändler und berater hauptsächlich in angelsächsischen Ländern, der für Rechnung seiner Kunden Käufe und Verkäufe an der Börse vornimmt.

Glossar Wertpapieroptionsgeschäft 1.1.2.2 Form des börsenmäßigen → Terminhandels in → Wertpapieren, bei dem zwischen Kaufoption und Verkaufsoption zu unterscheiden ist. Bei der Kaufoption kann der Käufer innerhalb einer bestimmten Frist (Optionsfrist) vom → Stillhalter jederzeit eine bestimmte Zahl von Wertpapieren zu einem bei Vertragsabschluss vereinbarten Kurs (Basispreis) beziehen. Bei der Verkaufsoption kann der Käufer innerhalb der Optionsfrist jederzeit eine bestimmte Zahl von Wertpapieren an den Stillhalter zum Basispreis liefern. Der Käufer zahlt bei Abschluss des Optionsgeschäfts einen bestimmten Betrag (Optionspreis) an den Stillhalter. Der Käufer kann sein Bezugs- bzw. Lieferungsrecht aus der Option ausüben oder einfach verfallen lassen oder auch verkaufen. Wertpapiersammelbank 1.2.5/3.1.3 → Spezialbank, die die Girosammelverwahrung und den → Effektengiroverkehr für ihre Kunden durchführt. Bei der Girosammelverwahrung sind die Kunden nach entsprechenden Bruchteilen Miteigentümer an einem Sammelbestand einer Wertpapiergattung. Beim Effektengiroverkehr erfolgt eine stückelose Wertpapierlieferung durch eine buchmäßige Übertragung der Miteigentumsanteile am Sammelbestand. Wertrecht 2.6.1 Im Gegensatz zu einem → Wertpapier werden die Ansprüche nicht durch eine Urkunde, sondern durch Eintragung in einem Schuldbuch, z.B. im → Bundesschuldbuch verbrieft. Die (Eigentums)Übertragung erfolgt durch Abtretung an den neuen → Gläubiger und Umschreibung im Schuldbuch. Die → Schuldverschreibungen des Bundes werden seit 1972 nur noch als Wertrechte ausgegeben.

551 Zahlungsfähigkeit 2.1.6.3 Fähigkeit einer Person oder eines Unternehmens, die fälligen → Auszahlungen betrags- und termingemäß leisten zu können. Zahlungsmittel(bestand) 2.2.3.1 Hierzu zählen der Bestand an Bargeld zuzüglich der Guthaben auf Girokonten. Zeichnung 2.6.1 Verbindliche Erklärung eines → Anlegers, eine bestimmte Anzahl der zur öffentlichen Zeichnung aufgelegten Finanztitel zu den entsprechenden Emissionsbedingungen zu übernehmen und dafür den vorgesehenen → Emissionskurs zu bezahlen. Zero-Bond 2.1.4 → Wertpapier, bei dem der → Schuldner während der vereinbarten Laufzeit keine Zinszahlungen leistet, das jedoch mit einem erheblichen → Disagio ausgestattet ist, da der vereinbarte → Rückzahlungsbetrag als Summe aus → Tilgung und Zinseszins kalkuliert wird. Zession 2.1.2 = Abtretung; vgl. §§ 398-413 BGB. Übertragung einer Forderung von einem Altgläubiger durch einen Abtretungsvertrag auf einen Neugläubiger. Zessionskredit 2.2.1/2.2.3.2 Meist kurzfristiger Bankkredit, zu dessen → Besicherung vor allem die Forderungen aus Waren- und Dienstleistungsgeschäften, aber auch Ansprüche z.B. aus Lebensversicherungs- oder Sparverträgen abgetreten werden (→ Sicherungsabtretung). Zins, Zinssatz, Zinszahlung 2.1.3 Entgelt für die Überlassung von → Zahlungsmitteln. Als Zinssatz wird er üblicherweise in Prozent des überlassenen Betrages angegeben. Zinsänderungsrisiko 1.1.2.2 Gefahr für einen → Finanzintermediär, dass z.B. auf Grund eines steigenden

552 Zinsniveaus der von ihm an seine → Geldgeber zu zahlende → Zinssatz schneller oder stärker ansteigt als der Zinssatz, den er auf Grund der bestehenden Verträge von seinen → Geldnehmern verlangen kann. Zinsbelastung 2.1.3 Zurechnung der Zinsbeträge zu der → Restschuld; festzulegen ist zum einen die Zurechnungsperiode und zum anderen der Zurechnungszeitpunkt. Zinsderivate 2.7 Oberbegriff für eine recht heterogene Gruppe von Finanzgeschäften, die Tauschcharakter haben können (wie → Swapgeschäfte) oder den Termingeschäften zuzuordnen sind (wie → Forward Rate Agreements) und deren Zahlungskonsequenzen in erster Linie von Zinsvereinbarungen oder -entwicklungen abhängen. Zinsgleitklausel 1.1.2.2 Vereinbarung, wonach die Höhe der Zinszahlungen vertraglich an die Wertentwicklung einzelner Güter bzw. Güterbündel gekoppelt ist. Zinskumulation 3.3.2.2 Gutschrift und Auszahlung zwischenzeitlicher Zinserträge erst am Ende der Laufzeit. Zinsoptionsscheine 3.3.2.4 → Optionsscheine, die das Recht zum Bezug bestimmter festverzinslicher Anleihen oder zur Auszahlung der Kursdifferenz zwischen dem Börsenkurs einer bestimmten Anleihe und einem zuvor fixierten → Basiskurs beinhalten. Zinsswap 2.7.1 Vereinbarung zwischen zwei Parteien über den „Tausch“ von (zu leistenden) Zinszahlungen. So kann beispielsweise die auf einer variablen Verzinsung beruhende Verpflichtung einer Partei A gegen die Festzinsverpflichtung einer Partei B getauscht werden. Ziel ist die Ausnutzung

Glossar

„komparativer Finanzierungsvorteile“, die im Kern auf dem unterschiedlichen Vermögen der beiden Parteien beruhen, „günstige“ Finanzierungskonditionen zu vereinbaren. Zulassungsantrag 3.1.2.2 Antrag auf Zulassung von Aktien zum Börsenhandel; hat von einer an der Börse vertretenen Bank bei der Zulassungsstelle schriftlich eingereicht zu werden. Angaben sind über die Art der eingeführten Papiere und den Betrag der Einführung zu machen. Der Antrag ist im Börsensaal, im Kursblatt, im Börsenpflichtblatt (z.B. Handelsblatt) und im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Zuteilung 2.3.2.2/2.6.1 a) Bei → Bausparverträgen: Das Recht auf Zahlung des angesparten → Bausparguthabens und eines → Bauspardarlehens (i.d.R. in Höhe der Differenz zwischen → Bausparsumme und Bausparguthaben); → Bewertungszahl. b) Bei der → Emission von → Wertpapieren: Im Falle einer → Überzeichnung werden die emittierten Wertpapiere an die einzelnen Zeichner nach einem bestimmten Schlüssel prozentual zugeteilt, eventuell werden Kleinzeichner bevorzugt. In Fällen extremer Überzeichnung können die Emissionsbedingungen vorsehen, die Wertpapiere an die Zeichner zu verlosen. Zwangsversteigerung 2.3.2.2 Das Ziel der Zwangsversteigerung (eines Grundstückes) besteht darin, das Grundstück zu veräußern und die → Gläubiger aus dem Erlös zu befriedigen. Zweckgesellschaft 2.2.3.5 Auch: „Special Purpose Vehicle”. Abnehmer der Forderungen eines Unternehmens und Emittent darauf bezogener Wertpapiere im Rahmen einer → ABS-

Glossar

Finanzierung. Im Allgemeinen eigens für den einmaligen Kauf von Forderungen gegründet. Zwischenfinanzierung 2.3.2.2 Finanzierung im Zusammenhang mit einem → Bausparvertrag, bei der im Gegensatz zur → Vorfinanzierung die vertraglich vorgesehene Mindestsparleistung zwar erbracht ist, die → Bewertungszahl aber noch nicht die notwendige Höhe erreicht hat, so dass die → Zuteilung noch aussteht.

553

Stichwortverzeichnis Ablauffonds 220 Abschreibung 104 ABS-Finanzierungen 70 Absonderungen 46 Absonderungsrecht 47 Abtretung von Forderungen 57 Abwicklungsphase 45 Abzahlungskauf 102 Abzugsfranchise 359 Additional Margin 338 Agio 39, 163 Aktien 145, 160 junge 183, 188 stimmrechtslose 169 Aktienanleihe 205, 216 Aktienfonds 219 Aktienindex 217, 375 Aktienkorb 259 Aktiensplitting 184 Akzeptkredit 76, 362 Akzeptprovision 76 Altersversorgung 282 Amortisation 97 Teilamortisation 98 Vollamortisation 98 Amtlicher Handel 151 Andienungsrecht 100 Ankündigungseffekt 190 Anlagebedarf 4 Anlageformen 93 Anlagegrundsätze 92 Anlageleistung 4, 19, 382 Anlagestock 291 Anlagevermögen 110, 116 Anlagezertifikate 253, 279, 392 Anlegerschutz 127 Anleihe 212 cum right 212 ewige 203 ex right 212 festverzinsliche 145, 217 Annuitätendarlehen 37, 77 Annuitätenrückzahlung 203 Annuitätentilgung 40 Anschaffungsdarlehen 31 Anschlusskunde 65

Anstalt des öffentlichen Rechts 24 Anzahlungsgarantie 362 Arbeitnehmersparzulage 278 Arbitragegeschäfte 329 Arbitragestrategien 313 At the money 302 Auftrag, limitierter 150 Auftragsspitzen 8, 151 Aufwandversicherung 351 Ausbildungsversicherung 281 Ausfallbürgschaften 364 Ausfallrisiko 9 Ausführungsklauseln 333 Ausgabepreis 176, 226 Auslandsanleihen 206, 217 Auslosung 202 Ausschüttung 115, 162 Ausschüttungspolitik 187, 224 Aussonderung 46 Aussonderungsrecht 46 Auszahlungsbetrag 33 Auszahlungskurs 34 Avalkredit 76, 361 Avalprovision 76 Bankakzept 76 Bankengruppen 18, 23 Bankgeschäfte 17 Basispreis 301 Basiswert 299 Basketzertifikat 256 Baukredit 31 Bauspardarlehen 82 Bausparguthaben 82 Bausparkasse 6, 82 Bausparrisikoversicherung 283 Bausparsofortfinanzierung 416, 418 Bausparsumme 82 Bauspartarif 82, 434 Bausparvertrag 82 Bearbeitungsgebühr 33 Bear-Tranche 204 Begebungskonsortium 129 Beleihungsgrenze 57 Beleihungswertermittlung 81 Bereitstellungsprovision 56 Berichtigungsaktie 184

556 Berufsunfähigkeitsversicherung 280 Besicherung 44 Besicherungsmodalitäten 44 Bestensorder 150 Beteiligungsquote 163, 189 Bewertungskennzahl 346 Bewertungszahl 82 Bezugsrecht 189, 212 Bezugsrechtsformel 194 Bezugsrechtshandel 190 Bezugsrechtspreis 196 Bezugsverhältnis 189, 212 Bietungsgarantie 362 Bilanzgewinn 170 Bilanzielles Eigenkapital 179 Bilanzkennzahlen 110, 456 Bilanzkurs 165 Bilanzrelation 203 Billigstorder 150 Blankoindossament 146 Bogen 161 Bonitätsprüfung 7 Bonussystem 289 Börsendienst 12, 428 Börsengesetz 127, 148 Börsenhändler 12, 146 Börsenkurs 146 Börsenordnung 127 Börsenorgane 147 Börsensitzung 151 Börsenzulassung 127 Briefhypothek 32 Buchforderung 31 Bundesanleihe 39, 216 Bundesobligation 217 Bundesschatzbrief 202, 207, 217 Bund-Future 300 Bürge 10, 53 Bürgschaft 20, 53 Bürgschaftsbanken s. Kreditgarantiegemeinschaften 361 Call Long Call 304 Short Call 304 Cap 141 Cash settlement 239 Cash-Flow-Relation 110 Certificate of Deposit 220, 276 Clearing 159, 335 Clearing-System 335 CMS-Spread-Ladder-Swap 397 Convertible bond s. Wandelanleihen 212 Cost Averaging 291 Coupon 162 Coupon-Titel 207

Stichwortverzeichnis Covered warrant s. gedeckte Optionsscheine 241 Creation/Redemption-Prozess 234 Credit Default Option 372 Credit Default Swap 372 Credit Linked Note 372 Dachfonds 220 Dachhedgefonds 230 Daily Settlement 338 Damnum 39 Darlehen 17, 30 Darlehensphase 83 DAX-Fonds 254 DAX-Future 300 DAX-Zertifikat 254 Debitoren 65 Debitorenbuchhaltung 58, 66 Deckungsbestand 241 Deckungsgeschäft 158, 326 Deckungsmasse 25, 217 Deckungsrückstellung 91 Deckungssumme 354 Delkrederefunktion 58, 67 Depot 17, 158 Depotbank 225 Depotgeschäft 17, 158 Depotprüfung 158 Designated Sponsors 234 Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank 26 Deutscher Aktienindex (DAX) 204, 234 Deutscher Rentenindex (REX) 201 Dienstleistungsfunktion 58 Direct-Clearing-Mitglieder (DCM) 336 direkt 128 Disagio 33, 39, 78 Disagiodarlehen 78 Discountzertifikat 259 Diskontkredit 63 Diskontkreditlinie 63 Diskontprovision 64 Diskontsatz 64 Dispositionskredit 57 Diversifikation 9, 92 Dividendenberechtigung von Aktien 162, 169 Dividendencoupon 166 Dividendensatz 170, 186 Dividendenschein 161 Dividendenvorzugsaktie 169 Dividendenzahlung 209, 224 Doppelwährungsanleihe 209, 217 Effekten 145 Effektengiroverkehr 167 Effektenkredit 31 Effektivzins 33

Stichwortverzeichnis Eigenbestand 158 Eigenfinanzierung 29, 115 Eigengeschäft 12, 147 Eigenhändler 158 Eigenkapital 177 Eigenkapitalausstattung 118 Eigenkapitalquote 94, 119 Eigentümerrisiko 111 Eigentumsvorbehalt 46 Einheitskurs 150 Einlagensicherungsfonds 23 Einlagenverpflichtung 115 Einlagenzertifikat 276 Einmalsparvertrag 278 Einzelzwangsvollstreckung 81 Emission 124 direkte 128 indirekte 128 preisflexible 258 Emissionsbedingungen 124 Emissionsfinanzierung 29, 124 Emissionsgeschäft 17 Emissionskonsortien 129 Emissionskurs 39, 124 Emissionsrendite 204 Emissionsrisiko 129 Emissionsvertrag 128 Emissionswerbung 128 Emittent 43, 125 Entnahmen 179 Erfüllungsregel 151 Erneuerungsschein 162 Erstrisikoversicherung 354 Erträge 92, 181 Ertragsversicherung 351 Ertragswert 81 Erwartungswert 340 ETFs 232, 235 EUREX 156, 330 Euribor 133 EURIBOR 33 Evidenz-Zentrale 12 Ewige Rente 203 ex right 212 Exchange Traded Funds 232 Factor 65 Factoring 65 Eigenservice- 68 Fälligkeits- 68 Maturity- 68 offenes 67 stilles 67 unechtes 68 Factoringunternehmen 6, 14 Fälligkeitstermin 63, 68 Fehlinvestitionsrisiko 111

557 Festgeld 275 Festpreisverfahren 129 Feuerversicherung 350 Finanzbedarf 3, 13 Finanzierungsfunktion 58, 66 Finanzierungsinstrumente 30, 58 Finanzierungsleasing 97 Finanzierungsleistung 19, 29, 406 Finanzierungsrisiko 45 Finanzierungsschätze 217 Finanzintermediäre 4 im engeren Sinne 4, 7 im weiteren Sinne 11 Finanzmakler 5, 11 Finanzmanagement 98 Finanzplanung 56 Finanztitel 124 Finanzwechsel 63 Fixed Funds 220 Fixgeschäft, s. Termingeschäft 299 Floating Rate Notes 217 Floating-Rate-Notes 208 Floors 133 Fonds 219 geschlossene 223, 232 offene 223 thesaurierende 224 Forderungsabtretung 57, 58 Forward Rate Agreement (FRA) 134 Forwards 300 Franchise 358 Freiverkehr 127, 149 Fremdemission 128 Fremdfinanzierung 29, 30 Fremdkapital 116 Fristentransformation 8, 11 Fusion 231 Future 300 Garant 10, 54 Garantie 20, 54 Garantiefonds 24 Garantiezertifikat 257 Gedeckte Optionsscheine 241 Gegengeschäfte 299, 313 Geldanschlussrisiko 8 Geldgeber 1 Geldleihe 31, 76 Geldmarkt 8, 128 Geldmarktfonds 220 Geldnehmer 1 General-Clearing-Mitglieder (GCM) 336 Genussschein 201, 209, 218 Geschäftsbank 17 Geschäftsbedingungen allgemeine 31, 52 Gesellschaft, stille 120

558 Gesellschafter 50, 90 Gesellschafterdarlehen 30, 49 Gewährleistungsgarantie 362 Gewährleistungsrisiko 111 Gewinnschuldverschreibungen 209, 218 Gewinnvortrag 180 Gezeichnetes Kapital 180 Girozentrale 23 Glattstellung 337 Gläubiger-Schuldner-Beziehung 44 Gläubigersubstitution 53 Gratisaktie 183 Grundbuch 47, 81 Grundkapital 162, 180 Grundmietzeit 97 Grundpfandrecht 47 Grundschuld 47, 81 Grundversicherung 289 Gültigkeitsklauseln 333 Güterversicherung 349 Haftpflichtversicherung 351 Haftung 9, 177 Haftungserweiterung 54 Haftungsfunktion des Eigenkapitals 177 Haftungsmasse 9, 53 Haftungsträger, externer 9 Haftungsüberschuss 117 Handel - zu fortlaufenden Kursen 154 - zum Einheitskurs 154 Handelsphasen 333 Handelswechsel 63 Händler 88, 146, 331 - an der EUREX 331 Hauptversammlung 161, 168 Hebelwirkung 221 Hebelwirkung, s. Leverage-Effekt 221 Hedgefonds 228, 389 Hedging 228, 236, 313, 325 Hinterbliebenenversorgung 280 Hypothek 47 Hypothekarkredit 77 Hypothekenbank 81 IKB Deutsche Industriebank AG 26 Illiquidität 117 Immobilienfonds 219, 225 Immobilienleasing 113 Importkredit 31 In the money 302, 337 Indexanleihe 204, 217 Indexierung 204 Indossament 32, 145, 167 Industrieanleihe 130, 210, 217 Industriekreditbank 26 Industrieobligationen 93, 202 Informationsleistung 12

Stichwortverzeichnis Informationsproblem 2 Informationsrisiko 45, 52 Inhaberaktie 167 Inhaberpapier 32, 145 Inhaberschuldverschreibung 32, 128 Inkassowesen 58 Insider 156 Insidergeschäfte 156 Insider-Regelungen 156 Insidertransaktionen 156 Insolvenz 45 Insolvenzgläubiger - nachrangiger 49 - unbesicherte 48 Insolvenzmasse 46 Insolvenzquote 49 Insolvenzregelungen 210 Insolvenzrisiko 45, 54 Insolvenzverfahren 45 Insolvenzverwalter 46 Institute of International Finance 15 Integralfranchise 360 Interessenversicherung, unbegrenzte 354 Intermediärhaftung 9 Investitionsfinanzierung 31 Investitionskredit 90 Investitionsrisiko 45 Investmentfonds 219 Investmentgesellschaft 26, 218 Investmentgesetz 228 Investmentzertifikat 15, 26 Jahresabschluss 103, 110 Jahresüberschuss/ - fehlbetrag 179, 181, 206 Kapitalbeteiligungsgesellschaft 6, 14, 119 Kapitaldienst 78, 83 Kapitalerhöhung 150, 183 gegen Einlagen 188 nominelle 184 ordentliche 188, 189 Kapitalgesellschaften 178 Kapitallebensversicherung 281, 282, 382, 413 Kapitalmarktausschuss, zentraler 128 Kapitalrücklage 174, 180, 186 Kapitalsammelstelle 119 Kapitalverwaltungsgesellschaft 6, 15, 26 Kassageschäfte 146, 307 Kaufoption 99, 302 Kommanditist 120, 232 Kommissionär mit Selbsteintritt 158 Kommunaldarlehen 25, 90 Kommunalkredit 90 Kommunalobligation 202, 208 Kompensationseffekt 195

Stichwortverzeichnis Konsortialbank 125 Konsortialvertrag 128 Konsortium Begebungs- 129 Garantie- 129 Übernahme- 129 Konsumentenkredit 55 Körperschaftsteuer 105 Korrelation 338 Kostenanteile 285 Krankenhaustagegeldversicherung 352 Krankenversicherung 352 Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 26 Kreditderivat 364 Kreditgarantiegemeinschaften 361, 363 Kreditgenossenschaften 24 Kreditinstitute 12 Kreditinstitute mit Sonderaufgaben 26, 90, 210 Kreditleihe 31, 76 Kreditsicherheit 77 Kreditvermittler 11 Kreditversicherer 13 Kreditwürdigkeitsanalyse 52, 110 Kreditwürdigkeitsprüfung 9, 56 Kündigungsgeld 275 Kündigungsrecht 33, 41 Kursermittlung 127, 148 Kursmakler 151 Kurszusätze 152 Landwirtschaftliche Rentenbank 26 Laufzeitfonds 220 Leasing 97 Operate- 97 Leasinggeschäft 87 Leasingunternehmen 7, 107 Leasingvertrag 101 mit Mietverlängerungsoption 99 ohne Kauf- oder Mietverlängerungsoption 455 Lebensversicherung dynamische 282 fondsgebundene 291 gemischte 282 Lebensversicherungsunternehmen 91, 145 Lebensversicherungsvertrag 95, 280 Leerverkauf 229 Leibrentenversicherung 283 Leverage-Effekt 220 Leverage-Funds 220, 225 LIBOR 208 Lieferantenkredit 31, 59 Lieferungs- und Leistungsgarantie 362 Limit 149 Liquidationserlös 115, 161, 203

559 Lombardkredit 57 Losgrößentransformation s. Betragstransformation 8, 10 Makler 11, 15 Maklercourtage 88, 89, 158 Managed Fund 220 Mantel 161 Marge 209 Margin 337 Market Maker 147, 332 Marktsegmente 127, 148 Maschinenversicherung 350 Masseverbindlichkeiten 46, 48 Matching 332, 333, 336 Mehrerlösbeteiligung 102 Meistausführungsprinzip 151, 333 Mischformen 5, 219 Mischkurs 192 Mitgliedschaftsrecht 161, 201 Mittelstandsanleihen 130 Moral Hazard 347 Nachrangklausel 211 Namensaktie vinkulierte 167 Namensaktien 166 Namenspapier 32 Negativerklärung 93 Negativklausel 53, 211 Nennbetrag 39 Nennwert 162 Nettoabrechnung 158 Nettoverzinsung 383, 436 Neuer Markt 534 Nominalzins 32 Non-Clearing-Mitglieder (NCM) 336 Nullkupon-Anleihe 204, 217 Objektversicherung 98 Optionsanleihe 212 Optionsanleihen 218 Optionsgeschäft 315 Optionsklasse 312 Optionspreis 302 Optionsschein 212 Orderpapier 32, 145 out of the money 302 Pass-Through-Typ 70 Patronatserklärung 54 Pay-Through-Typ 70 Performance 227, 391, 430 Personenversicherungen 352 Pfandbrief 210, 217 Physical settlement 238, 242, 299, 376 Platzierungsrisiko 129, 181 Policendarlehen 95 Post-Trading-Periode 333 Prämieneinnahme 143

560 Preisangabenverordnung 35 Premium Margin 337 Pre-Trading-Phase 333 Primärmarkt 126 Privatdarlehen 86 Private Equity 119, 271 Prolongation 8 Prospekt 148 Prospekthaftung 148 Prospektpflicht 128 Provision 89 Publikumsfonds 224 Publizitätsvorschriften 8 Put Long Put 305 Short Put 305 Quotes 154 Rangklassen 46 Ratenkredit 86 Ratenrückzahlung 203 Ratentilgung 40 Rating-Agentur 12 Rationierung 124, 128, 151 Realkredit 77 Realkreditinstitut 6, 14, 18, 23 Realsicherheit 47, 53 regulierter Markt 149 Reinvermögen 117, 162 Rektapapier 32 Rembourskredit 363 Rentenfonds 219, 385 Rentenmarkt 93, 201 Rentenversicherung 281, 289 Reservierung 53, 210 Restschuldbefreiung 50 Restschuldversicherung 83, 87, 283 Revolving-Geschäft 94 Risikoanteile 285 Risikoausgleich im Kollektiv 339 Risikodiversifikation 9, 366 Risikofunktion 58, 66 Risikokapital 122 Risikolebensversicherung 280, 384 Risikoproblem 3 Risikoscheu 341 Risikoselektion 9 Risikotransformation 9, 14 Risikoübernahme 11, 12, 19, 20 - als Finanzdienstleistung 339 - durch Kreditgarantiegemeinschaften 363 - durch Kreditinstitute 361 - durch Versicherungen 348 Risk-Based-Margining-Systems 338 Rückgriffsrecht 65 Rückkaufwert 95

Stichwortverzeichnis Rückzahlung, gesamtfällige 203 Rückzahlungsregelung (bei Anleihen) 201 Sachversicherung 350 Sachwert 81 Sale-and-Lease-Back 101 Schadensversicherung 353 Scheck 17, 21, 32 Schufa 12, 15, 431 Schuldscheindarlehen 31, 93 Schuldverschreibung 25, 124 Sekundärhaftung 210 Sekundärmarkt 126, 183, 259 Selbstbehalt s. Selbstbeteiligung 358 Selbstbeteiligung 66, 358 Selbsteintritt 157 Selbstemission 128 Servicefunktion 58, 66 Sicherungsgläubiger 49, 53 Sicherungsübereignung 46 Sicherungsvermögen 91 Sichteinlagen 20, 88, 274 Signalwirkung 191 Sofortfinanzierung 416 Sondervermögen 201, 211 Sparanteil 285 Sparbrief 276, 278 Sparbuch 277, 383 Spareinlagen 25, 274, 276 Sparkasse 18, 23 Sparplan 278, 283, 384, 388 Sparvertrag 83, 278 Spezialbanken 15, 18 Spezialfonds 224, 291 Spitzenrefinanzierungsfazilität 57 Spread 209, 312 Horizontal Spread, s. Time Spread 312 Vertical Spread, s. Price Spread 312 Staffelanleihe 208 Stammaktie 32, 169 Standardabweichung 340, 343 Steuereffekt 106 Stillhalter 10, 238, 301 Stimmberechtigung von Aktien 172 Stimmrecht 19, 115 Straddle 248 Long Straddle 311 Short Straddle 311 Strangle 312, 543 Stücknotierung 163 Summenversicherung 349 Swapbasierung 236 Swapgebühr 236 Teilhaberrecht 29, 115 Teilhaberversicherung 281

Stichwortverzeichnis Teilschuldverschreibung 124 Teilungsmasse 46 Teilzahlungsbank 6, 14 Termfixversicherung 281 Termineinlage 19, 22, 274 Terminfixversicherung 284 Termingeld 275 Termingeschäft 132, 136, 297 Thesaurierte Gewinne 180 Tilgung 30, 33 Tilgungsaussetzung 411 Tilgungsmodalitäten 444 Tilgungsplan 71, 202 Tilgungsstreckungsdarlehen 78 Time Spread 312 Total Return Swap 372, 374 Trading-Phase 333 Transaktionskosten 3, 72 Transformationsfunktion 7, 11 Transportversicherung 350 Tratte 63 Treuhänder 50, 71 Treuhandkredit 91 Treuhandvermögen 92 Überbrückungskredit 31 Überschussbeteiligung 96, 280, 285, 287 Übertragbarkeit von Aktien 166 Überzeichnung 124, 129, 391 Umlaufvermögen 116 Umschuldungsmaßnahmen 89, 253 Unfallversicherung 352 Unternehmensfinanzierung 26, 63, 220, 258 variable Notiz 154 Varianz 340 Venture Capital-Gesellschaften 123 Venture-Fonds 6 Verfallstag 334 Verkaufsoption 422 Verkehrswert 25, 81, 219, 226 Verlustrisiko 45 Verlustübernahmevertrag 54 Verlustvortrag 179, 180, 186 Vermittlungsleistung 4, 6, 11 Vermögen fondsfreies 91 gebundenes 91 Vermögensanlage 19, 92, 145 - in Aktien 160 - in Anleihen 201 - in Investmentzertifikaten 218 - in Wertpapieren 145 Vermögensbildungsgesetz 277, 278 Versicherung - von Aktiven 349 - von Passiven 349, 351

561 Versicherungsaufsichtsgesetz 92, 93 Versicherungsleistung 7, 91, 280 Versicherungsmakler 11, 15 Versicherungsschutz 283, 284, 344 Versicherungsunternehmen 6, 10, 18 Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 344 Versicherungsvertreter 11, 13, 15 Versicherungswert 356 Verwahrer 26, 145 Verwässerungseffekt 191, 192 Verwässerungsschutzklauseln 212, 213 Volatilität 302, 313, 338 Vollamortisationsvertrag 100 Vorauszahlungsdarlehen 95 Vorfinanzierung 416 Vorzugsaktie 162, 169 - Dividendenvorzugsaktie 169 - kumulative Vorzugsaktie 171 Vorzugsdividende 170 Wachstumsfinanzierung 122 Wagnisfinanzierung 119 Wagnisfinanzierungsgesellschaft 6, 14, 119 Währungsanleihe 206, 217 Währungsoptionsschein 242 Wandelanleihen 212, 213, 218 Wandelgenussschein 212 Wandelschuldverschreibungen 124, 161, 183 Wartezeit 408 Wechsel 17, 20, 31, 63 Wechselprozess 52 Wechselurkunde 63 Wertpapierbörse 12 Wertpapiere, festverzinsliche Wertpapiere 70, 93 Wertpapierfonds 225 Wertpapierhandel 155 Wertpapiermakler 12 Wertpapieroptionsgeschäft 10 Wertpapiersammelbank 18, 26, 158 Wertpapiertermingeschäft s. Termingeschäft 132, 136, 297 Wohlverhaltensklausel 203 Wohlverhaltensperiode 50 Wohnungsbauprämiengesetz 278 XETRA 26, 154, 156 Zahlungsfähigkeit 54, 92 Zahlungsströme 70, 74, 98 Zahlungsverkehr 20 Zahlungsverpflichtung 5 bedingte 136 unbedingte 348 Zentralbank, genossenschafliche 24 Zero-Bond 40, 124, 217

562 Zession 32 Zessionskredit 62 Zinsänderungsrisiko 441 Zinsbindungsfrist 33, 41 Zinsderivat 132, 397 Zinsgleitklausel 11, 33 Zinskumulation 40, 207 Zinsoptionsscheine 242

Stichwortverzeichnis Zinsregelungen (bei Anleihen) 201, 206 Zirkulationsmarkt 126 Zulassungsantrag 148 Zulassungsvoraussetzungen 127, 148 Zwangsversteigerung 84 Zweckgesellschaft 70, 448 Zwischenfinanzierung 79, 85, 416