Führen von Sozialleistungsunternehmen: Konfessionelle Sozialarbeit und unternehmerisches Handeln im Einklang. Mit einem Geleitwort von Karl Albrecht Schachtschneider [1 ed.] 9783428527120, 9783428127122

Unsere Gesellschaft ist einem tiefgreifenden Wandlungsprozeß unterworfen, der alle Lebensbereiche betrifft und unmittelb

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Führen von Sozialleistungsunternehmen: Konfessionelle Sozialarbeit und unternehmerisches Handeln im Einklang. Mit einem Geleitwort von Karl Albrecht Schachtschneider [1 ed.]
 9783428527120, 9783428127122

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Fu¨hren von Sozialleistungsunternehmen

Konfessionelle Sozialarbeit und unternehmerisches Handeln im Einklang

Von Rolf-Jürgen Korte Hartwig Drude

asdfghjk Duncker & Humblot

ROLF-JÜRGEN KORTE / HARTWIG DRUDE

Führen von Sozialleistungsunternehmen

Führen von Sozialleistungsunternehmen Konfessionelle Sozialarbeit und unternehmerisches Handeln im Einklang

Von Rolf-Jürgen Korte Hartwig Drude Mit einem Geleitwort von Karl Albrecht Schachtschneider

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-12712-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Geleitwort Die Sozialleistungsunternehmen sind ein notwendiger Teil der Daseinsvorsorge des Gemeinwesens. Sie sorgen vor allem für die Menschen, die sie betreuen. Das sind die Mühseligen und Beladenen. Die Sozialleistungsunternehmen geben diesen Menschen in einer Gesellschaft, die auf Arbeit und Verbrauch, auf Produktion und Konsum, fokussiert ist, in der die Menschen vereinzelt, die Dörfer verstädtert, die Familien aufgelöst, die Wohnstätten keine Höfe, allenfalls kleine Häuser, meist nur beengte Wohnungen sind, die Möglichkeit, in Würde zu leben. Vor allem müssen die Sozialleistungsunternehmen die Familien ersetzen, die zu klein geworden sind, um Menschen zu tragen, die der Hilfe bedürfen. Selbst die Kinder werden mehr und mehr den Eltern entzogen. Grund ist, daß die Mütter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen sollen, ideologisiert als Gleichberechtigung. Die Familien, die Häuser, in alter Zeit die sozialen Einheiten, in denen die Menschen das Leben gemeinsam bewältigt haben, in guten wie in schlechten Tagen, in Wohlstand und Armut, mit starken und schwachen Mitgliedern, in einer Ordnung, die den Aufgaben gerecht wurde, in der jeder Angehörige seinen Platz hatte, mit eigner familiärer Gewalt, wirtschaftlich und weitgehend auch rechtlich unabhängig vom Staat, mußten alle Lebenslagen bewältigen, Kindheit, Krankheit, Alter, Behinderung u. a., vor allem die Ausstattung zum Leben: Wohnstatt, Kleidung und Lebensmittel. Die immer weiter fortschreitende Arbeitsteilung, heute global, hat wegen der Leistungsstärke vor allem industrieller Produktion den Familien, den Häusern, die Aufgaben genommen, den Alltag entlastet, aber die Menschen vereinzelt und den Familien entfremdet. Wer kann noch zu Hause langfristig, dauerhaft, wegen Krankheit oder wegen Gebrechlichkeit, wegen Alters oder wegen Behinderung gepflegt werden? Wer kann noch zu Hause sterben? Immer weniger können Kinder zu Hause aufwachsen. Die Aufgaben haben seit eineinhalb Jahrhunderten Diakonie und Caritas, aber auch andere Einrichtungen übernommen. Das sind die Sozialleistungsunternehmen. Sie sind einem besonderen Ethos verpflichtet. Die Unternehmen der Diakonie und der Caritas sind christliche Einrichtungen. Ihre Verfassungsgrundlage ist die Religionsfreiheit des Art. 4 des Grundgesetzes, nicht eigentlich die Wirtschaftsgrundrechte der gewinnorientierten Unternehmen. Diakonie und Caritas sind Religionsausübung, Dienst am Menschen im Namen Christi, christlicher

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Geleitwort

Dienst und damit dem Leitprinzip des Christentums verpflichtet: dem der Nächstenliebe. So formuliert die Präambel der Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland: „Die Kirche hat den Auftrag, Gottes Liebe zur Welt in Jesus Christus allen Menschen zu bezeugen. Diakonie ist eine Gestalt dieses Zeugnisses und nimmt sich besonders der Menschen in leiblicher Not, in seelischer Bedrängnis und in sozial ungerechten Verhältnissen an. Sie sucht auch die Ursachen dieser Nöte zu beheben. Sie richtet sich in ökumenischer Weite an Einzelne und Gruppen, an Nahe und Ferne, an Christen und Nichtchristen.“

Dennoch müssen die konfessionellen Sozialleistungsunternehmen den Notwendigkeiten jedes Unternehmens genügen und können den betriebswirtschaftlichen Zwängen nicht entrinnen, insbesondere nicht dem Gesetz des Ausgleichs von Einnahmen und Ausgaben, weil sie sonst insolvent werden. Die Einnahmen der Sozialleistungsunternehmen sind aus der Natur der Sache prekär; denn sie dienen den Kranken, Alten und Schwachen, die alle wenig beitragen können. Die konfessionelle Sozialarbeit ist auf die Zahlungen Dritter angewiesen, seien es die unterhaltspflichtiger Angehöriger, seien es, wie meist, die Sozialleistungen der Allgemeinheit nach den Sozialgesetzen oder seien es Spenden, auch solche der Kirchen. Aber die Sozialleistungsunternehmen erwirtschaften auch durch ihre Produktion Einnahmen. Die Kosten können die Sozialleistungsunternehmen nur sehr begrenzt senken. Sie können grundsätzlich nicht wie kommerzielle Unternehmen ihre Produktion eingrenzen, nicht ihren Standort wechseln, nicht ihre Arbeitnehmer entlassen. Sie können auch nicht an den Kapitalmarkt gehen; denn Rendite, gar steigende Rendite, können sie nicht versprechen. Sie können nicht ausbeuten, weder ihre Kunden noch ihre Mitarbeiter. Das wollen sie auch nicht, jedenfalls nicht die kirchlichen Sozialleistungsunternehmen, weil ihnen das ihr Ethos verbietet. Die Qualität ihrer Leistungen hängt zum einen von den Drittleistungen ab, welche eher knapper werden, zum anderen von dem Einsatz ihrer Mitarbeiter, von deren Leistungsfähigkeit und vor allem deren Leistungsethos. Darum sind die Gestaltung der Sozialleistungsunternehmen und deren Führung, insbesondere deren Mitarbeiterführung, von entscheidender Bedeutung für das Gelingen ihres Dienstes an ihren „Kunden“ und damit ihres Dienstes für das gemeine Wohl. Sozialleistungsunternehmen sind ebenso wichtige wie schwierige Unternehmen. Sie verlangen den ganzen Einsatz der Menschen, die in ihnen tätig sind, deren ganze Liebe. Es ist ohnehin eine aufopferungsvolle und schwere Arbeit, die Kranken, die Behinderten, die Alten, die Sterbenden zu betreuen und zu pflegen. Die Bereitschaft, diesen Dienst zu tun, nimmt ab, zumal in Deutschland, einem Land in allgemeiner Dekadenz, das sich zum Tanz um das goldene Kalb hat verführen lassen. So gibt es keinen Nachwuchs der Diakonissen mehr, die so lange Zeit segensreich gewirkt haben. Der diakonische und karitative Dienst ist Nächstenliebe, die dem Zeitgeist gar nicht entspricht. Die Stätten, in

Geleitwort

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denen Nächstenliebe gelehrt wird, die Kirchen, werden kaum noch aufgesucht. Wenn die Nächstenliebe fehlt, muß sie durch exzellente Professionalität ersetzt werden. Rolf-Jürgen Korte und Hartwig Drude tragen in diesem Buch eine Lehre der konfessionellen Sozialarbeit als unternehmerischen Handelns vor. Es ist das erste umfassende Werk zur Führung von Sozialleistungsunternehmen. Dr. Hartwig Drude ist Theologe und Pfarrer. Dr. Rolf-Jürgen Korte ist Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensleiter. Beide haben über lange Jahre mit außerordentlichem Erfolg die Diakonischen Heime Kästorf, ein führendes Unternehmen in Niedersachsen, geleitet. Ihre Führung dieser Diakonie war außerordentlich innovativ und kreativ, aufregend und wegweisend. An zwei ihrer vielbeachteten interdisziplinären Symposien zur Arbeit der Sozialleistungsunternehmen durfte ich mitwirken. Die Entwicklung der allgemeinen Unternehmensethik haben die Autoren nicht nur beobachtet und gefördert, sondern deren Erkenntnisse in ihren tagtäglichen Dienst einbezogen. Im Teil I ihres Werkes entwickeln Hartwig Drude und Rolf-Jürgen Korte die theologisch-ethischen Grundlagen der konfessionellen Sozialarbeit und damit der Diakonie und Caritas. Sie entfalten eine in der Heiligen Schrift gegründete Lehre des Helfens, der Helfer und der Hilfsbefohlenen. Ihr Leitgedanke ist die Nächstenliebe, das Ethos des gemeinsamen Lebens von Christen und nicht nur von Christen, von Menschen, die in Würde miteinander leben und arbeiten wollen. Ein anderes Leitprinzip kann ein gemeinsames Leben nicht haben, wenn es von dem einzig menschheitlichen Ethos der Achtung des anderen Menschen als Mitmenschen, der mit ununterscheidbarer Menschlichkeit begabt ist, bestimmt ist. Dieses Ethos, das christliche Liebesprinzip, das die Autoren auf keiner Seite, in keinem Satz ihres betriebswirtschaftlichen Lehrbuchs aus dem Auge verlieren, ist die Logik der Gleichheit der Menschen in der Freiheit, die als transzendentale Idee die praktische Vernunft ist. Deren Gesetz ist das Sittengesetz oder der kategorische Imperativ, also das Liebesprinzip. Es gibt keine andere Ethik, die sich unter Menschen behaupten kann, jedenfalls behaupten sollte. Die Aufklärung ist ethisch dem Liebesprinzip, welches nicht nur die christliche Religion bestimmt, gefolgt und mußte das als Wissenschaft von der Vernunft, als politische Wissenschaft der Republik, in der Bürger in Freiheit und Gleichheit leben, ohne Herren, ohne Herrschaft, ohne Obrigkeit und ohne Untertanen; denn es gibt für Christen nur einen Herren, Gott. Demgemäß formuliert Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Weltrechtsprinzip: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren, sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

Aber auch das Grundgesetz Deutschlands definiert die Freiheit der Würde des Menschen gemäß Artikel 2 Absatz 1 durch das Sittengesetz, nämlich:

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Geleitwort „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Es gibt keine Freiheit entgegen der Sittlichkeit, die durch Moralität Wirklichkeit findet, und darum auch keine Unternehmensfreiheit gegen den kategorischen Imperativ oder eben das Liebesprinzip. Das Werk von Hartwig Drude und Rolf-Jürgen Korte ist die erste Betriebswirtschaftslehre, die dieses Grundprinzip des freiheitlichen gemeinsamen Lebens ohne Wenn und Aber entfaltet. Dadurch unterbreitet das Werk eine Unternehmenslehre für alle Unternehmen, die ihre Unternehmen im Einklang mit dem Rechtsprinzip führen wollen. Dieses Rechtsprinzip ist das Lebensprinzip freier Menschen, nicht nur im Staat, sondern auch und insbesondere in den Unternehmen und unter den Unternehmen. Die Staatspraxis ist freilich weit davon entfernt, die Unternehmenspraxis meist auch, trotz mancher unernehmensethischer Bekenntnisse in Leitlinien für das unternehmerische Handeln. Die Diakonie ist Vorbild, jedenfalls eine Diakonie, wie sie Rolf-Jürgen Korte und Hartwig Drude vorstellen und wie beide Autoren sie, soweit es möglich war, verwirklicht haben. Dabei hat ihnen sicherlich geholfen, daß sie keine Renditeinteressen von Anteilseignern befriedigen mußten, aber ein solcher shareholder value ist auch ohne Legitimation. Das Kapital hat in einem freiheitlichen Gemeinwesen nur eine dienende Funktion. „Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Entfaltung der Volkswirtschaft“ sagt, unmittelbar nach dem ebenso verheerenden, wie aufrüttelnden Zweiten Weltkrieg, Art. 157 der Bayerischen Verfassung von 1946, ganz der katholischen Soziallehre verpflichtet. Die gegenwärtige globale Unternehmensentwicklung ist mit Rechtsprinzipien unvereinbar. Art. 151 der Bayerischen Verfassung lehrt: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten. Die wirtschaftliche Freiheit der Einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten und auf die sittlichen Forderungen des Gemeinwohls“.

Das Wort „alle“ nehmen die Autoren ernst. Sie schließen ihre „Kunden“, die Menschen in schwierigen und schwierigsten Lebenslagen, nicht aus dem gemeinsamen Leben aus, sondern begegnen diesen als Partnern, wie es das christliche Ethos gebietet, nämlich mit Achtung. Dieses Ethos gerät in keinen Widerspruch zu einer Unternehmenslehre, die dem Unternehmen Bestand und Erfolg gestattet, Bestand und Erfolg in den konfessionellen Unternehmenszielen, den Menschen zu helfen, ein Leben in Würde zu führen. Zumal die Lehre Drudes und Kortes von der Hilfe, von den Helfern und den Hilfsbefohlenen ist konsequente Umsetzung des kategorischen Imperativs, des Gebots der Nächstenliebe. Der Helfer ist nicht Herr derer, denen geholfen wird. Die Hilfsbedürftigen müssen darum die Hilfe wollen. Hilfe darf

Geleitwort

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ihnen nicht aufgedrängt werden. Darum nennen die Autoren die Hilfeempfänger ihre Kunden, die nicht Objekt der Hilfe sind. Die Helfer dürfen ihre Überlegenheit nicht ausspielen. Dem Kunden muß gleiche Augenhöhe gegeben werden. Die Lehre von der Hilfe Hartwig Drudes und Rolf-Jürgen Kortes ist feinste Umsetzung der Objektformel Kants vom kategorischen Imperativ, die bekanntlich lautet: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“.

Rolf-Jürgen Korte und Hartwig Drude folgern ihre Unternehmenslehre theologisch, also diakonisch, aus der Bibel, textlich und systematisch. Kants Ethik ergibt nichts anderes. Im Teil II entwickeln die Autoren ihre Betriebswirtschaftslehre der Sozialleistungsunternehmen. Durch das Ethos der Nächstenliebe bestimmt ist insbesondere ihre Führungslehre. Dadurch unterscheidet sich diese wesentlich von der allgemeinen Praxis, welche vornehmlich quantitative Leistungsmaßstäbe einsetzt und diese mittels existentieller Kündigungsdrohung durchzusetzen pflegt. Den Dritten Weg des kirchlichen Arbeitsrechts entwickeln Hartwig Drude und RolfJürgen Korte im Sinne bestmöglichen Dialogs der Mitarbeiter untereinander und mit den Führungskräften fort, ohne dabei die jeweiligen besonderen Verantwortlichkeiten zu vernachlässigen. Sie plädieren für flache, dialogfähige Hierarchien. Auch Sozialleistungsunternehmen handeln am Markt und befinden sich im Wettbewerb. Das zwingt zu Marketing, insbesondere zu Dienstleistungsmarketing. Ohne Controlling können auch Sozialleistungsunternehmen nicht geführt werden. Dem Controlling widmen sich die Autoren ausführlich. Sie greifen die neuesten betriebswirtschaftlichen Ansätze operativen Controllings auf bis hin zu den jüngsten Entwicklungen der Rechnungslegung, der Anpassung des Handelsgesetzbuches an die International Accounting Standards (IAS) und die Internation Financial Reporting Standards (IFRS). Die Rechtsformenwahl führt zu Fragen, die schon lange ein Desiderat der Betriebswirtschaftslehre, nicht anders als der Rechtslehre, sind. Nicht Rechtsformen, die größtmögliche Kapitalrendite zu Lasten der Mitarbeiter, der Gläubiger und des Gemeinwesens versprechen, sind tragfähig, sondern nur solche, die der Verantwortung der Unternehmen und der Unternehmensführungen in den Gemeinwesen bestmöglich gerecht werden; denn Unternehmen sind eine res publica. Die christliche Unternehmenslehre von Hartwig Drude und Rolf-Jürgen Korte hat das wunderbar herausgearbeitet – bis hin zur Rechtsform. Sie präferieren neben der Aktiengesellschaft den eingetragenen Verein. Gegenwärtig konkurrieren in der Europäischen Union alle Rechtsformen der Mitgliedstaaten, so daß deren Gemeinwohlgerechtigkeit mehr und mehr verlorengeht.

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Mit ihrem Teil II legen Rolf-Jürgen Korte und Hartwig Drude eine moderne Betriebswirtschaftslehre vor, die nicht nur zeigt, daß Sozialleistungsunternehmen, zumal konfessionelle Sozialarbeit, auf die modernsten und effizientesten Ansätze der Unternehmensführung, des Unternehmensmarketings und des Unternehmenscontrollings, also der Betriebswirtschaftslehre im engsten und eigentlichen Sinne, angewiesen sind, sondern sie bieten auch ein Lehrbuch der Betriebswirtschaftslehre, das durch begriffliche Präzision und durch sprachliche Schlichtheit besticht. Ich habe durch das schöne Werk von Rolf-Jürgen Korte Hartwig Drude viel Nähe zur Unternehmenslehre gewonnen, gerade weil diese von einer Ethik getragen ist, der man als Christ und Kantianer uneingeschränkt zustimmen kann. Das Werk unterbreitet die Lehre von Unternehmen, die ihrer Aufgabe im freiheitlichen Gemeinwesen gerecht werden, in der Führung und Mitarbeiter von dem Prinzip bestimmt sind, in dem Menschen in Frieden zusammen leben können, der Nächstenliebe, von Diakonie und Caritas, vom kategorischen Imperativ. Dieses Liebesprinzip von Freiheit und Frieden muß das Prinzip der Wirtschaft sein und die Triebkräfte der Vorteilsnahme ersetzen, wenn die Menschheit ihre Zukunft meistern will. Die Zukunft der Sozialleistungsunternehmen ist für unsere Gesellschaft geradezu schicksalhaft. Wenn es gelingt, die Sozialarbeit nach den Maximen der Autoren dieses wegweisenden Werkes zu gestalten, ja diese Unternehmenskultur, die sie lehren und praktiziert haben, zu verallgemeinern, haben wir eine Chance, unsere wirtschaftliche Zukunft zu bewältigen. Der globale Kampf der Unternehmen um größtmögliche Kapitalrendite ist längst zur Ausbeutung der Arbeitnehmer und Verbraucher geworden. Frieden hat dieser Wirtschaftskrieg nicht geschaffen. Er bedroht jeden Staat und das weltweite Gemeinwesen mehr und mehr mit Unruhen und deren militärischer Unterdrückung, mit Krieg. In einer Welt des Friedens, die nur eine Welt der allseitigen Freiheit sein kann, gehört eine Unternehmenskultur der Nächstenliebe. Deren Theorie und Lehre unterbreiten Hartwig Drude und Rolf-Jürgen Korte. Ihr Werk ist ein Meilenstein ebenso christlicher wie aufklärerischer Unternehmenslehre, ein von Liebe getragenes Grundlagenwerk für ein Leben der Menschen in den Unternehmen und durch die Unternehmen in Liebe. Hartwig Drude und Rolf-Jürgen Korte schließen ihr Werk mit der Vision „einer bürgerrechtlich orientierten, für die Mündigkeit ihrer Glieder eintretenden, ethisch fundierten Gesellschaft“, „in welcher auch und gerade die Zukunft konfessioneller Sozialleistungsunternehmen überzeugend begründet und gesichert ist“. Ich darf ergänzen: Diese Vision ist das Rechtsprinzip, dessen Ethos die einzige Chance für die Zukunft der Menschheit ist. Nürnberg, Februar 2008

Karl Albrecht Schachtschneider

Vorwort der Verfasser Nach Fertigstellung unseres Manuskripts – Vorworte werden bekanntlich als letztes Kapitel geschrieben und dann an den Anfang gestellt – ist den Verfassern noch einmal deutlich geworden, eine wie lange Vorgeschichte dieses Buch hat: die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Berufswege, deren Anfänge aber jeweils in einer gleichermaßen prägenden christlichen Sozialisation in der Jugend lagen. Dies war Voraussetzung dafür, daß sich die Autoren Anfang 1989 erstmals überhaupt begegneten und in den folgenden Monaten die gemeinsame Wertegrundlage abklärten, gestützt von der sie verbindenden Überzeugung, daß beides – die gemeinsame Wertebasis wie die unterschiedliche berufliche Profession und Erfahrung – für eine künftige Zusammenarbeit an gleicher Aufgabe unerläßliche Voraussetzung sei. Dies bildete die Basis für die zehn Jahre gemeinsamer Vorstandstätigkeit in einem der großen konfessionellen Sozialeistungsunternehmen Niedersachsens. Auf dieser Basis vollzog sich alsbald ein spannender Prozeß, da der Theologe bereits fünfzehn Jahre mit einem anderen Kollegen im Unternehmen tätig gewesen war, der „Neue“ andererseits etwa fünfzehn Jahre Kenntnisse aus der Wissenschaft und Erwerbswirtschaft einbrachte. Plötzlich standen sich zwei durchaus unterschiedliche Vorerfahrungen gegenüber und mußten zum Wohle des Unternehmens, in erster Linie also zum Wohle von dessen Kunden, miteinander verbunden werden. Es wurden Fragen nach – Werte- und Zielsystemen, – Organisationsformen unter Berücksichtigung moderner Managementerkenntnisse, – Personalführungssystemen neu gestellt und teilweise erstmals beantwortet – ein Prozeß, welcher zu völlig neuen Denk- und Diskursrunden im Unternehmen führte. Beispielhaft seien genannt: – systematisch operative und strategische Projektarbeit, – Installation von „Research + Development (R+D)-Teams“, – Marketing auf der Grundlage einer glaubwürdigen Kundenorientierung, – interdisziplinärer Gedankenaustausch in mehreren Managementsymposien.

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Vorwort der Verfasser

Insbesondere die zuletzt genannten mit ihrer Vielzahl von Veröffentlichungen bilden für die Autoren heute eine wichtige Basis für dieses Buch. Eine Gesamtschau war einfach notwendig, um so auch den zahlreichen Weggefährten ein Echo zu geben, die uns in vielen Jahren geholfen haben. Danken möchten wir unseren jeweiligen akademischen Lehrern aus unseren Zeiten der Vorerfahrung: Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Lücke sowie Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ernst Wolf (). Danken möchten wir ferner allen Mitwirkenden an fünf Managementsymposien, die wir in unserer aktiven Zeit initiiert haben. Namentlich seien die erwähnt, die aus heutiger Sicht im Blick auf diese Veröffentlichung am stärksten nachgewirkt haben: Herr Prof. Dr. Egbert Kahle, verantwortlicher wissenschaftlicher Leiter der ersten drei Symposien, Herr Prof. Dr. Steffen Fleßa, verantwortlicher wissenschaftlicher Leiter der beiden weiteren Symposien, mit dem uns noch heute ein enger wissenschaftlicher Kontakt verbindet, Herr Dr. Konrad Deufel, Herr Prof. Dr. Hermann Reichold, Herr Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Herr Prof. Dr. Winfried Schreblowski, Herr Erhard C. Stadelhofer, Herr Prof. Dr. Horst Steinmann. Namentlich danken wir auch einigen Kollegen aus gemeinsamer Vorstandsund Verbandstätigkeit: Herrn Hans-Jürgen Arndt, Herrn Erich Hollerit, Herrn Heinrich Holtmannspötter, Herrn Dr. Gunther Karsten, Herrn Karl-Heinz Marciniak, Herrn Andreas Ruh, Herrn Andreas Seifert, Herrn Dr. Lothar Stempin, Herrn Werner Stock, Herrn Gerhard Szagun. Bedanken möchten wir uns auch bei Frau Janet Nisius, die uns mit ihrer unermüdlichen und geduldigen Art beim Schreiben und Korrigieren der Druckvorlagen unterstützt hat. Wir betrachten diese Veröffentlichung als eine zusammenfassende Darstellung unserer Gedanken und Handlungsansätze sowie als eine Anregung, den Diskurs mit oder ohne uns fortzusetzen. Die Managementlehre für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen als Abspaltung von der NPO-Diskussion steht ja noch immer am Anfang. Hartwig Drude gewidmet meiner Lebenspartnerin und meinen Kindern

Rolf-Jürgen Korte gewidmet meiner Ehefrau und unserer Tochter

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Begriffliche und ethische Grundlagen

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Abschnitt 1 Begriffliche Grundlagen

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Erkenntnisobjekt der Sozialleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Merkmale des Erkenntnisobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialleistungsunternehmen als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre – Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19

I.

25

Abschnitt 2 Theologisch-ethische Grundlagen

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Leitthese und Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die biblische Wurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Handeln Gottes an seinem Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auslegung durch Jesus von Nazareth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 37

III. Dienstleisten auf theologisch-ethischer Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Helfen und Helferstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praktische Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 51

IV. Führen auf theologisch-ethischer Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Begriff und zur Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die biblische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einrichtungsphilosophie – theologische Leitlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 61 66 70

I.

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Inhaltsverzeichnis Teil 2 Lösungsansätze der Praxis

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Abschnitt 3

I.

Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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Klassische Gliederung des Personalmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Streitpunkt Mitarbeiterführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Führungsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Komponente Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Organisation des Ethikdiskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Aspekte christlicher Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Ethik und Führungsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Kunde und Markt als Ziel ethischer Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 d) Aspekte des normativen Handlungsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. EFQM-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5. Personalbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 6. Personalcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Die Rolle der Sozialpartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Chancen und Risiken des „Dritten Weges“ im individuellen Arbeitsrecht 108 2. Kollektives Arbeitsrecht/Mitbestimmung in den Aufsichtsgremien . . . . . . 113 IV. Gemeinnützigkeit und konfessionelles Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 V.

Unternehmenskultur und Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Abschnitt 4 Marketing

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Sozialleistungsmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Markthandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Käuferwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stakeholder-Ansatz und Marketingmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Umsetzungsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Markierungspolitik als zukunftsweisende Marketingstrategie für soziale Dienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I.

143

Inhaltsverzeichnis

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a) Merkmale der Markendienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Ein Beispiel der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Ethische Aspekte der Markendienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Innovationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

Abschnitt 5 Controlling I.

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Grundlagen und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

II. Ansätze operativen Controllings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kosten- und Leistungsrechnung, Betriebsergebnisrechnung, Deckungsbeitragsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Budgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Personalkostensteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsplanung und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fachcontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Berichtsstrukturen und Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Supervision versus Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 172 184 189 193 205 206 209

III. Ansätze strategischen Controllings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen und Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strategieplanung als Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Portfolio-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Balanced Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wertorientiertes Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rating-Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. HGB versus IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

211 211 214 220 225 229 239 243

IV. Schlußfolgerungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Teil 3 Chancen und Risiken konfessioneller Sozialleistungsunternehmen in der Zukunft

247

Abschnitt 6 Rechts- und Kooperationsformen I.

247

Ausgewählte Aspekte der Rechtsformwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Entscheidungskriterien für relevante Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Schlußfolgerungen zu den Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

16

Inhaltsverzeichnis

II. Ausgewählte Aspekte der Kooperations- und Konzentrationsformen . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pro und Kontra von Zusammenschlüssen – Ansätze zur Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umsetzungsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255 255 259 260

Abschnitt 7 Zukunftsperspektiven – Schlußbetrachtung I.

262

Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

II. Qualität und Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Mitarbeiter und Dienstgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sozialleistung für Mitarbeiter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Anspruch des Sozialleistungsunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dienstgemeinschaft und Mitarbeiterführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Leistung, Entgelte, Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

269 269 269 271 272

IV. Soziale Leistungen im gesellschaftlichen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wer ist Auftraggeber der Hilfe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konflikte und Konfliktstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sozialanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

273 273 275 276 277

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Teil 1

Begriffliche und ethische Grundlagen Abschnitt 1

Begriffliche Grundlagen I. Einführung Bereits Anfang der neunziger Jahre setzten sich die Verfasser mit der theoretischen Begründung der Übertragbarkeit betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse auf eine sogenannte „Einrichtung der Diakonie“ – ein seit vielen Jahren üblicher Begriff – auseinander. Sie prägten damals den Begriff Sozialleistungsunternehmen, mit den Untergruppen: konfessionelle und ggf. diakonische bzw. karitative Unternehmen. Nicht zuletzt hatte diese Begriffsprägung auch programmatischen Charakter und sollte helfen, eine nach Auffassung der Verfasser drohende Fehlentwicklung abzublocken. Eine Fehlentwicklung die sich aus dem Begriff NPO – Nonprofit Organisation – ergab, da bei dieser Zuordnung häufig nur der Abgrenzungsgedanke zu erwerbswirtschaftlichen Unternehmen, das „Anderssein“ oder „Andersseinwollen“ im Vordergrund stand und steht. Der Begriff „Sozialleistungsunternehmen“ hat sich in den einschlägigen Veröffentlichungen, so auch die Feststellungen von Steffen Fleßa,1 (noch nicht) durchgesetzt. Überwiegend wird von Non-Profit-Organisation (NPO) gesprochen.2 Auch in der Praxis hat sich der Begriff nicht durchgesetzt. Hier wird in Abgrenzung zu den klassischen Betriebstypen der Betriebswirtschaftslehre wie Industrie- und Handwerks-, Handels- und Verkehrsbetriebe(n) sowie Banken und Versicherungen von „Einrichtungen“ oder „Dienststellen“, von „Heimen“, „Anstalten“ usw. gesprochen. Auf jeden Fall wird von vielen Leitungen bestritten, daß diese Organisationen Unternehmen seien und die Mitarbeiter Arbeitnehmer.3 Ohne den Anspruch auf 1

Vgl. Fleßa (2006), S. 28 ff; vgl. auch derselbe: (2003). Vgl. dagegen: Korte (1995/3), S. 175 ff; Schubert, S. 19 ff. 3 Anfang der neunziger Jahre ergab sich in Niedersachsen die Notwendigkeit der Gründung von Arbeitgeberverbänden im Bereich diakonischer Unternehmen. Vehement – und im Zweifelsfall wäre daran die Verbandsgründung gescheitert – wurden die Begriffe AGDEL/IDEL = Arbeitsgemeinschaft/Interessengemeinschaft Diakonischer Einrichtungsleitungen verteidigt. Dennoch waren es klassische Arbeitgeberverbände, 2

18

Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

Vollständigkeit zu erheben, sind die Ursachen für diese Abgrenzungsversuche unter folgenden Stichworten zusammenzufassen: • Mangelnde Kenntnis unternehmerischen Handelns der Erwerbswirtschaft, insbesondere des Handelns in einem Anspruchsrahmen diverser Stakeholder4 häufig in einem internationalen Umfeld. Mangelnde Kenntnis, daß unternehmerische Zielsetzungen dynamische – also einer ständigen Anpassung unterliegende – multidimensionale Zielsysteme sind und daß das klassische monostatische Modell der „Gewinnmaximierung“ ein historisches Erklärungsmodell – ursprünglich der Volkswirtschaftslehre – ist. • Mangelnde Durchdringung der Verbindung von konfessioneller Ethik mit unternehmerischem Handeln und mangelnde Kenntnis, daß unternehmensethische Diskussionen seit vielen Jahren das Handeln von Unternehmen bestimmen. Stichworte seien hier u. a.: – Legalitätsverpflichtung, d. h. die für alle Mitarbeiter eines Unternehmens einschließlich Leitung bindende Verpflichtung, gesetzliche Normen einzuhalten. In einem demokratischen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer verfassungsmäßigen Gewaltenteilung und dem demokratischen Weg der Gesetzesentstehung stellen diese Gesetze Mindestnormen ethischen Handelns dar. – Freiwillige Verpflichtungen; Stichworte seien hier „Nachhaltigkeit“ des Wirtschaftens, Bekämpfung von Korruption und Kinderarbeit, Umweltschutz, Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK), soweit diese Prinzipien nicht schon unter kodifizierte Normen (Legalität) fallen. Verbände bzw. freiwillige Vereinigungen, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen, sind u. a. das Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE) und der Arbeitskreis evangelischer Unternehmen (AEU), Institutionen, die entscheidend von der Erwerbswirtschaft getragen sind. Die folgende Begriffsabgrenzung dient der Definition des Erkenntnisobjektes dieser Darstellung aus dem Erfahrungsobjekt Non Profit Organisation (NPO), welches als „Verbindungsglied zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen“5 Bereich fungiert. Das Erfahrungsobjekt NPO, also beispielsweise Kultur- und Sportvereine, Feuerwehren, Wohlfahrtsverbände, Bildungseinrichtungen, ist somit umfassender. Sozialleistungsunternehmen sind damit Teil dies Erfahrungsobjektes. Im folgenden soll nun der Versuch unternommen werden, die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse über und die ethische Durchdringung von Sozialleistungsunternehmen zu verbessern. die mit Arbeitnehmervertretern – bei VERDI organisiert – Tarifverträge schufen und Lohn-/Entgeltverhandlungen führten und führen. 4 Zum Begriff des Stakeholders vgl. Abschnitt 4, Kapitel I.4. 5 Eschenbach/Horak, S. 3.

Abschn. 1: Begriffliche Grundlagen

19

II. Erkenntnisobjekt der Sozialleistungsunternehmen 1. Merkmale des Erkenntnisobjekts6 Die im Rahmen dieser Darstellung behandelten Sozialleistungsunternehmen lassen sich in Form einer Übersicht durch folgende konstitutive Merkmale beschreiben: 1. Zusammenwirken eines Systems von Faktoren – die Ökonomie bezeichnet diese als Produktionsfaktoren – mit dem Ziel der Erstellung einer Dienstoder Sachleistung. 2. Das Zielsystem ist multivariabel im Hinblick auf sich verändernde Umfeldbedingungen, also auf die rechtlichen, technologischen, ökologischen, soziodemographischen und vor allem Markt-Rahmenbedingungen.7 3. Existenz der formalen Rahmenbedingungen des Handelns in Form der Einhaltung der Wirtschaftlichkeit und des finanziellen Gleichgewichtes. 4. Im Hinblick auf die sich regelmäßig ändernden Umfeldbedingungen und deren Eintrittsunsicherheiten reagiert das System mit Anpassungen, deren Flexibilität die Überlebenschancen des Sozialleistungsunternehmens entscheidend bestimmen. 5. Existenz von Leitungs- und Kommunikationsstrukturen, die der Planung, Steuerung und Zielerreichung dienen und formeller und informeller Art sein können. 6. Für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen besteht darüber hinaus als weiteres konstitutives Merkmal die Vernetzung christlich ethischer Prinzipien mit den vorangegangenen Merkmalen. Zu 1.: Produktionsfaktorsystem: In einem Sozialleistungsunternehmen wirken Menschen mit Betriebsmitteln und Werkstoffen (Sachmitteln) zusammen und erstellen im Schwerpunkt Dienstleistungen, z. T. auch Sachleistungen. Für die 6 Auch die historisch bedeutsame Unternehmensdefinition von Erich Gutenberg mit den Merkmalen „Produktionsfaktoren“, „Wirtschaftlichkeit“, „Finanzielles Gleichgewicht“, „Autonomieprinzip“, „erwerbswirtschaftliches Prinzip“ und „Privateigentum“ hätte als Begründung der Unternehmenseigenschaft von Sozialleistungsunternehmen herangezogen werden können. Ihre Bedeutung liegt aber in der stärkeren Abgrenzung von Plan- und Marktwirtschaft und ihrer wissenschaftshistorischen Entwicklung eines geschlossenen Modelles für Produktionsbetriebe. Der hier dargestellte weitergehende Ansatz ermöglicht die neueren Erkenntnisse im Bereich der Zielforschung, der Forschungen zum Controlling und Marketing eleganter einzubauen, wobei leicht einsichtig wird, daß damit auch den bahnbrechenden Überlegungen von Erich Gutenberg nicht widersprochen wird. Vgl. Gutenberg, S. 445 ff. Vgl. auch Eschenbach (1996), S. 3 ff; Wöhe/Döring, S. 50 ff. 7 Vgl. Korte (1977), S. 120 ff, Kahle (1997), S. 26 ff, derselbe (1990), S. 331 ff.

20

Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

in der Betriebswirtschaftslehre als Produktionsfaktoren8 bezeichneten Elemente Mensch = Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoff lassen sich für Sozialleistungsunternehmen folgende Beispiele nennen: – Mit dem Faktor Arbeit wird die Leistung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Hinblick auf z. B. Beratung, Ernährung, Pflege, medizinisches Handeln beschrieben. Eine Differenzierung in Ausführungsarbeit und Leitungshandeln ist für bestimmte Fragestellungen z. B. „guter“ Personalführung oder „Überwachung von Leitung“ notwendig. Erst die Abstraktion „Arbeit“ ermöglicht theoretische Überlegungen und deren optimale praktische Umsetzung für z. B. Arbeitszeitmodelle, leistungsbezogene Entgelte, Rationalisierung, dezentrale Arbeitsstrukturen, Mitbeteiligung usw.. – Im Sozialleistungsunternehmen umfaßt der Faktor Betriebsmittel im wesentlichen Grundstücke und Gebäude für z. B. Heimangebote oder Krankenhäuser, weniger im Gegensatz z. B. zu einem Industriebetrieb maschinelle Güter. Betriebsmittel sind die Hilfsmittel für die Mitarbeiter im Rahmen der Leistungserstellung. – Werkstoffe, z. B. Lebensmittel und Betriebsstoffe (Energie) gehen in die erstellte Leistung ein oder dienen dem Betreiben der Betriebsmittel und besitzen in den schwerpunktmäßig Dienstleistungen erstellenden Sozialleistungsunternehmen eine eher untergeordnete Bedeutung. Diese Aussage gilt aber auch für Unternehmen anderer Dienstleistungsbranchen, z. B. Handelsunternehmen, z. B. Banken und Versicherungen. – Beispiele für die Dienstleistungen im Sozialleistungsunternehmen sind Hilfen für Jugendliche, alte und/oder behinderte Menschen, Menschen mit sozialen Benachteiligungen in Form von Beratungen, Pflege, ggf. Unterbringung und/oder medizinische Leistungen im Krankheitsfall einschließlich Suchterkrankungen und Reha-Maßnahmen. Sachleistungen sind u. a. Verpflegungsleistungen und/oder Produktion von Sachgütern durch das jeweilige Sozialleistungsunternehmen – wobei das Arbeitsangebot für Benachteiligte dann selber wiederum eine Dienstleistung darstellt – zu Gunsten Dritter. – Auch bei den Regeln der Faktorkombination bestehen Analogien. In der Metallindustrie werden die Sachleistungsprodukte auf Grund von Stücklisten, Zeichnungen und Bauplänen kombiniert, in der Lebensmittel- und chemischen Industrie mit Hilfe von Rezepturen und Herstellungsanweisungen, in Dienstleistungsunternehmen, wie z. B. Banken, auf Grund von 8 In der Betriebswirtschaftslehre dient die Abstraktion „Produktionsfaktor“ der theoretischen Erkenntnisbildung und dient damit ebenso wie in der Volkswirtschaftslehre mit ihren Faktoren Arbeit, Boden, Kapital dem Aufzeigen von Gesetzmäßigkeiten und der Ableitung von Handlungsempfehlungen für ihr jeweiliges Erkenntnisobjekt.

Abschn. 1: Begriffliche Grundlagen

21

Dienstanweisungen/Organisationsregelungen und in Sozialleistungsunternehmen ebenfalls auf Grund z. B. von Pflege- und Behandlungsanweisungen, Dokumentationen, Regelungen zum Organisationsablauf. Daneben bestehen für alle Unternehmen eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen und Vorschriften zur Arbeitssicherheit, zu den Arbeitsstätten, zum Verbraucherschutz, zum Immissionsschutz usw., die ebenfalls die Faktorkombination beeinflussen. Im Hinblick auf das erste Unternehmensmerkmal Produktionsfaktorsystem wird damit deutlich, daß Sozialleistungsunternehmen den Unternehmen hinzuzurechnen sind und damit Untersuchungsgegenstand der Betriebswirtschaftslehre sind. Zu 2.: Zielsystem: Der Begriff Zielsystem9 verdeutlicht, daß auch bei Sozialleistungsunternehmen eine Vielzahl von einzelnen Zielelementen, zwischen denen wechselseitige Beziehungen bestehen, realisiert werden sollen, z. B. Auslastung, Umsatz, Wohnkomfort, Kosten, Betreuungsdichte, Freundlichkeit des Personals usw. Wie der Leser leicht erkennt, können zwischen diesen Zielelementen komplementäre Beziehungen bestehen, z. B. Auslastung und Umsatz, es können konkurrierende Beziehungen bestehen, wie z. B. Kostensenkung – hier Personalkosten – und Steuerung der Betreuungsdichte, oder es können neutrale Beziehungen bestehen, wie z. B. Freundlichkeit des Personals und Kosteneinhaltung. Zielelemente jedes Unternehmens sind keine statischen – also auch in der Zukunft unveränderliche – Größen, sondern sie sind variabel, z. B. in Abhängigkeit von sich ändernden Umfeldbedingungen wie Gesetzen und/oder sozio-demographischen Veränderungen, z. B. das gesellschaftlich veränderte Bild stationärer Altenhilfe. Zu 3.: Formale Rahmenbedingungen: Neben diesen beispielhaft aufgezeigten materiellen Zielelementen, die sich in einem multivariablen Zielsystem vereinen, besitzt ein solches, ein Unternehmen kennzeichnendes System noch zwei zu realisierende Formalziele: die „Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichtes“ sowie „wirtschaftliches Handeln“ als Ausdruck des ökonomischen Prinzips im Sinne der Optimierung der Zweck-Mittel-Relation. 10 Wirtschaftliches Handeln oder – was dasselbe ist – „effizientes Handeln“, kann per se als ethisches Handeln im Sinne der Aufforderung zum effizienten Mittel-

9

Vgl. hierzu u. a.: Korte (1977), S. 120 ff. Die Verfasser sind davon überzeugt, daß rationales Handeln – und das ökonomische Prinzip ist Ausdruck des allgemeinen Rationalprinzipes – dem menschlichen Handeln inhärent ist. Vgl. auch Becker, S. 2 ff. Becker erhielt 1998 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft. 10

22

Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

einsatz verstanden werden.11 Zwischen Effizienzstreben und Gewinnstreben besteht, wie leicht einsehbar, ein enger logischer Zusammenhang. Ausgehend von der gebräuchlichen Gewinndefinition (G)12: G = Umsatz (U) – Kosten (K) wird deutlich, daß bei einer Effizienzverbesserung durch eine verbesserte Platzzahlauslastung eines Heimes, durch die damit verbundene unterproportionale Kostensteigerung – so sind z. B. Gebäudeabschreibungen, Leitungskosten im wesentlichen konstant – der Gewinn des Unternehmens steigt. Ebenso steigt der Gewinn, wenn durch Verbesserung der Wirtschaftlichkeit13 – z. B. Effizienzverbesserung des Mitteleinsatzes durch kürzere Wege für das Personal und/oder wirtschaftliche Essensproduktion durch verbesserten Materialeinkauf – bei konstantem Umsatz die Kosten gesenkt werden: G " ˆ Ukonst

K#

Würde das Ziel „non-profit“, also „nicht-Gewinn“, zur Leitmaxime und zur Beschreibung des Erkenntnisobjektes erhoben werden, so würde dies, wie leicht einsichtig, einfach zu realisieren sein. Für G ˆ O bei G ˆ U K, müßten in Abhängigkeit vom Umsatz jeweils nur die Kosten hoch genug angesetzt werden. Die Frage ist also nicht, ob ein Sozialleistungsunternehmen Gewinne erzielt, z. B. durch das Gebot effizienteren Handels, sondern wie die Gewinnverwendung aussieht: Erwerbswirtschaftliche Sozialleistungsunternehmen werden unter dem Gebot der langfristigen Existenzsicherung einen Ausgleich zwischen den Kapitaleignern und den Nachfragern und deren am Markt orientierten Wünschen herbeiführen. In Analogie gilt gleiches für konfessionelle, häufig gemeinnützige14, Sozialleistungsunternehmen, die unter Berücksichtigung zeitnaher Mittelverwendung ebenfalls einen Ausgleich zwischen Gegenwarts- und Zukunftskonsum herbeiführen müssen, also z. B. mehr an Personal vs. Neubau eines Hauses, bei dem von der Nutzenmehrung dann unterschiedliche Einzelpersonen profitieren können. Die Einhaltung des finanziellen Gleichgewichtes als existenzsichernde Rahmenbedingung bedeutet zum einen die Aufrechterhaltung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft – die, soweit sie „gemeinnützig“ sind, zwingend in der Form 11 Selbst die Forderung der Steigerung der Betreuungsintensität als Nutzenmehrung für den Nachfrager kann effizient oder ineffizient erfolgen. 12 Eine andere Definition für Gewinn ist G = Ertrag – Aufwand, wobei beide Definitionen unterschiedliche Aspekte betrachten. Vgl. hierzu Wöhe/Döring, S. 48 ff und S. 812 ff. 13 Derartige Vorgänge werden in der Ökonomie als Rationalisierung bezeichnet, wobei der Begriff fälschlicherweise häufig mit Arbeitsplatzabbau gleichgesetzt wird. Rationalisierung ist dagegen jede Form von Effizienzverbesserungen und nicht nur ein verringerter Einsatz des Faktors Arbeit. 14 Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel IV.

Abschn. 1: Begriffliche Grundlagen

23

einer juristischen Person geführt werden müssen – also Verein, Stiftung, GmbH oder AG –, zum anderen bedeutet die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichtes, daß die „Schulden“ des Unternehmens jederzeit durch Vermögen gedeckt sein müssen. Steht dem Fremdkapital kein ausreichendes Vermögen mehr gegenüber, so ist ebenfalls Insolvenz, wegen Überschuldung anzumelden. Die Ausführungen zum Zielsystem verdeutlichen, dass Sozialleistungsunternehmen wie andere Unternehmen zum Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre gehören und damit deren Erkenntnisse hierauf anwendbar sind. Zu 4.: Flexible Anpassungsreaktionen: Auch die Prüfung des vierten Unternehmensmerkmales verdeutlicht, daß Sozialleistungsunternehmen dem Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre zuzurechnen sind. Für alle Unternehmen bestand und besteht eine hohe Dynamik im Hinblick auf die mit Prognosenunsicherheiten behaftete Veränderung der Umwelt, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten statistischen Gesetzen unterliegen. Beispiele sind: – technologische Veränderungen insbesondere in der Informationstechnologie und der Automatisierung – der Wertewandel der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Globalisierung – die Veränderungen des Verbraucherverhaltens, die Veränderungen bei Stakeholdern15, Konzentrationen auf Anbieter- und Nachfragerseite. Diesen Veränderungen der Rahmenbedingungen ist zu begegnen. Stichworte sind hier16 1. Schnelligkeit von Willensbildung und Durchsetzung, 2. Erkennen und Verinnerlichen der Umweltveränderungen – es also „an sich heranlassen“ –, 3. Flexibilität im Hinblick auf notwendige Reaktionen nach Innen und nach Außen und 4. Beherrschung der Komplexität von Umweltveränderungen. Die praktischen Umsetzungen dieser vier Elemente werden im Teil 2 dieses Buches erläutert, sowohl im Hinblick auf diverse betriebswirtschaftliche Instrumente einschließlich struktureller Instrumente, als auch im Hinblick auf die soziokulturelle Beeinflussung von Unternehmensstrukturen und deren Mitgliedern. Zwei Aspekte sind den Verfassern im Hinblick auf die Flexibilität der Anpassungsreaktionen besonders wichtig:

15 16

Vgl. hierzu Abschnitt 4, Kapitel I.4. Vgl. hierzu Eschenbach (1996), S. 23 ff.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

1. In allen Unternehmen ist Voraussetzung einer flexiblen Anpassungsfähigkeit die Existenz einer stabilen Wertebasis als statisches Orientierungsinstrument für die Organisationsmitglieder. Wird dieses aufgegeben bzw. nicht immer wieder neu verteidigt und eingeübt, droht die Zerschlagung jedes Unternehmens. 2. Allein die lange Zeitspanne – hier sind ja durchaus unterschiedliche Annahmen möglich, man denke z. B. an Klöster, die ja oftmals komplexe Unternehmensstrukturen aufweisen – zeigt, daß die starke – hier konfessionelle – Wertebasis existenzsichernd für derartige Unternehmen gewirkt hat. Insofern ist die derzeit von einigen diskutierte Befürchtung des Verschwindens von konfessionellen Sozialleistungsunternehmen nur dann verständlich, wenn nicht mehr an eine gemeinsame Wertebasis geglaubt wird. Damit ist konstitutive Voraussetzung der nachhaltigen Existenzsicherung von Unternehmen eine gemeinsame Wertebasis. Hierauf wird im folgenden noch einmal eingegangen. Zu 5.: Leitungs- und Kommunikationsstrukturen: Ein weiteres – Unternehmen kennzeichnendes – Merkmal ist die Existenz von Leitungs- und Kommunikationsstrukturen. Es ist unschwer erkennbar, daß dieses Element bei Sozialleistungsunternehmen immer bestand. Formelle Strukturen der Aufbauorganisation – wer berichtet an wen – und der Ablaufstruktur – hier geht es um das Wie der Berichterstattung – bestehen neben informellen Strukturen, insbesondere der persönlichen Beziehungen und Vorlieben. Die Frage der Qualität derartiger Strukturen und deren praktische Umsetzung ist Untersuchungsgegenstand des Teils 2. Festzuhalten bleibt, daß auch auf Grund dieses Merkmales Sozialleistungsunternehmen zum Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre gehören. Zu 6.: Vernetzung christlich ethischer Prinzipien: Oben wurde bereits dargestellt, daß das Bestehen einer starken gemeinsamen Wertebasis ausschlaggebende Voraussetzung für das „Überleben“ von Unternehmen ist und das Gegengewicht für die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bei Umfeldveränderungen darstellt. Die praktischen Ansätze der Vernetzung werden im folgenden Teil 2 angesprochen, wobei diese Ansätze grundsätzlich auch für die Unternehmen möglich sind, die sich nicht explizit auf eine konfessionell geprägte Wertebasis berufen. Die Existenzsicherungsvoraussetzung und ihre praktische Vernetzung in der Unternehmensorganisation sind, wie oben angesprochen, Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre. Ihre jeweiligen Inhalte – in dieser Darstellung die christlich ethischen Prinzipien – sind dagegen Datum für die Betriebswirt-

Abschn. 1: Begriffliche Grundlagen

25

schaftslehre. Dies ändert aber nichts daran, daß auch konfessionell geprägte Sozialleistungsunternehmen als Unternehmen Untersuchungsgegenstand der Betriebswirtschaftslehre sind. Den Inhalten dieser Prinzipien, ihrer theologischen Herleitung ist aber ein gesondertes Kapitel zu widmen. 2. Sozialleistungsunternehmen als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre – Schlußfolgerungen Die vorangegangenen Überlegungen zeigen, daß es sich bei den oben beschriebenen Anbietern sozialer Dienstleistungen um Unternehmen handelt, die damit Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre sind. Bei den angebotenen sozialen Dienstleistungen handelt es sich um Beratungs-, Pflege-, medizinische/ ärztliche Versorgungs-, therapeutische und Unterbringungsleistungen, die die Nachfrager entweder mit Eigenmitteln und/oder Leistungen Dritter – z. B. Leistungen von Sozialhilfeträgern, Versicherungen, staatlichen Leistungen, und/ oder von Spendern bzw. sonstigen karitativen Organisationen – entgelten (bezahlen). Das von Sozialleistungsunternehmen angebotene Sozialleistungsbündel steht dieser Nachfrage gegenüber. Damit erschließt es sich der betriebswirtschaftlichen Marketinganalyse.17 Folgende Schlußfolgerungen sind zu beachten: 1. Es ist davon auszugehen, daß nicht alle in der Literatur18 beschriebenen Nonprofit-Organisationen Unternehmen sind und damit im Schwerpunkt dem Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre zuzurechnen sind – z. B. Kirchen und politische Parteien. Dies ist aber nicht Gegenstand dieser Darstellung. Hier erfolgt die Beschränkung auf Sozialleistungsunternehmen, die durch die vorangegangenen Merkmale beschrieben wurden. 2. Das Erfahrungsobjekt sozialer Dienstleistungen wird nicht nur von der Betriebswirtschaftslehre erforscht, sondern ist Gegenstand diverser anderer Wissenschaftszweige und deren jeweiligen Erkenntnisobjekten, z. B. der Gerontologie, der Medizin, der Sozialpädagogik, der Theologie usw. Derartige Ansätze sind auch bei anderen Unternehmen der Regelfall und führen zu Organisationsformen, bei denen je nach Branche unterschiedliche Erfahrungsträger in Leitung und Umsetzung zusammenwirken. Vereinfacht ausgedrückt ist z. B. die Organisation eines Automobilunternehmens ein „interdisziplinäres Unterfangen“, hier im Schwerpunkt Ingenieure und Ökonomen, in der Chemie dagegen Ökonomen und Chemiker. Für Leitungskräfte in der Erwerbswirtschaft ist die Erfahrung interdisziplinärer Zusammenarbeit der Regelfall. 17

Vgl. Abschnitt 4. Vgl. hierzu, z. B. Badelt, S. 19 ff, S. 97 ff; Drude/Kahle/Korte; Eschenbach/Horak, S. 15 ff; Fleßa, (2006), S. 26 ff. 18

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen besitzen in obiger Analogie ebenfalls zwei Erkenntnisschwerpunkte: die Ökonomie und die Theologie. Das Dilemma dieses interdisziplinären Denkansatzes scheint aber zu sein, daß interdisziplinäres Denken auf Grund der andersartigen Berufserfahrungen von Theologen, die in die Leitung konfessioneller Unternehmen berufen werden, nicht sehr ausgeprägt ist. Manager der Erwerbswirtschaft sind es tendenziell stärker gewohnt, mit andersartigen Wissenschaftsdisziplinen zusammenzuarbeiten, als Theologen19, deren Erfahrungshintergrund Gemeindearbeit und nicht unternehmerisches Handeln ist. Diese schematischen Überlegungen führen seitens der Verfasser konsequenterweise zu dem dualen Ansatz20 dieses Buches und besonders seines Einführungskapitels. Die Ableitung der theologisch begründeten ethischen Grundlagen muß logischerweise auch durch einen Theologen mit wissenschaftlichem Ansatz vertreten werden. Auf Grund der Vernetzung zweier unterschiedlicher Erfahrungsobjekte in einem konfessionellem Sozialleistungsunternehmen ist die Dualität der Abhandlungen und Schlußfolgerungen nach Ansicht der Verfasser zwingend. Abschnitt 2

Theologisch-ethische Grundlagen I. Leitthese und Einführung Der christliche Sozialleistungsgedanke gründet im Gottesbild der Bibel beider Testamente.21 Er folgt der zentralen Botschaft einer hierarchiefreien und von Hierarchien befreienden Bewegung des in ihr bezeugten Gottes auf den Menschen hin, wie sie letztgültig in der Gestalt und im Wirken Jesu von Nazareth sichtbar geworden ist. „Hierarchie“ = „heilige Herrschaft“22 meint jede sakral-rechtlich installierte und legitimierte Herrschaftsordnung sowie deren Träger. Von ihr kann, nament19

Diese haben sich allenfalls an Juristen in der kirchlichen Hierarchie gerieben. Über die konkrete Leitungsorganisation also z. B. Doppelspitze – Einfachspitze ist keine Aussage damit getroffen. Dies ist allein eine Frage der jeweiligen Managementerfahrung interdisziplinärer Arbeit. 21 Mit dem Begriff „Testamente“ für die beiden kanonischen, hebräisch- und griechisch-sprachigen Teile der christlichen Bibel folgen die Verfasser dem traditionellen Sprachgebrauch. Sie halten jedoch die zusätzliche Qualifizierung durch „alt“ und „neu“ für irreführend, wenn nicht disqualifizierend. Sie verwenden deshalb in diesem Buch die Zusätze „erstes“ und „zweites“ Testament. 22 Vgl. Der Neue Brockhaus, S. 589. s. v. „Hierarchie“. 20

Abschn. 2: Theologisch-ethische Grundlagen

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lich in säkularen Gesellschaften, streng genommen nur innerhalb von deren jeweiligen religiösen Gestaltungsbereichen gesprochen werden. Tatsächlich aber bürgerte sich der im Mittelalter geprägte Begriff seit dem 17. Jahrhundert im deutschen Sprachgebrauch ein23 und konnte allmählich auch über den Rahmen des katholischen Kirchenrechts hinaus auf „streng“ gegliederte, möglichst fest gefügte und gestufte Rang- und Herrschaftsordnungen Anwendung finden.24 Dabei stand weiterhin der religiös-kirchliche Ursprung im Hintergrund, blieb aber nicht ausschließlicher Geltungsbereich des Begriffs. Dieser näherte sich in seiner Bedeutung dem allgemeineren Begriff „Herrschaft“ an, der sich auf gesellschaftliche und gesetzliche Ordnungen stützt. In diesem Sinne, also austauschbar mit dem Begriff „Herrschaft“, wird der Begriff „Hierarchie“ im Folgenden gebraucht. Im Umgang mit biblischen Traditionen stößt jeder Leser weit mehr auf hierarchie-kritische und -befreiende Aussagen und Zusammenhänge als auf hierarchie-stützende. Unterordnung, Unterdrückung, Bevormundung und der Ausschluß von mündiger Selbstbestimmung als Kehrseiten von Herrschaft gehören nicht zu den Zielen des Gottes, den die Bibel des ersten wie des zweiten Testaments bezeugt. Gleichwohl ist Herrschaft, etwa im Sinne des Vorbilds, der Führung oder der personell-funktionellen Vorordnung damit nicht einfach abgetan. Ihr Korrelat auf Seiten der Geführten kann jedoch nur in Freiwilligkeit bestehen, christlich-biblisch in Nachfolge. Der jeweilige Gebrauch bzw. Einsatz von Herrschaft aber muß in diesem Zusammenhang und im Hören auf die biblische Botschaft jeweils begründet und damit auch begrenzt werden. Deshalb ist es aus Sicht der Autoren auf diesem Hintergrund zwingend erforderlich, daß konfessionelle Dienstleistungsunternehmen ihren Umgang mit Kunden wie auch intern durch eine Philosophie oder eine Führungsrichtlinie genau bestimmen.25 Ist die Leitthese begründet (Kapitel II.), so wird der Beitrag zur theologischethischen Fundierung konfessioneller Sozialleistungen im wesentlichen in der Klärung zweier Fragenkreise bestehen: was bedeutet auf dieser Grundlage „helfen“? (Kapitel III.), und: was bedeutet auf dieser Grundlage „führen“? (Kapitel IV.).

23 Etymologisches Wörterbuch des Deutschen Tachenbuchverlages München 5/2000, S. 539 f. 24 Vgl. z. B. Duden, Das Herkunftswörterbuch. Mannheim/Wien/Zürich 1963, S. 32. 25 „Konfessionell“ meint im Folgenden immer die biblischen Grundlagen, auf die sich christliche Konfessionen wie auch das Judentum beziehen.

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II. Die biblische Wurzel Wie an der Eingangsthese erkennbar, gehen die Verfasser von der Überzeugung aus, daß christliche Sozialleistung in ihrem allgemeinsten Sinn als „Dienst am Menschen“ im biblischen Gottesgedanken verwurzelt, ja, dessen direkte Konsequenz ist. Traditionell und institutionell als „Caritas“ oder „Diakonie“ gefasst, ist sie der gleichen Wurzel entwachsen wie jüdische Sozialleistung. Diese Verwurzelung ist in zwei Gedankengängen näher zu begründen: Das Handeln Gottes an seinem Volk Die Auslegung durch Jesus von Nazareth. 1. Das Handeln Gottes an seinem Volk Das Thema dieses Teils wird im Folgenden unter sieben Aspekten entfaltet: 1. Gottes Hinwendung zum Menschen 2. Der Ortswechsel 3. Gottes Liebe zum unterdrückten und leidenden Geschöpf 4. Gerechtigkeit als Ziel der göttlichen Weisungen 5. Der Fremde als Paradigma 6. Das Doppelgebot der Liebe 7. Der reformatorische Ansatz. Zu 1.: Gottes Hinwendung zum Menschen kommt in den entscheidenden Erfahrungen des Volkes Gottes, von denen das erste Testament berichtet, immer wieder als liebevolle Fürsorge für den Menschen zum Ausdruck. Sie zeigt sich insbesondere in Gottes Bereitschaft zu befreiendem Eingreifen für diesen.26 Er, der dem Menschen im Paradiesgarten „Röcke“ näht,27 tritt in der Geschichte Abrahams und seiner Nachkommen immer neu als der begleitende, rettende, schenkende und vergebende Gott auf. Einzigartig herausgehoben und von grundlegender Bedeutung geschieht dies in der Geschichte seines in Ägypten versklavten und durch sein Eingreifen befreiten Volkes. Ihm offenbart sich der biblisch bezeugte Gott für alle Zeiten und Generationen als der, den das „Elend“28 seines Volkes nicht ruhen läßt.29 Ihm kommt er mit seiner befreien26 Die biblischen Begriffe hierfür sind sowohl in der Ursprache wie in den Übersetzungen vielgestaltig: von „helfen“ bis „retten“ und „erlösen“. 27 1Mose 3,21; vgl. dazu auch Sacharja 3,4 und Lukas 15,22. 28 Im Bezugswort des Urtextes ist die Bandbreite der Begriffe „Unterdrücktsein“, „Abhängigsein“ „Fremdbestimmtsein“, „Armut“ enthalten. 29 2Mose 3,7 f.

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den Tat und mit den Gaben zu Hilfe, die dieser befreienden Tat folgen und sie begleiten, nämlich: mit Verheißungen, mit Land, mit Weisungen und Regeln einer Sozialordnung. Dieser Gott erweist sein Wesen und sein Ziel darin, daß er seinem Volk mit seinen Gaben Würde in Freiheit schenkt. So bildet sein Handeln ein Grunddatum jeder auf die biblische Botschaft gegründeten Theologie. Dies gilt ganz besonders da, wo solche Theologie die Lebensgrundlagen einer Gemeinschaft und ihren Zusammenhalt im menschlichen Handeln bedenkt. Zu 2.: Der Ortswechsel In diesem Zusammenhang findet sich nun ein Wort, welches im ersten Testament in Berichten von Gottes rettendem Eingreifen mehrfach begegnet, nämlich daß Gott „herniederfahre“, „-gefahren sei“ oder „-fahren möge“, um als Befreier der Bedrückten am Ort ihres Elends einzugreifen.30 Dazu vollzieht er einen Ortswechsel. Solche Aussagen sprechen zwar in archaischer Bildlichkeit, die auf alte Erfahrungen von Gotteserscheinungen zurückgeht, unzweifelhaft von einer – geschehenen oder erwarteten – Machtdemonstration des in Erscheinung tretenden Gottes. Aber das Besondere an ihnen ist doch, daß dieser Gott hier nicht von ferne handelt, sondern eine leidenschaftlich-heftige Bewegung auf die „Hilferufe hilflos Vergewaltigter“ hin vollzieht.31 Er verläßt den Himmel, dessen erhabene Festigkeit dabei „geneigt“ oder sogar „zerrissen“ wird.32 Damit verläßt er zugleich seine hoheitliche Wohnstatt, den Thron seines souveränen Regiments. Er begibt sich sozusagen in die Arena der Not und Unterdrückung, um dort den Leidenden beizustehen und ihr Los zu wenden. Dies geht über Gottes gnädiges „Hinsehen“ auf Notleidende, von dem die Bibel oft spricht,33 sowie über das „Herabneigen“ seines Ohrs zu Bittenden weit hinaus.34 An der starken Bewegung Gottes, welche in diesem Ortswechsel 30 Vgl. hierzu z. B. 2Mose 3,8; 4Mose 11,17. 25; Nehemia 9,13 ff; Psalm 18,10; 144,5; Jesaja 31,4 f. 31 So Noth, S. 28 zu 2Mose 3,7. 32 Vgl. z. B. Psalm 18,10; Jesaja 63,19. 33 Vgl. z. B. Psalm 11,4; 33,13 f; 102,20 f; Jesaja 63,15; vgl auch den „aaronitischen Segen“ 4Mose 6,24 ff. 34 Vgl. z. B. Psalm 10,17; 17,6; 31,3; 34,16; 71,2; 86,1; 94,9; 102,3; 116,2; Jesaja 37,17; vgl. hierzu Schmidt, S. 104, zu 2Mose 3,7: „jedenfalls enthält Gottes Sehen, Hören und Wissen bereits das Versprechen von Hilfe bzw. leiten selbst die Hilfe ein“; vgl. auch Daniel 9,17 ff.

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zum Ausdruck kommt, läßt sich seine unbedingte Anteilnahme, ja, Parteinahme für Unterdrückte und Verzweifelte erkennen, aber ebenso auch sein entschiedenes Einschreiten gegen menschlichen Hochmut oder gegen andere Verfehlungen seines Volkes.35 Dieser um seines rettenden Eingreifens willen vollzogene Ortswechsel ist ein Kennzeichen des in der Bibel bezeugten Gottes und – durch Jesus Christus – ein verbindendes Glied zwischen beiden Testamenten.36 Er drückt sowohl vollen Einsatz dieses Gottes für Befreiung und Gerechtigkeit aus wie den Wunsch, seinem Volk und so auch – jeweils beispielhaft – einzelnen Gliedern seines Volkes nahe zu sein. Zu 3.: Gottes Liebe zum unterdrückten und leidenden Geschöpf In beiden Testamenten wird das beschriebene Handeln Gottes als Ausdruck seiner Liebe zu seinem Volk und darüber hinaus zu seinem Geschöpf, insbesondere zum leidenden und erniedrigten, verstanden. Diese seine Liebe kennzeichnet sein Wesen und sein Handeln nicht nur in seltenen Aufwallungen, sondern durchgehend.37 Er ist der Gott, der sein Volk sucht, der sich aber auch danach sehnt, von diesem gesucht und gefunden zu werden.38 Sein Gebot zu ungeteilter Liebe zu ihm wie zum „Nächsten“ ist das Spiegelbild seiner trotz unzähliger Enttäuschungen sich immer wieder diesem Volk zuwendenden Liebe.39 Zu 4.: Gerechtigkeit als Ziel der göttlichen Weisungen So leidenschaftlich und eindeutig der biblisch bezeugte Gott liebt und so unbedingt er seine Liebesforderung auch stellt40, so unbeirrbar zielen seine Weisungen auf Gerechtigkeit unter den Menschen hin.41 Wie das menschliche Geschöpf seiner Geschöpflichkeit und damit seinem Schöpfer so gerecht wird, daß es ihm unbedingt vertraut und seinen Weisungen mit ganzer Hingabe folgt, so übt der Schöpfer seinem Geschöpf gegenüber dadurch Gerechtigkeit, daß er 35

Vgl. z. B. 1Mose 11,5. 7 und z. B. Micha 1,3 ff. Philipper 2,6–11. Hierher gehören auch die Belegstellen beider Testamente, in denen vom „Suchen“ Gottes bzw. Jesu Christi nach seinem Volk oder nach einzelnen versprengten Gliedern die Rede ist, z. B. Jesaja 62,12; Hesekiel 34,11 f; Lukas 15,3 ff. 24; 19,10. 37 Vgl. z. B. 5Mose 4,24; Psalm 146,5 ff; Jesaja 5,1–7 – der Weinberg als Bild für die Geliebte bzw. den Geliebten –; 42,1 ff; 48,14; Jeremia 11,5; 31,2 ff; Hosea 14,5. 38 Vgl. 5Mose 4,29; Jeremia 29,13 f. Psalm 27,8. 39 Vgl. Miskotte, S. 241: „eindringliche Einheit des einen Weges und Laufs der Tätigkeit Gottes, die aus lauter Liebe den Anderen in ihr Leben einbezieht“. 40 Vgl. z. B. 5Mose 4,24 und 6,4. 41 Gerechtigkeit ist hier kein Begriff der Verteilung, sondern der Entsprechung zu seiner Bestimmung; Rich spricht in diesem Zusammenhang von „Menschengerechtheit“, so 1991, S. 73/76/81/83/86 u. ö. 36

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ihm beisteht, ihm Würde in Freiheit schenkt und diese bewahren hilft.42 Dem dienen seine Weisungen und Gebote, die immer auf ein Leben in Würde und Freiheit abzielen.43 Ihre Befolgung sichert die grundlegende Befreiungstat Gottes an seinem Volk aus Unterdrückung und Fremdbestimmung. Im gleichen Zuge und Zusammenhang – oftmals mit ausdrücklichem Hinweis auf diesen44 – werden auch die im Volk lebenden und mit ihm im gleichen Lebensraum wohnenden Fremden sowie die innerhalb des Volkes Unterprivilegierten und in ihrer Würde und Freiheit Eingeschränkten und Bedrohten wie. z. B. Witwen und Waisen von Gottes unbedingtem Gerechtigkeitswillen umfaßt.45 Schon die ältesten biblischen Rechtssätze und -sammlungen schärfen diesen Zusammenhang ein und halten ihn zugleich mit dem Sakralrecht des israelitischen Stämmebundes in Erinnerung.46 Später wird das Königtum des Gottesvolkes auf die Beachtung und Durchsetzung der göttlichen Gerechtigkeitsforderung verpflichtet.47 Darüber hinaus sind es vor allem Israels Propheten, die den Weg und das Tun des Gottesvolkes mit unerbittlicher Sozialkritik begleiten.48 Diese setzt immer am Mangel an Gerechtigkeit an, wie er nicht selten an Menschen sichtbar wurde, welche z. B. infolge von Verschuldung und neuen wirtschaftlichen Abhängigkeiten geschwächt waren, ferner an Verletzungen der Gerechtigkeit z. B. infolge von Schuldsklaverei und Leibeigenschaft.49 Der Gerechtigkeitsgedanke aber greift weiter als bloße Hilfe. Systematisch läßt sich sagen: Gottes helfendes Eingreifen sowie seine Weisungen an Könige und durch Propheten zielen immer über den Einzelnen hinaus auf eine gerechte Ordnung, in welcher auch der Schwache, der Unterdrückte, der Verachtete und Verspottete sein Lebensrecht in Würde und Freiheit erhält. So beruft sich auch der einzelne Hilfesuchende nie allein auf sein persönliches Ergehen. Er beruft sich immer auch auf den sozialen Zusammenhang seiner Not einerseits, andererseits auf den erklärten Willen Gottes. Denn dieser erlaubt, ja, erwartet ausdrücklich, daß sich der Bedrängte im Volk an ihn wenden dürfe.50 Schließlich 42

Vgl. hierzu Crüsemann (1983). Diese Funktion der Weisungen wurde in paulinisch-lutherischer Tradition oft tendenziös als „Gesetze“ theologisch abqualifiziert. 44 Vgl. z. B. 2Mose 22,20; 23,9; 3Mose 19,34; 5Mose 10,19. 45 Vgl. hierzu umfassend Crüsemann (1997). 46 Vgl. z. B. im sogenannten „Bundesbuch“ 2Mose 20,22–23,33; vgl. darin für unseren Zusammenhang besonders 21,2. 16. 26 f; 22,20–26; 23,6. 9. 47 Vgl. Psalm 72; dazu vgl. auch Jeremia 22,1–5. 15–17; Daniel 4,24. 48 Vgl. z. B. Jesaja 3,14 f; 10,1 ff; 11,3 ff; Jeremia 5,26 ff; 7,1–7; Hesekiel 8,10– 13; 22,29; Amos 2,6–8; 8,4–6; Sacharja 7,8 ff. 49 Schwantes, S. 117, nennt es eine traditionelle prophetische Erkenntnis, daß „wirtschaftliche Ausbeutung und rechtliche Benachteiligung im Angriff auf das Leben des Armen ihre letzte Konsequenz“ haben (zu Jeremia 2,34). 50 Vgl. z. B. Jesaja 55,6; Jeremia 33,3; Psalm 9,10. 19; 10,12. 17 f; 22,25 f; 50,15; 81,8; 86,5 ff; 91,15; 145,18. 43

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zielt die Berufung des Armen immer auf die Wiederherstellung verletzter Würde als Folge einer gestörten Gerechtigkeitsordnung. Zu 5.: Der Fremde als Paradigma In der Fremden-Thematik bündeln sich die Fragen der Rechtsstellung der Armen und Schwächeren. Mit der Erinnerung an die Fremdseinserfahrungen des Volkes Gottes in Ägypten, die insbesondere jährlich beim Passa-Fest wiederholt und eingeschärft wird, wird die Rechtsgemeinde bei ihrer eigenen geschichtlichen Erfahrung gepackt. In ihrem Umgang mit Fremden bekundet oder verleugnet sie den eigenen Status als zuvor Unfreie, die mit Freiheit beschenkt wurden. Die Fremden-Thematik ist damit zugleich Prüfstein für die Gültigkeit des Liebesgebotes: den Nächsten, hier in der Gestalt des fremden Nächsten, zu lieben wie sich selbst, so als sei man (noch) an seiner Stelle.51 Zu 6.: Das Doppelgebot der Liebe Den Kern der göttlichen Weisung und Ordnung bildet das Liebesgebot in seiner durch Jesus von Nazareth als jüdischen Lehrer bekräftigten Doppelheit52: „Liebe ihn, deinen Gott, mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht“53 und „Halte lieb deinen Genossen, dir gleich. Ich bins“54.

Die Forderung der Gottesliebe gebietet Antwort auf die göttliche Bewegung zum Menschen hin55, d. h. auf seine grundlegende Befreiungstat.56 Dementsprechend meinen die dem reinen Gebot zugefügten Bestimmungen: „mit all deinem Herzen usw.“ keine meßbare Größe, sondern die Unbedingtheit und Unteilbarkeit der Bewegung des antwortenden Menschen auf Gott hin. Ebensowenig können sie einen jemals abgeschlossenen Vorgang bezeichnen. Sie benennen vielmehr einen unabschließbaren, dynamischen Prozeß. Vollends kommt die vom Liebesgebot gemeinte und geforderte Bewegung im Gebot der Nächstenliebe zum Vorschein. Hier wird erst recht kein Maß genommen und genannt – wie es dennoch durch die Jahrhunderte hin unzählige Male fehlinterpretiert wurde. Schon gar nicht wird als Maß der Nächstenliebe die Selbstliebe bestimmt, als müsse der zur Liebe Aufgerufene zuerst den Grad seiner Selbstbezogenheit ausforschen, um nach ihm seine Zuwendung zum andern 51

2Mose 22,20; 5Mose 1,19. Markus 12,28 ff und Parallelen. 53 5Mose 6,5; hier, um dem jüdischen Verständnis des Urtextes möglichst nahe zu bleiben, in der Übersetzung von Buber (1981), S. 494. 54 3Mose 19,18, bei Buber (1981), S. 326. 55 5Mose 6,4. 10 ff. 56 2Mose 6,6 ff; 5Mose 6,21 ff. 52

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bestimmen zu können. Solch ein Maßnehmen, zumal in Sachen Liebe, wäre der Bibel, dem jüdischen wie dem christlichen Glauben völlig wesensfremd, ja, zuwider. Auch und gerade die voraufgehende Liebe Gottes kann nicht maßnehmend quantifizierend gedacht werden. Sie ist Annahme der Gesuchten und Gefundenen oder sie ist nicht Liebe. An die Stelle eines Maßes der Nächstenliebe tritt mit der Bestimmung „dir gleich“ die Bewegung. Sie erfordert nicht weniger als einen Ortswechsel des zur Liebe Aufgerufenen. „Dir gleich“, wie Buber übersetzte57, heißt ja im Umkehrschluß: „als seist du wie er“. Doch geht es dabei nicht um den Vergleich oder gar die Identifikation von Personen. Wie der Kontext dieses Gebotes zeigt, geht es vielmehr in einer typisch jüdisch-biblischen Denkfigur um den Vergleich zweier Lebenssituationen. Die vom Liebesgebot Angeredeten sollen ihre Liebe nach dem Maß der Lebenslage bestimmen, in welcher sie den jeweils „Nächsten“ vorfinden. Denn so, im Eingehen auf seine Lage, hat zuvor der Gott Israels sein Volk geliebt, befreit, gerettet. „Liebe ihn wie dich selbst“ heißt also im biblischen Sinn: „als seist du an der Stelle des andern“. Sich an die Stelle des andern zu begeben und von dort her das von der Liebe Geforderte zu erkennen, ist der Sinn des Nächsten-Liebe-Gebotes. So hat es insbesondere Jesus, der Rabbi von Nazareth, anschaulich ausgelegt – genuin jüdisch, durch ihn aber zugleich den Christen zum Vermächtnis gemacht. Das Maß der Liebe, wenn denn danach gesucht würde, wäre also nicht die Selbstliebe (sowenig der Liebe ein liebevoller Umgang des Akteurs mit sich selbst im Wege stünde), sondern die Lage, in der der andere, der Nächste, oder, was dasselbe meint, der „Genosse“ (M. Buber) dem zur Liebe Aufgerufenen begegnet. Nur die Empathie, die sich in die jeweilige Situation des andern versetzt und sie mit den Augen des anderen zu sehen bereit ist, weist den Weg zur Erfüllung dieses Gebotes. Daß sich hier entscheidende Kriterien für christliches „Helfen“ wie für die „Führung in christlichen Sozialleistungsunternehmen“ finden lassen, dürfte einleuchten. Ist auch die jüdische Auslegung des „wie dich selbst“ durch „er ist wie du“ – immerhin die der ersten Erben dieses Textes! – umstritten58, so ist doch die von ihr damit angestoßene Interpretationsrichtung biblisch gedeckt durch den Kontext in 3Mose 19. Hier wird nämlich, wie schon angedeutet, anschließend an V. 18 das Nächstenliebegebot nochmals wiederholt.59 Diesmal aber ist ausdrücklich der „Fremde“ der Gegenstand des Gebots. Die zur Liebe Aufgerufenen werden also an ihren Fremdlingsstatus in Ägypten erinnert, der sich im Babylonischen Exil und später seit der Zerschlagung des Staates Israel im Jahre 57

Vgl. Buber (1981), S. 494. Vgl. hierzu Vriezen, S. 1 ff; Mathys, 5 ff. 46 ff. Mathys nennt auch weitere jüdische Ausleger; vgl. auch Crüsemann, Tora, S. 377. 59 3Mose 19,33–35. 58

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70 unendlich oft wiederholt hat. An der Differenz zwischen ihrer damaligen bedrückten Lage60 und ihrem gegenwärtigen Status als freie Bürger in einem gesegneten Land sollen sie den Bedarf an Liebe ermessen, die sie dem Nächsten gerade in der Gestalt des Fremden, also eben ausdrücklich nicht allein dem Mitglied des eigenen Volkes und Glaubensgenossen, schulden. Damit steht auch bei diesem zentralen Gebot des ersten und durch Jesus auch des zweiten Testamentes die Fremden-Thematik im Blickfeld. Sie erfordert, wie gezeigt, zugleich mit der Identifikation mit der Lage des Fremden wiederum die Identifikation mit der eigenen Lage als Geliebte und Befreite auf dem Hintergrund der einstigen Lage des Volkes und seiner noch jetzt die eigene Gegenwart prägenden Geschichte. Eines haben alle Auslegungen des Liebesgebotes dank des Zusatzes „wie dich selbst“ oder „als seist du in der Lage des auf Liebestat Angewiesenen“ gemeinsam: Liebe wird hier nicht hierarchisch gedacht, weder als Herabneigung noch als Aufblick, sondern, modern gesprochen, in Augenhöhe mit denen, die sich gerade um des göttlichen Gebots und der göttlichen Präsenz willen („ich bins“) als Gleichrangige erkennen und annehmen sollen. Dies wird durch den Hinweis von Vriezen noch deutlicher, der gezeigt hat, daß die Formel „wie dich selbst“ auch in akkadisch-assyrischen Treuegelübden begegnet, dort aber gerade die hierarchisch strukturierte Beziehung hervorhebt, nämlich als Gelübde und Treueverpflichtung eines Vasallen gegenüber seinem Herrn einschließlich seiner Bereitschaft, dessen Leben (und Überleben) nicht geringer zu achten als das eigene. Von der hier skizzierten Auslegung führt eine direkte Linie zu Jesus, zu seinem Gebot der Feindesliebe, zu seiner Beispielerzählung von der Begegnung eines Samariers mit einem Juden61 und sogar zu seinem Kreuzestod. Auch hier ist nicht die Identifikation von Mensch mit Mensch gefordert – sie wäre auch eine Überforderung und jedenfalls ein Angriff auf dessen Integrität –, sondern die mit der Lage des anderen, welche auch die des zur Liebe Aufgerufenen war oder sein könnte. Damit verändert sich aber auch die Gebotsstruktur: aus dem theokratischen Gesetz wird in der auslegenden und ergänzenden Umsetzung ein gleichsam demokratischer Vorgang, in welchem Hierarchie keine Rolle mehr spielt und spielen darf. Exkurs: Das Nächstenliebe-Gebot ist, vor allem durch seinen Zusatz „wie dich selbst“, eng verwandt mit der in vielen Kulturen, Religionen und Philosophien bekannten und verbreiteten „Goldenen Regel“, zumal in ihrer positiven Fassung: „was du willst, das andere dir tun, das erweise du auch ihnen“. Sie ist

60 61

Vgl.: „du sollst ihn nicht bedrücken“ in V. 33. Vgl. Lukas 10,25–37, s. Kapitel II.2.

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die Gestalt, in der sie auch von Jesus überliefert ist.62 In dieser Fassung ist die „Goldene Regel“ „nicht mehr bloße Klugheitsregel, sondern praktische Anleitung für die Liebesübung“.63 Ein Unterschied zwischen beiden – der Goldenen Regel und dem biblischen Nächstenliebe-Gebot – mag darin gesehen werden, daß die Goldene Regel von vornherein auf eine (Gegen-)Leistung des Anderen gegenüber dem Angesprochenen abhebt, während das Liebesgebot unabhängig davon gilt, wie der Andere seinerseits mit empfangenem Liebeserweis umgeht und ob er gar zu einer gleichartigen Gegenleistung bereit ist. Im Judentum wie im Christentum wird das Liebesgebot nicht in eine Entsprechung zum (erwünschten oder befürchteten) Verhalten eines anderen gesetzt, sondern in eine Entsprechung zum eigenen Selbst und zum erfahrenen Handeln vonseiten dessen, der die Nächstenliebe gebietet. Dieser aber bindet als Gebietender – und damit über jedes, durch Rationalität auch ohne Gebotsinstanz evidentes, Ausgleichsdenken hinaus – das Handeln dessen, dem das Gebot der Nächstenliebe gesagt ist, an dessen Beziehung zu sich selbst in einer früheren Lebenssituation ebenso wie an dem Empfänger der Liebestat, der sich in einer anderen Lage befindet als der Handelnde. Damit bekommt das Gebot, über den Aspekt einer klugen Lebensregel hinaus, eine geschichtliche, d. h. auf unterschiedliche Lebensverhältnisse unter dem Aspekt der Zeit und der Erinnerung bezogene Dimension, wie sie für das Denken Israels seit je charakteristisch ist. Auf diesem Hintergrund wird noch einmal der antihierarchische Zusammenhang des biblischen Liebesgebotes sichtbar, auch weil der es Gebietende selber ein aus Liebe Handelnder ist, der die Gültigkeit seines Gebotes wie seines eigenen Handelns nicht an die Erwartung von Gegenseitigkeit bindet, sondern an das Eingehen auf die jeweilige Lage dessen, der auf Liebe hofft und angewiesen ist. Ungeachtet dieser besonderen Tiefendimension des biblischen NächstenliebeGebotes bleibt es, nicht zuletzt wegen seines hierarchieüberwindenden Zusammenhangs, eine wichtige, nach Auffassung der Autoren die wichtigste Brücke zur Ethik der Goldenen Regel in allen Weltreligionen und Kulturen, in welchen diese bekannt und dank ihrer überzeugenden Rationalität gut zu begründen ist. In der Geschichte der abendländischen Philosophie hat sie ihre wohl prominenteste Ausarbeitung im „Kategorischen Imperativ“ Immanuel Kants gefunden.64 Christen, die sich – gerade im Zusammenhang sozialer Aufgaben – an dieses Gebot halten, haben dabei keinerlei zusätzlichen Erklärungsbedarf. Sie dürfen 62

Vgl. Matthäus 7,12; Lukas 6,31. So Jeremias (1958), Sp. 1688, s. v. „Goldene Regel“. 64 „Handle so, daß die Maxime deines Handelns jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“, Kritik der praktischen Vernunft. 1788 (Akad.-Ausgabe Bd. V). 63

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vielmehr auf die ethische Evidenz solchen Handelns als grundlegendes Element ihrer Glaubwürdigkeit setzen und vertrauen. Umgekehrt kann die Missachtung dieses Gebotes und damit auch der Goldenen Regel in helfenden Beziehungen in keiner Kultur und Religion auf Anerkennung und Überzeugungskraft rechnen. Wie später unter dem Leitbegriff „Marketing“ ausgeführt wird65, ist die Goldene Regel Grundlage einer ethisch verantworteten Kundenbeziehung. In unserm Zusammenhang erscheint sie gegenüber dem biblischen Liebesgebot als eine Mindestforderung, die zuerst erfüllt sein muß, ehe eine Einzelperson oder eine Institution die Befolgung weitergehender christlicher Normen für sich in Anspruch nehmen kann. Zu 7.: Der reformatorische Ansatz Abschließend sei daran erinnert, daß Gottes Hinwendung zum Menschen Kern der reformatorischen Gotteserkenntnis war. Gott kommt dem Menschen aus freien Stücken in souveräner Selbstbestimmung nahe und zuvor, hilft ihm zurecht, beschenkt und begnadigt ihn durch das verkündigte Wort des Evangeliums. Deshalb ist „Gottesdienst“ nach reformatorischem Verständnis in erster Linie nicht der Dienst, den Menschen Gott zu tun suchen, sondern der Dienst Gottes am Menschen.66 Er ereignet sich in dem, allem menschlichen Tun und Bemühen voraufgehenden Heilswerk Gottes, welches sich im Kommen, Verkündigen, Sterben und Auferstehen Jesu Christi und in seinem vergebenden und beauftragenden Wort vollzogen hat. Ihm antwortet der Mensch durch Gebet und Lobgesang, besonders aber durch freien Dienst am Nächsten, wie Martin Luther es in einer späten bedeutenden Predigt prägnant ausgeführt hat, nämlich daß im Gottesdienst „unser lieber Herr (Christus) selbst mit uns redet durch sein heiliges Wort und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang“.67

Dabei schließt der „Lobgesang“ den Dienst am Nächsten ein. So hat es Luther vielfältig gelehrt und besonders nachdrücklich in seinen Katechismen aus den Geboten 5–1068 herausgelesen und eingeschärft. Die „Barmer Theologische Erklärung“ von 1934 hat diesen Dienst in ihrer zweiten These unüberhörbar und eindrücklich als zentralen Bekenntnisinhalt formuliert:

65

Vgl. Abschnitt 4. Von hier aus fällt auch ein Licht auf den viel gebrauchten und mißbrauchten Begriff der „Dienstgemeinschaft“: Dieser meint eben nicht eine Pflicht, Interessengegensätze zwischen Sozialpartnern zu leugnen, sondern eine gemeinsame Aufgabe gegenüber Dritten, welche die zu erfüllen haben, denen Gott gleichermaßen seinen Dienst zuvor erwiesen hat; hierzu auch Abschnitt 7, Kapitel III.3, unten S. 71. 67 Torgauer Kirchweihpredigt von 1544, zitiert nach Mahrenholz, S. 15. 68 In Luthers Zählung. 66

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„Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen“.69

In dieser grundlegenden Bewegung Gottes auf den Menschen hin ist der Gott der Bibel, der Gott des ersten wie des zweiten Testaments, von Anfang an dem Menschen zugewandt. Er ist durch die wechselvolle Geschichte seines Volkes hindurch ein und derselbe. Sein Handeln durch Lehrer und Propheten, in der Sendung, im Wirken und im Geschick Jesu Christi sowie in der nachösterlichen Geschichte seiner Gemeinde unter der Führung des Heiligen Geistes offenbart keinen neuen Gott, sondern denselben Gott aufs neue und gültig. 2. Die Auslegung durch Jesus von Nazareth In Jesus von Nazareth laufen alle aufgezeigten Linien seiner Bibel, welche Christen das „Alte Testament“ nennen, in einzigartiger Weise zusammen, werden bekräftigt und unauflösbar mit dem Dienst-Gedanken verbunden. Dies wird im Folgenden unter sechs Aspekten entfaltet: 1. Jesu Kommen als „Diakonie“ 2. Die antihierarchische Spitze als Auftrag und Vermächtnis 3. Der österliche Sieg 4. Das Zentrum der biblischen Diakonie 5. Die Beispielgeschichte 6. Folgerungen aus dem Beispiel Zu 1.: Jesu Kommen als Diakonie Jesu Erscheinen ist selbst, wie der Philipperbrief in einem der frühesten christlichen Hymnen70 und später ähnlich das Johannesevangelium71 oder auch der Hebräerbrief72 es sagen, Ausdruck eines Ortswechsels. Dieser schließt die Preisgabe hierarchischer Attribute ein. Jesus verläßt den himmlischen Ort seines Ursprungs. Er geht den Weg zu den Armen und Unterdrückten, steigt hinunter bis in die tiefsten Tiefen ihrer Verlassenheit, spricht ihnen Gottes Liebe, wendet ihnen Gottes Hilfe zu und stellt sie – wie sich selbst – unter das Gebot der Nächsten- und der Fernstenliebe.

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Zitiert nach Wolf (1957), S. 116. 2,6 ff. 1,14. 2,16 f.

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Jesus selbst faßt sein Leben, seinen Weg („Kommen“) und sein Handeln mit dem Wort „diakoneìn – dienen“ zusammen73: Er rief seine Jünger zusammen und sagte zu ihnen: „Ihr wisst, daß die, die als Herrscher der Völker gelten, auf sie herunterherrschen und ihre Mächtigen sie ihre Macht fühlen lassen. So nicht bei euch, sondern: Wer bei euch groß sein will, sei euer Diener, und wer bei euch Erster sein will, sei der Knecht aller! Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, sich dienen zu lassen, sondern zu dienen („diakonein“) und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.“

Dabei umfasst das Wort „diakonein“ weit mehr als die ihm herkömmlich oft zugeschriebene enge Bedeutung: „niedere Dienste (z. B. bei Tisch) ausführen“.74 Diese Interpretation entsprach allerdings sehr genau den Interessen der konfessionellen Sozialleistungsunternehmen an der Gewinnung oder Heranbildung von Mitarbeitern, welche eher „niedere Dienste“ zu verrichten oder gar „durch den Staub“ zu gehen bereit sein sollten, als berufliche Aufstiegswünsche oder höhere gehaltliche Ansprüche zu stellen. Kein Wunder, daß dieser Ansatz durchweg zu hierarchisch-patriarchalen Führungssytemen führte und solche stützte. Wie neuere Untersuchungen zeigen, meint „diakonein“ Tätigkeiten der Vermittlung und des Ausrichtens einer Botschaft oder eines Auftrags.75 So wird es im Zweiten Testament, in auffallender Parallele zu Markus 10,45, auch im ersten Timotheusbrief gebraucht, in kultisch-priesterlichem Zusammenhang mehrfach auch im Hebräerbrief.76 Doch hat bereits 1965 der schwedische Neutestamentler Bo Reicke im Auftrag des oekumenischen Rates der Kirchen aufgezeigt, daß das Wort „diakonein“ den „Ausführenden“ meine, der „eine mühsame Arbeit“ erledige, dabei aber „an keine soziale Rangordnung gebunden“ sei. Deshalb komme es bei diesem Wortfeld nicht auf die Unterordnung, sondern auf die Nützlichkeit der Auftragsübernahme und -ausführung an, ökonomisch gesprochen: auf deren Zielbezogenheit und Effizienz.77 Mit diesem Verständnis des Schlüsselbegriffs „diakoneín“ für christliche Dienstleistungen ist zugleich die Grundlage dieses Buches, insbesondere auch der hier aufgewiesenen engen Bezogenheit von Ökonomie und Theologie benannt.

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Markus 10,42–45. Die einstige, in manchen christlichen Kreisen beliebte Ableitung des Wortes von „dia-konis“ = „durch den Staub“ ist etymologisch vollends abwegig. 75 Vgl. Collins, S. 127 ff. 76 Vgl. 1Timotheus 2,5 f; Hebräer 8,6; 9,15; 12,24. 77 Reicke, S. 9. 74

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Zu 2.: Die antihierarchische Spitze als Auftrag und Vermächtnis Jesus gibt dem Wort „diakoneìn“ in seiner genannten zentralen Selbstaussage, die auch in seinen Gleichnissen anklingt78, die Bedeutung der freiwilligen Tat, die sich in deutlichem Kontrast zu jeder unterdrückenden Hierarchie dem Anderen zur Verfügung stellt und dabei dessen Unterwerfung unter eigene Herrschaftsansprüche in der Nachfolge Jesu gerade nicht will und nicht wollen kann.79 So also soll das Streben nach „Größe“ in der christlichen Gemeinde aussehen, nämlich als ein Einsatz für den anderen, für dessen Leben, für dessen Lebensbedarf in Würde, vor allem aber für dessen Befreiung.80 Auch hier sind also die Bezugnahme auf das Gotteshandeln im ersten Testament sowie die Zusammengehörigkeit der Botschaft Jesu mit der Grunderfahrung seines Volkes evident, nämlich mit der Befreiung aus Knechtschaft und Unterdrückung. Sie wurde und wird alljährlich in der jüdischen Pessach-Feier als lebendige und Leben schenkende Gegenwart erinnert. Jesus nahm selbstverständlich an dieser Feier teil. Ja, er verstärkte ihre Botschaft der Befreiung aus jedweder Knechtschaft und Unterdrückung noch dadurch, daß er den zur Pessach-Feier konstitutiv hinzu gehörigen Vorgang des Erinnerns mit dem Auftrag zum Erinnern an ihn selbst und an seine „diakonische“ Lebenshingabe („solches tut zu meinem Gedächtnis“81) verband, die er zuvor den Jüngern als sein vorbildliches und verpflichtendes Vermächtnis aufgetragen hatte. Zu 3.: Der österliche Sieg Wie Jesu Selbstauslegung in Mk 10 unterstreicht, bedeutet sein „Kommen“, sein darin enthaltener Ortswechsel82 und seine Bewegung hin zum Menschen Hierarchieverzicht. So haben es auch die ersten christlichen Gemeinden erkannt und sachgemäß benannt. Kreuz und Auferstehung Jesu als Ursprung und Mitte des Glaubens an ihn besagen aber noch mehr. Sie zeigen in ihrer unauflösbaren Zusammengehörigkeit zueinander: Jesus ist zwar an den Hierarchien seiner Zeit und seines besetzten Landes gescheitert – dem römischen Kaiser mit seinem sich göttliche Qualität anmaßenden Anspruch und der mit dieser Herrschaft kooperierend verbundenen Jerusalemer Tempelhierarchie. Aber Ostern bedeutet den Sieg über jegliche unterdrückende und tötende Hierarchie.83 Kreuz und Aufer78

Vgl. z. B. Lukas 12,37 f. „so nicht bei euch“, Markus 10,43. 80 Vgl. hierzu die ausführliche Studie über Markus 10,35 ff von Jonas. 81 1Korinther 11,24 f; Lukas verbindet das zitierte Wort mit der Abendmahlserzählung (22,25 ff). 82 Es sei die Vermutung gewagt, daß die frühchristlichen Aussagen zur Präexistenz des in Jesus von Nazareth Gekommenen nicht zuletzt der Unterstreichung des Aspekts des Ortwechsels dienten. 83 So konnten mittelalterliche Bilddarstellungen Jesu Abstieg in die Unterwelt nicht nur als Zerbrechen der hermetisch verriegelten Tore dieses Machtbereichs zeigen. Sie 79

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stehung Jesu als Inhalt seines Dienens (diakoneín) unterstreichen sichtbar und unzweideutig den hierarchieüberwindenden Willen Gottes in der rettenden Hinwendung zum Menschen in seinen Verstrickungen und Leiden. Solange noch Hierarchien den Menschen bestimmen, kann er nicht frei sein und damit das Geschenk seiner Würde nicht im vollen Sinne erfahren.84 Zu 4.: Das Zentrum der biblischen Diakonie Damit ist der enge Bezug der biblischen Diakonie zur biblischen Gottesverkündigung benannt. Die Christus-Botschaft führt das Handeln des im ersten Testament offenbarten Gottes fort und bringt es in seiner Person und seinem Lebenswerk zum Ziel. Die Weisungen des ersten Testamentes wie die Lehre Jesu geben den Auftrag zum Dienen im Sinne des auf Achtung und Wiederherstellung der Würde vor allem benachteiligter und erniedrigter Menschen, der größeren Gerechtigkeit und der Fremden- und Feindesliebe an das Volk Gottes wie an die Gefolgschaft Jesu als neues Gottesvolk weiter. Dabei werden sowohl das Handeln Gottes im ersten Bund wie auch der Weg und das Werk Jesu Vorbild und Maßstab für den Dienst der Menschen untereinander. Zu 5.: Die Beispielgeschichte Eine besonders eindrückliche, unvergleichlich plastische und zugespitzte Darstellung des von Jesus selbst Getanen wie auch seiner Auslegung des Liebesgebotes für seine Jünger und über sie hinaus hat er in der Beispielgeschichte vom Mann aus Samaria gegeben85: Ein Schriftausleger erhob sich und wollte Jesus auf die Probe stellen. „Du bist ein Lehrer“, sagte er, „was muß ich tun, um am ewigen Leben Anteil zu bekommen?“ Jesus sprach zu ihm: „Wie steht in Gottes Wort geschrieben? Was liest du?“ Der Rechtskundige antwortete: „Du sollst deinen Gott lieben aus ganzem Herzen, mit deiner ganzen Seele, all deiner Kraft und in deinem ganzen Denken – und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Jesus sagte zu ihm: „Recht geantwortet. Handle so, und du wirst leben.“ Jener aber versuchte, seine Frage zu rechtfertigen und hakte nach: „Wer ist denn mein Nächster?“ Da antwortete ihm Jesus mit einer Geschichte und mit einer Gegenfrage:

bildeten gleichzeitig damit Jesus auch als den ab, der sein Kreuz als das Zeichen der ihn vernichten wollenden Mächte unter seine Füße niedertritt (vgl. das „katakyrieúein“ in Markus 10,42), hier nicht auf das Handeln der Herrscher an ihren Unterworfenen, sondern auf das Niederwerfen jeglicher „Herrschaft“ über Unterdrückte bezogen. 84 Das starke Gewicht des Freiheitsgedankens im Neuen Testament kann hier nicht auch nur annähernd dargelegt werden. Er ist ein tragender Pfeiler der paulinischen Christus-Verkündigung, entstammt aber – insbesondere durch die Exodus-Tradition (Auszug aus Ägypten) – bereits dem ersten Testament. 85 Lukas 10,25–37 (Übersetzung H. Drude).

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„Ein Mensch ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter Räuber. Die zogen ihn aus und schlugen ihn. Dann machten sie sich davon und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester des Weges, sah ihn und ging vorbei. Nicht anders ein Levit: er kam am gleichen Ort vorüber, sah den Mann und ging vorbei. Dann kam einer aus Samaria des Wegs an diesen Ort, sah hin, und es ging ihm durch und durch. Er (stieg ab), ging zu ihm hin, versorgte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann hob er den Verletzten auf sein eigenes Tier, brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn dort. Am nächsten Tag nahm er zwei Silbermünzen, gab sie dem Wirt und sagte: „Umsorge ihn. Und wenn du mehr ausgibst, so werde ich es dir erstatten, wenn ich wiederkomme.“ „Was meinst du, Schriftgelehrter? Welcher von den dreien ist dem, der unter die Räuber gefallen war, ein Nächster geworden?“ Der sagte: „Der ihm Barmherzigkeit erwiesen hat.“ Da antwortete ihm Jesus: „So mach dich auf und tu wie der!“

Zwischen Juden und Samariern herrschte zur Zeit Jesu infolge eines „Geflecht(s) politischer und religiöser Entfremdung“86 seit langem gegenseitige Abneigung bis hin zu Feindschaft und Haß. Indem Jesus einen Mann aus Samaria zum Helfer macht, treibt er den Sinn (und die Provokation) des Liebesgebotes auf die Spitze. Er kehrt dessen Pointe geradezu um. Denn hier hilft nicht ein Jude in der Befolgung des göttlichen Gebotes einem Fremden, sondern es übertrifft umgekehrt ein Fremder, ja, ein Feind, eben der Samarier, in vorbildlicher Weise zwei Juden in der Erfüllung des Liebesgebots. Hervorzuheben ist hierbei, daß es für die Handlungsweise dieses Mannes völlig offen bleibt, ob sie auch für ihn aus dem göttlichen Gebot folgte oder aus einer jedem Menschen unmittelbar einleuchtenden Notwendigkeit, sofern er nicht gefühllos für die Notlage eines anderen ist. Die beiden Vertreter der jüdischen Rechtgläubigkeit aber bleiben den Liebesdienst schon am „Nächsten“, geschweige denn am „Feinde“ schuldig. Nicht ohne deutlichen Fingerzeig unterstreicht die Erzählung, daß es sich bei den beiden „Vorübergehenden“ um Vertreter der Jerusalemer Tempelhierarchie handelte.87 Gemeinsam aber ist allen drei am Ort des Überfalls Vorüberkommenden, daß sie mobil sind. Mobilität ist also zwar eine Voraussetzung des Helfens, aber eben keine ausreichende. Gerade dies macht der Kontrast zwischen den ersten beiden Vorübergehenden und dem Samarier sichtbar. Der Überfallene jedoch, ursprünglich ja ebenfalls auf seinem Weg von Jerusalem nach Jericho mobil, ist infolge des lebensbedrohlichen Überfalls an den Ort gefesselt. Dadurch ist er in seiner Würde und Freiheit tief verletzt.

86

Vgl. zum sogenannten „samaritanischen Schisma“, Donner, S. 436. Geht es zu weit, anzunehmen, daß in diese Konfiguration der Erzählung Jesu eigene Erfahrungen mit der Jerusalemer Hierarchie eingegangen sind, die ihn am Ende dem Geschlagenwerden und Sterben überließ, und daß er, der Helfer und Hilfsbereite, von ihr als „Feind“, zumindest als „Fremder“ behandelt wurde? 87

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Die ganze Geschichte in all ihren Szenen ist geschildert aus seiner Perspektive, aus der Perspektive des unfreiwillig und unwürdig am Ort Gebundenen. Er allein ist in allen Szenen der Geschichte dabei: Er wird beraubt und geschlagen; er sieht die Vorübergehenden, den Helfer, erfährt den lebensrettenden Dienst in allen Facetten bis hin zum Transport in die Herberge, seine Übergabe an den Wirt und die anschließende „stationäre“ Versorgung. Die Geschichte leitet schon durch diesen erzählerischen Kunstgriff, der eben das Zentrum des Liebesgebotes auslegt, zur Identifikation mit dem Geschlagenen im Sinne des Ortsund Perspektivwechsels an. Nur aus der Sichtweise des halbtot Geschlagenen, dann allerdings unausweichlich, ist zu erkennen, was hier nottut. Priester und Levit sind, wie gezeigt, mobil, aber nicht bereit zum Perspektivwechsel. Sie „sehen“ den Überfallenen, sie sehen aber nicht aus seiner Perspektive. Sie verweigern das „denn er ist wie du“ (damit stellen sie auch die Hoffnung auf entsprechende Hilfe infrage, wenn sie selbst einmal auf diesem Weg „unter die Räuber“ fallen sollten). Einzig der Dritte, ebenfalls mobil, vollzieht den Perspektivwechsel und folglich auch den Ortswechsel hin zum Geschlagenen. In seiner Gestalt hat Jesus den Gedanken der in das Liebesgebot einbezogenen, ja, diese meinenden Fremden- und Feindesliebe einzigartig zugespitzt. Nicht der Zugehörige zum eigenen Volk liebt hier den Fremden, ja, den oft als Feind Empfundenen. Sondern der Fremde und feindselig Betrachtete, vielleicht sogar Empfindende hilft dem Juden, dem die beiden Vorangegangenen ihre Solidarität verweigerten. Der „Feind“ ist hier der Liebende, der „Freund“ der die Liebestat Verweigernde. Man kann deshalb diese Botschaft auch als Entgrenzung des Liebesgebotes lesen: ob du Angehöriger des gleichen Volkes oder Feind bist, angesichts von Not ist das Angemessene nur, die Situation aus dem Blickwinkel des Geschlagenen zu sehen und dementsprechend zu handeln. Die liebevoll und umsichtig genau auf die Notlage abgestimmte Hilfeleistung des Mannes aus Samaria entspricht dem eindrücklich. Sie kann an Zuwendung, Sorgfalt und Zielgerechtheit nicht überboten werden. Durch sie geschieht das unmittelbar Lebens-Rettende. Dies noch dazu unter Umständen, die das Leben des Helfers selbst bedrohen. Und so hat die Geschichte noch eine bemerkenswerte Fortsetzung. Nun ist nämlich Ortswechsel für beide, den Helfer und den Überfallenen, angezeigt. Dabei verzichtet der Helfer auf Hierarchie, nämlich auf das Ausspielen oder Ausnutzen seiner übergeordneten Position. Wie er zuvor, um an den Ort des Hilflosen zu gelangen, sein Reittier verlassen mußte, so geht er jetzt noch einen Schritt darüber hinaus und stellt es dem Halbtoten nun ganz zur Verfügung. Er selbst geht ohne jede Herren-Attitüde nebenher. So bringt der Helfer den Überfallenen in eine Herberge, in welcher dessen Überleben und die Wiedererlangung seiner Würde in Freiheit langfristig gesichert werden können. Dafür steht der Mann aus dem fremden Land ein. Dafür wechselt er nochmals seine Rolle. Jetzt ist er nicht mehr der unmittelbar Hand anlegende Helfer, sondern der die

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Hilfeleistung Sichernde. Dafür – und nur dafür – bleibt er der Herr des Verfahrens. Von jeglicher Hierarchie des Helfens bleibt nur seine spätere Nachfrage beim Wirt über und die Leistungsbereitschaft dafür, daß das Liebesgebot auch wirklich zum Ziel komme. Zu 6.: Folgerungen aus der Beispielgeschichte Nach unseren Beobachtungen dient die dargestellte Fortsetzung der Helfergeschichte mit ihrem Wechsel vom Erst-Helfer auf der Straße zum Herbergswirt und von der Notversorgung am Unfallort bis zum Pflegebett in der Herberge konfessionellen Dienstleistern vielfach dazu, institutionelle Angebote und Dienste zu begründen und zu legitimieren. Der Samarier erscheint dabei gleichsam als Erfinder und erster Zahler eines Pflegeentgelts. Nicht wenige Betreiber konfessioneller Sozialleistungsunternehmen sagen es unverblümt: wir sind in der Geschichte nicht der Samarier, sondern der Herbergswirt. Aber was besagt dies? Geht es bei dieser Selbstdefinition um mehr als den bloßen Vorteil, den Anspruch auf gesicherte Entgelte sozusagen durch Jesus selbst legitimiert zu meinen? Natürlich könnte auch das Selbstverständnis der Sozialleister als Herbergswirt zu sinnvollen Kriterien für ihre jeweiligen Dienstleistungen führen: z. B. zu Qualitätskriterien, die sich an denen einer professionellen „Herberge“, etwa eines Hotels oder auch eines Fachkrankenhauses, messen lassen müßten. Der Samarier könnte, um im Erzählzusammenhang der Beispielgeschichte zu bleiben, ja auch die Qualität der Herberge geprüft haben, ehe er den schwer Verletzten ihrer Obhut anvertraute. Dann dürfte die Herberge eben – wie ein Hotel – nicht in erster Linie auf Beziehungsarbeit setzen, sondern müsste ihre Arbeit ganz auf eine unbedingt am Kunden und an seinem Bedarf orientierte Hilfeleistung ausrichten. Oder es ließe sich aus dieser Rollenbestimmung z. B. auch die Selbstverpflichtung eines Sozialleisters ableiten, Hilfe in stationären „Herbergen“ grundsätzlich nur befristet anzubieten und zu gestalten, nämlich bis (und sofern) das Ziel eines Lebens in Freiheit und Würde auch außerhalb der „Herberge“ geführt werden kann. Diese Kriterien wären aus dem Blickwinkel der Beispielgeschichte – und damit aus dem Blickwinkel des Hilfebedürfenden – wichtiger als beispielsweise die Frage nach der Konfession des Herbergswirtes, welche in ihr keine Rolle spielt. Dennoch ist der Preis für diese Selbstidentifikation konfessioneller Dienstleister mit der Herberge bzw. mit dem Herbergswirt hoch.88 Verharren sie in ihr, so trifft sie voll der oft erhobene Vorwurf, bloße Nutznießer (um nicht zu sagen „Ausbeuter“) von Notlagen zu sein: je mehr „Überfallene“, desto voller die 88 An ihr wirken vielfach noch alte patriarchale Rollenmuster mit wie z. B. das vom Herbergs-„Vater“ oder von Herbergs-„Eltern“.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

Herberge. Sie wären dann mit ihren Unternehmen kaum etwas anderes als Ameisenbären, die am Grund des Trichters auf Beute warteten. Weniger zugespitzt gesagt: Konfessionelle Sozialleistungsanbieter in der Rolle des Herbergswirts blieben dann, wenn sie die Pflege des Überfallenen als ihre Aufgabe definieren, auf Zubringer angewiesen, auf Menschen aus einem fremden, vielleicht gar feindlichen Land, die ohne Angst vor eigener Gefährdung mobil, zum Perspektivwechsel und zum Hierarchieverzicht als Erfüllung des göttlichen Liebesgebotes bereit sind. Sie selbst aber würden diese grundlegenden Bedingungen der Diakonie nicht erfüllen. Wohlgemerkt: wir reden nicht jenen das Wort, die ausschließen möchten, daß konfessionelle Sozialleister Herbergsfunktion übernehmen. Aber diese müssen sich, wenn sie denn den Bezug zu den christlich-ethischen Grundlagen ihrer Existenz ernst nehmen, den Rückfragen an die Art und Weise stellen, wie sie diese Funktion wahrnehmen. Konfessionelle Sozialleistung ohne Bewegung, ohne Mobilität, ohne Orts- bzw Perspektivwechsel und ohne Hierarchieverzicht gegenüber den Armen ihrer Zeit ist defizitär, nicht wirklich ethisch legitimiert im biblischen Sinne. Sie würde – und sie wird in diesem Falle – folglich auch sogleich wieder hierarchisch – herrschend, mit fest geordneten und gestuften Rollenbesetzungen, ohne Beziehung zur ursprünglichen Not einerseits und zum gottgesetzten Ziel selbstbestimmter Freiheit in Würde des Armen andererseits. Nicht umsonst ist in helfenden Institutionen, nicht nur in Krankenhäusern, der angepaßte, nämlich an seine Rolle innerhalb der Institution und während seines institutionellen Aufenthaltes gewöhnte und mit dieser sich zufrieden gebende Nutzer der von der Institution am meisten geschätzte und belohnte, weil „pflegeleichte“ Patient. Verharrt er im Rückblick auf seine vorherige Notlage oder drängt er ungeduldig auf seine Rückkehr in ein selbstbestimmteres Leben nach und außerhalb der Station, so kann er in den Reihen der Helfer keineswegs immer mit Zustimmung und Unterstützung rechnen. Erst der finanzielle Druck auf Belegungszeiten hat in Hilfeeinrichtungen, in denen ausgeprägte Abhängigkeiten entwickelt und gepflegt wurden, einiges verändert, oft aber mehr infolge eines als unbequem empfundenen Drucks auf die Helfer als infolge einer bereitwilligen Revision hierarchischer Rollenverständnisse und Umgangsweisen. Der heute in weiten Kreisen zu beobachtende hohe Ablehnungsgrad gegenüber stationären Hilfen erklärt sich gerade auch aus diesem Zusammenhang, nämlich daß drohende Abhängigkeiten und Anpassungserwartungen schon im Vorfeld Angst vor dem Verlust von Selbständigkeit und Selbstbestimmung auslöst. Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen, die die Wirts-Funktion als ihren Part definieren, können das darin enthaltene Defizit mindern.89 Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, daß sie selbst im Zuvor und im Danach stationärer Hilfephasen tätig werden, etwa in Gestalt aufsuchender, beratender Be89

Vgl. Abschnitt 4, Kapitel II.3.

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gleitung. Dies kann einen stationären Aufenthalt u. U. ganz überflüssig machen oder ihn zumindest verkürzen. Darüber hinaus können nachgehende Hilfen die Wiedererlangung selbstbestimmter Lebensweisen stützen. Selbstbegrenzung hierarchischer Macht geschieht auch im Ernstnehmen der Kundenwünsche während der stationären Phase z. B mittels Fachcontrolling, Kunden- und Angehörigenbefragungen etc.90 In dem allen geht es um nichts anderes als um eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen und grundlegenden Auftrag biblisch begründeter Sozialleistungen und zugleich auf Kernkompetenzen. Denn es ist ein Akt der Liebe, den anderen, welcher der Hilfe in verschiedenen Phasen bedarf, frei über sich selbst entscheiden zu lassen, zumal erst dann, wenn dies geschieht, das Hilfeziel erreicht ist. Dieses Kriterium gilt aber ebenso auch für die Zeit in der „Herberge“, damit diese nicht selbst zu einer Phase voller Unterdrückungserfahrungen wird. Zusammenfassend sei unterstrichen: nach Auffassung der Verfasser bedeutet diejenige Sozialleistung, die allein das „Wirts“-Paradigma zum Maß nimmt, eine Fehlentwicklung dahingehend, daß sie sich in Unterbringungs- und Finanzierungsproblemen verliert, anstatt aus ihrer sozialanwaltschaftlichen Funktion heraus auch Vor- und Nachsorge zum Thema zu machen. Aber natürlich schließt gerade diese Funktion ein, die Qualität der Dienstleistung in den konfessionellen „Wirts“-Häusern ständig zu überprüfen, und zwar selbst und aus eigenem Antrieb. So erst kommen diese dem Mann aus Samaria wieder nah.

III. Dienstleisten auf theologisch-ethischer Grundlage 1. Helfen und Helferstellung Die Thematik dieses Teils wird entfaltet unter sechs Stichworten: 1. Die Stellung der Armen 2. Die Erwartungen der Helfer 3. Die hierarchische Ordnung 4. Geschichtliche Prägungen 5. Der veränderte Rahmen 6. Die biblische Richtschnur. Zu 1.: Die Stellung der Armen Wie sich im vorigen Kapitel schon abzeichnete, wirft das biblische Verständnis sozialer Leistungen die Frage auf, wie auf diesem Hintergrund „Hilfe“ und 90

Vgl. Abschnitt 4, Kapitel II.3. und Abschnitt 5, Kapitel II.5.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

„helfen“ begründet und gestaltet werden können, ja müssen. Die Aufgabe besteht insbesondere darin, der in jedem Helfen und in jeder Hilfe lauernden Gefahr der Hierarchisierung und damit der unkontrollierten Dominanz der Machtfrage in helfenden Beziehungen zu begegnen. Helfermacht ist ein Thema aller Dienstleistungsbereiche. Für sie alle ist typisch das Zusammentreffen von Personen, die an der Erstellung der Dienstleistung beteiligt sind.91 Wie langjährige Erfahrungen der Verfasser zeigen, spielt das Thema aber gerade auch in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen eine erhebliche Rolle. Es ist eben nicht nur ein individuelles Thema, sondern wirkt weit über einzelne Persönlichkeiten hinaus gesellschaftlich-systematisch. Wie mancher Leser schon beobachtet haben mag, sind unter allen Hilfebedürftigen die Ärmsten, wie etwa mittellose und obdachlose Personen, diejenigen, die dem Betrachter häufig – in ihrer Körpersprache, nur selten aufgrund von Gebrechen – in unterwürfiger und gebeugter Haltung begegnen. Dies weist auf ein sozial erlerntes Verhalten hin. Ein anderes Auftreten könnte den Betroffenen schnell als unangemessenes Verhalten, ja, als Regelverstoß ausgelegt werden. Dies zeigt deutlich, wie tief der hier wirkende Mechanismus auf beiden Seiten sitzt, auf Seiten der Armen wie auf Seiten der Helfer bzw. zur Hilfe Aufgeforderten. Erst wenn die betreffenden Personen selbst als Anbieter von Leistungen auftreten – wie z. B. von Musik oder als Verkäufer einer Straßenzeitung –, verändern sich, zumindest dem Aussehen nach, Körpersprache und Auftreten. Wie ist dies unter Christen oder auch nur in einer insgesamt christlich geprägten Gesellschaft möglich? Sagte nicht Christus: „was wir einem von den Geringsten getan hätten, das hätten wir ihm getan“?92 Müßte sich also selbst Christus erst unterwürfig und gebeugt zeigen, um Hilfe zu finden? Wie kann es aber zu einer solchen Erwartung an Arme und zu deren Anpassung an solche Erwartungen kommen, wenn nicht aufgrund von Erfahrungen, auf der untersten Stufe einer Leiter zu stehen, also am tiefsten Punkt einer hierarchischen Pyramide, wer immer und auf welche Weise eine solche auch bildet? Wohnt also der Hilfe bzw. der Hilfeerwartung und Hilfeerfahrung immer schon ein hierarchisches Muster inne, ohne welches Hilfe nicht ausgelöst und gewährt werden kann? Zumindest wirkt hier ein historischer Zusammenhang. So wurde das genannte Verhaltensmuster in noch gar nicht sehr lange zurückliegenden, vielfach bis heute nachwirkenden, patriarchal geprägten Zeiten innerhalb helfender Institutionen – Heimen, Herbergen, Suppenküchen etc. – als selbstverständlich betrachtet und praktiziert. Heute geben solche Unternehmen in der Regel ihren Nutzern mehr Sicherheit über das, was diese erwarten und 91 92

Vgl. hierzu Abschnitt 4, Kapitel II.2. Matthäus 25,40.

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gegebenenfalls auch fordern dürfen, als in den Zeiten patriarchal barmherziger Willkür. In jenen Zeiten aber waren Hilfen und Hilfeinstitutionen oft von entmündigenden „Hausordnungen“, welche sich im Konfliktfall auch mithilfe schnell herbeizurufender Ordnungsmächte durchsetzen ließen, begleitet und geprägt. An den nunmehr eingetretenen Veränderungen waren freilich christliche, dem Liebesgebot verpflichtete Sozialleistungsunternehmen nicht immer direkt und an erster Stelle beteiligt, umso mehr aber gesetzgeberische und durch spätere Rechtsprechung gefestigte Entscheidungen im Zusammenhang parlamentarischer, demokratischer Entwicklungen. Anders gesagt: an diesen Veränderungen sind christliche Impulse eher infolge grundlegender gesellschaftlicher und gesetzgeberischer Fortschritte beteiligt als durch individuelle Rollenrevisionen einzelner Personen oder auch christlich firmierender Unternehmen. Zu 2.: Die Einstellung der Helfer Menschen, die helfende Berufe anstreben und sich um eine entsprechende Anstellung bewerben, geben als ihren Antrieb, als Motivation dazu in der Regel an: „Menschen zu helfen“. Dies ist für sie ein Wert an sich, der auf gesellschaftlicher Akzeptanz beruht und auf solche auch rechnet.93 Es dürfte aber kaum übertrieben sein – und ist durch ungezählte Einstellungsinterviews auch belegt –, daß die Analyse dieser Motivation zu dem Urteil führt: der Ton liegt hier mehr auf dem „Helfen“ als auf den „Menschen“. Bewerber zeigen sich in erster Linie meist weniger an den Gründen und an der Ausgangslage der Not interessiert, auf welche Hilfe reagieren soll, oder am Ziel, welches durch das helfende Vorgehen gegebenenfalls erreicht werden soll, dafür umso mehr aber am Helfen selbst und allenfalls noch an seinen Rahmenbedingungen. Zwar kann, etwa bei der Berufswahl, durchaus das Interesse an bestimmten Personengruppen, z. B. dem Alter, dem Geschlecht oder dem Grad der Einschränkung nach – etwa an Kindern, an Jugendlichen, seelisch oder körperlich Kranken oder Behinderten, an Alten und Pflegebedürftigen – eine Rolle spielen. Aber dieses Interesse ist nicht selten anhand vorgegebener Ausbildungsgänge entstanden, also im Blick auf bereits etablierte Hilfefelder und -muster. Weitere und speziellere Schwerpunkte bilden sich oft erst später nach längeren Erfahrungszeiten und aufgrund eigener Neigungen und Befähigungen heraus. Selten kommen in Einstellungsinterviews – dies gilt für Interviewer wie für Interviewte – jemals Hilfeziele und schon gar nicht gesellschaftliche oder politische Konflikte zur Sprache, die für das Engagement und die Bereitschaft zum „Helfen“ auslösend gewesen sein oder prägend werden könnten. Auf beiden 93 Gesellschaftliche Akzeptanz für den sozialen Sektor ist allerdings labil und gefährdet z. B. hinsichtlich Verteilungs- und Kostenfragen.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

Seiten interessiert in der Regel in erster Linie der Hilfevorgang selbst, die persönliche Einstellung hierzu, seine Sicherung und nicht zuletzt die Stabilität der Rolle, die auf die Helfer dabei wartet und von diesen auch erwartet wird. So betrachtet ist die Selbstidentifikation der konfessionellen Sozialleister mit dem Wirt aus der Beispielgeschichte Jesu plausibel. Sie bedeutet auf beiden Seiten – auf Seiten des jeweiligen Unternehmens wie auf der Seite derer, die sich um die Mitarbeit in diesem bewerben, – die Selbstidentifikation mit den in der „Herberge“ Beschäftigten, aber eben nicht mit dem Samarier, der ja auch kein Helfer im beruflichen Sinne war. Dafür war er allerdings der, welcher unverzüglich handelte, als der Notleidende in seinem Blickfeld auftauchte. Zu 3.: Die hierarchische Ordnung Schon auf dem Hintergrund der oben beschriebenen Beobachtungen – der Körpersprache armer Menschen wie des Interesses von Bewerbern an der Helferrolle – zeigt sich, daß „auf Hilfe Angewiesensein“ und „Helfen“ schon immer in einer hierarchischen Ordnung stehen. In dieser liegen die Rollen der Beteiligten weithin fest. Sie verweisen auf bestimmte Plätze der gesellschaftlichen Rangordnung. Dies wird noch verstärkt durch ein in der Hilfeerwartung wie mit der Hilfeleistung gegebenes Gefälle. Sieht sich nämlich der Hilfe Erwartende oder gar Erbittende an der Grenze seiner eigenen Macht angekommen, so erhofft er sich vom Helfer ja gerade jenes „Mehr“ an Macht – an Kenntnissen, Fähigkeiten, Mitteln, an Einfluß und Durchsetzungsvermögen –, welches ihm zugute kommen möge, um seine Begrenztheit zu überwinden. Hilfe zu benötigen und zu erwarten, konstelliert selbst schon Hierarchie: der an Macht und Möglichkeiten Höherstehende und besser Ausgestattete soll, so die Erwartung, dem darin Geringeren etwas davon zur Verfügung stellen. Nicht selten machen sich Hilfebedürftige selbst kleiner, als sie sind, und überhöhen im gleichen Zuge ihre Ansprüche an die Helfer, um Hilfsbereitschaft und Helfen als Einstellung und Handeln des Anderen für sich zu festigen und um zugleich sich selbst von Mitwirkungsmöglichkeiten und -pflichten freizustellen. Parallel hierzu sind, wie Schmidbauer in mehreren Arbeiten aufgewiesen hat94, viele Helfer ihrerseits am Bestehen dieses Gefälles, ja, selbst an überhöhten Erwartungen an sie interessiert. Denn diese können dazu beitragen, eigene Unterlegenheitsgefühle und Hilflosigkeitserfahrungen zu kompensieren.95 So schaukeln sich Ansprüche und Ängste auf beiden Seiten gegenseitig hoch.

94

Vgl. z. B. Schmidbauer (1977 und 1983). Auf die komplexe Mitwirkung dieses Interesses an der Entstehung helfender Karrieren bis hin zum „Helfersyndrom“ kann hier nicht ausführlicher eingegangen werden. Auch die Ausbeutung dieses Komplexes durch Hilfebedürftige, welche das hier95

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Zu 4.: Geschichtliche Prägungen Schließlich kommt bei dieser Thematik noch eine bis heute nachwirkende historische Tatsache zum Zuge, durch welche die hierarchische Komponente des Helfens dominant wurde. Auf dem Hintergrund einer Verbindung des Helfens mit dem Gedanken der „Barmherzigkeit“ brachten die etwa von der Mitte des 19. Jahrhunderts an auftretenden Anreger und Väter konfessioneller Sozialleistungen, z. B. in der Diakonie, innerhalb der gesellschaftlichen Rahmenbedingen ihrer Zeit einen ausgeprägt patriarchalen Zug in ihre Impulse und in deren praktische Verwirklichung ein.96 Helfen sollte vor allem ein Akt hoheitlicher, bestenfalls väterlicher Herabneigung aus Barmherzigkeit, sozusagen ein Gnadenerweis sein. Ein Helfen, welches gesellschaftliche oder gar politische Gerechtigkeit zum Ziel erklärt hätte, wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Ja, es wäre ihnen als ein Anschlag auf die göttliche Ordnung des Staates und der Gesellschaft völlig unannehmbar erschienen. Deutlich wird dies z. B. an Johann Hinrich Wichern, der sich Diakonie nicht anders als in einem gottgewollten, festgefügten gesellschaftlichen Rahmen vorstellen konnte und wollte. In diesem Rahmen ergänzten sich Thron – als monarchisches Regiment – und Altar – als kirchliches Regiment über Glauben und Sitte – und stützten einander. Das Ziel der von Wichern geforderten, entwickelten und propagierten „Liebes“dienste konnte und sollte deshalb in seinem trotz aller neuen Impulse durch und durch konservativen Konzept nicht eine auch nur annähernd über den Status quo hinausweisende Gesellschaftsordnung sein. Es konnte und durfte nach seiner Vorstellung im Gegenteil nur um die Wiederherstellung und Festigung der gottgegebenen Ordnung gehen. Diese erschien jedoch damals vielen insbesondere durch die Französische Revolution und die ihr nachfolgenden politischen Erschütterungen und Veränderungen höchst bedroht. Hier war also die Nähe des Helfens zur Hierarchie im wörtlichsten Sinne evident – „Thron und Altar“ galten je für sich und in ihrer engen Bindung aneinander als gottgewollt und heilig. Helfen hatte deshalb, so sehr dabei auch Können, Umsicht und „Barmherzigkeit“ im Sinne einer dem Hilflosen zunächst zuvorkommenden Zuwendung als wichtig galten, stets zum Ziel die (Wieder)Einweisung des Hilfebedürftigen in die Rolle des dankbaren Untertanen. Dabei war es in dieser Konzeption kein Widerspruch, wenn diese Barmherzigkeit stets dem obrigkeitlichen Büttel sehr nahe stand, der bei Bedarf ohne Zögern herbeigerufen werden konnte und wurde. Dieses Helfen mußte nun möglichst wirkungsvoll und umfassend auf Dauer gestellt und in diesem Sinne professionell gestaltet werden. So entstanden mit der Ausbildung von Mitarbeitern für christliche, helfende Institutionen zahlreiarchische Gefälle zwischen Helfer und Hilfe-Benötigenden gewissermaßen für sich umkehren und ausnutzen, kann hier nicht dargestellt werden. 96 Vgl. Drude (1987 und 1998).

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che soziale Berufsgänge und -bilder.97 Die Ausbildungen und Ausbildungsstätten aber waren in genauer Entsprechung zum genannten Hilfe-Ziel durchweg selbst streng hierarchisch-patriarchal geprägt und geführt. Diese Prägung setzte sich in der Führungsstruktur jener helfenden Institutionen fort, in welchen die solchermaßen Ausgebildeten wiederum die Leitung übernahmen oder mitarbeiteten. Das Helfen als Tätigkeit, als Vorgang, als Beruf hatte seinen Sinn in sich selbst. Es war streng in eine hierarchisch-patriarchale Gesellschaftsordnung eingebettet und trug zu deren gottgegebenem und – wie z. B. in der Diakonie zumeist gedacht wurde – gottgewolltem Bestand bei. Zu 5.: Der veränderte Rahmen Es bedarf keiner ausführlichen Begründung dafür, daß dieses Hilfe-Verständnis heute nicht mehr tragfähig ist, schon weil sein weltanschaulich-gesellschaftlicher Rahmen nicht mehr fortbesteht. In Gesellschaften, in welchen über die Stellung der Glieder in der Gesellschaft Leistungswettbewerb entscheidet, also ein horizontal wirksames Muster eines durch menschliche Fähigkeiten und menschliches Können erzielten Vorsprungs oder eines von Menschen verursachten Nachteils, hat Hierarchie keinen Platz mehr. Wettbewerb setzt voraus, daß Menschen als gleichberechtigte Partner auftreten und agieren. Dies schließt allerdings nicht aus, daß hierarchiegeprägte Muster des Umgangs untereinander fortdauern, wie es gerade in traditionsgeprägten Segmenten der Gesellschaft nicht selten ist, in denen soziale Abhängigkeiten und Interventionen die Verhältnisse bestimmen. Zu 6.: Die biblische Richtschnur Wie im Kapitel II. gezeigt, bietet die Bibel inmitten eines von Hierarchien und von hierarchisch geprägten Weltbildern und Gesellschaften umgebenen Raumes ein völlig anderes Bild und Verständnis von Hilfe und Hilfeleistung. Dies läßt sich abschließend durch ein klassisch zu nennendes Psalmwort belegen, welches – scheinbar hierarchisch, weil an das Grundmuster: der schwache Hilfesuchende und der starke Helfer anknüpfend – dennoch den Kern eines hierarchiebefreiten Helfens und Hilfeerfahrens benennt: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen“.98

Charakteristisch ist hier: – der Mensch in Not wird ausdrücklich aufgefordert, zu „rufen“. Er wird in seiner Mündigkeit angesprochen, zum aktiven Handeln in eigener Sache auf97 Den Verfassern stehen hier z. B. Diakonen- und Diakonissen-Ausbildungsstätten vor Augen. 98 Psalm 50,15.

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gefordert und in eine für das Weitere entscheidende Position eingesetzt.99 Nicht Unterwerfung unter oder Einwilligung in seine Not wird verlangt, nicht die kindliche Haltung, die erwartet, Mutter oder Vater möchten doch das Leid des unmündig Hilflosen unaufgefordert erfassen. Der Notleidende kann nach diesem Psalmwort vielmehr seinen Helfer kennen und ansprechen – daran wird er erinnert. Er soll diesen zum Einschreiten aufrufen und zum Eingreifen in die eigenen Angelegenheiten ermächtigen; – der Mächtigere will offenkundig das mündige Gegenüber, sowohl im Rufen selbst wie vor allem hinsichtlich des erwarteten Ziels der Hilfe. Der befreiend Errettende will nicht Untergebene oder gar despotisch Unterworfene. Er will sich nicht in der Rolle des prinzipiell überlegenen Dauerhelfers sonnen, sondern Abhilfe schaffen. Er verzichtet auf jede hierarchische Position. Er will „erretten“, d. h. einen Vorgang der Befreiung, der (Wieder)Bemündigung und der dauerhaften Herstellung von Freiheit aus Unterdrückung oder Zwang herbeiführen und zum Ziel bringen. Nicht das Helfen steht hier im Mittelpunkt, sondern deutlich das Ziel der Hilfe; – der Hilfe Erfahrende soll seinen Helfer als Retter „preisen“. Auch dies geht über ein kindliches Trost- und Hilfebedürfnis weit hinaus. Kein Kind soll seinen Retter „preisen“. Es wird vielmehr, solange es hilflos ist, Hilfe als selbstverständlich und Helfen allenfalls als „schön“ erleben, also wenn z. B. das helfende Eingreifen nicht mit einer pädagogischen Nutzanwendung versehen wurde. Vom Mündigen aber, der seine Würde in Freiheit durch göttliches Handeln wiedergewann, ist Lobpreis zu erwarten. Im Lobpreis kommt Mündigkeit zum Ziel, nämlich aufrechter Gang, der die Wohltat wiedergeschenkter Freiheit, ohne sich kleingemacht haben zu müssen, zu würdigen weiß. Darüber hinaus ist „Lobpreis“, säkular gesprochen, Werbung, nämlich ein öffentlicher Hinweis auf die erfahrene Qualität der Leistung, verbunden mit dem Aufruf an andere, die gleiche Leistung für sich selbst in Anspruch zu nehmen.100 2. Praktische Folgerungen Von hier aus sind die Linien zu einer konfessionellen Dienstleistung, die dem biblischen Ansatz verpflichtet ist, leicht auszuziehen. Sie werden unter folgenden Stichworten dargestellt:

99 Im Falle des „halbtot“ Geschlagenen und – vermutlich – Bewußtlosen oder nicht mehr des Rufens Fähigen aus Jesu Beispielgeschichte liegt natürlich das Gesetz des Handelns beim Helfer. 100 Auch für diesen Zusammenhang des Lobpreises gibt es in der Bibel, insbesondere in den Psalmen zahlreiche Beispiele, vgl. Psalm 22,23; 35,18; 91,14 ff; 92,15 f; 116,13 f; 118,28.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

1. Helfen mit Ziel 2. Hierarchie innerhalb konfessioneller Dienstleistungsunternehmen 3. Das Verhältnis zwischen Leistungserstellern und Leistungsnachfragern 4. Hilfe in Vertragsform 5. Helfen vor und jenseits von Beziehungsarbeit 6. Der Hilfenachfrager als Kunde 7. Der undankbare Kunde 8. Der Rechtsanspruch auf Hilfe. Zu 1.: Helfen mit Ziel Konfessionelle Sozialleistung muß vor allem Helfen und Helfen-Wollen mit dem Hilfesuchenden gemeinsam ein Ziel entwickeln und deutlich benennen, auf welches hin die Hilfe angeboten, entwickelt und durchgeführt werden soll. Dies gilt zunächst schon deshalb, weil ohne Ziel keine Kontrolle möglich ist101 und kein Erfolg er„zielt“ werden kann.102 Doch es gilt auch weit darüber hinaus für die Bestimmung ihrer gesellschaftlichen Funktion. Wer ein Ziel anstrebt, muß den Ausgangspunkt bedenken und den Weg planen. Deshalb muß jede Dienstleistung ihren gesellschaftlichen Ort kennen, indem sie die jeweils entstehenden und bedrückenden Notlagen ihrer Zeit sieht und aufgreift und nicht lediglich bekannte verwaltet. Ferner muß sie ihr Tun bestimmen als ein Angebot, welches solche Ziele benennt und verfolgt. Dabei dürfen ihre Ziele und deren Durchführung nicht der Stabilisierung des status quo dienen, unter welchem die Notlage entstand. Denn wenn durch den jeweiligen status quo in der Gesellschaft Unfreiheit, Unterdrückung, Ausgrenzung von Gliedern der Gesellschaft eintraten und fortbestehen, so bestimmt dies nach dem biblischen Hilfeverständnis ja gerade jenen Zustand, gegen welchen Hilfe beginnen und Veränderung herbeiführen soll. Konfessionelle Sozialleistung, die auf dieser Grundlage arbeitet, kann nicht länger, was sie unzählige Male war und noch ist, ohne eigene Ziele lediglich Auftragnehmer – z. B. politischer oder administrativer Instanzen – sein wollen.103 Sie stünde sonst, bewußt oder nicht, in einer Hierarchiekette, die nicht auf das biblische Hilfeverständnis verpflichtet ist. Sie diente also fremden Ordnungs- und Zielvorgaben.

101 102

Dies begründet zugleich für das Management das Controlling, vgl. Abschnitt 5. Zum Stichwort „Erfolg“ vgl. Abschnitt 4, Kapitel III. sowie Abschnitt 5, Kapitel

III.2. 103

Vgl. Abschnitt 7, Kapitel IV.3.

Abschn. 2: Theologisch-ethische Grundlagen

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Das „Mehr“ an Gerechtigkeit, welches Jesus von seinen Jüngern forderte und als ihr Erkennungsmerkmal kennzeichnete104, muß in der Zielbestimmung jedes christlichen Handelns und jedes konfessionellen Sozialleistungsunternehmens erkennbar formuliert resp. jederzeit formulierbar sein. Zu 2.: Hierarchie innerhalb konfessioneller Dienstleistungsunternehmen Christlich-ethische Leitsätze oder Leitlinien, die derzeit allenthalben erarbeitet werden, dienen dem status quo, wenn sie nicht gesellschaftlich relevante Zielsetzungen im zuvor genannten Sinne formulieren. Sie können sonst nicht als christlich begründet angesehen werden. Christlich begründete Sozialleistungsunternehmen müssen vielmehr sicherstellen, daß im Ablauf des Hilfegeschehens innerhalb des Unternehmens nicht selbst wieder Hierarchien bestehen oder gar entstehen, die den jeweils Höhergestellten, den Hilfeverlauf und das Hilfeziel unüberprüfbar machen. Dies stellt herkömmliche, noch vielfach hierarchische Rollenmuster gerade in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen und deren Leitungs- und Führungsstrukturen infrage. Es kann auf diesem Hintergrund künftig auch nicht mehr darum gehen, den theologisch Kundigsten oder den durch seine Stellung in der kirchlichen Hierarchie am meisten Herausgehobenen zur unhinterfragbaren Leitungsfigur in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen zu machen und dann gar noch zu meinen, damit den christlichen Charakter des Helfens und des helfenden Unternehmens gesichert zu haben.105 Dies würde die Mündigkeit der Helfer und Wiedereinsetzung der Hilfesuchenden in ein selbstbestimmtes Leben infrage stellen. Es trägt zudem, entgegen dem biblischen Ansatz, wieder hierarchische Strukturen in die Unternehmen ein – etwa durch deren Unterordnung unter Interessen der kirchlichen Hierarchie. Es wertet zudem die Kompetenzen anderer, an der Sozialleistungserstellung maßgeblich und unverzichtbar Beteiligter zum Nachteil des Unternehmens und seiner Glaubwürdigkeit ab, so z. B. Sachkundige für ökonomische Steuerungspotenziale. Zu 3.: Das Verhältnis zwischen Leistungserstellern und Leistungsnachfragern Vor allem aber muß das Hilfegeschehen selbst von hierarchischen Rollen und Umgangsweisen frei sein. Dies läßt sich, wie Erfahrung lehrt, nicht erreichen, ohne auf erhebliche Widerstände zu stoßen. So hat z. B. der Satz in einem Unternehmensleitbild, an welchem die Autoren maßgeblich beteiligt waren, beträchtliches Aufsehen und starke Widerstände hervorgerufen: „niemand bei uns ist berechtigt, ungebeten Hilfe zu leisten“.106 104 105 106

Matthäus 5,20. Gesichert wäre hier allenfalls ein kirchlicher Zugriff auf einen Mitarbeiter. Zum Leitbild vgl. Abschnitt 2, Kapitel IV.3.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

Dieser Satz beruhte aber – ohne daß dies damals bereits herausgearbeitet war – auf Psalm 50, wonach der um Hilfe Rufende gerade damit als entscheidend Handelnder in seinen ureigensten Angelegenheiten angesprochen und bestätigt wird. Der zitierte Satz verletzte gleichwohl bei Angestellten wie bei Mitgliedern des Aufsichtsorgans offenkundig Voreinstellungen etwa von der Art, daß Helfen selbst doch etwas Gutes sei, welches als solches von jedem, gerade auch vom Hilfe Bedürfenden, ungefragt anerkannt (und folglich auch erduldet) werden müsse. Es verletzte das traditionelle Rollenverständnis vieler. Nur zögernd und nach einem langen Diskussionsprozeß öffneten sich Einzelne diesem Satz, dann allerdings mit dem wachsenden Gefühl, von mancherlei Rollenzwängen und -übererwartungen frei zu werden. Zu 4.: Hilfe in Vertragsform Aus der genannten Position folgt zwingend, daß Hilfe. die dem biblischen Zug zur Befreiung von Hierarchie folgt, nur dann ihrem Auftrag gerecht wird, wenn sie in Vertragsform angeboten, vereinbart und durchgeführt wird.107 Diese gebietet und sichert es, den Hilfesuchenden als Partner zu sehen und ernst zu nehmen. Durch sie ist er von Anfang des helfenden Geschehens an in einer selbstbestimmten Position an diesem beteiligt und nicht erst, wie es so oft aus angeblich pädadogischen Gründen von Helfern befürwortet wird, am Ende, wenn ihn die Hilfe „dazu wieder befähigt habe“. Dabei geht es zuallererst darum, die Ziele der Hilfe, die der Hilfesuchende selbst verfolgt, zu erfragen und zu erfassen. Dies ist vor allem im Blick auf deren oftmals entwürdigende Vorgeschichten und Vorerfahrungen von schlechthin grundlegender Bedeutung. Anders würden sie durch „Hilfe“ weiter in ihrer Fremdbestimmtheit festgehalten. Nicht selten sind Hilfesuchende durch die Erfahrungen und Auswirkungen ihrer Notlage indes schon soweit entmutigt und geschwächt108, daß sie anscheinend gar kein Ziel mehr zu verfolgen in der Lage sind und nur erst einmal ungestört „in Ruhe gelassen“ und der zermürbenden Sorge um das tägliche Überleben enthoben sein wollen. Gerade hier schafft die Vertragsform Entlastung und Klarheit. Denn durch sie erfährt der Hilfesuchende, daß eben dies „In-Ruhe-Gelassen-Werden“ als sein erstes Ziel Anerken107

Dem steht das Samarier-Beispiel nicht entgegen, da der „halbtot Geschlagene“ als Vertragspartner ausfiel. Der Samarier hat diesen Mangel durch möglichste zeitliche und sachliche Selbstbegrenzung seines Helfens ausgeglichen, wenn man nicht annehmen will, daß er mit dem schwer Verwundeten, sobald dieser dazu fähig war, noch ein Einvernehmen über sein Vorgehen herbeigeführt hat. Der gleiche Vorbehalt gilt natürlich auch für die oft fadenscheinig geführte Diskussion um die Legitimität von Notoperationen. 108 Z. B. Menschen, die lange Zeit mittellos und hilflos auf der Straße lebten, oder auch Menschen, deren seelische Erkrankung lange Zeit hindurch von ihrer Umgebung oder auch von ihnen selbst verkannt, verleugnet oder verdrängt worden ist.

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nung findet, nach dessen Erreichung weitere Ziele entwickelt und angesteuert werden können. Dadurch, daß Hilfe vertraglich gestaltet wird, verliert sie – noch einmal gesagt – den fatalen und hierarchiestärkenden Charakter des Selbstzwecks. Die Notlage des Nachfragers wird vielmehr zu einer Phase, die einen Anfang und ein mögliches Ende hat.109 Schon dies bewirkt oft erhebliche Veränderungen in der Selbstwahrnehmung und -einschätzung von Menschen in Not. Es kann bei ihnen einen starken Schub von Bereitschaft zu eigener Aktivierung und von Mitwirkung an der weiteren Hilfe auslösen. Dies steigert wiederum die Effizienz der Dienstleistung erheblich, was auch ein Licht auf die volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Hilfe-Verständnisses wirft. Hilfe auf der Grundlage und in Gestalt eines Vertrages stärkt nicht zuletzt die Zufriedenheit der Nachfrager wie der Anbieter. Sie geht vom ersten Augenblick an von der Würde des Hilfebegehrenden aus wie auch von der des Leistungerstellenden. Der entscheidende Inhalt und die entscheidende Wirkung des Vertrages ist ja die Anerkennung, Wiedergewinnung und Stärkung der Würde – auf beiden Seiten. Eine solche Hilfe macht ernst mit der biblischen Wahrheit, daß Würde ein dem Menschen von Gott gegebener Wert ist. Ihn stellen Menschen nicht – auch durch das barmherzigste Handeln nicht – her, sondern können ihn nur anerkennen und einander zuerkennen. So gestaltete Hilfe setzt den Hilfesuchenden in die Rolle dessen, der „ruft“, nicht dessen, der etwas braucht, was der Hilfsbereite schon zu kennen und verfügbar zu haben meint. Sie schützt den Hilfesuchenden davor, fremden Vorstellungen und Absichten unterworfen zu werden oder sich selbst unterwerfen zu müssen. Dies geschieht ja nicht selten nur deshalb, um überhaupt einen Helfer und vielleicht eine Entlastung von einer schwer zu ertragenden Notlage zu finden, z. B. ein Essen gegen Hunger, ein Dach gegen Obdachlosigkeit, ein Bett gegen Erschöpfung, einen Schutzraum gegen Verzweiflung, einen Verband auf Wunden oder eine Tablette gegen Schmerzen. Solche Hilfe schützt aber ebenso den Helfer vor Übererwartungen und Selbstüberforderung. Sie entlastet ihn erheblich. Sie nötigt ihn allerdings auch dazu, seine Helferrolle zu „entzaubern“ und seine tatsächlichen Möglichkeiten wie auch deren Grenzen offen zu legen. Dafür verschafft ihm die Vertragsform mit einvernehmlich vereinbarten (Teil)Schritten eine im helfenden Geschehen

109 Dem widerspricht nicht, daß viele Notlagen, z. B. chronische Erkrankungen oder zunehmende Pflegebedürftigkeit nach menschlichem Ermessen kein zeitliches Ende haben. Ziele unter diesem Vorzeichen, nämlich unter der Bedingung der Endlichkeit jedes menschlichen Daseins, können dennoch „vertraglich“ vereinbart werden mit dem Ziel, ein Leben in Würde und möglichst weitgehender Selbstbestimmtheit, d. h. unter Einschluß der Frage, welchen Grad von Hilfeabhängigkeit und -leistung der Hilfesuchende bejahen und annehmen kann und möchte, zu führen.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

bislang oft fehlende Genugtuung, nämlich daß die Erreichung eines Hilfe(teil)ziels ihm auch Anerkennung, in jedem Fall aber Selbstbestätigung einbringt. Darüber hinaus erhöht sich die Effizienz des Hilfegeschehens, weil Fehlentwicklungen ebenso wie vorzeitig erreichte Hilfeziele – von beiden Vertragspartnern – früher und genauer, als dies ohne vertragliche Vereinbarung möglich wäre, wahrgenommen und gegebenenfalls nachgesteuert oder als abgeschlossen betrachtet werden können. Hilfe in Vertragsform ist die Enthierarchisierung jedes Hilfegeschehens. In ihr läßt sich deshalb die christliche Erfüllung des göttlichen Liebesgebotes zeit- und sachgemäß abbilden.110 Zu 5.: Helfen vor und jenseits von „Beziehungsarbeit“ Einen zusätzlichen, theologisch gut begründeten Hintergrund einer Hilfe in Vertragsform bildet das christliche Liebesgebot in Verbindung mit Jesu Wort, welches „Herunterherrschen“ aus dem christlichen Dienen ausschließt. Dies Gebot ist und bleibt das Herzstück des biblischen Hilfegedankens, angewandt auf das christliche Sozialleistungsgeschehen für Menschen in materieller, sozialer und persönlicher Not. Es wehrt in seiner genuinen Auslegung, wie sie durch Jesu Beispielgeschichte bekräftigt wird, der Gefahr einer Reduktion des Helfens bzw. Liebens auf die Arbeit an der Beziehung zwischen Helfern und Hilfesuchenden. „Beziehungsarbeit“, oft als Kernaufgabe und Charakteristikum christlichen Helfens ausgerufen, kann aber nicht die ihr innewohnende Vereinnahmung vergessen lassen, in welcher der Schwächere zur Erfüllung geheimer Kontaktwünsche der Helfer dienen muß. „Beziehungsarbeit“ bedeutet ja nicht selten vor allem den Anspruch an den Hilfenachfrager, sich auf den Helfer und auf dessen Kontaktansprüche einzulassen.111 Das aber ist geradewegs das Gegenteil dessen, was das Liebesgebot verlangt. Für den christlichen Dienstgedanken ist jedenfalls, was nur auf den ersten Blick paradox erscheint, nicht der Anspruch auf Beziehung und Vertrauen entscheidend, der von Helfern so oft als erste und vorrangige Voraussetzung jedes Hilfe„prozesses“ bezeichnet wird112. Kennzeichnend für ein biblisch begründetes Helfen ist vielmehr die Zumutung an den Helfer, die Situation des Hilfesuchenden aus dessen Blickwinkel zu erfassen, ihn danach zu befragen und daran anknüpfend realistisch einzuschätzen, 110 Es wurde bewußt vermieden, als Bezugsgröße zum hiesigen Thema den beide Testamente der Bibel durchziehenden Gedanken des „Bundesschlusses“, z. B. 1Mose 15,18; 2Mose 24,8; Hesekiel 16,8; 1Korinther 11,25 einzubringen. Auf der Grundlage dieses Stichworts sind ganze Theologien entwickelt worden, ausgeprägt vor allem in reformierten Kirchen. Dennoch bleibt die Klärung das Verhältnisses zwischen „Bund“ und „Vertrag“ noch zu untersuchen, insbesondere auch im Blick auf hierarchische Aspekte und Asymmetrien. 111 „Beziehungsarbeit“ ist allemal ein Begriff aus der Sprache der Helfer, niemals der Hilfenachfrager. 112 Der Begriff weckt auch Assoziationen beklemmender Art.

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was angesichts dieser Lage von Helferseite her jeweils geleistet werden kann, mit dem Hilfebedürfenden abzustimmen und zu handeln. Das Interesse am, trotz aller Präzedenzfälle einzigartigen und unbekannten Fall sowie die nüchterne Beschreibung der Möglichkeiten des Helfers sind die maßgeblichen Voraussetzungen jedes Hilfegeschehens im christlichen Sinn. Sie werden durch die angeblich vorrangige Beziehungsarbeit oft eher umgangen oder verschleiert als erfüllt. Sie enthalten aber selbst genug Vertrauen Stiftendes. Sie erfüllen so den christlichen Sinn des Helfens, der durch Beziehungsarbeit allenfalls gewollt, oft aber eher vertrieben wird. Nicht in die Falle der vermeintlich zentral christlichen Beziehungsarbeit zu tappen, macht viel von der Professionalität christlichen Helfens aus. Statt Beziehungsarbeit ist also das Herstellen rationaler Vertragsbeziehungen Thema und Aufgabe christlicher Sozialdienstleistungen. Dieses setzt ein mit dem Erfassen der jeweiligen Notlage („als seist du an seiner Stelle“), erkundet Hilfeerwartungen und -ziele des Hilfebegehrenden, gleicht diese mit den eigenen Hilfemöglichkeiten ab, vereinbart darauf aufbauend gemeinsam mit dem Hilfesuchenden einen Hilfeplan nach Inhalt und Zeitbedarf sowie Teilziele und Zwischenschritte.113 Die Erstellung und Vereinbarung eines Hilfevertrages setzt alle Energie und Sorgfalt an dessen Durchführung und sucht dazu ständigen Austausch und Verständigung mit dem Hilfesuchenden und dessen Sicht, um die vereinbarten Ziele und den Hilfeverlauf mit dessen Beteiligung und Einwilligung zeitnah korrigieren zu können, sobald sich Korrekturbedarf abzeichnet.114 Dies alles sind Akte der „Nächstenliebe“ als Dienst gerade auch am fremden und oft auch fremd bleibenden Nächsten und im Respekt vor seiner auf Achtung und Wiedereinsetzung wartenden Würde. Es ist keine Schande, daß konfessionelle Dienstleistungsunternehmen den Vertragsgedanken oder ein analoges Vorgehensmuster, historisch betrachtet, nicht aus sich selbst entwickelt haben, sondern Derartiges um vermeintlich „christlicherer“ Strukturen barmherziger Zuwendung zum Notleidenden willen lange Zeit hindurch für unnötig hielten. Ein Schade wäre es aber, das Beziehungsmuster des Vertrages als unchristlich zurückzuweisen, anstatt seine den biblischen Dienstgedanken stützende Qualität zu achten und zu nutzen. Zu 6.: Der Hilfenachfrager als Kunde Das zuvor über den Hilfevertrag Gesagte gilt in gleicher Weise auch für den Begriff des „Kunden“. Auch er wurde nicht aus der christlichen Hilfeidee selbst heraus entwickelt. Er bringt aber für ihre praktische Umsetzung vorzügliche Qualitäten mit. Auch er sichert – wie der Vertrag, mit dem er ja auch engstens 113 114

Ökonomen sprechen hier von operationalen Teilzielen. Vgl. Abschnitt 5, Kapitel II.5.

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verwandt ist115, – die Unantastbarkeit der Würde des auf Hilfe Angewiesenen. Dieser bleibt als Kunde von Anfang bis Ende des Hilfegeschehens Herr seines Weges und seiner Ziele.116 Seine Erwartungen bilden Ausgangs- und Angelpunkt der Hilfe. Seine Zufriedenheit mit dem Erreichten ist wichtiger als jedes Vertrauen, welches vielleicht „Beziehung“ schafft, aber keinen Fortschritt der Hilfe. Seine Erfahrungen mit dem Hilfegeschehen werden sein Vertrauen finden und verdienen, wenn dieses zur Wiederherstellung seiner Freiheit in Würde geführt hat und diese sichert. Dennoch ist der Kunden-Begriff im Einflußbereich konfessioneller Sozialleister bis heute umstritten. Zu sehr tastet er offenkundig vertraute Besitzstände an. Als einer der Verfasser vor Jahren einen Artikel unter der Überschrift „Liebe deinen Kunden wie dich selbst“ veröffentlichte117, erntete er ungewöhnlich lebhafte Reaktionen, zustimmende wie empörte. Dies geschah nicht zufällig. Zumeist wird dem Begriff „Kunde“ im Umfeld christlicher Sozialleistungen Sachfremdheit und unpersönliche Kälte vorgeworfen.118 In der Tat verletzt der Kunden-Begriff das Selbstbild eines Umgangs zwischen Helfern und Hilfesuchenden, bei dem die Helfer nicht Leistungen anbieten und sich mit ihnen dem Wettbewerb und der Wahl des Abnehmers stellen, sondern Gaben zuteilen. An diesem Selbstbild wärmen sich gerade gutwillige und zu menschenwürdigem Umgang bereite Helfer gern selbst. Bringt ihnen der Kundenbegriff also zuviel Rationalität und Kontrolle ins Spiel? Nimmt ihnen der „Kunde“ etwas von ihrem Wertgefühl, eben weil mit ihm der Andere, der „Fremde“ mit seiner Not und mit seinen Erwartungen, ja, Ansprüchen in den Weg tritt, der nicht dem eigenen Willen zu wohltätigem Handeln verfügbar ist? Verletzt er so das Selbstbild eines immerdar gütigen Wohltäters, der (natürlich) nicht nur das Beste für den Schwächeren will, sondern auch schon mit Gewißheit zu kennen meint? Die genannte Artikelschlagzeile provozierte. Offen blieb dabei, worin der größere Tabubruch lag: in der Einführung des „Kunden“ in das Liebesgebot oder umgekehrt in der Zuspitzung der Nächstenliebe auf den „Kunden“. Zeigt aber der Widerstand gegen diese Verbindung nicht auch, daß das NächstenliebeGebot am leichtesten da erfüllbar erscheint, wo es unkonkret bleibt? Was wäre denn gegen seine Anwendung auf konkrete Personen in konkreten Rollen einzuwenden, wenn es z. B. hieße: „liebe deine Ehefrau, deinen Ehemann, dein Kind, deine Kollegen, deinen Händler, deinen Arzt, deinen Steuerberater wie dich selbst“? Immer liegt in solchen Kombinationen die Entdeckung bereit, daß Nächstenliebe keineswegs als solche Nähe stiftet, daß sie diese aber auch nicht 115 Jeder Austausch zwischen Kunde und Lieferant hat, ungeachtet möglicher Störungen, Vertragsqualität. 116 Also als „Rufender“. 117 Vgl. Diakonie-Report 2/1997. 118 Als sei der Kunde für den redlichen Hersteller oder Händler etwas Unpersönliches oder Kaltes.

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notwendig braucht. Im Gegenteil. Nächstenliebe hat ja gerade das Fremdsein, zumindest doch das Anderssein des anderen zur Voraussetzung und es dennoch zu achten. Dies macht sie nicht leichter. Es zeigt aber auch, daß sie etwas anderes ist als die Erfüllung eigener Bedürfnisse. Der Kundenbegriff ist die Probe darauf, ob der Gedanke der Dienstleistung in Vertragsform wirklich gilt und ernst genommen wird. Wie der Vertrag, so stärkt der Kundenbegriff – gerade im Sozialleistungsbereich, wo es z. B. auch um Ausgrenzung und Armut gehen kann, – den biblisch gut begründeten Gedanken der Kundensouveränität als Ausdruck und Folge der Würde eines jeden Menschen. Keine Hilfe darf sich eine christlich-ethisch verantwortete nennen, die nicht Würde und also auch Kundensouveränität anerkennt und stärkt. Dies schließt den Respekt vor dem Wunsch des Nachfragers ein, gegebenenfalls den Anbieter und sein Angebot zu wechseln. Sie schließt weiterhin den Respekt davor ein, daß über die Qualität des Leistungsangebots jeweils der Kunde das letzte Wort hat. Schließlich sollte nicht übersehen werden, daß die Kundenrolle, wie sie durch Sozialgesetzgebung und Rechtsprechung gestärkt wurde, eben auch eine bedeutende demokratische Funktion hat: sie läßt Rang- und Besitzunterschiede der Hilfenachfrager unberücksichtigt. Diese erscheinen in jedem Fall, ob vermögend oder wirtschaftlich schwach, als Käufer von Leistungen. Demzufolge kann der Gutsituierte ebenso darauf bestehen, daß ihm die gesuchte Leistung zum angemessenen Preis angeboten wird, wie der wirtschaftlich Schwache auf höchstmögliche Leistung für sein Entgelt pochen kann. In der jeweiligen Orientierung der Helfer an Kundenwünschen verschwinden Rangunterschiede – eine säkularisierte, demokratische Umsetzung des biblischen Versprechens, bei Gott gebe es „kein Ansehen der Person“.119 Dieser Zusammenhang zwischen einem biblischen Grundzug und der demokratischen Verfassung unseres Landes wird durch die gesellschaftliche Entwicklung der Republik weiter gestärkt. Zu 7.: Der undankbare Kunde Als besonders unangemessene (aber eben auch unangenehme) Anwendung des Kunden-Begriffes auf das christliche Hilfefeld wird vielfach empfunden, daß mit ihm die Möglichkeit des unzufriedenen Kunden mitgesetzt ist. Dieser kann dem jeweiligen Hilfeangebot den Rücken kehren und tut es zuweilen tatsächlich. Dies ist in der Tat nicht nur bei körperlich mobilen Kunden möglich, sondern durchaus auch bei behinderten und pflegebedürftigen. Aber angesichts des Kundenbegriffs sind die Reste patriarchalen Denkens noch mit Händen zu greifen. Denn in einem patriarchal-barmherzigen Hilfesystem wird der einem 119 Vgl. z. B. 5Mose 10,17; 2Chronik 19,7; Apostelgeschichte 10,34; Römer 2,11; Galater 2,6; vgl. auch 5Mose 1,17; Hiob 32,21; 1Petrus 1,17; Jakobus 2. 1.

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Hilfeangebot den Rücken Kehrende eben nicht als der unzufriedene, sondern als der „undankbare“ Kunde erlebt. Dagegen gehen in einem durch Dienstleistung in Vertragsform geprägten Hilfefeld die Signale des unzufriedenen Kunden zurück an den Anbieter120, ob er die Erwartungen des Kunden erfüllte oder gar gegen dessen Anspruch auf würdige Behandlung und Achtung seiner Integrität verstieß, so daß dieser seine göttliche Bestimmung nur schützen konnte durch Abkehr von einem unterdrückenden System und durch Aufsuchen eines anderen. Zu 8.: Der einklagbare Rechtsanspruch Einen entscheidenden Anstoß für die Entwicklung und Anwendung des Vertrags- und des Kunden-Gedankens auf das Feld sozialer Dienste gab der Gesetzgeber, der aus der Sozialhilfe-„Gewährung“ einen Rechtsanspruch machte. Dies unterstrich die Rechtsprechung im berühmten Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1967, welches ausführte, der Staat habe nicht das Recht, seine Bürger zu bessern.121 Zu ergänzen wäre hier: besonders da nicht, wo diese Bürger auf staatliche Leistungen zur Sicherung ihres Überlebens in Würde angewiesen sind. Vor allem aber stärkte dieses Urteil den mündigen Bürger in seiner Stellung als Souverän. Auch in diese Frage flossen also durch den Gesetzgeber von Grund auf biblisch-christliche Optionen in die Fortentwicklung der Hilfegewährung und damit der sozialen Dienstleistungsunternehmen selbst wie auch in die gesellschaftliche Rechtskultur ein. Der einklagbare Rechtsanspruch „dem Grunde nach“ – im Einzelfall auch „der Höhe nach“ – machte aus dem Empfänger staatlicher Leistungen den zahlenden Kunden, der seine Rechtsansprüche entsprechend seiner Wahl einlösen und das von ihm gewählte Hilfeangebot mit deren Umsetzung beauftragen kann.122 Was die durch die Wahlfreiheit des Kunden oft noch irritierten Mitarbeiter sozialer Dienste seltener realisieren, ist, daß nicht nur der sich abwendende Kunde eine Botschaft aussendet – nämlich die seiner Unzufriedenheit –, son120 Schon deshalb ist im Dienstleistungsbereich die Anwendung von Qualitäts-Prüfungsverfahren wie z. B. EFQM (European Foundation of Quality Management) als Instrument ständiger Rückkopplung zum Nachfrager dringend erforderlich und anzuraten; vgl. hierzu Abschnitt 4, Kapitel II.3. 121 Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1967, BVerfGE 22, 180. Ausgangspunkt dieses Urteils war die Frage, ob „gefährdete Personen“ ohne weiteres in Heimen unterzubringen seien. 122 Das verbreitete Denkschema, wonach Sozialleistungsunternehmen mit den Entgelten für ihre Dienstleistungen „staatliche Mittel“ einnähmen, bedarf dringend der Korrektur. Es handelt sich vielmehr um Mittel, die den Nachfragern aufgrund von Rechtsansprüchen, z. B. an Versicherungen, zukommen und die sie an das jeweils das die Leistungen erstellende Unternehmen einzahlen.

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dern auch der bleibende. Er bestätigt die Helfer einzigartig dadurch, daß er ihnen zu verstehen gibt: „Ich bin nicht mehr hier wegen meiner Notlage, sondern wegen der Erfahrungen von Hilfe, welche mir das von mir gewählte Dienstleistungsunternehmen vermittelt und welche mir das Erreichen meiner Hilfeziele aussichtsreich erscheinen lassen“.123

IV. Führen auf theologisch-ethischer Grundlage 1. Zum Begriff und zur Aufgabenstellung Hierzu werden im Folgenden vier Aspekte dargestellt: 1. Die individualistische Prägung 2. Der status quo 3. Führen und Leiten 4. Die Aufgabe. Zu 1.: Die individualistische Prägung Ohne Zweifel ist „Führen“ ein biblisch-theologisches Thema. Es ist, um den für Christen vielleicht zentralsten Bezugspunkt zu nennen, ein notwendiges Korrelat zum Begriff der „Nachfolge“.124 Dennoch kommt es heute – anders als das Stichwort „Helfen“ – auf Mitarbeiter in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen nicht als ein im Bewusstsein fest verankertes theologisches Thema zu. Hier hat das Thema „Führen“ allenfalls biographische Bedeutung, etwa wenn es einzelne oder Gruppen als ihre Überzeugung aussprechen, in dieser oder jener Lebensphase „geführt“ worden zu sein, oder im Sinne einer an der

123 In den letzten Jahren sind die Rechte der Hilfenachfrager – nicht immer in ihrer materiellen Ausstattung, wohl aber in ihrer Rolle als Nachfrager und Anspruchsberechtigte – gestärkt worden, z. B. durch die Pflegeversicherung, auch wenn mit der Realisierung einzelner Ansprüche auch würde bedrohende Überprüfungs- und Kontrollabläufe verbunden sein können. Es gibt jedoch auch gegenläufige politische Versuche wie z. B. den „Niedersächsischen Landesrahmenvertrag“ von 2002, der jedoch durch den Widerspruch einiger konfessioneller und anderer Sozialleistungsunternehmen gerichtlich als nichtig erklärt wurde. 124 Der Zusammenhang zwischen „Führen“ bzw. „Geführtwerden“ und „Nachfolge“ ist, soweit die Verfasser sehen, theologisch nicht geklärt. In der epochemachenden Monographie von Dietrich Bonhoeffer zur Nachfolge, welche im Zentrum eine Auslegung der Bergpredigt bietet, wird das Thema ganz vom Beginn her, nämlich vom Augenblick der „Berufung“ aus dargestellt. Auf diesen Initiationsakt antwortet der Glaube in Gestalt von Gehorsam. Gehorsam und Gefolgschaft als Gehorsamsakt bleiben denn auch weiterhin Akte stetiger Befolgung von Weisungen und Geboten. Christus erscheint dabei eher als neuer Lehrer (Bergpredigt: Mose), nicht als der vorausgehende Begleiter auf einem Weg.

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christlichen Lehre oder Ethik ausgerichteten Lebens-„führung“. Im traditionell christlichen Milieu ist das Wortfeld „führen“ oder „Führung“ weitgehend individualisiert, d. h. auf die einzelne Person zentriert. Die Aufgabe der Führung in und von Gruppen oder gar in und von Unternehmen liegt weitgehend außerhalb des Gesichtskreises oder ist zumindest nicht mit professionellen Kenntnissen und Erfahrungen gefüllt.125 So können sich, wie die Erfahrung zeigt, selbst sozial sich engagierende Gemeindeglieder und -pfarrer Leitungsaufgaben in einem konfessionellen Unternehmen kaum vorstellen. Schon in der theologisch orientierten Ausbildung christlicher Funktionsträger kommt dieses Begriffsfeld allenfalls im Zusammenhang einer angemessenen Lebens- oder Amtsführung in Blick, kaum aber als Begriff, der sich mit Fragen des Umgangs mit anderen, zumal in Organisationen verbindet. Ob hier die neuesten, eher populistisch anmutenden Versuche, Kirchen als „Unternehmen“ zu definieren, wirklich eine intensive, gar theologisch qualifizierte Auseinandersetzung mit Wesen und Praxis von „Führung“ auslösen werden, darf zumindest bezweifelt werden.126 Zu 2.: Der status quo Dennoch kommen auf jeden kirchlichen Funktionsträger wie auch auf jeden Christen, der sich auf das Feld sozialer Dienstleistungen und entsprechend ausgerichteter Unternehmen begibt, unausweichlich Führungs-Aufgaben zu. Dies gilt nicht nur für die Gesamtleitung, sondern auch in vielen Teilbereichen wie etwa einzelnen Heimen, in Abteilungen, Stationen, Gruppen etc.127 Es ist kaum übertrieben zu behaupten, es gebe auf solche Führungsaufgaben keinerlei christliche, d. h. von theologisch-ethischen Positionen geprägte und gefüllte Vorbereitung. Dies können die Verfasser aus vielen Jahren der Mitarbeit in leitenden Tätigkeiten in konfessionellen Dienstleistungsunternehmen belegen.128 Wenn im Raum kirchlicher Arbeit Führungsaufgaben bedacht werden, so eher unter dem Stichwort „Leiten“ bzw. „Leitung“. Auch dieser Begriff ist zwar in seinem Ver125 Vielleicht ist sogar die Vermutung zulässig, das Thema „Führen“ erschiene manchen Christen eher als ein fremdes Thema. Dies würde entsprechende Berührungsängste und Vorbehalte verständlich machen. 126 Kirchen sind sowenig wie eine Kommune oder der Staat ein Unternehmen, können aber sehr wohl unternehmerisch tätig werden. 127 Vor wenigen Jahrzehnten noch wurden von christlichen Unternehmen, welche Ausbildungsstätten für soziale Dienstleistungen betrieben, deren Absolventen – im Extremfall bereits einen Tag nach deren Ausbildungsabschluß – übergangslos in die Leitung etwa eines Kinder-, Alten- oder auch Seemannsheims abgeordnet. 128 Auch Fortbildungen, wie sie etwa seit Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts von sozialen Spitzenverbänden, z. B. vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, als „Management“-Kurse angeboten wurden, haben das Wortfeld „Führen“ nicht zielführend besetzt. Wohl nicht zufällig wurde vielmehr nach dem Fremdwort „Management“ gegriffen. Hier konnte und mußte man nicht an ein begrifflich und sachlich tradiertes, wenn auch nur unzureichend geklärtes Thema aus der biblischen Tradition anknüpfen.

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hältnis zur biblischen Tradition nur wenig ausgearbeitet. Er hat aber immerhin, schon sprachlich, auch in der Kirche Tradition.129 Zu 3.: Führen und Leiten Gerade an dieser Stelle zeigt sich der besondere Bezug des Begriffsfelds „Führen“ und „Führung“ zur aufgezeigten biblischen Überlieferung. Denn offenkundig ist die „Leitung“ einer Gemeinde oder etwa einer Kirche stärker hierarchisch gedacht und geprägt als ihre „Führung“. Umgekehrt ist der Begriff „Führung“ weniger von hierarchischen Traditionen belastet als „Leitung“. Dies schon wegen des oben angeklungenen Sprachgebrauchs, nach welchem „Führung“ viel mit individueller Selbststeuerung zu tun hat.130 Aber selbst wenn bei „Führung“ an das „Geführt-Werden“ als eine Glaubenserfahrung gedacht ist131, dürfte die hierarchische Komponente dabei nicht vorherrschend empfunden werden etwa im Sinne einer Herrschaftsbeziehung. Eher schon wird „Führung“ in diesem Zusammenhang als ein unsichtbar lenkendes, quasi an die Hand nehmendes Geleit verstanden, welches oft erst aus der Rückschau als solches erkannt und gewürdigt wird. Dies alles zeigt, daß für ein rationales, ethisch begründetes, auf andere Personen gerichtetes Führungshandeln in der derzeitigen christlichen Tradition keine Orientierung bereit steht. In christlichen Ethiken der Neuzeit, soweit sie den Verfassern bekannt und zugänglich sind, taucht der Begriff „Führen“ nicht auf. Er ist als Thema christlichen Handelns und damit als ethisch gefüllter Orientierungsbegriff für christliche Führungskräfte nicht erkannt und benannt.132 Exkurs: In den „theologischen“ oder „christlichen“ Ethiken seit 1960, die den Verfassern zugänglich waren, findet sich das Stichwort „Führen“ nicht. Dies gilt bemerkenswerterweise sogar von der „Wirtschaftsethik“ des für die Verbindung von theologischem und wirtschaftszugewandtem Denken bahnbrechenden Züricher Theologen Arthur Rich.133 Einzig die „Theologische Wirtschaftsethik im Kontext diakonischer Unternehmenspolitik“ von Alfred Jäger, 1986 unter dem Titel „Diakonie als christliches Unternehmen“ vorgelegt, besetzt das Thema

129

Vgl. z. B. „Gemeindeleitung“; „Kirchenleitung“. Vgl. z. B. „gute Führung“ oder „Führungszeugnis“. 131 Zu denken ist hier etwa an die 6. Bitte des Vaterunsers: „führe uns nicht in Versuchung“. 132 Da in anderen Berufsausbildungsgängen, z. B. in der Betriebswirtschaftslehre, sehr wohl gründliche Kenntnisse zum Thema „Führen“ vermittelt werden, geraten entsprechend Ausgebildete, wenn sie in konfessionellen Unternehmen tätig werden, leicht in Spannungen zum theologisch vorgebildeten Personal. 133 Vgl. Rich (1984 und 1990). 130

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

„Führen“ nachdrücklich.134 Dies geschieht indessen bezeichnenderweise fast ausschließlich im Teil A des Buches unter dem Titel „Diakonie als ökonomisches Unternehmen“, nicht mehr im Teil B, welcher „Diakonie als christliches Unternehmen“ thematisiert. Die Rolle von Führungskräften in christlichen Unternehmen, Verbänden oder Gremien ist unter theologischem Blickwinkel also ein blinder Fleck. Dies sagt viel über die Bedeutung, die das Feld diakonischer Tätigkeiten innerhalb der theologischen Wissenschaften noch immer hat bzw. nicht hat. In drei von mehr als zwanzig Ethiken aus theologischer Feder erscheint allerdings – Zeichen der Zeit? – der Begriff „Führer“: – bei Wolfgang Trillhaas in der Wortzusammensetzung „Führerstaat“, welcher – gemeint ist offenkundig der Hitler-Staat – „schon nach wenigen Jahren dem System der anonymen Autorität verfallen“ sei;135 – bei Helmut Thielicke, welcher in seiner mehrbändigen Theologischen Ethik im Rahmen der Fragestellung „Elite“, im Stichwortverzeichnis unter: „Führer, geistige“ aufgeführt, auf „Jugendführer“ zu sprechen kommt und damit eine zumindest flüchtige Annäherung an die hier interessierende Fragestellung zu erkennen gibt;136 – bei Trutz Rendtorff, welcher unter dem Titel des zweiten Bandes seiner Ethik: „Die Ziele des Staates und die Rechenschaft des Politischen“ ausführt, der „politische Führer“ habe über die „Fähigkeit zu pragmatischer Tagespolitik“ hinaus sinngebend zu wirken und die „Verbindlichkeit der Politik für alle“ darzustellen. Was sich davon für heutige Unternehmensführungen ableiten ließe, wird von Rendtorff, da er darin ein „Modell des Politikers als Herrscher“ sieht, als „der Demokratie fremd“ zurückgewiesen.137 Interessant erscheint, vor allem zeithistorisch, daß im zweiten Band der Morphologie des Luthertums des Erlanger Theologen Werner Elert – im Untertitel „Soziallehren und Sozialwirkungen des Luthertums“ benannt – im 6. Abschnitt des ersten Kapitels nach ausführlicher Darstellung des lutherischen Berufsgedankens unvermittelt vom „sozialen Führer“ gesprochen wird. dessen Funktion die „des Massenführers überhaupt nicht“ ausschließe. Schon Luther habe diesen Gedanken (Anm. der Verfasser: den Gedanken an eine Gestalt wie Hitler – 1931!) „jedenfalls so weit gedacht, daß er auch das allgemeine Verhältnis des 134 So nennen drei von fünf Kapiteln im ersten Teil das Führungsthema: „II. Management-Theologie – Führungsprobleme diakonischer Unternehmen“; „III. Maria und Martha – Die diakonische Führungsachse“; „IV. Wirtschaftsethik im diakonischen Unternehmen – Das Problem diakonischer Führungsmodelle“. 135 Trillhaas, S. 437. 136 Thielicke, im Band III „Ethik der Gesellschaft, des Rechts, der Sexualität und der Kunst“. 1954, Pkt. 575/1987. 137 Rendtorff, S. 72 f.

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Gesicherten zum Gefährdeten, gleichviel um welche besondere Situation es sich handelt, als Beruf“ aufgefaßt habe. Es liege hier „die Verankerung der besonderen Berufsaufgabe in der allgemeinen: für andere zu sein, zu denken und zu handeln.“ Erst „wer von diesem Motiv geleitet zum Sprecher, Vorkämpfer, Helfer großen Stils“ werde, dürfe „als sozialer Führer gelten“. „Indem er alsdann sein Führertum als Beruf in Luthers Sinne auffaßt, kann er auch wirklich nicht nur Exponent, sondern Führer der ,Masse‘ sein“.138 Es ist allerdings kaum denkbar, daß sich die großen, durchweg theologisch vorgebildeten Führungsgestalten in christlichen Sozialleistungsunternehmen139 wie auch bedeutende Persönlichkeiten in kirchenleitenden Stellungen140 ihrer Führungsaufgaben nicht bewusst gewesen wären. Deshalb liegt die Vermutung nah, daß sie der Auffassung waren, mit eben ihrer erworbenen theologischen Vorbildung und Befähigung zum geistlichen Amt wie auch vermöge der ihnen damit traditionell vermittelten Modelle patriarchaler Amts- und Lebensführung diesen Aufgaben hinreichend gewachsen zu sein. Auch auf diese Weise vertiefte sich die Entfremdung zwischen christlichen Leitbildern und Handlungsmodellen gegenüber der sonstigen gesellschaftlichen Entwicklung. Zu 4.: Die Aufgabe Übernimmt ein Christ, insbesondere in einem konfessionellen Sozialleistungsunternehmen, also im Zusammenhang dienstleistender Berufe und Tätigkeiten, eine Führungsaufgabe, so ist er dabei in hohem Maße auf sich selbst gestellt. Versucht er, sich dabei an theologisch verantworteten Maßstäben zu orientieren, so muß er den hierarchiefreien und -befreienden Charakter des biblischen Dienst-, Liebes- und Hilfegedankens auch hier reflektieren. Führung nicht hierarchisch zu verstehen und nicht hierarchisch umzusetzen, ist die Aufgabe einer in der biblisch-christlichen Tradition begründeten Lenkung christlicher Dienste und entsprechend begründeter Sozialleistungsunternehmen. Wo immer solche Dienste durch mehrere Beteiligte organisiert und ausgeführt werden, steht also das Thema Führung im Raum und bedarf biblisch-ethischer Orientierung. Führung hat dann, an der Beispielgeschichte Jesu illustriert, z. B. die Funktion, daß die in der Herberge Zusammenarbeitenden nicht hinter dem am fremden Nächsten ausgerichteten Handeln des Samariers zurück bleiben, sondern sinnvoll weiterführen. Führung hat nach diesem Beispiel sicherzustellen, daß Mitarbeiter konfessioneller Leistungsanbieter das überaus effiziente, auf Wiederherstellung der Selbstbestimmtheit zielende Tun des Samariers mit anderen Mitteln, aber nicht weniger effizient und zielgerichtet fortsetzen. 138

Elert, Nachdruck von 1958, S. 78. Im evangelischen Raum etwa Johann Hinrich Wichern oder Friedrich v. Bodelschwingh. 140 Im Raum der Hannoverschen Landeskirche z. B. Gerhard Uhlhorn. 139

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2. Die biblische Orientierung Hierzu werden sechs Aspekte dargestellt: 1. Die Verbindungslinien 2. Das Urdatum 3. Der Dialog 4. Die Begleitung 5. Der Vertrag 6. Die Gefolgschaft. Zu 1.: Die Verbindungslinien Wichtige Eckpunkte einer dem entsprechenden Führung werden in weiteren Teilen dieses Buches dargestellt.141 Hier geht es nur darum, streiflichtartig den biblischen Hintergrund dieses Themas zu beleuchten und Verbindungslinien zu ziehen.142 Dabei ergeben sich beachtliche Parallelen zu dem, was im Kapitel III. zum biblisch- theologischen Hintergrund des Helfens verdeutlich wurde. Beides entspringt der gleichen Wurzel und erweist sich als miteinander eng verwandt. „Führen“ ist biblisch betrachtet nie Selbstzweck. Es steht, wo immer der Begriff oder die Sache auftauchen, in deutlichem Zusammenhang mit dem göttlichen Ziel der Befreiung und Bewahrung seines Volkes von Unterdrückung und Armut. Dazu führt der Gott Israels sein Volk selbst aus dem „Knechtshaus“ Ägypten. Dazu beauftragt er Moses, später Josua und auch danach immer wieder charismatische Gestalten mit Führung.143 Dabei geht es immer darum, daß Gottes Volk in Frieden und Freiheit im Land leben und seine äußere wie innere Sicherheit durch die Beachtung des am Sinai offenbarten heiligen Gotteswillens gewinnen und sichern soll. Dieser Gotteswille übernimmt zunehmend gewissermaßen die zuvor unmittelbare, oft sichtbar und fühlbar erlebte Führungsfunktion aus der Zeit der Wanderungs- und Besiedlungszeit144 und stellt diese Funktion auf Dauer. Damit hat Führung in erster Linie eine Mehrzahl von Menschen im Blick: das Volk, zeitweilig auch einzelne Familien wie schon die Abrahams oder auch

141

Vgl. Abschnitt 3, Kapitel II. Auch die Verfasser verfügen nicht über eine detailliert ausgearbeitete „Führungs“-Theologie. 143 Im ersten Testament oft als „Richter“ bezeichnet. 144 Z. B. in „Feuersäule“ oder „Wolke“, Speisung und „Rettung“, vgl. z. B. 2Mose 12,41 f; 13,17 ff; 14; 16,4 ff. 142

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einzelne Stämme Israels.145 Nur davon abgeleitet und in Grenzfällen – nicht selten als Unterstreichung des unbedingten Willens zur Führung und Bewahrung der Vielen – geht es auch um einzelne wie z. B. um die gnädige Führung und Bewahrung eines Asylsuchenden auf der Wanderung durch ein „finsteres Tal“ bis zum schließlich Schutz gebenden Heiligtum.146 Das Kommen Jesu, seine Jüngerberufungen und darüber hinaus sein Ruf in die Nachfolge an viele weitere haben den gleichen Sinn. Auch wenn der Akzent der Führung im zweiten Testament zuweilen stärker auf die Einzelperson zu fallen scheint, durchzieht der Gedanke des Volkes Gottes und der Gemeinschaft bis in den Hebräerbrief und die Offenbarung des Johannes auch diesen Teil der Bibel.147 Es ist nicht erforderlich, hier weitere Hinweise oder gar Beweise anzuführen, da der Zusammenhang, ja, die strukturelle Entsprechung beider Teile der Bibel auch bei dieser Thematik – ähnlich wie bei der Thematik „helfen“ – ausgeprägt und evident ist. Es ist aber erforderlich, die Strukturen der „Führung“ im biblischen Kontext anzusprechen. Zu 2.: Das Urdatum Ausgangspunkt und Modell der göttlichen Führung in der Bibel bleibt, wenn man nicht schon, wie bereits angeklungen, die Abrahams-, Isaaks- und Jakobsgeschichten heranziehen will, Gottes wunderbare, wenn auch oft beschwerliche Führung bis hinein ins zugesagte („gelobte“) Land und weiterhin. In der Schlüsselsituation des „Exodus“, vom Ausbruch aus knechtenden Erfahrungen bis zum Erreichen und zur Sicherung des Lebens in Freiheit, liegen alle biblischen Erfahrungen mit „Führung“ beschlossen. Sie wiederholen sich später wieder und wieder in vielen Variationen. Auch das Handeln Jesu spiegelt, wie bereits angesprochen, Geführtwerden und Führung bis hin zu seiner Gerechtigkeitsforderung und zu seiner Wendung nach Jerusalem hin, wo er den entscheidenden Konflikt mit der Tempelhierarchie herausfordert und erleidet, welche sich im Bündnis mit der fremden Besatzungsmacht gegen ihn stellt. Für den Geist, den Jesus

145 Gerade in der einzigartigen Gestalt Abrahams geht es bereits um viele Nachkommen bis hin zu Völkern, die in ihm mitgemeint, mit-„geführt“ und mit-„gesegnet“ sind. 146 Wörtlich: „durchs Tal der Todesschatten“, Psalm 23,4; M. Buber übersetzt: „Todschattenschlucht“ in: Buber (1986), S. 38; zur Interpretation dieses Psalms als Asylpsalm vgl. Schottroff (1980), S. 78 ff. 147 So hat z. B. auch die Zwölfzahl der Jüngerberufungen deutlichen Bezug auf das endzeitliche, wieder ins Leben gerufene Gottesvolk. Zu denken ist ferner an die Metapher vom „Leib Christi“ in den paulinischen Briefen. Zum „Volk“ vgl. auch Apostelgeschichte 15,14; Römer 9,25; 2Korinther 6,16; Titus 2,14; Hebräer 4,9; 8,10; 13,12; Offenbarung 18,4; 21,3.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

seiner Gefolgschaft für die Zeit nach seinem Fortgang ankündigt, gilt das Gleiche: er hat die Funktion, die Gemeinde Jesu „in alle Wahrheit zu führen“.148 Zu 3.: Der Dialog Wie der Gott der Bibel vom ersten Tage der Schöpfung und erst recht vom ersten Tage der Erschaffung des Menschen an zu seinem und mit seinem Geschöpf spricht, so tut er es auch da, wo er Menschen – sein Volk und einzelne Menschen – führt. Entscheidend für das biblische Verständnis von Führung ist also der Dialog.149 Die göttliche Führung ist geprägt durch Anrede und Beauftragung – einschließlich der Möglichkeit des Einspruchs, der Widerrede und des Protests.150 Der Beauftragung folgt die Vorgabe und die Nennung des Ziels, die Begleitung der Geführten und nicht selten die Ermutigung der unterwegs Ermüdeten, Zaudernden oder vor schwierigen Hürden Zurückschreckenden. So machtvoll und unwiderstehlich die Beauftragungen, Willensbekundungen und Mahnungen Gottes auch immer erfahren werden: eine hierarchisch unterdrükkende Struktur wird an ihnen nicht sichtbar. Die Geführten sind keine willenlosen Marionetten, so unbeirrbar der sie führende Wille auch an seinem Ziel festhält. Für die menschliche Führung und den Dialog unter Gleichen, sozusagen in Augenhöhe, folgt hieraus, daß in jedem ethisch verantworteten Führungssystem Spielregeln für die Zusammenarbeit ebenso wie für den Fall der Verweigerung oder des Aussteigens definiert werden müssen. Das Instrument der Führung bleibt in der Bibel das Wort in Anrede und Wechselrede – neben einigen, meist tröstlichen Zeichen. Der Führende zeigt sich als der begleitende Dialog-Partner. Führen ist biblisch nie ein vertikales Geschehen und schon gar kein hierarchisch-statisches Ordnungsprinzip. Es ist stets horizontal angelegt durch den Dialog wie auch durch das Bewegungselement, nämlich die Zuordnung zu einem Weg151 oder zu einem erreichbaren Ziel.152 Zu 4.: Die Begleitung Das zweite entscheidende Merkmal göttlicher Führung nach der weit über den Augenblick hinaus weisenden Ziel-Bestimmung besteht in der Begleitung auf dem Weg dorthin. Führen ist, wie schon mehrfach angeklungen, kein sich selbst legitimierendes Geschehen. Sie ist deshalb auch keine am status quo fest148

Johannes 16,13. Vgl. Abschnitt 3, Kapitel II.3.b). 150 Vgl. z. B. Mose (2Mose 4,1 ff), Jeremia (1,6 ff), Jona (1,3; 4,1 ff). 151 Vgl. z. B. 1Korinther 12,31; es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß der erste Name der Christen in der Ablösung von jüdischer Glaubenspraxis „Anhänger des neuen Weges“ war, Apostelgeschichte 9,2. 152 Grundlegend 1Mose 12,1; ferner z. B. 4Mose 10,33; 5Mose 34,1 ff. 149

Abschn. 2: Theologisch-ethische Grundlagen

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haltende Demonstration von Herrschaft. Vielmehr bindet sich hier der Mächtigere selbst – quasi vertraglich153 – an das Ziel, zu dem er hin-„führt“. Führen ist daher ein dynamischer Begriff, der seinen Sinn und seine Wirkung in der Zielgerichtetheit der gewollten und begleiteten Bewegung erweist. Auf dem Hintergrund und im Gefolge des hierarchiefreien und von Hierarchien befreienden biblischen Gotteshandelns kann auch menschliches Führen nicht als Element eines hierarchischen Herrschafts- und Ordnungsprinzips praktiziert werden. Es muß vielmehr als Bewegungsprinzip, genauer vielleicht: als bewegungsbegleitendes Prinzip, d. h. als ein Element der Sicherung und Förderung des Fortschreitens auf einem Wege bis zum Erreichen des Ziels verstanden werden. Dabei bleibt der Führende als Delegierender stets der Verantwortliche. Führen schließt so ein: Kontakt herstellen, Vertrauen und Erwartung in die Kompetenzen des andern zeigen, Ziele entwickeln, benennen und vertraut machen, notwendige Schritte zu ihrer Erreichung vereinbaren, begleiten, kontrollieren154 und steuern, eventuell erforderlichen Korrekturbedarf ermitteln und in gleicher Weise nachsteuern und den jeweils dazu nötigen und dienlichen Austausch der Beteiligten untereinander fördern. Zu 5.: Der Vertrag Auch in diesem Zusammenhang ist die Vertragsform im Sinne der Verabredung von Teilzielen und ihrer Umsetzung nebst Absprachen über Mittelbedarf und Zeitaufwand theologisch-ethisch gut begründet. Dazu kommt die jeweilige gegenseitige Kontrolle und gegebenenfalls die Fortschreibung derjenigen Arbeitsweise, in der sich die Führungskräfte – und damit jede hierarchische Machtausübung – selbst binden und alle „Geführten“ sich als mündig einbezogene Partner erfahren. Zu 6.: Die Gefolgschaft Bei solcherart Führung erleben sich in Sozialleistungsunternehmen die Mitarbeitenden als solche, die – wie die Gefolgschaft Jesu von Nazareth – an der Erreichung der Ziele mitverantwortlich mitwirken und teilhaben. Dies bedeutet in der Praxis auch, daß die Geführten selbst die Einhaltung der vereinbarten Ziele einfordern können. In einem solchen Zusammenhang ist „Dienstgemeinschaft“ das, was Ökonomen „Mitunternehmertum“ nennen.155

153 Vgl. hierzu nochmals das in Abschnitt 2, Kapitel III.2. Angemerkte zum Gedanken des „Bundesschlusses“. 154 „Kontrollieren“ ist hier ex ante, nicht ex post gedacht. 155 Vgl. Abschnitt 3, Kapitel V sowie Abschnitt 7, Kapitel III.3.

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

Der Umgang aller im Unternehmen Tätigen untereinander trainiert und stärkt ihre Fähigkeit und Bereitschaft, in gleicher Weise mit den Hilfezielen der Hilfenachfrager umzugehen. So wie sie selbst als Bündnispartner der Unternehmensziele und ihrer Umsetzung ernst genommen werden, so können sie auch die Nachfrager der Hilfe und ihre Ziele ernst nehmen und diesen zum Partner werden. In einer solchen Kette kommt zugleich das Prinzip der Nächsten-/Fernstenliebe zur Geltung wie auch die in dieses einbezogene Goldene Regel. Führung bleibt damit, wie die Hilfe selbst, rational nachvollziehbar156, kontrollierbar und zielgerichtet. Dafür müssen die Unternehmensverantwortlichen einsichtige und verständliche Spielregeln für Führung festlegen. Auch hier gilt: Beziehungsarbeit der Beteiligten ist – wenn überhaupt die Aufgabe und ein selbständiges Thema von Führung – nachrangig gegenüber der Aufgabe der Zielvereinbarung und Zielerreichung, gegenüber den dafür zu vereinbarenden Arbeitsschritten sowie gegenüber der partnerschaftlichen Kontrolle des Verlaufs und der meßbaren Beteiligung am Erfolg. An die Stelle einer dem patriarchalen Hierarchen geschuldeten, bestenfalls dankbar vertrauenden Untergebenheit tritt mündige Mitwirkung und Selbstverantwortung. Der mitwirkend Handelnde beruft sich unter solcher hierarchiebefreiten Führung nicht mehr auf (An)Weisungen und unwidersprechliche Weisungsmacht von oben. Er ist vielmehr fähig, seine Arbeitseinstellung als Ergebnis eigener Einsicht in die Zielstellung des Unternehmens und als eigenverantwortliche Mitwirkung an deren Umsetzung zu verstehen und darzustellen. 3. Einrichtungsphilosophie – theologische Leitlinie Die im folgenden bespielhaft dargestellten Punkte einer Unternehmensleitlinie wurden von den Verfassern Anfang der neunziger Jahre als Arbeitsgrundlage gemeinsamer Leitungstätigkeit erarbeitet und in einem „top-down-bottomup-Prozeß“ für alle im Unternehmen tätigen durch Einsatz entsprechender Ansätze eines Umsetzungsmanagementes verankert. Derartige Leitlinien stellen damit die praktische Umsetzung theologisch-ethischer Grundlagen für Sozialleistungsunternehmen und deren unternehmerisches Handeln dar. Als (Selbst-)Verpflichtung der Handelnden sind sie an die handelnden Personen per se gebunden. Wechseln die handelnden Personen, sind damit Leitlinien grundsätzlich neu zu vereinbaren oder zu erarbeiten. Leitlinien bleiben damit auch konsequenterweise geistiges Eigentum der „Entwickler“. Unreflektierte Übernahmen führen dagegen die Ziele derartiger Kultur- und Verfassungsan-

156

Heute meist als „Transparenz“ bezeichnet.

Abschn. 2: Theologisch-ethische Grundlagen

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sätze ad absurdum, da nur eine gezielte und überlegte Übernahme zielführend sein kann. Leitlinie 1. Unser Unternehmen bekennt sich in seinen Satzungen zur Diakonie als „Lebens- und Wesensäußerung der christlichen Gemeinde“. Sie ist für uns „praktische Ausübung der Nächstenliebe“. In diesem Sinne nehmen wir teil am Auftrag Gottes, seine „Liebe zur Welt in Jesus Christus allen Menschen zu bezeugen“. Daher bedeutet Diakonie für uns Präsenz und Aktion im Raum sozialer Konflikte und daraus entstehender persönlicher Notlagen. Zu den besonderen Kennzeichen der Diakonie gehört: – ihr begegnet in dem, der in Not geraten ist, Jesus Christus, d. h. ihr Auftraggeber; dies begründet die Achtung der Würde gerade derer, die in Armut leben; – ihr gilt die Weisung Jesu: „Liebe deinen Nächsten so, als seist du der auf Liebe (Hilfe) Angewiesene“. Deshalb sind Inhalt und Umfang diakonischen Handelns ausgerichtet am Notleidenden, – an seinem Lebensrecht (Beendigung von Armut) und seinen Rechten; – an seiner Würde (Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft); – an seiner Heilung (Vergebung); – an seinem Heil (Vertrauen). 2. Dies verpflichtet uns dazu, Menschen, die sich unserem Hilfeangebot anvertrauen, verlässliche Hilfen zu geben, die ihnen innerhalb wie außerhalb unseres Unternehmens ein Leben in Würde ermöglichen, – insbesondere Jugendliche so zu fördern, daß sie im Leben bestehen können; – Menschen in benachteiligten Lebensverhältnissen in die Lage zu versetzen, daß sie am Leben in der Gemeinschaft und an ihren Gütern teilhaben; – Menschen in unseren Wohn- und Pflegeeinrichtungen darin beizustehen, daß sie sinnvoll leben können. 3. Soziale Anwaltschaft, insbesondere auch durch Öffentlichkeitsarbeit, ist für uns wesensnotwendiger Teil unserer Hilfe. Sie umfaßt – unser Eintreten für die bei uns Hilfe Suchenden, für ein besseres Verständnis und für eine grundlegende Änderung ihrer Lage in unserer Gesellschaft;

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Teil 1: Begriffliche und ethische Grundlagen

– die Darstellung unserer fachlichen Kompetenz, unseres Hilfeangebotes sowie unserer Arbeits- und Organisationsformen; – unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit allen zur Hilfe Verpflichteten und Bereiten; deshalb pflegen wir vor allem auch die Verbindung zur Kirche, zu ihren Organen und Gemeinden. 4. Aus alledem leiten wir die folgenden praktischen Grundsätze unserer Arbeit ab: Die Grundlage Grundlage unserer Hilfe ist die Anerkennung der Würde jedes Hilfesuchenden. Dies ist für uns nicht Ergebnis, sondern Voraussetzung allen Helfens. Unbeschadet der Pflicht zur Hilfeleistung im unmittelbaren Notfall ist niemand bei uns berechtigt, ungebetene Hilfe zu geben oder Hilfebedarf zu unterstellen. Hilfe ist für uns gerechtfertigt nur in Gestalt einer verbindlichen Absprache über Ziele, Art, Umfang und Ende. Dafür ist Vertragsform anzustreben: – wer bei uns Hilfe sucht, ist Nachfrager unseres Leistungsangebotes; er zahlt dafür mit den Mitteln, die ihm gesetzmäßig zustehen bzw. gehören; – wer unser Hilfeangebot in Anspruch nimmt, ist nicht (Almosen-)„Empfänger“, sondern Hilfe-Auftraggeber; – wer unser Wohnangebot nutzt, ist für uns Mieter; – wer hier gegen Entgelt arbeitet, ist für uns – unbeschadet der Regelungen des Mitarbeitervertretungsgesetzes – Mitarbeiter. Dies zu achten, schützt jede Hilfe vor Willkür. Doch endet christliches Helfen nicht bei der Wiederherstellung schützender Rechtsbeziehungen. Es bringt vielmehr nach dem Vorbild ihres Auftaggebers (siehe 1.) darüber hinaus menschliche Anteilnahme, persönliche Zuwendung und Solidarität zu Notleidenden ein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wichtigste Voraussetzung und Bedingung unserer Arbeit ist es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, zu fördern und weiterzubilden, die unseren diakonischen Auftrag mittragen. Ihre Fähigkeiten, ihre Professionalität, ihre Leistungsbereitschaft und ihre Einsatzfreude entscheiden über das Gelingen unserer Arbeit. Dazu tragen bei – überschaubare Organisationseinheiten; – deutlich vereinbarte und benannte Zielsetzungen; – klare Entscheidungskompetenzen und kurze Entscheidungswege;

Abschn. 2: Theologisch-ethische Grundlagen

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– enge Kommunikation und Kooperation der Mitarbeiterschaft; – stetige Fortentwicklung unserer fachlichen Kompetenz. Die Organisation Wir bekennen uns zur notwendigen Differenzierung unserer Arbeit, aber ebenso zur Einheit unseres Unternehmens. Deshalb werden die Zentralbereiche Wirtschaft, Finanzen, Controlling, Personal, Öffentlichkeitsarbeit, kirchlicher Dienst sowie diakonische Steuerung bereichsübergreifend geführt. Eine wirtschaftliche Betriebsführung in allen Bereichen unseres Unternehmens sehen wir als unerlässlich an. Nur so können wir unsere Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit wahren und unserer Verantwortung gerecht werden. Der Erfolg Zum Erfolg unserer Arbeit und zur Freude beim Erfüllen unseres diakonischen Auftrags tragen wesentlich bei – ein daran ausgerichteter Führungsstil; – die Identifikation mit unserem Arbeitsplatz; – unsere Hinwendung zum einzelnen Menschen; – unsere Zusammenarbeit mit anderen Trägern der Wohlfahrtspflege.

Teil 2

Lösungsansätze der Praxis Abschnitt 3

Mitarbeiterführung und Personalmanagement I. Klassische Gliederung des Personalmanagements Unbestreitbar gebührt den Mitarbeitern im Rahmen der Leistungserstellung von Sozialleistungsunternehmen das Hauptaugenmerk. Wichtig an dieser Formulierung sind die Worte „im Rahmen der Leistungserstellung“, da aus derartigen Aussagen vielfach von Mitarbeitern und deren Interessenvertretern die These abgeleitet wird, daß in Sozialleistungsunternehmen Mitarbeiter generell im Mittelpunkt zu stehen haben.1 Die aus dieser These abgeleiteten Folgen sind, daß alle z. B. sanktionierenden oder auch nur reglementierenden Personalführungsansätze den christlichen Grundsätzen – was auch immer jeder subjektiv darunter verstehen mag – widersprechen. Unschwer ist erkennbar, daß die aus einer derartigen These abgeleitete Grundaussage wegen ihrer Selbstbedienungsmentalität ganz einfach falsch ist. Sie steht im deutlichen Gegensatz zum Auftrag christlicher Sozialarbeit, die sich auf den Notleidenden oder allgemein auf den Hilfesuchenden auszurichten hat. Der Nachfrager nach einer christlichen Dienstleistung steht im Mittelpunkt. Alleine hieraus leitet sich die besondere Bedeutung der Mitarbeiterführung und des Personalmanagements für Sozialleistungsunternehmen ab. Die unbedingte Orientierung auf den Dritten, den Hilfesuchenden, muß Grundlage der gesamten Personalarbeit sein.2 Häufig wird das Personalmanagement in folgende Funktionen bzw. Teilaktivitäten gegliedert:3 1 In diakonischen Sozialleistungsunternehmen gewissermaßen die „Diakonie der Mitarbeiter“. 2 Auch die erwerbswirtschaftliche Güter- und Dienstleistungswirtschaft stellt den Kunden und seine Wünsche in den Vordergrund, wenn sie erfolgreich am Markt agieren will.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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1. Personalbedarfs- und Strukturplanung Hierbei geht es um die Definition zukünftigen Personalbedarfs in quantitativer, qualitativer, zeitlicher und örtlicher Hinsicht sowie um die Analyse der Personalstrukturen. Hinter diesem Ansatz steckt das Verständnis, über die Definition von bestimmten Merkmalen – z. B. Lebensalter, Ausbildung, Nationalität, Geschlecht usw. – und die Definition von Vorgaben hierfür eine Optimierung des Leistungserstellungsprozesses zu erreichen. 2. Personalbeschaffung Ziel ist es, die mit bestimmten Kennzeichnungsmerkmalen definierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum benötigten Zeitpunkt zum Ausgleich der auf Grund der Bedarfsplanung ermittelten Soll-/Ist-Differenzen zu beschaffen. Kennzeichnungsmerkmal kann z. B. die berufliche Qualifikation sein. Dieser Teilansatz des Personalmanagements geht davon aus, daß bei Auswahl der „richtigen“ Kennzeichnungsmerkmale eine Optimierung des Mitarbeiterpotentials im Hinblick auf die Leistungsaufgaben erreicht wird. 3. Management des Personaleinsatzes Hierbei geht es im Rahmen der Personalarbeit um die Zuordnung von Eignungsangebot des Mitarbeiters und der Eignungsnachfrage des Arbeitsplatzes mit dem Ziel weitgehender Übereinstimmung hinsichtlich qualitativer und quantitativer Merkmale sowie mit dem Ziel des Ausgleichs von Über- und Unterdekkungen zwischen „Können“ und „Anforderung“. Auch dieser Ansatz beinhaltet wie die beiden vorangegangenen Funktionen des Personalwesens eine stark mechanistische Betrachtungsweise, die zwar hilfreich, aber, wie die folgenden Kapitel zeigen, keinesfalls hinreichend ist. 4. Personalerhaltung und Leistungsstimulation Ziel dieser Funktion der Personalarbeit ist es, Mitarbeiter und deren Leistungsbereitschaft für das Unternehmen zu erhalten. Im allgemeinen werden im Rahmen dieser Funktion des Personalmanagements Aspekte von Entgelt und Sozialleistungen diskutiert, während die Motivationsaspekte außerhalb der finanziellen Sphäre weitgehend unberücksichtigt bleiben.

3 Vgl. z. B. Oechsler, S. 2 ff; Scholz, S. 83 ff; Schulte, S. 8 ff; Wunderer (2007), S. 263 ff; Wunderer/Janitz, S. 230 ff.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

5. Personalentwicklung Ziel des Personalentwicklungsmanagements ist die planmäßige Förderung und Entwicklung von Leistungspotentialen bei Mitarbeitern und die Identifikation derartiger Potentiale. Ansätze hierzu sind Aus- und Weiterbildung sowie Fortbildung und Karriereplanung, die Nachwuchsförderung und die Identifikation von Leistungsträgern und deren Führungspotential. Diese Aufzählung verdeutlicht den sehr engen Bezug zur Motivationsebene der Mitarbeiter, soweit die Kriterien und Instrumente der Personalentwicklung für die betroffenen Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar sind. Allerdings ist auch diese Funktion des Personalwesens allein für ein am Dritten ausgerichtetes und zielorientiertes Personalmanagement nicht hinreichend. 6. Personalfreisetzung Ziel ist es, sowohl kapazitäts-, leistungs- und verhaltensbedingte als auch altersbedingte Personalfreisetzungsprozesse einschließlich der damit verbundenen individuellen sozialen und betrieblichen Konsequenzen zu begleiten und umzusetzen. Alle Freisetzungsprozesse werden mit einem hohen Aufmerksamkeitsgrad von den Belegschaften und anderen Stakeholdern beobachtet und kommentiert. Daher sind derartige Prozesse sorgfältig zu planen und einem entsprechend organisierten ethischen Diskurs zu unterziehen.4 Allerdings muß allen Betroffenen klar sein, daß nicht rechtzeitig umgesetzte Anpassungsprozesse im Personalbereich, z. B. aus Furcht vor öffentlichen Diskussionen i. a. zu viel „härteren“ Spätfolgen führen. Es war z. B. für alle – auch diakonische – Krankenhäuser erkennbar, daß die gesundheitspolitisch gewollten Verkürzungen der Verweildauer in Krankenhäusern einen erheblichen „Kapazitätsabbau bei den Betten“ und den damit verbundenen Personalressourcen im gesamten Gesundheitsmarkt nach sich ziehen würden. Diesem mußte und konnte nur mit einer langfristigen Personalarbeit in allen bisherigen Funktionen des Personalwesens begegnet werden. 7. Personalverwaltung und -abrechnung Ziel ist es, die vertragsgerechte – unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen – Leistungsvergütung und -abrechnung des Personals sicherzustellen. Fehler in diesem administrativen Bereich des Personalwesens führen zu erheblichen Vertrauensverlusten mit schwer abschätzbaren Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation. Mit dem Aufbau eines Personalwesens, das den o. g. sieben Funktionen genügt, sind zwar Rahmenbedingungen für die Ausrichtung der Mitarbeiter von 4

Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.3.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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Sozialleistungsunternehmen auf den Dritten, den Kunden, im Rahmen eines Dienstleistungsprozesses geschaffen. Für das erfolgreiche Wirken eines Sozialleistungsunternehmens sind sie aber nicht hinreichend.

II. Streitpunkt Mitarbeiterführung 1. Führungsstile Im Zusammenhang mit Mitarbeiterführung ist zunächst eine begriffliche Abgrenzung von Management und Führung erforderlich. Hinsichtlich des Managementbegriffes lassen sich zwei vorherrschende Bedeutungsvarianten unterscheiden5: Erstens ein funktionaler Managementbegriff (managerial functions approach), d. h. die Beschreibung der Prozesse und Funktionen, die in arbeitsteiligen Organisationen – z. B. in Sozialleistungsunternehmen – notwendig sind, nämlich Planung, Organisation, Führung und Kontrolle, und zweitens ein institutioneller Managementbegriff (managerial roles approach), d. h. die Beschreibung der Personen, die Managementaufgaben wahrnehmen, ihrer Tätigkeiten, ihrer Rollen und ihrer Eigenschaften, über die sie als Manager verfügen sollen. Aus diesen Managementbegriffen folgt, daß Führung ein Teil des Managements ist und sowohl funktional – im Sinne des Handelns – als auch personal (institutional) – im Sinne der Personaleigenschaften der Führenden – zu beschreiben ist. Im folgenden sollen daher sowohl Fragen der Funktionen und Ansätze von Mitarbeiterführung als auch die Eigenschaften von Führungspersonen näher betrachtet werden. Führung selber wird hierbei als zielbezogene Einflußnahme auf Personen verstanden. Die Geführten sollen durch Führung bewegt werden, bestimmte Unternehmensziele zu erreichen. Führung kann dabei zum einen durch Strukturen (Organisationsstrukturen), zum anderen durch Menschen erfolgen. Der Führung durch Menschen kommt heute und zukünftig die wesentlich größere Bedeutung zu, da sie im Hinblick auf eine sich dynamisch rasch wandelnde Umwelt flexibler ist. Strukturen sind dagegen wegen ihrer tendenziell größeren Starrheit weniger geeignet. Noch immer ist – trotz des zwischenzeitlichen Erkenntniswandels – in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen insbesondere auf mittleren und unteren Managementebenen in den klassischen Hilfebereichen eine Ablehnung des Ele-

5 Vgl. u. a.: Bennis, S 13 ff; Kahle (1995); Korte (1996), S. 89 ff und die dortigen Literaturangaben; derselbe (2001), S. 131 ff; Oechsler, S. 281 ff, S. 292 ff; Scholz, S. 321 ff; Staehle (1990), S. 65 ff; derselbe (1991), S. 11 ff; Steinmann/Schreyögg, S. 8 ff.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

ments Führung festzustellen. Warum wird die Frage nach dem „Bedarf von Führung“ auf diesen Ebenen in Sozialleistungsunternehmen so häufig verneint?6 Die Verfasser vermuten neben der Unkenntnis christlicher Prinzipien sowie der oben beschriebenen Individualisierungsprozesse7 die Ursache auch in einem häufig irrationalen und emotionalen Umgang mit der Macht, die von Führung ausgehen kann, und dies insbesondere in einem sozialen Umfeld, bei dem täglich die Gefahr des persönlichen Machtmißbrauchs, nämlich der Helfermacht, besteht. Erinnert sei an Begriffe wie Hilfeempfänger, Hilfesuchender, Heimbewohner, „(warte) ich werde dir helfen“.

Liegt hier nicht die bereits oben angesprochene Verwechslung von Führung mit Beherrschung vor? Ist das gestörte Verhältnis nicht häufig Ausdruck eigener Schwäche, wo doch, wie an späterer Stelle8 dargestellt, Führung persönliche Stärke voraussetzt? Zu verstehen ist die häufig anzutreffende Ablehnung von Führung in Sozialleistungsunternehmen nicht, wenn auf biblische Grundlagen und dort beschriebene Führungspersonen zurückgegriffen wird und deren spezifische Stile in ein heute gängiges Schema eingeordnet werden.9 Nach der grundsätzlichen Bejahung der Notwendigkeit von Führung im Rahmen des Managementprozesses stellt sich die Frage nach dem Führungsstil.10 Weitgehende Übereinstimmung besteht heute in der Literatur, daß die jeweilige Situation den vorherrschenden Führungsstil bestimmt. Bei bestimmten Aufgabenstellungen, Arbeitsgruppenstrukturen, Persönlichkeitsmerkmalen der Geführten, gesellschaftlichen Normensystemen usw. führt eher der „autoritäre Führungsstil“, in anderen Situationen eher der „kooperative Führungsstil“ zu besseren Zielerreichungen. Darüber hinaus sind in allen Fällen gemeinsamen Handelns von Menschen unterschiedliche Formen von Hierarchien beobachtbar, wobei – und dies scheint im genetischen Code verankert zu sein – der hierarchisch Höherstehende häufiger angesehen und beobachtet wird. Man orientiert sich an seinen zustimmenden oder ablehnenden Reaktionen, steuert dadurch eigenes Verhalten und richtet sich häufig nach seinem Vorbild. Soweit der Führende diese Reaktionen wahrnimmt, wird er die Aufmerksamkeit der Geführten speziell auf die zustimmenden Reaktionen lenken und damit klassischerweise, aber unausgesprochen, zielbezogen führen. 6

Vgl. Diakonie Report (1977), Heft 2, 4, 5. Vgl. hierzu Abschnitt 2. 8 Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.2. 9 Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.3.b). 10 Vgl. hierzu u. a.: Rosenstiel, von, S. 9 ff; Wunderer (2007), S. 207 ff. 7

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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Auch im Sozialleistungsunternehmen soll das Führungsverhalten dazu beitragen, die Unternehmensziele besser zu erreichen, wobei, wie oben bereits angesprochen, es nicht die optimalen Führungseigenschaften oder das ideale Führungsverhalten per se gibt. Es gibt nur in bezug auf die jeweilige Situation ein der Situation gerecht werdendes, angemessenes Führungsverhalten, und dieses gilt es im Rahmen der Mitarbeiterführung einzuüben. In der Literatur werden zahlreiche Modelle diskutiert, die verschiedene Situationen und Antworten analysieren helfen und angehenden Führungskräften Hinweise zum geeigneten und situationsgerechten Führungsstil vermitteln sollen. Daneben können im Rahmen praktischer Umsetzung Fallstudien und Dialoge zwischen den Führungskräften sowie Personaltrainern eingesetzt werden. Eine weitere praktische Möglichkeit insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung der oben dargestellten biblischen Grundsätze ist die allgemeine Festlegung von Führungsgrundsätzen, wie sie beispielhaft im folgenden dargestellt werden. Hierbei erfolgt die Strukturierung an Hand des Grundmodelles der Entscheidungstheorie, des sog. Phasentheorems.11 Die beispielhaften Führungsgrundsätze dienen im Rahmen von Entscheidungsprozessen dem Zweck, die Zusammenarbeit auf allen Unternehmensebenen zu fördern und die handelnden Personen zu einem sachgerechten und zielführenden Handeln zum nachhaltigen Nutzen des Hilfesuchenden/Kunden zu veranlassen. Grundsatz 1 – das Ziel eindeutig definieren Der Führungsprozeß beginnt mit der Festlegung anspruchsvoller und realistischer Ziele des Sozialleistungsunternehmens und dessen Bereichen. Abgeleitet aus dem Unternehmenszweck werden Teilziele je Unternehmensbereich erarbeitet und im Planungssystem festgehalten. Die hierbei definierten Ziele können quantifizierbare und qualitative Ziele sein; sie stellen erwartete Ergebnisse (Vorgaben) dar, entweder als meßbare Größe pro Zeitabschnitt oder als in einem Zeitraum zu erreichende Zustandsänderung. Diese Zielvorgaben werden den Mitarbeitern eindeutig zugeordnet; hierdurch werden klare Verantwortlichkeiten geschaffen. Die Zuordnung erfolgt unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Kompetenz und der individuellen Belastbarkeit von Mitarbeitern. Grundsatz 2 – die Erreichung der Ziele wirksam unterstützen Zur Zielerreichung sind angemessene Maßnahmen, Zeitvorgaben, Mittel und Methoden festzulegen. Diese Aufgabe obliegt dem Verantwortungsträger für eine Zielsetzung. Er erhält dafür einen festgelegten Spielraum zur Selbständigkeit der Entscheidung, damit Kompetenz und Verantwortung übereinstimmen. 11

Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel I.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Der Verantwortungsträger sucht stets aus eigener Initiative die Unterstützung im Führungsprozeß durch über-, gleich- oder untergeordnete Personen. Das gilt insbesondere zur Findung von Alternativen und zur Vorbereitung von Entscheidungen. Dazu informiert er aufgrund klarer Aussagen über Inhalt und Umfang der Problemstellung. Er fördert die freie Diskussion und Meinungsäußerung der beteiligten Personen. Damit ist auch das Recht zur sachlichen Kritik verbunden. Trotz dieser Unterstützung übernimmt der Verantwortungsträger stets die volle, persönliche Verantwortung für von ihm getroffene Entscheidungen. Grundsatz 3 – die Ergebnisse überwachen, bewerten Entscheidende Voraussetzung für die Überwachung und Bewertung von erzielten Leistungen sind transparente und vergleichbare Zielvorgaben im Rahmen von Aufgabenstellungen, ferner die Durchsprache mit dem Verantwortungsträger und dessen Zustimmung. Die Überwachung erfolgt anhand von Soll-Ist-Vergleichen, wozu – neben einem festgelegten Informationssystem – die Verpflichtung eines jeden Mitarbeiters zur laufenden Information seines Vorgesetzten besteht. Bei aufgetretenen unvorhersehbaren Abweichungen außerhalb des vorgegebenen Spielraumes der Selbständigkeit greift der Vorgesetze korrigierend ein, und zwar durch konstruktive Mitarbeit bei der Entwicklung von Maßnahmen oder bei Plananpassung. Diese Aufgabe leitet sich daraus ab, daß trotz Delegation von Verantwortung der Delegierende voll verantwortlich für die Leistung derer bleibt, an die er delegiert hat. Die Bewertung von Leistung erfolgt qualitativ und quantitativ in regelmäßigen Zeitabständen. Dabei betont der Vorgesetzte seinen Willen, Erfolge gerecht zuzuordnen und Mißerfolge auch selbst zu vertreten. Er bespricht erzielte Leistungen sowie Verhaltensweisen mit den Verantwortungsträgern und klärt Gründe, warum bestimmte Vorgaben und Verhaltenserwartungen nicht eingetreten sind. Die Bewertungen dienen neben der objektiven Feststellung und Analyse von Ergebnissen insbesondere der Förderung des individuellen Leistungswillens der Mitarbeiter (Anerkennung) und stellen die Basis für die Beurteilung von Mitarbeitern durch den Vorgesetzten dar. Grundsatz 4 – den Leistungswillen fördern Jeder Verantwortungsträger übernimmt die Verpflichtung, in seiner persönlichen und fachlichen Handlungsweise Vorbild zu sein. Das bedeutet auch die Bereitschaft, von anderen zu lernen und selbstkritisch die eigene Handlungsweise zu betrachten. Jeder Verantwortungsträger fördert das Vertrauen seiner Mitarbeiter in die Führung und den langfristigen Erfolg des Sozialleistungsunternehmens im Hinblick auf seinen sozialen Auftrag. Dazu gehören Aufge-

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schlossenheit gegenüber Kritik, deren Überleitung in konstruktive Vorschläge sowie die Diskussion darüber. Grundsatz 5 – die Ziele und Maßnahmen in Einklang bringen So wie bei der Ableitung der Teilziele der Gesamtauftrag und das Gesamtziel des Unternehmens Ausgangspunkt ist, so müssen auch die zur Zielerreichung benutzten Maßnahmen, Mittel und Methoden sowie die Zeitvorgaben in Einklang gebracht werden. Dazu wird vom Verantwortungsträger gefordert, sich aus eigener Initiative dem Abstimmungsprozeß zu unterziehen und geplante Schritte dann zu ändern, wenn es den Unternehmenszielen dient. Hierzu gehört auch die Bereitschaft, die zur Einheitlichkeit der Führung und Leitung des Unternehmens entwickelten Systeme einzuhalten und an ihrer Verbesserung mitzuarbeiten sowie jederzeit Bereichs- und persönliche Interessen den Gesamtinteressen des Unternehmens seiner Mitarbeiter und der von dem Unternehmen betreuten Menschen unterzuordnen. Grundsatz 6 – das Bewußtsein im Hinblick auf Zielerreichung schulen Es ist die besondere Aufgabe der Führungskräfte, für eine geplante systematische Schulung und Ausbildung von Mitarbeitern zu sorgen – zur Verhinderung von Schwächen, zur Förderung von Stärken in persönlicher und fachlicher Hinsicht. Dazu gehören ein ihren Fähigkeiten entsprechender Einsatz von Mitarbeitern, eine der Belastbarkeit entsprechende Zuordnung von Aufgaben sowie die fortbildungsfördernde Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter. Zusätzlich sind interne und externe Möglichkeiten der Förderung und Weiterbildung einzuplanen und auszuwählen sowie die Zielsetzung dieser Schulung den Betroffenen eindeutig zu erläutern. Dabei hat der Vorgesetzte stets zu bedenken, daß seine Leistung auch nach seiner Fähigkeit zur Heranbildung verantwortungsfreudiger Mitarbeiter bewertet wird. Grundsatz 7 – die Kommunikation zwischen den Führungsebenen fördern Zwischen den einzelnen Führungsebenen dürfen keine Informationslücken auftreten oder die Informationswege zu Einbahnstraßen werden. Es ist eine ständige wechselseitige Kommunikation erforderlich, insbesondere für den stetigen Informationsaustausch zwischen allen Führungsebenen. Kommunikation kann nicht nur als eine reine Informationsübermittlung gesehen werden. Sie muß zu motivationsförderndem Gedankenaustausch genutzt werden. Der intensive Meinungsaustausch zwischen den Führungsebenen trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen und die Zusammenarbeit zu festigen. Kommunikation ist zudem eines der wichtigsten Mittel, verantwortungsbewußte Personen zu erkennen und gezielt zu fördern.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Den dargestellten sieben Führungsgrundsätzen liegt die Überzeugung und Erfahrung der Verfasser zugrunde, daß Initiative, persönliches Engagement, Leistungsfähigkeit und Professionalität der Mitarbeiter und die Verbundenheit mit den ethischen Grundlagen des Handelns12 maßgeblich den Arbeitserfolg in Wahrnehmung des sozialen Auftrages bestimmen. Führungsgrundsätze verpflichten hierbei jede Führungskraft zur Achtung der Persönlichkeit des einzelnen. Sie appellieren gleichzeitig an die Selbstdisziplin und Einsicht, daß letztlich Leistung und Verhalten aller zusammen darüber entscheiden, wie sich das Sozialleistungsunternehmen in der Zukunft entwickelt. Führungskräfte aller Unternehmen müssen sich generell mit neuen und sich stark verändernden Anforderungen des Umfeldes auseinandersetzen. Beispielhaft seien genannt: • zunehmende Komplexität der Umwelt und der Arbeitswelt, • stärkere Konkurrenz- und Kundenorientierung, • flachere Hierarchien, • Internationalisierung, (Europäisierung), • Wertewandel bei Mitarbeitern, insbesondere im Hinblick auf Partizipationsansprüche, • Arbeitsmarktentwicklung, insbesondere im Hinblick auf die Bereitschaft, Arbeitskraft auf einem deutlich niedrigeren Einkommensniveau anzubieten. Hieraus resultieren besondere Anforderungen an das Personalmanagement. Sozialleistungsunternehmen benötigen Mitarbeiter, die • eine passende Ausbildung haben, • ausreichende Erfahrung und Potential für Weiterentwicklung mitbringen, • leistungsbereit und kooperativ sind, • zu einem humanen Betriebsklima beitragen, • Kritik konstruktiv umsetzen können, • flexibel hinsichtlich ihres zeitlichen und räumlichen Arbeitseinsatzes sind. Dazu beitragen soll u. a. die Personalentwicklung. Sie soll für Mitarbeiter mit Potential Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, ihre Stärken sollen gefördert, ihre Defizite verringert werden. Hierzu dienen auch Job-Rotation und Trainingsprogramme. Beispiele für Entwicklungs- und Förderungsarbeit sind: • lernen in einem abwechslungsreichen, interessanten Aufgabengebiet, • lernen in internen und externen Seminaren, 12

Vgl. hierzu Abschnitt 2.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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• lernen in geplanten wechselnden Positionen, • lernen in der Stellvertretung, • lernen durch Problemlösung (Projektarbeit). Grundsätzlich ist die Personalentwicklung eine Managementaufgabe jeder Führungskraft. In der Umsetzung sollen die Mitarbeiter der Personalabteilung Gesprächspartner und Berater in folgenden Fragestellungen sein: • Fragen der Personalentwicklung und Weiterbildung, • aktive Förderer der Zusammenarbeit in allen Bereichen, • Moderatoren und Vermittler von Kenntnissen und Verhaltensweisen, • Helfer bei der Umsetzung der vermittelten Lerninhalte. Mit Hilfe des Personalmanagements ist außerdem dem zukünftigen Anforderungsprofil von Führungskräften, wie es heute in der Führungsforschung entwikkelt ist, Rechnung zu tragen. Neben die klassischen Merkmale wie Intelligenz, analytisches Denkvermögen, Loyalität und Begeisterungsfähigkeit treten: • Marketingorientierung, • Flexibilität; Aufgeschlossenheit, Sensibilität, • Kraft zum Einfordern von Leistung und zur Vereinbarung von Zielen, • Motivation und Überzeugungskraft durch Vorbildverhalten, • kommunikative Kompetenz, • Konfliktmanagement, • systematisches und insbesondere ganzheitliches Denken. Bei der Umsetzung derartiger praktischer Ansätze sollen sich die Unternehmen in Abhängigkeit von ihren jeweiligen Erfahrungsvoraussetzungen auf einen erforderlichen Zeitraum von nicht unter fünf Jahren einstellen, bevor signifikante praktische Erfolge z. B. im Hinblick auf Auslastung und Unternehmensergebnis nachhaltig feststellbar sind. Hierbei gilt, daß sich Unternehmen und ihre Führungskräfte immer wieder in eine Situation, in eine Stimmung des Aufbruchs, der Neugierde, der Umtriebigkeit, des Enthusiasmus, der Risikofreude und des Willens zu unbedingter Spitzenleistung hineinversetzen und Visionen entwikkeln müssen. Führung ist nicht alles, aber ohne Führung ist alles nichts, insbesondere ohne Führung keine Zukunft.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

2. Komponente Vertrauen13 Bestehendes Vertrauen auf den vielfältigen Beziehungsebenen im Rahmen des Managements von Sozialleistungsunternehmen wird auf Grund • theoretischer Überlegungen • empirischer Untersuchungsergebnisse • praktischer Erfahrungen/häufig eingeübten Verhaltens von Führungskräften – „wir müssen einander vertrauen“ als Erfolgsfaktor angesehen. Die spezifische Vertrauensverantwortung konfessioneller Sozialleistungsunternehmen ist als additive Komponente hinzuzufügen. Bei den folgenden Überlegungen praktischer Umsetzung von Führung mit Vertrauen, also Vertrauen auf den Beziehungsebenen • Vorgesetzter – Mitarbeiter und vice versa, • Mitarbeiter untereinander, • Nachfrager – Sozialleistungsunternehmen und vice versa, • Unternehmen – interessiertes Umfeld und vice versa, wird das Vorhandensein von Vertrauen als komparativer Vorteil angesehen.14 Die hier im Mittelpunkt stehende Frage soll daher sein: welche Ansätze praktischer Umsetzung der Vertrauensbildung/-förderung sind bekannt und welche besondere Bedeutung besitzen diese für Sozialleistungsunternehmen bzw. welche Fehlsteuerungen tragen zum Vertrauensverlust bei? 1. Führung mit Vertrauen beginnt mit Selbstvertrauen der jeweiligen Führungskraft zu sich selber. Weitere Führungseigenschaften wie Berechenbarkeit, Gradlinigkeit, Glaubwürdigkeit, Vorbildfunktion treten hinzu. Nur bei Selbstvertrauen ist es möglich, Vertrauensentwicklungsprozesse voranzubringen, die in aller Regel mit einem „Vertrauensvorschuß“ in das Redliche und miteinander Vereinbarte des Gegenübers beginnen. Auf Grund der praktischen Erfahrungen der Verfasser darf die im Vertrauensbildungsprozeß implizierte Erwartung des Verhaltens nach der goldenen Regel – also sich so zu verhalten, als „säße“ man an der Stelle des Anderen – nicht verletzt werden. Selbstvertrauen beinhaltet also sowohl das Vertrauen in das eigene Leistungsvermögen und das Können bei der Bewältigung von (unbekannten) Fehlentwicklungen als auch die Beherrschung der Situation bei Vertrauensmißbrauch – Bewältigung von Enttäuschungen – und Vertrauensbruch. 13 14

Vgl. Kahle (1999), S. 9 ff, S. 31 ff; Sprenger (2002), S. 15 ff. Vgl. Fleßa (2003), S. 153 ff.

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Für Mitarbeiter sind Führungskräfte, die sich nicht „selbst vertrauen“ – Symptome sind häufig fehlende Risikobereitschaft und Entschlußkraft; Entscheidungen werden grundlos vertagt, getroffene Entscheidungen werden revidiert, Wankelmütigkeit usw. –, eine erhebliche Arbeitsbelastung. Derartige Führungskräfte gefährden den Unternehmenserfolg. Gefährdet wird der Unternehmenserfolg auch von den Führungskräften, die Entertainment für wichtiger halten als Kompetenzbeweise, oder noch eklatanter: die fehlende Kompetenz durch Entertainment ersetzen. Nicht nur in der Erwerbswirtschaft sind zahlreiche Selbstdarsteller zu finden, in deren Kompetenz und Fähigkeiten kein Vertrauen besteht. Auch in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen sind derartige Fehlbesetzungen feststellbar, wo häufig der Unterhaltungswert kommunikativer Selbstdarstellung bei der Personalauswahl durch ehrenamtliche Gremien höher bewertet wird als die Fachkompetenz. Dem Gremium selbst fehlt die nötige Fachkompetenz für eine sachgerechte Entscheidung. Guter Wille statt Vertrauen schaffender Sachverstand ist häufig die Ursache. Der Unterhaltungswert des Bewerbers schafft positive Gefühle, hier stören Nachfrager nur. 2. Als weitere Komponenten bei der Entwicklung einer Unternehmenskultur des Vertrauens lassen sich stichwortartig aufzählen:15 • Führung mit Zielvereinbarungen, wobei ein delegativer Führungsstil – letzterer betrifft ja insbesondere das Vertrauen in die Umsetzungskompetenz bei demjenigen, der die Aufgabe übernommen hat, und das Vertrauen in dessen Fähigkeit, die Selbstkontrolle in Form eines Soll-Ist-Abgleiches hinsichtlich der Zielerreichung wahrzunehmen – die wohl am weitesten entwickelte Vertrauensführung darstellt. Zielvereinbarungen sind ein mehrfach rekursiver Prozeß von top-downbottom-up Diskursen. Die praktische Umsetzung der goldenen Regel bedeutet dabei, daß davon ausgegangen wird, daß „nicht nur ich als Führungs-Kraft ehrgeizig und leistungsorientiert in diesem Prozeß der Zieldefinition und deren Umsetzung bin, sondern auch der Mitarbeiter und/oder Kollege“. Die Kontrollprozesse dienen dann der Nachsteuerung im Hinblick auf die Zielerreichung. Der Leser erkennt unschwer, daß Vertrauen und Kontrolle in einem derartigen Prozeß nicht im Widerspruch stehen, da die Kontrolle – insbesondere die Selbstkontrolle – dem Zielerreichungsstand, der Zielerreichung selbst und damit dem Selbstvertrauen dienen.16 15

Vgl. hierzu auch Abschnitt 5, Kapitel I. Hierdurch entlarvt sich der Lenin zugeschriebene Spruch: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“ in seiner gegensätzlichen Diktion als blanker Unsinn. Ohne Kontrolle – kein Vertrauen! 16

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Werden dagegen Kontrollprozesse initiiert, den „Schuldigen zu finden“, und/oder Feststellungskontrollen, ob der Betroffene „überhaupt etwas leistet“, „wie faul er ist“, „kann ich mich auf ihn verlassen“, usw. – also Verhaltenskontrollen –, dann zerstört dies die Führung mit Vertrauen und ist, wie oben dargestellt, fast immer Ausdruck fehlenden Selbstvertrauens der delegierenden Führungskraft. • Entwicklung eines Kundenvertrauens bzw. für die heutigen konfessionellen Sozialleistungsunternehmen Erhaltung des Vertrauens in die angebotene und erbrachte Sozialleistung und Selbstvertrauen der Mitarbeiter in die Qualität17 dieser Leistung. Die Idee der an späterer Stelle entwickelten Grundzüge einer Markendienstleistung ist hierbei eine wesentliche Komponente.18 Auch hier gilt die goldene Regel, nämlich sich in die Erwartungen des Nachfragers hineinzuversetzen. Leider gibt es hier ebenso zahlreiche Vertrauenskiller, z. B. die Angst von Mitarbeitern sozialer Prozesse, vor ihrem Mißbrauch durch Klienten, z. B. die Selbstbedienungsmentalität, oder der Mißbräuche von Gewährleistungsangeboten durch Kunden. Auch dahinter steht dann mangelndes Selbstvertrauen der betroffenen Mitarbeiter, mit derartigen unerwünschten Fehlentwicklungsprozessen ggf. nicht fertig zu werden. Rollenzuschiebungen sind bereits erfolgt – hier der vertrauensvolle, gute Helfer, dort der „unredliche“ Klient. Vertrauensvorschuß wird nicht gewährt. Obwohl doch speziell in christlichen Unternehmen der dem Einzelnen auf Grund der göttlichen Botschaft gewährte Vertrauensvorschuß Grundlage des Handelns ist und sein soll. • Entwicklung einer Unternehmenskultur z. B. mit Hilfe der Qualitätssicherung durch EFQM19, die geeignet ist, Vertrauenskiller im Unternehmen zu identifizieren und zu beseitigen. Das bedeutet – Vertrauensansätze zu identifizieren und zu benennen, – Instrumente der Marktforschung, Kunden- und Leistungsbeurteilung mit dem Ziel der Leistungsverbesserung zu nutzen, – Vertrauenskiller zu identifizieren mit dem festen Willen, diese zu eliminieren. Der zielorientierte Selbstbewertungsprozeß als Teil gelebter Kultur ist auf Grund der Erfahrung der Verfasser der hierbei erfolgreichste Ansatz.

17 Qualität ist immer aus der Sicht des Kunden zu definieren: Gute Qualität ist das, was der Kunde wünscht, nicht das was der Anbieter „wünscht“. 18 Vgl. hierzu Abschnitt 4, Kapitel II.3.a). 19 Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.4.

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Zusammenfassend können auf Grund der Erfahrungen der Verfasser folgende komparative Vorteile einer Führung mit Vertrauen festgestellt werden: • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen bei den UmweltVeränderungen; Vertrauen fördert dezentrale und delegativ geführte Unternehmenskulturen, • Schnelligkeit der Entscheidungsfindung, verbunden mit Wissenstransfer der handelnden Personen; dies führt zu einer erhöhten Kreativität hinsichtlich innovativer Wege, • Erhöhung der Mitarbeiterbindung an das Unternehmen, Mitunternehmertum, • Erhöhung oder Schaffen von Kundenbindung an das Unternehmen. 3. Organisation des Ethikdiskurses20 a) Aspekte christlicher Ethik Ethik bedeutet zunächst nichts anderes als das Nachdenken über Fragen der Moral. Es geht im Rahmen von ethischen Fragen damit um die Schaffung eines differenzierten normativen Handlungsrahmens, der selbstverständlich kulturabhängig ist und das Verhältnis des Menschen • zu seinem Selbst = Individualaspekt, • zum Mitmenschen = Personalaspekt, • zur Umwelt = Umweltaspekt klärt. Während es bei der Individualethik um die ethische Verantwortung für sich selbst geht, geht es bei der Personalethik um die Sorge für den anderen sowie bei der Umweltethik um die Verantwortung für die Umwelt. Ethik umfaßt somit das Nachdenken über mögliche Handlungsnormen, also das Nachdenken über moralisches Handeln, bei dem diese Normen befolgt werden sollen. Hierbei ist es hilfreich, zwischen deskriptiver und normativer Ethik zu unterscheiden. Während deskriptive Ethik die durch Empirie vorfindbaren kulturabhängigen moralischen Auffassungen einzelner oder von Gruppen und die damit verbunde-

20 Vgl. hierzu u. a. Hesse, S. 9 ff; Korte (1999/2), S. 139 ff und die dort angegebene Literatur; Kreikebaum, S. 5 ff; Leisinger, S. 13 ff; Petersen, S. 118 ff, Rich (1991), S. 41 ff; derselbe (1992), S. 44 ff; Steinmann/Löhr, S. 8 ff; Ulrich, S. 23 ff; Wilken, S 11 ff.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

nen Handlungsanweisungen zu beschreiben versucht, zeigt die normative Ethik auf, wie einzelne oder Gruppen handeln sollen. Im Rahmen der folgenden Überlegungen werden normative Aspekte im Vordergrund stehen. Es darf aber nicht verkannt werden, daß im Zusammenhang mit Wirtschaftsfragen – und hierzu gehört natürlich auch die Betrachtung des Phänomens Markt – in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen eher deskriptive Aspekte im Vordergrund stehen. Aus den empirisch vorgefundenen Fehlentwicklungen werden dann häufig allgemeine Urteile abgeleitet, wodurch der Eindruck entsteht, als ob die deskriptiven Aspekte wegen ihrer scheinbaren Unabänderlichkeit normativen Charakter haben nach dem Motto „Vorurteile suchen nach Bestätigung“. Die normative Ethik hat sich also zum Ziel gesetzt, moralische Forderungen an Personen oder Institutionen in methodischer Weise aufzustellen und zu begründen. Es sollen im Zusammenhang von normativer Ethik und Markt moralische Positionen für das Marktverhalten von Sozialleistungsunternehmen aufgezeigt werden. Die Verfasser kommen damit zu der diese Darstellung prägenden konkreten Fragestellung, die sich an jedes einzelne konfessionelle Sozialleistungsunternehmen richtet und lautet: „Welche sind die ethischen – und in diesem Falle christlich ethischen Positionen Deines Handelns? Wie setzt Du diese Position um?“ Diese Frage verdeutlicht in ihrer Formulierung zugleich, daß es für Sozialleistungsunternehmen nach der hier vertretenen Auffassung bei der Lösung möglicher Zielkonflikte moralisch unterschiedlich zu bewertende Lösungen gibt, die zu einer unterschiedlich wahrgenommenen Unternehmensethik führen. Also gibt es auch in der Gruppe konfessioneller Sozialleistungsunternehmen eine deutlich unterscheidbare Unternehmensethik bei der Lösung von Einzelfragen. Unternehmensethik konfessioneller Sozialleistungsunternehmen verfolgt das Ziel, durch Verständigung der Handelnden untereinander materielle und prozessuale Normen zu schaffen, die für das Unternehmen als verbindlich vereinbart werden. Sie ist als christliche Ethik aus ihrem Selbstverständnis heraus dialogorientiert. Aus dem Verständnis der christlichen Ethik als dialogorientiertem Ansatz ergibt sich, daß sich für das in einem christlichem Sozialleistungsunternehmen handelnde Management und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens durch das Bekenntnis zu Christus kein moralisches Besserwissertum im Sinne normativer Handlungsanweisungen ableiten läßt nach dem Motto: „Wir wissen schon, wie man sich in der und der ökonomischen Handlungssituation zu verhalten hat.“ Vielmehr sind im Rahmen diskursorientierter Unternehmensethik zunächst folgende allgemeine Individual- und Personalaspekte gefordert: • Offenheit • Dialogbereitschaft • Lernfähigkeit.

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Zur Verdeutlichung dieser Aspekte soll auf die prinzipiellen Überlegungen des Ethikansatzes von Arthur Rich eingegangen werden.21 Rich führt als ethischen Maßstab den des Menschengerechten neben dem des Sachgerechten ein und sagt, „daß nicht wirklich menschengerecht sein könne, was nicht sachgemäß ist, und nicht wirklich sachgemäß, was dem Menschengerechten widerstreitet“.22 Auch Rich stellt klar, daß wirtschaftliches Verhalten per se zunächst selbst als ethisches Prinzip zu verstehen ist. Dagegen ist die Frage, worauf sich die Rationalität des Handelns erstreckt, zu prüfen. Im Rahmen von christlicher Unternehmensethik ist also die Frage zu stellen: Wie gehen die handelnden Personen miteinander um und welche Rolle spielen der Nachfrager und seine Wünsche und Bedürfnisse im Rahmen des Handlungskonzepts? Halten die Handlungsziele einer ethischen Prüfung stand, dann sind aus ethischer Sicht statt Ressourcenverschwendung Effizienz des Mitteleinsatzes, Wettbewerb und Planung ethisches Gebot. Als nicht erschöpfende Aufzählung benennt Rich folgende christliche Kriterien des Menschengerechten: Geschöpflichkeit Dem Menschengerechten oder Humanitären entspricht zum einen die Erkenntnis der Begründung des menschlichen Daseins in der Schöpfung durch Gott, zum anderen aber die dialogische Komponente, die in Jesus Christus anschaulich geworden ist und hierdurch den Menschen zu einem schöpferischen Leben in Freiheit und kritischer Verantwortung beruft. Schöpfung und Eigenverantwortlichkeit stehen im Einklang. Kritische Distanz Dem Menschengerechten entspricht, Distanz hinsichtlich aller z. B. unternehmerischer Handlungen zu bewahren und sie nicht als idealtypische Handlungen für alle Zukunft anzusehen. Relative Rezeption Sie stellt gewissermaßen das Gegengewicht zur kritischen Distanz dar und soll wegen der möglichen fehlenden Absolutheit hinsichtlich ethischer Forderungen vor nihilistischen Handlungen unternehmerisch handelnder Personen bewahren. Vereinfacht ausgedrückt: das ethisch Erreichbare ist zu rezipieren, auch wenn mit der kritischen Distanz der Fortschritt gefordert ist.

21 22

Vgl. Rich (1991), S. 172 ff; derselbe (1992), S. 162 ff. Rich (1991), S. 81; vgl. hierzu auch Abschnitt 2.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Relationalität Rich geht es um den menschengerechten Umgang mit ethischen Werten oder Tugenden selbst. Hierbei stehen Aspekte der Toleranz, der Umsetzung, konfligierende und komplementäre Wirkungen ethischer Ziele im Vordergrund, die simplifizierende Lösungen ausschließen. Im Kern ist eine dialogorientierte Lösung gefragt, nicht dagegen einfach eine „ausgewogene Lösung“, da einseitige Parteinahme durchaus menschengerechter sein kann. Mitmenschlichkeit Dieses Kriterium selbst trägt dialogischen Charakter und wird von Rich als ein Fundamentalkriterium bezeichnet mit dem Hinweis der Zuwendung dem anderen gegenüber. Für die Verfasser besitzt dieses Kriterium eine hohe Affinität zur Goldenen Regel. Mitgeschöpflichkeit Mit diesem Kriterium schafft Rich im dialogischen Sinne die Verbindung zum Kriterium der Geschöpflichkeit und dem Kriterium der Mitmenschlichkeit im Sinne der gemeinsamen Einbindung in die Schöpfung und in die Umweltverantwortung. Partizipation Mit dem Aspekt der Teilhabe wird vor allem dem Aspekt „Gerechtigkeit“ in dem ethischen Zusammenhang „menschengerecht“ Rechnung getragen. Gerade in Sozialleistungsunternehmen und der sozialanwaltlichen ethischen Diskussion, insbesondere der Armutsfrage, spielt Teilhabe zum Beispiel am Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland und nicht eines Entwicklungslandes eine besondere Rolle. Darüber hinaus hat Teilhabe auch mit Teilen zu tun, ein Aspekt, der nicht ohne Dialog möglich ist. Die bisherigen Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Zunächst ist christliche Ethik die Handlungsmaxime christlicher Sozialleistungsunternehmen – sie ist im Kern dialogorientierte Ethik. Dies verdeutlichen insbesondere auch die sieben Elemente des Risch’schen Ansatzes. Keines der Elemente ist ohne Dialog umsetzbar, weil es Handlungsanweisungen, nicht aber moralische Gesetze aufzeigt. Dialogorientierung bedeutet aber für Leitungen von Unternehmen die Installation eines entsprechenden dialogorientierten Führungsmodells. Die Führungsmodelle in den Unternehmen müssen ethische Dialoge ermöglichen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, ein großer Teil der christlich orientierten Managementlehre beschäftigt sich seit einigen Jahren damit.23 23

Vgl. u. a.: Jäger; Lohmann; Rückert; Haas; Fleßa (2003).

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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Führungsrahmen

Dialogorientierter Führungsstil, z.B.: -• konsultativ -• kooperativ -• delegativ

Christliche Ethik als dialogorientierte Handlungsnorm

Führungsrahmen

Abb. 3-1: Unternehmensmodell ethisch normativen Verhaltens

b) Ethik und Führungsstil Die Dialogorientierung christlicher Ethik erfordert für Sozialleistungsunternehmen als Ergebnis der vorangegangenen Ausführungen die Implementierung eines entsprechenden dialogorientierten Führungsstils.24 Autoritäre Führung oder auch patriarchalische Führung sind wegen der Einseitigkeit ihrer Einflußnahmemöglichkeiten weniger geeignet, den ethischen Dialog zu ermöglichen. In diesem Sinne tritt die oben angesprochene personale Komponente deutlich in den Hintergrund; die Individualethik der führenden Person steht dagegen im Vordergrund. Sehr eingehend mit dem Erkenntnisstand dialogorientierter Führungsstile hat sich Rolf Wunderer25 auseinandergesetzt. Abbildung 3-2 verdeutlicht hierbei, daß das fortschrittlichste Konzept der Führung marktorientiert ist, bei dem die Mitarbeiterrolle die des Mitunternehmers ist – also per se dialogorientiert sein muß, und zwar sowohl im Hinblick auf die Unternehmensangehörigen als auch im Hinblick auf den Kunden. Von konstitutiver Bedeutung für die Entwicklung des Rollenverständnisses des Mitarbeiters als Mitunternehmer sind, neben der im dritten Modellelement zu diskutierenden Kundenzufriedenheit, der im Unternehmen vorherrschende Führungsstil und das Kooperationsverhalten der Organisationsteilnehmer untereinander. Der Führungsstil muß neben der Kundenorientierung gleichzeitig den Dialog über die moralischen Grundlagen des Handelns im Unternehmen ermög-

24 25

Vgl. Leisinger, S. 120 ff; Jäger, S. 82 ff. Vgl. Wunderer (2007), S. 205 ff; Rosenstiel, von, S. 3–24.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Konzept

Hierarchie

Bürokratie

Betriebsfamilie

Markt

Legitimationsgrundlage

Entscheide Weisungen

Regeln Vorschriften

Verpflichtungen Gefühle

Leistungen Erträge

Führungsphilosophie

Weisungsgerecht

Professionell

Beziehungsorientiert

Management-, service- und businessorientiert

Rolle

Untergebener

Mitglied

Mitarbeiter

Mitunternehmer

Bezugsgruppenausrichtung

Vorgesetztenzufriedenheit

Persönliche Zufriedenheit

Vorgesetzten-/ Mitarbeiterzufriedenheit

Kundenzufriedenheit

Spezifische Qualifikationsindikatoren (Auswahl)

Anpassungsfähigkeit/ -bereitschaft Verläßlichkeit Umsetzungsfähigkeit

Kompetenz Erfahrung Verläßlichkeit Regelorientierung Gerechtigkeit

Kontakt Unterstützung Gesinnung Standhaftigkeit Verständnis Individuelle Hilfe

Innovation Problemlösung Koordination Implementation Strategie Aufwand/Ertrag

Abb. 3-2: Steuerungskonzepte der Führung – führungs- und qualifikationspolitische Schlüsse26

lichen. Grundsätzlich kommen hierfür nur die drei in Abb. 3-3 dargestellten dialogorientierten Führungsstiltypen in Frage. Sie ermöglichen in unterschiedlicher Ausprägung den an christlichen Grundwerten ausgerichteten ethischen Dialog im oben dargestellten Sinne. Neben dem Aspekt des Führungsstiltypes besitzt insbesondere im Hinblick auf die ethische Dialogorientierung auch der Ausprägungsstand der lateralen Kooperationsbeziehungen27 eine konstitutive Rolle für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen. Bei der lateralen Kooperation geht es um die ziel- und konsensorientierte Zusammenarbeit von etwa gleichgestellten Mitarbeitern bei arbeitsteiligen Unternehmensprozessen. Im Kern entsprechen die Überlegungen hierzu dem hierarchiefreien Modell christlicher Ethik28 und dem vielfach leider mißbrauchten Begriff der Dienstgemeinschaft in konfessionellen Unternehmen. Im Hinblick auf ethische Positionen solcher Sozialleistungsunternehmen wird nach der hier vertretenen Ansicht gefordert, die lateralen, dialog- und kundenorientierten Mitunternehmerbeziehungen der Personalkomponenten in derartigen Unternehmen 26 27 28

Wunderer (1997), S. 20. Vgl. Wunderer (1997), S. 253 ff; derselbe (2007), S. 26 ff. Vgl. hierzu auch Abschnitt 2.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement Konsultative Führung Grundwerte Mitarbeiter statt Arbeitnehmer beratende Mitwirkung Merkmale

Kooperative Führung Arbeit und Leistung Wechselseitigkeit Selbstverwirklichung

Mitarbeiter werden auf Ziel- und Leistungsorientierung Initiative des Vorgesetzten Funktionale Rollenberatend tätig differenzierung und Sachautorität Übergangsstil von autoritären zu kooperativ-delegativen Multilaterale Informations- und Formen Kommunikationsbeziehungen Einstieg in dialogorientierte, wechselseigemeinsame Einflußtige Führungsausübung beziehungen Konfliktregelung durch Aushandeln/ Verhandeln

93

Delegative Führung Selbständigkeit Selbstverantwortlichkeit Selbstorganisation Selbstentwicklung Ziel- und Leistungsorientierung Zielerarbeitung und -entwicklung Berücksichtigung von Mitarbeiterzielen Organisations- und Personalentwicklung Ergebnisorientierte Anreize und Entlohnungen Zielvereinbarung als Grundlage der Zusammenarbeit

Gruppenorientierung: Partnerschaftlichkeit Vertrauen als Grundlage der Zusammenarbeit Bedürfnisbefriedigung von Mitarbeitern und Vorgesetzten Information und Kommunikation Organisations- und Personalentwicklung Abb. 3-3: Übersicht dialogorientierter Führungsstiltypen29

zu fördern. Die Entwicklung und Vertiefung lateraler Kooperationsbeziehungen ist grundsätzlich nicht mit dem Instrumentarium vertikaler Führungsbeziehungen möglich. Vielmehr ist Führung aufgefordert, günstige Kooperationssituationen 29

Vgl. hierzu Wunderer (2007), S. 207 ff.

94

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

und günstiges Kooperationsverhalten zu fördern. Nur einige wenige Aspekte seien genannt: • Matrixorganisation, • Unternehmensphilosophie, • Management und Führungsgrundsätze, • Strategieplanung, • Schulung und Rollentraining der Organisationsteilnehmer. c) Kunde und Markt als Ziel ethischer Ausrichtung30 In diesem Kapitel soll die Bezugsebene der Leistungserstellung untersucht werden. Sie ist nach der hier vertretenen Ansicht die Kernebene allen unternehmerischen Handelns, und dies gilt auch besonders für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen. Ohne Einbeziehung der Ebene der Nachfrager nach Sozialleistungen würde die Verknüpfung der Modellelemente eins und zwei im Führungsrahmen31 nicht das Finalziel des Handelns begründen. Die Gedankenansätze würden im Bereich der „Nabelschau“ verbleiben und der eigentliche Auftrag christlichen Handelns verkümmern.32 Zunächst ist das Phänomen Markt ökonomisch gesehen nichts anderes als das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Anbieter ist hierbei das konfessionelle Sozialleistungsunternehmen. Dessen Aufgabe es ist, sich im Schwerpunkt derer anzunehmen, die Hilfeleistungen nachfragen, die in Not- und in Konfliktsituationen sind, also der Nachfrager, die materielle und sonstige Schutzbedürfnisse haben. Menschliche Bedürfnisse sind Ausdruck des empfundenen Mangels an Zufriedenstellung. Hieraus resultieren Wünsche, also ein Verlangen nach konkreten Produkten oder Dienstleistungen, die die Mangelsituation beseitigen helfen sollen. Die Nachfrage ist dabei begleitet von der Fähigkeit und der Bereitschaft zum Kauf dieser Dienstleistungen.33 Neben Eigenmitteln stehen den Nachfragern Mittel aus gesetzlichen Rechtsansprüchen zu. Letzteres ist gerade im Bereich von Sozialleistungsunternehmen sehr häufig der Fall.34

30

Vgl. Korte (1995/3), S. 175 ff. und (1999), S. 119 ff. Vgl. Abbildung 3-1 und Abbildung 3-5. 32 Die Verfasser wagen an dieser Stelle die These, daß die aktuelle Diskussion über Unternehmensethik und die betonte Einbeziehung in unternehmerische Fragestellungen und die parallel sich verstärkende Diskussion zur Kundenorientierung die logische Konsequenz aus dem bisher Gesagten ist. Unternehmensethik ohne Kundenbeziehung ist in sich ein Widerspruch. Vgl. zu diesen Überlegungen auch Lohmann, S. 109 f. 33 Vgl. Kotler/Bliemel, S. 7; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, S. 80 ff. 34 Vgl. auch zum Verständnis des Nachfragers: Starnitzke, S. 93; Lohmann, S. 108 ff. 31

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

95

Beispielhaft seien genannt: • Rechtsansprüche aus dem Sozialgesetzbuch, • der Rechtsanspruch auf Versicherungsleistungen bei Krankheiten usw. Die Nachfrager „bezahlen“ hierbei häufig – übrigens nicht nur in Sozialleistungsunternehmen – durch eine geregelte Weitergabe ihrer Rechtsansprüche. Im Zusammenhang ethischer Aspekte des Marktes sozialer Hilfen sind zwei Punkte besonders zu beachten:35 • Die Verbindung der Elemente Markt und Ethik funktioniert nur unter Beachtung des personalen Aspektes. Wenn wir uns mit ethischen Aspekten im Zusammenhang mit dem Markt auseinandersetzen, muß man sich also mit den handelnden Personen sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfragerseite auseinandersetzen.36 • Die Markt- und damit die Machtstrukturen sind in ihren wesentlichen Erscheinungsformen zu analysieren. Zunächst zum zweiten Punkt: In dem in Abb. 3-4 dargestellten Marktformenschema lassen sich folgende Rahmenbedingungen der handelnden Personen verdeutlichen: Sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfragerseite wird nach der Anzahl der handelnden Personen differenziert. Wie sieht die Anbieterseite aus? Für Sozialleistungsunternehmen läßt sich feststellen, daß eher wenige Große oder manchmal auch nur ein Großer auf dem Gebiet der sozialen Dienstleistungen als Anbieter auftreten. Dagegen sieht die Nachfragerseite häufig so aus, daß dort viele kleine, zum Teil auch finanziell schlecht oder mit geringeren Rechten ausgestattete Nachfrager sozialer Leistungen auftreten. Der Markt der Sozialleistungsunternehmen befindet sich bestenfalls in einer typischen Situation des Angebotsoligopols, überwiegend zumindest regional in der des Angebotsmonopols. Die Markt-Macht liegt in diesem Fall ganz eindeutig auf der Anbieterseite, also auf der Seite, auf der sich auch konfessionelle Sozialleistungsunternehmen bewegen. Damit ist die Frage ethischen Handelns ganz besonders eine Anfrage an das Handeln christlicher Sozialleistungsunternehmen, insbesondere an ihren Umgang mit der Macht. Was bedeutet dies für den personalen Aspekt von Markt? Sozialleistungsanbieter sind im Allgemeinen gekennzeichnet als starke Oligopolisten oder Monopolisten, die weitaus schwächeren Partnern – das sind ja gerade die typischen Zielgruppen insbesondere konfessioneller Unternehmen – gegenübertreten und deren Nachfrage befriedigen möchten. 35 36

Vgl. zum folgenden: Korte (1999/2), S. 156 ff. Vgl. Petersen, S. 127.

96

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis Anbieter Viele Kleine

Wenige Mittelgroße

Ein Großer

Angebots-Oligopol

Angebots-Monopol

Nachfrager Viele Kleine

Vollkommene Konkurrenz

Wenige Mittelgroße

Nachfrage-Oligopol Bilaterales Oligopol beschränktes Angebots-Monopol

Ein Großer

Nachfrage-Monopol Beschränktes bilaterales Monopol Nachfrage-Monopol Abb. 3-4: Marktformenschema

Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen sind darüber hinaus der dialogorientierten Ethik verpflichtet, wobei im Dialog die Marktmachtfrage im Hinblick auf den Nachfrager im Vordergrund zu stehen hat. Rahmenbedingungen hierfür bilden die oben dargestellten Führungsaspekte • Mitunternehmermodell, • dialogorientierter Führungsstil (insbesondere delegativer Führungsstil), • laterale Kooperation. Sie sollen helfen, Marktmachtungleichgewichte im Sinne christlicher Selbstverpflichtung aufzubrechen. Wie aber kann diese in der praktischen Umsetzung realisiert werden? Welches praktische Kennzeichen trägt dieses Mitunternehmermodell, welches ist eine Kernleitlinie gegenüber dem Nachfrager? Im Kern geht es um die Kundenzufriedenheit. Ein besonderer Maßstab ist hierbei die Goldene Regel, wobei hier auf eine Übersetzung der guten Nachricht zurückgegriffen wird: „Behandelt die Menschen so, wie Ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt.“37 Sie stellt Kernleitlinie des Markthandelns der Anbieter christlicher Leistungen dar. Wollen derartige Sozialleistungsunternehmen nicht in einem Selbstdarstellungsgeflecht hängenbleiben – also bei der „Nabelschau“ –, genügt es nicht, über dialogorientierte Managementmodelle nachzudenken. Ohne die Betrachtung der Bedürfnisse der Nachfragerseite und ohne eine entsprechende Verhaltensweise gegenüber dem Nachfrager, die ethischen Normen standhält, geht es keinesfalls. Damit bildet die Nachfragerseite ein wesentliches – hier wird die These vertreten: das wesentliche – Korrektiv ethischer Fehlentwicklungen im Führungsrahmen.38 37

Matthäus 7,12; vgl. hierzu auch Abschnitt 2. Vgl. auch Leisinger, S. 35, der auf organisierte Gegenbewegungen auf Märkten, wie z. B. Boykotte hinweist. 38

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

97

Damit läßt sich das Erklärungsmodell ethischer Positionen im Markt sozialer Hilfen als Triade wie folgt abbilden:

Führungsrahmen

Dialogorientierter Führungsstil z.B.: – konsultativer – kooperativer – delegativer

Christliche Ethik als Handlungsnorm

Nachfrager oder Kunde

Ma rkt rah me n

en hm ) Ra gung i ver ati ünd rm rk No B. Ve (z.

Goldene Regel

Abb. 3-5: Erklärungsmodell konfessioneller Unternehmensethik

Die Abbildung 3-5 soll noch einmal verdeutlichen, daß es im Zusammenhang mit der Organisation des Ethikdiskurses in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen um die dialogische Vernetzung Ethik/Führung/Markt geht. Die bereits im Kapitel zwei eingehend behandelte Goldene Regel, die ja im Kern fordert, sich in die Rolle des Nachfragers hinein zu versetzen, bedeutet: Für christliche Sozialleistungsunternehmen gilt die Weisung Jesu: „Liebe deinen Nächsten so, als seist Du der auf Liebe (Hilfe) Angewiesene“.39 An dieser Stelle soll nicht verkannt werden, daß viele der in den Modellelementen verdeutlichten Aspekte Programm sind, welches umzusetzen ist, z. B. Kundenorientierung durch Entwicklung christlicher Dienstleistungen zu Markendienstleistungen, durch Entwicklung von Instrumenten der Marktforschung und Kundenbefragung, durch Entwicklung von einem dem TQM- bzw. dem EFQM-Grundmodell entsprechenden Qualitätsmanagement, durch Reklamationsmanagement usw. 39

Vgl. hierzu die ausführlichen Überlegungen im gesamten Abschnitt 2.

98

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

d) Aspekte des normativen Handlungsrahmens Mit dem dargestellten Gedankenmodell christlich-biblisch begründeter Unternehmensethik wurden die Grundlagen der Organisation des Ethikdiskurses dargestellt. Rezeptartige Handlungsanweisungen im Zusammenhang mit EthikFragen scheinen den Verfassern nicht geeignet. Vielmehr ist das Verfahren zu regeln, damit christliche Ethik in Entscheidungsprozessen der Unternehmen Eingang finden kann. Christliche Unternehmensethik als Leitlinie des Handelns auf dem Markt sozialer Hilfen umfaßt damit: • Dialog und Nachdenken über die Grundeinstellungen und Normen der Unternehmensangehörigen, • Regelung des Verhaltens und Handelns einzelner Funktions- und Dienstleistungsbereiche speziell im Hinblick auf den Nachfrager; im Zweifelsfall geregelt über institutionalisierte Wertmaßstäbe in Form von Leitlinien, • Festlegung von Reaktionsmaßstäben im Hinblick auf z. B. externe Akteure wie Staat (Gesetzgeber), kommunale Instanzen sowie im Hinblick auf die Nachfrager. Der Marktrahmen des hier dargestellten Ethik-Modells und des „MarketingLeitgedankens“ der Goldenen Regel allein birgt aber ohne den normativen Rahmen noch immer die Gefahr, daß die Position des Nachfragers, des Kunden, nicht hinreichend profiliert ist. Die goldene Regel richtet sich an das handelnde Unternehmen und seine Menschen. Die Frage der Ansprüche des Kunden aus der Verkündigung der biblischen Botschaft ist daher noch abschließend einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Für christliche Sozialleistungsunternehmen gilt: Inhalt und Umfang ihres Handelns sind ausgerichtet • am Notleidenden, • an seinem Lebensrecht (Beendigung von Armut) und seinen Rechten, • an seiner Würde (Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft), • an seiner Heilung (Vergebung), • an seinem Heil (Vertrauen). Der ethische Aspekt des normativen Rahmens soll damit die „Rechtsansprüche“ der Nachfrager selbst, aus der christlichen Botschaft abgeleitet, an das christliche Unternehmen verdeutlichen. Das Unternehmen ist hiermit angefragt, sein ethischer Ermessensspielraum im hier verstandenen Sinne eingeschränkt. Grundlagen dieser abschließenden Überlegungen sind zum einen die oben dargestellten Kriterien des Menschengerechten, insbesondere in diesem Zusammenhang das der • Geschöpflichkeit – der Mensch ist nicht „marionettenhaft Objekt des Schöpfers“, sondern wird von diesem mit einem eigenen Willen geschaffen,

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

99

• der Partizipation und der Mitgeschöpflichkeit – als Teil der Schöpfung bestehen für jeden einzelnen auch Ansprüche an ihre Teilhabe. Auch die Rich’schen ethischen Darlegungen zur Menschengerechtheit aus Glauben, Hoffnung und Liebe verdeutlichen noch einmal die Unmittelbarkeit der christlichen Botschaft und ihre direkte Ausrichtung auf den Nachfrager – ohne den Umweg über das Sozialleistungsunternehmen. Für die Verfasser finden sich diese Gedanken im Ersten Testament, insbesondere in den Briefen des Paulus wieder.40 Für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen leitet sich hieraus eine ethische Grundregel ab, nämlich ökonomisch gesprochen die Anerkennung der sogenannten Konsumentensouveränität oder Nachfragersouveränität bzw., wo diese droht eingeschränkt zu werden, die Wiederherstellungsverpflichtung. Für den ökonomisch ausgebildeten Manager eines Sozialleistungsunternehmens ergibt sich im Rahmen der aktuellen Unternehmensethikdiskussion die spannende Frage, ob diese auf der Hand liegenden Aspekte und Anfragen an Kirche und Theologie bereits hinreichend aufgenommen werden. 4. EFQM-Ansatz41 Der Qualitätssicherungsansatz der European Foundation for Quality Management (EFQM) stellt eine praktische Vernetzungsmöglichkeit der Komponente Vertrauen, der Organisation des Ethikdiskurses sowie der sozialen Markendienstleistung als Ausdruck unbedingter Kundenorientierung dar. Er basiert auf Vertrauen in die Organisationsmitglieder, weil er 1. davon ausgeht, daß Qualität produziert wird und nicht kontrolliert wird. Eine soziale Dienstleistung kann wie jede Dienstleistung nur einmal erbracht werden und dann richtig. Wiederholte Fehlhandlungen, z. B. in der täglichen Körperpflege Pflegebedürftiger, tangieren in erheblichem Maße die Würde des Betroffenen. Also ist die Leistung in jedem Fall korrekt zu erbringen. Ein nachträglich durch Kontrolle festgestellter Qualitätsmangel kann den eingetretenen Mangel nicht mehr beseitigen, sondern allenfalls bewirken, einen zukünftigen Mangel zu vermeiden. 2. Vertrauen bedeutet, daß alle Mitglieder der Unternehmensorganisation von dem Willen geleitet sind und dieses Selbstvertrauen besitzen, an einer regelmäßigen Schwachstellenbeseitigung und Verbesserung der Leistungsprozesse und damit der Sozialleistungen zu arbeiten.

40

Vgl. hierzu Abschnitt 2. Vgl. zum EFQM-Ansatz u. a.: EFQM; Malorny, S. 295 f; Wunderer (2007), S. 449 ff; Zink, S. 99 ff. 41

100

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Der EFQM-Prozeß ist damit wesentlich weitergehender als das seit vielen Jahren bestehende Modell des Verbesserungsvorschlagswesens. Dieses ist im Hinblick auf die hier vertretenen delegativen, vertrauens- und leistungsorientierten Führungsansätze deutlich unterlegen, weil 1. Verbesserungsvorschläge prämiert werden (Unterstellung: nur Prämien halten Mitarbeiter zu einer Verbesserung an) 2. da aber das Nachdenken über Produkt-, Prozeß- und sonstige Verbesserung zur Hauptaufgabe jedes Mitarbeiters gehört, werden grundsätzlich nur derartige Vorschläge prämiert, die von einem Mitarbeiter eines „anderen Bereiches“ vorgeschlagen werden. Vorschläge aus dem eigenen Bereich werden nicht honoriert. Die Umgehungsmöglichkeiten dieses letzten Punktes liegen auf der Hand. 3. Bedeutet er Vertrauen in die Mitarbeiter, weil er als Total Quality Management (TQM)-Ansatz die Vernetzung des gesamten Leistungserstellungsprozesses ist, und, da beim Dienstleistungsprozeß der Empfänger selbst Teil des Leistungserstellungsprozesses ist, die Einbindung der die Hilfe beauftragenden Personen, also der Kunden erfolgt. 4. Bedeutet er Vertrauen und Selbstvertrauen des Führungsmanagements in die Mitwirkenden des EFQM-Prozesses, vor allem in deren Handlungs- und Umsetzungswillen hinsichtlich der jeweiligen notwendigen Verbesserungen. Der EFQM-Ansatz ist als Diskurs organisiert, weil er in seiner Grundstruktur zu diskutierende und beantwortende Fragen den Selbstbewertungsgruppen vorgibt. Soweit diese Fragenkataloge in der Entwicklungsphase nicht nur dem Vorschlag der EFQM-Richtlinien entnommen werden, sondern ggf. im Diskurs mit den Mitarbeitern in einem top-down-bottom-up-Prozeß modifiziert werden und Anfragen an die christlich ethischen Grundlagen des Sozialleistungsunternehmens enthalten, ist von einer hohen Motivation42 der Beteiligten auszugehen. Diese Form der Selbstbewertung erfüllt dann die Kriterien des delegativen Führungsstils und die konsequente und regelmäßige Organisation des Ethikdiskurses. Das Grundschema des EFQM-Modelles sieht wie folgt aus. Hierbei wurde auf die Gewichtung der Kriterien verzichtet, weil sie zur Erklärung des dahinterstehenden Führungsmodelles ohne Relevanz ist.

42 Motivation ist der vom Menschen ausgehende und im Menschen liegende Antrieb zu einem bestimmten situativen Verhalten und Erleben. Vgl. hierzu u. a.: Rosenstiel, von (1999), S. 173–192; Sprenger (2000), S. 20 ff.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

Mitarbeiterzufriedenheit

Mitarbeiterorientierung

Führung

Politik und Strategie

101

Prozesse

Ressourcen

Befähiger

Kundenzufriedenheit

Geschäftsergebnisse

Gesellschaftliche Verantwortung/Image Ergebnis

Abb. 3-6: Grundschema des EFQM43

Für die Umsetzung des Führungsmodelles EFQM sind zwei Punkte besonders zu beachten: 1. Die Kriterien und die dahinterstehenden, dem Diskurs zu unterwerfenden Management-/Qualitätsfragen sind für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen inhaltlich und sprachlich zu modifizieren. Dies widerspricht zwar dem standardisierten Bewerbungsprozeß im Hinblick auf eine Teilnahme an der Vergabe des europäischen Qualitätspreises – der Preis ist aber nach der hier vertretenen Auffassung eher sekundär, wenn nicht sogar kontraproduktiv, da bei „Preisen“ immer wieder ein Fremdurteil zum Tragen kommt. • Aus der Selbstbewertung zum Punkt „Führung“ soll hervorgehen, wie in dem betrachteten Sozialleistungsunternehmen sich die Führungskräfte hinsichtlich der Kultur und ihres Qualitätsverständnisses im Hinblick auf die Hilfesuchenden verhalten. Hierbei sind die ggf. in Leitbildern, Unternehmensphilosophien oder anderen Verlautbarungen definierten Ziele in Bezug auf Glaubwürdigkeit und Zielerreichung zu hinterfragen. Die Selbstbewertung oder genauer gesagt die Bewertung der Führungskräfte selbst wird durch Mitarbeiter hinterfragt, also die Glaubwürdigkeit der Kernkompetenzen, Leitbilder und Kernziele des Unternehmen ist bei diesem Punkt das Ziel. • Die Selbstbewertung Mitarbeiterorientierung untersucht in Musterfragen – die natürlich nur Anhaltspunkte für die Selbstbewertungsteams bilden – die Planung und Steuerung der Mitarbeiterressourcen, die Personalent43

EFQM, S. 13, dort mit Gewichtung.

102

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

wicklungsmaßnahmen, die Zielvereinbarungsprozesse, die Befähigung zu selbständigem Handeln im Rahmen des delegativen Führungsstiles, die Leistungsanerkennung, die Versorgung von Mitarbeitern in bestimmten Lebenssituationen sowie die Förderung notwendiger Kommunikation, Information und Dialoge. • Mit der Selbstbewertung von Politik und Strategie wird die Kultur des Unternehmens, insbesondere seine Faktenorientierung, das Setzen von Planungsprioritäten und die Informationsverarbeitung beleuchtet. • Der Diskurs zur Komponente Ressourcen überprüft alle Ressourcen-Finanzen, Anlagevermögen, Informationen, Material, externe Lieferanten, interne Technologie und deren wirtschaftlicher Einsatz. • Die Selbstbewertung zum Punkt Prozesse überprüft die Erfolge von Abläufen, deren systematische Weiterentwicklung, die Förderung von Innovationen und die Bewertung von Veränderungsprozessen. • Der Diskurs zur Kundenzufriedenheit dient der systematischen Einschätzung der Zufriedenheit von Hilfesuchenden, der Entwicklung z. B. systematischer Kundenbefragung, eines Reklamationsmanagementes, der Rückmeldung an Kunden sowie der Feststellung, ob das Ausloben einer Markendienstleistung der Realität entspricht. • Der Diskurs zum Punkt Mitarbeiterzufriedenheit soll die Aspekte Motivation und Zufriedenheit resp. Unzufriedenheit offen legen und Veränderungsmaßnahmen einleiten. Er stellt gewissermaßen eine Innensicht dar. • Der Punkt Gesellschaftliche Verantwortung versucht dagegen in der Außensicht das Unternehmen durch die Gesellschaft zu beurteilen, einschließlich der bei Sozialleistungsunternehmen bestehenden div. Aufsichtsbehörden. • Die Selbstbewertung und der Diskurs zum Kriterium Geschäftsergebnisse verbessert zum einen das Verständnis für betriebswirtschaftliche Kennzahlen, deren Aussage- und Nicht-Aussage-Kraft und die Einflußgrößen auf derartige Kennzahlen. Nutzen und Grenzen derartiger Kennzahlen werden damit offen gelegt. 2. Für die Umsetzung des Führungsmodelles EFQM ist als weiterer Punkt die Steuerung durch professionelles Projektmanagement von besonderer Relevanz. Die vorangegangene Beschreibung zeigt, daß die Selbstbewertung mit zunächst nicht unerheblichem Zeitaufwand hinsichtlich des Lernens und Verstehens der dahinterstehenden Ansätze verbunden ist. Diese einmalige Personalentwicklungsmaßnahme – spätere Nachschulungen insbesondere für neu eintretende Mitarbeiter sind Teil der allgemeinen und regelmäßigen Fortführung von Personalentwicklung und Führungskräfteentwicklung – gilt es sorgfältig als Projekt zu planen. Hierbei hat sich nach den Erfahrungen

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

103

der Verfasser ein zeitlich strukturiertes, mehrstufiges Projektmanagement als effizient und effektiv herausgestellt: 1. Schritt: Herstellung eines Konsenses auf der TOP-Management-Ebene zur Installation von EFQM. Dies setzt logischerweise hinreichende Kenntnisse und möglichst Erfahrungen von Alternativen voraus. 2. Schritt: Start einer TOP-Information – Informationsseminar mit Berater – mit vorab durchgeführtem Selbststudium (max. 2 Tage). Teilnehmer: Vorstände und Geschäftsführer, insgesamt nicht mehr als 10 Personen. 3. Schritt: Definition eines Projektverantwortlichem und einer interdisziplinären Multiplikatorengruppe, die einen Teilbereich selbst bewertet und die modifizierte EFQM-Richtlinie überprüft und überarbeitet. 4. Schritt: Sichtung der Zwischenergebnisse in einer weiteren Tagung (max. 1 Tag) und Festlegung der Projektpläne der Multiplikatoren-Teams. 5. Schritt: Übertragung auf das Gesamtunternehmen, Durchführung des EFQM-Prozesses pro Unternehmens-Einheit, Sicherung der Ergebnisse. Nach ca. einem Jahr Präsentation der erreichten Verbesserungen und Fortschreibung der Projektpläne für weitere Maßnahmen. Die o. g. Schritte wirken insbesondere nach der Startphase zunächst sehr bürokratisch. Doch was ist die Alternative zu der praktischen Erfahrung des „Versandens im Tagesgeschäft“? Hierfür besteht speziell in der Sozialarbeit wegen des zu geringen Kunden- und Marktdruckes nach wie vor eine große Gefahr. Ein begonnener und nicht fortgesetzter EFQM-Prozeß ist für die Kultur44 eines Sozialleistungsunternehmens verheerend, da die Glaubwürdigkeit schweren Schaden nimmt. 5. Personalbeurteilung Ein weiteres Element eines schlüssigen Systems der Mitarbeiterführung in Sozialleistungsunternehmen stellt ein adäquates Personalbeurteilungssystem dar. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, daß Beurteilungen durch Vorgesetzte, durch Mitarbeiter und wechselseitige Beurteilungen auch ohne derartige Systeme stattfinden und zu Verhaltensreaktionen untereinander führen. Ohne ein System der Beurteilung sind sie überwiegend intransparent und nicht zielgerichtet. Damit sind derartige „heimliche“ Beurteilungen nicht vertrauensfördernd und hinsichtlich eines delegativen Führungsstils dialogfeindlich, da ja ein offener Dialog nicht gefördert wird. Ein weiterer Ausgangspunkt ist, daß die Verknüpfung von Entgeltfindung mit einem Beurteilungssystem regelmäßig einen offenen Dialog verhindert, da ja 44

Zum Kulturansatz vgl. Abschnitt 3, Kapitel V.

104

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

das Beurteilungsgespräch eigentlich nur zum Entgeltgespräch „degradiert“ wird. In derartigen Verknüpfungssystemen haben Vorgesetzte i. A. einen „Entgelttopf“ für Leistungszulagen zur Verfügung, der überwiegend im Rahmen der Gauß’schen Normalverteilung aufgeteilt wird, wobei die Grundlage die benotete Vergangenheitsleistung des Beurteilten ist. Weiterhin besteht i. A. die Mitarbeitererwartung – insbesondere bei jüngeren Mitarbeitern –, daß sie jährlich bessere Noten resp. eine höhere Zulage erhalten. Da „Noten“ und gekoppelte Entgelte aber nur innerhalb einer definierten Skala steigerbar sind, scheitern derartige Systeme immer nach einigen Jahren und werden durch neue ersetzt, die quasi neu justiert werden müssen oder wieder „von vorn anfangen“. Auch diese Form der Beurteilung führt zu erheblichen Vertrauensverlusten. Außerdem kann ein in Tarifverträgen, Arbeitsvertragsrichtlinien oder Betriebsvereinbarungen definiertes Leistungsentgelt ohne Beurteilung unmittelbar mit den erreichten Leistungszielen verknüpft und objektiviert werden. Ein Beurteilungssystem wäre hierfür nicht erforderlich. Um das stark subjektive Beurteilungsverhalten von Vorgesetzten und Mitarbeitern vertrauens- und dialogfördernd in das Gesamtsystem einzubinden, ist es als regelmäßiges Mitarbeitergespräch zu etablieren. Hierbei sind die Elemente vergangenheitsbezogener Leistungsbeurteilung mit dem Ziel der zukünftigen Verbesserung der Zielerreichung und/oder Zielsteigerung sowie die Potentialbeurteilung mit dem Ziel der Personalentwicklung z. B. Karriereplanung, Fort- und Weiterbildung zu verbinden. Dem Mitarbeiter wird durch ein entsprechend strukturiertes Gespräch mit freien Antworten außerdem die Rückmeldungsmöglichkeit hinsichtlich seiner „Sicht der Dinge“ gegeben. Strukturmerkmale für die persönliche Umsetzung können z. B. sein: 1. Erreichte Leistungsergebnisse im Beurteilungszeitraum hinsichtlich • Arbeitsausführung • Belastbarkeit • Kundenorientierung. 2. Entwickelte Kenntnisse und Fähigkeiten im Beurteilungszeitraum hinsichtlich • Fachkenntnisse • systematisches und ganzheitliches Denken. 3. Erlebte persönliche Merkmale innerhalb des Beurteilungszeitraumes hinsichtlich • Flexibilität/Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem • Identifikation mit der Tätigkeit/den Unternehmenszielen/dem Unternehmensleitbild.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

105

Eine Möglichkeit der Entwicklung und Einführung eines derartigen kundenund dialogorientierten Systems ist die Projektgruppenarbeit. Einer Projektgruppe, besetzt mit Mitarbeitern unterschiedlicher Ebenen unter Beteiligung der Personalleitung, wird nach Vermittlung entsprechender Kenntnisse der theoretischen Hintergründe und Ansatzpunkte von Beurteilungssystemen die Aufgabe übertragen, ein diskursorientiertes und vertrauensorientiertes System des Mitarbeitergespräches zu entwickeln und nach seiner Verabschiedung durch die Unternehmensleitung unter Beachtung von Mitbestimmungstatbeständen einzuführen. Damit werden bei der Entwicklung und Umsetzung die Komponenten „Vertrauen“ und „Ethik-Diskurs“ selbst bereits im o. g. Sinne beachtet. 6. Personalcontrolling45 Die folgende Begebenheit verdeutlicht Ängste und Unsicherheiten, die sich mit dem Stichwort „Personalcontrolling“ in Sozialleistungsunternehmen verbinden können: An einer Tür im Personalwesen wurde das Schild des dort beschäftigten Mitarbeiters mit dem Hinweis Personalcontrolling ergänzt. In Windeseile verbreitete sich im Unternehmen die Aussage, daß nun zukünftig durch diese Abteilung die Mitarbeiter kontrolliert werden sollen. Die Mitarbeitervertretung wurde daraufhin unverzüglich beim Vorstand mit dem Hinweis auf ihre Mitbestimmungsrechte vorstellig.

Welche Schlußfolgerungen sind aus dieser Begebenheit zu ziehen? 1. Mißtrauen wird unmittelbar durch bestehende Informationsdefizite und Unkenntnisse geweckt46. 2. Stichworte wie „Management“ und „Controlling“47 werden nicht als Problemlösungschance durch die eigene zielgerichtete Leistung, sondern als fremdbestimmte Bedrohung in der Arbeitswelt sozialer Dienstleistungen verstanden. Personalcontrolling in dem hier verstandenen Sinne ist ein die Mitarbeiterführung als Teil der Managementfunktion ergänzendes System. Personalcontrolling besteht damit aus den Ansätzen: • Informieren, • Planen und Koordinieren, • Kontrollieren, • Steuerung der Zielerreichung. 45

Vgl. hierzu u. a.: Schulte und Wunderer/Jaritz; Wunderer (2007), S. 416 ff. Hierzu auch Abschnitt 3, Kapitel II.2. 47 Zur Abgrenzung von Management und Controlling vgl. auch Abschnitt 5, Kapitel I. 46

106

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Damit dient das Personalcontrolling mit seinen Ansätzen der Zielerreichung aller Teilfunktionen des Personalmanagementes. Es werden die von der Mitarbeiterführung Betroffenen vom Stand der Zielerreichung regelmäßig informiert, durch z. B. Hochrechnungen wird der Erreichungsgrad kontrolliert, ggf. werden Nachsteuerungsprozesse initiiert48, wobei diese Prozesse ebenso wie die regelmäßige Informationsversorgung zu planen und zu koordinieren sind. Hierbei hat sich bewährt, organisatorisch das Personalcontrolling im Bereich des Personalwesens anzusiedeln, da diese Funktion die grundsätzliche Einheitlichkeit aller Personalmanagementtätigkeiten sicherzustellen, bestimmte Prozesse wie z. B. Einstellungen gemeinsam mit den Fachabteilungen zu begleiten oder andere Prozesse z. B. im tariflichen Bereich zentral überordnend wahrzunehmen hat. Drei Ansätze des Personalcontrollings lassen sich unterscheiden:49 1. Humanvermögensrechnung/human ressource accounting einschließlich des hierunter zu subsumierenden value based-Ansatzes von Wunderer/Jaritz. 2. Kostenanalytischer Ansatz 3. Kennzahlenorientierter Ansatz. Bei der Humanvermögensrechnung werden die Grundgedanken der Investitionsrechnung übernommen, bei der grundsätzlich input- mit output-Größen verglichen werden mit dem Ziel, einen ggf. unter Berücksichtigung von Zinsen größeren output als input zu erzielen. Die gleichen Überlegungen liegen dem value-based Controllingansatz zu Grunde, wobei auf den Ansatz selber an anderer Stelle im Rahmen des wertorientierten Controllings eingegangen wird.50 Die gegen diesen Ansatz vorgebrachten Kritikpunkte – Mitarbeiter stellen kein „Eigentum“ der Unternehmen dar, Mitarbeiter werden zu Objekten degradiert –, wobei eine „ethische“ Kritik geübt wird, sowie der Kritikpunkt, daß Ungenauigkeiten bei der Schätzung der zukünftigen Rückflüsse auftreten, erfassen das Problem nur ungenau. Genereller gilt als Kritikpunkt, die aus der Investitionsrechnung bekannte Zurechnungsproblematik von prognostizierten Ergebnissen auf einzelne Faktoren – hier auf den Faktor Personal. Auch wenn in einem Dienstleistungsprozeß eines Sozialleistungsunternehmens das Personal ein wesentlicher Ergebnisverursacher ist, wirkt dieser Faktor dennoch zusammen mit

48 Damit handelt es sich bei der Kontrolle nicht um einen ex post- sondern einen ex ante-Prozeß. 49 Vgl. Schulte, S. 5 ff. Zur Personalkostensteuerung vgl. auch Abschnitt 5, Kapitel II. 3. 50 Vgl. Abschnitt 5, Kapitel III.5.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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anderen Produktionsfaktoren, z. B. Gebäuden, Material sowie Leitung und Betriebsorganisation. Die Zurechnungsproblematik ist damit ein wesentlicher Kritikpunkt an diesem Ansatz. Die Einwände gegen den kostenanalytischen Ansatz des Personalcontrollings sind zum einen die einseitige Kostenbetrachtung bei überwiegender Vernachlässigung der Opportunitätskosten – z. B. sind bei einer mehrtägigen Fortbildungsmaßnahme nicht die Kosten der Maßnahme selbst und ggf. die Unterbringungskosten der entscheidende Kostenfaktor, sondern die entgangenen Leistungen für das Unternehmen auf Grund der Abwesenheit des Mitarbeiters, also sein dem Unternehmen entgangener „Nutzenbeitrag“ –. Zum anderen erfolgt keine Gegenüberstellung von Kosten und der damit erbrachten Leistung, also keine Wirtschaftlichkeitsbeurteilung. Während also die Humanvermögensrechnung alle – auch die sog. schwer oder gar nicht in Geld quantifizierbaren – Faktoren quantifiziert, stellt dieser Ansatz gewissermaßen das andere Extrem dar, allerdings durch die i. A. unberücksichtigten Opportunitätskosten nur unvollständig. Beim kennzahlenorientierten Ansatz werden den als Sollkennzahlen vorgegebenen Werten die erreichten Ist-Kennzahlen gegenübergestellt. Der Ansatz basiert auf der Erkenntnis, daß Menschen tagtäglich mit in Kennzahlen verdichteten Informationen agieren und daraus Entscheidungen ableiten. Z. B. besitzen bei einer Autofahrt für die Frage des fristgerechten Erreichens eines Zieles neben diversen Randbedingungen die noch zurückzulegende Fahrtstrecke = 1. Kennzahl sowie die Geschwindigkeit in km/h = 2. Kennzahl essentielle Informationsbedeutung. Durch die laufende Verprobung dieser beiden Kennzahlen im Kopf des Autofahrers, also die Kontrolle, fällt ggf. die Entscheidung, durch Erhöhung der Geschwindigkeit – also Nachsteuerung – das Ziel noch fristgerecht zu erreichen. Zum Verständnis der Möglichkeiten des kennzahlenorientierten Ansatzes sollen im folgenden einige wenige Beispiele herangezogen werden. 1. Lebensalter der Beschäftigten, wobei diese Kennzahlen stichtagsbezogen als Zeitreihe jährlich verfolgt werden. Ziel z. B. Absenkung/Erhöhung des Lebensalters durch eine gezielte Einstellungspolitik. 2. Anzahl der Bewerber pro Bewerbungsaktivität: Ziel z. B. Überprüfung der Effizienz bestimmter Aktionen, Zielgenauigkeit eines Verfahrens. 3. Anzahl der Unfälle pro Zeitabschnitt in Relation zu Beschäftigten. Ziel: Überwachung der Erfolge von Unfallverhütungsmaßnahmen. Die in der Literatur erörterten Kritikpunkte gegen den Kennzahlenansatz – Informationsüberflutung, unzureichende Beeinflußbarkeit der dahinterstehenden Sachverhalte, Fehler und Widersprüche der dahinterstehenden verdichteten Informationen – gelten nicht nur für derartige Controllingansätze im Personal-

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

wesen, sondern sind allgemein gültige Kritikpunkte an Controllingansätzen und sollen dort behandelt werden51. Oben wurde angeregt, das „Personalcontrolling“ als Abteilung dem Personalwesen zuzuordnen. Es ist daher noch auf die Rolle des Personalwesens – häufig Personalabteilung – als Zentralfunktion der Personalarbeit im Unternehmen per se einzugehen. Generell gilt, Mitarbeiterführung ist in allen, damit auch in allen Sozialleistungsunternehmen Kernaufgabe der Führungskräfte. Das Personalwesen hat hierbei eine zentrale Koordinationsaufgabe. Sie soll die Einheitlichkeit der Kompetenz und der Standards sicherstellen, wobei gewisse Aufgaben wie z. B. die Entgeltermittlung und Abrechnung allein schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zentral in einer entsprechenden Abteilung des Personalwesens erfolgen sollte. Bei Einstellungsverfahren kann dann wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung von Fehlentscheidungen z. B. das „strenge Konsenzprinzip“ vereinbart werden: Fachabteilung und Personalabteilung müssen beide der Einstellung eines Mitarbeiters zustimmen und sind daher gleichwertig am Verfahren zu beteiligen. Aus dem letzten Punkt wird deutlich, daß es zur Unternehmenskultur gehören sollte, die Rollenkonflikte der Praxis zwischen Personalabteilung und Fachabteilung organisierten Diskursen mit dem Ziel allgemeiner Organisationsregeln als Verfahrensregeln zu unterziehen; also Diskurs-Verfahrensregeln statt hierarchischer Schiedsrichterrollen von Geschäftsführer bzw. Vorständen bei Abteilungskonflikten. Eine wesentliche Funktion des Personalwesens ist außerdem die Ansprechpartnerrolle gegenüber den Sozialpartnern. Auf diese wird im folgenden Kapitel eingegangen.

III. Die Rolle der Sozialpartnerschaft52 1. Chancen und Risiken des „Dritten Weges“ im individuellen Arbeitsrecht Der Begriff der Sozialpartnerschaft und insbesondere die dahinterstehende Idee gemeinsamer, unternehmensgesellschaftlicher Verantwortung ist in den konfessionellen Sozialleistungsunternehmen bisher allenfalls rudimentär verankert. Dies ist durchaus als ein wechselseitiges Problem von Unternehmensleitung einerseits und Mitarbeitervertretungen/Betriebsräten sowie der Gewerkschaft VERDI andererseits zu verstehen. Hier besteht für diese Unternehmen durchaus vor allem im Vergleich zur Erwerbswirtschaft Lernbedarf, und zwar hinsichtlich einer selbstverständlichen Informations- und Entscheidungseinbindung der Mitarbeitervertretungen/Betriebsräte auf der Unternehmensebene, der 51 52

Vgl. Abschnitt 5. Vgl. hierzu u. a.: Korte (2002), S. 167 ff, (2003), S. 23 ff, (2004), S. 47 ff.

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Aushandlungsprozesse der rechtlichen Grundlagen des individuellen Arbeitsrechtes unternehmersübergreifend mit verbandlichen Strukturen sowie hinsichtlich der kollektiven Beteiligungsrechte in den Aufsichtsgremien und deren Verankerung in den Unternehmensverfassungen. Die im folgenden angesprochenen Aspekte hierzu sind der Ausfluß praktischer Unternehmensleitungserfahrungen mit Vergleichen zur erwerbswirtschaftlichen Sozialpartnerschaft – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, da diese den Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung sprengen würde. Folgende exemplarische Stichworte sollen beleuchtet werden: 1. „Dritter Weg“ – Dienstgemeinschaft – Arbeitnehmer – Arbeitgeber 2. Informations- und Beteiligungsmodelle im Rahmen sowie außerhalb des Mitarbeitervertretungsgesetzes, Wirtschaftsausschuß, Betriebsversammlungen 3. Einstellungspolitik, ACK-Klausel 4. Arbeitsvertragsrichtlinien, Entgeltgestaltung. Dem fünften Punkt, der Mitbestimmung in den Aufsichtsgremien wird im folgenden ein gesondertes Kapitel gewidmet. Zu 1.: „Dritter Weg“ – Dienstgemeinschaft – Arbeitnehmer – Arbeitgeber Die Erfahrungen der Verfasser zeigen, daß diese Begriffe für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen gegeneinander abzugrenzen sind, da sie verschiedene Aspekte beschreiben. Bei dem sog. „Dritten Weg“ geht es um die Art und Weise, wie individuelles Arbeitsrecht zwischen welchen Partnern hinreichend verbindlich für Arbeitnehmer geschaffen wird, vergleichbar Tarifverträgen. Der Dritte Weg ist das Ergebnis des Selbstbestimmungsrechts und der daraus abgeleiteten Rechtsschutzkompetenz der Religionsgemeinschaften in Angelegenheiten des kirchlichen Arbeitsrechts.53 Die organisatorische Umsetzung erfolgt in den Landeskirchen i. A. über arbeitsrechtliche Kommissionen. In Niedersachsen basiert die Bildung der arbeitsrechtlichen Kommission auf einem Kirchengesetz der konföderierten Kirchen – dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz von 1997. Die arbeitsrechtliche Kommission ist paritätisch besetzt (9:9 Stimmen) und beschließt mit Bankabstimmung neue Arbeitsvertragsrichtlinien, deren Entgeltinhalte und -anpassungen mit verbindlichem Charakter für die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmervertreter in der Kommission werden über die Mitarbeitervertretungen der Unternehmen, die Arbeitgebervertreter über entsprechende Arbeitgeberorganisationen gewählt und nicht durch die Geschäftsstellen der Dachverbände bestimmt. Mit dieser Vorgehensweise ist für beide Partner von Beginn an eine hohe Verbindlichkeit und Betroffenheit hin53 Vgl. Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Verfassung.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

sichtlich der Auswirkungen ihrer Beschlüsse auf die Arbeitsplätze verbunden. Beim Dritten Weg in dieser Form entscheiden grundsätzlich nicht Dritte, sondern die Betroffenen selbst über Entgeltentwicklungen und idealerweise in christlicher Verantwortung gegenüber ihre Hilfe nachfragenden Menschen, ihren Kunden. Der zweite Weg ist der klassische Weg des Aushandelns durch Tarifvertragsparteien, also Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften; beim sog. „ersten Weg“ legt der Arbeitgeber die Konditionen fest. Zum Stichwort Dienstgemeinschaft heißt es im MVG/K54: „Kirchlicher Dienst ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wirken an der Erfüllung dieses Auftrags mit. Die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie verbindet Dienststellenleitungen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu einer Dienstgemeinschaft und verpflichtet zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.“

Mit der Dienstgemeinschaft wird damit die christliche Grundlage diakonischen Handelns angesprochen, und diese gilt logischerweise unabhängig davon, ob hierbei ein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne besteht oder nicht, und diese Grundlage gilt auch unabhängig von der Rechtsform, in die dieses eingekleidet ist und von wem die Rechtsformen wie gestaltet und verändert werden. Die „Vermischung“ mit der Arbeitgeber-Rechtsordnung ist ein feststellbares Phänomen christlicher Sozialleistungsunternehmen: Forderungen der Arbeitgeber z. B. Konditionenveränderungen zu Lasten der Arbeitnehmer werden mit dem Hinweis auf die Dienstgemeinschaft ebenso durchgesetzt, wie der Anspruch auf eine Sonderbehandlung z. B. bei Minderleistungen von Arbeitnehmern, seitens der Mitarbeitervertretungen begründet wird. Beide Ansätze widersprechen aber dem Ansatz des diakonischen Hilfeleistungsprozesses55. Bei den Beschäftigten der christlichen Sozialleistungsunternehmen handelt es sich um Arbeitnehmer, die bei einem Arbeitgeber – nämlich der juristischen Person, mit der sie einen Arbeitsvertrag geschlossen haben – angestellt sind, wobei die für die juristische Person Handelnden – soweit es sich nicht um ehrenamtlich tätige Personen handelt – selbst angestellte Organvertreter dieser juristischen Person sind. 54 Mitarbeitervertretungsgesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Präambel. 55 Zu den besonderen Kennzeichen der Diakonie gehört: – ihr begegnet in dem, der in Not ist, Jesus Christus, d. h. ihr Auftraggeber; dies begründet die Achtung der Würde gerade derer, die in Armut leben; – ihr gilt die Weisung Jesu: „lieben deinen Nächsten so, als seist Du der auf Liebe (Hilfe) Angewiesene“.

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Wie in der Erwerbswirtschaft können die Rollen der handelnden Personen dann jeweils schlecht oder gut im Sinne einer langfristigen optimalen Zielerreichung ausgefüllt werden, d. h. es gibt in allen Systemen „gute“ und „schlechte“ Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zu 2.: Informations- und Beteiligungsmodelle Wie im Betriebsverfassungsgesetz wird mit z. T. unterschiedlichem materiellen Umfang in den Mitarbeitervertretungsordnungen und -gesetzen zwischen Informations- und Beratungsrechten, Zustimmungs- und Mitbestimmungsrechten unterschieden. Das normative Recht56 gilt es im Sinne der Sozialpartnerschaft auszufüllen. Drei Beispiele sollen im folgenden genannt werden: 1. Einigungsstelle: Mit diesem Ansatz sollen Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung durch ein dienstvertragliches Verfahren gezwungen werden, mit Hilfe eines von beiden Seiten bestimmten neutralen Dritten eine verbindliche Einigung z. B. bei Mitbestimmungsangelegenheiten herbeizuführen. Das Bestehen des Instrumentes der Einigungsstelle, deren Sprüche möglicherweise auch für eine Seite sehr unbequem sein können, übt häufig im Vorfeld bereits einen hohen Einigungsdruck auf die Parteien aus. 2. Regelmäßige Informationen der Belegschaft durch den Arbeitgeber auf Mitarbeiterversammlungen über die wirtschaftliche Lage des Sozialleistungsunternehmens, insbesondere auch die Zukunftsprognosen, und direkte, ungefilterte Beantwortung der Fragen aus der Belegschaft. Für Unternehmensleitungen bestehen in der Nutzung dieser Informationen und der kritischen Hinterfragung Chancen, aber auch Risiken bei von den Belegschaften schnell erkennbaren „Vernebelungen“. 3. Wirtschaftsausschuß. Mit diesem im Betriebsverfassungsgesetz verankerten Instrument kann durch Dienstvereinbarungen ein regelmäßiges, Vertrauen und Mitverantwortung förderndes Instrument der Kommunikation zwischen den betrieblichen Sozialpartnern geschaffen werden. Es führt häufig dazu, daß bei organisatorischen Neuerungen, z. B. großen IT-Projekten und organisatorischen Umsetzungen, Neubauten von Heimen mit vergleichbaren personellen Auswirkungen, der Kommunikationsfluß durch Projektgruppenarbeit gegeben ist, die Mitarbeitervertretung in die Projektgruppenarbeit eingebunden ist und der Arbeitgeber Verzögerungen bei der Umsetzung vermeidet. Probleme werden in der Planungsphase durchdacht, in der Umsetzungsphase wird zügig realisiert.

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sen.

Inhaltlich wird auf die einschlägigen und jeweils anzuwendenden Gesetze verwie-

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Zu 3.: Einstellungspolitik, ACK-Klausel Die praktischen Leitungserfahrungen mit der Umsetzung der ACK-Klausel bei der Einstellung von Mitarbeitern in christlichen Sozialleistungsunternehmen sind ambivalent. Auf Grund der ACK-Klausel sollen in diakonischen Unternehmen grundsätzlich nur Mitarbeiter eingestellt und beschäftigt werden, die einer Kirche angehören, die in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen mitarbeitet. Ausnahmen – mit Gewissensbegründung, was logischerweise eine entsprechende „Gewissensausforschung“ voraussetzt – sind häufig zulässig. Die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer „ACK-Kirche“ hat weitreichende Konsequenzen z. B. hinsichtlich des passiven Wahlrechtes in den Mitarbeitervertretungsordnungen bzw. dem Mitarbeitervertretungsgesetz, welches bei Fehlen einer „ACK-Mitgliedschaft“ verwehrt bleibt: nicht ACK = nicht wählbar. Mit Recht wird diese Regelung als in höchstem Maße „unglaubwürdig“ gebrandmarkt, wobei die daraus vorgeschlagenen Konsequenzen sowohl von Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberseite häufig die Abschaffung der ACK-Klausel ist. Hierbei wird aber übersehen, daß dokumentierte Kirchenzugehörigkeit und Bekenntnis hierzu langfristig eine Grundvoraussetzung des garantierten Selbstbestimmungsrechtes der Kirchen und ihrer „angeschlossenen“ Unternehmen sind. Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen, die Mitarbeiter beschäftigen, die nicht einer ACK-Kirche angehören, spalten nicht nur Belegschaften, sondern verlieren wesentliche Teile ihres Glaubwürdigkeitsprofils und gefährden damit langfristig innerhalb des sich stärker integrierenden Europas ihr Recht auf eigenständige Rechtsgestaltung im Arbeitsrecht. Es geht mit dieser Aussage um die Kirchenangehörigkeit, nicht um subjektive Glaubensfeststellung, auch wenn sich häufig die einstellenden Personen zur Glaubensüberprüfung berufen fühlen. Es geht: vor allem auch um die Klarheit, daß Kirchenzugehörigkeit auch immer bedeutet, daß hierfür Abgaben zu leisten sind – häufig Kirchensteuern – die in bezug auf Sozialleistungen einen Solidarbeitrag darstellen können. Die Vorteile der Umsetzung der Sozialpartnerschaft liegen auf der Hand, da z. B. diakonische Unternehmen unschwer Eintritte/Wiedereintritte in eine ACK-Kirche ermöglichen können: Keine Zweiklassenbelegschaft, klares Profil für die Nachfrager und deren Erwartungen an ein diakonisches Sozialleistungsunternehmen. Zu 4.: Arbeitsvertragsrichtlinien, Entgeltgestaltung Fälschlicherweise wurden lange Zeit die Arbeitsvertragsrichtlinien und die Mitarbeitervertretungsordnungen als Rechtsetzungsergebnisse gleichgesetzt mit dem „Dritten Weg“. Oben wurde dagegen bereits dargestellt, daß der Dritte Weg nicht mit dem Ergebnis gleichzusetzen ist, sondern, wie der Name bereits sagt, nur den Weg beschreibt. Weiterhin wurden die Arbeitsvertragsrichtlinien – vor allem in Zeiten der Kostenerstattungen – wegen ihrer engen Anlehnung an

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den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) als sachgemäß verteidigt; eine vergleichbare Zahlung gemäß BAT war ja gegenüber den eigenen Mitarbeitern und den Kostenträgern „gerecht“. All diese Argumente haben sich – nicht zuletzt durch die Novellierungen der Sozialgesetzgebung mit der Verschärfung des Wettbewerbsgedankens zwischen den Sozialleistungsunternehmen – als falsch herausgestellt. Vielfach wurde wertvolle Zeit vergeudet, im Rahmen des Dritten Weges neue Tarifvertragsstrukturen mit Verbindlichkeitscharakter einzuführen und im zweiten Schritt zügig auch die Wettbewerbsverzerrungen gegenüber der Erwerbswirtschaft, vor allem in den unteren Lohngruppen, bei denen bis zu 30% mehr als in der Erwerbswirtschaft bezahlt wurde, abzubauen. In Niedersachsen wurde im Rahmen des Dritten Weges ein dem erwerbswirtschaftlichen Qualitätsstandard entsprechendes Tarifwerk entwickelt, welches wegen seiner Vergleichbarkeit mit erwerbswirtschaftlichen Tarifverträgen auch die notwendigen Anpassungsmöglichkeiten im Entgeltbereich eröffnet. Entgeltstrukturen, die übersichtlich und vergleichbar sind, verhindern grundsätzlich Sonderwege der Bezahlungen. Öffnungsklauseln für betriebliche Sonderwege, Vereinfachungen, Leistungsbezahlungen bieten weitere Ansatzpunkte marktgerechter Entgeltgestaltung. Einige Stichworte zu den Zielpositionen des erfolgreichen niedersächsischen Dritten Weges seien genannt und zu ihrer praktischen Umsetzung angesprochen: • Vereinfachung:

– 14 Entgeltgruppen, statt rd. 950 Eingruppierungsmöglichkeiten Wegfall: Zulage, Ortszuschlag, Bewährungsaufstieg, nur ein Entgelt.

• Flexibilisierung:

– 4 unterschiedliche Arbeitszeitgrundmodelle

• gerechtere Regelung: – Entgelthöhe richtet sich nach den Anforderungen des Arbeitsplatzes, – Leistungsanreize bestehen darin, sich um besser bezahlte Arbeitsplätze zu bemühen, – Ziel- und Leistungsvereinbarungen sind möglich. • diakonisches Profil:

– Kinderzulagen + Altersfreizeit.

2. Kollektives Arbeitsrecht/Mitbestimmung in den Aufsichtsgremien57 Oben wurden bereits die in den Mitarbeitervertretungsordnungen/-gesetzen geregelten Mitbestimmungstatbestände angesprochen. Die in diesen Gesetzen getroffenen Regelungen besitzen wegen ihrer starken Auswirkungen auf die in57

Vgl. Korte (2002), S. 176 ff.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

dividuellen Arbeitsbedingungen eine andere Qualität als die hier gesondert zu behandelnden Mitbestimmungen in den Aufsichtsgremien. Außerdem ist die Gesprächsebene eine unterschiedliche. Bei der betrieblichen Mitbestimmung ist es: Geschäftsführung/Vorstand – Mitarbeitervertretung, bei der Mitbestimmung in den Aufsichtsgremien ist es: Geschäftsführung/Vorstand (Organebene) – Aufsichtsgremien (Organebene). Die Mitbestimmung in den Aufsichtsgremien durch Arbeitnehmervertreter ist in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen noch immer die Ausnahme. Bei ihrer Diskussion ist die aktuelle kritische Diskussion zur Mitbestimmung in deutschen erwerbswirtschaftlichen Unternehmen zu beachten. Häufig wird aber auch gerade diese Diskussion in der Erwerbswirtschaft als Argument gegen eine Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in die konfessionellen Aufsichtsgremien herangezogen und damit weitere Überlegungen von vornherein „abgewürgt“58. Für die Erwerbswirtschaft bestehen neben der Montanmitbestimmung, die hier allein schon wegen ihrer historischen Gründe ausgeklammert bleibt, die Drittelparität für erwerbswirtschaftliche Kapitalgesellschaften59 zwischen 500 und 1999 Arbeitnehmern sowie die Unterparitätische Mitbestimmung für Kapitalgesellschaften ab 2000 Arbeitnehmern60, bei der der Aufsichtsratsvorsitzende in Patt-Situationen bei Abstimmungen eine zweite Stimme besitzt. Die Arbeitnehmervertreter werden von der Belegschaft grundsätzlich direkt gewählt. Bei der Unterparität wählen die leitenden Angestellten ihre Mandatsträger gesondert. In Abhängigkeit von der Größe der Aufsichtsgremien können auch nicht im Betrieb beschäftigte Gewerkschaftsmitglieder in das Gremium gewählt werden. Soweit die Grundzüge der beiden erwerbswirtschaftlichen Vergleichsmodelle. Die Kritik seitens der erwerbswirtschaftlichen Arbeitgeber, insbesondere ihrer Verbände, und die Kritik seitens des „Mittelstandes“ an der Mitbestimmung resultiert aus dem Interessenkonflikt zwischen Kapitaleignern einerseits und Arbeitnehmern und Gewerkschaften andererseits, wobei den leitenden Angestellten häufig noch eine besonders schwierige Sonderrolle auf der Arbeitnehmerseite zukommt. Kritikpunkte sind 1. Bei den nicht im Unternehmen Beschäftigten deren Fremdinteressen; sie sind bei Fehlentscheidungen nicht die Betroffenen. 2. Einschränkung der Wahrnehmung von Eigentumsrechten. Die Betroffenheit der Kapitaleigner bei Fehlentscheidungen ist ultima ratio der Verlust ihres Unternehmens. Die Betroffenheit der Beschäftigten ist in Abhängigkeit der persönlichen Verhältnisse und der Beschäftigungssituation Arbeitsplatzverlust mit anschließender Arbeitslosigkeit als letzte Konsequenz. 58 Diese ist dann weder glaubwürdig – weil man sich sonst gerade von der Erwerbswirtschaft abheben möchte –, noch ist sie wegen mangelnder Vergleichbarkeit hinreichend stichhaltig. 59 Zur genauen Abgrenzung vgl. Drittelbeteiligungsgesetz § 1, Abs. 1. 60 Zur genauen Abgrenzung vgl. Mitbestimmungsgesetz § 1.

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Für die Aufsichtsratsmitglieder in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen sieht die Situation dagegen völlig anders aus: Bei sich abzeichnenden Fehlentscheidungen zieht man sich als „Ehrenamtlicher“ zurück, der Prestigeverlust ist zu verkraften; Verluste von Tantiemen treten nicht auf, weil diese nicht gezahlt werden dürfen. Betroffene sind bei Insolvenzen dann die Bewohner als Kunden, häufig wegen der oben angesprochenen Marktstrukturen ohne Alternative im Vergleich zu Kunden der Erwerbswirtschaft, und die Arbeitnehmer mit vergleichbaren Konsequenzen wie oben. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß, ausgehend von dem konstitutiven Aspekt der „Betroffenheit“ als Antrieb für Mitbestimmung in Aufsichtsgremien, konfessionelle Sozialleistungsunternehmen in ihren Satzungen freiwillig die Mitbestimmung zumindest als Drittelbeteiligung verankern sollten, wobei dann den leitenden Angestellten per Dienstvereinbarung der gleiche Kündigungsschutz wie den Mitarbeitervertretern zuzusichern ist. Grundsätzlich entwickeln sich hieraus verstärkte Beratungs- und Aufsichtstätigkeiten, da im Unternehmen Beschäftigte neben der Betroffenheit auch über detaillierteres Wissen verfügen und möglichen Tendenzen von Geschäftsführungen, „in schlechten Zeiten“ die tatsächliche Lage des Unternehmens besser darzustellen, entgegenwirken können. Ehrenamtliche Aufsichtsratsmitglieder werden damit besser informiert und zum Handeln animiert. Diese Form der Mitwirkung und der Verbesserung des „Überraschungsschutzes“ sollte neben die im Kapitel 5 noch anzusprechenden weiteren und in der Unternehmensverfassung zu verankernden Instrumente der corporate governance, der Bilanzierung nach International Accounting Standards (IAS)/International Financial Reporting Standards (IFRS) und des KontraG gestellt werden.61 Aus der folgenden Abbildung 3-7 wird die bisherige „Schieflage“ der Betroffenheit der in den Aufsichtsgremien handelnden Personen deutlich. Fehlentscheidungen zu Lasten der Hilfesuchenden mit und ohne finanzielle Auswirkungen – und hierin liegt grundsätzlich ein weiterer Unterschied, da Fehlentscheidungen hinsichtlich Kundenorientierung sehr viel kurzfristiger Auswirkungen auf Umsatz und Ergebnis als bei den erwerbswirtschaftlichen Unternehmen besitzen – führen zu keinen oder nur geringeren Konsequenzen der Aufsichtsgremien. Ein Aspekt, der die Glaubwürdigkeit konfessioneller Sozialleistungsunternehmen erheblich belastet und in Frage stellt. Es stellt sich die Frage, ob die Arbeitnehmer, vergleichbar zur Erwerbswirtschaft, nicht zukünftig gesetzlich abgesichert Sitz und Stimme in den Aufsichtsgremien besitzen sollten. Im Rahmen des Abschnittes zur Unternehmensverfassung ist hierauf noch einmal einzugehen.

61

Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel III.7.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis Erwerbswirtschaft

Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen

Arbeitgeber/ „Kapitalseite“

Hohe Betroffenheit: Kapitalverlust, Tantiemenverlust, „Karriereknick“ Aufsichtsräte bzw. Beiräte

Geringe Betroffenheit: kein Kapitalverlust, kein Tantiemenverlust, ggf. geringer Prestigeverlust Aufsichtsräte bzw. Beiräte

Arbeitnehmer

Bei Arbeitsplatzverlust hohe Betroffenheit in der gegenwärtigen Situation Mitbestimmung gegeben

bei Arbeitsplatzverlust, hohe Betroffenheit in der gegenwärtigen Situation Mitbestimmung Bisher grundsätzlich keine Mitbestimmung im AR

Abb. 3-7: Unterschiede der Betroffenheit und der Mitbestimmung in den Aufsichtsgremien

IV. Gemeinnützigkeit und konfessionelles Handeln62 Bei dem Stichwort Gemeinnützigkeit geht es grundsätzlich um das dahinterstehende Steuerprivileg – insbesondere um die Befreiung von Körperschaftssteuer – für Unternehmen, die die Voraussetzungen der §§ 51–68 Abgabenordnung (AO) erfüllen. Im Rahmen der folgenden Überlegungen werden nicht die z. T. komplizierten Regelungen zur Erlangung des vom Finanzamt festzustellenden und regelmäßig geprüften Steuerprivilegs behandelt, sondern es wird ein Zusammenhang zu aktuellem und zukünftigem konfessionellem Handeln hergestellt. Das Steuerprivileg der AO stellt im Wettbewerb mit erwerbswirtschaftlichen Unternehmen und in Abhängigkeit von der jeweils steuerlich unterschiedlichen Gestaltung in den EU-Staaten eine Wettbewerbsverzerrung durch Subventionen dar. Es ist davon auszugehen, daß dieses Steuerprivileg zumindest europaweit vereinheitlicht, wahrscheinlich sogar fallen wird. Bestehen bleiben wird – weil diese auch heute schon in den EU-Staaten, unterschiedlich geregelt, gegeben ist – die Spendenabzugsfähigkeit für bestimmte Sozialleistungsunternehmen. Unverständlich ist die Angstdiskussion im Hinblick auf die zu erwartende Entwicklung beim Wegfall des Steuerprivilegs. Konfessionelles Handeln gab es bereits vor der Abgabenordnung (AO), und es gibt dieses Handeln ohne die AO. Der Wegfall der Privilegierung durch Steuerbegünstigungen bietet zukünftig mehr Chancen als Risiken, da er alle Unternehmen gleichermaßen betrifft. 62 Vgl. u. a.: Korte (2001), S. 38 ff und die dort angegebene Literatur; Klaßmann (2002) und (2003); Rader; Kießling/Buchna.

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Dieser Zusammenhang wird häufig verkannt und soll daher im folgenden begründet werden. Im Rahmen der Mitarbeiterführung und des Personalmanagements sind von den sogenannten gemeinnützigen Unternehmen allerdings dringend offensive Klarstellungen erforderlich. Folgende Stichworte sind zu nennen: 1. Körperschaftssteuer – also die Einkommenssteuer der in der Rechtsform der Kapitalgesellschaften handelnden Sozialleistungsunternehmen – fällt logischerweise nur an, wenn ein körperschaftssteuerpflichtiger Gewinn entstanden ist. Die Gewinnerzielungsabsicht ist nicht Zielsetzung dieses Unternehmenstyps, sondern Ergebnis wirtschaftlichen Handelns. 2. Die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit – also im wesentlichen die Körperschaftssteuerbefreiung – werden regelmäßig vom Finanzamt sachgemäß festgestellt und überprüft. Das Steuerprivileg kann auch entzogen werden. 3. Alle von „gemeinnützigen“ Sozialleistungsunternehmen erwirtschafteten Gewinne, z. B. durch wirtschaftlich effizientes Handeln, müssen zeitnah und unmittelbar für ihre sozialen Hilfezwecke verwendet werden. Dieser Punkt soll und kann alle im Unternehmen handelnden Mitarbeiter stolz und sicher machen, daß sie damit nicht den aktuellen Diskussionen der Gewinnverwendung in der Erwerbswirtschaft unterliegen. Festzustellen bleibt allerdings, daß dieser Gedanke in der Vergangenheit in den Sozialleistungsunternehmen nicht offensiv vertreten wurde, obwohl er doch ein hohes ethisches Handlungspotential beinhaltet. Ursachen hierfür sind nach den Erkenntnissen der Verfasser die Unkenntnis der Begründung für Gewinnerzielung – obwohl viele Sozialleistungsunternehmen tatsächlich Gewinne erzielen – oder die Angst, zugeben zu müssen, daß so ineffizient gearbeitet wurde, daß keine Gewinne erzielt wurden. 4. Gemeinnützige Unternehmen unterliegen – wollen sie nicht ihren Gemeinnützigkeitsstatus verlieren – erheblichen wirtschaftlichen Handlungseinschränkungen. Nach Ansicht der Verfasser wirft das auch die Frage auf, ob nicht in vielen Fällen dieser Status ggf. freiwillig aufzugeben ist. Naheliegend wäre gerade in der Zukunft eine erwerbswirtschaftliche Betätigung mit dem Ziel, aus hieraus erwirtschafteten Gewinnen die sozialen Bereiche zu stützen. Diese Vorgehensweise scheitert an der grundsätzlich unzulässigen Kapitalbeteiligung an derartigen Unternehmen. Ein anderer Bereich der Handlungseinschränkung betrifft die den Umsatzsteuerregelungen zu unterwerfenden wirtschaftlichen Handlungen, bei denen der eingeschränkte Vorsteuerabzug häufig größere Nachteile bringt als der niedrigere Umsatzsteuersatz, der ja nur für Endverbraucher Bedeutung besitzt. Sind die Kunden dagegen vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen, ist

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

dies ein echter Wettbewerbsnachteil gegenüber erwerbswirtschaftlichen Betrieben. Dies betrifft viele Sozialleistungsunternehmen, die handwerkliche Leistungen erstellen und vertreiben und damit andere erwerbswirtschaftliche Unternehmen beliefern. Beim Einkauf ist der Vorsteuerabzug eingeschränkt, die zu erhebende Umsatzsteuer ist für die erwerbswirtschaftlichen Kunden ein durchlaufender Posten und kein Einkaufspreisvorteil. Festzuhalten bleibt im Zusammenhang mit dem Stichwort Mitarbeiterführung hinsichtlich der Gemeinnützigkeit die Forderung nach offensivem Vorgehen und Umgehen mit dem sog. Steuerprivileg. Fällt die „Gemeinnützigkeit“, so betrifft das alle Sozialleistungsunternehmen. Die Wettbewerbssituation bietet aber dann erhebliche neue Chancen. Die Spendenabzugsfähigkeit – die derzeit europaweit besteht – wird wegen des allgemeinen steuerlichen Entlastungseffektes für den Staat – der gespendete Betrag ist ja immer höher als die dem Staat entzogene Steuer – bestehen bleiben. Sie wird andersartig geregelt werden. Die derzeitige Gemeinnützigkeit bedeutet allerdings für die Öffentlichkeitsarbeit: • Überschüsse entstehen für die Nachfrager in den Sozialleistungsunternehmen und dürfen nur für diese verwendet werden, • dieses wird von den Finanzämtern überwacht, • die Allgemeinheit wird derzeit durch die Gemeinnützigkeit finanziell entlastet.

V. Unternehmenskultur und Unternehmensverfassung 1. Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur63 Im folgenden soll von dem bereits oben definierten, in der betriebswirtschaftlichen Forschung vorherrschenden Führungsbegriff ausgegangen und Zusammenhänge zu den hier dargestellten, unterschiedlichen Dimensionen einer konfessionellen Unternehmenskultur aufgezeigt werden. Die spezifische Unternehmenskultur eines derartigen Sozialleistungsunternehmens neben der formalen Unternehmensverfassung soll dabei zugleich der Abgrenzung zu anderen Unternehmen und der Identifizierung mit dem eigenen Unternehmen dienen. Sie ist ein beobachtbares und zugleich ein gestaltbares Phänomen. Mitarbeiterführung wird hier wie folgt definiert: Mitarbeiterführung ist die zielorientierte, wechselseitige soziale Beeinflussung zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben. Sie vollzieht sich zwischen hierarchisch unterschiedlichen Personen. 63

Vgl. Korte (2001/1), S. 131 ff und die dort angegebene Literatur.

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Konstitutives Merkmal von Führung ist demnach die Zielgerichtetheit. Weiterhin sind die Merkmale „wechselseitige Beeinflussung von sozialem Verhalten“ sowie die „Gemeinsamkeit“ der Aufgaben zu berücksichtigen. Letzteres setzt natürlicherweise einen Konsens im Hinblick auf die Frage: welches sind „gemeinsame Aufgaben“? voraus. Sie leiten sich logischerweise aus den „Unternehmensaufgaben“ ab. Unter Berücksichtigung von Stakeholder-Erwartungen ist aber die Beschreibung von Unternehmensaufgaben sehr häufig kontrovers oder zumindest unscharf definiert. Es bleibt festzuhalten: Im Hinblick auf das Merkmal „Gemeinsamkeit der Aufgaben“ und das Phänomen Führung im funktionalen Sinne oder als Anforderung an die Aufgabe der Institution Führung bestehen im Hinblick auf die Vorstellungen von Stakeholdern unmittelbare Berührungspunkte. Hierbei ergibt sich aus der grundsätzlichen Inhomogenität der Stakeholder-Forderungen ein besonderes Führungsproblem des Interessenausgleiches zwischen den möglicherweise konfligierenden Erwartungen. Während die Definition des Begriffes „Führung“ in der Literatur relativ einheitlich ist, wird der Begriff Unternehmenskultur höchst schwammig und unterschiedlich umschrieben, wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil die Wirkungen einer bestimmten Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg unterschiedlich beurteilt werden. Für die weiteren Überlegungen soll von folgender Definition ausgegangen werden: Die Unternehmenskultur ist die Summe aller gemeinsamen Werthaltungen, Wahrnehmens- und Verhaltensmuster sowie Gebräuche und Umgangsformen der Mitglieder eines Unternehmens.

Ebenso wie bei der Mitarbeiterführung geht es bei der Unternehmenskultur um Gemeinsamkeit von Werthaltungen bei den Mitgliedern der Unternehmensorganisation. Diese Gemeinsamkeit der Werthaltungen muß als solche intern und extern wahrgenommen werden, wobei diese Wahrnehmung auf Grund unterschiedlicher Stakeholder-Erwartungen gestört sein kann. Hieraus läßt sich bereits an dieser Stelle eine These ableiten: Die Frage der Beurteilung des Unternehmenserfolges, also auch eines konfessionellen Unternehmens, abgeleitet aus einer bestimmten konfessionellen Unternehmenskultur, wird von den unterschiedlichen Kulturerwartungen der Stakeholder abhängig sein, wobei diese selber inhomogen sind und sich aufgrund des regelmäßigen Wertewandels in einem dynamischen Prozeß von Veränderungen bewegen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Führung der Unternehmenskultur befindet sich regelmäßig in einem Umfeld heterogener, z. T. konfligierender und sich verändernder Stakeholder-Erwartungen.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Die Zusammenhänge zwischen Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur lassen sich in folgende Teilaspekte gliedern: 1. Führung innerhalb einer Unternehmenskultur. 2 Führung einer (der) Unternehmenskultur. 3. Kultur der Führung. 4. Grenzen des Unternehmenskulturansatzes. 5. Betriebsklima, corporate identity, Unternehmensleitbild. Zu 1.: Führung innerhalb einer Unternehmenskultur Aus den vorangegangenen Ausführungen ergeben sich unter Berücksichtigung der Arbeitsteiligkeit in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen einerseits und den multivariablen Stakeholderforderungen andererseits folgende Schlußfolgerungsthesen: These 1: Die gemeinsame Werthaltung als konstitutives Merkmal einer spezifischen konfessionellen Unternehmenskultur ist nur durch einen entsprechenden dialogorientierten Führungsstil umzusetzen. In Frage kommen also ein im Schwerpunkt konsultativer, kooperativer oder delegativer Stil und deren Mischformen. These 2: Eine entwickelte laterale Kooperation der Organisationsmitglieder – also die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern auf etwa gleicher Ebene – stützt das Bewußtsein im Hinblick auf die Gemeinsamkeit der Unternehmenskultur und senkt das Konfliktpotential. These 3: Dialogorientierter Führungsstil und laterale Kooperation verbessern auf Grund der breiten Einbindung der Unternehmensorganisationsmitglieder die Wahrnehmung der von den Stakeholdern ausgehenden Anforderungen, die Veränderungen dieser Anforderungen und deren Verarbeitung im unternehmerischen Entscheidungsprozeß. Darüber hinaus sind die Elemente Führungsstil und laterale Kooperation wesentliche Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der dialogorientierten christlichen Unternehmensethik in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen. Den Verfassern ist bewußt, daß mit diesen rezeptartig vorgetragenen Thesen die Gefahr besteht zu übersehen, daß die Organisationsmitglieder selber Teil des Stakeholder-Modells sind, also Wahrnehmungsdefizite auf Grund ihrer eige-

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nen Betroffenheit haben können, und ihr Verhalten zu einer „nicht-christlichen Unternehmenskultur“ führen kann. Das Problem ist nicht zu leugnen, denn christliche Unternehmensethik ist per se dialogorientiert und unterliegt damit immer diesen Gefahren. Dennoch bleibt nach der hier vertretenen Ansicht der Dialog – also dann das Ringen um ein christliches Kulturverhalten – auch die einzige Antwort. Zu 2.: Hinsichtlich der Führung einer (der) Unternehmenskultur sollen • die Machbarkeit einer Unternehmenskultur, • die Veränderung von Kultur- und Leitbildprozessen sowie • praktische Erfahrungen angesprochen werden. Hinsichtlich der Machbarkeit und/oder Gestaltbarkeit von Unternehmenskulturen in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Prozeßverläufe beobachtbar: • Die Unternehmenskultur wird im Rahmen eines Befragungsprozesses gewissermaßen unternehmensempirisch induktiv erfaßt und ihre unternehmensspezifischen Merkmale herausgearbeitet und verallgemeinernd beschrieben. Die jeweilige Unternehmenskultur ist damit das empirisch beobachtete Gerüst gemeinsamer Werthaltungen. Dieses Gerüst wird als Ergebnis in einem Leitbild festgeschrieben. Damit wird dann jeweils der empirische Prozeß beendet, und es soll das jeweils Beobachtete nun dauerhaft verankert werden. Dieses auf den ersten Blick so überzeugende Verfahren – weil ja empirisch beobachtet und außerdem „demokratisch“ – führt sich damit selbst ad absurdum, da es nun grundsätzlich nicht mehr veränderbar ist. • Die Unternehmenskultur wird im Rahmen eines gestalteten Managementprozesses in einem Top-Down-Bottom-Up-Prozeß hinsichtlich gemeinsamer kultureller Werthaltungsvorgaben entwickelt, z. B. aus christlichen Grundprinzipien. Es findet also ein deduktiv entwickelter kultureller Zielvereinbarungsprozeß statt. Nach der hier vertretenen Ansicht entspricht dieses zweite Verfahren eher den gestalterischen Rollenerwartungen, die an Führungskräfte zu richten sind. Es geht im Grundsatz von bestimmten Markterfordernissen aus, d. h. von vermuteten Erwartungen an das konfessionelle Unternehmen seitens der Nachfrager nach Hilfeleistungen, und bedeutet damit im Kern eine bewußt gestaltete kulturelle Positionierung eines Unternehmens. Bei beiden Vorgehensweisen ist aber in der Praxis das Auseinanderklaffen zwischen Leitbild und wahrnehmbarer Unternehmenskultur zu beobachten, d. h. das als „Soll-Vorstellung“ beschriebene Leitbild stimmt häufig nicht mit der Kultur als „Ist-Zustand“ überein. Die Veränderung von Kultur- und Leitbildprozessen erfordert ein zielgerichtetes Führungsverhalten. Betrachtet man die jüngsten Unternehmenszusammen-

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

schlüsse, insbesondere internationaler Art, so wird unschwer erkennbar, daß Erfolg oder Mißerfolg derartiger Verschmelzungsprozesse nicht zuletzt auch von einer erfolgreichen gemeinsamen Kulturausrichtung der ehemals eigenständigen Unternehmen abhängen64. Diese gemeinsame Kulturausrichtung erfordert einen gezielten Personal- und Kulturtrainingsprozeß. In der Literatur werden im Rahmen eines derartigen Trainingsprozesses drei Phasen benannt: 1. Herausarbeitung der vorhandenen Leitbildoptionen und Entwicklung neuer Leitbildoptionen aus den vorhandenen und beobachteten Kulturelementen. 2. Entwicklung und Fortschreibung des neuen Gesamtleitbildes. 3. Training des neuen Leitbildes in Form typischer und vielfältiger alltäglicher wahrnehmungs-, denk-, entscheidungs- und verhaltensorientierter Elemente. Die praktischen Erfahrungen von Kulturveränderungsprozessen zeigen, daß bei Sozialleistungsunternehmen von den Problemlagen der hilfesuchenden Menschen auszugehen ist, weil dies dem biblischen Grundauftrag der Diakonie entspricht. Hilfreich ist hierbei die greifbare Umschreibung des Ziels der Wahrung von Menschenwürde in greifbaren Regelungen, z. B. in Vertragsform. Der nächste Schritt ist die Analyse der Rahmenbedingungen zur Erreichung des Zieles „Würde“. Stichworte sind hierbei Managementleitlinien, Controllingsysteme, EFQM, Vertrauensbildung und -förderung, Ethikdiskurs, Sozialpartnerschaft, Marketingorientierung bzw. Kundenorientierung. Zu 3.: Kultur der Führung Zunächst sind die Stichworte Führungs- und Managementphilosophie zu nennen. Sie stellen eine Selbstverpflichtung bzw. ein Bekenntnis zu bestimmten Führungsspielregeln dar. Daneben stehen unternehmenstypische habitualisierte Verhaltensmuster der Organisationsmitglieder untereinander, wie z. B. „offene Türen“, kurzfristige Meetings auch im Bottom-up-Prozeß usw. Es gehört weiterhin die Bereitschaft des Managements dazu, die Vielzahl von Rollen anzunehmen und sie auszufüllen. Es sind eigene Rollenerwartungen und die der Stakeholder. Genannt seien beispielsweise: • Arbeitgeber • Intrapreneur (Förderer unternehmerischen Verhaltens) • Kulturgestalter • Visionär • Stratege • Planer • Organisator • Controller • Vernetzer • Krisenbewältiger • Innovator • Alleinentscheider • Moderator • Technikkenner • Lernender • Theoretiker • Mikropolitiker • Führender • Emotionsarbeiter • Wissensvermittler • verantwortungsvoller Bürger • Geführter • Schlichter • Klient.65 64 Voraussetzung allen Handelns bleibt aber, daß eine Machbarkeitsstudie vor allem zunächst die wirtschaftlichen Vorteile aufzeigt! 65 Vgl. Staehle (1991), S. 21 f.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

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Weiterhin wird sich die Kultur der Führung nach der hier vertretenen Ansicht zukünftig stark (oder noch stärker) mit dem Konzept des Mitunternehmertums auseinanderzusetzen haben, und zwar aus folgenden Gründen:66 1. Das Mitunternehmertum resultiert aus dem Wertewandel und dem Anspruchs- und Beteiligungsdenken eines großen Teiles der Belegschaft; es wird Verantwortung für Menschen und Sachmittel als Leitungsverantwortung gefordert. 2. Mitunternehmertum ist eine wahrscheinliche, optimale Antwort auf den Wertewandel des Umfeldes selbst, weil damit das gesamte Führungspotential unternehmerisch – und das bedeutet hier marktorientiert – ausgerichtet ist. 3. Mitunternehmertum kann tendenziell besser der Vielzahl unterschiedlicher Stakeholder-Anforderungen gerecht werden als eine stark zentralisierte Führungsspitze. Dennoch – und hier decken sich die Erfahrungen der Verfasser mit denen Rolf Wunderers: „. . . ist der Weg zu einer umfassenden Realisierung dieses Konzeptes noch weit67“. Wunderer weist zum einen auf die strategischen Vorteile des Konzeptes speziell bei Dienstleistungsunternehmen hin, zum anderen darauf, daß sich Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften mit diesem Konzept noch immer schwer tun. Sie fürchten die risikobehafteten, strukturellen Belastungen und sehen nicht das damit verbundene große persönliche Entfaltungspotential, neue Karrieremöglichkeiten, Verbesserungen der Arbeitsmarktfähigkeit sowie persönliche materielle Verbesserungen. Zu 4.: Grenzen des Unternehmenskulturansatzes Die Wirkungen einer bestimmten wahrnehmbaren Unternehmenskultur auf den Erfolg eines Unternehmens werden von der Forschung unterschiedlich beurteilt. Sehr eingehend hat sich Wolfgang Staehle mit den wissenschaftlichen Ansätzen auseinandergesetzt. Seine Schlußaussagen sind ernüchternd: „Solange . . . in Beraterkreisen einerseits der Glaube an einen positiven Einfluß einer (starken) Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg und an die Möglichkeit eines Kulturmanagements vorherrscht und andererseits das Nicht-Systemische, Kulturspezifische an Unternehmungen noch wenig erforscht ist, wird dieser Mythos (des organisationskulturellen Erfolges) Bestand haben68“. Ähnlich klingt es bei Horst Steinmann und Georg Schreyögg, die die folgenden positiven und negativen Effekte einer starken Unternehmenskultur aufzeigen69. 66 67 68 69

Vgl. Wunderer (2007), S. 51 ff. Wunderer (2007), S. 95. Staehle (1990), S. 484. Steinmann/Schreyögg, S. 597 und 599.

124

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Positive Effekte

Negative Effekte

1. Handlungsorientierung durch Komplexitätsreduktion 2. Effizientes Kommunikationsnetz 3. Rasche Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung 4. Beschleunigte Implementation von Plänen und Projekten 5. Geringer Kontrollaufwand 6. Hohe Motivation und Loyalität 7. Stabilität und Zuverlässigkeit

1. 2. 3. 4.

Tendenz zur Abschließung Blockierung neuer Orientierung Implementationsbarrieren Fixierung auf traditionelle Erfolgsmotive 5. Kollektive Vermeidungshaltung 6. „Kulturdenken“ 7. Mangel an Flexibiliät

Abb. 3-8: Effekte der Unternehmenskultur70

Aus der Kenntnis der positiven und negativen Aspekte resultieren für die Mitarbeiterführung im Zusammenhang mit der erlebbaren Unternehmenskultur eigenständige Führungsaufgaben. Positive Erfahrungen haben hierbei die Verfasser mit externen Beratern gemacht, die dabei helfen, die Innenblockaden auch von Führungskräften aufzubrechen. Dieses setzt allerdings wiederum Selbstvertrauen als Grundvoraussetzung von Vertrauensförderung voraus. Zu 5.: Betriebsklima, corporate identity, Unternehmensleitbild 71 Abschließend sollen die häufig im Zusammenhang mit Unternehmenskulturdiskussionen verwendeten Begriffe Betriebsklima, corporate identity und Leitbild angesprochen werden. Mit dem Begriff Betriebsklima wird der naturkundliche Wetterbegriff, welcher eine typische Wetterlage einer Region kennzeichnet, auf Unternehmen übertragen: Betriebsklima ist – in dem hier verstandenen Sinne – die Wahrnehmung und Bewertung von Organisationsgegebenheiten auf der Ebene der Belegschaft.

Hierbei werden in Sozialleistungsunternehmen diverse Aspekte wie Arbeitszufriedenheit, Stimmung, zwischenmenschliche Beziehung, Führung, Kooperation und Gruppe, Autonomie, Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastung, Arbeitsstrukturierung, Entlohnung (Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten), Sozialleistungen in eine subjektive Gemengelage gebracht und daraus Forderungen an die Leitungen abgeleitet. 70 71

Steinmann/Schreyögg (1993), S. 597 ff. Vgl. u. a.: Rosenstiel, von/Regnet/Domsch, S. 729 ff; Rosenstiel, von, S. 22 ff.

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

125

Unternehmensleistung und Betriebsklima werden dabei in eine funktionale Beziehungsebene gesetzt: Besseres Betriebsklima = bessere (höhere) Leistung gemäß Abbildung 3-9. Leistung (Ergebnis) (3)

• (2)

• (1)



Betriebsklima

Abb. 3-9: Zusammenhang zwischen Betriebsklima und Leistung

Die Forderung lautet: Das Betriebsklima muß verbessert werden, wenn die Leistung (das Ergebnis) gesteigert werden soll! Zweifel an derartigen monokausalen Zusammenhängen sind angebracht, nicht nur wegen der wissenschaftlich unbefriedigenden Erkenntnisse zu diesen Zusammenhängen und nicht nur, weil derartige Forderungen von Belegschaftsvertretern erhoben werden, wenn Tarifverhandlungen, Wahlen oder Wünsche nach verstärkter Einflußnahme auf die Leitungskompetenz anstehen, sondern wenn die Zusammenhänge zwischen Leistung – als in Geldeinheiten meßbare Größe z. B. Umsatz, Gewinn, Belegung – und der weichen Komponente „Betriebsklima“ im umgekehrten Zusammenhang betrachtet werden: Gutes Ergebnis = gutes Betriebsklima! Die Unternehmen (1), (2) und (3) werden verglichen, und es wird festgestellt, daß das Unternehmen (3) das „beste Klima“ besitzt, weil es das höchste Ergebnis erzielt. Damit wird natürlich der Klimaansatz schnell überflüssig, da allein Maßnahmen der meßbaren Ergebnissteigerung heranzuziehen wären, z. B. Kostensenkungen bei dem größten Kostenfaktor von Sozialleistungsunternehmen, den Personalkosten. Derartige Maßnahmen wirken sich dann wiederum negativ auf das Betriebsklima aus. Wenn also nicht Betriebsklima und Unternehmenskultur gleichgesetzt werden – was den Begriff per se überflüssig macht –, so wird er wegen seiner in der betrieblichen Praxis beobachtbaren Vordergründigkeit keinen Erkenntniszugewinn im Rahmen der Mitarbeiterführung erbringen. Die corporate identity berührt einen Aspekt der Kommunikationspolitik im Bereich des Marketing. Sie stellt für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen

126

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

den Orientierungsrahmen der Kommunikationsstrategie ihrer sozialen Dienstleistungen dar. Im Abschnitt vier werden hierbei die Aspekte einer Markierungspolitik für alle Sozialdienstleistungen als corporate identity erörtert. Aufgabe der Mitarbeiterführung ist es dann, alle Merkmale einer Dienstleistungsmarke in allen Phasen bei allen Mitgliedern der Unternehmensorganisation glaubhaft und dauerhaft zu verankern.72 Das Unternehmensleitbild im Zusammenhang mit der Unternehmenskultur wirft insbesondere die Frage nach den Inhalten von Leitbildern auf73. Der Begriff Leitbild oder besser Leitungsbild verdeutlicht, daß Leitbilder grundsätzlich in einem top-down-Prozeß gestaltet werden sollen. Sie legen die Grundsätze eines christlich-biblisch begründeten Umgangs mit Kunden und ihre Stellung zu gesellschaftlichen Werten als für alle verbindliche Leitungsgrundsätze fest und implizieren damit Management- und Führungsgrundsätze ebenso wie die Haltung zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und das Bekenntnis zur Bedeutung von Mitarbeitern im Dienstleistungsprozeß. Unternehmensleitbilder sind strategische Zielpositionen von Unternehmen und damit klassischerweise die wichtigste Aufgabe, der sich Leitung in Sozialleistungsunternehmen zu stellen hat. Diese Aufgabe ist zwar in Kommunikationsprozessen mit Mitarbeitern zu erarbeiten, kann aber von der Leitung nicht delegiert werden. Sie würde sich damit nicht nur unglaubwürdig, sondern wegen Nichtausübung ihrer Kernaufgaben auch überflüssig machen. Damit ist der Leitbildprozeß selbst Teil von Unternehmenskultur als Gesamtheit der „Lebensäußerungen“ eines Unternehmens. 2. Unternehmensverfassung74 Die folgende checklistenartige Darstellung der Elemente einer Unternehmensverfassung ist sowohl eine Zusammenfassung der vielfältigen Aspekte konfessioneller Unternehmenskultur als auch Programm für die zukünftige Ausrichtung von Sozialleistungsunternehmen und Ergebnis analytischer Denkprozesse sowie praktischer Erfahrungen der Verfasser. Unter dem Stichwort Unternehmensverfassung werden hier sowohl normierte Regelungen des Unternehmensaufbaus und seiner Organe angesprochen als auch Handlungsanweisungen zur Zusammenarbeit und zur Darstellung in der Öffentlichkeit. Grundidee ist hierbei nicht, „ein Rad für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen neu zu erfinden“, sondern Regelungen der Erwerbswirtschaft sinnvoll zu übertragen. Die Risiken verschleierten Mißmanagements sind sowohl in der Erwerbswirtschaft als auch

72

Vgl. u. a.: Kotler/Bliemel, S. 954 ff; Meffert/Burmann/Koers, S. 50 f. Vgl. Wunderer (2007), S. 90 ff; Rosenstiel, von/Regnert/Domsch, S. 826 ff. Zur institutionellen Verankerung vgl. das folgende Kapitel zur Unternehmensverfassung. 74 Vgl. hierzu u. a.: Wunderer (2007), S. 387 f; Freitag, S. 178 ff. 73

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

127

bei konfessionellen Unternehmen möglich, wobei bei letzteren häufig die irrige Erwartung vorherrscht, „bei uns passiert so etwas nicht“. Der Komplex Unternehmensverfassung umfaßt folgende Punkte, zu denen Einzelregelungen bestehen sollten: 1. Satzung/Gesellschaftsvertrag 2. Leitbild, Management- und Führungsgrundsätze 3. Regeln zur Zusammenarbeit der Organe gemäß KonTraG/DCGK 4. Publizität 5. interne Regelungen/Geschäftsordnungen/Wirtschaftsausschuß 6. Kompetenzanforderungen an Aufsichtsratsmitglieder. Zielsetzung einer Unternehmensverfassung sollte sein, dazu beizutragen, daß eine auf christlichen Grundlagen aufbauende, nachhaltige Hilfesicherheit für die betroffenen, in konfessionellen Unternehmen Hilfe suchenden Kunden erreicht wird. Elemente der Nachhaltigkeit sind: • Selbständige Verantwortung der Organe mit Aufsicht und Kontrolle sowie Rechenschaftspflicht des Aufsichtsrates gegenüber den Mitgliedern. • Verantwortlichkeit und Betroffenheit • Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit. Folgende stichwortartigen Anregungen und Vorschläge zur Umsetzung ergeben sich aus den Erfahrungen der Verfasser: Zu 1.: Satzung/Gesellschaftsvertrag: • Leitung durch den Vorstand in eigener Verantwortung, auch als gerichtlicher und außergerichtlicher Vertreter. Die Sorgfaltspflicht ist zu verankern (vgl. §§ 76–93 AktG). Bestellung durch den Aufsichtsrat (AR) nur für maximal 5 Jahre! • Aufsichtsrat (AR): Geschäftsordnung, Kontrollregelungen gemäß KonTraG und DCGK, 1/3 Beteiligung der Mitarbeiter, Wahl durch die Mitgliederversammlung, Gesellschafterversammlung. Leitungsmitglieder dürfen nicht gleichzeitig ein Mandat in diesen Gremien besitzen; Überwachung des Vorstandes durch regelmäßige Vorstandsberichte an den AR. Wegen hoher zeitlicher Belastung zumindest des Vorsitzenden des AR und des Stellvertreters ggf. Beratungshonorar für diese beiden Personen. • Mitglieder, z. B. Vereinsmitglieder werden von den Betroffenen oder deren Vertretern gewählt bzw. berufen. Keine Vertreter der Sozialhilfeträger in den Aufsichtsräten, wegen der möglichen Interessenkollisionen; Vorstand und AR-Mitglieder können Mitglied sein, aber ohne Stimmrecht. Ziel ist es, die

128

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

derzeit überwiegende Verpflechtung in diesen Organen von Sozialleistungsunternehmen zu entflechten und in ihrer Eigenständigkeit bestärken. Die Zusammenarbeit ist formal durch eine Geschäftsordnung zu regeln. Inhaltlich bestimmt sie sich nach Unternehmenszweck und Leitbild. Zu 2.: Leitbild, Management und Führungsgrundsätze Leitbilder, Management und Führungsgrundsätze sind das Ergebnis des gezielten Managementhandelns von Vorstand resp. Geschäftsführung. Durch Beschlüsse der Gremien werden sie von diesen adaptiert und verbindlich gestaltet. Sollte hierüber kein Konsens zu erzielen sein, wird dem Vorstand ggf. nur der Rücktritt übrigbleiben, welches konsequent wäre, aber für den AR nicht ohne Folgen: Er muß einen neuen Vorstand finden und einstellen! Zu 3.: Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) und der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK)75 sollten durch eine Entsprechungserklärung in die Satzung Eingang finden76. Beide enthalten eine Vielzahl von Regelungen im Hinblick auf o. g. Zielsetzungen, z. B.: • Einrichtung eines Risikomanagements mit Berichtspflicht im Lagebericht. Dieses ist vom Wirtschaftsprüfer zu kommentieren und zu testieren. • Wirtschaftsprüfer (WP) werden vom AR bestellt und berichten diesem gegenüber direkt. • Materielles Testat durch WP. • Geschäftspolitik des Vorstands wird vom WP beurteilt. • Regelmäßige Berichte (gewissenhafte und getreue Rechenschaftslegung) an AR. • Fachliche Qualifikation der AR-Mitglieder. • Verhaltensregeln der Organvertreter.

75

Vgl. hierzu Solidaris; Werder, von, S. 12 ff. Vgl. hierzu auch den Beschluß der Diakonischen Konferenz vom 18.–20. Oktober 2005, mit dem in corporate governance Kodex für die Diakonie beschlossen und den Mitgliedern zur Übernahme empfohlen wurde. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V., 2005, Stuttgart. 76

Abschn. 3: Mitarbeiterführung und Personalmanagement

129

Zu 4.: Publizität • Offenlegung des testierten Jahresabschlusses gegenüber der Öffentlichkeit sowie regelmäßige Berichterstattung/Bilanzpressekonferenz. • Offenlegung der Bezüge der Vorstände/Geschäftsführer im Jahresabschluß. • Quartalsweise Berichterstattungen zur wirtschaftlichen Lage auf Betriebsversammlungen. Zu 5.: interne Regelungen • Geschäftsordnungen sollen formal die Zusammenarbeit innerhalb der Organe und zwischen den Organen regeln und die derzeit bestehenden „Familienzusammenkünfte“ ablösen. • Die verbindliche Verankerung von Wirtschaftsausschüssen in Analogie zu den §§ 106 ff BetrVerfG ist in der Unternehmensverfassung festzulegen. Zu 6.: Aufsichtsratsmitglieder Diese sind nach Personalanforderungskriterien und fachlicher Eignung auszuwählen. Ggf. ist für die besonders belasteten Personen eine Beratungshonorarregelung zu vereinbaren, die nicht in Kollision mit den entsprechenden Vorschriften der AO tritt. Ehrenamtlichkeit und kompetente Leistungsbereitschaft widersprechen sich nicht. Der Umfang dieser nur stichwortartigen Aufzählung zur Unternehmensverfassung verdeutlicht, daß dieser gesamte Komplex vor „lauter Ehrenamtlichkeit“ erheblich vernachlässigt wurde und daß die Rolle der Aufsicht der verfaßten Kirche oder der Dachverbände völlig überschätzt wurde, so daß Schieflagen häufig noch aus Kirchensteuermitteln aufgefangen werden. Wirtschaftliche Schieflagen sind die Folge und sie werden sich ohne Änderungen der Unternehmensverfassungen häufen. Hierbei wird sich auch der vereinzelt beschrittene und gut gemeinte Versuch von Verbänden, durch regelmäßige verbindliche Kontrollen der Jahresabschlüsse und Kennzahlen Schieflagen zu vermeiden, als Irrweg herausstellen. Warum sollten Verbände über höhere Kompetenz als Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte im o. g. Sinne verfügen? Die Gremien dieser Verbände werden sich in Sicherheit wiegen und nicht selten „böse erwachen“. Grundsätzliche Änderungen dagegen sind nicht zu erwarten.

130

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Abschnitt 4

Marketing I. Sozialleistungsmärkte 1. Rahmenbedingungen Ein Standardlehrbuch der Betriebswirtschaftslehre, welches sich an Führungskräfte der Erwerbswirtschaft wendet, wäre ohne einen entsprechenden Grundlagenabschnitt zum Marketingmanagement höchst ungewöhnlich. Es ist davon auszugehen, daß ein solches Buch, gerichtet an diese Zielgruppe, nicht verkaufsfähig wäre. Marketing ist operativ und strategisch für den Erfolg von Unternehmen in der Erwerbswirtschaft von elementarer Bedeutung. In Theorie und Praxis der Sozialleistungsunternehmen wird dagegen das Thema, wenn überhaupt, nur gestreift oder mehr oder weniger definitorisch abgehandelt. Ansätze und Erfahrungen praktischer Umsetzung scheinen dagegen völlig zu fehlen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Beobachtung betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Ursachen hat oder ob die Gründe hierfür möglicherweise an anderer Stelle zu suchen sind. Die Rahmenbedingungen des Markthandelns konfessioneller Sozialleistungsunternehmen lassen sich wie folgt skizzieren und vergleichend zur Erwerbswirtschaft unterscheiden: 2. Markthandeln Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen agieren auf Märkten, d. h. es treffen Nachfrager nach spezifischen Dienstleistungen in Form von Beratungs-, Pflege- und Gesundheitsleistungen – also Pflegebedürftige, Kranke, Arme, Behinderte, Jugendliche und deren Erziehungsberechtigte usw. – mit diversen Anbietern von Dienstleistungen zusammen, die zum einen erwerbswirtschaftlich und zum anderen gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung handeln – hier als Sozialleistungsunternehmen bezeichnet. Die Nachfrager haben in aller Regel diverse Bedürfnisse, die sich in einem Bedarfskomplex konkretisieren, und haben die Erwartung, daß diese von den Anbietern erfüllt werden. Werden diese nicht erfüllt, besteht der starke Wunsch, den Anbieter zu wechseln, wobei dieses in den überwiegenden Fällen auch umgesetzt wird77. Auch in den Fällen, in denen behördliche Institutionen durch sog. Zuweisungen oder Empfehlungen oder durch Kostenübernahmen mitwirken, ist grundsätzlich niemand gezwungen, zumindest nicht dauerhaft, den getroffenen Empfehlungen zu folgen. Zwangseinweisungen bestehen grundsätzlich 77 Die individuellen Wechselmöglichkeiten sind allerdings häufig mit Schwierigkeiten verbunden, z. B. Umzug in ein anderes Altenheim.

Abschn. 4: Marketing

131

Konfessionelle Erwerbswirtschaftliche Sozialleistungsunternehmen Unternehmen Finanzielle Ausstattung der Nachfrager sehr unterschiedlich, keine generelle typologische Aussage wie links

1. Existenz von Märkten im Sinne des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage

Nachfrager überwiegend finanziell schlecht ausgestattet und/oder stark hilfebedürftig

2. Finanzielle Transaktion

Überwiegend durch Abtre- Überwiegend direkte tung von Dienstleistungen/ Bezahlung mit EigenmitRechtsansprüchen teln und/oder kreditierten Eigenmitteln

3. Festlegung des Preis-/ Entgeltrahmens

Überwiegend durch Dritte, Marktpreisbildungen über z. B. Pflegekassen, weitAngebots-Nachfragemechagehend gesetzlich geregelt nismen; eingeschränkte Regelungsdichte auf speziellen Märkten, z. B. Anwälte

4. Art der Leistungsbeziehung

erheblicher Teil über Absatzmittler, seltener direkt z. B. bei Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten78

Hersteller-Anbieter-Beziehung oder Handelsbetriebe, seltener über Absatzmittler

5. Rolle der Behörden/ „Leistungskassen“

starke Rolle

eher unbedeutend, und wenn, nur auf speziellen Märkten, z. B. Pharmazeutika, Post und Telekommunikation. Energieversorgungsmärkte

6. Individuelle Kundenbeziehung im Verhältnis zum Anbieter

häufig starke persönliche Abhängigkeit aus der persönlichen „Notlage“ heraus ! hohe ethische Verantwortung wegen der schlechteren Wechselmöglichkeiten des Leistungsanbieters

eher gering, bei kommerziellen Sozialleistungsanbietern dagegen übereinstimmend

7. Rolle von Dachverbänden Zunehmend vergleichbare und Trägerinstitutionen/ Rollen, ArbeitgeberverUnternehmensverbänden bände bilden sich erst

zunehmend vergleichbare Rollen, bestehende Arbeitgeberverbände der Normalfall

Abb. 4-1: Rahmenbedingungen des Marketingmanagements im Vergleich zur Erwerbswirtschaft

78 Dieser Begriff wird hier zur Klarstellung gesetzestechnisch im Sinne des SGB XII, § 67 ff gebraucht, eine Stigmatisierung ist damit nicht verbunden.

132

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

nicht. Vielfach würde auch gegen den Widerstand des Betroffenen79 ein Hilfeprozeß scheitern. Typischerweise zahlt der Nachfrager nicht mit Eigenmitteln wie auf den überwiegenden Güter- und Dienstleistungsmärkten, sondern durch Abtretung seiner Rechtsansprüche. Das Sozialleistungsunternehmen erzielt – vergleichbar zur Erwerbswirtschaft – im jeweiligen Einzelfall nur dann einen Umsatz, wenn der Nachfrager seine Leistung in Anspruch nimmt, und auch nur so lange, wie diese in Anspruch genommen wird und zwar gleichgültig80, was mit den als Absatzmittlern wirkenden Behörden und dem Unternehmen als Leistungsanbietern hinsichtlich der Hilfe vereinbart wurde. Das Preisniveau ist weitgehend gesetzlich geregelt und behördlich überwacht, ebenso die tatsächlich vorgehaltenen Leistungen, deren Einhaltung und das Reklamationswesen bei vermeintlichen oder tatsächlichen Leistungsmängeln. Zu den typischen erwerbswirtschaftlichen Märkten81 bestehen folgende Übereinstimmungen: Auch hier treffen natürliche Nachfrager mit bestimmten Bedarfskomplexen und Anbieter mit bestimmten Angebotsbündeln zusammen, wobei diese überwiegend vom Nachfrager direkt zu entgelten sind, üblicherweise allerdings – und dies im Unterschied zu sozialen Märkten – durch direkte, vom Nachfrager zu erbringende finanzielle Mittel, die er sich allerdings von Dritten geliehen haben kann. Auch die starke behördliche „Einmischung“ ist für die erwerbswirtschaftlichen Märkte eher untypisch. Sie ist in dieser Form grundsätzlich nur ausgeprägt bei Banken, Versicherungen, Post und Telekommunikation, Energieversorgung sowie bei kartellrechtlich relevanten Vorgängen. Es ist aus dieser Aufzählung aber erkennbar, daß sie auch dort vorkommen. Übereinstimmend für beide Märkte ist feststellbar, daß diese sich zunehmend verstärkenden Selbstkontrollen durch Trägerinstitutionen, Dachverbände sowie der Kontrolle durch Medien unterliegen. Das Management der Unternehmen beider Märkte hat sich mit den Erwartungen seiner diversen Stakeholder auseinanderzusetzen. Möglicherweise ist diese Entwicklung eher neu für die sozialen Märkte, weil bisher für diese Märkte auf Grund des erwarteten Altruismus der Anbieter eher „Schutzräume“ der Kritik und Erwartungen bestanden.82 79 Betriebswirtschaftlich theoretisch betrachtet, ist der Betroffene in einem Dienstleistungsprozeß typischerweise selbst mitwirkender „Produktionsfaktor“. Vgl. hierzu auch Corsten, S. 71 ff. 80 Ausnahmen kann es ggf. im Strafrecht oder bei Unmündigkeit und/oder gesundheitlichen und geistigen Einschränkungen geben. 81 Logischerweise bestehen die oben beschriebenen Sachzusammenhänge, da ja die gleichen sozialen Dienstleistungen auch von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen angeboten werden. 82 Vgl. hierzu auch Abschnitt 4, Kapitel I.4.

Abschn. 4: Marketing

133

Deutliche Unterschiede bestehen in der ethischen Verantwortung seitens der Leistungsanbieter gegenüber dem individuellen Nachfrager. Dieser ist in viel stärkerem Maße dem Anbieter „ausgeliefert“, als es typischerweise für die Erwerbswirtschaft beobachtbar ist. Neben der viel stärkeren wirtschaftlichen Machtstellung – welche sowohl für die monopolistischen als auch oligopolistischen Marktsysteme der Angebotsseite83 feststellbar ist – ist für die Sozialmärkte die persönliche Hilfeabhängigkeit bemerkenswert. Der Nachfrager ist häufig dem Anbieter körperlich und geistig „ausgeliefert“. Diese Situation erzwingt ein besonderes ethisches Rollenverständnis des Leistungsanbieters, welches so in der Erwerbswirtschaft grundsätzlich nicht erkennbar ist. Es geht in den Sozialmärkten um die Begrenzung und Willküreinschränkung von Helfermacht.84 Das Vertrauen in Kompetenz und Verantwortung und das vertrauensvolle Handeln auf der Beziehungsebene ist für den Sozialmarkt eher typisch, für den erwerbswirtschaftlichen Güter- und Dienstleistungsmarkt eher untypisch.85 Ausnahmen sind die erwerbswirtschaftlichen Märkte von Rechtsanwälten, niedergelassenen Ärzten, Gutachtermärkten oder spezielle Transportmärkte, z. B. in der Luftfahrt, bei denen es auch zumindest zeitweilig und/oder partiell zu stärkeren persönlichen Abhängigkeiten kommen kann. 3. Käuferwandel Käufer bzw. Nachfrager auf Sozialleistungsmärkten sind zunehmend besser über die Leistungsangebote, deren Qualitätsstandards, die jeweiligen Preis-Leistungsverhätnisse und ihre Rechte als Verbraucher aufgeklärt. Sie sind in und durch Verbände besser organisiert, und sie stellen beispielsweise auf den Altenhilfemärkten auf Grund der demographischen Entwicklung der Bundesrepublik für die Politik einerseits ein zunehmend größeres Wählerpotential dar, andererseits eine zunehmende „Bedrohung“ der Stabilität der sozialen Sicherungssysteme. In den letzten Jahrzehnten haben sich für den Nachfrager nach sozialen Dienstleistungen die gesellschaftlichen, sozialpolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert:86 – Seine rechtlichen Positionen wurden verbessert z. B. im Sozialgesetzbuch, durch die Regelungen zur Stellung der Betreuer und der Heimbeiräte.

83

Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.3.c). Vgl. Abschnitt 2, Kapitel III.2. 85 Die Verfasser gehen mit dieser Abgrenzung davon aus, daß der klassische Sozialleistungsmarkt eher nicht von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen bedient wird. 86 Auch die Verschlechterungsgesetzgebung, die bereits seit 1982 feststellbar und in jüngster Zeit verstärkt worden ist, ändert nichts an der Stärkung der Stellung des Nachfragers gegenüber dem Anbieter. Man könnte fast formulieren: „Es gibt weniger Leistungen, aber dafür hast Du mehr Ansprüche gegenüber dem Anbieter.“ 84

134

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

– Partiell wurde seine finanzielle Ausstattungsposition verbessert, z. B. in der Altenhilfe durch Einführung der Pflegeversicherung, als Zwangsversicherung für gesetzlich und privat Krankenversicherte. Die Idee war, das Pflegerisiko grundsätzlich durch eine Versicherungsleistung statt Sozialhilfe abzudecken. – Die Leistungsangebote haben sich quantitativ und qualitativ verändert durch ein verstärktes erwerbswirtschaftlich ausgerichtetes Angebot und durch eine Ausdifferenzierung der Angebote selbst. Letzteres sollte zu einer größeren Zielgerichtetheit im Hinblick auf den Bedarf führen und damit die Kosten senken. Die wirtschaftlichen Folgen im Hinblick auf das Stichwort Marketing sind für den Anbieter deutlich spürbar. Der Nachfrager kann wählen, und die Anbieter müssen sich stärker um die Nachfrager bemühen. Damit findet auf diesen Sozialleistungsmärkten – trotz der abgesenkten Finanzmittelausstattung und der abgesenkten Leistungsmittelansprüche 87 – eine deutliche Marktmachtverschiebung zu Gunsten der Nachfrager statt. Vergleichbar den erwerbswirtschaftlichen Güter- und Dienstleistungsmärkten entstehen Käufermärkte. Diese Entwicklung stärkt also die Stellung des Nachfragers88. Festzustellende Gegenmachtbildungsversuche in Form dirigistischer Gesetzeseingriffe89 und/oder Marktabsprachen der Anbieter schwächen ihn. Derartige Verhaltensweisen sind sowohl in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen als auch in der Erwerbswirtschaft gleichermaßen problematisch, ethisch äußerst fragwürdig, und in der Erwerbswirtschaft stellen sie Verstöße gegen deutsche und europäische Rechtsnormen, insbesondere gegen das Wettbewerbsrecht dar. Sie sind außerdem Verstöße gegen den Kerngedanken der sozialen Marktwirtschaft, welcher sich ja auch u. a. im Wettbewerbsrecht konkretisiert. 4. Stakeholder-Ansatz und Marketingmanagement90 Zur Verdeutlichung der Rahmenbedingungen für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen bietet sich der Rückgriff auf das Stakeholder-Modell an. Mit Hilfe dieses Modells sollen ausgewählte Besonderheiten von Sozialleistungsmärkten herausgearbeitet werden. 87

Bestimmte Leistungen werden durch die Leistungsträger nicht mehr übernom-

men. 88 Eine im Sinne der christlichen Ethik zwingend gewollte/anzustrebende Entwicklung. Die Stellung der Armen gilt es zu verbessern. 89 Vgl. z. B. den inzwischen gerichtlich erfolgreich angefochtenen Landesrahmenvertrag zu § 93 d Abs. 2 BSHG, § 79 Abs. 1 SGB XII. 90 Zum Stakeholder-Ansatz vgl. u. a.: Badelt, S. 116 f; Eschenbach, S. 649 ff; Eschenbach/Horak, S. 22 ff; Simsa, S. 158 f; Steinmann/Schreyögg, S. 75 f. Zum Marketingmanagement vgl. u. a.: Bugdahl, S. 20 ff; Clausnitzer/Heide/Nasner, S. 4 ff; Hansen/Bode, S. 102 ff; Kotler/Bliemel; Korte (1999/1), S. 119 ff; Meffert/Bruhn, S. 436 ff; Meffert; Meffert/Burmann/Koers; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, S. 68 ff.

Abschn. 4: Marketing

135

Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen sind – wie bereits dargestellt – als „juristische Personen“ u. a. dadurch gekennzeichnet, daß • Menschen mit Hilfe von Sachmitteln eine Sach- oder Dienstleistung – letzteres ist der Tätigkeitsschwerpunkt – erstellen, und zwischen den Elementen „Mensch und Sachmittel“ Kommunikations- und Leistungsstrukturen bestehen sowie Lernprozesse das Zusammenwirken bestimmen. • Dieses offene und komplexe System steht mit dem Umfeld in Beziehung und wird von diesen Stakeholdern in unterschiedlicher Weise beeinflußt. Letztere erwarten die Erfüllung vielfältiger Funktionen91. Stakeholder sind hierbei individuelle Interessenvertreter oder eine Gruppe von Interessenvertretern, die in unterschiedlicher Weise – aktiv oder passiv – auf die Entscheidungen des Sozialleistungsunternehmens Einfluß ausüben oder auszuüben versuchen. Hierbei sind für konfessionelle Unternehmen die häufig völlig subjektiven Verhaltensweisen, wie es „gerade persönlich definitorisch paßt“, und dies mit einem übersteigerten Absolutheitsanspruch an die „Erwartungen christlichen Verhaltens“ ein besonderes Problem. Christliches Verhalten wird von allen Gruppen erwartet und ist meist interessengesteuert subjektiv unterschiedlich. Zum Beispiel: • Öffentliche Hand: Das konfessionelle Unternehmen erbringt eine Hilfeleistung, und da es „christlich“ ist, muß es dabei einen Eigenbeitrag leisten – also gewissermaßen „Geld“ mitbringen. • Mitarbeiter: Entlassungen werden auch bei groben Pflichtverstößen oft als „unchristlich“ qualifiziert und erscheinen damit unzulässig. „Man muß mit diesen reden“ und dann „verzeihen“; d. h. personelle Sanktionen gelten oft als „unchristlich“. • Pastoren: In jedem Bewohnerzimmer ist ein Kreuz aufzuhängen. • Ökonomen: Die müssen endlich mal lernen, effizient zu arbeiten und nur leistungsstarke Mitarbeiter beschäftigen. Effizientes Handeln ist Christenpflicht. • Öffentlichkeit: Alle Mitarbeiter müssen jederzeit für ältere Menschen Zeit haben, auch außerhalb des Dienstes wird dies erwartet. • und, und . . . 91 Zu den weiteren Merkmalen eines Sozialleistungsunternehmens rechnen: • Das Umfeld und das System selbst ist kein statisches, sondern ist ein dynamisches System mit Zukunftsunsicherheiten, also ein dynamisches probabilistisches System – und damit sind hohe Anforderungen an seine Flexibilität im Hinblick auf Mitarbeiter und Sachmittel gestellt. Die unternehmensinternen und vor allem die unternehmensexternen Daten sind nicht zuletzt auf Grund gesellschaftlichen Wertewandels einem rasanten Veränderungsprozeß unterworfen. • Das System arbeitet zielsuchend und zielgerichtet und ist nur wirtschaftlich selbsttragend überlebensfähig. Vgl. hierzu auch Abschnitt 1, Kapitel II.

136

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Die Verfasser sind in der Lage, aus ihrer Erfahrung diesen Katalog der Widersprüchlichkeiten nahezu unbegrenzt fortzusetzen. Dennoch sind für Sozialleistungsunternehmen einige wichtige Kerngruppen – Stakeholder – zu beachten und der Ausgleich zu erfolgsorientiertem Handeln herzustellen. Hierbei ist auch klarzustellen, daß nicht jeder, häufig selbst ernannte Stakeholder tatsächlich auch „einen Stake“ besitzt.

verfaßte Kirche/ Kirchengemeinde

Eigentümer (Shareholder) oder Ehrenämter, die diese Funktion „wahrnehmen“

politische Gemeinde

Kostenträger/ Kranken-/ Pflegekassen, Ämter

NGO’s

Hilfesuchende/ Kunden/ Nachfrager

Politik

Diakonische Sozialleistungsunternehmen Öffentliche Hand/ Gesetzgeber

Angehörige/ Betreuer

Lieferanten

Gewerkschaften

Wettbewerber/ Mitbewerber

Beschäftigte Verbände

Abb. 4-2: Stakeholder-Modell

Der entscheidende Handlungsrahmen92 für Sozialleistungsunternehmen ergibt sich aus dem folgenden Dreiecksverhältnis von Unternehmen, Leistungnachfrager und Kostenträger:

92

Zum Ethikrahmen vgl. Abschnitt 3, Kapitel II.3.

Abschn. 4: Marketing

137

Leistungserbringer Unternehmen als Leistungsanbieter

Leistungs-/Hilfenachfrager mit Angehörigen

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Leistungssuchender

Kostenträger

Abb. 4-3: Dreiecksverhältnis93

Auf Grund der bereits oben angesprochenen unterschiedlichen und dynamischen94 Interessenlage dieser drei Betroffenen, die gegenüber dem Unternehmen zum einen noch spezifische „christliche Handlungserwartungen“ definieren, insbesondere Konsenserwartungen, auf der anderen Seite wirtschaftliches Handeln und damit Erfolgsorientierung, kommt es zu einem Spannungsverhältnis für konfessionelle Unternehmen, das in dieser Weise für die Erwerbswirtschaft grundsätzlich nicht feststellbar ist. Für die Erwerbswirtschaft fehlt einfach das „Totschlagsargument unchristlichen Verhaltens“. Die hier vorgeschlagene Strategie mit ihren Elementen – ausgelobte und überprüfbare Markendienstleistung in Vertragsform – gerichtet an Nachfrager und Absatzmittler, – konsequentes operatives und strategisches Controlling – zur Sicherstellung der erwarteten Erfolgsorientierung, – dialogorientierter Führungsstil unter Beachtung des ethischen Handlungsrahmens und der Mitbestimmung, bietet nach den gemachten Erfahrungen der Verfasser brauchbare Ansätze zur Lösung des besonderen Spannungsverhältnisses im Rahmen des StakeholderModells. Diese Ansätze und diese Führungsidee gilt es im Unternehmensleitbild als einer vom Management zu erarbeitenden und anschließend zum Diskurs gestellten schriftlichen Handlungsgrundlage zu fixieren und zu kommunizieren. Das Unternehmen stellt sich damit den Selbstansprüchen und kann beharrlichen 93 Der Begriff Kostenträger bezeichnet hier die Institution, die im Rahmen der Kostenerstattung bestimmte Kosten übernimmt. Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel II.1. 94 „Dynamische“ Interessenlage, da sich die Interessen im Gegensatz zu einer statischen Lage im Zeitablauf verändern!

138

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Widerstand leisten im Hinblick auf die zu erwartenden und immer wieder neuen und interessengeleiteten Ansprüche von sogenannten Stakeholdern.

II. Umsetzungsmanagement95 1. Grundlagen Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen werden sich mit dem Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt mit einem zunehmenden Wettbewerb insbesondere im Gesundheitsmarkt und Altenhilfemarkt auseinanderzusetzen haben. Der Wettbewerb besteht dabei nicht nur zwischen kirchlich orientierten, gemeinnützigen Anbietern untereinander, sondern auch gegenüber kommerziellen Anbietern. „Notverwaltung“ und „Hilfezuteilung“ werden abgelöst oder sind es bereits durch das stärkere Verständnis eines individuellem, bedarfsgerechteren Hilfeangebotes im Vergleich zum Wettbewerbsangebot. Hierin liegt aber auch die große ethische und ökonomische Chance für diese Sozialleistungsunternehmen. Ethisch, weil die konfessionellen Unternehmen noch immer auf ihr Image des Menschengerechteren96 setzen können. Diese Chance gilt es zu nutzen. Sie kann genutzt werden, wenn auch weiterhin Konkurrenz der konfessionellen Unternehmen untereinander um den Nachfrager besteht, im Bemühen um ein individuelles bedarfsgerechtes Leistungsangebot für den Kunden. Kooperationen97 und Konzentrationen verschleiern Ineffizienzen, d. h. Wettbewerbsabsprachen schützen häufig nur den, „der es ökonomisch nötig hat“. Kooperationen richten sich im Allgemeinen gegen die Betroffenen, weil die häufig behaupteten Synergieeffekte im Dienstleistungsbereich selten feststellbar sind. Kooperationen dienen daneben auch häufig „in falscher Kumpanei“ oder in vorauseilendem „fiskalischen Interesse“ den Interessen von Ländern und Kommunen. Letztere sind im Allgemeinen aber nicht gleichzusetzen mit den Interessen der Hilfenachfrager. Wirtschaftlich/ökonomisch sind die häufig behaupteten Synergieeffekte nur dann ableitbar, wenn sogenannte Leerkapazitäten besser nutzbar sind und/oder Degressionseffekte auf Grund von Massenproduktion eintreten. 95 Von Groman schreibt hierzu in der FAZ vom 10.12.07: „Es ist ernüchternd. Bei Veränderungsprozessen steht das Ergebnis meist fest: Das Scheitern. Denn nur die nachhaltige Umsetzung von Unternehmensstrategien steigern die Erfolgsaussichten solcher Vorhaben.“ Diese Aussage deckt sich mit den Erfahrungen der Verfasser und dem auch im Abschnitt 5, Kapitel III. dargestellten Projekt- und Umsetzungsmanagement. 96 Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel ÍI.3. 97 Zu den Kooperationen zählen alle vertraglichen Absprachen im Hinblick auf bestimmte Ziele. Die Unternehmen bleiben rechtlich und weitgehend wirtschaftlich selbständig. Bei den Konzentrationen verlieren die Unternehmen ihre wirtschaftliche Selbständigkeit durch Leistungseinheit und bei Fusion auch ihre rechtliche Selbständigkeit. Vgl. hierzu Abschnitt 6, Kapitel II.

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Im industriellen Bereich sind derartige Sachzusammenhänge signifikant bei anlagenintensiven und forschungsintensiven Fertigungsbereichen. Anlagenintensive Bereiche in diesem Sinne sind im sozialen Dienstleistungsmarkt eher die Ausnahme. Dies gilt grundsätzlich zunächst auch für alle stationären Angebote mit ihren Gebäudeanlagen, bei denen hohe Auslastungen für den ökonomischen Erfolg Voraussetzungen sind. Synergieeffekte treten grundsätzlich hier nur dann auf, wenn Leerkapazitäten z. B. durch Zusammenlegung abgebaut und leerstehende Gebäude verkauft werden können. Eine derartige Anpassungsmaßnahme hat aber im Kern grundsätzlich wenig mit sog. „Synergien“, sondern mit Rationalisierung zu tun. Hieraus resultierende Kostensenkungen sind aber eine Pflichtaufgabe jeder Unternehmensleitung und dienen einer dauerhaften Existenzsicherung. Regelmäßig umgesetzt sichern sie Arbeitsplätze durch im Wettbewerb effizienteres Handeln und damit Unternehmenswachstum. Anders stellt sich die Frage möglicherweise im Gesundheitsbereich mit Forschungsbereichen dar. Bei einer Zusammenlegung von Anbietern können hier Synergieeffekte durch z. B. standortdifferenzierte Angebotskonzentrationen entstehen – nicht jedes Krankenhaus bietet alle Leistungen an. Technik, Apparaturen und Fachwissen werden besser ausgelastet und führen zur Verbesserung der Kostenstruktur. Der Nachteil für den Patienten, den Kunden, ist ggf. die Inkaufnahme längerer Zugangswege. Die Maßnahme geht damit zu seinen Lasten, und ist – wie bereits erwerbswirtschaftlich erkennbar – fast immer nur in starken Abhängigkeitsstrukturen und/oder Standortbedingungen durchsetzbar. Aus den o. g. Argumenten wird deutlich, daß das derzeitige „Allheilmittel“: die Flucht in die Größe, die Kooperation im Rahmen von due-diligence-Studien sehr genau zu durchleuchten ist, die Chancen und Risiken genau abzuwägen sind und immer Alternativen als Lösungen benannt werden müssen. Mit derartigen Studien werden sich die Verfasser an anderer Stelle auseinandersetzen98. Hierbei gilt es dann auch zu gewichten, inwieweit die durch Kooperationen eintretenden Nachteile für den Nachfrager nach sozialen Dienstleistungen mit der noch immer von der freien Wohlfahrtspflege beanspruchten Sozialanwaltschaft im Einklang stehen, oder ob diese nicht längst zu Lasten einer vordergründigen „Arbeitsplatzsicherung“ oder noch vordergründigeren „Präsenzsicherung“ bereits geopfert wurde. 2. Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing99 Um den Zusammenhang von Sozialanwaltschaft und Markierungspolitik zu verstehen, sind zunächst ausgewählte Aspekte des Dienstleistungsmarketings zu erörtern. 98 99

Vgl. hierzu Abschnitt 6, Kapitel II. Vgl. hierzu u. a.: Corsten, S. 71 ff; Korte (1999/1), S. 119 ff.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Marketing wird hier als ein Prozeß im Wirtschafts- und Sozialgefüge verstanden, durch den einzelne oder Gruppen von Nachfragern ihre Wünsche und Bedürfnisse befriedigen. Es werden im Rahmen des Marketingprozesses Produkte und Dienstleistungen von Nutzen und damit von Wert für den Nachfrager definiert. Diese werden erzeugt und anschließend angeboten und gegen finanzielle oder andere Gegenleistungen ausgetauscht. Ausgangspunkte dieses organisierten Austauschprozesses sind hierbei Bedürfnisse als Ausdruck eines empfundenen Mangels an Zufriedenstellung. Diese Bedürfnisse sind in der menschlichen Natur verankert. So benötigen Menschen Nahrung, Kleidung, Schutz, Sicherheit, Zugehörigkeitsgefühl, Anerkennung, Vertrauen, ein Zuhause usw., um überleben zu können. Wünsche sind dann das Verlangen nach konkreter Bedürfnisbefriedigung: Also ein Mensch benötigt „Pflege“ und wünscht sich einen Platz in einem Heim der Altenhilfe. Unter der Nachfrage ist dann der Wunsch und die Vereinbarung einer spezifischen Dienstleistung zu verstehen, begleitet von der Fähigkeit, sie direkt käuflich und/oder durch Abtretung von Rechtsansprüchen auf diese Dienstleistung zu erwerben100. Das Marketingmanagement101 ist dann der Planungs- und Realisierungsprozeß derartiger Bedürfnisbefriedigungsprozesse unter Einsatz einer Reihe marketingspezifischer Instrumente: Hierzu rechnen u. a.:102 • Produktpolitik/Dienstleistungspolitik, d. h. die Festlegung der Eigenschaften, ihrer Qualität und die Frage der Marketing- und Markenpolitik, mit denen sich karitative Sozialleistungsunternehmen im Wettbewerb darstellen, indem sie ggf. zielgerichteter ihre Nachfragegruppen bedienen. • Preispolitik/Entgeltpolitik mit dem Ziel, ein aus Sicht des Verbrauchers für sein übertragenes Entgelt möglichst hohen Gegenwert – im Rahmen vereinbarter ethischer Prinzipien – zu ermöglichen. • Distributionspolitik, also die Gestaltung von Vertriebswegen und Angebotsstandorten für Dienstleistungen: die Erreichbarkeit der Dienstleistungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht. • Kommunikationspolitik, z. B. die Werbung durch Werbeträger und Kundenbesuche mit dem Ziel, das angebotene Leistungsspektrum darzustellen, die Umwerbung der Absatzmittler mit dem Ziel der Vermittlung an das anbietende 100 Ein Beispiel für die Abtretung von Rechtsanprüchen ist der Krankenschein als Übertragung einer Versicherungsleistung, oder die Zession im gewerblichen Bereich bei Übertragung von Versicherungsansprüchen. 101 Management in dem hier verstandenen Sinne bedeutet: Ziele definieren, planen, entscheiden, realisieren, kontrollieren und koordinieren der Leistungssysteme. 102 Vgl. hierzu u. a.: Meffert (2000), S. 233 ff, Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, S. 577 ff.

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Unternehmen und die Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, Lage und Akzeptanz für die Betroffenen im Sinne sozialer Anwaltschaft zu verbessern103. Kommunikationspolitik umfaßt weiterhin Promotions, Messen/Ausstellungen, Sponsoring, Event-Marketing sowie Multimedia-Kommunikation. Marketing ist damit als Ausdruck eines marktorientierten unternehmerischen Denk- und Handlungsstils zu verstehen mit dem Ziel des Angebotes von Problemlösungen, deren Vertrieb, der Sicherung derartiger Märkte und der Ausweitung104 derartiger Märkte.105 Dienstleistungsmarketing besitzt auf Grund der Unterschiede von Dienstleistungen gegenüber Produkten einige Besonderheiten:106 Dienstleistungen sind immaterielle, selbständige marktfähige Leistungen, die für den Nachfrager bereitstehen (z. B. Versicherungsleistungen/Garantieleistungen) oder von diesen genutzt werden (z. B. Beratungsleistungen/Pflegeleistungen) und Nachfragerbedürfnisse befriedigen und damit einen Nutzen vermitteln sollen. Dienstleistungen sind wegen ihrer engen Bindungswirkung weder lagerfähig noch transportfähig. Sie können grundsätzlich immer nur einmal und dann richtig erbracht werden. Dies gilt auch für die Wiederholung gleichartiger Dienstleistungen z. B. tägliche Pflege – denn auch der einzelne Pflegeablauf kann nur einmal und dann richtig erbracht werden; „verschnittene Haare“ erst nachdem sie wieder gewachsen sind. Sie sind also nicht umtauschbar, wie materielle Produkte. Damit ist der Nutzen einer Dienstleistung für den Nachfrager in hohem Maße von der Kompetenz des Anbieters abhängig. Auf die damit verbundenen hohen personellen Anforderungen wurde im Rahmen des Personalmanagements bereits eingegangen.107 Die Dienstleistung ist zeitlich anzubieten, wenn sie nachgefragt wird, wobei Produktions- und Nachfrageort jeweils räumlich zusammenfallen: Die Dienstleistung ist am Nachfrageort und nur einmal in richtiger Qualität zu erbringen. Für das Dienstleistungsmarketing resultieren aus den o. g. Eigenschaften eine Reihe von Besonderheiten:108

103 Diese Form der Differenzierung: Werbung = Werbung für den Anbieter und seine Dienstleistungen, PR = soziale Anwaltschaft für die Betroffenen ist eine hier vertretene sinnvolle Abgrenzung. 104 Da dies von interessierter Seite häufig gern mißverstanden wird: Es geht nicht um künstliche Notlagensteigerung, sondern um die aus vorhandenen Bedürfnissen resultierenden Bedarfe und um menschengerechtere Abdeckung der Bedarfe durch das jeweilige Sozialleistungsunternehmen. 105 Vgl. Meffert (2000), S. 9 ff. 106 Vgl. Meffert/Bruhn (1997), S. 50 ff. 107 Vgl. Abschnitt 3. 108 Vgl. zum Folgenden u. a.: Meffert/Bruhn, S. 50 ff.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

• Immaterielle Eigenschaften von Dienstleistungen müssen materialisiert werden, z. B. im Flugzeug wird Hygiene durch das in Zellophan eingeschweißte Besteck veranschaulicht. Gleiche Forderungen ergeben sich logischerweise für die von den konfessionellen Unternehmen häufig ausgelobte „besondere Glaubwürdigkeit“ seiner Mitarbeiter oder die „besonderen Qualitätsstandards“ gerade für z. B. Arme und Behinderte109, – Eigenschaften, die heutzutage nicht mehr durch christliche Einzelsymbole, sondern wie in der Erwerbswirtschaft nur durch ein glaubwürdiges Gesamtverhaltensbild darstellbar sind. • Aus der fehlenden Lagerfähigkeit resultiert: – Eine intensive Koordination zwischen der Produktion und der Nachfrage der Dienstleistung – einschließlich des Nachfrageumfangs. – Die Kapazitätsplanung muß hierbei hinreichend flexibel sein, z. B. durch Kapazitätsaufteilungen in Form von Vorbuchungen, Reservierungen oder z. B. durch Einschaltung von Fremdanbietern oder Anmietungen in Spitzenzeiten, sowie durch flexible Dienstpläne, bei denen die tageszeitliche Anwesenheit von Mitarbeitern bedarfsgerecht ist; ggf. arbeiten Mitarbeiter täglich in mehreren Arbeitszeitabschnitten. – Nachfrage und Dienstleistungsangebot müssen aktiv gemanagt werden, z. B. durch preispolitische Maßnahmen, wie Rabatte in nachfrageschwachen Zeiten, entsprechende Informationen über Auslastungen und Stoßzeiten und/oder alternative Ausweichangebote wie z. B. tagesstrukturierende Maßnahmen unter Berücksichtigung vorhandener Kapazitäten. • Eine weitere Besonderheit von Dienstleistungen ist deren fehlende Transportfähigkeit. Hieraus sind für das Dienstleistungsmarketing folgende Schlußfolgerungen zu ziehen: – Die Dienstleistungen des täglichen Bedarfs erfordern eine hohe Distributionsdichte, da die Erreichbarkeit dieses täglichen Angebots ein zentrales Anliegen des Nachfragers ist. Die Umsetzung erfolgt z. B. über die „Stützpunktpolitik“ im Rahmen stationärer und ambulanter Angebote. – Neben der Stützpunktpolitik ergibt sich bei einigen Dienstleistungen und bei Nachfragern mit geringerer – also nicht täglicher Bedarfshäufigkeit – die Möglichkeit, die modernen Kommunikations- und Nachrichtenübertragungsmittel zu nutzen und/oder die Bereitschaft zur Vorauswahl beim Nachfrager – z. B. aus Katalogen – anzuregen, und/oder das Angebot, räumliche Entfernungen zu überwinden z. B. durch einen kostenlosen Transportdienst. 109

II.3.

Zu den Wegen vgl. die Ansätze einer Markierungspolitik, Abschnitt 4, Kapitel

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– Bei fähigkeits- oder ausstattungsintensiven Dienstleistungsunternehmen sind die Fähigkeiten und Dienstleistungen besonders herauszustellen, wenn sie einzigartige, herausragende Vorteile bieten. Das gute Zusammenwirken von Personal und Ausstattung ist hervorzuheben, wenn die Ausstattung nicht mehr einzigartig, aber noch nicht allgemein verfügbar ist. Wenn die Ausstattung allgemein üblich ist, sind das Personal, das Unternehmen an sich oder bestimmte profilierende Leistungselemente in den Vordergrund zu stellen. – Den Dienstleistungsunternehmen stehen verschiedene Herstellungskomponenten zur Verfügung, um Problemlösungspakete für den Endabnehmer zusammenzustellen. Dazu zählen Fähigkeiten und Ausstattung, Personal, das Methodeninstrumentarium und eine allgemeine Organisationskapazität. Dabei sind derartige Potentiale zu einem differenzierten Einsatz von Herstellungskomponenten zu verwenden. – Bei potentialintensiven Dienstleistungen gilt es in besonderer Weise, über die Materialisierung dieser Potentiale eine Wettbewerbsprofilierung anzustreben. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um Humanpotential handelt. Gerade der Bereich der Kommunikationspolitik ist gefordert, derartige Leistungsbeweise nach außen zu tragen. Aber auch das Erscheinungsbild von Personal, Räumlichkeiten und Ausstattungen des Dienstleisters kann im Rahmen dieser Zielsetzung optimiert werden. – Im Gegensatz zur Herstellung von Sachgütern ist der Dienstleistungsnachfrager, sofern er selbst als externer Faktor auftritt, während des Erstellungsprozesses präsent. Dies impliziert für den Dienstleistungsanbieter eine marketingorientierte Ausrichtung des Dienstleistungsprozesses. Zum einen sind die Bedürfnisse des Dienstleistungsnachfragers während der Erbringung der Dienstleistung zu berücksichtigen (z. B. angenehme Raumgestaltung, Gespräche mit dem Kunden, Hintergrundmusik usw.). Zum anderen erlangt die sorgfältige Ausführung der Dienstleistungserstellung bei direktem Kontakt mit dem Nachfrager besondere Bedeutung. Diese ist im Rahmen des Qualitätsmanagements von Dienstleistungen sicherzustellen. 3. Markierungspolitik als zukunftsweisende Marketingstrategie für soziale Dienstleister110 a) Merkmale der Markendienstleistung Im Abschnitt 2 wurde auf die besondere ethische Verantwortung der Anbieter sozialer Dienstleistungen hingewiesen. Ein möglicher Ansatz der Umsetzung 110 Vgl. Korte (1999), S. 119 ff; zur Markierungspolitik vgl. auch: Bugdahl; Meffert/Burmann/Koers; Clausnitzer/Heide/Nasner.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

kann z. B. die ausgelobte soziale Markendienstleistung sein. Mit Hilfe der Delphi-Methode wurden die folgenden Merkmale eines Markenartikels von einer internationalen Expertengruppe herausgearbeitet111. Sie gilt es auf soziale Dienstleistungen zu übertragen: • Qualität • Produktnutzen/Dienstleistungsnutzen Sicherheit/Verläßlichkeit • Preis-Leistungs-/Nutzen-Verhältnis • Service + Garantie • Distribution • Kontinuität + Autorität • Investition • Umwelt • Innovation. Im Rahmen der Umsetzung kann dann ein Marketingvorteil erzielt werden, wenn es gelingt, die o. g. Merkmale glaubhaft – d. h. für die Umwelt und den Nachfrager/Kunden nachprüfbar – umzusetzen und entsprechend regelmäßig zu kommunizieren. Es gilt bildlich gesprochen, die „Latte“ gegenüber dem Mitbewerber zum Nutzen des Kunden „höher“ zu legen mit der eigenen Erkenntnis und dem eigenen selbstverpflichtenden Druck, daß bei Nichteinhaltung erhebliche Vertrauensverluste mit entsprechenden wirtschaftlichen Schäden z. B. hinsichtlich Auslastungen eintreten würden. Die o. g. Kriterien müssen daher für den Anbieter selbst – das soziale Dienstleistungsunternehmen – und den Nachfrager auf der anderen Seite – den Kunden – operational gestaltet und überprüfbar definiert werden. Hierbei eignen sich dann bersonders Zeitreihendarstellungen der Merkmale als Marketing-Controlling-Ansätze. b) Ein Beispiel der Umsetzung In einem großen deutschen Sozialleistungsunternehmen wurden in den neunziger Jahren diverse Markendienstleistungsansätze entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Sie sollen im Folgenden kurz dargestellt werden: 1. Qualitätssicherung Die bereits vorliegenden Erfahrungen zur ISO-Qualitätssicherung – insbesondere die Erfahrungen als Zulieferer der Automobilindustrie mit VDA-Zertifizierungen – zeigten, daß die relativ stark reglementierten Verfahren der ISO-Zerti111

Vgl. Disch, S. 136 ff; Schirm, S. 69 ff; Zahn, S. 21 ff.

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fizierung durch Dritte methodisch und inhaltlich häufig nicht im Einklang stehen mit dem christlich geprägten Selbstverständnis von Mitarbeitern. Überzeugender waren für die Leitung TQM-Ansätze, insbesondere der EFQM-Ansatz, da diese stark auf den Leistungswillen und die Eigeninitiative von Mitarbeitern setzen. Derartige Wertvorstellungen von Mitarbeitern helfender Berufe wurden von der Leitung als typisch ausgemacht, da sie bereits bei der Berufswahl eine Rolle spielten. Die Mehrheit ergreift noch immer den Beruf, „weil man anderen helfen möchte“.112 Der EFQM-Selbstbewertungsansatz113 soll eine gezielte und wiederholte ganzheitliche Qualitätsprüfung des „Systems Unternehmen“ ermöglichen, und die Mitarbeiter selbst sollen Ansätze für eine gezielte Verbesserung der Qualitätserstellung herausfinden. Die Umsetzung und der Bericht hierüber erfolgen dabei ebenfalls durch die betroffenen Mitarbeiter. Es gilt, daß Qualität produziert und nicht kontrolliert wird, wobei ein delegativer Führungsstil114 eine den Erfolg besonders begünstigende Rahmenbedingung ist. Besonderes Augenmerk im Rahmen der unternehmensspezifischen Umarbeitung der Selbstbewertung – eine international vergleichende Zertifizierung durch Dritte war nicht vorgesehen – wurde auf die Verbindung zwischen Leitbild-Management und Führungsgrundsätzen des Unternehmens gelegt. Die Selbstbewertungsteams erhielten damit gleichzeitig die Möglichkeit, die Inhalte der o. g. Grundsätze und deren Einhaltung durch ihre Vorgesetzten selbst – einschließlich des Vorstands – zu hinterfragen, deren Glaubwürdigkeit zu überprüfen und Mißstände abzustellen. Qualitätsmängel insbesondere auch im Hinblick auf das im Leitbild definierte Selbstverständnis wurden in Projekten mit Realisationskontrolle umgesetzt. In der gesamten Unternehmensorganisation ergab sich damit ein erheblicher Bewußtseinsschub und ein entsprechender neuer Reizansatz für die Organisation. Die Ergebnisse wurden neben der Darstellung in den Unternehmensgremien auch in der Öffentlichkeit präsentiert. 2. Produktnutzen/Dienstleistungsnutzen, Sicherheit, Verläßlichkeit Die Beurteilung bzw. Messung von Dienstleistungsnutzen und die Verläßlichkeit seiner Erbringung ist im sozialen Dienstleistungsbereich nicht unproblematisch. Während im medizinischen Bereich therapeutische Erfolge noch erkennbar sind – allerdings schon bei der „Nachhaltigkeit“ können Probleme auftreten –, werfen die Bereiche Altenhilfe, Behindertenhilfe, Sucht, Beratungen im sozialen Bereich, Jugendhilfe erhebliche Probleme auf, wenn eine Fragestellung im Sinne einer Finalüberlegung, also was wäre ohne die jeweilige Dienstleistung 112 113 114

Vgl. Abschnitt 2 sowie Abschnitt 3, Kapitel II.3.c). Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.4. Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.3.b).

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

gewesen, beantwortet werden müßte. Hilfestellungen bei der Nutzenmessung sind allerdings, wie im erwerbswirtschaftlichen Bereich bei Produkten und anderen Dienstleistungen, die Kundenbefragungen auf der einen Seite und diverse Ansätze des Fachcontrollings, bei denen die Mitarbeiter Zielerreichungsbeurteilungen ihrer Hilfeprozesse zusammen mit den Nachfragern abgeben115, auf der anderen Seite. Kundenbefragungen im Altenhilfebereich, bei denen unabhängig voneinander die betreuten älteren Menschen und deren Angehörige resp. Betreuer regelmäßig Beurteilungen der Dienstleistungen standardisiert abgeben und diese mit Heimbeiräten beraten und veröffentlicht werden, sind noch relativ einfach übertragbare Instrumente aus Unternehmensbereichen außerhalb der Sozialleistungsunternehmen. Die Befragten sind überwiegend gesundheitlich und geistig zur Beantwortung in der Lage116 und Angehörige und Betreute selbst beurteilen die Leistungen häufig unterschiedlich. Für die Unternehmen entstehen hierdurch wertvolle Zusatzinformationen. Im Gesundheitsbereich, insbesondere im medizinischen Bereich, liegen die Verhältnisse ähnlich wie im Altenhilfebereich. Problematischer sind Kundenbefragungen dagegen in Beratungsprozessen, die häufig nur durch eine Veränderung der persönlichen Verhaltensweisen der Betroffenen und nicht nur der sog. Lebensumstände den angestrebten Nutzen vermitteln. Gleiches gilt auch für die pädagogischen Dienstleistungen im Bereich der Jugendhilfen. In diesen Bereichen bieten sich daher eher Fachcontrollingansätze zur Nutzenbeurteilung an als Kundenbefragungen. Im Behindertenbereich – bei rein körperlicher Behinderung liegen die Probleme ähnlich wie im medizinischen Bereich, bei seelisch und/oder geistiger Behinderung unterliegen im Rahmen von Kundenbefragungen die Hilfestellungen von Mitarbeitern einer besonderen Verantwortung bei der Dokumentation des Willens der Betroffenen. Der Quercheck ergibt sich dann durch die Beurteilung von Angehörigen und Betreuern. Dennoch sind hier Fehlschlüsse, eine Art des „sich etwas Vormachens“, auch bei Einschaltung von Angehörigen und bei organisiertem Diskurs der Mitarbeiter untereinander nicht auszuschließen. Selbst die regelmäßigen Überprüfungen der medizinischen Dienste und Heimaufsichten zielen eher auf die Kriterien Sicherheit und Verläßlichkeit im Rahmen von Zeitreihen als auf die Beurteilung des Dienstleistungsnutzens selbst. Die jeweiligen unterschiedlichen Eigeninteressen der Beteiligten, die der Mitarbeiter, die der Angehörigen, die des Behinderten, die des medizinischen Dienstes und der Heimaufsicht können zur Verfälschung einer zielführenden Kundennutzen-/Dienstleistungsnutzenbeurteilung führen. Bei den Mitarbeitern hängt der Grad eines möglichen Selbstbetrugs anläßlich von Kundenbefragun115 116

übt.

Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel II.5. Das politische Wahlrecht wird ja bespielsweise von den Betroffenen auch ausge-

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gen in entscheidendem Maße davon ab, ob die Vertrauenskomponente wesentlicher Teil des angewandten Führungsstils ist117. 3. Preis-Leistungs/Nutzen-Verhältnis Bei der Überprüfung des Umsetzungsgrades dieses Kriteriums als Voraussetzung einer Markendienstleistung im sozialen Bereich helfen die Controllingansätze, wie Wirtschaftlichkeitsanalysen als Zeitreihenanalyse, Produktivitätskennzahlen und die Instrumente des Benchmarkings verbunden mit ScoringProzessen.118 Das Vorhandensein derartiger Controllingansätze ist in einigen Bereichen, z. B. bei Verhandlungen im Rahmen der Sozialgesetze, Vorraussetzung für einen erfolgreichen Abschluß ggf. einschließlich der Anrufung von Schiedsstellen. Darüber hinaus ist Voraussetzung erfolgreicher Markenstrategie die systematische und ständige Kostensenkung. Allerdings sind derartige, aus der Erwerbswirtschaft bekannte Kostenvorgaben in Sozialleistungsunternehmen bisher eher die Ausnahme. Häufig resultieren sie in Forderungen nach Personalkostensenkungen durch Tarifabsenkungen und nicht in Effizienzüberprüfungen. Neben der ständigen Kostensenkung gilt es, die geforderten Entgelte/„Preise“ für die soziale Dienstleistung „zu verteidigen“. Aus der Erwerbswirtschaft ist bekannt, daß häufig vom Handel bekannte Markenartikel als Lockvogelangebote herausgestellt werden – die Preise des Markenartikels also „verhauen“ werden. Langfristig werden die Markenartikel durch Preisdumping in ihrem Qualitätsversprechen damit abgewertet. Auch konfessionelle Sozialleistungen werden durch „nicht verteidigte“ Entgelte/Preise abgewertet. Es ist unschwer erkennbar, daß ein Verzicht auf ein Geschäft und/oder Direktdistribution strategisch für den Anbieter günstiger ist. 4. Service und Garantiefunktionen Zu Beginn der Entwicklung der Markendienstleistung in dem hier beschriebenen Unternehmen stießen die Überlegungen zu Garantieleistungen, wie z. B. „Geld-zurück-Garantie“, auf erhebliche Bedenken. Neben den möglichen Trittbrettfahrereffekten wurden insbesondere im Rahmen von Armutsdienstleistun117

Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.3.b). Mit dem Instrument des Benchmarking werden im Rahmen von Konkurrenzanalysen die Leistungsfähigkeit der eigenen Produkte und Dienstleistungen im Vergleich zum Konkurrenten beurteilt. Der Referenzmaßstab – also der Benchmark – ist die Leistungsfähigkeit der Konkurrenzprodukte. Bei Scoring-Methoden werden mit Hilfe von Punktbewertungen relevante Zieleigenschaften gegenübergestellt, Sachverhalte verglichen. Z. B. werden zwei Fahrzeuge im Hinblick auf die Zieleigenschaften „Platzangebot, Verbrauch, KW-Zahl, Form“ miteinander verglichen, wobei die Zieleigenschaften auch unterschiedlich gewichtet werden können. 118

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

gen durch den Mitnahmeeffekt Hilfeabbrüche befürchtet: Der Nachfrager erklärte sich unzufrieden mit dem bisher erbrachten Dienstleistungsumfang, er verlangte sein Geld zurück und verließ das Haus. Das „Gespenst umfangreichen Mißbrauches“ stand im Raum. Die Lösungen mußten intelligenter gestaltet werden. Ansatzpunkte ergaben sich dort, wo Dritte die Leistungen als Absatzmittler vereinbarten und zahlten. Es wurden Garantien für nicht erreichte Hilfeziele vereinbart; z. B. wurde in der Altenhilfe innerhalb der ersten sechs Monate eines Neubezuges eine pauschale Umzugskostenvereinbarung für den Wunsch des Wiederauszuges angeboten. Ähnliche Lösungen wurden vertraglich für Behinderte und Armutshilfe vereinbart. Zu Mißbräuchen der vereinbarten Garantieleistungen ist es in dem hier beschriebenen Zeitraum grundsätzlich nicht gekommen. Die Komponente Vertrauen – vor allem in die eigene Leistung, die garantiert wurde, – mit vereinbarter Sanktion hat die möglichen o. g. Risiken bei weitem kompensiert. Der Wettbewerbsvorteil konnte ausgelobt werden. Die angebotene Leistung konnte vom Nachfrager überprüft werden, ohne daß bei Nichtgefallen die dann notwendigen Wechselkosten zu seinen Lasten gingen. 5. Distribution Das Merkmal Distribution ist unter drei Aspekten zu beleuchten: 1. Distributionshandeln der Mitarbeiter bzw. Vertriebsdenken und -bewußtsein der Mitarbeiter. 2. Zeitliche und räumliche Erreichbarkeit der Dienstleistung selbst für den Nachfrager. 3. Distributionsangebote ohne Absatzmittler über kostenlose Beratungs-/Informationsstellen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozialer Dienstleistungsunternehmen sind im Zusammenwirken mit den Nachfragern z. B. als Helfer und Berater einerseits Teil des Erstellungsprozesses selbst119, andererseits gleichzeitig auch Vertreiber dieser Dienstleistung. Zur Verdeutlichung dieser Doppelfunktion soll auf die Tätigkeit von Mitarbeitern in der Jugendhilfe verwiesen werden, wo sie als Pädagogen auf der einen Seite einen Hilfeprozeß umsetzen, im Hilfeplangespräch z. B. mit den Jugendämtern gleichzeitig aber auch das von ihnen vertretene Unternehmen und dessen Dienstleistungen „verkaufen“. Sie akquirieren jeweils also auch „neue Platzzahlbelegungen“. Diese Doppelrolle zu verstehen, fällt vielen Pädagogen nicht nur mangels Vertriebskenntnissen schwer, sondern wird häufig auch als ethischer Bruch ihres Selbstverständnisses aufgefaßt. Dies gilt besonders, wenn sie das Preis-Leistungsverhältnis für die von ihnen „verkaufte“ 119 Die Betriebswirtschaftslehre hat hierfür den Erklärungsbegriff Produktionsfaktor geprägt, vgl. Abschnitt 1, Kapitel II.

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Leistung darstellen sollen und/oder auch in jüngster Zeit auf die schlechte Zahlungsmoral ihres Gegenübers hinweisen müssen. Logischerweise und zwar aus nachvollziehbarem Eigeninteresse hilft ihnen das jeweilige Gegenüber nicht bei diesem Dilemma, reagiert aber positiv überrascht, wenn es in seiner Absatzmittlerrolle und seiner Bedeutung vom anbietenden Pädagogen ernst genommen wird und sich das Zusammentreffen nicht nur auf den zwar notwendigen pädagogischen Abstimmungsprozeß beschränkt, sondern die Doppelfacette wahrgenommen wird. Gute Erfahrungen wurden daher damit gemacht, die Pädagogen, die regelmäßig derartige beratende „Außendienstgespräche“ führten, mit entsprechenden professionellen Vertriebsschulungsprogrammen der Erwerbswirtschaft zu konfrontieren. Plötzlich stand dem Absatzmittler ein Anbieter gegenüber, der ihn in seiner Funktion ernst nahm, ihn auch emotional erreichte und sich nicht nur auf seine sog. „Fachlichkeit“ zurückzog120. Analoge Doppelfunktionen sind aber auch in anderen Wirtschaftszweigen feststellbar, z. B. der Pharmaberater, der den Arzt hinsichtlich eines Pharmazeutikums berät, ihn aber gleichzeitig als Absatzmittler – als Verordner eines Medikamentes – gewinnen will, um den Absatz des ihn beschäftigenden Unternehmens zu steigern. Der o. g. zweite Aspekt – räumliche, zeitliche Verfügbarkeit – ergibt sich aus der mangelnden Lagerfähigkeit von Dienstleistungen. Im Beratungsprozeß kann diesem Problem nur durch die bekannten Ansätze von Bereitschaftsdiensten und Standortspaltungen begegnet werden. Hier ist vor allem eine deutliche und flexiblere Haltung im Hinblick auf die zeitliche Verfügbarkeit von Mitarbeiterkapazitäten erforderlich. Nach hier vorliegenden Erfahrungen ist auch in Sozialleistungsunternehmen der Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten ohne Nachtschicht wichtiger als z. B. das nächtliche Hilfebedürfnis von Alkoholabhängigen und seelisch Behinderten. Gerade aber die organisierte jederzeitige Erreichbarkeit einer Hilfeleistung ist ein wichtiges Merkmal konfessioneller Markendienstleistung. Dabei sind Nebenleistungen, wie z. B. die Verfügbarkeit von Essen und Getränken, Kommunikationsmitteln technisch durch entsprechende Automaten lösbar. Der Mißbrauch ist nach kurzer Zeit nicht mehr feststellbar, weil der Reiz hierzu durch die persönliche Verfügbarkeit verloren geht. Kostenlose Beratungs- und Informationsangebote sollen der starken Distributions- und Steuerungsrolle der Absatzmittler entgegenwirken. Hierbei wurden Analogien aus der Welt der Markenartikel der Konsumgüter übertragen, wo z. B. die starke Stellung von Drogeriemärkten über Erfolg oder Mißerfolg von 120 Anzumerken bleibt, daß auch im Handwerk derartige Verständnisprobleme auftreten. Der Handwerker reagiert beleidigt, wenn seine erbrachte Leistung nicht anerkannt wird, auch wenn die Reparatur z. B. erfolglos blieb: „Er hat ja gearbeitet und darauf einen Entgeltanspruch.“

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Markenartikeln entscheidet: Kosmetika müssen in den Drogeriemärkten unter Gewährung von hohen Rabatten und sonstigen Distributionsleistungen „gelistet“ werden, damit sie in die Regale des Handels aufgenommen werden und damit für die Nachfrager/Kunden erreichbar sind. Dem Hersteller gelingt die Gegenmachtbildung nur durch eine entsprechende Sprungwerbung, mit der er den von ihm angebotenen Markenartikel kommuniziert und „vorverkauft“. Er erzeugt einen Nachfragedruck beim Endverbraucher, der den Handel zur Listung veranlassen soll. Gelingt es konfessionellen Sozialleistungsunternehmen, ihre angebotenen Dienstleistungen als Markendienstleistung zu positionieren, für die dann auch ein der Qualität und dem christlichen Selbstverständnis entsprechendes Entgelt/ Preis verlangt werden kann, so muß es diesen ebenfalls gegenüber dem Hilfesuchenden, also seinem Nachfrager resp. Kunden, durch kostenlose Beratung kommunizieren und damit ebenfalls „vorverkaufen“. Das freie Wahlrecht erlaubt dann, sich für den Sozialleistungsanbieter seiner Wahl zu entscheiden. Rechtlich ist nämlich entscheidend, daß die dem Hilfebedarf entsprechende – angemessene – Leistung erbracht wird, für die dann ein angemessener Preis/ Entgelt zu entrichten ist. Break-even-Analysen haben gezeigt, daß z. B. für die Jugendhilfe – in Abhängigkeit der Größe und Ausstattung einer derartigen Beratungsstelle – eine relativ geringe Zahl von stationären Aufenthalten ausreicht, um kostendeckend zu arbeiten. Vertriebswege dieser Art und Konsequenz sind z. Zt. für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen bisher die Ausnahme. 6. Kontinuität und Autorität Für den Nachfrager der sozialen Markendienstleistung sollte nach diesem Kriterium jederzeit eine konstante und eine auch im Wettbewerbsvergleich nachprüfbare kompetente Dienstleistung erkennbar sein und zwar auch bei wechselnden Mitarbeitern. Jeder von uns erwartet eine mit derartigen Attributen umschreibbare Dienstleistung in einem Flugzeug, unabhängig von der jeweiligen Crew im Cockpit und der Kabine. Nicht selbstverständlich sind derartige Attribute bei sozialen Dienstleistungen. Hier ist häufig ein deutliches Auseinanderklaffen je nach „Diensthabenden“ durch Bewohner spürbar, wie die Rückmeldungen zeigen. Die Vereinbarung und Abstimmung und das regelmäßige Überprüfen durch den Nachfrager sichern das Vertrauen in derartige Attribute. Rückmeldungen – nicht nur in Form regelmäßiger Kundenbefragungen wie oben beschrieben – sondern ein formal organisiertes und geschultes Beschwerdemanagement121 sind weitere Umsetzungsbedingungen. In dem hier angesprochenen Unterneh121

Zum Beschwerdemanagement vgl. u. a.: Stauss/Seidel; Sewell/Brown, S. 191 f.

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men wurden im Rahmen des Beschwerdemanagements folgende in der Abbildung 4-4 dargestellte Eckpunkte als zu realisierende Ziele mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vereinbart.

1. Die Ziele 1. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Beschwerden als Selbstverständlichkeit sehen und akzeptieren, d. h. Beschwerden – erleichtern, – annehmen, – verstehen, – bearbeiten, – pflegen. 2. Beschwerdemanagement soll beitragen zur Stärkung der – Kundenorientierung, – Kundenzufriedenheit, – Kundenbindung. 3. Beschwerdemanagement soll zur Kostenvermeidung beitragen. 4. Beschwerdemanagement soll zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Die Bereiche können Teilziele des Beschwerdemanagement-Prozesses im Rahmen jährlicher Zielplanung festschreiben.

2. Die Positionierung Ausgehend von – Unternehmensleitbild/Unternehmensphilosophie, – Festlegungen und Zielen zum Markenaufbau, – Qualitätsmanagement nach EFQM, soll Beschwerdemanagement – Kundenorientierung im Denken und Handeln stärken, – einen prominenten, deutlich wahrnehmbaren Platz bei der Leistungserbringung des Unternehmens einnehmen.

3. Der Begriff Beschwerde Eine Beschwerde ist Ausdruck eines Unmuts oder einer Unzufriedenheit gegenüber dem Unternehmen mit dem Zweck, – auf ein schädigend empfundenes Verhalten (Mangel, Schlechtleistung . . .) aufmerksam zu machen und/oder – Wiedergutmachung für erlittene Beeinträchtigung zu erreichen und/oder

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

– eine Änderung des kritischen Verhaltens und/oder – die Beseitigung von Beschwerdeursachen zu bewirken. – Die Beschwerde ist ein höchst emotionales Thema: Ein Kunde ist ärgerlich, fühlt sich getäuscht, nicht ernst genommen. Entsprechend müssen Mitarbeiter/innen ihr Verhalten darauf einstellen und reagieren: – eher ruhig, – sachbezogen, – akzeptieren, daß jemand Grund für eine Beschwerde hat und sich meldet. Keine Beschwerde in diesem Sinne liegt vor . . .: – bei Konflikten zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, – wenn sich Bereich A über Verhaltensweisen eines Mitarbeiters aus Bereich B „beschwert“.

4. Die Stufen im Ablauf Das Unternehmen akzeptiert Beschwerden als Selbstverständlichkeit und Hinweis auf mögliche Fehler. Deshalb sind diese Stufen als gleichgewichtig zu sehen: 1. Beschwerde erleichtern – Barrieren sind zu beseitigen. – Beschwerden sind wichtige Kundensignale, keine persönlichen Angriffe. – Mitarbeiter tragen mit ihrem Verhalten maßgeblich dazu bei, ob Beschwerden geäußert werden oder nicht. 2. Beschwerden annehmen – Die Ziele unzufriedener Kunden sind ernst zu nehmen, daher müssen Mitarbeiter für mögliche Beschwerden aufnahmebereit sein. – Beschwerden sind ausdrücklich deutlich und verbindlich anzunehmen: Mitarbeiter/innen, die eine Beschwerde annehmen, werden verantwortlicher „Eigentümer“ einer Beschwerde (complaint-owner, Kümmerer). – „Was kann ich für Sie tun?“ 3. Beschwerden verstehen – Was der Kunde denkt und fühlt, ist genau zu ergründen. – Er ist nicht vorschnell mit Ratschlägen und Lösungsvorschlägen zu überfallen. 4. Beschwerde bearbeiten – Ursachen und angemessene Lösungen sind zeitnah zu ermitteln. – Der „Kümmerer“ hat sicherzustellen, daß zum Beschwerdeführer regelmäßiger Kontakt gehalten wird. – „Ich melde mich am . . . wieder . . .“

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5. Beschwerde pflegen – Erfolgreich bearbeitete Beschwerden stärken die Kundenbindung und verbessern nachhaltig die Qualität von Dienstleistungen und Produkten. – Personen lernen aus Beschwerden. Deshalb sind Beschwerden sorgfältig auszuwerten. Im Rahmen der üblichen Kommunikationswege sind diejenigen, die davon wissen müssen, zu informieren. – Unzufriedenen Kunden ist ausdrücklich zu danken. Sie sind zu ermuntern „im Falle der Fälle“ sich erneut zu melden.

5. Die Grundsätze – Beschwerden informieren über mögliche Fehler, Fehlentwicklungen und Ungereimtheiten, die bisher noch nicht wahrgenommen wurden. – Jede Beschwerde wird ernst genommen, denn jede Beschwerde, die nicht eingebracht wird, kann bedeuten: • gestörte Kundenbeziehung • vermeidbare Mehrkosten • verringerte Erlöse • Vertrauensverluste • Imageverlust. – Auf jede Beschwerde erfolgt zeitnah eine Rückmeldung. – Beschwerdemanagement ist Führungsaufgabe. – Beschwerdemanagement ist Teil der Qualitätsbemühungen. – Beschwerdemanagement braucht weniger neue Organisationsformen als „die richtige Einstellung“ aller Mitarbeiter/innen: Beschwerden helfen, noch besser zu werden. – Beschwerdemanagement braucht Mitarbeiter/innen, die sich verantwortlich einer Beschwerde annehmen. Diese Mitarbeiter/innen übernehmen die Rolle des „Kümmerers“.

6. Der „Kümmerer“ Die zentrale Rolle im Beschwerdemanagement hat der „Kümmerer“. Er ist derjenige, der von einer Beschwerde zuerst erfährt oder Adressat einer Beschwerde ist, sei es persönlich, telefonisch oder schriftlich. 1. Die Annahme einer Beschwerde ist für ihn Pflicht. 2. Er nimmt die Beschwerde verbindlich an. 3. Er ist „Eigentümer“ einer Beschwerde, und dieses Eigentum verpflichtet. 4. Er hat eine Informationspflicht. Es ist insbesondere durch den „Kümmerer“ sicherzustellen, daß zeitnah eine Rückmeldung an den Beschwerdeführer erfolgt, ggf. eine Zwischeninformation über den Stand der Bearbeitung.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

5. Er ist für eine Lösung verantwortlich. 6. Die Beschwerden können intern übergeben, von anderen Mitarbeiter/innen „übernommen“ werden, die sachlich-fachlich zuständig sind, aufgrund ihrer Funktion die erforderlichen Kompetenzen haben. 7. Eine Information an den „Kümmerer“ durch weitere beteiligte Mitarbeiter/ innen über den Fortgang und die Erledigung einer Beschwerde muß in jedem Fall erfolgen. Hinweis: „Beschwerden“ von Mitarbeitern über Vorgesetzte oder über andere Mitarbeiter/ innen sind Teil der Führungsaufgabe, keine „Kümmerer-Aufgabe“. 7. Die Organisation Es ist von folgenden Annahmen auszugehen: – Wirksames Beschwerdemanagement ist eine Frage der richtigen Einstellung und des Bewußtseins: jede/r tut das, was er/sie kann, weil der Nutzen für das Unternehmen und den Kunden gesehen wird. – Beschwerdemanagement ist Bestandteil der Führungsaufgabe. – Aus Fehlern muß gelernt werden. Die organisatorischen Eckpunkte lauten daher: – Vorrang haben die vorhandenen Verfahren und Abläufe; ein gesondertes Beschwerde-Formular wird nicht eingeführt. – Beschwerdemanagement erfolgt dezentral, also dort, wo Beschwerden eingehen, vom „Kümmerer“ angenommen und im Sinne des BeschwerdemanagementKonzepts bearbeitet werden. – Für die Kommunikation und Entscheidungsprozesse gelten die üblichen Formen und Zuständigkeiten. – Beschwerden sind Standard-Tagesordnungspunkt in Team- oder Dienstbesprechungen. – Mögliche „Kompensationen“ (Nacharbeiten, Rückerstattungen, Ausgleich) erfolgen im Rahmen der bestehenden Budgets. – Bereichsübergreifende Beschwerden, Änderungsbedarfe oder fehlerhafte Strukturen werden in Zusammenarbeit der betroffenen Bereiche nach den Regeln des Projektmanagement gelöst. 8. Das Controlling Ein gesondertes, formales und zentrales Controlling-Verfahren wird nicht eingeführt. Beschwerdemanagement ist Bestandteil der regulären Führungsverfahren und -instrumente. Ausgerichtet an den Zielen des Beschwerdemanagements und einer Dialog-Kultur erfolgt „Controlling“ über den Standard-Tagesordnungspunkt „Beschwerden“ in Dienst- und Teambesprechungen. Hier – wird nach möglichen Fehlern, Fehlentwicklungen oder Verhaltensweisen gefragt, die Beschwerdeursache waren, – werden Verbesserungen oder wird Abhilfe organisiert.

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Controlling in diesem Sinne erfolgt bereichsspezifisch und erfaßt dort jeweils bedeutsame Vorgänge oder Daten, wie z. B. Anzahl der Kundenkontakte. 9. Zu guter Letzt Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter, ob mit oder ohne Führungsfunktion, ist aufgerufen, Schritt für Schritt das Beschwerdemanagement einzuführen und zu praktizieren. Das Kernteam Beschwerdemanagement begleitet die Einführung und Umsetzung. Es steht den Multiplikatoren/innen für Fragen und Anregungen zur Verfügung.

Abb. 4-4: Beispiel eines Beschwerdemanagements

Die praktische Umsetzung eines derartigen Konzeptes erfolgte dann über ein standardisiertes Schulungsprogramm, welches einer Gruppe von Mitarbeitern als Multiplikatoren wegen der angestrebten Einheitlichkeit zur Verfügung stand. Ziel war es, kurzfristig eine möglichst große Gruppe von Mitarbeiter/innen mit dem Gedankengut und den Zielen des Beschwerdemanagements vertraut zu machen. Ein weiteres Stichwort innerhalb dieses Merkmales einer Markendienstleistung ist der Aufbau einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung R+D122. Für die erwerbswirtschaftlichen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen kann das Vorhandensein einer derartigen Funktion neben der Rolle als Innovator als konstitutiv bezeichnet werden. Dies gilt keineswegs für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen. Das hier angesprochene Unternehmen ging den Weg der Bildung einer speziellen Projektgruppe mit Mitgliedern eines unterschiedlichen fachspezifischen hohen theoretischen Backgrounds, verbunden mit praktischen Umsetzungserfahrungen. Nach dem Start wurde ein rollierender Themenplan erarbeitet und kontinuierlich mit entsprechenden Umsetzungen abgearbeitet. Themen und Neuentwicklungen waren u. a.: 1. „vom Hilfeempfänger zum Kunden“ 2. Fachcontrolling 3. wertorientiertes Controlling 4. strategische Planung 5. Kundenbefragungen 6. Markendienstleistungen 122

Research + Development.

156

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

7. Beschwerdemanagement 8. Integration von seelisch Behinderten außerhalb der „WfB-Modelle“123 – „Integrationsmodelle“ 9. Produktionsbetriebe als A-Zulieferer mit „Berbern“ 10. Neubaukonzeption eines Altenheims mit höherer persönlicher Betreuungszeit, aber 30% niedrigeren Gesamtpersonalkosten (Zukunftsbauten mit neuartigen logistischen und individuellen Konzeptionen). Diese Punkte stellen nur eine Auswahl von Themenbereichen dar und mündeten häufig in entsprechenden Management-Symposien. Neben der Kommunikationsfunktion ging es mit derartigen Darstellungen, verbunden mit zahlreichen Publikationen, auch um die Markenkomponente Autorität. Autorität wurde auch herausgestellt durch die Beteiligung in diversen Fachverbänden, Diskussionen und Foren und die aktive Gestaltung in diesen Gremien. Neben den Kriterien Nachprüfbarkeit, Beschwerdemanagement sowie R+D galt es, einen vierten Aspekt von Kontinuität + Autorität des Markendienstleisters zu berücksichtigen: Die Einzigartigkeit der Dienstleistung durch ein Symbol resp. ein Merkwort, also ein Markenbegriff, sollte mit der Outung als Markendienstleistung herausgestellt werden. Hierbei galt es zu beachten, daß dies für die unterschiedlichen Markendienstleistungen zeitlich gestreckt erfolgen mußte, damit die angesprochenen potentiellen Nachfrager nicht „überfordert“ wurden, also die jeweilige Produkteinheit aufnehmen konnten, dennoch der Eindruck der Vielfalt der angebotenen Qualitätsdienstleistungen nicht verloren gehen sollte. Es entstanden daraus zahlreiche Begriffe mit Kernideen, z. T. mit differenzierten Markenbildern und dem Versuch eines hohen Merk- und Wiedererkennungseffektes. Dieser Prozeß ist ein kontinuierlicher Prozeß und wird nie abgeschlossen sein, er kann nur Erfolg haben, wenn die beteiligten Führungskräfte Grundkenntnisse und praktische Erfahrungen in Markenführung besitzen. 7. Investition Das Kriterium Investition ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten. Zum einen wird jeweils die Frage der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit aufgeworfen – dieser Punkt wird im Abschnitt 5 Controlling abgehandelt. Zum anderen sind die Wirkungen von Ersatz-, Rationalisierungs- und Erweiterungsinvestitionen als Marketing- und Sicherungsstrategien auszusprechen. Die Schwierigkeit der idealtypischen Trennung der o. g. drei Investitionsarten bleibt ausgeblendet.

123

WfB = Werkstatt für Behinderte.

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Regelmäßige und rechtzeitige Ersatzinvestitionen tragen im Schwerpunkt zur Vertrauensbildung von Sicherheit und Zuverlässigkeit bei. Bekannt ist dieses Phänomen bei den Luftfahrtgesellschaften, die Qualitätsaussagen mit Hilfe des Durchschnittsalters ihrer Flugzeugflotten treffen und dieses herausstellen124. Rationalisierungsinvestitionen bei gleichzeitigem Wachstum und damit möglicher „Wiedereinsetzung“ der Personalressourcen schaffen Vertrauen in Arbeitsplatzsicherheit, die sich dann logischerweise im kommunikativen Dienstleistungsprozeß auf den Nachfrager überträgt. Aus einem Gefühl der Sicherheit bei den Mitarbeiter/innen durch Wachstum – also erkennbare Erweiterungsinvestitionen – ergibt sich zwangsläufig auch ein emotional übertragenes Gefühl der Sicherheit z. B. im Hinblick auf einen Heimplatz. Die Höhe des Investitionsvolumens gilt es dabei regelmäßig zu kommunizieren. 8. Umwelt Statt Umwelt sollte klarstellender vom Umfeld gesprochen werden, nämlich vom gesetzlichen, sozialen, wirtschaftlichen und auch ökologischen Umfeld, wie es im Rahmen strategischer Planung analysiert wird. Hierbei geht es um die glaubhafte Einbettung in die Umwelt durch Einhaltung von Rechtsnormen, z. B. Heimverträgen und ähnlichem, und bei Feststellung eigener Fehlleistungen durch eine entsprechende Beseitigung und im Hinblick auch z. B. auf eine den Behörden entsprechende Vorwärtsstrategie. Feststellung eigener Fehlleistungen bedeutet den „Einkauf“ regelmäßiger Organisationsrevisionen125 und die Umsetzungen „als Vorstandsangelegenheit“. Soziale Verantwortung bedeutet z. B. entsprechenden Umgang mit Mitarbeiter/innen und die Einhaltung individueller und kollektiver Arbeitsrechte. Die Erfahrungen der Verfasser zeigen, daß leider beide Gesichtspunkte eine zunehmende Achillesferse konfessioneller Sozialleistungsunternehmen sind, begründet mit unzureichender sogenannter Refinanzierung oder betriebswirtschaftlich korrekter, nicht ausreichender Leistungsentgelte. Eine Begründung, die aber ethisch nicht haltbar ist, denn ein Leistungsversprechen ist einzuhalten, oder man muß sich zurückziehen. 9. Kommunikation Die mit der Entwicklung eines Bündels unterschiedlicher Sozial-Dienstleistungs-Marken verbundenen Verbrauchervorteile insbesondere im Hinblick auf 124 Der aufgeklärte Verbraucher weiß zwar, daß theoretischer Weise im Hinblick auf Sicherheit ein Flugzeug grundsätzlich wegen der vorgeschriebenen und behördlich überprüften Ersatzteil- und Austauschvorschriften nicht „altern“ kann, dennoch gibt es ihm häufig ein Gefühl der Sicherheit. 125 Aus wirtschaftlichen Gründen erscheint eine eigene dauerhafte Revisionsabteilung auf Grund der im Vergleich zu Industriekonzernen zu geringen Betriebsgröße der Sozialleistungsunternehmen wirtschaftlich nicht sinnvoll.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

die dahinterstehende besondere Ethik des Hilfeverständnisses ist in geeigneter Weise zu kommunizieren. Hierbei ist die Abgrenzung von Werbung und public relations/PR auch für die Glaubwürdigkeit des Sozialleistungsunternehmens von Bedeutung: Werbung als ein Kommunikationsinstrument dient der Leistungsdarstellung der Markendienstleistung, die PR dagegen der Vertrauensbildung für die benachteiligten, Hilfe suchenden Nachfrager-/Kundengruppen in der Öffentlichkeit, d. h.: die Kommunikation der Sozialanwaltschaft wird hier als PR-Maßnahme definiert.

Bevor auf die entwickelten Beispiele der Kommunikationsethik für die Markendienstleistung eingegangen wird, zunächst ein kurzer Überblick über ausgewählte Besonderheiten der Dienstleistungskommunikation: Die Immaterialität gilt es zu visualisieren, indem z. B. Mitarbeiter/innen in Erscheinung treten, also die Handelnden „greifbar“ werden, z. B. durch entsprechende Gestaltung von Hinweisen und Prospekten, z. B. durch Auftreten in Vortragsreihen von Leitungskräften, z. B. durch Cross-selling, indem bei Beratungsgesprächen, in diesem Falle kostenloser Familienberatung, auf stationäre Leistungsangebote des Sozialleistungsunternehmens verwiesen wird. Der Nichttransportfähigkeit kann kommunikativ begegnet werden durch Darstellung der Inhalte und Bedingungen der Leistungsangebote am Lebensort potentieller Nachfrager und die Dokumentation der speziellen Fähigkeit. Der letzte Ansatz ist bei vielen sozialen Dienstleistern in unterschiedlicher Weise vorhanden. Bei den Mitarbeiter/innen ist dann neben der vorhandenen „Fachlichkeit“ ihrer Dienstleistungen der Kommunikationsaspekt zu vertiefen. Das Spezifikum des Dienstleistungsprozesses, bei dem es immer zu einem Zusammenwirken von Leistungserbringer und Leistungsnachfrager kommt, ökonomisch ausgedrückt, ist: Im Dienstleistungsprozeß ist der Kunde selbst „Produktionsfaktor“. Dies bedeutet, daß auch die Kommunikation per se eine persönliche Kommunikation geradezu nahe legt. Andere Instrumente wie z. B. die klassische Mediawerbung, Verkaufsförderung, Messen und Ausstellungen126 sowie Multimedia-Kommunikation sind wirtschaftlich gesehen grundsätzlich nachrangiger zu beurteilen. Mitarbeiter/innen sind dahingehend zu schulen, daß jede ihrer Hilfeleistungen und die Kommunikation darüber auch als Marketingmaßnahme zu beurteilen ist, die die eigene Leistung in den Vordergrund stellt. Im sozialen Bereich wird nach den hier gemachten Erfahrungen dies noch immer mit Unbehagen gesehen – schwer verständlich, denn überzeugende Leistungen mit überprüfbaren Kriterien sollten durchaus als praktische Umsetzungen christlichen Handelns verstanden werden. 126 Gerade diese sind in der Sozialarbeit aus diversen Motiven sehr beliebt, aus betriebswirtschaftlicher Sicht aber höchst ineffizient und ineffektiv.

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Zur Hervorhebung des mit der Auslobung der Markendienstleistung verbundenen „Qualitätsbündels“ wird daneben auch auf die Effekte von Affinitäten gesetzt, also z. B. auf Logos und Markenzeichen der Markendienstleistung. Der oftmals sozialarbeiterisch behaupteten Stigmatisierung z. B. Jugendlicher in einer Jugendhilfemaßnahme durch solche Effekte wird dadurch begegnet, daß sie die Trikots der lokalen Fußballgrößen zieren – im übrigen ggf. für beide Seiten imagefördernd – oder daß es gelingt, auch in Form von Veranstaltungen und Tagungen Persönlichkeiten anderer Lebensbereiche werbewirksam für das eigene Unternehmen zu gewinnen127. Es handelt sich bei diesen Ansätzen darum, die mit Hilfe des Logos und der Botschaft definierten Markendienstleistungen in einer Art product placement über dritte Werbe- und Kommunikationsträger – deren Image logischerweise auch für das soziale Dienstleistungsunternehmen ethisch einwandfrei sein muß, damit keine negativen Irradiationseffekte eintreten – zu kommunizieren. c) Ethische Aspekte der Markendienstleistung Der o. g. Ansatz der Kreierung von Markendienstleistungen ist unschwer erkennbar ein ganzheitlicher Ansatz, der die Vielzahl der Marketinginstrumente insgesamt im Auge hält. Er ist Ausdruck des Versuches, das „historische Kapital“ der konfessionellen Sozialarbeit aus ihrer Gründerzeit im 19. Jh. zurückzugewinnen und in einer Art Selbstverpflichtung ihre „Meßlatte der glaubwürdigen Leistung“ auf vergleichsweise hohem und nachprüfbaren Niveau neu zu definieren. Die kommunizierte Auslobung der Leistungsinhalte einer Markendienstleistung ist gegenüber dem Nachfrager eine ethische Selbstverpflichtung, indem diesem konkret vermittelt wird, was er zu erwarten hat und einfordern kann – mit verabredeten Sanktionsmechanismen gegenüber dem Anbieter bei Nichteinlösung des Dienstleistungsversprechens. Der Hilfesuchende soll dem Anbieter bei Nichterfüllung durch vertragliche Gestaltung nicht mehr „ausgeliefert“ sein. In diesem Sinne ist es auch der Versuch der Umdrehung des bestehenden individuellen Machtverhältnisses. Das starke institutionalisierte Unternehmen gibt dem Hilfesuchenden und ggf. Hilflosen öffentlich ausgelobte Gegenmachtsinstrumente – nämlich z. B. den Verlust seiner Glaubwürdigkeit oder die rechtliche Einklagarbeit einer Leistung – in die Hand. Hierin zeigt sich eine Konkretisierung der goldenen Regel, sich so zu verhalten, als wenn man an der Stelle des anderen wäre,128 oder, was im Kern dasselbe bedeutet, des Kantschen kategonischen Imperatives. Die Implementierung einer Markendienstleistung ist in seiner projektgesteuerten Umsetzung ein TQM-Ansatz129 mit ständi-

127 128 129

Preisausschreiben/Zählwettbewerbe von Autos etc. Vgl. hierzu Abschnitt 2 sowie Abschnitt 3, Kapitel II.3. TQM = total quality management.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

ger Nachschulung und unter dem Signal eines den Gedanken visualisierenden Mottos. Hierbei kann bei bestimmten Teilaspekten der Projektumsetzung z. B. Vertrieb, Controlling, Kommunikation auf entsprechende, in der Erwerbswirtschaft erfolgreiche Beratungsunternehmen zurückgegriffen werden.

III. Innovationsmanagement130 Die Heraushebung von Innovationen im Rahmen dieses Kapitels und im Zusammenhang mit der Markendienstleistung hat die Ursache in der besonderen Bedeutung von Innovationen für den Erfolg und damit die Existenzsicherung von Unternehmen131 als strategische Zielsetzung132. Bei der Übertragung dieser Erkenntnisse der Erwerbswirtschaft gilt es, die folgenden Aspekte zu beachten und zu lösen: • Problem der Definition von Erfolg bei konfessionellen Sozialleistungsunternehmen. Folgende Dimensionen sind erkennbar: – Das Streben nach Hilfeerfolgen, z. B. soll ein Suchtabhängiger dauerhaft von seiner Sucht befreit werden, ein grundsätzlich bei den beratenden und helfenden Mitarbeitern angestrebtes Erfolgsziel. Zahlreiche andere Beispiele im sozialen Hilfeprozeß sind vergleichbar. – Das Streben nach persönlichem Erfolg bei Mitarbeitern ist wie in der Erwerbswirtschaft unterschiedlich ausgeprägt – aber kann im Rahmen von Beförderungen festgestellt werden. Dto. wenn es um Einkommenszuwächse auf Grund gestiegener Arbeitsplatzanforderungen geht. – Die Definition von Unternehmenserfolg und das Verständnis und die Zielsetzung der Erreichung dieses Erfolges scheitert schon häufig an der Definition. Erwerbswirtschaftliche Definitionen werden hierbei – häufig aus

130 Vgl. hierzu u. a.: Korte (2003/1), S. 41 ff; Fleßa (2003/3), S. 13 ff; Hauschildt (1997), S. 7 ff. 131 Im Februar 2002 erschien in der Frankfurter Allgemeinen (basierend auf Untersuchungen der TU Berlin, des VDI und der Beratungsfirma MC Kinsey) ein Artikel mit der bemerkenswerten Überschrift „Wodurch sich innovative Unternehmen auszeichnen“. Ursachen für Unternehmenserfolge, gemessen am Umsatz und der Umsatzrendite, liegen danach im wesentlichen in der Mitarbeiterführung und deren Zusammenarbeit im Hinblick auf die Kundenorientierung. Stichworte im Zusammenhang mit der Mitarbeiterführung sind hierbei u. a. Projektmanagement mit direktem Informationsaustausch der Mitarbeiter – auch als praktischer Ausfluß lateraler Kommunikation zu umschreiben – in einer auf Zielvereinbarungen basierenden straffen Führung durch erfahrenes Management, wobei Fehler toleriert werden und in einer auf Kernkompetenzen ausgerichteten hohen Kundenorientierung, durch frühzeitige Einbindung derselben in innovative Prozesse. Die Projektteammitglieder verbleiben in hoher räumlicher Nähe in ihre Unternehmensfunktionen eingebunden. 132 Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel III.

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ideologischen Gründen – abgelehnt. Dennoch gilt grundsätzlich eine einfache logische Argumentationskette: 1. Die Wahlentscheidungen der Hilfesuchenden – also der Nachfrager – sind im Hinblick auf das einzelne Unternehmen grundsätzlich frei – wie bereits oben dargelegt. 2. Der Anbieter muß sich also bemühen, so attraktiv aus Sicht des Nachfragers zu sein, daß die Entscheidung auf ihn fällt. Nur dann erzielt er eine „Belegung“ stationär – teilstationär oder ambulant und nur dann erzielt er einen Umsatz als Ergebnis ggf. regulierter Preise multipliziert mit den jeweils nachgefragten Einheiten, z. B. Unterbringungstage. Also ist Attraktivität des Angebotes grundsätzlich Voraussetzung133 für Umsatz (U), Kosten (K) und Gewinn/bzw. Verlust als Residualgröße von U – K. 3. Für die Leistungserstellung entstehen Kosten. Dabei erzielt bei preisregulierten Märkten derjenige den größten Erfolg, der bei den definierten Leistungen die niedrigsten Erstellungskosten hat. Im anderen Falle geht es um die Optimierung von Preis-Leistung-Kosten-Verhältnissen. Damit sind Erfolgsmaßstäbe des Gesamtunternehmens ceteris paribus (c. p.) mengenmäßig die Auslastung, wertmäßig das Betriebsergebnis. Es sind damit die gleichen wie in der Erwerbswirtschaft, und wie dort sind durch die entsprechenden Management-Ansätze diese auf Grund einer gemeinsamen Wertebasis im Gesamtunternehmen zu verankern: Ein konfessionelles Sozialleistungsunternehmen definiert sich dann als erfolgreich, wenn • seine Leistungen nachgefragt werden, • seine Leistungen bei durch Wettbewerb bestehenden Wahlmöglichkeiten gerade bei ihm nachgefragt werden. Hohe Auslastungen der Dienstleistungen führen dann bei effizientem Handeln zu einer finanzwirtschaftlich besseren Erfolgsziffer als die des Mitbewerbers. Zeitreihenentwicklungen verdeutlichen dann steigende, konstante oder sinkende Erfolge. • Problem der ethischen Dimension Welche Innovationen sind in einem konfessionellen Unternehmen abzulehnen? (z. B. medizinische? z. B. Erfolgsprognosen in der Armenhilfe oder Jugendhilfe? z. B. ökologische?). Eine derartige Diskussion erfordert eine aus133 Dies gilt selbst dann, wenn der potentielle Nachfrager sein Problem gar nicht lösen will, z. B. ein Alkoholsüchtiger will sein Suchtproblem nicht wirklich lösen. Dann nutzt er im Zweifelsfall kein Angebot.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

geprägte gemeinsame Wertebasis der Organisation und eine entsprechende Diskurskultur und Führungsorganisation134. • Problem der Bewertung Was ist neu, wie wird etwas als neu oder innovativ für den Nachfrager verdeutlicht und empfunden? Was wird als „verfrüht“ abgelehnt? Dies erfordert eine hohe Kundenorientierung und deren Beteiligung an Innovationen. Wie aber kann eine solche organisiert werden, wenn von Hilfeempfängern gesprochen wird und häufig die Helfermacht jegliche Kundenorientierung vermissen läßt? • Problem der Prognose Wird sich eine Innovation durchsetzen? Wie wird sie im Wettbewerb zu anderen Anbietern empfunden? Wie entwickelt ist der Markt? Wie flexibel reagiert das Unternehmen im Hinblick auf die Notwendigkeit des Wachstums? Welchen auch finanziellen Flop kann sich das Unternehmen erlauben? • Innovationsmanagement erfordert ein andersartiges Handeln als Routineentscheidungen. Neben systematischer Forschung und Neuentwicklung von Leistungsangeboten auf möglichst gesicherten Erkenntnissen von sich entwikkelnden Nachfragewünschen und neben dem in der Organisation verankerten Innovationsbewußtsein135 sind systematisch betriebene Projektorganisationen hilfreich. Projektzusammensetzung unter Berücksichtigung des Promotorenmodells mit der Fach-, Macht- und Prozeßpromotorenschaft sind nach den Erfahrungen der Verfasser zweckdienlich und erfolgreich.136 • Problem der Anpassungsfähigkeit konfessioneller Sozialleistungsunternehmen Existenzsicherung und Überlebensfähigkeit setzt die Anpassungsfähigkeit z. B. diakonischer Sozialleistungsunternehmen voraus. Die Wünsche der Nachfrager und Nachfragergruppen verändern sich auf Grund des sozialstaatlichen Teilhabegebotes und Teilhabeanspruches137. Hierbei wird die augenblickliche Tendenz der Verstärkung der Eigenvorsorge diesen Prozeß beschleunigen, da sie ein noch höheres Verbraucher- bzw. Kundenbewußtsein 134

Vgl. hierzu Abschnitt 3, Kapitel II.3. Vgl. Hauschildt (1997), S. 24: „Dieses Innovationsbewußtsein muß jeder entwikkeln, der das Recht, die Macht, und den Willen hat, über betriebliche Ressourcen zu verfügen. Nur dann kann er sich das Ziel setzen, die Ressourcen innovationsfördernd einzusetzen.“ 136 Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel I. 137 Vgl. SGB I, § 1 ff und die diversen Einzelregelungen im SGB IX und SGB XI. 135

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nach sich ziehen wird, als der bisherige Demokratisierungsprozeß unserer Gesellschaft bewirkt hat. Das sich ständig und im Augenblick in immer kürzeren Zeitintervallen verändernde Umfeld erfordert von konfessionellen Sozialleistungsunternehmen: • Schnelligkeit der Willensbildung und Durchsetzung – durch flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege und Entscheidungsdezentralisation – durch Entscheidungsautonomie bei starker gemeinsamer Wertebasis – durch ein Leitbild/Unternehmensphilosophie und Führungskräfteinformationssystem • Antizipations- und Adaptionsfähigkeit – durch projektartige Organisationsstrukturen, Außenorientierung und strategische Planung • Reaktionsfähigkeit – durch rasche Rückkopplung über Erfolg und Mißerfolg, Lernfähigkeit der Organisation mit Improvisationsfähigkeit und laufendem Berichtswesen • Komplexitätsreduktion und -beherrschung – durch Selbstregulierung und Selbstorganisation – durch Lernen – durch systematisches Denken – durch Anspruchsgruppenmanagement – durch Kundenstrukturgestaltung Zusammenfassend läßt sich feststellen: 1. Markendienstleistungen und die überprüfbare Einhaltung der ausgelobten und kommunizierten Kriterien stellen eine auch ethisch glaubhafte Strategie konfessioneller Sozialleistungsunternehmen dar. 2. Innovationen sind konstitutive Erfolgsvoraussetzungen 3. Innovations- und Führungsorganisation sind zwei Seiten einer Medaille, die logisch miteinander zu verknüpfen sind138.

138 Zur Führungsorganisation vgl. Abschnitt 3, Kapitel II. Zu den Anforderungen an eine zeitgemäße Unternehmensführung vgl. auch Eschenbach, S. 19 ff.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Abschnitt 5

Controlling I. Grundlagen und Definitionen139 Controlling ist Teil von Entscheidungsprozessen, wobei das Phasentheorem als ein mögliches Erklärungsmodell menschlichen Entscheidungsverhaltens hilft, die Vielschichtigkeit des Controlling-Konzeptes zu verdeutlichen sowie seine Übertragbarkeit auf konfessionelle Sozialleistungsunternehmen zu begründen. Sozialleistungsunternehmen erstellen auf Grund entsprechender Entscheidungen ihrer Entscheidungsträger soziale Dienstleistungen für eine bestimmte Zielgruppe innerhalb ihres Absatzgebietes, deren Nutzen durch diese Dienstleistungen gemehrt werden soll. Von konstitutiver Bedeutung für Sozialleistungsunternehmen ist – wie für andere Unternehmen – die Bedingung der Einhaltung des finanziellen Gleichgewichtes innerhalb eines zu definierenden Zeitraumes. D. h. auch für Sozialleistungsunternehmen muß mindestens „mittelfristig“ ein Ausgleich zwischen Einzahlungen – hierzu zählen auch finanzielle Transferleistungen – und Auszahlungen erreicht werden. Die verschiedenen begrifflichen Ebenen des Controllings wurden in der Literatur in den letzten Jahren herausgearbeitet. Als tragende Konzeption wird dabei angesehen, Controlling als ein bewußt organisiertes unternehmensübergreifendes Koordinationskonzept von Planungs- und Entscheidungsprozessen in Unternehmen zu verstehen. Es dient damit in seinem instrumentalen Teil der Informationsversorgung zur Sicherstellung der Zielerreichung der arbeitsteilig ablaufenden Unternehmensprozesse; es dient weiter in seinem Planungs- und Kontrollteil der Abweichungsanalyse und der Iniitierung von Ziel-Mittel-Anpassungsprozessen durch den jeweiligen Entscheidungsträger und in seinem Entscheidungsund Realisierungsteil der Effizienzverbesserung durch Bewertung von Entscheidungen im Hinblick auf ihren Zielerreichungsbeitrag. Da über die Zielinhalte und Maßstäbe mit dieser heute in der Literatur überwiegend vertretenen Definition keinerlei Aussagen getroffen sind, kann das Konzept des Controlling-Ansatzes grundsätzlich auch auf Sozialleistungsunternehmen übertragen werden. Bei dieser Aussage ist nicht entscheidend, daß dies bereits in einigen Sozialleistungsunternehmen geschieht, sondern vielmehr die Frage, ob seine Anwendung auch theoretisch begründbar und damit abgesichert ist. Nach Ansicht der Verfasser ist dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die sich vor allem aus der Führungsstruktur und Führungsphilosophie eines Sozialleistungs139 Vgl. hierzu u. a.: Korte (1977), (1992), (1995); Baum/Coenenberg/Günther, S. 5 ff; Horvath, S. 18 ff; Huch/Behme/Ohlendorf, S. 273 ff; Küpper, S. 3 ff; Reichmann (1995), S. 5 ff; derselbe (2006), S. 1 ff; Eschenbach (1996), S. 3 ff; Schröder, S. 23 ff; Weber (2004), S. 5 ff; Ziegenbein, S. 22 ff, Freidank/Mayer, S. 3 ff.

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unternehmens sowie aus der Definition entsprechender Zielsysteme ergeben. Nur wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind, macht es unter Berücksichtigung der oben genannten Diskussion Sinn, von Controlling zu sprechen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, droht tatsächlich die Gefahr, Controlling mit einer feed-back-gerichteten Kontrolle zu verwechseln oder zu mißbrauchen. Voraussetzungen für die Installation eines Controllingsystems sind, daß die Ziele des Sozialleistungsunternehmens operational definiert sind und in Form von Zielvereinbarungen zwischen den Entscheidungsträgern im Rahmen des hier zunächst erörterten operativen Controllings für die nächsten ein bis drei Jahre fixiert sind. Damit laufen Controlling und Management by objectives – als einer der eine Renaissance erlebenden Führungsansätze arbeitsteiliger Organisationen – konform. Insofern ist Controlling auch als eine Führungsphilosophie zu verstehen, bei der die Entscheidungs- und Wissenspotentiale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zielgerichtet eingebracht werden.140 Die oben vorgetragenen begrifflichen Ausführungen und Thesen gilt es nun kurz zusammenzufassen, um damit noch einmal die Grundgedanken eines Controlling-Konzeptes für Sozialleistungsunternehmen zu verdeutlichen. Phasentheoretisch lassen sich Entscheidungsprozesse wie folgt skizzieren: – Ist-Analyse, – Zieldefinition, – Mittelauswahl, – Bewertung und Entscheidung, – Realisierung, – Kontrolle (Soll-/Ist-Vergleich). Dieser Entscheidungsprozeß141 besitzt rekursive Strukturen: es werden Informationen verarbeitet, die zu Ziel-Mittel-Anpassungen führen können, soweit Rationalität der Entscheidungsträger unterstellt wird142. Er ist aufgrund der Allgemeingültigkeit hinsichtlich der Zieldefinition auf Sozialleistungsunternehmen übertragbar, d. h. Entscheidungsprozesse laufen in unterschiedlichen Unterneh140 Es wird nochmals deutlich, welche Konsequenzen Begriffsdefinitionen haben können, die sich aus irrationalen Abgrenzungswünschen und/oder einer eingeschränkten Wahrnehmung hinsichtlich der Multidimensionalität unternehmerischer Zielsysteme ergeben. Gewinnstreben als alleinige Zielsetzung erwerbswirtschaftlicher Unternehmen zu definieren, ist ebenso unsinnig wie Non-Profit als konstitutives Merkmal für Sozialleistungsunternehmen zu verwenden. Analog gilt das auch für die Definition „Soziale Unternehmen“, da diese nur eine bestimmte Handlungsweise einer Organisation hinsichtlich des „Wie“ ihrer Leistungserstellung beschreiben kann, nicht dagegen die Leistungsinhalte selbst. 141 Vgl. Korte (1977), S. 278. 142 Zur Rationalität menschlichen Entscheidungsverhaltens vgl. u. a. Becker, S. 2 ff.

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men grundsätzlich vergleichbar ab, Unterschiede bestehen in den jeweiligen Zielsystemen und deren Maßstäben.143 Controlling ist ein Konzept der Koordinations-, Steuerungs- und Informationsversorgung im Rahmen von Entscheidungsprozessen mit den Funktionen – Planung, – Information, – Analyse/Kontrolle, – Steuerung. Die Steuerung eines Entscheidungsprozesses setzt die Kenntnis von Zielen voraus. Dem Controlling kommt bei der Zielerreichung im Rahmen von Entscheidungsprozessen die Aufgabe zu, durch geeignete Steuerung der Planung und Realisierung der Maßnahmen zur Zielerreichung beizutragen. Planungs- und Entscheidungsprozesse sind durch die Existenz von Zielsystemen gekennzeichnet. Controllingsysteme als Teil von Entscheidungsprozessen setzen daher die Implementierung entsprechender zielorientierter Managementkonzeptionen voraus. Derartige mit entsprechenden Personal-Managementansätzen implementierte Konzeptionen können beispielsweise wie folgt aussehen: – Führen mit Ziel, – Führen mit Planung und Kontrolle, – Führen mit Fakten, – Führen mit System, – Führen mit Delegation. Diese Managementgrundsätze sind dann auf die Phasen des Entscheidungsprozesses als Führungsgrundsätze zu übertragen. Sie könnten beispielsweise wie folgt lauten: – Ziele eindeutig definieren, – Zielerreichung wirksam unterstützen, – Ergebnisse überwachen, bewerten und vertreten, – Leistungswillen fördern, – Ziele und Maßnahmen in Einklang bringen, – Bewußtsein im Hinblick auf die Zielerreichung schulen, – Kommunikation zwischen Führungsebenen fördern. 143 Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen unterscheiden sich typologisch von anderen Sozialleistungsunternehmen durch ihre aus biblischen Grundlagen abgeleiteten Handlungsmotive; sie unterscheiden sich dagegen grundsätzlich nicht in der Qualität ihres Handelns – häufig auch als Fachlichkeit bezeichnet – von anderen Sozialleistungsunternehmen.

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Für das Gesamtunternehmen und für seine Teilbereiche sind anschließend operative und strategische144 gesamt- und bereichsspezifische Ziele zu entwikkeln. Von operativer oder auch kurz- bis mittelfristiger Planung wird i. a. dann gesprochen, wenn der Planungszeitraum ein bis drei Jahre umfaßt und die Grundstrukturen des Unternehmens selbst nicht wesentlicher Teil der Planung, also ebenso Datum sind wie die jeweiligen Umweltbedingungen des Unternehmens. Strategische Zielplanung umfaßt den Zeitraum ab ca. drei Jahren bis zum „ökonomischen Horizont“, also bis zu dem Zeitpunkt, für den noch einigermaßen verläßliche Prognosedaten für das Umfeld vorliegen. Nach den Erfahrungen der Verfasser sind das etwa 10–15 Jahre. Zielsetzung ist strategisch die Existenzsicherung des Sozialleistungsunternehmens, die dann gegeben ist, wenn es innerhalb des strategischen Planungszeitraums noch in der Lage ist, Probleme seiner Nachfrager-Zielgruppe aus Sicht der Nachfrager zu lösen. Auf die Einzelheiten wird im Rahmen der strategischen Planung eingegangen. Als praxisbezogener Weg operationalisierter Zielplanung in einem Sozialleistungsunternehmen hat sich die folgende Vorgehensweise bewährt: 1. Abteilung/Unternehmensbereiche/Funktionen des Unternehmens145 erstellen basierend auf aktuellen Jahreshochrechnungen ihre Ergebnis-Zielplanung, ihre Investitionsplanungen, ihre Personalplanungen (Sonderprojekte) und – soweit vorhanden – unter Berücksichtigung der strategischen Planung mit Hilfe der Controllingabteilungen/der Controlling-Funktionsträger auf, = bottom-up-Prozeß 2. In einer – in Abhängigkeit von der Größe und der Verfassung des Unternehmens – ggf. mehrtägigen Klausur werden die Pläne mit der Unternehmensleitung verdichtet, wobei Rückverweisungen, Änderungen, Erhöhungen, Absenkungen des Zielanpassungsgrades in Form von Überarbeitungen als Spielregeln bereits vorher zu vereinbaren sind, = top-down-Prozeß 3. Dieser rekursive Planungsprozeß führt dann zu einer operativen Jahresplanung, die ggf. mit den Aufsichtsgremien abzustimmen und zu vereinbaren ist. Sie stellt somit die Zielvereinbarung zwischen Unternehmensleitung und Unternehmensaufsicht dar. Die Planung als Teil des Controllingprozesses setzt also Ziele voraus, die operational definiert sein müssen, d. h., der einzelne Entscheidungsträger muß in der Lage sein, sein Handeln in bezug auf die Zielerreichung zu überprüfen,

144

Zu den strategischen Prozessen vgl. Abschnitt 5, Kapitel III. Der Begriff „Funktion“ wird hier im Sinne der funktionellen Unternehmensorganisation, also beispielsweise: Beschaffung, Dienstleistungserstellung, Vertrieb/Absatz, Finanzierung, Informationsversorgung usw. verstanden. 145

168

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

um sich dadurch mit den Zielen zu identifizieren, die mit dem einzelnen Entscheidungsträger vereinbart sind und für ihn bezüglich der Erreichbarkeit realistisch und als Teilziele partizipativ gemäß seinem erwarteten Zielbeitrag formuliert sind. Durch bereitgestellte Informationen, Analyse und Kontrolle des Soll-/Ist-Erreichungsgrades ergibt sich die controllinginduzierte Unternehmenssteuerung. Das im folgenden skizzierte System dient der Steuerung der Bereiche und Einrichtungsteile durch die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter, wobei es im Sinne des Controlling-Verständnisses um feed-forward-Prozesse geht mit dem Ziel, vorrangig die gesetzten Ziele des Unternehmens selbst zu erreichen und hierfür gegebenenfalls entsprechende Nachsteuerungen bei den Mitteln vorzunehmen. Die beispielhaft aufgeführten Instrumente werden situativ ergänzt, wobei auch hierzu eine entsprechende Bereitschaft in einer Organisation erzeugt werden muß. Insbesondere die selbstdefinierten ethischen Grundlagen von Sozialleistungsunternehmen sollten eine Selbstverpflichtung der Bereitschaft zur regelmäßigen Ziel-Mittel-Kontrolle beinhalten, da sich die Unternehmen im Kern als gemeinschaftlich Dienende gegenüber Benachteiligten in ihren Satzungen verstehen (Dienstgemeinschaft). Die folgenden in Abbildung 5-1 dargestellten Instrumente könnten beispielhaft für Sozialleistungsunternehmen in einem ausgebauten Controllingssystem Anwendung finden: Instrument

Zeitraster

– Deckungsbeitrags-Soll/Ist-Vergleiche

Wöchentlich (montäglich)

– Qualitative Ziel-/Projektkontrolle

Monatlich

– Soll/Ist-Betriebsergebnisanalyse

Quartalsweise

– Budgetkontrollen

Monatlich

– Peronsaldatenauswertung wie Krankenstand/Fluktuation/Stellenbesetzungen

Monatlich

– Finanzanalysen/Financontrolling

Monatlich, rollierender forecast

– Management-Informationssysteme

Monatlich

– Wirtschaftlichkeitsanalysen, Investitionsrechnungen, Nutzwertanalysen, Sensibilitätsanalysen, Break-even-Analysen Chancen-Risiko-Analysen

) ) ) ) ) )

Fallweise, aber reglementiert

Abb. 5-1: Instrumente operativen Controllings

Abschn. 5: Controlling

169

Zum Verständnis des Controllingansatzes trägt die Gegenüberstellung zu den noch immer in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen bestehenden, man möchte sagen: „typologisch verankerten Systemen“ bei. Die Unterschiede zu noch vielfach bestehenden Systemen lassen sich wie folgt exemplarisch skizzieren: – Beispielsweise werden in der Jugendhilfe zu Beginn jeder Maßnahme individuelle pädagogische Ziele in Erziehungsplänen definiert, von der Sozialarbeit mit alleinstehend Wohnungslosen persönliche Beratungs-, Wohn- und Arbeitsziele vereinbart und in den anspruchsbegründenden Berichten schriftlich fixiert, von der Alten- und Behindertenarbeit geragogische Ziele im Hinblick auf die Erhaltung der Würde des Menschen definiert. Um diese Ziele zu realisieren, wird von den Mitarbeitern eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen geplant und realisiert. Die hierbei gemachten Erfahrungen führen dann zu unregelmäßigen und häufig auch mehr zufälligen Zeitpunkten zu Anpassungsprozessen im Hinblick auf Ziele und/oder Maßnahmen. Diese Vorgehensweise ist mit „individueller Erfolgskontrolle“ zu bezeichnen, und zwar mit doppelter Bedeutung (doppeltes Individualprinzip): Zum einen ist es nur eine von einzelnen Mitarbeitern und deren subjektiver Einschätzung ausgehende Zielerreichungskontrolle, zum anderen ist es die individuelle Kontrolle im Hinblick auf die einzelne Person des Klienten, also z. B. die Jugendlichen, Wohnungslosen oder alten Menschen. – Auch die Einhaltung der ökonomischen, leistungsvertraglich festgelegten Personal- und Sachkostenrelationen wird durch eine entsprechende buchhalterische Informationsverarbeitung in den Verwaltungen von Sozialleistungsunternehmen sichergestellt. • Controlling als System dagegen impliziert eine regelmäßige, übergreifende und systematische Informationsauswertung im Hinblick auf die Zielerreichung und ggf. geplante Zielkorrektur. Die Spielregeln müssen hierbei den beteiligten Entscheidungsträgern bekannt sein. Damit wird dem doppelten Individualprinzip durch regelmäßige Reportingverpflichtung, -verdichtung und hinreichende Abstraktion entgegengewirkt. • Controlling ist eine in seinem Grundverständnis zukunftsbezogene Informationsverarbeitung für Planungsprozesse und bedient sich hierbei natürlich auch des betrieblichen Rechnungswesens, während das Rechnungswesen selbst dagegen stärker vergangenheitsorientiert ist und nur bedingt Planungselemente beinhaltet. Hinzu kommt, daß gerade die übliche Handhabung der Entgeltvereinbarungen Wirtschaftlichkeitskontrollen kaum zuläßt und die verzögerte Anerkennung von Entgelten für Planungsprozesse zeitlich viel zu spät kommt. Außerdem stehen die Zahlen des Rechnungswesens häufig nur in einem bestimmten Personenkreis der Leitungsebene zur Verfügung, während beim Controllingansatz die aufgaben- und hierar-

170

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

chiegerechte Informationsbereitstellung für alle Entscheidungsträger gefordert ist; die Abstraktion und Zusammenfassung von Zahlen nebst Auswertung mit Handlungsempfehlungen ist vom Controller mit steigender Hierarchieebene zu verdichten. Die Notwendigkeit der Installation von Controlling-Systemen wird in der Erwerbswirtschaft von ernstzunehmenden Ökonomen nicht mehr bestritten. Die Stellenanzeigen in den einschlägigen Zeitungen verdeutlichen die allerdings hierbei noch immer festzustellende rasante Entwicklung. Im Bereich der Sozialleistungsunternehmen ist die Zahl der Skeptiker dagegen groß, nach Ansicht der Verfasser wohl nicht zuletzt deshalb, weil die oben definierten ManagementRahmenvoraussetzungen überwiegend noch nicht vorhanden sind. Drei wesentliche Gründe sind zu nennen, die die Installation von Controlling-Systemen speziell in Sozialleistungsunternehmen notwendig machen: 1. Die Manager sind es zunächst den Menschen selbst schuldig, die sich ihrem Hilfeangebot anvertrauen. Abgeleitet aus dem christlich ethischen Selbstverständnis beispielsweise diakonischer Unternehmen haben diese ihre Leistungen mit höchster Professionalität und Effizienz zu erfüllen. Hierin konkretisiert sich ihr Handlungsauftrag in der Liebe zum Menschen und der Achtung seiner Würde. Der Mitteleinsatz auf diesem Weg ist hierbei nicht eine unbegrenzt steigerbare Größe, so daß im Sinne des Rationalprinzipes mit den gegebenen Mitteln eine maximale Realisierung der definierten Hilfeziele zu erreichen ist. Mit den im Rahmen von Controllingsystemen entwikkelten Kriterien ist die Ziel-Mittel-Relation einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen. 2. Die Manager sind es der öffentlichen Hand – also der Gesellschaft unseres Landes – schuldig, denn diese hat grundsätzlich ein Anrecht darauf, daß ein die Würde des Menschen respektierender effizienter Mitteleinsatz erfolgt. Gelingt es mit dem System der Entgelte nachhaltig, zu einem Preisbildungssystem zu kommen, das beiden Seiten Planungssicherheit hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen gewährt – das war ja wohl der ursprünglich politische Ansatz –, dann schlummern auch große Chancen der Kreativitätsentwicklung bei den Sozialleistungsunternehmen. Rationalisierungschancen werden genutzt, wenn die Rationalisierungserfolge in den Sozialleistungsunternehmen verbleiben und damit den betroffenen Hilfeauftraggebern direkt zufließen. Zusätzliche Kontrollen sind abgesehen von der Zerstörung des bisher ausbalancierten Subsidaritätsprinzips nur personalintensiver, aber nicht wirtschaftlich im Sinne ökonomischer Rationalität. Auch hier gilt die Überlegung, daß Systeme Anreize zur Selbststeuerung benötigen. Um aber ohne finanziellen Schaden steuern zu können, sind die oben genannten Instrumente erforderlich und zu verfeinern. Dies beinhaltet aber auch zugleich die große Chance für die Sozialleistungsunternehmen,

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ihre Effizienz zu steigern, wobei nicht jeder handelsbilanziell ausgewiesene Gewinn auch ein Gewinn im ökonomischen Sinn ist, wie das Beispiel der Abschreibung von Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungswert oder anderer kalkulatorischer Kosten zeigt. 3. Die Manager sind es ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schuldig, und zwar unter zwei Aspekten: – Die Frage der möglichen Auswirkungen der europäischen Integration auf die Sozialleistungsunternehmen ist von diesen bisher kaum beachtet worden. Während sich beispielsweise die Industrieunternehmen, unterstützt durch ihre Fachverbände, bereits seit mehreren Jahren auf diese Frage vorbereiten, Modellstudien entwickeln, Mitarbeiter schulen, Beschaffungsund Absatzmarktanalysen betreiben und geeignete Controllingsysteme schaffen, wird seitens der Sozialleistungsunternehmen kaum Vorsorge getroffen. Dennoch ist der rechtlich weitgehend gesicherte „bundesdeutsche Markt sozialer Hilfen“ zumindest in Teilbereichen zukünftig ein nahezu ideales wirtschaftliches Betätigungsfeld für ausländische Anbieter. Zu denken ist hierbei an Kranken-, Alten- und Jugendhilfe. Nach der hier vertretenen Ansicht sind aber auf die Zukunft ausgerichtete Planungs- und Steuerungsinstrumente – also Controllingsysteme – wesentliche Voraussetzungen für eine Sicherung ethischer Werte gegenüber rein ökonomischen Zielsetzungen und damit auch Voraussetzung zur Erhaltung der Arbeitsplätze engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. – Weiterhin werden Mitarbeiter durch fehlende Rückkoppelungen mit Hilfe von Controllingsystemen um für die Arbeitsmotivation notwendige Erfolgserlebnisse gebracht bzw. durch intelligente Informationssysteme zur Übernahme von Entscheidungsverantwortung ermutigt. Besonders der letzte Punkt verdient im Hinblick auf die zielorientierte Kompetenzdelegation und damit die Einbindung von Mitarbeitern und deren fachlichem Know-how in Entscheidungsprozesse besondere Beachtung. Im Rahmen der Einführung/Installation von Controllingsystemen stellt sich auf der Managementebene die Frage des Innovationsmanagements und in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage nach den Trägern des Innovationsprozesses. Zur Darstellung des Problemes soll auf das Promotoren-Modell zurückgegriffen werden, da dieses wesentliche Einführungs- und Akzeptanzprobleme erklären hilft. Hauschildt unterscheidet in seinem Grundkonzept drei Promotoren146: 1. Den Fachpromotor. Er ist der Träger des objektspezifischen Wissens, der vor allem technologisch die neue Materie beherrscht. In Sozialleistungs146

Vgl. Hauschildt (1991), S. 227.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

unternehmen ist er angesiedelt in den Verwaltungsabteilungen und im Rechnungswesen. 2. Den Machtpromotor. Dieser Promotor verfügt über die Ressourcen finanzieller und personeller Art, um den Entscheidungs- und Durchsetzungsprozeß für ein Controllingsystem zu ermöglichen. Er gibt hierfür die Mittel frei, kennt die Gesamtstrategie des Unternehmens – hoffentlich mit einer langfristigen Perspektive –, kann Entscheidungen fällen und seine Zusagen einhalten, die Opposition blockieren sowie konkurrierende Projekte zurückstellen. Im allgemeinen sind die Machtpromotoren in den Unternehmen hierarchisch in der Leitung zu finden, sehr häufig sogar auf eine einzelne Person konzentriert. 3. Den Prozeßpromotor. Für die Installation von Controllingsystemen als Innovation ist allerdings nicht der Machtpromotor, sondern der Prozeßpromotor als wichtigste Person oder Personengruppe anzusehen. Der Prozeßpromotor verfügt über Organisationskenntnisse, er ist in der Lage, die Sprache der innovativen Technik in die Sprache zu übersetzen, die traditionell gesprochen wird. Er wirbt für das neue System und setzt es mit Hilfe eines Aktionsplanes um, kann die betroffenen Mitarbeiter individuell ansprechen und von dem neuen System überzeugen. Bereits mit der Skizzierung des Prozeßpromotors wird aber deutlich, worin über die oben beschriebenen Voraussetzungen hinaus weitere Einführungs- und Akzeptanzprobleme von Controllingsystemen in Sozialleistungsunternehmen begründet sind. Die im sozialen, speziell konfessionellen Raum geprägte Sprache und die Sprache der Ökonomie liegen – man möchte sagen: noch immer – weit auseinander, und die Handlungs- und Denkansätze der sozialen Arbeit wie auch der Ökonomie sind mit gegenseitigen Vorurteilen belastet. Das Handeln als Prozeßpromotor setzt also bei der Einführung von Controllingsystemen voraus, daß zumindest eine hinreichend große Personenmehrheit besteht, die beide Sprachen beherrscht bzw. bereit ist, die jeweils andere Sprache vorurteilslos zu lernen und damit überhaupt Innovationen gegenüber aufgeschlossen ist. Die Verfasser hoffen, daß diese Veröffentlichung einen Beitrag dazu leistet.

II. Ansätze operativen Controllings 1. Kosten- und Leistungsrechnung, Betriebsergebnisrechnung, Deckungsbeitragsrechnung147 Mindestgrundlage des Rechnungswesens für alle Sozialleistungsunternehmen – unabhängig von Größe und Rechtsform – ist nach Auffassung der Verfasser ein zu testierender handelsbilanzieller Jahresabschluß. Die folgenden Überlegungen insbesondere in den Kapiteln 2.1 bis 2.4 setzen dieses Zahlenwerk als

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Basisinformation vergangenheitsbezogenen, externen Rechnungswesens ebenso voraus wie die Grundkenntnisse in doppelter Buchführung mit dem Grundverständnis von Gewinn- und Verlustrechnung (G + V) sowie Bilanz. Der handelsbilanzielle Jahresabschluß ist allerdings im Hinblick auf eine rechnungswesenorientierte Zukunftssteuerung von Sozialleistungsunternehmen völlig unzureichend. Vier wesentliche Gründe sind hierfür zu nennen: 1. Als kodifiziertes Werk des Rechnungswesens für den externen Leser und Beurteiler als Zielgruppe basiert er auf reglementierten Mindestinformationen, die – abgesehen von branchenspezifischen Sonderregelungen z. B. für Banken und Versicherungen – für alle Dienstleister – ohne Unterscheidung ihrer großen spezifischen Besonderheiten – gleich sind und zwar auch ohne Unterschied, ob erwerbswirtschaftlich oder gemeinnützig. 2. Alle Zahlen sind grundsätzlich – mit Ausnahme der Rückstellungsbildung – vergangenheitsbezogen. Controlling ist aber ein zukunftsbezogener Ansatz, der das Unternehmen durch Steuern und Nachsteuern „auf Kurs halten“ soll. 3. Das handelsbilanzielle Vorsichtsprinzip eröffnet einen erheblichen Ermessensspielraum – zumal die konfessionellen Sozialleistungsunternehmen als gemeinnützige Unternehmen, die keine Steuerbilanz erstellen, auch keine steuerlich einschränkenden Bewertungsprinzipien z. B. bei den Rückstellungen beachten müssen. Der Bewertungsspielraum ist handelsbilanziell grundsätzlich weiter gesteckt als der Rahmen, der sich aus dem steuerlichen Recht „vergleichbarer Besteuerungen“ ergibt. Die Folge ist, daß z. B. mit dem Vorsichtsprinzip in „guten Zeiten“ gebildete stille Reserven z. B. über Rücklagen und/oder Bewertungen der Wirtschaftsgüter und Forderungen, in „schlechten Zeiten“ auch „still“ aufgelöst werden. Typisch für wirtschaftliche Schieflagen und häufig zur Überraschung der Ehrenamtler in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen sind im Insolvenzfall bereits vorher alle Reserven aufgelöst worden. 4. In dem buchhalterischen Jahresabschluß wird mit Aufwand- und Ertragsgrößen gerechnet, während in der Basisrechnung des Controllings – der Kostenund Leistungsrechnung – mit Kosten und Umsatzerlösen gerechnet wird. Damit ist zum einen die Abgrenzung im Hinblick auf Zahlen der betrieblichen Leistungserstellung = Kostenrechnung sowie zum anderen die Berücksichtigung von Opportunitätsgesichtspunkten als wohl dem wichtigsten betriebswirtschaftlichen Bewertungsprinzip = kalkulatorischen Kosten zum Steuerungsprinzip erhoben.

147 Vgl. zur Kosten- und Leistungsrechnung u. a.: Huch/Behme/Ohlendorf, S. 3 ff; Jórasz, S. 53 ff; Olfert (2003/2); Reichmann (1995), S. 25 ff, S. 185 ff; derselbe (2006), S. 109 ff; Schweitzer/Küpper.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Die Kosten- und Leistungsrechnung als Teil des internen Rechnungswesens ist wesentlicher Teil eines Controllingsystemes. Ohne eine Kosten- und Leistungsrechnung ist die Umsetzung operativen Controllings nicht möglich. Die folgende Darstellung soll den Zusammenhang zum Controlling aufzeigen, wobei vom Leser einschlägige Kenntnisse der Kosten- und Leistungsrechnung sowohl auf Ist- als auch Plankostenbasis und der Formen der Deckungsbeitragsrechnung vorausgesetzt werden. Das Formalziel der Kostenrechnung als im Sinne des Controllings entscheidungsorientierter Zukunftsrechnung ist die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung – also die Überwachung der Zweck/Mittelrelationen. Hieraus leitet sich als Grundprinzip der Kostenzurechnung das Verursachungsprinzip ab. Als Kosten werden definiert der bewertete Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen zur Erstellung der betrieblichen Leistung und zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft. Zur Umsetzung des Formalziels Wirtschaftlichkeit unter Beachtung des Verursachungsprinzips wird die Kostenrechnung in drei Teile gegliedert: 1. Kostenartenrechnung 2. Kostenstellenrechnung 3. Kostenträgerrechnung. Folgende für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen zu beachtende Aspekte sind auf Grund der praktischen Erfahrungen der Verfasser bei der Einführung und Anwendung der Kosten- und Leistungsrechnung zu beachten: Zu 1.: Kostenartenrechnung Aufgabe der Kostenartenrechnung ist die Sammlung und Ordnung der Kosten unter Berücksichtigung ggf. der Besonderheiten konfessioneller Sozialleistungsunternehmen im Hinblick auf Entgeltverhandlungen für die unterschiedlichen Dienstleistungsbereiche in sozialen Bereichen. Die Ordnung der Kostenarten richtet sich damit zum einen nach diesen Grundlagen der Entgeltverhandlungen, wobei die immer noch vorhandenen Einflüsse kameralistischer Aspekte und die völlig inkonsequente Umsetzung bei der Abkehr der Kostenerstattung zu marktorientierten Entgeltsystemen für jeden Hilfebereich spezifische Gliederungen erfordern, die parallel zu regelmäßigen Gesetzesnovellierungen148 dann erneute Anpassungen der Kostenartengliederung bewirken. Ein derartiger Wandel erschwert eine Wirtschaftlichkeitskon148 Alle drei bis fünf Jahre wurde in der Vergangenheit die Sozialgesetzgebung geändert; eine Umstellung der Grundlagen der Kostenartenrechnung im gleichen Rhythmus ist dagegen betriebswirtschaftlich sehr problematisch.

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trolle der Sozialleistungserstellungsprozesse erheblich. Daher sollen darüber hinaus die weiteren Gliederungsgesichtspunkte beachtet werden: 1. Trennung der Kostenarten in fixe und variable Bestandteile. Hierdurch wird die Deckungsbeitragssteuerung des Unternehmens ermöglicht, die hier als ein wesentliches Controllinginstrument angesehen wird. 2. Erfassung der aufwandsgleichen Kosten der Buchhaltung und Einführung der kalkulatorischen Kostenarten Zinsen und kalkulatorische Abschreibungen. Die Höhe der kalkulatorischen Zinsen – ggf. aufgeteilt auf einzelne Leistungsbereiche des Unternehmens – ergibt sich aus der Ermittlung des betriebsnotwendigen Kapitals149 multipliziert mit dem kalkulatorischen Zinssatz150. Durch die Einführung der kalkulatorischen Zinsen wird auch das Eigenkapital konfessioneller Sozialleistungsunternehmen nach Opportunitätsgesichtspunkten bewertet, zunächst unabhängig davon, ob dieses bei Entgelten durchsetzbar ist. Auf jeden Fall muß und würde ein erwerbswirtschaftlicher Mitbewerber dieses verlangen, da für ihn die Alternative der Geldanlange am Kapitalmarkt bei Schließung seines „Geschäftes“ opportun ist. Die erwerbswirtschaftlichen Kapitalgeber verzichten also grundsätzlich nicht auf eine marktgerechte Verzinsung bei einer Anlage in einem Sozialleistungsunternehmen. Verzichtet ein konfessionelles Unternehmen in seinen Entgelten auf eine Verzinsung seines Eigenkapitals, ist dies als ein ökonomisch anzurechnender „Eigenbeitrag“ zu werten. Dieser Gesichtspunkt hat allerdings bisher weitgehend ebenso wenig Berücksichtigung gefunden wie die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen auf Wiederbeschaffungsbasis. Abschreibungen dienen der Erfassung des Substanzverzehrs beim abnutzbaren Anlagevermögen und – durch Kumulation – der Refinanzierung der Wirtschaftsgüter. Wertmäßig größter Teil sind hierbei für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen bei allen stationären Systemen einschließlich Krankenhäusern die Gebäude. Die kumulierten Abschreibungen sollen neben kalkulatorischen Reparaturkosten der Substanzerhaltung und Substanzerneuerung am Ende der Gebäudenutzungsdauer dienen. Bei der Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungsraten, die ja ebenso wie die o. g. Zinsen über die Entgelte zu verdienen sind – soweit die Existenz des Sozialleistungsunternehmens nicht gefährdet werden soll –, ist zu beachten, daß auch die Nutzungsdauern der Gebäude auf Grund der Veränderungen der Hilfeprozesse und der Veränderungen der Angebotsstandorte deutlich unter den staatlich verordneten Entgeltrahmenbedingungen der AfA-Tabellen liegen.

149 Betriebsnotwendiges Anlagevermögen + betriebsnotwendiges Umlaufvermögen – Abzugskapital = betriebsnotwendiges Kapital. 150 Zur Festlegung der kalkulatorischen Zinsen vgl. Abschnitt 5, Kapitel II.4.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Auch nicht durchgesetzte und in Entgelten verdiente Abschreibungen sind – soweit darauf verzichtet wird – der „politische (wirtschaftliche) Eigenbeitrag“ konfessioneller Sozialleistungsunternehmen. Hierbei ist zu beachten, daß allerdings am Ende das Unternehmen ceteris paribus auch zu schließen wäre, da die kumulierten Refinanzierungsmittel nicht verdient wurden. Die Erfahrungen der Verfasser zeigen, daß die Darstellung der Unterdeckung kalkulatorischer Zinsen und Abschreibungen und deren Auswirkungen auf die Betriebsergebnisse konfessioneller Sozialleistungsunternehmen – „die Wirtschaftsdaten rutschen regelmäßig in den negativen/roten Bereich ab“ – zu neuen Anstrengungen der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit führen. „Man rechnet sich nicht mehr reich“, sondern stellt die wirtschaftliche Realität dar. Die controlling-induzierten Nachsteuerungsprozesse führen zu „härteren“ Entgeltverhandlungen, zu wirtschaftlicherem Handeln und zu einer offensiven Eigendarstellung des wirtschaftlichen Eigenbeitrags zu Gunsten der Allgemeinheit. Die Erfassung der aufwandsgleichen Kosten erfolgt zum einen durch die Zuordnung der Eingangsrechnungen in der Buchhaltung, wobei aus Gründen der Wirtschaftlichkeit jeder Beleg in einem Arbeitsgang für Zwecke der Buchhaltung und für Zwecke der Kostenrechnung zu verarbeiten ist. Zum anderen erfolgt die Kostenerfassung durch ein zu installierendes Betriebsdatenerfassungssystem (BDE-System). Im Rahmen dieses Systems sind im Schwerpunkt die geleisteten Personalstunden pro Dienstleistungsart – in der Kostenrechnung wird die Kalkulationseinheit mit dem Begriff Kostenträger151 umschrieben – zu erfassen und mit Planstundensätzen zu bewerten. Materialkosten besitzen für Sozialleistungsunternehmen eine eher untergeordnete Bedeutung. Beispielhaft handelt es sich um Pflegematerialien, Lebensmittel, Energie für Gebäude, Kraftstoffe für KFZ usw. Auch hier ist aus Gründen der schnellen Informationsauswertung und Wirtschaftlichkeit der mit Hilfe des BDE-Systemes erfaßten Mengenverbräuche eine Bewertung mit Planpreisen vorzunehmen. Dem Hang zu einer möglichst detaillierten Aufgliederung/Erfassung von Kosten – stark gefördert durch die Möglichkeiten moderner Informationstechnologiesysteme (IT-Systeme) – stehen Überlegungen der wirtschaftlichen Informationsverarbeitung entgegen. Hierbei sollten die Grundregeln der controllinginduzierten Informationsverarbeitung beachtet werden, durch den sich der Informationsumfang und die Detaillierung von Informationen im Einzelfall durch Hinterfragen ableiten läßt:

151 Im sozialen Bereich wird als „Kostenträger“ i. d. R. die Institution, z. B. die öffentliche Hand oder Versicherung bezeichnet, die die Kosten für den Hilfesuchenden übernimmt. Beide identischen Begriffe besitzen damit eine völlig unterschiedliche Bedeutung.

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• dem einzelnen Entscheidungsträger sind solche Informationen zu liefern, die durch sein Handeln beeinflußt werden; • sie müssen relevant für seine Entscheidungen und zu lösenden Probleme und dann auch dafür jeweils entsprechend aufbereitet sein; • sie müssen die Zielerreichung des Entscheidungsträgers fördern. Hiernach sind nicht hilfreich Systeme mit Informationshierarchien – der Vorstand bekommt alle Informationen oder, ohne Hierarchie, alle können alles einsehen. Nach den Erfahrungen der Verfasser stehen heute in den Unternehmen eher zu viel Informationen als zu wenig zur Verfügung; die Folgen sind, daß Wesentliches nicht wahrgenommen wird. Die Planwerte z. B. Planstundensätze lassen sich für die Sozialleistungsunternehmen überwiegend aus normalisierten Vergangenheitswerten ableiten und periodenweise abgrenzen und als Block in den Betriebsergebnisrechnungen verrechnen. Denkbar ist, in Einzelfällen und bei mehrjährig funktionierenden Controllingsystemen von den Normalkosten abzuweichen und zu „echten“ Planwerten zu kommen. Hierauf wird an späterer Stelle im Rahmen der Kostenstellen/Budget resp. Betriebsergebnisrechnung noch eingegangen. Die erfaßten und systematisch geordneten Kostenarten sind – möglichst direkt, d. h. ohne Schlußrechnung – als Einzelkosten auf die 1. Kostenstellen für die Leistungsverrechnung und/oder in die 2. Budgets als Ausdruck zielbezogener Kostenstellensteuerung und/oder in die 3. Deckungsbeitragssteuerung als kurzfristige Ergebnissteuerung und/oder in die 4. Betriebsergebnisrechnung als Unterlage für einen Profit-Center-ControllingAnsatz weiterzuverrechnen. An dieser Stelle machen sich ganz deutlich die Vorteile der heutigen Informationstechnologie(IT)-Struktur bemerkbar: Der Erfassungsaufwand bzw. Generierungsaufwand von Kostenarten und deren Systematisierung insbesondere auch im Hinblick auf fixe und variable Kosten ist gemessen an dem Auswertungsaufwand für die zielorientierte Steuerung erheblich höher oder anders ausgedrückt: Die heutige IT-Struktur erzwingt bei dem relativ hohen Erfassungsaufwand eine vielfältige Auswertung im Hinblick auf die Unternehmenssteuerung. Darüber hinaus erlaubt die heutige IT-Struktur einen online-Zugriff auf die Kostenartenentstehung durch den jeweiligen Entscheidungsträger. Z. B. ist in komplexen und größeren Sozialleistungsunternehmen für Budget-Halter von hoher Bedeutung, daß sie Budgetveränderungen im Hinblick auf nicht von ihnen zu verantwortende Budgetveränderungen überprüfen können. Der Budgethalter hat – wenn er die Steuerung über Budgets ernst nehmen will und soll – ein hohes Interesse zu erkennen, daß Kostenveränderungen von ihm, also durch seine Entscheidungen induziert wurden und nicht etwa durch fehlerhafte Belegzu-

178

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

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rechnungen entstanden oder gar von anderer Stelle durch aufgeschlüsselte Gemeinkosten entstanden sind: Die Nachprüfbarkeit schafft Vertrauen.

direkte Verrechnung in Budgets

direkte Verrechnung in der Betriebsergebnisrechnung (BER)

Kostenträger

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Fixkostenblöcke aus Budgets

DB-Deckungsbeitrags-Steuerung als kurzfristige Erfolgsrechnung

Abb. 5-2: Informationsströme des Rechnungswesens

Als ein Gliederungspunkt innerhalb der Kostenartenrechnung wurde die Trennung in fixe und variable Kosten angesprochen. Variable Kosten sind die Kosten, deren Höhe direkt von der Beschäftigung oder zum besseren Verständnis –

Abschn. 5: Controlling

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Auslastung, Heimplatzbelegung, Terminauslastung, Kapazitätsauslastung – des jeweiligen Leistungsangebotes des Sozialleistungsunternehmens abhängig sind. Fixe Kosten sind definitionsgemäß kurzfristig unabhängig von der jeweiligen aktuellen Beschäftigung. Fixe Kosten sind aber nicht unabänderlich, denn auch ihre Entstehung resultiert aus unternehmerischen Entscheidungen. So sind z. B. Abschreibungen das Ergebnis von Bauentscheidungen, Verwaltungsfixkosten das Ergebnis von Einstellungsentscheidungen. Insofern gilt natürlich: 1. langfristig sind alle Kosten variabel und 2. ungedeckte Kosten erfordern einen Abbau derselben, denn 3. langfristig muß ein Unternehmen alle Kosten decken. Da bei einem Dienstleistungsunternehmen die „klassischen“ variablen Kosten wie Material und Energie eine deutlich untergeordnete Bedeutung besitzen, sind hier – vergleichbar dem produzierenden Industriebetrieb – beim Personal ähnliche Überlegungen anzustellen und zu begründen: In der Industrie wird das direkt mit der Produktion beschäftigte Personal als variabel definiert, da dieses bei Nichtbeschäftigung durch flexible Arbeitszeitmodelle und/oder Produktionsalternativen sofort anderweitig eingesetzt wird; „niemand steht beschäftigungslos rum“. Ähnliche Überlegungen sind für Dienstleister beim Beratungs- und Pflegepersonal anzustellen und, ausgehend von den in Entgelten vereinbarten Mindestpersonalschlüsseln, die Mitarbeiter bei Nichtauslastung der Kapazitäten sofort anderweitig einzusetzen und/oder mit flexiblen Arbeitszeitmodellen nicht zu beschäftigen und/oder die Überhänge auch kostenmäßig auszuweiten, um den Anpassungsdruck durch Personalkostenreduzierung und/oder Auslastungsverbesserungen zu erhöhen. Auf die mit Hilfe variabler Kosten zu installierende Deckungsbeitragssteuerung und deren Philosophie als kurzfristige Unternehmenssteuerung wird unten noch näher eingegangen. Exkurs: Erfassung der erbrachten Leistung Im Rahmen der Erfassungsrechnungen ist das Betriebsdatenerfassungssystem (BDE-System) so zu installieren, daß auch unabhängig von der Rechnungsstellung alle erbrachten Leistungen und berechenbaren Entgeltleistungen – z. B. Bettenbelegungen, ausgegebene Essen, medizinische Leistungen usw. – pro Leistungsart und die Leistung anbietende Abteilung/Profit-Center erfaßt und dem Erbringer zugerechnet werden. Eine derartige Erfassung ist die weitere Voraussetzung der Installation einer Deckungsbeitragssteuerung. Hierbei werden in der Praxis die erbrachten „Mengen“ erfaßt und mit Hilfe der Informationsverarbeitungssysteme (IT-Systeme) einzeln mit Planpreisen bewertet und somit aus dem Produkt Menge x Preis die Erlöse generiert. Grundsätzlich bedeutet die BDEErfassung z. B. in Heimangeboten der Altenhilfe, der Behindertenhilfe keine zusätzliche Installation von Erfassungssystemen, da die Pflegedokumentation vergleichbare Leistungserfassungen bereits erfordert.

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Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Zu 2.: Kostenstellenrechnung Ziele der Kostenstellenrechnung sind: 1. Die Verrechnung von Gemeinkosten, also der Kosten, die gemeinsam für mehrere Teilleistungen des Unternehmens angefallen und folglich verursachungsgerecht mit Hilfe der Kostenstellenrechnung auf die Leistungen aufzuteilen sind; 2. Die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit von Kostenstellen, z. B. im Rahmen der Budgetrechnungen; 3. Die Schaffung der Voraussetzungen von Profit-Center-Rechnungen. Zu 1.: Verrechnung von Gemeinkosten Das Begriffstypische von Einzelkosten ist, daß diese direkt den jeweiligen Kostenträgern152 zuzurechnen sind und damit auch offensichtlich jeweils unmittelbar dem Verursachungsprinzip entsprochen wird. Der Umfang an Einzelkosten hängt damit grundsätzlich von der Art der Unternehmensorganisation ab, wobei tendenziell dezentrale Leitungs- und Organisationsstrukturen einen höheren Grat an Einzelkosten aufweisen als zentrale Strukturen. Typische Gemeinkosten von Sozialleistungsunternehmen sind die Kosten zentraler Verwaltungen (Einkauf, Rechnungswesen, Personalwesen, zentrale Dienstleistungen wie Versorgung und Reparaturen, Unternehmensleitung etc.) und die Kosten von sog. Verrechnungskostenstellen wie z. B. Raumkostenstellen. Bei dieser Art von Gemeinkosten ist neben der verursachungsgerechten Aufschlüsselung der Gemeinkosten ein weiteres Problem zu lösen: Oben genannte Beispiele von sog. Hilfskostenstellen sind zum einen an der Leistungserstellung nicht direkt, sondern mittelbar beteiligt, und zwischen ihnen bestehen eine Reihe wechselseitiger Leistungsverflechtungen. So erstellt die Buchhaltung 1. keine Pflegeleistung, sondern generiert systemimmanente Buchhaltungsinformationen für die Finalleistung der sogenannten Hauptkostenstellen, auf denen z. B. die Pflege erfolgt, und 2. bestehen z. B. zwischen Buchhaltung und Reparaturabteilungen wechselseitige Leistungsbeziehungen. Die betriebswirtschaftliche Kostenrechnungslehre bietet zur Lösung dieser Probleme zahlreiche Verfahren der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung mit unterschiedlicher „Genauigkeit“ aber auch Praktikabilität im Hinblick auf die Schnelligkeit der verfügbaren Entscheidungs- und Steuerungsdaten an.153 Die 152 Der Fall eines Einproduktunternehmens ist für Sozialleistungsunternehmen typischerweise nicht gegeben, z. B. besitzt ein Altenheim grundsätzlich mehrere Pflegestufen, die unterschiedlich zu kalkulieren sind. 153 Vgl. z. B. Schweitzer/Küpper, S. 139 ff; Wöhe/Döring, S. 1101 ff.

Abschn. 5: Controlling

181

hier vorgeschlagene Problemlösung wird im Anschluß an die Überlegungen zu Punkt 2. und 3. dargestellt. Zu 2.: Kontrolle der Wirtschaftlichkeit Die sog. Kostenstelle ist organisatorisch die Abteilung, in der eine Leistung erstellt wird und für die Leitungsverantwortliche definiert sind, die die Kosten bewirkenden Entscheidungen fällen. Die Konsequenz ist, daß zumindest in der Ist-Rechnung die in der Kostenartenrechnung erfaßten Kosten den sog. Kostenstellen zuzurechnen und durch die Verantwortlichen zu überwachen sind, wobei das Plan-Ist-System der Budgetierung, wie es im folgenden Kapitel 2.2 dargestellt wird, ein geeignetes Instrument auch für Sozialleistungsunternehmen ist. Zu 3.: Profit-Center-Rechnungen Beim Profit-Center-Ansatz wird davon ausgegangen, daß Mitarbeiter den Wunsch haben, den Erfolgsbeitrag ihrer Abteilung pro Zeiteinheit zu erkennen. Ausgehend von diesem Wunsch ist er konsequenterweise für die erfolgreiche Steuerung des Unternehmens im Rahmen von Zielvereinbarungen zu planen und z. B. quartalsweise zu kontrollieren, damit bei Abweichungen entsprechend gegengesteuert werden kann. Praktisch geschieht dies in dem Kennzahlensystem der Betriebsergebnisrechnung, wie sie beispielhaft in Abb. 5-3 dargestellt ist. Konsequent zu Ende gedacht ist die Profit-Center-Rechnung eine Fortentwicklung der Budget-Rechnung; sie bewirkt allerdings einen erheblichen Motivationsschub bei den verantwortlichen Mitarbeitern, der zu einem durchaus gewünschten Wettbewerb ihrer Erfolgsbeiträge zum Ganzen führt. Für die Schaffung von Profit-Centern sind die Erlöse aufzuteilen. Bewährt hat sich hierbei eine zweistufige Vorgehensweise, zumal der folgende Weg die sog. Zurechnungsproblematik154 konsequent berücksichtigt. Den sogenannten Hauptkostenstellen, als unmittelbare Leistungserbringer, sind die abzurechnenden Leistungen – also „Menge  Preis“ – als Umsatzerlöse direkt zuzurechnen. Diesen gegenübergestellt werden die Einzelkosten der Kostenstellen, die durch die Zuordnung der jeweils tätigen Mitarbeiter, der Zuordnung von Anlagevermögen usw. ermittelt sind. 154 Das Zurechnungsproblem besteht darin, daß die erwirtschafteten Erlöse eines Unternehmens nicht verursachungsgerecht auf einzelne beteiligte Einheiten z. B. Kostenstellen aufgeteilt werden können. Das Zusammenwirken aller – betriebswirtschaftlich wird häufig von Produktionsfaktoren gesprochen – beteiligten Abteilungen (Kostenstellen) und den Mitarbeitern bewirkt die Gesamtleistung und den Umsatzerlös. Welcher Anteil auf welche Einheit entfällt, wird zwar häufig aufgeschlüsselt, ohne daß dies verursachungsgerecht sein muß, weil er per se nicht meßbar ist. Dieses Problem besteht auch in der Investitionsrechnung, und auch dort wird nicht die Frage beantwortet, welcher Teil erbringt den entscheidenden Umsatzbeitrag, die Pflegekraft oder der Heimleiter?

182

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Die Hilfskostenstellen sind qua Definition nicht direkt an der Erstellung der Endleistung beteiligt. Hier hat sich nun bewährt, diese ebenfalls am „Erfolg“ durch Aushandeln innerbetrieblicher Verrechnungspreise zu beteiligen, also den noch darzustellenden Budgetgedanken weiter zu entwickeln. Dies kann in folgenden Schritten umgesetzt werden: 1. Die Kosten der Hilfskostenstelle werden für die Folgeplanung, wie bei der Budgetrechnung geplant; 2. die für andere Abteilungen zu erbringenden Leistungen werden ermittelt, z. B. im Personalwesen: Einstellungen, Ruhestand, Gehaltsabrechnungen, Weiterbildungen, Entlassungen, Personalentwicklungsmaßnahmen, Versetzungen usw.; 3. das Mengengerüst für die Folgeperiode wird unter Berücksichtigung normierter Vergangenheitszahlen geschätzt; 4. die innerbetrieblichen Preise werden durch eine möglichst verursachungsgerechte Aufschlüsselung ermittelt; dort wo Marktpreise zur Verfügung stehen, z. B. bei Reparaturabteilungen, sind diese zu verwenden; 5. Leistungsumfang und Preise werden mit den empfangenden Hauptkostenstellen (Abteilungen) ausgehandelt und gehen als Umsatzerlöse in die Betriebsergebnisrechnung der Hilfskostenstellen und als Kosten in die Hauptkostenstellen ein. Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung ist damit abgeschlossen, und gleichzeitig erhalten die Hilfskostenstellen eine Betriebsergebnisrechnung. Die Verfasser konnten bei derartigen Systemen einen erheblichen Motivationsschub aller Abteilungsleiter feststellen, weil die black-box der Kostenstellenrechnung transparent wurde und der Komponente Partizipation Rechnung getragen wird: 1. Alle Abteilungen erstellen „marktfähige“ Leistungen, wobei dem Wunsch einer Nichtabnahme z. B. von Buchhaltungsleistungen155 durchaus entgegengewirkt werden kann – es sind Pflichtleistungsabnahmen, da sie ja gesetzlich vorgeschrieben sind. Aber die Kontrolle bleibt hinsichtlich des Umfanges und der Rechtfertigung wirtschaftlicher Erstellung bestehen; 2. alle Abteilungen können ihr Ergebnis durchaus steigern, indem Effizienzreserven ausgeschöpft werden, wobei gleichzeitig die Qualität ihrer Leistungen durch ihren jeweiligen Kunden überwacht wird; 3. gemessen an dem Aufwand innerbetrieblicher Leistungsverrechnungssysteme mit ihren erheblichen Akzeptanzproblemen und/oder nachträglichem Erklärungsbedarf ist ein derartiges System hoch effizient. 155 Der Sinn von „Buchhaltung“ ist ja Nichtkaufleuten häufig verschlossen. Daher würden viele gern deren Kosten einsparen!

Abschn. 5: Controlling

183

Zu 3.: Kostenträgerrechnung Die Kostenträgerrechnung – häufig auch als Kalkulation bezeichnet – soll ermitteln, wofür die Kosten entstanden sind. Es geht also um die Ermittlung der Kosten der Dienstleistungen für die Kunden der Sozialleistungsunternehmen und um die Ermittlung der Kosten innerbetrieblicher Leistungen. Damit unterscheidet sich der betriebswirtschaftliche Begriff des Kostenträgers aus der Kostenrechnung deutlich von dem im sozialen Bereich gebrauchten Begriff des „Kostenträgers“ als der Institution, die im Rahmen der Entgeltvereinbarungen die Erstellungskosten der Sozialleistungsunternehmen zu Selbstkostenpreisen nach festen Regeln übernommen hat. Für Sozialleistungsunternehmen bildet die Kostenträgerrechnung die Grundlage der Planung und Kontrolle des Periodenerfolges sowie die Ermittlung von Preisuntergrenzen bzw. der Feststellung, ob die erzielten Preise resp. Erlöse kurzfristig die variablen Kosten und langfristig alle Kosten decken. Zur Umsetzung des Controllingansatzes, also Planung, Information, Analyse und Kontrolle sowie Steuerung, im Rahmen der Kostenrechnung sind folgende Schritte erforderlich: 1. Sinnvolle Abgrenzungen des angebotenen Kostenträgers, im folgenden als Leistungseinheit (LE) bezeichnet. Grundlage ist die Leistungsbeschreibung und deren Inhalt, die mit dem Nachfrager z. B. in der Altenhilfe vereinbart und mit der Pflegekasse inhaltlich und preislich festgelegt ist. Betriebswirtschaftlich gesehen ist die Leistungsbeschreibung – auch die Definition der medizinischen Leistung im Krankenhausbereich – der verbindliche Inhalt und Umfang der Dienstleistung;156 2. Zurechnung der variablen Kosten pro Leistungseinheit; diese sind per Definition identisch mit den Einzelkosten für den Kostenträger. Hierbei handelt es sich im sozialen Bereich überwiegend um die direkten Personalkosten im o. g. Sinne, nur im geringen Umfang um Materialkosten. Die Kostenzurechnung erfolgt pro Leistungseinheit, z. B. Pflegetag einer bestimmten Pflegestufe, Beratungsstunde einer Beratungsart usw. und pro Zeitabschnitt auf Grund der erbrachten Leistungen pro Zeiteinheit. 3. Plan-Ist-Kontrolle der ermittelten Kosten bei gleichzeitiger Überprüfung durch Gegenüberstellung mit den Leistungsentgelten und ggf. zur Vorbereitung neuer Verhandlungen; 4. Zurechnung der erzielten Umsatzerlöse pro Leistungseinheit und pro Zeitabschnitt auf Grund der erbrachten Leistungseinheiten; 156 Innerhalb des Abschnittes Marketing ist dies der beschriebene materielle Teil der Dienstleistung, der als Markendienstleistung ausgelobt und eingefordert werden kann.

184

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

5. Reporting der aus variablen Kosten und Umsatzerlösen ermittelten Dekkungsbeiträge als kurzfristige Erfolge, wobei die Verfasser mit einer wöchentlichen DB-Steuerung gute Erfahrungen gemacht haben, soweit diese dann definierten Entscheidungsträgern zugerechnet werden und regelmäßig mit den Unternehmensleitungen in der Folgewoche besprochen werden; 6. Zurechnung der variablen und fixen Gemeinkosten und Darstellung des Betriebsergebnisses, wobei hier auf Grund des größeren Zurechnungsaufwandes eine quartalsweise Berichterstattung ausreichend erscheint. Abteilung/Bereich: Altenhilfe

43. KW [t EUR]

Wöchentlicher Deckungsbeitrag 2007 Umsatz

Umsatz

Personalkosten157

DB

DB

KW

VJ

2007 Plan

2007 Ist

2007 Plan

2007 Ist

2007 Plan

2007 Ist

KW Ist

31

622

621

606

370

358

251

248

7

32    50

643

641

626

382

370

259

256

8

1.001

1.005

599

406

Abb. 5-3: Beispiel eines Deckungsbeitragsreportings

2. Budgetierung158 Ziel der Budgetierung als Ansatz operativen Controllings ist es, mit den Entscheidungsträgern Plangrößen für einzelne – insbesondere fixe und variable – Gemeinkosten zu vereinbaren, die regelmäßig controlled werden. Controlling bedeutet hier wiederum: Information über den aktuellen Ist-Stand und Hochrechnung im Hinblick auf das Planziel der Abrechnungsperiode. Budgets bestehen in dem hier dargestellten Controllingsystem für Sozialleistungsunternehmen neben der vorangegangenen DB-Steuerung und BER-Steuerung mit dem Hauptaugenmerk auf fixen und variablen Periodengemeinkosten, wobei die Zielsetzung die Einhaltung des geplanten und vereinbarten Kostenrahmens bis 157 Soweit Materialkosten als Kosten von Relevanz sind, z. B. im Küchenbereich, ist dort eine weitere variable Kostenspalte Material Plan + Ist einzufügen. 158 Vgl. hierzu u. a.: Korte (1995/1), S. 74 ff; derselbe (1992); Küpper, S. 336 ff; Weber (2005), S. 217 ff; Ziegenbein, S. 446 ff.

Abschn. 5: Controlling

185

Betriebsergebnisrechnung per Halbjahr 2007 Bereich: Behindertenhilfe Plan 2007 [TA]

Ist 30.06.2007

Hochrechnung 31.12.2007

Umsatz Materialeinsatz

4.045 –416

1.964 –208

3.970 –411

Deckungsbeitrag I Personalkosten Lohnkostenzuschüsse

3.629 2.495 200

1.756 1.181 87

3.559 2.395 180

Deckungsbeitrag II Energie + Wasser Verwaltungskosten Marketingkosten Steuern/Versicherung Mieten Instandhaltungen Kalk. Abschreibungen Kalk. Zinsen Leistungsverrechnung auf Preisbasis

1.334 8 47 5 24 11 100 260 252

662 4 25 2 13 4 46 129 126

1.344 8 46 4 24 11 100 260 252

605

295

580

Gesamtkosten Betriebsergebnis

1.312 22

644 18

1.285 59

Abb. 5-4: Beispiel eines Betriebsergebnis (BER) Reporting

zum Periodenende – meist das Ende des Kalenderjahres – ist. Diese Zielvereinbarung ist bei delegativem Führungsstil – und dieser Zielsetzung sollten Budgets dienen, obwohl sie häufig als reglementierende und deckelnde Instrumente mißbraucht werden – wesentliche Voraussetzung für Akzeptanz und Vertrauensförderung durch Budgets. Wenn also ein Budgethalter alle Budgetausgaben zu Beginn einer Planperiode tätigt, ist dies im Sinne der Zielvereinbarung ebenso zulässig wie die Ausgabe am Ende der Periode. Allein die Frage, welche Form der Ausgabe dem Formalziel der größeren Wirtschaftlichkeit entspricht, sollte Grundlage der Beurteilung sein. Für einige Budgets bietet sich daher auch die Übertragbarkeit von Budgetpositionen auf Folgeperioden an, wenn dies aus Wirtschaftlichkeitsgründen bzw.

186

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Marketinggesichtspunkten opportun ist. Z. B. ist denkbar, daß bestimmte Anschaffungen von Heimausstattungen als Gesamtauftrag in einem Jahr angeschafft werden, obwohl der Periodenansatz überschritten wird und obwohl Großmengen nicht besser rabattiert sind, sondern z. B. allein die Funktionalität der Heimausstattung verbessert wird. Wer möchte z. B. seinen Aufenthaltsraum mit unterschiedlichen Möbeln ausstatten, wenn in zwei Jahren kumuliert eine Gesamtausstattung möglich ist? In der Literatur werden diverse Techniken der Budgetierung systematisiert. Bewährt für Sozialleistungsunternehmen mit ihren eingeschränkten funktionalen Abhängigkeiten von Faktorverbrauch und Faktorergebnis haben sich: 1. Normalisierungsbudget durch Fortschreibungen, 2. Planungsansätze der Kostenplanung, 3. Modifizierung von ZERO-BASE-Budgetierung. Zu 1.: Fortschreibungsbudgets ohne Normalisierung bergen die Tendenz ständiger Kostensteigerungen ohne Mengensteigerungsbegründung und ohne Rationalisierungsvorgaben, abgeleitet aus dem Gedanken von Lernkurven.159 Besonders problematisch ist es, wenn dann außerdem eine Nichtausschöpfung von Budgetpositionen im lfd. Jahr zu Planreduktionen im Folgejahr führt. Das aus öffentlichen Verwaltungen bekannte Phänomen des „Novemberfiebers“ ist die Folge.160 Fortschreibungsbudgets sind zu normalisieren, d. h. aperiodisch angefallene Ausgaben sind abzuziehen und aperiodisch geplante Ausgaben hinzuzurechnen, so daß die Fortschreibung normalisiert wie folgt, z. B. für Instandhaltungen, lautet: 1.

Hochgerechnete Instandhaltungskosten per 31.12. des lfd. Jahres

2. – Einmalige Instandhaltungen lfd. Jahr 3. = Zwischensumme „Normal-Instandhaltungen“ 4. – Pauschaler Rationalisierungsabschlag wegen z. B. Modernisierungsinvestitionen 5. = Zwischensumme Planvorgaben ohne einmalige Instandhaltungen Folgejahr 6. + Geplante einmalige Instandhaltungen Folgejahr 7. = Planvorgaben Folgejahr 159

Vgl. Ziegenbein, S. 229 ff; vgl. auch Abschnitt 5, Kapitel III. Man gibt im November schnell die Haushaltsreste aus, um im nächsten Jahr keine Kürzungen erwarten zu müssen. 160

Abschn. 5: Controlling

187

Zu 2.: Planungsansätze der Kostenplanung setzen entsprechende funktionale Abhängigkeit von Kosten und Leistungen voraus. Insbesondere bei neuen Leistungsangeboten sind der Faktorverbrauch – z. B. Personalstunden, benötigter Raum, benötigtes Material – mengenmäßig festzulegen, dann mit Kosten zu bewerten und als Vorgabe zu definieren. Hierbei hat es sich bewährt, 1. zwei unabhängige Planrechnungen zu erstellen und 2. diese beiden mit ähnlichen Projekten zu vergleichen, um der Planungsunsicherheit vorzubeugen. Grundsätzlich sind aber diese Probleme der Planungsunsicherheit auf Grund der Zukunftsbezogenheit vergleichbar den Risiken bei Investitionsentscheidungen. Zu 3.: Modifizierung von ZERO-BASE-Budgetierungen (ZBB)161 Bei dem Grundgedanken des ZBB als Gegensatz zum Fortschreibungsansatz werden ähnlich wie beim Planungsansatz alle Kostenvorgaben in Frage gestellt und müssen neu begründet werden. Ein sehr aufwendiges Verfahren, bei dem der Nutzen eines solchen Verfahrens nicht immer erkennbar ist. Bewährt hat sich dagegen die folgende Vorgehensweise, bei der in regelmäßigen Abständen – insbesondere wenn die Kosten zu explodieren scheinen – ein break gemacht wird, insbesondere bei bereits in der Vergangenheit angebotenen Leistungen und/oder vorhandenen Abteilungen: 1. das in der zurückliegenden Vergangenheit erfolgreichste Jahr wird herausgegriffen; 2. die einzelnen Kostenarten werden verglichen, 3. die Kostensteigerungen pro Kostenart werden verglichen, und auf einen Wert unter Null gesetzt, der sich aus der nicht erfolgten Rationalisierung ergibt; 4. hierauf aufbauend ist analytisch der Faktorverbrauch einzeln zu begründen und ggf. freizugeben; 5. die Überhänge bei allen Kosten sind mit dem Instrument der Projektplanung kurzfristig zu reduzieren, wobei dieser Prozeß mit der Trennung von „Liebgewordenem“ schmerzhaft ist. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, daß ja ein schon einmal erreichtes erfolgreiches Jahr als Beweis der Machbarkeit/Umsetzbarkeit herangezogen werden kann. Im Hinblick auf die Akzeptanz der Zielvereinbarung „Budget“ sind weitere zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

161 Vgl. hierzu u. a.: Küpper, S. 354 ff. Zur Budgetierung, zum Better Budgeting und zum Beyon Budgeting vgl. auch Weber (2005), S. 217 ff.

188

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

1. der Planvorlauf von Budgets pro z. B. Kalenderjahr verkürzt sich regelmäßig um einen Monat innerhalb des Kalenderjahres. 2. die Ausgleichbarkeit einzelner/aller Budgetpositionen ist ohne entsprechende Zielvereinbarungen grundsätzlich ausgeschlossen. Dem sich verkürzenden Planverlauf kann durch ein Rolling-Forecast begegnet werden, bei der ein abgelaufener Vergangenheitsabschnitt ausgeblendet und als neuer Zukunftsabschnitt eingeblendet wird.

t1, Q1–4

Das Budget umfaßt jeweils 4 Quartale.

t1, Q2–4 + t2, Q1 t1, Q3+4, t2, Q1+2 t1, Q4, t2, Q1–3 t2, Q1–4 usw. Zeitablauf (Quartal Q)

Abb. 5-5: Rolling Forecast

Hierbei hat sich die Umstellung nach Ablauf einer hinreichenden „Einübungszeit“ mit starren Budgets bewährt und diese quartalsweise auf Grund des höheren Planungsaufwands anzupassen. Bei der Ausgleichbarkeit sind gegensätzliche Zielsetzungen zu beachten: Der wirtschaftliche Sinn der Planung einzelner Kostenarten konfligiert mit dem Zweck, ggf. bei einzelnen Kostenarten mögliche niedrigere Ausgaben mit begründeten höheren Ausgaben anderer Kosten zu verrechnen. Hier hat sich bewährt, den delegativen Führungsstil auch als dialogorientierten Stil zu verstehen und eine Ausgleichbarkeit von Budgetpositionen grundsätzlich durch eine begründete neue Zielvereinbarung ohne Automatismus zuzulassen. Insbesondere der Fortschritt in der IT-Technologie ermöglicht es, neben einem täglich durch den Budgetverantwortlichen on-line-einsetzbaren kostenstellenbezogenen (abteilungsbezogenen) Gesamtbudget mit eindeutiger Verantwortlichkeit (vgl. Abbildung 5-6) funktionsbezogene Sonderbudgets für einzelne Unternehmensfunktionen zu erstellen. Für Sozialleistungsunternehmen sind neben der im Kapitel II.3 zu erörternden Personalkostenkontrolle folgende Sonderbud-

Abschn. 5: Controlling

189

gets im Hinblick auf wirtschaftliche und zukunftsgerichtete Unternehmensführung sinnvoll: 1. Instandhaltungsbudgets. Pro Bereich sind pro Planperiode die Instandhaltungen zu planen, die grundsätzlich auszuschöpfen sind, da insbesondere Gebäude ein glaubwürdiger Marketingfaktor sind und auch nicht mit anderen Budgetpositionen verrechnet oder auf Folgejahre übertragen werden können. Nicht durchgeführte Instandhaltungen führen in aller Regel zu höheren Kosten in Folgejahren; 2. Marketingbudgets. Allein das Vorhandensein und die Definition von Einzelmaßnahmen animiert konfessionelle Sozialleistungsunternehmen, die nicht nur im Wettbewerb stehen, sondern bei denen Kundenorientierung zu ihren ethischen Grundsätzen gehört; 3. Raumkostenbudget. Viele konfessionelle Sozialleistungsunternehmen mit ihren z. T. historischen Ortslagen betrachten ihre vorhandenen Grundstücksräume und Gebäuderäume als ubiquitäres Gut. Die Bewertung von genutztem Raum verdeutlicht die entstehenden Opportunitätskosten und zwingt zum Nachdenken über Alternativen; 4. Forschungs- und Entwicklungsbudget. Hier gilt ähnlich wie bei Marketing, daß die Implementierung eines solchen Budgets die Notwendigkeit des Handelns für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen im Rahmen der Kundenorientierung erzwingt; 5. Investitionsetat und Finanzierung desselben. Dieser Punkt wird im Kapitel II.4. erörtert. 3. Personalkostensteuerung In den Dienstleistungsbereichen Beratung, Pflege, Betreuung sowie Krankenversorgung162 der Sozialleistungsunternehmen liegt der Personalkostenanteil an den Gesamtkosten bei 70%–80%. Nicht zuletzt wegen dieser Tatsache sind die Personalkosten zusätzlich zu den Kostenrechnungs- und Budgetierungsaspekten im Rahmen des Controllingansatzes gesondert zu betrachten. Noch immer wird überwiegend versucht, der Bedeutung der Personalkosten durch das Controllinginstrument Stellenplan zu begegnen. Im Hinblick auf den Einsatz von Stellenplänen als Controllinginstrument sind folgende Probleme zu benennen:

162 Ein geringerer Personalkostenanteil an den Gesamtkosten liegt naturgemäß dort vor, wo eine große technische Ausstattung, z. B. medizinische Apparaturen und/oder Materialeinsätze, z. B. Küchenbetriebe, Teil des Leistungserstellungsprozesses ist.

190

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis Kostenbudget zum: 31.10. Bereich/Abteilung: Verantwortlicher: A

1. Personalkosten

Ist VJ.

Plan lfd. Jahr

Ist 31.10.

1.968.317 1.987.500 1.627.475

Verfügt % noch verfügbar Soll: 83 % lfd. Jahr 366.025

81,58 %

563.572

82,48 %

2. Personalnebenkosten 3. Verpflegungskosten 4. Energie-/Wasserkosten 5. Betreuungs-/Pflegekosten 6. Hauswirtschaftskosten 7. Materialkosten 8. Verwaltungssachkosten 9. Leistungsverrechnung 10. Steuer + Abgaben 11. Zinsen 12. Abschreibungen 13. Instandhaltungen 14. Gesamtkosten

3.198.917 3.216.613 2.653.041

Erläuterungen: zu den Abweichungen insbesondere im Hinblick auf hochgerechnet signifikante Über- und Unterschreitungen Abb. 5-6: Budgetbeispiel

1. Der Stellenplan ist grundsätzlich ein statisches Instrument, das unabhängig von der aktuellen Auslastungssituation die maximal zu besetzende Stellenzahl aufzeigt, ggf. „verfeinert“ nach Berufs- und/oder Einkommensgruppen pro Abteilung/Budgetbereich und dieser die tatsächliche Stellenbesetzung gegenüberstellt. In diesem Sinne ist er ein statisches Instrument, weil er Personalstellen als fixe Größen definiert und weil er für den Entscheidungsträger nur einen eingeschränkten Dispositionsspielraum hinsichtlich z. B. qualitativer mit ggf. anderen Eingruppierungen verbundener Zuordnungen ermöglicht. Eine Entscheidung „zwei Qualifiziertere statt drei weniger Qualifizierte“ bei gleichen Gesamtpersonalkosten ist bei Stellenplänen grund-

Abschn. 5: Controlling

191

sätzlich ausgeschlossen. Delegativer Führungsstil mit wirtschaftlichem Denken von Führungskräften wird auf diese Weise konterkariert. 2. Stellenpläne unterliegen grundsätzlich der Beteiligung der Mitarbeitervertretung, d. h. innerhalb der Kernkompetenz und vor allem der persönlichen Verantwortung der Leitung für das wirtschaftliche Wohlergehen und die Existenzsicherung des Unternehmens, und bei der hohen Bedeutung der Personalkosten im Sozialleistungsunternehmen greifen Beteiligungsrechte ein. Dies ist ein dauerhafter und völlig unnötiger Konfliktherd. Die Konsequenz ist, daß viele Unternehmen derartige Pläne gar nicht mehraufstellen, da sich ja ein Zwang zur Aufstellung derartiger Pläne gesetzlich nicht ergibt163. 3. Stellenpläne suggerieren Qualität, insbesondere wenn bei ihrer Erstellung Teilzeitkräfte auf fiktive Vollzeitkräfte umgerechnet werden und weiterhin nach Berufs-/Qualifikationsarten aufgeschlüsselt wird: Viel Personal = viel (hohe) Qualität. Damit ist ein Stellenplan ein Rationalisierungshemmnis, denn auch im Dienstleistungsunternehmen unterliegt der teure Faktor Personal – wie im übrigen alle anderen Produktionsfaktoren auch – einer ständigen Wirtschaftlichkeitskontrolle. Wenn in der Altenhilfe nur zu etwa 50% der Arbeitszeit kommunikative Beziehungsarbeit geleistet wird, der Rest der Arbeitszeit ökonomisch betrachtet Rüstarbeit ist, die nicht unmittelbar den Hilfesuchenden zugute kommt, dann ist genau hier nach Effizienzverbesserungen durch zumeist deutlich kostengünstigere technische Lösungen zu suchen. Dies würde dann zu einer Personalreduzierung im Stellenplan führen. Wäre dies dann eine Qualitätsminderung? Ganz eindeutig erweist sich damit die Formel „Viel Personal = hohe Qualität“ als Unsinn.164

163 Die Verfasser kennen Fälle, bei denen das satzungsmäßige Aufsichtsgremium, in dem auch Beteiligungsrechte durch Mitarbeiter wahrgenommen wurden und dem die Unternehmensleitung allein rechenschaftspflichtig ist, im Rahmen der Beratung der Wirtschaftspläne für das Folgejahr keine abschließende Beratung der Personalkosten vornehmen konnte, da ja die Stellenpläne noch nicht mit der Mitarbeitervertretung beraten wurden. Nun ist ja wohl kaum anzunehmen, daß eine Leitung zunächst mit der Mitarbeitervertretung wesentliche Kosten – nämlich Personalkosten – berät und anschließend sich mit seinen Aufsichtsgremien abstimmt. 164 Hier wirken auch die Qualitätsdefinitionen in Leistungsbeschreibungen für Entgeltvereinbarungen über Personalbereitstellung äußerst kontraproduktiv. Das Gute, was gewollt war, eine ausreichende Personalausstattung für Hilfesuchende durchzusetzen, indem Personalstellen verteidigt werden, wird zum Bumerang und schadet wirtschaftlich allen Beteiligten, da notwendiger technischer Fortschritt gehemmt wird. Warum sollte ein Unternehmen investieren, also Geld in Betriebsmittel überführen zum Nutzen der Bewohner – also ohne Kürzung der Betreuungszeiten, wenn wegen Verringerung der Personalstellen möglicherweise anschließend Entgelte gekürzt werden? Die sog. Kostenträger müßten doch nur ein Interesse daran haben, daß das Unternehmen den Standard der Betreuungszeit nicht verschlechtert bzw., was ggf. wirtschaftlich möglich ist, verbessert.

192

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Es bleibt festzuhalten, daß für die Steuerung der Personalkosten Stellenpläne ungeeignet sind. Allerdings ist es sinnvoll, kopfzahlenbezogene Personalzahlen insbesondere in Zeitreihenprozessen aufzuzeigen, um z. B. auch langfristig Rationalisierungsvorgänge nachweisen zu können. Z. B. wäre eine interessante Kennzahl die Umsatz-/Personalkopfzahlrelation, um z. B. für einen größeren Zeitraum Rationalisierungsprozesse aufzuzeigen: Der Umsatz im Zeitraum X hat sich c. p. verdoppelt, während die Kopfzahl Y nahezu konstant geblieben ist.

Weiterhin sind prozentuale Krankenstandskennzahlen pro Abteilung und die Erfassung der Veränderungen durch Vergangenheitszahlen165 wichtige Steuerungsgrößen, die Informations- und Veränderungsprozesse nach sich ziehen. Die durch Erkrankung von Personal verursachten Fehlzeitkosten, insbesondere die Opportunitätskosten, können einen erheblichen Kostenfaktor darstellen. Zur Steuerung der Personalkosten haben sich umsatzbezogene Personalkosten – Soll-Ist-Vergleiche, abgeleitet aus Plandeckungsbeiträgen pro Planperiode, bewährt. Der Deckungsbeitrag pro Periode166 ergibt sich wie folgt: Umsatz pro Periode – Personalkosten pro Periode = Deckungsbeitrag pro Periode

Der zu erzielende Deckungsbeitrag pro Periode, der bei pro Periode konstanten Fixkosten zur Erzielung des geplanten Betriebsergebnisses konstant sein muß, hat zur Folge, daß zwischen Umsatz und Personalkostenveränderung eine funktionale Abhängigkeit besteht. Umsatz pro Periode – Personalkosten pro Periode

j j

= Deckungsbeitrag pro Periode j = konst. – Fixkosten

j = konst.

= Betriebsergebnis pro Periode j = konst.

Daher ist im Rahmen des Personalcontrollings bei der Überwachung der Kosten nicht die Einhaltung der Stellenpläne entscheidend. Vielmehr sind monatlich, bezogen auf die Planperiode, c. p. gemäß dem Trend der Umsatz pro Leitungsbereich hochzurechnen und die maximalen Personalkosten bei konstantem Periodendeckungsbeitrag zu ermitteln. Diese sind dann mit dem „verfügten Ist“ 165 Vergangenheitszahlen suggerieren leider immer, daß die Bezugszahl der Vergangenheit ein Optimum darstellt. Bedauerlicherweise kann aber mit Zeitreihen auch „Schlendrian mit Schlendrian“ verglichen werden. 166 Vgl. Abschnitt 5, Kapitel II.1.

Abschn. 5: Controlling

193

zu vergleichen und das hochgerechnet noch zur Verfügung stehende Soll zu ermitteln. Hierbei sind direkte Personalkosten einschließlich Tarifentwicklungen, sowie Personalnebenkosten und Kosten für Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie sonstige Personalkosten beeinflussende Maßnahmen zu berücksichtigen. Das so ermittelte planmäßige, noch zur Verfügung stehende Entgeltvolumen für Personal ist die entscheidende Plangröße, die der jeweilige Entscheidungsträger für die Erstellung seines vereinbarten Leistungsumfangs unter Berücksichtigung der Auslastung zur Verfügung hat. Die Erfahrungen zeigen, daß eine Personalkostensteuerung zunächst komplizierter erscheint, durch ihren erkennbaren Verantwortungsgewinn für die Entscheidungsträger aber zu einem erhöhten Kostenbewußtsein bei den Entscheidungsträgern zum Nutzen des Sozialleistungsunternehmens führt. Bei Einhaltung der Personalkosten bei z. B. steigender Auslastung besteht ebenso ein quantitativ/qualitativer Spielraum für die Entscheidungsträger, wie ein Anpassungsdruck bei Nichterreichung von Umsatzzielen entsteht. Damit wird die Erreichung von Umsatzzielen, im Schwerpunkt durch die Erreichung der geplanten Auslastung „zur Sache“ aller Mitarbeiter, da die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes regelmäßig, z. B. wöchentlich in Deckungsbeiträgen begleitet von einer monatlichen Personalkostenhochrechnung, durch Informationen erkennbar wird. 4. Investitionsplanung und Finanzierung167 Die Investitionsschwerpunkte von Sozialleistungsunternehmen liegen überwiegend in den folgenden Betriebsmitteln unter Berücksichtigung der Folgewirkungen beim Umlaufvermögen168: – Grundstücke und Gebäude mit unterschiedlichen technischen Ausstattungen, – Ausrüstungsinvestitionen medizinischer Apparaturen im Krankenhausbereich, – IT-Investitionen, – Investitionen in Versorgungsbereichen/Küchen, – Transportmittel/Fahrzeuge. Typisch für Sozialleistungsunternehmen ist der hohe Anteil von Grundstükken und Gebäuden am Sachanlagevermögen mit ihren langen Bindungswirkungen an einen bestimmten Standort sowie ihren langen Abschreibungsdauern. In Industriebetrieben ist dagegen typischerweise der Maschinenanteil mit wesent167 Vgl. hierzu u. a.: Blohm/Lüder/Schaefer, S. 41 ff; Korte (1981), S. 55 ff; derselbe (1986), S. 220 ff; Lücke; Olfert (2003/1). 168 Besonderheiten bestehen in wenigen Ausnahmen, bei denen Sozialleistungsunternehmen im Rahmen der Hilfe zur Arbeit im Maschinenbau und/oder als Zulieferbetrieb der Erwerbswirtschaft tätig sind oder in speziellen WfB-Betrieben.

194

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

lich kürzeren Bindungswirkungen vorherrschend. Ausgehend von der Annahme, daß auf Grund der Veränderungen der Umweltbedingungen169 sowohl der Sozialleistungsmärkte als auch der Industriemärkte Zukunftsrisiken bestehen, liegen, wie leicht ersichtlich, damit hohe Zukunftsrisiken bei den Sozialleistungsunternehmen. Lange Bindungswirkungen mit hohen Standortrisiken beinhalten lange Abschreibungsdauern und tendenziell höhere Investitionsrisiken als in Industriebetrieben. Während aber die Industrie den Investitionsrisiken nicht nur durch Erstellung von Investitionsplänen zur Sicherstellung der notwendigen Finanzierungen begegnet, sondern auch in aller Regel durch ein ausgebautes Investitionscontrolling zu begegnen versucht, sind auf Grund der Erfahrungen der Verfasser Wirtschaftlichkeitsrechnungen für Investionsvorhaben der Sozialleistungsunternehmen eher die Ausnahme170. Die Abbildung 5-7 verdeutlicht die Asymetrie zwischen Investitionsrisiko und Controlling. Sozialleistungsunternehmen Industrieunternehmen Bindungswirkung der Investitionen

Tendenziell hoch

Tendenziell mittel bis niedrig

Risiko

Tendenziell hoch

Tendenziell mittel bis niedrig

Wirtschaftlichkeitsrechnung

Ausnahmefall

Regelfall

Abb. 5-7: Asymetrie der Wirtschaftlichkeitsrechnung

Die folgenden Überlegungen zum Investitionscontrolling basieren auf den Erfahrungen der Verfasser und sollen Ansätze zur Verbesserung des Controllings bei Investitionsentscheidungsprozessen von Sozialleistungsunternehmen aufzeigen. Es ist von folgender Grundüberlegung auszugehen: Planung und Kontrolle bedingen sich gegenseitig; daher müssen bei Investitionsentscheidungsprozessen die Rechnungen so aufgebaut sein, daß sie beiden Komponenten genügen. Ex ante durchgeführte Investitionsrechnungen werden als Investitionsplanrechnungen, ex post durchgeführte Investitionsrechnungen als Investitionskontrollrechnungen bezeichnet.

169

Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel III. Auch dies wird häufig ideologisch und nicht rational begründet und mit „Ökonomisierung“ als Schimpfwort abgelehnt. Doch Fehlentscheidungen führen in Sozialleistungsunternehmen ebenso zur Insolvenz wie bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen. 170

Abschn. 5: Controlling

195

Aus dem im Kapitel I. definierten Verständnis des Controllings resultieren im Hinblick auf die praktische Ausgestaltung von Investitionsrechnungen in Sozialleistungsunternehmen die folgenden sechs Anforderungen: 1. Investitionsrechnungen sollen dem Entscheidungsträger für seine Entschlüsse Aussagen hinsichtlich des jeweiligen Zielerreichungsgrades durch die betrachtete Alternative ermöglichen. 2. Die mit den jeweiligen Handlungsalternativen verbundene Unsicherheit muß hinreichende Berücksichtigung in der Investitionsrechnung finden und für den Entscheidungsträger deutlich werden. 3. Aufgrund der Übereinstimmung von Planung und Kontrolle erfordert auch die Investitionskontrolle neben ihrem formal gleichen Rechnungsaufbau hinsichtlich der Dimension und Erhebungsdaten eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Daten der Investitionsplanungsrechnung und den in der Betriebsergebnisrechnung ermittelbaren Ist-Daten. 4. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit der Informationsbeschaffung müssen die den Rechnungen zugrunde liegenden Daten im Unternehmen vorhanden und/oder wegen der begrenzt zur Verfügung stehenden Planungs- und Kontrollzeiten einfach und schnell beschaffbar sein. 5. Die in die möglichen unterschiedlichen Investitionsrechnungsverfahren eingehenden Daten sollten wegen der Unbestimmtheit der der Planung zugrundliegenden zukünftigen Ereignisse und aus Gründen der Vergleichbarkeit generell nach allen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkten ausgewertet werden. Außerdem bereitet in der Praxis überwiegend die Datenbeschaffung erheblich größere Schwierigkeiten als deren Aufbereitung. 6. Damit die Ergebnisse der Investitionsrechnung von allen betroffenen Abteilungen eines Sozialleistungsunternehmens akzeptiert werden und auch ggf. eine dezentrale Planung bei gleicher Vorgehensweise möglich ist, müssen die Rechnungen so aufgebaut und formalisiert sein, daß sie von allen Betroffenen nachvollzogen werden können und die zugrundeliegenden Daten ersichtlich sind. Voraussetzung für die Aufstellung von Investitionsplänen ist die systematische Informationsbeschaffung hinsichtlich der Notwendigkeit von Erweiterungen, Rationalisierungen und des Ersatzes171, wobei in der Praxis sich häufig alle drei Gesichtspunkte mehr oder weniger überschneiden: • Regelmäßige (jährliche) Betriebsbegehungen durch Unternehmensleitungen und Bereichsverantwortliche und – bei Gebäuden – mit beratenden Baufachleuten sollen Investitionen und Instandhaltungen aufzeigen und in Plänen 171 Hieraus resultiert die Unterscheidung von Rationalisierungsinvestitionen, Ersatzund Erweiterungsinvestitionen.

196

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

ebenso festlegen wie die hierbei vorgetragenen Verbesserungsvorschläge zu Lebens- und Betriebsablaufsystemen von z. B. Heimbewohnern. • Vorgaben von pauschalen Kostensenkungszielen z. B. 3% p. a. sind im technischen Bereich einschließlich Bautechnik und Logistik unter Berücksichtigung der mitarbeiterbezogenen Arbeitsabläufe und des technischen Fortschrittes umzusetzen. Ggf. sind Arbeitsstudien anzufertigen – Instrumente der industriellen Fertigung, die bisher selten auf die Betriebsabläufe von Sozialleistungsunternehmen übertragen werden.172 Hilfreich bei der Umsetzung von pauschalen Kostensenkungsvorgaben sind auch Analysen des Controllings hinsichtlich der Kostenschwerpunkte auf Grund der Kostenstellen resp. Kostenträgerrechnungen. • Besuche von Fachmessen und Mitbewerbern und systematische Erkenntnisauswertung vergleichbar mit den o. g. Betriebsbegehungen. • Auswertung der Controlling-Kennzahlen hinsichtlich Auslastung des jeweiligen Betriebsmittels resp. alternative Erstellung der hiervon erbrachten Leistung und der Alternativkosten. Ergebnis des Suchprozesses mit den o. g. vorgeschlagenen Ansätzen, verbunden mit einer entsprechenden innovativen Leistungsorientierung der Mitarbeiter, abgeleitet aus einer entsprechenden Marketing- und Führungsorientierung, sind Investitionspläne. Sie sind auf Grund der überwiegend mehrjährigen Erstellungs- und Umsetzungsphase als rollierende Mehrjahrespläne aufzustellen. Hilfreich für ein ggf. notwendiges Ranking bei den Investitionen, ist die Prioritätenbildung im Hinblick auf die im allgemeinen eingeschränkten Finanzierungsmitteln. So haben beispielsweise Investitionen auf Grund gesetzlicher Auflagen wie Arbeitssicherheit Vorrang vor Wirtschaftlichkeitskennzahlen. Mit der Aufnahme eines Projektes in die Investitionsplanung ist eine endgültige Entscheidung über die Durchführung der Investition noch nicht getroffen. Sicherlich sollten nur diejenigen Investitionen in einen Plan aufgenommen werden, deren Realisierung wahrscheinlich ist; dennoch ist – und dies gilt insbesondere für Investitionen der Folgejahre – vor einer Realisierungsentscheidung eine Investitionsrechnung durchzuführen. Zur Errechnung der finanzmathematischen Investitionskriterien müssen vier Datengruppen bekannt sein: – Kapitaleinsatz, – Periodenüberschüsse, 172 In der Industrie sehen Fabrikgebäude nicht mehr aus wie vor 50 oder 100 Jahren, aber die Erfahrung der Verfasser zeigt, daß schon die Frage, ob Heime grundsätzlich noch wie vor 50 Jahren aussehen müssen, zu kontroversen und moralisierenden Diskussionen führt.

Abschn. 5: Controlling

197

Ein Investitionsplan könnte das folgende Aussehen besitzen:

Maßnahme Kostenstelle TA

Jahr Gesamtder Ge- Kapitalnehmi- einsatz gung

Ausgaben Vj.

2006

2007

2008

Folgejahre

11.000 2.000 4.000 4.000 1.000



Über-/ Unterschreitung nach Abschluß

1. Einzelmaßnahmen ab 50 TA 1.47: Neubau „Moorweide“

2004



   1.X: N. N. 2. Etats

3.000

173

2.1 Moorweide 3. Finanzierungsbedarf (= aus 1. + 2.)

20

20

(2.020

4.020

15

15

4.015 4.015)

4. Finanzierungsmittel 4.1 + Darlehen

400 1.900

900

500

4.2 Zuschüsse

100

100



4.3 Eigenmittel (Cash Flow)

100

1.520 2.020 3.015 3.515 Abb. 5-8: Investitionsplan

– geplante Nutzungsdauer, – Kalkulationszinssatz. 1. Der Kapitaleinsatz der Investition ist die Summe aller Ausgaben, die bis zur Inbetriebnahme anfallen, vermindert um Rabatte. Namentlich werden zum Kapitaleinsatz gerechnet: Kosten für Planung, Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, Anlaufkosten. 173

Z. B. für Investitionen, deren Einzelwert kleiner als 50 TA Kapitaleinsatz ist.

198

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

2. Die hier vorgeschlagenen Verfahren der Investitionsrechnung basieren auf der Gegenüberstellung von Einnahmen- und Ausgabenreihen, d. h. dem Kapitaleinsatz sind die aus der Differenz von Einnahmen- und Ausgabenreihen resultierenden Periodenüberschüsse gegenüberzustellen. Soweit die Prämisse eingehalten wird, daß nur zahlungswirksame Kosten angesetzt werden, also nicht zahlungswirksame kalkulatorische Kostenarten wie z. B. Abschreibungen unberücksichtigt bleiben, und da hier nur die dem Objekt zurechenbaren Ausgaben in Betracht kommen, die dann notwendigerweise auch betriebsbezogen sind, und stoßweise anfallende „Kostengrößen“ wie z. B. der Kapitaleinsatz auch der Periode zugerechnet werden, in der sie anfallen, wird die Rechnung hier mit den im praktischen Rechnungswesen vorhandenen Kosten und Erträgen durchgeführt. Zur Ermittlung der Periodenüberschüsse sind die zu erwartenden zusätzlichen Deckungsbeiträge auf Grund z. B. Kapazitätserweiterungen und/oder Deckungsbeitragssteigerungen aus Rationalisierungswirkungen für den Betrachtungszeitraum zumeist der Nutzungsdauer des Investitionsobjektes zu prognostizieren. Die Ermittlung der Periodenüberschüsse ist der schwierigste Teil der Investitionsrechnungserstellung. Wichtig ist, im Rahmen des Controllings die Datenermittlung und die Berechnungsgrundlagen zu dokumentieren und jährlich ihre Werthaltigkeit im Rahmen der Investitionsfortschreibung zu dokumentieren. 3. Die geplante Nutzungsdauer ist der Zeitraum, in dem ein Investitionsobjekt voraussichtlich technisch oder wirtschaftlich genutzt werden kann. In Sozialleistungsunternehmen ist besonders der wirtschaftlichen Nutzungsdauer Beachtung zu schenken, da die regelmäßigen Veränderungen der Hilfeprozesse und ihrer gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die demographischen Entwicklungen technische Nutzungsmöglichkeiten von z. B. Gebäuden einschränken. Wirtschaftliche Nutzungsdauern liegen damit häufig deutlich unter den technischen Nutzungsdauern. 4. Als Kalkulationszinssatz ist der für den Betrieb gültige Marktzinssatz anzusetzen; dieser ist für Sozialleistungsunternehmen, die ihre Investitionen z. B. aus unternehmenspolitischen Gründen nahezu ausschließlich mit Eigenkapital finanzieren, die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität, beispielsweise der letzten fünf Jahre; für Unternehmen, die ihre Investitionen sowohl mit Eigenkapital als auch mit Fremdkapital finanzieren, ist es der für die Laufzeit der Investitionen zu erwartende Fremdkapitalzinssatz. Hierbei hat es sich in der Praxis bewährt, den Kalkulationszinssatz aus Vergleichsgründen für einen längeren Zeitraum intern festzuschreiben, z. B. 8%. Als nicht richtig anzusehen ist es, durch die Wahl eines besonders hohen Kalkulationszinssatzes Risikogesichtspunkten Rechnung tragen zu wollen, da hierdurch nur sehr pauschal zukünftige Periodenüberschüsse abgezinst würden. Die Er-

Abschn. 5: Controlling

199

fassung von Investitionsrisiken erfolgt wirksamer mit Hilfe der Pay-offDauer und durch Sensibilitätsanalysen in Form von Alternativrechnungen. Kapitalwert, interner Zinsfuß, Pay-off-Dauer sowie Kapitalwertrate lassen sich relativ einfach mit Exel-Tabellen o. ä. berechnen.

Investitionsrechnung für die IT-Investition FIBU 2006 Kapitaleinsatz n = 5 Jahre/i = 8%

2007

2008

2009

2010

2011

200

400

500

500

500

50

100

100

100

100

150

300

400

400

400

800

Kosteneinsparungen im Personalbereich* Zusätzliche Lizenzkosten Periodenüberschuß

174

Kapitalwert

:

480

Interne Verzinsung

:  25%

Pay-off-Dauer

:  3,5 Jahre

Kapitalwertrate

:

60%

* der Plan des sozialverträglichen Personalabbaus ist als Anlage beigefügt.

Abb. 5-9: Beispiel einer Investitionsrechnung

Der Kapitalwert einer Investition gibt hierbei die Größenordnung der mit der Investition zu erzielenden mit dem Zinssatz i diskontierten Erträge während des Betrachtungszeitraumes n an. Eine Investition ist dann wirtschaftlich, wenn der Kapitalwert positiv ist. Der interne Zinsfuß gibt die „tatsächliche“ Rendite des eingesetzten Kapitals an; eine Investition ist dann wirtschaftlich, wenn der interne Zinsfuß größer als der Kalkulationsfuß i ist. Die Pay-off-Dauer gibt an, in welchem Zeitraum das eingesetzte Kapitel einschließlich Zinsen zurückgeflossen ist. Sie muß immer kleiner sein als die wirtschaftliche Nutzungsdauer n des Investitionsobjektes, damit die Investition wirtschaftlich ist. Die Kapitalwertrate ermöglicht als Rentabilitätszahl ein Ranking der Investitionsobjekte unter Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit. Das Objekt mit der 174 Da hier von einem gemeinnützigen Unternehmen ausgegangen wurde, wurde keine Steuersimulationsrechnung dargestellt.

200

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

jeweils höheren Kapitalwertrate rangiert vor dem mit der jeweils niedrigeren Kapitalwertrate. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer n umfaßt den Zeitraum, nach dessen Ablauf eine Einstellung der Investition oder eine Ersatzinvestition erforderlich werden. Sie basiert zweckmäßigerweise auf unternehmensindividuell festgelegten Richtwerten. Sollte es sich bei dem Investitionsvorhaben um reine Rationalisierungsinvestitionen handeln, also keine Kapazitätserweiterungen damit verbunden sein – ein sicherlich für praktische Problemstellungen seltener Fall –, so sind nur die zahlungswirksamen Kostendifferenzen zwischen dem Ist-Zustand und dem der Rationalisierungsinvestition zu ermitteln und als Periodenüberschuß der Rationalisierungsinvestition dem Kapitaleinsatz gegenüberzustellen. Die Investitionskriterien sind dann, wie oben dargestellt, zu ermitteln. Aufgrund der Investitionskriterien ist dann von der Leitung die förmliche Entscheidung für oder gegen die Realisierung des Investitionsvorhabens zu fällen. Jede Leitung sollte hierbei der Maxime folgen: Ohne Rechnung keine Entscheidung. In der Praxis haben sich zwei Wege zur Berücksichtigung der mit der Investition verbundenen Risiken bewährt: 1. Die Definition eines zukünftigen „Risiko-Zeitpunktes“, ab dem die Möglichkeit eines völligen Ausbleibens von Periodenüberschüssen nicht auszuschließen ist. Bis zu diesem Risikozeitpunkt muß unter Berücksichtigung von Zinsen das eingesetzte Kapital durch die Periodenüberschüsse zurückgewonnen werden; andernfalls besteht die Gefahr, daß die Investition zu Verlusten führt. Der mit Hilfe der Pay-off-Methode ermittelte Wiedergewinnungszeitpunkt ist dann diesem „Risiko-Zeitpunkt“ des möglichen Totalverlustes gegenüberzustellen. Allerdings kann keine generelle Aussage darüber gemacht werden, um wie viele Perioden die Pay-off-Periode unter dem Risiko-Zeitpunkt liegen sollte. Dies hängt vom Einzelfall ab. Eine Rolle hierbei spielen u. a. die Risikobereitschaft des Entscheidungsträgers, die Flexibilität des Einsatzes der Realinvestition hinsichtlich möglicher anderer Verwendungsmöglichkeiten, die Art des mit Hilfe der Investition zu produzierenden Produktes, der technische Fortschritt, die Entwicklung der Umweltbedingungen. 2. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit Hilfe von Sensibilitätsanalysen in Form von Alternativrechnungen die Auswirkungen von Datenvariationen auf die Investitionskriterien zu ermitteln. Hierbei besteht die Möglichkeit, jeweils einzelne oder ein Bündel von Daten zu ändern. I. d. R. liegen bei Investitionsrechnungen die größeren Prognoseprobleme bei der Periodenüberschußseite, weniger dagegen bei der Festlegung des Kapitaleinsatzes. Einzelne sich in den Periodenüberschüssen niederschlagende Daten werden verändert, wobei in der Praxis häufig das Rechnen mit drei angenommenen

Abschn. 5: Controlling

201

Werten am brauchbarsten ist, einem optimistischen, einem mittleren und einem pessimistischen Wert. Daneben besteht die Möglichkeit, kritische Werte für Daten zu ermitteln, beispielsweise für die Periodenüberschüsse insgesamt, oder für beispielsweise Pflegeentgelte, ab denen die Investitionskriterien bestimmte Werte über- oder unterschreiten. Diese kritischen Werte könnten dann die Größen sein, bei deren Eintreffen investitionspolitische und unternehmenspolitische Maßnahmen zu ergreifen wären. Investitionen als „Umwandlungen von Finanzmitteln“ in – wie oben dargestellt – Anlagevermögen des Sozialleistungsunternehmens erfordern kurz- und langfristige Finanzplanungen. Die Investitions- und Finanzplanung sind aufeinander abzustimmen, wobei insbesondere auch die durch die Investitionsrealisierung eintretenden Ergebnis- und Finanzwirkungen zu berücksichtigen sind. Die Ziele der Finanzplanung sind die kostengünstige Sicherung des finanziellen Gleichgewichtes, d. h. die Sicherstellung einer jederzeitigen Zahlungsbereitschaft unter Berücksichtigung von Prognoserisiken, die im allgemeinen mit der Ausdehnung des Prognosezeitraumes steigen. Für Sozialleistungsunternehmen ist hierbei zu beachten, daß auf Grund der Rechtsform z. B. Verein und/oder konfessioneller Traditionen und/oder steuerlicher Gründe z. B. Beteiligungen, Aktien mit Dividendenberechtigung und andere in der betriebswirtschaftlichen Literatur aufgezeigten Finanzierungsquellen ausscheiden und nicht durch branchen- und konfessionstypische Finanzierungszuschüsse175 ausgeglichen werden. Folgende wesentliche Finanzierungsquellen lassen sich für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen aufzeigen: Eigen

Fremd

Außenfinanzierung:

– – – – –

– Kredite von Banken und Lieferanten (keine Schuldverschreibungen) – Leasing – staatliche Investitionszuschüsse

Innenfinanzierung:

Cash flow, d. h. im wesentlichen Abschreibungen und Rückstellungen

Beteiligung (E) Aktien (E) Einlagen (E) Spenden (E) Zuschüsse von Diakonie + Caritas (Verbandsmittel)

E = eingeschränkt, insbesondere durch die AO Abb. 5-10: Wesentliche Finanzierungsquellen der konfessionellen Sozialleistungsunternehmen

175

Insbesondere auch, weil die „Kassen dieser Zuschußgeber weitgehend leer sind“.

202

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Die im Vergleich zur Erwerbswirtschaft starke Einschränkung von im wesentlichen innovationsfördernden Modernisierungsinvestitionen ist augenfällig. Neuere Ansätze wie die grundsätzlich mögliche gemeinnützige AG, bei der karitativ und sozial engagierte Kapitalgeber unter Dividendenverzicht Aktienkapital bereitstellen, sind nach Kenntnis der Verfasser nicht erprobt. Aber gerade derartige Ansätze ermöglichen den Geldgebern die aktienrechtliche Mitwirkung und Einflußnahme auf die Geschäftspolitik bei gleichzeitigem sozialen Engagement. Beteiligungen sind nur wechselseitig bei den konfessionellen Kapitalgesellschaften vorzufinden; Analoges gilt für Einlagen, bei denen ebenfalls beachtet werden muß, daß beide Beteiligte steuerlich gemeinnützige Unternehmen sein müssen. Die Außenfinanzierungsquellen Spenden sind trotz Verbesserung der Akquiseinstrumente für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen grundsätzlich nicht nur rückläufig, sondern auch immer mit starken Einnahmerisiken verbunden. Investitionen über Spenden zu finanzieren bedeutet grundsätzlich: Erst die Spende auf dem Konto – dann die Investitionsausgabe. Bei den Zuschüssen seitens der Dachverbände ist zu beachten, daß auch hier die Möglichkeiten sinken, da diese ja nicht zuletzt von der staatlichen Bereitschaft abhängen, z. B. bei Lotto- und Toto-Mitteln einen Teil der Einnahmen sozialen Zwecken zuzuführen. Damit verbleiben bei der Außenfinanzierung neben kurzfristigen Beschaffungskrediten, einer i. a. sehr teuren Finanzierungsquelle, nur Bankkredite, wobei Leasing als eine Sonderform derartiger Kredite betrachtet werden kann. Banken verlangen nicht nur Sicherheiten, sondern die durch „BASEL II“ eingetretenen Refinanzierungsregeln werden für die meist ergebnisschwachen Sozialleistungsunternehmen erhebliche Finanzierungskostenschübe nach sich ziehen. Bei der Innenfinanzierung läßt sich ebenfalls eine Zukunftstendenz ablesen. Nur wenige finanzstarke Sozialleistungsunternehmen haben in den Jahren um 1995 langfristige Rückstellungen mit dem Charakter stiller Reserven geschaffen und diese am Kapitalmarkt angelegt, so daß fast alle Unternehmen auf die Finanzierung aus Abschreibungen als wesentliche Quelle des cash-flows angewiesen sind. Für Sozialleistungsunternehmen läßt sich dieser wie folgt definieren: Gewinn + Abschreibungen + Zuführung zu Rückstellungen – Tilgung = Brutto-Cash-Flow

Da für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen auf Grund ihrer überwiegenden Gemeinnützigkeit Gewinnsteuerzahlungen und Gewinnausschüttungen

Abschn. 5: Controlling

203

ausscheiden, entspricht der Brutto-Cash-Flow auch dem sog. Netto-Cash-Flow. Deutlich wird, daß die mit den Umsätzen verdienten Abschreibungen für Sozialleistungsunternehmen die wesentliche Finanzierungsquelle für Investitionen darstellen. Die Erfahrungen der Verfasser aber zeigen, daß gerade dieser Zusammenhang den Leitungen der Unternehmen noch immer nicht hinreichend bewußt ist. Insbesondere ist die Gewährung staatlicher Investitionszuschüsse eine nachhaltig gefährliche Entwicklung für die Unternehmen, da diese bei der kostenmäßigen Ermittlung kalkulatorischer Abschreibungen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Dauerhaft wird hierdurch die Abhängigkeit der Unternehmen vom staatlichen Zuschußgeber und dessen Finanzierungswillen und -können verstärkt, da nach Ablauf der Nutzungsdauer die kumulierten Abschreibungen nicht nur wegen der gestiegenen Wiederbeschaffungskosten nicht ausreichen, sondern auch erneute Zuschüsse zwingend erforderlich sind. Die Finanzierungskrise für die Mehrzahl konfessioneller Sozialleistungsunternehmen ist nicht zuletzt auch wegen der Ablehnung der Instrumente strategischer Finanzplanung – das Stichwort ist hier Free Cash Flow176 in naher Zukunft absehbar. Als Minimum einer Finanzplanung – ohne daß damit die Finanzierungslücke bereits geschlossen ist, sondern nur um die Dringlichkeit aufzuzeigen, – sind folgende rudimentäre Instrumente des praktischen Finanzcontrollings einzusetzen:

1. Liquiditätsstatus wöchentlich z. B. per Freitag 1.1 Bankguthaben

. . . TA

1.2 Festgeldanlagen (verfügbar < 6 Monate)

. . . TA

1.3 Finanzanlagen (verfügbar > 6 Monate)

. . . TA

1.4 Gesamt per . . .

. . . TA

1.5 – Fällige Forderungen

. . . TA

– Veränderungen sonst. Umlaufvermögen 1.6 Stand Vorjahr

176

Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel III.5.

. . . TA . . . TA

204

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

2. Liquiditätsplan 01.07. . . .–30.09. . . . 2.1 Geldbestand am 30.06.

. . . TA

2.2 Einzahlungen 01.07.–30.09. – ⎫ – ⎥⎬ Alle Umsatzquellen ⎥ – ⎭ 2.3 Anzahlungen 01.07.–30.09.

. . . TA . . . TA . . . TA

– Personal

. . . TA

– Investitionen

. . . TA

– sonst. zahlungswirksame Kosten

. . . TA

2.4 Geldbestand am 30.09.

. . . TA

3. Soll-Ist-Kontrolle Liquiditätsplanung 01.04.–30.06. Plan

Ist

[TA]

[TA]

3.1 Geldbestand am 01.04.

...

...

3.2 Einzahlungen

...

...

3.3 Auszahlungen

...

...

– Personal

...

...

– Investitionen

...

...

– sonst.

...

...

3.4 Geldbestand

...

...

– Umsatzquellen

Erläuterungen zu den wesentlichen Plan-/Ist-Abweichungen sowie Anpassungsmaßnahmen 4. Langfristiger Finanzplan 4.1 Auslaufende Kredite und Maßnahmen 4.2 Finanzbedarf für Investitionen 2008–2018 4.3 Cash-Flow (Plan) davon Abschreibungen unter Berücksichtigung der „Neu-Investitionen“ Abb. 5-11: Liquiditätsstatus und Liquiditätsentwicklung

Abschn. 5: Controlling

205

5. Fachcontrolling177 Soziale Dienstleistungen – also Beratungs-, Betreuungs-, Pflegeleistungen, medizinische Leistungen usw. – sind wie Dienstleistungen und Produktionsleistungen anderer Bereiche oder Unternehmen entscheidungsorientiert und zielgerichtet. Sie unterliegen damit ebenso der Planung, der Kontrolle der Planerreichung durch Informationen und der Steuerung. Wie alle Dienstleistungsprozesse soll ein Erfolg bewirkt werden, der sich Controllingprozessen erschließt. Allerdings ist für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen ein derartiges Fachcontrolling von Hilfeprozessen eher die Ausnahme. Nach Beobachtungen der Verfasser „vertun“ aber damit viele Mitarbeiter in Sozialleistungsunternehmen eine wesentliche Chance, Arbeitszufriedenheit durch Zielplanung und -vereinbarung sowie Kontrolle des Soll-Ist-Standes zu erreichen. Das Gefühl von Arbeitszufriedenheit entsteht häufig nur durch Fremdvermittlung, z. B. Lob Dritter und/ oder Supervision, weniger durch eine auf Selbstvertrauen basierende Eigensteuerung. Bei der Einführung eines Fachcontrollings, welches neben der Eigenmotivation, eine Effizienzverbesserung der Hilfeprozesse selbst und eine höhere Kundenzufriedenheit bewirkt, sind folgende Projektschritte sinnvoll: 1. Bildung einer Projektgruppe, an der sowohl Hilfefachkräfte als auch Controller mitwirken und an der die Leitung teilnimmt bzw. regelmäßig im Sinne der Projektdurchsetzung beteiligt ist. Ziel ist u. a. die Akzeptanzverbesserung des umzusetzenden Systems. 2. Definition der Hilfeziele, z. B. wurden für eine Jugendhilfeeinrichtung folgende pädagogische Hilfezielgruppen durch die Projektgruppe entwickelt: 1. soziale Kompetenz 2. Wertorientierung 3. Identität 4. Selbständigkeit 5. Leistungsfähigkeit 3. Definition von Unterkriterien sowie der anzuwendenden Scoring-Methode. 4. Festlegung der Beurteilungsabläufe, z. B. werden quartalsweise die Entwicklungsfortschritte des betreuten Jugendlichen durch die Pädagogen und ihn selbst mit Hilfe von Punktbewertungen entwickelt, wobei zur Vermeidung von „Benotungsideen“ auch Abweichungen vom Normalwert 0 gekennzeichnet werden können, z. B. 2 1 0 1 2. 5. Diskussion der Entwicklungsfortschritte im Gruppenprozeß, Feststellung von Einschätzungsunterschieden, Verabreden von neuen Teilzielen sowie Maß177 Vgl. hierzu auch: Schwarz, S. 193 ff; zu speziellen Controllingbereichen vgl. auch Reichmann (2006), S. 341 ff; Schäffer/Weber (Hrsg.); Küpper, S. 431 ff.

206

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

nahmen. Wiederholung der Quartalsbeurteilungen bis zum Abschluß der „Maßnahme“. 6. Dokumentation des gesamten Prozesses, ggf. Überarbeitung der Zielkriterien und Verfahren. Es ist also ein regelmäßiges Reporting als Abschluß des Prozesses zu installieren. In dem von den Verfassern beschriebenen Unternehmen wurde das Fachcontrolling neben anderen Kriterien der Markenbildung als Vertriebsinstrument eingesetzt. Die Effizienzverbesserung im Sinne der Relation zwischen Laufzeit einer pädagogischen Maßnahme und bewirkten Verhaltensänderungen konnte signifikant verkürzt werden. Dieser Nachweis machte eine Belegung durch das Jugendamt bei diesem diakonischen Sozialleistungsunternehmen im Vergleich zum Wettbewerb attraktiver. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß allerdings Nachahmungseffekte im Zeitablauf die Marketingwirkung des Fachcontrollings abschwächen, nicht dagegen die Wirkung auf den Hilfeprozeß selbst. 6. Berichtsstrukturen und Kennzahlen178 Die Informationsversorgung der diversen Entscheidungsträger konfessioneller Sozialleistungsunternehmen sowie der interessierten Öffentlichkeit resp. Stakeholder bedarf der Strukturierung. Die fortschreitende IT-Technologie mit der Zugänglichkeit von Betriebsdaten für grundsätzlich jeden Mitarbeiter führt zu dem Phänomen, daß Unternehmen heute eher über zu viel Informationen als über zu wenig Informationen verfügen. D. h. in der zielgerichteten Begrenzung der Informationsflut besteht in der nächsten Zeit die Managementaufgabe. Die Informationsstrukturierung erfolgt hier nach • Berichtsebenen • Kennzahlenarten, • zeitlichen Aspekten/Informationsdichte. • Folgende Berichtsebenen können unterschieden werden: – intern – extern • Aufsichtsgremien • interessierte Öffentlichkeit • Gesellschafterversammlung • Bewohner und Angehörige (für konfessionelle Unternehmen • Verband ist diese eher dem internen • sonst. z. B. Kostenträger 179 Berichtswesen zuzuordnen) 178

Vgl. Korte (1992); (1995/1); (1995/2). Aktionärsinformationen und Gesellschafterinformationen werden in der Erwerbswirtschaft überwiegend der externen Berichterstattung zugeordnet. 179

Abschn. 5: Controlling

207

• Mitgliederversammlung beim eingetragenen Verein (e. V.) • Geschäftsführung/Vorstand • Mitarbeiter div. Funktionen bzw. Ebenen • Arbeitnehmervertreter/Wirtschaftsausschuß/ Belegschaften. • Folgende wesentliche Arten von Kennzahlen können unterschieden werden: – Bilanzkennzahlen – Personalzahlen – Ergebniszahlen – Umsatz – Kosten – Auslastung – Sonderkennzahlen z. B. Wirtschaftlichkeitsrechnungen/Investition. Eine mögliche Klassifikation von Kennzahlen sieht wie folgt aus: Absolute Zahlen

Verhältniszahlen

– Summen (Gesamtzahl Beschäftigte)

– Gliederungszahlen (% von x)

– Differenzen (freie Plätze zur Gesamtzahl) – Beziehungszahlen – Mittelwerte (ø Auslastung)

(Pflegekraft pro Bewohner) – Indexzahlen (Umsatzentwicklung)

• Im Hinblick auf ihre Ermittlungs-/Berichtshäufigkeit kann unterschieden werden zwischen: – täglich – wöchentlich – monatlich/quartalsweise – jährlich – langfristige Zeitreihe – Plan und Istzahlen sowie strategische und operative Zahlen sowie onlineZugriff und/oder schriftliche Veröffentlichungen. Für eine konfessionelle Unternehmensgruppe zwischen 60–100 Mio. A Umsatz und etwa 1000–1500 Beschäftigten haben die Verfasser positive Erfahrungen mit der in Abb. 5-12 dargestellten Berichtsstruktur gemacht, wobei aus

Häufigkeit:

(J)

X Arbeitsnehmervertreter/ Belegschaft ggf. in verkürzter Form

(Q)

T+Q+J

Abb. 5-12: Berichtsebene

Q = quartalsweise (monatlich) X = ja

X Mitarbeiter (F) X Aufsichtsgremiun/ (F) Gesellschafter/Verein soweit diese als Entscheidungsgrundlage dienen

X Arbeitnehmervertreter (ggf. verdichtet)

X Mitarbeiter

(J)

(J)

X Mitarbeiter

O Aufsichtsgremium/ Gesellschafter/ Vereinsmitglieder (verdichtet)

(J)

intern X Aufsichtsgremium/ Gesellschafter/ Vereinsmitglied

T = täglich W = wöchentlich F = fallweise/anlaßbezogene Berichtsstruktur

Sonderkennzahlen

(Plan/Ist-Darstellung)

Personalkennzahlen + Ergebniskennzahlen

Bilanzkennzahlen/bzw. testierter Jahresabschluß

Kennzahlenart/Berichtsart

extern

(J)

(J)

(J)

J = jährlich O = eventuell

[Personalzahlen und ggf. Kennzahlenreihen im Rahmen des Jahresabschlusses]

O Sonstige

X Verband

X Öffentlichkeit (ggf. verkürzt aber mit Testat)

Berichtsebene

208 Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Abschn. 5: Controlling

209

Sicht der Verfasser nur bei kleineren Unternehmen begründet davon abgewichen werden sollte. 7. Supervision versus Controlling In einem Handbuch zur Supervision werden zur Supervision in Wirtschaftsunternehmen – hier stichwortartig zusammengefaßt – folgende Aussagen getroffen:180 • Beim Betreten einer karitativen Einrichtung wird man mit einer völlig anderen Kultur konfrontiert, als wenn man den Haupteingang einer deutschen Automobilfirma betritt. • Wirtschaftsunternehmen geht es bei „Strafe des Unterganges“ um Profit und weniger um Beziehungen und Interaktionen; Sozialarbeit und Supervision sind dem Gemeinwohl verpflichtet. • „Während die Welt der Non-profit-Organisationen eher prozeß- oder beziehungsorientiert ist, ist die Welt der Wirtschaft leistungsorientiert“.181 • „In Wirtschaftsunternehmen wird man mit einer Kultur konfrontiert, die zielund ergebnisorientiert ist“.182 • „Supervision ist immer an einem Ziel orientiert. Es geht nie allein um das Klären von Betriebsstrukturen, . . ., sondern um eine Zielerreichung, . . .“.183 • „Gerade in diesem Punkt (die Zielerreichung) habe ich diese Kultur (die der Erwerbswirtschaft) als ehrlicher erlebt“.184 Warum wurde in dieser Darstellung das Stichwort Supervision im Zusammenhang mit Controlling aufgegriffen? 1. Die kostenintensive Kultur der Supervisoren, die sich z. T. die Hand reichen, ist in vielen Sozialleistungsunternehmen verbreitet, ohne daß Probleme gelöst werden: Fehlende Zielorientierung bei der Arbeit, fehlendes Rollenverständnis185 sowie fehlende Informationen über den Zielerreichungsgrad führen weiterhin zu erheblicher Arbeitsunzufriedenheit. 2. Der Supervisor – also der „Über-Inspektor“ – soll als Externer den Überblick besitzen und beraten? Hierbei wird in der Fachliteratur zur Supervision 180 Vgl. Butzko, S. 245 f; zur Supervision vgl. u. a.: Pühl (1998); derselbe (2000); derselbe (2002). 181 Butzko, S. 245. 182 ebenda, S. 245. 183 ebenda, S. 245. 184 Butzko, S. 245. 185 Häufig besteht folgendes Verständnis der Rollenverteilung: – Mitarbeiter und Kunde gegen Unternehmensleitung einerseits und gegen die Gesellschaft andererseits.

210

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

sofort sein Rollenkonflikt aufgezeigt, als institutionelles Dreieck bezeichnet186 Supervisor

Mitarbeiter

Leitung

Kunde

wobei sich der Supervisor als Konfliktberater sieht, da ihn die Leitung bezahlt und er möglicherweise einen Konflikt zwischen Leitung und Mitarbeiter zu bearbeiten hat. Die o. g. angesprochenen Phänomene decken sich mit den Erfahrungen der Verfasser. Die Frage ist deshalb, ob durch Supervision – also einer Form von Unternehmensberatung – die richtigen Schlußfolgerungen für Sozialleistungsunternehmen gezogen wurden. Beim Durchsehen der einschlägigen betriebswirtschaftlichen Fachliteratur zum Thema Management und Personalführung ist das Stichwort „Supervision“ überwiegend nicht und das Stichwort „Coaching“ im Zusammenhang mit Personalentwicklung von Führungskräften in einigen Personalfachbüchern zu finden.187 Nur in wenigen Veröffentlichungen zu Managementfragen von Sozialleistungsunternehmen taucht das Stichwort Supervision im Zusammenhang mit Coaching auf.188 Diese Beobachtung wirft dann die eigentliche Frage auf: Ist es betriebswirtschaftlich begründbar, für die Sozialleistungsunternehmen – in der Supervisionsliteratur fälschlicherweise als NON-Profit-Organisationen/Einrichtungen bezeichnet – dauerhaft eine „Sonderkultur“ anzunehmen? Bereits im Einführungskapitel zur begrifflichen Abgrenzung von Sozialleistungsunternehmen, wie auch in allen anderen Kapiteln, z. B. auch dem Controlling-Kapitel, wurde dies verneint. Zielgerichtetes Handeln ist Grundlage von allen Unternehmen und Grundlage menschlichen Entscheidungsverhaltens. Werte und Zielvereinbarungen sind ebenfalls Grundlage aller Unternehmen und 186

Eigentlich ist es ja ein Viereck! Vgl. Pühl (1998), S. 52 ff. Vgl. u. a.: Eschenbacht/Horak, S. 395 ff; Olfert (2003/3), S. 492 f; Rosenstiel, von/Regnet/Domsch, S. 255 ff; Scholz, S. 962 ff; Wunderer (2000), S. 426 ff. 188 Vgl. Eschenbach/Horak, S. 395 ff; Scholz, S. 962. 187

Abschn. 5: Controlling

211

müssen für Mitarbeiter und Leitung gleichermaßen gelten, und deren Erreichung muß reported werden. Arbeitszufriedenheit ist das Ergebnis von Zielerreichungen, und das gilt für alle Mitarbeiter eines Unternehmens. Leitungen sind übrigens auch nur Angestellte des Unternehmens, wobei auf allen Ebenen die Aufgabenstellungen sich zum einen durch die Arbeitsteiligkeit unterscheiden, zum anderen aber gleichgerichtet und auf das Gesamtziel des Unternehmens ausgerichtet sind. Das Dreiecksverhältnis besteht also auch in Sozialleistungsunternehmen in der oben dargestellten Form so nicht, da der Unternehmenszweck die Problemlösung zur Zufriedenheit von Kunden ist. Wird das nicht erreicht, dann „gehen“ Sozialleistungsunternehmen ebenfalls „wirtschaftlich unter“. Das Dreiecksverhältnis besteht aber immer zum „außenstehenden Berater“, hier dem Supervisor, wobei gerade in jüngster Zeit eine starke Abkehr von dem Beraterunwesen feststellbar ist. Beratungen werden heute selten als sog. Reorganisations- und Führungsberatungen in Anspruch genommen, weil sich die schon immer bestehenden Zweifel am wirtschaftlichen Erfolg derartiger Beratungen verstärkt haben. Beratungen werden dagegen in jüngerer Zeit überwiegend gezielt für Fachfragen z. B. im Zusammenhang mit Einführung neuer Technologien, Maschinen, IT-Organisationen, also mehr als Schulungen und Umsetzungsberatungen genutzt. Die Schlußfolgerungen, die von den Verfassern hieraus gezogen werden, lauten: Für die sogenannten NON-Profit-Einrichtungen/Organisationen ist eine Umstellung zum Sozialleistungsunternehmen mit einer zielgerichteten Führungsund Controllingkultur erforderlich, bei der die Kundenorientierung im Hinblick auf deren aktuelle und zukünftige Wünsche im Vordergrund steht. Die Zielgerichtetheit wird auf Grund der dann möglichen Eigenkontrolle und der damit verbundenen Selbstvermittlung von Erfolg die Beratungsprozesse von Supervisoren weitgehend obsolet machen. Die Frage ist also nicht, brauchen die einen Supervision und die anderen nicht, sondern: warum agieren bestimmte Unternehmen nicht vergleichbar den „anderen“ erwerbswirtschaftlichen Unternehmen?

III. Ansätze strategischen Controllings 1. Grundlagen und Zusammenhänge189 Eine beliebte Frage bei Studenten ist, warum strategische Planungs- und Controllingsprozesse nicht nur in der Lehre, sondern auch in der praktischen Umsetzung im Ablauf vor den operativen Controllingansätzen dargestellt bzw. in Unternehmen eingeführt werden, da doch das Operative die schrittweise Umset189 Vgl. hierzu u. a.: Baum/Coenenberg/Günther, S. 5 ff; Fleßa (2006), S. 205 ff, Horváth, S. 234 ff; Huch/Behme/Ohlendorf, S. 363 ff; Korte (1995/3), S. 175 ff; Müller-Stewens/Lechner, S. 8 ff; Reichmann (2006), S. 555 ff. Schröder, S. 231 ff; Ziegenbein, S. 193 ff.

212

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

zung des Strategischen ist. Gegen diesen auf den ersten Blick scheinbar logischen Zeitablauf sprechen folgende Gründe: 1. Ohne vorhandenes, zunächst aus dem externen Rechnungswesen abgeleitetes, dann zum internen Controlling umgebautes zielorientiertes Entscheidungssystem entwickelt sich kein Bedarf an längerfristiger Zielplanung. Nach Einführung operativer Controllingsysteme entwickelt sich aus dem regelmäßigen Nachsteuerungsbedarf auf Grund von „Ist-Plan-Abweichungen“190 zwangsläufig erst der Wunsch, Pläne längerfristig mit externen Daten zu fundieren. Also induziert das operative Controlling erst den strategischen Controllingbedarf. 2. Die Instrumente des operativen und strategischen Controllings unterscheiden sich deutlich, da beim ersteren bestimmte Unternehmensfaktoren ein Datum, d. h. betriebswirtschaftlich nicht im Betrachtungszeitraum veränderbare, gegebene Größe darstellen – beim strategischen Controlling dagegen selbst der Disposition unterworfen sind. So ist operativ z. B. der Unternehmensstandort Datum, strategisch dagegen nicht; er kann strategisch verändert werden. Bei der Umsetzung und Anwendung strategischer Instrumente ist aber das Vorhandensein operativer Zahlen Grundvoraussetzung.

Operative Instrumente

Strategische Instrumente

– Kosten- und Leistungsrechnung – Budgetierung – Investitionscontrolling inkl. Finanzierung – div. Kennzahlen – externer Jahresabschluß

– Konzept der strategischen Geschäftseinheiten (SGE-Konzept) – Konzept der Lernkurven – Unternehmensanalysen (SWOTAnalyse) – Portfolioanalysen – Wettbewerbsanalysen – Umfeldanalysen – Balanced Scorecard – Value-Based-Management

Abb. 5-13: Ausgewählte operative und strategische Controllinginstrumente

3. Die Häufigkeit operativer und strategischer Planungen unterscheidet sich deutlich. Während operative Ansätze Teil der Jahresplanung einschließlich unterjähriger Steuerungsprozesse sind und z. T. auch Routineentscheidungen auslösen, diese auch noch effizienter und zeitnah ablaufen müssen, so daß 190 Eine bekannte ironische Definition lautet: Planung ist die Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum. Hierbei wird allerdings nicht berücksichtigt, daß auch der Irrtum dauerhaft frustrierend ist, man möchte Irrtümer reduzieren, also planmäßiger vorgehen.

Abschn. 5: Controlling

213

Informationen kurzfristig verfügbar sind, sind strategische Planungsprozesse sehr zeitaufwendige Projekte. Nach den hier vorgetragenen Erfahrungen werden die wenigsten Unternehmen Zehnjahresrhythmen für komplette Neuplanungen unterschreiten und nur alle 3–5 Jahre Anpassungen der Ursprungsstrategien vornehmen. 4. Der strategische Controllingansatz mit dem Ziel der langfristigen Existenzsicherung ist im Schwerpunkt ein Marketingansatz. Ein Unternehmen sichert nur dann seine Existenz, wenn es auch in der Zukunft Probleme seiner dann zukünftigen Kunden nachhaltig löst, d. h. beim strategischen Controlling geht es tatsächlich darum, zukünftige Märkte zu prognostizieren, ggf. mit unterschiedlichen Szenarien, und das Unternehmen im Hinblick auf diese Märkte auszurichten. Als die Verfasser Anfang der neunziger Jahre, nur 2–3 Jahre nach der gerade damals recht mühsamen Verankerung operativen Controllings, mit der Idee einer strategischen Planung sowohl im eigenen Unternehmen als auch in der Öffentlichkeit auftraten, ernteten sie sowohl im eigenen Unternehmen als auch bei den Mitarbeitern überwiegend Unverständnis191. Die Argumente reichten von der Behauptung Aktionismus bis hin zur Behauptung der nicht Realisierbarkeit strategischer Planungen wegen fehlender Zukunftsdaten. Aktionismus war allerdings bereits vorher in der Managementfunktion feststellbar, da im fast wöchentlichen Rhythmus Mitarbeiter neue Ideen vortrugen, „was man mal tun müßte und wo mit welcher Investition man sich unbedingt engagieren sollte“. Der Hinweis, daß bereits heute alle Entscheidungen konfessioneller Sozialleistungsunternehmen erhebliche Zukunftswirkungen entwickeln, löste dann strategische Überlegungen aus. So werden ja Personalentscheidungen – z. B. bei Einstellungen möchten Unternehmen ihre Leistungsträger langfristig an das Haus binden – für zukünftige Märkte getroffen. Analoges gilt für die Gebäudeinvestitionsentscheidungen, deren Nachwirkungen deutlich über die nächsten zwanzig Jahre hinausreichen. Die Notwendigkeit strategischer Planung und ihre Vernetzung mit der operativen Planung wurde dringlich, und der Dringlichkeitsbedarf löste viele Argumentationsprobleme. Allen Beteiligten war hierbei klar, daß dabei die rollierenden operativen Planungen mit der jeweils aktuellen strategischen Planung kompatibel sein müßten. Außerdem wurde jetzt der Aktionismus begrenzt, da nur noch die Projekte verfolgt wurden, die Teil der Strategie waren. Gut begründete Strategien zu widerlegen, ist aber schwierig. Zusammenfassend kann festgestellt werden: Strategisches Controlling resp. Strategische Planung ist im Kern ein Marketingansatz, der zielorientiert mit speziellen Verfahren Unternehmenskräfte bündeln soll und in die operativen Pläne Eingang

191 Eine Situation, die wiederum für erwerbswirtschaftliche Unternehmensleitungen vollkommen unverständlich war.

214

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

findet. Im Rahmen der Installation von Systemen steht dagegen am Anfang die Einführung des operativen Controllings, und dann folgt erst die strategische Planung. Hierbei ist auf einen häufig nicht beachteten strategischen Konzeptansatz hinzuweisen: Unternehmensorganisationen unterliegen dem Konzept der Lernkurven, wonach im Zeitablauf der benötigte Ressourceneinsatz bei gleichem Leistungsinhalt und vergleichbarer Menge sinkt. Dieses Konzept zwingt zu regelmäßigen prozentualen Kostensenkungsvorgaben von 3–5% p. a., bei z. B. gleichbleibendem Belegungsstand in einem Heim192. 2. Strategieplanung als Projekt193 Der folgende Projektablauf eines strategischen Planungs- und Umsetzungsprozesses ermöglicht Sozialleistungsunternehmen eine effiziente Vorgehensweise mit einem definierten Ergebniszeitpunkt. In der Vorphase strategischer Planung sind Belegschaften und Aufsichtsgremien sowie die Arbeitnehmervertretung durch die Unternehmensleitung über Ziel und Vorgehensweise zu informieren. Bei der Besetzung der Projektgruppe selbst haben sich auf Grund der Erfahrungen der Verfasser folgende Kriterien bewährt: 1. Vorphase In Abhängigkeit von der Unternehmensgröße werden maximal 10 Personen, von denen mindestens eine Person Mitglied der Unternehmensleitung sein muß, in die Projektgruppe berufen. Grundsätzlich sollten alle Mitglieder der Projektgruppe möglichst am Ende des strategischen Betrachtungszeitraumes planmäßig noch Mitglied des Unternehmens sein; sie sollten das von ihnen Geplante also noch im Unternehmen „erleben“. Den Mitarbeitern ist Freiraum für die Teilnahme einzuräumen und Gefühl für die Übernahme von Verantwortung und von Vertrauen in ihre Aufgaben zu vermitteln. Ein Zeitplan an Hand der folgenden Projektschritte ist als Zielvereinbarung festzulegen, ein Gruppenmoderator zu bestimmen und ggf. Personen zu definieren, die für einzelne Projektschritte Datenrecherchen betreiben. Wichtig ist es, den Vorausschau-Zeitraum der Planung mit der Unternehmensleitung abgestimmt festzulegen. Er richtet sich nach dem verfügbaren sog. ökonomischen Horizont, für den noch wirtschaftliche, gesellschaftliche und Marktdaten vorliegen. Nach den hier vorliegenden Erfahrungen sind Daten, die über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren hinausgehen, bereits mit hohen Unsicherheiten und Spekulationen verbunden, so daß für Sozialleistungsunternehmen

192 Vgl. hierzu u. a.: Horváth, S. 511 ff, Müller-Stewens/Lechner, S. 263 ff; Ziegenbein, S. 229 ff. 193 Vgl. Korte (1995/3), S. 184 ff.

Abschn. 5: Controlling

215

ein Zeitraum von etwa fünfzehn Jahren als ein angemessener strategischer Planungshorizont erscheint. 2. Definition der oder des Unternehmenserfolges und Ermittlung der Erfolgsfaktoren Die Erfahrungen zeigen, daß die Frage an Sozialleistungsunternehmen, „Wann sind sie erfolgreich?“ i. d. R. Überraschung auslöst. Der Hinweis, daß nur ein einheitliches Erfolgsbewußtsein sowie ein einheitlicher Erfolgswille zum Erfolg führen, bewirkt Verständnis für diesen Schritt. Hinsichtlich des oder der Erfolgsmaßstäbe sind die bekannten Anforderungen der Operationalität von Zielen zu beachten: Die Entscheidungsträger müssen durch geeignete Meß-Kriterien die Wirksamkeit ihrer getroffenen Entscheidungen überprüfen können. Formal bedeutet es, daß Zieleigenschaften, deren Zielmaßstäbe und deren Zielfunktionen zu definieren sind.194 Soweit diese Punkte gegeben sind, kann von Operationalität gesprochen werden. Bei den Erfolgsfaktoren, also den Faktoren, die erfolgreiches Handeln von Sozialleistungsunternehmen begünstigen, lassen sich folgende Faktorengruppen unterscheiden: • Attraktivität des Marktes (wachsender Markt, attraktive Deckungsbeiträge, überschaubarer Markt durch Konzentration auf Anbieter- und/oder Nachfragerseite, Veränderungen dieser Größen); • Relative Wettbewerbsposition (Stellung des Unternehmens – gegenüber Wettbewerbern im Hinblick auf Marktanteil, Standort, Ressourcen, Dienstleistungsangebot, Veränderungen dieser Größen); • Innovations- und Investitionsattraktivität (Kapazitätsauslastung, Modernität der Betriebsmittel, Investitionsrate, Produktivität der Mitarbeiter auf Grund der Betriebsmittelausstattung); • Kosten- und Leistungsattraktivität (Anzahl neuer Dienstleistungsangebote pro Jahr, prozentuale Kostensenkungen p. a., Forschungs- und Entwicklungsaufwand, Marketingaufwand in Relation zum Umsatz, Kapazität, Produktqualität, Veränderungen dieser Größen) • Unternehmensattraktivität (Goodwill des Unternehmens, Unternehmensgröße und -kultur, Diversifikationsgrad, Finanzkraft). Methodisch bietet sich für diese Phase die „Meta-Plan-Technik“ als Kreativitätsmethode an. Hierbei vollziehen die Teilnehmer der Projektgruppe ihren Meinungsbildungsprozeß im moderierten Diskurs und einigen sich auf die Erfolgs194 Also welcher Wert soll ggf. in welcher Richtung erreicht werden, z. B. Erfolg liegt dann vor, wenn die Auslastung von 95% bis zum Jahr 2010 auf 99% steigt, die Kosten um 5% gesenkt werden und das Betriebsergebnis positiv ist.

216

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

definition und die den Erfolg begründenden Faktoren mehrheitlich. Das Ergebnis ist zu dokumentieren, da es am Ende des Prozesses den dann getroffenen Aussagen gegenüberzustellen ist. 3. Definition strategischer Geschäftseinheiten – SGE’s195 Dieser Schritt ist erforderlich, soweit das Unternehmen über mehrere strategische Geschäftseinheiten196 verfügt. Ein strategisches Geschäftsfeld liegt dann vor, wenn das angebotene Dienstleistungsbündel auf einem gegenüber einem anderen SGE abgrenzbaren Teilmarkt197 für eine eigenständige Kundengruppe mit einer eigenständigen Wettbewerbssituation angeboten wird und eigenständige Marketingstrategien erfordert. In der Praxis sind die Abgrenzungen der SGE’s häufig schwierig und dann für die Projektgruppe eine definitorische „Tatfrage“. Sie dienen aber der Zerlegung des komplexen Problems der Strategieentwicklung für Teilmärkte in überschaubare Projektschritte. 4. Umweltanalyse/Umfeldanalyse Im Rahmen dieses Projektschrittes geht es darum, Szenarien hinsichtlich des zukünftigen Unternehmensumfeldes zu entwickeln, die z. B. in zehn bis fünfzehn Jahren Rahmendaten der Planung sind. Die Erfahrung zeigt hinsichtlich dieses Projektschrittes, daß moderierte Kreativitätsverfahren wie die Meta-PlanTechnik das Problembewußtsein hinsichtlich erheblicher aktueller Unwissenheit über die Zukunft aufzeigen, diese aber nur durch eine zeitaufwendige Recherche geschlossen werden können und müssen. Die Recherche ist um der Motivation und der zeitlichen Straffung des Gesamtprojektes willen regelmäßig parallel zu den Folgeschritten fortzusetzen. Als zweckmäßig hat sich erwiesen, pro strategischem Geschäftsfeld eine im Hinblick auf folgende Kriterien gegliederte Umfeldanalyse mit einem Prognosezeitraum von fünfzehn Jahren vorzunehmen:

195

Zu Zukunftsprognosen vgl. u. a.: Opaschowski. In älteren Veröffentlichungen der Verfasser wurde noch von „strategischen Diakonieeinheiten (SDE)“ gesprochen. Anfang der neunziger Jahre war bei diakonischen Sozialleistungsunternehmen der Begriff Geschäftsfeld derartig unpopulär, daß mit Hilfe einer damals geeigneteren Begriffswahl zunächst unnötige Widerstände abgebaut werden mußten. 197 So sind sicherlich die Teilmärkte für Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe, Krankenhausbetrieb usw. verhältnismäßig leicht abzugrenzen; aber bereits mit der Definition z. B. Armenhilfe oder Arbeits- und Beschäftigungsangebote ergeben sich unschwer erkennbar Überschneidungen, die nur typologisch und nicht klassifizierend lösbar sind. Hilfreich sind hierbei Checklisten, wobei dann eine Merkmalsmehrheit die typologische Zuordnung begründet. Vgl. Korte (1995/3), S. 185 f. 196

Abschn. 5: Controlling

217

Umfeldbedingungen in 15 Jahren 1. gesetzliche

– deutsche – europäische

2. ökonomische

3. Dienstleistungsangebote

– Volkswirtschaft – Arten – Verfahren – Märkte (Angebotsseite) – Branchen (Nachfrageseite)

4. Soziokulturelle Bedingungen der Gesellschaft – Verhalten – Werte – Erwartungen

5. Unternehmensanalyse Soweit keine ausreichende Unternehmensdokumentation hinsichtlich – Mitarbeiter (Anzahl, Qualifikation, Struktur), – Produkt- und Dienstleistungen, – Betriebsmittel, – Finanzdaten vorliegt, ist dieses im Rahmen des vierten Teilabschnittes zu veranlassen und allen Teilnehmern zur Verfügung zu stellen. 6. Stärken-Schwächen-Analyse (SWOT-Analyse198) Dieser wohl wichtigste und zeitaufwendigste Schritt ist die Stärken- und Schwächenanalyse, die im letzten Teilabschnitt wieder den Bogen zur Umweltanalyse schlägt und gemeinsam mit der Konkurrenzanalyse zu Grundstrategien und deren Umsetzung überleitet. Die Stärken-Schwächen-Analyse erfolgt in sechs Teilschritten, wobei auch hier im Rahmen der Projektgruppenarbeit die Methodik der Meta-Plan-Technik hilfreich ist: 1. Sammlung vergangener Erfolge 2. Sammlung vergangener Mißerfolge Bei diesem Teilschritt ist es häufig erforderlich, mögliche wechselseitige Schuldzuweisungen bei Mißerfolgen durch den Moderator zu unterbinden, da erst durch Mißerfolge Erfolge sichtbar und erreichbar werden. 3. Sammlung zukünftiger interner Stärken Eine interne Stärke liegt dann vor, wenn bereits zum Zeitpunkt der Analyse Unternehmensressourcen vorhanden sind, die im Hinblick auf den aus der Umweltanalyse sich ergebenden zukünftigen Markt existenzsichernde Ant198 SWOT: S = strength, W = weakness, O = opportunities, T = threats. Vgl. hierzu auch: Huch/Behme/Ohlendorf, S. 374 ff; Weber (2004), S. 511 f; Ziegenbein, S. 118 ff.

218

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

worten geben. Eine interne Stärke liegt nur dann vor, wenn sie nicht erst in der Folge geschaffen werden muß! Nur unter dieser strengen Annahme der SWOT-Analyse „macht dieser Teilschritt einen Sinn“. 4. Sammlung zukünftiger interner Schwächen Auch hier gilt es, die aktuellen Schwächen zu benennen, die im Abgleich zur Umfeldanalyse erkennbar sind, unabhängig davon, ob bereits Maßnahmen zu ihrer Beseitigung eingeleitet worden sind. Diese Analyse soll die Handlungslücke (= GAP) aktuell aufzeigen, um Entscheidungen zu initiieren. 5. Sammlung zukünftiger externer Chancen Mit diesem Schritt erfolgt systematisch endgültig eine Analyse der zukünftigen Marktbedingungen und Marktchancen, wobei der Moderator deutlich machen muß, daß jeder Markt seine eigenen und neuen Chancen besitzt, möglicherweise aber völlig andere. 6. Sammlung zukünftiger externer Risiken Überwiegend werden die Zukunftsrisiken aus fehlerhaften Prognosen mit den dann daraus abgeleiteten fehlerhaften Handlungsentscheidungen resultieren. Diesen ist in der Strategieplanung durch die Benennung von key-points, Zwischensteps und -analysen sowie Alternativplänen zu begegnen. Die Empfehlung ist, unmittelbar an die Stärken-Schwächen-Analyse eine Konkurrenzanalyse zur Strategievorbereitung anzuschließen, damit die im zweiten Schritt definierten Erfolgsfaktoren im Hinblick auf ihre notwendige Übereinstimmung mit den sog. Schlüsselfaktoren der Konkurrenzanalyse überprüft werden können. Falls diese nicht grundsätzlich übereinstimmen, sind die Abweichungen durch die Projektgruppe zu klären.199 Die Konkurrenzanalyse erfolgt damit ebenfalls in Teilschritten: 1. Sammlung von Schlüsselfaktoren durch die Projektgruppe, die Wettbewerbsvorteile in dem strategischen Geschäftsfeld gegenüber Mitbewerbern bewirken. Schlüsselfaktoren bilden damit den Ansatz der Umsetzung operativer Strategien. Zur Erläuterung kann durch Moderation eine mögliche, nicht abschließende checklistenartige Übersicht von Schlüsselfaktoren verwendet werden, wie sie in nachfolgender Abbildung 5-14 dargestellt ist. 2. Gewichtung der Schlüsselfaktoren durch die Projektgruppe und Auswahl z. B. der fünf wichtigsten Faktoren. 3. Auswahl und Beschreibung wichtiger Mitbewerber. Erfahrungen aus Projektmoderationen zeigen, daß bei den konfessionellen Sozialleistungsunterneh199 Zur Konkurrenzanalyse vgl. u. a.: Huch/Behme/Ohlendorf, S. 414; Korte (1977), S. 155 ff; Schröder, S. 568 ff; Weber (2004), S. 84 ff; Ziegenbein, S. 118 ff.

Abschn. 5: Controlling

219

1. Marktfaktoren: – Marke + Markenkompetenz – Marktanteil (absahnt und relativ) – Marktwachstum und Unternehmensanteil am Wachstum – Ansehen/Kompetenz beim Nachfrager und Absatzmittler – Innovationskraft/Forschung + Entwicklung 2. Absatzorganisation/Distribution – Kapazitäten und Kompetenz – Standorte – Mitarbeitermotivation, Mitunternehmen 3. Unternehmenskompetenz – Flexibilität – Controlling – Finanzkraft – Qualitätssicherung – Führungs- und Managementkompetenz – Kosten-/Leistungsstruktur/-attraktivität Abb. 5-14: Auswahl von Schlüsselfaktoren

men überwiegend nur geringe Kenntnisse über Mitbewerber vorliegen. Z. B. im Altenheimbereich, bei dem es möglicherweise nur eine überschaubare Anzahl von Mitbewerbern gibt, lagen nicht einmal Kenntnisse über Preise, Leistungen, Zimmerausstattungen, also über legal beschaffbare „harte Faktoren“, vor – eine Situation, die mit dem historisch gewachsenen mangelnden Wettbewerbsbewußtsein erklärbar ist und im völligen Gegensatz zum erwerbswirtschaftlichen Verhalten steht. 4. Einschätzung des eigenen Unternehmens im Vergleich zum Mitbewerber durch Punktbewertung in einem Wettbewerbsprofil und Auswertung der Einschätzung. Erkennbar ist, daß grundsätzlich dort vorrangig Handlungsbedarf besteht, wo der Wettbewerber Vorteile gegenüber dem eigenen Unternehmen besitzt, wobei die Aussagen der Umfeldanalyse im Hinblick auf die Zukunftsentwicklung zu berücksichtigen sind.

220

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Schlüsselfaktor

Stellung im Vergleich zu Mitbewerbern: XXX besser schlechter +3 +2 +1 –1 –2 –3 0

– Marktanteil

x

– Innovationskraft

x

– Marke – Finanzkraft

x x

– Führungskompetenz – kann nicht beurteilt werden

Abb. 5-15: Wettbewerbsprofil

An die mit der Konkurrenzanalyse abgeschlossene Stärken-Schwächen-Analyse schließt sich die Festlegung von Grundstrategien und Einzelmaßnahmen an, wie die Abbildung 5-16 verdeutlicht. 3. Portfolio-Analyse200 Als Beschreibungs- resp. Entscheidungsmodelle stellen Portfolio-Analysen im Rahmen strategischer Planungen Hilfsmittel dar, mit denen das bestehende Produkt- bzw. Geschäftsfeld – Portfolio optimiert werden soll. Von den drei unterschiedlichen Ansätzen werden hier nur das Modell der Boston-ConsultingGroup (BCG) bzw. der MC-Kinsey-Group dargestellt. Der Lebenszyklusansatz von A. D. Little besitzt als strategisches Entscheidungsinstrument nur eine geringe praktische Relevanz für Sozialleistungsunternehmen: 1. Das Lebenszyklusmodell ist bereits für die Erwerbswirtschaft schon weniger ein „ex-ante-“, sondern eher ein „ex-post-Modell“, d. h. die Definition des augenblicklichen Standes im Produktlebenszyklus ist möglicherweise in der Rückschau, i. a. aber nicht im Augenblick für die Zukunft möglich. So wäre es durchaus für z. B. Beiersdorf interessant zu wissen, an welcher Stelle des Lebenszyklus sich die inzwischen zur Dachmarke entwickelte Marke Nivea befindet; ebenso könnte Volkswagen kaum die Frage beantworten, wo sich der „Golf“ befindet. 2. Wenn die Beantwortung dieser Frage aber bei den o. g. Produkt-Marken nicht möglich ist, so scheidet dies auch für z. B. die Lebenszyklusdefinition der Altenhilfedienstleistung oder Behindertenhilfe usw. aus, da bei diesen im

200 Vgl. Huch/Behme/Ohlendorf, S. 385 ff; Korte (2005/3), S. 187 ff; Schröder, S. 264 ff; Staehle, S. 603 ff; Weber (2004), S. 517 ff; Ziegenbein, S. 199 ff.

Abschn. 5: Controlling

221

Projektplan systematischer/strategischer Unternehmensplanung Spätester Projektschritt Reklamationstermin

Verantwortlicher

31.01. . . .

Vorstand/ Geschäftsführer

1. Vorphase

– Benennung Projektgruppe – Information div. Gruppen – Definition Zeitraum 15.02. . . .

2. Erfolg und Erfolgsfaktoren

Leiter Projektgruppe

22.02. . . .

3. Festlegung der SGE’S

Leiter Projektgruppe

01.03. . . . bis Projektende

4. Umweltanalyse/Umfeldanalyse und Festlegung der Recherchenaufgaben. Ab sofort schriftlicher Zwischenbericht von A, B, C zu jeder Projektgruppensitzung

Leiter Projektgruppe A. B. C.

08.03. . . .

5. Unternehmensanalyse, Darstellung der SGE’S durch deren Leitungen

Vorstand + SGE-Leitungen

6. Stärken-Schwächen-Analyse

Leiter Projektgruppe N.N.

15.03–22.03. (Projektwoche)

– Ableitung von Strategieansätzen aus der Wettbewerbsanalyse – Verknüpfung der Teilergebnisse mit Umfeldanalyse, Ergebnissicherung

N.N.

7. Portfolio-Analyse und Festlegung von Grundstrategien für die SGE’s – Wachsen – Halten – Aussteigen

Leiter Projektgruppe

8. Erteilung von Aufträgen für Zwischenziele und Maßnahmen und Festlegung des Folgetermines und der Berichtsstruktur – Umfeldprognose – Strategische Zielposition nach 15 Jahren, 10 Jahren, 5 Jahren – Basisvoraussetzung und Maßnahmen – operative Überprüfung

SGE-Leitungen Personalwesen Zentralcontrolling

15.05.–17.05. 3-Tages-Klausur

9. Präsentation der SGE-Ergebnisse und Verabschiedung einer schriftlichen zusammenfassenden Gesamtstrategie mit operativen Maßnahmen der nächsten drei Jahre zur Gremien-Präsentation und ggf. deren Zustimmung

SGE-Leitungen Vorstand/ Geschäftsführung

? .........

10. Projektplan liegt vor und ist Grundlage der Operativplanung

Vorstand

? .........

Festlegung der 1. Strategischen Planrevision

Vorstand

15.03.–22.03. (Projektwoche)

Abb. 5-16: Projektplan strategischer Planung

222

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Gegensatz zu den Produktmarken per se keine klassischen Lebenszyklen abgrenzbar sind. Gemeinsam für den Vierfeld-Marktanteils-Marktwachstumsansatz von BCG und den Neunfeld-Wettbewerbs-Marktattraktivitätsansatz von MC-Kinsey ist, daß die Unternehmensdaten (dargestellt auf der X-Achse), in Relation zu Marktdaten (dargestellt auf der Y-Achse) gesetzt werden. Übereinstimmend für beide Ansätze ist auch, daß derartige grafische Darstellungen mit Zahlenmaterial für bestimmte Zeitabschnitte abgesichert werden müssen. Also Umsatz, Betriebsergebnis, Cash Flow, Personalkapazitäten, Investitionen müssen prognostiziert und durch eine Machbarkeitsstudie verifiziert werden, damit die PortfolioAnalyse nicht in eine „nette Spielerei“ ausartet. • Die Grundstruktur des Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio sieht wie folgt aus:

Soll-Portfolio 2022

C

D F

H

B Marktwachstum

B A

gering

Marktwachstum hoch

Ist-Portfolio 2007

G

C

A

E

E

hoch

gering Marktanteil

Marktanteil

Abb. 5-17: Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio

Grafisch werden damit erarbeitete Grundstrategien für bestimmte Geschäftsfelder entwickelt, bei denen z. B. beim Soll-Portfolio die SGE’s „F“ und „D“ nicht mehr angeboten werden, während „G“ und „H“ neu entwickelt wurden und „A“ der Ressourcen-Lieferant ist. Problematisch beim BCG-Ansatz sind: 1. Die Festlegung der Kreisgrößen der SGE’s, die ja Bedeutungsunterschiede signalisieren sollen. Gute Erfahrungen wurden hierbei mit Mehrfachmaßstäben gemacht, z. B. Platzzahl + Umsatz + cash flow zu je 1/3 in den Maßstab eingehen zu lassen.

Abschn. 5: Controlling

223

2. Die Beschränkung der strategischen Zuordnungen allein auf die Kriterien Marktanteil und Marktwachstum. • Der zeitlich später entwickelte, aber deutlich komplexere Neun-Feld-Ansatz von MC-Kinsey versucht, diesen Kritikpunkten zu begegnen und darüber hinaus sogenannte Normstrategien abzuleiten.

4

hoch

5

X M Zo itt ne elb d in er du ng

Marktattraktivität

7 1 mittel

X M Z itt on elf e re de ise r tzu ng

niedrig

2

6

8

X

3 9

niedrig

mittel

hoch

Relative Wettbewerbsvorteile 1, 2, 3 = Schrumpfungsstrategien (Aussteigen) 4, 5, 6 = Wachstumsstrategien (Wachsen) 7, 8, 9 = Selektionsstrategien (Halten)

Abb. 5-18: Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio (entnommen: Huch/Behme/Ohlendorf, S. 389)

Das Strategieteam geht bei der Strategieentwicklung mit dem MC-KinseyAnsatz wie folgt vor: 1. Definition der relevanten Kriterien für „Marktattraktivität“ und „relativer Wettbewerbsvorteil“: z. B. Marktattraktivität: – Marktgröße und -wachstum – Deckungsbeitrag – Abnehmerzahl und -kaufkraft

224

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

– Konkurrenzsituation – Abhängigkeit von der Gesetzgebung – Eintrittsbarrieren für neue Anbieter z. B. relativer Wettbewerbsvorteil: – relativer Marktanteil – Größe und Finanzkraft des Unternehmens in Relation zum Wettbewerb – Produktqualität Markenbedeutung, Innovationskraft. 2. Zuordnung der SGE’s zu den Matrixfeldern mit Hilfe eines Scoring-Ansatzes, bei dem die Projektgruppe Punktwerteinschätzung vornimmt:

Marktattraktivität Wertigkeit:

Relativer Wettbewerbsvorteil

niedrig mittel hoch niedrig mittel hoch 0–33 34–66 67–100 0–33 34–66 67–100

– Marktgröße

50

80

– rel. Marktanteil

80

– Finanzkraft

40

80

– Innovation

170

240

57

80

– Deckungsbeitrag – Abhängigkeit von der Gesetzgebung P Punkte 1 Punkte

:Wertigkeit

80

P

Punkte

1 Punkte

Abb. 5-19: Zuordnungsmatrix

3. Zuordnung in der Matrix, in diesem Fall dem Feld 6: d. h. als Normstrategie ergibt sich eine Wachstumsstrategie, bei der u. a.: – zu investieren ist, – die Gewinnbasis durch Nutzung der Preisführerschaft zu verbreitern ist, – die Leistungsangebote zu diversifizieren sind, usw. 4. Planung der Vorgabeziele für z. B. den in fünf, zehn, fünfzehn Jahren zu erreichenden Umsatz, die Platz- bzw. Fallzahl, den Deckungsbeitrag, CashFlow, also die typischen operativen Controllingziele und Umsetzung in Jahresplanungen.

Abschn. 5: Controlling

225

5. Regelmäßige Informationen der erreichten Teilziele und Veranlassung von Steuerungsmaßnahmen der Realisierungsprojekte und Einzelmaßnahmen im Sinne der o. g. strategischen Projektplanschritte 8., 9. und 10., gemäß Abbildung 5-16. 4. Balanced Scorecard201 Der Anfang der neunziger Jahre von Kaplan und Norton dargestellte Ansatz des Balanced Scorecard scheint derzeit für einige konfessionelle Unternehmen wie ein Zauberwort zu wirken: Balanced Scorecard hilft – so die Hoffnung –, die augenblickliche Krise vieler Unternehmen zu lösen. Die Frage ist, ob eine derartige Annahme Bestand haben wird. Zur Beantwortung soll zunächst das System kurz dargestellt und dann seine Möglichkeiten und Grenzen für konfessionelle Unternehmen aufgezeigt werden. Das Balanced Scorecard geht in seinem Grundgedanken von einem multidimensionalen, variablen Unternehmenszielsystem aus und entspricht damit den Erkenntnissen der Entscheidungstheorie aus den Jahren um 1960ff. Das monostatische Gewinnmaximierungsmodell, das fälschlicherweise für viele Vertreter von Sozialleistungsunternehmen immer noch als beherrschender Ansatz der BWL angesehen wird202, scheint damit explizit überwunden. Man glaubt, daß nun vier Zielgruppen: Kunde, Lern- und Entwicklungsperspektiven, interne Geschäftsprozesse, Finanzierungsperspektive gleichwertig nebeneinander stehen. Diese Annahme ist aber falsch, denn aus der Mischung von Leistungstreibern und der Erreichung von deren Teilzielen sollen die finanziellen Perspektivenkennzahlen, z. B. der Shareholder Value, letztendlich gegenüber der Ausgangssituation gesteigert werden. Bei den genannten vier Zielgruppen reklamieren viele Vertreter konfessioneller Sozialleitungsunternehmen das Fehlen einer fünften für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen, wie z. B. „christliche Werte“. Abgesehen davon, daß ein multidimensionales Zielsystem jederzeit erweiterungsfähig ist – dies ist eine Frage der Praktibilität –, gehören nach dem Verständnis von Kaplan/Norton derartige Gesichtspunkte unter die mitarbeiterbezogene Lern- und Entwicklungsperspektive und sind im Sinne des Balanced Scorecard „Leistungstreiber“. Diese Zuordnung ist auch konsequent, da christliche Werte, die in Sozialleistungsunternehmen nicht nur vertreten, sondern glaubhaft gelebt werden, tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil darstellen. 201 Vgl. hierzu u. a.: Baum/Coenenberg/Günther, S. 345 ff; Huch/Behme/Ohlendorf, S. 448 ff; Kaplan/Norton (1997), S. 7 ff; dieselben (2001), S. 21 ff; Morganski, S. 9 ff; Schröder, S. 748 ff; Weber (2005), S. 135 ff; Weber/Schäfer (2000), S. 17 ff; Ziegenbein, S. 383 ff. 202 Tatsächlich wurde er aber von der Volkswirtschaftslehre entwickelt.

226

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Das Balanced Scorecard ist als strategischer Ansatz in seinen vier Zieldimensionen zukunftsgerichtet mit einer langfristigen Perspektive. Erst durch umgesetzte Maßnahmen werden Zielverbesserungen erreicht. Damit wird auch ein weiterer Irrtum angesprochen: Auch durch Balanced Scorecard als Systematisierungsansatz wird keines der aktuellen Probleme konfessioneller Sozialleistungsunternehmen wie z. B: negative Betriebsergebnisse, keine finanziellen Mittel für Investitionen, unzufriedene Mitarbeiter wegen Gehaltskürzungen, gelöst. Voraussetzung der Problemlösung ist eine systematische Benennung anspruchsvoller operativer Teilziele für die Zukunft, ausgerichtet an zukünftigen Kundenbedürfnissen und deren schrittweise und beharrliche, Widerstände überwindende Umsetzung. Bei allen Projekten – gleichgültig, ob Erwerbswirtschaft oder konfessionelle Unternehmen – ist die Umsetzung die Achillesferse, da hierfür bestimmte Managertypen – die klassischen Prozeßpromotoren – gefragt sind. Diese Aussage soll mit der kurzen, abrißartigen Darstellung des BSC-Modells beispielhaft belegt werden:203 Im Rahmen einer strategischen Zielsetzung war u. a. festgelegt worden: • Für 2020 soll die SGE wachsen und einen Umsatz von X Mio. A erreicht haben; • Das Unternehmen soll weiterhin unabhängig sein; • Die Kundenbindung soll erhöht, die Marktstellung verbessert werden; • Das Unternehmen soll als konfessionelles Unternehmen dem Kunden gemäß der Goldenen Regel begegnen usw.

203

Vgl. hierzu auch Schröder, S. 750 ff; Weber (2004), S. 605 ff.

„Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?“

en en en hm hl na za ab rg aß nn M Ke Vo

Lernen und Entwicklung

Visionen und Strategien

„In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?“

en en en hm hl na za ab rg aß nn o e M K V

Interne Geschäftsprozesse

Abb. 5-20: Die Balanced Scorecard bildet den Rahmen zur Umsetzung einer Strategie in operative Größen (entnommen: Kaplan/Norton (1997), S. 9)

Quelle: Robert S. Kaplan und David P. Norton, „Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System“, Harvard Business Review (January–February 1996): 76. Reprinted with permission.

„Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?

en en hl za ab aß rg nn M Ke Vo

en hm na

Kunde

„Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziell Erfolg zu haben?“

Zi ele

Zi ele

Zi ele

Finanziell

Zi ele

en en en hm hl na za ab aß rg nn M Ke Vo

Abschn. 5: Controlling 227

228

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Durch diese Auswahl formulierter strategischer Ziele sind zwei der vier Perspektiven berührt: 1. Kundenperspektive Zielsetzung

Beurteilungskriterien

Maßnahmen

Überprüfung des Grades der Zielerfüllung

Erhöhung der Kundenbindung

– Kundenbefragung

Entwicklung von Befragungen und Festlegung der Zeitpunkte

nach 3 Monaten

Verbesserung des Reklamationsmanagements

nach 3 Monaten

Einführung EFQM

nach 12 Monaten

Entwicklung von Markendienstleistungen

nach 24 Monaten

– Angehörigenbefragung – Fluktuationsrate

Verbesserung der Marktstellung

– Konkurrenzanalyse

Umgang mit dem Hilfesuchenden

– Marktanteilsanalyse

Schulung der Mitarbeiter durch z. B. professionelle – Befragungen/ Beobachtungen Verkaufstrainer

nach 24 Monaten

Balanced Scorecard als Verfahren mit den vier Zielperspektiven löst keine Unternehmenskrise automatisch. Es ist eine Systematisierungshilfe. Es zwingt zum schrittweisen Abarbeiten von Problemen und funktioniert damit wie bei allen Systemen nur, wenn das Management einen entsprechenden Gestaltungswillen hat und ggf. systematisch zur Abarbeitung von Teilprojekten gezwungen ist. Daraus erklärt sich auch der große Erfolg zahlreicher Beratungsprozesse. Ihr Auftreten im Unternehmen und ihr konsequentes und professionelles „Druck machen“ auf die Entscheidungsträger, ggf. mit Hilfe der sie beauftragenden Aufsichtsgremien, überwinden Lethargien vieler Managementabläufe.

Abschn. 5: Controlling

229

2. Finanzielle Perspektive Zielsetzung

Beurteilungskriterien

Maßnahmen

Überprüfung des Grades der Zielerfüllung

Umsatzwachstum

Uto zu Utn

– neue Märkte

⎫ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎬ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎭

– Belegungsverbesserung – Durchsetzung hoher Entgelte – Marketingkonzept überarbeiten Unabhängigkeit

Cash Flow

– Steigerung des Betriebsergebnisses

quartalsweise

Quartalsweise durch Deckungsbeitragsrealisierung

12 Monate – Abschreibungen sind auf kalkulatorische umzustellen und in Entgelten durchzusetzen – Senkung der Kosten 12 Monate um x% p. a. durch Rationalsierung (gesonderte Projektpläne)

5. Wertorientiertes Controlling204 Traditionelle aus Buchwerten gewonnene Controllingkennzahlen unterliegen in jüngerer Zeit bezüglich ihrer Aussagen über die Unternehmenszukunft der Kritik. Sowohl Wissenschaft als auch führende Unternehmensberatungen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Varianten von Steuerungsansätzen entwickelt, die unter den Begriffen „wertorientiertes Controlling“, „Value Based Management“ oder „Shareholder Value“ Konzept in der Fachliteratur dargestellt werden und als unternehmensbezogene Kennzahlen in vielfältiger Weise in den erwerbswirtschaftlichen Unternehmen verankert wurden. Insbesondere das Stichwort „Shareholder Value“ löste auf interessierter Seite – also bei anderen Stakeholdern als den Anteilseignern resp. Shareholdern – erschreckend polemische Attacken aus, wobei der Verdacht aufkommt, daß die Kritiker ohne 204 Vgl. hierzu auch: Baum/Coenenberg/Günther, S. 256 ff; Rappaport, S 15 ff; Schröder, S. 593 ff; Weber (2005), S. 175 ff; Wöhe/Döring, S. 22 ff.

230

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

Kenntnis der Konzepte rein verteilungspolitisch argumentieren. Der folgende Beitrag soll daher zum einen die Grundideen der Konzepte erklären und zum anderen Chancen für die kennzahlenorientierte Zukunftssicherung von konfessionellen Sozialleistungsunternehmen aufzeigen. Die Verfasser sind sich hierbei durchaus bewußt, daß ähnliche brisante, heute wahrscheinlich belächelte Diskussionen ausgelöst werden können wie die Stichworte „Controlling, Management, Kunde“ Anfang der neunziger Jahre. Der Beitrag gliedert sich in folgende Teile: 1. Überlegungen zum Shareholder in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen; 2. Nutzen einer wertorientierten Kennzahl; 3. Free Cash Flow und WACC; 4. Kapitalwert/ökonomischer Gewinn-Ansatz und rentabilitätsorientierter/interner Zinsfuß-Ansatz; 5. Fazit. Zu 1.: Überlegungen zum Shareholder in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen Hier lautet die Frage, wer ist Anteilseigner eines konfessionellen Sozialleistungsunternehmen, welches grundsätzlich als solches steuerlich als gemeinnützig anerkannt sein muß? Zu unterscheiden ist hierbei zwischen den Rechtsformen eingetragener Verein (e.V.) und Stiftung einerseits und Kapitalgesellschaften, insbesondere der GmbH205 andererseits. Beim Verein und der Stiftung sind in konfessionellen Unternehmen keinesfalls die Vereinsmitglieder 206 und deren Organe: Vorstand/Stiftungsvorstand/Stiftungsrat „Eigentümer“ der juristischen Person. Sie haben eine ideelle Vertretungsfunktion der Personen, für die diese Institution errichtet wurde, z. B. in der Wohnungslosenhilfe für von „Not-Betroffene“ augenblicklicher und zukünftiger Personen. Analoges gilt – und noch ausgeprägter – für die Stiftung, bei der die natürlichen Personen als Organvertreter gesetzlich verpflichtet sind und unter staatlicher resp. kirchlicher Aufsicht angehalten sind, das Vermögen im Sinne des Stiftungszweckes zu erhalten und zu mehren. Sie sind Erfüllungsgehilfen und nicht Eigentümer und müssen damit interessiert sein, Zukunftserfolgswertkennzahlen zu erhalten. Bei den Kapitalge205 Die Rechtsform gGmbH gibt es eigentlich nicht! Hier werden zwei voneinander unabhängige Rechtsgebiete miteinander verknüpft, ohne daß dies vom Gesetzgeber vorgesehen war: Es gibt nur ein GmbH-Gesetz, und die steuerliche Gemeinnützigkeit gemäß Abgabenordnung unterliegt der regelmäßigen Nachprüfung, ohne daß dadurch die GmbH per se in Frage gestellt wird. Vgl. hierzu auch Abschnitt 6, Kapitel I.1. 206 In einem z. B. Sportverein ist dies allerdings anders. Hier sind die Vereinsmitglieder Eigentümer zur „gesamten Hand“.

Abschn. 5: Controlling

231

sellschaften sind die Gesellschafter Eigentümer der Gesellschaft. Da aber in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen die Gesellschafter selbst wiederum grundsätzlich gemeinnützige e. V.’s oder Stiftungen sind, gilt wiederum das bereits oben Dargestellte. Zu 2.: Nutzen einer wertorientierten Kennzahl Der Nutzen einer wertorientierten Kennzahl ergibt sich bei sog. gemeinnützigen Unternehmen aus den steuerlichen Vorgaben, wonach keine Mittel für Anteilseigner ausgeschüttet werden dürfen, sondern im Sinne einer zeitnahen Mittelverwendung wieder dem satzungsmäßigen Unternehmenszweck zugeführt werden müssen. Die durch Kennzahlen abzubildende, zu erwartende Existenzsicherung – also die Nachhaltigkeit bei hoher Effizienz – kommt bei diesen Unternehmen voll der die Gemeinnützigkeit begründenden Zielgruppe zu. Eine Ablehnung eines wie auch immer betriebswirtschaftlich diskutierten und in Kennzahlen dargestellten Shareholder-Konzeptes bleibt damit das Geheimnis der Ablehnenden. Im Vergleich zum Balanced-Scorecard-Konzept oder dem im Rahmen des Marketing dargestellten EFQM-Ansatzes, bei denen Schwachstellen, Zielgrößen und Maßnahmen aufgezeigt werden, deren Realisierung durch Projektpläne erst umgesetzt werden muß, zeigen die wertorientierten Konzepte die nach einer Realisierung erwarteten Zielgrößen auf, die ggf. verbindlich zu vereinbaren sind. Als solches sind sie deutlich stärker zukunftsorientiert, weil sie vereinfacht ausgedrückt nicht vom „man müßte mal tun“-Gedanken, sondern „wir werden durch unser Tun das und das erreichen“-Gedanken getragen sind. Im Vergleich zu den traditionellen rechnungswesen-basierenden operativen Kennzahlen und im Vergleich zum ROI-Modell207 sind sie stärker zukunftsbezogen. Im Vergleich zum Rating-Ansatz als externer Beurteilung sind wertorientierte Kennzahlen im wesentlichen intern ermittelte Kennzahlen im Sinne des Gedankens der Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung bzw. Unternehmensbewertung. Voraussetzung der beiden grundsätzlich zu unterscheidenden Shareholder Value Konzepte sind die Kenntnis des Free Cash Flows sowie der Kalkulationszinsfuß bzw. Kapitalkostensatz. Exkurs: Das vom Chemiekonzern DU Pont bereits 1919 entwickelte wertorientierte Kennzahlensystem soll Ursache-Wirkungszusammenhänge eines Industriebetriebes aufzeigen: Welche wertmäßigen Größen/Faktoren (rechte Seite der Abbildung 5/21 bzw. 5/22) beeinflussen, wie die Kennzahlen Kapitelumschlag U G bzw. Umsatzgewinnrate (Umsatzrentabilität) oder zusammengefaßt K

U

U K

207

Vgl. Abbildung 5-21.



G U

ˆ

G K

ˆ Kapitalrentabilität .

232

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis Gesamtumsatz minus Neutrales Ergebnis

Erlösschmälerungen Leistung

Gewinn

plus/minus Bestandsveränderungen

plus

plus Betriebsergebnis Umsatzgewinnrate in % G U

dividiert

minus

plus

Einzelkosten Kosten

Fremdkapitalzinsen Rentabilität in % des eingesetzten Kapitals (ROI) G K

multipliziert

And. akt. Eigenleistungen

plus Gemeinkosten

Gesamtumsatz Vorräte

plus

Roh-, Hilfsu. Betriebsstoffe plus Unfertige Erzeugnisse

Forderungen

dividiert

plus Working Capital

Kapitalumschlag U K

plus Flüssige Mittel

Eingesetztes Kapital

plus

minus

Abzugskapital Anlagevermögen

Fertige Erzeugnisse

Erhaltene Zahlungen plus Sonst. zinslose Verbindlichkeiten

Abb. 5-21: ROI-Konzept von I. E. Dupont de Nemours. Die Verkürzung auf ROI = G/U x U/K ist damit irreführend, da es sich bei dem ROI-Ansatz um die Ermittlung der Einflußfaktoren auf die Kapitalrendite handelt (nach: Horváth, S. 547; Wöhe/Döring, S. 242; Horváth & Partners, S. 259; vgl. auch Reichmann (2006), S. 25).

Abschn. 5: Controlling

233

Zwei Fragen ergeben sich für ein konfessionelles Sozialleistungsunternehmen: 1. Kann eine Industriekennzahl auf ein Dienstleistungsunternehmen der „Sozialbranche“ übertragen werden? 2. Besitzt die ROI-Kennzahl überhaupt Relevanz, wenn die Beachtung konfessioneller Ethik eine einzuhaltende Rahmenbedingung ist? Zu 1. Die Frage soll für das Beispiel eines stationären Altenheimes beantwortet werden. Die Ursache-Wirkungsabhängigkeiten können wie in Abbildung 5-22 dargestellt werden: – Der Gesamtumsatz ist das Ergebnis aus belegten Heimplätzen multipliziert mit dem vom „Kostenträger“ genehmigten Tagessatz.208 Andere Größen des Tableaus existieren bei einem Dienstleistungsunternehmen grundsätzlich nicht, so daß damit auch die Leistung bestimmt ist. – Die Kosten sind die Summe vor allem der Gemeinkosten, wie z. B. Personalkosten, insbesondere Gebäudeabschreibungen, Instandhaltungen und Energiekosten. Seltener sind es Einzelkosten, die einer Leistungseinheit direkt zurechenbar sind. – Aus Leistung minus Kosten ergibt sich das Betriebsergebnis. – Das neutrale Ergebnis könnten z. B. Erträge aus Vermögensverwaltung sein, die Fremdkapitalzinsen fallen z. B. für Grundschulden an. – Für einen Dienstleister im Altenhilfebereich besteht damit das Working Capital im wesentlichen aus Forderungen gegenüber „Kostenträgern“ oder auch gegenüber Heimbewohnern. – Das Anlagevermögen setzt sich überwiegend aus Grundstücken und Gebäuden der Heime ggf. Betriebs- und Geschäftsausstattung zusammen. Mit dem Anlagevermögen und dem Working Capital ist das Eingesetzte Kapital festgelegt. Für den Leser leicht einsichtig sind damit für ein stationäres Altenheim alle relevanten Ursache-Wirkungszusammenhänge transparent. Zu 2.: Folgt man dem Opportunitätsgedanken auch für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen, so besitzen die ROI-Kennzahlen auch grundsätzlich Relevanz für Sozialleistungsunternehmen. Ihr zu folgen erscheint dringend geboten, da die Verfolgung derartiger Kennzahlen im Wettbewerb auch zu einem „wettbewerbseffizienten“ Mitteleinsatz führen. Soweit es sich um Gemeinnützige Un208 Grundsätzlich handelt es sich in der stationären Altenhilfe um ein „Preisregulierten Markt“.

234

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis Gesamtumsatz minus Neutrales Ergebnis

Erlösschmälerungen Leistung

Gewinn

plus/minus Bestandsveränderungen

plus

plus Betriebsergebnis Umsatzgewinnrate in % G U

dividiert

minus

plus

Einzelkosten Kosten

Fremdkapitalzinsen Rentabilität in % des eingesetzten Kapitals (ROI) G K

multipliziert

And. akt. Eigenleistungen

plus Gemeinkosten

Gesamtumsatz Vorräte

plus

Roh-, Hilfsu. Betriebsstoffe plus Unfertige Erzeugnisse

Forderungen

dividiert

plus Working Capital

Kapitalumschlag U K

plus Flüssige Mittel

Eingesetztes Kapital

plus

minus Abzugskapital

Anlagevermögen

Fertige Erzeugnisse

Erhaltene Zahlungen plus Sonst. zinslose Verbindlichkeiten

Abb. 5-22: Anwendungsbeispiel des ROI-Konzeptes auf ein Sozialleistungsunternehmen der stationären Altenhilfe

Abschn. 5: Controlling

235

ternehmen handelt, dienen auf Grund der zeitnahen Mittelverwendung die mit dieser Strategie erzielten „Effizienzgewinne“ grundsätzlich den Kunden; ineffizientes Verhalten schadet ihm dagegen. Auch freie, also nicht gemeinnützige Anwender müssen sich dem Effizienzwettbewerb zu Gunsten ihrer Nachfrager stellen, andernfalls werden sie vom Markt verdrängt. Damit wird auch an dieser Stelle noch einmal betont, daß ein effizienter Mitteleinsatz ein ethisches Gebot ist, wobei auf Sozialleistungsmärkten mit ihren häufigen Monopol- und Oligopolstrukturen, Preiskontrollen (Festlegung der Entgelte durch die Kostenträger) und Leistungskontrollen durch die Aufsichtsbehörden, mögliche Machtmißbräuche seitens der Sozialleistungsunternehmen eingeschränkt werden oder sein sollten. Die o. g. zwei Fragen lassen sich damit zusammenfassend wie folgt beantworten: Die ROI-Kennzahl ist grundsätzlich auf konfessionelle Sozialleistungsunternehmen übertragbar, vor allem, wenn, wie durch die Verfasser in dieser Darstellung geschehen, der Wettbewerb der Sozialleistungsanbieter um den Nachfrager als ein wichtiges ethisches Element angesehen wird. Für ein gemeinnütziges Sozialleistungsunternehmen kann der Free Cash Flow wie folgt ermittelt werden: Betriebsergebnis vor Zinsen

(BE)

+

kalkulatorische Abschreibungen

(kA)

+/–

Rückstellungen

(Rü)

=

Brutto Cash Flow

+/–

geplante Veränderung Anlagevermögen

(BCF) 209

(AV) 210

+/–

geplante Veränderungen Umlaufvermögen



Kredittilgungen

(KT)



Zinszahlungen für Fremdkapital

(ZFK)

=

Free Cash Flow

(FCF)

(UV)

Es ist unschwer erkennbar, daß damit der Free Cash Flow von Sozialleistungsunternehmen der Betrag ist, der für strategische Dispositionen im Hinblick auf satzungsmäßige Zwecke zur Verfügung steht. Strategisch sind hierfür Zeitreihenanalysen anzufertigen, z. B. nach folgendem Muster:

209 210

Hierbei sollten die Ersatzinvestitionen erfaßt werden! Umlaufvermögensänderungen aus Ersatzinvestitionen.

236

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

2006

2007

2008

2009

2010

kumuliert 2011–2015

kumuliert 2016–2020

BE + kA +/– Rü = +/– +/– – –

BCF AB UV KT ZFK

=

FCF Abb. 5-23: Aufbau einer Zeitreihenanalyse

Zur Ermittlung eines Shareholder Values sind die kalkulatorischen Zinsen festzulegen, mit dem der Free Cash Flow (FCF) zu diskontieren ist (Kapitalwertkonzept) oder dem der interne Zinsfuß gegenüberzustellen ist. Der Kalkulationszinssatz ist ein Opportunitätszinssatz, der insbesondere auch die zu erbringenden Kreditkosten berücksichtigt. Der Kalkulationszinssatz wird als arithmetischer Mittelwert iG (Weighted average lost of capital (WACC)) wie folgt ermittelt und als für die Zukunft konstant angenommen.

iG ˆ iE  Mit iE iF

EK FK ‡ iF  GK GK

= gewünschter Eigenkapitalkostensatz als Mindestverzinsung211 = Fremdkapitalkostensatz (langfristig)

EK = Eigenkapital FK = Fremdkapital Abb. 5-24: Ermittlung des Diskontierungszinssatzes

Zwei grundsätzlich zu unterscheidende Ansätze des Shareholder Value Konzeptes werden in der Praxis angewendet:

211 Vgl. hierzu die Überlegungen zum kalkulatorischen Zinssatz in Abschnitt 5, Kapitel II.4.

Abschn. 5: Controlling

237

1. Konzept des ökonomischen Gewinns oder Kapitalwertkonzept212. Als Beispiel werden hier das Discounted Cash Flow Konzept (DCF) und das EVAKonzept dargestellt. Beim DCF-Ansatz werden die Free Cash Flows (FCF) pro Periode diskontiert und hiervon das Fremdkapital zum jeweiligen Marktwert abgezogen. Die Summe dieser Einzelwerte über die (unendliche) Lebensdauer des Sozialleistungsunternehmens ergibt den aktuellen Eigenkapitalwert gemäß der DCF-Methode. EKM ˆ

1 X tˆ1

FCFt …1 ‡ WACC†t

EKM

=

Eigenkapitalwert

FCFt

=

Free Cash Flow zum Zeitpunkt t

=

Diskontierungsfaktor

=

Marktwert des Fremdkapitals in t

1 …1‡WACC†t

FKtM

1 iG

FKtM

in t

Der Eigenkapitalwert EKM kann als anzustrebende Zielgröße mit der Leitung eines Sozialleistungsunternehmens vereinbart werden. • Der Economie-Value-added (EVA) ist der Überschuß, den das Sozialleistungsunternehmen erwirtschaftet hat, nachdem die Substanzerhaltung, kalkulatorische Zinsen und notwendige Produkt- und Mitarbeiterentwicklungen berücksichtigt sind. Dieser über die Zielgröße „nachhaltig ausgeglichenes Betriebsergebnis“ zu erwirtschaftende Gewinn pro Periode diskontiert mit dem WACC auf den aktuellen Bezugszeitpunkt t0 , stellt den Wert des Sozialleistungsunternehmens dar. Er zeigt auf, ob sich Leitung und Mitarbeiter wertschaffend für Bewohner und Hilfesuchende verhalten haben. Er kann als strategische Zielgröße vereinbart werden. Darüber hinaus kann er für Aufsichtsgremien auch durch Wirtschaftsprüfer im Rahmen von Risikoanalysen testiert werden.

EVABW ˆ

n X tˆ1

BERtN

=

EVABW =

BERtN 

1 …1 ‡ WACC†t

nachhaltiges Betriebsergebnis zum Zeitpunkt t mit z. B. t von 2006 bis n = 2020 Barwert der EVAt

Abb. 5-25: Barwertermittlung des EVA im Rahmen von Langzeitanalysen213 212 Eine Übersicht der Konzepte findet sich u. a.: Baum/Coenenberg/Günther, S. 264; Freidank/Mayer, S. 143 ff und S. 274 ff; Huch/Behme/Ohlendorf, S. 304 ff; Küting/Weber, S. 417 ff; Schröder, S. 619 ff; Weber (2004), S. 248 ff; derselbe (2005), S. 187 ff; Ziegenbein, S 98 ff.

238

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

2. Neben den auf dem Kapitalwertgedanken basierenden Shareholder-ValueKonzepten sind die Ansätze des internen Zinsfußes zu erwähnen, bei denen die auf Zukunftsprognosen basierenden Unternehmensrenditen ermittelt werden. Auf eine formelmäßige Darstellung wird hier verzichtet, da neben dem Problem der praktischen Umsetzung und neben den aus der Investitionsrechnung bekannten Problemen der Wiederanlageprämisse sowie der Mehrdeutigkeit214 für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen die Frage nach der Bewertung alternativer Geldanlagen von Kapitalanlegern im Rahmen wertorientierten Controllings nicht zur Diskussion steht215. Außerdem stellen die noch darzustellenden Rating-Überlegungen aussagefähigere Alternativen zu diesen Modellen dar. Als Fazit des wertorientierten Controllingansatzes kann festgestellt werden: 1. Kapitalwertorientierte Kennzahlen ermöglichen eine zukunftsorientierte Bewertung eingeschlagener Unternehmensstrategien. Mit Hilfe von Sensibilitätsanalysen, bei denen unterschiedliche Strategien simuliert und deren Auswirkungen operationalisiert werden, können in Kennzahlen deren Auswirkungen simuliert werden. 2. Shareholder Value Gedanken sind in dem oben definierten Sinne für konfessionelle Unternehmen hilfreich, da diese gezwungen werden, „Farbe zu bekennen“ und da sie speziell den Aufsichtsgremien ihre Controlling-Aufgaben erleichtern können. Voraussetzungen sind allerdings Interessen und Lernbereitschaft dieser Gremien, die eine höhere Professionalisierung für die Zukunft erfordern. 3. Die Prognose der Verfasser, daß die aktuell nach den vorgeschlagenen Mustern zu ermittelnden Kennzahlen ein erhebliches Gefährdungspotential vieler konfessioneller Sozialleistungsunternehmen aufzeigen, zwingt geradezu zur Ermittlung derartiger Kennzahlen, damit schneller reagiert wird.

213 Wie leicht einsichtig, gilt die Barwertermittlung für gemeinnützige Unternehmen bei denen im Betriebsergebnis (BER) kalkulatorische Zinsen für das betriebsnotwendige Kapital berücksichtigt sind, Ertragsteuern dagegen nicht anfallen. Für erwerbswirtschaftliche Unternehmen gilt dagegen folgender Zusammenhang: BERNt – Ertragsteuern =|^ NOPAT (Net Operating Profit After Tax) – Kapitalkosten (kalkulatorische Zinsen auf das betriebsnotwendige Kapital). Vgl. hierzu auch: Huch/Behme/Ohlendorf, S. 307 f; Küting/Weber, S. 417 ff; Weber (2005), S. 191 f. 214 Vgl. hierzu die Stichworte im Investitionslexikon, Lücke (1990); Korte (1981), S. 55 ff. 215 Vgl. zu den unterschiedlichen Ansätzen, wie CFRO, ROCE, RONA, Schröder, S. 620 ff.

Abschn. 5: Controlling

239

6. Rating-Ansätze216 Externes Unternehmensrating, also die Einschätzung, ob der Schuldner seine finanziellen Verpflichtungen vollständig und fristgerecht gegenüber dem Gläubiger erfüllen kann, er also wahrscheinlich auch in der Zukunft zahlungsfähig und damit kreditwürdig ist, wird häufig nur im Zusammenhang mit dem Stichwort BASEL II erörtert. 1975 gründeten die Zentralbanken der zehn wichtigsten Industriestaaten (G 10-Länder) in Basel einen Ausschuß mit dem Ziel der Stabilisierung der internationalen Finanzierungssysteme. Mit der Verabschiedung von BASEL II wird die risikoabhängige Eigenkapitalhinterlegung für Kreditgeschäfte von Banken stärker auf die Bonität der Schuldner ausgerichtet und konsequent auf das Firmenkundengeschäft, damit auch auf konfessionelle Sozialleistungsunternehmen übertragen. Vereinfacht ausgedrückt werden sich die Kreditkonditionen bei schlechter Bonität verschlechtern, bei guter Bonität werden möglicherweise Entlastungen eintreten. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Refinanzierungsmöglichkeiten konfessioneller Sozialleistungsunternehmen217, z. T. aber wiederum mit hoher Eigenkapitalausstattung und hohen Sicherheiten, hat dies signifikante Auswirkungen auf die Kreditkosten der Sozialleistungsunternehmen zur Folge. Die Diskussion von Rating allein im Zusammenhang mit BASEL II wäre allerdings eine sehr eingeschränkte Sichtweise: 1. Bonitätseinschätzungen der Banken hat es bei Krediten bisher auch schon gegeben, möglicherweise mit einem erheblichen Goodwill-Abschlag, da ja bisher von der (irrigen) Annahme ausgegangen wurde, „im Zweifel springen bei konfessionellen Unternehmen die Kirchen zur Insolvenzabwendung ein“. 2. Bonitätseinschätzungen des belieferten Unternehmens fanden auch in der Vergangenheit durch Zulieferer statt, ohne daß dies die betroffenen Unternehmen erfuhren. Marktführer derartiger Bonitätsindizes ist die Creditreform, die sich der rechtmäßig verfügbaren Unternehmensdaten bedient. Überwiegend sind diese bei den i. a. nicht publizierenden Sozialleistungsunternehmen relativ schlecht – zu Lasten des beurteilten Unternehmens. Diesem Mangel könnte sehr gut begegnet werden, indem das Management des Sozialleistungsunternehmens aktiv mit der z. B. Creditreform zusammenarbeitet und regelmäßig testierte Jahresabschlußdaten zur Verfügung stellt. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Leitung des Sozialleistungsunternehmens erfährt, gewissermaßen als Nebenprodukt, wie das Unternehmen von Dritten beurteilt wird.

216 217

Vgl. Küting/Weber, S. 507 ff; Munsch/Weiß, S. 14 ff; Ziegenbein, S. 378 ff. Vgl. hierzu Abschnitt 5, Kapitel II.4.

240

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

3. Bonitätseinschätzungen von Kunden und Lieferanten/Zulieferern/Bankfirmen durch das Sozialleistungsunternehmen. Die Auswirkungen der Insolvenz eines Kunden ist weniger im klassischen sozialen Dienstleistungsbereich der Beratung, Pflege und medizinischen Versorgung relevant, aber durchaus für Werkstätten für Behinderte (WfBs) und andere produzierende Unternehmen. Die Blauäugigkeit bei der Abwicklung von Lieferaufträgen hinsichtlich der Annahme, daß der Kunde auch zahlen kann, ist für die Verfasser immer wieder erschreckend. Auch Insolvenzen von Lieferanten sind zu nennen – z. B. geht ein Generalunternehmer beim Bau eines Altenheimes nach Erstellung des Rohbaus Pleite, oder eine Heizungsfirma beginnt mit der Sanierung einer zentralen Kesselanlage und geht zwischendurch Pleite. Die Auswirkungen für den Betrieb des Sozialleistungsunternehmens sind gravierend. Damit hat das Stichwort: externes Rating, insbesondere das auch unter Punkt 2. und 3. genannte Auskunftsrating erhebliche Bedeutung und vermittelt folgenden Nutzen:218 1. Diagnose von Stärken und Risiken für das Management und Aufsichtsgremium durch externe Beurteiler. 2. Signalisierung der Kreditwürdigkeit nach außen durch zielgerichtetes und aktives Benennen der Stärken und Schwächen in der Außenwirkung. 3. Weitergabe der Stärken- und Risiko-Kennzahlen an die Dachverbände. Dies erspart dort neue und wahrscheinlich wenig professionelle Angstdiskussionen in deren Leitungsgremien hinsichtlich der Entwicklung einzelner Mitglieder219. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Testat eines Wirtschaftsprüfers die Ordnungsmäßigkeit von handelsbilanziellen und ggf. KONTRAG-Aussagen testiert, bei Ratings darüber hinaus durch Analysen sehr viel weitergehende und differenziertere Bonitätsbeurteilungen der Zukunft getroffen werden. 4. Senkung der Finanzierungskosten, da bei guten Rating-Einschätzungen diese konsequenterweise aktiv und im Banken-Wettbewerb verhandelt werden können. 5. Risikoidentifikation durch Eigenvergabe eines Ratingauftrages und Einleitung von internen Maßnahmen, bevor möglicherweise rufschädigende Risiken extern sichtbar werden. Diese Vorgehensweise setzt aber voraus, daß das Management des beauftragenden Sozialleistungsunternehmens hinreichend kompetent ist und das nötige Selbstvertrauen besitzt. 218

Vgl. Munsch/Weiß, S. 49 ff. Oder es löst neue aus, wo bisher Zahlen verschleiert wurden. Allerdings kann durch die Offenlegung von Verschleierungen durch externe Einschätzungen rechtzeitig reagiert werden. 219

Abschn. 5: Controlling

241

6. Als Kommunikationsinstrument ist das Rating und der Prozeß hervorragend geeignet, da es Vertrauen in die Kompetenz des Unternehmens gegenüber der Öffentlichkeit signalisiert. Ein Ratingprozeß kann in folgenden Stufen ablaufen:220 1. Vertragsabschluß – Gespräche mit einer Rating-Agentur, – Angebotsabgabe durch die Agentur, – Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch das Sozialleistungsunternehmen: Welcher Nutzen steht den Kosten inkl. Opportunitätskosten durch die zeitliche Belastung der Mitarbeiter gegenüber? – Auftragserteilung. 2. Aufbereitung der Unterlagen durch den Auftraggeber. 3. Terminabsprachen mit der Rating-Agentur, wobei diese die finanzwirtschaftlichen Daten, die Unternehmensprozesse der Leistungserstellung, des Controllings, die Produktpalette/Dienstleistungsangebote, das Risikomanagement, die Managementkompetenzen, die IT-Strukturen usw. überprüft und zum Rating unter Berücksichtigung branchenspezifischer Vergleiche verdichtet. Das Rating ist damit ein sehr umfassender und deutlich andersartiger Prozeß als die Wirtschaftsprüfung oder eine Revisionsprüfung. Die Inhalte und Fragestellungen eines Rating-Prozesses – also der Beurteilung fachkompetenter Dritter insbesondere im Vergleich zu Mitbewerbern – sind beispielhaft in der Abb. 5-26 dargestellt. 4. Das Ratingergebnis wird in der Agentur selbst von Experten einem Gegenscheck unterworfen. 5. Präsentation, Absprache, ggf. Überprüfung mit dem Auftraggeber sowie Verabredung regelmäßiger Überprüfungen von eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen. Zusammenfassend bleibt festzustellen: Nach den Erfahrungen der Verfasser wird das Instrument des Ratings – obwohl schon immer geratet wurde – in viel zu geringem Maße genutzt, mit dem Ziel der Gewinnung von professionellen externen Beurteilern und mit dem Ziel, hierbei die Rating-Einschätzung bei guten Ratings und sich verändernden Umweltbedingungen zu halten bzw. in anderen Fällen zu steigern.221 220

Vgl. Munsch/Weiß, S. 58 f. Zwei kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) erschienende Artikel zu diesem Themenkreis unterstreichen diese Aussage: Zur Kritik an Rating bzw. den Agenturen heißt es dort: „Schließlich steht in dieser Krise wieder das kostbarste Gut der Ratingagenturen auf dem Spiel: ihr Ansehen und 221

242

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis Kriterium

1. Managementteam und Mitarbeiter

Fragestellung und Bewertung • Über welche personale Kompetenz verfügt das Unternehmen? • Welcher Grad des Vertrauens besteht? • Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . . (Jeweils möglich in Relation zum Branchenschnitt oder zum „Best-Unternehmen“)

2. Dokumentation und Managementinformationssystem

• Wie gut sind das Management und die Mitarbeiter über ihre Ziele und die Zielerreichungen informiert? • Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . .

3. Controlling

• Wie wird das Unternehmen gesteuert? Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . .

4. Zahlen und Fakten

• Wie erfolgreich war das Unternehmen in der Vergangenheit? Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . .

5. Unternehmensorganisation

• Wie ist das Unternehmen aufgebaut, wie laufen die Prozesse ab? Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . .

6. Produkte und Leistungen

• Wie ist die Qualität der Produkte/ Leistungen einzuschätzen? Wie innovativ ist das Unternehmen? Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . .

7. Marktbeziehungen und Wettbewerb • Wie erfolgreich sind die Kunden, die Lieferanten, die Wettbewerber? Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . . 8. Finanzierungsstruktur

• Welche Refinanzierungsquellen besitzt das Unternehmen? Punktzahl in Relation zum Wettbewerb: . . .

9.

• Gesamtpunktzahl: • Vergleich zum Best-Unternehmen: • Vergleich zum Branchendurchschnitt: Abb. 5-26: Beispiel möglicher Beurteilungskriterien

... ... ...

Abschn. 5: Controlling

243

7. HGB versus IAS/IFRS222 Im September 2003 erschien in einer Beilage der FAZ ein Artikel mit der Überschrift „Der frühe Vogel fängt den Wurm. Wer rechtzeitig auf IAS umstellt, ist für den Wettbewerb gut gerüstet.“223 Ausgangspunkt der bisherigen Darstellungen war die Erstellung eines HGB-Jahresabschlusses als Mindestvoraussetzung. Es wird aber auf Grund der folgenden Überlegungen – wobei hier nur einige ausgewählte wesentliche Argumente angesprochen werden – deutlich werden, daß eine rechtzeitige Umstellung auf einen IFRS-Abschluß sinnvoll ist, der allerdings langfristig zu planen ist. Der HGB-Abschluß, selbst wenn er von anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testiert ist, führte sowohl in der Erwerbswirtschaft wie aber auch bei konfesionellen Sozialleistungsunternehmen – vor allem für die Hilfesuchenden und für die ehrenamtlichen Aufsichtsgremien – immer wieder zu unangenehmen und nicht erwarteten Überraschungen wirtschaftlicher Schieflagen, wobei diese nur sehr selten auf „kriminelle Energie“ der Unternehmensleitung zurückzuführen waren. Der HGB-Abschluß hat eben kein die tatsächliche Vermögens- und Ertragslage zutreffendes Bild vermittelt: • Bilanzpolitisch – und dies kann völlig legal geschehen –, kann es durchaus sinnvoll sein, „stille Reserven“224 gezielt aufzubauen: Ein erfolgreiches, handelsbilanzielle Gewinne erwirtschaftendes Unternehmen war ja zeitweilig geradezu gezwungen, sich „ärmer“ zu rechnen, um seine Entgeltverhandlungspositionen nicht zu schädigen. Das Gegenüber meldete bei jedem Effizienzgewinn Teilhabeansprüche an. Da es aber in der Natur der stillen Reserven lag, daß sie nicht ersichtlich sind, wurden sie in Krisenzeiten still und unmerklich aufgelöst. Wie viele der Ehrenamtler waren schon geübte Bilanzanalytiker, um dieses ggf. zu erkennen?

ihre Glaubwürdigkeit bei den Investoren“. Und an späterer Stelle: „Das Geschäft (gemeint ist das Rating, d. Verf.) wird weiter laufen so wie bisher, weil noch kein besseres Benotungsverfahren erfunden wurde. . . . Nicht zuletzt deshalb, weil Ratingagenturen nach der Kritik freiwillig durchsichtiger geworden sind.“ Schmitt, S. 60. Zur Transparenz des Umganges mit Spenden und im wirtschaftlichen Handeln von Sozialleistungsunternehmen per se: „Während im Wirtschaftssektor Analysen und Ratingagenturen Ertragskraft und Bonität der Gesellschaft analysieren, in die der Anleger investiert hat, fehlt ein funktionierender Caritas-Research.“ Petersdorf, v./Scherf/Bernau, S. 49. 222 IAS = International Accounting Standards, zukünftig als IFRS = International Financial Reporting Standards (IFRS). Vgl. hierzu u. a.: Buchholz; Haunerdinger/ Probst; Küting/Weber, S. 98 ff; Tanski; Walleyo/Melzer, S. 7 ff. 223 Vgl. FAZ vom 02.09.2003. Verlagsbeilage. Unternehmer heute. S. B6. 224 Das Vorsichtsprinzip des HGB erzwingt durch bestimmte Bewertungsvorschriften, z. B. das Anschaffungswertprinzip bei der Grundstücksbewertung, häufig stille Reserven.

244

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

IFRS verbessert die Transparenz und vor allem die Vergleichbarkeit mit anderen, und dann auch branchengleichen Unternehmen. IFRS vermittelt ein zutreffendes Bild der tatsächlichen Vermögens- und Ertragslage. Während das HGB eine knappe Sammlung abstrakter und auch z. T. nicht kodifizierter Normen wie den Grundsätzen Ordnungsmäßiger Buchführung (GOBs) umschreibt, deren Anwendung Auslegungen, Analysen durch Wirtschaftsprüfer und/oder andere juristische Methoden erfordert, stellen die IFRS eine umfassende, international verbindliche detaillierte Grundsatz- und Einzelfallregelung dar. Es ist ausdrücklich angestrebt, miteinander vergleichbare Jahresabschlüsse aufzustellen. Für die Verfasser ist es schon einigermaßen

Bilanz

HGB

X-GmbH, per 31.12. . . .

IFRS [Mio A]

Anlagevermögen

51,5



51,5

Umlaufvermögen

10,0

10,2

Eigenkapital

33

Rückstellungen

13,0

Verbindlichkeiten

11,2

 0,2 ! unterschiedliche Bewertung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen  8,5 Mio !  8,5 Mio ! 

11,2

HGB

x-GmbH, v. 01.01.–31.12. . . .

IFRS

G+V

45,8 4,7

Umsatzerlöse – Material – Personal – Abschreibungen – sonst. Aufw. + sonst. Erträge

48,5 13,0 25,5 2,8 7,4 + 0,3

= Jahresüberschuß Entnahme, Einstellungen in Rücklagen Gewinnvortrag

0,1 + 0,1

2,4 + 0,1

0

+ 6,2

Bilanzgewinn

 2,3 Mio

!

48,5 13,0 25,5 2,8 5,1 + 0,3

0,2

Abb. 5-27: Beispielhafte Gegenüberstellung ausgewählter Positionen eines HGB-Abschlusses versus IFRS.

8,7

Abschn. 5: Controlling

245

erstaunlich, wenn eine lange Diskussion über die Offenlegung der Vorstandsbezüge geführt wird, während die Anwendungspflicht der IFRS nur für kapitalmarktorientierte Konzerne ab 2005 und für alle anderen Unternehmen ein Wahlrecht besteht. Die Pflicht zu IFRS-Abschlüssen für alle erbringt mehr Transparenz. Einen weiteren Vorteil bietet die Anwendung von IFRS bei Rating-Prozessen, da davon auszugehen ist, daß sich die bessere Transparenz und Vergleichbarkeit in deutlich aussagefähigeren Rating-Kennzahlen niederschlagen wird. Das in der Abbildung 5-27 skizzierte Rechenbeispiel zeigt, daß die X-GmbH erhebliche stille Reserven in Rückstellungen angesammelt hat – wobei für gemeinnützige Unternehmen die steuerlich engeren Vorschriften der Zulässigkeit von Rückstellungen entfällt. Diese müßten bei kurzfristiger Umstellung auf IFRS als Gewinnvortrag auf einen Schlag ausgewiesen werden. Der optisch ins Auge fallende Bilanzgewinn „explodiert“ förmlich. Die Ursache in diesem Beispiel besteht im wesentlichen darin, daß das Passivierungswahlrecht für Aufwandsrückstellungen (hier unterlassene Instandhaltungen) extensiv genutzt wurde und damit der Jahresüberschuß „gedrückt“ wurde, während bei IFRS ein Passivierungsverbot besteht. Instandhaltungen mindern bei IFRS das Ergebnis im Jahr ihres Anfalls. Umgekehrt können bei HGB die Rückstellungen bei Nichtinanspruchnahme schrittweise ergebnissteigernd aufgelöst und damit der Abschluß „geschönt“ werden. Dieser hier herausgegriffene Einzelaspekt mit einer relativ starken Wirkung verdeutlicht die wesentlichen Unterschiede: HGB: Vorsichtsprinzip, IFRS: Glaubwürdige Darstellung (faithful representation), d. h. Verringerung bilanzpolitischer Maßnahmen. Der strukturelle äußere Gliederungsaufbau unterscheidet sich dagegen grundsätzlich nicht. Unterschiede liegen im wesentlichen in der Wertermittlung der Bilanzansätze: Nach IFRS der sogenannte „Fair Value“, also der Wert, zu dem sachverständige, vertragswillige, voneinander unabhängige Geschäftspartner einen Vermögenswert tauschen.225 Das HGB ist dagegen weitaus komplizierter in seinen Wertansätzen, mit seinen Basiswerten (Anschaffungspreis, Herstellungskosten), Vergleichswerten (Börsen- oder Marktpreis) unter Berücksichtigung des gemilderten oder strengen Niederstwertprinzipes sowie Beibehaltungswahlrechten und eröffnet speziell durch die Bewertung den o. g. angesprochenen Spielraum für bilanzpolitische Maßnahmen. Nun ist es aber gerade für ehrenamtliche, zeitlich eingeschränkte Aufsichtsgremien erforderlich, eine möglichst glaubwürdige Darstellung der tatsächlichen Lage ihres Unternehmens zu erhalten und damit auch weniger auf Quartals-

225

Vgl. u. a.: Buchholz, S. 218 f; Haunerdinger/Probst, S. 38; Tanski, S. 59.

246

Teil 2: Lösungsansätze der Praxis

berichterstattung durch Betriebsergebnisrechnungen angewiesen zu sein, die ja grundsätzlich keinerlei legalisierten Normen unterliegen.

IV. Schlußfolgerungen und Ausblick Ausgehend vom Grundmodell der Entscheidungslehre – dem sogenannten Phasentheorem – wurden in dem vorangegangenen Abschnitt verschiedene operative und strategische Controllingansätze dargestellt. Ihre Übertragbarkeit basiert auf den theoretisch fundierten, praktischen Erfahrungen der Verfasser. Ihre Einführung und Umsetzung ist allerdings in den diversen konfessionellen Sozialleistungsunternehmen unterschiedlich weit fortgeschritten. Im operativen Bereich sind HGB-Jahresabschlüsse sowie Kosten- und Leistungsrechnungen einschließlich Budgetierung verbreitet, dagegen die anderen, hier dargestellten Controllingansätze noch eher selten zu finden. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen, zumal mit der Gewinnung dieser wichtigen weiteren Steuerungsinformationen noch nicht automatisch ein zielgerichtetes, existenzsicherndes Handeln bei den Sozialleistungsunternehmen eintritt. Auch strategische Planungen sind in konsequenter Ausrichtung nur in einzelnen Unternehmen etabliert, wobei Einzelaspekte wie Balanced Scorecard herausgegriffen werden. Letzteres löst, wie dargestellt, allerdings als solches zunächst wenig Handlungsdruck aus. Wertorientierte Controllingansätze werden von vielen rein ideologisch – ohne Kenntnis der Konzeption – ebenso abgelehnt wie IFRS oder Rating-Ansätze. Für die Verfasser ist beklemmend, daß die Leitungen konfessioneller Unternehmen damit vielfach erneut die Zeit verschlafen und die bereits bestehende Existenzgefährdung verstärken. Speziell die „Free Cash Flow Ansätze“ einerseits und die „Rating-Ansätze“ verdeutlichen hierbei die Problematik des bestehenden engen Refinanzierungsansatzes der Sozialleistungsunternehmen. Die Verfasser hoffen, daß die von ihnen bereits 1990 angeschobene, verstärkte empirische Forschung zur Entwicklung und zum Verbreitungsgrad diverser Controllingansätze in Sozialleistungsunternehmen beiträgt und hilft, den Standard von erwerbswirtschaftlichen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zu erreichen. Ein Umdenkprozeß bei den konfessionellen Sozialleistern erscheint den Verfassern unerläßlich.

Teil 3

Chancen und Risiken konfessioneller Sozialleistungsunternehmen in der Zukunft Abschnitt 6

Rechts- und Kooperationsformen I. Ausgewählte Aspekte der Rechtsformwahl 1. Entscheidungskriterien für relevante Rechtsformen Auf den ersten Blick mag es für den Leser ungewöhnlich erscheinen, daß sich die Verfasser mit der Frage von Rechtsformentscheidungen für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen im letzten Teil dieses Buches „Zukunftsüberlegungen“ befassen. In einem betriebswirtschaftlichen Lehrbuch vermutet man diese konstitutiven und nachhaltigen Überlegungen systematisch eher in den Anfangskapiteln. Ursache für die Darstellung an dieser Stelle ist, daß bei den konfessionellen Sozialleistungsunternehmen zur Zeit ein starker Trend – man möchte fast sagen „modischer Trend“ – zur Flucht in gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sogenannte gGmbH’s zu beobachten ist. Darüber hinaus besteht ein starker Trend zu Unternehmenszusammenschlüssen, auf die dann im folgenden Kapitel 2 eingegangen wird. Bei der Entscheidung für eine gGmbH bleibt zunächst festzustellen, daß hier in der Verknüpfung des kleinen „g“ für gemeinnützig mit dem Begriff GmbH zwei grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Rechtsgebiete – nämlich das Steuerrecht, insbesondere die Abgabenordnung (AO) §§ 51 ff – und das Gesellschaftsrecht – hier das GmbH-Gesetz (GmbHG) – verbunden werden. Im Grunde gibt es eine derartige Rechtsform nicht.1 Die Frage der Gemeinnützigkeit oder der Nichtgemeinnützigkeit ist zum einem eine Frage der tatsächlichen Verhältnisse und des tatsächlichen Handelns einer Körperschaft und wird für

1 Auch ein vorgenommener Eintrag in das Handelsregister Teil B mit dem Zusatz „g“ führt nicht zur Zulässigkeit des Zusatzes. Das OLG München hat in seinem Beschluß vom 13.12.2006 – 31 Wx 84/06 – festgestellt, daß die Abkürzung „gGmbH“ keine zulässige Angabe der Gesellschaftsform darstellt.

248

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

den jeweiligen steuerlichen Veranlagungszeitraum von den Finanzämtern geprüft, zum anderen wird man den Verdacht nicht los, daß mit dem „g“ etwas demonstriert werden soll: „Eigentlich sind wir ja keine „richtige“ GmbH, wie man sie aus der Erwerbswirtschaft kennt; wir sind etwas anderes (vielleicht auch etwas besseres?).“ Also lägen für das „g“ vor der GmbH ideologische Gründe vor, denn bei den Rechtsformen Verein und Stiftung wird „seltsamerweise“ und in diesem Fall völlig inkonsequent kein „g“ davor gesetzt, z. B. g. e.V. bzw. g. Stiftung. Rechtsformentscheidungen mit ihrer langfristigen Bindungswirkung – Umwandlungen sind i. A. mit erheblichen Kosten verbunden – sollten rationale Entscheidungen sein, bei denen relevante Rechtsformen mit den Entscheidungskriterien abgeglichen werden. In der Literatur werden als Entscheidungskriterien genannt:2 1. Haftungsfragen 2. Leitungsbefugnis (Geschäftsführung und Vertretung) 3. Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung sowie Finanzierungsmöglichkeiten 4. Änderungen der Gesellschafter und Beteiligungsverhältnisse 5. Steuerbelastung 6. Prüfungspflicht des Jahresabschlusses und Publizitätspflicht 7. Aufwendungen der Rechtsform Die möglichen relevanten Rechtsformen für Sozialleistungsunternehmen lassen sich unterscheiden in:3 1. Einzelunternehmung 2. Personengesellschaften – Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (GbR) – Offene Handelsgesellschaft (OHG) – Kommanditgesellschaft (KG) 3. Kapitalgesellschaften (Körperschaften) – Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) – Aktiengesellschaften (AG)

2 Vgl. u. a.: Schmalen, S. 74 f; Vahs/Schäfer-Kunz, S. 84 ff; Wöhe/Döring, S. 251 ff. 3 Vgl. Wöhe/Döring, S. 248 ff und die dortige umfassende Darstellung zu weiteren Rechtsformen.

Abschn. 6: Rechts- und Kooperationsformen

249

Zu ergänzen sind diese Rechtsformen um den – Verein, insbesondere den eingetragenen Verein (e.V.) sowie die – rechtsfähige Stiftung. Im Sinne der §§ 51 ff AO sind diese vier Rechtsformen Körperschaften. Grundsätzlich kann – soweit keine Anerkennung als „gemeinnützig“ angestrebt wird – ein Sozialleistungsunternehmen als Einzelunternehmen oder Personengesellschaft betrieben werden.4 Schwerpunkt dieses Buches sind aber die konfessionellen Sozialleistungsunternehmen, für die die Körperschaften • eingetragener Verein (e.V.) • rechtsfähige Stiftung • Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) • Aktiengesellschaft (AG) Relevanz besitzen. Soweit hierbei im Hinblick auf das o. g. Entscheidungskriterium „5. Steuerbelastung“ die Anerkennung als steuerbegünstigtes Unternehmen gemäß § 51 AO ff erfolgen soll, kommen aus steuerlichen Gründen grundsätzlich nur diese vier Rechtsformen in eine nähere Betrachtung im Hinblick auf die verbleibenden anderen sechs Kriterien.5 Zu beachten ist hierbei, daß die vier Körperschaften sogenannte juristische Personen mit eigener Rechtspersönlichkeit sind und damit die diese juristischen Personen vertretenden natürlichen Personen in einem besonderen Treueverhältnis zu diesen stehen. Zu 1.: Haftungsfragen • e.V.: Soweit die Satzung nichts anderes regelt und/oder durch Einzelvertrag festgelegt ist, haben die Mitglieder für die Schulden des Vereins grundsätzlich nicht aufzukommen. Die Organvertreter haften nur, sofern diese mit ihrem Handeln gegen satzungsmäßige, vertragliche oder gesetzliche Pflichten verstoßen haben.6 • Stiftung: Bei der rechtsfähigen Stiftung haftet grundsätzlich nur das Stiftungsvermögen. Vergleichbar dem Verein haften die Organvertreter – Stiftungsvorstand und ggf. Stiftungsrat nur bei Pflichtverletzungen. • GmbH: Die Eintragung ins Handelsregister wirkt hier konstitutiv. Ist die GmbH eingetragen, haftet eine derartige Kapitalgesellschaft nur mit ihrem 4

Vgl. HGB, §§ 1, 2 und 5. Auf eine vollständige Betrachtung aller Rechtsformen im Hinblick auf die sieben Entscheidungskriterien wurde hier verzichtet. Es wird auf z. B. Wöhe/Döring, S. 251– 284 verwiesen. Es wurde auch nicht geprüft, ob die zur Zeit häufig gegründete „Ltd.“ als Körperschaft im Sinne der AO anerkannt würde, zumal das zuständige Bundesministerium der Justiz eine Novellierung des GmbHG plant. 6 Vgl. hierzu Sauter/Schweyer, S. 192 und S. 231 ff. 5

250

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

Vermögen. Das Handeln der Organvertreter wird der GmbH zugerechnet; diese haften grundsätzlich nur bei Verletzung gesetzlicher und vertraglicher Vorschriften. • AG: Es gelten hinsichtlich der Haftung, die Aussagen zur GmbH analog. Zu 2.: Leitungsbefugnis (Geschäftsführung und Vertretung) Für die o. g. vier juristischen Personen gilt in Abhängigkeit von den jeweiligen satzungsmäßigen Regelungen und/oder Regelungen in den Gesellschaftsverträgen, daß die Vertretung nach Außen bzw. die Geschäftsführung im Innenverhältnis durch die Organe Vorstand (e.V./Stiftung/AG) bzw. Geschäftsführer (GmbH) erfolgen. Zu 3.: Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung sowie Finanzierungsmöglichkeiten Für den e. V. und die Stiftung stellt sich die Frage allein auf Grund der Rechtsform nicht, da Gewinne zu Gunsten und Verluste zu Lasten des Vereins bzw. Stiftungsvermögens gehen; beim Verein ist das Vermögen nicht das Vermögen der einzelnen Mitglieder. Bei den Kapitalgesellschaften GmbH und AG stellt sich die Frage nur dann, soweit diese nicht steuerbegünstigt sind; die Verteilung erfolgt grundsätzlich nach Kapitalanteilen und ist im Gesellschaftsvertrag und/oder Gesetz geregelt. Bei den steuerbegünstigten – sogenannten gemeinnützigen – Unternehmen sind die Mittel – also auch Gewinne – zeitnah für satzungsmäßige Zwecke zu verwenden und dürfen nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden7. Damit sind erzielte Gewinne neben Abschreibungen und der Bildung von Rückstellungen Quellen der Innenfinanzierung. Die Quellen der Außenfinanzierung sind neben der Eigenfinanzierung durch Beteiligung/Kapitaleinlagen die Kreditaufnahmen. Hier gilt für die o. g. Rechtsform grundsätzlich: Für den e.V. ist das Instrument der Beteiligung auszuschließen, für die Stiftung könnte eine Zustiftung – was nicht dasselbe wie eine Beteiligung ist – möglich sein. Im Übrigen verbleibt jeweils nur die Kreditaufnahme als Finanzierungsmöglichkeit. Bei den Kapitalgesellschaften GmbH und AG ist die Beteiligung möglich, gesetzlich grundsätzlich für die AG über die Aktien „einfacher“ zu realisieren als bei der GmbH über die Gesellschaftsanteile. Ebenso ist natürlich die Kreditaufnahme möglich8. Die Kreditaufnahmen sind bei allen Rechtsformen jeweils von der mit Hilfe des Ratings der Bank festgestellten Kreditwürdigkeit abhängig9.

7

Vgl. § 55 AO. Zu den unterschiedlichen Formen vgl. z. B. Wöhe/Döring, S. 659 ff. 9 Wie unter Punkt 8 noch eingehend erörtert, liegen im Hinblick auch auf zukünftige Refinanzierungsmöglichkeiten deutliche Vorteile beim e. V. und der AG. 8

Abschn. 6: Rechts- und Kooperationsformen

251

Typisch für steuerbegünstigte Körperschaften und damit typisch für die überwiegende Zahl konfessioneller Sozialleistungsunternehmen ist die Entgegennahme von Spenden, die beim Spender „abzugsfähig“ sind und damit bei diesen zur Minderung der Ertragsteuerbelastung führen. Sie können – in Abhängigkeit von der Professionalität und Glaubwürdigkeit der Spendenaquisiteure – wesentliche Quelle der (Re)-finanzierung sein10. Zu 4.: Änderungen der Gesellschafter- bzw. Beteiligungsverhältnisse Hinsichtlich der Flexibilität der Änderungen der Gesellschafter bzw. Beteiligungsverhältnissen lassen sich Abstufungen feststellen: Für die 1. Stiftung stellt sich die Frage nicht, da es keine Gesellschafter bzw. Beteiligungsverhältnisse per se gibt; allenfalls sind Veränderungen bei den Organen – satzungsmäßig geregelt – denkbar. Vereinstypisch und satzungsmäßig geregelt ist die Veränderung der Mitgliederstruktur durch Neuaufnahme bzw. Ausscheiden von Mitgliedern. Bei der GmbH und der AG sind Gesellschafterwechsel und damit eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse typisch, grundsätzlich gesetzlich geregelt sind sie für die AG einfacher durch einen Wechsel der Aktien als Anteilspapier. Zu 5.: Steuerbelastung11 Im Rahmen dieser Betrachtung konfessioneller Sozialleistungsunternehmen bleibt wiederholend festzuhalten, daß alle vier diskutierten Rechtsformen Körperschaften im Sinne der Abgabenordnung darstellen und als steuerbegünstigt im Sinne § 51 ff AO anerkannt werden können und damit nach § 5, Abs. 1, Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz (KStG) steuerbefreit sind, Umsatzsteuererleichterungen in Anspruch nehmen können sowie Grund-, Erbschafts- und Schenkungssteuerbefreiung erlangen können12. Zu 6.: Prüfungspflicht des Jahresabschlusses und Publizitätspflicht Gesetzliche Vorschriften im Hinblick auf eine Pflichtprüfung des Jahresabschlusses (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang und Lagebericht) durch einen Wirtschaftsprüfer bestehen in Abhängigkeit von bestimmten Größenmerkmalen für die Aktengesellschaft und die GmbH13. 10 Gemeinnützigkeit und „Spendenprivileg“ sind nicht in allen Ländern z. B. der EU miteinander verbunden, d. h. ein Spendenprivileg gibt es in anderen Ländern auch ohne „Gemeinnützigkeit“. Vgl. hierzu Korte (2001), S. 38 ff. 11 Hinsichtlich der rechtsformbedingten unterschiedlichen Steuerbelastungen wird auf die Literatur verwiesen, z. B. Wöhe/Döring, S. 273 ff und die dortigen umfangreichen Literaturangaben. 12 Vgl. hierzu Kießling/Buchna, S. 326 ff. 13 Vgl. HGB §§ 264 ff sowie §§ 316 ff.

252

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

Bei der Stiftung sind Prüfungspflichten in den Verwaltungsvorschriften der Stiftungsaufsicht und/oder der Stiftungssatzung geregelt. Für den Verein besteht grundsätzlich keine Prüfungspflicht, kann aber durch Satzung bestimmt werden. Die Offenlegung ist grundsätzlich – in Abhängigkeit von gesetzlich definierten Größenmerkmalen – Pflicht für die Kapitalgesellschaften AG und GmbH, nicht dagegen für Verein und Stiftung; bei letzteren ist sie freiwillig. Ziel der Prüfungspflicht und der Publizität ist es, Anteilseignern sowie der interessierten Öffentlichkeit und Mitarbeitern Sicherheit im Hinblick auf eine sachgerechte Lagebeurteilung der Gesellschaft zu ermöglichen und nicht zuletzt daraus auch eine Beurteilung der Zielerreichungsleistungen des Managements abzuleiten. Insofern steht es nach Auffassung der Verfasser gut an, Prüfung und Publizität für alle konfessionellen Sozialleistungsunternehmen verpflichtend zu machen, also auch für den e. V. und die Stiftung. Zu 7.: Aufwendungen der Rechtsform Bei den Aufwendungen der Rechtsform, zu unterscheiden sind Gründungsaufwendungen, z. B. Gründungsprüfungen, ggf. Aufwendungen der Aktienausgabe usw. von den bei Kapitalgesellschaften und ggf. der Stiftung anfallenden laufenden Aufwendungen für Prüfung und Publizität sowie Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen, wobei die Aufsichtsratsmitglieder/Beiratsmitglieder bei steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften keine Tantiemen für ihre Tätigkeit erhalten dürfen. Die o. g. sieben Kriterien gilt es für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen zu ergänzen um ein weiteres Entscheidungskriterium: 8. Willensbildung, insbesondere Dialogorientierung im Hinblick auf Mitwirkung und ethischen Diskurs14 Bei der Stiftung ist nach dem Stiftungsgeschäft und der damit verbundenen Festlegung des Stiftungszweckes grundsätzlich keine weitergehende externe Einflußnahme im Hinblick auf z. B. Beteiligung Dritter möglich. Es gibt weder Vereinsmitglieder noch Gesellschafter. Ob eine spätere Einflußnahme durch Zustiftung möglich ist, hängt von der Stiftungssatzung und/oder stiftungsaufsichtlichen Beurteilungen ab. Anders sieht dagegen die Situation bei dem e. V. und der AG sowie der GmbH aus. Bei der GmbH findet die Mitwirkung und Einflußnahme auf die Geschäftspolitik über die Gesellschafter im Rahmen der satzungsmäßigen Möglichkeiten statt, wobei typischerweise für die GmbH die Zahl der Gesellschafter nicht beschränkt, aber in der Praxis grundsätzlich über14 Nur mit einer gewissen Dialektik hätten die Verfasser die folgenden Gedanken auch bei dem Kriterium 2 „Leitungsbefugnis“ abhandeln können, wären aber damit der Bedeutung der folgenden Gedanken nicht gerecht geworden.

Abschn. 6: Rechts- und Kooperationsformen

253

schaubar ist. Hinzu kommt, daß der Transfer von Gesellschaftsanteilen i. A. satzungsmäßig reglementiert wird bzw. sich nach den §§ 15 ff GmbHG regelt. Die Vorteile beim Verein und bei der AG liegen dagegen – gegenüber der GmbH – in der Tatsache begründet, daß sie i. A. auf eine größere Personenzahl an Mitgliedern, bei der AG von Kapitaleignern, ausgerichtet ist. Die Beobachtungen der Verfasser zeigen, daß seit einer Reihe von Jahren in der Gesellschaft der Bundesrepublik ein starker Trend zur Mitwirkung im Hinblick auf soziales Engagement feststellbar ist: „Wenn ich mich schon sozial engagiere, möchte ich auch das wie und wofür mitbestimmen.“ Stichworte hierzu: Der Spender möchte z. B. vorher wissen und ggf. dafür auch hinreichende Sicherheit besitzen, was mit seiner Spende (Beteiligung) geschieht. Konkreter Ausdruck dieses Wunsches einer Wissensbeteiligung sind z. B. die sogenannten Spendenparlamente. Deren Überleben wird nach der hier vertretenen Ansicht stark davon abhängen, ob die „Parlamentarier“ – also Spender – den Eindruck und den Überblick über ein geordnetes Verfahren der Spendenvergabe besitzen und demokratischen Einfluß ausüben können. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt noch einmal die Rechtsformen, so erscheint der Trend der Abkehr von der klassischen Rechtsform des e.V. hin zur GmbH bei Sozialleistungsunternehmen eher kontraproduktiv. Typisch für den Verein ist die Souveränität des Mitgliederwillens sowie das gemeinsame Verständnis der Mitglieder für eine Sache/Idee. Untypisch ist dagegen im Hinblick auf die Grundidee der Beteiligung und des Diskurses hierüber das Funktionärs(un)wesen. Neben dem e.V. besitzt im Hinblick auf eine breitere Beteiligung – allein bereits durch die umfangreichen gesetzlichen Regelungen im AktG15 – die AG deutliche Vorteile im Hinblick auf das hier abgehandelte Kriterium 8: Willensbildung, insbesondere der Dialogorientierung im Hinblick auf Mitwirkung und ethischen Diskurs. Bereits Anfang der neunziger Jahre haben die Verfasser gutachterlich geprüft, ob es irgendwelche Gründe – außer Unkenntnis bzw. Vorurteilen – gibt, Sozialleistungsunternehmen nicht in Form von Aktiengesellschaften zu betreiben. Wie auch bei der GmbH müssen die insbesondere im § 55 AO behandelten Vorschriften für eine sogenannte gemeinnützige AG16 beachtet werden. Deren Kern lautet: – keine Ausschüttung von Gewinnanteilen an die Gesellschafter, – die Mitglieder (Gesellschafter, Aktionäre) dürfen bei ihrem Ausscheiden nur den Nominalwert ihrer eingezahlten Kapitalanteile/Sachanteile zurück erhalten, – niemand darf durch unverhältnismäßige Vergütungen begünstigt werden. 15 16

Vgl. u. a.: §§ 76 ff, § 95 ff, § 118 ff, § 133 ff, AktG. Beides sind ja typische Kapitalgesellschaften.

254

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

Unter Beachtung dieser Eckpunkte sind gemeinnützige Aktiengesellschaften ebenso begründbar, wie es ja bei den GmbH’s bereits geschieht. 2. Schlußfolgerungen zu den Rechtsformen Die Darstellung der Rechtsform bedarf im Hinblick auf Zukunftsüberlegungen der Rechtsformen einer wertenden Aussage durch die Verfasser. Hilfreich ist hierbei die in Abbildung 6-1 dargestellte zusammenfassende vergleichende Bewertungstabelle. Wie leicht einsichtig, sollte der Leser nicht der Versuchung unterliegen, durch Summenbildung bei der vorliegenden Ordinalskala ein Gesamturteil abzugeben.17 Vielmehr sollen im wesentlichen einzelne Entscheidungsmerkmale der hier erörterten vier Rechtsformen hinsichtlich Vor- und Nachteilen zusammenfassend angesprochen werden. „Haftung, Leitung, Steuerbelastung bei Vorliegen der sogenannten Gemeinnützigkeit“ werden als „neutral“ bewertet. Geringere Vorteile besitzt der Verein bei den „Rechtsform-abhängigen Aufwendungen“. Rechtsform Entscheidungskriterien

e. V.

Stiftung

GmbH

AG

1. Haftung

O

O

O

O

2. Leitung

O

O

O

O

3. G+V/Finanzierung

+



+

++

4. Gesellschafts-/Beteiligungsverhältnisse

+





+

5. Steuern

O

O

O

O

6. Prüfung/Publizität



+

+

+

7. Rechtsform

O







8. Willensbildung/Dialogorientierung

++

O



++

+ = positiv – = negativ O = neutral Abb. 6-1: Vergleichendes Ranking ausgewählter Rechtsformen konfessioneller Sozialleistungsunternehmen

17

Vgl. hierzu Korte (1977), S. 221 ff.

Abschn. 6: Rechts- und Kooperationsformen

255

Beim Kriterium 3 wurde durch die grundsätzlich günstigere Finanzierung durch die Neuausgabe von Aktien einer AG der Vorteil zugesprochen. Erklärungsbedürftig ist eher für den Leser, warum der e.V. – bei dem ja typischerweise keine Publizität – also die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse – gesetzlich vorgeschrieben ist, gegenüber den anderen drei Rechtsformen ungünstiger beurteilt wurde. Dies ergibt sich aus der Zukunftseinschätzung der Verfasser hinsichtlich gesellschaftlicher Entwicklungen gemäß Punkt 8: In undurchsichtige Institutionen wird weniger Vertrauen gesetzt. Die Mitglieder der Zukunftsgesellschaft erwarten nach Auffassung der Verfasser Transparenz und dann ggf. Beteiligungsmöglichkeit, wobei dies zusätzlich auch der im Teil eins dargestellten biblischen Anforderung an das Handlungsgebahren eines konfessionellen Unternehmens entspricht. Damit ergibt sich zwangsläufig, daß zwei Rechtsformen18, nämlich der eingetragene Verein (e.V.) und die Aktiengesellschaft (AG), Vorteile im Hinblick auf Willensbildung und Dialogorientierung, Finanzierung durch Transparenz, Beteiligung andersartiger Institutionen besitzen, wobei der Verein seiner von der Öffentlichkeit geforderten Publizität nachzukommen hat. Rechtsformentscheidungen besitzen einen konstitutiven, nachhaltigen Charakter, da Umwandlungen und auch Ausgliederungen nicht nur erhebliche, damit verbundene Aufwendungen verursachen, sondern auch komplizierte arbeitsrechtliche Aspekte zu beachten sind. Derartige Entscheidungsprozesse bedürfen auf Grund der Erfahrungen der Verfasser gründlicher Beratung und rationaler Abwägungen, wobei einschlägige Fremdberatung empfehlenswert ist.

II. Ausgewählte Aspekte der Kooperations- und Konzentrationsformen 1. Vorbemerkungen Speziell im konfessionellen Bereich ist seit einigen wenigen Jahren ein starker Trend zu Zusammenschlüssen von Institutionen feststellbar. Fast ist man geneigt zu sagen, ebenfalls ein „modischer“ Trend. Hierbei fällt den Verfassern unmittelbar folgender Managementwitz ein: Es liegt offensichtlich im Zug der Zeit zu kooperieren. Das hat sich selbst im Tierreich herumgesprochen. So schlug dieser Tage eine Henne einem Schwein eine Kooperation vor. „Worin soll der Sinn dieser Kooperation bestehen?“ fragt das Schwein.

18 Sollte eine „Stiftungsinflation“ durch Stiftungen einsetzen, hätte diese Rechtsform einen Zuwachs. Im Vordergrund bleibt aber immer der Wille des Stifters und grundsätzlich nicht der Wille einer „späteren“ Allgemeinheit.

256

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

„Wir könnten abnehmerorientiert zusammenarbeiten“, antwortete die Henne, „unsere Produkte verhalten sich komplementär zueinander. Als Leitlinie für unsere Kooperation denke ich an die Formel ,Ham and eggs‘.“ „Was soll das bedeuten?“ fragte das Schwein. „Ganz einfach, du bringst den Schinken und ich die Eier ein, das verschafft uns eine wesentlich höhere Durchschlagskraft auf dem Markt.“ Das Schwein überlegte: „Das bedeutet doch aber, daß ich geschlachtet werde.“ Darauf das Huhn: „Das ist bei Kooperation meistens so, – daß einer geschlachtet wird.“

Beim näheren Hinsehen müßte mancher Institution das Lachen im Halse stekken bleiben, weil der Witz genau die Probleme anspricht, die etwa 90% aller Zusammenschlüsse von Unternehmen der Erwerbswirtschaft scheitern läßt19. Paradox ist hierbei, daß Vertreter konfessioneller Institutionen gerade diese Zusammenschlüsse der Erwerbswirtschaft kritisch begleiten – häufig wird ja die Rechnung des Scheiterns von Mitarbeitern durch den Verlust des Arbeitsplatzes bezahlt, ohne daß diese vorher einem Zusammenschluß zustimmen oder diesen ablehnen konnten – und im nächsten Augenblick die gleichen konfessionellen Vertreter für die „eigenen“ Institutionen Zusammenschlüsse anstreben. Mit Sicherheit ist ein derartiges Verhalten kein Beitrag zur Glaubwürdigkeit. Die Erörterung der Gründe für das Scheitern – die ja auch der Witz impliziert – erfordert eine betriebswirtschaftliche Begriffsabgrenzung. Unternehmenszusammenschlüsse

Kooperation – Gelegenheitsgesellschaften – Gemeinschaftsunternehmen – Kartelle

Konzentration – Beteiligungen – Konzerne – Fusionen

Abb. 6-2: Übersicht relevanter Unternehmenszusammenschlüsse konfessioneller Sozialleistungsunternehmen

19 Dies sind Schätzzahlen; wissenschaftliche Untersuchungen mit klaren Meßkriterien sind schwer durchführbar, weil die Zielkriterien bei drohendem „Scheitern“ angepaßt werden. Das Projekt wird anschließend von den Verantwortlichen „gut geredet“ und „gut gerechnet“. Vgl. hierzu auch Schmalen, S. 96 ff.

Abschn. 6: Rechts- und Kooperationsformen

257

Die Unternehmenszusammenschlüsse20, also die Verbindung rechtlicher und wirtschaftlicher Einheiten zu größeren Wirtschaftseinheiten, lassen sich gemäß Abbildung 6-2 unterscheiden in: • Kooperationen, also freiwillige/vertragliche Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmen und • Konzentrationen durch Zusammenschluß unter Aufgabe der wirtschaftlichen und/oder rechtlichen Selbständigkeit. Was verdeutlicht nun o. g. Witz? 1. Bei jeder Kooperation gibt es offensichtlich Gewinner und Verlierer. 2. Der Gewinner ist häufig derjenige, der logischerweise eine Kooperation möchte und diese mit einer Leitidee „verkauft“, „ham and eggs“. 3. Hier hat aber ein Kooperationspartner kritisch gefragt, wobei anzunehmen ist, daß er nicht freiwillig geschlachtet werden will21. Das Handelsblatt veröffentlichte im Sommer 2005 auf der Titelseite einen Artikel mit der Überschrift „Firmenehen vor der Scheidung“. Großaktionäre fordern Rückabwicklung von gescheiterten Fusionen22. Milliardenwerte wurden vernichtet. Die Aussage wurde mit der folgenden Tabelle (vgl. Abbildung 6-3) belegt. Nun ist die Angst vor einem Scheitern auf Grund der o. g. Erfahrungen nicht das Hauptproblem – dies wäre eine Risikofrage bzw. Scheu vor Risiken – vielmehr wird verdeutlicht, daß eine gründliche Analyse der Ausgangs- und Zukunftslage, eine rationale Zielbestimmung, die Bewertung der Lösungsmöglichkeiten mit anschließender Entschlußfassung und einem professionellen Umsetzungsmanagement erforderlich ist. Es geht um eine betriebswirtschaftliche Analyse, und für den Leser ist die Skepsis der Verfasser leicht erkennbar: „Wenn dies schon in der Erwerbswirtschaft scheitert – selbst bei gründlicher Analyse – um wieviel kritischer ist die Situation bei Zusammenschlüssen konfessioneller Sozialleistungsunternehmen?“23 Bei der Prüfung des Pro und Kontras eines Zusammenschlusses hat auf jeden Fall bei konfessionellen Unternehmen eine zielgruppenbezogene Abwägung – 20 Die Unterformen werden, soweit sie von Relevanz für konfessionelle Sozialleistungsunternehmens sind, in der folgenden Darstellung angesprochen. Im übrigen wird verwiesen auf die Übersicht bei Wöhe/Döring, S. 285 ff. 21 Dieses kritische Prüfen/Fragen wird unter Abschnitt 6.II.2 erörtert. 22 Wobei auch bei Kooperationen Milliardenwerte vernichtet werden können. Dies ist nicht nur fusionstypisch. 23 Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß hier Unternehmen untersucht werden. Eine völlig andere Situation kann sich z. B. für Kirchengemeinden im Hinblick auf Zusammenschlüsse ergeben – die ja NPO’s, aber keine Unternehmen sind, wo bei schrumpfenden Gemeindemitgliederzahlen und Mindestgrößen bestimmter gemeindlicher Angebote Zusammenlegungen erforderlich werden.

258

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

Wertverlust in Mrd. Euro !

Käufer !

Übernahmeziel !

Time Warner

AOL

145,8

Viacom

CBS

45,7

Daimler-Benz

Chrysler

37,0

Terra Networks

Lycos

15,7

Fiat

Avio

7,6

SAP

Commerce One

6,5

Hewlett-Packard

Compaq

3,7

British Steel

Hoogovens

3,2

Post

Postbank

1,8

Karstadt

Quelle

1,4

Quelle: eigene Recherche [des Handelsblattes]

Die gröbsten Fehler der Firmenkäufer • Verzettelt: Viele Fusionen enden als Investitionsruine, weil die Käufer vom erworbenen Geschäft schlicht nichts verstehen. Statt durch die Zukäufe das Kerngeschäft zu stärken, verheddern sie sich in Randgebieten. • Getrödelt: Spätestens nach einem Jahr sollte die Integration des Übernahmeziels abgeschlossen sein, mahnen Strategieberater. Doch das schaffen nur wenige. Die Folge: Gerüchte um den Arbeitsplatz vertreiben Spitzenleute. • Verschätzt: Bei jedem zweiten Deal ist der Kaufpreis für die Fusion viel zu hoch. Schlimmer noch: Die Einsparpotenziale durch Synergien werden überschätzt. Abb. 6-3: Die gröbsten Fehler der Firmen-Verkäufe24

nämlich das Pro und Kontra für die Hilfesuchenden als Kunden – zu erfolgen, die ja, wie bereits oben erörtert25, grundsätzlich der schwächere Part des Gegenübers von Anbieter und Nachfrager sind. 24 25

Handelsblatt Nr. 133/28 – Deutschland, vom 13.07.2005. Vgl. Abschnitt 3, Kapitel II.3.

Abschn. 6: Rechts- und Kooperationsformen

259

2. Pro und Kontra von Zusammenschlüssen – Ansätze zur Entscheidungsfindung Als wesentliches Ziel einer Kooperation oder Konzentration lassen sich nennen: 1. Erwerb von Marktanteilen auf bisherigen Märkten 2. Machtgewinn 3. Betätigung auf neuen Märkten 4. Abgabe an ein anderes (größeres) Unternehmen 5. Stärkung der Wirtschaftlichkeit 6. Eitelkeiten. Zu 1.: Der Erwerb von Marktanteilen auf bisherigen Märkten ist grundsätzlich positiv zu werten, insbesondere, wenn dies aus einem Qualitätswettbewerb resultiert und das qualitativ schlechtere Unternehmen von besseren übernommen wird bzw. ein Qualitätsschub zu Gunsten der Nachfrager ausgelöst würde. Diese Überlegungen liegen auch für die Zukunft konsequent im Rahmen der hier vertretenen ethischen Positionen und deuten an, daß auch in diesem Falle Wettbewerb zu Gunsten und um den Kunden/Nachfrager der sozialen Dienstleistung stattfindet. Es geht also um Wachstum in den Kernkompetenzen und dem damit verbundenen Know-how Transfer zu Gunsten der Nachfrager. Zu 2.: Machtgewinn. Dies ist differenziert zu betrachten: Machtgewinn zur Stärkung der Rechtsposition der Betroffenen z. B. gegenüber dem sogenannten Sozialhilfeträger wird „im Sinne sozialer Anwartschaft“ seitens der Verfasser positiv beurteilt. Entscheidend ist also, wofür die durch Größe gewonnene Wirtschaftsmacht genutzt wird. Zu 3.: Betätigung auf neuen Märkten. Die Ökonomie spricht hier von lateraler Diversifikation, die schon in der Erwerbswirtschaft schwierig zu begründen ist: Synergieeffekte sind wegen der Andersartigkeit der Märkte selten feststellbar, und häufig bleibt dann nur die Vermutung attraktiver Rendite. Derartige Argumente sind für konfessionelle Unternehmen schwer heranziehbar, weil zum einen satzungsmäßige Gründe – die steuerlichen Regelungen verlangen satzungszweckkonforme Betätigung, die der Abgabenordnung entsprechen – zum anderen Renditegründe per se der zeitnahen Mittelverwendung im Sinne der Satzungsziele widersprechen können. Zu 4.: Abgabe oder in der Erwerbswirtschaft Verkauf – die bisherigen Eigentümer werden ausgezahlt – eines Unternehmens mit oder ohne Firmenfortführung haben sehr unterschiedliche Gründe. Z. B. fehlende Nachfolgen, zu geringe

260

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

Wirtschafts- und Finanzkraft in dynamischen und forschungsintensiven Märkten. Derartige Motive dienen Nachfragern und Mitarbeitern und den Alteigentümern. Vergleichbare Ansätze sind in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen ebenfalls denkbar. Sie dienen den Nachfragern und damit den ethischen Zielen, scheitern aber häufig, wenn die darüber befindenden Manager und auch ggf. ehrenamtliche Mitglieder der Aufsichtsgremien keine persönlichen „Anschlußperspektiven“ erkennen können. Zu 5.: Stärkung der Wirtschaftlichkeit. Hier setzt klassischerweise der engere ökonomische Beurteilungsprozeß mit weitgehend quantitativen Daten ein. Es gilt ausgehend von der wirtschaftlichen Ausgangssituation eine begründete – ggf. mit Hilfe von Sensibilitätsanalysen – eine zukünftige wirtschaftlich vorteilhafte Situation nachvollziehbar und später überprüfbar darzustellen. Hierbei sind insbesondere auch die Kosten eines Kooperationsverfahren einschließlich der Opportunitätskosten auf Grund von Markt – und Mitarbeiterwiderständen zu schätzen und einzubeziehen. Grundlage derartiger Wirtschaftlichkeitsüberlegungen verbunden mit einer Risikoanalyse ist eine DUE DILIGENCE26, bei der das zu erwerbende Unternehmen oder bei Kooperationen wechselseitig alle finanziellen, organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fakten wahrheitsgemäß offen gelegt werden. 3. Umsetzungsmanagement Auch wenn der unter II.2. dargestellte Prozeß zu einem das Management und die Aufsichtsorgane überzeugenden Pro-Beschluß geführt hat, verbleiben die Risiken des Scheiterns durch ein unzureichendes Umsetzungsmanagement, wie in Abbildung 6-3 angesprochen.27 Folgende Risikofaktoren sind zu benennen: 1. Widerstände der Mitarbeiter, insbesondere auf Grund unterschiedlicher Unternehmenskulturen. 2. Verunsicherung von Nachfragern, wegen z. B. Profilunklarheiten der angebotenen Dienstleistung. 3. Es wird als ein „Zusammengehen unter Gleichen“ angeboten, was in Wirklichkeit ein „Schlachten“ ist (s. o. der Ausgangswitz). 4. Die Rechtsformwahl der Kooperation ist nicht rational abgeglichen worden. 5. Mangelndes Know-how in der Steuerung von Projekten, insbesondere im Management.

26 27

Vgl. hierzu u. a.: Schmalen, § 99 f; Schröder, S. 53 ff; Ziegenbein, S. 283 f. Vgl. hierzu auch: Grolman, v., S. 20.

Abschn. 6: Rechts- und Kooperationsformen

261

Die hier genannten Risikofaktoren des Scheiterns von Zusammenschlüssen in der Erwerbswirtschaft besitzen für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen auf Grund der Erfahrungen der Verfasser eine vergleichbare – bei Punkt 1 und Punkt 5 sogar eine noch deutlichere – kritische Relevanz. Zu 1.: Speziell bei den Mitarbeitergruppen der helfenden Berufe – mit ihrer durchaus positiven Identifikation mit Unternehmen und Klienten – sind häufig lange, weil i. A. mit geringerem persönlichen Risiko eines Arbeitsplatzes verbunden, Widerstandsbewegungen feststellbar. Diese sind vom Projektmanagement und durch Überzeugungs- und Vertrauensarbeit – der Mitarbeiter muß für sich auch die Vorteile einer Zusammenarbeit erkennen können – in der Personalarbeit zu lösen. Für Kulturveränderungsprozesse sind erfahrungsgemäß hierbei bis zu zehn Jahren einzuplanen28. In diesem Zusammenhang ist auch das mangelnde Management-Know-how in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen im Hinblick auf Projektsteuerungsprozesse ein Problem. Dies ist im Vergleich zur Erwerbswirtschaft und deren hohen Raten des Scheiterns im Hinblick auf dieses Kriterium auf Grund des jeweiligen andersartigen Erfahrungshintergrundes der Leitung deutlich höher einzuschätzen. Eine wesentliche Rolle spielt im Rahmen des Projektmanagements auch – soweit die Punkte 1 – Unternehmenskultur –; Punkt 2 – weiterhin klare Profilierung bei den Nachfragern, weil die Produktpaletten der „zusammengehenden“ Unternehmen durch z. B. Ergänzung und gleiches Qualitätsverständnis gut zusammenpassen; Punkt 3 – klares Rollenverständnis der Partner zukünftiger Zusammenarbeit mit Interessenausgleich und Punkt 5 – Know-how-Transfer für das Steuerungsmanagement bei der Wahl der zukünftigen Form der Zusammenarbeit29. Die vertraglich freiwillige Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Einheiten – also Kooperation – wird dann anzustreben sein, wenn für beide Partner einschließlich der Leitung Vorteile im Hinblick auf die Kunden erkennbar sind und Verstöße gegen das GWB – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – rechtlich und auch in der ethischen Außenwirkung konfessioneller Sozialleistungsunternehmen auszuschließen sind. Das setzt die Grundanerkenntnis des Wettbewerbsgedanken auch zwischen den konfessionellen Sozialleistungsunternehmen um den „Qualitätsverbesserungswillen“ für den Nachfrager voraus. Hierauf zielen dann auch die sog. Gemeinschaftsunterneh28 Zum Kulturmanagement vgl. u. a.: Bögel, S. 729 ff, Korte (2001/1), S. 131 ff; Scholz, S. 778 ff; Wunderer, S. 192 ff. 29 Vgl. hierzu auch: BDO Deutsche Warentreuhand AG; Homburg/Bucerius, S. 20; Pospich, S. B3.

262

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

men zur Erreichung eines bestimmten Zweckes oder dauerhaft betriebenen joint ventures, überwiegend gestaltet in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (GbR) gemäß §§ 705 ff BGB oder einer Kapitalgesellschaft – zumeist GmbH ab. Häufig ist eine grundsätzlich wesentlich einfacher begründ- und auflösbare Kooperation Vorstufe einer Konzentration. Unternehmenskonzentrationen durch Beteiligung zeichnen sich durch einheitliche Leitung aus. Von Konzernen wird bei der Beibehaltung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher wirtschaftlicher Leitung gesprochen, während bei einer Fusion die rechtliche Selbständigkeit durch Übernahme aufgehoben wird. Mit dem auf den ersten Blick bestechenden Aspekt der Leitungseinheit tun sich nach Erfahrungen der Verfasser konfessionelle Sozialleistungsunternehmen schwer: Vereine werden durch Mitgliederbeschlüsse und „Verschmelzung“ der Vereinsmitglieder fusioniert, Kapitalgesellschaften – hier GmbH und AG – durch Übernahme der Kapitalanteile, welches grundsätzlich einfacher zu gestalten ist30. Am Ende „verschwindet“, i. A. das alte, übernommene Unternehmen. Es geht in dem neuen Verband auf bzw. unter. In der Erwerbswirtschaft verlieren i. A. eine Reihe von Führungskräften ihre Arbeitsplätze. Sicherlich immer eine schwierige Situation. Ist dies der Grund, warum in der Kultur des „sich nichts-tun-wollens“ der konfessionellen Unternehmen Übernahmen nach Beobachtungen der Verfasser äußerst unpopulär sind? Betriebswirtschaftlich rationale Gründe im Hinblick auf die Verbesserung der sozialen Leistung für die Kunden und die Stärkung ihrer Rechte in der Öffentlichkeit stehen den, aus dem Wettbewerb um den Kunden sich entwickelnden Übernahmen von Unternehmen und Fusionen dagegen nicht im Wege. Eitelkeiten könnten dagegen bremsen oder fördern, halten aber einer rationalen Überprüfung selten stand. Abschnitt 7

Zukunftsperspektiven – Schlußbetrachtung I. Vorbemerkungen Der Ausblick in die Zukunft ist wie ein Blick über den sichtbaren Horizont hinaus: er läßt sich nur gewinnen, wenn man sich auf den Horizont zubewegt. Deshalb entscheidet sich das, was sich von der Zukunft überhaupt erkennen läßt, an der Richtung, in der man sich bereits heute bewegt. In diesem Sinne sind die Überlegungen dieses letzten Abschnitts zu lesen. Sie sind an der Frage nach Richtung und Qualität, nicht nach Quantitäten ausgerichtet. 30 Stiftungen sind grundsätzlich nur mit Zustimmung der Stiftungsaufsicht unter Berücksichtigung des § 87 BGB verschmelzbar.

Abschn. 7: Zukunftsperspektiven – Schlußbetrachtung

263

Unter diesem Blickwinkel stehen am sichtbaren Horizont derzeit mehrere Fragezeichen: – Welche heutigen Sozialleistungen werden künftig noch gebraucht, welche werden neu zu entwickeln sein? – Wie entwickeln sich ihre gesellschaftliche Akzeptanz, Unterstützung und Ausstattung? – Wie entwickeln sich Personalsituation und -angebot? – Wie entwickelt sich das Gemeinwesen, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Steuerzahlern und Transfer-Leistungs-Empfängern? – Wie entwickeln sich die rechtlichen Rahmenbedingungen? So ungewiß alte und neue Sozialleistungsbedarfe nach Menge und Dauer in der Zukunft auch sind, so sicher darf damit gerechnet werden, daß die Ansprüche an die Qualität von Sozialleistungen steigen31, Anforderungen der Sozialpolitik und des Gesundheitswesens, Erwartungen der Gesellschaft und nicht zuletzt auch der potenziellen Nutzer und ihrer Vertreter. Sie werden sich in zunehmendem Maße an Zweierlei orientieren: – an der Qualität der angebotenen Leistungen – das ist schon heute ablesbar an der Wahl oder Abwahl von Ärzten, Kliniken, Sanatorien und anderen Therapieangeboten durch ihre Nachfrager – sowie – an der Rolle, die den Nutzern von den jeweiligen Leistungsanbietern zugedacht wird. Beide Gesichtspunkte kehren noch einmal wieder auf der Mitarbeiterebene. Zur Frage nach der Qualität gehört dann auch die nach Fort- und Weiterbildung, nach Führung und Orientierung; zur Frage nach der Rolle gehört auch hier die Stellung der Mitarbeiter im jeweiligen Unternehmen, ihre Wertschätzung, ihre Kritikmöglichkeiten und -erfahrungen sowie ihr Beteiligtsein an Entwicklungsprozessen. Beide Fragenkreise – Qualität der Sozialleistung und Rolle der Beteiligten – sind von grundlegender Bedeutung für die künftige Stellung und Geltung, für Chancen und Risiken von Sozialleistungsunternehmen. Dies gilt in hohem Maße auch für den Dialog zwischen ihnen und ihrem gesellschaftlichen Umfeld sowie für den Dialog zwischen ihnen und Politik, Administration und Kassen. Nur solche sozialen Leistungsangebote werden der oben skizzierten Entwicklung standhalten und diese gegebenenfalls mitgestalten können, welche von sich aus selbst die Qualitätsfrage an ihre Leistungsangebote richten. Dazu gehört, daß sie im Austausch mit ihren Kunden die Qualitätsfrage durch regelmäßige Selbstüberprüfung ständig neu und verbindlich zu beantworten bereit sind und 31

Vgl. Abschnitt 3, Kapitel II.4.

264

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

ihre Antworten den Nachfragern und dem gesellschaftlichen Umfeld überzeugend zu vermitteln vermögen. Überzeugen aber werden sie nur, wenn das, was sie über sich aussagen, mit dem, was ihre Nutzer erfahren, übereinstimmt, besser noch: wenn die Erfahrungen, die ihre Kunden mit dem jeweiligen Anbieter machen, die Versprechungen des Unternehmens und die Erwartungen ihrer Kunden noch übertreffen. Dieser unumkehrbaren Entwicklung können konfessionelle Sozialleistungsanbieter nicht entgehen; sie dürfen es nicht einmal wollen. Nicht nur um des eher vordergründigen Interesses willen nicht, keine Kunden- und Marktanteile zu verlieren, sondern vor allem deshalb nicht, weil sie sonst ihren Anspruch verfehlen, auf ihrer religiös-ethischen Grundlage ihrerseits einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten.

II. Qualität und Nachfrager Die ausschlaggebende Stellung der Qualitätsfrage wurde bereits sichtbar. Sie durchzieht alle Aspekte dieses Abschnitts32: – das Verhältnis der konfessionellen Sozialleistungsanbieter zu ihren eigenen Grundlagen und Ansprüchen, – ihre Kundenbeziehung, – die Stellung ihrer Mitarbeiter (Kapitel III.) sowie – ihr Verhältnis zum Umfeld (Kapitel IV.). Die Qualität einer Sozialleistung kann niemals allein und abschließend durch den Anbieter definiert werden. Sie ist nur im wechselseitigen Austausch zwischen Anbieter und Nachfrager zu gewinnen. Dabei hat der Kunde stets das letzte Wort – schon durch die bereits angesprochene Möglichkeit der Wahl oder Abwahl. Zwar kann der Anbieter aus seiner konfessionell-ethischen Verpflichtung und Verantwortung heraus seinerseits Maßstäbe für sein Leistungsangebot entwickeln – etwa: jederzeitige Erreichbarkeit sowie Verlässlichkeit, Zeitnähe und Sorgfalt bei dessen Umsetzung. Entscheidend für die Qualität aber bleibt das Urteil des Kunden, d. h. die Erfüllung seiner Ansprüche, seine Erfahrungen mit den Unternehmensleistungen und gegebenenfalls seine Anerkennung dieser Leistungen. Nur so kann selbst die bewährteste Qualität einer Sozialleistung flexibel und glaubwürdig bleiben gegenüber Nachfragern und ihren sich verändernden Bedarfen und Erwartungen. Nur so ist sie Qualität, die der Würde der Nachfrager Rechnung trägt. Die Entscheidung des Nachfragers über die Qualität bestimmt zwar nicht jede seiner Rollen im Hilfegeschehen – er hat ja auch eine

32

Vgl. Abschnitt 4.

Abschn. 7: Zukunftsperspektiven – Schlußbetrachtung

265

wichtige Bedeutung als ihr Mit-Ersteller und Mit-Gestalter. Die Qualitätsfrage ist dabei aber von grundlegender Bedeutung. Qualitätsfrage und Kundenrolle hängen gerade in konfessionell begründeten und geprägten Unternehmen unlösbar zusammen. Denn der höchste Maßstab, den ein solches Unternehmen aus seinen biblisch-ethischen Wurzeln heraus entwickeln kann, ist, wie gezeigt33, die Kundenorientierung als grundlegende Bedingung der Erfüllung des Liebesgebots. Hierbei spielen die Mitarbeiter von Sozialleistungsunternehmen und ihr persönlicher Einsatz, mit dem sie dem Kunden gegenübertreten und für ihn eintreten, eine herausragende Rolle. Denn in ihnen begegnet jedem Nachfrager der Leistungswille und die ihn tragenden Leitsätze und Richtlinien des gesamten Unternehmens und deren Ernsthaftigkeit. Mitarbeiter stehen so in einer doppelten Loyalität: – dem Unternehmen und seinen Zielen gegenüber, die sie dem Nachfrager repräsentieren, und – dem Nachfrager gegenüber, dessen Signale im Blick auf Leistung und Zufriedenheit sie aufnehmen und ernstnehmen müssen. Über diese Wechselbeziehung hinaus kann es im Austausch zwischen Sozialleistungsunternehmen und ihrem Umfeld zu Qualitätsdefinitionen von Seiten der Absatzmittler wie Beratungsstellen, Behörden, Kassen oder Transferzahlern kommen.34 In diesem Fall ist es, zumal in Zeiten knapper Kassen oder infolge der Marginalisierung bestimmter Hilfegruppen, sehr wohl möglich, daß Erwartungen an Sozialleister herangetragen werden, welche auf Leistungseinschränkungen oder Qualitätsminderungen hinauslaufen.35 Dann ist umso mehr die sozial-anwaltliche Rolle des konfessionellen Leistungsanbieters gefordert, solchen Erwartungen entgegen zu treten. Aber selbst dann noch und gerade so bleibt die Grundregel der Qualitätsfrage gültig: die Antwort darauf ist nur im Diskurs zu finden. Dabei kommt dem unmittelbar der Sozialleistung Bedürftigen als Nachfrager die Schlüsselrolle zu. Dies klingt selbstverständlich, entspricht aber keineswegs allenthalben schon der Realität. Nutzer von Sozialleistungen in einer Schlüsselrolle – dieses Verständnis ist vielerorts noch immer unbekannt, unerschlossen oder zumindest ungeliebt. Es stellt ja auch die im Bewusstsein der Beteiligten oft tief verankerte Hilfepyramide und -hierarchie vom Stärkeren (oben) hin zum Schwächeren (unten) auf den Kopf. Es beunruhigt das Selbstbild und das Selbstwertempfinden vieler, die sich – in der Regel fernab vom Hilfealltag – in 33

Vgl. Abschnitt 2, insbesondere Kapitel III.2. Vgl. Abschnitt 4, Kapitel I.4. 35 So war es in einem besonders krassen Fall vor Jahren ein Amtsarzt in einer westdeutschen Großstadt, der für Hilfeangebote gegenüber wohnungs- und mittellosen Personen nur Baracken als Schlaf- oder als ärztliche Behandlungsräume zulassen wollte. Der Vorgang wurde bundesweit presseöffentlich. 34

266

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

Trägervereinen und Aufsichtsgremien engagieren und sich darauf verlassen, daß das jeweilige Werk, dem sie ihr Interesse und ihre Zeit widmen, „das Gute tut“ und ihrer vollen Unterstützung wert ist. Dabei glauben die Unternehmen, ihre Leitungen und Aufsichtsgremien bereits schon zu wissen, was für ihre Nachfrager und Abnehmer gut sei. Nur ausnahmsweise werden diese danach befragt. Wer nach der Kundenorientierung und der Ausrichtung der Helfertätigkeit an den Kundenwünschen fragt, begegnet nicht selten den Hinweisen, es wurde selbstverständlich „professionell“ geholfen – z. B. gepflegt – und noch dazu von sehr „motivierten“ Helfern. Beide Hinweise gehen jedoch an der Frage vorbei und tragen deshalb oft Züge der Abwehr. Denn natürlich kann sowohl „professionell“ wie „motiviert“ gearbeitet werden, ohne den Kundenbedürfnissen höchsten Rang einzuräumen. Im Gegenteil: insbesondere „Professionalität“ kann leicht als Argument gegen Kundenwünsche ins Feld geführt werden – z. B. gegen Wünsche der Selbstbestimmtheit oder des Tagesrhythmus – und „hohe Motivation“ kann sich auch mit dem Interesse am Erhalt der Hilfebedürftigkeit der Nachfrager verbinden. Zweifellos ist die Sorge für die Qualität jeder Sozialleistung in erster Linie das Geschäft der an der Erstellung unmittelbar Beteiligten, zumeist hauptberuflich Tätigen. Aber die Frage nach deren Qualitätsverständnis und seiner Umsetzung sowie insbesondere die Frage danach, welche Rolle dabei die Nachfrager und Nutzer der Sozialleistung spielen, könnte sehr wohl Träger- und Aufsichtsgremien beschäftigen. Ja, sie könnte sehr wohl deren wichtigste Aufsichtsfunktion darstellen und zu ganz neuen, dialoggeprägten Formen dieser Tätigkeit führen. Sie wird dort aber eher selten und allenfalls unter dem Druck bedrohlicher Absatzkrisen gestellt. Sie taucht sonst allenfalls in der Frage nach der Qualität der Hilfebedingungen auf – etwa der nach Gebäuden und deren Einrichtungssubstanz oder der nach Stellenplänen und nach dem Qualifizierungsgrad der Mitarbeiter. Auch dieser Tatbestand ist eine Folge, wenn nicht sogar eine Funktion der Hierarchien. Wenn „Hinwendung zum Menschen“ ein Grundthema und Kennzeichen biblischer Religion ist, so führen menschliche Hierarchien im Gegensatz zum Handeln des biblisch bezeugten Gottes in der Regel zur Abkehr vom Menschen, zumindest zur Entfernung und Entfremdung gerade von denen, die auf den unteren Stufen der gesellschaftlichen Pyramide leben.36 Das gilt auch für konfessionelle Sozialleistungsunternehmen und hat zur Folge, daß die für diese Unternehmen letztverantwortlichen Mitglieder etwa in Aufsichts- oder Trägergremien nur in Ausnahmefällen Berührung mit deren Nachfragern und Nutzern haben, es sei denn, sie fragten ihrerseits nach diesen und ließen sich zumindest von Zeit zu Zeit über sie berichten. Dabei dürfte die 36

Vgl. Abschnitt 2, Kapitel II.1.

Abschn. 7: Zukunftsperspektiven – Schlußbetrachtung

267

Formel gelten: Je entfernter die jeweiligen Leistungsnachfrager und deren Hilfeindikation von der jeweils eigenen Lebenswelt sind, desto geringer das Interesse an solchen Rückfragen und an entsprechenden Auskünften und desto mühevoller der Prozeß einer verständigungsorientierten vollen Annäherung. Angesichts der Schlüsselstellung der Qualitätsfrage für den Fortbestand jedes Sozialleistungsunternehmens unter den Bedingungen wachsender Konkurrenz und zunehmend genutzter Wahlfreiheit muß diese jedoch zum ständigen Tagesordnungspunkt der Beratungen auch in Aufsichtsgremien, Vereins- oder Gesellschafterversammlungen werden. Bei dieser Forderung ist noch nicht einmal die zentrale Stellung mitbewertet, die der Nachfrage nach dem Hilfebedürftigen und nach seinen Wünschen im ethisch-religiösen Wertekanon konfessioneller Sozialleister ohnehin zukommt. Es wäre eine empirische Studie wert, wie viele Sozialleistungsunternehmen de facto offensiv mit der Qualitätsfrage und mit der Frage nach der Zufriedenheit ihrer Kunden umgehen. Wenn sie ihr Eindruck nicht täuscht, sehen die Verfasser im Kreis konfessioneller Sozialleistungsanbieter noch vielfach einen eher passiven Umgang mit dieser Frage vorherrschend, als sei die Reaktion der Nachfrager auf die Leistungsangebote der Unternehmen von schicksalhafter Natur. Umso wichtiger erscheint es, daß die Unternehmen bewährte Methoden der Befragung und Rückkopplung aufgreifen, wie sie im Kapitel „Marketing“ beschrieben wurden, und sich diese aneignen. Dieser Schritt vermehrt über die praktischen Ergebnisse hinaus Vertrauenskapital. Dies dürfte von nicht zu unterschätzender Wirkung und Bedeutung für das Überleben des Unternehmens sein. Schließlich sei noch auf eine Hürde hingewiesen, die bei der Rückfrage bei den Abnehmern hinsichtlich ihrer Bewertung der Leistungsqualität begegnen kann. Wie bereits angesprochen, verharrt mancher Nachfrager aufgrund alter Prägungen und nicht selten aus Scham über seine Bedürftigkeit und Inanspruchnahme fremder Hilfe und öffentlicher Mittel noch immer in der Haltung eines anscheinend mit jeder Sozialleistung zufriedenen Kunden. Umso weniger können und dürfen sich konfessionelle Anbieter mit einer solchen Haltung zufrieden geben. Schon gar nicht dürfen sie sich auf sie berufen, um unzulängliche Leistungen ihrerseits zu rechtfertigen. Die skizzierte Haltung von Kunden drückt ja nicht weniger aus, als daß diese bereits in ihrem Selbstwertgefühl tief geschädigt sind. Sie befürchten, ein Auftreten als Kunde mit entsprechenden Erwartungen und Wünschen gegenüber dem Leistungsanbieter könne ihnen als Anmaßung ausgelegt werden. Dies aber sagt mehr über ihre bisherigen Hilfeerfahrungen und über gesellschaftliche Reaktionsmuster aus als über sie selbst. Desto konsequenter müssen konfessionelle Hilfeanbieter um ihrer eigenen ethischen Grundlage willen ihr Leistungsangebot ständig überprüfen und gerade auch die genannten Kunden in ihrem Anspruch auf Qualität, d. h. in ihrer Würde stärken.

268

Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

Es dürfte deutlich geworden sein: der entscheidende Perspektivpunkt dieses Ausblicks liegt in der unbedingten Orientierung des Sozialleistungsangebots an seinen Kunden. Mögen sich andere Anbieter von Waren und Leistungen auf Nachfrager in wirtschaftlich und sozial stärkerer Position konzentrieren. Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen müssen sich messen lassen an Menschen, deren persönliche und soziale Lage ihre Selbstbestimmtheit beeinträchtigen oder bedrohen, die deshalb für kürzere oder längere Zeit auf Leistungen Dritter angewiesen sind, diese nachfragen und nutzen, um wieder selbstbestimmt und würdig leben zu können. Dies schließt fallweise das Ziel ein, von fremder Hilfe ganz unabhängig zu werden. Diesem Perspektivpunkt dient die hier vorgestellte, grundlegende Rückbindung der Sozialleistung an die ethisch-religiös begründeten Grundlagen und Normen unserer christlich geprägten Kultur. Dank deren Kernaussage im Liebesgebot und dank dessen Nähe zur Goldenen Regel sind diese aber auch in anderen Kulturen zu vertreten und zu vermitteln. Diese Grundlagen und Normen enthalten, wie zu zeigen versucht wurde, unübersehbare Handlungshinweise für jede Sozialleistung. Ja, sie geben, wie gerade am Liebesgebot und seiner Auslegung durch Jesus von Nazareth zu zeigen war, selbst den stärksten Hinweis auf die zentrale Stellung des „Nächsten“ als Kunden in jedem „Hilfehandeln“.37 Die Verfasser dieser Studie macht es betroffen, daß dieser Blickpunkt, obwohl, wie gezeigt, seine Grundlegung im biblischen Liebesgebot evident ist, eher konfessionellen Sozialleistungsanbietern in Erinnerung gebracht werden muß als der von diesen vielfach mißtrauisch betrachteten „Ökonomie“. Dieser ist die Kundenorientierung selbstverständlich. So betrachtet wollen die Darlegungen dieses Buches zum Dialog zwischen konfessionellen Sozialleistungsunternehmen und Ökonomie beitragen. „Chancen und Risiken“ liegen, aus diesem Blickwinkel gesehen, bei konfessionellen Sozialleistungsanbietern gerade im Ernstnehmen bzw. in der Geringschätzung ihrer ureigensten Grundlage und Orientierung.

37 Gelegentlich ist der Versuch zu beobachten, dem „Kunden“begriff die Bezeichnung „Klient“ vorzuziehen. Es handelt sich jedoch um zwei sehr verschiedene Beziehungsebenen: – sofern Sozialleistungsunternehmen Dienstleistungen anbieten – also ihr Kerngeschäft –, stehen ihnen ihre Nachfrager als „Kunden“ gegenüber; – nur soweit sie auch sozialanwaltschaftlich tätig werden, können sie dafür – und nur dafür – von „Klienten“ sprechen. In beiden Fällen bedarf es für die konkrete Ausführung eines Vertrages bzw. einer Beauftragung („Mandat“). Den Begriff „Hilfehandeln“ hat Horst Seibert (vgl. Seibert) in den theologischen Sprachgebrauch eingeführt.

Abschn. 7: Zukunftsperspektiven – Schlußbetrachtung

269

III. Mitarbeiter und Dienstgemeinschaft 1. Sozialleistung für Mitarbeiter? Welchen Anspruch stellen konfessionelle Sozialleistungsunternehmen an ihre Mitarbeiter; welche müssen sie stellen, um zu überzeugen und sich überzeugend gegenüber aktuellen und potenziellen Nachfragern wie auch gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld zu behaupten? Es ist ein wohl tiefsitzender, aber nicht ausreichend reflektierter Hilfeimpuls, welcher in manchem konfessionellen Sozialleistungsunternehmen die Grenzen der Zuständigkeit fließend werden ließ: soll sich ihr soziales Handeln auf die jeweiligen Zielgruppen beschränken oder können nicht auch Mitarbeiter, zumindest einige, von der karitativen Ausrichtung des Unternehmens profitieren? Sozialleistung für Mitarbeiter wird nicht selten aus dem Kreis der Mitarbeiter in konfessionellen Unternehmen selbst von diesen erwartet und praktiziert. Aber auch Dritte – zuweilen im jeweiligen Umfeld angesehene Persönlichkeiten – richten entsprechende Erwartungen an diese Unternehmen: ein im übrigen Arbeitsmarkt schwer vermittelbarer Angehöriger oder Freund möge hier, im konfessionellen Unternehmen „unterkommen“. Gemeint ist damit nicht ein Platz im Hilfeangebot, sondern in der Mitarbeiterschaft des doch „sozialen“ Unternehmens. Unternehmen, die solchen Erwartungen nachgeben, unterliegen einem schwerwiegenden Missverständnis ihrer Rolle, wenn nicht sogar deren Missbrauch. Denn soziale Leistungen erfordern ein Höchstmaß an Qualität und Effizienz vonseiten der Anbieter. Nur entsprechende Anforderungen dürfen über Einstellung oder Nicht-Einstellung ihrer Mitarbeiter entscheiden. Konfessionelle Unternehmen brauchen die jeweils Besten zur Ausführung ihres Leistungsangebots um ihrer ethischen Verpflichtung und um derer willen, denen sie ihre Leistungen anbieten, sowie um der Gesellschaft willen, welche dafür die gesetzlichen Rahmenbedingungen bereitstellte. Dies gilt nicht zuletzt im Blick auf die in der Einleitung dieses Abschnitts aufgeworfenen Fragen. Nur den Besten kann es gelingen, der Dynamik des sich stetig verändernden Umfelds standzuhalten. 2. Der Anspruch des Sozialleistungsunternehmens Sowohl die genannte Erwartung an konfessionelle Sozialleister wie auch gegebenenfalls deren nachgiebige Reaktion darauf zeigen, daß sich mit ihrem Selbstbild wie mit ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit nicht immer und unbedingt die Assoziation „anspruchsvoll“ einstellt. Gerade darin aber liegt ein beträchtliches Risiko. Denn auch hier stellt sich die Qualitätsfrage als ein entscheidender Faktor für künftige Chancen und Risiken. Gehen die Verfasser fehl in ihrer Einschätzung, daß sich konfessionelle Sozialleistungsanbieter nicht durchweg und zielstrebig um ein solches Ansehen kümmern, nämlich: hohe Ansprüche zu stellen, so daß z. B. die bei ihnen Beschäftigten auf neidvolle Reak-

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Teil 3: Chancen und Risiken in der Zukunft

tionen stoßen würden wie etwa die: „Wie hast du das geschafft, dort eingestellt zu werden?“ Gleichviel, ob sich das Arbeitskräfteangebot für diese Unternehmen in den kommenden Jahrzehnten aus demographischen oder anderen Gründen verringert oder ob es sich infolge der Öffnung des europäischen Arbeitsmarktes vergrößert: immer wird es darauf ankommen, daß sie höchste Ansprüche an ihre Mitarbeiter stellen. Dabei spielt fachliches Können – beispielsweise die Beherrschung medizinischer und gerontologischer Kenntnisse und Pflegetechniken, sozialarbeiterische Methodenbeherrschung und pädagogisches Geschick – gewiß eine wesentliche Rolle. Als mindestens gleichwertig aber könnten sich Kontaktfähigkeit, Entscheidungsfreudigkeit und persönliche Authentizität der Mitarbeiter erweisen. Zur Authentizität gehört die Frage der eigenen Zugehörigkeit jedes Mitarbeiters zur jeweiligen Konfession, auf welche jedes konfessionell begründete Unternehmen, seine Nachfrager wie auch die Öffentlichkeit Anspruch erheben dürfen.38 Allerdings gehört zu diesem Anspruch – anders als manches Unternehmen noch immer meint und praktiziert – nicht die Ausforschung des Glaubens und Gewissens der Mitarbeiter. Zur Verstärkung von fachlichem Können, Kontaktfähigkeit und Authentizität bedarf es der ständigen Einübung und Schulung im Unternehmen selbst, am meisten jedoch im Blick auf die Kundenorientierung. Denn diese Orientierung wird in sozialen Ausbildungsgängen naturgemäß nur wenig thematisiert. Sie rückt – wenn überhaupt – oft erst beim Übergang in die Praxis ins Blickfeld. Zum Anspruch des Unternehmens gehört schließlich auch die Achtung bürgerlicher Gerechtigkeit. Gewiß haben konfessionelle Sozialleistungsanbieter teil an der besonderen Rechtsstellung und -ordnung ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft. Sie dürfen diese besondere Rechtsstellung jedoch nicht gegen Pflichten aus der bürgerlichen Rechtsordnung ausspielen. So können und dürfen sie beispielsweise Rechtsbrüche und -vergehen, die auch in ihren Reihen vorkommen, nicht unter vermeintlich christlichen Normen verstecken. Diebstahl, Untreue oder ähnliches – von Kapitalvergehen ganz zu schweigen – müssen angezeigt und öffentlich untersucht werden. Der Vertrauensverlust, der eintritt, wenn die betreffenden Vorgänge an die Öffentlichkeit gelangen, ohne daß die Unternehmen zuvor ihrerseits unmissverständlich reagiert hätten, wäre unabsehbar. Es ließe sie als Mittäter erscheinen. Höhere Gerechtigkeit im Sinne des Gebots zur Vergebung kann es in solchen Fällen natürlich in der Form geben, daß konfessionelle Unternehmen sich für Verfahrensgerechtigkeit einsetzen, gegebenenfalls für ein milderes Strafmaß plädieren und dafür, daß Unrechtstätern weiterhin ein Ort im Kreis christlicher Ge38 Als gleichwertig für dieses Erfordernis ist die Zugehörigkeit zu einer Konfession anzusehen, welche in der „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen“ mitarbeitet.

Abschn. 7: Zukunftsperspektiven – Schlußbetrachtung

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meinschaften bleibt. Aber ein Zurückschrecken vor der Anzeigepflicht, wie es hier und da erwogen wird, schädigt das Unternehmen selbst, das Vertrauen auch in andere, ähnlich geartete Unternehmen und unter Umständen sogar in die Konfession. Insbesondere schädigt es Vertrauen bei Nachfragern und bei solchen Mitarbeitern, die ihren Dienst ohne Anstoß wahrnehmen. Der offensive Umgang mit Konflikten – nicht zuletzt mit Konflikten in den eigenen Reihen – wirkt auch hier eher friedenstiftend. 3. Dienstgemeinschaft und Mitarbeiterführung Hier gewinnt nun das, was vielfach nebulös Unternehmenskultur genannt wird, konkret Gestalt: die Ausrichtung aller Unternehmensabläufe auf das Ziel hin, die Abnehmer der Sozialleistungen zu erreichen, zu überzeugen und ihren Hilfezielen messbar näher zu bringen. Je deutlicher dieser Orientierungspunkt das Bewusstsein der Beteiligten leitet, um so mehr hat der Gedanke der Dienstgemeinschaft als gemeinsame Orientierung aller Beteiligten am Dritten, nämlich am Bedarf der Nachfrager wieder seine ursprüngliche, prägende und gestaltende Wirkung. Noch immer wird dieser Begriff ja von Unternehmensleitungen missbräuchlich als Druckmittel auf das Wohlverhalten der Belegschaft, insbesondere in Tariffragen, benutzt. Er bedarf jedoch, statt als Disziplinierungsinstrument herhalten zu müssen, der Öffnung, weg von der Fixierung auf die Tarifpartner und hin zur gemeinsamen Zuwendung zum Hilfesuchenden. Auf diese Weise wird der Gedanke der Dienstgemeinschaft wieder gefüllt im Zusammenhang mit dem dritten Artikel des christlichen Glaubensbekenntnisses: Dienstgemeinschaft wird wieder zum anschaulichen Element einer „Gemeinschaft der Heiligen“. Dieser Glaubensartikel leitet die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft dazu an, ihre jeweiligen Fähigkeiten einander ergänzend in die Gemeinschaft und in die Wahrnehmung ihrer Aufgaben einzubringen. Diesen Gesichtspunkt kann und muß Mitarbeiterführung in einen ständigen, dynamischen Steuerungsprozeß umsetzen.39 Sie erschöpft sich ja nicht in einer gut organisierten Personalverwaltung, welche z. B. regelmäßige Zahlungen an Mitarbeiter sicherzustellen hat. Mitarbeiterführung ist, so sehr sie ihrerseits gut organisiert und gestaltet sein muß, nicht Aufgabe einer Spezialabteilung, sondern jeder Abteilung, ja, jedes Mitarbeiters im Sinne der Schulung, der Selbststeuerung und des ständigen Austauschs mit anderen. Sie hat zuallererst die Funktion, die Sinnhaftigkeit jeder Tätigkeit im Unternehmen und ihre Effizienz für den Kunden des Unternehmens zu stärken und zu festigen. Sie ist deshalb gerade in konfessionell begründeten Unternehmen kein Selbstzweck oder ein lediglich stabilisierendes Herrschaftsinstrument. Sie ist Ausdruck und Instrument der Zusammengehörigkeit, ja, der Identität von ethisch-religiöser Grund39

Vgl. auch Teil 2, Abschnitt 3.

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lage und ökonomischer Steuerung. Sie bewahrt darüber hinaus vor Selbstrechtfertiungstendenzen und -zwängen. Sie befähigt und ermutigt dazu, nicht zuletzt um der konfessionellen Grundlage des Unternehmens willen, sich dem „Urteil der anderen“40 zu stellen, deren „Bestes“ zu „suchen“41 und erst zu ruhen, wenn der eigene Impuls, „gut“ zu sein und „Gutes zu tun“, umgesetzt ist in Handlungen, welche die Zustimmung der Kunden gefunden und welche ihre befreiende Wirkung für diese erwiesen haben. Daß hierzu rationale, operative Verfahren zur Effizienz und zum Erfolg beitragen, gehört nicht nur zu den Überzeugungen der Verfasser, sondern zu ihrer Erfahrung. Der Weg dahin ist allerdings nicht einfach. Ihm steht nicht selten ein verbreitetes Vorverständnis entgegen wie etwa die schon zitierte Auffassung, daß Helfen doch bereits als solches „gut“ sei und daß es seinen Sinn auch ohne die Zustimmung der Kunden in sich selbst trage. Diese Selbstbezogenheit mancher Helfer darf je länger desto weniger auf allgemeine Anerkennung rechnen.42 Sie bildet ein erhebliches Risiko für die Glaubwürdigkeit konfessioneller Sozialleistungsunternehmen. 4. Leistung, Entgelte, Erfolg Viele Mitarbeiter in konfessionellen Sozialleistungsunternehmen haben nicht zuletzt deshalb den Weg ins Feld helfender Berufe gewählt, weil ihnen Tätigkeiten und Produkte, die der Mehrung von Besitz, Status und Komfort dienen, weniger Sinn versprechen als der Einsatz für Menschen in besonderen Lebenslagen. Die gesellschaftliche Gewichtung und Wertschätzung ihrer Tätigkeit hängt sehr vom jeweiligen Status der öffentlichen Kassen ab und schwankt deshalb. Vielfach werden sie weniger als Leistungsträger denn als Kostenfaktor für die Gesellschaft betrachtet werden, so sehr gerade auch Sozialleistungen im „Bruttosozialprodukt“ jeder Gesellschaft bewertet und mitberechnet werden. Wenn Mitarbeiter in sozialen Berufen mit ihrer Berufswahl aber die Hoffnung verbunden haben, mit der Grundentscheidung für einen helfenden Beruf zugleich auch in einen leistungsärmeren oder gar leistungsfreien Raum gelangen zu können, so kann diese allerdings nicht aufgehen. Sie ist nicht nur gesellschaftlich unrealistisch. Sie stellt vor allem die Echtheit der eigenen Motivation in Frage. Diese kann als eine solche nur glaubwürdig sein, wenn sie den Wettbewerb um den größtmöglichen Ertrag des eigenen Handelns für den anderen, den Kunden, aufnimmt und selbst vorantreibt. Umgekehrt sind politische Mandatsträger wie auch Sozialleistungsunternehmen dazu verpflichtet, die sich aus 40

Vgl. 2Korinther 4,2. Jeremia 29,7. 42 Niklas Luhmann spricht – weit hierüber hinausgehend – von „selbstreferentiellen Systemen“; vgl. Luhmann. 41

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ethischer Motivation um die Verbesserung der Lebenslage anderer Menschen mühenden Mitarbeiter nicht auszubeuten, sondern für sie gerechte Entgelte sicherzustellen.43 Eine Gesellschaft, die auf die Mitarbeiter in helfenden Berufen immer größeren Druck ausübt und höhere Leistungen bei abgesenkten Arbeitsentgelten erwartet, verletzt nicht nur die ökonomische Vernunft. Sie schädigt vor allem solche in ihr vorhandenen sozialen Ressourcen und Einstellungen nachhaltig, die sie nicht selbst herstellen kann, auf die sie aber mit steigender Tendenz angewiesen ist. Der in diesem Zusammenhang immer wieder zu beobachtende Reflex, auf Familien, Nachbarschaften und „ehrenamtliche“ Hilfsbereitschaft zu pochen und an diese zu appellieren, kann aber nur Glaubwürdigkeit beanspruchen und überzeugen, wenn alle Sozialleistungen Wertschätzung erfahren, nicht zuletzt die hauptberuflichen und bezahlten. Die Verfasser hoffen gezeigt zu haben, daß gerade die von der Ökonomie entwickelten Steuerungsverfahren es ermöglichen, Mitarbeitern in helfenden Berufen Erfahrungen meßbarer Erfolge sowie der Anerkennung seitens ihrer Kunden und der Bestätigung aus deren Umkreis zu vermitteln. Dies wurde in den Kapiteln über Marketing, Fachcontrolling oder qualitätssichernde Verfahren wie z. B. EFQM beschrieben. Nicht selten wird verkannt, daß das ökonomische Prinzip ja nicht nur gleiche Leistungen bei abgesenkten Kosten bedeutet, sondern auch Leistungssteigerung bei gleichen Kosten. Erst die Erfahrung, für verbesserte Leistungen auch erhöhte Anerkennung innerhalb des Unternehmens zu erhalten – besonders durch verläßliche Rückmeldungen über Kundenzufriedenheit – verändert die Einstellung von Mitarbeitern, bewirkt ihre Zustimmung und erhöht ihre Motivation. Hier wird Erfolg durch Verfahren der Rückkoppelung, der Messung und des Diskurses über eingehende Informationen gesichert. Dies stärkt die Sinnerfahrung im eigenen Berufsalltag oft mehr und wird von nicht wenigen Mitarbeitern als wichtiger empfunden als ein monetärer Erfolg.

IV. Soziale Leistungen im gesellschaftlichen Umfeld 1. Wer ist Auftraggeber der Hilfe? Nicht wenige konfessionelle Sozialleister sind sich über diese Frage nicht im Klaren. Die Tatsache, daß Entgeltzahlungen seitens öffentlicher Kassen zumeist direkt an Hilfeanbieter, nicht an die Anspruchsberechtigten fließen, stützt das Missverständnis, der Staat als Verwalter öffentlicher Kassen und Auslöser von Zahlungsbewegungen zugunsten wirtschaftlich Schwacher sei auch der Auftrag43

Vgl. auch Abschnitt 3, Kapitel III.

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geber entsprechender Unternehmen. Er ist es jedoch hier ebensowenig, wie er Auftraggeber etwa von Haus- oder Automobilbau ist (allenfalls kann er Bauherr oder Autokäufer sein und Rahmenbedingungen für Hausbau und -finanzierung oder für den Automobilbau festlegen). Darüber hinaus hat das Missverständnis vom Staat als Auftraggeber sozialer Leistungen, besonders im evangelisch-lutherischen Raum, Wurzeln im religiösen Weltbild manch konfessionellen Unternehmens. Es speist sich nämlich unterschwellig noch immer aus einer althergebrachten Nähe nicht weniger Sozialleistungsunternehmen zur „guten“, zuteilend gewährenden „Obrigkeit“. Die Pflicht des Staates zur Sicherung der Daseinsvorsorge wird so uminterpretiert in eine Beauftragung der Unternehmen zur Hilfeleistung. Diese rechnen folgerichtig geradezu mit ihrer Alimentierung. Dieses Denken widerspricht allerdings fundamental dem Prinzip des Sozialstaats, in welchem der Staat – ähnlich der Sicherung freien Handelns und dem Schutz von Wettbewerb – lediglich die Rahmenbedingungen dafür bereit zu stellen hat – einschließlich der Schaffung und Finanzierung von Rechtsansprüchen einzelner –, daß gerechte Lebensverhältnisse und insbesondere der Schutz der Menschenwürde für jedermann gewährleistet sind. Seit im 19. Jahrhundert aufs neue konfessionelle Antworten auf gesellschaftliche Entwicklungen und Fehlentwicklungen versucht wurden, ist jedoch deutlich, daß die daran Arbeitenden nicht auf staatliche Aufträge warteten, sondern ihre Antworten auf der Grundlage des hart erkämpften Rechts auf freie Vereinigungen zur Erfüllung wohltätiger Aufgaben entwickelten und anboten. Noch viele Jahrzehnte später verbaten sich konfessionelle Sozialleistungsanbieter sogar, für ihre Leistungen vom Staat alimentiert zu werden.44 Konfessionelle Anbieter könnten, hieran anknüpfend, statt an den Staat als vermeintlichen Auftraggeber zu denken, sehr wohl sagen, sie verstünden als ihren Auftraggeber die biblische Weisung Gottes, Gerechtigkeit und Liebe zu üben gerade gegenüber Schwächeren und Ärmeren. Im System des modernen Sozialstaats kommt ihnen aber der Auftraggeber als Nachfrager bzw. Käufer entgegen. Er zahlt für die empfangene Leistung mit eigenen Mitteln – einschließlich erworbener Kassenleistungen – oder mit Transfermitteln der öffentlichen Hand, die ihm kraft gesetzlicher Regelungen zur Verfügung stehen. Im Rückblick auf die jüngere deutsche Geschichte sei daran erinnert, daß das Verständnis des Staates als Auftraggeber sozialer Leistungen sehr schnell zur Übertragung fragwürdigster „Aufträge“ führen konnte. So erteilten staatliche Instanzen beispielsweise einer Ausbildungsstätte für Diakone in den ersten Jahren der Hitler-Diktatur den Auftrag, Diakone zu „sozialen“ Bewachern von Menschen in Konzentrationslagern abzuordnen.45

44 So z. B. Fr. v. Bodelschwingh gegenüber Pflegegeldern für Hilfen für wohnungslose Personen.

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2. Öffentlichkeitsarbeit46 Vielfach begnügen sich konfessionelle Sozialleistungsunternehmen mit Freundes- oder Sympathiesantenkreisen oder greifen bevorzugt auf volksfestähnliche Angebote für ihre Öffentlichkeitsarbeit zurück. Hierbei fallen die Einblicke in die Arbeit und in Arbeitsbedingungen meist eher karg aus. Erfahrungen der Autoren zeigen aber, daß das Thematisieren gesellschaftlicher Widersprüche oder von Zukunftsperspektiven durchaus Resonanz finden, wenn sie verbunden sind mit deutlicher Parteinahme für Personengruppen, die gesellschaftlich aus dem Bewusstsein verdrängt oder real aus Lebenszusammenhängen herausgehalten werden sollen. Dabei kann es dem Anbieter viel Respekt verschaffen, wenn er nicht nur für die eigene Klientel spricht und nicht den häufigen Verdacht nährt, ihm gehe es in erster Linie um die eigene Selbsterhaltung, also um Werbung. Öffentlichkeitsarbeit erfordert das Eintreten für Dritte. Dies schließt das Bemühen um Bewußtmachung von bestehenden Problemen und Aufgaben ein. Dabei kann sehr wohl das eigene Unternehmen mit seinem jeweiligen Beitrag zur Lösung dieser Aufgaben und Probleme zur Sprache kommen. Leicht ist es für jedes Unternehmen, Akzeptanz zu finden bei Lieferanten und ihrem Umfeld, schon weil es in der Regel Kaufkraft in die jeweilige Region bringt und Arbeitsplätze vorhält. Dabei können es aber gerade Sozialleistungsunternehmen nicht bewenden lassen. Denn diese Akzeptanz ist zu wenig tragfähig angesichts der Aufgabe, Verständnis zu finden bei Dritten für die sozialen Aufgaben, an denen sie arbeiten. Hier können aber sehr wohl Mitarbeitende weiterhelfen. Sie können wichtige Öffentlichkeitsbotschafter sein, wenn sie dies als ihre Aufgabe ansehen und selbst auf ihr Unternehmen stolz sind.47 Es ist sehr zu überlegen, ob die Bereitschaft zu solchem Handeln nicht schon als Thema in die Einstellungsinterviews gehört. Denn so wenig sich die Erfüllung einer solchen Absprache auch quantitativ nachprüfen läßt, so sehr macht sie eine gesellschaftlich bedeutungsvolle Seite des Arbeitsvertrages deutlich und kann fallweise auch angemahnt werden. Entscheidende Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit konfessioneller Sozialleistungsunternehmen ist es, den Zusammenhang der eigenen Arbeit mit der gesellschaftlichen Zukunft herauszuarbeiten, ebenso wie den Zusammenhang mit der persönlichen Situation der Adressaten. So wurde z. B. in Dänemark vor Jahren ein bedeutender Durchbruch in der Neuordnung der Altenhilfe dadurch 45 So geschehen seitens der Diakonenanstalt des Stephansstiftes zu Hannover, vgl. Merkel. 46 Zur Abgrenzung von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit siehe auch Abschnitt 4, Kapitel II.3.b). 47 Damit schließt sich der Kreis zur Leistungsforderung des Unternehmens an seine Mitarbeiter, vgl. Abschnitt 3.

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erzielt, daß Ortsräte und andere Entscheidungsträger für Sozial- und Pflegearbeit in Heime herkömmlicher Art und Ausstattung – z. B. mit 2- und 3-BettZimmern auf wenigen Quadratmetern – eingeladen und dort mit der lapidaren Erklärung konfrontiert wurden: „Was Sie hier vor sich sehen, ist Ihre Zukunft!“ Gerade die biblisch-ethische Basis konfessioneller Dienstleistungsunternehmen verpflichtet sie in Befolgung des Liebesgebots, Akzeptanz für Sozialleistungen durch eine Einladung zur Identifikation herzustellen, etwa derart: „stell Dir vor, Du seist auf die hier erforderliche Hilfe unter den gegebenen Umständen angewiesen“. Auch in diesem Zusammenhang muß das hierarchische Schema: hier die Gebenden, die mit der Not der Hilfenachfrager wenig gemein haben, dort die Kunden, die sich mit dem jeweiligen Hilfeangebot bitte zufrieden geben sollen, überwunden werden. Es verhindert sonst die breitere Akzeptanz, die auf dem Wege der Goldenen Regel oder des Liebesgebots: „liebe, als seist Du an seiner Stelle“ zu gewinnen ist. Insgesamt gilt für entsprechende Öffentlichkeitsoffensiven konfessioneller Sozialleistungsunternehmen: je mehr hier in unspektakulär verlaufenden Zeiten getan wird, desto hilfreicher ist es für das Verständnis und die Akzeptanz auch in kritischen Phasen oder gar in Katastrophenfällen. 3. Konflikte und Konfliktstrategie Es wäre ein schwerwiegendes Missverständnis und widerspräche aller Erfahrung, zu meinen, die hier angesprochenen Beziehungen konfessioneller Sozialleistungsunternehmen zum gesellschaftlichen Umfeld könnten konfliktfrei verlaufen und gestaltet werden. Sie können es nicht – und sie dürfen es nicht, solange kein Konsens zum Wohl der Bedürftigen erzielt werden konnte. Schon das Aufgreifen und Thematisieren von Notlagen ist in der Regel ein Vorgang, welcher Konflikte ins Bewusstsein hebt und so auch entsprechende Reaktionen auslösen kann. Erst recht die Entwicklung entsprechender Gegenstrategien – angefangen bei umstrittenen Standorten bis hin zu Auswirkungen von Hilfevorgängen auf das Umfeld, von der Hilfeausstattung bis zur Rolle der Kunden – kann kaum konfliktfrei gedacht und durchgeführt werden. Schließlich führt spätestens die Frage gerechter Entgelte für Sozialleistungen zu Konflikten und ist ohne Konfliktstrategien nicht zu beantworten. In einer arbeitsteiligen, wettbewerbsorientierten Gesellschaft mit endlichen Ressourcen sind Verteilungskonflikte unvermeidlich. Konfessionelle Sozialleistungsunternehmen sind hier danach gefragt, ob es ausreicht, sich an tarifliche Auseinandersetzungen, an denen sie sich selbst traditionell nicht beteiligen, lediglich anzuhängen. Sie müssen vielmehr über Strategien nachdenken, durch welche sie selbst Einfluß auf Tarife – etwa gegenüber der öffentlichen Hand – nehmen können. Auch dies kann kaum ohne Konflikte gelingen. Je deutlicher in solchen öffentlichen Auseinandersetzungen – es geht

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um weit mehr als Ansprüche der Angestellten; es geht vor allem um Leistungen und Rechte für Hilfenachfrager – die Selbstverpflichtung der Sozialleistungsunternehmen auf ethisch verantwortbare Leistungsqualitäten, also auf die Sicherung der Menschenwürde Dritter, erkennbar wird, desto eher können sie auf gesellschaftliche Zustimmung rechnen. Es geht aber nicht nur um Tarife und verteilungsfähige Ressourcen. Es geht darum, ob konfessionelle Sozialleister gesellschaftliche Konflikte lediglich passiv hinnehmen – ähnlich der oben erwähnten passiven Reaktion auf Kundenverhalten – oder ob sie an ihrer Lösung offensiv mitgestalten. Auch hier spielt wieder ihr Selbstverständnis eine ausschlaggebende Rolle. Solange sich konfessionelle Sozialleistungsanbieter als Auftragnehmer des Staates verstehen, werden sie dazu neigen zu meinen, die Erwartung an sie, zur sozialen Befriedung im Lande beizutragen, müsse sie Konflikte ausklammern lassen. Dies aber wäre eine fehlerhafte Schlussfolgerung. Sie würde bedeuten, die Folgen unbearbeiteter Konflikte auf Hilfenachfrager und gegebenenfalls auch auf Mitarbeiter abzuwälzen. Diese müssten sich mit den Ergebnissen des jeweils kleinsten Nenners zufrieden geben. Der Gesichtspunkt sozialer Gerechtigkeit würde vollends untergehen. Andernfalls würde er ja zumindest den gesellschaftlichen Diskurs erfordern, also wiederum und notwendig eine Konfliktstrategie einschließen. Erfahrungen der Verfasser zeigen dagegen, daß eine Offensivstrategie hinsichtlich gesellschaftlicher Konflikte die Stellung, Geltung und die Einflußmöglichkeiten entsprechender Unternehmen stärken. Sie werden ernster genommen, aufmerksamer gehört und – wenn schon vielleicht nicht überall geliebt – desto eher geachtet. Hilfenachfrager und Mitarbeiter wie die Gesamtheit aller konfessionellen Sozialleistungsunternehmen sind auf jeden Fall Nutznießer einer solchen Strategie. Das Zutrauen in ihre soziale gesellschaftliche Kompetenz wächst und das Gefühl, im Zweifelsfall bei einem solchen Unternehmen im Falle eigenen Bedarfes selbst einen Fürsprecher zu finden, stiftet gesellschaftlichen Zusammenhalt und so – auf einer höheren Ebene als der durch Konfliktvermeidung – gesellschaftlichen Frieden.

4. Sozialanwaltschaft Schließlich ist über die Frage nach der Anwaltschaft für die Mitarbeiter in helfenden Berufen hinaus wiederum die Schlüsselfrage nach der Sozialanwaltschaft für die Kunden der Sozialleistungsanbieter zu stellen und zu beantworten. Sofern der Sparwille öffentlicher Leistungsträger die Menschenwürde von Hilfenachfragern direkt berührt und nicht selten verletzt – etwa durch Einschränkungen oder gar Verhinderung von Wahlmöglichkeiten oder durch eine aufgenötigte Einstufung in niedere Hilfeklassen ohne Rücksicht auf den Einzelfall –, muß solchem Vorgehen unmißverständlich und nachhaltig entgegengetreten

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werden. Hier ist Solidarität unter den Sozialleistungsunternehmen oberstes Gebot und Chance. Umgekehrt stellt mangelnde Solidarität untereinander, in den Spitzenverbänden und zwischen ihnen auch über alle konfessionellen Grenzen und Unterschiede hinaus ein beträchtliches, wenn nicht das größte Risiko für ihr Fortbestehen dar. Dennoch verstehen sich manche, gerade konfessionell gebundene Unternehmen – ähnlich dem oben über die „Bescheidenheit“ mancher Nachfrager Gesagten und wohl auch auf dem Hintergrund der gleichen Tradition – noch immer als „Untertanen“ einer vermeintlich eo ipso gerecht handelnden Exekutive, sozusagen als Kostgänger einer günstigstenfalls gütig schenkenden Hand. Sie verfehlen dabei gründlich die gewaltenteilende, demokratische Verfassung unseres Gemeinwesens, in welcher der eigentliche Souverän das Volk ist. Dieses hat ein Recht darauf, ja, die Pflicht dazu, seine Ansprüche zu artikulieren. Was sich, vordemokratisch auf eine gütig zuteilende Regierung hoffende Sozialleistungsanbieter von ihrer Haltung als Vorteil versprechen, nämlich die Anerkennung ihrer „Bescheidenheit“ z. B. in Entgeltverhandlungen und ihrer Organisation als eines scheinbar widerspruchsfrei agierenden, mit allem zufriedenen Unternehmens, wäre jedoch in Wahrheit Versagen, wenn nicht Verrat – gegenüber den eigenen Grundlagen und ihrer ethisch-religiösen Verpflichtung, für ein „Mehr“ an Freiheit, Selbstbestimmung und Würde für jedermann einzutreten, – gegenüber Kunden und ihrem Anspruch auf höchste Achtung und Selbstbestimmtheit, – gegenüber ihren Mitarbeitern, die sich auf die Arbeit auf solcher Grundlage eingelassen haben, auf den Schutz ihrer Motivation rechnen und Anspruch haben, – schließlich auch gegenüber der Gesellschaft, die ohne ein konfliktbereites Eintreten der Sozialleister für ethisch verantwortetes Hilfehandeln zurückfällt in vordemokratisches Zuteilen oder Vorenthalten und dabei selbst verarmt und verödet. So kommt schließlich in solchen Überlegungen die Vision einer bürgerrechtlich orientierten, für die Mündigkeit ihrer Glieder eintretenden, ethisch fundierten Gesellschaft in Sicht, in welcher auch und gerade die Zukunft konfessioneller Sozialleistungsunternehmen überzeugend begründet und gesichert ist.48

48

Vgl. hierzu Schachtschneider; Freitag, S. 63 ff.

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Sachregister Abgabenordnung 116, 247 ACK-Klausel 109 ff Arbeitgeber 109 ff, 122 Arbeitnehmer 6 f, 17, 93, 109 ff, 115 f Arbeitsrechtsregelungsgesetz 109 Arbeitsvertragsrichtlinien 109 ff Armut 5, 59, 66, 71, 98 – Arme 46, 130, 142 Aufsichtsgremien 191, 208 Aufsichtsrat 127 Aufwand 22, 92, 173, 182 Balanced Scorecard 212, 225 ff, 246 Barmherzigkeit 41, 49 Befreiung 30 f, 37 ff, 51 ff, 66, 116 – Befreiungstat 31 f Berichtswesen 163, 206 Beschwerdemanagement 150 ff Betriebsergebnis 161, 185, 192, 233 ff Betriebsklima 82, 120 ff Beziehungsarbeit 43, 52, 57, 70, 191 Botschaft, biblische 27 ff Bottom-Up/Bottom-Up-Prozeß 85, 122 Budget/Budgetierung 177, 181 ff Caritas 5 ff, 10, 201 Cash Flow 201 ff, 222 ff, 229 ff Coaching 210 Controlling 9 ff, 73, 137, 147, 154 ff, 164 ff, 243 ff – Fachcontrolling 45, 155, 205 ff, 273 – operatives 164 ff – strategisches 211 ff – wertorientiertes 229 ff Corporate Identity 120 ff

Deckungsbeitrag/Deckungsbeitragsrechnung 184 f, 192 f, 224 f Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 126 ff Diakonie 5, 37 ff, 44, 49 f, 71, 110, 122, 201 Dienst 5 ff, 36 ff, 52, 57, 65, 271 – Dienstgemeinschaft 110, 271 Dienstleistung 19 f, 45, 51, 55, 59 f, 74, 99, 135, 140 ff, 174, 183 ff, 260 – Dienstleistungsmarke 143 ff – Dienstleistungsmarketing 141 ff Dritter Weg 108 ff EFQM 86, 97, 99 ff, 122, 145, 151, 228, 231, 273 Einigungsstelle 111 Entgelt/Entgeltgestaltung 59, 72, 75, 113 f, 150, 240, 272 ff Erfahrungsobjekt 18, 25 Erfolg 9, 52, 70 – Hilfeerfolg 52, 73, 205 ff, 273 – Unternehmenserfolg 70, 80, 123, 130, 139, 145, 150, 156, 160, 211 ff, 272 ff Erkenntnisobjekt 19 ff Ethik/ethische Prinzipien/ethischer Diskurs 7 ff, 18 f, 35, 62 ff, 87 ff, 158, 233 Existenzsicherung 22 ff, 160 ff Fachcontrolling 45, 155, 205 ff, 273 Finanzierung 193 ff, 255, 274 Forschung und Entwicklung (R+D) 155, 160 ff Freiheit 29 ff, 41 ff, 51 ff, 58, 66 f, 89, 278 Fremdbestimmung 31 Fremder 41

Sachregister – Fremdenthematik 41 ff Führung 6 ff, 27, 37, 62, 65 ff, 101 ff, 263 – Mitarbeiterführung 77 ff, 118 ff – Führungsgrundsätze 79 ff – Führungsstile 91 ff Gebot/Gebote 31 Gemeinnützigkeit 115 ff, 202, 231 Gerechtigkeit 28 ff, 40, 53, 92, 270 ff Geschäftsführung 114, 128, 207, 248, 250 Gewinn 22, 117, 125, 161, 171, 202, 230 ff, 243, 248, 250 – Gewinnmaximierung 22 GmbH 23, 230 ff, 247 ff, 254 ff – g GmbH 247 f Goldene Regel 35 f, 70, 86, 96 ff Helfer 7 ff, 41 ff, 83, 86, 148, 272 – Helfermacht 46, 78, 133, 162 Herrschaft 7, 27, 39, 69 Hierarchie 26 f, 34, 39 ff, 48 ff, 54, 92, 177 – Hierarchieverzicht 39 f, 44, 70, 177 Hilfe 5 ff, 31, 37, 42 f, 45 ff, 72, 267 ff, 273 ff – Hilfenachfrager 70, 100, 127, 137, 150, 158 – Hilfeplan 57 – Hilfevertrag 57 ff Humanvermögensrechnung 106 f IFRS 243 ff Information 80, 93, 154, 166, 183 f – Informationstechnologie (IT-systeme) 23, 177 – Informationsverarbeitung 102, 124, 169, 176 Innovation/Innovationsmanagement 160 ff Investition 144, 156 f, 196 ff – Investitionsplanung 196 f – Investitionsrechnung 196 ff

291

Juristische Person 110 Käufer 59, 274 – Käufermarkt/Verkäufermarkt 138 – Käuferwandel 133 ff Kennzahlen 102, 107, 129, 147 f, 206 ff, 225 ff, 239 ff Kommunikation 81, 93, 102, 111, 154, 157 ff, 166 Konflikt 67, 210, 277 Konzentration/Kooperation Kooperation 72, 92, 96, 120, 139, 255 ff Kosten 6, 21 f, 107, 134, 161, 171 ff, 207, 212 ff, 232 ff, 241, 246, 260, 273 – Kalkulatorische Abschreibungen 171, 198 – Kalkulatorische Zinsen 171, 198 – Kosten- und Leistungsrechnung 172 ff, 212 – Kostenarten 174 ff, 187 f, 198 – Kostenstellen/Kostenstellenrechnung 177 f, 180 ff, 196 – Kostenträgerrechnung 174 f, 183 ff Kostenträger 136 f, 176, 178, 183, 191, 206, 235 Kunde 52, 57 ff, 94 ff, 152, 158, 210, 225 ff, 240, 264, 267 – Kundensouveränität 59, 98 f – Kundenzufriedenheit 91, 96, 102, 151, 205, 273 Leistung 20, 51 ff, 59, 80 ff, 93, 99, 105 ff, 125, 132, 148 ff, 158 f, 174, 179 ff, 232 ff, 262, 265, 272 ff – Leistungsangebot 138, 264, 267 f – Leistungsentgelte 272 ff Leitbild 121 ff, 145, 163 Leitung 18, 25 f, 50, 81, 107, 126 f, 145, 167, 172, 191, 200, 205, 210 f, 237, 239, 254, 261 f Liebe 6, 10, 28, 30 ff, 45, 70 f, 99, 170, 274 – Doppelgebot 28, 32 ff – Feindesliebe 34, 40 ff, 70

292

Sachregister

– Liebesgebot 32, 35 f, 42 f, 47, 56, 58, 268 – Nächstenliebe 6 ff, 32 ff, 35, 58 f, 70 Management 75, 77, 88, 90, 92, 94, 101, 121, 126 ff, 137, 156, 160 ff, 165 ff, 210, 227 ff, 239 ff, 260 ff – Managementaufgabe 83, 206 – Managementbegriff 77 Marke 219 f – Markendienstleistung 86, 137, 143 ff, 160 ff Marketing 9, 11, 125, 129 ff, 189, 196, 231, 273 – Marketingmanagement 130, 134 ff Markt 9, 19, 22, 88, 92, 94 ff, 162, 171, 215, 217 f, 224, 235, 256, 260 – Marktanteil 215, 219 ff – Markthandel 130 ff – Marktwert 237 Mitarbeiter 6, 9 f, 17 f, 20, 60 ff, 65, 72, 74 ff, 84 ff, 92 f, 100 ff, 110 ff, 117, 127, 135, 142, 145 ff, 165, 171, 179, 193, 205 f, 209 ff, 211, 217, 226, 237, 241, 260 ff, 269 ff – Mitarbeiterführung 6, 74 ff, 271 ff – Mitarbeitermotivation 76, 219 – Mitarbeiterzufriedenheit 102 Mitbestimmung 109, 114 ff, 137 Mitunternehmertum 123 Motivation 47, 83, 100, 124, 205, 272 f, 278 Nachfolge 27, 39, 67 Nonprofit Organisation (NPO) 12, 17 Opportunitätskosten 107, 189, 192, 241, 260 Ortswechsel 28 ff, 39 f, 42 f Personal 74 ff – Personalbeurteilung 103 ff – Personalcontrolling 105 ff

– Personalführung (vgl. Führung und Leitung) – Personalmanagement 74 ff Perspektivwechsel 42, 44 Phasentheorem 164 f, 246 Portfolio 212, 220 ff Produktionsfaktor 19 ff, 107, 181, 191 Profit Center 177, 179 ff Promotoren 171 f – Fach 172 – Macht 171 – Prozeß 172 Public Relations (PR) 141, 158 Qualität 6, 24, 43, 45, 51, 57, 59, 86, 99 ff, 114, 140 f, 144 f, 150, 153, 182, 191, 242, 262 ff, 269 Rating 231, 238 ff, 243, 245 f Rechtsform 9, 110, 117, 172, 201, 230, 247 ff, 262 – AG 23, 202, 250 ff, 262 – GmbH 23, 230, 247 ff, 262 – g GmbH 230, 247 – Stiftung 23, 230, 248 ff – Verein 9, 23, 201, 206, 230 f, 248 ff, 255 Reporting 9, 115, 184 f, 206 Risiko 194, 200, 240, 261, 269, 272, 278 Rolle 42, 44, 48 ff, 61, 64, 89, 92, 97, 108 ff, 129, 131, 153, 155, 263, 265 f, 269, 276 Samarier 41, 43, 48, 54 Selbstbestimmung 27, 36, 44, 278 Shareholder 8, 136, 225, 230 f, 236, 238 Sozialanwaltschaft 139, 158, 277 ff Sozialleistungsunternehmen, Definition 19 ff Sozialpartnerschaft 108 ff, 122 Stakeholder 18, 119 f, 123, 132, 134 ff Stellenplan 189 ff Supervision 205, 209 ff

Sachregister Testament 26 ff, 30, 37, 56 – erstes 27 f, 30, 37 f, 40, 56 – zweites 27, 30, 37, 56, 67 Top-Down-Prozeß 70, 85, 100, 121, 126, 167 Total Quality Management (TQM, vgl. auch EFQM) 97, 100, 145, 159 Umsatz 21 f, 115, 117, 125, 132, 160 f, 184 f, 192, 207 f, 215, 222, 224, 226, 229, 232 ff Umwelt/Umfeld 18 f, 23, 58, 77 f, 82, 84, 87, 90, 119, 135, 144, 157, 163, 167, 217, 263 ff, 269, 273 ff Unterdrückung 27, 29, 31, 39, 51 f, 66 Unternehmen (vgl. auch Sozialleistungsunternehmen) – Unternehmensethik 7, 88 ff, 97 ff, 120 f – Unternehmenskultur 10, 85 f, 108, 118 ff, 261, 271 – Unternehmensleitbild 120, 124, 126, 137, 151 – Unternehmensverfassung 115, 118 ff – Unternehmenszusammenschlüsse 256 f Verkäufermarkt 138 Vertrauen 36, 56 ff, 69, 80, 84 ff, 93, 99 ff, 124, 133, 140, 148, 150, 157, 178, 214, 241, 255, 271

293

– Vertrauenskapital 267 Vertretung 248, 250 Volk Gottes 40 Weisung/Weisungen 28 ff, 32, 40, 61, 71, 92, 97, 274 Werbung (vgl. auch Public Relations) 51, 140 f, 158, 275 Wirtschaftlich/Wirtschaftlichkeit 5, 19, 22, 59, 117, 135, 138, 156 ff, 170, 174 ff, 180 f, 185, 191, 195, 198 f, 241, 259 ff, 268, 273 Wirtschaftsausschuß 111 Würde 5 ff, 29, 31 ff, 39 ff, 51, 55, 57 ff, 71 f, 98 f, 169 f, 264, 267, 278 Ziel/Ziele 19, 22, 28 ff, 40, 44, 47, 49, 52, 66 ff, 75 ff, 78, 79 ff, 86, 88, 92 ff, 101, 106 f, 108, 117, 127, 140 f, 155, 160, 165 f, 168, 184, 205, 209, 213 f, 237, 239, 241 f, 252, 259, 268, 271 – Zielerreichung 19, 70, 79, 81, 85, 101, 104 ff, 164 ff, 170, 177, 209 ff – Zielgruppe 130, 164, 173 – Zielvereinbarung 185, 187 f, 214

70, 93, 113, 167,

Zielsystem 19, 21, 23, 225