Albrecht Dürer: Vier Bücher von menschlicher Proportion (1528): Mit einem Katalog der Holzschnitte herausgegeben, kommentiert und in heutiges Deutsch übertragen von Berthold Hinz 9783050089676, 9783050049120

Dürers schriftliches Hauptwerk "Vier Bücher von menschlicher Proportion", erschienen in Nürnberg 1528, gilt al

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Albrecht Dürer: Vier Bücher von menschlicher Proportion (1528): Mit einem Katalog der Holzschnitte herausgegeben, kommentiert und in heutiges Deutsch übertragen von Berthold Hinz
 9783050089676, 9783050049120

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
A Das Buch und seine Gestaltung
B Zur Textübertragung
C Die Messstellen und ihre Nomenklatur
D Übertragung
1 Buch I
1 Buch II
1 Buch III
1 Buch IV
E Katalog und Kommentar
F „Von menschlicher Proportion“: Ablauf und Gliederung
G Die „Messung“: Fragen und Antworten
H Wirkung
Bibliographie/Abkürzungen
Glossar
Abbildungsnachweis

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Albrecht Dürer Vier bücher von menschlicher Proportion

Albrecht Dürer Vier bücher von menschlicher Proportion (1528) Mit einem Katalog der holzschnitte herausgegeben, kommentiert und in heutiges Deutsch übertragen von berthold hinz

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds der VG WORT

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ISBN 978-3-05-004912-0

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

VII

A Das Buch und seine Gestaltung 1 2 3 4 5

Originalausgabe Weitere Ausgaben und übersetzungen Auflage, Schriftart, Satz Die Illustrationen Die Sprache

1 1 1 4 6 8

B Zur Textübertragung

11

C Die Meßstellen und ihre Nomenklatur

13

D Übertragung

17

1 2 3 4

buch I buch II buch III buch IV

E Katalog und Kommentar 1 2 3 4

buch I buch II buch III buch IV

F „Von menschlicher Proportion“: Ablauf und Gliederung 1 2 3 4 5 6 7

Voraussetzungen Geometrische Methode Arithmetische Methode I Arithmetische Methode II DieVeränderungen Die biegungen und bewegungen charakteristisches

19 86 169 234 275 276 288 298 313

331 331 333 334 335 336 336 337

G Die „Messung“: Fragen und Antworten 1 2 3 4 5 6 7

Die Meßtechniken Die Meßvarianten DieVariantenpraxis Die „Gestaltlinien“ ‚Familienähnlichkeit‘ empirie(?) – aus heutiger Sicht Wissenschaft – aus Dürers Sicht

339 339 342 344 346 347 350 352

H Wirkung

355

bibliographie/Abkürzungen Glossar Abbildungsnachweis

365 377 381

Vorwort

Die vorliegende Ausgabe der Dürer’schen Proportionslehre umfaßt, neben der (verkleinerten) Wiedergabe des Originals von 1528, in der hauptsache dessen übertragung in heutiges Deutsch sowie eine kommentierende Darstellung des Werks verbunden mit dem Katalog der in ihm enthaltenen holzschnitte. Sie enthält ferner buchkundliche Ausführungen, zusammenfassende erläuterungen zu den themen des Werks, weiterhin überlegungen zur Problematik und bewertung des Dürer’schen „Messens“ sowie Skizzen zumWissenschaftsverständnis des Autors. endlich geht es auch ein wenig um die Aktualität seiner Anthropometrie und Methode im ‚digitalen Zeitalter‘. ein kurzer Abriß zur Wirkungsgeschichte macht den Abschluß. Dürers theoretisches hauptwerk,resultat eines zwei Jahrzehnte währenden Studiums, findet hiermit erstmals diese an sich selbstverständliche wissenschaftliche beachtung, was angesichts der zahlreichen Oeuvre-Kataloge zum künstlerischen Werk und der ausufernden bibliographie zu allen nur denkbaren Dürer-themen befremdlich erscheint. Ursächlich dafür dürfte indes weniger ein Desinteresse an der nicht unpopulären Proportionsthematik als der reflexartige kunsthistorische Vorbehalt sein, der Künstler habe seine kostbare Schaffenszeit im übermaße einem letztlich unkünstlerischen Gegenstand gewidmet. Das gilt übrigens auch für die beiden weiteren bücher Dürers, die „Unterweisung der Messung“ von 1525 und die befestigungslehre von 1527, die gleichfalls noch ihrer wissenschaftlichen beachtung, Würdigung und lektüre harren. Darüber hinaus scheint der Umstand, daß Dürers buch als einziges beziehungsweise erstes aller bedeutenden Kunstund Künstlerschriften der renaissance originär im Druck erschienen war, dem bedürfnis nach einer modernen edition im Wege gewesen zu sein; denn das Original respektive dessen diverse Nachdrucke standen und stehen schließlich immer zurVerfügung. Während die in ihrer epoche ungedruckten Schriften und Projekte etwa Albertis und leonardos (oft mehrfach) ediert und kommentiert vorliegen, verharrt Dürers Opus magnum nach wie vor im Status von 1528. endlich

schien auch die lektüre des frühneuhochdeutschen textes, gedruckt in ‚Dürer-Fraktur‘, bislang keinerlei Verständnisprobleme aufgeworfen zu haben. Alle diese vermeintlichen Sicherheiten und Sachverhalte konnten jedoch einer eingehenden revision des Werks nicht standhalten, wie im folgenden zu sehen sein wird. Unsere edition soll zuallererst die praktische Nutzung des Werks erleichtern, von der Zählung der blätter und Illustrationen, die nun eindeutig zitierbar gemacht sind, bis zu seiner lektüre in heutigem Deutsch (parallel zur originalen Version). Ferner wurden der text und die holzschnittlegenden in der Druckfassung von 1528 auf Satz- und Autorenfehler durchgesehen, die sämtlich, da es nach wie vor an einer kritischentext-transkription mangelt, in unserer ‚Umdeutschung’ angemerkt sind. Das gilt auch für die nötigen Wort- und bedeutungsnachweise (wo erforderlich mit blick auf die lateinische übersetzung des Werks von camerarius 1532/1534 und die betreffenden Manuskriptstellen) sowie alle möglichen den text und die Illustrationen berührenden Verständnisfragen. Neben die textliche erschließung des Werks tritt seine inhaltliche Inspektion im begleitenden Kommentar, der Schritt für Schritt mit dem Katalog der buchillustrationen verschränkt ist. Dabei geht es, abweichend von den PionierArbeiten zu unserer Materie, vor allem jenen Panofskys und Giesens,denen es vorrangig um die ‚Philosophie‘ der „Menschlichen Proportion“ und deren antike, mittelalterliche und italienische hintergründe zu tun war, erstmals weniger um die ‚transzendente‘ als um die immanente Perspektive. Verständnisfragen, interne bezüge, externe beziehungen,Widersprüche, Probleme, auch sachliche Irrtümer. hier werden darüber hinaus teilweise die ergebnisse der figürlichen „Verkehrungen“ aus buch III der Proportionslehre, die der Autor auf geometrisch-mathematischem Wege erarbeitet hat, mit elektronisch ermittelten Werten verglichen und überprüft. Ob und wie weit aus alledem gegebenenfalls neue und weitere Schlußfolgerungen zu Dürers Proportionslehre, ihrer Stellung in seinem Oeuvre und ihrer epoche zu ziehen sein

VIII

Vorwort werden, sei den künftigen benutzern und Interessenten anheim gestellt. Vorab wird man sagen dürfen, daß unsere Kenntnis der Person Dürers, die bisher fast ausschließlich auf seinen Gemälden, Zeichnungen und Graphiken gründet, mit dem Studium seiner Worte und der Weise ihresVortrags, d. h. auch seines operativen Denkens, auf ein neues Fundament gestellt ist. Schon jetzt wird man zu einer wesentlich anderen bewertung dessen kommen, was Dürer das „Messen“ nennt, und diesem Messen die empirische Qualitas, die man ihm bislang unbefragt zuerkannt hat, weitgehend absprechen müssen. Zu dieser einsicht nötigt bereits die schiere, in fünfstelliger Größenordnung liegende Anzahl der insgesamt dokumentierten Maßangaben zur menschlichen Figur, der wohl größten aus der Frühen Neuzeit bekannten Datenmenge. Sie verdankt sich nach lage der Dinge nicht dem Abmessen, sondern dem Zumessen, darf demnach als Spiel mit den Möglichkeiten der menschlichen Gestalt, somit als Merkmal eines spekulativen schöpferischen Umgangs mit ihr gesehen werden und entlastet ihren Autor somit erst recht vom Vorwurf des künstlerisch sachfremden engagements. Und man wird künftig Dürers Proportionswerk als eines der ersten und zwar planmäßig intendierten beispiele sowie als Meilenstein deutschsprachiger Wissenschaftsliteratur wahrnehmen müssen. Soviel an dieser Stelle im voraus. Für rat und hilfe im Kleinen wie im Großen sei folgenden Kolleginnen und Kollegen, Damen und herren herzlich gedankt: Dominik bartl (heidelberg), Ingrid baumgärtner (Kassel), claudia brinker-von der heyde (Kassel), Yasmin Doosry (Nürnberg), Falk eisermann (berlin), thomas eser (Nürnberg), Peter Gercke (Kassel), renate hinz (Kassel), Martin hirsch (München), Antonia Jahns (Kassel), Anselm Maler (Kassel), caprice Jakumeit (Mainz), Matthias Mende (röthenbach), Justus lange (Kassel), Jeanne Peiffer (Paris), christian ring (Frankfurt a. M.), christine Sauer (Nürnberg), Anna Scherbaum (bamberg), Peter Schreiber (Greifswald), rainer Schoch (Nürnberg), harald Wolter-von dem Knesebeck (bonn), heide und Dieter Wunder (bad Nauheim). besonderer Dank gebührt Sabine Naumer (Kassel) fürs Korrekturlesen und die bearbeitung des Glossars sowie Gerhard Merz (Vellmar) für seinen unentbehrlichen beitrag zu Fragen der Dürer’schen Geometrie. Gerd Giesler, dem ehemaligen leiter des Akademie Verlages, sei für sein frühzeitiges großes Interesse und die vertragliche Absicherung des mehrjährigen Projektes lange vor dessen Fertigstellung gedankt, die dem Autor entspanntes Arbeiten ermöglichte. last but not least gebührt großer Dank derVG-Wort, die den benötigten Druckkostenzuschuß rasch bewilligte. Insofern uns hier der Künstler Dürer als Autor gegenübertritt, der er ja gleichermaßen hatte sein wollen, können und wollen wir ihm und seinem Proportionswerk das lessing’sche

Diktum mit auf den Weg geben: „ … wollen weniger gelobt und fleißiger gelesen sein“. Kassel, im Juli 2010

berthold hinz

Gebrauchshinweise Dürer-Zitate aus dem gedruckten Proportionswerk sind durchweg in unserer neuhochdeutschen übertragung wiedergegeben, Zitate aus den Manuskripten stets im Originalwortlaut nach der transkription hans rupprichs aus dessen Ausgabe von Dürers schriftlichem Nachlaß (r I–III). Die holzschnitte des buchs sowie sämtliche weiteren DürerDrucke werden gemäß der Zählung in der Nürnberger Gesamtausgabe von Dürers druckgrapischem Werk, herausgegeben von rainer Schoch, Matthias Mende, Anna Scherbaum (Dürer/Druckgraphik 1–3), zitiert. Die textkritischen und wortphilologischen Anmerkungen, die sich auf den gedruckten Urtext beziehen (und dort eigentlich zu erscheinen hätten), sind hilfsweise der übertragung zugeordnet. Die annotiertenWörter bzw.textstellen sind zur leichteren Auffindung im verkleinerten Nachdruck des Originals unterstrichen. Die buchstaben und Ziffern, die Dürer als Markierungen in seinen Konstruktionsbeschreibungen verwendete, erscheinen sämtlich bei uns kursiv.

A Das Buch und seine Gestaltung

1 Originalausgabe Albrecht Dürer, Die Proportionslehre, Nürnberg: Jerony­ mus Formschneyder, 1528. Titel (fol. A1r): HJerin[n] sind begriffen vier biicher | von menschlicher Proportion / durch Albrechten | Dürer von Nürenberg erfunden vnd beschri | ben / zu nutz allen de­ nen / so zu diser | kunst lieb tragen. M.D.XXViij.1 Kolophon (fol. Z3v): Gedruckt zu Nürenberg durch Jero­ nymum Formschneyder | auff verlegung Albrecht Dürers verlassen witib um jar von | Christi gepurt. 1528. am letz­ ten tag Octobris. Vom Autor benutztes Exemplar: Germanisches National­ museum, Nürnberg: 4º Dürer Ct 152/5. 132 Bll., nicht paginiert. Kollation: A–I (6), K–M (6), N (4), O (5), P–S (6),2 T (4), V (6), [1] X (6), Y (5), Z (6). Doppelblätter (gefaltet): O (2), S (4), S (5),Y (3). Ca. 44–51 Zeilen. Blattgröße: H. ca. 325, B. ca. 215 mm Illustrationen: Titelholzschnitt (Monogramm), 143 Illustra­ tionsholzschnitte, 35 Holzschnitt­Vignetten Figurengröße: ca. 218 mm Inhalt: Titel: A1r; Widmung: A2r –A2v; Buch I: A3r –F4r; Buch II: F4v–N4v; Buch III: O1r –T4v; Buch IV: U1r –Z3v;

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Senkrechte Striche für Zeilenumbruch, Virgel (Schrägstriche) für Satzzeichen, wie im Text­Druck. Da die Großbuchstaben V und U in der verwendeten Typogra­ phie identisch sind, ist die betreffende Foliatur (nach fol. T) nicht sicher zu bestimmen.Wir folgen hier der bislang üblichen Benennung des 19. Bogens als fol. V. Demnach sind in der al­ phabetischen Zählung zwischen fol.A und fol. Z foll. U und W sowie J ausgelassen.

Editorische Notiz: Z3v; Privileg: Z4r –Z4v; Elegie Willi­ bald Pirckheimers: Z5r–Z5v; Korrekturen: Z6r Buchkunde: Meder 1923, XXIX, 1 Bohatta III Giesen XIII Tietze/Conrat 1938, 979 Mende 1971, XII, III (Holzschnittzählung wie Bohatta) Melbourne 1994, Nr. 27 Dürer/Druckgraphik 3, Nr. 277 Hinz 2004, Nr. 277.1–277.150 Nachdrucke, Faksimiles: Unterschneidheim 19693 Nördlingen 19964 Zürich 1969, I–II, hrsg. von Max Steck London 1970, hrsg. von G. M. Wagner

2 Weitere Ausgaben und Übersetzungen Deutsch Albrecht Dürer, Von menschlicher Proportion, Arnheim ( Johannes Janssen) 1603. (Hierinn sind begriffen vier Bücher von menschlicher Pro­ portion / durch Albrechten Dürer von Nürerburg erfun­ den vnd beschriben, zu nutz allen denen, so zu dieser kunst lieb tragen. M.D.XXViij. Arnhem, Johan Jansen, 1603).5 Gleiche Foliierung, aber neuer, kaum merklich geänder­ ter Satz vermutlich desselben Typenmaterials, teilweise 3 4 5

Nachdruck, teilweise nicht maßstabs­ und vorlagengerecht. Satzgleich mit Unterschneidheim 1969. Bohatta 18; Singer 1928,A I, 47.Wiederverwendet in der deut­ schen Gesamtausgabe der Dürer’schen Bücher: Opera Alberti Dureri, Arnheim (Johannes Janssen) 1604; Bohatta 33; Singer 1928,A I, 62.

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A Das Buch und seine Gestaltung Berücksichtigung der Korrekturliste; Druck der Illustra­ tionen von den originalen Stöcken.6 Japanisch Tokio 1995 Albrecht Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion. Übersetzt von Seiro Mayekawa und Koji Shimomara. [To­ kio] 1995 Übersetzung aus dem Deutschen. Italienisch Bologna 2007 Albrecht Dürer, Vier Bücher von menschlicher Proportion = Quattro libri sulle proporzioni umane. Introduzione, testo e traduzione a cura di Giuditta Moly Feo. Bd. 1–2. Bologna 20077 Übersetzung aus dem Deutschen. Lateinisch Lateinische Ausgabe (übersetzt von Camerarius), Nürnberg 15288 Albrecht Dürer, De symmetria partium humanorum cor­ porum, übersetzt von Joachim Camerarius, Nürnberg (Hi­ eronymus Andreae) 1532. (Alberti Dureri clarissimi pictoris et Geometrae De Sym­ metria partium in rectis formis humanorum corporum / Libri latinum conversi. Norimbergae … MDxxxij. In aedib.[us] viduae Durerianae).9 Druck von den originalen Stöcken. Buch I und II. Nachdrucke, Faksimiles: München 1993; Microfiche­Ausgabe. Buch I und II. Urbana (Ill.) 1998; Microfiche­Ausgabe. Buch I und II. Oakland (Calif.) 2003; CD­ROM, kommentiert von Da­ vid Price, ins Englische übersetzt von Silvio Levy. Buch I und II. Albrecht Dürer, De varietate figurarum, übersetzt von Joa­ chim Camerarius, Nürnberg (Hieronymus Andreae) 1534. (Clariss. Pictoris et Geometræ Alberti Dureri, de varie­

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Diese Ausgabe von 1603, auf deren Titelblatt das Datum 1528 erscheint, findet sich auch ohne Impressum und Druckdatum und wird wegen des fast identischen Satzes oft mit der Original­ ausgabe verwechselt. Auffälligster Unterschied: neue Initialen, die Köpfe Nr. 277.93 oben sind in der Reihenfolge vertauscht. Das Buch enthält eine buchstabengetreue, nichtkritische Text­ Transkription des deutschen Frakturdrucks. Bohatta 19; Singer 1928, A I, 48; nicht nachweisbar, zudem höchst unwahrscheinlich. Bohatta 20; Singer 1928,A I, 49.

tate figurarum et f lexuris partium ac gestib. imaginum, libri duo: qui priorib. de simmetria quondam editis, nunc primum in latinam conuersi accesserunt. Finitum opus Anno a salutifero partu. 1534. 9. Cal. Decemb [23. Nov] Impensis viduae Durerianae, per Hierony­ mum Formschneyder Norinbergae).10 Druck von den originalen Stöcken Buch III und IV Nachdrucke, Faksimiles: Urbana (Ill.) 1998; Microfiche­Ausgabe. Buch III und IV Lateinische Ausgabe (übersetzt von Camerarius), Paris 153511 Lateinische Ausgabe (übersetzt von Camerarius), Paris 153712 Albrecht Dürer, De symmetria partium humanorum cor­ porum, übersetzt von Joachim Camerarius, Paris (Carolus Perier) 1557. Buch I–IV (Alberti Dvreri Clarissimi Pictoris Et Geometrae de Symmetria partium humanorum corporum: Libri qua­ tuor / e Germanica lingua, in Latinam versi).13 Neuer Satz, Druck von den originalen Stöcken. Nachdrucke, Faksimiles: München 1993; Microfiche­Ausgabe. Madrid 1995. Urbana (Ill.) 1998; Microfiche­Ausgabe. Florenz 2004; CD­ROM der Reihe: La matematica su CD­ROM: una collezione di volumi antichi e rari di ma­ tematica e scienza affini, 24. Französisch Albrecht Dürer, De la proportion des parties des corps hu­ mains, übersetzt von Louis Meigret, Paris (Charles Perier) 1557. (Les quatre livres d’Albert Durer, peinctre & geome­ trien tres excellent: de la proportion des parties et pour­ traicts des corps humains / trad. par Loys Meigret Lion­ nois, de langue latine en françoise. A Paris: Chez Charles Perier, 1557).14 Druck von den originalen Stöcken. Nach der lateinischen Übersetzung von Camerarius. Albrecht Dürer, De la proportion des parties des corps hu­ mains, übersetzt von Louis Meigret, Arnheim ( Johannes Janssen) 1613. (Les Qvatre Livres D’Albert Dvrer, Peinctre & Geo­ metrien tres excellent, De la proportion des parties & pourtraicts des corps humains / Tradvicts Par Loys 10 11 12 13 14

Bohatta 21; Singer 1928,A I, 50. Bohatta 22; Singer 1928,A I, 51; nicht nachweisbar. Bohatta 23; Singer 1928,A I, 52; nicht nachweisbar. Bohatta 24; Singer 1928,A I, 53. Bohatta 25; Singer 1928,A I, 54.

A Das Buch und seine Gestaltung Meigret Lionnois, de la langue Latine en Françoise. A Arnhem: Jean Jeansz., 1613).15 Druck von den originalen Stöcken. Nach der lateinischen Übersetzung von Camerarius. Nachdrucke, Faksimiles: Paris 1975 Albrecht Dürer, De la proportion des parties des corps hu­ mains, übersetzt von Louis Meigret, Arnheim ( Johannes Janssen) 1614. (Les Qvatre Livres D’Albert Dvrer, Peinctre & Geo­ metrien tres excellent, De la proportion des parties & pourtraicts des corps humains / Tradvicts Par Loys Meigret Lionnois, de la langue Latine en Françoise. A. Arnhem: Chez Jean Jeansz., 1614).16 Druck von den originalen Stöcken. Nach der lateinischen Übersetzung von Camerarius. Italienisch Albrecht Dürer, Della simmetria dei corpi humani, über­ setzt von G. P. Gallucci, Venedig (Domenico Nicolini) 1591 (Di Alberto Durero pittore, e geometra chiarissimo Della simmetria dei corpi humani, libri quattro Nuova­ mente tradotti dalla lingua Latina nella Italiana, da M. Gio. Paolo Gallucci Salodiano. Et accresciuti del quinto libro, nel quale si tratta, con quai modi possano i pittori, & scoltori mostrare la diuersità della natura de gli huo­ mini, & donne, & con quali le passioni, che sentono per li diuersi accidenti, che li occorrono. Hora di nuouo stampati. Opera a i pittori, e scoltori non solo vtile, ma necessaria et ad ogn’altro, che di tal materia desidera ac­ quistarsi perfetto giudicio. In Venetia, MDXCI: appres­ so Domenico Nicolini).17 Druck von neuen Stöcken. Nach der lateinischen Übersetzung von Camerarius. Mit einem neu hinzugefügten V. Buch von Giovanni Paolo Gallucci Salodiano. Nachdrucke, Faksimiles: Mailand 1973 Albrecht Dürer, Della simmetria dei corpi humani, über­ setzt von G.P. Gallucci, Venedig (Roberto Meietti) 1594. (Di Alberto Durero pittore, e geometra chiarissimo Della simmetria dei corpi humani, libri quattro Nuova­ mente tradotti dalla lingua Latina nella Italiana, da M. Gio. Paolo Gallucci Salodiano. Et accresciuti del quinto libro, nel quale si tratta, con quai modi possano i pittori, & scoltori mostrare la diuersità della natura de gli huo­ mini, & donne, & con quali le passioni, che sentono per

15 Bohatta 26; Singer 1928,A I, 55. 16 Bohatta 27; Singer 1928,A I, 56. 17 Bohatta 28; Singer 1928,A I, 57.

li diuersi accidenti, che li occorrono. Hora di nuouo stampati. Opera a i pittori, e scoltori non solo vtile, ma necessaria et ad ogn’altro, che di tal materia desidera ac­ quistarsi perfetto giudicio. In Venetia. Appresso Rober­ to Meietti, 1594).18 Druck von neuen Stöcken. Nach der lateinischen Übersetzung von Camerarius. Mit einem neu hinzugefügten V. Buch von Giovanni Paolo Gallucci Salodiano. Mit Ausnahme des ersten Blattes Nachdruck der Ausga­ be von 1591. Nachdrucke, Faksimiles: Florenz 2004; CD­ROM der Reihe: La matematica su CD­ROM: una collezione di volumi antichi e rari di ma­ tematica e scienza affini, 24. Niederländisch Albrecht Dürer, Van de Menschelijcke Proportion, Arn­ heim ( Johannes Janssen) 1622. (Beschryvinghe van Albrecht Durer, van de mensche­ lijcke proportion: Begrepen in vier onderscheyden boe­ cken … In ‚t Latijn ende Hooghduytsch, tot Nuren­ bergh ghedruct … Ende nu in onse Nederlandtsche sprake over­gheset … Tot Arnhem. Ghedruckt by Jan Jansz., 1622).19 Druck von den originalen Stöcken. Nachdrucke, Faksimiles: Amsterdam 1978 Niederländische Ausgabe, Arnheim 166220 Portugiesisch Portugiesische Ausgabe, 159921 Spanisch Albrecht Dürer, Los cuatros libros de la simetría de las partes del cupero humano. Traducción del latin al espa n˜ ol e introducción por Jesús Yhmoff Cabrera. México 1987. Übersetzung nach der lateinischen Übersetzung von Camerarius. Ausgabe Paris 1557.

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Bohatta 29; Singer 1928,A I, 58. Bohatta 31; Singer 1928,A I, 60. Bohatta 32; Singer 1928,A I, 61; nicht nachweisbar. Bohatta 30; Singer 1928, A I, 59; nicht nachweisbar. Thausing 1884, II, schreibt, daß die italienische Übersetzung von Galucci „von da Costa in’s Spanische und angeblich auch in’s Portu­ giesische übersetzt“ worden sei, jedoch „wenigstens ward die letztere nicht gedruckt“, S. 320.

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A Das Buch und seine Gestaltung Englisch: De Symmetria partium in rectis formis humanorum corpum. Commentary by David Price, translate by Silvio Levy. CD­ROM. Oakland (Calif.) 2003. Nach der lateinischen Übersetzung von Camerarius. Ausgabe Nürnberg 1532. Buch I und II

3 Auflage, Schriftart, Satz Die Exemplare der auf den 31. Oktober 1528 datierten Edi­ tion sind nicht in jeder Hinsicht identisch. Es existieren mindestens zwei verschiedene Titelseiten,22 es gibt geringe Abweichungen in der Bestückung mit den Vignetten. Da­ raus ist zu schließen, daß die Auf lage unter dem genannten Datum in mehreren Etappen gedruckt worden ist bzw. daß kurzfristig weitere Auf lagen erforderlich wurden.23 Präzi­ sere Aussagen über die Anzahl und die Modalität der Vari­ anten – sowie mögliche Schlußfolgerungen daraus – wür­ den die Sichtung eines Großteils der erhaltenen, über die Welt verteilten Exemplare mitsamt ihren Wasserzeichen voraussetzen, was bisher nicht geschehen ist. Im Falle der vorausgegangenen Bücher zur Messung (1525) und zum Festungsbau (1527), wo ähnliche Varian­ ten erkennbar sind, hat man versucht, verschiedene Zustän­ de der jeweiligen Originalausgabe zu bestimmen, ohne daß die Erhebungsbasis mitgeteilt und editionstechnische Schlüsse gezogen wurden.24 Über die Höhe der Auf lage(n) ist, wie meistens in die­ ser Zeit, nichts Quellenbelegtes bekannt; Schätzungen würden wiederum die Zählung des erhaltenen Bestandes voraussetzen.25 Auch die ursprünglichen Verkaufspreise 22 Beispielsweise weicht das Titelblatt eines Exemplars des Ger­ manischen Nationalmuseums Nürnberg (Dürer Ct 152/5) im Satz und im Layout vom gewohnten Bild ab; der Druck des Monogramms (Nr. 277.1) bleibt sich gleich. Dieses abweichen­ de Titelblatt tritt ansonsten auf in der deutschen Ausgabe Arn­ heim 1603 (bei Johannes Janssen). 23 Letztes ist, bedingt durch unzulängliche Ausstattung der Druk­ kereien, kein unbekanntes Phänomen in der Zeit der Frühdruk­ ke; vgl.: Lexikon des gesamten Buchwesens, I, Stuttgart 1987, S. 167f.: „Auflagenhöhen der Frühdruckzeit“ (S. Corsten). 24 Unterweisung der Messung, Jaeggli 1966, S. 193–200; Die Befe­ stigungslehre, Dürer / Jaeggli 1971, S. 139– 144; die buchkund­ lichen Kommentare ebd. jeweils von Alvin E. Jaeggli. 25 Gleichwohl darf man feststellen, daß der Originaldruck – in öf­ fentlichen Bibliotheken – keineswegs selten ist. Zum Vergleich: Die Auflage von Fridolins „Schatzbehalter“, Nürnberg (Anton Koberger) 1491 wird auf 150 Stück geschätzt; vgl. Schatzbehal­ ter/Bellm 1962, Bd. II, S. 39.

kennen wir nicht. Für das „Marienleben“, die „Große Pas­ sion“ oder die „Apokalypse“, sehr viel schlankere, aber großformatigere Werke mit weit weniger Text, hat man ei­ nen Preis von je einem Viertel Gulden erschlossen. Aussa­ gefähiger dürfte die Nachricht sein, daß ein Exemplar der Schedel’schen Weltchronik zwei Gulden gekostet habe.26 Das Proportionsbuch ist, wie auch die „Unterweisung der Messung“ und der „Unterricht über die Befestigung“, in Fraktur gedruckt und zwar mit dem gleichen Typenma­ terial wie diese. War in den beiden früheren Werken kein Drucker namentlich ausgewiesen, so ist im Werk von 1528 Hieronymus Formschneider vermerkt.27 Dieser, ein Holz­, Stempelschneider und Schriftgießer, ist es auch, der die Frak­ turlettern nach dem Entwurf des Nürnberger Schreibmei­ sters Johann Neudörffer d. Ä., wie dieser selbst mitteilt,28 geschnitten und in mehreren Schriftgraden hergestellt hat. Hieronymus, eigentlich Andreae, war seit seiner Beteili­ gung an den Holzschnitten für die Ehrenpforte Maximili­ ans (1515) als „Formschneider“ für Dürer tätig und erhielt 1527 die Zulassung als Buchdrucker in Nürnberg, als der er dann für das Proportionswerk zeichnet. Die bis ins 20. Jahr­ hundert erfolgreiche Neudörffer­Andreae­Fraktur, auch „Nürnberg­“ oder „Dürerfraktur“ genannt, ist eine Weiter­ entwicklung der jüngsten Schriftart, der für Kaiser Maxi­ milian geschaffenen und von diesem auch für lateinische Texte favorisierten Fraktur.29 Am lateinischen „Gebetbuch“ des Kaisers von der Hand des Augsburger Druckers Johann Schönsperger d. Ä. 1514/15, einem Meilenstein der neuen Schriftart, hatte Dürer bekanntlich prominent mitgewirkt. Freilich zählte Dürer im selben Jahrzehnt auch zu den Förderern der in Italien entwickelten Antiqua im deutschen Sprachraum. Er setzte sie beispielsweise für die lateinischen Texte des „Marienlebens“ und der „Großen Passion“ 1511 ein und gab damit dem traditionellen Erbauungsbuch, als das diese zunächst erscheinen, die Konnotation eines hu­ manistischen ‚Kunstbuchs‘.30 Beide Schriftarten, ‚ein Latei­ nisch. abc.‘ und ‚ein textur‘, wie Dürer sie nennt,31 sind denn auch Gegenstand der geometrischen Konstruktion im zweiten Teil des III. Buchs der „Unterweisung“. Die dor­ tige Textura, die demonstrativ aus der i­Minuskel entwi­ ckelt ist, läßt zudem ein zugespitztes experimentelles Inte­ resse ihres Urhebers an der gebrochenen Schrift erkennen. Dürers enge Beziehung zu den beiden neuen Schrift­ arten und sein differenzierter Umgang mit ihnen lassen er­ 26 Schmid 2002, S. 246; Scherbaum 2004, S. 208–210. 27 Zu Hieronymus Formschneider: Andreae, Hieronymus, in: AKL III (Ursula Timann); Reske 2007, S. 669f. 28 Neudörffer 1875, S. 155f. 29 Vgl. Crous 1933. 30 Vgl. Scherbaum 2004. 31 „Unterweisung der Messung“, fol. K2r.

A Das Buch und seine Gestaltung kennen, daß er den Schriftlettern nicht nur eine künstle­ rische, sondern auch eine symbolische Bedeutung zumaß. Wenn er also für seine Lehrbücher endlich die moderne Fraktur wählte, wollte er offenbar zwischen den roma­ nischen und den neu entstehenden deutschen Schrift­ und Textkulturen unterscheiden und seine herausragende Mit­ wirkung am Werden deutscher Wissenschafts­Literatur do­ kumentieren.32 Mit der bei der Wahl und Verwendung des Typenmate­ rials bewiesenen Sorgfalt kann die Buchgestaltung selbst nicht vollständig Schritt halten. Dieses legt nicht zuletzt der Vergleich mit der „Unterweisung der Messung“ nahe, die zurecht als eines der schönsten Bücher der Epoche gilt. Hier wie da wird zwar generell mit blattfüllendem Block­ satz, dem gleichen Schriftgrad, Wortabstand und Zeilen­ durchschuß, der Silbentrennung etc. gearbeitet 33 doch bei der Bewältigung von gestalterischen Schwierigkeiten zeigt sich durchaus unterschiedliche Kompetenz. Zwar gab es mit dem Verhältnis von Bild und Schrift, das sich im früheren Werk besonders anspruchsvoll zeigte, in der Proportionslehre wegen der dort meist seitenfüllen­ den Illustrationen naturgemäß wenig Probleme. Was dem Setzer jedoch Schwierigkeiten bereitete, war der Umgang mit den ständig wiederkehrenden Auf listungen der Kör­ permaße in Buch I. Er versuchte es zunächst mit geschweif­ ten Klammern, die nicht nur den Blockrand beeinträchtigen, sondern mit springenden Kolonnen den Satzspiegel aufrei­ ßen (fol. A3v). Im folgenden versuchte er es mit Zweispal­ tigkeit, wobei dann die senkrechte Ausrichtung des Zeilen­ anfangs leidet und die Zeilenenden ausf lattern (fol. A5r). Anschließend wurden beide Verfahren gemischt, wobei der Fließtext manchmal in ganzer Satzbreite, manchmal in Spaltenbreite verläuft, hier gelegentlich en bloc (fol. A5v). Es bleiben auch einsame „Witwen“ nicht aus wie jene, die sich aufdringlich zwischen die Profil­ und En­Face­An­ sicht der Frau Typ BI (Nr. 277.10) zwängt. 34 In wie weit der Autor dem Drucker das Seiten­Layout in seiner Reinschrift hat vorgeben wollen, ist schwer zu be­ urteilen, da diese für den gestalterisch schwierigsten Teil des Werks, Buch I, verloren ist. Zieht man in dieser Frage die erhaltene Druckvorlage des entsprechenden Kapitels der für 1523 geplanten Buchedition vergleichend zu Rate, erkennt man ein ähnliches Schriftbild, dessen Sprünge und 32 Vgl. Hartmann 1999, S. 23. 33 Die Satzbreite des Proportionswerks differiert mit 133 mm von jener der Unterweisung (146 mm), gleicht aber der des Festungswerks. 34 Eine weitere ‚Witwe‘: Nr. 277.35. Es gibt noch andere Unregel­ mäßigkeiten im Satz, am auffälligsten der unmotivierte Wechsel des Schriftgrades (Verkleinerung) in der Schrift­Kolonne der Figuren Nr. 277.76 und 277.98.

Schwünge indes eher handschriftliche Dynamik als das planmäßige Muster für den Setzer erkennen lassen. 35 Es hat den Anschein, als habe dieser zunächst dem Dürer’schen Duktus (mit den zahlreichen Klammern) folgen wollen, was infolge der unf lexibleren Setztechnik zu den besagten Dissonanzen führte. Auch im II. Buch, in dem aufgrund der Meßstab­Me­ thode einheitliche Tabellen möglich werden, wurde zu­ nächst mit geschweiften Klammern bei vollständiger Satz­ breite hantiert (fol. F5r), bevor die Maß­Tabellen pro Blatt in je zwei Kolonnen gesetzt wurden (ohne jedoch Spalten zu bilden). Mangelnde Schriftsatzausrichtung sehen wir – wieder im Zusammenhang mit geschweiften Klammern – auch zu Beginn des III. Buchs bei der Auf listung der Ge­ gensatzpaare (fol. O1r). Im übrigen zeigt der Vergleich mit den großenteils erhaltenen Reinschriften der Bücher III und IV,36 daß Dürers Usance, im fortlaufenden Manuskript­ Text die vorgesehenen Absätze mittels Spatien (neben gele­ gentlich realisierten Zeilenumbrüchen) zu kennzeichnen (vgl. Abb. 18), im Druck oft ignoriert ist. Insofern dürfte die immer wieder auffallend unmotivierte bzw. unterlas­ sene Strukturierung der gedruckten Textpassagen nicht durchweg den Intentionen des Autors entsprechen. Da sich die gestalterischen Unsicherheiten meist jeweils zu Anfang der betreffenden Bücher häufen, hat es den An­ schein, als habe sich der Setzer seiner Aufgabe suchend und probierend genähert, ohne dieses Stadium nach Konsoli­ dierung des Layouts zu revidieren. Das dürfte einerseits von großer Eile bei der Drucklegung zeugen, andererseits Zweifel an der Mitteilung der editorischen Notiz erwecken (fol. Z3v), daß der Autor das erste Buch noch habe selbst durchsehen können. Denn Dürer, der als Graphiker wie als Buchgestalter bekanntlich höchste Ansprüche ans Werk stellte, hätte derartige Nachlässigkeiten beim Druck des Buches – gerade dieses Buches, dessen Gegenstand ihn sein halbes Leben lang beschäftigt hatte – kaum durchgehen lassen. In der lateinischen Version von 1532 und 1534 ist das „schwankende“ Satzbild bereinigt, die genannten Pro­ blemstellen sind hier in der Regel durch je zwei säuberlich umgebrochene Satzkolonnen ersetzt.

35 Dresden, fol. 3–88. 36 Nürnberg, fol. 3–35 sowie 36–57.

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A Das Buch und seine Gestaltung

4 Die Illustrationen Unsere Zählung der Holzschnitte folgt der Nürnberger Ausgabe des druckgraphischen Werks Dürers, 3, 2004.37 Dabei wurde jede Graphik, soweit sie nicht durch Buchsatz begrenzt oder unterbrochen ist, pauschal als eigener Druck gewertet. Diese Entscheidung, die angesichts der sorgfältig und achsengenau montierten Holzstöcke der Original­ Ausgabe zustande kam, ist sachlich nicht in jedem Fall ge­ rechtfertigt. Denn der Vergleich mit den diversen Nach­ drucken der Andreae­Dürer’schen Holzstöcke, deren Justierung im Schließrahmen dann durchweg weniger prä­ zis erfolgte, gibt gegebenenfalls Divergenzen etwa in der Boden­ oder Scheitellinie der Figurenholzschnitte zu er­ kennen. Daraus ist zu folgern, daß nicht nur die durch Schrift­ kolonnen getrennten Proportionsfiguren, sondern auch andere und zwar sämtliche übrigen Bild­Tafeln, soweit sie zwei Figuren enthalten, von jeweils zwei Stöcken stam­ men: Jede einzelne Figur, mit Ausnahme der Bewegungs­ figuren in Buch IV und des Kindes Nr. 277.30, die tatsäch­ lich als Doubles geschnitten sind, scheint demnach den Abdruck eines gesonderten Holzschnitts zu repräsentieren.38 Die vorliegende Zählung wurde gleichwohl beibe­ halten, weil eine neue Zählung auch keine letztliche Ge­ wißheit in der Bestimmung separater, mithin katalogisie­ rungsfähiger Holzschnitte bedeuten, die Identifikation der Buch­Illustrationen nicht verbessern, sondern durch Zwi­ schenschaltung einer dann erforderlichen Konkordanz er­ schweren würde. Das Werk enthält demnach 143 Illustra­ tions­Holzschnitte sowie 35 Holzschnitt­Vignetten. Die 143 Buch­Illustrationen umfassen figürliche, geometrische und instrumentelle Darstellungen. Einer der figürlichen Holzschnitte fehlt, das Blatt blieb frei (fol. X3r). Die Ausführung der Holzschnitte, die man wiederum Hieronymus Andreae zuweisen muß, zeigt höchste hand­ werkliche Qualität, wie auch im Vergleich mit den (weni­ gen) erhaltenen Druckvorlagen/Reinzeichnungen zu er­ kennen ist. Die gleiche Sorgfalt waltete auch bei den in die Tausende gehenden, den Holzstöcken eingeschnittenen Meßeinträgen – den Bruchzahlen in Buch I sowie den Mo­ dulzahlen in Buch II –, bei denen sich sowohl hinsichtlich der Plazierung als auch der Werte nur wenige Fehler ein­ geschlichen haben. Die originalen Holzstöcke wurden au­ ßer für die in Nürnberg gedruckten Erstausgaben 1528 (deutsch) sowie 1532 und 1534 (lateinisch) für die latei­ nische und französische Ausgabe Paris 1557, sodann für sämtliche Ausgaben (deutsch, französisch, niederländisch)

37 Dürer/Druckgraphik 3, Nr. 277.1–277.150. 38 Das ist der Fall bei den Figuren Nr. 277.4, 6, 8, 10, 12, 14, 18, 20, 22, 32, 34, 41, 77, 79, 97, 99.

bei Johannes Janssen in Arnheim, zuletzt 1622, benutzt.39 Dort verlieren sich ihre Spuren. Für die italienischen Aus­ gaben, Venedig 1591 und 1594, wurden Nachschnitte an­ gefertigt.40 Im Gegensatz zu Alberti, einem durch und durch theo­ retischen Kopf, war Dürer durch und durch Künstler („in­ wendig voller Figur“), dessen Proportionswerk folglich von vornherein illustriert geplant war, obwohl pure Tabel­ len für den im Titel bezeichneten Zweck ausgereicht hät­ ten. So wurde Dürers Buch das erste Opus seiner Art mit Abbildungen, deren Quantität und Qualität in vergleich­ baren Werken nie wieder erreicht wurden. Das Gros der Il­ lustrationen, die keine Befriedigung des künstlerischen Be­ dürfnisses nach brauchbaren Musterfiguren anstreben, sondern Grundlagenarbeit repräsentieren, ist von langer Hand aufs Sorgfältigste vorbereitet worden. Graphisch wählte Dürer den Linienholzschnitt mit einem Minimum an Binnenzeichnung, wie er ihn für künstlerische Zwecke nie verwendet hatte. Primitive Bild­ drucke dieser Art, in denen schlichte Umrißzeichnungen ungeschönt umgesetzt sind, kennt man in Deutschland aus frühen illustrierten Büchern, vor allem Lehrbüchern, etwa Kosmographien, Herbarien, astronomischen Kalendarien; so enthält der Kalender des Regiomontanus von ca. 1474 bereits entsprechende, durchaus elaborierte geometrische Risse.41 Hier wäre auch auf Matthäus Roriczers „Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit“ und „Geometria deutsch“ hinzu­ weisen,42 die nicht nur durch die Art ihrer Holzschnittech­ nik, sondern auch als erstes Beispiel geometrisch­tech­ nischer Buchillustrationen Schrittmacherdienste für Dürer geleistet haben dürften. Auf hohem Niveau stand die Technik des Linienholz­ schnitts im Umkreis Mantegnas: Nicht zuletzt durch den venezianischen Buchdruck, etwa die „Hypnerotomachia Polifili“ (Venedig 1499),43 war Dürer bestens mit ihr ver­ traut. Thematisch näherliegender sind die betreffenden Holzschnitte aus Johannes Kethams „Fasciculus medici­ nae“, der in mehreren Auf lagen ab 1491 in Venedig gedruckt worden war. Vor allem der dortige Wundenmann mit sei­ nen ‚verletzungsbedingten’ Verweislinien kommt Dürers

39 Hier ist die Druckqualität infolge der Abnutzung und durch Beschädigungen der Stöcke im allgemeinen schlechter. 40 Dabei ist die in der Version ohne Konstruktionslinien bis dato fehlende Bewegungsfigur Nr. 277.125 ergänzt worden;Ausgabe 1591, Blatt 111v. 41 Calendarium, Nürnberg, ca. 1474. 42 Regensburg 1486 sowie ebd. 1487/88; vgl. Roriczer/Geldner 1999. 43 Dürer besaß ein Exemplar dieses Werks aus der Offizin des Aldus Manutius.

A Das Buch und seine Gestaltung

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Anonymus, Uomo delle malattie. Aus: Ketham 1494; Holzschnitt

männlichen Frontalansichten recht nahe, wenn man von der kontrapostischen, bewegten Anlage absieht (Abb. 1).44 Dürers Holzschnitte besitzen gegenüber diesen Vorläufern keine Randstege und erlauben so ein enges Zusammenspiel mit dem Buchsatz. Wenn auch nicht in künstlerischer, so doch in thema­ tisch­schematischer Hinsicht ist Dürers „gestrackter“ Figu­

44 Vgl. den Druck in derVolgare­Version: Ketham 1494. Die Figur besitzt (mit zwei weiteren) nahezu die gleichen Maße wie die­ jenigen Dürers.

renriß noch offensichtlicher mit einem weiteren einschlä­ gigen Modell der älteren wissenschaftlichen Illustration in Verbindung zu bringen: Es handelt sich um von vorn und hinten gesehene Ganzfiguren in griechischen Anatomie­ Manuskripten zur bildlichen Erläuterung der Nomenklatur der Körperteile, sie dienten zugleich als Schemata der topo­ graphischen, vorzugsweise äußeren Anatomie.45 Durch die Jahrhunderte von Codex zu Codex kopiert, erscheint dieses Modell, figürlich modernisiert, auch im frühen Buchdruck,

45 Belloni 1951/53, S. 181–200.

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A Das Buch und seine Gestaltung so dem „Antropologium“ von Magnus Hundt, gedruckt in Leipzig 1501,46 als ungerahmter Linienholzschnitt eines nackten Mannes, begleitet von den Kolonnen der (ins La­ teinische übersetzten) Nomina, die – zu Gruppen zusam­ mengefaßt – mit Hilfe von Verweislinien dem Körper zu­ geordnet sind (Abb. 2). Dieses Schema ist unter Einschluß der Frau, um Seiten­ und Rückansicht erweitert, mit Meß­ daten versehen und graphisch perfektioniert, von Dürer beibehalten.

5 Die Sprache Bis hin zu Dürer sind künstlerische oder gar kunsttheore­ tische Themata in deutscher Sprache nicht verschriftlicht worden; vermutlich haben sich entsprechende Bedürfnisse in dem damit allein berührten handwerklichen Kontext überhaupt nicht gestellt. Handwerkliche Regeln, wenn sie denn wie in den beiden Schriftchen von Matthäus Roric­ zer aufgeschrieben wurden,47 kamen mit einfachsten, an­ wendungsorientierten Formulierungen aus, die wahrschein­ lich eine lange Tradition besaßen48 und Dürer wohlvertraut waren. Anspruchsvollere Themen und Texte waren in La­ tein verfaßt, das ihm wiederum wohl nicht unmittelbar zu­ gänglich war. Mit der Wahl der deutschen Sprache hatte Dürer, neben der in Aussicht genommenen des Lateini­ schen unkundigen Zielgruppe der Handwerker, auch das Vorbild der von ihm hochgeschätzten Italiener im Auge, die bereits entwickelte nationalsprachliche Fachliteraturen besaßen. Um diese Zeit begann ein Rückf luß des Lateinischen humanistischer Provenienz ins Deutsche, dessen rheto­ rischen Habitus der Autor für seine Zwecke nicht nur als ungeeignet ansah, sondern offenkundig ablehnte, selbst wenn die Texte von seinem Freund Pirckheimer stammten. Dieses wird aus der Affaire um die Widmung der für 1523 geplanten Veröffentlichung des Proportionswerks deutlich, für die er schriftstellerischen Beistand von (dem darin zu ehrenden) Pirckheimer und anderen professionellen Schrei­ bern erbat. Bezeichnend für den zutiefst redlichen Charak­ ter des Künstlers ist die Tabu­Liste zur Vermeidung der gängigen korrupten Standardformeln zur (Selbst­) Huldi­ gung von Autoren, die er den Angesprochenen schriftlich mitlieferte: 49 Solche Reden wollte er weder auf sich ge­ münzt noch von sich vertreten wissen. Die Ergebnisse dieses Ghostwritings, von dem sich eine Probe erhalten

46 47 48 49

Vgl. Hundt 1501, fol. G4v. Roriczer/Geldner 1999. Dazu Ueberwasser I935. R I, S. 100, 101.

hat,50 waren offenbar von solcher Art, die Dürer veranlaßte, den betreffenden Einleitungs­ und Widmungstext lieber selbst zu schreiben.51 Was Dürer wiederholt als die eigene schriftstellerische Schwäche beklagt („meine dag mit anderen dingen zw procht hab vnd dÿ kunst des wolredens fersawmt“) 52, war in Wirklichkeit die Schwäche der deutschen Sprache zu Anfang der Frühneuzeit, die bis dato kaum von anspruchs­ volleren Publikationsaufgaben, sofern diese nicht geistli­ cher oder kanzleisprachlicher Natur waren, gefordert wor­ den war. So sehen wir denn den Maler mit der gleichen Insistenz und Hingabe, die er beim Zeichnen und Messen seiner Figuren bewies, die dazugehörigen Texte Blatt um Blatt schreiben, oft dieselben Sachverhalte über die Jahre hin in immer neuen Ansätzen wiederholend, umformulie­ rend und sprachlich ausfeilend. „Am Ende vermochte der ‚arme Maler‘ nicht nur kom­ plizierte geometrische Konstruktionen kürzer, klarer und erschöpfender zu beschreiben als irgendein professioneller Mathematiker seiner Zeit, er drückte auch historische Tat­ bestände und philosophische Ideen in einem Prosastil aus, der nicht weniger ‚klassisch‘ war als Luthers Bibelüberset­ zung“, wie Panofsky es formulierte.53 Den Adressaten sei­ nes Buchs entsprechend – Malern, Goldschmieden, Bild­ hauern, Steinmetzen, Schreinern54 – bediente er sich umgangssprachlicher Worte und Redewendungen und be­ mühte sich, fremde Fachtermini bildhaft einzudeutschen, z. B. Spirale in „schnecken lini“, Hyperbel in „gabellini“, Parabel in „brennlini“, Ellipse in „ei lini“,55 Diagonale in „ort lini“,56 proportional in „vergleichlich“. Dürer formu­ lierte den geschichtsphilosophischen Terminus „widerer­ waxsung“, lange bevor dieser übers Italienische und Fran­ zösische zum Allgemeingut wurde: Renaissance.57 Noch viel weniger existierte eine Schriftsprache für die Beschreibung der männlichen und weiblichen Physis, die in den frühen Manuskripten einen breiten Raum ein­ nimmt. Das beginnt mit der Nomenklatur, die – wie wir sahen – lateinisch ‚approbiert‘ war. Hier vernimmt man nun die äußere Anatomie des Menschen gleichsam im Volkston, zugleich in offensichtlich maskuliner Stimmlage; 50 51 52 53 54

R I, S. 97–100. Vgl.Ashcroft 2005. R I, S. 105. Panofsky 1977, S. 327. So in der Widmung zur „Unterweisung der Messung“, fol.A1v. An anderer Stelle werden zusätzlich Metallgießer, Seidensticker, Tonbildner, Haffner „etc.“ genannt; R II, S. 150. 55 Alle diese in der „Unterweisung der Messung“. 56 Proportionslehre; heute sprachlich (regional) noch präsent in „Ortgang“ (Rand der Dachschräge). 57 In einem Entwurf zur Einleitung des Projektes von 1523; R II, S. 144.

A Das Buch und seine Gestaltung

2 Anonymus, Mann mit anatomischer Nomenklatur. Aus: Hundt 1501, fol. G4v; Holzschnitt

allzu derbes Straßendeutsch wurde indes von Pirckheimer für die Druckfassung redigiert, etwa „arspacken“ in „hin­ dern“, „schwantz“ in „scham“ (die bereits in weiblicher Form vorhanden war). Die Beschreibungen, die dann im Druck fast völlig wegfallen, versuchen sich bei aller ‚Leibhaftig­ keit‘ des Vokabulars in objektivierender Distanz, wobei die Meßlinien eine offenbar gern ergriffene Gelegenheit zu formalisierender Abstraktion boten, vgl. folgende Einlas­ sung auf die Linienführung der Hüftpartie einer fettlei­ bigen Frau aus dem Jahr 1508: „Also rundirt sich daz f leisch

awff peden seiten herab von der hüff linj pis awff dy linj der scham jn gepogner weis also, daz [es] awff der linj, dy den pawch ent, gar ein wenig preiter ist weder (als, Verf.) awff der hüft linj.“58 Über Dürers sprachliche Usancen, sein Idiom, sein Vo­ kabular und seine Syntax und ihre sprachgeschichtlichen Kontexte existieren etliche Untersuchungen, zumal anhand

58 R II, S. 238;Abb. 96.

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A Das Buch und seine Gestaltung seiner Geometrie; 59 jedoch sind seine Stellung und sein Einf luß in der deutschen Sprach­ und Wortgeschichte noch klärungsbedürftig.

59 Hartmann 1922; Leistikow 1937; Koller 1989; Schiffman 1991; Habermann 1994; Peiffer 1996; Müller 1993;Thomas 2002.

B Zur Textübertragung

„In dem Stücke von Albr. Dürers Werke das Sie mir anzeigen (Proportionslehre,Verf.) stehen wahrhaft goldne Sprüche, es wäre schön wenn man sie einmal zusammenrückte und in neuere Sprache übersetzte.“ Goethe an J. H. Meyer, 13. 3. 17911

GoethesWunsch nach einerTextübertragung der Dürer’schen Proportionslehre, ‚nur‘ gut zweieinhalb Jahrhunderte nach deren Erscheinen, kann heute, nach annähernd fünfhundert Jahren, als zusätzliche Empfehlung für unsere ‚Umdeut­ schung‘ zitiert werden. Denn nach wie vor werden deutsche Schriften aus der Frühen Neuzeit nur selten ins heutige Deutsch übertragen – wohl deshalb, weil sie meist auf Anhieb mehr oder minder lesbar erscheinen, was auch für Dürers gedruckte Schriften galt.2 Bei näherer Beschäftigung mit Dürers Proportionswerk zeigen sich indes beträchtliche Lese­ undVerständnisschwierigkeiten, derer man mit dem Wörter­ buch allein nicht ohne weiteres Herr wird.Da dieser Sachver­ halt nirgendwo in der Dürer­Literatur zur Sprache kommt, dürfte darüber bislang hinweggelesen worden sein, womit allerlei Fragen ans Werk und demgemäß auch die fälligen Antworten unterblieben. Dabei müssen wir feststellen, daß die besagten Schwie­ rigkeiten nicht nur an der zeitlichen Distanz der fünfhundert Jahre liegen, die etwa bei der Lektüre religiöser und litera­ 1 2

Goethes Werke (Sophien­Ausgabe), IV. Abt., Bd. 9, Weimar 1891, Nr. 2858. Einzig die Befestigungslehre ist bislang (noch zu Goethes Leb­ zeiten) in modernes Deutsch übertragen worden:Einiger Unter­ richt von der Befestigung der Städte, Schlösser und Flecken. Berlin (Maurer) 1823 (danach eine weitere, revidierte Text­ Fassung: Dürer/Jaeggli 1971). Ferner existiert eine „neuerem Sprachgebrauch angepaßte“, gekürzte Ausgabe der „Unterwei­ sung der Messung“, Dürer/Pelzer 1908.

rischer Schriften leichter bewältigt wird, sondern am Gegen­ stand dieses Buchs, für den es keinerlei eingeübte Schriftspra­ che gab. Es sind weniger die „goldnen Sprüche“, die es in der Tat gibt, als die Verbalisierung hochkomplizierter geomet­ rischer Konstruktionen und komplexer Überlegungen, mit denen der Satzbau, der immer wieder an laborierende wört­ liche Rede erinnert, nicht recht schritthalten kann. Dürer hatte selbst, sich dieses Defizits bewußt, über zwei Jahrzehnte um die Sprache und die Formulierungen für sein geplantes Werk in immer neuen Ansätzen gerungen, die heute die Masse seines umfangreichen handschriftlichen Nachlasses ausma­ chen. Immerhin konnte dieses Entwurfs­ und Übungsmaterial bei unserer Übertragung für dasVerständnis der vielen dunk­ len Stellen gelegentlich erfolgreich zu Rate gezogen werden. Auch die lateinische Übersetzung von Camerarius, die der Autor selbst noch inauguriert haben dürfte, mußte immer wieder konsultiert werden. Dabei zeigte sich, daß Camera­ rius, der gezwungen war, eine der lateinischen Satz­Präzision zweckentsprechend taugliche Präparierung des Dürer­ Deutsches vorzunehmen, oft mit den denselben Passagen zu kämpfen hatte wie wir. Er pflegte dabei die Dürer’sche Dik­ tion radikal zu vereinfachen, indem er vielfach satzübergrei­ fend den Sinn zu extrahieren suchte, sich dabei gelegentlich, wie wir meinen, auch vergriff, ansonsten aber eine weitge­ hend zuverlässige lateinische Textfassung schuf, in der Dürers Werk unzweideutig auf den Begriff gebracht schien. So kam es, daß nicht die deutsche Ur­, sondern die lateinische Se­ kundärfassung zur Quelle fast sämtlicher weiterer Überset­ zungen wurde.3 Der Zweck unserer Übertragung ist es, die Lektüre und das Verständnis der Proportionslehre zu erleichtern und zu beschleunigen. Sie soll das bislang eher gelegentlich zitierte denn studierte Werk lesbarer und übersichtlicher machen und seine Zugänglichkeit, auch für Nicht­Spezialisten und

3

Vgl. die Bibliographie des Werks:Abschnitt A2.

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B Textübertragung der Frakturschrift und ‚altdeutschen‘ Diktion Unkundige er­ leichtern. Dieser Zweck verlangt nach einer ‚Methode des Übersetzens“, die, einem Diktum Schleiermachers zufolge,4 den Leser an den Autor respektive den Text, nicht aber den Text respektive den Autor an den Leser heran zuführen sucht. Deshalb mußte vor allem der Satzbau den heutigen Gewohn­ heiten angepaßt werden. Gleichwohl wurde Dürers Idiom so schonend wie möglich behandelt und etliche ihm ureigene Wörter und Formulierungen beibehalten. Unsere Übertragung basiert auf dem in Fraktur gedruck­ ten Buch von 1528, von dem bis heute keine kritische Text­ Transkription existiert.5 Die im Zuge der Arbeit festgestellten Fehler und Unstimmigkeiten aller Art, soweit sie druck­ und satzbedingt sind, werden deshalb eigens angemerkt und zwar in den Fußnoten des Übertragungsteils. Dieses gilt auch für alle möglichen den Text und die Illustrationen betreffenden Verständnisfragen, nicht jedoch für sachliche und fachliche Fragen und Irrtümer, die im Kommentarteil behandelt sind. Vor allem aber finden sich in den Fußnoten des Übertra­ gungsteils die nötigen Wort­ und Bedeutungsnachweise so­ wie betreffende Erläuterungen. Bei ‚leichteren Fällen‘ er­ scheint das originaleVerbum zur Entlastung derAnmerkungen in runden Klammern gleich neben der neudeutschen Fas­ sung. Eckige Klammern enthalten zusätzliche, den Sinn einer Aussage klärende Ergänzungen. Einige Erläuterungen zur Textübertragung: – Formelhafte,ständig wiederkehrendeWendungen („mach ich“, „setz ich“, „zieh/zeuch ich“, „danach“) werden ge­ legentlich durch Synonyme variiert. – Längere Textpassagen sind nach Ermessen durch Absätze gegliedert. – Etliche Bezeichnungen wurden standardisiert, so vor allem die immer wieder wechselnden Benennungen der Meßebenen und ­orte des menschlichen Körpers; vgl. unseren Abschnitt C. – Mißverständliche Verben, wie „bild/bilder“, worunter Dürer stets Abbilder von Menschen verstand, sind durch­ 4

5

„Entweder der Uebersezer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen.“ Friedrich Schleiermacher, Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens, 1813; zit. nach: Das Problem des Übersetzens. Hrsg. von Hans Joachim Störig. Stuttgart 1963, S. 47. Unveröffentlichtes Typoskript: Kahler 1947; ferner im Rah­ men der neuen italienischen Übersetzung: Dürer/Feo 2007. In beiden Fällen buchstabengetreue Abschriften, in denen weder Schreib­ und Satzfehler noch die Koordination von Text und Bild berücksichtigt sind.Allein der sog. Ästhetische Exkurs vom Ende des III. Buchs liegt in einer Transkription Rupprichs vor: R III, S. 290–299.

gängig ersetzt, hier: Figur/Figuren. Dergleichen ist an Ort und Stelle angemerkt. Keineswegs kann die Übertragung das Original ersetzen, das deswegen Seite für Seite im Gleichschritt reproduziert ist und unschwer parallel gelesen werden kann. Im ‚Ernstfall‘ wird man ohnehin auf den Urtext zurückgreifen und gege­ benenfalls eigene Deutungen versuchen müssen. Unklar ge­ bliebene Passagen und Wörter sind nicht vage eingeschliffen, sondern eigens als unklar benannt.

C Die Meßstellen und ihre Nomenklatur

Am Anfang des I. Buchs (fol. A3v) listet Dürer 31 verschie­ dene Meßebenen des menschlichen Körpers der Länge nach zwischen Scheitel und Fußsohle auf.1 Im Zuge der anschlie­ ßenden Arbeit führt er stillschweigend etwa ein halbes Dut­ zend weiterer Meßstellen ein. Pro aufrechter Figur (ohne die gesonderten Arme) werden dann jeweils zwischen 24 und 30 verschiedene Ebenen verwendet, auf denen stets auch die Maße nach der Breite und Tiefe („dicke“) des Körpers fest­ gestellt und vermerkt werden.2 Diese Höhenschnitte reprä­ sentieren Begrenzungen von Körperabschnitten (z. B. „kin“, „end des hintern“) sowie mehr oder minder markante For­ merscheinungen der äußeren Körpertopographie, unabhän­ gig von ihrer anatomischen Struktur, ob sie denn vom Skelett („end der hüfft“), den Muskeln („end des eussern wadens“), dem Fettgewebe („end des pauchs“) bedingt sind oder auch äußere Organe („nasen“, „auf der Scham“) betreffen.3 Des­ halb decken sich Dürers Positionen nur teilweise mit denen der zeitgenössischen Medizin, deren Termini während der frühen Neuzeit aus dem Griechischen in die bis heute üb­ liche lateinische Form übertragen wurden und in zahlreichen Druckwerken, meist in tabellarischer Gestalt, leicht zugäng­ lich waren.4

1 2

3

4

In der Reinschrift der für 1523 geplanten Ausgabe zählt Dürer eigens mit Ordinalzahlen 29 Meßebenen (ohne Fußsohle) auf; R III, S. 170. Im „Ästhetischen Exkurs“ stellt es Dürer anheim, mehr oder weniger „solcher zwerch linien“ (Meßebenen) einzusetzen: mit weniger Linien habe man weniger Mühe, richte aber auch we­ niger aus (fol.T1v). Dürer schreibt selbst zu seinen Meßstellen: „Item alle dÿ leng der glider, dy höch vnd nidern der anderen tzeichen der art et­ licher der furnemsten ding jn der menschlichen gestalt, das will jch mit zwerch linien antzeigen“. In einem Entwurf zur Einlei­ tung der 1523 fertiggestellten Fassung der Proportionslehre, R II, S. 142. Vgl. Belloni 1951/53.

Statt vom Auge des Anatomen sind Dürers Meßstellen vom Auge des Künstlers bestimmt. Orientieren konnte er sich dabei an den „Tabulae dimensionum hominis“ in Alber­ tis Schrift „De Statua“, die, obzwar ungedruckt, dem Nürn­ berger offenbar bekannt war.5 Hier hatte der Florentiner die Positionen tabellarisch aufgelistet, an denen er, wie er selbst mitteilt, „sehr viele Körper“ vermessen hatte – und zwar be­ reits ebenfalls der Länge, Breite und Tiefe nach. Ohne an dieser Stelle Dürers und AlbertisVorgehenswei­ se im Einzelnen zu vergleichen, können wir leicht erkennen, daß die Auswahl der Meßstellen hier wie dort in bemerkens­ wertem Umfang übereinstimmt. Freilich fehlen bei Alberti, der sich ausschließlich dem männlichen Menschen widmete, die weiblichen Daten. Eine Konkordanz der Dürer’schen und Alberti’schen Positionen wird allerdings aufgrund der unter­ schiedlichen Sprachen erschwert. Der Gebrauch des Latei­ nischen erleichterte Alberti die Benennung und den Lesern das Verständnis der betreffenden Körperstellen, soweit diese von der anatomischen Nomenklatur erfaßt waren. Das Latei­ nische befreite aber auch ihn nicht davon, mit mehr oder minder umständlichen Umschreibungen anatomisch undefi­ nierte Stellen zu bestimmen. So sind Albertis Positionsbe­ zeichnungen gelegentlich interpretationsbedürftig, zumal ih­ nen die begleitenden Illustrationen fehlen. Das Deutsche verfügte dagegen über keinerlei anatomi­ sche Nomenklatur. So war Dürer bei der Benennung der Meßebenen auf das zeitgenössische Umgangsdeutsch ange­ wiesen, das er, wie die Manuskripte zeigen, im Laufe der lan­ genVorbereitungszeit für seine Zwecke, z.T. mit Hilfe Pirck­ heimers, zu konditionieren suchte. Auch hier blieb es nicht aus, daß mangels eindeutiger Termini mit Beschreibungen

5

Abschriften von Albertis „De Statua“ und „De Pictura“ waren mit der Bibliothek des Mathematikers Regiomontanus (Johann Müller) 1471 aus Italien nach Nürnberg gelangt, wo diese spä­ ter zugänglich gemacht wurden.Vgl.Alberti/Bätschmann 2000, S. 104–108.

14

C Die Meßstellen und ihre Nomenklatur operiert werden mußte, die zudem im gesamten Werk nicht immer konsequent durchgehalten wurden. Die durchgängige Illustrierung schützt indes weitgehend vor Mißverständ­ nissen. Camerarius, der Übersetzer der Dürer’schen Schrift ins Lateinische, hat seiner Edition von 1532 vorsorglich eine zweisprachige Konkordanz vorangestellt,6 die er, wo er es für

nötig hielt, nicht nur erläuterte, sondern auch um die ein­ schlägigen griechischen Termini ergänzte. Im folgenden eine Tabelle der Dürer’schen Meßebenen (in Klammern: sprachlicheVarianten), soweit sie in den Illus­ trationen erscheinen, vermehrt um die korrespondierenden lateinischen Termini nach Camerarius, Albertis7 sowie dieje­ nigen unserer Übertragung.

Die Schnittebenen des Körpers Dürer

Camerarius

Alberti

Übertragung

scheitel

sinciput, vertex

summus vertex capitis

Scheitel

der hind’ wirbel

vertex ubi media calva capilli girantur



hinterer Haarwirbel

stirn, stirn lini

radices capilli

radices capilli

Haaransatz8

augpraun

supercilia



Augenbrauen

nasen

nasus



Nase

kin (kyn)

mentum

mentum

Kinn

end des tröllens under dem kyn

paleaculum sub mento



Wulst am Kinn unten

schulterfleisch höhen (höhe d’ schultern, schulterfleysch höch)

scapulae



Schulter oben10

Halsgrüblein

iugula

furcula iuguli

Halsgrube

höch der achssel (der achsel höhen)

humerus



Schulterhöhe

achselglid’ höch





Schultergelenk11

prust (brusthöhe)

pectus

pectus

Brust12

vordere vxen (vorder vchsen)

alae, axillae (in adverso corpore)

asella 13

Achselhöhle vorn

hindere vxen

alae, axillae (in averso corpore)

asella

Achselhöhle hinten

9

tütlein

papillae

mammillae

Brustwarzen

unter den prüsten14

mamae15



unter den Brüsten, der Brust

6 7 8

9

„Partium humani corporis nomina quarum in his Libris mentio fit“, Cam. I, fol.A5r. Albertis meist (nach der Präposition ad) im Akkusativ genann­ ten Nomina sind hier im Nominativ zitiert. Die Stirn, eine Fläche, sagt nichts genaues aus über die hier gemeinte Meßebene; es handelt sich um den durch den Haar­ ansatz definierten oberen Rand des Gesichtes, das unten von der Kinnspitze begrenzt wird. Die Gesichtshöhe ist neben der Kopfhöhe die wichtigste Einheit sämtlicher zeitgenössischer Proportionslehren. „paleaculum“:offenbar ein Kunstwort nach ‚palea‘ (Spreu,Läpp­ chen unter dem Hahnenschnabel). Diese Meßebene nur beim Kind (Nr. 277.29).

10 Gemeint ist die höchste Stelle der Schultern am Halsansatz. 11 Die Höhe von Schultergelenk und Halsgrube wird in fol. A4v als identisch bezeichnet. 12 Gemäß Dürers Illustrationen eine Schnittebene ungefähr mittig zwischen Halsgrube und der vorderen Achselöffnung. 13 Es muß heißen: ascella. 14 Unterschiedslos bei Frau und Mann. Beim Mann: der untere Rand des großen Brustmuskels (Pectoralis). 15 Korrekt: mammae.

C Die Meßstellen und ihre Nomenklatur Dürer

Camerarius

Alberti

Übertragung

endt des brustbeins





Brustbein unten

in der weichen

ubi procingimur, cinctus16

ubi incingimur

Taille

im nabel

umbilicus

umbilicus

Nabel



Hüfte oben

nodus coxae

Hüfte unten19

der hüfft art

sinus coxarum

17

end der hüfft

summum femur

end des bauchs

alvus



Ende des Bauchs20

auf der scham (höch der scham)

verenda, pubes, pudenda

os, sub quo pendet penis

Scham oben21

spaltung (spalt) des weybs (des manns) 22

ubi corpus bifidum sit



Schritt

end der Scham





Scham unten



colii

Hoden unten

end des hindern (.. des hind’ patzen, .. des hind’n backen)

extremae nates

sub natibus

Gesäß unten

im bein unter dem hindern (ein besunder eintieffen)





Wulst unter dem Gesäß

einpeissung24 des beyns (.. mitten im obern pein)

feminum sulci25



Eintiefung des Oberschenkels26

aussen ob dem kny (knie)





über dem Knie außen

innen ob dem kny

supra genu interius



über dem Knie innen

mitten im kny

medium genu

articulus qui est in genu exterius

Kniemitte

aussen under dem Knie

infra genu



unter dem Knie außen

innen unter dem kny





unter dem Knie innen

mitten im Waden





Wadenmitte27

end (endt) des eussern wadens

sura exterius



äußere Wade unten

end des innern wadens

sura interius

retractio sub pulpa tibiae interius

innere Wade unten

das bein ob dem rist (... unden im schinbein)28





das Bein über dem Rist

end der nyern (nyren)

23

18

16 Die bei Camerarius in den diversen Tabellen sonst meist wört­ liche Übersetzung dieser Meßebene (lumbi, latera, sub costis) wird durch Gürtel(­höhe) verdeutlicht. 17 Anatomisch: der Beckenkamm. In den Vorarbeiten schreibt Dürer gelegentlich: „einpeisung der hüft“. In dem stets wie­ derkehrenden Zusatz „art“ dürfte sich, wie gelegentlich auch an anderer Stelle, das Wort ‚Ort’ verbergen und zwar das Ort; als solches in der Bestimmung von End­ oder Anfangspunkt (Rand, Saum, Endstück, Winkel); Grimm 13, Sp. 1354; Ander­ son/Goebel/Reichmann 2, S. 179. Noch geläufig im Wort Ort­ gang, seitliche Begrenzung der Dachschräge. 18 Oberschenkelkopf. 19 Es handelt sich, wie auch Albertis und Camerarius’ Formulie­ rungen zeigen, um die Ebene des Hüftgelenks bzw. der Gelenk­ pfanne.

20 Es handelt sich um den unteren Rand der Bauchmuskeln, der infolge von Fettablagerungen eine Wölbung aufweisen kann. 21 Im Skelett: Schambein; männlich und weiblich. 22 In denVorarbeiten heißt diese Höhe öfter „also hoch geschlitzt“. 23 „nyern“: Nieren, alte Bezeichnung für Hoden; Grimm 13, Sp. 832. 24 „einpeissung“, von einbeißen: ‚Eintiefung’ (lat. contractio); Grimm 3, Sp. 148 (einbeiszen). 25 Plural;Singular:feminis sulcus;femen (veralt.) statt femur (Ober­ schenkel). 26 Muskelbedingte Furche auf der Rück­ und Innenseite des Ober­ schenkels; selten erkennbar ausgeprägt, aber von Dürer stets be­ achtet. 27 Angabe für Breiten­ und Tiefenmaße ohne Höhenlinie. 28 Auch genannt: „da das bein am dünsten ist“ (fol. A5r); Angabe für Breiten­ und Tiefenmaße ohne Höhenlinie.

15

16

C Die Meßstellen und ihre Nomenklatur Dürer

Camerarius

Alberti

Übertragung

höch des ritz (ristz) auf dem fuß

mons pedis sive convexus pes



Risthöhe

durch die knorren





durch den Fußknöchel

endt des eussern knorren am schinpein (under dem knorren)

tali

talus exterius

äußerer Fußknöchel unten

end der soln

planta

vestigium

Fußsohle

Die Schnittebenen der Arme achselglid elbogen glenck (end) der hand endt der finger

Schultergelenk Ellenbogen Handgelenk Fingerspitzen

Ferner verwendet Dürer zur Messung der jeweiligen Breitenmaße zusätzlich (aber nicht regelmäßig) folgende Ebenen, ohne sie in den Illustrationen einzutragen: mitten im waden mitten in der stirn über die orn über die augpraun über die nasen und backen ein wenig bas hinab (bey endt des hinderen)

Wadenmitte Stirnmitte über die Ohren über die Augenbrauen über Nase und Wangen Wulst unterhalb des Gesäßes

Die Meßstellen des Armes, des Kopfes, der Hand und des Fußes sind größtenteils eindeutig und bedürfen nur weniger Erläuterungen. Am Arm: maus

Bizeps (Muskel im Oberarm)

Am Kopf: do das haubt auff den hals stest

Genick

Ferner gibt es noch einige Binnenmaße in den „Breiten“ derVorderansicht, die sich auf bereits definierten Höhen befinden: Abstand der Schultergelenke („stehen die achsselglider weyt von einander“), Abstand der Brustwarzen („zwischen den tütlein“), Abstand der Hüftgelenke („die beinglider in den hüfften weyt von einander), Abstand der Achselhöhlen („zwischen den vchssen“) sowie in der Rückenansicht: Abstand der Achselhöhlen („hinden zwischen den vchssen preyt“), differiert von derVorderansicht, Abstand zwischen den Schultergelenken und den Achselhöhlen („von der axelglid hoch herab zu den hindern vxen“), diffe­ riert von derVorderansicht, Länge bzw. Höhe des Gesäßspaltes („der hindern von vnden auffgespalten“), Fersenbreite („fersen ist preyt). Einige weitere, offensichtlich nebensächlichere Meßhöhen sind an den betreffenden Stellen angemerkt.

D Übertragung

D Buch I

fol. A1r

fol. A1r (Nr. 277.1)

Hierin[n] sind begriffen vier bücher von menschlicher Proportion/durch Albrechten Dürer von Nürenberg erfunden vnd be/schreiben/zu nutz allen denen/so zu dieser kunst lieb tragen M.D.XXVIII

19

20

D Buch I

fol. A1v / Fol. A2r

fol. A1v

fol. A2r

Dem ehrbaren und wohlgeachteten Herren Willibald Pirckheimer, kaiserlicher Majestät Rat etc., meinem günstigen lieben Herren und großersprießlichen Freund, entbiete ich, Albrecht Dürer, meinen willigen Dienst. Wiewohl ich, günstiger Herr und Freund, nicht zwei­ fele, es werden etliche bestrebt1 sein, dieses mein Vor­ haben zu schelten 2, weil ich als ein Ungelehrter, mit kleinem Verstand und mit wenig Kunst  begabt, das

1 2 

„straffen“, im Sinne von ‚schelten‘, ‚tadeln‘; Grimm 19, Sp. 712 (strafen) „understeen“: ‚sich bestreben‘, ‚unternehmen‘. Kunst bedeutet hier nicht künstlerischeTätigkeit, son­ dern noch in mhd. Sinn:Wissen,Wissenschaft, Kennt­ nis.

fol. A2r

D Buch I

zu schreiben und zu lehren mich erdreistete, was ich selbst nie gelernt habe oder [worin ich nie] von je­ mand anderem unterwiesen worden bin. Doch da Ihr mich mehrmals angehalten, auch zum Teil gedrängt habt, daß ich diese Bücher an den Tag gebe, habe ich mich viel eher in die Gefahr („geuerd“) der Nachrede geben wollen als Euch Eure Bitte versagen. Wie ich denn auch hoffe, es werde mir niemand, der mit Tu­ genden und Verstand begabt ist, übel („zu argem“) auslegen, daß ich das, was ich mit hohem Fleiß, steter Mühe und Arbeit, auch mit nicht kleinem Zeitauf­ wand („verseumung zeytlicher“) so uneigennützig („miltiglich“) und zu gemeinem Nutzen aller Künst­ ler an das Licht habe kommen lassen, sondern es wer­ de jedermann 5 meinen guten und wohlwollenden („geneygten“) Willen loben und ihn im besten Sinne verstehen. Da ich nun keinen Zweifel habe, daß ich allen Kunstliebhabenden und Lernbegierigen hierin einen Gefallen tue, muß ich dem Neid, der nichts un­ gescholten läßt, seinen gewöhnlichen Gang lassen und antworten, daß es gar viel leichter sei, ein Ding zu tadeln als es selbst zu erfinden. Und es ist ja nicht an [dem], daß die Bücher der Alten, die von den Künsten des Malens geschrieben haben, noch vor Augen wä­ ren, dann könnte mir dieses mein Vorhaben, als ver­ meinte ich besseres zu finden, übel ausgelegt werden. Da aber solche Bücher infolge der Dauer der Zeit ganz verloren worden sind, so kann mir mit keiner Berech­ tigung („pilligkeit“) verwiesen werden, daß ich, wie es auch die Alten getan haben, meine Lehre („meinung“) und Erfindung schriftlich herausgehen lasse, damit auch anderen Verständigen dergleichen zu tun Ursa­ che gegeben werde und unsere Nachkommen darüber verfügen, das sie mehren und bessern können, damit die Kunst der Malerei mit der Zeit wieder zu ihrer Vollkommenheit reichen und gelangen möge. Doch ist niemand gezwungen, dieser meiner Leh­ re, als sei sie gänzlich und an allen Stellen vollkom­ men, nachzufolgen; denn die menschliche Natur hat noch nicht also abgenommen, daß ein anderer nicht auch etwas Besseres finden könnte, deshalb mag ein jeglicher diese meine Unterrichtung, solange es ihm beliebt oder [bis] er Besseres findet7, gebrauchen; wo

 5  7

„thar“, von ‚durren‘: ‚sich erkühnen‘, ‚sich erdreisten‘, ‚wagen‘; Grimm 2, Sp. 17. „meniglich“: ‚jedermann‘. Rupprich deutet „an“ als ‚ohne‘, was auch oft der Fall ist, hier aber unverständlich bliebe; R I, S. 12,Anm. . „erfinden“, erfinden meint hier und im Folgenden meistens ‚finden‘.

21

fol. A2r / fol. A2v

nicht, kann er wohl zugeben („dar für achten“), diese Lehre sei nicht ihm, sondern denen, die sie anzuneh­ men begehren, geschrieben. Es müßte denn gar ein spröder Verstand sein, der sich nicht traute, auch etwas neues zu erfinden, sondern der stets auf der alten Bahn liegt, allein anderen nach folgt und es nicht unter­ nimmt, weiter nachzudenken. Deshalb gebührt einem jeden Verständigen, einem anderen nachzufolgen, ohne den Glauben aufzugeben („verzweyffel“), im Laufe der Zeit ein Besseres finden zu können. Denn wenn das geschieht, bedarf es keines Zwei­ fels, daß diese Kunst mit der Zeit wieder wie früher („vor alter“) ihre Vollkommenheit erlangen kann. Denn es ist offenbar, daß die deutschen Maler mit ih­ rer Hand und dem Gebrauch der Farben nicht wenig geschickt sind, wiewohl sie bisher an der Kunst der Messung, auch der Perspektive und anderem derglei­ chen Mangel gehabt haben. Darum ist wohl zu hof­ fen, wenn sie diese auch erlangen und somit sich der Brauch und die Kenntnis miteinander verbinden9, daß sie mit der Zeit keiner anderen Nation den Preis vor sich überlassen werden. Aber ohne richtige Pro­ portion kann kein Bild je vollkommen sein, wenn dieses auch so f leißig als möglich gemacht wird, wie­ wohl es nicht nötig ist, alle und vor allem10 gar kleine Figuren11 nach der Maß zu machen, denn dieses wür­ de zuviel Mühe machen. Wenn man aber in der Maß recht unterrichtet ist und diese in Gewohnheit bringt, kann nachfolgend desto leichter auch ohne Messung ein jegliches Bild gemacht werden. Damit auch diese meine Unterrichtung umso bes­ ser12 verstanden werden kann, habe ich vorher ein Buch der Messung, nämlich Linien, Ebenen, Corpora etc. betreffend,1 herausgehen lassen, ohne welches diese meine [ jetzige] Lehre nicht gründlich verstanden werden kann. Darum ist es für jeden, der sich auf die­ se Kunst verstehen will, nötig, daß er zuvor in der Messung gut unterrichtet sei und ein Verständnis er­

 „mag“ (mögen), meistens im Sinne von: ‚kann‘ (kön­ nen). 9 „miteinander uberkommen“, etwa ‚übereinkommen‘, ‚sich vermitteln‘, ‚verbinden‘. 10 „zuuor“, ‚vor allem‘; vgl. R I, S. 127,Anm. . 11 „pild/pilder“, wenn von Bild/Bildern gesprochen wird, sind nahezu ausschließlich Figuren, insbesonde­ re die der Proportionslehre gemeint; so im folgenden ohne weitere Anmerkung gehandhabt. 12 „dest paß“: umso besser; „pas/paß“: ‚besser‘, ‚mehr‘, ‚weiter‘. 1 Gemeint ist Dürers Buch „Unterweisung der Mes­ sung“, Nürnberg 1525.

fol. A2v

22

D Buch I

fol. A2v / fol. A3r

fol. A2v

fol. A3r (Nr. 277.2)

werbe1, auf welche Weise alle Dinge in den Grund­ riß und Aufriß zu bringen seien,15 wie es denn die kunstfertigen („kunstlichen“) Steinmetzen in täg­ lichem Gebrauch haben. Denn ohne dieses wird er meine Unterrichtung nicht vollkommen verstehen können. Es soll sich auch niemand abschrecken („ab­ weysen“) lassen, wenn er nicht sogleich („alßpald“) alles versteht, denn was ganz leicht ist, kann nicht sehr wissenschaftlich („künstlich“) sein, was aber wissen­ schaftlich ist, das will Fleiß, Mühe und Arbeit haben,

bis daß es erworben und gelernt werden kann. Es ist immer („ye“) eine vergebliche Arbeit, wo viel Mühe und Fleiß auf ein falsches Ding gelegt wird. Wenn ein Ding („es“) aber sein rechtes Maß hat, kann es von niemandem getadelt werden, ob es auch ganz schlicht1 gemacht ist. Auch will ich mit dieser meiner Unter­ richtung allein von den äußeren Linien der Formen und Figuren und wie sie von Punkt zu Punkt zu zie­ hen sind, schreiben, nicht jedoch von den Dingen im Inneren.17

1 „überkomme“: überkommen, hier (und meistens) im Sinn von ‚bekommen‘, ‚erwerben‘. 15 In den Grund legen und aufziehen: Dürer erwähnt hier geometrischeVerfahren zurVeränderung von Kör­ per­Ansichten, wie er sie in Buch III und IV behan­ delt.

1 „schlecht“ heißt hier wohl ‚einfach‘, ‚kunstlos‘; denk­ bar wäre auch die Bedeutung: ‚gerade‘, ‚aufrecht‘, wie es die folgenden Musterfiguren Dürers sind. 17 „den innerlichen Dingen“, gemeint ist die Anato­ mie des Skeletts, der Muskeln etc., von der Dürer ausdrücklich nicht handelt. Deshalb benötigt er aus­

D Buch I

Wie alt nun diese Wissenschaft sei, wer sie zuerst erfunden hat, in welchem Ansehen und welchen Würden sie etwa bei den Griechen und Römern ge­ standen hat, auch wie geschickt darin ein guter Maler oder Werkmann [gewesen] sein soll, davon ist jetzt unnötig („on not“) zu schreiben. Wer aber dieses Wissen zu haben begehrt, der lese Plinius und Vitruv, da wird er genügend darüber unterrichtet. Damit aber diese meine Bücher einen Beschützer („beschirmer“) vor Nachrede erhalten und damit ich auch meine Zuneigung („geneigten Willen“), die ich zu Euer Herrschaft trage, um mancherlei Liebe, Freundschaft und Güte willen, die Ihr mir lange Zeit und vielfältig („in vil weg“) bewiesen habt, mit dem Gemüt, so ich es mit dem Werk nicht kann, erzeigen kann, habe ich dieses1 Euer Herrlichkeit zugeeignet mit der Bitte, Ihr wollet dieses mein Ansinnen („fürne­ men“) im besten [Sinne] verstehen und, wie Ihr es stets getan habt, mein günstiger Herr und Förderer sein. Darauf will ich mich gänzlich verlassen19 und es, so weit ich kann, zu verdienen bestrebt („gef lissen“) sein.

fol. A3r

fol. A2v / fol. A3r

längeren Teilen und die größten („meinsten“) Zahlen den kürzeren Teilen. Also ist von der ganzen Länge der halbe Teil 2, das Dritteil , das Vierteil  etc. Weiterhin teile ich, wie oben beschrieben, nach Bedarf auch jeglichen zuvor bestimmten Teil, sei er lang oder kurz, in so viele Teile, wie ich will, in gera­ der oder ungerader Zahl. Denn wer sehr2 genau mes­ sen will, muß kleine Unterteilungen machen für den Fall, daß er mit einem bestimmten Teil 2 nicht alle Dinge erreichen kann. Deshalb setze ich nachher etwa zweierlei oder dreierlei [Bruch­]Zahlen zusammen, große oder kleine, gerade oder ungerade, wie ich da­ mit am nächsten hinkomme. Es können auch diese Zahlen, wie ich sie nachher setze, verkehrt 25 und nach eines jeden Wohlgefallen geführt und gebraucht wer­ den. Aber zum größeren Verständnis will ich den jetzt beschriebenen „Teiler“ aufreißen, denn vor der An­ wendung („zuvor“) muß dieser „Teiler“ richtig und überlegt 2 gemacht werden, denn sonst würde lange Zeit und viel Mühe darüber gehen, sollte ich jedes­ mal 27 eine jede Länge eines benannten Teils in der [gesamten] Länge zwischen Scheitel und Sohlen su­ chen.

Anfang des ersten Buchs Wie ich aber die Figuren messe, folgt hier nach. Wenn ich eine menschliche Figur machen möchte, bediene ich mich dieses Wegs: Ich nehme ein Richt­ scheit20, das länger als die [geplante] Figur ist. Darauf reiße21 ich eine gerade Linie in der Länge der Figur, so daß ein Ende die höchste Stelle des Scheitels berühre, das andere die Fußsohlen. Und je nach dem, ob die Figur lang oder kurz sein soll, reiße ich ihr jeweils eige­ ne Linien und unterteile diese auch gesondert, denn so oft ich nachmals einen dieser Teile mit seiner Zahl nenne, nehme ich ihn durchweg aus der Gesamtlänge der Figur zwischen Scheitel und Sohlen. Also unter­ teile ich mit Fleiß diese Länge, die mit der Zahl eins bezeichnet wird, in zwei bis fünfzig oder hundert Teile, soviel ich derer bedarf, und markiere („punk­ tiere“) sie auf dem Richtscheit neben der langen [in der jeweiligen Länge ausgezogenen] Linie22 und setze sie mit einem Ende der Scheitelhöhe gleich und be­ zeichne sie alle mit ihren Ziffern als 2, ,  etc. So entsprechen die kleinsten („wenigsten“) Zahlen den

1 19 20 21 22

schließlich Umrißlinien ohne modellierende Binnen­ zeichnung. „die“ bezieht sich auf die vorgelegten vier Bücher. „vertrösten“: ‚sich verlassen‘; Grimm 25, Sp. 2010. Heute: Lineal „reyß ich“, reißen: ‚Linien ziehen‘; hier stets im Sinne von zeichnen. „langen lini“: wohl ‚Längen­Linie‘.

2 „fast“: ‚sehr‘. 2 Teile sind hier stets Bruchteile. 25 Dem für Dürer sehr wichtigen „verkeren“ (= verän­ dern) ist Buch III gewidmet. 2 „gewiß“,von wissen:‚ins Bewußtsein gebracht‘,‚über­ legt‘; Grimm , Sp. 1. 27 „alweg“: ‚immer‘, ‚jedesmal‘, ‚überall‘.

2

2

fol. A3v

D Buch I

fol. A3v / fol. A4r

fol. A3v

fol. A4r

Zuerst nehme ich mir einen dicken bäurischen Mann vor, der sieben seiner Häupter lang werden soll und reiße dazu eine gerade Querlinie2, darauf stelle ich drei aufrechte gerade Linien in richtiger Weite vonei­ nander, eine jede so lang, wie das Bild werden soll. Die erste [Linie] benötige ich für die Seitenansicht des Mannes, die zweite für seine Vorderansicht 29, die drit­ te für seine Rückseite0. Wenn diese Linien oder Par­ allelen stehen, markiere ich zunächst die Länge der Körperabschnitte1 dieses Mannes zwischen Scheitel

und Sohlen und durchziehe die drei senkrechten Lini­ en in Höhe aller dieser Abschnitte („leng“) mit Quer­ linien im jeweils gleichen Winkel. Und die Längen­ abschnitte der einzelnen Glieder, wie sie mit ihren Zahlen und Ziffern beschrieben werden, setze ich seitlich außerhalb des Figurenbildes mittels gerader aufrechter Linien2, damit man sie rasch erkenne und so die Länge der jeweiligen Glieder schnell finde.

2 „zwerchlini“: ‚Querlinie‘; gleichbedeutend mit einer Horizontalen. 29 „fürsichtig“: ‚von vorn ansichtig‘, ‚vorderseitig‘. 0 „hinderwertig“: ‚rückseitig‘. 1 „glidmaß“; gemeint sind nicht Gliedmaßen im ana­ tomischen Sinn (also muskelbewegte Körperglieder).

Vielmehr versteht Dürer darunter die Gesamtheit der von ihm gemessenen visuell unterschiedenen Körper­ gliederungen. Wir verwenden fortan dafür das Wort ‚Körperabschnitte‘. 2 „mit geraden auffrechten Linien“; nach geometrischer Terminologie: Strecken.

D Buch I

Die vornehmsten der durch die Querlinien be­ zeichneten Teile sind – mehr oder minder – die fol­ genden: Die erste Höhe bildet der Scheitel, die nächste Linie darunter nenne ich den Haaransatz auf der Stirn, es folgen dann die Linien der Augenbrauen, der Nase, des Kinns sowie die Schultern oben, die Li­ nie der Halsgrube, der Brust/den Brüsten, der Ach­ selhöhle vorn, der Achselhöhle hinten, der Brustwar­ zen, die Höhe unter der Brust/den Brüsten, der Taille, des Nabels, der Hüfte oben , der Hüfte unten, so­ dann Ende des Bauchs, auf der Scham, Scham unten, Gesäß unten, Eintiefung des Oberschenkels, über dem Knie außen, über dem Knie innen, Kniemitte, unter dem Knie außen, unter dem Knie innen, äußeren Wade unten, innere Wade unten, Risthöhe des Fußes, äuße­ rer Fußknöchel unten, zuunterst die Fußsohlen. Diese Bezeichnungen will ich setzen neben die aufrechtenLinien,welchedieLängederKörperabschnit­ te anzeigen, und zwar an ihren jeweiligen Enden, da­ mit alles leicht erkennbar wird. Dieser Methode („meinung“) werde ich mich durch das ganze Büch­ lein hindurch bei allen Figuren bedienen. Nun messe ich zuerst die Länge der Körperabschnit­ te:5 Vom Scheitel bis

– zur Höhe der Halsgrube 1/10 plus 1/11. – zur Höhe des Schultergelenks 2/11. – zum Ende des Kinns 1/7. Die Höhe des hinteren Haarwirbels auf dem Haupt liegt mitten zwischen Scheitel und Haaransatz. Vom Kinn aufwärts bis zum Beginn des Haupthaars 1/10, diese Strecke teile ich in drei gleiche Abschnitte, der oberste umfaßt die Stirn, der mittlere die Augen und Nase, der untere Mund und Kinn. Von der Halsgrube – zur Höhe der Brust 1/0. abwärts bis – unter die Achselhöhlen vorn 1/1. – zu den Brustwarzen 1/10. – unter die Brust 1/. – zur Taille 2/11.

 „die fürnehmsten teyl“; es folgt die Auflistung der wichtigsten Meßebenen in der von uns vereinheit­ lichten und im weiteren verbindlichen Nomenklatur; vgl. unsere Aufstellung:Abschnitt C.  „der hüfft art“, der stets verwendete Zusatz „art“ meint „Ort“ in der Bestimmung von End­ oder Anfangs­ punkt (Rand, Saum, Winkel); Grimm 1, Sp. 15. Vgl. auch S. 15,Anm. 17. 5 Dürer benutzt hierfür die Rückansicht dieses Mannes Nr. 277.5.

25

fol. A3v / fol. A4r

– zum Nabel 1/0. – zur Hüfte oben 1/0. Von der Taille abwärts bis

– zur Hüfte unten 1/10. – auf die Scham 1/. – zur Scham unten 1/. – zum Gesäß unten 1/10 plus 1/11. Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschen­ kels 1/1. Von der Fußsohle aufwärts bis zum Fußknö­ chel unten 1/2. Von der Fußsohle aufwärts bis zur Risthöhe 1/20. Nachdem ich nun den Leib der Figur der Länge nach bis zu Hüfte unten gemessen habe, will ich im folgenden das Kniegelenk 7 an seinen Ort stellen. Es wird die Figur drei ungleiche Abschnitte ergeben, denn die Distanz von der Höhe der Halsgrube bis zur Hüfte unten ist die erste und längste, die andere vom Ende der Hüfte bis zur Mitte des Knies ist kürzer, die dritte von der Mitte des Knies bis zum Ende des Schie­ nenbeins ist die kürzeste. Denn die hinteren Glieder sollen länger und stärker sein als die vorderen, wie es bei den Menschen zu erkennen ist. Den Rumpf ver­ stehe ich hier als ein langes Teil, das, zwar von vielen Teilstücken gebildet, doch unzertrennt und mächtig genug ist, die anderen Glieder zu bewegen. Diese drei Längen sollen sich proportional („vergleichlich“) zu einander verhalten – also: wie sich die Länge des Rumpfes gegenüber dem Oberschenkel verhält, so soll sich die Länge des Oberschenkels gegenüber der Länge des Unterschenkels („schinbeins“) verhalten; ich benötige dieses jedoch nicht in allen Figuren. Das will ich folgendermaßen machen. Ich reiße ein Dreieck abc. ab sei die horizontale Sei­ te, bc die vertikale Seite, so daß an Punkt b ein rechter Winkel entsteht. Danach teile ich die vertikale Seite bc mittels zweier Punkte d und e in drei gleiche Ab­ schnitte und ziehe zu diesen Punkten d und e aus dem

 Unter „leib“ wird der Rumpf der Figur verstanden. 7 „glid“: ‚Gelenk‘.  „dass die hindern glider sollen“; Stelle sachlich un­ klar, denn in diesem Kontext geht es nur um oben und unten, nicht um vorn und hinten. In der lat. Fas­ sung heißt es statt „der hinteren Glieder“ („hindern glider“) denn auch „superiora membra“, wobei die Gegenüberstellung (untere Glieder?) fehlt, was die Sa­ che nicht verständlicher macht: Cam. I, fol. B1v. Die entsprechende Passage in der Reinschrift von 152 ist sehr viel ausführlicher und erweckt den Eindruck, Dürer habe an Vierfüßler und deren Gliederorganisa­ tion gedacht und diesen Gedanken auf den Menschen übertragen; R III, S. 172.

fol. A4r

2

D Buch I

Winkel bei Punkt a zwei gerade Linien, woraus ich die Proportion folgendermaßen ermittele. Dazu nehme ich ein Richtscheit und markiere da­ rauf mit zwei Punkten die Länge des Rumpfes zwi­ schen der Halsgrube und dem Hüftende; desgleichen darunter das Ende des äußeren Fußknöchels und be­ zeichne oben die Punkte der Halsgrube mit einem f und der Hüfte unten mit einem g sowie das Ende des Fußknöchels mit einem h. Ich nehme nun dieses Richtscheit und lege es mit Punkt g auf die Line ad des vorliegenden Dreiecks und lasse diesen Punkt nicht von der besagten Linie abweichen. Zugleich rü­ cke ich das Richtscheit auf dieser Linie hin und her, bis daß der Punkt f oben des Dreiecks Linie ac und der Punkt h unten die Horizontale ab berührt. Wenn das getan ist, durchschneidet die Linie ac das Richtscheit zwischen gh und macht, daß des Leibes Länge [von der Halsgrube bis zum Knöchel] in drei proportionale Abschnitte geteilt ist. Den so gefundenen Punkt be­ zeichne ich mit einem i. So ergibt sich, daß sich die Länge der Strecke fg zu der Länge gi verhält wie diese zu der Länge ih. Punkt f ist zu verstehen als die Höhe der Halsgrube, Punkt g als die Hüfte unten, Punkt i als die Mitte des Knies und Punkt h als der Fußknö­ chel unten. Merke, daß ich mein Richtscheit so in das Dreieck lege, daß sich dieses oben mit Punkt f gegen die vertikale Seite cb neigt. Dieses Dreieck kann dem­ nach ein „Vergleicher“ genannt werden. Man kann diese Methode auch im Gegensinne verwenden, wenn man etwas verändern („verkern“) will.9 Wer dieses Verfahren richtig gebraucht, kann damit viele andere nützliche Dinge zu Wege bringen. Nun setzte ich die­ se Höhe i in die Figur, die ich anschließend aufreiße, und plaziere das Knie an selbiger Stelle; danach setze ich meine Messung fort. Von Kniemitte aufwärts bis über das Knie 1/21. – 1/0 zum Ende des Knies. Von Kniemitte abwärts – 2/19 bis zur äußeren Wade unten. – 1/ bis zur inneren Wade unten. Ehe ich fortfahre, will ich dieses Dreieck, den „Ver­ gleicher“, auf der folgenden Seite aufreißen.

9 „etwas verkehrn“; wiederum einVerweis auf das The­ ma von Buch III.

fol. A4r

D Buch I

fol. A4v (Nr. 277.3)

fol. A4v

27

fol. A4v / fol. A5r

fol. A5r

Im folgenden mache ich die Länge des Arms vom Schultergelenk, das sich in Höhe der Halsgrube befin­ det, bis zum Ellenbogen 2/11, jedoch vom Schulter­ gelenk bis zur Achselhöhle unten 1/10 lang.0 Vom Ellenbogen bis zu den Fingerspitzen 1/. Von den Fin­ gerspitzen bis zur Handwurzel 1/10. Wer will, kann diese Distanz ein 1/9 lang machen. Die Länge der Ab­ schnitte ist oben vermerkt.

Nun will ich entlang der ersten vertikalen Linie1, der des Mannes im Profil, dessen Körpertiefe („dicken“) auf jeweils allen Horizontallinien anzeigen, die die Länge seiner Körperabschnitte bezeichnen. Als erstes mache ich zu oberst auf der dem Scheitel nächsten Linie durch den hinteren Haarwirbel das Haupt 1/9 tief. Beim Haaransatz 1/1 plus ein 1/15. Bei den Augenbrauen 1/7. Bei der Nase 1/. Bei Kinn und Hals ebenfalls 1/.

0 Für die Messung des Arms benutzt Dürer das Profil­ bild dieses Mannes Nr. 277..

1 Hiermit ist die erste der angekündigten drei „aufrech­ ten geraden Linien“ gemeint.

fol. A5r

2

D Buch I

Und den Hals unter dem Haupt und Kinn mache ich 1/12 tief.2 Bei der Halsgrube 1/9. Bei der Brust 2/1. Bei den Achselhöhlen vorn 1/. Bei den Brustwarzen 1/. Unter der Brust 1/12 plus 1/1. Bei der Taille 1/12 plus 1/1. Bei der Hüfte oben 1/. Bei der Hüfte unten über Bauch und Gesäß 1/11 plus 1/12. Auf der Scham des Mannes oben ebenfalls 1/11 plus 1/12. Und das Bein mache ich beim Gesäß unten 1/7 tief. Darunter bei der Eintiefung des Oberschenkels 1/1 plus 1/15. Über dem Knie 1/10. In Kniemitte 1/12. Unter dem Knie ebenfalls 1/12. In der Mitte der Wade, wo sie am dicksten ist, 1/20 plus 1/21. Bei der inneren Wade unten 1/1. Über dem Rist des Fußes unten, wo das Bein am dünnsten ist, 1/1. Und den Fuß mache ich 1/ lang. Danach mache ich die Tiefen des Arms in Seitenan­ sicht und zwar bei der Schulter 2/21. Unter den Achselhöhlen 1/1. Im Ellenbogen 1/1. Unter dem Ellenbogen, wo der Arm am stärksten ist, 1/1.5 Und bei der Hand 1/1. Und die geöffnete („hol“) Hand mache ich 1/0 tief. Beim Aufreißen will ich die Arme gesondert neben die Figuren setzen, um Unübersichtlichkeit zu ver­ meiden. Anschließend will ich bei der zweiten vertikalen Linie an der Figur des von vorn ansichtigen Mannes zu den

2 Diese und die vorige Ebene sind identisch (Kinn): 1/12 mißt der den Hals betreffende Teil der Spanne von 1/ (Kinnspitze bis Nacken).  Diese Ebene erscheint stets nur verbal, sie ist in der Höhenskala nie eingezeichnet.  „in der achssel“; es handelt sich ungefähr um die Hö­ henlinie der Brust durch die Schulter, im folgenden ‚Schulter‘ genannt. 5 „hinder dem elbogen“ bedeutet stets oberhalb des Ellen­ bogens.

fol. A5r

Längen der Körperabschnitte auf allen Horizontalen die entsprechenden Körperbreiten setzen. Den Mann mache ich im Haupt auf der Linie des hinteren Haarwirbels 1/10 breit. Beim Haaransatz 1/. Bei den Augenbrauen 1/9. Breite über die Ohren 1/. In Höhe der Nase 1/10. Und der Hals ist unter dem Kinn 1/12 breit. Zwischen den Schultergelenken in Höhe der Halsgrube 1/5. Bei der Brust /10. Zwischen den Achselhöhlen vorn 1/5. Zwischen den Brustwarzen 2/15. Bei der Taille 1/5. Bei der Hüfte oben 1/9 plus 2/19. Bei der Hüfte unten 1/. Auf derselben Linie stehen die Hüftgelenke 1/ weit voneinander. Auf der Scham oben auch 1/. Das Bein unter dem Gesäß 2/17. Bei der Eintiefung des Oberschenkels 1/10. Auf diese Eintiefung ist bei der Frontalansicht auf der Innenseite der Beine zu achten. Danach mache ich das Bein über dem Knie 1/12 breit. In Kniemitte 1/1. Unter dem Knie 2/2. Wademitte 1/22 plus 1/2. Bei der inneren Wade unten 1/1.

fol. A5v

D Buch I

fol. A5v / fol. A6r

fol. A5v

fol. A6r (Nr. 277.4)

Unten im Schienbein 1/27. Durch den Fußknöchel 1/22. Und den Fuß vorn 1/15. Danach mache ich die Breiten des Arms in Vorderan­ sicht. Unter den Achselhöhlen 1/1. Über dem Ellenbogen 1/21. Unter dem Ellenbogen 1/1. Am Handgelenk 1/25. Und die geöffnete Hand 1/15.

 „vor dem elpogen“ bedeutet stets ‚unterhalb des Ellen­ bogens‘. Dürer liest beim Arm von unten nach oben; vgl. auch folgende Anm.

Abschließend mache ich bei der dritten Linie7 den Mann in Rückansicht zwischen den Achselhöhlen 1/ breit und gebe der Spalte zwischen den Gesäßbacken die Län­ ge 1/. Und ich mache ihm die Ferse hinten 1/2 breit. Nachdem ich nun alle Längen, Tiefen und Breiten ordentlich bei den drei aufrechten Linien beschrieben und bezeichnet habe, ziehe ich die Gestalt nach mei­ nem Gutdünken mit Linien darein oder, wenn ich es haben kann, stelle ich einen entsprechend dimensio­ nierten („gleichmessigen“) Menschen vor mich und ziehe die Linien nach seinem Vorbild; das wird auf jeden Fall besser, als wenn es nach eigener Vorstellung gemacht wird.

7 Diese dritte vorn angekündigte vertikale Linie fehlt bei dem betreffenden Holzschnitt Nr. 277.5.

29

0

D Buch I

Auch fällt besonders auf, wenn man die Konturli­ nien der männlichen Gestalt einzeichnet, wie die Na­ tur den Mann so meisterlich gemacht hat, als wäre dieser aus zwei Stücken [gebaut], aus dem Rumpf und den Schenkeln, auf die jener gesetzt ist. Beiderseits der oberen Hüftlinie verläuft ein Wulst sowohl um den Bauch wie auch rückseitig über dem Gesäß, den ich in meinem Aufriß nachfolgend mit einer besonderen Linie anzeigen will, wie hier zu sehen in der seitlichen, der vorder­ und der rückseitigen Ansicht. Diesen Mann bezeichne ich mit einem A.

 „wunen“: ‚Wulst‘ oder ‚Einbuchtung‘; gemeint ist der in der griechischen Kunst besonders betonte Hüft­ wulst.

fol. A6r

D Buch I

fol. A6v (Nr. 277.5)

fol. A6v

Scheitel Hinterer Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schultern oben Höhe der Halsgrube Brust Achselhöhle vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Scham oben

1

fol. A6v / fol. B1r

fol. B1r

Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohlen Anschließend will ich ein starkes, dickes, bäurisches Weib beschreiben, das sieben ihrer Häupter lang und dem vorigen Mann gemäß ist. Ich mache das nach derselben Methode wie beim Manne. Aber anstatt der drei aufrechten Linien setze ich Punkte, um die Länge

fol. B1r

2

D Buch I

der Abschnitte zu markieren. Auch schneide ich diese Punkte jetzt nicht mehr mit Horizontallinien weder in der Tiefe noch Breite der seitlichen, vorder­ und rückseitigen Figurenansichten, sondern ich setze die Zahlen und Ziffern anstatt der Querlinien zu den Punk­ ten. Sie zeigen an, wie tief oder breit die Figur in der Seiten­ oder Vorderansicht an der jeweiligen Stelle sein soll. Das werde ich im folgenden bei allen Figuren so halten, um in der Zeichnung ein Durcheinander zu vermeiden. Zuerst messe ich die Abschnitte nach der Länge. Vom Scheitel bis zur Höhe der Schultergelenke 1/10 plus 2/2. Abermals9 vom Scheitel bis zur Halsgrube 2/11. Vom Scheitel bis zum Ende des Kinns 1/7. Vom Kinn aufwärts bis zur Höhe des hinteren Haar­ wirbels 1/. Abermals vom Kinn aufwärts bis zum Haaransatz 1/10. Dieses Zehntel teile ich in drei gleiche Abschnitte, in den obersten setze ich die Stirn, in den mittleren Nase, Augen und Ohren, in den dritten Mund und Kinn. Und unter dem Kinn lasse ich das Fleisch ein wenig herabhängen.50 – zur Taille 1/5. – unter die Brüste 1/7. Von der Höhe der Halsgrube bis – auf die Brustwarzen 1/9. – unter die Achselhöhle vorn 1/15. – zur Höhe der Brust 1/2. Die Achseln sind hinten stets tiefer als vorn. – zum Nabel 1/22. – zur Hüfte unten 1/9. Von der Taille bis – zum Ende des Bauchs 1/. – zur Scham unten 2/11. – zum Gesäß unten 1/5. Von der Fußsohle aufwärts zur Risthöhe 1/20. Abermals von der Fußsohle bis zum äußeren Fußknö­ chel 1/2. Vom äußeren Fußknöchel aufwärts bis zur Kniemitte 2/9. Oder aber ich plaziere das Knie mittels „Vergleicher“, wie oben gezeigt; dann wird das Knie niedriger kom­ men. Mache es, wie du willst. Von der Kniemitte auf­ wärts 1/0, da lasse ich das Knie enden, desgleichen 1/0 abwärts, wo ich das Knie unten enden lasse. Von der Kniemitte abwärts 1/, da endige ich die Wade, und den Fuß mache ich 1/ lang. Danach gebe ich dem Arm zwischen dem Schultergelenk und dem El­ 9 „aber“: hier im Sinne von ‚abermals‘. 50 „das fleisch bas herab“; anderenorts spricht Dürer von „tröllen“: ‚Unterkinn‘, ‚Wamme‘.

fol. B1r

lenbogen 2/11 Länge. Vom Ellenbogen bis zu den Fin­ gerspitzen 1/. Nachdem ich die Länge der Körperabschnitte an­ gezeigt habe, messe ich im folgenden an der Profilan­ sicht die Tiefenmaße an den durch die Längenab­ schnitte vorgegebenen Punkten. Das Haupt in Seitenansicht mache ich durch den Punkt des hinteren Haarwirbels 1/9 tief. Achte nur immer auf die Punkte, so wirst du nicht irren. Beim Punkt in Höhe des Haaransatzes 1/1 plus 1/15. Bei den Augenbrauen ebenfalls 1/1 plus 1/15. Durch das Haupt in Höhe der Nase 1/. Durch Kinn und Hals ebenfalls 1/. Der Hals 1/12. Bei der Halsgrube 1/10. In Höhe der Brust 1/7.

fol. B1v

D Buch I

fol. B1v / fol. B2r

fol. B1v

fol. B2r (Nr. 277.6)

Bei den Achselhöhlen vorn 2/1. Über die Brustwarzen 1/12 plus 1/1. Unter den Brüsten 1/7. In der Taille 1/7. Beim Nabel 1/10 plus 1/11. Bei der Hüfte unten 1/ plus 1/10. Das Bein unter dem Gesäß 1/7. Über dem Knie 2/19. Kniemitte 1/12. Wadenmitte 1/20 plus 1/22. Wade unten 1/12. Das Bein über Risthöhe („unten ob dem fuß“) 1/1. Anschließend lege ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht fest. Bei der Schulter 1/11. Unter der Achselhöhle 1/12. Im Ellenbogen 1/20.

Unterhalb des Ellenbogens 1/7.51 Bei der Hand 1/. Die geöffnete Hand 1/27. Danach lege ich die Breitenmaße des Weibes in der Frontalansicht fest bei jeweils allen Punkten, die an­ statt der vertikalen Linien eingetragen sind. Das frontal ansichtige Haupt mache ich in Höhe des hinteren Haarwirbels 1/1 plus 1/19 breit. Beim Haaransatz 1/15 plus 1/1. Bei den Augenbrauen 1/9. Über die Ohren 1/. Bei der Nase 1/10. Der Hals unter dem Kinn 1/12. Schulterbreite in Höhe der Halsgrube 1/5. 51 Satzfehler;statt „ein.7.teil“ muß es heißen:‚ein.17.teil‘, also 1/17.





D Buch I

Die Schultergelenke darunter haben den Abstand von 2/11. Die Brust in Schulterhöhe /15. Zwischen den Achselhöhlen vorn 1/. Zwischen den Brustwarzen 1/. Unter den Brüsten 1/10 plus 1/11. Bei der Taille 1/5. Beim Nabel 1/. Bei der Hüfte unten 1/7 plus 1/. Auf derselben Linie stehen die Hüftgelenke 2/11 weit voneinander. Das Bein bei der Scham unten 1/15 plus 1/1. Über dem Knie 2/21. Kniemitte 2/25. Unter dem Knie ebenfalls 2/25. Wadenmitte 1/22 plus 1/2. Wade unten 1/1. Das Bein über dem Fußrist 1/2. Beim Fußknöchel 1/25. Den Fuß vorn mache ich 1/1 breit. Die Ferse hinten 1/2. Hinten mache ich das Weib zwischen den Achselhöh­ len 1/5 breit. Die aufrechte Länge der Gesäßspalte ist ein 1/. Den Arm in Vorderansicht mache ich unter der Achsel­ höhle 1/1 breit. Beim Ellenbogen 1/19. Unter dem Ellenbogen an der breitesten Stelle 1/15. Beim Ansatz der Hand 1/27. Und die geöffnete Hand 1/1. Danach ziehe ich durch diese Markierungen („ge­ merck“) die Gestaltlinien des Weibes in der Seiten­, Frontal­ und Rückansicht. Und man achte darauf, wo man die Gestaltlinien entlang den Markierungen einwärts oder auswärts („enger oder weiter“) zieht, wie ich es denn nachfol­ gend aufgerissen habe. Dieses Weibes Bezeichnung sei AI.

fol. B1v

D Buch I

fol. B2v (Nr. 277.7)

fol. B2v

Scheitel Hinterer Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Höhe der Halsgrube Brust Achselhöhle vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Scham unten Gesäß unten

5

fol. B2v / fol. B3r

fol. B3r

Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohlen Weiterhin will ich einen Mann beschreiben, der acht seiner Häupter lang sein soll. Dafür gebrauche ich die vorige Ordnung und messe zunächst die Länge der Körperabschnitte. Von der Höhe des Scheitels zur Halsgrube 1/. Abermals vom Scheitel zum Ende des Kinns 1/. Vom Ende des Kinns aufwärts zum Haaransatz 1/10.

fol. B3r



D Buch I

In dieser Spanne teile ich das Angesicht der Länge nach wie zuvor.52 Weiter messe ich vom Scheitel zur Taille 1/. Von der Höhe der Halsgrube zu den Achselhöhlen 1/1. Auf dem Rücken jedoch enden die Achselhöhlen tiefer. Von der Höhe der Halsgrube zu den Brustwarzen 1/10. Vom Scheitel zum Schritt („spaltung des manns“) 1/2. – zum Nabel 1/29. – zur Hüfte oben 1/1. Von der Taille bis – zur Hüfte unten 1/20 plus 1/1. – auf die Scham oben 2/1. – zum Gesäß unten 1/10 plus 1/11. Vom Gesäß unten zu den Hoden („nieren“) unten 1/0. Vom Gesäß unten zur Eintiefung des Oberschenkels 1/15. Von den Fußsohlen aufwärts zum äußeren Fußknö­ chel 1/27. Abermals vom Fußknöchel unten5 aufwärts zur Höhe des Fußristes 1/21. Von besagtem Fußknöchel aufwärts zur Kniemitte 1/. Alternativ plaziere ich das Knie an seine Stelle mittels „Vergleicher“, wie beim ersten Bild gezeigt. Von der Kniemitte aufwärts 1/0, da endet das Knie oben. – 1/0, da endet das Knie unten. Von der Kniemitte abwärts – 1/9, da endet die äußere Wade. – 1/15 plus 1/1, da endet die innere Wade.

fol. B3r

Weiter abwärts 1/1.55 Bei der Halsgrube 1/12. In Höhe der Brust 1/7. Bei den Brustwarzen 1/7. Unter der Brust 1/1 plus 1/ 15. In der Taille 1/1 plus 1/17. Beim Nabel 1/17 plus 1/1. Bei der Hüfte oben 1/. Bei der Hüfte unten 1/7. In Höhe der Scham über Bein und Gesäß 2/15. Und das Bein mache ich unter dem Gesäß 1/9 tief. Eintiefung mitten im Oberschenkel 1/19 plus 1/20. Über dem Knie 1/1. Kniemitte 1/15. Unter dem Knie 1/1. Wadenmitte 1/1. Wade unten 1/17. Über dem Fußrist 1/2. Und den Fuß mache ich 1/ lang. Danach gebe ich dem Arm in Seitenansicht folgende Tiefenmaße: Bei der Schulter 1/1. Bei der Achselhöhle hinten 1/17. Im Ellenbogen 1/2. Unter dem Ellenbogen 1/22.

Danach messe ich die Länge des Arms. Von der Höhe der Halsgrube, unter denen sich die Schultergelenke befinden,5 zum Ellenbogen 1/5. Vom Ellenbogen bis zu den Fingerspitzen 1/. Von den Fingerspitzen zum Handgelenk 1/10. Anschließend messe ich die Körpertiefen des Mannes in der Seitenansicht. Im ersten Punkt, dem hinteren Haarwirbel, 1/10 tief. Bei den Augenbrauen 1/. Quer über Haupt und Nase 1/9. Über Kinn und Hals 1/10. Der Hals unter dem Kinn 1/1. 52 Mittels Drittelung, wie beim Typ AI beschrieben. 5 Im Druck „end des knorren“: Satzfehler, es muß hei­ ßen ‚von den Fußsohlen‘, deshalb auch das Wörtchen „abermals“, das sich auf die Meßebene zuvor bezieht. 5 Die stets als Kreislein eingezeichneten Schultergelen­ ke befinden sich auf einer Ebene mit der Halsgrube.

55 „bas“: ‚mehr‘, ‚weiter‘; gemeint ist die Ebene „höch der schultern“ (Schulter oben).

fol. B3v

D Buch I

fol. B3v / fol. B4r

fol. B3v

fol. B4r (Nr. 277.8)

Im Handgelenk 1/0. Und die geöffnete Hand 1/. Danach messe ich an allen Punkten die Breiten­ maße des Mannes in der Frontalansicht. Im Haupt in Höhe des Haaransatzes 1/9. In Höhe der Augenbrauen 1/10. Über die Ohren 2/17. Bei der Nase 1/12. Der Hals unter dem Kinn 1/1. Bei der Halsgrube mache ich die Schultern 1/ breit. Darunter stehen die Schultergelenke 1/11 plus 1/12 weit auseinander. Und die Brust mache ich über die Schultern 1/ breit. Zwischen den Achselhöhlen vorn 1/. Zwischen den Brustwarzen 1/9. In der Taille 2/1. Bei der Hüfte oben 1/.

Bei der Hüfte unten 1/10 plus 1/15. In dieser Höhe stehen die Hüftgelenke („die bein“) 1/1 plus 1/15 weit auseinander. Und das Bein mach ich oben unter dem Gesäß 1/10 plus 1/11 breit. Bei der Eintiefung des Oberschenkels 1/1. Über dem Knie 1/1. Kniemitte 1/1. Unter dem Knie 1/20. Wadenmitte 1/15. Bei der Wade unten 1/20. Das Bein über dem Rist mache ich 1/ breit. Und durch den Fußknöchel 1/27. Aber den Fuß vorn 1/1. Danach mache ich den Arm unter der Achselhöh­ le mitten im Muskel („maus“) 1/2 breit. Oberhalb des Ellenbogens 1/2.

7



D Buch I

Unterhalb des Ellenbogens 1/19. Beim Handgelenk 1/0. Und die geöffnete Hand 1/1. Den Mann in Rückansicht mache ich zwischen den Achselhöhlen hinten („schultern“) 1/5 breit. Und dem Spalt des Gesäßes gebe ich 1/10. Und ich mache ihm die Fersen 1/2 breit. Danach ziehe ich die Gestaltlinien durch alle mar­ kierten Punkte, um diesen Mann von der Seite, von vorn und hinten zu sehen, wie es hier aufgerissen ist.

fol. B3v

D Buch I

fol. B4v (Nr. 277.9)

fol. B4v

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Halsgrube Achselhöhle vorn Brustwarzen Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Scham oben Schritt Gesäß unten Hoden unten Eintiefung des Oberschenkels

9

fol. B4v / fol. B5r

fol. B5r

Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade Innere Wade Risthöhe Fußknöchel Fußsohlen Anschließend will ich ein dem zuletzt beschriebenen Mann entsprechendes („gleichmessig“) Weib beschrei­ ben, das auch acht ihrer Häupter lang werden soll. Da­ für gebrauche ich die vorige Ordnung. Ich messe zuerst die Länge der Körperabschnitte. Von der Höhe des Scheitels zur Halsgrube 1/. Wieder von der Höhe des Scheitels zum Ende des Kinns 1/.

fol. B5r

0

D Buch I

Vom Ende des Kinns aufwärts bis zum Haaransatz 1/10. Dieses Zehntel teile ich, wie zuvor, in drei gleiche Ab­ schnitte, die jeweils Stirn, Nase und Kinn aufnehmen. Von der Halsgrube zur Taille setze ich 1/5. – Bis unter die Achselhöhle 1/1. – Bis zu den Brustwarzen 1/11. – Bis unter die Brüste 1/9. Von der Taille bis zum Gesäß unten 1/11 plus 1/12. – Bis zur Scham unten 1/1 plus 1/1. – Bis zur Hüfte unten 1/10. – Bis zum Nabel 1/0. Von den Fußsohlen aufwärts bis zum Fußknöchel un­ ten 1/0. – Bis zur Höhe des Fußristes 1/21. – Bis zur Kniemitte 1/ plus 1/9.5 Alternativ plaziere ich das Knie durch den „Verglei­ cher“. Von der Kniemitte aufwärts 1/2, da endige ich das Knie. Von der Kniemitte abwärts bis zur Wade unten setze ich 1/. Danach messe ich die Länge des Arms. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 1/5. Vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen 1/. Von den Fingerspitzen zum Handgelenk 1/10. Danach messe ich die Körpertiefen des Weibs in der Seitenansicht. Im Haupt in Höhe des Haaransatzes 1/9. Über die Augenbrauen 1/1 plus 1/17. In Höhe der Nase 2/19. Über Hals und Kinn 1/11. Und den Hals mache ich unter dem Kinn 1/17 tief. Bei der Halsgrube 1/1. Auf der Brust 1/9. In Höhe der Brustwarzen 1/. Unter den Brüsten 1/9. In der Taille 1/9. Beim Nabel 1/. Bei der Hüfte unten 1/. Das Bein unter dem Gesäß 2/17. Über dem Knie 1/1. Kniemitte 1/1. Wadenmitte 1/1. Wade unten 1/1. Das Bein über dem Rist 1/2. Durch den Fußknöchel 1/17. 5 Die hier in der Illustration Nr. 277.11 eingezeichnete Längen­Linie ist für das angegebenen Maß 1/ plus 1/9 eindeutig zu lang, sie müßte entweder bereits am Fußknöchel unten enden oder einen größeren Wert besitzen, etwa: 1/ plus 1/7.

fol. B5r

Diesen Fuß mache ich 1/7 lang. Danach messe ich die Tiefe des Arms. Bei der Schulter 1/1. Unter der Achselhöhle 1/1. Über dem Ellenbogen 1/2. Unter dem Ellenbogen 1/2. Beim Handgelenk 1/0. Und die geöffnete Hand 1/. Danach messe ich die Breitenmaße des Weibs in Vorderansicht. Das von vorn ansichtige Weib ist in der Höhe des Haar­ ansatzes 2/19 breit. Bei den Augenbrauen 1/10. Bei der Nase 1/12. Der Hals unter dem Kinn 1/17. Die Schultern bei der Halsgrube 1/7. Darunter stehen die Schultergelenke 1/7 weit vonein­ ander. Die Breite über Brust und Schultern 1/9 plus 1/10. Zwischen den Achselhöhlen vorn 1/7. Zwischen den Brustwarzen 1/10. In der Taille 1/7. Beim Nabel 2/11. Hüfte unten 1/9 plus 1/10. In dieser Höhe stelle ich die Hüftgelenke 1/7 weit aus­ einander, und das Bein mache ich unter der Scham 1/10 breit. Über dem Knie 1/15. Kniemitte 1/1. Wadenmitte 1/1. Wade unten 1/19. Das Bein über dem Rist 1/. Durch den Fußknöchel 1/29. Der Fußknöchel unten 1/1. Und den Fuß mache ich vorn breit 1/20. Danach mache ich den Arm in Vorderansicht im Muskel 1/2 breit. Über dem Ellenbogen 1/2. Unter dem Ellenbogen 1/22.

D Buch I

fol. B5v (Nr. 277.10)

fol. B5v

Beim Handgelenk 1/. Und die geöffnete Hand 1/20. Danach mache ich das Weib auf der Rückseite zwi­ schen den Achselhöhlen 2/1 breit und die senkrechte Gesäßspalte 1/9 hoch. Und die Fersen 1/0 breit. Danach ziehe ich die Gestaltlinien des Weibes von der Seite, von vorn und von hinten, wie ich es im fol­ genden aufgerissen habe.

fol. B6r

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Halsgrube

fol. B5v / fol. B6r

fol. B6r (Nr. 277.11)

Achselhöhlen Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Scham unten Gesäß unten Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohlen

1

2

fol. B6v

D Buch I

fol. B6v /fol. C1r

fol. B6v

fol. C1r

Ich kann diese zwei letzten Figuren auch ändern, wie sogleich folgt, und lasse dabei etliche Teile bestehen, wie sie vorher waren, die ich bei meiner Beschreibung gleichfalls berücksichtige; ich beschreibe also das Bild komplett. Zunächst der Mann in seinen Längenma­ ßen. Von den Fußsohlen aufwärts bis zum Schritt des Mannes sei 1/2. – zur Halsgrube 2/11. Vom Scheitel bis – zur Schulter oben 1/7. – zum Ende des Kinns 1/. Vom Ende des Kinns aufwärts zum Haaransatz 1/10. Diese Spanne drittele ich gleichmäßig, wie früher dar­ gestellt.

– zur Taille 2/11. Von der Halsgrube bis – unter die Brust 1/9. – zu den Brustwarzen 1/11. – unter die Achselhöhlen vorn 1/1.

Von der Taille bis

– zum Gesäß unten 1/12 plus 1/1. – auf die Scham 1/17 plus 1/1. – zur Hüfte unten 1/10. – zur Hüfte oben 1/2. – zum Nabel 1/5.

D Buch I

Vom Gesäß unten 1/0 abwärts, wo das Bein hinten eine eigene Vertiefung hat.57 Vom Ende des Gesäßes abwärts 1/1, wo ich die Eintie­ fung5 auf der Innenseite des Oberschenkels ansetze. Von der Fußsohle aufwärts messe ich zur Risthöhe 1/22. Abermals von der Fußsohle aufwärts 1/2, wo ich den Fußknöchel enden lasse. Vom Ende des Fußknöchels zur Kniemitte 1/. Von der Kniemitte aufwärts 1/20 bis über das Knie außen. Abermals von der Kniemitte aufwärts 1/0 bis über das Knie innen. Von der Kniemitte abwärts 1/0 bis unter das Knie außen. Abermals von der Kniemitte abwärts 1/0 bis unter das Knie innen.59 Von der Kniemitte zur äußeren Wade unten setze ich 1/10, abermals zur inneren Wade unten 1/9. Und den Fuß mache ich 1/ lang. Danach mache ich die Länge des Arms. Von der Höhe der Halsgrube, darunter sich die Schul­ tergelenke befinden, zum Ellenbogen 1/10 plus 1/11. Vom Ellenbogen zum Handgelenk 1/7. Von dort zu den Fingerspitzen 1/10. Anschließend ändere ich die Tiefenmaße des Mannes im Profil. In Höhe des Haaransatzes 1/10. In Höhe der Augenbrauen 1/17 plus 1/1. Über Nase und Haupt 2/19. Über Kinn und Hals 1/10. Abermals der Hals unter dem Kinn 1/17. Bei den Schultern oben 1/15. Bei der Halsgrube 1/12. Auf der Brust 1/. Bei den Achselhöhlen 2/15. Bei den Brustwarzen auch 2/15. Unter der Brust 1/15 plus 1/1. In der Taille 2/19. Durch den Nabel 1/9. Bei der Hüfte oben 1/1 plus 1/17. 57 „ein besunder Eintieffen“; diese Höhenmarke, ein fla­ cher Wulst wenig unter dem Gesäß, ist neu eingeführt, im folgenden selten genannt, aber bei den meisten männlichen Profilrissen berücksichtigt. 5 „wünen“: ‚Furche‘, ‚Eintiefung‘. Dieser Ort wird sonst meist „einpeis(s)ung des beins“ genannt. 59 Diese diffizilen Kniemaße finden sich ausschließlich hier.



fol. B6v / fol. C1r

Bei der Hüfte unten 2/15. Aber die Tiefe des Beins unter dem Gesäß 1/19 plus 1/20. Abwärts bei der Eintiefung des inneren Oberschen­ kels 1/10. Über dem Knie außen 2/27. Über dem Knie innen 1/1. Kniemitte 1/1. Unter dem Knie außen 1/17. Unter dem Knie innen 1/1. Mitten in der Wade 1/1. Äußere Wade unten 1/15. Innere Wade unten 1/1. Und das Bein über dem Rist 1/2. Durch den Rist 1/20. Danach ändere ich die Tiefenmaße des Arms. Bei der Schulter 1/1. Unter der Achselhöhle 1/19. Im Ellenbogen 1/2. Unter dem Ellenbogen 1/25. Im Handgelenk 1/. Und die geöffnete Hand 1/. Danach ändere ich die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht. Stirn in Höhe des Haaransatzes 2/19. Über die Ohren 1/9. Bei der Nase 1/12. Der Hals unter dem Kinn 1/17. Bei den Schultern oben 1/1. In Höhe der Halsgrube 1/. Darunter stelle ich die Schultergelenke 1/ weit von­ einander und mache die Breite über Brust und Schultern 1/ plus 2/17. Zwischen den Achselhöhlen vorn 1/12 plus 1/1. Zwischen den Brustwarzen 1/9. In der Taille 2/1. Bei der Hüfte oben 1/11 plus 1/12. Bei der Hüfte unten /20 plus 1/21. Und in dieser Höhe stehen die Hüftgelenke 1/7 weit voneinander. Und das Bein unter dem Gesäß 1/11. Bei der unteren Vertiefung des Oberschenkels 1/1. Über dem Knie außen 1/1. Über dem Knie innen 1/17. Kniemitte 1/19. Unter dem Knie außen 1/20. Unter dem Knie innen 1/20. Wadenmitte 1/1. Äußere Wade unten 1/1.

fol. C1r



D Buch I

Innere Wade unten 1/20. Aber das Schienbein über dem Rist 1/7. Durch den Rist und Fußknöchel 1/29. Fußknöchel unten 1/0. Und der Fuß vorn 1/17. Den Arm in Vorderansicht mache ich im Bizeps („mauß“) 1/25 breit. Über dem Ellenbogen 1/27. Unterhalb des Ellenbogens an der breitesten Stelle des Arms 1/21. Beim Handgelenk 1/. Und die geöffnete Hand 1/1. Danach ändere ich den rückseitigen Mann, mache ihn zwischen den Achselhöhlen hinten 2/11 breit. Und ich spalte ihm das Gesäß in einer Höhe von 1/11. Und mache die Fersen 1/ breit. Danach ziehe ich die Gestaltlinien anhand dieser Markierungen, wie oben beschrieben. Nachfolgend habe ich diesen Mann seitlich, frontal und von hinten aufgerissen.

fol. C1r

D Buch I

fol. C1v (Nr. 277.12)

fol. C2r

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schultern oben Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Scham oben Gesäß unten Wulst unter dem Gesäß

fol. C1v / fol. C2r

fol. C2r (Nr. 277.13)

Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie außen Über dem Knie innen Kniemitte Unter dem Knie außen Unter dem Knie innen Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel Fußsohlen

5



fol. C2v

D Buch I

fol. C2v / fol. C3r

fol. C2v

fol. C3r

Anschließend will ich das Weib ändern und messe – zur Höhe der Halsgrube 2/11. Vom Scheitel bis – zur Schulter oben 1/7. – zum Ende des Kinns 1/. Vom Ende des Kinns zum hinteren Haarwirbel 1/9. Vom Ende des Kinns zum Haaransatz 1/10. Dieses Zehntel teile ich wie zuvor mehrfach gezeigt und setze das Gesicht dahinein. – unter die Achselhöhlen 1/17. Ich messe von der – zu den Brustwarzen 1/11. Höhe der Halsgrube bis – unter die Brüste 1/9. – zur Taille 2/11.

Aus der Taille bis

– zum Nabel 1/0. – zur Hüfte oben 1/10. – zum Ende des Bauchs 2/17.

– zum Schritt 1/17. – zur Scham unten 2/1. – zum Gesäß unten 1/11 plus 1/12. Weiterhin messe ich von der Fußsohle aufwärts bis zur Risthöhe 1/2. Abermals von der Fußsohle aufwärts bis zum Fuß­ knöchel 1/5.0 Von dort bis Kniemitte 1/.1 0 Mit „knorren des schinbeins“ oder „end des schin­ beins“ ist lediglich der Fußknöchel, nicht aber die Höhe des Schienbeins unten gemeint. 1 Die Meßleiste der graphischenWiedergabe (Nr.277.15) mißt die betreffende Längendistanz (1/) nicht an der genannten Stelle, sondern etwas höher in Risthöhe („Höch des ritz auff dem fuß“).

D Buch I

Oder ich setze das Knie mittels „Vergleicher“ an seine Stelle. – über das Knie 1/25. Ich messe von – unter das Knie 1/. der Kniemitte bis – zur äußeren Wade unten 1/11. – zur inneren Wade unten 1/9. Den Fuß mache ich 1/12 plus 1/1 lang. Danach mache ich die Länge des Arms – aus dem Schultergelenk zum Ellenbogen 2/11. – vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen 1/. – von den Fingerspitzen zum Handgelenk 1/11. Danach ändere ich die Tiefenmaße des Weibes in der Seitenansicht und mache die Tiefe durch die Stirn in Höhe des Haaransatzes 1/1 plus 1/19. In Höhe der Augenbrauen 1/9. Über das Haupt und die Nase 1/10. Über Kinn und Hals 1/11. Der Hals unter dem Kinn 1/1. Bei den Schultern oben 1/1. In Höhe der Halsgrube 1/1. Durch die Brust 1/1 plus 1/19. Bei den Brustwarzen 1/1 plus 1/17. Unter den Brüsten 1/1 plus 1/19. In der Taille 1/9. Beim Nabel 1/. Bei der Hüfte unten 1/. Am Ende des Bauchs 2/1. Das Bein unter dem Gesäß 1/9. Über dem Knie 1/1. Kniemitte 1/1. Unter dem Knie 1/17. In der Wadenmitte 1/15. Bei der inneren Wade unten 1/17. Das Bein über dem Rist 1/2. In Risthöhe durch den Fußknöchel 1/2. Die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht ändere ich folgendermaßen, ich mache ihn bei der Schulter 1/1 tief. Unter der Achselhöhle 1/1. Im Ellenbogen 1/2. Unter dem Ellenbogen 1/2. Beim Handgelenk 1/0. Und die geöffnete Hand 1/. Danach ändere ich die Breitenmaße des Weibs in Vorderansicht. fol. C3r

Das Haupt in Höhe des Haaransatzes 1/19 plus 1/20. Über die Ohren 1/9. Bei der Nase 1/12. Der Hals unter dem Kinn 1/1. Bei den Schultern oben 1/1. Und die Schultergelenke mache ich in Höhe der Hals­

fol. C2v / fol. C3r

grube 1/7 weit voneinander. Über Brust und Schultern 2/9. Zwischen den Achselhöhlen 2/15. Zwischen den Brustwarzen 1/10. In der Taille 1/7. Beim Nabel 2/11. Bei der Hüfte unten 1/5. In dieser Höhe stehen die Hüftgelenke 1/7 weit von­ einander. Aber die Breitenmaße des Beins unter dem Gesäß 1/20 plus 1/21. Über dem Knie 1/15. Kniemitte 1/17. Unter dem Knie auch 1/17. Äußere Wade unten 1/1. Innere Wade unten 1/1. Das Bein über dem Rist 1/5.2 Durch den Rist und Fußknöchel 1/0. Und der Fuß vorn 1/1. Danach ändere ich die Breitenmaße des Arms. Unter den Achselhöhlen 1/22. Oberhalb des Ellenbogens 1/29. Unterhalb des Ellenbogens 1/22. Beim Handgelenk 1/. Und die geöffnete Hand 1/20. Danach mache ich das Weib auf dem Rücken zwi­ schen den Achselhöhlen 1/ breit. Und die Gesäßspalte 1/9 hoch. Und die Fersen hinten 1/ breit. Danach ziehe ich die Gestaltlinien in diese Mar­ kierungen („verzeichung“), wie im folgenden aufgeris­ sen.

2 In der dazugehörigen Illustration Nr. 277.1 liest man 1/.

7



D Buch I

fol. C3v (Nr. 277.14)

fol. C4r

Scheitel Hinterer Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schultern oben Halsgrube Achselhöhlen Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Schritt Scham unten

fol. C3v / fol. C4r

fol. C4r (Nr. 277.15)

Gesäß unten Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel Fußsohlen

 „End des schinbeins“ ist am Skelett orientiert, ge­ meint ist die Ebene des Fußknöchels.

fol. C4v

D Buch I

fol. C4v / fol. C5r

fol. C4v

fol. C5r

Nachfolgend will ich einen Mann beschreiben von neun Hauptlängen nach derselben Ordnung wie bei den vorigen Figuren, auch in seiner Längenaufteilung den vorigen weitgehend gleich. Ich messe also: Von der Höhe des Scheitels bis zum Ende des Kinns 1/9. Vom Ende des Kinns aufwärts zum Haaransatz („end der stirn“) 1/10. Ebenso hoch setze ich auch den hinteren Haarwirbel auf dem Haupt des Mannes.  Dürer benutzt die räumlichen Bestimmungen Ende, Anfang, vor, hinter etc. meist aus der jeweiligen Blick­ richtung: hier z. B. „end der stirn“, weil er von unten, der Kinnspitze, aus mißt. In unserer Übertragung wird dagegen generell von oben nach unten gelesen, hier also: der obere Beginn der Stirn.

Und in diesem Zehntel teile ich das Gesicht wie zuvor in drei gleiche Abschnitte ein. Abermals vom Scheitel zur Schulter oben setze ich 1/15 plus 1/1. Wiederum vom Scheitel bis – zur Höhe der Halsgrube 1/. – zur Höhe der Brust 1/2. – unter die Achselhöhlen 1/1. Von der Höhe der Halsgrube bis – zu den Brustwarzen 1/12. – unter die Brust 2/19. – zur Taille 1/.

9

50

D Buch I

Von der Taille bis – zum Nabel 1/2. – zur Hüfte oben 1/22. – zur Hüfte unten 1/9. – zum Ende des Bauchs 1/. – zur Scham oben 1/7. – zum Gesäß unten 1/. Von der unteren Grenze des Gesäßes abwärts bis zur Eintiefung des Oberschenkels 1/11. Von der Fußsohle aufwärts zur Risthöhe 1/2. Von der Fußsohle aufwärts bis an den Fußknöchel 1/5. Vom Fußknöchel unten bis Kniemitte 1/. Von der Kniemitte bis über das Knie außen 1/20. Von der Kniemitte bis über das Knie innen 1/0. – unter das Knie außen 1/0. – unter das Knie innen 1/0. Abermals von der Kniemitte bis – zu äußeren Wade unten 1/10. – zur inneren Wade unten 1/9. Und den Fuß mache ich 2/1 lang. Danach mache ich die Länge des Arms vom Schul­ tergelenk zum Ellenbogen 2/11. Vom Ellenbogen bis zu den Fingerspitzen 1/. Von den Fingerspitzen aufwärts zum Handgelenk 1/10. Danach mache ich die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht. Im Haupt in Höhe des Haaransatzes 1/12. In Höhe der Augenbrauen 1/9. Über Nase und Haupt 1/10. Über Kinn und Hals 2/2. Der Hals unter dem Kinn 1/1. Bei den Schultern oben 1/17. Bei der Halsgrube 1/12. Bei der Brust 1/. Bei den Achselhöhlen 1/15 plus 1/1. Bei den Brustwarzen auch 1/. Unter der Brust 1/1 plus 1/17. In der Taille 1/1 plus 1/19. Beim Nabel 1/1 plus 1/20. Bei der Hüfte oben 1/1 plus 1/19. Bei der Hüfte unten 1/15 plus 1/1. Bei Ende des Bauchs durchs Gesäß 1/. Bei der Scham 1/1 plus 1/17. Aber das Bein unter dem Gesäß 1/10. Darunter bei der Eintiefung 1/11. Über dem Knie außen 1/15. Über dem Knie innen 2/1. Kniemitte 1/1. Unter dem Knie außen 1/19. Unter dem Knie innen 1/1. Wadenmitte 1/15. Äußere Wade unten 1/1.

fol. C4v / fol. C5r

Innere Wade unten 1/1. Und das Schienbein an der dünnsten Stelle 1/2. In Risthöhe 1/2. Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht bei der Schulter 1/15. Unter der Achselhöhle 1/20. Im Ellenbogen 1/2. Unterhalb des Ellenbogens 1/25. Am Handgelenk 1/. Und die geöffnete Hand 1/. Danach mache ich die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht im Haupt in Höhe des Haaransatzes 1/11 breit. Ein wenig tiefer 1/10.5 In Höhe der Augenbrauen 1/11. Über die Ohren 1/1 plus 1/19. Bei der Nase 1/12. Über den Hals unter dem Kinn 1/1. Bei den Schultern oben 1/1. Über die Halsgrube 1/. Die Schultergelenke darunter stehen 2/1 weit von­ einander. Aber über Brust und Schultern mache ich die Breite 2/9. Zwischen den Achselhöhlen 1/7. Zwischen den Brustwarzen 1/9. In der Taille 1/7. Beim Nabel 1/12 plus 2/25. Bei der Hüfte oben 1/12 plus 1/1. Bei der Hüfte unten 1/10 plus 1/12. Auf dieser Ebene stehen die Hüftgelenke 1/15 plus 1/1 weit voneinander. Und das Bein mache ich unter dem Gesäß 1/12 breit. Abwärts bei der Eintiefung 1/1. Über dem Knie außen 1/1. Über dem Knie innen 1/19. Kniemitte 1/21. Unter dem Knie außen auch 1/21. Unter dem Knie innen 1/20. Wadenmitte 1/17. Äußere Wade unten 1/19. Innere Wade unten 1/21. Und das Bein an seiner schmalsten Stelle 1/2. Durch die Fußknöchel 1/. Und den Fuß mache ich 1/19 breit. 5 Diese Meßebene kommt nur gelegentlich vor; viel­ leicht wurde sie geschaffen, weil Haaransatz auf der Stirn und hintererWirbel hier in der Höhe zusammen­ fallen,so daß zur Differenzierung des Gesichts ein wei­ teres Datum erforderlich schien.

fol. C5r

D Buch I

Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht. Unter den Achselhöhlen 1/2. Oberhalb des Ellenbogens 1/1. Unterhalb des Ellenbogens 1/22. Am Handgelenk 1/. Und die geöffnete Hand ein 1/19. Danach mache ich den Mann auf der Rückseite zwischen den Achselhöhlen 1/ breit. Und die Fersen 1/5. Und die Gesäßspalte längs 1/11. Nachdem ich nun alle diese Stellen mit Punkten markiert und mit Ziffern bezeichnet habe, ziehe ich die Gestalt des Mannes mit Linien hinein, wie es im folgenden aufgerissen ist. Dieses Mannes Bezeichnung („zeichen“) ist ein D. Wenn ich aber des Mannes Haupt höher machen will als hier, dann nehme ich aus der Länge zwischen Scheitel und Fußsohlen 1/ und lege diese Strecke vom Kinn aufwärts an und erhöhe so das Haupt; ansonsten lasse ich alle Stellen so wie sie sind. Nur den Haarwir­ bel auf dem Hinterkopf bringe ich auf die Höhe, die das Haupt vorher hatte. Und an dem Haupt im Profil ziehe ich die Stirn über den Augenbrauen weiter her­ vor („baß hinfür“), so wird dieser Mann beiläufig acht seiner Häupter lang, wie dieses auch aufgerissen ist.

fol. C5r

51

52

D Buch I

fol. C5v (Nr. 277.16)

fol. C6r

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schultern oben Halsgrube Brust Achselhöhlen Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Ende des Bauchs Scham oben

fol. C5v / fol. C6r

fol. C6r (Nr. 277.17)

Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie außen Über dem Knie innen Kniemitte Unter dem Knie außen Unter dem Knie innen Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel („Ende des schinbeins“) Fußsohlen

fol. C6v

D Buch I

fol. C6v / fol. D1r

fol. C6v

fol. D1r

Nachfolgend will ich ein dem eben beschriebenen Mann entsprechendes Weib nach derselben Ordnung beschreiben, ebenfalls neun ihrer Häupter lang. Ich messe es zunächst der Länge nach. Vom Scheitel zum Ende des Kinns 1/9. Vom Ende des Kinns aufwärts zum Haaransatz 1/10. Diese Gesichtslänge teile ich wie zuvor in drei gleiche Abschnitte. Abermals vom Scheitel zur Schulter oben 1/15 plus 1/1. Wieder vom Scheitel zur Halsgrube 1/. Von der Halsgrube zur Brust 1/0. – bis unter die Achselhöhlen 1/1. – bis zu den Brustwarzen 1/11. – bis unter die Brüste 1/9. – bis zur Taille 2/11.

Von der Taille zum Nabel 1/2. – bis zur Hüfte unten 1/10. – bis Ende des Bauchs 2/17. – bis zum Schritt 1/7. – bis zur Scham unten 1/12 plus 1/1. – bis zum Gesäß unten 1/11 plus 1/12. Vom Ende des Gesäßes abwärts im Oberschenkel 1/12. Von den Fußsohlen aufwärts zur Risthöhe auf dem Fuß 1/2. Abermals von den Fußsohlen aufwärts bis zum Fuß­ knöchel unten 1/2. Von hier aufwärts bis Kniemitte 1/.  „im obern bein“ entspricht der bisher bei Frauen nicht berücksichtigten Meßhöhe ‚Eintiefung des Oberschenkels‘.

5

5

D Buch I

Von der Kniemitte bis über das Knie 1/2.7 Von der Kniemitte bis unter das Knie 1/0. – bis zur äußeren Wade unten 1/11. – bis zur inneren Wade unten 1/9. Und den Fuß mache ich 1/7 lang. Danach mache ich die Länge des Arms von der Höhe des Schultergelenks („höch der achssel“) zum Ellenbogen 2/11. Vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen 1/. Von den Fingerspitzen zum Handgelenk 1/11. Danach mache ich die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht. Im Haupt in Höhe des Haaransatzes 1/12. In Höhe der Augenbrauen 1/10. Über Haupt und Nase 1/11. Über Hals und Kinn 1/1. Der Hals unter dem Kinn 1/21. Bei den Schultern oben 1/19. Bei der Halsgrube 1/1. In Höhe der Brust 1/10. Bei den Achselhöhlen 2/19. Bei den Brustwarzen 1/1 plus 1/19. Unter den Brüsten 2/19. In der Taille 2/21. Beim Nabel 1/9. Bei der Hüfte unten 1/7. Bei Ende des Bauchs übers Gesäß 1/1 plus 1/1. Und das Bein unter dem Gesäß 1/10. Abwärts im Oberschenkel 2/21. Über dem Knie 1/15. Kniemitte 1/1. Unter dem Knie 1/19. Wadenmitte 1/1. Innere Wade unten 1/19. Im Schienbein unten 1/2. In Risthöhe durch den Knöchel 1/2. Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht. In der Schulter 1/1. Bei der Achselhöhle 1/20. Im Ellenbogen 1/9. Unterhalb des Ellenbogens 1/2. Beim Handgelenk 1/9. Und die geöffnete Hand 1/0. Danach mache ich Breitenmaße des Weibs in Vor­ deransicht. 7 In der betreffenden Graphik (Nr. 277.19) erscheint hier 1/0; sicher ein Fehler, da der obere Wert (über dem Knie) sonst stets kleiner als der untere ist.  Diese Höhe entspricht der Marke „im obern bein“ bei der Längenbeschreibung dieser Figur.

fol. C6v / fol. D1r

Beim Haaransatz 1/11. Mitten über die Stirn 1/10. In Höhe der Augenbrauen 1/11. Über die Ohren 1/10. Bei der Nase 1/1. Breite des Halses unter dem Kinn 1/21. Bei den Schultern oben 1/19. In Höhe der Halsgrube 2/1. Die Schultergelenke darunter stehen 1/7 weit vonein­ ander. Die Breite über die Brust 1/5. Zwischen den Achselhöhlen 1/. Zwischen den Brustwarzen 1/11. Unter den Brüsten 1/15 plus 1/1. In der Taille 1/. Beim Nabel 1/11 plus 1/12. Bei der Hüfte unten 1/10 plus 2/21. Auf dieser Linie stehen die Hüftgelenke 1/15 plus 1/1 weit voneinander. Bei Ende des Bauchs 1/10 plus 2/21. Und das Bein unter dem Gesäß mache ich 2/21 breit. Weiter abwärts („baß hinab“) 2/25.9 Über dem Knie 1/17. Kniemitte 1/19. Unter dem Knie 1/20. Wadenmitte 1/17. Innere Wade unten 1/20. Im Schienbein unten 1/9. In Risthöhe durch den Knöchel 1/1. Und der Fuß vorn 1/20 breit. Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht. Unter den Achselhöhlen 1/2. Oberhalb des Ellenbogens 1/. Unterhalb des Ellenbogens 1/2. Beim Handgelenk 1/0. Und die geöffnete Hand 1/22. Ich mache das Weib auf der Rückseite zwischen den Achselhöhlen 1/7 breit. Und die Gesäßspalte 1/10 hoch. Die Fersen mache ich hinten 1/7 breit. Danach ziehe ich die Gestalt des Weibes mit Linien entlang allen Markierungen und Ziffern, die ich einge­ tragen habe, wie ich es im folgenden aufgerissen habe. Des Weibes Bezeichnung ist DI. Und wenn ich des Weibes Haupt höher machen will, dann tue ich es ebenso, wie ich es bei dem vorigen Mann beschrieben und aufgerissen habe. 9 Eine weitere Benennung der geläufigen Meßstelle im mittleren Oberschenkel.

fol. D1r

D Buch I

fol. D1v (Nr. 277.18)

fol. D2r

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schultern oben Halsgrube Brusthöhe Achselhöhlen Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Schritt Scham unten

fol. D1v / fol. D2r

fol. D2r (Nr. 277.19)

Gesäß unten Oberschenkel Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohlen

55

5

fol. D2v

D Buch I

fol. D2v / fol. D3r

fol. D2v

fol. D3r

Ferner will ich einen langen, dünnen Mann machen, der zehn seiner Häupter lang werden soll. Ich benutze dabei die zuvor beschriebene Methode und messe zu­ erst die Länge der Körperabschnitte. Vom Scheitel bis zum Ende des Kinns setze ich 1/10. Von dort aufwärts zum Haaransatz 1/11. In diesen Abschnitt plaziere ich das Gesicht in der schon oft beschriebenen Weise. Abermals vom Scheitel zu den Schultern oben messe ich 2/17. – bis zur Halsgrube 1/1 plus 1/1. – bis zur Schulterhöhe 1/.70 70 „höch der achssel“, dieses hier neu eingeführte Hö­ henmaß, wenig über den Schultergelenken gelegen, dürfte am treffendsten mit ‚Schulterhöhe‘ zu bezeich­ nen sein.

Von der Schulterhöhe zur Brust 1/25. – bis unter die Achselhöhlen 1/17. – bis zu den Brustwarzen 1/1. – bis unter die Brust 2/21. – bis zur Taille 2/1. Von der Taille bis zum Nabel 1/0. – bis zur Hüfte oben 1/21. – bis zur Hüfte unten 1/. – bis zur Scham oben 1/1 plus 1/15. – bis zur Scham unten 2/1. – bis zum Gesäß unten 2/11. Vom Ende des Gesäßes abwärts zur Eintiefung des Oberschenkels innen 1/11. In die Mitte zwischen Ende des Gesäßes und Fußsoh­ len setze ich hier das Knie.71 71 Eine weitere, dritte Art der Knieplazierung.

D Buch I

Von den Fußsohlen aufwärts 1/5 setze ich den Knö­ chel unten. Abermals von den Fußsohlen aufwärts 1/2 setze ich die Risthöhe auf dem Fuß. Von Kniemitte aufwärts 1/0 setze ich die Höhe über dem Knie. Abermals von Kniemitte abwärts 1/0 setze ich die Höhe unter dem Knie. Wieder von Kniemitte abwärts setze ich die Höhe der Wade unten, außen 1/10 und innen 1/9. Und den Fuß mache ich 1/7 lang. Danach mache ich die Länge des Arms. Vom Schultergelenk bis zum Gelenk des Ellenbogens 2/11. Aber unterhalb des Ellenbogens will ich hier zwei verschiedene Maße setzen, erstens 1/ bis zu den Fin­ gerspitzen und 2/11 zurück von den Fingerspitzen zum Handgelenk; oder zweitens: aus dem Ellenbogenge­ lenk bis zu den Fingerspitzen /11 sowie 2/21 von den Fingerspitzen zurück zum Handgelenk.72 Danach mache ich die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht bei allen Markierungen, mit denen die Längenabschnitte bezeichnet sind. Im seitlich gesehenen Haupt des Mannes mache ich die Tiefe in Höhe des Haaransatzes 1/1. In Höhe der Augenbrauen 1/11. Über Nase und Haupt 1/11. Über Mund und Hals 1/1. Über Kinn und Hals 1/1. Der Hals unter dem Kinn 1/22. Bei den Schultern oben 1/20. Bei der Halsgrube 1/1. In Schulterhöhe 1/11. In Höhe der Brust 2/17. Bei den Achselhöhlen 1/. Bei den Brustwarzen auch 1/. Unter der Brust 2/17. In der Taille 1/11. Beim Nabel auch 1/11. Bei der Hüfte oben 1/10. Bei der Hüfte unten 1/17 plus 1/1. Scham oben 1/9. Aber das Bein am Gesäß unten 1/11. Abwärts bei Eintiefung des Beins 1/12. Über dem Knie 1/17. Kniemitte 1/19. Unter dem Knie 1/20. 72 Die Illustration (Nr. 277.20) gibt die zweite, längere Variante wieder; die dazu gehörigen Strecken erschei­ nen links des Arms, die Strecken der ersten, kürzeren Varianten rechts.

57

fol. D2v / fol. D3r

Wadenmitte 1/2 plus 1/. Äußere Wade unten 1/17. Innere Wade unten 1/19. Und das Bein mache ich über dem Rist 1/2 tief. Durch den Rist 1/29. Fußknöchel unten 1/2. Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht. In der Schulter 1/17. Unter der Achselhöhle 1/21. Im Ellenbogen 1/0. Unterhalb des Ellenbogens 1/2. Am Handgelenk 1/50. Aber die geöffnete Hand 1/2. Danach mache ich die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht. Am Haaransatz 1/1. Über die Breite des Haupts 1/12.7 In Höhe der Augenbrauen 1/1. Über die Ohren 1/12. Bei der Nase 1/15. Aber der Hals unter dem Kinn 1/22. Die Schulter oben 1/20. In Schulterhöhe 1/12 plus 1/1. Darunter stehen auch die Schultergelenke 1/12 plus 1/1 weit voneinander. Die Breite über Brust und Schulter /1 plus 1/19. Zwischen den Achselhöhlen 1/7. Zwischen den Brustwarzen 1/10. Unter der Brust 2/1. In der Taille 2/15. Beim Nabel 1/1 plus 2/27. Die Hüfte oben 1/1 plus 1/1. Die Hüfte unten 1/. Und in dieser Höhe setze ich die Hüftgelenke 2/15 weit voneinander. Das Bein unter dem Gesäß mache ich 1/1 breit. Abwärts bei der inneren Eintiefung 1/1. Über dem Knie 1/20. Kniemitte 1/22. Unter dem Knie auch 1/2. Wadenmitte 1/19. Innere Wade unten 1/2. Das Schienbein unten 1/5. Durch den Fußknöchel 1/5. Fußknöchel unten 1/. Und den Fuß vorn 1/21.

7 Nur gelegentlich vorkommende Meßhöhe quer durch die Stirn an der breitesten Stelle.

fol. D3r

5

D Buch I

Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht. Unter der Achselhöhle 1/2. Oberhalb des Ellenbogens 1/. Unterhalb des Ellenbogens 1/2. Beim Handgelenk 1/2. Und die geöffnete Hand 1/22. Danach mache ich diesen Mann auf der Rückseite zwischen den Achselhöhlen 1/12 plus 1/1 breit. Und die Gesäßspalte 1/11 hoch. Und hinten die Fersen 1/7 breit. Danach ziehe ich die Gestaltlinien dieses Mannes gemäß den Markierungen und Ziffern, wie ich es im folgenden aufgerissen habe. Wenn ich aber auch dieses Mannes Haupt höher machen möchte, setze ich die ein 1/9 mit einem Ende auf die Höhenmarkierung des Kinns und lasse das an­ dere Ende über das Haupt hinausgehen und mache es um diese Länge höher als es vorher gewesen ist. Dar­ aus ergibt sich, daß das Haupt auch tiefer und breiter gezogen werden muß. Jedoch lasse ich das ganze Ge­ sicht in seinen Bestandteilen bleiben, wie es zuvor ge­ wesen ist; so ist es nachfolgend gezeigt im Linienauf­ riß der Figur in seitlicher, frontaler und rückseitiger Ansicht. Allerdings bleibt der Mann nicht mehr zehn Häupter, sondern wird vollends („schyr“) neun Häup­ ter lang. Dieses Mannes Bezeichnung ist ein E.

fol. D3r

D Buch I

fol. D3v (Nr. 277.20)

fol. D4r

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schultern oben Halsgrube Schulterhöhe Brusthöhe Achselhöhlen Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Scham oben

fol. D3v / fol. D4r

fol. D4r (Nr. 277.21)

Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Ende des Schienbeins7 Fußsohlen

7 Bzw. das Bein über dem Rist.

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0

fol. D4v

D Buch I

fol. D4v / fol. D5r

fol. D4v

fol. D5r

Nachfolgend will ich ein dem eben beschriebenen Mann entsprechendes Weib nach der bekannten Ord­ nung beschreiben. Ich lege zuerst die Markierungen nach der Länge des Körpers mitsamt seinen Abschnit­ ten fest. Vom Scheitel zum Ende des Kinns 1/10. Vom Ende des Kinns aufwärts zum Haaransatz 1/12. Dieses das Gesicht umfassende Zwölftel teile ich, wie früher beschrieben. Wieder vom Scheitel bis zum Unterkinn75 1/1 plus 1/19. Bis zur Schulter oben 1/. Bis zur Halsgrube 2/1. Bis zur Schulterhöhe 1/. Von der Schulterhöhe zur Brust 1/22. 75 „tröllen“: ‚Unterkinn‘, ‚Doppelkinn‘.

Bis unter die Achselhöhlen 1/1. Bis zu den Brustwarzen 1/11. Bis unter die Brüste 1/9. Bis zur Taille 2/11. Von der Taille zum Nabel 1/0. Bis zur Hüfte unten 1/10. Bis zum Ende des Bauchs 2/17. Bis zum Schritt 1/1 plus 1/1. Bis zur Scham unten 1/12 plus 1/1. Bis zum Gesäß unten 1/11 plus 1/12. Vom Ende des Gesäßes abwärts zur Eintiefung des Oberschenkels 1/12. Von der Fußsohle aufwärts bis Kniemitte setze ich 2/7. Bis zum Knöchel unten 1/. Von Kniemitte abwärts bis auf den Fuß oder die Rist­ höhe setze ich 1/.

D Buch I

Bis zur inneren Wade unten 1/9. Bis zur äußeren Wade unten 1/10. Bis unter das Knie 1/0. Von Kniemitte bis über das Knie 1/0. Und den Fuß mache ich ein 1/1 plus 1/15 lang. Danach mache ich die Länge des Arms. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 2/11. Vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen 1/. Von den Fingerspitzen zum Handgelenk 1/11. Nachdem ich nun die Länge der Körperabschnitte mit Markierungen und Ziffern anstelle der drei [ein­ gangs beschriebenen] Vertikalen festgelegt („gemerckt“) habe, mache ich als erstes die Tiefenmaße des Weibes in der Seitenansicht. Durch das Haupt am Haaransatz 1/1. In Höhe der Augenbrauen 1/11. Über Nase und Haupt 1/12. Über Hals und Kinn 1/1. Und den Hals unter dem Unterkinn 1/2. Bei der Schulter oben 1/22. Bei der Halsgrube 1/17. In Schulterhöhe 1/1. Über die Brust 1/10. In Höhe der Brustwarzen 1/19 plus 1/21. Unter den Brüsten 1/20 plus 1/21. In der Taille 1/11. Beim Nabel 1/10. Hüfte unten 1/1 plus 1/15. Bei Ende des Bauchs 1/15 plus 1/1. Beim Schritt des Weibs über Bein und Gesäß 1/1 plus 1/17. Aber das Bein unter dem Gesäß 1/10. Abwärts im Oberschenkel 2/2. Über dem Knie 1/17. Kniemitte 1/19. Unter dem Knie 1/20. Wadenmitte 1/17. Äußere Wade unten 1/1. Innere Wade unten 1/19. Das Schienbein unten 1/2. Durch Rist und Fußknöchel 1/27. Danach mache ich die Tiefe des Arms in der Schul­ ter 1/19. Unter den Achselhöhlen 1/2. Im Ellenbogen 1/. Unterhalb des Ellenbogens 1/0. fol. D5r

Beim Handgelenk 1/0. Und die geöffnete Hand 1/5. Danach mache ich die Breitenmaße des Weibs in Vorderansicht. Beim Haaransatz 1/1.

fol. D4v / fol. D5r

Breite des Haupts 1/12. In Höhe der Augenbrauen 1/1. Über die Ohren 1/12. Bei der Nase 1/1. Der Hals unter dem Unterkinn 1/25. Schulter oben 1/22. In Höhe der Halsgrube 2/17. In Schulterhöhe 1/7. Darunter stelle ich die Schultergelenke 2/15 weit von­ einander. Über Brust und beide Schultern 2/11. Zwischen den Achselhöhlen 1/9. Zwischen den Brustwarzen 1/12. Unter den Brüsten 1/. In der Taille auch 1/. Beim Nabel 2/1. Bei der Hüfte unten 2/11. Und in dieser Höhe stehen die Hüftgelenke 1/ weit voneinander. Ich mache die Breite bei Ende des Bauchs ebenfalls 2/11. Und das Bein bei Ende des Gesäßes 1/12. Bei der Eintiefung des Beins 2/27. Über dem Knie 1/19. Kniemitte 1/22. Unter dem Knie auch 1/22. Wadenmitte 1/19. Bei der äußeren Wade unten 1/21. Bei der inneren Wade unten 1/2. Im Schienbein unten 1/. Im Rist durch den Fußknöchel 1/. Beim Fußknöchel unten 1/. Und den Fuß mache ich vorn 1/22 breit. Danach mache ich den Arm in Vorderansicht un­ ter den Achselhöhlen 1/2 breit. Oberhalb des Ellenbogens 1/. Unterhalb des Ellenbogens 1/2. Beim Handgelenk 1/. Und die geöffnete Hand 1/2. Danach mache ich das Weib in Rückansicht zwi­ schen den Achselhöhlen 2/15 breit. Und die Gesäßspalte 1/10 hoch. Und die Fersen hinten 1/0 breit. Danach forme ich die Gestalt des Weibes mit Li­ nien gemäß allen Markierungen und Ziffern, zu­ nächst seitlich, dann frontal, endlich rückseitig. Und wenn ich des Weibes Haupt auch erhöhen will, mache ich es, wie bei dem vorigen Mann ange­ zeigt; so habe ich es dann im folgenden aufgerissen. Dieses Weibes Bezeichnung ist EI.

1

2

D Buch I

fol. D5v (Nr. 277.22)

fol. D6r

Scheitel Stirn Augenbrauen Nase Kinn Ende des Unterkinns Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brusthöhe Achselhöhlen Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs

fol. D5v / fol. D6r

fol. D6r (Nr. 277.23)

Schritt Scham unten Gesäß unten Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Ende des Schienbeins Fußsohlen

fol. D6v

D Buch I

fol. D6v / fol. E1r

fol. D6v

fol. E1r

Jeder soll im voraus wissen, daß ich diese zuvor be­ schriebenen Figuren in den Wirbeln des Rückgrades sowie in allen anderen Gelenken beuge. Um das ver­ ständlich zu machen, plaziere ich bei unseren Figuren zunächst in Seitenansicht das Rückgrad entlang des hinteren Viertels der Körpertiefe und bezeichne es mit kleinen Dreiecken7. Ebenso die Gelenke der fron­ tal ansichtigen Figuren, hier jedoch mit kleinen Rin­ gen. Wenn ich auch hier77 zur Arbeitserleichterung alle Figuren in gleicher Länge aus dem „Teiler“ aufgemes­ sen habe, so müssen die dünneren Bilder durchweg länger gemacht werden als die dickeren, wenn man 7 „teiengellein“, Satzfehler statt „triengellein“: kleine Dreiecke. 77 „hte“, Satzfehler; es muß heißen ‚hie‘.

sie gemeinsam in ein und demselben Werk verwen­ den will. Und wenn Mann und Weib einer Proportionssor­ te zusammen gebracht werden, soll die vertikale Län­ ge des Weibes mit ihren Meßdaten um 1/1 gegenüber der des Mannes gekürzt werden. Sonst würde das Weib größer erscheinen als der Mann, weil der nackte weibliche Körper f leischiger und molliger7 als der männliche zu zeichnen ist, der von härterem und min­ der f leischigem Gepräge („geprech“) ist. Den jeweils weiten Abstand in den Maßen unserer Figuren von der stärksten zur schwächsten Version habe ich deshalb gesetzt, damit ein jeder daraus ersehen kann, in welcher Weise er sein jeweiliges Vorhaben verändern und Unterscheidungen nach Gutdünken 7 „molleter“ (komp. von mollet): ‚korpulent‘, ‚mollig‘.





D Buch I

treffen kann. Das will ich in den folgenden Büchern weiter vertiefen. Nachdem ich bisher vier unterschiedliche Figuren­ ansichten79 gezeigt habe, will ich im folgenden eines Mannes Haupt eingehender0 als bislang beschreiben und aufreißen; dazu benutze ich das bisherige Verfah­ ren („Ordnung“). Ich setze das Haupt in Profilansicht in ein regelmäßiges („rechtes“) Viereck, gebildet aus einem Achtel der Länge des Mannes und ebenso breit. Die Maße dieses Hauptes will ich im Aufriß gegenü­ ber den bisherigen Figuren vergrößern, von größe­ rem Maßstab1, um die kleine Details umso deutlicher zu machen. Nachdem dieses Viereck steht, bezeichne ich die senkrechte Seite der Fläche2, wohin die Nase weisen soll, mit einem a, die andere Senkrechte mit einem b, sodann die obere Horizontale mit einem c, die untere mit einem d. Danach unterteile ich alle Gesichtsab­ schnitte zunächst der Höhe nach mittels paralleler Querlinien, die ich mit Buchstaben entlang des Ge­ sichts von oben bis unten bezeichne. Zur Markierung des ersten Abschnitts ziehe ich die Querlinie e oberhalb der Grundlinie d c, 1/10 hoch wie bei dem Mann von acht Hauptlängen. Diese Linie scheidet vorn das Haupthaar und die freie Stirn. Den hinteren Haarwirbel setze ich jedoch um 1/ der Distanz zwischen c und e höher, danach teile ich die Strecke e d mittels zweier Linien f und g in drei glei­ che Abschnitte. Die obere dieser Linien f soll die Au­ genbrauen und den oberen Rand des Ohrs berühren, die untere Linie g die Nase, Ohren sowie die Stelle der Eintiefung zwischen Haupt und Hals, den Nacken, wie schon zuvor gelegentlich angezeigt. Danach teile ich die Strecke e f mit zwei Punkten in drei gleiche Abschnitte und durchschneide den unteren dieser Punkte mit der Querlinie h. Diese Linie berührt über den Augenbrauen den Stirnwulst des Mannes („mann­ 79 Mit „viererley vunderschyd der bilder“ sind wohl ge­ meint die jeweils vier Ansichten und Beschreibungen einer Figur: von vorn, von der Seite, von hinten und die des Arms. 0 „leutrer“, Komp. von lauter: ‚rein‘, ‚abgesondert‘, des­ halb auch im Sinne von ‚fleißiger‘, ‚eingehender‘; vgl. Reinschrift von 152, R III, S. 19. 1 „weitorfft“: ‚Weite‘, hier im Sinne von ‚größerem Maßstab‘. 2 „plani“ (gen. von planus): ‚Ebene‘, ‚Fläche‘.  „zwerchlinien“ werden im folgenden synonym mit Querlinie, Horizontale, Waagerechte übertragen; Grimm 2, Sp. 1091.  „ob der seyten .d.“, gemeint ist die Seite d c; Dürer unterscheidet nicht konsequent Punkte und Seiten.

fol. D6v / fol. E1r

lichen pallen“), von da an rundet sich die Stirn bis zum Haaransatz. Ferner teile ich die Strecke f g mit zwei Punkten in drei gleiche Abschnitte, das obere Drittel trenne ich mit der Querlinie i ab. Die Linien f und i begrenzen somit das Auge oben und unten, wo­ bei die zwei Augenwinkel links und rechts auf der Mitte dieser Distanz liegen. Ich teile die Strecke f g nun mit drei Punkten in vier gleiche Abschnitte, das unterste Viertel trenne ich mit der Querlinie k ab. Die­ se Linie berührt oben die Nasenf lügel („naspellen“), ferner wird das Ohrläppchen von k und g eingefaßt. Danach teile ich die Strecke g d mit der Linie l in zwei gleiche Abschnitte. Diese Linie begrenzt das Kinn oben, die Linie d unten. Ich teile nunmehr die Strecke g l mit der Linie m in zwei Teile, diese Linie geht mit­ ten durch den Mund. Die Oberlippe („den obern leb­ sen“) setze ich in das untere Drittel zwischen g und m, die oberen zwei Drittel umfassen die Zone der Na­ senrinne.5 Die Unterlippe setze ich in die obere Hälf­ te, die Hohlkehle zwischen Unterlippe und Kinn in die untere Hälfte der Distanz l m. Demnach sind mit diesen Querlinien die vornehmsten Teile des oberen und unteren Gesichts markiert. Im weiteren7 will ich die Tiefenmaße des Gesichts mit senkrechten Parallellinien anzeigen. Verstehe un­ ter Tiefen die Distanz, die sich hinter der herausragen­ den Nase ausdehnt. Zuerst teile ich die zwei senkrechten Seiten des Vierecks a und b mittels sechs Vertikalen n, o, p, q, r, s in sieben gleiche Abschnitte. Die erste Linie n berührt vorn im Gesicht den Augapfel und die Mundwinkel. Die äußeren Augenwinkel begrenze ich in der Mitte zwischen den Vertikalen n und o. Diese Instruktionen gelten für beide Gesichtsseiten. Danach ziehe ich eine Diagonale aus dem Punkt, wo die Querlinie c und die Senkrechte n sich schneiden, bis zum Schnittpunkt der Linien a und f, dorthin setze ich ein t. Eine wei­ tere Diagonale ziehe ich aus eben dem Schnittpunkt von c und n bis zum Schnittpunkt der Senkrechten a und der Horizontalen g, dorthin setze ich ein v. Entlang der Linie n t soll die Stirn in ihrer Form verlaufen, entlang der Linie n v der Nasenkontur9. Und wo die Querlinie e die Diagonale n t schneidet, da verzeichne ich den Haaransatz oberhalb der bloßen Stirn.

5  7  9

Die Distanz g m ist in der Illustration nicht gedrittelt. „lebsen“ und „lefftzen“ sind gleichbedeutend. „fürbaß“: ‚weiter‘, ‚weiter fort‘. „ort lini“: ‚schräge Linie‘, ‚Diagonale‘. „der nasen possen“, von Bosse, Rohform.

fol. E1r

D Buch I

Danach ziehe ich mitten zwischen den Vertikalen a n, begrenzt von den Horizontalen d und g, eine wei­ tere vertikale Linie, sie berührt vorn die Oberlippe des Mundes und die Vorderseite des Kinns. Danach teile ich die Distanz der Vertikalen n x 90 zwischen den Querlinien m d mit zwei weiteren Vertikalen in drei gleiche Abschnitte, die vorderste [rechte] berührt die Unterlippe, die hintere den Grund der Hohlkehle zwi­ schen Unterlippe und Kinnspitze. Die Augenbraue ziehe ich gänzlich („schyr“) bis zur Vertikalen o. In ihrer Mitte wölbe ich sie ein wenig über die Querli­ nie f hinaus. Und zwischen die zwei Vertikalen q r sowie die Horizontalen f g setze ich das gesamte Ohr, doch das Ohrläppchen („orleplein“) ziehe ich in die vordere Hälfte zwischen q r in der Vertikalen sowie k g in der Horizontalen. Den hinteren Haarwirbel auf dem Haupt setze ich zwischen die Vertikalen s b und die Horizontalen c e und zwar in Höhe des unteren Drittels des betreffenden Abschnitts von s sowie in der Tiefe des rechten Drittels des betreffenden Abschnitts von e. Auf der Querlinie g und zwar in der Tiefe des rechten Viertels zwischen s und b setze ich das Haupt auf den Hals. Danach ziehe ich die Gestaltlinien des Profilgesichtes so in das Liniengitter 91, daß das Haupt oben die horizontale Kopf linie c zwischen den Verti­ kalen p und q sowie hinten die vertikale Linie b zwi­ schen den Horizontalen h und f berührt, von dort [ziehe ich die Linie] zum Nacken und weiter hinab durch das Viereck. Danach ziehe ich die Linie des Hauptes auf der Vorderseite hinab zur Stirn, dann über die Stirn, Nase, Mund und Kinn. Die Nase berührt vorn die vertikale Seite a zwischen den Horizontalen k und g. Also wird das ganze Haupt von dem Viereck umschlossen und tangiert seine vier Seiten. Vom Kinn ziehe ich die Li­ nie des Kinnbackens schräg nach oben bis hinter das Ohr. Danach ziehe ich die Linien der Augen, der Brauen und Ohren jeweils an ihrem Ort. Auch ziehe ich die Grenzlinie zwischen dem Haupthaar und dem Gesicht und zwar von dem vorderen Wirbel auf der Stirn oberhalb der Querlinie e, sodann zwischen den beiden Vertikalen p und q wieder abwärts bis zur hal­ ben Höhe des Ohrs. Nun ziehe ich die Halslinie aus 90 Die Benennung x für einen Punkt bzw. eine senk­ rechte Linie fehlt in der betreffenden Illustration (Nr. 277.25, Profilansicht); gemeint ist wohl die un­ bezeichnete auf die Nasenunterseite führende Linie mittig zwischen den Vertikalen a und n. 91 „bey disen geschrenkten linien“, schrenken, ‚kreuz­ weise setzen‘, hier also etwa ‚Liniengitter‘; Grimm 15, Sp. 1 (schränken).

fol. E1r

dem rechten Viertel92 des Abschnitts zwischen den Vertikalen o und p bis unterhalb der Bodenlinie d. Nach Wunsch mache ich den Hals 1/1 oder 2/27 tief („dick“). Wer diese Operation durchführt, der möge auf die kurvigen, im Koordinatengitter nach außen und innen abweichenden Gestaltlinien Acht geben, anderenfalls unterläuft ihm rasch fehlerhafte Zeich­ nung („ungestalt“). Allerdings verhindern es die Kreuzlinien des Vierecks, daß die Zeichnung ganz aus dem Maß läuft. Nachdem ich das Haupt im Profil beendet 9 habe, will ich es in Vorderansicht behandeln und dazu in ein anderes Viereck setzen; dieses hat die gleiche Höhe wie das erste, ist aber schmäler

92 Punkt 3 der betreffenden Skala. 9 „geendert“, offensichtlich Satzfehler.

5



fol. E1v

D Buch I

fol. E1v / fol. E2r

fol. E1v

fol. E2r (Nr. 277.24)

Zuerst ziehe ich alle parallelen Querlinien des profilansichtigen Vierecks, so weit ich ihrer bedarf, nach rechts über das Viereck hinaus in der bisherigen Ordnung und Buchstabenfolge von c bis d. Diese Li­ nien markieren im En­Face­Gesicht gleichermaßen wie im Profil sämtliche Höhendistanzen. Anschlie­ ßend kreuze ich diese Horizontalen mit den nötigen Vertikalen, mit denen die Breitenmaße der Gesichts­ gliederung en­face angezeigt werden. Zum ersten reiße ich zwei vertikale Seitenlinien a und b durch die bereits gezogenen Horizontalen im Abstand von 1/10 [der Körperlänge], danach unter­ teile ich die Distanz a b mit vier parallelen Senkrech­ ten c d e f in fünf gleiche Abschnitte. In den mittleren Abschnitt d e setze ich den Scheitel mitten zwischen die Querlinien c und e. Danach setze ich die Nase so in die Mitte, daß sie mit den Nasenf lügeln d und e

berührt und zwar zwischen den Querlinien k und g. Auch die Mundwinkel lasse ich, auf der Höhe der Horizontalen m, dieselben Senkrechten d und e be­ rühren wie auch das Kinn. Danach plaziere ich die beiden Augen so, daß sie mit ihren jeweiligen Win­ keln die Vertikalen c und d sowie e und f und zwar zwischen den Horizontalen f und i tangieren. Danach halbiere ich den Abstand zwischen den Ver­ tikalen a und c sowie f und b mit je einer weiteren Verti­ kalen g und h. Diese zwei Linien g und h berühren auf der Horizontalen k beiderseits die Wangen. Die Augen­ brauen enden auf beiden Seiten in der Mitte zwischen den Vertikalen g c und f h unter der Querlinie f. Nun teile ich die Distanz von a und g sowie von h und b jeweils in der Mitte mit zwei Senkrechten i und k. Die­ se zwei Linien scheiden in der Höhe zwischen e und f die unbehaarte Stirn von dem seitlichen Haarwuchs. Das

D Buch I

Haupt jedoch überschneidet beiderseits diese zwei Li­ nien, so daß die Hälften der Ohren zwischen den Ho­ rizontalen f und g verdeckt sind. Die zwei Ohren selbst setze ich zu beiden Seiten zwischen a und i und k und b sowie – in der Horizontalen – zwischen f und g. Oben jedoch, unter der Querlinie f, überragen sie die Sei­ tenlinien a und b und nähern9 sich am unteren Ende mit ihren Läppchen den zwei Senkrechten i und k. Nachdem nun die Vertikalen durch die Horizon­ talen gezogen sind, die da die Breitenmaße des En­ Face­Gesichts oben und unten anzeigen, ziehe ich die Gestaltlinien des Gesichts in diese Teilung 95: zunächst das Haupt von seiner obersten Stelle, wo es die Kopf­ linie c mittig zwischen den Senkrechten d und e be­ rührt, von da an gerundet auf beiden Seiten zu den Seitenlinien a und b bis in Höhe der Horizontalen h, weiter bis zu den Ohren bei der Querlinie f zwischen a und i sowie k und b. Danach ziehe ich die Grenzlinie zwischen Haupthaar und Stirn sowie die Wangenli­ nie durch die Vertikalen g und h in Höhe der Hori­ zontalen m96 bis hinab zum Kinn; an diesen Schnitt­ punkten zeichne ich beiderseits den Hals ein bis herab zur Bodenlinie d. Dort mache ich ihn 1/15 [der Kör­ perlänge] breit oder ein wenig mehr.97 Endlich zeich­ ne ich Augen, Nase, Mund und Kinn mitsamt den edelsten Orten9 des Gesichtes ein. Nachdem dieses abgeschlossen ist, richte ich das dritte Viereck mit dem rückseitigen Haupt ein, dieses mit dem gleichen Außenprofil wie das frontale. Ich setze den hinteren Haarwirbel an seinen Platz und ziehe die runde Linie das Hauptes bis an den Nacken. Zur Projektion dieses Hauptes auf die Grundf lä­ che bediene ich mich eines Dreiecks, das ich im fol­ genden erläutern will. Ich tue dies, um ein vorgege­ benes Haupt in eine andere Ansicht zu bringen, ohne seine Form zu verändern. Dieses Dreieck bezeichne ich mit 1 2 3, es muß stets einen rechten Winkel be­ sitzen, damit man alle Seiten, seien sie gleich oder un­ gleich, lang oder kurz, nach Bedarf gebrauchen kann. 9 „nachnen“, vermutlich Satzfehler: nähern. 95 Das Wort „teylung“ meint Aufteilung nach der Me­ thode des „Teilers“. 9 Die Vertikalen g und h werden von der Wangenlinie in der betreffenden Illustration nicht auf der Höhe m sondern auf der Höhe k geschnitten. Die Beschrei­ bung dieses Details trifft auf die anschließendeVergrö­ ßerung dieses Kopfes zu. 97 Wie schon bei der seitlichen Halsstärke weicht Dürer auch hier von den entsprechenden Maßen des Mannes von acht Kopflängen (Typ B und C) ab, der im übrigen die Voraussetzung der Kopfkonstruktion gibt. 9 „art“, in diesem Zusammenhang ‚Ort‘.

7

E1v / fol. E2r

Ich nehme eine beliebige Seite und markiere sie mit verschiedenen Punkten etwa 4 5 6 etc. Aus diesen Punkten ziehe ich gegenüber einer zweiten Seite des Dreiecks parallele Linien gegen die dritte Seite; diese Linien unterteilen jetzt letztere Seite im selben Maß­ stab wie die Ausgangsseite. Wenn ich jetzt aus den neu gewonnenen Punkten mit Parallellinien, wie zu­ vor, gegen die dritte, bislang ungeteilte Seite fahre, so wird auch sie ebenso maßstabsgerecht („gleichfor­ mig“) geteilt wie die erste und die zweite. Mit diesem Instrument („figur“) kann man vie­ lerlei Verschiedenes bewerkstelligen. Für mein jet­ ziges Vorhaben kann es „Übertrag“ genannt werden. Denn mit seiner Hilfe kann man ein jegliches Bild in eine andere Ansicht tragen bzw. ziehen. Aber bevor ich [wie angekündigt] das Haupt auf den Grund pro­ jiziere, gebe ich hier einen Aufriß dieses „Übertrags“. Den „Übertrag“ wende ich für meinen Zweck fol­ gendermaßen an. Ich lege das Profil­ und das En­face­ Haupt, wie sie in ihren Vierecken beschrieben sind, [nebeneinander] vor mich und verlängere zunächst sämtliche vertikalen Linien a n o p q r s aus dem Vier­ eck des Profilhauptes so weit nach unten wie nötig. Danach verlängere ich gleichfalls die vertikalen Paral­ lellinien a i g c d e f h k b des En­face­Gesichtes gerade nach unten. Nun ziehe ich eine gerade Querlinie pa­ rallel sowie unterhalb der beiden Kopf­Vierecke durch alle von oben herabgezogenen Vertikalen. An die Schnittstellen dieser Querlinie mit den zwei seitlichen Senkrechten a und b des frontalen Gesichts setze ich die Ziffern 1 bzw. 2. Dann trage ich von 1 auf der Li­ nie a abwärts die Strecke ab, die das En­face­Gesicht breit ist [a b], und gewinne Punkt 3, den ich mittels einer Diagonalen mit 2 verbinde. Somit ist das für die Projektion des Hauptes auf den Grund erforderliche Dreieck, das ich den „Übertrag“ nenne, fertig. Wo nun diese Diagonale 2 3 die aus dem frontalen Haupt verlän­ gerten Senkrechten abschneidet, aus diesen Punkten fahre ich in gerader Richtung mit parallelen Linien quer durch alle Vertikalen, die aus dem Profilhaupt abwärts gezogen sind. Und wo die Verlängerung der Querlinie 2 1 und die Querlinie 399 die zwei senk­ rechten Seiten a b des Profil­Gesichtes schneiden, es sind die Ecken des unteren Vierecks, setze ich rechts 4 und 5 sowie links 6 und 7. Das ergibt ein Rechteck, in das der Grundriß des Hauptes eingeschlossen ist.

99 Die 3 kann in diesem Zusammenhang nicht als Linie gelten, sondern als Eckpunkt des Dreiecks, von dem Dürer die untere Seite des neuen Rechtecks horizon­ tal ausgehen läßt.

fol. E2r



D Buch I

fol. E2v (Nr. 277.25)

fol. E2v

Ist nun das Viereck 4 5 6 7 mit Hilfe des „Über­ trags“ gänzlich von den Vertikalen beider Häupter, des seitenansichtigen wie des frontalen, durchschnitten, dann zeigen die [so entstandenen] kleinen Binnen­ vierecke an, wo die Gestaltlinien eines jeden Schnittes des Kopfes („angesichts“) zu ziehen sind; denn ein je­ des dieser Vierecke lokalisiert die entsprechenden Stel­ len, wohin etwa Augen, Nase, Mund, Kinn, Ohren, Hals mit ihren Gestaltlinien hingehören. So habe ich diese denn eingezogen und alles eigens aufgerissen: das Haupt in Seiten­, Frontal­ und Rückansicht und in seiner Projektion auf den Grund. Es ist nützlich zu wissen, auf welcher Höhe das Haupt durchschnitten ist, als wäre es von Wachs („wags“), man weiß dann eigens, welche Form die betreffende Ebene hat. Das ist durch diese Methode zu ermitteln.

fol. E2v / fol. E3r

fol. E3r

Wenn ich aber das Haupt anstatt 1/ der Gesamt­ länge, wie eben, 1/7 hoch machen will – eine solche Figur habe ich oben dargestellt –, lasse ich alle Details des Gesichtes so wie sie sind, ich vergrößere allein das Haupt in seiner Höhe und seitlichen Tiefe von der Stirn an aufwärts sowie rückwärts bis an den Nacken zwischen den Querlinien g und m. Den Hals mache ich 2/27 stark („dick“). Dann vermehre ich die Breite des En­face­Hauptes dementsprechend, daß dieses über der Stirn 2/17 wird, und ziehe die entsprechen­ den Linien beiderseits oberhalb der Ohren bis an die Seitenlinien a und b. Ich mache auch die Stirnf läche höher und breiter und rücke die Ohren weiter nach außen. So wird es im folgenden Aufriß angezeigt. Man erkennt, daß ein solches Kopf­Bild auf Basis des Kopf­/Körperverhältnisses 1 zu 7, maßstäblich kor­ rekt ausgeführt, nicht zu verachten ist.

D Buch I

In gleicher Weise, wie ich das Haupt auf den Grund projiziert habe, kann man auch die Projektion einer kompletten Figur vornehmen, einerlei ob sie gerade oder krumm steht.100 fol. E3r

Im weiteren will ich die ausgestreckte Hand eines starken Mannes beschreiben. Ich belasse sie in der Län­ ge 1/10, wie vorne ausgeführt.101 In der Länge dieses Zehntels errichte ich eine senkrechte Linie, deren Enden ich oben mit a und unten mit b bezeichne und mit zwei parallelen Horizontalen c und d begrenze. Nun unterteile ich die Strecke a b mit achtzehn Punk­ ten in neunzehn gleiche Abschnitte.102 Danach reiße ich eine weitere Senkrechte zwischen den Querlinien c und d parallel zu der Senkrechten a b, aber so weit entfernt von dieser, daß die Hand, die ich machen werde, genug Platz hat („ungeirret sey“). Diese Linie sei an ihren Schnittpunkten oben e und unten f be­ zeichnet. Ich setze sie als Mittelachse der ausgestreck­ ten Hand derart, daß sie durch deren Mittelfinger („langen finger“) verläuft. Dann ziehe ich hierhin die Hand in aufrechter Stellung, so daß sie oben mit dem Mittelfinger die Querlinie c berührt. Unten lasse ich die Linie d mitten durch das Handgelenk queren. Da­ nach ziehe ich aus Punkt 110 eine Querlinie g, welche die Kuppe des Ringfingers („golt fingers“) tangiert. Ferner setze ich einen Punkt in die Mitte zwischen 1 und 2 auf der Vertikalen a b, aus dem ich die Linie h ziehe, sie berührt die Kuppe des Zeigefingers. Auch aus dem Punkt 4 ziehe ich eine Querlinie i, die ihrer­ seits das Ende des kleinen Fingers markiert; desglei­ chen aus Punkt 7 eine Linie k, die das Ende des Dau­ mens berührt. Nachdem ich die Endpunkte der Finger angezeigt habe, bezeichne ich ihre untersten, mit der Hand ver­ bundenen Gelenke. Ich ziehe dazu aus Punkt 11 eine Horizontale l, welche die untersten Gelenke von Zei­ ge­ und Mittelfinger schneidet, die sich in gleicher Ebene der Hand befinden. Demzufolge ist der Mittel­ finger länger als der Rest der Hand unter ihm. Die Stelle, an der diese Linie l die Vertikale e f schneidet, bezeichne ich mit m. Nun setze ich einen Zirkel mit einer Spitze in Punkt f, mit der anderen in m und schla­ ge um f einen Kreisbogen, so weit ich seiner bedarf. 100 Das ist Gegenstand von Buch IV. 101 Siehe Typ A, Nr. 277.. 102 Die zwei letzten Zahlen der Skala a b in der Illustra­ tion Nr. 277.2 sind fehlerhaft, sie müssen 17 und 18 lauten. 10 „auß dem punckten i“, gemeint ist Punkt 1 an der vertikalen Skala a b.

fol. E2v / fol. E3r

In seiner Rundung plaziere ich das jeweils unterste Gelenk des Ringfingers10 und des kleinen Fingers, die tiefer in der Hand als105 die der vorderen zwei Fin­ ger liegen. Ferner ziehe ich aus Punkt 14 eine Hori­ zontale n, die quer durch das untere Daumengelenk geht. Nachdem nun die Länge der Hand und aller Fin­ ger bestimmt ist, will ich auch die oberen („vorter“) Fingergelenke anzeigen; dazu ziehe ich aus dem Punkt 10 eine Querlinie o, die mitten durch das ande­ re Daumengelenk geht. Nun halbiere ich den Zeige­ finger in seiner Länge zwischen h und l mittels einer Horizontalen, die sein zweites Gelenk mittig schnei­ det. Die obere Hälfte [der so gewonnenen Strecke] teile ich dann der Länge nach mit sechs Punkten in sieben gleiche Abschnitte und ziehe aus dem dortigen Punkt 3 eine Querlinie, die mitten durch das oberste Gelenk dieses Fingers verläuft. Danach ziehe ich aus Punkt 6 eine Horizontale p,106 die das mittlere Gelenk des Mittelfingers schneidet. Ich teile ferner die Stre­ cke zwischen den Querlinien c und p mit sechs Punk­ ten in sieben gleiche Abschnitte und ziehe aus dem dortigen Punkt 3 eine Horizontale, die mitten durch das vorderste Gelenk des Mittelfingers verläuft.107 Die Querlinie k schneidet das zweite Gelenk des Ringfin­ gers. Dessen [restlichen] oberen Abschnitt unterteile ich mit acht Punkten in neun gleiche Abschnitte und ziehe aus dem dortigen Punkt 4 eine Horizontale, die das oberste Gelenk desselben Fingers in der Mitte schneidet.10 Dem kleinen Finger gebe ich entweder die Länge der zwei hinteren Teile des Mittelfingers109 oder lasse das zuvor bestimmte Maß bestehen. Diese Länge unter­ teile ich mit zehn Punkten in elf gleiche Abschnitte110 und ziehe aus dem dortigen Punkt 6 eine Querlinie, die das Mittelgelenk des kleinen Fingers schneidet. Nun teile ich die sechs oberen Abschnitte [der eben benutzten Skala] erneut und zwar wiederum mittels zehn Punkten in elf gleiche Abschnitte und ziehe aus dem so gewonnenen Punkt 5 eine Querlinie, die mit­ „gold ... fingers“, gen.: ‚Ringfinger‘. „weder“: ‚als‘. Hier ist wieder die linke Grundskala gemeint. Es handelt sich um die dritte Skala von links. Vierte Skala von links. Gemeint ist die Spanne zwischen dem unteren Ge­ lenk, dem Knöchel (auf der Querlinie 11 bzw. Punkt m) des Mittelfingers und seinem obersten Gelenk (Punkt  der – von links – dritten Skala); diese Span­ ne entspricht der Länge der fünften Teilskala, die den kleinen Finger umfaßt. 110 Also die fünfte Skala von links.

10 105 10 107 10 109

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fol. E3v

fol. E3v

(Nr. 277.26)

ten durch das vorderste Gelenk dieses kleinen Fingers verläuft.111 Der Leser möge die Zahlen unterscheiden: ob sie aus der Strecke a b oder aus den übrigen kleine­ ren Skalen genommen sind. Jeden Fingernagel mache ich halb so lang wie das Glied des Fingers, auf dem er sich befindet. Auf bei­ den Seiten des Mittelfingers hat der Fingerspalt die halbe Länge der ganzen Hand, jedoch zwischen dem Ring­ und dem kleinen Finger geht der Spalt tiefer in die Hand, noch tiefer geht er allerdings zwischen dem Daumen [und dem Zeigefinger]. Nachdem ich die Länge der Hand und ihrer Teile beschrieben habe, will ich nun die Breiten­ und Tie­ fenmaße ihrer Teile anzeigen. Und abweichend von dem Verfahren bei den Figuren vorn, wo ich nach der 111 Die Skala rechts.

fol. E3v / fol. E4r

fol. E4r

Seitenansicht zuerst die Tiefenmaße beschrieben habe, paßt es besser bei der Hand, wenn ich mich zunächst ihren Breitenmaßen im ausgestreckten Zustand zu­ wende und erst anschließend ihren im Seitenanblick ersichtlichen Tiefen. Die f lache Hand mache ich in Höhe der Querlinie d 7/19, in Höhe der Querlinie n 11/19 der Länge a b breit; denn am Knöchel des Daumens ist die Hand am breitesten. Die Breite der Hand vom linken Rand des Zeigefingers auf der Horizontalen l entlang den unte­ ren Gelenken aller Finger bis zum Ende des Kreisbo­ gens112 am äußeren Ende des kleinen Fingers mache ich gleich der Länge des Zeigefingers.

112 „zirckeldrum“, vgl. Trumm: ‚Ende‘, ‚Teilstück‘; Grimm 22, Sp. 10.

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Dem Mittelfinger gebe ich an seiner Wurzel die Brei­ te 1/5 seiner eigenen Länge, an seiner Kuppe um 1/ die­ ser Spanne weniger. Den Zeigefinger mache ich un­ ten ebenso breit wie den Mittelfinger, vorn jedoch ein wenig schmäler als diesen. Den Ring­ und den klei­ nen Finger mache ich jeweils 1/5 seiner eigenen Län­ ge breit, oben je ein 1/ schmäler als unten. Dem Dau­ men gebe ich in seinem oberen („mitlern“) Gelenk die Breite 1/ seiner eigenen Länge. Die Finger wurzeln in der Hand jeweils mitten in ihrer Breitenausdehnung, dort will ich im Aufriß kleine Ringe einzeichnen.11 Man achte darauf, daß kein Finger der Hand in seiner Form dem anderen gleicht. Das untersuche man bei den Menschen, man wird es so finden. Auch beob­ achte11 ich, daß die ausgestreckte Hand [an ihren Seiten] nicht ganz gerade verläuft, sondern bei dem kleinen Finger ausbuchtet. Abschließend lege ich die Tiefenmaße der Hand in der Seitenansicht fest, im Handgelenk gebe ich das Maß 5/19 der Gesamtlänge a b. Die Spanne quer durch den Knöchel des Daumens auf der Querlinie n hat die Hälfte der Breite der f la­ chen Hand, das gleiche gilt für den Querschnitt durch den Daumenballen. Da die Hand sich nach innen wölbt, insofern der Daumen und der kleine Finger ein­ wärts gerichtet sind, ist die Hand weniger dick als sie zu sein scheint bzw. als es die Umrißlinien zeigen. Der Daumen ist in seinem oberen Gelenk ebenso dick wie das äußerste Glied des kleinen Fingers lang ist, zur Spitze hin ist er um 1/ dünner, doch gegen den Knöchel wird er dick. Die Finger sind in ihren Maßen so dick als breit, allein in den Gelenken ver­ jüngen sie sich ein wenig. Nachdem ich nun alle Längen­, Breiten­ und Tie­ fenmaße der Hand verzeichnet habe, ziehe ich die Gestalt der Hand mit Linien, wie im folgenden aufge­ rissen. Wer das nachmacht, der achte darauf, daß er die Linien nicht verziehe („verfür“), denn sie richtig zu ziehen, ist schwer. fol. E4r

Ferner will ich eines starken Mannes Fuß einge­ hender115 als vorne geschehen beschreiben, den Fuß eben des Mannes von acht Kopf längen, den ich vorne 11 Diese Ringe („ringlein“), die bei den ganzfigurigen Typen D/D I und E/E I des Buchs I die Gelenke markieren, erscheinen jedoch nicht im Hand­Riß (Nr. 277.2) – stattdessen Klammern, die den Knö­ cheln entsprechen. 11 „prüff ich“: prüfen im Sinne von ‚beobachten‘, ‚wahr­ nehmen‘; Grimm 1, Sp. 21. 115 „verstendiger“: ‚fürs Verstehen geeignet‘, ‚eingehen­ der‘.

E3v / fol. E4r

gemacht habe, dessen Füße 1/ lang und 1/17 breit sind.11 Auf Basis dieses Längen­ und Breitenverhältnisses ziehe ich ein überlängtes Viereck und lege es quer vor mich auf eine Ebene. Da hinein zeichne ich den Fuß und zwar so, daß er auf beiden Seiten, hinten und vorn, [den Rahmen] berührt, wie ersichtlich werden wird, wenn ich die Gestaltlinien des Fußes einzeich­ nen werde. Die obere Seite117 bezeichne ich mit a, die untere („neher“) mit b. Von den kurzen Seiten bezeich­ ne ich die vordere, wohin ich die Zehen setzen will, mit c, die hintere mit d. In diese queroblonge11 Fläche setze ich den Fuß so, dass er f lach [wie von oben gese­ hen] dem Grund auf liegt. Anschließend unterteile ich dieses Viereck zunächst der Länge nach zwischen c und d mit zwei senkrechten Linie e und f in drei glei­ che Abschnitte, wobei das e vorn [rechts, Verf.] stehen soll. Die Buchstaben, die ich zuerst nenne, sollen je­ weils davor gesetzt [verstanden] sein, damit kein Irr­ tum über die Einteilungen entsteht. Also merke: Ob­ wohl die einzelnen Buchstaben durcheinander gesetzt werden, sollen doch stets die erstgenannten, wie ge­ sagt, nach vorn gesetzt werden.119 In den vorderen Abschnitt zwischen c und e werde ich die Zehen setzen, in das mittlere zwischen e und f den Mittelfuß, in das hintere Drittel werde ich die Ferse mit dem Ansatz des Beines setzen. Danach un­ terteile ich die Seitenlinie d mit sechs Punkten g h i k l m in sieben gleiche Abschnitte und ziehe aus dem Punkt g eine Horizontale zur gegenüberliegenden Seitenlinie c; wo sie auf diese trifft, setze ich n, wo sie aber zuvor die Vertikale f schneidet, setze ich o. Nun teile ich die Strecke l m mit einem Punkt p in der Mit­ te und ziehe aus diesem Punkt p eine Querlinie bis zur Senkrechten f, da setze ich ein q. Dann ziehe ich eine schräge120 Linie k q. Nun setze ich einen Punkt r auf die Seitenlinie c mitten zwischen a und b. Sodann unterteile ich die Strecke r b mit zwei Punkten s und t 11 Diese Maße entsprechen dem Typ C (Nr. 277.12); es geht zunächst um den Grundriß des Fußes. 117 „die ferrer lang seyten“, fer, ferrer (Komp.): ‚fern‘, ‚abgelegen‘, hier: ‚oben‘. 11 „ablang“, oblong (lat. oblongus): ‚länglich‘, ‚querlie­ gend‘. 119 Dieselbe dunkle Erläuterung kürzer und verständ­ licher in der Reinschrift von 152, R III, S. 205. Also: die jeweils voran gesetzten Kenn­Buchstaben betreffen stets die im Fuß weiter vorn (zu den Ze­ hen) gelegene Position. 120 „schleme (lini)“ oder „schleme“ (Adj. oder Subst.): ‚schräg‘, ‚schief‘, ‚diagonal‘; Grimm 15, Sp.  (schliem).

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fol. E4v

in drei gleiche Abschnitte. Auch die Strecke b e unter­ teile ich mittels zweier Punkte v und x in drei gleiche Abschnitte. Dann wiederum teile ich e f mit zwei Ver­ tikalen y und z in drei gleiche Abschnitte sowie [da­ neben] f d mit zwei Punkten st und ß in drei gleiche Abschnitte. Dann setze ich dort tz, wo die Horizonta­ le g die Vertikale e schneidet. Sodann ziehe ich aus Punkt h eine Querlinie zur Senkrechten f, wo sie die­ se schneidet, setze ich ai. Nun unterteile ich r s mit zwei Punkten 1 und 2 ebenfalls in drei gleiche Ab­ schnitte.121 Dann unterteile ich x e mit zwei Punkten 1 und 2 ebenfalls in drei gleiche Felder. Sodann un­ terteile ich ß d mit vier Punkten 1 2 3 4 in fünf gleiche Abschnitte, aus Punkt 3 ziehe ich eine Senkrechte auf die Horizontale h ai, dahin setze ich bi. Man achte darauf, daß ich die Kennbuchstaben für alle kurzen Linien auf der Horizontalen a angeordnet habe. Von dieser Linie ziehe ich etliche Diagonalen: eine e n, eine weitere r tz, wieder eine andere vom Punkt 2 zwischen r und s in den Punkt y, ferner eine b o und eine v ai. Nun ziehe ich aus Punkt st eine senkrechte Linie auf die Diagonale k q, dahin setze ich ci. Dann setze ich den Zirkel mit der Spitze auf Punkt tz und reiße mit dem freien Schenkel von Punkt n einen Kreisbo­ gen bis an die Schräge r tz, dann wieder, bei unver­ rückter Spitze, einen Kreisbogen zwischen den Dia­ gonalen t z und b o.122 Ich lasse dann den Zirkel mit der Spitze weiter in Punkt tz stehen, verenge ihn aber und setze den freien Schenkel auf Punkt 2 der Linie b zwischen x und e und reiße von dort bis an die Diago­ nale b o. Bei gleichbleibendem Mittelpunkt tz setze ich nun den freien Schenkel auf Punkt r und reiße ei­ nen Kreisbogen bis an die Diagonale t z. Nachdem ich nun mit Hilfe der Diagonalen und Kreisbögen angezeigt habe, wohin ich die Zehen stel­ le und wo ich sie vorne begrenze, will ich im fol­ genden die einwärts liegenden Zehengelenke bestim­ men. Ich setze einen Punkt auf die Vertikale e mittig zwischen deren Schnittpunkte mit den Diagonalen b o und v ai. An diesem Punkt plaziere ich den hinteren Gelenkknöchel des zweitkleinsten Zehs, setze dann den Zirkel mit der Spitze in Punkt z und mit dem anderen Schenkel auf den eben definierten Punkt und reiße einen Kreisbogen bis an die Querlinie g n, da­ hin setze ich das hintere Gelenk des großen Zehs. Auf 121 Die Drittelung dieses Abschnitts mittels der zwei Ziffern ist in der Illustration (Nr. 277.27) nicht er­ sichtlich. 122 Wohlgemerkt: der Punkt tz ist von der Strecke („schlemen“) t z zu unterscheiden.

fol. E4r / fol. E4v

diesem Kreissegment mache ich zwei Punkte jeweils zwischen den Diagonalen s y, t z sowie b o, wo ich die hinteren Gelenke der beiden mittleren Zehen anord­ ne. Diese Zehenknöchel will ich in meinem Aufriß je nach Größe mit Ovalen („ablangen ringlein“) be­ zeichnen. Das hintere Gelenk des kleinen Zehs setze ich als Punkt auf die Vertikale e mittig zwischen die Bodenlinie b und den Schnittpunkt von e mit der Di­ agonalen zwischen v und ai. Der große Zeh hat zwei Glieder, das fußeinwärts gelegene Glied [dieses Zehs] mache ich ein wenig länger als das vordere.12 Die drei mittleren Zehen unterteile ich jeweils anhand ihrer Glieder und zwar so, daß das je hinterste Zehenglied so lang wird wie die zwei vorderen zu­ sammen. Jedoch sind die vordersten Glieder der drei mittleren Zehen um ein Viertel länger als das zweite Glied dahinter; das liegt nicht am inneren Skelettbau, sondern an dem Fleisch an der Kuppe. Am hinteren Gelenk des kleinen Zehs mache ich einen starken Bal­ len, vorn lasse ich den Zeh enden bei Linie x. Sein hinterstes Glied mache ich länger als die zwei vorde­ ren. Im übrigen mache ich die Fußnägel aller Zehen halb so lang wie das Glied, auf dem sie sich befinden. Nun setze ich den Zirkel mit der Spitze auf Punkt y und mit dem freien Schenkel ein wenig über den Punkt auf Linie e, der das hintere Gelenk des kleinen Zehs anzeigt, ziehe von da einen Kreisbogen durch die Dia­ gonalen und markiere sie an den Schnittpunkten des Bogens mit kurzen Linien. Bis hier ziehe ich den Spalt zwischen den Zehen in den Fuß, wenn ich auch die Endpunke („arten“) und Einhöhlungen („holkelen“) weit tiefer in den Fuß ziehe. Die Linie f soll den Rist an der Stelle, wo das Bein aufsteigt, berühren, der Abschnitt unterhalb tritt zwei Drittel zwischen f und z nach vorn. Nun unterteile ich ß d mit vier Punkten in drei12 gleiche Abschnitte, aus dem dortigen Punkt 3 ziehe ich eine Senkrechte, die hinten die Achillessehne („spann ader“) berührt. Nachdem ich die Geraden, Diagonalen und Kreis­ bögen („kromen linien“) gezogen habe, mit denen der Fuß komplett umrissen125 ist, ziehe ich die Ge­ staltlinien, wie sie in der Ansicht des auf den Grund 12 Aus dem Zusammenhang geht hervor, daß hier und in der folgenden Passage mit dem Worte „glyd/gly­ der“ nicht, wie sonst, Gelenk/Gelenke, sondern Glied/Glieder in heutigem Sinne gemeint sind. 12 Die genannte Zahl „drey“: Schreibfehler, es muß heißen ‚fünf‘. 125 „gepossiert“, von bossieren: ‚in Bosse, in Rohform gebracht‘.

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fol. E4v / fol. E5r

fol. E4v

fol. E5r

gesetzten Fußes erscheinen sollen, und fange damit vorn an. Ich beginne mit dem großen Zeh mitsamt seinem Ballen in Punkt e, ziehe die Linie außerhalb der Dia­ gonalen e n bis weit in die Mitte des hinteren Zehen­ gliedes, biege sie nun über die Diagonale e n nach in­ nen, dann im vorderen Zehenglied wieder an sie heran. Von hier ziehe ich den Umriß der Zehe bis hin zum Kreissegment zwischen n und r, dann nach in­ nen, so weit der Spalt reicht, bis an die Linie r tz. Da­ nach zeichne ich die drei mittleren Zehen jeweils zwischen ihren Diagonallinien und lasse sie vorn die betreffenden Kreisbögen berühren. Es ist darauf zu achten, daß der große Zeh nicht gänzlich geradeaus stehen soll, wie dies bei vielen groben Menschen zu finden ist. Aus diesem Grund habe ich die Diagonal­ linien gezogen mit der Folge, daß die Zehen mehr

oder weniger auswärts gegen den kleinen Zeh gestellt sind, wie es die Stärke und die Schönheit12 verlangen. Deswegen lasse ich einen Zwischenraum („spacien“) frei zwischen dem großen und den nächsten Zehen, denn die mittleren drei sollen weiter als der große auswärts gerichtet stehen. Den kleinen Zeh ziehe ich jedoch einwärts an die anderen Zehen entlang der Diagonalen v ai; ich ende ihn außerhalb127 der Linie e, zwei Drittel zwischen seinem hintersten Gelenk und der Grundlinie b. Den vordersten Zeh zeichne ich am größten, die nachfolgenden, einen nach dem anderen, immer kleiner. Ich trage ferner die Form der Knöchel und der übrigen Details ein – wiederum ein jedes an­ 12 „wolstand“ (lat. decus): ‚Schönheit‘, ‚Wohlgeformt­ heit‘; Grimm 0, Sp. 112. 127 „außwendig“: ‚außen‘, ‚außerhalb‘.

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fol. E5r

ders als die übrigen. Danach ziehe ich die Außenlinie des Fußes am Ballen des kleinen Zehs entlang bis in den rechten Winkel, den die Linien b und y bilden. Danach ziehe die Linie des Fußes auf der Innen­ seite beginnend bei Punkt e, deutlich eingebogen bis zur Linie y mitten zwischen den Horizontalen a und n g, weiterhin („ferrer“) einwärts gebogen bis zur Ver­ tikalen f mitten zwischen f und o, sodann nach hinten, wo ich die Fersenrundung bis an die seitliche Senk­ rechte d führe bis hin zu Punkt h. Von hier ziehe ich die Fersenlinie mit einer unregelmäßigen12 Krüm­ mung bis zur Diagonalen k q. Bei der Senkrechten st mache ich eine Einkrümmung, und vom Punkt q zie­ he ich die Linie vollends zum Ballen hinter dem klei­ nen Zeh bis zum Schnittpunkt von y und b. Die Fuß­ sohle kennzeichne ich auf der Innenseite mit einer eigenen gepunkteten Linie. Auf der Senkrechten st mache ich den Querschnitt im Rist durch beide Fuß­ knöchel 1/2, unter den Knöcheln 1/1 weit;129 die­ sen Schnitt [unter den Knöcheln] setze ich an der Zweidrittelmarke der Distanz f z.10 Ich ziehe den in­ neren Knöchel f lacher, den äußeren spitzer, der innere ist weiter vorn, der äußere mehr rückwärts angeord­ net. Entsprechend länger und f lacher ist die Form der Hohlkehle neben der Achillessehne hinter dem inne­ ren Knöchel, als es außen der Fall ist. Danach ziehe ich einen eigenen Fußballen auf der Außenseite nahe dem Beinansatz bis vor die Linie f hin zur Linie z; das ver­ leiht dem Fuß Ansehnlichkeit. Dann ziehe ich den Umriß des Ballens hinter dem kleinen Zeh über die Linie y hinaus bis zur Mitte der Distanz zwischen y und z. Beim Einzeichnen der Gestaltlinien soll man Acht geben auf die Wohlgestalt, damit nichts verdorben werde. Abschließend zeichne ich gesondert zwei Quer­ schnitte e und f durch den Fuß, um zu zeigen, welche Erscheinungsform sie im Schnitt11 besitzen, damit al­ les dieses umso deutlicher werde. Nach Art und Wei­ se dieser zwei Querschnitte kann man in allen Körpern Schnitte machen – sowohl gerade als auch schräge Schnitte.

12 „frembde krume lini“, Cam. I, fol. Fr übersetzt: „imparilem curvaturam“ (Akk.), ‚ungleiche Krüm­ mung‘. 129 Im Grundriß des Fußes erscheint nur die erste, obe­ re Maßangabe (bei Linie st), die zweite, darunterlie­ gende ist in der rückseitigen Ansicht des Fußes ver­ zeichnet (dort zwischen den Horizontalen a und e). 10 Markiert mit 1, links von z. 11 Dürer schreibt „in der ebene“, meint damit vermut­ lich die Schnittebene.

fol. E4v / fol. E5r

Anschließend will ich den Fuß aus dem Grundriß [in die Seitenansicht] aufziehen12 und zwar vom Bo­ den bis in die Höhe 1/2 [der gesamten Körperlän­ ge];1 dazu reiße ich per Übertrag aus dem Grundriß die bestehenden Linien c e y z f d und was sonst noch nötig ist senkrecht nach oben. Diese aufgezogenen Linien durchschneide ich mit zwei Horizontalen im [besagten] Abstand 1/2. Das ergibt erneut ein über­ längtes Viereck, in das ich den [in die Seitenansicht] übertragenen Fuß stelle. Danach unterteile ich die Querseiten a und b1 mittels zweier weiterer Horizon­ talen e und f in drei gleiche Abschnitte. Somit zeigen die vordersten („ersten“) nach oben gezogenen Lini­ en die verschiedenen Teile des Fußes der Länge nach an, als da sind die vordersten Abschnitte der Zehen, dann deren Gelenke und Spalten, auch wo die Zehen­ nägel hingehören, wo der Fuß in seiner gesamten Be­ schaffenheit und wo die Ballen sowie der Beinansatz auf der Ferse jeweils aufgezogen werden. Und mit den Querlinien zeige ich die Höhenmaße des Fußes und seiner Teile an; die Sohle stelle ich platt auf die Linie b. Im weiteren unterteile ich die vertikale Seite c zwi­ schen den Horizontalen f und b mit zwei Punkten 1 und 2 in drei gleiche Abschnitte, sowie die Vertikale e zwischen den Horizontalen e und f mit drei Punkten 1 2 3 in vier gleiche Abschnitte. Sodann ziehe ich noch eine Querlinie mittig zwischen die Querlinien a und e auf dem Abschnitt, den die Senkrechten z und d begrenzen. Danach ziehe ich die Gestaltlinien des Fußes an­ hand dieser Markierungen, beginne im Schnittpunkt der Horizontalen a mit der Vertikalen f und ziehe die Linie des Fußristes abwärts bis zur Senkrechten e in den [dortigen] Punkt 3, von da den Rücken („bal­ len“) hinter dem großen Zehen hinab entlang der Querlinie f. Danach fahre ich mit der Linie nach vorn abwärts bis zum Punkt 1; dort endet der große Zeh an seiner vorderen Oberseite. Der kleine Zeh berührt oben mit seinem hinteren Gelenk und Ballen das

12 „auffzihen“: das Wort für die oft wiederholte Pro­ zedur der Übertragung eines Grundrisses in einen Aufriß.Wir bleiben bei dieser Bezeichnung Dürers. 1 Diese Bruchzahl gleicht keiner der Vergleichsdaten beider Männer von acht Kopflängen (Typ B und C) genau. 1 Die Benennung a und b ist stillschweigend einge­ führt in Analogie zum unteren Diagramm.

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fol. E5v

oberste Viertel der Strecke f b.15 Danach ziehe ich die [Seitenumrisse der] drei mittleren Zehen in folgender Ordnung, den längsten Zehen mache ich am höchs­ ten, die folgenden jeweils niedriger als den vorigen, den kleinen Zeh jedoch deutlich niedriger. Dessen Ballen ziehe ich über die Vertikale y hinaus. Den Sei­ tenballen des Fußes zeichne ich so ein, daß er oben die Querlinie e berührt und mit seiner Unterseite im oberen Drittel zwischen den Querlinien f und b en­ det;1 vorn rührt der Ballen an den Schnittpunkt der Horizontalen f mit der Vertikalen z und endet hinter der Vertikalen st zwischen den Horizontalen e und f. Danach zeichne ich die Ferse so, daß sie auf der Quer­ linie f die Seitensenkrechte d berührt, ziehe die Fer­ senlinie aufwärts in den Schnittpunkt der Querlinie e mit der Vertikalen 3, die ich aus ihrem Punkt auf der oberen Querlinie a zwischen ß und d gezogen habe. Von dort führe ich die hintere Linie des Beins hoch. Nun zeichne ich den [hier sichtbaren] äußeren Fuß­ knöchel von Punkt 3 ausgehend nach hinten und ab­ wärts bis auf die mittlere Querlinie zwischen den Ho­ rizontalen a und e.17 Oberhalb des Ristes über dem Knöchel mache ich das Bein in der Seitenansicht 1/2 stark. Und vorn ziehe ich die Linie des Schienbeins von Punkt f auf seiner Vertikalen schräg nach hinten an­ steigend, den oberen Ansatz („absatz“) der Ferse ziehe ich von der Querlinie e schräg abwärts nach vorn.1 Im folgenden will ich den Fuß noch ein wenig von der Rückseite anzeigen; dazu mache ich ein Vier­ eck so hoch und so breit der Fuß ist und ziehe dahi­ nein per Übertrag die Punkte und Linien, die den Fuß unterteilen und alle Details anzeigen wie etwa, daß der innere Knöchel höher als der äußere stehen soll. Der Ristbreite durch die Fußknöchel gebe ich 1/2,

15 Die vertikale Lokalisierung dieser Stelle (Oberrand des kleinen Zehs) am betreffenden Abschnitt der Außenvertikalen f b ist ungewöhnlich, eigentlich müßte dieVertikale e genannt sein, an der die besag­ te Viertelung erscheint. 1 Hier der gleiche Fall, allerdings ist die betreffenden­ de Drittelung der Distanz f b nun auf der Außen­ senkrechten c eingetragen. 17 Diese Angabe ist in der Illustration nicht ersichtlich. Cam. I, fol. Fv. gibt denn auch statt einer wörtli­ chen Übersetzung eine Beschreibung des betreffen­ den Bild­Details: „Talum exteriorem (...) duces a puncto ß ...“, also von Punkt ß ausgehend. 1 „hinfür“: ‚vorwärts, ‚voran‘; sonst bezeichnet Dürer die Zehen als vorn gelegen, hier ausnahmsweise die Ferse.

fol. E5r / fol. E5v

der Breite auf der Mittellinie zwischen den Horizon­ talen a und e 1/1. Und das Bein über beiden Knö­ cheln mache ich 1/ breit. Mit der Methode, nach der die Rückansicht des Fußes angefertigt ist, kann man auch seine Vorderan­ sicht machen. Meine Lektion („meinung“) habe ich anschließend eigens illustriert und dabei mehr ange­ zeigt als ich beschrieben habe. Daraus wird leicht ver­ ständlich werden, wie auf Grund der beiden ersten Risse dieser dritte Riß zu konstruieren ist.

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fol. E5v (Nr. 277.27)

fol. E6r

Nachdem der Fuß abgehandelt ist, will ich im wei­ teren eines Weibes Haupt genauer als zuvor beschrei­ ben und dabei dieselbe Methode gebrauchen wie vor­ hin beim Haupt des Mannes. Und entsprechend dem Weib von acht Hauptlängen vorn in der Reihe der ganzfigurigen Bilder („der andern sort der bilder“) will ich auch hier die Höhe eines Achtels vorausset­ zen, jedoch ebenso dimensioniert wie das Haupt des Mannes.19 Zunächst stelle ich drei Vierecke neben­ einander und mache jedes per Übertrag ein Achtel hoch; das erste auch ein Achtel breit, dahinein setze ich das Haupt in Seitenansicht. Die zwei anderen Vierecke mache ich, sowohl für die frontale als auch für die rückseitige Ansicht, jeweils 1/10 breit. Zu Be­ ginn bezeichne ich die zwei senkrechten Seiten des 19 Gemeint ist die Größe der Holzschnittwiedergabe.

fol. E5r / fol. E6r

fol. E6r

Vierecks, in das ich das Profil des Hauptes stelle, und zwar die Seite, wohin ich die Nase richte, mit a, die entgegen liegende mit b. Sodann markiere ich mit weiteren senkrechten Linien zwischen a und b sämt­ liche Distanzen der Tiefe nach innerhalb des Profil­ kopfes und bezeichne jede von ihnen mit einem eige­ nen Buchstaben, und wenn ich sie mit Zahlen beschreibe,10 handelt es sich um Bruchteile des ganz­ figurigen Bildes. Ich setze nun die [von rechts gesehen] erste senk­ rechte Linie c 1/0 entfernt von der Seitenlinie a. Die­ se Linie berührt den Wirbel auf der Stirn am Haaran­ satz, hier enden auch die Augenbrauen vorn, denn diese sollen über der Nase nicht zusammengewachsen 10 Gemeint sind die Diagramme außerhalb der Kopf­ konstruktionen.

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sein. Auch berührt Linie c die Oberlippe. Danach set­ ze ich eine weitere Linie d 1/ entfernt – stets von Linie a gerechnet. Diese Linie berührt vorn die obe­ ren Augenlider11, die Unterlippe des Mundes und die Kinnspitze. Ich ziehe eine weitere Linie e 1/5 ent­ fernt; diese trifft auf die Augenlider, berührt vorn den Augapfel, hinten die Nasenf lügel, den Mundwinkel und die Hohlkehle unter der Unterlippe. Ich setze nun eine Linie f 1/0 entfernt, die den hinteren Au­ genwinkel berührt. Eine weitere Linie g setze ich 1/2 entfernt, diese berührt hinten das Ende der Augen­ brauen und ganz unten die Eintiefung12 unter und hinter dem Kinn. Danach setze ich eine Linie h 1/22 entfernt, die vorn den Halsansatz berührt. Weiter set­ ze ich eine Linie i 1/1 entfernt, die den vorderen Rand des Ohrs berührt. Danach ziehe ich eine Linie k 1/11 entfernt; an dieser Linie endet die Ohrmuschel, doch das Ohrläppchen verbleibt auf der halben Stre­ cke i k. Danach setze ich eine Linie l 1/9 entfernt, sie berührt den hinteren Haarwirbel und den Nacken an der Grenze zum Haupt, von hier ziehe ich die Halsli­ nie schräg nach hinten abwärts. Danach ziehe ich die letzte dieser senkrechten Parallellinien m 2/17 weit entfernt, sie trifft mitten in den Nacken. Nachdem ich alle Senkrechten gezogen und ange­ zeigt habe, was sie berühren sollen, markiere ich mit parallelen Querlinien die vertikalen Distanzen der Teile des Profilkopfes. Die erste und oberste Querlinie des besagten Vier­ ecks sei n, sie tangiert die höchste Wölbung des Hauptes. Die unterste Linie sei y.1 Danach ziehe ich eine Querlinie o im Abstand 1/0 zur Kopf linie n, sie be­ rührt den hinteren Haarwirbel des Hauptes. Dann ziehe ich eine Linie p 1/0 unter n, sie berührt den vorderen Haaransatz. Ich ziehe eine Linie q 1/1 un­ ter n, sie berührt die Augenlider oben sowie den obe­ ren Rand der Ohrmuschel; auf dieser Linie liegen hinten und vorne auch die Augenbrauen, in der Mitte ziehe ich diese jedoch darüber. Dann ziehe ich eine Linie t mittig zwischen die Linien q und y, sie berührt den unteren Nasenrand und den Ort, wo Hinterkopf und Genick zusammentreffen. Danach ziehe ich eine Linie r in Höhe des obersten Drittels der Spanne zwi­ schen q und t, sie berührt unten das untere Augenlid. In die Mitte zwischen den Horizontalen q und r setze ich beide Augenwinkel und den Augapfel. Danach trenne ich das unterste Viertel zwischen q und t mit­ 11 „aug glider“: ‚Augenlider‘. 12 „wüne/wünen“: ‚Eintiefung‘, ‚Furche‘. 1 Im Druck heißt es fälschlich „ry.“; das r ist zu strei­ chen.

fol. E6r

tels einer Linie s ab, sie berührt oben die Nasenf lügel und unten die Ohrläppchen.1 Danach halbiere ich den Abstand zwischen den Horizontalen t und y mit einer Linie x, die oben das Kinn berührt. Ich halbiere auch den Abstand zwischen den Linien t und x mit einer Linie v, diese geht mitten durch den Mund. Ich unterteile t v in drei gleiche Abschnitte, in deren un­ tersten setze ich die Oberlippe, in die beiden oberen Drittel die Zone der Nasenrinne („holkeln“) zwi­ schen Nase und Mund. Die Distanz zwischen v und x halbiere ich, die obere Hälfte für die Unterlippe, die untere Hälfte für die Einhöhlung zwischen der Un­ terlippe und dem Kinn.

1 Die Distanz zwischen den Horizontalen q und t ist sowohl gedrittelt wie geviertelt; die betreffenden Diagramme links vom Profilkopf.

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fol. E6v

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fol. E6v / fol. F1r

fol. E6v

fol. F1r (Nr. 277.28)

Danach ziehe ich eine Diagonale aus dem Schnittpunkt der Senkrechten c mit der Waagerechten p in den Schnittpunkt der rechten Seitenlinie a mit der Boden­ linie y. Entlang dieser Diagonalen ziehe ich die Linie der Stirn zwischen p und q sowie anschließend die der Nase zwischen q und t. Danach unterteile ich das zweite Viereck, das des En­face­Hauptes, per „Übertrag“ mit den Querlinien aus dem ersten Viereck, anschließend unterteile ich es auch mit senkrechten Linien. Die beiden senkrechten Seiten des Vierecks bezeichne ich mit a und b. Dann unterteile ich die Distanz zwischen a und b mittels neun Linien d e f g h i k l m in zehn gleiche Abschnitte. Zusätzlich halbiere ich die Distanzen a d sowie m b mit je einer Linie c und n. Nachdem nun die Linien in bei­

den Vierecken, rechtwinklig sich querend15, gezogen sind, innerhalb derer die Teile des Gesichtes begriffen sind, ziehe ich die Gestaltlinien hinein – und zwar von kleinerem und zarterem Gepräge und süßerer Art als des Mannes Gesicht. Ich zeichne zuerst das Haupt in Seitenansicht, so daß es oben die Horizontale n am Schnittpunkt mit der Vertikalen i sowie hinten die Vertikale b zwischen den Querlinien p und q berührt. Danach zeichne ich die Vorderseite des Hauptes, Stirn, Nase, Mund, Kinn, Wangen, Ohren, sodann die Augen und die Linie des Haaransatzes, sämtlich gemäß den

15 Dürer spricht von „quadraturen“, worunter recht­ winkelige Vierecke, nicht unbedingt gleichseitige verstanden sind. Wenig später folgt für denselben Sachverhalt die Formulierung „kreutz linien“.

D Buch I

vorbereiteten Markierungen. Und den Hals mache ich 1/1 tief. Danach ziehe ich die Gestaltlinien in das Linien­ gitter des frontalansichtigen Vierecks. Zuerst zeichne ich die Rundung des Haupts, so daß dieses oben die Querlinie n in der Mitte sowie an den Seiten die Ver­ tikalen a und b jeweils zwischen p und q berührt. Da­ nach ziehe ich die [Umrißlinien der] Kinnbacken von den zwei Senkrechten unter der Querlinie r abwärts, bis sie unten am Kinn zusammentreffen.1 Die Ohren plaziere ich auf beiden Seiten zwischen den Vertika­ len a c und n b und zwar zwischen den Querlinien q und s. Doch die Ohrläppchen ziehe ich jeweils ein wenig über die Senkrechten c und n nach innen. Hier­ auf weise ich erneut hin, damit man es sich umso mehr („destpaß“) merke. Danach ziehe ich die Linien des Halses unterhalb der Ohren abwärts bis zur Grundli­ nie y, da mache ich den Hals 1/15 breit. Danach ziehe ich den Umriß des [vom Haupthaar] unbedeckten Teils der Stirn von beiden Seiten und zwar jeweils zwi­ schen den Vertikalen a und c links sowie n und b rechts in der Höhe zwischen den Querlinien p und q gegen die Mitte. Und vom Schnittpunkt der Linien h17 und p ziehe ich die Kurve des Haaransatzes beiderseits ge­ wölbt bis hinauf auf die Höhe mitten zwischen den Querlinien o und p. Danach zeichne ich beide Augen so, daß sie mit ihren Winkeln die Senkrechten e und g sowie i und l berühren. Zu den Linien der Augenbrau­ en setze ich jeweils auf den Vertikalen f und k ober­ halb der Querlinie q an und lasse sie jeweils zu beiden Seiten unter dieser Linie zwischen den Vertikalen d und e sowie l und m enden. Nun zeichne ich die Nase, ohne daß ihre Flügel („pelle“) die zwei Senkrechten g und i berühren, den Mund jedoch so, daß er selbige Senkrechten mit seinen Winkeln tangiert. Danach zeichne ich das rückseitige Haupt nach dem Umriß des vorderansichtigen und führe es in sei­ ner Art aus. Endlich ziehe ich das Haupt per „Übertrag“ in den Grundriß, so wie es zuvor beim Haupt des Mannes beschrieben wurde; ich habe das Verfahren anschlie­ ßend so eingehend illustriert, daß es auch ohne schrift­ lichen Kommentar jedem von kleinem Verstande ver­ ständlich wird. 1 „zu end des kiens“: Die zwei Senkrechten als Aus­ gang der Wangenlinien bleiben unbenannt; es kann sich nur um c und n handeln, wie auch in der latei­ nischen Version unterstellt, Cam. I, fol. Fv. 17 Im Druck heißt es fälschlich g, es handelt sich um die Vertikale h; so auch in der lat. Ausgabe: Cam. I, fol. Fv.

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fol. E6v / fol. F1r

Wenn ich diesen Frauenkopf höher und von grö­ ßerem Umfang machen will, tue ich es auf dieselbe Weise, wie vorn beim Kopf des Mannes angezeigt: Aber nur mit Maßen, denn es schickt sich, daß des Weibes Haupt kleiner bleibe als das des Mannes. Im folgenden will ich ein junges Kindlein beschreiben und aufreißen, wozu ich mich derselben Methode be­ diene wie bei den vorigen Figuren. Ich stelle zunächst in der beabsichtigten Länge des Kindleins drei senk­ rechte Linien oder [an ihrer Stelle] deren Endpunkte nebeneinander. Entlang der ersten Linie will ich das Kind in Seitenansicht machen,1 entlang der zweiten die Ansicht von vorn, zuletzt die Ansicht von hinten.19 Diese drei Linien begrenze ich oben und unten mit je einer Horizontalen, die obere sei a, die untere z.150 Im weiteren markiere ich der Länge nach die Kör­ perabschnitte dieses Kindes mit Querlinien; und nachdem a und z Scheitel und Fußsohlen berühren, messe ich vom Scheitel abwärts 1/, dahin setze ich die Querlinie b.151 Sie berührt hinten die Grenze zwi­ schen Hälslein und Leib und vorn das Halsgrüblein. Auf dieser Höhe [als Grundlinie] mache ich für die Profilansicht des Hauptes ein rechtwinkliges Vier­ eck, in das ich das Haupt einschließe; die seitliche Senkrechte, zu der die Nase zeigt, bezeichne ich eben­ falls mit a, die gegenüberliegende mit b. Doch ehe ich mit dem Kind [im Ganzen] fortfahre, will ich zuerst sein Haupt beschreiben. Zu Beginn unterteile ich das Haupt in seiner Län­ ge von oben nach unten mit Querlinien, wie vorn oft beschrieben. 1/2 unterhalb der oberen Horizontalen a setze ich eine weitere Horizontale, die vorn den Haar­ ansatz auf der Stirn berührt. 1/1 von Linie a entfernt setze ich eine Querlinie c, die geht durch den hinteren Haarwirbel auf dem Haupt. Von dieser Linie abwärts 1/ setze ich eine Linie d, diese berührt unten das Kinn152 und scheidet hinten Haupt und Hals. Auch berührt sie mitten auf der Schulter die höchste Stelle des Rumpfes, überzogen vom Fleisch der Schulter,

1 Gemeint ist die Linie links im Längendiagramm der Illustration Nr. 277.29, bezeichnet mit 1 (= 1/1). 19 Hier kommen keine Linien, sondern besagte End­ punkte zum Einsatz. 150 Der Buchstabe z für die Bodenlinie fehlt bei den Illustrationen, a ist identisch mit der Scheitellinie des Kopfquadrates. 151 „lini.b.“ ist nicht eingetragen. Sie entspricht der Bo­ denlinie des Kopfquadrates. 152 Im Druck „knie“: Satzfehler; in der „Corrigierung“ berücksichtigt.

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fol. F1v

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fol. F1v / fol. F2r

fol. F1v

fol. F2r

man sieht da den Hals in ganzer Tiefe wie aus einer doppelten Schlangenlinie gebildet. Danach unterteile ich die Strecke d b 153 mit zwei Punkten in drei gleiche Abschnitte und trenne das unterste Drittel mit einer Linie e ab, sie berührt das Wülstchen („tröllein“) auf dem Hals unter dem Kinn; so kommt es, daß das Kindlein ein ganz kurzes Häls­ chen hat. Ich halbiere ferner die Seitensenkrechte a b mit einer Linie f, sie berührt vorn und hinten die Augen­ brauen, die ich in ihrer Mitte jedoch darüber hebe. Auch streift sie den oberen Rand der Ohren, und der Hinterkopf rührt auf ihrer Ebene an die seitliche Senk­ rechte b. Ich halbiere weiterhin die Strecke f d mit einer

Linie g 154 , sie berührt die Unterseite von Nase und Ohren. Nun unterteile ich f g mit zwei Linien h und i in drei gleiche Abschnitte, die obere Linie h geht mit­ ten durch den Augapfel und beide Augenwinkel. Das gesamte Auge mit allen Bestandteilen begrenze ich mit den Horizontalen f und i. Linie i streift ferner die Ober­ seite der Nasenf lügel, und das Ohrläppchen setze ich zwischen i und g. Danach unterteile ich die Strecke g d mit vier Querlinien k l m n in fünf gleiche Abschnitte. Die Linie k berühre den oberen Rand der Oberlippe, die Linie l ziehe ich mitten durch den Mund. Danach halbiere ich die Distanz l m,155 in die obere Hälfte ma­ che ich die Unterlippe, in die untere Hälfte setze ich

15 b = (nicht eingetragene) Grundlinie des Kopfquadra­ tes.

15 Der Buchstabe „.g.“, der anschließend mehrmals genannt wird, ist in der Illustration nicht als solcher zu lesen. 155 Die Halbierung ist nicht eingetragen.

D Buch I

die Hohlkehle unter der Unterlippe über dem Kinn auf der Linie m. Mit der Linie l bezeichne ich eine eigen­ tümliche Eintiefung des Hauptes oberhalb des Genicks, die betreffende Stelle wird nachher angezeigt. Die Linie n führt durch das Kinn mit seinen Grüblein, berührt unten die Rundung der Backen und die obere Seite des Hälschens. Nachdem nun die Querlinien gezogen sind, ziehe ich die senkrechten Linien hinein, die da anzeigen alle Tiefenmaße des Hauptes und seiner Teile, und bezeichne auch sie mit Buchstaben. Ich teile die Stre­ cke zwischen den Senkrechten a und b in zwei Hälf­ ten mit der Senkrechten c; diese berührt das Ohr am vorderen Rand und steht mitten auf dem Leib. Ich setze ferner eine Linie d mitten zwischen a und c, die berührt die Augenbrauen hinten, das Hälschen vorn und quert den bloßen Teil der Stirn. Danach unterteile ich die horizontale Strecke a d mit vier Linien e f g h in fünf gleiche Abschnitte; die Linie e berührt vor dem Auge die Einbiegung15 über der Nase und die Oberlippe; die Linie f berührt vorn den Anfang der Augenbrauen und den hinteren Rand der Nasenf lügelchen, vorn die Pausbacken, den Mund­ winkel und die Hohlkehle unter der Unterlippe auf dem Kinn. Die Linie g berührt den Haaransatz und das obere Augenlid, sie trifft ebenfalls den Augapfel und die Einkerbung unter dem Kinn. Die Linie h be­ rührt die hinteren Augenwinkel, während die vorde­ ren Augenwinkel die Linie g bis zur halben Distanz zu f überschneiden. Ferner halbiere ich den Abstand zwi­ schen a e mit einer Linie i, sie berührt vorn die Stirn, aber das Näslein tritt ein wenig über sie hinaus. Da­ nach halbiere ich die Strecke e f mit einer Senkrech­ ten ld 157, sie berührt Unterlippe und Kinn am vorde­ ren Rand. Danach ziehe ich im Abstand /20 von der seitlichen Senkrechten a eine Senkrechte k, die den hinteren Rand der Ohrmuschel berührt, das Ohrläpp­ chen jedoch setze ich in die rechte Hälfte der Distanz zur Linie c. Ich ziehe eine Linie l 1/5 entfernt von der Senkrechten a, sie markiert [im Schnittpunkt mit der Horizontalen l] die besagte Eintiefung vor dem Über­ gang des Hauptes ins Genick. Der Hals endet hinten zwischen k und l. Danach unterteile ich die Strecke l b mit drei Punkten in vier gleiche Abschnitte, in Punkt 3 setze ich den hinteren Haarwirbel auf dem Haupt.

15 „ein pug“: ‚Einbiegung‘. 157 Die betreffende Senkrechte erscheint zwar unten in der Illustration (Nr. 277.29), nicht aber die Bezeich­ nung l d, deren Benennung mit dem Doppelbuch­ staben zudem ungewöhnlich wäre.

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fol. F1v / fol. F2r

Nachdem ich nun das Viereck des Hauptes in Sei­ tenansicht mit den Vertikalen und Horizontalen durch­ zogen habe, sind die Koordinaten gewonnen für den Aufriß des Gesichtes und seiner Teile. Doch bevor ich­ das mache, will ich zuvor die Längenmaße des Körpers anzeigen. Zuerst unter der Querlinie b abwärts 1/0, da setze ich die Höhe der Schultergelenke. – Auf die Höhe der Brust 1/1. – Unter die Achselhöhlen vorn 1/10. – Auf die Brustwarzen 1/9. – Unter die Brust 1/7. – In die Taille 1/5. Von der Taille zum Nabel mache ich 1/21. – Bis zur Hüfte oben 1/1. – Bis zur Hüfte unten 2/15. – Bis zum Ende des Bauchs 1/. – Bis zum Glied15 1/10 plus 1/11. – Bis zu den Hoden („nyrlein“) unten 2/9. – Bis zum Gesäß unten 1/. Vom Ende des Gesäßes abwärts 1/50 mache ich auf der Innenseite oben die erste Wulstfalte159 am Bein, denn die Kindlein sind wulstig („würstet“). Vom Ge­ säß abwärts 1/1 oberhalb des Knies mache ich die nächste Wulstfalte („runtzel“).10 In die Mitte zwischen Hüftende und Fußsohlen setze ich das Knie. Von Kniemitte abwärts 1/, da ende ich das Kniege­ lenk („knorren“) innen. Von Kniemitte abwärts 1/9, da ende ich die Wade. Von den Fußsohlen aufwärts 1/20 setze ich die Risthöhe. Danach mache ich die Längenabschnitte des Arms. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 2/11. Vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen 1/. Von den Fingerspitzen zum Handgelenk 1/9. Nachdem ich die Längenabschnitte des Kindes angezeigt habe, will ich im weiteren die Tiefenmaße des Kindes in Seitenansicht auf allen Ebenen der Län­ genabschnitte beschreiben. Dieses Kind ist in Höhe des Schultergelenks 2/15 tief. In Höhe der Brust 1/. In Höhe der Brustwarzen 2/11. Unter der Brust 1/11 plus 1/12. In der Taille 1/. Beim Nabel 2/11. Bei der Hüfte oben 1/10 plus 1/11. 15 „mendlein“: ‚Männlein‘, ‚männliches Glied‘. 159 „erst rünsen“:‚erste Falte‘,‚Furche‘,‚Wulst‘;Grimm 1, Sp. 1522 (Runse). 10 Eingetragen ist nur diese zweite „runtzel“.

fol. F2r

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D Buch I

Bei der Hüfte unten 1/9 plus 1/10. Ende des Bauchs über das Gesäß 1/5. Unter den Hoden 1/. Und das Bein mache ich unter dem Gesäß 1/7 tief. Ein wenig tiefer 1/1 plus 1/15.11 Über dem Knie 1/. In Kniemitte 1/10. Unter dem Knie 1/11. Wadenmitte 1/10. Wade unten 1/12. Risthöhe 1/1. Und den Fuß mache ich 1/1 plus 1/1 lang. Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht. In der Schulter 1/10. Unter den Achselhöhlen 1/12. Im Ellenbogen 1/1. Unterhalb des Ellenbogens 1/15. Ein wenig tiefer („bas hinfür“) 1/1. Über der Hand 1/2. Und die Hand mache ich 1/21 tief. Nachdem ich nun alle Längen­ und Tiefenmaße des Kindes in Seitenansicht angezeigt habe, ziehe ich aus dieser per „Übertrag“ sämtliche die Länge betreffen­ den Unterteilungen in die Frontalansicht des Kindes, eingeschlossen alle Querlinien des Hauptes, während ich die übrigen Körperebenen mit Punkten kenn­ zeichne. Zuerst unterteile ich das En­face­Gesicht mit den Vertikalen für alle Breitenmaße. Ich mache zunächst das Viereck des En­face­Haup­ tes 2/9 breit und bezeichne die seitlichen Senkrechten mit a und b.

11 „baßhinab“: gemeint ist die genannte obere Wulstfalte („rünsen“).

fol. F2r / fol. F2v

Dieses Viereck teile ich mit einer weiteren Senkrech­ ten c in der Mitte, c geht mittig durch Scheitel, Nase, Mund und Kinn. Danach halbiere ich die Strecken a c und c b jeweils mit den Senkrechten d und e, diese Li­ nien berühren je die äußeren Augenwinkel und legen die Breite des Hälschens fest. Danach unterteile ich die Strecke d e mit zwei Linien f und g in drei gleiche Abschnitte; f und g be­ rühren jeweils die inneren Augenwinkel, den Außen­ rand der Nasenf lügel und die Mundwinkel und be­ stimmen die Breite des Kinns. Danach unterteile ich die Strecke a d mit den Linien h und i sowie die Strecke e b mit den Linien k und l in je drei gleiche Abschnitte,12 die Linien h und l begrenzen in Höhe der Querlinie h die Gesichtsbrei­ te. Die Ohrläppchen ziehe ich jedoch jeweils inner­ halb dieser Senkrechten h und l, während ich die Ohrmuscheln die seitlichen Senkrechten a und b be­ rühren lasse. Die anderen zwei Senkrechten i und k streifen beiderseits die Rundung der Pausbacken. Danach unterteile ich die Strecken a h links sowie l b rechts jeweils mit vier Punkten in fünf gleiche Ab­ schnitte; von dem jeweils äußersten dieser Punkte neben den Seitenlinien a und b ziehe ich die Senkrech­ ten m und n, die beiderseits zwischen den Horizontalen c und f die [größte] Breite des Hauptes bezeichnen. Die bloße Stirn [innerhalb des Haaransatzes] soll über die zwei Senkrechten h und l auf beiden Seiten hinausge­ hen und zwar zwischen den Horizontalen c und f. Die Augenbrauen begrenze ich auf beiden Seiten außen einerseits zwischen den Vertikalen i und d, an­ dererseits zwischen den Vertikalen e und k. Nachdem nun das frontalansichtige Viereck mit sich kreuzenden Linien zur Aufnahme der Gesichtsdetails durchzogen ist, lege ich an allen Längen­Markierungen [der Höhe nach] die Breitenmaße des Kinds­Körpers fest. Zu Beginn mache ich den Leib in Höhe der Schul­ tergelenke 1/ breit. Auf dieser Ebene stehen die Schultergelenke 2/9 weit voneinander Anschließend mache ich die Breite in Höhe der Brust über die Schultern 2/7. Zwischen den Achselhöhlen 1/5. Zwischen den Brustwarzen 1/7. In der Taille 1/5. Beim Nabel /17. Bei der Hüfte oben ebenfalls /17. 12 Dürer hat hier – schwer verständlich – beide zu tei­ lenden, jedoch voneinander geschiedenen Strecken in einemVorgang unterteilt und gewinnt somit sechs Abschnitte; in der lat.Version ist dieses in zwei Vor­ gänge aufgelöst: Cam. I, fol. G2r; so auch bei uns.

fol. F2v

D Buch I

fol. F2v

Bei der Hüfte unten 1/15 plus /1. Auf dieser Ebene stehen die Hüftgelenke 2/11 weit voneinander. Die Breite am Ende des Bauchs mache ich /15. Unter den Hoden mache ich das Bein 1/15 plus 1/1 breit. Am Gesäß unten 1/. Bei der Wulstfalte des Oberschenkels 2/17. Über dem Knie 1/19 plus 1/20. Kniemitte 1/12. Unter dem Knie 1/1. Wadenmitte 2/2. Bei der Wade unten 1/1. Das Bein über dem Rist 1/19. Und den Fuß mache ich vorn 2/27 breit. Danach bestimme ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht.



fol. F2v / fol. F3r

fol. F3r

Unter der Achselhöhle 1/17. Im Ellenbogen 1/1. Unterhalb des Ellenbogens 1/1. Am Handgelenk 1/20. Die geöffnete Hand 1/1. Die Beugestellen dieses Kindleins im Rückgrad und in seinen Gelenken stelle ich dar wie zuvor bei den übrigen Figuren. Diesem Kind gebe ich die Länge eines Drittels seiner Mutter. Nachdem ich nun die Längen­, Tiefen­ und Breiten­ maße des Kindes in der Seitenansicht und frontal an­ gezeigt habe, ziehe ich die Gestaltlinien mit Sorgfalt in dieses Gerüst („verzeichnus“) – zuerst seitlich, dann frontal. Das rückansichtige Kind zeichne ich nach dem Umriß des vorderansichtigen, mache es aber hin­

fol. F3v



D Buch I

ten zwischen den Achselhöhlen ein wenig breiter als 1/5,1 gebe der Gesäßspalte von unten nach oben 1/9 und mache die Ferse 1/22 breit; so habe ich es im fol­ genden eigens aufgerissen. Es soll niemand verübeln („verargen“) oder sich beirren lassen, wenn etwa die Form der Risse auf den verleimten Hölzern, etwa durch Austrocknung, ver­ zogen oder beim Schneiden verrissen wird, denn die Schrift bleibt sicherer. Nach ihr kann sich jedermann richten, wenn auch gelegentlich beim Korrekturlesen einiges übersehen werden mag.

1

Eingetragen ist jedoch wie vorn 1/5.

fol. F3r

D Buch I

fol. F3v (Nr. 277.29)

fol. F3v

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Wulst am Kinn unten1 Halsgrüblein Höhe der Schulter Höhe der Brust Achselhöhlen Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben 1

„tröllen“: ‚Unterkinn‘, ‚Wulst‘.

fol. F3v / fol. F4r

fol. F4r (Nr. 277.30)

Hüfte unten Ende des Bauchs Auf dem Geschlechtsteil („gemecht“) Hoden unten Gesäß unten Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wade unten Risthöhe Fußsohlen

5

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D Buch II

fol. F4v

fol. F4v

Das zweite Buch In diesem zweiten Büchlein will ich von neuem und nach einer anderen Methode lehren, die Figur des Menschen zu messen, nämlich mit einem „Meßstab“. Diesen mache ich mir lang oder kurz je nachdem, ob ich große oder kleine Figuren damit messen will, aber immer gebe ich diesem „Meßstab“ die Länge 1/6 der Figur, die ich mit ihm messen möchte. Ich mache ihm ein besonderes Zeichen; wo ich dieses Symbol („caracter“) hinsetze, soll damit ein ganzer „Meßstab“ verstanden sein. Sein Zeichen sieht so aus -----------------------

fol. F4v / fol. F5r

fol. F5r

Danach unterteile ich diesen „Meßstab“ in zehn gleiche Abschnitte, die ich jeweils ein „Zall“1 nenne, und das Zeichen, das ich dem „Zall“, wo ich ihn gebrauche, zur Erkennung gebe, sieht so aus -----Danach unterteile ich einen „Zall“ in zehn gleiche Abschnitte, die ich jeweils ein „Teil“ nenne, und das Zeichen, das ich ihm zur Erkennung gebe, sieht so aus ---------------------------------------------Danach unterteile ich diesen kleinen „Teil“ in drei gleiche Abschnitte, die ich jeweils ein „Trüm-

1

Unter „zall“,auch „tzall“,„zal“ (in früheren Manuskripten auch „tzoll“ oder „zoll“) ist sicherlich Zoll, nicht Zahl gemeint, wobei zwischen beiden in der Aussprache von Dürer nicht unterschieden wurde; weiteres siehe S. 288, Anm. 2.

D Buch II

lein“2 nenne, und ich gebe ihm ein Zeichen, damit man es erkennt, das sieht so aus -------------------Wenn ich mit diesem „Meßstab“ und seinen Unterteilungen messen will, so reiße ich außen („auswendig“) neben dem Schriftsatz eine Tabelle, bestehend aus fünf senkrechten parallelen Linien 3 mit vier dazwischen befindlichen je gleich breiten Spalten, diese bezeichne ich jeweils im Kopf mit ihrem Namen und Symbol. Die erste Spalte ist für den „Meßstab“ bestimmt, die zweite für den „Zall“ , die dritte für das und die vierte für das „Trümlein“ . So „Teil“ hat jede Meßeinheit ihre eigene Spalte. Wenn ich nun die Längen-, Tiefen- und Breitenmaße der äußeren Körperabschnitte des Menschen beschreibe, fahre ich [auf der jeweiligen Ebene] jedesmal mit einer Linie von der betreffenden Schriftzeile zu der besagten Tabelle, in die ich mit Ziffern die „Teil“ und „Zall“ eines jeden Körperabschnitts („glid“) in die jeweilige Spalte eintrage. In der betreffenden Spalte, sei es „Meßstab“, „Zall“, „Teil“ oder „Trümlein“, erscheinen die Längen-, Tiefen- oder Breitenmaße, seien diese groß oder klein. Wo es aber nichts gibt, will ich eine Null oder 0 hinsetzen.

Nun begebe ich mich ans Messen nach Art und Weise des Verfahrens wie im ersten Buch. Ich stelle drei senkrechte Linien in der Länge der geplanten Figur vor mich und begrenze sie oben und unten mit zwei Querlinien für Scheitel und Sohle. Die erste ist für die Seitenansicht, die zweite für die Ansicht von vorn, die dritte für die Rückansicht bestimmt. Danach messe ich die Länge der Körperabschnitte zuerst bei der seitlichen Figur und durchziehe diese Abschnitte und Körperstellen („art“) durchgehend mit Querlinien. Ich ziehe für die Seitenansicht so viele Querlinien wie nötig. Die senkrechten Linien aller Teil-Längenmaße, die ich neben das Profilbild setze, haben auch für die zwei anderen Senkrechten der frontalen und der rückwärtigen Figur Geltung.4 Und was dann jede Teillänge an „Meßstab“, „Zall“, „Teil“ oder „Trümlein“ beinhaltet, will ich ihr jeweils dazuschreiben mit dem betreffenden Symbol und mit der betreffenden Anzahl. In gleicher Weise wie oben gesagt 5 will ich auch jede Querlinie in der seitlichen und frontalen Ansicht mit den betreffenden Tiefen- und Breitenmaßen bezeichnen. Nachdem man dieses verstanden und beachtet hat, beginne ich und vermesse zuerst einen stämmigen6 Mann.

4 2 3

„trümlein“, Diminutiv von trumm/trum:Teil eines größeren Stückes; Grimm 22, Sp. 1340f. (Trumm/Trümmchen).Vgl. S. 70,Anm. 112. „barlinien“: ‚Parallelen‘.

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fol. F4v / fol. F5r

5 6

Der Dürer’sche Wortlaut ist sachlich, vermutlich aufgrund einer Satz-Konfusion, unverständlich. Insofern bietet unsere Übertragung lediglich eine Interpretation. „wie oblaut“, vermutlich: „wie oben verlautet“. „blocket“:‚stämmig‘,‚plump‘;Grimm 2,Sp.137 (Block). Es handelt sich um einen Mann nach Art des Typs A.

fol. F5r

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D Buch II

fol. F5r

Zuerst die Längenmaße Vom Scheitel abwärts bis

– zum Haarwirbel auf dem Hinterkopf – zum Haaransatz – zum Ende des Kinns – in die Halsgrube – zu den Schultergelenken Die Distanz zwischen der Linie des Haaransatzes und des Kinn-Endes teile ich mit zwei Querlinien in drei gleiche Abschnitte; in das oberste setze ich die Stirn, in das mittlere die Nase, in das untere Mund und Kinn. Von den Schultergelenken abwärts bis – zur Brust an der breitesten Stelle – zur vorderen Achselhöhle – zu den Brustwarzen – unter die Brust – zur Taille

0/0/5/0 0/1/6/0 0/8/5/0 1/0/6/0 1/1/6/0

Von der Taille abwärts bis

– zum Nabel – zur Hüfte oben – zur Hüfte unten – zur Scham oben – zu den Hoden unten – Gesäß unten

0/1/5/0 0/3/0/0 0/6/7/0 0/8/0/0 1/0/6/0 1/1/0/0

Vom Gesäß unten bis

– Eintiefung des Oberschenkels – auf das Knie – Kniemitte

0/4/5/0 0/8/0/0 1/1/0/0

Von Kniemitte abwärts bis

– unter das Knie – zur äußeren Wade unten – zur inneren Wade unten – zur Risthöhe – zum äußeren Fußknöchel unten – zu den Fußsohlen

0/1/6/0 0/6/0/0 0/7/2/0 1/2/6/0 1/4/0/0 1/5/9/0

Den Fuß mache ich lang Nun lege ich folgendermaßen die Länge des Armes fest Vom Schultergelenk zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Danach mache ich die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht auf allen Querlinien wie folgt Das Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels In Höhe des Haaransatzes Der Augenbrauen Der Nase Der Lippen Über Kinn und Hals ebenfalls Die Tiefe des Halses In Höhe der Halsgrube 7 8

0/2/3/0 0/4/0/0 0/5/4/0 0/6/9/0 1/5/0/0/7

1/0/3/0 1/0/6/0 0/7/9/0 0/6/5/0

0/5/0/0 0/7/0/0 0/8/2/0 0/7/5/0 0/7/0/0 0/7/0/0 8 0/5/0/0 0/6/0/0

In der Illustration Nr. 277.31 ist anstatt 1/5/0/0 (Tabelle) zu lesen: 1/0/5/0; diese Angabe ist offensichtlich korrekt. In der Illustration fehlt dieser Eintrag.

D Buch II

fol. F5v

fol. F5v

Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter der Brust In der Taille Beim Nabel Hüfte oben Hüfte unten Bei der Scham Das Bein unter dem Gesäß Darunter bei der Eintiefung Die Höhenlinie darunter Über dem Knie 9

0/9/7/0 1/0/4/0 1/0/3/0 0/9/7/0 0/8/6/0 0/8/4/0 0/9/5/0 1/0/4/0 0/9/6/0 0/7/6/0 0/7/3/0 0/7/5/09 0/5/7/0

Gemeint ist die sonst „einpeissung des beyns“ genannte Ebene.

89

fol. F5v / fol. F6r

fol. F6r

Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Hiernach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht Tiefe des Arms in der Schulter Mitten im Bizeps („mauß“) Im Ellenbogen

10 „Mitten im waden“ stets ohne Eintrag.

0/5/3/0 0/4/5/0 0/5/4/010 0/5/3/0 0/4/5/0 0/3/2/0 0/3/5/0 0/5/3/0

0/5/5/0 0/4/7/0 0/3/5/0

90

D Buch II

Stärkste Stelle des Unterarms Im Handgelenk

0/3/6/0 0/2/1/0

Tiefe der seitlichen Hand Anschließend lege ich an der zweiten Senkrechten auf sämtlichen Querlinien die Breitenmaße fest. Im Haupt ist der frontal ansichtige Mann in Höhe des hinteren Haarwirbels breit Am Haaransatz Breite des Kopfs Über die Augenbrauen Über die Ohren In Höhe der Nase Der Hals oben In Höhe des Kinns Über die Halsgrube In Höhe der Schultergelenke Abstand der Schultergelenke voneinander Breite der Brust Zwischen den Achselhöhlen Zwischen den Brustwarzen In der Taille Beim Nabel Die Hüfte oben Die Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke voneinander Breite auf der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Durch den Fußknöchel Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht Unter der Achselhöhle Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Breite der Hand

0/2/3/0

0/5/5/0 0/7/2/0 0/7/8/0 0/7/3/0 0/8/0/0 0/6/0/0 0/4/3/0 0/6/6/0 1/4/3/0 1/5/8/0 1/2/4/0 1/8/0/0 1/2/3/0 0/8/2/0 1/1/4/0 1/2/7/0 1/2/8/0 1/4/6/0 1/0/5/0 1/4/5/0 0/6/7/0 0/6/0/0 0/4/6/0 0/4/4/0 0/4/0/0 0/5/0/0 0/4/6/2 0/3/9/0 0/2/2/0 0/2/7/0 0/2/4/0 0/4/2/0

0/3/5/0 0/3/4/0 0/4/0/0 0/2/4/0 0/4/3/0

fol. F5v / fol. F6r

Nachdem nun alle Längen-, Tiefen- und Breitenmaße der Körperabschnitte beschrieben sind, ziehe ich mit Linien die Gestalt des Mannes in der Seiten- und Vorderansicht hinein. Für den Umriß des rückseitigen Mannes verwende ich die Linien der Vorderansicht. Ich mache ihn hinten zwischen den Achselhöhlen breit Da die Achselhöhlen hinten niedriger sind, beträgt ihr Abstand zu den Schultergelenken hier Der Gesäßspalt von unten nach oben Die Fersenbreite Wie oben beschrieben habe ich im folgenden diesen Mann aufgerissen, damit Wort und Werk gemeinsam zu einem klareren Verständnis beitragen.

1/3/7/0

0/5/0/0 0/6/7/0 0/3/0/0

fol. F6r

D Buch II

fol. F6v (Nr. 277.31)

fol. F6v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Halsgrube Schultergelenke Brust Achselhöhle vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Auf der Scham oben

fol. F6v / fol. G1r

fol. G1r (Nr. 277.32)

Gesäß unten („hind’n patzen“) Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohle

91

92

fol. G1v

Im folgenden will ich ein diesem Mann angemessenes („gemeß“) Weib beschreiben. Ich gehe nach derselben Methode vor, wie oben beschrieben, und messe zunächst die Längenmaße. Vom Scheitel bis zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter oben zur Halsgrube Die Distanz zwischen dem Haaransatz und dem Kinn-Ende teile ich mittels zweier Linien in drei gleiche Abschnitte. In den obersten setze ich die Stirn, in das mittlere Nase, Augen und Ohren, in das untere

D Buch II

fol. G1v / fol. G2r

fol. G1v

fol. G2r

0/0/8/0 0/1/6/0 0/8/3/0 0/9/0/0 1/1/4/0

Mund und Kinn. Von der Höhe der Halsgrube abwärts bis zur Höhe der Schultergelenke zur Brust zu den vorderen Achselhöhlen zu den hinteren Achselhöhlen zu den Brustwarzen unter die Brüste zur Taille

0/0/6/0 0/2/7/0 0/4/4/0 0/4/8/011 0/6/7/1 0/8/2/0 1/2/5/0

11 Dieser Eintrag findet sich in der Rückansicht Nr. 277.34, so auch im weiteren.

D Buch II

Von der Taille abwärts bis zum Nabel 0/1/6/0 zur Hüfte unten 0/5/6/0 zum Ende des Bauchs 0/7/2/0 zum Schritt 0/9/0/0 zur Scham unten 0/9/5/0 zum Gesäß unten 1/1/1/0 Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels 0/3/6/0 über das Knie 0/7/2/0 Kniemitte 0/9/5/0 Von Kniemitte bis unter das Knie 0/2/0/0 zur äußeren Wade unten 0/6/4/0 zur inneren Wade unten 0/8/2/0 auf die Risthöhe 1/2/6/0 zum äußeren Fußknöchel unten 1/3/6/0 zur Fußsohle 1/5/5/0 Länge des Fußes 1/0/0/0 Danach lege ich die Länge des Arms fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 1/0/2/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/7/6/0 Länge der Hand 0/6/8/0 Nun bestimme ich die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht auf allen Querlinien folgendermaßen. Das Weib ist im Haupt auf der Höhe des hinteren Haarwirbels tief In Höhe des Haaransatzes Bei den Augenbrauen In Höhe der Nase Über die Lippen Über das Kinn Daselbst die Tiefe des Halses Auf der Schulter oben Bei der Halsgrube Bei den Schultergelenken Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Bei der Hüfte unten Ende des Bauchs Beim Schritt

0/5/3/0 0/6/9/0 0/8/1/0 0/7/0/0 0/6/5/0 0/6/0/0 0/4/0/0 0/4/4/0 0/5/5/0 0/6/6/0 0/8/3/0 0/9/2/0 0/9/0/0 0/8/5/0 0/8/0/0 0/9/3/0 1/2/0/0 1/1/0/0 1/4/0/0/12

12 Statt 1/4/0/0 wie in der Tabelle Eintrag in der Illustration Nr. 277.33: 1/04/0; dieser Wert ist offensichtlich korrekt.

93

fol. G1v / fol. G2r

Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten

1/0/3/0 0/8/5/0 0/7/8/0 0/6/4/0 0/5/0/0 0/5/0/0 0/5/2/0 0/5/0/0 0/4/2/0 0/3/1/0

Im Rist gleichfalls 0/3/1/0 Fußknöchel unten 0/5/7/0 Der Fuß ist nicht so lang („als dick“) wie der des Mannes.13 Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite. In der Schulter 0/5/3/0 Im Bizeps 0/4/5/0 Im Ellenbogen 0/3/3/0 Unterhalb des Ellenbogens 0/3/7/0 Weiter zur Hand 0/2/7/0 Im Handgelenk 0/2/0/0 Tiefe der seitlichen Hand 0/2/4/0 Danach bestimme ich die Breitenmaße des Weibs in Vorderansicht wie folgt. Im Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/5/2/0 Beim Haaransatz 0/6/9/0 Über die Stirn 0/7/5/014 Über die Augenbrauen 0/7/2/0 Über die Ohren 0/8/0/0 Bei der Nase 0/5/6/0 Breite des Halses beim Kinn 0/4/0/0 Auf der Schulter oben 0/4/2/0 In Höhe der Halsgrube 1/1/0/0 In Höhe der Schultergelenke 1/2/2/0 Abstand zwischen den Schultergelenken 1/0/1/0 Über Brust und Schultern 1/4/8/0 Zwischen den Achselhöhlen 0/9/6/0 Zwischen den Brustwarzen 0/7/2/0 In der Taille 1/0/2/0 Beim Nabel 1/3/7/0 Die Hüfte unten 1/5/2/0 Abstand der Hüftgelenke 1/1/1/0 13 Die Aussage an dieser Stelle ist unklar; denn die Länge des Fußes ist bereits, wie stets, unter den Körperlängen festgestellt (= 1 „Meßstab“). Möglicherweise fiel es hier dem Autor auf, daß die Fußlänge die Seitenansicht voraussetzt, also zu den „dicken“ zählt. 14 Eintrag ohne Höhenlinie.

fol. G2r

94

D Buch II

Ende des Bauchs 1/5/4/0 Im Schritt 1/5/6/0 Das Bein bei der Scham unten 0/7/6/0 Unter dem Gesäß ebenfalls 0/7/6/0 Bei der Eintiefung des Oberschenkels 0/6/9/015 Über dem Knie 0/5/3/0 Kniemitte 0/4/5/0 Unter dem Knie 0/4/5/0 Wadenmitte 0/5/0/0 Äußere Wade unten 0/4/5/0 Innere Wade unten 0/3/8/0 In Risthöhe 0/2/5/0 Im Fußknöchel unten gleichfalls 0/2/5/0 Breite des Fußes 0/4/0/0 Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht. Unterhalb der Achselhöhle im Bizeps 0/3/4/0 Oberhalb des Ellenbogens 0/3/0/0 Im Unterarm an der breitesten Stelle 0/3/8/0 Beim Handgelenk 0/2/4/0 Breite der Hand 0/3/9/0 Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße der Körperabschnitte beschrieben und angezeigt sind, ziehe ich mit Linien die Gestalt des Weibs in Seiten- und Vorderansicht bei der ersten und zweiten senkrechten Konstruktionslinie. Danach ziehe ich bei der dritten Konstruktionslinie die Gestaltlinien des rückseitigen Weibs nach seinem frontalen Umriß. Die rückseitigen Achselhöhlen setze ich niedriger als die vorderen, so beträgt der Abstand zwischen Schultergelenk und hinterer Achselhöhle 0/4/8/0 Breite zwischen den hinteren Achselhöhlen 1/2/0/0 Die Gesäßspalte von unten nach oben 0/7/5/0 Fersenbreite 0/2/5/0 Wie oben beschrieben habe ich im folgenden dieses Weib zum besseren Verständnis aufgerissen.

15 In der betreffenden Illustration Nr. 277.34 ist 0/6/8/0 eingetragen.

fol. G2r

D Buch II

fol. G2v (Nr. 277.33)

fol. G2v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Halsgrube Schultergelenke Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs

fol. G2v / fol. G3r

fol. G3r (Nr. 277.34)

Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohle

95

96

D Buch II

fol. G3v

fol. G4v

Im folgenden will ich einen zweiten Mann nach derselben Methode wie den ersten messen und verzeichne zunächst entlang der ersten Konstruktionslinie die Längen der Körperabschnitte und der nötigen Details. Vom Scheitel bis zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter oben in die Halsgrube Die Distanz zwischen dem Haaransatz und der Kinnspitze teile ich mit zwei Querlinien in drei gleiche Abschnitte; in den obersten setze ich die Stirn, in den

0/1/0/0 0/2/2/0 0/8/6/0 0/9/2/0 1/1/4/0

fol. G3v / fol. G4r

fol. G4r

mittleren die Nase, Augen und Ohren, in den unteren Mund und Kinn. Nun teile ich folgendermaßen weiter. Von der Höhe der Halsgrube bis zur Höhe der Schultergelenke zur Brust zu den Achselhöhlen vorn zu den Achselhöhlen hinten zu den Brustwarzen unter die Brust zur Taille Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten auf die Scham zum Gesäß unten

0/0/6/0 0/2/2/0 0/4/0/0 0/5/0/0 0/5/8/0 0/7/0/0 1/0/7/0 0/2/2/0 0/6/0/0 0/7/7/0 0/9/8/0

D Buch II

Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels 0/5/0/0 auf das Knie 0/9/7/0 Kniemitte 1/2/1/0 Von Kniemitte bis unter das Knie 0/1/9/0 zur äußeren Wade unten 0/5/9/0 zur inneren Wade unten 0/6/6/0 zur Risthöhe 1/3/3/0 zum Fußknöchel unten 1/4/3/0 zu den Fußsohlen 1/6/0/0 Den Fuß mache ich lang 1/0/0/0 Nun lege ich die Länge des Armes fest. Vom Schultergelenk bis zum Ellenbogen 1/0/0/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/8/6/0 Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen 0/6/4/0 Danach bestimme ich entlang der ersten Konstruktionslinie die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht auf allen Höhenlinien wie folgt. Das Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/5/3/0 In Höhe des Haaransatzes 0/7/1/0 Über die Augenbrauen 0/7/8/0 Bei der Nase 0/7/0/0 In Höhe der Lippen 0/6/4/0 Über Kinn und Hals 0/6/4/0 Der Hals in dieser Höhe 0/4/2/0 In Höhe der Schulter oben 0/4/5/0 In Höhe der Halsgrube 0/5/5/0 Bei den Schultergelenken 0/6/6/0 Über die Brust 0/8/0/0 Bei den Achselhöhlen vorn 0/8/7/1 Bei den Brustwarzen 0/8/8/0 Unter der Brust 0/8/1/0 In der Taille 0/7/4/0 Beim Nabel 0/7/5/0 Hüfte unten 0/8/6/0 Auf der Scham oben 0/7/7/0 Das Bein unter dem Gesäß 0/6/6/0 Bei der Eintiefung des Oberschenkels 0/6/0/0 Über dem Knie 0/5/5/016 fol. G4r

Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte

0/4/0/0 0/4/0/0 0/4/4/0

16 Dieses so auch in der Illustration Nr. 277.35 eingetragene Tiefenmaß scheint fehlerhaft, zu groß zu sein; 0/4/5/0 dürfte zutreffen.

97

fol. G3v / fol. G4r

Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Fußknöchel unten Die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht wie folgt Tiefe des Arms in der Schulter Mitten im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Anschließend lege ich die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht bei der zweitenKonstruktionslinieauf sämtlichenQuerlinien fest. Im Haupt auf der Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Über die Augenbrauen Über die Ohren In Höhe der Nase und Kinnbacken Der Hals in Höhe des Kinns Bei der Schulter oben Bei der Halsgrube Abstand der Schultergelenke voneinander Breite der Brust Zwischen den Achselhöhlen Zwischen den Brustwarzen Unter der Brust In der Taille Beim Nabel Bei der Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke voneinander Breite auf der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Durch den Rist über dem Fußknöchel

0/4/1/0 0/3/9/0 0/2/5/0 0/2/8/0 0/4/4/0

0/4/8/0 0/4/0/0 0/2/6/0 0/2/7/0 0/1/7/0 0/2/0/0

0/5/5/0 0/6/8/1 0/6/3/0 0/6/9/0 0/5/0/0 0/4/1/0 0/5/0/0 1/1/2/0 1/0/0/0 1/4/7/0 1/3/0/017 0/7/2/0 1/1/1/1 0/9/9/0 1/3/0/0 1/1/9/0 0/8/8/0 1/1/8/0 0/5/6/0 0/4/4/0 0/3/5/0 0/3/0/0 0/3/3/0 0/4/0/0 0/3/6/0 0/3/1/0 0/1/6/0 0/2/2/0

17 Statt 1/3/0/0 wie in der Tabelle lautet der Eintrag in der Illustration Nr. 277.36: 1/0/3/0; dieser Wert scheint zutreffend.

98

D Buch II

Fußknöchel unten Breite des Fußes Anschließend mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn wie folgt Unter der Achselhöhle im Bizeps Unterhalb des Ellenbogens Beim Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße dieses Mannes beschrieben sind, ziehe ich mit Linien seine Gestalt in Seiten- und Vorderansicht. Für den Umriß des rückseitigen Mannes verwende bei der dritten Konstruktionslinie seine Vorderansicht. Ich mache ihn hinten zwischen den Achseln breit Der Gesäßspalt von unten nach oben Die Fersenbreite

0/2/0/0 0/3/5/0

0/2/6/0 0/3/0/0 0/2/0/0 0/3/2/0

1/1/5/0 0/6/3/0 0/2/0/0

fol. G4r

D Buch II

fol. G4v (Nr. 277.35)

fol. G4v

Wenn dieser Mann seine Arme kreuzweise ausstreckt, bildet er ein Viereck, denn er ist ebenso lang wie er breit ist. Ebenso, wie ich den Mann hier beschrieben habe, habe ich ihn im folgenden aufgerissen, damit ich umso besser verstanden werde. Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Halsgrube Schultergelenke Brust Achselhöhlen vorn

fol. G4v / fol. G5r

fol. G5r (Nr. 277.36)

Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten („hind’n packen“) Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohle

99

100

D Buch II

fol. G5v (Nr. 277.37)

fol. G6r

Im folgenden will ich ein zu diesem Mann passendes Weib beschreiben und bediene mich dabei derselben Methode wie zuvor. Ich bestimme zunächst die Längenabschnitte an der ersten Konstruktionslinie. Vom Scheitel zum hinteren Haarwirbel Vom Scheitel bis zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter unten zur Halsgrube

0/1/0/0 0/2/4/0 0/8/6/0 1/1/0/018 1/2/0/0

18 Die Körperebene „axel höch“ tritt hier erstmals auf; sie scheint, das legt die Illustration nahe, die oft sichtbare

fol. G5v / fol. G6r

fol. G6r

Die Distanz zwischen Stirn und Kinnspitze teile ich mittels zweier Linien in drei gleiche Abschnitte. In den obersten setze ich die Stirn, in das mittlere die Nase und Augen, ins untere Mund und Kinn. Danach unterteile ich weiter, von der Höhe der Halsgrube bis zur Brust 0/1/5/0 zu den Achselhöhlen vorn 0/3/4/0 zu den Achselhöhlen hinten 0/4/0/0 Grenze zwischen dem Kapuzenmuskel, also der (schiefen) Schulterebene, und dem rundlichen Deltamuskel zu bezeichnen und weicht nur unwesentlich von der Ebene der Halsgrube ab. Hier genannt: Schulter unten, im Gegensatz zu „schulterfleysch höch“ (Schulter oben).

D Buch II

zu den Brustwarzen 0/6/0/0 unter die Brüste 0/7/4/0 zur Taille 1/1/6/0 Von der Taille bis zum Nabel 0/1/9/0 zur Hüfte unten 0/6/3/0 zum Schritt 0/9/1/0 zur Scham unten 1/0/0/0 zum Gesäß unten 1/1/0/0 Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels 0/2/6/2 auf das Knie 0/7/7/0 Kniemitte 1/0/1/0 Von Kniemitte abwärts bis unter das Knie 0/2/0/0 zur äußeren Wade unten 0/6/3/0 zur inneren Wade unten 0/7/4/0 zur Risthöhe 1/2/7/0 zum Fußknöchel unten 1/3/5/0 zur Fußsohle 1/5/3/0 Länge des Fußes 0/9/8/0 Danach lege ich die Länge des Arms fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 1/0/0/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/7/6/0 Länge der Hand 0/6/2/0 Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien, soweit erforderlich, gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht fest und zwar auf allen Ebenen der ersten Konstruktionslinie. Haupt des Weibs in Seitenansicht auf der Höhe des hinteren Haarwirbels In Höhe des Haaransatzes Bei den Augenbrauen Über Nase und Hals Über Oberlippe und Hals Hals in Höhe des Kinns Bei der Schulter unten Bei der Halsgrube Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Bei der Hüfte unten Beim Schritt

0/4/6/0 0/7/1/0 0/7/2/0 0/6/5/0 0/6/0/0 0/4/0/0 0/5/0/0 0/5/5/0 0/7/0/0 0/8/0/0 0/8/2/1 0/7/4/0 0/6/4/0 0/8/0/0 1/0/4/0 0/9/0/0

101

fol. G6r

Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten, wo es am dünnsten ist

0/8/5/0 0/7/2/0 0/7/1/0 0/5/1/0 0/4/1/0 0/4/0/0 0/4/4/0 0/4/0/0 0/3/5/0 0/2/5/0

102

fol. G6v

D Buch II

fol. G6v / fol. H1r

fol. G6v

fol. H1r (Nr. 277.38)

In Risthöhe 0/2/9/0 Fußknöchel unten 0/4/4/0 Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite. In der Schulter 0/4/4/0 Unter der Achselhöhle im Bizeps 0/3/8/0 Im Ellenbogen 0/2/7/0 Unterhalb des Ellenbogens 0/2/6/0 Im Handgelenk 0/1/5/0 Tiefe der seitlichen Hand 0/1/8/0 Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Ebenen die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht fest. Im Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/4/8/0 Beim Haaransatz 0/6/5/0

Über die Augenbrauen Über die Ohren Über die Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn Bei der Schulter unten In Höhe der Halsgrube Abstand zwischen den Schultergelenken Über Brust und Schultern Zwischen den Achselhöhlen Zwischen den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Die Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke voneinander Beim Schritt

0/6/0/0 0/6/5/0 0/4/9/0 0/3/8/0 1/0/2/0 1/2/2/0 0/9/3/0 1/3/9/0 0/9/0/0 0/7/4/0 0/9/9/0 0/9/3/0 1/2/6/0 1/4/0/0 1/0/0/0 1/3/8/0

D Buch II

Das Bein unter der Scham 0/7/0/0 Unter dem Gesäß 0/6/7/0 Bei der Eintiefung des Oberschenkels 0/6/2/0 Über dem Knie 0/4/4/0 Kniemitte 0/4/0/0 Unter dem Knie 0/3/8/0 Wadenmitte 0/4/0/0 Äußere Wade unten 0/3/5/0 Innere Wade unten 0/3/0/0 Schienbein unten, an der dünnsten Stelle 0/1/7/0 Quer durch die Fußknöchel 0/2/0/0 Unter dem Fußknöchel 0/1/8/0 Breite des Fußes 0/3/4/0 Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht. Des Weibes Arm im Bizeps 0/2/9/0 Oberhalb des Ellenbogens 0/1/5/019 Unterhalb des Ellenbogens 0/2/9/0 Beim Handgelenk 0/1/9/0 Breite der Hand 0/3/0/0 Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße beschrieben sind, ziehe ich demgemäß mit Linien die Gestalt des Weibes in Seitenansicht bei der ersten und zweiten senkrechten Konstruktionslinie.20 Sind diese Gestaltumrisse gezeichnet, ziehe ich den Kontur des rückseitigen Weibes bei der dritten Konstruktionslinie und zwar nach dem frontalen Umriß. DierückseitigenAchselhöhlendesWeibes sitzen niedriger als die vorderen, darum beträgt der Abstand zwischen der Höhe der Halsgrube und der hinteren Achsel 0/4/0/0 Breite zwischen den hinteren Achselhöhlen 1/0/8/0 Die Gesäßspalte von unten nach oben 0/6/6/0 Fersenbreite 0/1/8/0 Wie oben beschrieben habe ich im folgenden dieses Weib zum besseren Verständnis meiner Lektion aufgerissen.

19 Dieses Maß „hinder dem elbogen“ dürfte (auch in der Illustration, Nr. 277.38) fehlerhaft sein, denn es beträgt nur etwa die Hälfte der benachbarten Armstärken und wäre somit schlanker als das Handgelenk. Es muß wohl lauten: 2 zall, 5 teil oder 0/2/5/0. 20 Hier ist es versäumt, die zweite Konstruktionslinie der Vorderansicht zuzuweisen.

103

fol. G6v / fol. H1r

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter unten Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten 21 Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten Fußsohle

21 „Ard der hüfft“, sonst wird so immer der obere, nicht der untere Beckenrand wie hier genannt; offensichtlich Druckfehler.

fol. H1r

104

D Buch II

fol. H1v (Nr. 277.39)

fol. H2r

Im folgenden will ich einen weiteren Mann nach derselben Methode beschreiben und verzeichne zuerst entlang der ersten Konstruktionslinie die Längen der Körperabschnitte und der nötigen Details. Vom Scheitel bis zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter oben zur Schulterhöhe zur Halsgrube Von der Höhe der Halsgrube bis zur Brust zur Achselhöhle vorn

0/0/7/0 0/1/4/0 0/7/8/0 0/8/4/0 1/0/0/0 1/0/6/0 0/2/7/0 0/3/5/0

fol. H1v / fol. H2r

fol. H2r

zur Achselhöhle hinten zu den Brustwarzen unter die Brust zum Brustbein unten zur Taille Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten zur Scham oben zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels über das Knie Kniemitte

0/4/3/0 0/5/0/0 0/6/2/0 0/7/5/0 1/1/0/0 0/1/9/0 0/5/9/0 0/7/3/0 1/0/0/0 0/4/5/0 0/9/0/0 1/1/6/0

D Buch II

Von Kniemitte bis unter das Knie äußere Wade unten innere Wade unten zur Risthöhe äußerer Fußknöchel unten zu den Fußsohlen Länge des Fußes Nun lege ich die Länge des Armes folgendermaßen fest Vom Schultergelenk zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien,soweiterforderlich,gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Manns in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien. Ich messe wie folgt. Das Haupt des seitenansichtigen Mannes in Höhe des hinteren Haarwirbels In Höhe des Haaransatzes Über die Augenbrauen Über Nase und Haupt Über Oberlippe und Nacken Der Hals in Höhe des Kinns In Höhe der Schulter oben In Schulterhöhe In Höhe der Halsgrube Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten In der Taille Beim Nabel Hüfte unten

0/1/7/0 0/6/2/1 0/7/0/0 1/4/3/0 1/5/0/0 1/6/8/0 0/9/3/0

1/1/2/0 0/8/0/0 0/6/5/0

0/4/7/0 0/6/0/0 0/7/2/0 0/6/1/0 0/5/7/0 0/3/8/0 0/4/0/0 0/4/5/0 0/4/9/0 0/7/0/0 0/7/7/0 0/7/9/0 0/7/7/0 0/7/8/0 0/6/4/0 0/6/5/0 0/7/6/0

fol. H2r

105

106

D Buch II

fol. H2v

fol. H2v

Auf der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Ein wenig tiefer Bei der Eintiefung Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten 22 Wulst unter dem Gesäß. 23 Eintrag ohne Höhenlinie.

0/7/0/0 0/5/7/0 0/5/5/022 0/5/5/0 0/4/0/0 0/3/6/0 0/3/6/0 0/4/0/0 0/3/6/0 0/3/3/0 0/2/2/023 0/2/5/0 0/3/6/0

fol. H2v / fol. H3r

fol. H3r

Die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht Tiefe des Arms in der Schulter Unter der Achselhöhle im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens ebenfalls Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Anschließend lege ich entlang der zweiten Konstruktionslinie die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht auf sämtlichen Querlinien folgendermaßen fest. Im Haupt auf der Höhe des hinteren Haarwirbels Auf der Stirn beim Haaransatz

0/4/1/0 0/3/6/0 0/2/5/0 0/2/5/0 0/1/4/0 0/1/7/0

0/4/5/0 0/5/8/0

D Buch II

107

fol. H2v / fol. H3r fol. H3r

Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Unter der Nase über die Wangen Der Hals in Höhe des Kinns Bei der Schulter oben In Schulterhöhe Bei der Halsgrube Abstand der Schultergelenke voneinander Breite über Schultern und Brust Zwischen den Achselhöhlen Zwischen den Brustwarzen Brustbein unten In der Taille Beim Nabel Zwischen der Taille und dem Nabel lädt der Körper beiderseits aus, seine Breite beträgt hier Hüftbreite Abstand der Hüftgelenke voneinander Breite bei der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Bei Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Durch den Fußknöchel Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn Im Bizeps

0/6/2/024 0/6/0/0 0/6/4/0 0/4/8/0 0/3/7/0 0/4/2/0 0/9/5/0 1/1/3/1 0/9/6/0 1/4/0/0 0/9/7/0 0/6/5/0 1/0/2/0 0/9/2/0 0/9/7/0

0/9/9/025 1/8/0/126 0/7/9/0 1/0/7/0 0/4/8/0 0/4/0/0 0/3/2/0 0/3/0/0 0/3/0/0 0/3/7/0 0/3/2/0 0/2/8/0 0/1/5/0 0/1/8/0 0/2/0/0 0/1/9/0 0/3/4/0

Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Weiter zur Hand hin Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße beschrieben sind, ziehe ich mit Linien die Gestalt des Mannes hinein, bei der ersten Konstruktionslinie in der Seitenansicht, bei der zweiten in der Vorderansicht. Den Mann in Rückansicht zeichne ich bei der dritten Konstruktionslinie nach dem Umriß der Vorderansicht. Ich mache ihn hinten zwischen den Achselhöhlen breit Von der Höhe der Halsgrube zu den Achselhöhlen Der Gesäßspalt von unten nach oben Die Fersenbreite Wie oben beschrieben, habe ich diesen Mann anschließend aufgerissen.

0/2/2/0 0/3/0/0 0/2/2/027 0/1/8/0 0/3/4/0

1/1/5/0 0/4/3/0 0/6/0/0 0/1/8/0

0/2/5/0

24 Auch diese bisher nicht berücksichtigte Höhe ist in der Illustration Nr. 277.41 ohne Linieneintrag vermerkt. 25 Diese ebenfalls bisher unberücksichtigte Zone entspricht dem in der antiken Plastik kultivierten Hüftwulst; auch hier fehlt eine Linie, sie ist etwa mitten zwischen denen der Taille und des Nabels zu denken. 26 Es handelt sich hier um den Schnitt, der sonst „end der hüft“ (= Linie der „hüfft glider“) genannt ist. Die Maßangaben von Tabelle und Illustration widersprechen sich, „Zall“ und „Teil“ sind vertauscht: Statt 1/8/0/1 (Tabelle) muß es lauten 1/0/8/1 (Illustration).

27 Es handelt sich hier um eine nur gelegentlich verzeichnete Meßebene, eine am muskulösen Männerunterarm sichtbare Eintiefung.

108

D Buch II

fol. H3v

fol. H3v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten Taille Nabel Hüfte unten Auf der Scham oben

(Nr. 277.40)

fol. H3v / fol. H4r

fol. H4r

(Nr. 277.41)

Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußere Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch II

fol. H4v

fol. H4v

Im folgenden will ich dem eben beschriebenen Mann ein Weib zuordnen; ich bediene mich dabei derselben Methode. Vom Scheitel zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter oben zur Schulterhöhe zur Halsgrube Von der Höhe der Halsgrube bis zur Brust zu den Achselhöhlen vorn zu den Achselhöhlen hinten zu den Brustwarzen unter die Brüste zur Taille

0/0/6/0 0/2/0/0 0/7/7/0 0/8/3/0 1/0/4/0 1/1/1/1 0/1/7/0 0/3/2/0 0/4/0/0 0/6/1/0 0/7/6/0 1/1/3/0

109

fol. H4v / fol. H5r

fol. H5r

Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten Ende des Bauchs zum Schritt zur Scham unten zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels auf das Knie Kniemitte Von Kniemitte abwärts bis unter das Knie äußere Wade unten innere Wade unten auf die Risthöhe

0/2/1/0 0/6/1/0 0/7/0/0 0/8/5/0 0/9/6/0 1/0/3/1 0/4/5/0 0/9/0/0 1/1/2/1 0/2/0/0 0/6/4/0 0/7/2/0 1/3/4/0

110

D Buch II

zum äußeren Fußknöchel unten zur Fußsohle Länge des Fußes Danach lege ich die Länge des Arms wie folgt fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Danach lege ich an der ersten Konstruktionslinie die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien. Im Haupt auf der Höhe des hinteren Haarwirbels Am Haaransatz In Höhe der Augenbrauen Über die Nase Über Oberlippe und Hals Über Kinn und Hals Der Hals an der Schulter oben In Schulterhöhe Bei der Halsgrube Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Über die Hüfte unten Ende des Bauchs Schritt Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten an der dünnsten Stelle Risthöhe Fußknöchel unten

28 Eintrag ohne Linie.

1/4/4/0 1/6/0/0 0/9/0/0

1/0/6/0 0/8/8/0 0/5/8/0

0/4/5/0 0/6/7/0 0/7/0/0 0/6/0/028 0/5/6/0 0/5/5/0 0/3/5/0 0/4/4/0 0/5/0/0 0/6/6/0 0/7/3/0 0/7/6/1 0/7/0/0 0/6/1/0 0/8/0/0 1/0/0/0 0/9/3/0 0/8/0/0 0/7/6/0 0/6/9/0 0/6/0/0 0/4/5/0 0/3/9/0 0/3/8/0 0/4/1/0 0/3/4/0 0/3/2/0 0/2/3/0 0/2/6/0 0/4/1/0

fol. H4v / fol. H5r

Nun mache ich wie folgt die Tiefenmaße des Arms von der Seite. In der Schulter Im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht fest. Im Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels Über die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Über die Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn Bei der Schulter oben In Schulterhöhe In Höhe der Halsgrube Abstand zwischen den Schultergelenken Über Brust und Schultern Zwischen den Achselhöhlen Zwischen den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Über die Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke Bei Ende des Bauchs Beim Schritt Das Bein unter der Scham Unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten an der dünnsten Stelle In Risthöhe

0/4/0/0 0/3/5/0 0/2/4/0 0/2/4/0 0/1/3/0 0/1/6/0

0/4/5/029 0/6/2/0 0/5/7/0 0/6/4/030 0/4/8/0 0/3/3/0 0/3/6/0 0/8/7/0 1/0/2/2 0/8/3/0 1/2/6/1 0/8/6/0 0/5/6/0 0/9/0/0 0/8/5/0 1/1/4/0 1/2/5/0 0/8/7/0 1/2/4/0 1/2/3/0 0/6/1/0 0/6/0/1 0/5/5/0 0/4/2/0 0/3/5/0 0/3/4/0 0/3/9/0 0/3/4/0 0/3/0/0 0/1/5/0 0/1/8/0

29 Infolge eines Satzfehlers divergieren im Druck von hier bis zur Ebene der Hüftgelenke die Legenden und die Meßdaten der Tabelle. 30 Eintrag ohne eigene Linie.

fol. H5r

D Buch II

Durch die Fußknöchel 0/2/0/0 Fußknöchel unten 0/1/9/0 Breite des Fußes 0/3/2/0 Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht folgendermaßen Im Bizeps 0/2/7/0 Oberhalb des Ellenbogens 0/2/3/0 Unterhalb des Ellenbogens 0/2/9/0 Beim Handgelenk 0/1/7/0 Breite der Hand 0/3/0/0 Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße beschrieben und eingetragen sind, ziehe ich die Gestalt des Weibes wohlgeschickt 31 mit ihren Linien hinein, bei der ersten senkrechten Konstruktionslinie in der Seitenansicht, bei der zweiten in der Vorderansicht. Danach umziehe ich das rückseitige Weib bei der dritten Konstruktionslinie mit demselben Umriß wie das frontale. Breite zwischen den hinteren Achselhöhlen 1/0/0/0 Die rückseitigen Achselhöhlen sitzen niedriger als die vorderen, darum beträgt der Abstand zwischen der Höhe der Halsgrube und der hinteren Achselhöhle 0/4/0/0 Die Gesäßspalte von unten nach oben 0/6/5/0 Fersenbreite 0/1/7/0 Wie oben beschrieben habe ich im folgenden dieses Weib aufgerissen.

31 „wolgeschickt“: im Sinne von ‚schicklich‘, ‚passend‘.

fol. H5r

111

112

D Buch II

fol. H5v

fol. H5v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhle vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs

(Nr. 277.42)

fol. H5v / fol. H6r

fol. H6r

(Nr. 277.43)

Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch II

fol. H6v

fol. H6v

Dem zuvor beschriebenen Mann will ich im folgenden noch ein zweites Weib zuordnen und bediene mich dabei derselben Methode. Ich messe folgendermaßen vom Scheitel zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter oben zur Schulterhöhe zur Halsgrube Von der Höhe der Halsgrube bis zur Brust unter die vorderen Achselhöhlen

0/0/5/0 0/1/9/0 0/7/6/0 0/8/6/0 1/0/2/0 1/1/0/0 0/2/0/0 0/3/3/0

113

fol. H6v / fol. I1r

fol. I1r

unter die hinteren Achselhöhlen 32 zu den Brustwarzen unter die Brüste

0/4/0/0 0/6/2/0 0/7/3/0

zur Taille Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten zum Schritt zur Scham unten zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels auf das Knie

1/1/4/0 0/1/9/0 0/6/7/0 0/8/6/0 0/9/7/0 1/0/4/0 0/4/4/0 0/8/9/0

32 Dieses Maß erscheint auf der Rückseite, wo es denn auch hingehört; so auch mehrfach im folgenden.

114

D Buch II

Kniemitte Von Kniemitte abwärts bis unter das Knie zur äußeren Wade unten zur inneren Wade unten Risthöhe zum äußeren Fußknöchel unten zur Fußsohle Länge des Fußes Danach lege ich die Länge des Arms wie folgt fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Danach lege ich bei der ersten Konstruktionslinie die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien. Im Haupt auf der Höhe des hinteren Haarwirbels Am Haaransatz In Höhe der Augenbrauen Über die Nase Über Oberlippe und Hals Hals in Höhe des Kinns Der Hals bei der Schulter oben In Schulterhöhe Bei der Halsgrube Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Bei der Hüfte unten Beim Schritt Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter der Kniescheibe Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten

1/1/1/0 0/2/2/0 0/6/3/0 0/7/1/0 1/3/5/0 1/4/3/2 1/6/1/0 0/9/2/0

1/0/8/0 0/8/7/0 0/5/7/0

0/4/5/0 0/7/0/0 0/7/3/0 0/6/5/0 0/6/1/1 0/3/6/0 0/3/7/0 0/4/3/0 0/4/9/0 0/7/0/0 0/7/5/0 0/7/6/0 0/7/1/0 0/6/3/0 0/8/0/0 0/9/7/0 0/9/0/0 0/8/4/0 0/7/1/0 0/6/2/0 0/4/4/0 0/3/8/0 0/3/7/033 0/3/8/0 0/4/1/0 0/3/7/0

33 „Bey endt der kniescheyben“: bisher nicht berücksichtigte Höhe, ohne Linieneintrag.

fol. H6v / fol. I1r

Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Fußknöchel unten Nun mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite. In der Schulter Im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht folgendermaßen fest.

0/3/4/0 0/2/4/0 0/2/7/0 0/4/1/0

0/4/0/0 0/4/0/0 0/2/4/0 0/2/5/0 0/1/4/0 0/1/6/0

Im Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/4/0/0 Über den Haaransatz 0/6/2/0 Mitten durch die Stirn 0/6/4/0 Über die Augenbrauen 0/5/8/0 Über die Ohren 0/6/3/0 Über die Nase und Wangen 0/4/9/0 Breite des Halses beim Kinn 0/3/5/0 An der Schulter oben 0/4/2/0 In Höhe der Achselhöhlen 0/9/4/0 In Höhe der Halsgrube 1/0/8/0 Abstand zwischen den Schultergelenken 0/8/5/0 Über die Brust 1/2/8/0 Zwischen den Achselhöhlen vorn 0/8/5/0 Zwischen den Achselhöhlen hinten 1/0/0/0 Zwischen den Brustwarzen 0/5/7/0 Unter den Brüsten 0/8/9/0 Ein wenig niedriger 0/8/7/034 In der Taille 0/9/2/0 Über den Nabel 1/1/7/0 Über die Hüfte unten 1/3/5/0 Abstand der Hüftgelenke 0/9/0/0 Beim Schritt 1/3/5/0 Das Bein unter der Scham 0/6/8/0 Unter dem Gesäß 0/6/7/0 Bei der Eintiefung des Oberschenkels 0/5/7/1 Über dem Knie 0/4/1/0 Kniemitte 0/3/6/0 Unter dem Knie 0/3/4/0 Wadenmitte 0/4/0/0 Äußere Wade unten 0/3/5/0 34 Diese Meßebene, ohne Linieneintrag, scheint der sonst gelegentlich „endt des prustpeyns“ genannten Höhe zu entsprechen.

fol. I1r

D Buch II

Innere Wade unten 0/3/1/0 Schienbein unten 0/1/6/0 In Risthöhe 0/1/8/0 Durch den Fußknöchel 0/2/0/0 Fußknöchel unten 0/1/9/0 Breite des Fußes 0/3/3/0 Breite der Ferse 0/1/7/035 Nachdem nun alle Längen-, Tiefen- und Breitenmaße eingetragen sind,36 ziehe ich die Gestalt des Weibes mit ihren Linien hinein, bei der ersten senkrechten Konstruktionslinie in der Seitenansicht, bei der zweiten in der Vorderansicht. Danach umziehe ich das rückseitige Weib bei der dritten Konstruktionslinie mit demselben Umriß wie das frontale. Ihre Gesäßspalte von unten nach oben 0/5/7/0 Wie oben beschrieben habe ich im folgenden dieses Weib aufgerissen, daß man sich besser danach richten kann.

35 Dieses Maß bezieht sich wie stets auf die dritte Ansicht Nr. 277.45. 36 Es fehlen hier die Breitenmaße des Arms von vorn, deren Daten jedoch in der Illustration Nr. 277.44 erscheinen.

fol. I1r

115

116

D Buch II

fol. I1v (Nr. 277.44)

fol. I1v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt Scham unten

fol. I1v / fol. I2r

fol. I2r

(Nr. 277.45)

Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch II

fol. I2v

fol. I2v

Im folgenden will ich einen weiteren Mann nach der bisherigen Methode beschreiben. Ich messe zuerst die Länge der Körperabschnitte etc. entlang der ersten Konstruktionslinie wie folgt. Vom Scheitel bis zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter oben zur Halsgrube Die Distanz zwischen Haaransatz und Kinn-Ende teile ich mittels zweier Linien in drei gleiche Abschnitte.

0/0/5/0 0/1/5/0 0/7/6/0 0/8/3/0 1/0/6/0

117

fol. I2v / fol. I3r

fol. I3r

In den obersten setze ich die Stirn, in das mittlere Nase, Augen und Ohren, in das untere Mund und Kinn. Danach teile ich folgendermaßen weiter. Von der Höhe der Halsgrube bis zu den Schultergelenken unter die vorderen Achselhöhlen unter die hinteren Achselhöhlen zu den Brustwarzen unter die Brust zur Taille Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten Ende des Bauchs

0/0/6/0 0/3/6/0 0/4/2/0 0/5/4/0 0/6/3/0 1/0/3/0 0/2/2/1 0/6/5/0 0/7/2/0

118

D Buch II

auf die Scham oben zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels auf das Knie Kniemitte Von Kniemitte bis unter das Knie zur äußeren Wade unten zur inneren Wade unten zur Risthöhe Vom Rist zu den Fußsohlen Von den Fußsohlen aufwärts zum äußeren Fußknöchel unten Die Länge des Fußes Nun lege ich die Länge des Armes wie folgt fest Vom Schultergelenk bis zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien, soweit erforderlich, gezogen sind, lege ich auf der ersten Senkrechten die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien. Das Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Bei den Augenbrauen Bei der Nase Über Oberlippe und Hals Der Hals auf der Kinn-Linie In Höhe der Schulter oben In Höhe der Halsgrube Bei den Schultergelenken Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter der Brust In der Taille Beim Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Über Gesäß und Scham Das Bein unter dem Gesäß Ein wenig tiefer

0/8/2/1 1/0/0/0 0/5/0/0 0/9/8/0 1/2/3/0 0/1/7/0 0/7/0/0 0/7/6/0 1/4/3/0 0/2/5/0 0/1/7/0 0/9/4/0

1/0/6/0 0/9/3/1 0/6/1/0

0/4/5/0 0/6/2/0 0/6/8/0 0/6/3/0 0/5/8/0 0/3/7/0 0/4/0/0 0/4/6/0 0/5/7/0 0/7/7/0 0/7/6/0 0/7/5/0 0/6/0/0 0/6/2/0 0/7/5/0 0/7/0/0 0/6/8/0 0/5/6/0 0/5/4/037

37 Eintrag ohne Linie. Diese Meßhöhe scheint mit jener bei Figur Nr. 277.52 eingetragenen übereinzustimmen; siehe dort.

fol. I2v / fol. I3r

Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten

0/5/4/0 0/3/8/0 0/3/3/0 0/3/2/0 0/3/8/0 0/3/2/0 0/2/9/0

Schienbein unten an der dünnsten Stelle In Risthöhe Beim äußeren Fußknöchel unten Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht wie folgt. Tiefe des Arms in der Schulter Bei der Achselhöhle hinten Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand

0/2/1/0 0/0/4/038 0/3/7/0

Nun trage ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Meß-Ebenen die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht ein. Breite im Haupt auf der Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Unter der Nase über die Wangen Der Hals unter dem Kinn An der Schulter oben Bei der Halsgrube Abstand der Schultergelenke voneinander Breite der Brust Zwischen den Achselhöhlen vorn Zwischen den Brustwarzen Unter der Brust In der Taille Beim Nabel Die Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke voneinander Bei Ende des Bauchs Bei der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Bei Eintiefung des Oberschenkels

0/4/10 0/3/6/0 0/2/1/0 0/2/5/0 0/1/3/0 0/1/6/0

0/4/1/0 0/5/5/0 0/6/0/0 0/5/5/0 0/6/4/0 0/4/4/0 0/3/4/0 0/4/0/0 1/1/4/0 0/9/5/0 1/3/5/039 0/8/8/0 0/6/3/0 0/9/9/0 0/8/2/0 0/9/0/0 1/0/2/0 0/7/3/0 1/0/1/2 1/0/1/0 0/4/8/0 0/4/0/0

38 Statt wie in derTabelle 0/0/4/0 muß es heißen: 0/2/4/0, so in der Illustration Nr. 277.46. 39 Eintrag ohne Linie.

fol. I3r

D Buch II

Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten an der dünnsten Stelle Über dem Fußknöchel in Risthöhe Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht Breite beim Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Beim Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße dieses Mannes beschrieben und eingetragen sind, ziehe ich seine Gestalt wohlgeschickt mit Linien hinein, die Seitenansicht bei der ersten, die Vorderansicht bei der zweiten Konstruktionslinie. Danach zeichne ich bei der dritten Senkrechten den rückseitigen Mann nach dem Umriß der Vorderansicht. Ich mache ihn hinten zwischen den Achselhöhlen breit Die rückseitigen Achselhöhlen sitzen niedriger als die vorderen, darum beträgt der Abstand zwischen der Höhe der Halsgrube und den hinteren Achselhöhlen Der Gesäßspalt von unten nach oben Die Fersenbreite Diesen Mann umreißt du mit einem Zirkel, indem du dessen Spitze in seinen Nabel setzest und seine Arme ein wenig schräg nach oben ausstreckst. So wie dieser Mann hier beschrieben ist, habe ich ihn anschließend zum besseren Verständnis aufgerissen.

0/3/1/0 0/2/8/0 0/2/8/0 0/3/3/0 0/2/6/0 0/2/4/0 0/1/4/0 0/1/8/0 0/1/8/0 0/3/2/0

0/2/5/0 0/2/0/0 0/2/7/0 0/1/7/0 0/3/2/0

1/0/2/0

0/4/2/0 0/5/5/0 0/1/6/0

fol. I3r

119

120

D Buch II

fol. I3v (Nr. 277.46)

fol. I3v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Halsgrube Schultergelenk Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Auf der Scham oben

fol. I3v / fol. I4r

fol. I4r

(Nr. 277.47)

Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch II

fol. I4v (Nr. 277.48)

fol. I5r

Nun will ich dem eben beschriebenen Mann ein Weib zuordnen. Ich halte fest an der vertrauten Methode mit den drei senkrechten Konstruktionslinien und messe zuerst die Längenabschnitte des Weibs wie folgt Vom Scheitel zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn unten zur Schulter oben zur Halsgrube

0/0/6/0 0/1/6/0 0/7/7/040 0/8/7/0 1/4/0/141

40 Eintrag anstatt 0/7/7/0 in der Tabelle in der Illustration Nr. 277.49: 0/7/4/0, dieses anscheinend korrekt. 41 Eintrag in der Illustration abweichend: 1/0/1/1. Im Vergleich mit den entsprechenden weiblichen Maßen zuvor scheint dieser Wert stimmiger.

121

fol. I4v / fol. I5r

fol. I5r

Die Distanz zwischen Stirn und KinnEnde teile ich mittels zweier Querlinien in drei gleiche Abschnitte. In den obersten setze ich die Stirn, in das mittlere Nase, Augen und Ohren, in das untere Mund und Kinn. Danach teile ich weiter Von der Höhe der Halsgrube bis zu den Achselgelenken zur Brust unter die vorderen Achselhöhlen unter die hinteren Achselhöhlen zu den Brustwarzen unter die Brüste zur Taille

0/1/0/0 0/2/4/0 0/3/7/0 0/4/4/0 0/5/0/0 0/6/6/1 1/1/4/0

122

D Buch II

Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten zum Schritt zur Scham unten zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels auf das Knie Kniemitte Von Kniemitte bis unter das Knie zur äußeren Wade unten zur inneren Wade unten Risthöhe Vom Rist zu den Fußsohlen Von den Fußsohlen aufwärts zum äußeren Fußknöchel unten Länge des Fußes Danach lege ich die Länge des Arms wie folgt fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien,soweiterforderlich,gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien der ersten Konstruktionslinie. Und ich messe folgendermaßen. Die Tiefe im Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels Am Haaransatz Über die Augenbrauen Über die Nase Über die Oberlippe Über Kinn und Hals Hals in Höhe des Kinns An der Schulter oben Bei der Halsgrube Bei den Schultergelenken Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel

0/2/2/0 0/6/3/0 0/8/2/0 0/9/2/0 1/0/0/0

fol. I5r

Beim Hüftgelenk über das Gesäß Beim Schritt Bei der Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie

0/9/4/142 0/8/0/0 0/7/5/0 0/6/5/0 0/5/8/0 0/4/0/0

0/4/3/1 0/9/7/0 1/2/2/1 0/1/4/0 0/6/2/0 0/7/0/0 1/3/6/1 0/2/3/0 0/1/4/0 0/8/4/0

0/9/6/0 0/9/1/0 0/5/9/0

0/4/4/0 0/6/2/0 0/6/7/0 0/6/0/0 0/5/5/0 0/5/3/0 0/3/3/0 0/3/8/0 0/4/7/0 0/6/0/0 0/7/0/0 0/7/3/0 0/7/5/0 0/7/0/0 0/5/6/0 0/7/8/0 42 In der Illustration Nr. 277.49 fehlt die 1 für das „Trümlein“.

D Buch II

fol. I5v

fol. I5v

Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten an der dünnsten Stelle Risthöhe Fußknöchel unten Nun mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite wie folgt. Die Tiefe in der Schulter Im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand

0/3/5/0 0/3/3/0 0/3/7/0 0/3/2/0 0/2/9/0 0/2/0/0 0/2/2/0 0/4/0/0

0/3/9/0 0/3/5/0 0/2/5/0 0/2/6/0 0/1/3/0 0/1/6/0

123

fol. I5v / fol. I6r

fol. I6r

(Nr. 277.49)

Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht fest. Breite des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels Am Haaransatz Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Über die Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn Schulter oben In Höhe der Schultergelenke Abstand zwischen den Schultergelenken

0/4/2/0 0/5/4/0 0/6/0/0 0/5/8/0 0/6/2/0 0/4/8/0 0/3/3/0 0/3/7/0 1/1/2/0 0/8/5/0

124

D Buch II

Über Brust und Schultern Zwischen den Achselhöhlen vorn Zwischen den Achselhöhlen hinten Zwischen den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Über den Nabel Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke Beim Schritt Das Bein unter der Scham Unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn wie folgt. Breite im Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Am Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße des Weibs beschrieben und aufgerissen sind, ziehe ich ihre Gestalt mit Linien hinein, bei der ersten Konstruktionslinie in der Seitenansicht, bei der zweiten in der Vorderansicht. Danach zeichne ich die [rückseitige] Gestalt an der dritten Konstruktionslinie mit dem Umriß der frontalen Ansicht. Die Gesäßspalte von unten nach oben Breite der Fersen Wenn du diesem Weib die Arme ein wenig schräg aufwärts ausbreitest, kannst du sie mit einem Zirkel umschreiben, indem du dessen Spitze in ihren Nabel setzest.

1/3/0/0 0/8/5/0 0/9/4/0 0/6/5/0 0/8/5/0 0/7/8/0 1/1/0/0 1/1/9/0 0/8/6/0 1/2/5/0 0/6/2/0 0/6/1/0 0/5/6/0 0/3/7/1 0/3/2/0 0/3/1/0 0/3/7/0 0/3/1/0 0/2/9/0 0/1/2/043 0/1/7/0 0/1/8/0 0/2/9/0

0/2/5/0 0/2/0/0 0/2/6/0 0/1/6/0 0/2/9/0

0/5/7/0 0/1/5/0

43 Eintrag in der Illustration Nr. 277.49 abweichend: 0/1/5/0.

fol. I5v / fol. I6r

Wie es oben beschrieben ist, habe ich im folgenden ein Weib eigens aufgerissen. Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Halsgrube Schulterhöhe Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

fol. I6r

D Buch II

fol. I6v (Nr. 277.50)

fol. I6v / fol. K1r

fol. K1r (Nr. 277.51)

125

126

D Buch II

fol. K1v

fol. K1v

Im folgenden will ich abermals einen Mann und ein Weib beschreiben, dazu bestimme ich mit Hilfe von Querlinien zuerst die Länge der Körperabschnitte. Zunächst der Mann. Vom Scheitel zum Kinn unten Vom Kinn-Ende aufwärts zum Haaransatz Vom Haaransatz abwärts zu den Augenbrauen Von den Augenbrauen abwärts zur Nase unten

0/7/0/0 0/6/0/0 0/2/0/0 0/2/0/0

fol. K1v / fol. K2r

fol. K2r

Von der Nase unten abwärts zum Kinn-Ende Vom Scheitel bis zur Schulter oben zur Schulterhöhe zur Halsgrube Von der Höhe der Halsgrube bis zur Brust unter die Achselhöhlen vorn zu den Brustwarzen unter die Brust zur Taille

0/2/0/044 0/7/7/0 0/9/5/0 1/0/4/0 0/2/0/0 0/3/6/0 0/5/0/0 0/6/0/0 0/9/6/0

44 Diese formal abweichende Messung der Gesichtslänge (zwischen Haaransatz und Kinn) entspricht der sonst geübten Drittelung.

D Buch II

Von der Taille bis zum Nabel 0/2/0/0 zur Hüfte oben 0/2/7/0 zur Hüfte unten 0/6/5/0 Ende des Bauchs 0/7/6/0 auf die Scham oben 0/8/6/0 zum Gesäß unten 0/9/7/0 Vom Gesäß unten bis zur nächsten Linie darunter 0/0/6/045 zur zweiten Linie darunter 0/2/5/046 zur Eintiefung des Oberschenkels 0/5/6/0 Kniemitte 1/2/8/0 Von Kniemitte aufwärts bis über das Knie außen 0/2/8/0 über das Knie innen 0/1/9/047 Von Kniemitte abwärts bis unter das Knie außen 0/0/7/0 unter das Knie innen 0/1/5/048 innere Wade unten 0/6/2/0 äußere Wade unten 0/6/9/0 Risthöhe 1/4/7/0 Vom Rist zu den Fußsohlen 0/2/8/0 Von den Fußsohlen aufwärts zum äußeren Fußknöchel unten 0/1/8/0 Länge des Fußes 0/9/0/0 Nun lege ich die Länge des Armes fest. Von der Halsgrube bis zum Ellenbogen 1/1/4/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/8/5/0 Länge der Hand 0/6/0/0 Nachdem nun die zwei zuvor aufgestellten Konstruktionslinien mit Horizontalen aufgrund dieser Unterteilung durchzogen sind, verzeichne ich auf der ersten Konstruktionslinie die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht und zwar auf allen Höhenlinien. Die Tiefe des Haupts am Haaransatz 0/5/1/0 über die Augenbrauen 0/6/6/0 über Nase und Nacken 0/6/0/0 über Oberlippe und Hals 0/5/4/0 ebenso über Kinn und Hals 0/5/4/0 Der Hals auf der Kinn-Linie 0/3/4/0

45 Bisher nicht berücksichtigte Meßhöhe. Es dürfte hier der von Dürer meistens beachtete Wulst gemeint sein, der bei den Illustrationen der männlichen Figuren an dieser Körperstelle zu beobachten ist. 46 Ebenfalls eine neue Meßhöhe. 47 Desgleichen. 48 Desgleichen.

127

fol. K1v / fol. K2r

In Höhe der Schulter oben Auf der Schulterhöhe In Höhe der Halsgrube Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen

0/3/5/0 0/4/4/0 0/5/3/0 0/7/4/0 0/8/2/0 0/8/3/0

Unter der Brust In der Taille Beim Nabel Hüfte oben Hüfte unten Ende des Bauchs Über Scham und Gesäß Das Bein unter dem Gesäß Bei der nächsten Linie darunter Bei der zweiten Linie darunter Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie außen Über dem Knie innen Kniemitte Unter dem Knie außen Unter dem Knie innen ebenfalls Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht wie folgt Tiefe des Arms in der Achsel Unter der Achselhöhle im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Ein wenig weiter gegen die Hand Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Nun trage ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Meß-Ebenen die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht ein. Breite im Haupt am Haaransatz Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Bei der Nase Der Hals unter dem Kinn An der Schulter oben Auf der Schulter

0/7/6/0 0/6/5/0 0/6/3/0 0/6/5/0 0/8/0/0 0/7/2/0 0/6/9/0 0/5/9/0 0/5/9/0 0/5/8/0 0/5/4/0 0/4/0/0 0/3/7/0 0/3/5/0 0/3/4/0 0/3/4/0 0/4/0/0 0/3/7/0 0/3/4/0 0/2/1/0 0/2/4/0 0/4/0/0

49 Ebenfalls eine neue Meßhöhe.

0/4/5/0 0/3/3/0 0/2/4/0 0/2/4/0 0/1/7/049 0/1/4/0 0/1/5/0

0/5/1/0 0/5/8/0 0/5/5/0 0/6/0/0 0/4/6/0 0/3/3/0 0/4/0/0 0/9/2/0

fol. K2r

128

D Buch II

Bei der Halsgrube Abstand der Schultergelenke voneinander Breite über Schultern und Brust Zwischen den Achselhöhlen Zwischen den Brustwarzen In der Taille Beim Nabel Hüfte oben Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke voneinander Bei Ende des Bauchs Auf der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Bei der nächsten Linie darunter Bei der zweiten Linie darunter ebenfalls Bei Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie außen Über dem Knie innen ebenfalls Das Knie darunter Kniemitte Auch die zwei abwärts folgenden Maße sind gleich, die Gestaltlinien des Knies weisen hier jedoch Krümmungen auf.51

1/2/4/0 0/9/7/0 1/4/4/0 1/0/2/0 0/7/0/0 0/9/0/0 1/0/2/0 1/0/0/0 1/1/3/0 0/8/5/0 1/1/4/0 1/1/3/0 0/5/5/0 0/5/1/0 0/5/1/0 0/4/2/0 0/3/2/0 0/3/2/0 0/2/9/050 0/2/9/0

50 „dz knie darunder“: Es ist unersichtlich, welche Ebene hiermit gemeint ist, zumal sie unter den Längen-Maßen dieser Figur fehlt. Möglicherweise eine versehentliche Verdoppelung der Kniemitte. 51 Es handelt sich um die bei dieser Figur (Nr. 277.52) erstmals registrierten Ebenen „aussen / innen under dem knie“, hier jeweils wiederum mit den Daten 0/2/9/0, in der Tabelle nicht genannt.

fol. K2r

D Buch II

fol. K2v

fol. K2v

Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Durch den Fußknöchel Fußknöchel unten ebenfalls Breite des Fußes vorn Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn Breite unter der Achselhöhle beim Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Ein wenig weiter gegen die Hand Beim Handgelenk Breite der Hand

0/3/5/0 0/3/0/0 0/2/8/0 0/1/4/0 0/1/9/0 0/1/9/0 0/3/0/0

0/2/5/0 0/2/1/0 0/3/0/0 0/2/2/0 0/1/6/0 0/3/1/0

fol. K2v / fol. K3r

fol. K3r

Anschließend bestimme ich die Längenmaße des Weibs an beiden Konstruktionslinien, die ich dementsprechend mit Querlinien unterteile.52 Vom Scheitel zum Halsanfang 0/7/0/053 Von dort aufwärts zum Haaransatz 0/6/0/0 Vom Haaransatz abwärts zu den Augenbrauen 0/2/0/0 Von den Augenbrauen abwärts zur Nase 0/2/0/0 Von dort abwärts zum Halsanfang ebenfalls 0/2/0/0

52 Hier beginnt die „Messung“ des Weibs ohne die übliche Zäsur und Ankündigung. 53 Die Ebene „anfang des hals“ entspricht dem sonstigen „endt des kins“.

129

130

D Buch II

Das Kinn erhebt sich vorn ein wenig über die Halslinie. Vom Scheitel bis zur Schulter oben 0/7/9/0 zur Halsgrube 1/0/0/0 Von der Halsgrube bis zur Höhe der Brust 0/2/1/0 unter die Achselhöhlen 0/3/7/0 zu den Brustwarzen 05/5/0 unter die Brüste 0/7/0/0 zur Taille 1/1/2/0 Von der Taille bis zum Nabel 0/1/5/0 zur Hüfte unten 0/6/0/0 zum Ende des Bauchs 0/7/0/0 zum Schritt 0/8/8/0 zur Scham unten 0/9/6/0 zum Gesäß unten 1/0/4/0 Vom Gesäß unten bis zur nächsten Linie darunter 0/2/3/054 zur Eintiefung des Oberschenkels 0/4/3/0 auf das Knie 0/9/2/0 Kniemitte 1/1/3/ 0 Kniemitte abwärts bis unter das Knie 0/2/0/0 äußere Wade unten 0/6/0/0 innere Wade unten 0/7/2/0 Risthöhe 1/4/5/0 Risthöhe zur Fußsohle 0/2/6/0 Von der Sohle aufwärts zum äußeren Fußknöchel unten 0/1/8/0 Länge des Fußes 0/8/5/0 Danach lege ich die Länge des Arms fest. Von der Halsgrube zum Ellenbogen 1/1/5/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/8/5/0 Länge der Hand 0/5/8/0 Nachdem nun die Längenmaße durch beide Konstruktionslinien gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien der ersten Konstruktionslinie. Im Haupt am Haaransatz In Höhe der Augenbrauen

0/5/1/0 0/6/3/0

54 Diese Ebene entspricht nicht der ebenso bezeichneten Linie des vorigen männlichen Pendants, sondern dessen folgender, der „andern lini darunder“.

fol. K2v / fol. K3r

Über Nacken und Nase Über Oberlippe und Hals Über Kinn und Hals gleichfalls Der Hals unter dem Kinn Schulter oben

0/5/5/0 0/5/2/0 0/5/2/0 0/3/2/0 0/3/3/0

Bei der Halsgrube Über die Brust Bei den Achseln vorn Bei den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Bei der Hüfte unten Ende des Bauchs Schritt Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Auf der „andern“ Linie darunter Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Fußknöchel unten Nun mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite. Tiefe in der Schulter Unterhalb der Achselhöhle Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht fest.

0/4/0/0 0/6/2/0 0/6/8/0 0/7/0/0 0/6/6/0 0/5/5/0 0/6/8/0 0/9/0/0 0/8/6/0 0/8/0/0 0/7/5/0 0/6/5/0 0/6/0/055 0/5/4/056 0/4/0/0 0/3/5/0 0/3/5/0 0/3/9/0 0/3/6/0 0/3/2/0 0/2/0/0 0/2/2/0 0/3/5/0

Breite im Haupt am Haaransatz Mitten durch die Stirn

0/5/1/0 0/5/7/0

0/4/4/0 0/3/3/0 0/2/4/0 0/2/4/0 0/1/3/0 0/1/4/0

55 Ein entsprechender Eintrag ist bei Nr. 277.53 nicht erkennbar. Möglicherweise ist damit die folgende Ebene („die negst darund“) gemeint, deren Maßeintrag allerdings abweicht: 0/6/4/0. 56 In der Illustration Nr. 277.53 offensichtlich fehlerhaft abweichend: 0/6/4/0.

fol. K3r

D Buch II

Über die Augenbrauen Über die Ohren Über Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn An der Schulter oben In Höhe der Halsgrube Abstand zwischen den Schultergelenken Über die Brust Zwischen den Achselhöhlen Zwischen den Brustwarzen („wertzlein“) Unter den Brüsten In der Taille Über den Nabel Über die Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke Bei Ende des Bauchs Beim Schritt Das Bein unter der Scham Unter dem Gesäß Bei der nächsten Linie darunter Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten

0/5/3/0 0/5/8/0 0/4/5/0 0/3/0/0 0/3/5/0 0/8/7/0 0/8/5/0 1/2/2/0 0/8/2/0 0/6/0/0 0/8/4/057 0/7/7/0 1/4/0/058 1/2/0/0 0/8/4/0 1/1/3/059 1/2/4/0 0/6/2/0 0/6/1/0 0/6/0/0 0/5/3/0 0/3/8/0 0/3/5/0 0/3/1/0 0/3/5/0 0/3/4/0 0/3/0/0 0/1/4/0

57 Der Zusatz „hinden uber rück“ ist unverständlich, da dieses Maß vorn wie hinten identisch ist, zudem wie gewohnt vorn eingetragen wurde. 58 Anstatt 1/4/0/0 wie in der Tabelle muß der Eintrag in der Illustration (Nr. 277.53) gelten: 1/0/4/0. 59 Eintrag in der Illustration abweichend: 1/2/3/0; dieser anscheinend zutreffend.

fol. K3r

131

132

D Buch II

fol. K3v

fol. K3v

Risthöhe Beim Fußknöchel unten ebenfalls Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn wie folgt Breite unter der Achselhöhle Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Beim Handgelenk Breite der Hand

0/2/6/060 0/2/6/061 0/2/9/0

0/2/4/0 0/2/1/0 0/2/9/0 0/1/5/0 0/2/8/0

60 Dieser Wert, der auch in der Illustration erscheint, dürfte zu groß sein; er könnte 0/1/6/0 lauten. 61 Hier gilt das gleiche.

fol. K3v / fol. K4r

fol. K4r (Nr. 277.52)

Nun ziehe ich die Gestaltlinien des Mannes und des Weibs in ihren zuvor beschriebenen Längen-, Tiefen- und Breitenmaßen wie sie zwischen den Querlinien ein- und auswärts verlaufen. In dieser Weise habe ich Mann und Weib auf den folgenden zwei Tafeln mit Fleiß aufgerissen. Wenn du aber das Haupt der Figuren vergrößern willst, verlängere die Konstruktionslinie oben um 0/0/8/0. Dann reiße die Rundung des Hauptes in der Seitenansicht von der Stirn an aufwärts zur neuen Scheitellinie, sodann nach hinten und abwärts zum Nacken und Hals. Die Rundung des En-face-Hauptes reiße von der neuen Scheitellinie beider-

D Buch II

seits auswärts, sodann abwärts, bis sie an der Querlinie der Augenbrauen bei den Ohren wieder auftrifft. So habe ich es in meinem Aufriß gezeigt. fol. K4r

Scheitel Stirn62 Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Ende des Bauchs Auf der Scham oben Gesäß unten Die nächste Linie darunter Die zweite Linie darunter Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie außen Auf dem Knie innen Kniemitte Unter dem Knie außen Unter dem Knie innen Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

62 Die beiden ersten Positionen („Scheyttel, Stirn“) betreffen die Vergrößerung des Hauptes, so auch bei der folgenden Frau.

fol. K4r

133

134

D Buch II

fol. K4v

fol. K4v

Scheitel Stirn Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Schritt Scham unten

(Nr. 277.53)

fol. K4v / fol. K5r

fol. K5r

Gesäß unten Die nächste Linie darunter Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Unterseite des äußeren Fußknöchels Fußsohle Im folgenden will ich einen weiteren Mann nach derselben Methode messen. Ich beginne mit der Längen-Messung der Körperabschnitte etc. an der ersten Konstruktionslinie.

fol. K5r

D Buch II

Vom Scheitel bis zur Linie des hinteren Haarwirbels zum Haaransatz zum Kinn-Ende auf die Schulterhöhe zu den Schultergelenken zur Halsgrube Von der Halsgrube bis unter die Achselhöhlen vorn zu den Brustwarzen unter die Brust zur Taille Von der Taille bis zum Nabel Hüfte unten auf die Scham oben zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels auf das Knie Kniemitte Von der Kniemitte bis unter das Knie zur äußeren Wade unten zur inneren Wade unten zur Risthöhe bis Ende des Schienbeins zu den Fußsohlen Die Länge des Fußes

0/1/0/0 0/2/2/0 0/8/4/0 1/0/1/0 1/1/0/0 1/1/5/0 0/2/1/0 0/4/0/0 0/5/3/0 1/0/0/0 0/2/3/0 0/7/5/0 0/8/5/0 1/1/0/0 0/3/2/1 0/7/4/0 1/0/5/0 0/1/6/0 0/6/8/0 0/7/7/0 1/4/6/0 1/5/4/063 1/7/0/0 1/0/0/0

Nun lege ich die Länge des Armes wie folgt fest Vom Schultergelenk bis zum Ellenbogen 1/0/0/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/9/0/0 Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen 0/6/0/0 Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien, soweit erforderlich, gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht an der ersten Senkrechten fest und zwar auf allen Höhenlinien.

63 Mißverständliche Benennung; es ist der Fußknöchel unten gemeint, in dem Dürer das Schienbein enden läßt, nicht aber das bei den Tiefen-Maßen oft genannte untere Schienbein („am dünsten“).

135

fol. K5r

Das Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Über die Augenbrauen Über die Nase Über Oberlippe und Hals Der Hals auf der Kinn-Linie In Schulterhöhe Über die Schultergelenke In Höhe der Halsgrube Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter der Brust In der Taille Beim Nabel Hüfte unten Bei der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Bei der Eintiefung Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Ende des Schienbeins, Fußknöchel unten Danach mache ich die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht wie folgt Tiefe des Arms in der Schulter

0/5/2/0 0/7/0/0 0/7/5/0 0/7/0/0 0/6/2/0 0/4/2/0 0/4/6/0 0/5/0/0 0/6/7/0 0/7/9/0 0/8/5/0 0/8/3/0 0/7/3/0 0/6/7/0 0/8/4/0 0/7/6/0 0/6/1/0 0/6/1/1 0/4/7/0 0/3/8/0 0/3/7/0 0/4/4/0 0/4/0/0 0/3/7/0 0/2/5/0 0/3/0/0 0/4/9/0

0/5/0/0

136

D Buch II

fol. K5v

fol. K5v

Im Bizeps 0/7/3/064 Im Ellenbogen 0/2/6/0 Unterhalb des Ellenbogens 0/2/8/0 Ein wenig tiefer gegen die Hand 0/2/0/0 Im Handgelenk 0/1/6/0 Tiefe der seitlichen Hand 0/1/9/0 Nun trage ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Meß-Ebenen die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht wie folgt ein. Breite im Haupt auf der Höhe des hinteren Haarwirbels 0/5/5/0

64 Anstatt 0/7/3/0 (Zahlendreher) muß es heißen wie im Eintrag: 0/3/7/0 (Nr. 277.54).

fol. K5v / fol. K6r

fol. K6r (Nr. 277.54)

Beim Haaransatz Über die Augenbrauen Über die Ohren Über Nase und Wangen Der Hals unter dem Kinn In Schulterhöhe Abstand der Schultergelenke voneinander Über Brust, Schulter und Halsgrube Zwischen der Achselhöhlen vorn Zwischen den Achselhöhlen hinten Zwischen den Brustwarzen Unter der Brust In der Taille Beim Nabel

0/6/6/0 0/5/8/0 0/6/5/0 0/4/8/0 0/4/0/0 1/0/0/0 1/0/0/0 1/5/0/0 1/0/0/0 1/1/8/0 0/7/6/0 1/1/6/0 0/9/6/0 1/0/0/0

D Buch II

Hüfte unten („hüfft art“) Abstand der Hüftgelenke voneinander Bei der Scham oben Das Bein unter dem Gesäß Bei Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten Risthöhe Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn wie folgt Breite beim Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Näher zur Hand Beim Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße dieses Mannes beschrieben und eingetragen sind, ziehe ich seine Gestalt mit geschickten66 Linien hinein, die Seitenansicht bei der ersten, die Vorderansicht bei der zweiten Konstruktionslinie. Danach zeichne ich die rückseitige Gestalt des Mannes an der dritten Konstruktionslinie nach dem Umriß der Vorderansicht. Sein Gesäßspalt von unten nach oben Fersenbreite Die rückseitigen Achselhöhlen sitzen niedriger als die vorderen, darum beträgt der Abstand zwischen der Höhe der Halsgrube und der hinteren Achselhöhle Diesen Mann kannst du mit einem Zirkel umreißen, wenn du seine Arme, so lang sie sind, ausstreckst. Die Zirkelspitze

1/1/7/165 0/8/5/0 1/1/9/0 0/5/4/0 0/4/5/0 0/3/5/0 0/3/1/1 0/3/0/0 0/3/8/0 0/3/4/0 0/3/0/0 0/1/6/0 0/2/0/0 0/2/2/0 0/3/9/0

0/2/6/0 0/2/3/0 0/3/0/0 0/2/3/0 0/2/0/0 0/3/2/0

0/6/0/0 0/2/2/0

0/4/5/0

65 „Bey der hüfft art“: So wird sonst immer die Hüfte oben bezeichnet; hier handelt es sich jedoch um die Ebene Hüfte unten. In der Illustration heißt es denn auch korrekt „Endt der hüfft“. 66 „ertigen“, von artig: ‚manierlich‘, ‚elegant‘, ‚geschickt‘; Grimm 1, Sp. 573.

137

fol. K5v / fol. K6r

setzest du zu diesem Zweck in seinen Nabel. So wie dieser Mann oben beschrieben ist, habe ich ihn anschließend deutlich aufgerissen und mit den Maßangaben und Markierungen bezeichnet. Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulterhöhe Schultergelenke Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

fol. K6r

138

D Buch II

fol. K6v

(Nr. 277.55)

fol. K6v / fol. L1r

fol. L1r

(Nr. 277.56)

D Buch II

fol. L1v

fol. L1v

Diesem eben beschriebenen Mann will ich ein Weib zuordnen. Ich bleibe bei der vertrauten Methode und lege zuerst des Leibes Längenabschnitte etc. an der ersten Konstruktionslinie folgendermaßen fest. Vom Scheitel zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn zur Schulterhöhe zur Halsgrube Von der Halsgrube bis unter die Achselhöhlen vorn unter die Achselhöhlen hinten zu den Brustwarzen unter die Brüste zur Taille

0/0/6/0 0/2/4/0 0/8/4/0 0/9/8/0 1/1/0/0 0/2/8/0 0/3/7/0 0/4/5/0 0/6/0/0 1/0/7/0

139

fol. L1v / fol. L2r

fol. L2r

Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten zum Schritt zur Scham unten zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels auf das Knie Kniemitte Von Kniemitte bis unter das Knie äußere Wade unten innere Wade unten Risthöhe Fußknöchel unten

0/2/6/0 0/6/2/0 0/8/3/2 0/9/0/0 1/0/5/0 0/4/5/0 0/9/0/0 1/1/6/0 0/1/9/0 0/6/4/0 0/7/3/0 1/3/3/0 1/4/2/0

140

D Buch II

fol. L1v / fol. L2r

zu den Fußsohlen 1/6/2/0 Länge des Fußes 0/9/4/0 Danach lege ich die Länge des Arms fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 0/9/4/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/8/4/0 Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen 0/6/1/0 Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien,soweiterforderlich,gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien der ersten Konstruktionslinie. Die Tiefe im Haupt in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/4/5/0 Beim Haaransatz 0/7/2/0 Über die Augenbrauen 0/7/4/0 Über die Nase 0/6/6/0 Über Oberlippe und Hals 0/6/1/1 Der Hals in Höhe des Kinns 0/4/0/0 In Schulterhöhe 0/4/5/0 Bei der Halsgrube 0/5/3/0 Bei den Achselhöhlen vorn 0/7/5/0 Bei den Brustwarzen 0/8/0/0 Unter den Brüsten 0/7/5/0 In der Taille 0/6/2/0 Beim Nabel 0/8/0/0 Bei der Hüfte unten 0/9/9/0 Beim Schritt 0/8/2/0 Bei der Scham unten 0/7/9/0 Das Bein unter dem Gesäß 0/6/6/0 Eintiefung des Oberschenkels 0/6/4/0 Über dem Knie 0/4/5/0 Kniemitte 0/3/8/0 Unter dem Knie 0/3/9/0 Wadenmitte 0/4/2/0 Äußere Wade unten 0/3/8/0 Innere Wade unten 0/3/6/0 Schienbein unten 0/2/4/0 Risthöhe 0/2/5/0 Fußknöchel unten 0/3/9/0 Nun mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite wie folgt. Die Tiefe in der Schulter 0/4/6/0 Im Bizeps 0/3/6/0 Im Ellenbogen 0/2/8/067

Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand

0/1/4/0 0/1/8/0

67 Eintrag in der Illustration (Nr. 277.57) abweichend: 0/2/5/0. Der Wert 0/2/8/0 befindet sich an der sonst gebräuchlichen Stelle „for dem elbogen“, fehlt jedoch in der Tabelle.

68 Eintrag rechts entlang der gekrümmten Linie, die normalerweise die Distanz der Schultergelenke anzeigt, hier aber verrissen scheint. 69 „wertzlen“, statt der sonst gebräuchlichen „tütlein“.

Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht wie folgt fest. Breite des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Über die Augenbrauen Über die Ohren Über Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn In Schulterhöhe Bei der Halsgrube Abstand zwischen den Schultergelenken Zwischen den Achselhöhlen vorn Zwischen den Achselhöhlen hinten Zwischen den Brustwarzen Die Breite über Brust und Schultern Unter den Brüsten In der Taille Über den Nabel Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke Beim Schritt Das Bein unter der Scham Unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten In Risthöhe Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn wie folgt Breite im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens

0/4/8/0 0/6/4/0 0/5/8/0 0/6/2/0 0/4/8/0 0/3/9/0 0/9/5/0 1/1/8/068 0/9/5/0 0/8/7/0 1/0/4/0 0/5/7/069 1/3/2/0 1/0/2/0 0/9/4/0 1/1/7/1 1/2/4/0 0/9/0/0 1/2/8/0 0/6/1/0 0/6/1/0 0/5/2/0 0/3/9/0 0/3/2/0 0/3/1/0 0/3/8/0 0/3/2/0 0/2/8/0 0/1/6/0 0/1/9/0 0/1/9/0 0/3/4/0

0/2/7/0 0/2/4/0 0/2/8/0

fol. L2r

D Buch II

Etwas weiter zur Hand Am Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße des Weibs eingetragen sind, ziehe ich ihre Gestalt wohlgeschickt mit Linien hinein, bei der ersten Konstruktionslinie in der Seitenansicht, bei der zweiten in der Vorderansicht. Danach umzeichne ich ihre rückseitige Gestalt mit dem Umriß der frontalen Ansicht. Ihre Gesäßspalte von unten nach oben Breite der Fersen Wenn du dieser weiblichen Figur die Arme aufwärts erhoben in voller Länge kreuzweise ausstreckst, ihr die Spitze eines Zirkels in den Nabel setzest, dann berührt der Zirkelschlag den Rand ihrer Hände und Füße. Wie oben beschrieben, habe ich im folgenden das Weib eigens aufgerissen und mit allen Meßdaten und Symbolen sorgfältig bezeichnet, damit man sich danach richten kann.

0/2/1/0 0/1/7/0 0/2/8/0

0/6/2/0 0/1/9/0

fol. L2r

141

142

D Buch II

fol. L2v (Nr. 277.57)

fol. L2v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulterhöhe Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt Scham unten Gesäß unten

fol. L2v / fol. L3r

fol. L3r

(Nr. 277.58)

Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch II

fol. L3v (Nr. 277.59)

fol. L4r

Im folgenden will ich nach derselben Methode wie zuvor einen weiteren Mann beschreiben. Deshalb lege ich zuerst die Längenabschnitte etc. an der ersten Konstruktionslinie fest. Vom Scheitel bis zum hinteren Haarwirbel zum Ende des Kinns zur Schulter oben zur Schulterhöhe in die Halsgrube Die Distanz zwischen dem Haaransatz und dem Ende des Kinns teile ich mit zwei Querlinien in drei gleiche Abschnitte; in das oberste setze ich die Stirn, in das mittlere die Nase, Augen und Ohren, in das

0/1/0/0 0/7/6/0 0/8/6/0 1/0/6/0 1/1/5/0

143

fol. L3v / fol. L4r

fol. L4r

untere Mund und Kinn. So habe ich es bei allen Häuptern zuvor getan und tue es weiterhin, ohne es – der Kürze wegen – jeweils anzusagen. Von der Halsgrube bis zur Brust unter die Achselhöhle vorn unter die Achselhöhle hinten zu den Brustwarzen unter die Brust Brustbein unten zur Taille Von der Taille bis zum Nabel Hüfte oben Hüfte unten

0/2/0/0 0/3/9/0 0/4/2/0 0/5/1/0 0/6/1/0 0/7/1/0 0/9/2/0 0/2/9/0 0/4/7/0 0/6/90

144

D Buch II

Ende des Bauchs 0/7/9/0 auf die Scham oben 0/8/6/0 zum Gesäß unten 1/1/5/0 Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels 0/4/4/0 auf das Knie 0/9/1/1 Kniemitte 1/1/0/0 Von der Kniemitte bis unter das Knie 0/2/5/0 zur äußeren Wade unten 0/6/4/0 zur inneren Wade unten 0/7/2/0 zur Risthöhe 1/3/9/0 zum äußeren Fußknöchel unten 1/4/7/0 zu den Fußsohlen 1/6/8/0 Länge des Fußes 0/9/5/0 Nun lege ich die Länge des Armes folgendermaßen fest Vom Schultergelenk bis zum Ellenbogen 1/0/4/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/8/3/0 Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen 0/6/6/0 Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien, soweit erforderlich, gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht wie folgt fest und zwar auf allen Höhenlinien. Tiefe des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/5/6/0 Bei den Augenbrauen 0/7/1/0 Über die Nase 0/6/3/0 Über die Oberlippe 0/5/5/0 Über Kinn und Hals 0/5/2/0 Der Hals in Höhe des Kinns 0/3/9/0 In Höhe der Schulter oben ebenfalls 0/3/9/0 In Schulterhöhe 0/4/5/0 Bei der Halsgrube 0/5/6/0 Über die Brust 0/7/3/0 Bei den Achselhöhlen vorn 0/8/3/0 Bei den Brustwarzen 0/8/4/0 Unter der Brust 0/7/9/0 Am Brustbein unten 0/7/8/0 In der Taille 0/7/0/0 Beim Nabel 0/6/8/0 Hüfte oben 0/7/0/0 Hüfte unten 0/7/6/0 Ende des Bauchs 0/7/2/1 Auf der Scham 0/7/3/0 Das Bein unter dem Gesäß 0/5/8/0

fol. L4r

D Buch II

fol.L4v

fol. L4v

Unter dem Gesäß weiter abwärts 0/5/5/070 Bei der Eintiefung des Oberschenkels 0/5/6/0 Über dem Knie 0/4/2/0 Kniemitte 0/4/0/0 Unter der Kniescheibe 0/3/5/0 Unter dem Knie 0/4/0/0 Wadenmitte 0/4/2/0 Äußere Wade unten 0/3/9/0 Innere Wade unten 0/3/5/0 Schienbein unten 0/2/4/0 In Risthöhe 0/2/8/0 Fußknöchel unten 0/3/8/0 Die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht Tiefe des Arms in der Schulter 0/5/0/0 70 Ohne Lineneintrag.

145

fol. L4v / fol. L5r

fol. L5r

(Nr. 277.60)

Bei der hinteren Achselhöhle Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Ein wenig tiefer gegen die Hand Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Anschließend lege ich an der zweiten Konstruktionslinie die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht fest und zwar auf sämtlichen Querlinien. Breite des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren In Höhe der Nase und Wange

0/3/8/0 0/2/5/0 0/2/6/0 0/2/0/0 0/1/4/0 0/1/7/0

0/6/0/0 0/6/6/0 0/6/2/0 0/6/8/0 0/5/2/0

146

D Buch II

Der Hals in Höhe des Kinns Bei der Schulter oben In Schulterhöhe Bei der Halsgrube Abstand der Schultergelenke voneinander Breite der Brust Zwischen den Achselhöhlen vorn Zwischen den Achselhöhlen hinten Breite unter der Brust In der Taille Beim Nabel Bei der Hüfte oben Bei der Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke voneinander Bei Ende des Bauchs Breite des Beins bei der Scham Das Bein unter dem Gesäß Bei Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte ebenfalls Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten In Risthöhe Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn folgendermaßen. Im Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Ein wenig tiefer gegen die Hand Beim Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße dieses Mannes beschrieben sind, ziehe ich mit geschickten Linien seine Gestalt hinein. Bei der ersten Konstruktionslinie zeichne ich sie von der Seite, bei der zweiten von vorn. Für den Umriß des rückseitigen Mannes an der dritten Konstruktionslinie verwende ich die Vorderansicht. Sein Gesäßspalt von unten nach oben Fersenbreite

0/3/5/0 0/4/0/0 1/0/7/0 1/3/4/0 1/0/8/0 1/5/2/0 1/0/4/0 1/1/8/0 1/0/9/0 0/9/0/0 1/3/0/071 1/0/7/0 1/1/5/0 0/8/5/0 1/1/4/0 0/5/5/0 0/5/3/0 0/4/4/0 0/3/5/0 0/3/5/0 0/3/1/0 0/3/8/0 0/3/2/0 0/3/0/0 0/1/7/0 0/2/2/0 0/2/1/0 0/3/7/0

0/2/6/0 0/2/4/0 0/3/0/0 0/2/4/0 0/2/0/0 0/3/4/0

0/5/5/0 0/2/2/0

71 Der Wert in der Tabelle 1/3/0/0 ist fehlerhaft, Eintrag in der Illustration Nr. 277.61 zutreffend 1/0/3/0.

fol. L4v / fol. L5r

Wenn du dieser männlichen Figur die Arme aufwärts erhoben ausstreckst, ihm die Spitze eines Zirkels in den Nabel setzest, dann umschreibst du ihn mit einem Kreis. Wie oben beschrieben, habe ich hier diesen Mann ganz im Sinne meiner Lehre aufgerissen, damit man sich umso eindeutiger unterrichten kann. Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhle vorn Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Ende des Bauchs Auf der Scham oben Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

fol. L5r

D Buch II

fol. L5v (Nr. 277.61)

fol. L5v / fol. L6r

fol. L6r

(Nr. 277.62)

147

148

D Buch II

fol. L6v

fol. L6v

Im folgenden will ich dem eben beschriebenen Mann ein Weib zuordnen und beschreibe es nach derselben Methode. Zuerst messe ich die Länge der Körperabschnitte und Körperdetails an der ersten Konstruktionslinie. Vom Scheitel bis zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn zur Schulter oben zur Halsgrube Von der Halsgrube bis zu den Schultergelenken zur Brust zu den Achselhöhlen vorn

fol. L6v / fol. M1r

fol. M1r

0/0/9/0 0/1/8/0 0/7/5/0 0/9/0/0 1/1/0/0

zu den Achselhöhlen hinten zu den Brustwarzen unter die Brüste zur Taille Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten Ende des Bauchs zur Scham oben zum Schritt zur Scham unten zum Gesäß unten

0/4/6/0 0/5/6/0 0/7/2/0 1/1/8/0

0/0/5/0 0/2/8/0 0/3/7/0

72 „höch des bühels“ (bzw. „höch der scham“), neu eingeführter Name für die Meßhöhe bei der Frau: oberer Ansatz des Schamhügels, ‚Scham oben‘.

0/1/2/0 0/6/1/0 0/7/0/0 0/8/4/072 0/9/5/0 1/0/2/1 1/1/1/0

D Buch II

Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels auf das Knie Kniemitte Von der Kniemitte abwärts bis unter das Knie äußere Wade unten innere Wade unten Risthöhe zur äußeren Fußknöchel unten zur Fußsohle Länge des Fußes Danach lege ich die Länge des Arms wie folgt fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien,soweiterforderlich,gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Weibes in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien, wohlgemerkt an der ersten Konstruktionslinie. Tiefe des Haupts auf der Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz In Höhe der Augenbrauen Über die Nase Über die Oberlippe Über Kinn und Hals Der Hals in Kinnhöhe Schulter oben Bei der Halsgrube Bei den Schultergelenken Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Bei der Hüfte unten Ende des Bauchs Bei der Scham oben

0/3/8/0 0/7/9/0 1/0/0/0 0/1/0/073 0/6/0/0 0/7/0/0 1/3/1/0 1/4/0/0 1/6/1/0 0/9/0/0

1/0/0/0 0/8/3/0 0/5/8/0

0/5/0/0 0/6/4/0 0/7/3/0 0/6/4/0 0/5/8/0 0/5/6/0 0/3/4/0 0/3/7/074 0/4/8/0 0/5/8/0 0/7/4/0 0/7/5/0 0/7/8/0 0/7/2/0 0/6/2/0 0/7/2/0 1/0/5/0 1/0/0/0 0/9/2/0

73 Eintrag (Nr. 277.62) abweichend: 0/1/5/0; dieser Wert scheint plausibler. 74 Es heißt: „Bey der achsel höch“, worunter sonst die Schulterhöhe verstanden wird; gemeint ist jedoch „höch des schulterfleisch“ (Schulter oben), so auch in der zugehörigen Illustration Nr. 277.63.

149

fol. L6v / fol. M1r

Beim Schritt Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten

0/8/7/0 0/8/2/0 0/7/0/0 0/6/7/0 0/4/8/0 0/4/0/0 0/3/8/0 0/4/4/0 0/4/1/0 0/3/6/0 0/2/5/0

In Risthöhe Beim Fußknöchel unten Nun mache ich wie folgt die Tiefenmaße des Arms von der Seite. Tiefe in der Schulter Im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Weiter gegen die Hand Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht fest.

0/2/6/0 0/3/8/0

Breite des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Über Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn Bei der Schulter oben In Höhe der Halsgrube Über die Schultergelenke Abstand zwischen den Schultergelenken Über Brust und Schultern Zwischen den Achselhöhlen vorn Zwischen den Achselhöhlen hinten Zwischen den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Über die Hüfte unten

0/4/4/0 0/3/8/0 0/2/6/0 0/2/7/0 0/2/0/0 0/1/5/0 0/1/8/0

0/5/0/0 0/6/4/0 0/6/5/0 0/6/0/0 0/6/5/0 0/5/0/0 0/3/2/0 0/5/6/0 1/0/6/0 1/2/0/0 0/6/5/075 1/3/7/1 0/9/1/0 1/0/5/0 0/6/8/0 0/9/7/0 0/8/8/0 1/1/2/2 1/3/0/0

75 Der Wert in der Tabelle 0/6/5/0 ist offenkundig falsch, er muß wie im Eintrag (Nr.277.64) lauten 0/9/5/0.

fol. M1r

150

D Buch II

Abstand der Hüftgelenke Am Ende des Bauchs Bei der Scham oben Beim Schritt Das Bein unter der Scham Das Bein unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten In Risthöhe Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht wie folgt. Breite im Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Weiter gegen die Hand Beim Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße beschrieben und eingetragen sind, ziehe ich die Gestalt des Weibes wohlgeschickt mit ihren Linien hinein, bei der ersten senkrechten Konstruktionslinie in der Seitenansicht, bei der zweiten in der Vorderansicht. Danach umziehe ich das rückseitige Weib bei der dritten Konstruktionslinie mit dem Umriß der Vorderansicht. Die Gesäßspalte von unten nach oben Fersenbreite Wenn du dieser weiblichen Figur die Arme aufwärts erhoben in voller Länge ausstreckst, ihr die Spitze eines Zirkels in den Nabel setzest, dann umschreibst du sie mit einem Kreis. Wie oben beschrieben, habe ich im folgenden das Weib aufgerissen und mit allen Meßdaten und Symbolen bezeichnet. So steht es vor Augen, daß man sich danach richte.

0/9/5/0 1/3/2/1 1/3/5/0 1/3/4/0 0/6/6/1 0/6/6/0 0/5/6/0 0/4/2/0 0/3/8/1 0/3/7/0 0/4/3/0 0/3/9/0 0/3/4/0 0/1/7/0 0/2/1/1 0/3/5/0

0/2/9/0 0/2/4/0 0/3/0/0 0/2/4/0 0/1/8/0 0/3/0/0

0/6/0/0 0/2/0/0

fol. M1r

D Buch II

fol. M1v

fol. M1v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Halsgrube Schultergelenke Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs

(Nr. 277.63)

fol. M1v / fol. M2r

fol. M2r

(Nr. 277.64)

Scham oben Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

151

152

D Buch II

fol. M2v (Nr. 277.65)

fol. M3r

Ich will dem zuletzt beschriebenen Mann noch ein zweites Weib zuordnen; nach der vorigen Methode lege ich zuerst die Längenmaße der Körperabschnitte etc. fest. Vom Scheitel zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn zur Schulter oben zur Halsgrube Von der Stirn zu den Augenbrauen Die Distanz zwischen Augenbrauen und Ende des Kinns teile ich mit einer Querlinie in zwei gleiche Abschnitte. In den obersten setze ich Nase, Augen und Ohren, in das untere Mund und Kinn. Danach messe ich weiter.

0/0/7/0 0/1/6/0 0/7/4/0 0/8/7/0 1/0/2/0 0/2/2/0

fol. M2v / fol. M3r

fol. M3r

Von der Halsgrube bis zur Schulterhöhe zu den Schultergelenken zu den Achselhöhlen vorn zu den Achselhöhlen hinten zu den Brustwarzen unter die Brüste zur Taille Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten Ende des Bauchs zum Schritt zur Scham unten zum Gesäß unten

0/0/8/0 0/1/5/0 0/4/7/0 0/5/7/0 0/6/5/0 0/8/0/0 1/2/5/0 0/1/6/0 0/6/5/0 0/7/5/0 0/8/7/0 0/9/6/0 1/0/8/0

D Buch II

Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels 0/4/5/0 auf das Knie 0/8/7/0 Kniemitte 1/0/9/0 Von der Kniemitte bis unter das Knie 0/1/5/0 zur äußeren Wade unten 0/5/8/0 zu der inneren Wade unten 0/6/7/0 zur Risthöhe 1/3/0/0 zum äußeren Fußknöchel unten 1/3/9/0 zu den Fußsohlen 1/5/6/0 Länge des Fußes 0/9/0/0 Danach lege ich die Länge des Arms wie folgt fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 1/0/0/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/8/3/0 Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen 0/5/8/0 Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien,soweiterforderlich,gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Weibs in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien der ersten Konstruktionslinie. Die Tiefe des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/4/5/0 Am Haaransatz 0/6/1/0 Über die Augenbrauen 0/7/2/0 Über die Nase 0/6/0/0 Über Oberlippe und Hals 0/5/7/0 Hals in Höhe des Kinns 0/3/2/0 Schulter oben 0/3/5/0 Bei der Halsgrube 0/4/2/0 In Schulterhöhe 0/5/5/0 Bei den Schultergelenken 0/6/2/0 Bei den Achselhöhlen vorn 0/7/7/0 Bei den Brustwarzen 0/7/5/0 Unter den Brüsten 0/7/0/0 In der Taille 0/6/1/076 Beim Nabel 0/7/1/0 Bei der Hüfte unten 0/9/8/0 Ende des Bauchs 0/9/2/077 Beim Schritt 0/8/6/0 Bei der Scham unten 0/8/7/078 76 Eintrag (Nr. 277.66) abweichend: 0/6/7/0; dieser Wert dürfte zutreffen. 77 Eintrag (ebd.) abweichend:0/8/2/0;dieserWert ist offensichtlich falsch. 78 Eintrag (ebd.) abweichend: 0/8/3/0; dieser Wert scheint zutreffend zu sein.

153

fol. M3r

Das Bein unter dem Gesäß Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie

0/7/3/0 0/6/0/0 0/4/3/0

154

fol. M3v

D Buch II

fol. M3v / fol. M4r

fol. M3v

fol. M4r

Kniemitte 0/3/7/0 Unter dem Knie 0/3/6/0 Wadenmitte 0/4/0/0 Äußere Wade unten 0/3/6/0 Innere Wade unten 0/3/4/0 Schienbein unten 0/2/3/0 In Risthöhe 0/2/5/0 Äußerer Fußknöchel unten 0/3/7/0 Nun mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite wie folgt. Die Tiefe in der Schulter 0/4/4/0 Im Bizeps 0/3/7/0 Im Ellenbogen 0/2/4/0 Unterhalb des Ellenbogens 0/2/6/0 Im Handgelenk 0/1/5/0 Tiefe der seitlichen Hand 0/1/8/0

(Nr. 277.66)

Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht fest. Breite des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Über Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn Bei der Schulter oben Bei der Halsgrube In Schulterhöhe In Höhe der Schultergelenke

0/4/9/0 0/6/3/0 0/6/5/0 0/6/0/0 0/6/5/0 0/4/8/0 0/3/3/0 0/4/0/0 0/8/2/0 1/0/5/0 1/2/2/0

D Buch II

Abstand zwischen den Schultergelenken Zwischen den Achselhöhlen vorn Zwischen den Achselhöhlen hinten Breite über Brust und Schultern Zwischen den Brustwarzen Zwischen den Brüsten In der Taille Über den Nabel Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke Bei Ende des Bauchs Beim Schritt Das Bein unter der Scham Unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten In Risthöhe Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn wie folgt. Breite im Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Abwärts gegen die Hand Am Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße beschrieben und aufgerissen sind, ziehe ich die weibliche Gestalt mit Linien säuberlich hinein, bei der ersten Konstruktionslinie in Seitenansicht, bei der zweiten in Vorderansicht. Danach zeichne ich die rückseitige Gestalt des Weibes an der dritten Konstruktionslinie mit dem Umriß der Vorderansicht. Die Gesäßspalte von unten nach oben Breite der Fersen

0/9/6/0 0/8/9/0 0/9/9/0 1/3/5/0 0/6/4/0 0/9/4/079 0/8/4/0 1/1/1/2 1/2/8/0 0/9/1/0 1/3/0/0 1/2/9/0 06/4/0/ 0/6/3/0 0/5/3/0 0/4/0/0 0/3/6/0 0/3/5/0 0/4/0/0 0/3/8/0 0/3/4/0 0/1/6/0 0/1/7/0 0/2/0/0 0/3/3/0

0/2/7/0 0/2/3/0 0/2/9/0 0/2/3/0 0/1/6/080 0/3/0/0

Wenn du dieser weiblichen Figur die Arme aufwärts erhoben in voller Länge ausstreckst, ihr die Spitze eines Zirkels in den Nabel setzest, dann umschreibst du sie an Händen und Füßen mit einem Kreis. Wie oben beschrieben habe ich im folgenden dieses Weib aufgerissen, damit man sich besser danach richten kann. Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Halsgrube Schulterhöhe Schultergelenke Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten81 Ende des Bauchs Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Waden unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

0/6/8/0 0/1/9/0

79 Anstatt, wie in der Tabelle, „zwischen den brüsten“ muß es heißen: ‚unter den Brüsten‘. 80 Eintrag (Nr. 277.67) fehlerhaft abweichend: 0/3/6/0.

155

fol. M3v / fol. M4r

81 Die Bezeichnung „Der hüfft art“ entspricht nicht der Regel: Es ist der Ort „Endt der hüfft“ (Hüfte unten).

fol. M4r

156

D Buch II

fol. M4v (Nr. 277.67)

fol. M4v / fol. M5r

fol. M5r

(Nr. 277.68)

fol. M5v

D Buch II

fol. M5v / fol. M6r

fol. M5v

fol. M6r

Im folgenden will ich einen dünnen, schmalen Mann messen, den man [als Modell] für eine lange Figur („person“) gebrauchen kann. Ich verfahre nach der Methode wie zuvor und lege zunächst an der ersten Konstruktionslinie die Längenmaße aller Körperabschnitte etc. fest. Vom Scheitel abwärts bis zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Ende des Kinns zur Schulter oben zur Schulterhöhe in die Halsgrube

0/0/7/0 0/1/8/0 0/7/0/0 0/8/0/0 1/0/0/0 1/0/9/0

Von der Halsgrube bis zur Brust zur Achselhöhle vorn zu den Brustwarzen unter die Brust Brustbein unten zur Taille Von der Taille bis zum Nabel Hüfte oben Hüfte unten auf die Scham oben zum Gesäß unten Vom Gesäß unten zur Eintiefung des Oberschenkels

157

0/1/9/0 0/3/3/0 0/4/4/0 0/5/5/0 0/7/0/0 1/0/0/0 0/2/0/0 0/2/5/0 0/5/9/0 0/7/5/0 1/0/0/0 0/4/5/0

158

D Buch II

auf das Knie Kniemitte Von der Kniemitte bis unter das Knie zur äußeren Wade unten zur inneren Wade unten zur Risthöhe zum äußeren Fußknöchel unten zu den Fußsohlen Länge des Fußes Nun lege ich die Länge des Armes folgendermaßen fest Vom Schultergelenk bis zum Ellenbogen Vom Ellenbogen zum Handgelenk Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien, soweit erforderlich, gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Mannes in Seitenansicht fest und zwar auf allen Höhenlinien der ersten Konstruktionslinie. Tiefe des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels Beim Haaransatz Bei den Augenbrauen Über die Nase Über die Oberlippe Der Hals in Höhe des Kinns Schulter oben In Schulterhöhe Bei der Halsgrube Über die Brust Bei den Achselhöhlen vorn Bei den Brustwarzen Unter der Brust Am Brustbein unten In der Taille Beim Nabel Hüfte oben Hüfte unten Über Scham und Gesäß Das Bein unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte

0/9/1/1 1/1/8/0 0/1/6/0 0/6/2/0 0/6/8/0 1/4/8/0 1/5/6/0 1/7/3/0 0/8/5/0

1/0/6/0 0/8/5/0 0/5/4/0

0/4/7/0 0/6/1/1 0/6/7/0 0/5/8/0 0/5/2/0 0/3/4/0 0/3/7/0 0/4/3/0 0/5/0/0 0/7/1/0 0/7/5/0 0/7/6/1 0/7/1/0 0/7/0/0 0/5/8/0 0/5/8/0 0/6/0/0 0/7/7/0 0/7/0/0 0/5/4/0 0/5/2/0 0/3/8/0 0/3/2/0 0/3/0/0 0/3/6/0

fol. M5v / fol. M6r

Äußere Wade unten 0/3/4/0 Innere Wade unten 0/3/0/0 Schienbein unten 0/2/0/0 In Risthöhe 0/2/3/0 Äußerer Fußknöchel unten 0/3/5/0 Die Tiefenmaße des Arms in Seitenansicht Tiefe des Arms in der Schulter 0/4/0/0 Im Bizeps 0/3/0/0 Im Ellenbogen 0/2/1/0 Unterhalb des Ellenbogens 0/2/2/0 Im Handgelenk 0/1/2/0 Tiefe der seitlichen Hand 0/1/4/0 Anschließend lege ich an der zweiten Konstruktionslinie die Breitenmaße des Mannes in Vorderansicht fest und zwar auf sämtlichen Querlinien. Breite des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels 0/4/4/0 Beim Haaransatz 0/5/5/0 Über die Augenbrauen 0/5/2/0 Über die Ohren 0/5/8/0 In Höhe von Nase und Wange 0/4/3/0 Der Hals in Höhe des Kinns 0/3/1/0 Bei der Schulter oben 0/3/6/0 In Schulterhöhe 0/8/8/0 Bei der Halsgrube 1/1/2/1 Abstand der Schultergelenke voneinander 0/9/4/0 Breite über Brust und Schultern 1/3/2/0 Zwischen den Achselhöhlen vorn 0/9/0/0 Zwischen den Achselhöhlen hinten 1/4/0/082 Zwischen den Brustwarzen 0/7/0/0 Breite unter der Brust 0/9/6/0 Brustbein unten 0/9/0/0 In der Taille 0/8/1/0 Beim Nabel 0/9/1/0 Bei der Hüfte oben 0/9/0/0 Bei der Hüfte unten 1/0/0/0 Abstand der Hüftgelenke voneinander 0/7/5/0 Über der Scham oben 0/9/9/0 Das Bein unter dem Gesäß 0/4/7/0 Bei der Eintiefung des Oberschenkels 0/3/7/0 Über dem Knie 0/2/8/0 Kniemitte 0/2/6/0 Unter dem Knie 0/2/6/0 Wadenmitte 0/3/2/0 Äußere Wade unten 0/2/8/0 Innere Wade unten 0/2/5/0 82 Der Eintrag,in der Rückansicht des Mannes (Nr.277.70), gibt abweichend und zutreffend: 1/0/4/0. In der Tabelle sind „Zall“ und „Teil“ offensichtlich vertauscht.

fol. M6r

D Buch II

Schienbein unten In Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms von vorn wie folgt. Breite im Bizeps Unterhalb des Ellenbogens Beim Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße beschrieben und aufgerissen sind, ziehe ich die Gestalt des Mannes mit Linien korrekt hinein. Bei der ersten Konstruktionslinie zeichne ich sie von der Seite, bei der zweiten von vorn. Für den Umriß des rückseitigen Mannes an der dritten Konstruktionslinie verwende ich die Vorderansicht. Sein Gesäßspalt von unten nach oben Fersenbreite Ebenso wie ich diesen Mann vorgestellt habe, habe ich ihn nachfolgend aufgerissen, damit man sich besser danach richten kann. Man soll im übrigen wissen, daß die Flächenausdehnung des [menschlichen] Rumpfes frontal breiter ist als im seitlichen Profil; demgegenüber sind die Beine in Seitenansicht ausgedehnter als („weder“) von vorn gesehen. Die Figuren des 1. Buchs, die mit Bruchzahlen gemessen sind, kann man [selbstverständlich] auch mit dem „Meßstab“ vermessen. Es ergibt eine starke Veränderung, wenn das Haupt einer Figur durch ein anderes Haupt ausgetauscht wird.

0/1/2/0 0/1/6/0 0/1/5/0 0/3/0/0

0/2/2/0 0/2/5/0 0/1/4/0 0/2/5/0

0/5/8/0 0/1/6/0

fol. M6r

159

160

D Buch II

fol. M6v

fol. M6v

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten

(Nr. 277.69)

fol. M6v / fol. N1r

fol. N1r

(Nr. 277.70)

Auf der Scham oben Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch II

fol. N1v

fol. N1v

Im folgenden will ich dem eben beschriebenen Mann ein Weib zuordnen und beschreibe es erneut nach derselben Methode. Zuerst messe ich die Länge der Körperabschnitte und erforderlichen Körperdetails an der ersten Konstruktionslinie. Vom Scheitel bis zum hinteren Haarwirbel zum Haaransatz zum Kinn zur Schulter oben zur Schulterhöhe zur Halsgrube

0/0/5/0 0/1/2/0 0/6/7/0 0/8/2/0 1/0/6/1 1/1/2/0

161

fol. N1v / fol. N2r

fol. N2r

Von der Halsgrube bis zur Brust zu den Achselhöhlen vorn zu den Achselhöhlen hinten zu den Brustwarzen unter die Brüste zur Taille Von der Taille bis zum Nabel zur Hüfte unten zum Schritt zur Scham unten zum Gesäß unten Vom Gesäß unten bis zur Eintiefung des Oberschenkels

0/1/6/0 0/3/2/0 0/3/9/0 0/4/8/0 0/6/1/0 1/1/2/0 0/1/3/0 0/6/0/0 0/8/2/0 0/8/7/0 0/9/5/0 0/4/5/0

162

D Buch II

auf das Knie 0/9/5/0 Kniemitte 1/1/6/0 Von Kniemitte abwärts bis unter das Knie 0/1/6/0 zur äußeren Wade unten 0/6/2/0 zur inneren Wade unten 0/6/9/0 Risthöhe 1/4/0/0 zum äußeren Fußknöchel unten 1/5/0/0 zur Fußsohle 1/6/5/0 Länge des Fußes 0/8/4/0 Danach lege ich die Länge des Arms fest. Vom Schultergelenk zum Ellenbogen 0/9/7/0 Vom Ellenbogen zum Handgelenk 0/9/0/0 Vom Handgelenk zu den Fingerspitzen 0/5/4/0 Nachdem nun diese Längenabschnitte mittels Horizontalen durch die drei Konstruktionslinien, soweit erforderlich, gezogen sind, lege ich die Tiefenmaße des Weibes in Seitenansicht auf allen Höhenlinien folgendermaßen fest, und zwar an der ersten Konstruktionslinie. Tiefe des Haupts auf der Höhe des hinteren Haarwirbels 0/3/7/0 Am Haaransatz 0/5/5/0 In Höhe der Augenbrauen 0/6/2/0 Über die Nase 0/5/5/0 Über die Oberlippe 0/5/0/0 Über Kinn und Hals 0/4/7/0 Der Hals in Kinnhöhe 0/2/8/0 Schulter oben 0/3/1/0 In Schulterhöhe 0/4/5/0 Bei der Halsgrube 0/5/0/0 Über die Brust 0/6/5/0 Bei den Achselhöhlen vorn 0/7/0/0 Bei den Brustwarzen 0/7/0/0 Unter den Brüsten 0/6/2/0 In der Taille 0/5/5/0 Beim Nabel 0/6/7/0 Bei der Hüfte unten 0/8/8/0 Beim Schritt 0/7/4/0 Scham unten 0/7/0/0 Das Bein unter dem Gesäß 0/6/2/0 Eintiefung des Oberschenkels 0/5/3/0 Über dem Knie 0/3/8/0 Kniemitte 0/3/2/0 Unter dem Knie 0/3/0/0 Wadenmitte 0/3/5/0 Äußere Wade unten 0/3/2/0 Innere Wade unten 0/2/9/0 Schienbein unten 0/2/0/0

fol. N1v / fol. N2r

In Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Nun mache ich die Tiefenmaße des Arms von der Seite. Tiefe in der Schulter Im Bizeps Im Ellenbogen Unterhalb des Ellenbogens Im Handgelenk Tiefe der seitlichen Hand Danach lege ich an der zweiten Konstruktionslinie auf allen Querlinien die Breitenmaße des Weibes in Vorderansicht wie folgt fest. Breite des Haupts in Höhe des hinteren Haarwirbels Am Haaransatz Mitten durch die Stirn Über die Augenbrauen Über die Ohren Über Nase und Wangen Breite des Halses beim Kinn An der Schulter oben In Schulterhöhe In Höhe der Halsgrube Abstand zwischen den Schultergelenken Über Brust und Schultern Zwischen den Achselhöhlen vorn Zwischen den Achselhöhlen hinten Zwischen den Brustwarzen Unter den Brüsten In der Taille Beim Nabel Über die Hüfte unten Abstand der Hüftgelenke Beim Schritt Bei der Scham unten Das Bein unter dem Gesäß Bei der Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Wadenmitte Äußere Wade unten Innere Wade unten Schienbein unten In Risthöhe

0/2/2/0 0/3/5/0

0/3/6/0 0/3/3/0 0/2/1/0 0/2/3/0 0/1/2/0 0/1/4/0

0/3/6/0 0/5/1/0 0/5/5/0 0/5/2/0 0/5/6/0 0/4/5/0 0/2/8/0 0/3/0/0 0/8/5/0 0/9/8/0 0/8/4/0 1/1/5/0 0/7/3/0 0/9/0/0 0/7/0/0 0/8/0/0 0/7/3/0 0/9/9/0 1/1/2/083 0/8/0/0 1/1/4/0 1/1/3/0 0/5/8/0 0/4/8/0 0/3/5/0 0/3/0/0 0/2/8/0 0/3/3/0 0/2/9/0 0/2/7/0 0/1/2/0 0/1/6/0

83 Die 2 („Teil“) im Eintrag (Nr. 277.71): Zahlendreher.

fol. N2r

D Buch II

Äußerer Fußknöchel unten Breite des Fußes Danach mache ich die Breitenmaße des Arms in Vorderansicht. Breite im Bizeps Oberhalb des Ellenbogens Unterhalb des Ellenbogens Beim Handgelenk Breite der Hand Nachdem nun alle Längen-, Tiefenund Breitenmaße beschrieben und eingetragen sind, ziehe ich die Gestalt des Weibes mit ihren weiblichen Linien hinein, bei der ersten senkrechten Konstruktionslinie in der Seitenansicht, bei der zweiten in der Vorderansicht. Danach umziehe ich das rückseitige Weib bei der dritten Konstruktionslinie mit dem Umriß der Vorderansicht. Die Gesäßspalte von unten nach oben Fersenbreite Wie hier oben beschrieben, habe ich anschließend das Weib aufgerissen, damit man sich mit mehr Deutlichkeit danach richten kann.

0/1/5/0 0/2/9/0

0/2/2/0 0/2/0/0 0/2/5/0 0/1/3/0 0/2/4/0

0/5/5/0 0/1/6/0

fol. N2r

163

164

D Buch II

fol. N2v

fol. N2v

Scheitel Der hintere Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt

(Nr. 277.71)

fol. N2v / fol. N3r

fol. N3r

(Nr. 277.72)

Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Auf dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch II

fol. N3v

fol. N3v

Im folgenden will ich zwei verschiedene männliche Häupter eingehender beschreiben, als ich es bei den [ganzfigurigen] Bildern dieses Buchs getan habe. Ich bediene mich dabei teilweise der Methode des 1. Buchs. Zuerst mache ich ein rechtwinkliges Viereck in der Höhe eines Siebtels der Figurenlänge. Wer es will, mag dem Viereck auch ein Achtel der Figurenlänge geben, es bleibt dabei jedoch das gleiche Verhältnis aller Teile untereinander, im Kleinen wie im Großen, bestehen. Ich mache das Viereck ebenso breit wie hoch. Von den zwei senkrechten Seiten sei die [in Gesichtsrichtung] vordere a, die hintere b. Von den waagerechten Seiten sei die obere c, die

fol. N3v / fol. N4r

fol. N4r

untere d. Nun unterteile ich die Seitenlänge des Siebtels mit einer Skala von 8 („Zall“) ferner ein „Zall“ in 10 („Teil“). Damit arbeite ich im folgenden genauso, wie vorne angezeigt. Ich beginne die Unterteilung mit den Senkrechten; deren erste, die Linie e, setze ich [links] hinter die Seitenlinie a 0/0/9/0 Diese Linie berührt den Augapfel vorn und die Nasenf lügel hinten. Nun setze ich eine Linie f von a entfernt 0/1/8/0 Sie berührt die Augenbrauen hinten, während der äußere Winkel des Auges in der Mitte zwischen e und f verbleibt. Nun setze ich eine dritte Linie g von a entfernt 0/3/5/0

165

166

D Buch II

Sie berührt vorne das Ohr. Nun setze ich eine vierte Linie h von g entfernt 0/1/0/0 An dieser Linie endet das Ohr. Danach setze ich eine Linie i von b entfernt 0/1/3/0 Sie berührt die Stelle, wo Nacken und Hinterkopf zusammentreffen. Ferner setze ich eine Linie k von b entfernt 0/0/7/0 Sie berührt den hinteren Haarwirbel sowie den Schnittpunkt der Halslinie mit der Grundlinie d. Nachdem die Senkrechten stehen, ziehe ich die Horizontalen folgendermaßen. Von der oberen Querlinie c abwärts entfernt 0/2/6/0 ziehe ich eine Linie l, sie schneidet die Stirn in Höhe des Haaransatzes. Danach halbiere ich die Distanz zwischen c und l mit einer Linie m, in ihrem Schnittpunkt mit der Senkrechten k ist der hintere Haarwirbel plaziert. Danach unterteile ich die Distanz l d mit zwei Linien n und o in drei gleiche Abschnitte. Die Linie n schneidet die Augenbrauen und tangiert oben das Ohr, die Linie o berührt Nase und Ohr jeweils unten. Danach halbiere ich die Strecke zwischen o und d mit einer Linie p, diese schneidet das Kinn unter der Unterlippe. Eine weitere Linie q, in der Mitte zwischen o und p, schließt zusammen mit o die Oberlippe, zusammen mit p die Unterlippe ein, sie selbst geht mitten durch den Mund.84 Danach halbiere ich die Distanz n o mit einer Linie r, im oberen Abschnitt findet das gesamte Auge mit allem, was dazu gehört, Platz. Nun unterteile ich die Strecke r o in sieben gleiche Teile, deren untere drei schneide ich mit einer Linie s ab, diese berührt den oberen Rand des Nasenf lügels und schließt gemeinsam mit der Linie o das Ohrläppchen ein. Anschließend ziehe ich zwei Diagonalen, die erste vom Schnittpunkt der Senkrechten e mit der Dachlinie c in den Schnittpunkt, den die Seitenlinie a mit der Waagerechten o bildet. Entlang dieser Diagonalen wird die Stirnlinie gezogen und zwar zwischen den Querlinien l und n. Die Nase schließt sich ihrerseits zwischen den Querlinien n und o abwärts an. Die zweite Diagonale ziehe ich vom Schnittpunkt der Seitenlinie a 85 mit der Querlinie n in den Schnittpunkt der Senkrechten e mit der Grundlinie d, dieser Diagonalen liegen Ober84 Hier ist die mittig zu teilende Distanz o p nicht genannt, bei uns ergänzt. 85 Hier ist a hinter „die auffrecht“ ergänzt.

fol. N3v / fol. N4r

lippe, Unterlippe und Kinnspitze an. Nachdem das geschehen ist, ziehe ich die Gestaltlinien des Gesichts mit allen Details sorgfältig hinein und zwar so, daß das Haupt oben die Dachlinie c bei der Senkrechten h und hinten die Seitenlinie b zwischen den Horizontalen l und n berührt. Dem Hals gebe ich zwischen Nacken und Kehle („gorgel“) die Tiefe 0/4/5/0 So habe ich das Haupt anschließend aufgerissen. Wenn dir dieses Haupt für deine Figur zu groß erscheint, kannst du es auch kleiner umreißen und dabei die übrige Konstruktion so lassen wie sie ist. Mache es so. Begrenze das Haupt oben zwischen g und h 86mit einer neuen, mitten zwischen den bestehenden Horizontalen c und m geführten Querlinie, sowie hinten an der Vertikalen k zwischen l und n. Von dort ziehe die Linie des Hinterkopfs herab zum Genick auf der Querlinie o, dort von der Seitenlinie b entfernt 0/1/8/0 Von hier aus zeichne den Hals bis unten auf die Grundlinie d und zwar zu deren Schnittpunkt mit der Vertikalen i. Benutze denjenigen dieser Modellköpfe, der dir gefällt, dann war diese Variante nicht vergebens. Das andere Haupt setze ich folgendermaßen in sein Viereck. Die zwei senkrechten Seiten des Vierecks seien vorn [zum Gesicht] a und hinten b, die obere Querlinie sei i, die untere k. Ich beginne die Unterteilung mit den Senkrechten und setze deren erste Linie c von der [rechten] Seitenlinie a entfernt 0/1/1/0 Diese Linie berührt den Augapfel vorn und den Nasenf lügel hinten. Danach setze ich die zweite Linie d von a entfernt 0/2/2/0 Sie berührt das Ende der Augenbrauen und, an ihrem Schnittpunkt mit der Grundlinie k, den rückwärtigen Kinnansatz. Der äußere Augenwinkel sitzt in der Mitte zwischen c und d. Danach setze ich die dritte Linie e von a entfernt 0/4/0/0 Sie berührt vorne das Ohr und markiert die Berührung des Scheitels mit der Dachlinie i. Nun setze ich die vierte Linie f von a entfernt 0/5/0/0

86 Die genannten Linien g und h sind keine „zwerchen“, wie zu lesen ist, sondern Vertikalen.

fol. N4r

D Buch II

An ihr endet das Ohr. Danach setze ich noch eine Linie g von der [linken] Seitenlinie b entfernt 0/1/0/0 Sie tangiert den hinteren Haarwirbel und die Stelle, wo Nacken und Hinterkopf zusammentreffen. Nun ziehe ich die waagerechten Linien wie folgt. Von der Querlinie i entfernt 0/0/8/0 setze ich die Linie l. Diese Linie schneidet den hinteren Haarwirbel an der Senkrechten g. Nun ziehe ich eine Linie m, von der Dachlinie i entfernt 0/1/4/0 Sie berührt den Haaransatz auf der Stirn. Anschließend unterteile ich die Distanz zwischen m und k mit zwei Linien n und o in drei gleiche Abschnitte. Linie n schneidet die Augenbrauen und tangiert oben die Ohrmuschel. Linie o berührt den unteren Rand von Nase und Ohr und trifft auf die Grenze von Hinterkopf und Nacken. Der Hals hat von hier bis zur Kehle die Tiefe 0/4/6/0 Danach ziehe ich unter n eine Linie p im Abstand 0/1/0/0 Zwischen n und p findet das gesamte Auge Platz, und dessen zwei Winkel liegen auf einer Linie mitten zwischen n und p.87 Danach setze ich eine Linie r oberhalb der Linie o 0/0/5/0 Sie liegt auf dem Nasenf lügel; zwischen o und r befindet sich das Ohrläppchen. Nun ziehe ich eine Linie s oberhalb von k 0/1/0/0 Diese schneidet das Kinn unter der Unterlippe. Danach halbiere ich die Distanz zwischen o und s mit einer Linie t, sie geht mitten durch den Mund. Nun ziehe ich zwei Diagonalen, die erste vom Schnittpunkt der Senkrechten c mit der Dachlinie i in den Punkt, in dem sich die Seitenlinie a mit der Waagerechten o schneidet. Die zweite Diagonale ziehe ich vom Schnittpunkt der Seitenlinie a mit der Querlinie n in den Schnittpunkt der Senkrechten c mit der Grundlinie k. Entlang der oberen Diagonalen wird zwischen den Querlinien m und n die Stirnlinie gezogen, darunter zwischen n und o der Nasenrücken. Entlang der unteren Diagonalen werden die Lippen, der Mund und das Kinn eingezeichnet. Nachdem das

87 Diese (kurze) Horizontale ist in der Illustration (Nr.277.73 unten) mit q bezeichnet.

fol. N4r

Liniengerüst vollständig ist, ziehe die Gestalt des Gesichtes mit Fleiß hinein, so wie ich es anschließend aufgerissen habe.

167

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D Buch II

fol. N4v (Nr. 277.73)

fol. N4v

Man kann jedes Körperglied einer vollständigen Figur isoliert auf seine eigenen Längenmaße hin messen und unterteilen. Das verstehe so, nimm [zum Beispiel] ein Schienbein zwischen Kniemitte bis zum Fußknöchel unten und bestimme: Die Breite der Wade sei ein Viertel der Länge des Schienbeins, aber die Fußknöchel seien halb so breit. Bestimme die Maße nach Belieben. Dieses Verfahren kann man an allen Abschnitten und Teilen des Körpers anwenden, es erlaubt eine exakte Erkundung jedes Details.

Ende des zweiten Buchs

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D Buch III

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Das dritte Buch In diesem dritten Buch will ich anzeigen, wie man die zuvor beschriebenen Maße verändern und verkehren kann. Man kann alles nach Belieben vermehren oder vermindern, wodurch eine Figur vollständig verfrem­ det wird („vnbekant würt“) und an ihr nichts von ih­ rer früheren Gestalt und ihren Maßen bleibt. Ich be­ handele dieses im folgenden an Figuren von Mann, Weib und Kind sowie weiterem. Um das richtig zu verstehen, muß man vor allem wissen, wodurch solche Verkehrungen bewirkt wer­ den können. Man kann sie herbeiführen durch gegen­



Bilder von Kindern sind, anders als hier angekündigt, nicht behandelt.

sätzliche Zusammenfügung aller eigenen Maße . Denn zwischen gleichen Dingen besteht kein Unter­ schied außer dem, daß das eine nicht das andere ist. Deshalb können gleiche Dinge nicht voneinander un­ terschieden werden. Im folgenden sind Adjektiva auf­ gelistet, die bei der Messung als sinnvolle Gegensätze bezeichnet werden können: groß klein lang oder kurz breit schmal dick dünn  

„widerwertig“: ‚widersprüchlich‘, ‚von sachlichem Gegensatz‘, ‚im Gegensinne‘; Grimm 9, Sp. 69. „oder zufellen“, zufällen: etwa ‚zusprechen‘, „zuteilen“; wohl eine variierende Verdoppelung der Aussage; hier wie bei Cam. II weggelassen; Grimm , Sp. 9.

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Ferner gibt es etliche anhängende oder zufällige Eigen­ schaften, die gleichfalls die Gestalt gegensätzlich ver­ kehren, so etwa jung alt feist oder mager lieblich häßlich hart lind Ferner gebraucht man noch weitere Wörter zur ge­ gensätzlichen Veränderung, so krumm gerade eben uneben hoch oder niedrig rund eckig spitz stumpf Auch diese Wörter beinhalten Gegensätze aufrecht überquer („uberzwerch“) oder schräg („uber ort“) 6 Sehr gegensätzlich sind geben nehmen viel wenig Das gilt auch für rechts links vorn hinten oben unten

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Aufgrund solcher, wie den hier genannten Eigenschaf­ ten kann man ein Ding von dem zuvor gemachten scheiden, unterschiedlich einteilen und anders machen, als es vorher war. Dieses wollen wir ein wenig näher betrachten, dafür nehmen wir die zwei Wörter groß und klein. Sie sind zu gebrauchen bei allen Dingen, die man vergrößern oder verkleinern will. Dabei gibt es an dem Ding selbst keine andere Veränderung, als daß man das eine groß und das andere klein bezeichnet, bleiben sie doch von ein und derselben Art und Pro­ portion. [Es ist einerlei,] ob die Proportionen groß oder klein gemacht werden, ein jedes behält seine eigene Gliederung nach Maß und Zahl. Es diene uns zum Exempel ein kleines Haus, nach dessen Muster man einen großen Palast errichtet, oder eine kleine Kugel gegenüber einer großen. Es bleibt bei dem Wort groß oder klein, an der Gestalt ändert sich, wie gesagt, nichts. Soll aber das Wort groß oder klein eine unter­ schiedliche Veränderung der Gestalt beinhalten, so muß dies in der Veränderung ihrer Bestandteile ge­   6

„lind“, lat. mollis: ‚sanft‘, ‚weich‘. „Schlecht“, vgl. geschlichtet: im Sinne von ‚gerade‘, ‚eben‘. DemWörtchen „auffrecht“ sollen offenbar als Gegen­ sätze „uberzwerch“ und „uber ort“ zugeordnet sein, was im Buchsatz unklar bleibt.

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schehen und nicht im Ganzen auf einmal. Wenn man einige Teile [eines Ganzen] größer, andere kleiner macht, verändert sich sein Aussehen, wie beispielswei­ se, wenn du eine Figur oberhalb des Gürtels vergrö­ ßerst und unterhalb des Gürtels verkleinerst. Das gilt für den ganzen Körper und jeden seiner Teile, den kleinsten wie den größten. In dieser Hinsicht ist der Spielraum für Veränderungen unendlich groß. Darum ist festzuhalten, daß kein Ding neben dem anderen [an sich] als groß oder klein erkannt wird, es sei denn im Kontrast mit seinem Gegenteil. Diese Erkenntnis mag ein jeder so weit nutzen, als er ihrer bedarf. Ferner wollen wir uns die Wörter lang oder kurz vornehmen. Aufgrund dieses Gegensatzpaars wollen wir den in Buch I zuerst beschriebenen stämmigen Mann verlängern und verkürzen.7 Du wirst merken: Wenn dieser Mann verlängert wird, werden seine Ma­ ße [relativ] dünner und schmäler, verkürzt man ihn aber, wird er in seiner Beschaffenheit und seinen Ma­ ßen dicker und breiter. Bei dieser Prozedur – Verlän­ gerung oder Verkürzung – läßt man die Tiefen­ und Breitenmaße in jeder Hinsicht unverändert, so wie sie bei dem Mann ursprünglich angezeigt sind. Wenn man aber die verlängerte und die verkürzte Figur mit ihren neuen Proportionen wieder in ihre Ausgangs­ länge [die des Typs A] bringt, werden ihre Tiefen­ und Breitenmaße sämtlich von denen des Mannes abwei­ chen, von dem sie abgeleitet sind. Obwohl nun alle Längenmaße wieder denen dieses Mannes gleichen, sind die Figuren einander ungleich, die eine ist dünner und schmäler, die andere stärker und breiter gewor­ den. Auf dem hier beschrittenen Weg verlängert oder verkürzt man die Körperabschnitte proportional („ver­ gleichlich“) innerhalb aller Querlinien, mit denen die jeweiligen Abschnittslängen des Körpers angezeigt sind. Streckt man sie in die Weite, so verlängert sich die Figur, rückt man sie nahe zusammen, wird die Fi­ gur verkürzt. Darum, wie gesagt, gibt und nimmt die­ se Operation der Figur und ihren Teilen nichts bezüg­ lich ihrer Breiten­ und Tiefenmaße, dennoch („noch“) spielt das Gegensatzpaar lang/kurz eine Rolle in den Figuren. Wenn man die Figuren dann von neuem mit dem Zirkel mißt, ändert sich die Beschreibung [der Maße] gegenüber der des ursprünglichen Mannes. Wen die Mühe verdrießt, die Verlängerung oder Ver­ kürzung einer Figur Stück für Stück mit dem Zirkel 7 

Typ A. Gemeint ist: unter Beibehaltung der neuen, durch Verlängerung oder Verkürzung entstandenen propor­ tionalenVeränderung.Voraussetzung ist allerdings, daß die Ausgangslänge nun proportional erzielt wird.

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zu versuchen, dem will ich im folgenden ein Verfah­ ren an die Hand geben, diese Modifikationen zugleich und unschwierig vorzunehmen. Dazu benötige ich eine Linie, um sie mit Punkten zu versehen, sodann zwei weitere, eine längere und eine kürzere, um sie in derselben Relation zu punk­ tieren. Ich mache das so. Ich errichte eine Linie a b in der Länge des zuerst beschriebenen Mannes in Buch I; diese Linie ist punktiert nach Maßgabe der Querli­ nien, mit denen alle Längenabschnitte der Figur be­ zeichnet sind. Diese Linie a b stelle ich senkrecht vor mich und setze ihr zur Seite weit entfernt einen Punkt c. Aus diesem Punkt c ziehe ich gerade Linien durch sämtliche Punkte der Senkrechten a b und über sie

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hinaus.9 So ist ein Dreieck a b c entstanden, und die [von Strahlen] durchzogenen („durchstreycheten“) Linien sehen einer Bürste ähnlich. Nun setze ich zwei weitere senkrechte parallele Linien rechts und links von der Vertikalen a b, die kürzere gegen den Punkt c, ich bezeichne sie oben d und unten e. Die längere setze ich auswärts, sie sei oben f und unten g. Um wie viel ich den Mann länger haben will, um soviel setze ich die Linie auswärts, und um wie viel er kürzer wer­ den soll, um soviel rücke ich die Linie näher zu Punkt c. Somit ist das unterteilt, was wir zu machen wünschen [den verlängerten bzw. verkürzten Mann], durch die

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Zur eindeutigen Bestimmung des Punktes c hätte Dü­ rer zuerst eine Ebene (Grundlinie) als Basis des Dia­ gramms definieren müssen.

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aus Punkt c strahlenden0 und die drei Senkrechten d e, a b und f g schneidenden Linien. Die Unterteilungen jeder dieser Senkrechten gleichen einander proporti­ onal („gantz gemeß“). Das hier beschriebene Instrument habe ich im folgenden eigens aufgerissen, es ist nicht nur für die­ sen Zweck, sondern auch zu weiterem zu gebrauchen. Ich gebe ihm einen eigenen Namen und zwar „Ver­ kehrer“, weil man damit ein Ding verkehren kann. 0 „die auß streymetten linien“, von streimen, striemen: ‚die ausstrahlenden Linien‘; Grimm 9, Sp. 0 (streimen). Gleichbedeutend mit den „durchstreyche­ ten linien“ zuvor.  „regel/regell“, Regel: hier „so viel als lineal, im en­ gern verstande die beweglichen stäbe an einem astro­ labium und andern mathematischen werkzeugen“; Grimm , Sp. 00; also ‚Instrument‘.

Seine Funktion illustrieren die zwei Wörtlein viel oder wenig. Durch diesen „Verkehrer“ kann ein jedes Ding mit unnennbarer Anzahl von Teilen unter Wahrung seiner Proportion („gleych förmig“) vergrößert oder verkleinert werden. Man kann Erstaunliches damit zu Wege bringen. Durch diesen „Verkehrer“ kann man eine Figur, die vorher sieben Häupter lang ist, in eine Figur von acht, neun oder zehn Häuptern Länge verwandeln, wenn man die Figur zwischen dem Haupt und dem  „vnnenlich“: unnennbar, unaussprechlich, unzählig; Grimm , Sp. 0.  Gemeint ist wohl die Ebene unterhalb des Hauptes (Kinn­Ebene), das selbst, wie auch der Fuß, von der Verlängerung ausgenommen bleibt.

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Fußrist jeweils um eine, zwei oder drei Hauptlängen vermehrt. Wenn man aber die Figur um soviel ver­ längert, muß auch das Haupt je nach dem ein wenig länger gemacht werden, damit es nicht zu breit aus­ sieht. Dann jedoch entspricht die Länge der Figur nicht mehr der Summe der betreffenden Anzahl von Häuptern. Besondere Sorgfalt beim Umgang mit dem „Ver­ kehrer“ ist geboten, wenn man die Hand und den Fuß, die gesondert in Buch I beschrieben sind, länger oder kürzer machen will.

 „muncket“: ‚dick‘, ‚breit‘; Grimm , Sp. 69 (mun­ kicht).

Nachdem nun diese zwei punktierten Linien, die län­ gere f g und die kürzere d e, mit Querlinien auf allen Punkten, die sie empfangen haben, ausgestattet sind, ziehe ich die Gestalt der Männer lang und kurz sowie in seitlicher und frontaler Ansicht, also ihren Tiefen­ und Breitenmaßen, hinein nach dem in Buch I be­ schriebenen Mann. Und so wie dieses Instrument („regell“) die Länge des verlängerten und verkürzten Mannes anzeigt, habe ich beide Figuren, wie sie sein sollen, aufgerissen. Allerdings war es nicht möglich, den verlängerten Mann in diesen Buchdruck („in trug“) zu bringen wegen des beschränkten Papierfor­ mats („babirs“); darum habe ich beide Männer wieder  Im Druck fehlt zwischen „beschribnen“ und „büch­ lein“ folgende Passage „man, wy jm erst beschribnen“, wie es in der Druckvorlage lautet; R. III, S. 7.

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auf ihre Ursprungslänge gebracht, nun jedoch propor­ tional in Gestalt ihrer neu gewonnenen Maße.6 Dieses Verfahren ist, wie noch folgen wird, jederzeit auch in anderen Zusammenhängen anwendbar. So werden die Maße des Mannes auf der Linie f g dünner und schmaler, auf der Linie d e dicker und breiter. Du kannst die Funktion des „Verkehrers“ auch in gleicher Weise mit den Gegensatzpaaren dick/dünn und breit/ schmal wie lang/kurz in Zusammenhang bringen. Es ist zweckmäßig und schickt sich wohl, daß alle Figuren in allen vier Büchern [dieses Werks] in ein und derselben Länge wiedergegeben sind, damit man sie umso besser miteinander vergleichen („schetzen“) kann. Man soll auch wissen, daß man mit Hilfe dieses „Verkehrers“ ein jedes Teilstück einer bestehenden Fi­ gur einzeln verändern kann, wobei andere Teilstücke unverändert bleiben. Doch was einem Teil genom­ men wird, das soll dem anderen Teil zugelegt werden. Dieses sei gesagt zur Länge der Körperteile. Aber man kann gleicherweise die Figuren auf allen Querlinien, die sie in der Länge gliedern, und dazwischen dicker, dünner, breiter oder schmaler zu machen. Denn wenn du eine definierte [Figuren­] Linie hast, sie in den „Verkehrers“ stellst und neben sie, rechts und links, zwei andere Linien aufrichtest, so zeigt dir der „Ver­ kehrer“ das Ergebnis an. In ihn kannst du eingeben, was du brauchst, er verändert es dir proportional. Nun will ich anzeigen, wie man weiter damit arbeiten kann und will aus dem „Verkehrer“ ein In­ strument machen, mit dem du ein jedes zuvor definier­ tes Teilstück länger oder kürzer, dicker oder dünner, breiter oder schmaler machen kannst unter Beibehal­ tung der Proportionen („gantz vergleichlich“); das betrifft alle Teilstücke der gesamten unterteilten Figur – in ihren Längen, Tiefen und Breiten. Zuerst ziehe ich eine Grundlinie, ihr Anfang sei a, ihr Ende b. Stelle dir diese Linie fest und stetig vor; laß aus dem Punkt a eine zweite Linie streichen, deren Ende c sei; die Linie a c soll beweglich gedacht sein, doch sollen beide Linien, a b und a c, in Punkt a stets [wie mit einem Scharnier] miteinander verbunden sein. Beachte folgendes: Wenn ich hier von Punkten oder Linien rede, so meine ich damit nicht allein die Punkte und Linien im Sinne der Mathematik, wenn­ gleich auch unsere Punkte und Linien derselben Defi­ nition – Unteilbarkeit und Unsichtbarkeit – unterlie­ gen,7 sondern ich rede von solchen Punkten und Linien, die an einem Richtscheit mit der Nadel oder 6 Illustrationen Nr. 77.76–77.79. 7 Euklidische Definitionen von Punkt und Linie.

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dem spitzen Federkiel getupft oder gerissen werden, um sie dem Auge verständlich zu machen. Wenn du nun dieses Instrument anwenden willst, so richte es folgendermaßen ein. Reiße dazu in taug­ licher Weise auf ein ebenes Brett die besagte Quer­ linie a b und schlage eine spitze Nadel steif und fest in Punkt a, daran binde einen gezwirnten Seidenfaden, den du ausspannst bis Punkt c, und benutze ihn statt der [gedachten] beweglichen Linie a c, denn der Faden ist leicht hin und her zu führen. Nachdem dieses so eingerichtet ist, stelle in die Mitte der Grundlinie a b eine senkrechte Linie d e. Auf diese Linie d e wird das ausgesuchte Teilstück, das du verändern willst, sei es um dessen Länge, Tiefe oder Breite zu tun, so gelegt, daß es mit einem Ende der Grundlinie a b auf liegt. Danach nimm den Faden anstelle der Linie a c und spanne ihn so, daß er das Teilstück, das du auf die Linie d e gelegt hast, oben berührt. Nun verlängere das von dir ausgesuchte Teil­ stück so viel du willst und setze selbige verlängerte Linie mit einem Ende auf die Grundlinie a b im glei­ chen [rechten] Winkel wie die Linie d e in Richtung b, verrücke sie in aufrechter Stellung bis sie oben den gespannten Faden a c berührt. Diese senkrechte Linie sei f g. Willst du aber das Teilstück kürzer haben als das auf die Linie d e gelegte, so setze die gewünschte kür­ zere Linie aufrecht im selben Winkel auf die Linie a b rechts von d e gegen Punkt a. Rücke auch sie in auf­ rechter Stellung auf der Grundlinie a b so weit, bis sie den gespannten Faden a c berührt. Diese senkrechte Linie sei h i. Somit stehen in diesem Werkzeug drei senkrechte Parallellinien nebeneinander, Linie d e steht für die Ursprungslänge [des Teilstücks], Linie f g für dessen Verlängerung und Linie h i für dessen Verkürzung. Und darum mißt der gestreckte Faden c a, wenn ein Teilstück auf der Linie d e ihn mit dem oberen Ende berührt, auch auf den beiden Senkrechten f g und h i proportionale Verlängerungen bzw. Verkürzungen; das Verfahren verändert sehr, was immer man damit macht. Mit diesem Werkzeug kann vieles bewerkstel­ ligt werden, führt man den Faden hoch oder runter, so produziert er proportionale Unterteilungen sowohl in langen und kurzen als auch mittleren Distanzen,  Die Beschreibung dieser Operation sei mit Hilfe des ihm zugrunde liegenden . Strahlensatzes im folgen­ den nochmals präzisiert: Die Unterteilungen des auf d e liegenden Abschnitts zwischen den Strahlen a b und a c verhalten sich wie diejenigen der entsprechenden Abschnitte der Parallelen f g und h i, sowohl in der verlängerten wie in der verkürzten Version.

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D Buch III

fol. O3v (Nr. 277.75)

wenn auch die Teile, die man messen will, in Zahlen nicht nennbar („vnnenbarlich“) sind und man nicht sagen kann, es sei ein Zweitel, ein Drittel oder ein Fünftel und ein Sechstel etc. wie vorn. Dieses oben beschriebene Instrument („fürne­ men“) habe ich im folgenden aufgerissen, damit man es vor Augen habe und sich daran eigens orientieren kann. Ich nenne dieses Werkzeug den „Wähler“, da­ mit ersichtlich ist, daß man mit seiner Hilfe wählen kann, um welches Maß man vermehren oder vermin­ dern will. Mit Hilfe dieses „Wählers“ ist der dünner und dicker gemachte Mann angefertigt, den du nach der Illustration des „Wählers“ aufgerissen siehst.9 Bei 9 DieserVerweis ist nicht recht verifizierbar, denn es bleibt unklar, ob die anschließenden Figuren (Nr. 77.76– 77.79) mit dem „Verkehrer“, der für die Verände­

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diesem Verändern fällt auf, daß sich die Teilmaße ei­ ner jeden so gemachten Figur, je mehr diese an Länge, Tiefe, Breite und Größe zunimmt, umso weiter aus­ dehnen, während sie sich bei der Verkleinerung zu­ sammenziehen. Dadurch erscheint die durch den „Wähler“ dünner gemachte Figur viel zarter als die vergrößerte Figur. Das hier Beschriebene ist auch mit Hilfe eines Quadranten 0 zu machen, wie die Kreis­ bögen im „Wähler“ anzeigen.

rungen von Gesamtlängen gedacht ist, oder mit dem „Wähler“, der eigens für Teilstücke eingeführt wurde, gemacht sind. Im übrigen ist die Funktion beider In­ strumente durchaus gleich. 0 „quadrant“: „auff deutsch ein firteil von eym zirckel“; Unterweisung der Messung, , fol. Bv.

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D Buch III fol. O4r

Dem folgenden verlängerten Mann ist ein Viertel sei­ ner eigenen Länge zugegeben. Wenn man ihn ver­ wenden will, muß man sein Haupt ein wenig kürzer machen, denn die Verlängerung gibt ihm eine Unge­ stalt. Also rücke man das Kinn aufwärts und teile das Gesicht von neuem ein; oder man nehme das Haupt ab und unterteile das Gesicht neu mit Hilfe des „Wäh­ lers“. Ich mache es so, daß es oben am höchsten Punkt [die Kopf linie] anrührt und gebe der Länge vom Scheitel bis zum Ende des Kinns / sowie derjeni­ gen vom Ende des Kinns aufwärts zum Haaransatz /0. Danach teile ich das Gesicht in seiner Länge mit dem „Wähler“ wieder ein. Es behält jedoch seine Schlankheit und seine schmale Erscheinung, wie sie durch den Gebrauch des „Wählers“ entstanden sind. So habe ich diese Gesichter nach meinem Verfahren neben den Figuren aufgerissen. Ferner mache ich des Mannes Fuß / lang, denn dieser ist durch den Ein­ satz des „Wählers“ zu kurz geworden. Auch den Rist mache ich nach Gebühr niedriger. Und besonders sol­ len ihm die Schenkel wohlgeformter, das heißt ein wenig schlanker und schmäler gezogen werden. In welchen Teilen das meiner Meinung nach zu gesche­ hen hat, habe ich in den folgenden Aufrissen gezeigt. Dieser Mann ist um / dünner als der zuerst be­ schriebene Mann in Buch I, von dem er abgeleitet ist. Wie das Haupt meiner Meinung nach gezogen wer­ den soll, habe ich im folgenden aufgerissen, damit du den Unterschied vergegenwärtigst zwischen der ur­ sprünglichen und der abgeleiteten Fassung des Mannes. Im weiteren ist noch anzumerken, wie der kürzere Mann gemacht worden ist. Höre also. Ich habe im „Verkehrer“, aus dem ich die kürzere Linie d e genommen habe, zwei gerade Linien von den End­ punkten der verlängerten Linie f g über Kreuz mitten durch die Vertikale a b gezogen und dort, wo sie die zwei Linien [oder Strahlen] c f und c g schneiden, die besagte vertikale Linie d e errichtet. Wenn man den [auf diesem Wege] verkürzten Mann wiederum auf seine Ursprungslänge bringt, nimmt er aufgrund der Verwendung des „Wählers“ sehr an Dicke zu; (dem Haupt kann, wenn erwünscht, an Dicke und Breite genommen werden, damit es menschlich bleibt, falls man die Figur [nicht] anderweitig verwenden will) und den Fuß verlängere erneut auf /6. Ich habe dieses anschließend aufgerissen; du hast jedoch freie Wahl, alles länger oder kürzer zu machen.

 „vngestalt“, Gegenteil von Gestalt: ‚Mißform‘, ‚übles Aussehen‘; Grimm , Sp. 70.

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fol. O4v (Nr. 277.76)

fol. O4v

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten

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fol. O5r (Nr. 277.77)

Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

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fol. O5v (Nr. 277.78)

fol. O5v

Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Auf der Scham oben

fol. O5v / fol. P1r

fol. P1r (Nr. 277.79)

Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch III

fol. P1v

fol. P1v

Des Mannes Haupt, das in Buch I in seinem geson­ derten, räumlich gedachten  Viereck mittels ge­ kreuzter Linien unterteilt und beschrieben worden ist, will ich unter dem Aspekt des Gegensatzpaares lang/ kurz erneut behandeln. Und zwar will ich zeigen, wie man einen Cubus, in dem man sich das Haupt einge­ schlossen vorstellt, strecken, sowohl erhöhen wie nie­ derdrücken kann und dabei zu wissen, um wieviel er dünner und schmaler wird, wenn man ihn streckt, und um wieviel er dicker und breiter wird, wenn man  „würffleten vierung“: ‚würfelförmig‘; der Würfel ist bei Dürer, wie hier offensichtlich, nicht ausschließlich der gleichseitige Hexaeder. Im folgenden wird Würfel und Cubus zwar ausdrücklich gleichgesetzt, ist jedoch mit Quader gleichbedeutend. Dem folgt auch unsere Übertragung.

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ihn niederdrückt – bei gleich bleibendem Inhalt, Ma­ ßen und Gewichten . Das ist so zu machen. Nimm dir einen allenthalben gleichen Würfel, der die Höhe des betreffenden Hauptes hat, das in die­ sen Cubus eingeschlossen werden soll. Zunächst muß ich mich mit dem Cubus oder Würfel an sich befassen, bevor ich ihn mit Inhalt fülle. Ein jeder ist frei in sei­ ner Entscheidung , um wieviel er den Cubus oder Würfel erhöhen, strecken oder niederdrücken will. Man muß so vorgehen. Ich nehme eine Seite des rechtwinkeligen Cubus‘, die ich unten a, oben b bezeichne. Diese Linie a b ver­  Das Gewicht spielt hier keine Rolle.  Druck: „Ich nym für dich“, Druckvorlage: „Nym für dich“, dieses dürfte gemeint sein; R III, S. 0.  „wall“: ‚Wahl‘, ‚Entscheidung‘.

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D Buch III

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längere ich mit einem neuen Endpunkt c, das heißt um so viel, wie ich den Cubus höher, als er zuvor war, haben will. Danach bilde ich mit der Seite a b und der verlängerten Linie a c einen rechten Winkel („win­ ckelhocken“) derart, daß a c waagerecht, a b senkrecht und der rechte Winkel in Punkt a sei. Danach werde die Grundlinie a c über den Winkel in Punkt a hinaus verlängert um die Distanz zu Punkt d. Auf diese Wei­ se wird d a c zu einer durchgehenden Horizontalen. Schließlich wird eine Diagonale b c gezogen. Danach nehme ich einen rechten Winkel („winckel­ hacken) aus Messing („messen“) oder von Holz („hült­ zen“) und lege ihn so mit einer Seite an die Diagonale b c, daß seine Ecke den Punkt b berührt. Ich reiße dann einen rechten Winkel aus Punkt b an diesem Instrument herab; wo diese rechtwinklig gezogene Linie die Grundlinie d a c schneidet, setze ich Punkt e. Somit ist eine vergleichliche Linie gefunden zwischen den zwei Linien a b und a c, das ist die Linie a e. Nun mußt du eine andere mittlere Linie zwischen a b und a e finden. Mache das so. Setze die zwei Li­ nien a b und a e zusammen und mache daraus eine zusammenhängende Grundlinie e a b. Danach ziehe aus Punkt a im rechten Winkel aufwärts eine Linie. Nimm nun einen Zirkel und setze ihn mit der Spitze in die Mitte dieser zusammengesetzten Linie e a b, den freien Fuß setze in Punkt e und reiße um ihn einen Halbkreis in Punkt b. Am Schnittpunkt dieses Kreis­ bogens mit der Senkrechten über Punkt a setze Punkt f. Dieses ist die Breite des erhöhten Cubus, also ist a c seine Höhe und a f seine Breite. Wenn du aber den Cubus niedriger haben willst, als seine Seite a b ist, mußt du ihn verbreitern; das macht man auf dieselbe Weise wie zuvor. Aber im Gegensinn („widerwerdig“) muß die Cubusseite a b, vergleichbar ihrer vorher erfolgten Verlängerung zu Punkt c, jetzt zu eben dem Punkte c verkürzt werden. Und so findet man das Maß, sie zu verbreitern. Nimm die Seitenlinie a b des bestehenden Cubus und richte sie isoliert auf, lege an sie, wie schon oben, seitlich im rechten Winkel die verkürzte Linie a c. Danach ver­ längere die Grundlinie c a über den Punkt a hinaus und gib ihr den Endpunkt d, jetzt ziehe die Diagonale b c. Nimm den rechten Winkel, leg ihn so an die Dia­ gonale b c, daß seine Ecke Punkt b berührt, und reiße von b entlang des rechten Winkels eine Linie durch die Grundlinie d a c. Den Schnittpunkt mit ihr nenne e. Somit ist die erste mittlere Linie gefunden zwischen den Linien a b und a c; das ist die Linie a e. Nun mußt du die zweite mittlere Linie finden zwischen a b und a e. Mache es so. Nimm die zwei Linien a b und a e und verbinde sie zu einer durchge­

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henden horizontalen Linie, diese ist e a b. Danach er­ richte in Punkt a eine Vertikale im rechten Winkel. Nimm nun einen Zirkel und setze ihn mit der Spitze in die Mitte dieser zusammengesetzten Linie e a b und reiße mit dem freien Fuß von Punkt e einen Kreisbo­ gen zu Punkt b. Am Schnittpunkt dieses Kreisbogens mit der Senkrechten über Punkt a setze Punkt f. Die so gewonnene Linie a f ergibt die Breite des niederge­ drückten Cubus. Seine Höhe ist a c, wie nachfolgend eigens detailliert aufgerissen. Dementsprechend ist in jedem der beiden Kuben, dem erhöhten und dem niedergedrückten, die Gestalt des Gesichts, eingeteilt in das Liniengitter, lang bzw. kurz geworden. Es ist auch darauf zu achten, daß der Cubus für das En­Face­Gesicht zuvor um / seiner Breite schmäler gemacht werde, wie es die Maße verlangen. Oder ma­ che es so. Multipliziere die Breite des erhöhten und des niedergedrückten Cubus jeweils mit acht, teile dann ein jedes Produkt durch zehn. Der jeweilige Quotient ergibt die Breite eines jeden Cubus für das En­face­Gesicht – im hohen bzw. im kurzen Cubus. Dann erst teile die Linien mit Hilfe des „Wählers“ er­ neut ein und ziehe die Gestalt des Gesichtes hinein. Das hier allein für das Haupt beschriebene Verfahren läßt sich auf die gesamte Figur anwenden.

D Buch III

fol. P2v (Nr. 277.80)

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fol. P3r (Nr. 277.81)





D Buch III

fol. P3v (Nr. 277.82)

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Der Cubus ist noch weiter zu verändern (wodurch das Haupt eine andere Gestalt erhält), etwa in folgender Art und Weise, indem man ihn auf seiner obersten Ebene („plano“) nach allen Seiten gleichermaßen er­ weitert, und ihn auf der unteren Ebene jedoch in der­ selben Dimension 6 verjüngt. Danach macht man das Gleiche im Gegensinn. Nachdem nun der Cubus in zweifacher Weise verkehrt worden ist, erstens oben weit und unten eng, zweitens oben eng und unten weit, ziehe ich das Liniengitter des Ursprungshauptes, erneut durch den „Wähler“ verän­ dert, mitsamt den Gestaltlinien des Gesichts hinein. So entstehen zwei Gesichtsvarianten: Das erste Haupt wird oben groß und unten klein, das zweite Haupt 6 „als vil er oben auß geleynt“, von leinen: lehnen; Grimm , Sp. 7.

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fol. P4r (Nr. 277.83)

wird oben klein und unten groß.7 Dieses Verfahren kann man für den gesamten Körper und seine Teile anwenden. Entsprechend der Verkehrung von oben und un­ ten im Cubus funktioniert das Verfahren mit der Ver­ kehrung von hinten und vorn , wenn nämlich die vordere Ebene des Cubus erweitert und seine hintere Ebene um das gleiche verengt wird; desgleichen, wenn man selbiges im Gegensinne macht. Wenn man dann das Liniengitter mitsamt der Gestalt des Gesichtes 7 Illustration Nr. 77..  Die Ortsangabe hinten und/oder vorn (oder: „fürsich oder hindersich“) ist stets in der Fläche gemeint, meis­ tens gleichbedeutend mit links und/oder rechts; bei Figuren oder Köpfen bezeichnet vorn die Gesichts­ seite.

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D Buch III

durch den „Wähler“ erneut vergleichlich einzieht, wird das Gesicht im ersten Cubus vorn groß und hin­ ten klein, im zweiten Cubus vorn klein und hinten groß. So habe ich es anschließend aufgerissen.9 Man kann auch den Cubus, anstatt ihn abzuschrä­ gen, oben oder unten eben belassen, auch das ist im Aufriß gezeigt.0 Für solche Spielarten gibt es mancher­ lei Anwendungen. Es gibt noch eine weitere Verkehrung, die mit dem Cubus zu machen ist. Das ist der Fall bei seiner Umwandlung in eine Raute. Eine Raute entsteht, in­ dem zwei der Winkel [eines Quadrats] schräg gegen­ einander verengt, während die beiden anderen Win­ kel schräg gegenüber erweitert werden. Hierbei kannst du zum ersten mit den zwei engen Winkeln die vor­ dere Gesichtszone um den Scheitel sowie die hintere Zone am Nacken umfassen mit der Folge, daß die weiten Winkel den Hinterkopf und das Kinn rahmen. Zweitens kann man es im Gegensinn machen, wie im Aufriß hinten zu sehen.  Das erste Haupt gewinnt eine zugespitzte Stirn, das zweite einen erhöhten Hin­ terkopf. Diese Häupter behalten nicht denselben Flä­ cheninhalt des Urspungshauptes in Buch I. Ein jegliches im Cubus verzeichnete Detail wird bei jeder seiner Verkehrungen mitverkehrt, es wird mittels „Verkehrer“ oder „Wähler“ verändert und vergleichlich neu eingeteilt.

9 Illustration Nr. 77. links. 0 Gemeint sind die vier leergelassenen Diagramme bei Nr. 77..  Illustration Nr. 77. links unten.

fol. P4r





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fol. P4v (Nr. 277.84)

fol. P5r

fol. P4v / fol. P5r

fol. P5r (Nr. 277.85)

Diese zuletzt verkehrten Gesichter wurden mitsamt dem ganzen Cubus verkehrt, dennoch wurden alle Details mit Hilfe des „Verkehrers“ oder „Wählers“ nach Maßgabe des Ursprungshauptes vergleichlich eingeteilt, wiewohl doch geändert. Ich will nun wei­ terfahren mit dem Ursprungshaupt, doch seinen Cor­ pus unverändert bestehen lassen. [Stattdessen] will ich die [bestehende] Einteilung der unterschiedlichen Gesichts­Details dadurch verändern, daß ich die Ho­ rizontalen, die Vertikalen und die Diagonalen verrü­ cke. Dadurch möchte ich demonstrieren, daß man die zuvor geübten Gesichtsverkehrungen durch den Cu­ bus auch gebrauchen kann und daß noch mancherlei weitere Gesichtsgestaltungen machbar sind. Der Mit­

tel und Wege dazu sind unzählig viele; deshalb kön­ nen immer und so viel man will unterschiedliche menschliche Gestalten gemacht werden. Jetzt wollen wir uns das Ursprungsgesicht aus Buch I erneut vornehmen und in der Seitenansicht mit den Horizontallinien handeln, durch die alle De­ tails der Länge nach bestimmt sind; es sind derer vor­ nehmlich die drei größten Gesichtsabschnitte. Darum ist darauf zu achten, daß die oberste dieser Linien, die Linie k, die Stirn am Haaransatz berührt, sodann daß die Linie l die Augenbrauen schneidet und die Ohren berührt, endlich die Linie m unter der Nase liegt. Wenn man diese Linien aufwärts oder abwärts, ausei­ nander oder zueinander rückt, so ergeben sich zwi­

 „corpus“: hier offensichtlich gleichbedeutend mit „cubus“.

 Unter „vnterschydlich gestalt“ dürften hier Gesichts­ varianten verstanden sein.

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fol. P5v (Nr. 277.86)

schen ihnen höhere oder niedrigere Felder; denn was durch die Verrückung der Querlinien einem Feld ge­ nommen wird, wird dem anderen gegeben. Durch derartige Verrückung kannst du beliebige Abschnitte des Gesichtes kürzer oder länger machen. In gleicher Weise, wie du diese drei genannten Linien verrücken kannst, ist es auch möglich, die dazwischen liegenden übrigen Querlinien s r q p o so zu verrücken, daß sie dabei als parallele Linien bestehen bleiben. Du kannst sie aber auch ein wenig diagonal oder gekrümmt ver­ rücken oder gegeneinander ziehen, wodurch die Felder zwischen ihnen jeweils zu Teilen breiter und schmä­ ler werden. Du kannst also nach Belieben alles verrük­ ken, was unter die Gegensatzpaare lang/kurz, breit/ schmal, dick/dünn oder gleich/ungleich zu subsumie­ ren ist. Denn eine jede Querlinie ist gesondert auf dreierlei Weise zu verrücken: aufwärts, abwärts und



fol. P5v / fol. P6r

fol. P6r (Nr. 277.87)

schräg. Es können aber auch alle Querlinien gemein­ sam verrückt werden: aufwärts, abwärts oder zu einer Hälfte aufwärts und zur anderen abwärts oder auch nur ungefähr („angeferlich“), ganz wie man will. Das gleiche ist analog mit den senkrechten Linien zu ma­ chen. Was aber bei diesen Veränderungen gegenüber dem Urspungsgesicht vergleichlich verkehrt werden soll, das muß durch den „Verkehrer“ oder „Wähler“ geschehen. Wer sich in dieser Materie umtut, wird seltsame und wunderliche Dinge finden. Und je nach deiner gewünschten Gesichtsgestalt richte die geraden Linien so ein, daß sie diese Veränderung bewirken. Wenn wie gesagt, die Querlinien nahe zusammen­ gerückt werden, wird, was darin seinen Platz findet, kurz, sind sie aber auseinandergerückt, wird selbiges lang. Zwischen den Vertikallinien der Seitenansicht ist das Resultat dick und dünn. So wird, wer diese

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Dinge in die Hand nimmt, wohl gewahr, welche Ver­ fremdungsmöglichkeiten („frembdickeyt“) ihm [mit diesem Verfahren] zur Verfügung stehen. Nun will ich diese vorausgeschickten Überle­ gungen teilweise ins Werk setzen. Ich nehme das Ur­ sprungshaupt aus Buch I, lasse alle Senkrechten beste­ hen und operiere zunächst mit den Querlinien. Die drei Linien k, l, m verschiebe ich so zwischen i und n, daß vier gleiche Abschnitte entstehen, die das größte Teilungsraster des Gesichts ausmachen. Danach teilt man mit dem „Wähler“ die übrigen Linien o, l, p, q, r, s erneut vergleichlich ein. Das Resultat scheint mir eine gute Gestalt zu machen, insofern die Gestalt des Gesichts auf diesem Wege regelmäßig eingeteilt ist. Darum habe ich hier die Verkehrung dieses Gesichts mit seinen Linien seitlich und frontal aufgerissen, da­ mit du dich danach richten kannst. Es ist weiter zu beobachten, daß die Häupter lange oder kurze Gesichter haben können.  Das ist so zu verstehen: Ist das Angesicht sehr lang, so wird der Teil des Hauptes, der mit Haar bedeckt ist, oberhalb der Stirn sehr f lach. Ich will deshalb ein solches langes Angesicht vorstellen, bei dem die Linie k auf die Linie i gelegt werde, anschließend sollen mit dem „Wähler“ zwischen k und n die übrigen Linien o, l, p, q, m, r, s erneut vergleichlich eingeteilt werden. Somit ist der Haarwuchs in der Erhebung [des Hauptes] ganz weg­ genommen. Plant man jedoch, das Angesicht kurz zu machen, so gewinnt das Haupt einen hohen, zugespitzten Kopf. Darum will ich neben das Haupt mit dem lan­ gen Angesicht von eben ein solches mit kurzem An­ gesicht setzen und in seiner Gestalt so aufreissen, wie im folgenden angegeben. Rücke die Stirnlinie k um ein Drittel der Höhe zwischen i und n abwärts und unterteile anschließend die übrigen Querlinien o, l, p, q, m, r, s wieder vergleichlich mit dem „Wähler“, so wie es hier vor Augen gestellt ist. fol. P6r

fol. P5v / fol. P6r

Grundrissen („nider gedruckten gründen“) wieder­ gegeben habe. Nimm weiter zur Kenntnis, daß sämtliche Quer­ linien im Haupt durch den „Fälscher“, der später be­ schrieben werden wird, zu verrücken sind. Das hat zur Folge, daß sich die Abstände zwischen ihnen nach oben vermehren, nach unten jedoch vermindern. Man macht dieses auch im Gegensinn oder in einer Hälfte des Hauptes oben oder unten oder auch zwischen allen beliebigen Querlinien. Diese Weise der Verrückung bewirkt gleichfalls große Veränderung bei ihrer Anwendung im Gegen­ sinn. Gleichermaßen wie du jetzt eine [waagerechte] Linie nach oben oder unten verrückt hast, ist dies auch bei den senkrechten Linien machbar, die [in seit­ licher Richtung] nach vorn oder hinten zu rücken sind. Darum will ich im weiteren zusätzliche Gesich­ ter beschreiben [um zu zeigen], wie meine hier geäu­ ßerten Überlegungen ins Werk zu setzen sind. Ich möchte damit Veranlassung geben, viel weiteres Mach­ bares zu bedenken, als das, was hier vorgestellt wird. Im folgenden will ich etliche Veränderungen durch Verrückung der Linien durchführen.

Eine weitere Veränderung geht dahin, das viereckige [rechtwinklige] Corpus, in welches das Haupt einbe­ schrieben ist, vorne schmäler und hinten breiter zu machen, wobei ihm vorn zu nehmen ist, was ihm hinten zugegeben wird. Das gleiche macht man im Gegensinn. Wenn man dann in das so verkehrte Corpus alle Details ver­ gleichlich von neuem nach Gebühr einzieht, so sind zwei Angesichter entstanden, wie ich sie hier in zwei  Unter „angesicht“ wird der vom Haupthaar unbe­ deckte Teil der Kopf­Front verstanden.

 Der „Fälscher“: fol. R6r; Illustration Nr. 77.0.

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fol. P6v (Nr. 277.88)

fol. P6v

Es ist zunächst unsere Absicht, das ursprüngliche Gesicht durch Verrückung der Querlinien so zu ver­ ändern, daß kein Teil beim anderen bleibe. Wir wol­ len abwechselnd eine lange oder kurze Stirn, eine lange oder kurze Nase sowie ein langes oder kurzes Kinn machen. Rückst du nun die Querlinie l weit nach oben gegen die Linie k, so wird die Stirn dazwi­ schen verkürzt und die Nase zwischen l und m verlän­ gert (A) 6. Rückst du aber die Linie l abwärts gegen die Linie m, so entsteht dir eine lange Stirn zwischen k und l sowie eine kurze Nase zwischen l und m (B). 6 Die im folgenden beschriebenen zwölf Varianten (Nr. 77.9 und 77.90) sind von uns zur leichteren Identifikation (in Klammern) alphabetisch A–M in­ diziert, lesbar jeweils zeilenweise von oben links bis unten rechts.

fol. P6v / fol. Q1r

fol. Q1r (Nr. 277.89)

Im Fall, daß du die Linie l stehen läßt und die Quer­ linie m aufwärts rückst, wird die Nase zwischen l und m kurz, aber Mund und Kinn werden lang (C). Wird aber die Linie m nach unten gerückt, so entsteht eine lange Nase zwischen l und m sowie ein kurzer Mund und ein kurzes Kinn (D). Nun können die zwei Li­ nien k und m so weit auseinander gerückt werden, daß sich die Linie k der Linie i, und die Linie m der Linie n nähert. Es bleibt die Höhe des Haupts bestehen, aber die Länge des Mundes mitsamt dem Kinn verkürzt sich [noch mehr], während Stirn und Nase sehr lang werden (E). Wenn du aber die zwei Querlinien k und m näher zusammenrückst, so erhöht sich das Haupt, desgleichen Mund und Kinn, aber Stirn und Nase werden sehr kurz (F). Rückst du k und l aufwärts, so entsteht dir ein kurzes Haupt und eine kurze Stirn. Teile danach zwischen l und n die übrigen Querlinien

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mittels „Verkehrer“ wieder gleichmäßig ein, so wer­ den Nase, Mund und Kinn lang (G). Kehrst du dieses in sein Gegenteil, so gewinnst du ein hohes Haupt und eine lange Stirn, jedoch eine kurze Nase, kurzen Mund und Kinn (H). Jetzt noch eine weitere Verän­ derung: Rücke die Linie k nahe an Linie i und die Linie m nahe an Linie l, dabei lasse Linie l stehen, da­ raus entsteht ein niedriges Haupt, eine lange Stirn, eine kurze Nase und lange Lippen und langes Kinn (I). Tue dieses im Gegensinn und rücke die Linie k nahe an Linie l und die Linie m nahe an Linie n, so wird das Haupt hoch, die Stirn kurz, die Nase lang, und kurz werden Mund und Kinn (K). In dieser Angelegenheit wäre noch vieles auszu­ führen, was jedoch der Kürze zuliebe unterlassen ist. Bei diesem Geben und Nehmen ist auch darauf zu achten, die Linien nur soweit zu verrücken, daß man die Natur nicht übermäßig nötige und daß die Er­ scheinung menschlich bleibe. Wenn du weiteres auf diese Weise bewerkstelligen willst, kannst du, analog den drei Linien k, l, m, auch mit den übrigen Querli­ nien o, p, q, r, s entsprechend operieren. Nachdem durch die Querlinien wunschgemäß die Aufteilungen lang oder kurz gemacht sind und dadurch die Details [der Gesichter] im Rahmen des zugrunde liegenden ursprünglichen Vierecks verändert wurden, also mit­ tels paralleler Linien verändert wurden, kann man die­ selben Linien auch alle schräg ziehen, vorn aufwärts, hinten abwärts und umgekehrt 7 oder einige Teile ge­ rade lassen und die anderen krümmen. Man kann auch die Diagonale auf der Nase des Ursprungshaup­ tes nach Belieben verrücken, kann auch die ebenen Linien nach oben oder nach unten sowie die senkrech­ ten Linien nach vorn oder nach hinten brechen, des­ gleichen kann man mit den Diagonalen verfahren. In etlichen Teilen kannst du die Linien wenden, wohin du willst. Du kannst auch die Zwischenräume zwi­ schen den Querlinien, wo diese gebrochen werden, nach vorne oder nach hinten, nach oben oder nach unten schieben. Jeder wird während des Gebrauchs herausfinden, wovon ich rede. Damit du verstehst, was ich eine gebrochene Linie nenne, merke dies. Eine gegebene Linie sei a b, in die­ se setze Punkt c, wohin du willst. In diesem Punkt brich sie auseinander und rücke das halbe Bruchstück aufwärts oder abwärts. Oder setze auf die Ausgangs­ linie [a b] zwei Punkte etwa c und d, brich c d heraus aufwärts oder abwärts. In gleicher Weise sind auch senk­ rechte Linien – oder Teile aus ihnen – zu brechen nach 7 „widerumb“: ‚im Gegensinn‘, ‚gegenläufig‘, ‚umge­ kehrt‘.

fol. P6v / fol. Q1r

vorn oder nach hinten, das ist auch der Fall bei Diago­ nalen. Darum will ich mitteilen, wie man bei der Ver­ änderung des Gesichtes mit gebrochenen Diagonalen operiert. Doch sieh zuvor hier unten die Illustration der gebrochenen Linien, wovon ich eben gesprochen habe, sodann die Aufrisse der vorhin beschriebenen Ge­ sichts­Verkehrungen. (A) In diesem Angesicht ist allein die Linie l nach oben gerückt. (B) In diesem Angesicht ist allein die Linie l nach un­ ten gerückt. (C) In diesem Angesicht ist allein die Linie m nach oben gerückt. (D) In diesem Angesicht ist allein die Linie m nach unten gerückt. (E) In diesem Angesicht ist die Linie k nach oben und die Linie m nach unten gerückt. (F) In diesem Angesicht ist die Linie k nach unten und die Linie m nach oben gerückt.

 Illustration Nr. 77..

fol. Q1r

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fol. Q1v (Nr. 277.90)

fol. Q1v

(G) In diesem Gesicht sind die zwei Linien k und l weit nach oben gezogen und m ist mitten zwischen l und n gesetzt. (H) In diesem Gesicht sind l und m weit nach unten gerückt und k ist erneut mitten zwischen i und l ge­ setzt. (I) In diesem Gesicht sind k und m nach oben gerückt. (K) In diesem Gesicht sind k und m nach unten gerückt. Ferner kann man die drei Querlinien k, l, m auch noch folgendermaßen verrücken: Zum einen derart, daß der oberste Abschnitt zwischen i und k am höch­ sten sei, der zweite zwischen k und l niedriger, der dritte zwischen l und m noch niedriger und der vierte zwischen m und n am niedrigsten (L). Das andere Viereck mit dem weiteren Gesicht soll jedoch im Ge­ gensinn aufgeteilt sein, doch proportional, wie an­ schließend aufgerissen (M).

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fol. Q1v / fol. Q2r

fol. Q2r

Im Ursprungshaupt in Buch I sind die waagerechten und senkrechten Linien in Form von parallelen Gera­ den gezogen. Diese Linien werden wieder weitgehend verkehrt, wenn man sie bricht und in Diagonalen ver­ wandelt. Deshalb ist der Bedarf an Linien, die man gebrochen oder schräg nennt, stets zu bedenken. Ich will jetzt zunächst das Wort schräg („vberort“) auf alle waagerechten und senkrechten Linien anwenden: Wenn ich eine jede Querlinie hinten oder vorn auf­ wärts oder abwärts oder analog die senkrechten Lini­ en oben oder unten vorwärts oder rückwärts verrü­ cke, bleiben sie alle dabei in sich gerade. 9 Deshalb mußt du die besagten Linien jeweils eigens verfor­ 9 Die Angaben hinten/vorn sowie oben/unten schei­ nen in diesem Zusammenhang keine gesonderten Teile dieser Linien zu betreffen, sondern nur die Mechanik

fol. Q2r

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men, krümmen nach Art eines Bogens oder einer Schlange, aufwärts oder abwärts, vorwärts oder rück­ wärts, auch brich jede Linie, wo du dessen bedarfst. Wir wollen mit der Stirnlinie am Haaransatz anfan­ gen und dieselbe hinten oder vorn aufwärts oder ab­ wärts ziehen, desgleichen wollen wir die Linie der Augenbrauen an ihrem Ort und in ihrer Länge bre­ chen und an beiden Enden entweder aufwärts oder abwärts ziehen oder sie in der Mitte über den Augen brechen und die Bruchstücke aufwärts oder abwärts versetzen. Ferner kannst du die Augen nach oben oder nach unten krümmen wie es beliebt. Selbiges kann auch mit den Augenwinkeln geschehen. Wenn sie der Länge nach aus der Linie gebrochen sind, kannst du sie mit den vorderen oder hinteren Ecken aufwärts oder abwärts wenden, wie die Nadel in einem Kom­ pass („zünglein in eim campast“) sich wendet. Du kannst die inneren und die äußeren Augenwinkel tiefer oder f lacher machen. Wenn die Linie der Nase gebrochen wird, kannst du sie mit ihren hinteren Flügeln („zipffelein“) nach oben oder nach unten ziehen. Gleiches ist auch mit dem Mund möglich wie auch mit dem Kinnbacken, der wird hinten aufwärts oder abwärts gezogen. Es bringt auch große Veränderung in der Seitenansicht, wenn der Hals nahe zum Kinn vor gezogen wird, so­ dann auch umgekehrt schräg weit ab vom Kinn; so wird das Haupt hoch aufrecht, während es sich um vorigen Fall gegen die Erde neigt. Wir können auch noch die Ohren verrücken im Viereck und zwar nach oben, nach unten, nach vorn, nach hinten oder schräg, in welche Richtung du willst. Du kannst auch das Geviert des Ohrs lang, kurz, breit oder schmal machen, groß oder klein. Etliche Ohren liegen glatt am Haupt an, andere ragen weit heraus. Aus dem Gesagten re­ sultiert, daß alle geraden Elemente („ding“) schräg, krumm, schief und eckig gezogen werden können, und du ersiehst daraus, wie du alle Höhen niedriger, die dicken Maße dünner und die Ebenen schief ma­ chen kannst. Wenn dann die Gestalt des Gesichtes wieder in das planmäßig veränderte Liniengitter ein­ gezogen wird, ist das Aussehen der ursprünglichen Gestalt gänzlich verändert („verkert“).0 Bei diesem ganzen Verfahren muß man die anfangs beschriebenen Gegensatzpaare im Bewußtsein haben. Dann findet man das Wesen des Unterschieds der drei derVerrückung, als handele es sich um ein materielles verschiebbares Gitterwerk. 0 Die hier beschriebenen Möglichkeiten sind sämtlich unillustriert.  Die „wörter der underschyd“, fol. Or.

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[folgenden] Profilköpfe, so da sind ein gerades ebenes Gesicht, ein ausgebogenes ähnlich Hasenköpfen, ein eingebogenes. Ein solches Ein­ oder Ausbiegen kann durch gekrümmte, gerade oder gebrochene Linien bewirkt werden; dabei spielt Geben und Nehmen eine Rolle. Diese dreierlei Gesichtsvarianten sind un­ zählig veränderbar, man kann sie zudem scharf und hoch erhaben oder f lach machen. Um diese meine schriftlichen Ausführungen zu illustrieren, habe ich meine Vorstellung von den drei Gesichtern anschlie­ ßend aufgerissen.

 „schletz“, Druckfehler: lies „schlechtz“ (= ‚gerade‘, ‚eben‘). Druckvorlage, R III, S. 6.  „außgebogen“: ‚konvex‘.  „eyngebogen“: ‚konkav‘.

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fol. Q2v (Nr. 277.91)

fol. Q2v

Es sind noch zwei weitere Gesichtsvarianten im Pro­ fil anzusehen, die folgendermaßen in ihrem Viereck zu verrücken sind. Die zwei Querlinien des Vierecks unten und oben bleiben jeweils richtige Querlinien, die zusammen ein Paar bilden6, jedoch müssen beide Vierecke zu Rauten („rautens weyß“) verzogen wer­ den; wie – das vernimm. Die vordere obere Ecke des ersten Vierecks wird nach vorn, seine untere hintere Ecke nach hinten gezogen.7 Das gleiche macht man im Gegensinn. Danach stellt man mit geraden Quer­ linien die vorige Unterteilung wieder her. Rückt man die [vorigen] Senkrechten wieder ein, werden aus ih­  „nach“, Druckfehler: lies „noch“. 6 „die sich barnn“: vermutlich, ‚die sich paaren‘, ‚ein Paar bilden‘; so auch R III, S. 0,Anm. 9. 7 „Vorn“ bezeichnet stets die Blickrichtung.

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fol. Q2v / fol. Q3r

fol. Q3r

nen mitsamt beiden Seitenlinien pure Diagonalen, die im ersten Fall nach vorn, im anderen Fall nach hinten hängen. Danach zieht man die Gestaltlinien des Gesichtes von neuem ein. Dann siehst du in bei­ den Vierecken, was die Veränderung bewirkt hat. So habe ich diese Gesichter im Anschluß an die drei vo­ rigen aufgerissen. In diesen [durch die Rautenform] veränderten Ge­ sichtern können auch die senkrechten und waagerech­ ten Linien wie bei den anderen Beispielen verrückt werden. Es folgt die Fortsetzung des Unterrichts, wie man mit den senkrechten Linien zwecks weiterer Ver­ änderung der Gesichtsgestalt operieren kann. Wir  „eytel“: hier im Sinne von ‚bloß‘, ‚rein‘, ‚pur‘; Grimm , Sp.  (eitel).

fol. Q3r

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hatten die zwei Seitenlinien des Vierecks für die Sei­ tenansicht des Gesichts, die vordere a, die hintere b, genannt und die Distanz dazwischen mit sechs wei­ teren Linien c, d, e, f, g, h in sieben gleiche Abschnitte geteilt. Diese Linien können ebenso wie die Querli­ nien nach Belieben verrückt werden, und jeder Ab­ schnitt zwischen ihnen kann gesondert nach hinten oder nach vorn verrückt werden, desgleichen mehrere gemeinsam oder alle miteinander. Analog zu der besagten Möglichkeit, mittels Quer­ linien [Dinge] lang oder kurz zu machen, kann man mit den senkrechten Linien dick und dünn, breit und schmal machen9 ; auch hier0 mit der Bedingung von Geben und Nehmen. Und genau so wie ich mit den senkrechten Linien umgehe, geht man auch mit den krummen, schiefen und schrägen Linien um. Und wenn man damit arbeitet, muß man achtsam sein. Zu­ nächst – was man der Stirn an Ausladung nimmt, wird dem Nasenvorsprung zugelegt. Derlei macht man auch im Gegensinn, es kann geschehen durch Ein­ und Ausbiegen oder durch gerade gebrochene Linien, so ist zu verfahren in sämtlichen Teilen des von der Seite gesehenen Gesichts. Es müssen darum die bei der Verkehrung gegen­ sinnig veränderten Bestandteile stets zusammenge­ setzt werden;  das ergibt sich aus oben Gesagtem. Wenn du einen Teil in eine Richtung rückst, mußt du den anderen – oben oder unten – entsprechend verset­ zen, das hat zur Folge, daß dann ein Teil dick oder breit, dünn oder schmal wird. Wenn nun zwischen den Querlinien durch Ver­ rückung der Senkrechten oder durch schräge und ge­ brochene Linien das Haupt im ganzen verändert wird, ist darauf zu achten, daß jedes einzelne Gesichtsdetail mit den Wörtern eben oder aus­ und eingebogen in Verbindung zu bringen ist, dieses gleichermaßen in allen einzelnen Teilen wie in den drei [vollständigen] unterschiedlichen Gesichtern. Hieraus ergibt sich, daß du eine ebene („schlechte“), eingebogene oder eine ausgebogene Stirn machen kannst, entsprechen­ 9 Die im Rahmen der Verrückungen und ihrer Resul­ tate von Dürer meist im Positiv genannten Adjektiva hat man sich im Komparativ vorzustellen; so übersetzt denn auch Cam. II, fol. Cr z.B. hier: „crassior, graci­ lior, distensior, contractior“. 0 „hie felt“; R III, S. 0, Anm.  deutet: ‚an dieser Stelle‘.  „albeg“: bayrisch (Grimm , Sp. ) für allweg (= immer, stets).  Gemeint ist wohl der Sachverhalt: komplementär.  Hier ist erneut die Illustration Nr. 77.9 oben ge­ meint.

fol. Q3r / fol. Q3v

des ist zu machen mit Nase, Lippen, Mund und Kinn sowie mit allen anderen Einzelheiten. Es ist darauf zu achten, daß die Linie, mit der – von der Seite gesehen – das Haupt gerundet wird, auf verschiedene Weise geführt werden kann; denn der eine hat ein f laches, der andere ein spitzes, der dritte ein eckiges („ecketz“) Haupt, es gibt weiterhin vie­ lerlei Varianten, wie es die Natur beschert. Nun wollen wir weiter von der Diagonalen spre­ chen, die man zur Bestimmung der Nase zieht. Sie kann [mehr] nach hinten gelehnt werden bis an die Vertikale d. Man kann sie auch aufrechter ziehen in die Mitte zwischen die Vertikalen a und c und sogar nach vorne an die Seitenlinie a lehnen. Ich halte in solchen Dingen jedoch die proportional („vergleych­ lich“) hergestellten Veränderungen für die schönsten, wenngleich die disproportionalen („abgeschidnen“)  Änderungen [ihrerseits] Verwunderung auslösen; doch sind sie nicht alle lieblich6. Deshalb kann man sich an unsere Beispielsammlung halten und etwa sa­ gen, kein spitzes und kein f laches Haupt sei wohlge­ staltet. Dagegen wird ein rundes Haupt als hübsch erachtet, weil es das Mittel zwischen beiden bildet. Allerdings ist dadurch nicht bewiesen, daß das mitt­ lere Maß zwischen zwei Extremen stets und bei allen Gelegenheiten das beste sei. Dennoch bevorzuge ich diesen Grundsatz in mancher Hinsicht, wie man denn etwa sagt, das ist ein zu langes oder zu kurzes Gesicht; desgleichen zu seinen Teilen, dieses ist eine zu lange, kurze, ausgebeulte („beulette“) oder eingegrabene („grubete“) Stirn. Dementsprechend ist es auch mit der Nase. Denn manche haben große, höckerförmige („hocket“), lange und überhängende Nasen. Dagegen haben andere wiederum kurze oder krumme7 Nasen oder aufgeworfene, dicke, kolbenförmige („kolbet“) Nasen und solche, die tief zwischen die Augen ge­ drückt sind oder sie ragen der Stirn gleich heraus. Fer­ ner gibt es manche, die haben tief liegende, kleine Äuglein oder herausquellende große Glotzaugen , andere öffnen ihre Augen so eng wie ein Schwein und ziehen etwa ihre unteren Lider („glyd“) weiter auf­  „forthin“: ‚weiterhin‘; Grimm , Sp. 9.  „abgeschiden“ im Gegensatz zu „vergleychlich“, lat. separatus;Dürer will mit diesem,für seine Proportions­ lehre wichtigen Terminus die Unterbrechung des pro­ portionalen Zusammenhangs ausdrücken.Vgl. hierzu R II, S. 7,Anm. . 6 „lieblich“: ‚von angenehmer Art‘, ‚schön‘. 7 „murret“: ‚schief‘, ‚krumm‘; Grimm , Sp. 76 (murricht) unter Bezugnahme auf diese Stelle.  „boltzete augen“: ‚Glotzauge‘; Grimm , Sp.  (Bolzauge).

fol. Q3v

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wärts als die oberen abwärts. Auch gibt es welche, die sperren ihre Augen kreisrund („zirckels weyt“) auf, so daß man die ganze Pupille9 sieht. Wiederum einigen sind die Augenbrauen hoch über die Augen gewölbt, während sie anderen gar auf den Augen liegen oder über sie hängen. Und etliche Augenbrauen sind dünn, andere dick. Weiterhin haben manche dicke, hohe, kolbenför­ mige Münder oder dünne, verbissene Lippen, und bei manchen überlappt die obere Lippe die untere – und umgekehrt. Und oft ist eine Lippe dicker als die ande­ re. Des einen Lippe hat einen großen Abstand von der Nase, des anderen einen kurzen. Mancher hat ein dik­ kes, breites, großes Kinn, manch anderer ein kleines, spitzes. Das Kinn einiger Menschen weicht sehr zu­ 9 „augstern“: ‚Pupille‘.

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fol. Q4r (Nr. 277.92)

rück wie abgeschliffen gegen den Hals,60 das Kinn an­ derer Menschen ragt weit6 über den Hals hinaus. Das Kinn kann lang und kurz geformt sein, wie dieses oben mittels Verrückung der Querlinien aufgezeigt ist. Ferner gibt es gelegentlich stufenförmige 6 Ge­ sichter, die oben am weitesten hervorragen und nach unten – je weiter je mehr – zurückweichen, desglei­ chen umgekehrt, die unten hervorragen und aufwärts hin zurückf liehen. Zu deren Konstruktion gebraucht man die gebrochenen Linien. Darüber könnte viel geschrieben werden, etwa wie man damit in den klein­ 60 Gemeint ist wohl ein ‚fliehendes Kinn‘. 6 „ser“, Druckfehler; lies „fer“: ‚weit‘, ‚fern‘; Grimm , Sp. 0 (ferr/ferre). 6 „stafflecht“: ‚gestuft‘, ‚stufenförmig‘; Grimm 7, Sp. 7 (staffelicht) unter Bezugnahme auf diese Stelle.

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sten Details umgeht. Doch wer f leißig nachsucht, wird dieses wohl bald herausfinden. Es wird auch eingeräumt, daß man die Anzahl der hier behandelten senkrechten, waagerechten und schrägen Linien vermehren oder vermindern kann – entweder zum Zweck genaueren Arbeitens oder ge­ ringerer Mühe. Es wird auch zugestanden, daß man die geraden Linien bei Bedarf nach Wunsch krüm­ men kann. Und um klarer verstanden zu werden, will ich anschließend einige der oben beschriebenen Häup­ ter aufreissen mit ihren jeweils verkehrten Linien, den senkrechten, waagerechten, schrägen und gebroche­ nen, und darunter etliche gekrümmte. Und danach will ich die Gestalt des Gesichts wieder hineinziehen denen zur Unterrichtung, die die schriftliche Beschrei­ bung ohne Illustration nicht verstehen. Sämtliche vor­ hin beschriebenen Gesichter, auch die einmal geän­ dert sind, kann man in vielerlei Art und Weise von einem in das andere tragen und alle durcheinander mischen – vom letzten über alle anderen bis zum er­ sten, wie man will, dabei so ausgefallen („seltzam“) mit ihnen handeln, wie man es nur erdenken kann; denn ständig („stettigs“) sind alle Dinge zu verkehren. Aber eines soll nicht vergessen werden, was einem Gesicht in der Seitenansicht an Tiefe genommen wird, das soll dem Gesicht in der Vorderansicht an Breite zugelegt werden. Diese Regel ist auch im Ge­ gensinn zu beherzigen. Und merke dir noch einen Hinweis, alle senkrechten und waagerechten Linien im Viereck des Gesichts von der Seite will ich ohne jedes Ziel6, wie es sich ergibt, diagonal und ganz mut­ willig verrücken und dann die Gestaltlinien des Ge­ sichts wieder hineinziehen. Was dann daraus wird, siehst du hier in seiner Erscheinung zum Schluß wie­ dergegeben. Jeder mag dieses nach Belieben anders machen. Diese Lektion dient mehr zur Erzeugung unter­ schiedlicher Varianten denn der Erzeugung schöner Gestalt. Doch soll man solche und dergleichen Dinge kennen, um aus der Fülle von Erfahrungen zu lernen. Denn niemand dürfte wohl wissen, was eine gute Ge­ stalt macht, er wüßte denn zuvor, was Ungestalt er­ zeugt.

6 „an als geferdt“, vgl. Fahrt: ‚Fährte‘, ‚Ziel‘; Grimm , Sp. 090f. (Gefährte, Gefährt, n.); R III, S. 0, Anm. .

fol. Q3v

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fol. Q4v (Nr. 277.93)

fol. Q4v

Im weiteren will ich anzeigen, wie man das En­face­ Haupt verändern und verkehren kann. Zunächst kann man die veränderten Querlinien aller verkehrten seitlichen Häupter mittels Übertrag ins Viereck der Vorderansicht ziehen. Deshalb will ich von den Querlinien im En­face­Haupt nicht viel mehr sagen, als daß man wisse, wenn man sie in die Schräglage („uber ort“) zieht – einige von ihnen oder alle, wie man will –, daß auf diese Weise schiefe („krume“) Gesichter entstehen, wie wenn man eine [Gesichts­] Seite tiefer als die andere machte. Darum will ich mich allein mit den senkrechten Linien beschäfti­ gen. Achte auf folgendes, es befinden sich zwischen den zwei Seiten a und b des Gesichtsvierecks andere senk­ rechte Linien, so da sind i, g, c, d, e, f, h, k. Sie umfas­ sen und scheiden voneinander die vornehmsten Teile

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fol. Q4v / fol. Q5r

fol. Q5r

des Gesichts in der Breitenausdehnung – so die Stirn, Augen, Nase, Ohren, Mund, Kinn usw. So ist klar, daß eine jede dieser besagten Senk­ rechten allein oder alle gemeinsam zu verrücken sind, und wo du die zwei Linien weit auseinander rückst, werden die Gesichtsteile dazwischen breit,6 aber an den Seiten, wo sich die Senkrechten [dementspre­ chend] einander nähern, werden sie schmal, das ist oben wie unten der Fall. Die geraden Linien können auch gebogen werden. Bei dieser Prozedur bleibt kei­ ne Linie gerade, sondern sie biegen sich einwärts oder auswärts. Als Ergebnis der Verrückung besagter Lini­ en, in die hinein dann die Gestalt des Gesichts von 6 Dürer setzt stillschweigend voraus, daß dieses konzen­ trisch erfolgt, etwa mit den zwei mittleren Senkrech­ ten d und e.

fol. Q5r

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neuem gezeichnet wird, findest du breite oder schma­ le Stirnen desgleichen – in der Querrichtung – lange oder kurze Augen, nahe zusammen oder weit ausein­ ander gesetzt. Man kann ein Auge größer als das an­ dere machen, mit größeren oder kleineren Lidern und ungleich versetzen, eines höher als das andere, ebenso die Augenbrauen.6 Es entstehen ferner breite oder schmale Nasen, sei es oben oder unten, sowie krum­ me oder gerade, kolbenförmige oder spitze, eckige oder runde, solche, die einwärts bei den Nasenlöchern breit und vorne schmal sind. Es entstehen auch große, weite oder kleine, enge Nasenlöcher. Desgleichen werden Mund, Kinn und Wangen breit oder schmal. Ferner wird einiges oben breit und unten schmal oder umgekehrt. Durch disproportionale Unterteilungen („vngleyche eynteilung“) wie diese entstehen buckelige („büglette“), schiefe („krume“) Gesichter und andere Seltsamkeiten – wie solche [Gesichter] mit engen oder weiten Mündern, krummen, dicken, großen oder kleinen Lippen oder ungleich breiten oder schmalen Kinnladen, seien sie spitz oder stumpf, geschlossen oder gespalten. Solche und dergleichen Erscheinungen, also die vielfältigen Erzeugnisse dieser Veränderungen, kann, wer f leißig arbeitet, zu ergründen suchen und dabei aufgrund unserer Lektion viel Erstaunliches („vil wunders“) finden, das hier unerschlossen ruht. Und das ist eine eigentümliche Wahrheit: Wer die Ursa­ chen des Häßlichen und Ungeschickten versteht und kennt, der kann dabei lernen, was er selbst vermeiden soll, und je mehr der Ungestalt entfernt wird, umso mehr bleibt des Lieblichen und Hübschen übrig. Und wer die hier behandelten Dinge verstehen lernt, der erkennt, ob eine Verkehrung dieses oder jenes Teils geschickt sei. Das ist für jeden von großem Nutzen, der einen Menschen erkennbar („kantlich“) wieder­ gibt66, sei es im Gemälde oder in Skulptur („erhabe­ nen bilden“). Wer aber solche Arbeiten unternimmt, ohne von diesen Dingen etwas zu verstehen, dem ist es gewiß nicht möglich, sein Werk dem Vorbild gleich67 zu machen, es geriete ihm denn zufällig.6 Auf einem langen dünnen Hals ist das Haupt an­ ders als auf einem dicken kurzen. Du wirst auch mer­ ken, daß mancher Menschen Gesicht sehr stark ausge­ 6 Hier geht es um asymmetrische Manipulation der Horizontalen. 66 „ab machen“: ‚porträtieren‘, ‚wiedergeben‘. 67 „gleich“: ‚dieselbe Gestalt habend‘, ‚ähnlich‘; Grimm 7, Sp. 796. 6 „ungefert“: hier wohl im Sinne von ‚ohne Absicht‘, ‚zufällig‘; Grimm , Sp. 6 (ungefähr).

fol. Q5r

prägt ist69, was Augen, Nase, Mund und Kinn ausmacht. Bei anderen sind dagegen die besagten Teile gering ausgeprägt. Ferner ist ein jedes fertig gestellte Haupt zu ver­ stellen und unkenntlich70 zu machen mit dem Haar oder, indem man das Haar wegläßt7: [das Haar kann sein] kraus oder glatt, dick oder dünn, lang oder kurz, lockig oder gestrählt, trocken oder naß. Gleiches gilt für den Bart oder die Unbärtigkeit, alles verhält sich dort wie beim Haupthaar. Aus der Fülle der oben beschriebenen Aspekte („meynungen“) will ich ein wenig im Aufriß einiger Gesichter berücksichtigen. Jedes weibliche Haupt ist ebenso zu verkehren wie das männliche („mend­ lich“), doch die weibliche Art bleibt. Derartige Ver­ kehrungen kann man, wie gesagt, über den ganzen Körper und alle seine Abschnitte durchspielen. Was ich über weibliche und männliche Art sage, ist so zu verstehen. Man soll einen Mann oder ein Weib nicht so verändern, daß die männliche Art beim Manne und die weibliche Art beim Weibe nicht mehr als solche zu erkennen sind, ansonsten dürfen [bei Einhaltung dieser Regel] große Veränderungen ge­ macht werden. Man kann sich ein Beispiel daran neh­ men, daß alle Menschen und andere Lebewesen („tier“) innerhalb ihrer Gattung7 einander gleich sind, den­ noch („noch“) sind bei ihnen meistens Weib und Mann zu unterscheiden. Folglich müssen beide, Weib und Mann, bei ihren Unterschieden in allen Teilen [glei­ chermaßen] menschlich bleiben. Bei den Tieren ach­ tet man darauf, daß beispielsweise kein Löwe („leo“) so entstellt wird, daß man ihn für einen Esel halten könnte, auch daß kein Fuchs für einen Wolf angese­ hen werde. Darum soll keine Gattung jedweder Krea­ tur gegen die Regeln seiner Natur geändert werden.

69 „gebrech“: ‚Gepräge‘. Cam. II, fol. C6r übersetzt hier: „lineamenta oris“. 70 „vnkuntlich“, Gegenteil von kundlich: ‚unkenntlich‘; Grimm , Sp. 6 (kundlich). Gemeint ist wohl: zu verfremden. 7 „beschorn“: ‚geschoren‘. 7 „geschlecht“, lat. genus: also ‚Gattung‘; nicht gemeint ist sexus.

D Buch III

fol. Q5v (Nr. 277.94)

fol. Q5v

Gleichwohl sagt man gelegentlich, der Mensch sieht wie ein Löwe7 aus oder ein Bär, Wolf, Fuchs oder Hund, wiewohl er keine vier Füße hat wie das betreffende Tier. Aus solchem folgt nicht, daß [bei diesem Menschen] dem Tier entsprechende Körper­ teile vorlägen, sondern [man meint damit] des Men­ schen äußere Erscheinung („außwendig erzeigung“), die bei ihm, unserem Eindruck zufolge, ein dem be­ treffenden Tier nachgesagten Charakter („gmüt“) an­ zeige. Derartige aus unserem Eindruck geschöpften Vergleiche betreffen nicht die Gliedmaßen. Deswe­ gen wird das Eine und das Andere nicht miteinander vermengt. Vergleichbarkeit und Unterschiedlichkeit im Sinne meiner Rede ist der Gattung der Hunde ei­ gen, denn innerhalb dieser ist die Ungleichheit sehr 7 „lebisch“: ‚löwengleich‘.

fol. Q5v / fol. Q6r

fol. Q6r

ausgeprägt. Hunde sind zum Teil sehr groß, zum Teil ganz klein. Sie sind von mehr als tausendfältiger Wei­ se unterschiedlicher Gestalt, was die Proportionen al­ ler ihrer Körperteile angeht. Sie haben glattes oder ganz zottiges Haar („hor“) und sind von völlig ver­ schiedenen Farben. Sie unterscheiden sich innerhalb ihrer Gattung mehr als ein Wolf und ein Fuchs.7 Dennoch sieht man stets, daß sie weder Wölfe noch Füchse sind. Hieraus ist ersichtlich, daß die Natur bei der Differenzierung [„Verkerung“] der Gestalt nicht eines ins andere verwandelt, denn man kann einen Hund und ein wildes Tier wohl auseinanderhalten. Es handelt sich um einen besonderen Unterschied in der Gestalt, wovon viel zu reden wäre, was aber, weil es 7 Es ist wohl gemeint: als von einem Wolf und einem Fuchs.

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zu weit führen würde, hier unterlassen wird. Es darf also, was die Gattung und das Geschlecht angeht7, nicht aus dem einen etwas anderes werden, wenn es ver­ ändert werden soll. Das sei eigens gesagt: Du kannst die Gestalt des Mannes verändern, aber nicht so, daß er ein Weib wird, das gleiche gilt für das Weib. fol. Q6r

Im folgenden will ich eine andere Methode aufzeigen, mit der man gemäß den Gegensatzpaaren dick/dünn und breit/schmal aufgrund zweierlei Linien eine jede der zuvor beschriebenen Figuren von neuem messen und, anders als sie vorher waren, dicker, dünner, brei­ ter oder schmäler machen. Es wird dadurch ein Ding ebenso verändert, wie zuvor unter dem Aspekt des Gegensatzpaares lang/kurz beschrieben, allein durch ein anderes Verfahren („brauch“). Das ist so zu verste­ hen. Wenn die vorliegende Figur bei ihrer Ursprungs­ länge bleiben, [aber] auf den Querlinien und dazwi­ schen dicker, dünner, breiter oder schmaler werden soll, so bleibt die Längen­Linie der Figur wie vorher bestehen. Aber für die Tiefen­ und Breitenmaße be­ nötigst du eine weitere Linie, mit der du messen kannst. Zur Vergrößerung der Figur, mache die Linie länger. Wenn du aber die Figur schlanker76 haben willst, mache die zweite Linie kürzer. Und unterteile deine neue Linie mit allen nötigen Abschnitten ver­ gleichlich mit Hilfe des „Verkehrers“ und lege damit die Figur fest. Sie wird dicker und breiter im Falle der längeren Linie, jedoch dünner und schmaler im Falle der kürzeren. Zu diesem Zweck will ich dir anschlie­ ßend eigens ein Instrument der zwei Linien aufreis­ sen, das ich den „Zwilling“ nennen will – darum, weil man zwei verschiedene Linien zu einer Sache be­ nötigt. Zunächst errichte ich eine seitliche Senkrechte mit den Längenmaßen der Figur, oben a unten b, in der ursprünglichen Einteilung; an Punkt b lege ich das Ende einer Querlinie, die je nach Belieben kürzer oder länger ist. Deren Endpunkt sei c. So entsteht ein Dreieck a, b, c. Nachdem nun diese Querlinie durch den „Teiler“ aus Buch I oder durch den „Verkehrer“ gemäß der Senkrechten in sich selbst wieder unterteilt ist, so ist der „Zwilling“ fertig. Sodann kannst du dei­ ne Figur damit messen und alle deine Abschnitte aus der Querlinie berücksichtigen, was die Eigenschaften dick, dünn, breit und schmal betrifft. Dieser „Zwilling“ kann auch im Sinne des Ge­ gensatzpaars lang/kurz gebraucht werden. Zunächst 7 Hier dürfte unter „geschlecht“ beides verstanden sein: genus und sexus. 76 „geschmeydig“: im Sinne von ‚schlank‘, ‚biegsam‘.

fol. Q5v / fol. Q6r

indem die Senkrechte a b verlängert und durch den „Verkehrer“ in sich selbst geteilt wird. Wird damit die Figur gemessen, so wird sie lang, aber schmaler in ih­ rem körperlichen Maßstab. Welche Linie man ändert, die senkrechte oder die waagerechte, mit der dann die vorgegebene Figur gemessen wird, ist entscheidend dafür, daß diese jeweils anders wird. Also vernimm, wenn die vorgegebene Figur, die du ändern willst, bei ihrer Länge bleiben, zugleich aber [maßstäblich] größer oder kleiner als zuvor an Leibesausdehnung wer­ den soll, dann mußt du die Verkehrung mittels der Querlinie des „Zwillings“ anwenden. Willst du aber die Figur bei ihrer vorgegebenen Dicke und Breite belassen und sie nur länger oder kürzer machen, so mußt du die senkrechte Linie ver­ wenden in dem Sinne, wie es wie oben steht. Somit bist du unterrichtet („bericht“), daß jede der zwei Seiten des „Zwillings“ einen eigenen „Teiler“ bildet, wie er in Buch I beschrieben ist. Hier gilt auch das Gegensatzpaar viel/wenig. Insbesondere ist anzumerken, daß hier mittels zweier Linien, einer langen und einer kurzen, bei der Messung erstaunliche77 Ergebnisse zu erzielen sind, sie sind noch erstaunlicher, wenn deren eine in den Meßpunkten bewegt oder verschoben wird, sie sind am erstaunlichsten, wenn selbiges auf beiden Linien geschieht. Wovon ich spreche, werden vor allem die Bauleute gut verstehen. Auf diesem Wege sind außer­ ordentlich schwierig erachtete Aufgaben leicht zu lösen – durch den, der emsig auf diesem Wege sucht. Deshalb habe ich die Figur des „Zwillings“ anschlie­ ßend aufgerissen, so daß man sich danach richten kann.

77 „wunderbarlich“: im Sinne von Verwunderung, Er­ staunen auslösend, ‚erstaunlich‘; Grimm 0, Sp. 90ff.

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fol. Q6v (Nr. 277.95)

fol. R1r

Mit dem hier beschriebenen „Zwilling“ will ich jetzt das anfangs beschriebene Weib des dicken, starken Manns aus Buch I verändern und dünner, schmaler sowie dicker und breiter machen als zuvor. Es ist dabei folgendes anzumerken: Wenn auf­ grund der besagten Veränderung eine menschliche Gestalt zuviel gefälscht wird und gänzlich aus ihrer rechten Art kommt, insofern einige Körperteile gar zu dünn, schmal oder zu dick und breit werden, muß man dem abhelfen nach Maßgabe des Gegensatzpaars geben und nehmen, das da vorn beschrieben ist. Deshalb will ich nachher das Weib, nachdem es dünner und dicker gemacht worden ist, korrigieren: Dem dünner gemachten Weib soll man das Haupt verkürzen, und zwar soll dieses vom Scheitel zum Ende des Kinns / betragen; dabei soll nicht von der Höhe der Figur abgenommen werden, allein („sun­

fol. Q6v / fol. R1r

fol. R1r

der“) das Gesicht werde nach oben gerückt und soll selbst unverändert7 in der Aufteilung seiner Längen­ abschnitte bleiben, wie es ist. Die Schultern sollen je­ doch von der Ebene des Kinns auf beiden Seiten in Richtung der Achseln herabgezogen werden.79 Und insofern der Fuß infolge der Verschlankung0 kürzer geworden ist, soll er wieder verlängert werden und

7 „vnbenummen“: ‚unbeschnitten‘, ‚ungeschmälert‘, ‚unverändert‘; Grimm , Sp. . 79 Wodurch die Halspartie um dieVerkürzung der Kopf­ höhe verlängert wird. 0 Das Wort „vierung“ im Druck ist unverständlich, es dürfte sich um einen Satzfehler handeln; in der Druck­ vorlage heißt es sachlich zutreffend „ferdünrung“, R III, S. ; vgl. auch R II, S. .

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zwar auf / plus /. Danach mache ich die Bei­ ne vom Gesäß abwärts bis zum Fußknöchel der guten Form halber ein wenig dünner und schmaler. Die Figur des voluminöser gemachten („ergrösserten“) Weibes habe ich so gelassen, wie in Buch I beschrie­ ben, nur das Unterkinn habe ich vergrößert. Du kannst mit dem Haupt dieses Weibs auch verfahren wie vorne beim Haupt des Mannes, und die Schul­ tern mache ich von den Achseln an höher in Rich­ tung zum Hals. Ferner verlängere ich die Konturlinie des Gesäßes abwärts, denn das Gesäß wäre sonst zu sehr ausladend, ich mache auch das Bein in Seiten­ ansicht unterhalb des Knies ein wenig schmäler, und den Fuß des Weibs mache ich /6 lang. In der Vorder­ ansicht mache ich das Bein am Knöchel und den Fuß ein wenig schmaler. Demgemäß habe ich das ver­ schlankte und voluminöser gemachte Weib6 anschlie­ ßend jeweils zweimal aufgerissen und vor Augen ge­ stellt.

 Dieses Maß – / plus / – bleibt dennoch deut­ lich unter dem Ursprungsmaß der Fußlänge dieser Figur von /6.  „nach geschicklickeit“: ‚richtige/gute Beschaffenheit/ Form‘; Grimm , Sp. 77.  „trollen“: ‚Wamme‘, ‚Unterkinn‘.  Worauf sich dieserVerweis bezieht,ist unklar.Bei dem un­ gefähr entsprechend verbreiterten Mann (Nr. 77.7) bleibt der Kopf unverändert. Es könnte eine der Brei­ te entgegenwirkende Erhöhung des Hauptes gemeint sein, die wie bei der männlichen Figur Nr. 77. konstruierbar wäre.  „geschürtzt“: ‚gekürzt‘, ‚gerafft‘; hier ist gemeint: in Folge der Breitenausdehnung zu weit ausladend und deshalb in der Höhe gerafft. 6 Dürer schreibt unzutreffend: „kleyner vnd grösser weyb“.

fol. R1r

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fol. R1v (Nr. 277.96)

fol. R1v

Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Scham unten Gesäß unten

fol. R1v / fol. R2r

fol. R2r (Nr. 277.97)

Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

0

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fol. R2v (Nr. 277.98)

fol. R2v

Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Scham unten Gesäß unten

fol. R2v / fol. R3r

fol. R3r (Nr. 277.99)

Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

D Buch III

fol. R3v

fol. R3v

Weiterhin will ich den vierten in Buch I beschrie­ benen Mann durch den „Zwilling“ ändern,7 ihn dün­ ner und schmaler als zuvor machen. Das geschieht so: Ich mache die Querlinie am „Zwilling“ um /6 kür­ zer als die senkrechte Linie mit den Längenmaßen des Mannes und mache sie mittels „Verkehrer“ zu einem neuen „Teiler“, wie er vorn beschrieben ist. Die Senk­ rechte bleibt hinsichtlich der Abstände ihrer Quer­ linien gleichermaßen unterteilt wie vorher, wie es denn bei dem betreffenden Mann beschrieben ist. Nur die Querlinie der vorderen Achselhöhlen rücke ich der guten Form halber etwas höher, damit die Schul­

7 Den Mann von neun Kopflängen,Typ C (Nr. 77.6/ 7).

fol. R3v / fol. R4r

fol. R4r (Nr. 277.100)

terpartie nicht zu dick wird, senke die untere Brust­ linie ab und setze die Brustwarzen auf die ehemalige Linie der Achseln, so daß sie nun höher stehen als vor­ her. Ich rücke auch die zwei Querlinien über dem Fuß nach unten, damit der Rist nicht zu hoch wird. Da­ nach teile ich dem neuen Mann auf der kürzeren Grundlinie des „Zwillings“ die Tiefen­ und Breiten­ maße für alle seine Querlinien und deren Zwischen­ räume zu, so wird eine längliche, dünne, schmale Figur daraus.  Die Eigenschaft „dick“, die bei Dürer meist für die Körpertiefe steht, ist bei dieser Prozedur (Verschlan­ kung) nicht verifizierbar. Indes würde der Längenab­ schnitt zwischen der Schulterhöhe und den Achsel­ höhlen ohne Korrektur unnatürlich hoch erscheinen; es dürfte also die Länge bzw. die Höhe gemeint sein.

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D Buch III

Wer das Haupt dieser Figur ein Zehntel hoch („lang“) machen will, der kann dieses tun, doch so, daß die Stirnlinie am Haaransatz so hoch wie mög­ lich hinauf gerückt werde, worauf die Querlinien des Gesichts erneut gleichmäßig einzuteilen sind. Die Fi­ gur bekommt allerdings einen langen Hals, insofern das Haupt nach oben gerückt wird. Den Fuß mache ein Siebtel lang. Damit man alles dies umso besser verstehe, habe ich diesen veränderten Mann anschließend mit sei­ nem zugehörigen Weib – auch dieses entsprechend verändert – aufgerissen, danach kann man sich rich­ ten. In gleicher Weise, wie ich die Querlinien der männlichen Figur verrückt, dabei eine gesenkt habe, verfahre ich auch bei der weiblichen Figur. fol. R4r

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten Taille Nabel Hüfte oben Hüfte unten Ende des Bauchs Auf der Scham oben Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie außen Über dem Knie innen Kniemitte Unter dem Knie außen Unter dem Knie innen Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

fol. R3v / fol. R4r

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fol. R4v (Nr. 277.101)

fol. R4v

Scheitel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Ende des Bauchs Schritt Scham unten Gesäß unten

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fol. R4v / fol. R5r

fol. R5r

Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle Im folgenden will ich noch einen Weg anzeigen, wie man eine vorgegebene Figur disproportional („felsch­ lich“), jedoch nach einer Ordnung („orndlich“) ver­ ändern kann. Durch diese Methode wird ein jedes, zuvor festgelegtes Maß, wenn man will, in den oberen Teilen [der Figur] verlängert, in den unteren Teilen verkürzt. Oder man macht es umgekehrt und verkürzt

fol. R5r

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D Buch III

die oberen Teile der Figur und verlängert die unteren. Bei alledem bleiben die Tiefen­ und Breitenmaße der Figur auf allen Querlinien und dazwischen in allen Körperteilen wie zuvor.9 Man kann auch die Figur, deren oberen Teil man verlängert, wenn es sich anbie­ tet, dünner und schmäler machen. Desgleichen kön­ nen im Gegensinn bei einer Figur, deren obere Teile verkürzt und deren untere verlängert werden, die Quer­ linien mitsamt den Zwischenräumen oben dicker und breiter gemacht werden. Wie das zu tun sei, will ich nun anzeigen. Ich setze eine horizontale Linie a b und unter sie einen Punkt c. Willst du nun die Teile [deiner Figur] oben sehr weit machen, so setze Punkt c entsprechend näher an die Grundlinie a b, willst du sie aber nicht übermäßig erweitern, so setze Punkt c recht tief unter die Grundlinie a b. Nun merke dir, die Linie a b sei die Fußlinie der Figur. Oberhalb dieser Fußlinie a b ziehe ich eine zweite parallele Querlinie f g in der Höhe, wie die Figur, die ich beschreibe, lang ist. Die beiden Horizontalen verbinde ich mit einer vertikalen Linie, deren Punktierung die Längenabschnitte der Körper­ teile wiedergibt; diese sei oben h und unten i. Danach ziehe ich mitten zwischen f g und a b eine Querlinie k l. Nachdem dieses getan ist, ziehe ich Querlinien durch alle Teilungsmarkierungen („puncten“) der Figuren­ linie h i. Danach ziehe ich aus Punkt c zwei Linien in der benötigten Länge aufwärts, die Enden seien d und e. Diese spalten sich oben und sollen beweglich [gedacht] sein; mit ihnen wird man die Teile messen müssen, die da größer oder kleiner werden sollen. Diese bei­ den Linien müssen unten in Punkt c verbunden sein. Wenn du finden willst, wie es richtig geschehe, den beabsichtigten Teil, sei er oben oder unten, größer oder kleiner zu machen, so tue folgendes. Es kann der Teil, der gemessen werden soll, auf jeder beliebigen Quer­ linie liegen, nimm immer dieselben Breiten­ und Tie­ fenmaße, wie in der ersten Figur beschrieben,90 und lege sie [die betreffenden Teilmaße] mit der Mitte auf die Querlinie k l und zwar so, daß die senkrechte Li­ nie h i den aufgelegten Teil mitten durchschneidet. Wenn du dann die beiden beweglichen Linien d und e zu beiden Seiten diesen aufgelegten Teil berühren („an streychen“) läßt, so geben sie dir in der oberen Hälfte das vermehrte Breitenmaß auf der Querlinie, wo dieses gewünscht ist. So vergrößert und vermin­ 9 Dürer beschreibt hier vorausgreifend die übernächste Technik, die des „Fälschers“, bevor er sich im folgen­ den zunächst dem „Zeiger“ zuwendet. 90 Erneut der Mann von sieben Kopflängen aus Buch I, Typ A.

fol. R5r

dert dieses Verfahren alle Dinge, im ersten Falle auf­ wärts oberhalb der Linie k, im anderen Falle abwärts unter ihr. Man kann es dazu benutzen, das unterste zu oberst zu wenden und umgekehrt. Dabei wird alles [was damit bearbeitet wird] zum vorherigen Zustand gegensätzlich. Dieses Instrument habe ich anschließend zweimal, davon einmal umgekehrt, aufgerissen. Ich gebe ihm einen eigenen Namen und nenne es den „Zeiger“.

D Buch III

fol. R5v (Nr. 277.102)

fol. R6r

Um wieder zum Thema der Verfälschung zu kommen (wozu der eben beschriebene „Zeiger“ besonders zu gebrauchen ist und entsprechend gut verstanden wer­ den sollte): ich sage dazu, wie man sie bewerkstelligt. Tue folgendes. Nimm aus Buch II den fünften Mann und sein zugehöriges Weib9 und ihre senkrechten Linien, auf denen die Längenabschnitte durch Quer­ linien markiert sind. Das obere Ende einer dieser senkrechten punktierten Linie sei a, das untere b. Diese Linie richte auf und ziehe von Punkt b im rech­ ten Winkel eine Horizontale, deren Ende sei c. Da­ nach ziehe eine Diagonale a c, sodann weitere Diago­ nalen aus allen die Längenabschnitte markierenden Punkten der Figuren­Linie in Punkt c. Damit ist

9 Es handelt sich um die Figuren Nr. 77./.

fol. R5v / fol. R6r

fol. R6r

dieses Werkzeug fertig, aus dem die Verfälschung der Figur zu gewinnen ist, die in ihren oberen Abschnit­ ten verlängert und unten verkürzt werden soll; des­ gleichen umgekehrt. Darum soll dieses eigens zugerü­ stete Werkzeug der „Fälscher“ genannt werden, weil, was in ihm mit einer der strahlenförmigen Linien („hangenden lini“) gemessen wird, gefälscht wird.9

9 Die beiden letzten Sätze sind infolge eines Satzfehlers teilweise ineinander gemengt. Es muß heißen: „… darauß du nemen must die verfelschung des bildes das da oben in sein teyln erlengert/und unden verkürtzt sol werden/des gleychenn disem widerwerdig/Dar­ umb sol dieser sunderlicher zu gerüster werckzeug fürbaß genant sein der felscher …“. In der „Corri­ gierung“  berücksichtigt.Vgl.auch die Druckvor­ lage, R III, S. .

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Nun mußt du die Anwendung wie folgt durch­ führen. Nimm eine zweite Linie mit der Länge der Figur, sie sei oben d und unten e. Diese setze mit ihrem Ende e auf die Linie b c, rücke sie um ungefähr ein Achtel der Figurenlänge vom rechten Winkel bei Punkt b gegen Punkt c und lehne sie oben mit ihrem Ende d an die Diagonale a c. So wird diese Linie d e von allen den strahlenförmigen Linien, die aus den Unterteilungspunkten der Figur in Punkt c gezogen sind, durchschnitten und vergleichlich geteilt und doch gefälscht; denn alle Abschnitte („ding“) verlän­ gern sich in der oberen und verkürzen sich in der un­ teren Hälfte. Wenn du nun diese neu gewonnene punktierte Linie, oben d und unten e, vor dir errich­ test, auf allen Punkten mit Querlinien durchziehst und auf diesen und dazwischen die vorgegebenen Tiefen­ und Breitenmaße einträgst und wenn du dann die figürliche Gestalt von neuem einzeichnest, dann erkennst du deren Veränderung. Ich habe deshalb die­ sen „Fälscher“ im folgenden zweimal aufgerissen, im zweiten Fall oben und unten getauscht, damit du dich daran orientieren kannst, wenn du die Figur im Ge­ gensinn verkehren willst. Dann stelle deine punktierte Linie auf den Kopf und wende das eben beschriebene Verfahren an. Anschließend sind in beiden auf diese Weise verfälschten Versionen die Bilder eines Paares, eines Mannes und eines Weibes, jeweils aufgerissen. Ich habe sie jedoch weder oben noch unten vergrößert oder verkleinert 9 – nach der Art, wie oben beim „Zei­ ger“ behandelt; wer [diese zusätzliche Veränderung] will, der mag sie anwenden. Wer diesen „Fälscher“ wohl betrachtet und ihn in mancherlei Zusammenhängen in der rechten Weise gebraucht, wird Erstaunliches damit vollbringen („enden“) und viel Nützliches da­ mit schaffen. Denn alle oben genannten Gegensatz­ wörter sind hier notwendigerweise in Betracht zu zie­ hen, damit es solcher Arbeit gelingt, verborgene Dinge zu finden. [Man soll] aber den [vorgegebenen] Dingen nicht so viel geben und nehmen, wie hier ge­ schehen. Wer da will, kann nach dem „Meßstab“­ Verfahren nebenher alle vorher gemachten und verän­ derten Figuren von neuem konstruieren. Wenn jemand [eine Figur] konstruieren („be­ schreyben“) will, der f liehe („f leich“) die Mißgestalt („ungestalt“), die aus einem Übermaß an Fälschung entsteht. Denn die Fälschungen [der Figuren] führe ich nicht durch [mit der Absicht], daß diese so und nicht anders sein sollen, sondern ich habe sie zu De­ monstrationszwecken („zu einer ler“) aus der rechten 9 Gemeint ist: nicht in den Breiten­ und Tiefenmaßen vermehrt oder vermindert.

fol. R6r

Art gestellt, damit man aus den groben Unterschieden deutlich erkenne, daß man die hier beschriebenen Ver­ fahren aufgrund notwendigen Bedarfs und nicht, um etwas zu verderben, anwenden soll. Darum rücke die angelehnte („leynete“) Linie, sei sie aufrecht oder um­ gekehrt eingesetzt, auf der Grundlinie im „Fälscher“ nicht zu weit ab und hüte dich, mit deiner Verkeh­ rung Mißgestalten9 zu erzeugen. Denn so nützlich diese Anwendungen sind, solange sie aus Notwendig­ keit erfolgen, so irreführend („ferfürlich„) sind sie, wenn man sie ohne Not und aus Übermut 9 verwen­ det, also im Übermaß, ohne Ursache dafür zu haben. Dieser „Fälscher“ kann für gesonderte Teile verwen­ det werden, [also] ebenso für einen Teil wie fürs Gan­ ze. Anhand der Vielzahl [möglicher] Verkehrungen der menschlichen Gestalt werden Erkenntnisse gewon­ nen für die Erscheinung der Stärkeren oder Schwä­ cheren, der Behenderen oder Langsameren, derer, die frei oder schwerfällig sind.96 Darum ist es nötig, alles dieses zu wissen, denn diese Dinge haben weit mehr Konsequenzen, als hier aufgezeigt ist.

9 „wechselbelg“, aus der Art geschlagene Wesen: ‚Miß­ geburten‘, ‚Mißgestalten‘. 9 „vierwitz“: ‚Fürwitz‘‚ Übermut‘. 96 Letztes Gegensatzpaar ist unklar; „frey“ vielleicht im Sinne von ‚frei von Last‘ versus „schwer“, schwerfällig. Cam. II, fol. Er übersetzt „alacritatis, pigritudinis“, die Natur der Munterkeit und der Trägheit.

D Buch III

fol. R6v (Nr. 277.103)

fol. R6v

Wer das Figurenpaar („bar bild“) von Weib und Mann, die durch den „Fälscher“ verändert wurden, wegen seiner Eigenartigkeit verwenden will, der soll den beiden Figuren, die oben verlängert wurden, das Haupt über der Stirn niedriger machen und den Fuß­ rist erhöhen. Beim anderen Figurenpaar, das unten verlängert wurde, soll man das Schienbein mitsamt dem Fußrist viel kürzer machen, sodann alle Längen­ abschnitte [des Beins] mit dem „Verkehrer“ wieder neu einteilen. In den hier folgenden Illustrationen habe ich die Figuren so belassen, wie sie geworden sind.

fol. R6v / fol. S1r

fol. S1r (Nr. 277.104)

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fol. S1v (Nr. 277.105)

fol. S1v

Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulterhöhe Schultergelenk Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten

fol. S1v / fol. S2r

fol. S2r (Nr. 277.106)

Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulterhöhe

fol. S2r

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Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

fol. S2r





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fol. S2v (Nr. 277.107)

fol. S2v

Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulterhöhe Schultergelenk Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Taille Nabel Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten

fol. S2v / fol. S3r

fol. S3r (Nr. 277.108)

Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle Scheitel Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn

fol. S3r

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Schulterhöhe Halsgrube Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

fol. S3r





D Buch III

fol. S3v

fol. S3v

Ich will noch einen anderen „Fälscher“ aufreißen und anzeigen, mit dem man eine vorgegebene mensch­ liche Figur nach ihrer Länge verkehren kann. Nach ihrer Tiefe und Breite wird die Figur durch den „Wähler“ ordentlich verkehrt. So oft man dessen be­ darf,97 kann man sich dessen bedienen, und auf zwei­ erlei Weise wird damit gemessen. Im einen Fall mißt er außen auf einem Teilstück („drum“) eines [Außen­] Kreises, im anderen Fall innen auf einem Teilstück eines Hohlkreises. Ein jeder mag, so lange es ihm ge­ fällt, damit erproben, was damit zu machen sei. Wer dieses mit rechtem Verstand wahrnimmt, der wird dessen inne werden („wirdet … innen“), wozu er es gebrauchen kann. Man kann dadurch auch erfahren, 97 Hier spricht Dürer wieder vom „Fälscher“ und seiner längenverkehrenden Potenz.

fol. S3v / fol. S4r

fol. S4r

wie es zugeht, daß ein paralleles Richtscheit in einem konvexen („runden“) Spiegel gebogen („krum“) er­ scheint, wenn es aufrecht davor steht. Das Richtscheit gewinnt in der Mitte des Spiegels vorn einen ausgebo­ genen Bauch und wird breit, oben und unten wird es jedoch schmal und biegt sich nach hinten. Gleicher­ maßen richten sich alle anderen Dinge nach dem Kreis („zirkell“). Wer Gewölbe („gwelber“) ausmalen will, der muß so etwas wissen, obwohl es hier nicht um Perspektive geht; sie läuft aber, wenn man solches im Spiegel sieht, mit 9. Hier rede ich jedoch nur von der Messung selbst; denn dieser „Fälscher“ zeigt aus­ schließlich an, was auf einer Rundung, sei sie konvex oder konkav, von einer Geraden [in der Projektion auf die jeweilige Rundung] gemessen wird. Die Ursache, 9 „laufft … mit“: ‚ist beteiligt‘.

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warum dies der Fall ist, wirst du bei der Verkehrung der Figuren einsehen, wenn du sie aus diesem „Fäl­ scher“ [ziehst und] aufreißt, dann findet es sich von selbst. Und obwohl das Resultat im Aufriß seltsam aussieht und unnütz erscheint, sofern ihm zur Nutz­ anwendung nicht nachgeholfen wird, ist es dennoch nötig, daß man dieses und weitere Verfahren kenne, damit, wer Verständnis dafür hat, herausfinde, was es ihm nütze. Die Unwissenden („unkünnenden“) mö­ gen hierüber und noch größeres spotten. Nun will ich anzeigen, wie man diesen zweiten („anderen“) „Fälscher“ herrichtet, um eine vorgege­ bene Figur damit zu verkehren. Und wenn man dieses [Instrument] richtig gebraucht, bringt es in etlichen Dingen Verbesserung. Doch99 f liehe das Wort zuviel. Daß ich hier [bei seiner Anwendung] großzügig ver­ fahre („vil thu“), geschieht deshalb, damit im kleinen [Format] die Unterschiede desto deutlicher erkannt werden, da ich es anders wegen der Beschränkung im Format („des kleinen blatz halben“) nicht machen kann. Darum wende man das Verfahren bei einem Werk in größerem Maßstab mit Maßen an. Diesen „Fälscher“ mache wie folgt. Nimm zunächst die Linie der Figur mit allen Längen­Markierungen und richte sie vor dir auf. Ihre Endpunkte bezeichne oben mit x und unten mit y. Danach halbiere x y mit Punkt c. Aus diesem Punkt c ziehe im rechten Winkel eine hori­ zontale Linie, deren Ende sei z. Danach ziehe zwei Linien x z und y z. So entsteht ein langgestrecktes Dreieck mit der Spitze z. Nun ziehe aus jeweils allen Punkten der Senkrechten x y Linien in Punkt z, so weit du ihrer bedarfst. Dann reiße neben der Linie x y, gegen Punkt z, eine senkrechte Parallele, so lang wie nötig; denn sie soll vor der linken [„forderst“) Seitenlinie des Dreiecks weit nach oben und unten reichen. Nun nimm einen langen Zirkel und setze ihn mit einem Fuß in Punkt z und mit dem anderen Fuß auf die Mittellinie des Dreiecks nahe neben die Senk­ rechte x y, so daß er in einem Punkt die Linie x y be­ rührt.00 Reiße dann aufwärts und abwärts einen Kreisbogen bis an die danebengestellte senkrechte 99 „darumb“ ergibt keinen Sinn. 00 Letzte Anweisung ist unverständlich, denn der Zir­ kel kann nicht zugleich die Linie x y anrühren und „nahend hinder“ ihr auftreffen. Sie entspricht auch nicht der Illustration Nr. 77.09, wo der zweite Zirkelfuß an undefinierter Stelle aufgesetzt ist. Mög­ licherweise denkt Dürer an die Punkte der Längen­ Markierungen auf x y, deren Verbindungen mit Punkt z von dem Zirkel geschnitten werden. Diese Formulierung erscheint bereits in einem früheren Manuskript; R II, S. 97.



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Parallele. An den Schnittpunkten des Kreisbogens mit dieser Senkrechten setze oben ein s und unten ein t. Sodann ziehe aus jeweils allen Schnittpunkten dieses Kreisbogens mit den Strahlen zwischen Punkt z und den Meßpunkten der Linie x y horizontale Parallel­ linien auf die Vertikale s t. So wird die Linie s t unter­ teilt nach Maßgabe der Linie x y. Dennoch ist sie gänzlich verändert, erstens weil sie kürzer geworden ist, zweitens weil sie [nicht original, sondern] aufgrund der durch den Zirkel bewirkten Punkte unterteilt ist, und dementsprechend verkürzen sich alle Abschnitte oben und unten je entfernter [von der Mittelhorizon­ talen] je mehr. Nun bezeichne alle Punkte auf dieser neuen Linie oberhalb der Mitte; bezeichne die oberste Querlinie mit einem a, die zweite b, die dritte c und so fort d, e, f, g etc. Unterhalb [bezeichne sie] mit Ziffern, beginne zuunterst mit einer 1, dann 1, 2, 3, 4, 5 etc. Diese Linie a 1 mit allen Längenmaßen der Körperab­ schnitte nimm jetzt, wie oben beschrieben, in Arbeit und setze ihr in gleicher Dimension („höch“) zwei weitere Linien an die Seite, eine für die Seitenansicht, die andere für die Vorderansicht der Figur und durch­ ziehe sie gemäß der neuen Unterteilung mit Querli­ nien. Wenn nun die Längenmaße eingetragen sind, mußt du erst die Tiefen­ und Breitenmaße ermitteln. Dieses bewerkstellige durch den „Wähler“ mit dessen beweglicher Linie. Du mußt ihn jedoch doppelseitig gebrauchen; das gibt oben und unten [an der Figur] gleiche Maße. Zuerst reiße eine ebene Grundlinie, deren Enden jeweils a und a seien. In deren Mitte errichte recht­ winkelig eine Linie, diese sei oben g, unten b. Nun ziehe auf jeder Seite eine bewegliche Linie a c; mit denen mußt du so verfahren. Nimm den größten Ab­ schnitt der aus Punkt c gezogenen mittleren Horizon­ talen des „Fälschers“ zwischen dem Kreisbogen mit den Endpunkten s und t und der [neu markierten] Senkrechten und stelle ihn auf die Grundlinie des „Wählers“ a a und zwar der Linie g b auf liegend. Auf die so gewonnene Höhe lege die beiden beweglichen Linien a c so, daß sie sich kreuzweise schneiden. Danach nimm die waagerechten Abschnitte zwi­ schen dem Bogen und seiner Sehne („sennen“) bzw. der Geraden aus der oberen Hälfte in ihren jeweiligen Längen, achte auf die Buchstabenfolge und stelle sie aufrecht auf eine Seite des „Wählers“. Stelle sie so, daß sie alle mit einem Ende an die Grundlinie des „Wäh­ lers“ a a stoßen und rücke sie jeweils auf dieser Linie parallel hin und her, bis jede von ihnen [mit dem an­ deren Ende] die aufgelegte Linie a c berührt. So gelan­ gen alle kurzen Linien im „Wähler“ näher an Punkt a, wie sie denn auch im Bogen des „Fälschers“ dem

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Punkte s am nächsten sind. Aber die Abstände zwi­ schen ihnen bleiben nicht dieselben wie entlang des Bogens, denn die Gerade bewirkt gegenüber der Krümmung des Kreisbogens eine Veränderung. In gleicher Weise, wie ich die obere Hälfte, die im „Fäl­ scher“ mit Buchstaben gekennzeichnet ist, auf die eine Seite des „Wählers“ gestellt habe, verfahre ich mit der unteren („andern“) Hälfte. Die Abschnitte im unteren Teil des „Fälschers“, die mit Ziffern bezeichnet sind, setze ich in die andere Seite des „Wählers“. Nach dieser Vorbereitung nimm auf jeder Querlinie und dazwi­ schen alle Tiefen­ und Breitenmaße der vorgegebenen Figur und lege sie im „Wähler“ auf die Senkrechte g b, so daß sie unten die Grundlinie a a berühren. Lege dann deine bewegliche Linie a c darauf, sie schneidet dann alle senkrechten Linien ab, die sich im „Wähler“ befinden bzw. stehen. Auf welcher der senkrechten Linien eine Breiten­ oder Tiefendistanz genommen wird, findet sich maßstabsgerecht durch dieses Auf le­ gen und Abschneiden. So habe ich es anschließend eigens aufgerissen. Ich habe im folgenden auch die Figuren des Mannes und des Weibs, die in Buch II zuletzt beschrieben sind,0 durch diesen „Fälscher“ verkehrt und aufgerissen; allein die Arme und Hände, desgleichen die Füße sind nicht mit dem „Fälscher“, sondern nach dem Gebot der guten Form gemacht, weil dieser „Fälscher“ in den oberen und unteren Randlagen gar zu sehr verzerrt. Wenn man diesen „Fälscher“ umgekehrt und im Gegensinn anwendet und auf diese Weise eine Figur verkehrt, verlängert sich diese in ihren Teilen [nach außen] je länger je mehr, verkürzt sich jedoch zuneh­ mend gegen die Mitte, – anders als es der Fall bei der eben verkehrten Figur war0. Diesen umgekehrten „Fälscher“ stelle folgendermaßen her. Nimm erneut die mit den Längenmaßen der Figur markierte Linie x y, stelle sie vor dir auf und verlängere sie mit s t wie vorhin.0 Danach setze Punkt z und ziehe zwei Lini­ 0 Nr. 77.69, 70 (männlich), Nr. 77.7, 7 (weiblich). 0 Es heißt im Druck „wie im for verkerten bild“, gemeint muß allerdings das Gegenteil sein, da sich beim ersten „andern felscher“ die Abschnitte aus­ wärts verkürzen. 0 Diese Arbeits­Beschreibung ist mit Blick auf die da­ zugehörige Illustration (Nr. 77.) irreführend, da dort mit x y das Arbeitsergebnis der Operation, nicht seine Ausgangslage, bezeichnet ist. Gemeint ist die Linie x y, wie sie in den vorigen Illustrationen (Nr. 77.09 und 77.0) eingesetzt ist.Aus diesen Illustrationen stammen auch die „Verlängerungen“ s t, die bei Nr. 77. an die Stelle von x y getreten sind.

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en x z und y z. Nun ziehe aus allen Punkten, die auf der Linie x y liegen, gerade Linien in Punkt z. Danach setze gegenüber dem Punkte z einen Punkt t auf der gleichen Ebene („in gleycher höch“) von z und nimm einen langen Zirkel, setze ihn mit dem einen Fuß in Punkt t, mit dem anderen Fuß in Punkt s.0 Reiß ihn rund herum in den Punkt t, so daß der Kreisbogen zwischen x y und dem Punkt z verlaufe. An den Schnittpunkten dieses Zirkelrisses und der [strahlen­ förmigen] geraden Linien, die zwischen den Punkten der Linie x y und Punkt z gezogen sind, ziehe hori­ zontale Parallellinien. Reiße sodann jenseits des Bo­ gens gegen z durch alle diese Horizontalen eine Senk­ rechte: Das ist dann die neu gefundene Linie, neu unterteilt mit den Querlinien für alle Längenmaße der Figur.0 Danach mußt du die Tiefen­ und Brei­ tenmaße der Figur mit dem „Wähler“ wie zuvor su­ chen, jedoch umgekehrt. Wer es will, der reiße selbst eine Figur nach der Beschreibung auf; denn ich habe im folgenden nur [das Instrument,] den „Fälscher“ dazu aufgerissen.

0 Der neue Punkt t als Zentrum des Zirkels ist weit außerhalb der bedruckten Seite zu denken; der Ra­ dius ist, wie der Vergleich ergibt, identisch mit de­ nen der vorigen Zirkelschläge. Auf dieser Illustrati­ on erscheinen bereits zwei weitere Punkte t; Dürer hatte, vielleicht deshalb, in seiner handschriftlichen Druckvorlage an dieser Stelle eine Marke ähnlich einem griechischen Kreuz vorgesehen (die aus Platz­ gründen nicht verwendet werden konnte); R III, S. . Eine flüchtige Skizze des mit seinem Kreis­ mittelpunkt kompletten umgekehrten „zweiten Fäl­ schers“ in einem älteren Manuskript, R II, S. 99. 0 Es handelt sich um die in der Illustration Nr. 77. x y bezeichnete Linie, also das Unterteilungsergeb­ nis, nicht die von Dürer im Text x y bezeichnete Ausgangsunterteilung.

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Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten Taille Nabel Hüfte oben

Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

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Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Schultergelenk Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt

Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

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Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Halsgrube Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten Taille Nabel Hüfte oben

Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

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fol. S6r (Nr. 277.112)

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Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Schultergelenke Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter der Brust Brustbein unten Taille Nabel Hüfte oben

Hüfte unten Auf der Scham oben Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle

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fol. S6v (Nr. 277.113)

fol. S6v

Scheitel Haarwirbel Haaransatz Augenbrauen Nase Kinn Schulter oben Schulterhöhe Schultergelenk Brust Achselhöhlen vorn Brustwarzen Unter den Brüsten Taille Nabel Hüfte unten Schritt



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Scham unten Gesäß unten Eintiefung des Oberschenkels Über dem Knie Kniemitte Unter dem Knie Äußere Wade unten Innere Wade unten Risthöhe Äußerer Fußknöchel unten Fußsohle Wer nun weitermachen will, der kann alle zuvor ver­ kehrten Figuren­Maße, sei dieses durch den „Verkeh­ rer“, „Wähler“, „Zwilling“, „Zeiger“ oder „Fälscher“ geschehen, abermals anders verkehren, dieses in Tei­

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len oder im Ganzen.06 Du kannst auch alle bisher ge­ machten Figuren in ihren Maßen vermengen [und herausfinden], wie dieses am geschicktesten geschehe, daß du etwas findest, das dir und anderen gefällt. Eine solche Vermischung ergibt seltsame07 Resul­ tate, und besonders merke dir: Du mußt darauf acht geben, daß du keine Ungestalt0 produzierst, wenn du auf und zwischen den geraden Unterteilungslinien die Gestalt einer jeden Figur mit Linien einzeichnest. Au­ ßen und zwar zwischen den Querlinien werden die Längenmaßen der Körperteile und ihr Ort angezeigt, und innen erscheinen ebenfalls jeweils die Tiefen­ und Breitenmaße auf der betreffenden Ebene („selben ortz“). Da ist in der Beschreibung [der Gestalt] kein Fehler zu machen. Aber zwischen den Querlinien macht man leicht Fehler. Denn man zieht vielleicht09 die Linien („die ding“) zu weit einwärts oder auswärts, so daß die Form an dieser Stelle zu dick, dünn, breit oder schmal wird. Die Einzelheiten dazu sind hier um der Kürze willen nicht so eingehend beschrieben, daß es ebenso verständlich wäre, als wenn einem bei diesem Proce­ dere jemand die Hand wiese, wie es gehen soll. Des­ halb denke ich, daß mir noch manch einer, der im Aufreißen ungeschickt ist, wenn er es nach meiner Beschreibung macht und dabei verdirbt, die Schuld dafür geben und sagen wird, ich hätte es schlecht be­ schrieben. Darum wird demjenigen, der nach diesen Büchern Bilder aufreißt, ohne darin wohl unterrichtet zu sein, die Sache zunächst schwer fallen. Aber dieser möge sich dann einen [lebenden] Men­ schen vor Augen stellen, der für das betreffende Maß zufällig („beyleufftig“) geeignet0 ist. Nach diesem Mo­ dell ziehe er dann die Außenlinien, soweit er es kann und versteht. Denn das wird für gut erachtet, wenn jemand getreu nach dem Leben nachbildet, so daß die Wiedergabe dem Vorbild gleicht und der Natur ähn­ lich („enlich“) wird, und besonders, wenn die Wieder 06 Es handelt sich bei diesem Abschnitt um den sog. Ästhetischer Exkurs. Der Text ist in der Druckfas­ sung kaum untergliedert und in seiner Gedanken­ folge entsprechend intransparent; unsere Übertra­ gung versucht, ihn mittels Absätzen behutsam zu strukturieren. 07 „selzame ding“: seltsam im Sinne von ‚fremdartig‘, ‚neuartig‘; Grimm , Sp. 7ff.; Cam. II, fol. Fr: monstrosus. 0 „vngestalt“, lat. deformitas: ‚Mißgestalt‘; vgl. R II, S. 0,Anm. . 09 „etwan“, lat. forte: im Sinne von ‚vielleicht‘, ‚gege­ benenfalls‘; Grimm , Sp. f. 0 „tüglich“: ‚tauglich‘, ‚geeignet‘.

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gabe hübsch ist, wird sie für kunstfertig gehalten und nach Gebühr gelobt. Weiterhin ist jedem anheim gestellt, ob und wie er die zuvor beschriebenen Gegensatzpaare („wörter der underschid“) gebrauchen will. Denn man kann, so man will, es lernen, mit der Kunst, in der die Wahrheit steckt, zu arbeiten, oder ohne („an“) [die Regeln der] Kunst, wobei in selbiger Freiheit jegliches [wiederzugebende] Ding verzeich­ net und die [dabei aufgewendete] Mühe den Ver­ ständigen zum Gespött wird. Denn sorgfältig ausge­ führte Arbeit gereicht Gott zur Ehre („erlich“), dem Menschen zum Nutzen, ist gut und lieblich. Ver­ achtenswerte Arbeit in den Künsten jedoch ist sträf­ lich und schädlich und wird gehaßt sowohl in kleinen wie in großen Werken. Darum ist es nötig, daß ein jeder mit Verstand sein Werk erledige, das ans Licht [der Öffentlichkeit] kommen soll. Daraus folgt, daß, wer etwas rechtes machen will, der Natur weder et­ was abbreche noch etwas Unverträgliches („vntreg­ lichs“) auferlege. Einige sind bei der Veränderung so zurückhal­ tend, daß man es nicht merkt. Das hat keinen Zweck, da man es nicht wahrnehmen kann, und zuviel [der Veränderung] taugt auch nichts; die richtige Mitte [zwischen beidem] ist das Beste. Daß ich [selbst] vorne in diesem Buch soweit ins Extrem gegangen („so weyt von einander gefarn“) bin, habe ich deshalb getan, da­ mit man die Veränderungen im kleinen [Format] ent­ sprechend spürbarer erfährt. Wer jedoch mit Verände­ rungen ins große Format will, der folge dieser meiner rigorosen Haltung6 nicht, sondern mache seine Sa­ chen gemäßigter („linder“), auf daß sie nicht tierisch, sondern kunstfertig anmuten. Denn die Unterschiede sind nicht angenehm anzusehen, wenn sie unrichtig und nicht meisterlich ausgeführt sind. Es ist auch kein Wunder, daß ein kunstfertiger Meister mancherlei Unterschiede der Gestalt in Be­ tracht zieht, die er alle machen könnte, wenn er genug Zeit dazu hätte, weshalb er dann darauf verzichten

 Es dürfte gemeint sein: Freiheit ohne Regel oder Maßstab.  „verfürt“: Im Sinne von ‚verzogen‘, ‚verzeichnet‘.  „lieblich“, lat. amabilis: im Sinne von ‚liebenswür­ dig‘; Cam. II, fol. Fr: iucundus.  „Bescheydenheyt“: in mhd. Sinn ‚Einsicht‘, ‚Ver­ stand‘; Cam. II, fol. Fr: cura et ratione.  „brüffen“: ‚prüfen‘, ‚wahrnehmen‘, ‚beurteilen‘; Grimm , Sp. . 6 „Hertikeyt“: ‚Härte‘, ‚Strenge‘; hier mehr im Sinne von ‚Rigorosität‘.

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muß. Denn solcher Einfälle7 sind bei den Künstlern unzählig viele, und ihr Gemüt ist voll von Bildern, die ihnen zu schaffen möglich wären. Wenn so einem Menschen, der solche Kunst angemessen („schicker­ lich“) beherrschte und für sie geschaffen9 wäre, viele hundert Jahre zu leben verliehen wäre, der könnte durch die Kraft, die Gott dem Menschen gegeben hat, alle Tage Menschen und andere Kreaturen in vielfäl­ tig neuer Gestalt ausgießen und schaffen, wie man sie weder vorher gesehen noch wie sie ein anderer ge­ dacht hätte.

7 „zufel“: was einem zufällt, ‚Einfall‘.  „gemüt“: Im Sinne von ‚Einbildungskraft‘; Cam. II, fol. Fr: animus. 9 „genaturt“: vom lat. naturatus.

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Darum gibt Gott dem Künstler in solchem und anderem viel Gewalt0. Und obwohl viel von Unter­ schieden geredet ist, so weiß man doch sicher, daß alle Dinge, die ein Mensch machen kann, sich voneinan­ der unterscheiden, daß kein Künstler lebt, der so abso­ lut  ist, daß er zwei Dinge einander so weit gleich machen könnte, daß sie nicht voneinander zu unter­ scheiden wären. Denn von all unserem Tun ist nichts dem anderen recht und völlig gleich. Dieses können wir nicht verhindern. Selbst wenn wir zwei Abdrucke von einer Kupferplatte ma­ 0 „vil gewaltz“, lat. facultas, potentia: etwa im Sinne von ‚Vermögen‘.  „gwiß“; Cam. II, fol. Fv: absolutus artifex.  „recht“: ‚gleichförmig‘, ‚entsprechend‘.  „fürkumen“: ‚zuvorkommen‘, ‚verhindern‘.

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chen oder zwei Bilder aus einer Gußform („model“) herstellen, sehen wir, daß sogleich Unterschiede be­ stehen, anhand derer sie, ein jedes für sich, erkennbar sind – aufgrund vieler Ursachen. Wenn es sich bei den allergewissesten Dingen so verhält, wie viel mehr bei allen anderen Dingen, die da von freier Hand gemacht werden. Dieses sind aber nicht die Unterschiede, von de­ nen ich hier rede. Denn ich spreche von den Unterschie­ den, die ein Mensch eigens vornimmt und die in sei­ nem Willen stehen, wovon ich wiederholt („für vnd für“) geredet habe. Und wenn dem Menschen in den Sinn kommt, daß er dieses oder jenes machen möchte, so nimmt er etwas dazu aus den unterschiedlichen Dingen. Es geht aber nicht um die besagten [unver­ meidlichen] Unterschiede, die wir nicht aus unserem Werk ausscheiden können, sondern um einen Unter­

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schied wie jenen zwischen hübsch und häßlich, den man unter Beachtung der vorn in diesem Buch be­ schriebenen Gegensatzpaare („wörter der unterschid“) zuwege bringt. Wenn solches im Werk verwirklicht ist, wird ein jeder nach Augenschein und Gutdünken in seinem Geist („gemüt“) darüber urteilen. Diese Urteile glei­ chen einander selten. Darum will ich alle zuvor be­ schriebenen Figuren, auch die ich verändert habe, je­ dem zur freien Verfügung geben, sie, wenn gewünscht, so zu verändern, daß kein Detail so bleibt, wie es vor­ her angezeigt war. Auf welchem Weg man das tun kann, darüber will ich nachher Unterricht geben. Doch hüte sich ein jeder davor, etwas Unmögliches zu machen, das die Natur nicht gestattet („leyden kün“), es sei denn, er wolle etwas Phantastisches machen, in diesem Fall mag er verschiedene Kreaturen mitein­ ander mischen. Aber damit wir zu Werke kommen, wollen wir uns zunächst das Bild einer Figur vornehmen, das durch Querlinien in seiner Länge geteilt ist. Diese Linien haben bei allen hier behandelten Figuren ihre eigene Maßzahl. Wer jedoch will, kann mehr oder weniger dieser Querlinien setzen. Mehr Querlinien zu setzen, dient einer genaueren Messung, wodurch man weiter eindringen kann, als ich es vorn bei meiner Linienset­ zung getan habe, und das gebührt jedem sorgf ältig arbeitenden Meister. Und wenn einer sicher genug ist, sollte er keine ausgezogenen Linien ziehen, sondern [nur] Punkte setzen. Es reicht, daß er sie wahrnimmt. Wer aber weniger Linien einsetzt, als ich es vorne ge­ tan habe, hat zwar weniger Arbeit, richtet jedoch auch weniger aus. Das ist eine Art des Unterschieds, die von der Anzahl der Linien abhängt. Der andere Un­ terschied, mit Querlinien zu handeln, liegt im Bewe­ gen der Linien im Figuren­Körper und funktioniert wie vorne bei den Verkehrungen der Gesichter. Also, indem du alle Querlinien über die volle Körperlänge entweder auseinanderrückst oder zu­ sammenführst. Rückt man die Linien nahe zusam­ men, werden die Körperabschnitte dazwischen kurz, rückt man sie weit auseinander, werden alle Abschnit­ te zwischen ihnen lang. Dieses betrifft das Gegensatz­ paar lang/kurz.  „traumwerck“, bei Grimm , Sp. , im Sinn von ‚Trügerei‘, ‚Schattenwerk‘. Hier jedoch nicht nega­ tiv gemeint.  „mit den zwerchlinien zu handlen“, Cam. II, fol. Fv: mutatio … movendarum linearum“. Es geht um die zweite Funktion der Querlinien: Figuren zu „verfäl­ schen“.



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Nun kommen wir zu den Tiefen­ und Breitenma­ ßen. Deren Veränderung geschieht sowohl auf allen Querlinien als auch dazwischen. Welche Querlinie du verlängerst, auf deren Ebene und an deren Ort nimmt die betreffende Figur in der Vorderansicht an Breite, in der Seitenansicht an Tiefe zu. Verkürzest du sie je­ doch, wird die Figur an selbiger Stelle („endt“) schmä­ ler und dünner. Ebenso funktioniert es auch zwischen allen Querlinien, wo man alle Figurendetails größer oder kleiner machen kann. Allerdings sollst du kein Detail gar zu lang, kurz, dick, dünn, breit oder schmal machen. Und wenn du geschickt bist, kannst du zweifellos durch oben be­ schriebene Mittel und Wege erstaunliche („wunder­ barlich“) Gestaltveränderungen bewirken und Ele­ mente von großer Ungleichheit6 gegeneinander führen. Daraus ergibt sich dann, daß manche Figuren breite Schultern, enge Taillen, schmale Hüften ge­ winnen – und umgekehrt. So erhalten manche einen kurzen Rumpf und lange Beine – und entgegenge­ setzt. Andere erhalten gerade („schlechte“) Körper, Arme und Beine, wieder andere krumme. So offenbart sich aus der Messung7 die Natur der menschlichen Gestalt. Und man erkennt daraus die Ursachen dafür, wie Figuren lieblich oder häßlich gemacht werden können. Wer also ein solches Werk beginnen will, der soll bei seiner Planung wissen, was er machen will. Damit er es vor seiner Arbeit planend bedenkt, habe ich Besagtes ausgeführt. Wer sich in seiner Kunst se­ hen lassen will, tut gut daran, das Beste, so er es kann, zu verwenden, das seinem Werk nützlich ist. Hierbei ist anzumerken, daß ein verständiger, ge­ übter Künstler seine künstlerische Stärke („sein grossen gwalt“) und sein Können („kunst“) [gegebenenfalls] mehr in einer groben bäuerischen Gestalt erweisen kann, also („etwan“) in geringen Dingen, denn manch anderer in einem erhabenen („grossen“) Werk. Diese seltsame9 Rede werden allein die begnadeten0 Künst­ 6 „ungleycheyt“, insofern hier die Vergleichlichkeit (Proportionalität) korrumpiert ist. 7 Gemeint dürfte sein: aus der Variation bei der Mes­ sung (= Zumessung).  „fürnemlich“, in diesem Zusammenhang mögli­ cherweise adverbiale Bildung von fürnemen, sich vornehmen, planen; so im Satz zuvor. 9 „seltzame red“, Cam. II, fol. Fr übersetzt durchaus angemessen: haec inusitata novaque. 0 „gwaltzam“, Grimm 6, Sp. 00 unter Bezug auf die­ se Stelle: lat. validus, nervosus. Cam. II, fol. Fr: „soli intelligent potentes intellectu et manu artifices“. Bei uns mit Blick auf die anschließende Passage mit ‚be­ gnadet‘ übertragen.

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ler verstehen können – und zwar, daß ich die Wahr­ heit sage. Aus dieser Überlegung folgt, daß das, was jemand mit der Feder während eines Tags auf einen halben Bogen Papier reißt oder mit seinem Messerchen („eysellein“) in ein kleines Holz schneidet, kunstvol­ ler und besser werden kann als eines anderen großes Werk, woran dieser ein ganzes Jahr mit höchstem Fleiß arbeitet. Diese Gabe ist wie ein Wunder. Denn Gott gibt es oft jemandem, zu lernen und zu verste­ hen, etwas Gutes zu machen, desgleichen kein anderer zu dieser Zeit erfindet, auch vielleicht lange Zeit vor ihm nicht und nach ihm auch nicht so bald. Davon sehen wir Beispiele aus der Römer­Zeit, als diese in voller Blüte stand; was bei den Römern geschaffen worden ist, wovon wir die Trümmer („drümer“) noch sehen, [ist von einer Art] dergleichen Kunstfertigkeit in unseren Werken jetzt wenig gefunden wird. Wenn wir aber fragen, auf welche Weise wir Schönheit im Bild erzielen, werden manche sagen: nach Urteil der Menschen. Dem werden jedoch ande­ re nicht zustimmen, auch ich nicht. Wer soll uns darüber ohne ein rechtes Wissen Gewißheit verschaf­ fen? Denn ich glaube, daß es keinen Menschen gibt, der bei der geringsten Kreatur das Höchstmaß der Schönheit erdenken könnte, geschweige denn bei einem Menschen, der da ein besonderes Gottes­Ge­ schöpf ist, dem die anderen Kreaturen untertan sind. Ich gebe es zu, daß jemand ein hübscheres Bild entwirft6 und realisiert und dessen gute natürliche Ursache der Vernunft verständlicher („eynfellig“) machen kann als ein anderer. Dieses aber nicht bis zu dem Schluß, daß es nicht noch ein hübscheres geben könnte. Denn dieses [Wissen um maximale Schön­ heit] gelangt nicht in des Menschen Geist („gemüt“). Das weiß Gott allein; wem er es offenbarte, der wüßte es auch. Gott, die Wahrheit, behält sich das Wissen

 Die Tätigkeit mit dem „eysellein“ wird strittig ge­ deutet, als Arbeit des Formschneiders (Holzschnitt) oder des Holzbildhauers (Kleinplastik). Am Sinnge­ halt der Stelle ändert sich dabei nichts.  „bracht“: ‚Pracht‘, ‚Blüte‘.  Cam. II, fol. Fr übersetzt: „ … quae sit ratio pulch­ ritudinis in imaginibus“.  „nachgeben“, im Sinne von ‚zugestehen‘, ‚zustim­ men‘; Grimm , Sp. .  Der Sinn dieses Halbsatzes erschließt sich deutli­ cher aus der Parallelfassung eines früheren Entwurfs: R III, S. . 6 „bedracht“, betrachten: im Sinne von ‚im Herzen erwägen‘, ‚entwerfen‘; Grimm , Sp. 706.

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über die schönste Gestalt des Menschen und seine Maße vor. Darüber zerbrechen sich die Menschen den Kopf, haben unzählige unterschiedliche Meinungen dazu und suchen mancherlei Wege dorthin, [umsonst] denn man bekommt das Häßliche eher als das Hübsche. In diesem Zustand des Irrens („yrthumb“), den wir jetzt zumal bei uns haben, weiß ich nicht gültig („stadhafft“) anzugeben, welches Maß der rechten Schönheit („hüb­ sche“) am nächsten7 kommt. Aber gern möchte ich, so viel ich kann, dabei helfen, daß grobe Unge­ stalt in unseren Werken ausgeschieden und vermieden werde. Es sei denn der Fall, daß jemand mit besonde­ rem Fleiß ungestalte Dinge produzieren wollte. Nun kommen wir, wie angekündigt, wieder zum Urteil der Menschen. Diese erachten gegebenenfalls zu der einen Zeit eine Gestalt für hübsch, zu der an­ deren Zeit erwählen sie eine andere dafür. Wenn nun dieselben Leute bei den Meistern ein Werk bestellen, so soll diesen alles zu Gebote stehen, ihre Begierde zu sättigen. Dann ist der [betreffende] Meister zu rüh­ men. Dazu muß er ein immenses Können („gewal­ tigen brauch“) haben, wenn er ihren Wunsch erfüllen soll. Ihm wäre dazu von Nutzen, wenn er sich darauf verstünde, welches das richtige Maß sei und welches nicht, damit er dasselbe mit dem Werk verwirklichen könnte. Ich denke, es ist unmöglich zu sagen, man kenne die besten Maße für die menschliche Gestalt und kön­ ne sie anzeigen. Denn unsere Erkenntnis ist trüge­ risch9, und die Finsternis ist so dicht0 in uns, daß auch unser tappendes Suchen („nach dappen“) [nach der Wahrheit] fehl geht. Wer aber mit Geometrie sei­ ne Sache beweist und vernünftig begründet, dem soll alle Welt Glauben schenken. Denn da ist man ge­ fangen, und mit Recht („billich“) soll man einen sol­ chen [Mann] für einen von Gott beschenkten Meister in diesen Dingen halten. Man vernimmt mit Begierde die Begründung seiner Beweisführung und betrachtet mit noch größerer Freude sein Werk.

7 „nachnenn“, sich nähern.  Der Sinn ergibt sich aus einem Entwurf: R III, S. . 9 „die lügen“: Lüge im Sinne von unabsichtlichem Irrtum; Grimm , Sp. 66ff. 0 „hart“: ‚fest‘, ‚dicht‘; Grimm 0, Sp. 07.  „warheyt anzeygt“, hier im Sinne von ratio, so auch Cam. II, fol. Fr. Der Sache nach müßte der Halbsatz konjunktivisch sein („Wer … bewiese“).

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Nachdem [es ausgemacht ist, daß] wir nicht zum Optimum [in Sachen Maß und Schönheit] gelangen können, [stellt sich die Frage], ob wir von unserem Studium Abstand nehmen sollen. Diesen viehischen Gedanken nehmen wir nicht an. Denn den Menschen steht Schlechtes und Gutes zur Wahl, darum ziemt es einem vernünftigen Menschen, das Bessere in Angriff zu nehmen. Damit wir wieder darauf zurückkom­ men, wie eine Figur besser gemacht werden kann: Wir müssen zunächst die gesamte Figur in allen ihren Körperteilen wohl und herrlich ordnen. Dann [ist Sorge zu tragen], daß jedes einzelne Körperteil geson­ dert ansehnlich („wolbetrechtlich“) und wohlgeformt  “fihischen“, Cam. II, fol. Fr: inhumanus.  Gemeint ist: wenn das Optimum schon nicht er­ reichbar ist.

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gebildet wird im Kleinsten wie im Größten, ob wir nicht [doch] das Schöne, das uns gegeben ist, daraus gewinnen können, damit wir dem rechten Ziel umso näher kommen. Denn wenn, wie gesagt, der Mensch eine Einheit („stück“) ist, die aus vielerlei Teilen zusammengesetzt ist, von denen wieder ein jedes seine besondere Art besitzt, so muß man sich mit Fleiß vor allem in acht nehmen und alles f liehen, das diese Art verderben könnte. Stattdessen soll man sich ihren natürlichen Eigenschaften mit Fleiß widmen und davon, nach Ver­ mögen, nicht abweichen. Dieses löblich wiederzuge­ ben, verlangt hohe Aufmerksamkeit und großen Fleiß. Das betrifft zunächst das Haupt, wie es in Buch II be­ schrieben wurde, das eine eigentümliche („seltzam“)  Gemeint ist wohl: soweit es uns gegeben ist.

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D Buch III

Rundung hat, desgleichen die anderen Teile, die [bei ihrer Wiedergabe] alle eigentümlicher Linien bedür­ fen, die nach keiner Regel, sondern von Punkt zu Punkt zu ziehen sind. Und ebenso sorgfältig sollen Stirn, Wangen, Nase, Augen, Mund und Kinn mit ihren Ein­ und Ausbiegungen und je besonderen Ge­ staltungen gezeichnet werden, so daß nicht die min­ deste Kleinigkeit („aller minst dinglein“) durchgehe, die nicht eigens mit Fleiß ansehnlich vollbracht wäre. Und wie jedes einzelne Teil in sich selbst wohlgestal­ tet und gut sein soll, so soll es sich auch in der Gesamt­ heit („versamlung“) [aller Teile] harmonisch einfügen („zusammen vergleychen“). Demzufolge soll sich der Hals wohl zum Haupt reimen und weder zu kurz oder zu lang, noch zu dick oder zu dünn sein. Ebenso achte man des weiteren darauf, die Brust, den Bauch, den Rücken und Hin­ tern, die Beine, Füße, Arme und Hände sorgf ältig und detailtreu („mit allem jrem inhalt“) einzuzeich­ nen und dabei auch die allerkleinsten Einzelheiten wohlgeformt („wolgeschickt“) und aufs beste auszu­ führen. Und diese Einzelteile sollen auch im Werk [für das sie bestimmt sind] aufs Reinste und Sorgfäl­ tigste ausgeführt werden, dabei sollen auch die aller­ kleinsten Runzeln und Tüpfelchen, so weit das mög­ lich ist, nicht ausgelassen werden. Denn es gilt, nicht darüber [f lüchtig] hinweg zu laufen und ein Ding zu überrumpeln. Es wäre denn der Fall, daß man ein Bild ganz kurzfristig haben und sich damit abfinden müßte. Dann aber doch so, daß ein rechter Verstand darin zum Ausdruck käme und daß bei der Eile eine rechte Absicht erkennbar sei, – daß die Beschaffenheit („art“) des ganzen Körpers stimmig („gleych formig“) sei, ebenso in allen Figuren, sei sie von robusterer („her­ ter“) oder zarterer Art, sei sie f leischig („f leyschech­ tig“) oder mager.6 Es soll nicht sein, daß ein Körper­ teil feist, der andere dürr sei, wie wenn du feiste Beine und magere Arme [zusammen] machtest und umge­ kehrt oder vorne feist und hinten mager und anders herum. [Es soll sein], daß sich alle Teile vergleichlich reimen und nicht unharmonisch („felschlich“) mitei­ nander vereint werden. Denn vergleichliche Teile er­ achtet man als hübsch. Deshalb soll auch in allen Körperteilen jedweder Figur ein gleiches Lebensalter angezeigt sein, daß nicht etwa das Haupt eines Jungen, die Brust eines  „ertlein“: ‚Pünktchen‘, ‚Tüpfelchen‘; R III, S. 99, Anm. 7. 6 Aus einem früheren, ähnlich formulierten Kon­ zept geht deutlicher hervor, daß Dürer hier an eine schnelle Entwurfsskizze gedacht hat: R III, S. 9.

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Alten und Hände und Füße eines von mittlerem Alter wiedergegeben werden, und daß nicht etwa die Figur vorne jung, hinten alt oder vice versa („widersins“) gemacht werde. Denn wenn es gegen die Natur ist, so ist es falsch 7. Darum gebührt es sich, daß jegliche Figur durch­ aus von einheitlich gleicher Beschaffenheit sei, entwe­ der jung, alt oder mittleren Alters, mager oder feist, zart („lind“) oder robust. So findest du die erwach­ sene Jugend glatt, eben und vollen Leibes, während das Alter uneben, knorrig, runzelig9 ist, und das Fleisch ist abgezehrt. Es ist dienlich, bevor man das Werk in Angriff nimmt, solches zuvor anzuzeigen und mit Linien auf­ zureißen, wie man es haben will, damit man die Ge­ stalt vorher sehe [und entscheide], ob etwas an ihr zu verbessern wäre.0 Wenn du dieses mit Fleiß und Aufmerksamkeit tust, so reut dich nachher nicht leicht, was du geschaffen hast. Darum ist es für jeden Künstler nötig, daß er gut reißen lerne. Denn das Rei­ ßen dient vielen Künsten außerordentlich, und es liegt viel daran. Denn wenn einer, der nicht reißen kann, ein ihm vorgegebenes gutes Maßverhältnis anwendet und fährt mit seiner ungeschickten Hand daher durch die Längen­, Tiefen­ und Breitenmaße der Figur, der hat bald verdorben, was er machen soll. Wenn aber einer, der sich auf ‘s Reißen versteht, sich eine [in ih­ ren Maßen] wohl beschriebene Figur vornimmt, so kann ihm das Aufreißen helfen, daß sie noch besser wird. Um zu guten [Körper­]Maßen zu gelangen und dadurch die Schönheit eines [Körper­]Teils in unser Werk zu bringen, scheint es mir am zweckmäßigsten, von vielen lebenden Menschen die Maße zu nehmen. Aber suche Personen dazu aus, die als hübsch erachtet werden und nimm von diesen mit allem Fleiß die Maße auf. Denn aus einer großen Anzahl unterschied­ licher Menschen kann durch einen Verständigen hin­ sichtlich aller Körperteile etwas Gutes zusammen gele­ sen werden. Selten nämlich findet man einen Menschen, dessen sämtliche Körperteile gut [gestaltet] sind, denn jeder Mensch hat einen Mangel. Wiewohl man von vielerlei Menschen [die Maße] sammeln soll, so soll 7 „böß“: ‚schlecht‘, ‚falsch‘, ‚verdorben‘; Grimm , Sp. .  „hört“, Satzfehler, lies: ‚hart‘. 9 „gerumpfen“, vgl. rümpfen: in ‚Falten gezogen‘, ‚runzelig‘; Grimm , Sp. 9. 0 Der durch redundante Satzteile etwas verworrene Sinn tritt klarer in einer Entwurfsformulierung her­ vor: R III, S. 6.  “wolbetracht“, Cam. II, fol. Fv: attentio.

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man doch für eine Figur nur Menschen von einerlei Beschaffenheit („art“) verwenden. Und, wie bereits gesagt, benutze der Gleichartigkeit wegen beim Auf­ nehmen („abmachen“) [der Körperteile] für eine jun­ ge Figur nur junge Menschen, für eine alte Figur alte Menschen, für eine Figur mittleren Alters eine dementsprechende. Desgleichen verfahre mit mage­ ren, feisten, zarten, robusten und starken oder schwa­ chen Menschen. Eine jede Beschaffenheit verwende gesondert in je eigenen Figuren. Wer sich dieser Dinge bef leißigt und eigens jedes menschliche Körperteil besonders erforscht, wird alles Nötige für sein Werk finden, mehr als er verwenden kann. Und der Verstand der Menschen kann das Schö­ ne in den Kreaturen selten erfassen und angemessen wiedergeben. Denn obwohl wir nichts aussagen kön­ nen über die größtmögliche Schönheit eines kreatür­ lichen Körpers, so finden wir doch in den sichtbaren Kreaturen eine sich über unseren Verstand so weit er­ hebende Schönheit, daß niemand sie vollkommen in sein Werk bringen kann. Also sollen zu unterschiedlichen Figuren unter­ schiedliche Menschen wiedergegeben werden. In die­ sem Zusammenhang findest du zweierlei menschliche Rassen („geschlecht“), Weiße und Mohren. Zwischen diesen und uns bemerkt man einen Unterschied in der Art. Das Gesicht der Mohren ist selten hübsch wegen ihrer f lachgedrückten Nasen und dicken Lippen („meuler“), auch ihre Schienbeine mit dem Knie und die Füße sind zu knorrig („knorret“) und sehen nicht so gut aus wie die der Weißen, das gilt auch für ihre Hände. Ich habe aber etliche von ihnen gesehen, die ansonsten im ganzen Körper so wohl gestaltet und wohl gefügt gewesen sind, daß ich es nicht besser gestaltet („baßgestalter“) gesehen habe noch erdenken könnte – von so guter Beschaffenheit der Arme und alles anderen, wie es besser [nicht]6 sein könnte. So findet man unter den menschlichen Rassen al­ lerlei Spielarten, die brauchbar sind für Bilder der ver­

 „eytel“: vor Substantiven ‚bloß‘, ‚nur‘, ‚nichts als‘; Grimm , Sp. .  „pflechsten“: ‚plump‘, ‚breit‘, ‚gedrückt‘ (Pflätschna­ se); R III, S. 99,Anm. .  Gemeint ist der Rumpf, wie der Zusammenhang erkennen läßt.  „ertig“, artig, im Sinne von lat. aptus, concinnus: ‚passend ineinander gefügt‘; Grimm , Sp. 7. 6 Hier ist sicher ‚nicht‘ zu ergänzen.

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schiedenen Konstitutionen7. Es haben die Robus­ ten ein Körpergepräge wie die Löwen. Die Schwachen sind von zarterem Gepräge und nicht so geschwellt9 wie die Starken. Darum ziemt es sich nicht, einer ganz starken Figur ein ganz zartes Gepräge oder einer la­ bilen schlanken60 Figur ein ganz hartes Gepräge zu geben. Allerdings muß man dem Mageren und Fei­ sten in den Figuren etwas nachgeben6. Dennoch kann der Modus zart und hart bei allerlei Unterschie­ den in der Figur ziemlich nach Gutdünken zur An­ wendung kommen. Die lebende Natur gibt die Wahrheit dieser Dinge zu erkennen. Darum sieh sie f leißig an, richte dich nach ihr und weiche nicht von ihr in der Meinung, du könntest es von dir selbst besser erfinden; du würdest dann in die Irre geführt. Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie. Bekommst du sie in die Hand, wirst du viele Fehler („vil fels“) in deinem Werk vermeiden. Ferner kannst du durch die Geometrie viel von deines Werkes Richtigkeit6 beweisen. Was wir aber nicht beweisen können, müssen wir der Überzeugung („gutter meynung“) und dem Urteil der Menschen überlassen. Doch leistet die Erfahrung viel in diesen Dingen. Je genauer dein Werk in seiner Gestalt nach dem Leben kommt, desto besser wird es erscheinen. Dieses ist die Wahrheit. Darum nimm es dir niemals vor, et­ was besser machen zu können oder machen zu wollen, als es Gott der von ihm geschaffenen Natur zu bewir­ ken gegeben hat. Denn dein Vermögen ist kraftlos gegenüber Gottes Schöpfung. Daraus ergibt sich, daß kein Mensch aus eigenem Sinnen6 Schönheit im Bilde6 erschaffen kann, es sei

7 „complexion“, Mischung der Elemente nach der Konstitutionenlehre; vgl. auch Entwurfstext: R III, S. 77.  „starcken herten“, „starcken“ ist lt. Corrigierung  zu streichen. 9 „quallet“, von quellen: ‚geschwellt‘; Grimm , Sp. 0 (quall). 60 „eim schwancklen bild“, von schwanken: ‚instabil‘, ‚labil‘; Grimm , Sp. 0 (schwankel, schwan­ keln). 6 „nach … geben“: im Sinne von einräumen, zugeste­ hen; Grimm , Sp. 7; Cam. II, fol. Fr: servire. 6 rectitudinem, so die Ergänzung von Cam. II, fol. Fr. 6 Cam. II, fol. Fr ergänzt: et excogitatione, sowie durch Ausdenken. 6 „kein schön bildnuß“, möglicherweise konkret ge­ meint: keine schöne Figur. Cam. II, fol. Fr verzich­ tet auf das Wort und schreibt lediglich: formositatem exprimere.

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denn, daß er solches aufgrund umfassenden Naturstu­ diums6 voll erfaßt hat. Das kann dann nicht mehr ein Eigenes genannt werden, sondern ein erworbenes und erlerntes Können, das sich aussät („besambt“), wächst und Früchte seiner Art bringt. Der so im Herzen heimlich gesammelte Schatz wird offenkundig durch das Werk und die Schöpfung („newe creatur“), die einer in seinem Herzen in Ge­ stalt eines Dings schafft. Das ist der Grund dafür, daß ein geübter Künstler nicht für jedes Bild lebender Vorbilder bedarf, denn er gießt [aus sich] genügend heraus, was er über lange Zeit von außen [in sich] hi­ nein gesammelt hat. Solcher hat gutes Schaffen in sei­ 6 „auß vil abmachen“, hier im Sinne von imitatio, so auch Cam. II, fol. Fr. „sein gemüt“ ist lt. Corrigie­ rung  zu streichen.

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nem Werk, aber sehr wenige kommen zu dieser Fä­ higkeit66. Zahlreich sind jedoch diejenigen, die mit großer Mühe Verkehrtes („unrechtz“) machen. Wer aus rechter Einsicht („verstand“) ein gutes Können („gebrauch“) erworben hat, ist wohl in der Lage, ohne jede Vorlage67 gute Ergebnisse zu erzie­ len, so weit es nur möglich ist. Doch wird das Ergeb­ nis stets besser, wenn man sich beim Abbilden des Lebenden bedient. Aber dem Ungeübten ist es un­ möglich, denn diese Dinge geraten nicht von unge­ fähr. Es geschieht auch, aber selten, daß einer infolge 66 „verstand“: hier etwa ‚Verständnis‘, ‚Verstehen‘, ‚Fä­ higkeit‘. 67 „gegen wurff“: mhd. für ‚Objekt‘, ‚Gegenstand‘; Grimm , Sp. 0f. Hier wohl bedeutungsgleich mit dem in Kürze folgenden „gegen gesicht“.

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großer Erfahrung und langer f leißiger Übung so si­ cher („gwiß“) wird, daß er aus eigenem Verstand, den er mit großer Mühe erlangt hat, ohne ein Modell6, das er hätte abbilden können, etwas besseres verwirk­ licht als ein anderer, der da viele lebende Menschen als Modelle benutzt. Ursache dafür ist, daß es diesem an Verstand mangelt. Darum müssen wir sehr darauf achten und vermeiden („fürkumen“), daß sich Unge­ stalt und Unschicklichkeit in unser Werk f licht. Des­ halb sollen wir unnütze Dinge in Bildern, die schön sein sollen, vermeiden. Denn dieses ist ein Übelstand. Nimm zum Beispiel die Blinden, Lahmen und ver­ dorrten und hinkenden Krüppel. Dergleichen ist we­ gen des Mangels häßlich. Dementsprechend ist auch der Überf luß zu f liehen – etwa derart, daß man je­ mandem drei Augen, drei Hände und Füße machen wollte. Je mehr man alle Häßlichkeit, wie der besag­ ten Dinge, meidet und macht dagegen gerade, starke, helle, zweckmäßige Dinge, die alle Menschen ge­ wöhnlich lieben, umso besser wird das betreffende Werk; denn dieses erachtet man als schön. Aber die Schönheit („hübscheyt“) ist so im Men­ schen verfaßt69 und unser Urteil über sie ist so zwei­ felhaft [daß es geschehen kann]: Wir finden vielleicht zwei Menschen, beide sehr schön und lieblich, von denen dennoch keiner dem anderen in einem einzigen Teil gleicht weder in den Maßen noch in der Beschaf­ fenheit; uns ist auch nicht einsichtig, welcher [von beiden] schöner ist, so blind ist unsere Erkenntnis. Deshalb ist unser Urteil darüber unsicher. Aber in ei­ nigen Teilen kann dennoch („dannacht“) der eine den anderen übertreffen, auch wenn es uns unerkennbar ist. Daraus folgt, daß sich kein gewaltiger70 Künstler allein auf eine Art beschränken soll, sondern daß er in vielerlei Wegen und für verschiedene Möglichkeiten geübt sei und sich darin auskenne. Daraus kommt, daß er jedwede Figur, die man von ihm begehrt, verferti­ gen würde, welcher Art und Weise7 sie auch sei. Und aufgrund unserer hier dargestellten Ausführungen versteht er zornige, gütige und sonstige Gestalten zu verfertigen, und eine jegliche Gestalt kann auf ihre 6 „Gegen gesicht“: etwa ‚Anblick eines Gegenüber‘, ‚Modell‘; vgl. R III, S. ,Anm. ; Cam. II, fol. Fv: animale exemplum. 69 „Verfast“, im Sinne von Verfassung, ordo: ‚verfaßt‘, ‚eingerichtet‘. Rupprichs Deutung überzeugt nicht: R III, S. 7,Anm. . 70 „gewaltiger“, Cam. II, fol. Fv: ingeniosus; einer, der Gewalt über die geistigen und technischen Belange des Kunstschaffens hat. 7 „geschlecht“, eigentlich Gattung; Cam. II, Fv über­ setzt: constitutio(nis).

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Art gut gemacht werden. Wenn denn einer zu dir kommt und will von dir ein untreues7 Bild des Sa­ turn, Mars oder eines von Venus haben, das lieblich und holdselig aussehen soll, so wirst du aufgrund un­ serer Lehren, falls du ihrer geübt bist, leicht wissen, welche Maßverhältnisse und welche Eigenart du dafür verwenden sollst. Dementsprechend kann man durch die äußeren Maße die unterschiedlichen Konstituti­ onen der Menschen anzeigen, ob sie von feuriger, luf­ tiger, wässriger oder von irdischer Natur sind.7 Denn die Gewalt7 der Kunst meistert, wie gesagt, alle Werke [und Aufgaben]. Die rechten Künstler erkennen im Augenblick ein ingeniöses („gewaltzam“) Werk, und das versetzt die, die es verstehen, in große Liebe. Dieses wissen die verständigen („rechten“7) Gesellen76 wohl, und sie wissen, was praktisches Können damit zu tun hat. Denn das Wissen ist wahrhaft, aber [bloße] Meinung betrügt oft. Deswegen vertraue sich77 niemand selbst zuviel, damit er sich in seinem Werk nicht irre und fehl gehe. Darum ist es demjenigen, der mit solchem um­ geht,7 von großem Nutzen, mancherlei gute Bilder zu sehen und oft, wenn sie von berühmten guten Meistern geschaffen sind, [zu kopieren79 ], und man soll auch dieselben Meister darüber reden hören. Al­ lerdings so, daß du stets ihre Fehler erkennst und über Verbesserung nachdenkst. Und laß dich nicht, wie ge­ sagt, ausschließlich zu der Art und Weise eines Mei­ sters überreden. Denn ein jeder macht es gern dem gleich, was ihm wohl gefällt. Wenn du aber viel von ihnen vernimmst, so wähle das Beste aus zu deinem Gebrauch. Denn der Irrtum steckt schier in allen Mei­ nungen. 7 „untreuß“, untreues; Cam. II, Fv übersetzt wört­ lich: infidus.Wohl eher im Sinne von infidelis: gott­ los, heidnisch. 7 Dürer zielt mit der Auflistung der Elemente gemäß der Konstitutionenlehre auf die entsprechenden Temperamente ab: Choleriker, Sanguiniker, Phleg­ matiker und Melancholiker. 7 „gewalt“, Cam. II, fol. Fv: potentia. 7 In der Parallelstelle des Entwurfs heißt es „fersten­ dig“: R III, S. 7, Z. f. 76 Unsicher, ob Berufsgenosse oder Gehilfe gemeint ist; Cam. II, fol. Fv spricht von „versati“ („die Ver­ sierten“). Im folgenden geht es indes um die Ler­ nenden. 77 „jm“: das Personalpronomen, wie oft bei Dürer, im Sinne des Reflexivpronomens. 7 Cam. II, fol.v: studiosus. 79 Lt. Corrigierung  zu ergänzen: „abmach“, ‚ko­ pieren‘.





D Buch III

fol. T4v

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So gut wir also ein Werk machen, es könnte stets noch besser gemacht werden. Es ist wie mit den Men­ schen, wie hübsch man einen auch findet, es kann noch ein schönerer gefunden werden. Das mag ein je­ der als Gewißheit nehmen, ob er es von jemandem lernt oder selbst aus dem Leben erfährt. Doch hüte sich ein jeder von denen zu lernen, die da schön von der Sache reden, aber daneben mit ihren Händen durchweg sträf lich untüchtige Werke gemacht haben, deren ich viele gesehen habe. Denn wenn du ihnen folgst, führen sie dich in die Irre, das bezeugen ihr Werk und ihre Unkunst. Es ist nämlich ein großer Unterschied, von einem Ding zu reden oder es selbst zu machen. Das soll jedoch nicht heißen, daß man es nicht glauben soll, wenn einem ein Unverständiger eine Wahrheit sagt. Denn es ist möglich, daß dir ein Bauer den Irrtum deines Werks mitteilt, ohne dich

berichtigen und lehren („lernen“) zu können, wie du diesen beheben könntest. Jeder, der in dieser Kunst vorher nie etwas gelernt hat und aus diesen [meinen] Büchern einen Anfang schöpfen möchte, der muß mit Fleiß lesen und verste­ hen lernen, was er liest, und sich dabei eher weniger vornehmen, sich in diesem [wenigen] aber wohl üben, so daß er es ausführen kann; erst dann soll er anfan­ gen, ein weiteres zu machen. Denn das Verstehen muß mit der Praxis („gebrauch“) anfangen zu wach­ sen, so daß die Hand verrichten kann, was der Ver­ stand ihr befiehlt. Daraus wächst mit der Zeit die Sicher­ heit der Kunst und ihrer Praxis. Denn diese zwei gehören zusammen, eines ohne das andere nützt näm­ lich nichts. Man soll auch zur Kenntnis nehmen, daß ein einfacher („gemeyner“) Mann sehr wohl das bes­ sere von dem schlechteren unterscheiden kann. Den­

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noch versteht niemand vollkommener ein Werk zu beurteilen als ein verständiger Künstler, der seine Fä­ higkeit durch sein Werk oft bewiesen hat. Nun könnte man sagen: Wer möchte immer die Mühe und Arbeit haben und viel Zeit aufwenden, um eine einzige („eynig“) Figur in dieser Weise zu mes­ sen, also darauf so viel Mühe zu legen, wo es doch oft dazu kommt, daß einer in kurzer Zeit vielleicht zwan­ zig oder dreißig verschiedene Figuren anfertigen muß. Hier ist es meine Meinung nicht, daß man zu allen Zeiten alle seine Figuren („all sein ding“) messen soll. Wenn du jedoch wohl zu messen gelernt und den Ver­ stand mitsamt dem Können erworben0 hast, daß du ein Ding frei und sicher verfertigen kannst und jeder Anforderung gerecht wirst, dann ist es nicht durch­ weg nötig, jegliches Ding zu messen. Denn deine er­ worbene Kunstfertigkeit verschafft dir ein gutes Au­ genmaß, und dann ist die geübte Hand gehorsam. Sodann vertreibt die Gewalt des künstlerischen Kön­ nens den Irrtum aus deinem Werk und hindert dich, Falsches zu machen. Dann beherrschst du sie, wirst durch dein Wissen unverzagt und vollendest dein Werk, ohne einen Strich oder Schlag vergebens zu tun. Diese Behendigkeit macht, daß du dich nicht lan­ ge bedenken mußt, wenn dir der Kopf voller Kunst steckt. Und infolge solcher Fähigkeit erscheint dein Werk kunstvoll, lieblich, gewaltig, frei und gut, wird von allen gelobt („löblich von meniglich“); denn es waltet in ihm Richtigkeit. Wenn du aber keine richtigen Grundlagen hast, ist es nicht möglich, etwas Richtiges und Gutes zu ver­ fertigen, selbst wenn du die größte Übung auf der Welt hättest, was die Freiheit der Hand angeht; denn, wenn sie dich in die Irre führt, ist sie eher ein Gefäng­ nis. Folglich soll Freiheit nicht ohne Kunst sein, eben­ so ist diese ohne das praktische Können verborgen. Darum gehört, wie gesagt, beides zusammen. Es ist darum nötig, daß man die Kunst des Messens richtig lerne. Wer sie beherrscht, bringt bewundernswürdige Dinge zustande. Denn die menschliche Gestalt kann nicht mit Richtscheiten und Zirkeln umzogen wer­ den, sondern sie wird, wie vorne ausgeführt, von Punkt zu Punkt gezeichnet. Und ohne rechtes Maß wird niemand etwas Gutes erzielen.

0 „uberkumen“, überkommen: ‚erwerben‘, ‚in die Ge­ walt bekommen‘; Grimm , Sp. 7.  „darffst“: von bedürfen.  Dürer will wohl sagen, daß das manuelle Können, die Freiheit der Hand, ohne das Grundlagenstudium (Kunst/Kunstfertigkeit) nicht trägt und umgekehrt.

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Nun kann es sein, wenn jemand die hier beschrie­ benen Figurenmaße in ein großformatiges Werk überträgt und wenn ihm dieses durch Ungeschick­ lichkeit mißrät, daß er mir die Schuld gibt und sagt, in kleinem Format funktioniere mein Aufreißen, aber in großen Arbeiten führe es vom rechten Weg ab. Dieses kann nicht sein, denn entweder ist das Kleine richtig und die Vergrößerung entsprechend gut, oder das Kleine ist schlecht („bös“) und die Vergrößerung taugt ebenfalls nichts. Deswegen gibt es [hinsichtlich der Größe] keinen Unterschied in der Aussage („red“). Denn auch ein Zirkelriß bleibt rund, sei er klein oder groß, desgleichen ein Quadrat. So bleibt auch jede Proportion in sich gleich, im großen wie im kleinen Format – ebenso wie sich beim Gesang eine Oktave zu der anderen verhält, der Ton bleibt gleich, ob er hoch oder tief ist. Endlich ist zu beachten, daß eine vorgegebene Fi­ gur auf viele Art und Weise umzugestalten ist, so daß man sie nicht mehr erkennt, wobei ihren Maßen weder zugegeben noch genommen wird. Ende des dritten Buchs

 „Verfürlich“; vgl. Grimm , Sp. 66 (verführlich).  „verstellen“: ‚verzerren‘, ‚umgestalten‘; Grimm , Sp. 7f.  Dürer will wohl mit diesem sachlich dunklen Satz sagen, daß es viele Möglichkeiten gibt, eine zuvor definierte Figur, etwa mittels Gestik, Bewegung, Perspektive, ikonographischer Ausstattung etc., bis zur Unkenntlichkeit zu verändern, ohne ihre ur­ sprünglichen Maßverhältnisse anzutasten. Dieses „verstellen“ wäre dann nicht gleichbedeutend mit verkehren oder verändern.



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D Buch IV

fol. V1r

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Das vierte Buch zeigt an, wie und wo man die zuvor beschriebenen Figuren biegen soll. Nachdem in den drei vorigen Büchern beschrieben ist, wie die Figuren gemacht, verändert und auf mancherlei unterschiedliche Weise verkehrt werden können, ist nun noch nötig zu wissen, wo man sie in ihren Gelenken biegen und drehen1 soll, soweit man das will und soweit es sich schickt 2. Denn die Figuren taugten 3 so gestreckt, wie sie vorn dargestellt sind, nicht für die Praxis („nichtz zu brauchen“), und sie 1 2 3

„ferwenden“: ‚drehen‘; Grimm 25, Sp. 2206. „leyden“: etwas ‚leidet sich‘, ‚schickt sich‘, ‚fügt sich‘; Grimm 12, Sp. 666 (leiden). „döchten“, mhd. tügen, taugen, Konj. töchte; Grimm 21, Sp. 196.

wären unschön anzuschauen. Und sei ein Körperteil so gut [gezeichnet] wie er wolle, gibt man ihm eine üble Haltung4, wird er erniedrigt 5. Umgekehrt kann ein minder [guter] Körperteil durch eine gute Haltung aufgewertet werden. Über die Körperteile wohl zu reden, wie sie wunderbar ineinander gehen, wissen diejenigen, die mit der Anatomie umgehen; denen überlasse ich es, darüber zu reden. Ich will hierüber nicht mehr reden, als ich es nötigerweise nicht umgehen kann. Darum nimm zur Kenntnis, daß die hier beschriebenen von der Seite gesehenen Figuren über die Länge des ganzen Rückgrats vom Genick bis zur Hüfte auf allen Querlinien und dazwischen gebogen 4 5

„geberd“, Gebärde, im Sinne von Form, Haltung. „geschmecht“ von schmähen: ‚verächtlich machen‘, ‚erniedrigen‘; Grimm 15, Sp. 903.

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werden können. Sie sind jedoch mehr nach vorn als nach hinten zu biegen. Und diese Biegung wird angesetzt im hinteren Viertel des Körpers gegen den Rücken auf allen Querlinien und dazwischen, ausgenommen davon ist der Oberschenkel, der in seinem Gelenk mitten auf der Querlinie am unteren Ende der Hüfte6 gebeugt wird. Auch das Knie bewege mitten auf seiner Querlinie. Den Fuß biege in den Knöcheln und die Zehen in ihren Gelenken. Und wenn es nötig ist, kann der Fuß in seiner Mitte ein wenig gebogen werden. Den Arm bewege im Schultergelenk, im Ellenbogen, im Handgelenk und alle Finger in ihren Gelenken. Die von vorn gesehene Figur ist vom Hals an über die Länge des gesamten Rückgrads nach beiden Seiten zu biegen. Zur besseren Kenntnis habe ich bei den abgebildeten Figuren an den wichtigsten („fürnembsten“) Stellen, wo sie zu biegen sind, kleine Dreiecke und Ringlein gesetzt. Weiterhin ist nötig, über die verschiedenen Arten des Biegens verständlich zu reden. Deshalb ist zur Kenntnis zu nehmen: Alles was zu solchem Biegen gehört und notwendig ist, ist mit besonderem Fleiß zu beachten, damit man alles biegen und damit einen ernsten oder lieblichen Ausdruck erwecken kann. Denn zum Ausdruck des Ernstes7 muß man eine grimmige Stellung gebrauchen und zur Liebe eine freundliche. Also nimm („vernym“) das, was zum Biegen gehört und mit ihm zusammenhängt, richtig in Anwendung. Beachte dazu die sechs folgenden Unterscheidungen und beherzige die betreffenden Wörter bei allen Biegungsvorgängen: gebogen gekrümmt8 gewendet Die unterschiedlichen Biegungen gewunden gestreckt/ gestaucht 9 geschoben Diese sechs Wörter kommen alle mehr oder minder zum Zuge, wenn sich ein Mensch bewegt. Wie ich

6 7 8 9

Nach unserer Nomenklatur: Hüfte unten. „zum ersten“: Satzfehler lies: ‚zum Ernsten‘. „gekrümbt“, von krumm, bedeutet hier und im folgenden: ‚rund gebogen‘. „Gekrüpfft“: ‚gebogen‘, ‚zusammengezogen‘, ‚gestaucht‘; Grimm 11, Sp. 2471ff. (krüpfen, krupfen). Hier als Gegensatz von „gestreckt“ offensichtlich im Sinne von gestaucht. Cam. II: contortum – trifft die Sache nicht.

fol. V1r

diese sechserlei Unterscheidungen meine und wie sie zu verstehen sind, will ich wie folgt durch Linien zu Verstehen geben.

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D Buch IV

fol. V1v (Nr. 277.114)

fol. V1v (oben)

Zuerst will ich [das Wort] gebogen nennen10. Setze eine gerade Linie a b. Diese habe zwei Gelenke („glider“) oder zwei Punkte c und d. Bewege in diesen zwei Punkten c und d die Linienabschnitte nach Belieben hin und her. Dabei bleiben die Teilstücke zwischen a und c, c und d sowie d und b jeweils gerade. Die Illustration siehst du hier aufgerissen.

fol. V1v (Mitte)

Zweitens sei [das Wort] gekrümmt genannt. Wieder setze ich eine Linie a b. Man kann sie mit einem Zirkel reißen oder von Hand kurvig („krum“) ziehen, oben nach der einen, unten nach der anderen Seite oder umgekehrt. Summa: Diese Linie wird nach Bedarf kurvig gezogen. Angezeigt ist dieses hier mittels dreier Linien. 10 Im Druck „nemen“: wohl Satzfehler.

fol. V1v / fol. V2r

fol. V2r (Nr. 277.115)

Drittens sei das Wenden genannt. Wenn zwei Linien, die eine sei a b, die andere c d, aufeinander liegen, so geben sie eine Linie. Setze nun mitten darauf Punkt e. In diesem Punkt e wende eine der Linien, oben oder unten, nach einer beliebigen Seite. Und obwohl ihre vier Punkte a und c sowie b und d auseinanderfallen, so bleiben die zwei Linien doch in Punkt e aufeinander, wie es in der nachfolgenden Illustration aufgerissen ist.

fol. V1v (unten)

Viertens sei das Winden genannt. [Das ist der Fall], wenn zwei Linien a b und c d wie geschraubt („schrauffens weyß“) um einander gewunden werden, wie du denn durch folgende Illustration unterrichtet wirst.

fol. V2r (oben)

Fünftens: gestreckt und gestaucht sei [der Sachverhalt] genannt, wenn eine Linie in die Länge gezogen bezie-

fol. V2r (Mitte)

D Buch IV

hungsweise ineinander gestaucht und verkürzt wird. Ich weiß dieses nicht anders verständlich zu machen, als daß ich im folgenden zwei Linien nebeneinander stelle, eine lange a b und eine kurze c d. fol. V2r (unten)

Sechstens sei das [Wort] geschoben genannt. Wie du schon weißt, geben zwei Linien, die aufeinander liegen, eine Linie. Wenn sie aber so voneinander geschoben sind, daß keine die andere mehr berührt, so sind es zwei. Es können dabei parallele Linien oder solche, die zusammenlaufen, gezogen werden, sie können aufwärts oder abwärts geschoben werden. Man rücke oder schiebe sie, wie man will, wie denn das im folgenden mittels zweier Linien a b und c d gezeigt ist.

fol. V2r

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fol. V2v

fol. V2v

Du sollst wissen, ebenso wie die genannten Biegungen in den Linien verlaufen, so verlaufen sie auch in der Fläche. Und ebenso wie sie in der Fläche vor sich gehen, so geschieht es auch in jedem weichen Corpus, das da breit, dick und beweglich ist. Denn ein solches Corpus ist in gleicher Weise zu biegen, krümmen, wenden, winden, strecken, stauchen und zu schieben wie die Linien; denn kein Corpus ist ohne Linien. Darum können alle oben definierten Biegungen („ding“) ebenso in einem Corpus wie in [Form bloßer] Linien gebraucht werden. Nun beachte, wozu diese sechs oben bestimmten Biegungsvarianten beim Menschen zu verwenden sind. Erstens: Das Wort gebogen wird gebraucht für die [Arbeitsweise der] Gelenke des Menschen. Nicht daß die Beine gebogen werden, denn sie [würden] brechen! Darum habe ich vorn in der Illustration festge-

fol. V2v / fol. V3r

fol. V3r

legt, daß die Linien zwischen den Punkten gerade bleiben sollen. Zweitens: Das Wort krümmen ist zu verwenden beim Geäder („geeder“) und beim Fleisch des menschlichen Leibs. Denn wenn sich ein Mensch nach einer Seite, rückwärts oder vorwärts, neigt, so krümmen sich die Adern und das Fleisch gegebenenfalls einoder auswärts. Drittens: Das Wort wenden wird bei den menschlichen Körperteilen benutzt, etwa wenn einer das Haupt umwendet, desgleichen den Leib, die Arme und Schenkel. Die meisten Körperteile können in diesem Sinne gewendet werden. Viertens: Das Wort winden wird verwendet im Zusammenhang mit dem Fleisch und den Adern des menschlichen Leibs. Denn wenn du diesen zuvor gewendet hast, so winden sich alle weichen Bestandteile

D Buch IV

(„ding“) von einem Ende zum anderen, sei es im Hals, im Leib, in den Armen oder den Schenkeln. Fünftens: Beachte, die Worte strecken und stauchen sind vielfach zu verwenden beim menschlichen Leib. Das Strecken macht dünn, und das Stauchen macht dick. Das siehe an folgendem: Wenn du einen Arm ausstreckst, so ziehen die Sehnen11 an und strecken das Fleisch in die Länge, so wird der Arm dünner. Wenn du aber den Arm beugst, so staucht sich das Fleisch übereinander, und der Arm wird dicker. Ebenso ist es auch in den anderen Teilen des Leibs. Sechstens: Das Wort schieben wird beim menschlichen Leib verwendet, wenn sich etwa eines seiner Teile vor oder hinter oder neben den anderen schiebt; auch wenn ein Teil zum anderen hin gebogen oder wenn der Leib gekrümmt wird, schiebt sich das Fleisch auswärts, einwärts oder zur Seite. Diese sechs verschiedenen Modalitäten („ding“) können sich alle auf einmal im menschlichen Leib aus der Bewegung ergeben, insofern sich seine Teile biegen, wenden und schieben, und daneben krümmt, windet, streckt, staucht sich das Fleisch und die anderen Bestandteile des Leibs. So drängt („dryngt“) eines das andere, wie man es in der Natur häufig („öff lich“) findet. Aus den hier beschriebenen Biegungsarten kannst du deinen Figuren nach deinen Bedürfnissen Gebärden12 bilden, allerdings sei es der Natur gemäß. Ferner ist besonders zu beachten, daß jede Übertreibung13 von Übel ist. Darum soll man hierbei weder zu viel noch zu wenig tun, denn die Gebärden könnten zu grimmig oder gar zu faul werden, es sei denn, daß einer mit Fleiß freche oder schläfrige Figuren machen wollte. Die Regeln sind zu gebrauchen bei Mann, Weib, Kindern, Pferden und anderen Kreaturen. Man muß wissen, daß alle meine vorn beschriebenen Figuren, wenn sie hin und her gebogen werden, nicht in allen ihren Teilen [unverändert] bei den vorgegebenen Tiefen- und Breitenmaßen bleiben; denn die Beweglichkeit nimmt gegebenenfalls dem einen Teil und gibt dem anderen zu. Darum verän11 „odern“, ‚Adern‘: hier offenbar im Sinne von nervus (lat.), Sehne, – anders als beim Krümmen, der zweiten Biegungsvariante, wo Adern gemeint sind. Beim Winden, der viertenVariante, kann es sich sowohl um Blutgefäße wie Sehnen handeln. Cam. II übersetzt unterschiedslos mit „nervus“: fol. G3v. Grimm 1, Sp. 178: „darf der begrif von ader nicht auf das blut beschränkt werden“. 12 „geberd“: gemeint sind Posen, Haltungen, Gesten. 13 „uber nöt ding“, über die Notwendigkeit hinausgehender, übertriebener Sachverhalt.

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fol. V2v / fol. V3r

dern sich die Erscheinungen („ding“). Dieses deutlich zu erkennen, geschieht am allerbesten, indem man viele lebende Menschen abzeichnet, denn da sieht man, wie sich alles verhält. Darum achte ein jeder darauf, daß er sein Werk nicht verzeichne. Wenn man eine Figur biegen will, gibt es unter vielen Wegen einen, der den Bildhauern dient, demnach man beim Aufreißen die vornehmsten Teile einer Figur zwischen den Querlinien mit allen Körperabschnitten in viereckige Corpora legt und [in sie] einschließt („verfast“). Dieses dient dem Bossieren,14 wie sie es nennen. Und wie [auf solche Weise] das Haupt eingeschlossen wird, so auch der Hals und der Leib Stück um Stück bis zur Taille, von da zum unteren Ende der Hüfte, danach die Schenkel bis ins Knie, desgleichen die Schienbeine und Füße, ebenso die Arme. Denn in einem jeden eckigen Corpus können alle Teile, Punkte und Linien des Leibs leicht angezeigt und gefunden werden mit Hilfe der senkrechten und waagerechten Parallellinien. Solche Corpora dürfen und können aber nicht alle rechtwinklig oder rechteckig15 sein, sondern länglich („ablang“) und je nach Beschaffenheit („geschicklikeyt“) des Leibes mit ihren Ecken eingerichtet16, damit sie dem Verstand Hilfestellung geben. Um anzuzeigen, wie man die zuvor beschriebenen Figuren in der vorgetragenen Weise biegen und wenden kann, will ich zur Unterrichtung die Figur des erstgenannten Mannes in Buch I nehmen;17 ich will am Haupt beginnen, es aufrecht belassen, jedoch nach einer Seite wenden. Das mache so. Nimm den Grundriß des Kopfes („angesichtz“) und wende seine dir zugewandte Vorderseite ein wenig zur Seite, so daß der viereckige Grund seitwärts18 schräg stehe. Nachdem diese Grundf läche an ihren vier Ecken mit den Ziffern 1, 2, 3, 4 bezeichnet ist, mußt du aus den vier Punkten senkrechte Linien so weit wie nötig nach oben ziehen, so ergibt sich die Breite des schräg gestellten gewendeten Vierecks.

14 „bossiern“: ‚bossieren‘, Herstellung der Rohform einer Skulptur; Grimm 2, Sp. 266. 15 Der Sache nach müßte – mit Blick auf das folgende „ablang“ – unter „recht geviert“ ‚quadratisch‘ gemeint sein sowie unter „ecket“ ‚rechteckig‘. 16 Dürer will andeuten, daß beispielsweise ein Corpus in Form eines Pyramidenstumpfes, der einen Körperteil einschließt, keine rechten Winkel bzw. Ecken besitzt. 17 Der Mann Typ A, Nr. 277.4. 18 „schier“ als Adv.: ‚seitwärts‘; Grimm 15, Sp. 27.

fol. V3r

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Danach schneide diese vier Senkrechten mit einer langen Horizontalen x y19 ab und setze das aufrechte En-face-Gesicht in seinem Viereck darauf seitlich („beseitz“) neben den Grundriß. Verlängere per „Übertrag“ alle Querlinien des frontalen Gesichtes durch die vier Linien, die aus den vier Ecken des [schräggestellten] Grundrisses aufwärts gezogen sind, dann findest du in diesem neuen Viereck mittels der jetzt gezogenen Querlinien der Länge nach alle Ebenen („ort“) der Stirn, Augenbrauen, Augen, der Nase, der Ohren, des Mundes und des Kinns. Danach erst ziehe aus dem in den Grundriß eingezeichneten Kopf aus allen Ecken und Enden von Nase, Augen, Mund, Kinn, Ohren, Stirn, Hals, Haupt und was nötig ist senkrechte Parallellinien aufwärts in die obere Fläche bis zu den [ jeweiligen] Querlinien, bei denen sowie dazwischen jede betreffende Stelle [des gewendeten Gesichts] aufzufinden ist. Wo dann Ort und Ende eines jeden Gesichtsdetails („ding“) getroffen wird, soll man die Gestalt des Gesichts einziehen. Auf diese Weise ergibt sich die Wendung [des Kopfes] vollkommen korrekt. Es gehört Sorgfalt20 dazu, dieses richtig zu tun. Um es noch verständlicher anzuzeigen, habe ich einen solchen gewendeten Kopf anschließend aufgerissen.

19 Diese Streckenmarkierung ist in der Illustration Nr. 277.116 nicht eingetragen; gemeint ist damit die Kinnlinie der oberen Ansichten. Tatsächlich eingezeichnet (und abgeschnitten) sind nur die äußeren Senkrechten 1 und 3. 20 „fleyß“, hier wie meistens im Sinne von diligentia.

fol. V3r

D Buch IV

fol. V3v (Nr. 277.116)

fol. V3v

In gleicher Weise, wie ich dieses Gesicht zur Seite gewendet habe, will ich es jetzt in Seitenansicht mit dem Kinn aufwärts richten und mit dem Haupt rückwärts neigen, um dann zu sehen, wie es von vorn anzusehen sei. Das ist wie folgt zu machen. Nimm das Viereck mit dem vollständigen Gesicht in Seitenansicht und stelle es mit der hinteren unteren Ecke auf eine horizontale Grundlinie x y, die untere vordere Ecke mit dem Kinn richte aufwärts. Danach reiße in Höhe der oberen Ecke des Vierecks eine zur unteren Linie x y parallele Querlinie tz ß. Zwischen diesen beiden parallelen Horizontalen muß oben und unten das seitenansichtige Viereck mit den zwei Ecken auf der Kippe stehend („uber ort“) einbegriffen sein. Danach fertige zur Seite des Profilhauptes zwischen den beiden Horizontalen das rückwärts geneigte Haupt frontal in seiner Breite, wie zuvor beschrieben. Mache es so:

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fol. V3v / fol. V4r

fol. V4r

(Nr. 277.117)

Reiße zwischen den beiden Horizontalen mittels zweier Senkrechten a und b die Breite des frontalen Gesichts und ziehe zwischen ihnen die anderen Senkrechten c, d, e, f, g, h, i, k, mit denen, wie vorne beschrieben, alle Einzelheiten [des Gesichts] nach der Breite bemessen sind.21 Danach ziehe per „Übertrag“ mit Querlinien aus dem seitlichen emporgerichteten („auffgerichten“) Kopf alle Details hinüber in das Viereck des frontalen Gesichts von der höchsten Stelle des Hauptes, der Stirn, den Augenbrauen, der Nase, den Ohren, dem 21 Diese Buchstabenfolge zur Markierung der Breitenmaße des Gesichts entspricht in der Anzahl und Reihenfolge weder der dazugehörigen Illustration Nr. 277.117 noch den früheren Gesichtsrissen Nr. 277.25 und 277.26.

fol. V4r

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Mund, Kinn und Hals und was nötig noch ist. Aus den so gekreuzten und durchschnittenen Linien wirst du unterrichtet, wo du die Gestaltlinien aller Gesichtsteile im Unterschied zur vorigen Ansicht ziehen sollst. Darum achte beim Einzeichnen der Gestalt des Gesichtes, wo alle Bestandteile hinfallen. In gleicher Weise, wie man dieses Verfahren beim emporgerichteten Kopf anwendet, verfährt man auch beim Herunterbeugen („vndersich biegenn“). Damit dieses umso klarer verstanden werde, habe ich im folgenden beiderlei Köpfe aufgerissen, das emporgerichtete und das nieder gebückte. Es können auch diese zwei von vorn und von der Seite gesehenen Köpfe, das emporgerichtete und das vorwärts gebückte, zur Seite gewendet werden,22 das ergäbe in beiden Fällen eine Veränderung, die im Aufriß einen fremden Anblick böte. Dazu müssen aber die Grundrisse beider Varianten dienen, wie sie jetzt von dem emporgerichteten und dem vorgebeugten Gesicht fallen.23 Bei einer derartigen Verrückung der Grundrisse muß große Kunstfertigkeit walten, denn die Ergebnisse („ding“) zeigen sich in besonderem Maße der Richtigkeit verpf lichtet. Man kann auf diese Weise mit vielen der zuvor beschriebenen Köpfe von Mann und Weib verfahren und nicht allein mit den Köpfen, sondern mit dem ganzen Leib. Auf die gleiche Art und Weise, wie man das Haupt auf den Grund projiziert, kann man bei Bedarf den ganzen Leib als Grundriß wiedergeben. Aber bevor man das tut, soll man die Figur in gewünschter Weise biegen und in eine passende Rohform („bossen“) stellen, dann erst von allen Orten und Enden mit senkrechten Parallellinien auf den Grund fahren.

22 Gemeint ist die Wendung des Kopfes im Sinne der dritten Biege-Kategorie ins Halbprofil, wie Illustration 277.116. 23 Das heißt, es müssen zuvor Kopfgrundrisse der aufwärts und abwärts gekipptenVariante gezeichnet werden.

fol. V4r

D Buch IV

fol. V4v (Nr. 277.118)

fol. V4v

Damit man umso klarer verstehe, wie die Figuren gebogen werden können und wie sie aussehen, wenn man sie so verändert, will ich zuerst den zuvor beschriebenen Mann von sieben Häuptern Länge an den Stellen, wo er gebogen werden kann, in besagter Weise biegen. Ich nehme dieses Mannes abwärts gebeugtes Haupt und setze es in Seitenansicht auf die frontale Ansicht des Mannes, so erscheint sein Gesicht auf seine linke Seite gewendet. Das [gesenkte] frontale Gesicht setze ich hingegen auf den von der Seite gesehenen Körper, denn derselbe („eynig“) Mann muß zweimal aufgerissen werden. Danach beuge ich ihn oberhalb der Taille auf seine linke Seite, dadurch wird die rechte Schulter höher als die linke. Auch biege ich das Rückgrad auf mehreren Querlinien, damit der Körper nicht in einer [einzigen] völlig gestreckten Linie geneigt werde und strecke ihm seinen linken

fol. V4v / fol. V5r

fol. V5r

Arm ein wenig vor den Leib. Unterhalb des Gürtels beuge ich ihm die Hüfte ein wenig zur linken Seite und lasse ihn mit seinem linken Fuß [lotrecht] unter seinem Haupt stehen. Sein rechtes Bein strecke ich ihm ein wenig auf die rechte Seite. Und unter dem Knie biege ich ihm den Unterschenkel („schinbeyn“) ein wenig rückwärts, so muß er mit diesem Fuß auf den Zehen stehen. Zuerst wird so der frontalansichtige Mann aufgerissen, anschließend reißt man den Mann für die Seitenansicht per „Übertrag“ mittels der parallelen Querlinien, die alle Einzelheiten klar anzeigen und wo diese jeweils ihren Ort finden. Dahinein muß man die Gestaltlinien von neuem ziehen, aber anders als zuvor. Und in gleicher Weise beuge ich auch das Weib von sieben Häuptern Länge, das dem eben beschrie-

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fol. V5r

benen Mann zugehört, jedoch im Gegensinn; denn ich richte ihr das Gesicht aufwärts, allerdings wird dieses gleichfalls, wie vorher beim Mann, zur linken Seite gewendet. Und wie der Mann auf seine linke Seite gebogen ist, beuge ich das Weib auf die rechte Seite, doch mit einer weiblichen Gebärde. Ich bediene mich, wie zuvor, des „Übertrags“ von einer Figur auf die andere. Diese hier beschriebenen Figuren habe ich nachfolgend aufgerissen, damit du dich danach richten kannst. Ich zeige damit an, daß jeder diese Biegungen („ding“) anders und nach seinem Wohlgefallen anwenden („brauchen“) kann. Und nimm auch besonders zur Kenntnis, daß du zusammen mit dem Biegen auf einer jeden Ebene die Körperteile, so weit es verträglich ist, umwenden kannst, auf welche Seite du willst. Das verstehe so: Wenn der Mann mit seiner linken Schulter abwärts gegen die Hüfte gebogen ist, kannst du dieselbe Schulter [zugleich] auch nach hinten drehen 24 oder wenden und die rechte [Schulter] nach vorn, so daß der Leib dazwischen mit geht. Gleichermaßen kann mit ihm allenthalben verfahren werden. Du kannst das alles weitergehend anwenden, als es hier beschrieben ist. Nachdem nun ein wenig angezeigt wurde, wie frontalansichtige Figuren nach beiden Seiten zu biegen sind, will ich im weiteren das Biegen einer Figur in der Seitenansicht – nach vorn und nach hinten – lehren. Dazu soll die Figur zunächst für die seitliche Stellung in Angriff genommen werden. Dementsprechend wie ich oben den dicken, starken Mann und sein Weib aus Buch I verwendet habe, will ich auch desselben Buches letzten Mann und sein Weib, diejenigen von zehn Häuptern Länge, biegen, auf daß man die Unterschiede sehe zwischen der viel zu dicken und kurzen und der viel zu langen und dünnen Figur.25 Zunächst stelle ich diesen besagten zehn Häupter langen Mann mit gestrecktem Bein („gestracks“) auf seinen rechten Fuß, den linken Schenkel ziehe ich ihm jedoch nach hinten, wobei die eine Seite des Gesäßes mitgeht. Den Unterschenkel beuge ich ihm rückwärts, so daß er mit demselben Fuß auf den Zehen stehen muß. Ich beginne bei der Querlinie in Nabelhöhe und biege ihm das Rückgrad von [Biege-] Ort zu Ort in Form eines Bogens nach hinten 26, in 24 „reyben“: hier im Sinne von ‚drehen‘, ‚wenden‘; Grimm 14, Sp. 563. 25 Typ E und E I, Illustration Nr. 277.20–277.23. 26 „hindersich“ ist mißverständlich, denn der Mann (Nr. 277.123) wird inWirklichkeit nach vorn gebeugt. Dürer meint hier nur den nach hinten gekurvtenVerlauf der Wirbelsäule.

fol. V4v / fol. V5r

Höhe der Halsgrube komme ich wieder so weit nach vorn, daß ich die senkrechte Standlinie27 des Mannes zurücklasse. Dann beuge ich ihm den Hals mitsamt dem Haupt, das sich nach unten neigt und vor hängt. Der nach hinten gesetzte linke Fuß und der rechte Arm, der ihm nach hinten gestreckt ist, machen dann, daß er in der Waage steht. Das Weib jedoch will ich im Anschluß an ihren Mann in verschiedener Hinsicht („in etlichen Dingen“) im Gegensinn biegen, nämlich so. Von der Taille aufwärts biege ich sie nach hinten von Endpunkt zu Endpunkt bis in den Nacken und strecke ihr den rechten Arm ebenfalls nach hinten. Dann wiederum biege ich ihr von der Taille bis zum Ende der Hüfte28 das Gesäß auswärts. Danach rücke ich ihr auf der gleichen Hüftebene den rechten Oberschenkel mit dem Knie vor die senkrechte Standlinie der Figur. Jedoch unter dem Knie rücke ich den Unterschenkel („schinbeyn“) nach hinten; somit steht das Weib in der Waage, denn ich strecke ihr den linken Fuß so weit vor, daß sie mit ihm auf den Zehen zu stehen kommt. Danach ziehe ich per „Übertrag“ mittels der parallelen Horizontalen auf allen Ebenen („alle höch und nidern“) die in der Seitenansicht des gebogenen Weibs gemachten Veränderungen in die frontalansichtige Figur und trage dann, wie vorn beschrieben, die Breitenmaße ein und biege ihr die Hüfte ein wenig zur rechten Seite, so wird eine andere Gestalt daraus. Danach ziehe wieder die Gestaltlinien in das veränderte Liniengerüst ein, wie du es im folgenden aufgerissen siehst. Dieses alles schreibe ich dir zur Anleitung („beyspil“), daß du entsprechend die Figuren nach deinem Gefallen biegen mögest anders als es hier angezeigt ist. Denn man kann sie setzen, legen und was das Leben („lebendig“) zuläßt, das kann auf allerlei Weise in Ausführung genommen werden. Wie ich bei diesen beiden Figuren, der dicken, kurzen und der langen, dünnen, das Biegen angewendet habe, so können verschiedene der vorn beschriebenen Figuren gebogen werden, und man kann mit ihnen in der dargestellten Weise umgehen.

27 „aufrecht lini“: die Schwerpunktlinie. 28 Nach unserer Nomenklatur: Hüfte unten.

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fol. V5v (Nr. 277.119)

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fol. V6v (Nr. 277.121)

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Nachfolgend will ich ein wenig weitersehen, wie ich die Figuren krümmen, schieben, wenden, winden, strecken und stauchen kann und durch die Anwendung recht zu verstehen geben, wie denn vorher [bereits] das Biegen und Wenden ein wenig aufgerissen worden ist. Um das Verständnis dessen zu erleichtern, will ich mich zweier viereckiger Corpora bedienen, die aufeinander stehen sollen. Und beachte, im Deutschen soll zwischen einer viereckigen Ebene und einem viereckigen Corpus unterschieden werden.29 Es ist zu be29 Diese Aussage läßt erkennen, daß im Deutschen das Wort „geviert“ sowohl für entsprechend gebildete Flächen als auch Körper verwendet wurde, weshalb Dürer zur Unterscheidung das lateinische corpus einführt, vgl. Grimm 6, Sp. 4682 (geviert).

fol. X6v / fol. Y1r

fol. Y1r

(Nr. 277.133)

denken, wie man diese Corpora, die als verformbar („weych“) aufzufassen sind, ausdehnen („von einand‘ thenen“), strecken oder stauchen, desgleichen allen anderen genannten Biege-Verfahren unterziehen kann. Das also will ich zur Anwendung bringen. Wir wollen anstelle der Körperteile zwei viereckige Corpora, wie oben verlautete, aufeinanderstellen und die beiden viereckigen Flächen beider Corpora, mit denen sie aufeinanderstehen, in jeder Ecke bezeichnen, damit man sie unterscheiden kann. Wir bezeichnen deshalb die vier Ecken der unteren Fläche des oberen Corpus mit a, b, c, d und die vier Ecken der oberen Fläche des unteren Corpus mit 1, 2, 3, 4,30 und 30 Die Corpora sind strikt frontal wiedergegeben, ihre Räumlichkeit kommt allein durch die Bezeichnung mit Ziffern und Buchstaben zum Ausdruck.

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ihrer beider Mitte oder Zentrum sei der Punkt o,31 in dem sie aufeinander liegen. Dieser Punkt o bleibt stets unverändert („steet“), denn man wendet [um ihn] ja die anderen Teile [des Corpus] nach Belieben hin und her. Nun will ich einen Grundriß der beiden Corpora, die aufeinanderstehen, unterhalb aufreißen und dessen Ecken mit Buchstaben und Ziffern bezeichnen, wie es die senkrechten Linien, die aus dem „Übertrag“ herabfallen, im Grund anzeigen, also kommt a1 in die eine, b2 in die andere, c3 in die dritte und d4 in die vierte Ecke, wie ich es hier denn aufgerissen habe. Nun wollen wir das obere Corpus ein wenig zu einer Seite wenden32, so daß keine Ecke auf der anderen bleibe. Das mache im Grundriß; es bewirkt, daß sich die Ecke a von der Ecke 1, b von 2, c von 3 und d von 4 entfernt. Wenn du dann wieder aus den so verrückten Ecken auf dem Wege des „Übertrags“ mit senkrechten Linien aufwärts fährst, so findet sich das obere viereckige Corpus, wie es nach der Wendung geworden ist. So habe ich es neben dem vorigen Grundriß aufgerissen. Das Wenden und Umdrehen 33 kann angewandt werden bei allen Querlinien, die ich in Höhe der jeweiligen menschlichen Körperteile gezogen habe und zwar in jedem Gelenk, soweit es die Natur gestattet. Nach dieser Regel („meinung“) ist das vorne beschriebene gewendete Gesicht gemacht. 34 fol. Y1r

fol. X6v / fol. Y1r

det, das andere Mal zur Seite gebogen ist, wollen wir es nun zum dritten Mal [ändern] und zwar nach vorn biegen,36 doch so, daß immer der Punkt o unverändert bleibt, es sei denn, daß es bei gewissen Anwendungen gelegentlich nötig sei [ihn zu bewegen]. Somit geschehen die Wendung sowie die Biegungen seitwärts und nach vorn gemeinsam. Danach projiziere ich das alles mittels „Übertrag“ auf den Grund, wie zuvor beschrieben; es sieht dann so aus, wie ich es unten aufgerissen habe.

Nachdem nun das obere viereckige Corpus zur Seite gewendet worden ist, wobei sich die Ecken voneinander entfernt haben, wollen wir es weiterhin, in eben dieser Wendung, auf eine Seite biegen,35 so daß es nicht aufrecht bleibt, und es anschließend wieder auf den Grund projizieren. Damit man die oberen Ecken des Corpus, wenn man sie auf den Grund projiziert, wiedererkennen kann, wollen wir sie anmerken mit e, f, g, h, während die vier unteren Ecken mit a, b, c, d bezeichnet sind. Und wenn du das, wie oben [geschrieben] steht („steet“), machst, sieht es aus, wie ich es hier unten aufgerissen habe: durch den Übertrag mittels senkrechter Linien im Grund angezeigt. Nachdem nun dieses Corpus oben auf dem anderen in zweierlei Weise verändert, nämlich einmal gewen31 Gedacht als Mittelachse. 32 Gemäß dem dritten Schema Nr. 277.114 unten; statt „wenden“ würden wir hier ‚drehen‘ sagen. 33 „umbreyben“: ‚umreiben‘; vgl. S. 244,Anm. 24. 34 Gemeint ist Nr. 277.116. 35 Gemäß dem ersten Schema Nr. 277.114 oben; statt „biegen“ würden wir hier ‚kippen‘ sagen.

36 Statt „fürsich biegen“ würden wir ‚kanten/verkanten‘ sagen.

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fol. Y1v (Nr. 277.134)

fol. Y1v

Entsprechend wie vorn, wo von zwei aufeinander gestellten viereckigen Corpora das obere zur Seite gewendet und in dieser Lage auch nach vorn und hinten gebogen werden kann, mag man ebenso auch mit dem unteren Corpus verfahren. Und wie man es will, kann man ein Corpus stehen lassen und mit dem anderen handeln oder mit allen beiden [zugleich], das hängt vom Bedarf ab. Wenn jedoch solche Konstruktionen („ding“) aufgerissen werden, gehen ihre Seiten 37, Ecken und Ebenen in aufrechter Stellung sowie im Grundriß gar seltsam durcheinander, wie du das vor Augen siehst. Denn an einigen Enden gehen die Corpora ineinander und übereinander, während sie an der anderen Seite auseinander und voneinander weggehen. Und wenn dieses mit formbaren („weychen“) 37 „serten“: lies Seiten.

fol. Y1v / fol. Y2r

fol. Y2r

(Nr. 277.135)

Elementen („dingen“) vorgenommen würde, dann streckte sich einiges, anderes stauchte sich dagegen übereinander. Daraus folgt in einem Werk: Was einem Teil genommen wird, das gibt man einem anderen zu, womit man die [entstandenen] Lücken kompensiert („auß büst“). Es ist auch zu beachten: In gleicher Weise, wie die zuvor beschriebenen Corpora mit ihren geraden Linien gewendet und gebogen sind,38 kann man bei einem formbaren („weichen“) Corpus auch alle Linien, Seiten und Ebenen39 in alle beliebigen Richtungen krümmen. Zum besseren Verständnis will ich die beiden 38 Gemeint ist die Situation Nr. 277.133. 39 Die lt. „Corrigierung“ 1528 an dieser Stelle geforderte Ergänzung des Wortes „ebne“ ist im gedruckten Text bereits realisiert.

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fol. Y2r

vorher aufgerissenen Corpora in der Weise, wie sie vorn gewendet und gebogen sind, hier unten noch einmal aufreißen und einige ihrer Seitenlinien und Ebenen krümmen, damit du es aufgrund der Illustration verstehst. Nachdem anhand der beiden viereckigen Corpora vorn die Verschiedenheiten des Biegens, Krümmens etc. verstanden sind, bleibt noch das Winden, das auch verständlich gemacht werden soll. Das Winden benutzt man an den Seitenlinien von Eck zu Eck, wodurch sich auch die viereckigen Ebenen des Corpus winden. Es ist durchaus vergleichbar dem Krümmen, von dem vorher gesprochen wurde, nur daß diese Windung in Form des Schraubens („schrauffens weyß“) vor sich geht. Solche Windung kannst du nach deinen Wünschen anwenden, es bleibt dadurch keine Form („ding“) wie sie vorher war. Wenn du dieses mittels Windung veränderte obere Viereck auf den Grund projizierst, so wird der Grundriß anders als vorher, wie ich es im folgenden aufgerissen habe. Denn wenn immer ein aufgezogener40 Gegenstand verrückt wird, ergibt er einen anderen Grundriß. Und auch das soll beachtet werden: Wenn man einen Gegenstand wenden will, muß man das im Grundriß tun und diesen anschließend aufziehen. Das Hin- und Herbeugen eines Gegenstands jedoch muß in dessen Ausgangssituation („dem auffgezognen“) geschehen, erst dann wird er auf den Grund projiziert. Obwohl ich mich bisher [nur] dieser zwei viereckigen Corpora bedient habe, habe ich auch andere Corpora im Sinne gehabt, die gleichermaßen zu behandeln („brauchen“) sind. Denn es kommt vor, daß man länglicher oder kurzer, schmaler, breiter, dicker oder viereckiger Corpora bedarf oder anderer von mehr Seiten, Ecken und Ebenen. Denn solche eckigen Corpora sollen tauglich („düglich“) gemacht werden für die Gestalt, für die sie bestimmt sind („die darein gehört“). Darum werden sie [gegebenenfalls] von ungleichen Ebenen, Seiten und Winkeln, etwa oben groß und unten klein und umgekehrt sein. Also kommt es wohl, daß kein für ein Corpus bestimmtes Körperteil („ding“) dem anderen gleicht. Wer in sol40 „auffgezogen“ meint hier und im folgenden die Position eines Corpus oben in der jeweiligen Illustration, also in der Lage,die es ihrerseits erlaubt,seinen Grundriß nieder zu ziehen. Umgekehrt kann das Corpus aus dem Grundriß gegebenenfalls wieder ‚geliftet‘, also „aufgezogen“ und zur Ansicht gebracht werden. Wir behalten den Dürerer‘schen Terminus bei.

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fol. Y1v / fol. Y2r / fol. Y2v

cher Sache arbeitet, wird finden, daß ich dieses nicht umsonst sage. Es ist jedoch in gleicher Weise mit den veränderten („verkertenn“) Corpora zu verfahren wie mit den bisher beschriebenen viereckigen. Weiterhin ist auch mit dem ganzen menschlichen Leib ebenso umzugehen, der da mit einem eckigen Corpus umschrieben würde oder auch nicht.41 Und bei vielen anderen Gelegenheiten („dingen“) kann die Anwendung ebenso vorgenommen werden. Denn jedes körperliche Geschöpf kannst du, sofern es zuvor aufgerissen ist, an den durch Querlinien markierten Körperabschnitten wenden, biegen und zwar seitlich, nach hinten oder nach vorn und [seine Abschnitte] dazwischen in rechteckige oder eckige Corpora42 einfassen und so, nach Wunsch, einer Figur einen Stand machen oder sie legen oder setzen. Darum kann man, wie gesagt,43 wenn man will, eine komplette vorher beschriebene Figur in bloße viereckige oder eckige Corpora legen und die so eingefaßte Figur nach eigenem Sinn biegen und wenden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, zu strecken, zu stauchen, zu krümmen und zu winden, wie vorne angezeigt. Dadurch wird einem der rechte Weg gewiesen. Solcher Weg oder solche Regel ist nicht unnütz den Bildhauern, die zu lernen anfangen, etwas aus Holz oder Stein zu machen, um so einen Gegenstand richtig und genau nachbilden zu können. Denn dadurch findet man heraus, auf allen Ebenen von den eckigen Corpora das wegzuhauen, was weg gehört, – damit man nicht zuviel weghaue oder stehen lasse. Doch ein verständiger und wohlgeübter Mann bedarf solcher Hilfsmittel nicht immer, es wäre denn ein Werk besonders groß. Wer jedoch in der Kunst verständig ist, der punktiere die zuvor beschriebene Figur und biege sie dann, darauf erst ziehe er die Gestaltlinien wieder von Punkt zu Punkt in die neu entstandene Veränderung, die das Verrücken mit sich 41 Die letzte Bemerkung ist unklar. Cam. II, fol. F3r deutet: „sed in qua summa sit inaequalitas“. 42 Die hier und im folgenden ausgesprochene Unterscheidung zwischen „gefierten corpora“ und „ecketten corpora“ wird von Dürer nicht präzisiert. Unter dem ersten wird offensichtlich ein Corpus mit rechten Winkeln verstanden, also ein Würfel oder ein Quader, unter dem zweiten einer, dessen Kanten nicht rechtwinklig verlaufen, also jeder andere Polyeder. Cam. II, fol. F3r spricht von figurae quadratae vel angulares, wobei der erste Terminus (quadratus) einen Sonderfall darstellt, der, wie die Anwendungen zeigen, von Dürer nur als Möglichkeit in Betracht gezogen wird. 43 Dürer hatte bereits vorn in Buch IV recht ausführlich über das Kuben-Verfahren, angewendet an ganzen Figuren, und seine Berührung mit der Bildhauerei gesprochen (fol.V3r.).

fol. Y2v

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fol. Y2v

bringt. Es ist schwierig, von diesen Dingen zu schreiben, und noch verdrießlicher, es zu lesen und zu lernen der vielen Worte, Punkte und Zeichen wegen. Es sind jedoch in diesem Zusammenhang („ding“) weit günstigere Wege zu benutzen, denn wenn das nicht der Fall wäre, käme es gar schwer und hart an, solches zu bewerkstelligen. Wer hierbei sucht, der findet täglich naheliegende Mittel und Wege, wodurch Tag für Tag die Schwierigkeiten abnehmen („die ding geringer ankumen“). Darum ist es gut, einen Meister zu haben, der täglich Anleitung gibt. Jedoch, ohne einen Meister zu lernen, macht sechsfache Mühe und Arbeit. Nun will ich diese oben angekündigte [Figur] als Beispiel ins Werk setzen und nehme dafür den Mann von neun Häuptern Länge aus Buch II, dessen Haupt oben verlängert ist, so daß er dann nicht mehr neun

fol. Y2v / fol. Y3r

fol. Y3r (Nr. 277.136)

Häupter lang ist.44 Ich umschließe seine Gestaltlinien mit ausschließlich45 viereckigen bzw. eckigen Corpora in Seiten- und Frontalansicht. Es werden jedoch diese Corpora hoch oder niedrig je nach den Querlinien, die diese begrenzen („teylen“), und sie ergeben sich ungleichmäßig aufgrund der menschlichen Gestalt, die sie einfassen. Die gesamte Länge des Mannes will ich mit neun Schnitten in zehn eckige Corpora unterteilen, deren keines die Form des anderen hat. 44 Ein Mann dieses Längenmaßes mit erhöhtem Schädel kommt in Buch II nicht vor (wie überhaupt dort nicht mit Kopflängen gearbeitet wird).Vgl. S. 320,Anm. 24. Die Illustration Nr. 277.136 zeigt einen Mann von etwa acht Köpfen Länge. 45 „mit eytel“: hier im Sinne von ‚mit nichts als‘, ‚ausschließlich‘.

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Die Schnitte sollen diese sein: Kinn, Schulter oben, Halsgrube, Brustwarzen, Taille, Hüfte oben, Hüfte unten, Kniebiegung46, Fußknöchel unten. Damit dieses verstanden werde, habe ich diesen besagten Mann hier zunächst mit seinen Gestaltlinien aufgerissen und anschließend mit den geraden Linien der viereckigen Corpora47 umkleidet („umbzogen“), von der Seite und von vorn zu sehen, so daß er aufrecht und gerade ohne jede Biegung („büg“) steht, den rechten Arm von sich streckt und den linken nach unten hängen läßt, wie du siehst. Anschließend auf dem nächsten Blatt will ich allein die viereckigen Corpora aufeinandergestellt aufreißen und die Gestaltlinien des Mannes weglassen. Darauf nehme ich diese viereckigen Corpora, darin die Figur eingeschlossen („verleybt“) ist, so wie sie aufeinanderstehen und projiziere sie mittels „Übertrag“ auf den Grund, so wie es vorn mit dem Haupt gemacht worden ist. Wie dieses aussieht, habe ich unter der aufgerichteten Figur aufgerissen.48 Anschließend habe ich weiterhin aufgerissen, welche Form der Leib in jedem Schnitt gewinnt und wie seine Rundung zu ziehen ist, wenn man auf die betreffende viereckige Ebene schaut. Man sucht und findet diese an der Figur anhand ihrer seitlichen und frontalen Wiedergabe; dann sieht man, wie die Maße der jeweiligen viereckigen Ebenen in jedem Schnitt [vom Körperumriß] abweichen49. Man achte auch darauf: Wo zwei viereckige Corpora mit der Schnittf läche aufeinanderstehen, ist der Leibesumriß auf der unteren Fläche des oberen Corpus identisch mit jenem auf der oberen Fläche des unteren Corpus. Auch habe ich diese viereckigen Schnitte, in die hinein der Leibesumriß jeweils gesondert gezogen ist, zur besseren Orientierung („merckung“) mit einem orthogonalen Liniengitter („linien kreutzweyß“) versehen, damit die Leibesumrisse, wenn die viereckigen Ebenen gewendet oder verrückt werden, wieder richtig eingezogen werden können. Denn es kommt oft vor, daß die viereckigen Ebenen schmal werden oder rau46 „die knie büg“, die Kniebiegung; diese neue Bezeichnung dürfte jener „mitten im knie“, Kniemitte entsprechen. In der Illustration Nr. 277.138 lediglich: „Knie“. 47 Unter „gefirte corpora“ sind hier auch solche Körper begriffen, die nur zwei rechtwinklige Flächen besitzen (oben und unten), also einem Pyramidenstumpf gleichen. 48 Der Grundriß: Nr. 277.137 unten, Verweis auf den Kopf: Nr. 277.116. 49 „was dem gefirten plano abgeet“ – im Verhältnis zur Körperrundung.

fol. Y2v

tenförmig („rautens weyß“) 50 kommen, in welche die Rundung des Leibesumrisses wieder richtig eingezogen werden muß. Und gleichermaßen, wie die viereckige Ebene rautenförmig kommt, muß das darin befindliche Liniengitter entsprechend („gleych messig“) [also rautenförmig] gezogen werden. Und wo du die Binnenformen („ding“), die vorher ausgedehnt waren und die nun eng zusammen gerückt sind, wieder [maßstabsgerecht] einteilen willst, mußt du dich des „Verkehrers“ aus Buch I bedienen. Anschließend habe ich nochmals in Form eines Grundrisses die sich in den Schnitten ergebenden Leibesumrisse aufgerissen und zwar ohne die viereckigen Ebenen, damit angezeigt werde, wie sie aufeinander fallen und wie ein Teil den anderen überragt.51

50 Eine rautenförmige Schnittfläche kommt hier (Nr. 277.138) nicht vor, allein die Fußsohle ist in ein Trapez gestellt, das Dürer vielleicht als Raute verstanden hat, ohne allerdings „kreutzlinien“ einzutragen. 51 Nr. 277.138 unten rechts.

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fol. Y3v (Nr. 277.137)

fol. Y3v

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fol. Y4r

(Nr. 277.138)

fol. Y4r

Nun will ich im weiteren sehen, wie sich auf einer jeden Schnittf läche die Umrisse des Leibs verändern, wenn die viereckigen Corpora des Leibs verrückt werden und nicht mehr gerade aufeinander bleiben. Um dieses deutlich anzuzeigen, will ich [als Beispiel] das viereckige Corpus zwischen den Schnitten der Brustwarzen und der Taille nehmen.52 Zuerst stelle ich dieses aufrecht in Seitenansicht auf eine waagerechte Linie und bezeichne die vier Ecken des Schnitts oben bei den Brustwarzen vorn a und b, hinten c und d sowie unten an der Taille vorn 1 und 2, hinten 3 und 4. 53 Dieses Corpus projiziere nach unten auf den 52 Es handelt sich um das Corpus 5 in Nr. 277.137 also dasjenige zwischen den Schnitten 4 und 5 von Nr. 277.138: ein Pyramidenstumpf. 53 Unter „forn“ und „hinden“ ist wieder die Körper-

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fol. Y4r / fol. Y4v

Grund, den ich [an den Ecken] gleichfalls mit den Buchstaben und Ziffern wie oben bezeichne,54 damit beides miteinander korrespondiere („eins auff das ander diene“). Danach nimm das seitenansichtige aufrechte Corpus, das auf der Waagerechten steht, beuge es in der Markierung („im zeychen“) 55 des Rückgrads nach vorn abwärts und lasse abermals seinen geänderten Grundriß senkrecht niederfallen56, setze dann die Buchstaben und Ziffern durchweg in ihre Ecken. Somit ist dieses Corpus einmal nach vorn gebeugt und ergibt einen neuen Grundriß. Nachdem dieser Grundriß nun gemacht ist, nimm ihn und wende ihn nach vorn zur Brust gegen dich und zwar nach rechts, dieses unter der besagten Waagerechten. Danach fahre aus allen mit Buchstaben und Ziffern versehenen Ecken des gewendeten Grundrisses aufwärts gegen die waagerechte Linie und über sie hinaus. Anschließend ziehe aus dem nach vorn gebeugten aufgezognen Corpus aus allen mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Ecken mittels „Übertrag“ Querlinien durch die senkrechten Linien, die aus dem gewendeten Grundriß aus allen Buchstaben und Ziffern aufwärts gezogen sind. Und beachte die Punkte, wo die senkrechten und waagerechten Linien einander kreuzen, da findest du eine jede Ecke des Corpus. Danach ziehe von Ecke zu Ecke die Kanten(„seyten-)linien, dann siehst du, wie sich das Corpus zur Seite gewendet hat. Somit ist das besagte Corpus nach vorn gebeugt und auf eine Seite gewendet. Nun nimm das nach vorn gebeugte und zur Seite gewendete Corpus und beuge es in der Markierung des Rückgrads nach rechts. Danach fahre mit senkrechten Linien aus allen mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Ecken des eben aufgezogenen nach vorn gebeugten, gewendeten und zur Seite gebogenen Corpus‘ abwärts. Dann ziehe mittels „Übertrag“ aus allen Ecken des vorigen gewendeten Grundrisses waagerechte Linien durch die Senkrechten. Wo sich diese und jene mit ihren jeweiligen Buchstaben und Ziffern schneiden, da ziehe die Kantenlinien des Corpus im Grundriß, so findest du alles in richtiger Ordnung. richtung gemeint; also a und b auf der Seite und in Höhe der Brustwarzen – hintereinander in der Tiefe liegend zu denken (c und d fehlen im ersten Diagramm), 1 und 2 sowie 3 und 4 in Taillenhöhe an Bauch und Rücken (277.139, links oben). 54 Diese Einträge fehlen auf der betreffenden Graphik. 55 Gemeint ist das kleine Dreieck („triengellein“) zur Kennzeichnung der Gelenke in der Seitenansicht, hier ein Rückenwirbel. 56 „fell“: ‚senke nieder‘, ‚lasse senkrecht niederfallen‘; Grimm 3, Sp. 1286.

fol. Y4v

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Danach nimm unten und oben die Tiefen- und Breitenmaße der neu entstandenen Schnitte des Körpers nach der Seite und der Front und ziehe wiederum die Gitterlinien durch den „Verkehrer“ in sie hinein. Und ziehe dann die Gestaltlinien in die Gitter so wie sie in den Schnitten des aufgezogenen [Zustands] und des abgesenkten Grundes verlaufen sollen. So habe ich es nachfolgend aufgerissen. Und ebenso wie ich mit diesem einen Corpus verfahre, kann mit allen Corpora durch die ganze Figur verfahren werden. Wenn man später die Figur, wie sie durch die Verrückung geworden ist, in eine verkürzte und perspektivische57 Darstellung bringen will, ist es nötig, solches vorher zu haben, woraus man das machen kann. Dieser „Verkehrer“ wird benutzt für das Seitenmaß des Schnitts bei den Brustwarzen Dieser „Verkehrer“ wird benutzt für das Maß der Vorderansicht des Schnitts bei den Brustwarzen Dieser „Verkehrer“ wird benutzt für das Seitenmaß des Schnitts bei der Taille Dieser „Verkehrer“ wird benutzt für das Maß der Vorderansicht des Schnitts bei der Taille.

57 „abgestolln gemel“, offenbar von ‚stehlen‘. Satz leicht verändert gegenüber dem Entwurf: „Dan es ist nott, so man nachmals das bild wölt jn ein ferkurzt und ab gestoln gemell bringen, das man solchs zw for hab, doraws mans machen kann“; R III, S. 148. Eine Sinnverbindung mit stehlen hat ihre Schwierigkeit.Cam. II, fol. I4v übersetzt dennoch wörtlich (suffurari), wenn auch mit vorgeschicktem quasi, wohl als Eingeständnis eigener Verständnisschwierigkeit. Vergleichbar in der „Unterweisung der Messung“, fol. Q1r, v.Vermutlich meint Dürers Wortwahl „abstehlen“ die durch perspektivische Wiedergabe bewirkte Verkürzung einer Figur, als sei dieser etwas weggenommen worden.Vgl. zur Wortdeutung auch R II, S. 95, Anm. 4. Das Wort „abgestolen“ erscheint später im Titel des Kunstbüchleins von Erhart Schoen in offenkundig ebendieser Bedeutung: Schoen 1538. Panofsky, der unsere Stelle zitiert und ausführlich bespricht, übergeht die Frage der Wortbedeutung: Panofsky 1913, S. 61.

fol. Y4v

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fol. Y4v / fol. Y5r

fol. Y4v (Nr. 277.139)

fol. Y5r

Hier wurde nun anhand eines der größten Vierecke und Corpora des Leibs58, demjenigen zwischen den Schnitten der Brustwarzen und der Taille, angezeigt, wie man die Verrückung aller viereckigen Corpora des Leibs, die alle senkrecht entlang einer Linie aufeinanderstehen, bewerkstelligt. Daraus will ich ferner59 folgendes in Angriff nehmen. Wir wollen nun die viereckigen Corpora der Figur nacheinander durchaus nach Belieben biegen und wenden und dabei alles, was dazu von dem zuvor Gesagten nötig ist, einbringen. Die Stellung der Figur bestimmen wir nach unserem Gutdünken, ein anderer mag es anders machen. Wie vorn gesagt, ist zu beachten, daß jedes viereckige 58 „größten fierung“, dasViereck 4 (Nr. 277.138) besitzt die größte aller hier behandelten Schnittebenen. 59 „forter“: ‚fortan‘, ‚jetzt‘, ‚ferner‘; Grimm 4, Sp. 8 (fort).

Corpus, wenn es verrückt wird, im Aufriß durchweg anders erscheint, je nachdem, ob es denn aufgezogen oder im Grundriß wiedergegeben ist. Denn zunächst soll ein Corpus entweder nach vorn oder nach hinten gebogen werden, anschließend kann man es auf eine Seite wenden und drittens auf eine Seite beugen. Mit der beschriebenen Methode 60 wird dieses eigens ergründet61 und richtig gefunden. Daß ich dennoch einiges des bereits Behandelten erneut anspreche, ist notwendig, um nach Art des bereits Gemachten gleichermaßen durch alle anderen Corpora zu fahren. Ich hätte es auch bei der vorn gezeigten Verkubung („fi60 „durch die obgemelten grund“; Cam. II, fol. K1r: ex hac ratione. 61 „ersucht“: im Sinne von erforschen, ergründen; Grimm 3, Sp. 1024.

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rung“) des Leibes bleiben lassen können, ich dachte jedoch, daß es nicht hinreichend verständlich sei.62 Darum nehme ich mir zuerst den Anfang der Figur vor, das ist das viereckige Corpus des Hauptes,63 und wie ich mit ihm verfahre, will ich es gleichermaßen mit allen anderen viereckigen Corpora des Leibes halten. Ich beginne nun und bezeichne des Hauptes Corpus‘ obere vier Ecken mit a, b, c, d, die unteren vier Ecken mit 1, 2, 3, 4, so daß a und 1, b und 2, c und 3, d und 4 übereinander zu liegen kommen. Ich sehe das [Corpus des Hauptes] zuerst in Seitenansicht, rücke es vor die senkrechte Linie, an der die Figur steht, und beuge es zunächst nach vorn. Daraus muß ich seinen Grundriß ermitteln, damit ich weiß, um wie viel dann der obere Teil über den unteren hinausschießt. Nachdem ich das getan habe, bezeichne ich die betreffende Illustration mit A. Danach nehme ich diesen ersten Grundriß und setze ihn mit seiner Vorderseite gegen mich, so daß ich ihn von vorn ansehe; ich wende ihn auch vorn ein wenig auf seine rechte Seite und ziehe dann aus allen mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Ecken senkrechte Linien aufwärts. Dann setze ich das Corpus des Hauptes in Seitenansicht, wie es abwärts geneigt worden ist, neben diese aufgezogenen Senkrechten und reiße dann aus allen mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Ecken des von der Seite gesehenen Corpus A mittels „Übertrag“ waagerechte Linien durch die senkrechten. Wo sich dann diese und jene mit ihren jeweiligen Buchstaben und Ziffern schneiden, da finden sich die Ecken [des Corpus], oben die Buchstaben, unten die Ziffern. Wenn du dann die Punkte mit Linien verbindest, so findet sich wieder das seitenansichtige abwärts gebeugte Corpus, nun auf eine Seite gewendet, von vorn anzusehen mit seinem darunter liegenden Grundriß. Dieser Teil der Illustration sei mit B bezeichnet. Nun sollst du auch wissen, wie dieser Teil B im aufgezogenen Zustand und im abgesenkten Riß von der Seite aussieht. Es ist nämlich nötig, immer zu wissen, welche Gestalt ein Gegenstand im Aufriß bei seitlicher und frontaler Ansicht gewinnt. Nun ist das Corpus abwärts gebeugt und auf eine Seite gewendet, wie du es in der Illustration B im aufgezogenen und abgesenkten Riß siehst, dieses ist jedoch von vorn ansichtig aufgerissen. Nun müssen wir auch wissen, welche Gestalt diese Situation („dis“) in seitlicher Ansicht gewinnt. Mache dazu folgendes. Den vorigen zu einer Seite gewendeten Grundriß, den du vorher von vorn angesehen hast, wende nun erneut und sieh ihn unter 62 Gemeint ist die stereometrische Figur Nr. 277.137. 63 Corpus 1 der Nr. 277.137.Ausgeführt in Nr. 277.140.

fol. Y5r / fol. Y5v

fol. Y5r (Nr. 277.136)

Wahrung der Maße („gleych messig“) und recht von der Seite an und ziehe wieder aus allen mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Ecken des [neuen] Grundrisses Linien mittels „Übertrag“ aufwärts und setze dann das vorige von vorn ansichtige Corpus, so wie es gewendet und gebogen ist, neben die aufgezogenen Linien. Fahre dann mit Querlinien aus allen mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Ecken dieses aufgezogenen Corpus‘ per „Übertrag“ in die senkrechten Linien, die aus dem Grundriß nach oben gezogen sind. An die Punkte, wo diese Linien mit ihren jeweiligen Buchstaben und Ziffern einander schneiden, setze die entsprechenden Buchstaben und Ziffern und verbinde dann diese Punkte mit Linien. So erblickst du, wie das gewendete Corpus in seitlicher Sicht im aufgezogenen Zustand und im abgesenkten Riß aus-

fol. Y5v

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fol. Y5v

sieht. Zu diesem Teil der Illustration setze C. Nun sollst du daraus eine dritte64 Variante ermitteln, derart daß das Corpus nach vorn geneigt, zur Seite gewendet und zudem auf eine Seite gebogen werde, dieses ist [bereits] vorn angezeigt. [ Jetzt] aber mache folgendes. Nimm das aufgezogene Corpus B und beuge es auf die rechte Seite, wie es denn auch zuvor auf die rechte Seite gewendet worden ist. Den darunter liegenden Grundriß lasse so noch liegen, doch wird dieser anders werden müssen. Dann müssen die vier oberen Ecken a, b, c, d auf die rechte Seite fallen, und die Seiten des unteren Vierecks 1 2 und 3 4 werden schmäler; desgleichen die oberen zwei Seiten a b und c d. Das 64 „dryt“, im laufenden Verfahrens müßte es sich jedoch um die vierte Variation handeln, die mit D gekennzeichnet ist.

fol. Y5v / fol. Z1r

fol. Z1r

(Nr. 277.140)

ergibt sich so. Ziehe mittels „Übertrag“ senkrechte Linien aus den oberen vier Ecken a und b sowie c und d herab in den Grundriß, so siehst du, wo du die Linien a b und c d im Grundriß abschneiden und verlängern sollst. Das zeigen die mit Buchstaben bezeichneten Linien an, die senkrecht nach unten gezogen werden. Ebenso fährt man mit Linien auch abwärts aus den mit Ziffern bezeichneten Ecken des aufgezogenen Zustandes. Diese zeigen dir auch an, um wieviel schmaler als zuvor die Seiten 1 2 und 3 4 des Grundrisses werden. Somit siehst du, um wieviel das obere Teil sich im Grundriß gemäß dem aufgerichteten auf eine Seite wirft. Und dieses Teil bezeichne ich D. Fünftens sollst du ferner wissen, welche Gestalt dieses [Corpus] in seitlicher Ansicht im Aufriß gewinnt. Tue folgendes. Nimm diesen Grundriß D und stelle ihn in Seitenansicht, wie vorher der Grundriß C

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fol. Z1r

gestellt worden ist, und fahre aus allen mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Ecken mittels „Übertrag“ aufwärts. Danach fahre mit Querlinien aus dem Corpus D durch diese Senkrechten. Wo sich die Linien mit ihren jeweiligen Buchstaben und Ziffern treffen, da setze Punkte mit den betreffenden Buchstaben und Ziffern und verbinde sie mit Linien. Diese zeigen dir an, wie das Corpus im Aufriß von der Seite anzusehen ist. Diese Variante bezeichne mit E. Somit sind beide Corpora („teyl“), das frontal- und das seitenansichtige, fertiggestellt, und man kann etwas daraus machen. Danach nimm dir das zweite viereckige Corpus, das den Hals umschließt,65 und verfahre in gleicher Weise wie mit dem eben behandelten Corpus des Hauptes. Beuge es aber weniger abwärts und wende es auch etwas weniger auf die rechte Seite, beuge es auf die rechte Seite ebenfalls weniger als66 das obere Corpus des Hauptes gebogen ist. Bezeichne die vier [oberen] Ecken gleichfalls a, b, c, d und die unteren 1, 2, 3, 4. So siehst du, wie beim Aufreißen die Ebenen („gründ“) aufgezogen und abgesenkt werden, besonders bei den beiden letzten [Varianten], die zu bewerkstelligen sind. Ebenso mache es bei den folgenden Corpora. Und beuge immer die unteren Corpora weniger abwärts („fürsich“) und wende sie weniger zur rechten Seite. Und beuge das Corpus auch weniger auf die rechte Seite, als das darüber befindliche gewendet ist, damit alle diese Teile („ding“) nach einander richtig und gef ällig angeordnet sind. Dadurch wird gefunden, in welcher Weise sich der Leib zur rechten Seite wendet, sich auf die Seite und nach vorn neigt. Wenn du aber zum fünften viereckigen Corpus zwischen den Schnitten an den Brustwarzen und der Taille kommst,67 laß dieses aufrecht stehen. Doch wende es ein wenig zur rechten Seite und mache ihm die nötigen Ansichten68. Es sind nicht mehr als drei Ansichten erforderlich. Erstens die seitliche des Grundrisses wegen, den man – zweitens – nach vorn beugt und sodann aufzieht. Danach macht man die dritte Ansicht, zur Seite gewendet zu sehen. Ich bezeichne diese drei Ansichten mit den Buchstaben C, D, E und beginne nicht mit A, wie 65 Corpus 2, Nr. 277.137.Ausgeführt Nr. 277.141. 66 „weder“: ‚wie‘, ‚als‘. 67 Corpus 5, Nr. 277.137. Die zugehörige Graphik: Nr. 277.144 oben, wo die Varianten A und B fehlen. Es ist dasselbe Corpus, das bereits exemplarisch behandelt wurde: fol.Y4r,Y4v; Nr. 277.139. 68 „gründ“, darunter sind hier die veränderten Ansichten, wie sie in den dazugehörigen Graphiken erscheinen, zu verstehen. Cam. II, fol. K1v übersetzt: expressio(ne).

fol. Y5v / fol. Z1r

oben, weil in der anschließenden Anwendung stets [nur] die Corpora D und E an der gesamten Figur aufeinander kommen.69 Sodann wenn du einen veränderten Grundriß, der da frontal steht, auf eine Seite wenden willst, umschließe diesen mit einem rechtwinkligen Viereck und wende dann dieses Viereck mit seinem Inhalt („ding“) auf jene Seite, so geht es nicht fehl. Oder erkunde es bei einer aufrechten Linie, ob die Seiten des Grundrisses („dings“) mit dieser Senkrechten einen weiten oder engen Winkel machen. Und benutze bei der Seitenlage, wie zuvor bei der frontalen, eine Querlinie. Danach nimm das sechste viereckige Corpus zwischen den Schnitten der Taille und des Nabels,70 rücke oder beuge es mit dem Schnitt des Nabels nach vorn und verfertige den Grundriß. Diese erste Ansicht soll die letzte sein. Darum bezeichne ich sie mit dem Buchstaben E, die frontale Ansicht jedoch, die dabei entsteht, mit D. Dieses Corpus bedarf nicht mehr als zweier Ansichten, weil es [in der geplanten Figur] nicht mehr als einmal gebogen wird. Danach nimm den seitlich gesehenen Grundriß mit der Gesamtheit seiner Zeichnung71 und wende ihn so, daß man ihn von vorn sieht. Sodann zieht man diesen Grund auf dem Wege des „Übertrags“, wie bekannt, wieder auf, so finden sich alle Bestandteile des Corpus („ding“), wie zuvor deutlich angezeigt ist. Das viereckige Corpus gehört zum Haupt

69 Dürer will wohl sagen, daß nur die Ansichten D und E bei der potentiellen Figur zur Anwendung kommen (können); Cam. II, fol. K1v schreibt lediglich: ut semper D, E, copulentur. 70 Corpus 6, Nr. 277.137. Ausgeführt Nr. 277.144 unten. 71 „verzeychnung“, zeichnerische Darstellung, Grimm 25, Sp. 2508.

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fol. Z1v (Nr. 277.141)

Das viereckige Corpus gehört zum Hals

fol. Z1v / fol. Z2r

fol. Z2r

(Nr. 277.142)

Das viereckige Corpus gehört zur Schulter oben

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fol. Z2v (Nr. 277.143)

Dieses viereckige Corpus gehört zum Oberteil der Brust

fol. fol. Z2v / fol. Z3r

fol. Z3r

(Nr. 277.144)

Dieses viereckige Corpus gehört zum unteren Teil der Brust (oben) Dieses Corpus gehört unter die Taille (unten)

D Buch IV

fol. Z3v

fol. Z3v

Wer es nun auf sich nimmt, meiner Unterweisung zu folgen, den Figuren zuerst durch Maße eine richtige Proportion zu geben, sie dann in geeigneter Weise („ordenlich“) hinzustellen, sie zu biegen, auf den Grund zu projizieren, alsdann wieder aufzuziehen und in perspektivische Ansicht zu bringen, um sie dementsprechend anschließend72 ins Gemälde oder ins Werk zu setzen, der wird bald gewahr werden, welcher Nutzen („nutzperckeyt“) ihm daraus erwachsen kann. Und er wird ohne Zweifel sehr viel mehr finden, als hier angezeigt und vermeldet ist. Unabhängig davon, daß man diese meine Unterweisung an einigen Stellen als schwierig erachten kann, so ist doch wahr: was schwer zu verstehen ist, das kann auch nicht ohne 72 „fürt“: ‚fortan‘, ‚ferner‘, ‚anschließend‘; Grimm 4, Sp. 900.

fol. Z3v / fol. Z4r

fol. Z4r

Mühe und Fleiß gelernt werden. Und damit will ich, geneigter Herr,73 für dieses Mal meinem Schreiben ein Ende machen und, so Gott es gibt, zu gegebener Zeit weiter schreiben, was ferner zum Malen gehört, damit diese Kunst nicht allein auf der Gewohnheit beruhe, sondern im Laufe der Zeit aus richtigen und ordentlichen74 Grundlagen gelernt und verstanden werden kann – Gott zum Lob und allen Kunstliebenden zu Nutz und Gefallen. Wiewohl der fromme und kunstreiche Albrecht Dürer diese vier Bücher geschrieben hat, so hat er doch 73 Hier ist erneut Pirckheimer, dem das Werk gewidmet ist, angesprochen. 74 „ordentlich“, im Sinne von: auf einer Ordnung beruhend.

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nur das erste wieder durchgesehen und korrigiert; denn ehe er zu den drei anderen gekommen ist, hat ihn ein schneller Tod ereilt, so daß er diese nicht wieder hatte durchsehen können. Es ist durchaus möglich, daß er, wenn er die Zeit gehabt hätte, einiges geändert, vermehrt oder gekürzt hätte. Nichtsdestotrotz haben es seine guten Freunde für nützlicher75 angesehen, daß die drei weiteren Bücher unkorrigiert herausgingen, als daß sie ungedruckt blieben. Unabhängig davon, ob darin auch etwas zu verbessern gewesen wäre (was die Freunde nicht annehmen), würde er, wenn ihm Gott ein längeres Leben gegeben hätte, noch viel Wunderbares, Neuartiges („seltzams“) und Kunstreiches an den Tag gebracht und gegeben haben vor allem zur Kunst des Malens, der Landschaft, der Farben und dergleichen dienlich. Er hatte auch insbesondere vorgehabt, eine ausführlichere und anschaulichere („klerere“) Perspektive, als die bereits vorgelegte,76 zu verfassen und herauszugeben. Aber Gott, der alle Dinge zum Besten wendet, hat solches nicht ohne Ursache verhindert77. Sein Name sei gelobt und geehrt ewiglich.78 Gedruckt zu Nürnberg durch Hieronymus Formschneyder, verlegt von Albrecht Dürers Witwe im Jahr nach Christi Geburt 1528, am letzten Tag des Oktobers.

fol. Z4r

Wir KARL der fünfte von Gottes Gnaden, erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs etc. In Germanien, Spanien, beiden Sizilien, Jerusalem, Ungarn, Dalmatien, Kroatien etc. König. Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund etc. Graf zu Habsburg, Flandern und Tirol etc. Wir bekennen öffentlich mit diesem Brief und tun kund jedermann.79 Nachdem die ehrbare, unsere liebe fromme80 Agnes, 75 „nutzer“: Komp. von nutz, nützlich. 76 Gemeint ist hier die Unterweisung der Messung, Nürnberg 1525. 77 „underkomen“, im Sinne von dazwischenkommen, verhindern; Grimm 24, Sp. 1641, 1642 (unterkommen). 78 Als Autor dieses Nachworts zum Druck der Proportionslehre gilt Willibald Pirckheimer. 79 Dürer selbst hatte frühzeitig um diese „keyserliche freyheit“ nachgesucht, deren Abdruck („in dem nechsten büchlein der proporcion“) bereits am Schluß der „Unterweisung der Messung“ 1525 (Q3r.) angekündigt wurde. Sie mußte dann kurzfristig zugunsten der Witwe umformuliert werden. 80 „andechtig“: im Sinne von pius, devotus.

fol. Z3v / fol. Z4r

weiland81 Albrecht Dürers verlassene Witwe, unserem Kaiserlichen Regiment im heiligen Reich vorgebracht hat, daß betreffender („berürter“) Albrecht, ihr Hauswirt, mehrere Bücher über menschliche Proportion auf richtiger Grundlage („rechter kunst“) und über Perspektive aufgrund eigenen Fleißes und eigener Erfindung und nicht geringer Mühe zusammen gebracht habe und willens gewesen sei, dieselben Bücher drucken zu lassen, damit sie denen, die solche Kunst lieben, zum Gebrauch und Nutzen dienen könnten. Aber selbiger Dürer sei kürzlich vor Herausgabe („auffrichtung“) der Bücher über diese Kunst gestorben. Und nun sei sie, die Witwe, willens, für diese Bücher zum Teil Formen schneiden82 und sie drucken zu lassen. Sollten sich Personen unterstehen, die von ihrem Hauswirt erfundene Kunst und etwas derartiges über menschliche Proportion hinter ihrem Rücken („hinder jre“) auf ungebührliche Weise zuwege zu bringen, neben anderem unter diesem Titel, als ob sie und nicht Dürer es erfunden hätten, und in Druck zu bringen, darüber habe sie sich zu sorgen (wie es denn oft geschieht, daß das, was mit großem Fleiß, mit Mühe und Arbeit erfunden und zu allgemeinem Nutzen in den Druck gebracht ist, andere alsbald nachdrucken und ihren eigenen Nutzen somit unbilliger Weise zu des Erfinders Nachteil suchen und erzielen („handeln“). Wenn sie also die von ihrem verstorbenen Hauswirt erfundene Kunst drucken lasse [sorge sie], daß andere ihr zu merklichem Nachteil dieselben [Werke], wo sie diesen nicht zuvorkommen83, alsbald nachdrucken würden. Sie habe darauf demütig anrufen und bitten lassen, ihr in dieser Sache mit gnädiger Voraussicht („fürsehung“) und Hilfe in Erscheinung zu treten84. Damit [ihr] Dürers besagte Kunst und Erfindung nicht vorenthalten85 und die genannte Witwe nicht betrogen86 und zu Schaden gebracht werde, geben wir derselben Witwe demnach folgende Freiheit. Geben wir ihr aufgrund Römischer Kaiserlicher Macht kraft dieses Briefs bekannt87, daß

81 „weylendt“ (weiland): eigentlich ‚vormals‘, hier formelhaft. 82 Holzschnitte zur Illustration. 83 „fürkommen“, hier im Sinne von ‚zuvorkommen‘; Grimm 4, Sp. 760. 84 „zuerscheynen“; in Erscheinung zu treten, tätig zu werden. 85 „hinderhalten“: ‚vorenthalten‘; Grimm 10, Sp. 1505f. 86 „veruntrewt“, veruntreuen: treulos, betrügerisch an jemandem handeln; Grimm 25, Sp. 2043. 87 „wissentlich“, Terminus von rechtlichem Charakter: etwa ‚notorisch‘, ‚bekannt‘; Grimm 30, Sp. 804.

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fol. Z4v

niemand, wer er auch sei, des besagten verstorbenen Albrecht Dürer betreffende Kunst und Bücher oder Auszüge davon in seinem Namen, als ob er sie gemacht habe oder sonst wie, ohne Einwilligung besagter Witwe in Druck bringen oder herausgehen lasse oder verkaufe. Daß [man] auch die betreffenden Bücher, Kunst und Proportion, wenn die genannte Witwe sie in Druck bringen läßt oder nachdem sie dieses getan hat, in den folgenden zehn Jahren nach Erscheinen dieses Druckes nicht nachdrucke oder nachgedruckte verkaufe. Und darauf gebieten wir allen und jeden unseren und des Reiches Untertanen sowie insbesondere allen, die Malerei, Bücher, Gemälde oder die Druckerkunst führen und verkaufen, aufgrund Römischer Kaiserlicher Macht bei Strafe88 von zehn Mark lötigen Goldes89, ohne Ablaß90 zu zahlen zur einen Hälfte an unsere Kaiserliche Kammer, zur anderen Hälfte der genannten Witwe, auch bei Verlust solcher Drucke und Nachdrucke, ernstlich und wünschen, daß keiner sich des verstorbenen Albrecht Dürers Erfindung und Bücher, auch im Auszug und Anhang, als sein eigenes Werk anmaße noch sonst in Druck bringen oder herausgehen lasse. Dazu [zählt] auch, daß die genannten Bücher und die Kunst, die besagte Witwe im Druck hat herausgehen lassen oder noch herausgehen läßt, in der auf zehn Jahre festgelegten Frist nicht nachgedruckt werden oder daß mit Nachgedrucktem auf dem Markt gehandelt oder es verkauft werde, in keiner Weise, wenn euch insgesamt und jedem einzelnen lieb ist, die besagte Strafe für solchen Druck oder Nachdruck zu vermeiden. Diese Drucke und Nachdrucke kann die genannte Witwe oder die sie dazu beauftragt, in allen Orten in ihre Gewalt und Hände nehmen und behalten. Dazu soll ihr jede Obrigkeit, die dazu jeglichen Orts ersucht wird, behilf lich sein. Das meinen wir ernstlich. Dieser Brief ist urkundlich mit unserem Kaiserlichen Siegel besiegelt, gegeben in unserer und des Reichs Stadt Speyer am vierzehnten Tag des Monats August nach Christi Geburt Fünfzehnhundert und achtundzwanzig, unserer Regierung des Römischen Reichs im neunten Jahr und aller anderen im dreizehnten Jahr.

88 „peen“, lat. poena: ‚Pein‘, ‚Strafe‘. 89 Gold von hohem Feingehalt. 90 „unableßich“, unablässig: ‚ohne Ablaß‘, ‚Nachlaß‘; Grimm 24, Sp. 68.

fol. Z4r / fol. Z4v

Ad mandatum domini Imperatoris in Consilio imperiali W. G. Z. Montfort des Kaiserlichen Statthalteramtsverwesers. sszt.91

91 Das Kürzel „sszt.“: subscripsit.

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fol. Z4v

fol. Z5r

Trauergedicht Willibald Pirckheimers auf den Tod Albrecht Dürers92 Der du in innigster Freundschaft mir viele Jahre verbunden, Albrecht, den ich geliebt mehr als die eigene Seel, Dem ich in trautem Gespräche, was immer es sei, offenbarte, Sicher, daß es der Freund treulich im Busen bewahrt, Warum verlässt du so plötzlich den trauernden Freund, du Unselger, Gehest eilends dahin, wo uns die Rückkehr versagt?

92 Vgl. RI, S. 303

fol. Z4v / fol. Z5r

fol. Z5r

Ach, man konnte das Haupt nicht, nicht dir die Rechte berühren, Dir, dem Sterbenden, nicht sagen ein letztes Lebwohl. Hattest kaum dir die Glieder, die matten, zur Ruhe gebettet, Da auch schon nahte der Tod, raffte dich plötzlich hinweg. All unser Hoffen umsonst! Der Menschengeist kennt nicht das Unheil, Ach, und in raschem Fall jählings sinkt alles dahin. Alles hatte das Glück dir gegeben, wie du es ja verdientest: Formgefühl und Genie, Treue und redlichen Sinn. Aber der Tod, der stürmisch-verwegene, nahm es dir wieder;

D Buch IV

Doch dir rauben den Ruhm konnte der Ruchlose nicht. Dürers Taten bleiben bestehn, sein unsterblicher Name Glänzen wird er, solang Sterne am Himmel noch glühn. Ziehe dahin, zieh hin, du Zierde, du Ruhm unseres Volkes; Christus geleitet dich selbst heim in sein himmlisches Reich. Keiner geringen Ehren wirst droben stets du genießen Und nach deinem Verdienst würdige Preise empfahn, Während hienieden im Schatten des Todes gebrechlich wir irren Und auf schwankendem Kahn gleiten auf wogender See. Erst wenn es Christus, der milde, in seiner Gnade bestimmt hat, Werden auch wir nach dir wandeln denselbigen Pfad. Traurig inzwischen vergießen wir Tränen dem Freunde, dem lieben; Nichts kann süßer uns sein, die uns der Gram übermannt. Heiße Gebete regen sie an, die den Herrgott im Himmel Milder stimmen, wenn anders frommes Gebet es vermag. Duftende Blumen werden wir weihn, von Narzissen und Rosen, Veilchen und Lilien den Kranz, daß deinem Grabe nichts fehlt. Ruhe indessen du friedlich in seligem Schlafe. Es stirbt nicht, Wer als vortreff licher Mann schlummert, von Christo beschirmt.

Alles Genie und was redlich und rein und was klug und verdienstlich, Freundesliebe und Kunst liegen in diesem Grab. Albrecht, ließest durch Tränen du dich zum Leben erwecken, Würde die Erde nicht decken, was sterblich an dir. Weil aber weder die Tränen noch Klagen das Schicksal bewegen, Möge die Trauer dir nun geben, was Toten gebührt.93 Nachruf Dem Andenken Albert Dürers, des besten Mannes, des hervorragendsten Malers seiner Zeit, welcher nicht nur als erster von den Deutschen die Malerei bereicherte, ihr Glanz verlieh und auf ein älteres Gesetz zurückgriff, sondern auch begann, sie in Schriften der Nachwelt zu überliefern. Vor allem durch die in ihm vereinte Veranlagung seiner Klugheit und einzigartigen Bescheidenheit war er seinen Nürnbergern aber auch allen außerhalb wohnenden sehr teuer, so den beiden Kaisern, dem hehren Maximilian und dessen Neffen (Enkel, Verf.) Karl, selbst dem König Ferdinand von Böhmen und Ungarn war er überaus lieb. Sie begünstigten ihn durch eine jährliche ausgedehnte Zuwendung und überschütteten ihn mit aller Gunst. Er starb nicht ohne große Klage seiner Freunde am 6. April 1528 im 57. Lebensjahr. Willibald Pirckheimer dem treuesten Freund. M.P. 94

Drei Epitaphien Erst hat Albrecht den Erdkreis mit seinen Gemälden geschmücket, Von seiner herrlichen Kunst sind alle Lande erfüllt. Jetzt nur bleibt ihm, so sagt er, den Himmel malend zu zieren. Bald verlässt er die Erd, strebt zu den Sternen empor.

271

fol. Z5r / fol. Z5v

93 Übersetzungen nach Lüdecke/Heiland 1955, S. 29– 31. Vgl. R I, S. 303f. 94 Übersetzung nach Kahler 1947, S. CXXXIV. Überschrieben: M[anibus] beatis s[acrum], den Manen geweiht. R I, S. 304.

fol. Z5v

272

D Buch IV

fol. Z5v

fol. Z6r

Korrektur etlicher Wörter, die beim Drucken übersehen worden sind fol. D1r, Z(eile) 3, „vnd der fuß fornen breyt“, lies: „ist fornen breyt“ fol. D6v, Z 2, „angezeyg“, lies: „angezeygt“ ebd., Z 4, „teyengelein“, lies „triengelein“ ebd., Z 6, „hte forn“, lies: „hie forn“ ebd., Z 20, „ein ein mans haubt“, „mache ein ein weg“ fol. E6v, Z 26, „zwischen die zwerchlinien“, lies: „den zwerchlinien“ fol. F1v, Z 2, „rüret vnden das knie“, lies: „das kin“ fol. F2r, Z 21, „von dem hiudern“, lies: „hindern“ fol. F2v, Z 20, „die lenge der teil anzeygen“, lies: „die die lenge der teyl anzeygen“

fol. Z5v / fol. Z6r

fol. Z6r

fol. F5r, Z 3, diese Zeile soll anders gesetzt sein95 ebd., Z 35, „biß ins gleck der band“,96 lies: „hand“ fol. G6r, Z 6, „geleng“,97 lies: „glenck“ ebd., Z 14, „dann mach die dicken“, lies: „dann mach ich die dicken“ fol. G6v, Z 20, „der weybs“, lies: „des weybs“ fol. H2r, Z 26, „auff der scham“, lies: „auff die scham“ 95 Gemeint ist offenbar, daß die Kopfzeile der anschließenden Meßgruppe („Erstlich die leng“) nach vorn gerückt werde. 96 Erneuter Schreibfehler; im Druck: „bis in gelenk der band“. 97 In Z 6 heißt es „gleng“, in Z 8 „gelng“; dieses eher ein Schreibfehler als die angezeigte Variante.

D Buch IV

fol. H3v, Z 1, „Seytel“, lies: „scheytel“ fol. H4v, Z 4, „von hochsten“, lies: „von höchsten“ 98 fol. H5r, Z 19, „end des kin preyt“, lies: „des kins preyt“ fol. H6v, Z 10, „darnach mach die dicken“, lies: „darnach mach ich die dicken“ fol. I1r, Z 32, 33, lies also: “das hinderwerdig weyb bey der drytten auffrechten lini mit den eussern linien etc.“ fol. I3r, Z 12, „mach ich die peyten“, lies: „preyten“ fol. I5r, Z 45, „auff dem rist“, lies: „auff den rist“ fol. K4r, Z 7, „vom hochsten“, lies: „von höchsten“ 99 ebd., Z 9, „wirwels“, lies: „wirbels ist“100

fol. Z6r

fol. T4v, Z 2; „darauff vil müe“, lies: „darauff so vil müe“. fol. Y1v, Z 20, „seyten vñ[d] krümen“, lies: „seyten vñ[d] ebnen krüm-e[n]“ fol. Y2v, Z 25, „vnd für sich sehen“, lies: „vnd für sich zu sehen“ fol. Y6r,105 Z 37, „dz ist fürwertig106 auffgerissen“, lies: „das ist nun fürwertig auffgerissen“

fol. L6v, Z 6, „bey ersten auffrecht-e[n] lini“, lies: „bey d‘[er] ersten“ fol. N3v, Z 40, „“zwisch-e[n] den zwerch“, lies: „zwischen den zwerchen“, und bald dahinter, „zwisch den zwerch“, lies: „zwischen den zwerchen“ fol. R6r, Z 7, „darnach auß d‘[er] punctirt-e[n] lini“, lies: „darnach zeuch auß d‘[er] punctirten lini“ ebd., Z 10, „für (cher zu gerüster)“, lies: „vnden verkürtzt“ ebd., Z 11, „für (vnden verkürtzt)“, lies: „cher zugerüster“ ebd., Z 38, „hab ich so gar auß“, lies: „hab ich sie so gar auß“ fol. S3v, Z 5, „darein101 mag ein yedlicher suchs“, lies: „darinn mag ein yedlichen suchen“ ebd. Z 9, „eim außgebognen102 bauch“, lies: „ein außgebognen bauch“ fol. T2r, Z 17, „Got gibt103 offt einen zu lernen“, lies: „einem“ fol. T3r, Z 41, „die starcken herten geprech“, lies: „herter geprech“ fol. T3v, Z 15, „sein gemüt fol104 gefast“, lies: „fol gefast hab“ fol. T4r, Z 16, „macherley“, lies: „mancherley“ ebd., Z 17, „gemacht sind worden“, lies: „gemacht sind worden / abmach“ 98 In dem benutzten Exemplar erscheint dieses Wort bereits korrekt. 99 Es kann nur fol. K5r gemeint sein, die betreffende Stelle ist bereits korrekt. 100 Hier gilt das gleiche. 101 Im Druck: „dareyn“. 102 Im Druck: „außgebogen“. 103 Im Druck: „gybt“. 104 Im Druck: „vol“.

105 Es handelt sich um fol.Y5r. 106 Im Druck: „das ist fürwerdig“.

273

E Katalog und Kommentar

277.1

Monogramm AD

fol. A1r H 60, B 65 mm Bohatta III: fehlt Giesen XIII: fehlt Das Monogramm in der ‚monumentalisierten‘ Antiqua er­ scheint zuerst in der Zeichnung des lautenspielenden En­ gels von 1497 (W 144), etwa gleichzeitig auch im Kupfer­ stich und Holzschnitt.1 Das A ist mittels eines Dachbalkens in die Breite gezogen, der Querbalken erhöht, so daß genü­ gend Raum für das D entsteht. Dieses entspricht ungefähr dem ersten D aus Dürers Musteralphabet in der „Unter­ weisung der Messung“ von 1525 (Nr. 274.153, fol. L4r). Aus verschiedenen Vorformen – Initialen, Goldschmiede­ und Handwerkermarken – hatte Dürer sein Monogramm entwickelt, das in seiner konsequenten Anwendung, seiner urheberrechtlichen Absicht und ästhetischen Signifikanz als überhaupt erstes Markenzeichen im modernen Sinne gewer­ tet werden kann.

Widmung Mit der Widmung an Willibald Pirckheimer folgte Dürer nicht nur dem Usus, sich einer namhaften Person als eines „beschirmers“ zu versichern, sondern auch dem persön­ lichen Wunsch, seinem Freund und humanistischen Men­ tor öffentlich Dank zu sagen. Er hatte sich mit der zunächst von ihm sogenannten „fored“ schwer getan und sie ur­ sprünglich von fremder schreibkundiger Hand entwerfen lassen. Da ihm jedoch deren humanistische Rhetorik nicht zusagte, hatte er weitere Fassungen in Angriff genommen.2 Gleichwohl griff er schließlich auf den „fremden Entwurf “

1 2

Pauli 1927. Der „fremde Entwurf “: R II, S. 134–137, wohl 1512/1513. Vgl. im einzelnen:Ashcroft 2005.

zurück, insbesondere dessen Bescheidenheitsgestus in der einleitenden captatio benevolentiae, mit dem er sich den An­ spruch auf höhere Bildung und literarische Fähigkeit aber­ kannte. Dürer begründet sein Werk mit dem Verlust der anti­ ken Kanon­Schriften zu den Künsten des Malens und for­ dert Verständnis für seinen Versuch, diese Lücke zu schlie­ ßen, appelliert zugleich an andere Verständige dergleichen zu tun, „damit die Kunst der Malerei mit der Zeit wieder zu ihrer Vollkommenheit reichen und kommen möge“. Zum eigentlichen Gegenstand seiner „Unterrichtung“ be­ merkt er, „daß die deutschen Maler mit ihrer Hand und dem Gebrauch der Farben nicht wenig geschickt sind“, aber Mangel hätten an der „Kunst der Messung“ (Perspektive) und Proportion. Entsprechend unterrichtet, würden sie „mit der Zeit keiner anderen Nation den Preis vor sich über­ lassen“. Insofern Dürer die deutschen Künstler und Hand­ werker als Zielgruppe des Werks erklärt, erklären sich auch seine jahrelangen Bemühungen um eine geeignete deut­ sche Schriftsprache, Wortwahl und Diktion. Im übrigen sei die Kenntnis der Geometrie und Per­ spektive eine Voraussetzung für diese seine Lehre, Figuren „nach der Maß zu machen“. Deswegen habe er das „Buch der Messung“ („Underweysung der Messung“, 1525) vor­ her publiziert (was ihn berechtigt, hier vollständig auf den Aspekt der Perspektive zu verzichten). Es folgt die Ein­ schränkung, daß sein „Unterricht allein von den „äußeren Linien der Form und Figuren“ handele, „nicht jedoch von den Dingen im Inneren“, womit der organische Auf bau der Gestalt von innen heraus gemeint ist (wie ihn Alberti gefordert hatte), den Dürer aus Mangel an Kenntnis der Anatomie nicht behandeln konnte.

276

E Katalog und Kommentar

1 Buch I Dürer erläuterte den Gegenstand seines Werks, die Propor­ tion, in dem genannten „fremden Entwurf “ zur Einleitung als ein Wort und eine Sache, „die awch nitt unrecht simett­ ria, zw teutsch glidmessige auftailunge mocht genent wer­ den“.3 Nachdem er zunächst das im Deutschen geläufige „proportz“ verwendet hatte,4 wechselte er im Laufe der Vorarbeiten zu der dem Lateinischen näheren Fassung des Wortes: Proportion.5 Gemeint ist damit, daß die Teilmaße eines menschlichen Körpers in kommensurabler Relation zu dessen gesamter Länge stehen, nicht aber, daß sie sich mit dieser und untereinander in einer ‚prästabilierten Har­ monie‘ befinden. Camerarius wählte für seine lateinische Übersetzung den griechischen Terminus Symmetria, unter dem damals ebenfalls Maßbezogenheit – nicht Achsen­ Symmetrie wie heute – verstanden wurde. An der Ermittlung und Beschreibung der rechten Pro­ portion laborierte Dürer seit etwa 1500, zunächst mit geo­ metrischen Mitteln. Ab 1507/1508, also gleich nach seiner Rückkehr aus Italien und der Fertigstellung der Madrider „Adam und Eva“­Tafeln, scheint er diese Methode mit „Zirkel und Richtscheit“ infragegestellt und durch die arithmetische ersetzt zu haben.6 Die neue mit Zahlen ope­ rierende Methode beruht auf dem der Renaissance geläu­ figen Gedanken, die Teile eines Ganzen in ihrer Verhält­ 3 4 5

6

R II, S. 136 (nicht von Dürers Hand). So z.B. in einem Ms. von ca. 1500; R II, S. 48. Proportio, Übersetzung des griechischen αναλογία. Die ur­ sprüngliche Formulierung in Ciceros Übersetzung des platoni­ schen Timaios lautete „comparatio pro portiove“, woraus das Substantiv proportio gebildet wurde; Timaeus § 4, 13; vgl. Cice­ ro/Bayer 2006, S. 24/25. Eine frühere Verwendung des Wortes im Deutschen als diejenige Dürers ist nicht erkennbar; Grimm 13, Sp. 2168f. setzt die Entlehnung erst im 17. Jahrhundert an. Ein frühes, von Panofsky 1915 (S. 100) noch in die Italien­ Zeit datiertes, methodisch noch nicht ganz eindeutiges Beispiel einer Frau von acht Kopflängen (Text und Bild) im sog. Dresd­ ner Skizzenbuch: Dresden, fol. 155v, 156r; Bruck, Nr. 83, 160; Strauss 1972, Nr. 28, 29; R II, S. 247f. Zu dem im folgenden oft zitierten sog. Dresdner Skizzenbuch (Sächische Landesbiblio­ thek – Staats­ und Universitätsbibliothek Dresden, Msc. Dresd. R. 147f.) sei eigens angemerkt, daß heute ein Großteil der ent­ haltenen Zeichnungen gänzlich oder weitgehend ruiniert bzw. unkenntlich ist (das gilt nicht für das eingebundene Manuskript der Proportionslehre, vgl. folgende Anm.). Wann und wie die­ ser bis jetzt der Öffentlichkeit verschwiegene Schaden erfolgte, konnte laut Auskunft des Hauses noch nicht geklärt werden, eine Restaurierung sei beabsichtigt. So muß die faksimileähnli­ che Edition von Bruck aus dem Jahre 1905 fortan das Original ersetzen. Bei uns sind den Bruck­Nummern zwecks bequeme­ rer Handhabung diejenigen der Ausgabe Strauss 1972 hinzuge­ fügt.

nismäßigkeit zu diesem und untereinander im Sinne des Symmetrie­ (Harmonie­) Postulates numerisch zu definie­ ren. Bei Dürer geht es jetzt indes nicht mehr um eine idea­ le, metaphysisch begründete oder allzeit gültige, sondern eine prinzipiell empirisch zu erfassende, in zahlreichen ja ungezählten Varianten vorstellbare Verhältnismäßigkeit, die sich demgemäß nicht in einfachen natürlichen Zahlen, sondern in differenzierten Bruchteilen darstellt. Die Reinschrift von Buch I ist vollständig verloren. Ihr Gegenstand ist allerdings in einer Reinschrift für die ge­ plante Ausgabe zum Jahre 1523 erhalten,7 die indes nicht unbeträchtlich, auch in den Meßdaten, von der gedruckten Fassung abweicht: Wird bei dieser im folgenden mit fünf Figurentypen (männlich und weiblich) in der Kopf­/Kör­ perrelation von 1:7 bis 1:10 gearbeitet, wobei der achtköp­ fige Typus in zwei Varianten erscheint, war in der vorher­ gehenden Planung statt der ersten Version der achtköpfigen Figuren eine Zwischengröße von 1:7,5 für Mann und Frau vorgesehen.8

277.2 Der Teiler

fol. A3r H 220, B 19 mm Bohatta III, Aiij a Giesen XIII, 1 Dürer führt zu „Anfang des ersten Buchs“ in seine erste Methode ein, den menschlichen Körper zu messen. Sie be­ ruht auf der Teilung einer vorgegebenen Körperlänge zwi­ schen Scheitel und Sohle entlang einer vertikalen Achse in einzelne Abschnitte, die an ausgewählten Körperstellen durch horizontale Linien („zwerchlinien“) markiert sind. Die Länge der einzelnen Abschnitte (oder mehrerer ge­ meinsam) wird in Bruchteilen der Gesamtlänge angegeben – und zwar in der Regel etappenweise von bevorzugten Höhenlinien aus: Scheitel, Halsgrube, Taille, „Endt des hin­ dern“, Kniemitte – stets von oben nach unten gelesen. Bei der Demonstration des „Teilers“ ist aus didaktischen Grün­ den die Skala von 1/1 bis 1/10 gewählt,9 es wird aber be­ reits darauf hingewiesen, daß größtmögliche Genauigkeit differenziertester Teilungen, „bis fünfzig oder hundert Teile“ sowie darüber hinaus, der Summe zweier ungleicher Bruch­ teile (mit unterschiedlichen Nennern), bedarf, was denn im folgenden auch oft geschieht. Bei den Stammbrüchen, 7 8 9

Eingebunden im Dresdner Skizzenbuch: Dresden, fol. 3–88; R III, S. 163–217;Abb. 149–179. Dieses Manuskript war bereits von Pirckheimer durchgesehen und korrigiert worden. R III, S. 178–182. Bei Dürer heißt es heute mißverständlich „achthalber hawbt lengen“ – etwa im Sinne unserer Zeitangabe: halb acht. Auf dem betreffenden Blatt in Dresden, fol. 7v, ist der „Teiler“ von 1/1 bis 1/50 geführt; R III,Abb. 149.

1 Buch I

sie bilden die große Mehrheit, erscheinen in den Illustrati­ onen nur die Nenner. Brüche mit dem Zähler 2 sind in der Minderheit, die Zähler 3 und 4 erscheinen je nur einmal. Dürer scheint die „Teiler“­Methode in dieser Form selbst entwickelt zu haben, wobei er, wie er selbst sagt, Vitruvs Lehre benutzte. Vitruvs ebenfalls auf Bruchteilen des mensch­ lichen Körpers basierende einfache Verhältnis­Angaben postulieren allerdings einen Harmonie­Kanon für die menschliche Gestalt und haben nicht deren Komplexität und Varianz zum Gegenstand.

277.3

Der „Vergleicher“

fol. A4v H 177, B 150 mm Bohatta III, A4 b Giesen XIII, 2 Im Zuge der Messung des ersten Mannes wird ein zusätz­ licher Weg zur Bestimmung der Höhe des Knies mit Hilfe der stetigen Proportion gewiesen. Dürer schlägt vor, die drei Hauptabschnitte bzw. ­längen des Körpers (ohne Kopf und Fuß), die man traditionell durch Drittelung erzielte, stetig proportional („vergleichlich“) zu messen: Der „Leib“ (Rumpf: Halsgrüblein bis Hüfte unten) soll sich zum Ober­ schenkel (Hüfte unten bis Knie), wie der Oberschenkel zum Unterschenkel (Knie bis Knöchel) verhalten; vgl. die Skala f, g, i, h in Nr. 277.5. Diese Regel („regell“) aufgrund des Gesetzes der ste­ tigen Proportion, über die sich Dürer seit ca. 1513 Gedan­ ken machte,10 ist offensichtlich nicht, wie man annahm, aus Luca Paciolis Goldenem Schnitt („divina proportio“), eines Sonderfalls der stetigen Proportion, sondern direkt von Euklid abgeleitet,11 den Dürer selbst an entsprechender Stelle beim Namen nennt. Die Operation ist ein idealis­ tisches Einsprengsel in dem sonst waltenden Maß­Realis­ mus. Gebrauch davon macht Dürer bei den Typen A, AI, BI, CI. In Buch II wird auf diese Messung verzichtet. Das zur praktischen Realisierung der „regell“ angebotene In­ strument des „Vergleichers“ ist nachweislich falsch konstru­ iert und bringt nur Annäherungswerte.12

10 In den Vorarbeiten z. T. ausführlicher behandelt, vgl. u. a. R II, S. 184 –190, um 1513. Siehe auch die Zeichnung Dresden, fol. 128v, in der Dürers „regell“ expressis verbis dreimal mit je einer Bogenklammer an der Figur abgegriffen ist: Bruck, Nr. 50; Strauss 1972, Nr. 64. 11 Vgl. R II, S. 190,Anm. sowie Panofsky 1915, S.116–118. 12 Staigmüller 1891, S. 49, Anm. 2; Peiffer 1997, S. 97. Je mehr das Richtscheit geneigt wird, desto größer wird der Fehler, was al­ lerdings infolge der geringen Längenunterschiede der drei Teil­ strecken nicht sehr ins Gewicht fällt.

277.4 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von sieben Kopflängen (Typ A), Arm in Seitenansicht

277.5

fol. A6r H 222, B 159 mm Bohatta III, A6 a Giesen XIII, 3. a I

Rückansicht dieses Mannes, Längendiagramm

fol. A6v, 2 Holzschnitte H 216, B 37 mm; H 225, B 90 mm Bohatta III, A6 b Giesen XIII, 4. a I Dürer erläutert eingangs (fol. A3v) die künftigen Messungs­ vorgänge anhand eines „dicken bäurischen“ Mannes, der „sieben seiner Häupter“ lang sein solle (Typ A). Dieser er­ scheine in drei Ansichten jeweils entlang einer senkrechten Linie: in Seitenansicht zur Messung der Tiefe („Dicke“), frontal zur Messung der Breite, in Rückansicht mit dem Eintrag der Längenabschnitte, womit sämtliche Vorausset­ zungen zur Repräsentation der Dreidimensionalität gege­ ben sind. Dann bestimmt er die Meßhöhen (Anzahl: 33) und legt deren anatomische Nomenklatur fest, die auch für alle wei­ teren Figuren gelten soll. Anschließend werden die Längen­ maße der entscheidenden Teilstücke des Körpers (in Bruchtei­ len der Gesamtlänge) aufgelistet. Es folgen (A4vff.), graphisch mehr oder minder tabellarisch, die Maße der Armlänge, der Körpertiefe, der (seitlichen) Armdicke, der (frontalen) Körperbreite, der (frontalen) Armbreite, der spezifischen Breiten und Längen der Rückansicht. Auf der Seiten­ und Vorderansicht des Demonstrations­ modells (Nr. 277.4) sind in Höhe der einzelnen Schnittebe­ nen die jeweiligen Körpertiefen und ­breiten mit den be­ treffenden Bruchzahlen bzw. deren Additionen beziffert, z. B. die Tiefe „über der Stirn“ (Haaransatz) 1/14 plus 1/15, die Breite ebenda 1/8 – jeweils der Gesamtlänge der Figur. Ferner sind hier – wie stets im folgenden – die Biegepunkte durch kleine Dreiecke („triengelein“) bezeichnet, die aber erst in Buch IV eine Rolle spielen. Sie markieren Schulter­ und Hüftgelenke sowie den ungefähren Verlauf der Wir­ belsäule. Die Längenmaße sind der Rückansicht (Nr. 277.5) in einem eigenen Diagramm, dem zugehörigen „Teiler“, bei­ gegeben; dabei dominieren (so auch künftig) einige defi­ nierte Ebenen als Zwischenstufen der Messung: Scheitel, Höhe des Halsgrube, Taille, Mitte des Knies. Ganz links erscheinen gemäß Nr. 277.3 die Distanzen für die Körper­ einteilung aufgrund der stetigen Proportion f, g, i, h (zwi­ schen „Höhe des Halsgrübleins“ und Risthöhe des Fußes). Nach vollständiger Messung, d. h. nach Zuteilung der Maßdaten, werden die Gestalten entlang den gewonnenen

277

278

E Katalog und Kommentar Schnittstellen von Punkt zu Punkt frei „nach Gutdünken“ eingezeichnet.13 An der Benennung und Bestimmung der für die Mes­ sung bedeutsamen Körperstellen (­ebenen) laborierte Dü­ rer seit Beginn seines Interesses an der Proportion. Er konnte sich dabei teilweise auf Alberti „De Statua“ und die medizinische Nomenklatur der äußeren Anatomie stützen, die beide jedoch lateinisch verfaßt waren. Die Zahl der Meßpunkte ist schwankend (in der gedruckten Fassung zwischen ca. 20 und ca. 30 Positionen); deren Plazierung ist abhängig von mehr oder minder deutlich sichtbaren, als gesetzmäßig erachteten Körperauffälligkeiten.14 Dürer gibt dem Typ A und seinem Weibe Typ AI die Fußlänge eines Sechstels: Vitruvs genereller Modul der menschlichen Ge­ stalt, hier jedoch nicht als ein solcher Modul, sondern als sekundärer, veränderlicher Wert verwendet.

277.6 Seiten- und Vorderansicht der Frau von 7 Kopflängen (Typ AI), Arm in Seitenansicht

277.7

fol. B2r H 223, B 173 mm Bohatta III, Bij a Giesen XIII, 5. a II

Rückansicht dieser Frau, Längendiagramm

fol. B2v, 2 Holzschnitte H 216, B 33 mm; H 224, B 92 mm Bohatta III, Bij b Giesen XIII, 6. a II „Dem vorigen Mann gemäß“ (Typ A) folgt ein „starkes, dickes, bäurisches Weib“ von sieben Kopf Länge (Typ AI). Dürer geht in der Auf listung und Plazierung der Einzel­ maße wie bei jenem vor, verzichtet aber zwecks Übersicht­ lichkeit auf den Eintrag der „Zwerchlinien“ und Senkrech­ ten. Dürers Proportionsmodelle werden stets paarweise prä­ sentiert, als Mann und als Frau. Alberti hatte dagegen nur die Maße des Mannes („homo“!) im Auge, obwohl er sich bei der Frage der Schönheitsoptimierung ausdrücklich auf das Vorbild der krotoniatischen Jung frauen des Zeuxis be­ ruft.15 Dagegen hatte sich Dürer von Anfang an eigens für 13 Dieser Weg, eine Figur aufgrund von vorgegebenen Meßda­ ten (Punkten) im Koordinatenkreuz zu zeichnen, kann nicht beim unsymmetrischen Profilbild funktionieren, das überhaupt erst auf seiner Senkrechten ‚justiert‘ werden muß. Hier ist der Zeichner weitgehend auf Vorlagen, Modelle oder Erfahrung angewiesen (vgl.Abb. 24). 14 Hierzu im einzelnen Abschnitt C: „Die Meßstellen und ihre Nomenklatur“. 15 Alberti/Bätschmann 2000, S. 168/169.

die unterschiedliche Morphologie von Mann und Weib in­ teressiert und deswegen die Ikonographie Adams und Evas, also eines Paares, für sein frühes Proportionsprogramm in Anspruch genommen (z. B. Kupferstich von 1504). Sämt­ liche Maßverhältnisse (außer einigen Kopfmaßen) differie­ ren zwischen den Geschlechtern, also hier den Typen A und AI, dennoch herrscht eine frappierende ‚Familienähn­ lichkeit‘, die auch in jedem der folgenden Paar­Fälle ange­ strebt ist. Die zum Vierschröter passende Frau ist – wie dieser selbst – gleichsam als Normfall der betreffenden siebenköp­ figen Statur vorgestellt, was nicht an sich zwingend ist.16 Die Präsentation der Siebenköpfigen in dieser untersetzten Form und an dieser Stelle dürfte eher als Richtlinie für den Gebrauch beziehungsweise die Vermeidung von „Unge­ stalt“ zu verstehen sein, als welche sie im wirklichen Leben wahrgenommen würden und wie sie auffälligerweise in Dürers zeichnerischem Oeuvre nicht selten sind.17 Daß sich Dürer auch mit der Metrisierung abnorm pyknischer, vor allem betont fettleibiger Menschen (zumal Frauen) beschäf­ tigt hat, belegen einige Manuskripte von und um 1508,18 die jedoch keinen Niederschlag im Proportionswerk ge­ funden haben. Bezeichnenderweise wurde das „bäurische“ Paar in einem Holzschnitt Hans Brosamers eigens in satirischer Weise aufgegriffen: einer der sehr seltenen Fälle bildlicher Rezep­ tion Dürer’scher Proportionsfiguren (Abb. 3).19 Die siebenköpfige Figur ist die erste und in ihrer Unter­ setztheit extremste der folgenden Sequenz von insgesamt fünf Körper­Konstitutionen (A/AI–E/EI: jeweils männ­ lich/weiblich), die eine regelmäßige Stufenfolge bis zum entgegengesetzten Extrem, der schmal aufgeschossenen zehnköpfigen Figur (Typ E/EI), darstellt (die achtköpfige Figur ist in zwei Varianten gegeben). Dabei korrespondiert die Anzahl der in der Körperlänge enthaltenen Köpfe quasi im Gleichschritt mit den betreffenden Volumina, was von der Natur nicht vorgegeben, sondern konstruiert ist. Die dabei unterstellte Verhältnismäßigkeit von Kopf und Körper basiert auf einer nichtempirischen, von modu­ laren Prinzipien geleiteten Denkart, die mit dem gleichzei­ tig angewendeten in sich relativen Teilungsprinzip grund­ sätzlich über Kreuz liegt. Dürer könnte den skalierten Kopf­Modul in Anlehnung an den Traktat „De Sculptura“ 16 Es gibt auch schlanke siebenköpfige Proportionsfiguren von Dü­ rers Hand: z. B. der zweite Mann aus Buch II, Nr. 277.36/35/37; hier allerdings nicht als solcher ausgewiesen. 17 Z. B. „Frauenbad“, W 152; „Männerbad“, Dürer/Druckgra­ phik 2, Nr. 107. 18 R II, S. 233–239. Hier scheint übrigens eine der seltenen Mo­ dellaufnahmen vorzuliegen. 19 Hollstein 1957, Nr. 443.

1 Buch I

Pomponius Gauricus gleichzieht, dem Zehnfachen der Maßeinheit. Dabei macht sich Dürer jedoch in keinem Fal­ le die spekulativ­metaphysischen Implikate der Zahlenver­ hältnisse des Italieners zu eigen.

277.8 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von 8 Kopflängen, rechtes Bein seitwärts gestellt (Typ B), Arm in Seitenansicht fol. B4r H 224, B 153 mm Bohatta III, Biiij a Giesen XIII, 7. b I

277.9 Rückansicht dieses Mannes, Längendiagramm

fol. B4v, 2 Holzschnitte H 216, B 43 mm; H 224, B 90 mm Bohatta III, Biiij b Giesen XIII, 8. b I

277.10 Seiten und Vorderansicht der Frau von 8 Kopflängen (Typ BI), Arm in Seitenansicht fol. B5v H 222, B 143 mm Bohatta III, B5 b Giesen XIII, 9. b II

277.11 Rückansicht dieser Frau, Längendiagramm

von Pomponius Gauricus entwickelt haben, worin von ähnlich abgestuften Proportionen die Rede ist, die aller­ dings nicht die Kopf­, sondern die Gesichtshöhe (zwischen Haaransatz und Kinn) zur Maßeinheit haben: 20 Das Neun­ fache bilde die Norm neben dem Acht­ sowie dem Sieben­ fachen, das als „Dissonanz“ gewertet wird, während das Zehnfache selten vorkomme. Wenn auch die Multiplika­ tionen von Kopf (Dürer) respektive Gesicht (Pomponius) voneinander abweichende Resultate haben, gleichen sie ein­ ander jedoch nominal in der Abfolge des Faktors sieben bis zehn. Möglicherweise hat die Bemerkung der Dissonanz Dürer Anlaß gegeben, beim Konzept des Vierschröters auf das Modell des Siebenfachen zu setzen, wie er denn auch bei seiner schlanksten Figur mit dem anderen Extrem des

fol. B6r, 2 Holzschnitte H 219, B 38 mm; H 226, B 72 mm Bohatta III, B6 a Giesen XIII, 10. b II Die zweite Stufe der Typenskala besetzen Mann und Frau von acht Köpfen Körperlänge (Typ B, BI). Auch dieser Mann besitzt das vitruvische Fußmaß (1/6). Es ist hier ein sonst von Dürer bei männlichen Proportionen selten ge­ nanntes, gleichwohl augenfälliges Maßverhältnis einge­ tragen: Die Länge vom Scheitel des Mannes bis zu seiner „Spaltung“ sei 1/2. Auch findet sich ein ansonsten kaum genannter (eher bedeutungsloser) Meßpunkt „Ende der nyren“ (Hoden).21 Im übrigen wiederholt sich das Meß­ Prozedere in den gleichen Schritten wie zuvor. Anders als bei den übrigen ‚stramm stehenden‘ Figuren dieses Buches hält Typ B ein Bein leicht ausgestellt, wobei allerdings die kontrapostischen Auswirkungen auf die gesamte Figur ver­ nachlässigt sind. Auffälligerweise wechselt zudem die Seite des ausgestellten Beins zwischen Vorder­ und Rückansicht

20 Pomponius Gauricus, De Sculptura, Florenz 1504; ein Exemplar befand sich in Pirckheimers Bibliothek. Vgl. Gauricus/Brock­ haus 1886, S. 130/131f. Die Einheit nennt Pomponius „portio“. Das Gesichts­Maß als Einheit, in sich dreigeteilt, findet sich be­ reits bei Cennini: Libro dell‘ Arte, LXX.

21 So auch beim „Kindlein“ Nr. 277.29/30 sowie beim starken Mann Nr. 277.31/32. Dürers „nyren“ sind nicht die (unsicht­ baren) Harnabsonderungsorgane, wie unbesehen angenommen wird, sondern die männlichen Keimdrüsen; vgl. Grimm 13, Sp. 832 (Niere).

3 Hans Brosamer, Mann und Weib von starker Statur; Holz­ schnitt

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E Katalog und Kommentar von rechts nach links (sowie vice versa die des Arms), wäh­ rend in den meisten Illustrationen die seitenrichtige Wen­ dung jeweils peinlich genau eingehalten wird. Das spricht dafür, daß eine der Ansichten mittels Pause gewonnen wurde. Die entsprechende Illustration der Reinschrift von 1523 weist diese Beinstellung noch nicht auf.22 Das zu die­ sem Mann passende („gleichmäßige“) Weib besitzt zwar gleichfalls acht Kopf längen, jedoch nur 1/7 Fußlänge; auch hier sehen wir eine dezente Asymmetrie der Fußstellung, die ebenfalls spiegelverkehrt gewendet ist. Es fällt der immense Unterschied im Gesamteindruck der nur einen System­Schritt auseinanderliegenden Figu­ renpaare A/AI und B/BI ins Auge. Bei gleicher Länge tritt eine Breitendifferenz von gut 15 % zutage, die nicht zufäl­ liger Natur, sondern dem experimentellen Charakter der gesamten Serie in Buch I zugerechnet werden muß. Die Veränderung der Relation von Bein­ und Rumpf länge trägt dazu bei, den Kontrast zu verstärken. Auf fol. B5v fällt ferner eine satztechnische Notlösung auf: Das Ende der weiblichen Datenliste ist reichlich unge­ schickt in die Illustration Nr. 277.10 gerückt.

277.12 Seiten- und Vorderansicht des schmalen Mannes von 8 Kopflängen (Typ C), Arm in Seitenansicht fol. C1v H 219, B 133 mm Bohatta III, B b Giesen XIII, 11. c I

277.13 Rückansicht dieses Mannes, Längendiagramm

fol. C2r, 2 Holzschnitte H 217, B 36 mm; H 227, B 69 mm Bohatta III, Bij a Giesen XIII, 12. c I

277.14 Seiten- und Vorderansicht der schmalen Frau von 8 Kopflängen (Typ CI), Arm in Seitenansicht fol. C3v H 277, B 148 mm Bohatta III, Ciij b Giesen XIII, 13. c II

277.15 Rückansicht dieser Frau, Längendiagramm. fol. C4r, 2 Holzschnitte H 216, B 41 mm; H 223, B 65 mm Bohatta III, Ciiij a Giesen XIII, 14. c II

22 R III,Abb. 159, 160.

Im anschließenden dritten Schritt (Typ C) bleibt Dürer beim Modell von acht Kopf längen, ändert aber einige Teil­ maße; die Bein­/Körperlänge bleibt eins zu eins, ohne daß dieses angemerkt ist. Im großen und ganzen erscheint Typ C dem vorigen recht ähnlich, ist indes etwas schmaler und weniger tief, hat jedoch breitere Hüften und besitzt einen gestreckteren Hals­/Schulter­/Brustbereich. Die Erschei­ nung ist weniger athletisch. Der Teilungsfaktor des Fußes dieses Mannes bleibt 6. Bei der zu diesem Mann passenden Frau (Typ CI) sind die Differenzen zur vorigen Frau (Typ BI) noch geringer als die zwischen den entsprechenden Mannsbildern. Typ CI ist wie dort in der Mehrzahl der Maße ein wenig schmaler und im Hals­/Schulterbereich ein wenig gestreckter als BI, bei der Beckenbreite verhält es sich jedoch umgekehrt zu den männlichen Modellen. Die Fußlänge vergrößert sich von 1/7 auf 1/12 plus 1/13 (eine Nuance weniger gegen­ über dem 1/6 des dazugehörigen Mannes). Mit der Verdoppelung der Beispiele für die achtköpfige Figur innerhalb der Skala von sieben bis zehn Kopf längen zeigt Dürer seine Präferenz für dieses Modell. Alle übrigen Varianten dienen mehr zur Darstellung des Systemzusam­ menhangs seines Proportionskonzeptes denn als jederzeit empfehlenswerte Modelle.

277.16 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von 9 Kopflängen (Typ D), Arm in Seitenansicht. Alternativer Kopf nach dem Modell der Achtköpfigkeit in Seiten und Vorderansicht. fol. C5v H 229, B 142 mm Bohatta III, C5 b Giesen XIII, 15. d I

277.17 Die Rückansicht dieses Mannes. Alternativer Kopf nach dem Modell der Achtköpfigkeit in Rückansicht. Längendiagramm fol. C6r, 2 Holzschnitte H 216, B 40 mm; H 224, B 71 mm Bohatta III, C6 a Giesen XIII, 16. d I

277.18 Seiten- und Vorderansicht der Frau von 9 Kopflängen (Typ DI), Arm in Seitenansicht. Alternativer Kopf nach dem Modell der Achtköpfigkeit in Seitenansicht fol. D1v H 225 mm, B 140 mm Bohatta III, D b Giesen XIII, 17. d II

1 Buch I

277.19 Die Rückansicht dieser Frau. Alternativer Kopf nach dem Modell der Achtköpfigkeit in Rückansicht. Längendiagramm

fol. D2r, 2 Holzschnitte H 218, B 39 mm; H 225, B 67 mm Bohatta III, Dij a Giesen XIII, 18. d II Hier folgen Mann und Frau von 9 Kopf längen, nach „der­ selben Ordnung“ dargestellt, wie die vorigen Figuren (Typ D, DI). Typ D ist Typ C sehr verwandt, ist jedoch insgesamt deutlich schmaler ausgelegt (in der Hüftbreite um 12%). Die größte Abweichung ist im Bein­/Körperverhältnis er­ kennbar: Die Länge der Beine (bis zur „Spaltung“) beträgt nicht mehr die Hälfte des Ganzen, sondern deutlich mehr (ohne daß dies hier ausgesprochen und beziffert ist). Da der Kopf im Verhältnis zur Länge recht klein gerät, setzt Dürer separat einen alternativen Kopf daneben, der – wie zuvor – 1/8 der Gesamtlänge beträgt, womit die gesamte Figur um 1/72 länger wird (in der Dresdner Reinschrift noch keine Variante). Die Fußlänge ist reduziert von 1/6 auf 2/13 der (unkorrigierten) Körperlänge. Die Maßverhältnisse des diesem Manne „gleichmäßi­ gen“ neunköpfigen Weibs (Typ DI) unterscheiden sich vom vorigen achtköpfigen Weib durch leicht verminderte Brei­ ten (Hüfte: Teilungsfaktor 1/5 gegenüber 1/10 plus 2/21 = ca. 2 %) und zum Teil deutlich verminderte Tiefenmaße („Dicke“), vor allem im Beckenbereich (in Höhe des Hüft­ gelenks Teilungsfaktor 1/6 statt 1/7 = ca. 15 %). Der Hals­ /Schulterbereich ist bei der Neunköpfigen stark gestreckt, wodurch der auffällige Anstieg der Schulterlinie verursacht wird. Die Beinlänge nimmt zu auf die Hälfte des Ganzen. Wie beim Manne erscheint auch bei der neunköpfigen Frau separat eine alternative Kopfgröße: 1/8 der Gesamtlänge.

277.20 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von 10 Kopflängen (Typ E), Arm in Seitenansicht fol. D3v H 225, B 125 mm Bohatta III, Diij b Giesen XIII, 19. e I

277.21 Rückansicht dieses Mannes. Längendiagramm

D4r, 2 Holzschnitte H 218, B 42 mm; H 224, B 64 mm Bohatta III, Diiij a Giesen XIII, 20. e I

277.22 Seiten- und Vorderansicht der Frau von 10 Kopflängen (Typ EI), Arm in Seitenansicht D5v H 227, B 129 mm

Bohatta III, D5 b Giesen XIII, 21. e II

277.23 Die Rückansicht dieser Frau. Längendiagramm

fol. D6r H 217, B 39 mm; H 225, B 58 mm Bohatta III, D6 a Giesen XIII, 22. e II Abschließend werden ein „langer dünner Mann“ und seine Frau von jeweils zehn Kopf längen präsentiert und nach der bekannten Art und Weise gemessen (Typ E, EI). In nahezu allen Daten, also in fast linearer Weise, ist dieser Mann ge­ genüber dem Neunköpfigen verschlankt; am wenigsten ist das in der Taille der Fall, die deshalb kaum in Erscheinung tritt. Die Länge der Beine hat verhältnismäßig noch einmal zugenommen; die Fußlänge beträgt jetzt 1/7. Durch die zu­ nehmende relative Verkürzung des Rumpfes gegenüber den Beinen erreicht der abwärts gestreckte Arm eine tiefere Ebe­ ne am Bein, ohne selbst länger geworden zu sein. Auch im Falle des Zehnköpfigen wird angeboten, den zwangsläufig zu klein geratenen Kopf zu korrigieren – nun mit einem Kopf im Format des Neuntels (hier graphisch integriert). Bei der zu diesem Manne passenden Frau (Typ EI) bie­ tet Dürer ebenfalls keine genuine Statur, sondern verschlankt die Neunköpfige in Breite und Tiefe mehr oder minder linear (meistens um ca. 5–10 %). Die Beinlänge bleibt bei 1/2; die Fußlänge verkürzt sich gering (von 1/7 auf 1/14 plus 1/15). Wiederum wird eine Vergrößerung des Kopfes auf 1/9 der Körperlänge angeboten. Im folgenden (fol. D6v) gibt Dürer einige wichtige An­ merkungen zur graphischen Darstellung seiner Modelle. 1. Er weist zunächst darauf hin, daß die zuvor beschriebenen Bilder in den Gelenken und dem Rückgrad zu biegen sind, deshalb habe er an den entscheidenden Stellen kleine Dreie­ cke („triengelein“) und Kreise („ringlein“) eingetragen (Rückgrad, Schulter­ und Hüftgelenke). Diese Bemerkung weist voraus auf Buch IV, worin gezeigt wird, „wie und wo man die zuvor beschriebenen Bilder biegen soll“ (V1r). 2. Ferner macht er darauf aufmerksam, daß sämtliche Figu­ ren aus praktischen Gründen auf ein einheitliches Längen­ maß gebracht sind,23 was man so nicht in ein „Werk“ über­ tragen dürfe, denn die „Dünneren“ verlangten nach größerer Länge als die „Dickeren“. Dahinter verbirgt sich die Erfah­ rungstatsache, daß der Kopf (Schädel) die geringste Varia­ ble des menschlichen Körpers (Skelettes) ist, (im Durch­ 23 Die Höhe der figürlichen Holzschnitte beträgt stets annähernd 22 cm; Dürer hatte sich für dieses Maß, das auch die meisten seiner zahlreichen Proportionszeichnungen aufweisen, frühzei­ tig entschieden, vermutlich um seine überbordende Messungs­ Arbeit zu rationalisieren.

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E Katalog und Kommentar

4

Dürer, Die Typen A, B, D, E auf gleiche Kopf höhe und entsprechende Körperlänge berechnet (Montage des Verfassers)

schnitt, so die Fachliteratur, ca. 22,5 cm)woraus folgt, daß der Siebenköpfige in der Regel kleinwüchsig, der Neun­ oder Zehnköpfige jedoch lang bis riesenwüchsig ist. Würde man diesem Gedanken zufolge die vier ver­ schiedenen Kopf höhen – anstelle der ganzen Figuren – auf ein einheitliches Maß und die dazugehörigen Körper in die jeweilige proportionale Abhängigkeit bringen, ergäben sich exorbitante Längensprünge, die in natura wohl noch monströser erschienen als die von den standardisierten Buchillustrationen suggerierten Breitensprünge: Angenom­ men der ‚normale‘ Achtköpfige besäße die Körperlänge von 180 cm (und damit die Kopf höhe von 22,5 cm), kämen der Siebenköpfige auf 157,5 cm, der Neun­ und der Zehn­ köpfige auf 202,5 cm bzw. 225 cm Körperlänge (Abb. 4). 3. Auch die Körperlänge von Mann und Weib verlangt nach Differenzierung; so müsse eine Frau im Verhältnis zum Mann um 1/18 kürzer als dieser angelegt werden, da­ mit sie nicht wegen ihrer fülligeren Figur größer als der

Mann erscheine.24 Die Anmerkung zur geringeren Körper­ größe der Frau dürfte jedoch nicht nur der Erläuterung des hier gewählten Layouts (und dem standardisierten Holz­ schnittformat) geschuldet, sondern auch aus Dürers künst­ lerischer Erfahrung gespeist sein. Denn er hatte die hier postulierte Geschlechter­Differenz offensichtlich bei sei­ nem magistralen Kupferstich „Adam und Eva“ von 1504 vernachlässigt, wohl weil er die Figuren, die er einzeln ent­ wickelt hatte, bei ihrer Zusammenführung nicht mehr pro­ portional zu differenzieren vermochte. Stattdessen rückte er Eva ein wenig nach vorn, um die perspektivische Sehge­ wohnheit für eine Korrektur des Größeneindrucks auszu­ nutzen.25

24 In der Dresdner Reinschrift heißt es analog, „das sy dem man dy awgprawen rür“, Dresden, fol. 54v; R III, S. 197. 25 Vgl. Hinz 2006, S. 39f.

1 Buch I

Die Minderung um 1/18, die z. B. einem Mann von 180 cm Länge eine Frau von 170 cm beschert, hat man sich proportional für sämtliche Meßdaten vorzustellen, so daß die jeweiligen Frauen im Verhältnis zu ihren Partnern deutlich zierlicher zu denken sind, als es die gleich dimen­ sionierten Illustrationen suggerieren (Abb. 5). 4. Daran schließt sich eine kurze Bemerkung zum Sinn dieser weitgespannten Skala von den „stärksten“ bis zu den „schwächsten“ Figuren an; der Benutzer des Buchs könne durch die Unterschiede seine Unterscheidungsfähigkeit üben und seine künstlerischen Projekte durch weitere Än­ derungen (die Dürer hiermit ankündigt) nach seinem Ge­ fallen steuern. Ausführlicher äußert er sich dazu in der Reinschrift der für 1523 geplanten Ausgabe: „hab ich fur­ genomen, funferleÿ vnderschidlich proportion zu weschrey­ ben, da mit eyn iglicher finden mog, dos im gefall: stark, dick, dunn, lang oder kurtz pildnus in manen vnd weiben, oder aus den allen eyn vermischung seyns gefallens“. Des­ halb interessiere es auch nicht, „ob man solch menschen find oder nit“: „dofan will jch mit nymant disputiren“.26 Nach diesen Aussagen und den metrischen Befunden kann man sicher nicht länger daran festhalten, daß die Figurenskala als Spiegel der natürlichen Bandbreite mensch­ licher Körperkonstitutionen gedacht und aufgrund empi­ risch erlangter Messungsergebnisse zustande gekommen ist. Eher dürfte in der figuralen Stufenleiter eine (unausge­ sprochene) Analogie zur Säulenlehre mitschwingen, deren drei, vier bzw. fünf Modi mit den vier bzw. fünf Modellen des Buches I zu korrespondieren scheinen. Die Anthropo­ metrik der Säule war aus vitruvischen Andeutungen in der Frührenaissance entwickelt worden, zuerst und vor allem von Filarete, der beim Menschen zwischen dorischen, jo­ nischen und korinthischen Proportionen unterschied, die neun, acht und sieben Kopf längen („capitegli“) besäßen, was den Körpergrößen groß, mittel und klein entspräche.27 In Buch II spielt die Skala des Kopfmoduls keine Rolle mehr. Im übrigen korrespondiert die Figurenskala Dürer’scher Prägung mit einer Aussage Leonardos: „Denn es kann ein Mensch proportionirt sein, dabei aber ebensowohl dick oder kurz, als auch lang und dünn oder mittel“.28 Damit

26 Dresden, fol. 9r; R III, S. 170. 27 Filarete, Traktat über die Baukunst, ca. 1451/64; vgl. Filarete/ Oettingen 1890, S. 52–55; die Reihenfolge merkwürdigerwei­ se in umgekehrter Progression zur klassischen Säulenordnung. Eine erste und fünfte Klasse („Riesen“ und „Zwerge“) verwirft Filarete als unproportioniert. Vgl. auch die Erörterungen und Zeichnungen anthropomorpher Säulen bei Francesco di Gior­ gio Martini; Frings 1998, S. 162. 28 Leonardo/Ludwig 1882, I, Nr. 78.

5 Dürer, Die Typen C und CI, Mann und Weib, in ge­ schlechtsspezifisch proportionaler Körperlänge und ­breite (Montage des Verfassers)

kann die Figuren­Serie des Buches I als ein systematisches Exempel für Mannigfaltigkeit gelten.

277.24 Der „Übertrag“

fol. E2r H 89, B 108 mm Bohatta III, Eij a Giesen XIII, 23 Vor seiner eigentlichen Anwendung wird der „Übertrag“ zunächst in schematischer Weise dargestellt und erläutert (wobei die Graphik wegen der ungleichen Länge der Ka­ theten den falschen Eindruck suggeriert, es ginge hier um eine proportionale Veränderung der Maße, wie etwa beim später eingeführten „Verkehrer“, Nr. 277.74). Zweck dieser Übung ist hier die „Messung“ des männlichen Kopfes, die nicht nur, wie bei den Figuren, die Profil­, En­Face­ und Rückansicht, sondern auch den Grundriß umfaßt. Beim „Übertrag“ handelt es sich um eine geometrische Hilfs­

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E Katalog und Kommentar konstruktion, mit der per Parallelprojektion der Schnitt­ ebenen die Maßverhältnisse zweier gegebener Ansichten auf eine dritte rechtwinklig zu beiden gelegene Ansicht übertragbar sind; dieses geschieht mittels einer um 45˚ ge­ neigten Spiegelachse. Den von ihm zunächst „fertrag“ bezeichneten „Über­ trag“ entwickelte Dürer für diesen Zweck seit ca. 1506.29 Die bereits von Piero della Francesca anhand des Kopfes vorgestellte Methode30 scheint aus der Bildhauerpraxis ab­ geleitet zu sein, die Dürer bekannt gewesen sein dürfte; denn er schreibt zu diesem Verfahren in der „Unterwei­ sung der Messung“: „Darnach must du diß gefiert felt vnd den würffel der darauf stet auf zihen wie ein steinmetz sei­ nen grund im aufreyssen auf zeucht“ (fol. O4r).

277.25 Konstruktion des männlichen Kopfes auf Basis des Mannes von 8 Kopflängen, Profil, En-Face, Rückansicht, durch den „Übertrag“ in den Grundriß übertragen. Vergrößerung des Kopfes nach dem Modell des Mannes von 7 Kopflängen

fol. E2v H 113, B 154 mm Bohatta III, Eij b Giesen XIII, 24 Jetzt wendet sich Dürer – nach den vollständigen Figuren – der Messung ausgesuchter Körperteile en detail zu, dem Kopf, der Hand und dem Fuß des Mannes, sodann dem weiblichen Kopf. Bemerkenswert ist, daß sämtliche betref­ fenden Illustrationen den gleichen Maßstab besitzen, sie ge­ hören zu einer imaginären Figur, deren Länge auf ca. 38 cm zu berechnen ist. Die Kopfmaße sind zwar bei den kompletten Figuren jedweder Statur stets berücksichtigt worden, jedoch nur in großen Zügen und nicht in der gebotenen Detailliertheit, die auch Dürers Vorläufer ausnahmslos vermissen lassen. Als Beispiel wählt Dürer den Kopf des Mannes von acht Kopf längen. Für die Seitenansicht bereitet er demgemäß aus dem Achtel jenes Mannes Länge ein gesondertes Qua­ drat, das er mit einem Netz von horizontalen und verti­

29 Bereits um 1500 ist ein Versuch erkennbar, einen männlichen Kopf koordiniert in Seiten­, Frontal­ und Grundriß zu kon­ struieren, R II, S. 46–50. Ferner existieren Studien (ca. 1507) zur Parallelprojektion des Kopfes, offensichtlich nach italienischem Vorbild, Dresden, fol. 91v, Bruck, Nr. 117, Strauss 1972, Nr. 109. Sodann R II, S. 52–54, 233–239 und 279–290. „Vertrag“ im Sinne von: an anderen Ort tragen. Ausführlich dazu Panofsky 1915, S. 45–51. 30 Piero della Francesca, De prospectiva pingendi (1478, un­ gedruckt); vgl. Piero della Francesca/Nicco­Fasola 1984, u. a. Taf. XXXVI.

kalen Linien versieht. Die entscheidende Horizontale e lie­ fert der Haaransatz („plösse der stirn“), insofern die restliche Distanz zur Grundlinie am Kinn 1/10 der Länge des Mannes ergibt (= Gesichtshöhe), die sich nunmehr dritteln läßt: mit einem Schnitt f am oberen Nasenanfang (diese Li­ nie tangiert Augenbraue und Ohr) und einem weiteren Schnitt g am unteren Nasenende (sie tangiert Nasenf lügel, Ohrläppchen und trifft auf die rückseitige „Eintiefung“ zwischen Haupt und Hals). Schritt für Schritt werden auf dieser Grundlegung die horizontalen Meßlinien durch äquidistante sowie weitere Unterteilungen verfeinert. Ana­ log wird mit den Vertikalen verfahren, die das Gesichts­ quadrat in sieben gleiche Streifen unterteilen. Deren erster rechts enthält die komplizierte Konstruktion des Ge­ sichtsprofils, die für Stirn und Nase mit Hilfe von schrägen Linien („ortlini“) durchgeführt wird. In das komplette Netz wird zuletzt die Profil­ und Binnenzeichnung einge­ tragen. Für das En­Face überträgt Dürer die „Zwerchlinien“ des Profils in ein daneben gezeichnetes Viereck, das wie­ derum 1/8 hoch, aber nur 1/10 der Gesamtlänge breit ist. Die senkrechten Linien gewinnt er hauptsächlich dadurch, daß er die Gesichtsbreite fünftelt. Beide Ansichten werden anschließend ins Format des siebenköpfigen Mannes über­ führt, wobei die entsprechende (den Standard­Rahmen überschießende) Vergrößerung sich lediglich auf die Schä­ delkalotte auswirkt, während die übrigen Daten identisch bleiben (die in der Frontalansicht fülligeren Wangen sind freihändig angepaßt). Daneben erscheint der Kopf in Rück­ ansicht, wobei die beiden Kopfgrößen schematisch durch zwei Kreise gebildet sind. Per „Übertrag“ ‚spiegelt‘ Dürer nun die senkrechten Koordinaten des En­ Face­Gesichtes auf ein weiteres Vier­ eck, wiederum mit den Maßen 1/8 zu 1/10, jedoch quer­ oblong. Dort schneiden sich diese Geraden mit jenen, die aus der darüber liegenden Profilansicht nach unten verlän­ gert sind. Die Schnittpunkte der korrespondierenden Paral­ lelen markieren, geordnet nach Breite und Tiefe, den Grund­ riß des Kopfes und einiger seiner Ebenen und zwar von unten gesehen; der innerste Ring gibt den Schnitt des Hals­ ansatzes wieder. Dürer hatte bereits um 1500 mit der Konstruktion von menschlichen Köpfen begonnen; bei den Planungen zum „Lehrbuch der Malerei“ waren neben den gesamten Kör­ pern auch bereits die markantesten Körperteile, die Köpfe (männlich und weiblich),31 Hände und Füße systematisch einbezogen. Die Drittelung des Gesichts zwischen der Ebe­

31 Eine in der Sache weitgehend übereinstimmende Ausarbeitung bietet ein 1515 dat. Ms.; R II, S. 295–299.

1 Buch I

ne des Kinns und dem Haaransatz geht auf Vitruv zurück, 32 von dem sie Leonardo da Vinci übernahm. Eine sorgfältige Kopf konstruktion (mit Verso­Reinzeichnung) der Pier­ pont Morgan Library nimmt das Profilschema frühzeitig vorweg, gibt dem oberen Kopfabschnitt jedoch die Höhe des Gesichtsdrittels, womit das Kopfquadrat geviertelt und die Stirn dementsprechend erhöht ist; die Vertikalschnitte sind gleichfalls gesiebtelt; das Kinn weicht dagegen zurück, wie es unter Nr. 277.73 in Buch II gelehrt wird. 33 Da Köpfe in Gestalt und Ausdruck höchst komplexe dreidimensionale Qualitäten besitzen, werfen sie – mehr als komplette Körper – Probleme bei ihrer räumlichen Wiedergabe in der Fläche auf. Das veranlaßte Dürer zur Erprobung darstellungstechnischer Methoden, aus denen sich die Parallelprojektion herausschälte, mit deren Hilfe sich Körper auch in ihrer ‚plastischen‘ Dimension aus allen Ansichten korrekt konstruieren lassen. In Buch IV dehnt Dürer das Verfahren der Parallelprojektion auf bewegte Figuren (­elemente) aus.

277.26 Rechte Hand eines Mannes, Ansicht der Außenseite und des Profils

fol. E3v H 50, B 104 mm Bohatta III, Eiij b Giesen XIII, 25 Es folgt die Konstruktion der rechten Hand „eines starken Mannes“, deren Länge 1/10 beträgt 34. Diese Spanne wird in 19 gleiche Abschnitte unterteilt, die ihrerseits als Grund­ Skala zur Längen­Messung der Details dienen. Erstmals wird hier der Zirkel, das Instrument der inzwischen ver­ worfenen geometrischen Methode, erneut in Anspruch ge­ nommen und zwar, um die zwei inneren Fingeransätze (Knöchel) des Handrückens zu bestimmen. Der Schwierigkeit aber auch der Notwendigkeit, Hän­ de korrekt wiederzugeben, war sich Dürer früh bewußt, wie die zwei gezeichneten Selbstbildnisse (W 26, 27), aber auch weitere frühe Studien, die nach der eigenen Hand ge­ nommen sind (so auch W 47), dokumentieren. Die in der Wolgemut­Werkstatt entstandenen Holzschnitte zweier mnemotechnisch eingesetzter Hände (Nürnberg, bei Ko­ berger, 1491) für den „Schatzbehalter“ dürften ihm als un­ zureichend bekannt gewesen sein (Abb. 6).35 Den Händen

32 De Architectura 3.1.2.; vgl.Vitruv/Fensterbusch 1964, S. 136/ 137. 33 W 652(r), 653(v); Strauss/Drawings 5, HP: 1504/5. Das Blatt wird entweder gegen 1504 (im Zusammenhang mit dem Kup­ ferstich­Adam) oder gegen 1512/1513 datiert. 34 Vorarbeiten: R II, S. 309–320. 35 Bartsch/Strauss, 87, 1491/174, 175; vgl. Schatzbehalter/Bellm 1962.

6 Wolgemut­Werkstatt, Linke Hand als mnemotechnische Hilfe, Merkzahlen 1–50. Aus: Schatzbehalter 1491, fol. E6v; Holzschnitt

ist u. a. auch in den Vorzeichnungen zum Heller­Altar be­ sonderes Augenmerk gewidmet („Betende Hände“, W 461). Die um 1513/14 begonnenen Vorarbeiten zur Messung der Hand wurden an der eigenen Linken vorgenommen und geben deren authentische Größe wieder. 36 Dürer konnte sich bei der Messung der Hand auf kei­ nerlei Vorgaben stützen und dürfte deren Konstruktion selbständig erarbeitet haben. Vitruv hatte sich darauf be­ schränkt, der offenen Hand von der Spitze des Mittelfingers zum Gelenk 1/10 der Körperlänge zuzuerkennen, so auch Leonardo da Vinci, Pomponius Gauricus nennt eine Ge­ sichtslänge37. 36 Vgl. insbesondere Dresden, fol. 100r sowie fol. 96r; Bruck, Nr. 106, 105; Strauss 1972, Nr. 121, 122.Vgl. auch Gerstenberg 1912. 37 Gauricus/Brockhaus 1886, S. 134/135.

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E Katalog und Kommentar

277.27 Rechter Fuß von der Seite, von hinten und oben gesehen. Zwei Schnitte an der höchsten Stelle des Spanns und beim Ansatz der Zehen

277.28 Konstruktion des weiblichen Kopfes auf Basis der Frau von 8 Kopflängen, Profil, En-Face, Rückansicht, durch den Übertrag in den Grundriß übertragen

38 Vorarbeiten: R II, S. 321–339. 39 Die wenigen betreffendenVergleichsdaten bei Cennini, Ghiberti, Pomponius Gauricus, Filarete, Leonardo bei R II, S. 321. 40 Eine Nr. 277.27 vorbereitende Zeichnung (linker Fuß!) mit nahezu gleichlautenden Bezeichnungen: Dresden, fol. 97r; Bruck, Nr. 110; Strauss 1972, Nr. 125.

41 Vorarbeiten: R II, S. 300–308.

fol. E5v H 73, B 129 Bohatta III, E5 b Giesen XIII, 26 Es schließt sich die komplizierte und langwierige Messung des rechten Fußes eines „starken Mannes“ von acht Kopf­ längen an.38 Auch hier beschritt Dürer Neuland, denn die Maßangaben früherer Autoren betreffen, wie bei der Hand, nicht die Gliederung und die Details, sondern nur wenige Außenmaße, vor allem die Länge, Höhe und Breite des Fu­ ßes.39 Der Fuß, seit alters eine einschlägige Maßeinheit, be­ trägt laut Vitruv 1/6 der Körperlänge. Derselbe Teilungsfak­ tor erscheint auch bei Alberti und zwar als konstanter Wert. Diesen Maßgaben dürfte Dürer bei seiner hier gleichfalls auf 1/6 basierenden Fußkonstruktion gefolgt sein, während er im übrigen meist f lexible Verhältnisse zwischen Fuß­ und Körperlänge ansetzt (der ‚klassische‘ 1/6­Fuß tritt nur bei den Typen A, AI, B und C auf ). Die Länge des exemplarischen Fußes soll also 1/6, seine Breite 1/17 betragen (Typ C). Ein entsprechend dimensio­ niertes Rechteck („ablange vierung“), das den Rahmen des „niedergedrückten“ Fußes gibt, wird zunächst gedrit­ telt zur Begrenzung der Zehen, des Spanns und der Ferse. Durch weitere regelmäßige Teilungen werden die zielfüh­ renden Punkte gefunden, entweder direkt oder vermittels Diagonalen und Zirkelschlägen. Anschließend wird mittels „Übertrag“ die Seitenan­ sicht vorbereitet, deren Höhe (bis an den Knöchel) 1/24 beträgt. Das so entstandene zweite, niedrigere Rechteck wird horizontal wiederum in drei gleiche Felder geteilt, die zur Koordinierung des Höhenprofils dienen. Endlich wer­ den durch erneuten Übertrag, hier ohne explizite Zuhilfe­ nahme des ‚Spiegels‘, die Rückansicht des Fußes und zwei Schnitt­Profile f und e (an den Punkten der vertikalen Drittelung) ermittelt.40 Die abschließende Zeichnung der „Gestaltlinien“ wird überaus detailliert und sorgfältig be­ schrieben.

fol. F1r H 126, B 152 mm Bohatta III, Fa Giesen XIII, 27 Es folgt das Haupt einer Frau von acht Kopf längen, „eben­ so dimensioniert wie das Männer­Haupt“.41 Wie dort ope­ riert Dürer mit dem quadratischen Rahmen von 1/8 Länge für die Seitenansicht sowie mit dem rechteckigen Rahmen von 1/8 zu 1/10 beim En­Face, der Rückansicht und dem Grundriß. Anders jedoch als beim Profil des Mannes be­ schreibt er hier zunächst die Tiefenmaße, also die senkrech­ ten Linien und zwar mittels Bruchteilen der Gesamtlänge. Bei den die „Höhen“ des Gesichtes definierenden „Zwerch­ linien“ verwendet Dürer eine Mischung aus Abschnitten gleicher Länge sowie solchen, die durch die bekannten Bruch­Faktoren erzeugt werden. Das ändert sich beim En­ Face, das Dürer – wie beim Mann – ausschließlich in gleich breite und zwar zehn (statt fünf ) Abschnitte aufteilt. Ent­ lang den gewonnenen Punkten zieht er die „Gestaltlinien“ von „zarterem Gepräge und süßerer Art“ als beim Mann. Durch Übertrag werden die Rückseite und der Grundriß des Kopfes konstruiert. Auch den weiblichen Kopf könne man vergrößern, „aber nur mit Maßen, denn es schickt sich, daß des Weibes Haupt kleiner bleibe als des Mannes“. Die Konstruktionen des männlichen und weiblichen Kopfes sind nicht nur in operativ ausgetauschter Reihen­ folge vorgenommen, sondern basieren bei der Profilansicht auf unterschiedlichen Ansätzen: beim Mann auf äquidi­ stanten Teilungen der Längen des Kopfquadrates, bei der Frau auf Bruchteilen der gesamten Körperlänge. Die En­ Face­Konstruktionen, also die Breitenmaße, gleichen sich hingegen. Der Grund für den ungewöhnlichen Verfahrens­ wechsel bei der gleichen Aufgabe dürfte darin liegen, daß Dürer die traditionelle, auf Vitruv zurückgehende pauscha­ le Drittelung des Gesichtsfeldes beim Manne vorgezogen hat, während er der Frau differenziertere Maße zuerkann­ te. Damit wurden, statt regelmäßiger Teilung (und Unter­ teilung), unregelmäßige Daten erforderlich, die er sich aus dem System der Bruchteile beschaffte. Hier liegt eine be­ merkenswerte Abweichung der ‚monographischen‘ Kopf­ konstruktion gegenüber den seriellen Köpfen der Figuren in Buch I und II vor, wo die Drittelung des Gesichtsfeldes, wohl der Einfachheit halber, auch für die Frauen gilt. Im Ergebnis zeigen sich vor allem folgende Unter­ schiede: Der Frauenkopf füllt, im Gegensatz zu dem des

1 Buch I

Mannes, nicht das gesamte Quadrat, sondern ist entspre­ chend weniger tief bzw. höher gebaut. Die Nase der Frau nimmt statt eines Drittels einen etwas größeren Teil des Gesichtsprofils (unter dem Haaransatz) ein, und die Schä­ delkalotte über dem Haaransatz ist erhöht. Die entspre­ chend niedrigere Stirn f luchtet mit der Nase, wodurch ein annähernd ‚griechisches Profil‘ entsteht. Die senkrechte Kinn­‚Tangente‘ d weicht (gegenüber dem Haupt des Man­ nes Nr. 277.25) vom Lot der Oberlippe c zu dem der Unter­ lippe zurück, wodurch das Kinn leicht nach hinten gerückt ist.42 Die subtile Operation belegt, daß Dürer von dem Wil­ len geleitet ist, die Proportionslehre bis ins Detail auf eine geschlechtsspezifische Grundlage zu stellen. Darin unter­ scheidet er sich von allen Vorgängern und Zeitgenossen.

277.29 Kind in Seitenansicht schreitend, mit Konstruktion des Kopfes (Typ F), Arm in Seitenansicht, Längendiagramm fol. F3v H 218, B 117 mm Bohatta III, Fiij b Giesen XIII, 28. f

277.30 Kind in Vorder- und Rückansicht gestreckt stehend, mit Konstruktion des Kopfes

fol. F4r H 206, B 151 mm Bohatta III, Fiiij a Giesen XIII, 29. f Es folgt die Messung eines „jungen Kindleins“ (Typ F).43 Sie folgt in wesentlichen Zügen der bereits bekannten Me­ thode, allerdings in eigenem Maßstab. Da der Kopf des Kindes mit 1/4 seiner Gesamtlänge angesetzt ist, besitzt er die relative Größe, die es erlaubt, ihn zugleich in situ zu konstruieren. Dazu wird der Kopf (in Seitenansicht) mit einem Quadrat gerahmt, in das zunächst die „Zwerch­ linien“ für die Höhenbestimmungen eingetragen werden. Erneut operiert Dürer mit einer Mischung von Bruchteilen der Körperlänge, also proportionalen Daten, und gleich langen Teilstücken gegebener Strecken (so die wichtige mittlere Horizontale f ). Die Vertikalen zur Bestimmung der Tiefenmaße gewinnt Dürer fast ausschließlich aus äqui­ distanten Teilpunkten, wobei er zunächst wieder eine Mit­ telachse c zieht, die „mitten auf dem Leib steht“. Dürer ver­ 42 Vgl. hierzu Justi 1902, S. 52–54. Das leicht zurückfluchtende Kinn hatte Dürer in einer frühen Studie für den Mann alternie­ rend in Betracht gezogen, der dadurch einen weiblichen Zug erhält: Dresden, fol. 92v; Bruck, Nr. 118; Strauss 1972, Nr. 111. Um 1506/08.Vgl. auch die Zeichnungen W 652, 653. 43 Vorarbeiten: R II, S. 340–351.

läßt sodann den Kopf und widmet sich den Längendaten des übrigen Körpers und des Arms (in Seitenansicht). Die Beschreibung der durch den „Übertrag“ gewon­ nenen Höhendaten der Vorderansicht beginnt wiederum mit dem Kopf. Dieser wird gerahmt von einem Rechteck, dessen Seiten durch 1/4 bzw. 2/9 der Gesamtlänge gebildet sind. Die Vertikalen zur Bestimmung der Breite des Ge­ sichts werden wie bei Mann und Weib um eine mittlere Achse c fast ausschließlich durch geometrische, äquidistante Teilpunkte festgelegt. Mit der Messung der Körper­ und Armbreiten endet die Konstruktion des „Kindleins“, zu dem noch angemerkt wird, es habe „die Länge eines Drit­ tels seiner Mutter“. Hier endet Buch I der Proportionslehre. Im Unterschied zu den ausgewachsenen Figuren ist das Kind ausschreitend dargestellt, jedoch nur in der Seitenan­ sicht; eine Veränderung des Gleichgewichts ist damit nicht verbunden. Die Aufnahme des Kindes in die Proportionslehre war durch das allgegenwärtige Bildthema des Jesusknaben und der Engel geboten. Auf dieses Bedürfnis hin ist Dürers Kind­Modell deutlich zugeschnitten. Es handelt sich um einen Knaben unbestimmten Alters, der sich bereits ge­ wandt auf den Beinen bewegt, dessen Länge – ein Drittel seiner Mutter – indes für ein Neugeborenes spricht. Statt der vierfachen Kopf höhe, die Dürer dem Kind zumißt (auch ein Charakteristikum eines sehr jungen Kindes),44 hatte ihm Pomponius Gauricus vier Gesichtslängen zuer­ kannt, die Maße aber im übrigen nicht behandelt.45 Dürer hatte die Figur des Kindes von vornherein für sein Maler­ buch eingeplant, eine erste Zeichnung mit Maßangaben in Bruchteilen ist um 1508 datierbar; 46 1513 datiert ist eine ausführliche Konstruktionsanleitung, deren Zeichnung (seitenrichtig) dem endgültigen Holzschnitt sehr nahe kommt.47 Die nicht wenigen Zeichnungen isolierter Kinderköpfe (W 386, 393–400, 577, 619, 862–869) zeigen, soweit ver­ gleichbar, ähnlichen Zuschnitt und damit erneut die Per­ sistenz Dürer’scher Formen und Formeln, die endlich in die Proportionslehre münden. Im Schlußsatz des Buches I begründet der Autor den Sachverhalt, seine Lehre in beiden Medien, sowohl der „Schrift“ als auch dem Bild, dem Holzschnitt, vorgetragen 44 Im Leben wird dieses Verhältnis nach etwa sechs Monaten er­ reicht bzw. überschritten. 45 Gauricus/Brockhaus 1886, S. 132/133. Die Maße des Kindes/ Knaben wolle er nachreichen, wenn ihm seine Schwester einen Neffen geschenkt habe. 46 Dresden, fol. 165v; R II, S. 341f.; Bruck, Nr. 82; Strauss 1972, Nr. 22. 47 Dresden, fol. 164v; R II, S. 347f.; Bruck, Nr. 99; Strauss 1972, Nr. 47.

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E Katalog und Kommentar zu haben, mit den möglichen, vom Formschneider und der Materialalterung verursachten Mängeln des letzteren: „Denn die Schrift bleibt sicherer“. Diese für einen bilden­ den Künstler auffällige Feststellung, zudem eines Mannes, der sich selbst des Schriftstellens für nicht mächtig erklärt hatte, dürfte nicht zuletzt als Tribut an das humanistische Diktum von der Beständigkeit des geschriebenen Wortes zu verstehen sein.48 Immerhin setzte Dürer, wie er wieder­ holt begründet, auf das Medium der Illustration auch we­ gen deren größerer Verständlichkeit vor allem für Personen „von kleinem Verstande“ (fol. E6v). Auf jeden Fall war sich der Autor wohl bewußt, nicht nur das bis dato erste illus­ trierte Lehrbuch zu einem Thema der Kunst verfaßt, son­ dern den Illustrationen eine hervorragende Stellung darin eingeräumt zu haben.

2 Buch II Dürer eröffnet, daß er nun eine andere Methode der Figu­ renmessung lehren wolle und zwar mit dem Instrument des „Meßstabs“.1 Dieser mache jeweils 1/6 der Höhe einer Figur aus (im Gegensatz zum „Teiler“, der sie ganz um­ faßt). Den „Meßstab“ teilt er in 10 gleiche Felder, deren eines er „Zall“ nennt (= 1/60 der Gesamtlänge). Den „Zall“2 teilt er abermals in zehn „Teile“, die er auch so bezeichnet (= 1/600); das „Teil“ drittelt er und nennt die Abschnitte „Trümlein“3. Ein „Trümlein“ ist demnach 1/300 des Meß­ stabs bzw. 1/1800 der Gesamtlänge. Zur Veranschaulichung: Bei einem Menschen von 180 cm Länge beträgt der „Meß­ stab“ 30 cm, der „Zall“ 3 cm, das „Teil“ 3 mm, das „Trüm­ lein“ 1 mm. Eine jede dieser vier Maßeinheiten erhält von ). Dürer ein bestimmtes Symbol („caracter“): ( So ist er in der Lage, übersichtliche Maß­Tabellen in Form von vierspaltigen Kolonnen (unter dem jeweiligen Symbol) für jede gewünschte Figur anzulegen, wofür in Buch II insgesamt 18 Beispiele erscheinen (acht männliche, zehn weibliche). Die Darstellungsformen – Profil­, Fron­ tal­ und Rückansicht – sowie die Meßpunkte werden (mit kleinen Schwankungen) generell beibehalten. Die zunächst tabellarisch aufgelisteten Maße werden sämtlich an den Figurenrissen wiederholt, wobei die Län­ gen im Profilbild wie mit einer Schublehre abgegriffen werden (hier befinden sich die Ziffern untereinander, je­ weils rechts davon das zugehörige Symbol), und zwar wer­ den sie stets von oben nach unten und, wie schon beim „Teiler“, in fünf Etappen ab­ oder eingelesen. Die Tiefen und Breiten sind den Körpern auf den betreffenden Ebenen eingezeichnet (hier erscheinen die Ziffern nebeneinander, die Symbole jeweils darunter).

1 2

48 Vgl. z.B. die lateinische und griechische Devise auf Dürers Kupferstich­Porträt des Erasmus von Rotterdam (1516); Dü­ rer/Druckgraphik 1, Nr. 102.

3

Zur Vorgeschichte dieses Instruments (Maßstab/Meßstab): Zöllner 1987, S. 31–35. Dürer meint mit „zall“ sicherlich Zoll und nicht Zahl, wie diese Einheit in der Sekundärliteratur meist übertragen wird. Alberti, von dem Dürer dieses Meßverfahren kennt, schreibt „unceola“ (unciola), eigentlich ein Zwölftelchen, obwohl es sich hier um ein Zehntel handelt. Zoll, ein Maß zwischen zwei und vier Zen­ timetern, ist jedoch gewöhnlich der zwölfte Teil eines Fußes, weshalb wohl Alberti diesen Terminus wählt, wenn auch mit dem Zusatz „sui generis“; De Statua, 7; vgl. Alberti/Bätsch­ mann 2000, S. 152/153. Cam. I, fol. G3r übersetzt allerdings „numerus“. Überhaupt versucht Camerarius es nicht, Dürers Einheiten an geläufige Termini anzulehnen, sondern gibt pure Übersetzungen (in der Reihenfolge): perticula (künstliches Diminutiv von pertica): Stange, Meßrute; numerus: Zahl; portio: Teil,Anteil; frustulum: Stückchen, Bißchen. „trümlein“, anfangs hatte Dürer diese kleinste Einheit „das mynst“, das Mindeste, Kleinste genannt; z. B. R III, S. 86.

2 Buch II

Dieses zweite Verfahren beruht auf einem gleichsam körpereigenen Modul, dem Sechstel der Gesamtlänge. Die­ ser Wert erinnert an die traditionelle Fußlänge (pes), die vor allem durch Vitruv zur menschlichen Maßeinheit er­ hoben wurde,4 während der physische Fuß bei Dürer von Figur zu Figur variiert. Der Unterschied zum „Teiler“­ (Bruchteil­) Verfahren des Buches I ist nicht prinzipieller, sondern eher ‚philosophischer‘ Natur: Bei der ersten Me­ thode werden die Teilstücke auf ein vorher bekanntes Gan­ zes bezogen und stehen mit diesem ständig in räumlicher Beziehung, ausgedrückt in Bruchteilen; im zweiten Falle verweisen die einzelnen Teilstücke auf eine allen Teilen ge­ meinsame Einheit, den Modul, dessen Darstellung mittels natürlicher Zahlen keine Raumvorstellung erlaubt. Beide Verfahren gleichen einander in ihrer Größenunabhängig­ keit, die sie – theoretisch – für jeden beliebigen Maßstab tauglich macht. Das Modulsystem (annährend ein Dezi­ malsystem) scheint jedoch anwendungsfreundlicher, weil es – im Rahmen eines gesteckten Maßes – fixe anstatt rela­ tive Daten anbietet. Auch meßtechnisch wäre der „Meß­ stab“, den man sich (wenn man die „Trümlein“ wegläßt) ähnlich einem modernen wenn auch sehr kurzen Zollstock vorstellen kann, dem „Teiler“ überlegen. Beide Instru­ mente müßten, sollte man sie zur Abnahme oder Zuteilung von Körpermaßen tatsächlich benutzen, für jede anfallende Länge eigens angefertigt werden. Das zweite Verfahren, das Dürer lange nach dem ersten, offenbar für das Buchprojekt von 1523, nachschob,5 beruht bekanntlich auf Albertis in der Schrift „De Statua“ nieder­ gelegtem Verfahren der „Hexempeda“ (etwa ‚Sechsfuß‘). Darunter verstand Alberti ein Meßverfahren mit Hilfe ei­ ner Art Latte („lignea“), welche die Länge des zu mes­ senden Körpers besitzt, eingeteilt in 6 Fuß (pedes), 60 Zoll (gradus) und 600 Minuten (minuta).6 An diese zunächst für die Längen bestimmte Latte werden zusätzlich rechte Win­ kel zur Messung der Breiten und Tiefen angelegt. In eige­ nen „tabulae dimensionum hominis“, Tabellen mit den Maßen eines exemplarischen Mannes, listet Alberti minu­ tiös die diversen Dimensionen nach Länge („altitudo“), Breite („latitudo“) und Dicke/Tiefe („crassitudo“) des Körpers auf.7 Dürer übernahm diese Technik, maß jedoch nicht wie Alberti von der Fußsohle aufwärts, sondern vom Scheitel abwärts, er maß auch nicht in einem Zuge, son­ 4 5

6 7

De Architectura 3.1.1–7; vgl.Vitruv/Fensterbusch 1964, S. 136– 143. Dürers Entwurfsmaterial zu diesem Verfahren: R III, S. 47–83; Reinschriften mit Zeichnungen (1518/20) ebd., S. 84–117. Die Zeichnungen kommen den endgültigen Holzschnitten oft sehr nahe, gleichen ihnen aber nie in allen Details. Alberti/Bätschmann 2000, S. 152/153. Alberti/Bätschmann 2000, S. 168–177.

dern in Abschnitten. Zugleich relativierte er den Modul, dessen Größe – 1/6 der Körperlänge – er zwar beibehielt, aber vom Körper – dem Fuß – abkoppelte und „Meßstab“ nannte. Überhaupt verfeinerte er Albertis Instrumentari­ um mit der ihm eigenen Gründlichkeit und dehnte seine Anwendung von einem einzigen – zugleich männlichen – Modell auf zahlreiche verschiedene Modelle, und zwar männliche und weibliche, sowie auf die Rückansicht aus. Dem dritten und dem siebten Mann dieses Buches wies er je zwei Frauen zu. Die acht männlichen und zehn weiblichen Figuren in Buch II entsprechen (anders als die Kopfzahl­Modelle in Buch I) keiner vorgegebenen Typenskala, wenn sie auch gleichfalls von der stämmigen zur schlankeren Konstituti­ on schreiten. Sie erwecken zwar den Eindruck, empirisch gewonnen und repräsentiert zu sein, daß jedoch Dürers von Fall zu Fall wiederholte Worte, er wolle nachfolgend diesen oder jenen Mann „messen“, mit Rupprich8 als Zeug­ nis für eine empirische Reihenuntersuchung zu werten sind, kann weitgehend ausgeschlossen werden. Dafür spricht, neben Gründen, die noch zu behandeln sein werden, allein schon der Umstand, daß etliche der einschlägigen Körper­ maße (z. B. Hand­/Bein­/Fußlänge) wiederholt in bevor­ zugter metrischer Festlegung, in stereotypischen Verhältnis­ sen (z. B. Gesichtshöhenformel) oder ins vitruvische Korsett gezwängt auftreten, so daß man kaum generell von empi­ rischen Daten ausgehen kann. Man wird bei jeder Figur mit einer ästhetischen Entscheidung Dürers zu rechnen ha­ ben. Zu Buch II existiert ein Fragment der Reinschrift: Zwei Blätter Text zur männlichen Figur des vierten Propor­ tionspaars; im Druck: fol. H2r–H3r.9

277.31 Seitenansicht eines starken Mannes, Arm in Seitenansicht. fol. F6v, 2 Holzschnitte H 225, B 73; H 93, B 28 mm Bohatta III, F6 b Giesen XIII, 30. g I

277.32 Vorder- und Rückansicht dieses Mannes

fol. G1r H 229, B 170 Bohatta III, G a Giesen XIII, 31. g I Dürer bezeichnet diese Figur als „blocketen“, also etwa stämmigen, grobschlächtigen Mann. Seine Meßwerte kom­ men denen des siebenköpfigen Typs A (Nr. 277.4/5) sehr nahe, doch ist er athletischer als dieser gebaut, hat eine en­

8 9

R III, S. 48f. Nürnberg, fol. 1f.; R III, S. 220–222.

289

290

E Katalog und Kommentar gere Taille, geringeren Bauchumfang sowie einen niedrige­ ren Kopf .

277.33 Seitenansicht einer starken Frau, Arm in Seitenansicht fol. G2v, 2 Holzschnitte H 229, B 65; H 93, B 27 mm Bohatta III, Gij b Giesen XIII, 32. g II

277.34 Vorder- und Rückansicht dieser Frau

fol. G3r H 230, B 161 mm Bohatta III, Giij a Giesen XIII, 33.g II Das dem „blocketen“ Mann „gemäße Weib“ besitzt gegen­ über dem siebenköpfigen Referenz­Typ AI (Nr. 277.6/7) deutlich schlankere Breiten­ und Tiefenmaße sowie einen f lacheren Kopf. Statt der rundlich f ließenden Figur er­ scheint ein ausgeprägt gegliederter Körper mit längerem Hals und kleineren Brüsten. Dieser Typus ist in Seitenan­ sicht frühzeitig vorgeprägt in der Figur des Kupferstichs „Nemesis“ (um 1501),10 mit deren Hauptmaßen bemerkens­ werte Übereinstimmung besteht. „Nemesis“, die als Dürers früheste (geometrisch) konstruierte Figur gilt, besitzt indes vergleichsweise magere Arme und ein anders geformtes Gesäß, bei dem die Glutäen (maximus und medius) optisch geschieden sind, mit dadurch ausgeprägterer Lendenraute. Es hat den Eindruck, Dürer habe hier abschließend – wie in weiteren Fällen – frühe Figurenbildungen nach jahrzehn­ telangen Studien gleichsam ‚auf den Begriff ‘ gebracht.

277.35 Seitenansicht eines schlanken Mannes, Arm in Seitenansicht. fol. G4v, 2 Holzschnitte H 227, B 68; H 90, B 24 mm Bohatta III, Giiij b Giesen XIII, 34. h I

277.36 Vorderansicht dieses Mannes, den linken Arm seitwärts gestreckt

Dieser verbal nicht näher charakterisierte „andere“ (zweite) Mann besitzt mit der Kopf länge von 8 „Zall“ und 2 „Teil“ nahezu exakt das Kopf­/Körperverhältnis von 1 zu 7 des Typs A (Nr. 277.4/5). Dennoch macht er gegenüber die­ sem einen völlig anderen, geradezu schlanken Eindruck. Die frontalen Breiten sind um ca. 16–20 % geringer als beim Vierschröter Typ A und zwar annähernd linear be­ messen: Reduziert man dessen Breite um den entsprechen­ den Wert, erhält man eine mit Nr. 277.36 fast identische Figur.11 Dieses gilt in geringerem Maße für die Seitenan­ sicht, die etwas schlanker und athletischer ausgelegt ist und ein sehr viel kleineres Gesäß aufweist, somit einen geson­ derten Entwurf erkennen läßt. Es hat den Anschein, Dürer habe hier die Relativität der in Buch I vorgelegten Körper­ normen (hier des Kopfmoduls 1 zu 7) demonstrieren wollen. Die Vorder­ und Rückansicht sind am Schema des vitru­ vischen homo ad quadratum (einseitig) ausgerichtet, bei dem ein aufrecht stehender Mann mit ausgestreckten Armen von einem Quadrat begrenzt ist, wobei sich dessen Mittel­ achsen und Diagonalen genau auf der „Spaltung“ des Manns (vorn: Penismitte) kreuzen.12 Dürer hatte dieses Schema (sowie auch den homo ad circulum) bereits ca. 1508 in sei­ nem Vitruv­Exzerpt beschrieben und skizziert,13 später aber als Norm verworfen. Wenn es hier und im folgenden wieder auftritt, dürfte es als eine, auch graphisch attraktive, Referenz an die große Vitruv­Tradition zu werten sein, die indes ohne Belang für Dürers Proportionsprogrammatik bleibt.

277.38 Seiten- und Vorderansicht des dem vorigen Manne „gemäßen Weibes“, Arm in Seitenansicht fol. H1r, 2 Holzschnitte H 226, B 73 mm; H 227, B 84 mm Bohatta III, H a Giesen XIII, 37. h II

277.39 Rückansicht dieser Frau

277.37 Rückansicht dieses Mannes

fol. H1v H 225, B 76 mm Bohatta III, H b Giesen XIII, 38. h II Auch die Frau des „anderen“ Mannes besitzt eine diesem analoge Beziehung zu den siebenköpfigen Modellen des I. Buchs, dem der Frau Typ AI (Nr. 277.6/7); visuell über­

10 Dürer/Druckgraphik 3, Nr. 33.

11 Berechnet mit einem Bildprogramm. 12 De Architectura 3.1.66; vgl.Vitruv/Fensterbusch 1964, S. 138/ 139. Eine mit Nr. 277.36/37 weitgehend übereinstimmende, mit Korrekturen versehene Proportionsstudie: Dresden fol. 108v; Bruck, Nr. 29; Strauss 1972, Nr. 87. 13 R II, S. 163–165.

fol. G5r H 225, B 161 mm Bohatta III, G5 a Giesen XIII, 35. h I

fol. G5v H 228, B 160 mm Bohatta III, G5 b Giesen XIII, 36. h I

2 Buch II

prüf bar, wenn man deren Breiten­ und Tiefenwerte um 14 % verjüngt bzw. diejenigen von Nr. 277.38/39 entspre­ chend vermehrt. Der Unterschied zwischen beiden Model­ len wird nicht von unterschiedlichen Maßen (mit Ausnah­ me der Gesäßgröße), sondern der Art des freihändigen Umrisses bedingt, der bei Nr. 277.38/39 statt des weichen, ganzheitlichen Flusses der Figur AI die Gliederung des Körpers betont. Anders als bei einigen der folgenden Paare wurde das vi­ truvische Schema nicht auf die zugehörige Frau übertragen.

277.40 Seitenansicht eines schlanken Mannes, Arm in Seitenansicht

fol. H3v, 2 Holzschnitte H 226, B 75 mm; H 94, B 22 mm Bohatta III, Hiij b Giesen XIII, 39. i I Fragmentarische Druckvorlage: R III, S. 220–222.

277.41 Vorder- und Rückansicht dieses Mannes fol. H4r H 227, B 153 Bohatta III, Hiij a Giesen XIII, 40. i I

277.42 Seiten- und Vorderansicht einer schlanken Frau, Arm in Seitenansicht (erste Frau zu vorigem Mann) fol. H5v, 2 Holzschnitte H 228, B 69 mm; H 229, B 85 mm Bohatta III, H5 b Giesen XIII, 41. i II

277.43 Rückansicht dieser Frau. fol. H6r H 230, B 70 mm Bohatta III, H6 a Giesen XIII, 42. i II

277.44 Seiten- und Vorderansicht einer schlanken Frau, Arm in Seitenansicht (zweite Frau zu vorigem Mann) fol. J1v, 2 Holzschnitte H 227, B 72; H 227, B 89 Bohatta III, I b Giesen XIII, 43, i III

277.45 Rückansicht dieser Frau

fol. J2r H 227, B 76 mm Bohatta III, Iij a Giesen XIII, 44. i III Dem schlanken Mann Nr. 277.40/41 stellt Dürer zwei ver­ schiedene Frauen zur Seite (Nr. 277.42/43, Nr. 277.44/45), die in ihren Längenverhältnissen einander zwar sehr ähn­ lich sind, nicht aber in der Körperbreite, welche bei der zweiten Frau zugenommen hat: dies jedoch nicht durch­

gängig, sondern auf die Körpermitte zwischen Taille und Oberschenkeln beschränkt. Hier in der Hüftzone ist die zweite Frau um ca. 10 % ausladender als die erste. Diese Zu­ nahme ist wiederum nicht entsprechend auf die Seitenan­ sicht, die Körpertiefe ausgedehnt, wo sich beide Figuren weitgehend gleichen. Die in Buch I starre Kopf­/Körper­ Relation ist in Bewegung geraten: Dem Haupte des Mannes von 7 „Zall“ und 8 „Teil“ Höhe stehen 7 „Zall“ und 7 „Teil“ sowie 7 „Zall“ und 6 „Teil“ bei den Häuptern der Frauen gegenüber. Da die von Dürer für die Proportionspaare stets bean­ spruchte gegenseitige Entsprechung („gleichmessig“, „ge­ meß“) nur unter Beachtung des von ihm postulierten Län­ genunterschieds von Mann und Weib sichtbar werden kann, sei hier eine Synopse des Mannes und seiner zwei Frauen in maßstabsgerechter Differenzierung (minus 1/18) angefügt. Dabei wird einmal mehr deutlich, daß für Dürer keine fixe Relation zwischen den männlichen und den weiblichen Maßen existiert, sondern daß es um Optionen geht, die dem Geschmack und zwar in ästhetischer und an­ thropologischer Hinsicht unterliegen. (Abb. 7).

277.46 Seitenansicht eines sehr schlanken Mannes, Arm in Seitenansicht. fol. J3v, 2 Holzschnitte H 229, B 69; H 99, B 23 mm Bohatta III, Iiij b Giesen XIII, 45. k I

277.47 Vorderansicht dieses Mannes, mit ausgestrecktem rechten Arm und seitwärts gesetztem linken Bein, von einem Kreisbogen mit Mittelpunkt im Nabel umzogen fol. J4r H 223, B 178 mm Bohatta III, Iiiij a Giesen XIII, 46. k I

277.48 Rückansicht dieses Mannes

fol. J4v H 242, B 176 mm Bohatta III, Iiiij b Giesen XIII, 47. k I Dieser annähernd achtköpfige Mann kann sowohl mit dem schmalen achtköpfigen Typ C (Nr. 277.12/13) als auch mit dem neunköpfigen Typ D (Nr. 277.16/17) verglichen wer­ den. Mit erstem teilt er ungefähr die Längenmaße, unterschrei­ tet ihn aber in Breite und Tiefe regelmäßig um ca. 8–12 %; mit zweitem teilt er in etwa letztere Maße, unterscheidet sich aber in den Längen. Es ist hier, wie bereits bisher in Buch II, das Bestreben erkennbar, die Körpervarianten von der (kopf­) modulbe­ stimmten Längenentwicklung abzukoppeln, um sie empi­ rischer erscheinen zu lassen. Gleiches gilt auch für die

291

292

E Katalog und Kommentar

7b fehlt noch

7a/b Dürer, Der Mann Nr. 277.41 mit beiden „ihm gemäßen“ Frauen Nr. 277.42 und Nr. 277.44 in geschlechtsspezifisch proportionaler Körperlänge, ­breite und ­tiefe (Montage des Verfassers)

2 Buch II

Paare, bei denen sich Mann und Weib jetzt generell in der proportionalen Kopfgröße unterscheiden. Die Vorder­ und Rückansicht ist erneut nach dem vi­ truvischen Schema konstruiert, nun als homo ad circulum – aufgrund des Postulates, daß sich der menschliche (männ­ liche) Körper, wie schon einem Quadrat (Nr. 277.35/36/37), so auch einem Kreis einschreiben lasse. Dieses sei bei auf Scheitelhöhe ausgestreckten Armen und gespreizten Bei­ nen der Fall, wobei nun der Bauchnabel die Mitte des Kreises bilde. Die beiden in dem bekannten vitruvischen Proportions­Blatt von Leonardo da Vinci14 in Personaluni­ on vereinten Modalitäten (homo ad quadratum und homo ad circulum) erscheinen bei Dürer nur einseitig sowie auf gesonderte Figuren verteilt. Dabei hat Dürer sowohl darauf verzichtet, beide Beine des Mannes zu spreizen, als auch nach dem für die vitruvische Plazierung der Figur im Kreis geeigneten Spreizungswinkel zu suchen.15 Stattdessen gibt er eine Standbein­/ Spielbeinsituation ohne längenverkür­ zende Spreizung, die von Vitruv nicht gemeint war und auch von dessen frühneuzeitlichen Interpreten sonst nicht so gesehen wurde. Offenbar hatte Dürer zunächst eine traditionelle, weit gespreizte vitruvische Kreisfigur für diesen Zweck geplant, wie sie im Dresdner Manuskript erscheint,16 die er mögli­ cherweise deshalb nicht verwendete, weil ihm dabei klar

geworden war, daß die Spreizung realiter nur einen mini­ malen, zirkeltechnisch überhaupt keinen Einf luß auf das Zustandekommen des postulierten Kreises hat, daß also die Füße ebenso gut senkrecht auf der unteren Sohle des Kreises stehen könnten (Abb. 8 a/b). So deutet Dürer das vitruvische Motiv, hier und im folgenden, in eine Pondera­ tion um, die durch die gegenläufige Ausstellung je eines Armes und eines Beines bewirkt ist. Der ausgestellte Fuß steht demzufolge nicht auf dem (Innen­) Zirkel, sondern dessen unterer horizontaler Tangente, die demonstrativ verlängert ist.

277.49 Seitenansicht einer sehr schlanken Frau, Arm in Seitenansicht. fol. J6r, 2 Holzschnitte H 227, B 73 mm; H 93, B 22 mm Bohatta III, I6 a Giesen XIII, 48. k II

277.50 Vorderansicht dieser Frau, mit ausgestrecktem rechten Arm und seitwärts gesetztem linken Bein, von einem Kreisbogen mit Mittelpunkt im Nabel umzogen fol. J6v H 237, B 166 mm Bohatta III, I6 b Giesen XIII, 49. k II

277.51 Rückansicht dieser Frau

14 Feder­/Stiftzeichnung, Proportionsstudie nachVitruv, um 1492; Venedig,Accademia, Inv.­Nr. 228. 15 Bei Vitruv wird der Spreizungsgrad nicht genannt. Nach Leo­ nardo ist es eine Bedingung dieser Konstruktion, daß die Figur durch Spreizung der Beine um 1/14 verkürzt werde, wobei die Fläche zwischen den Beinen ein gleichseitiges Dreieck bilde, was bei der Zeichnung in Venedig ungefähr der Fall ist; Leo­ nardo/Lücke 1952, S. 130f. Die zur Rede stehende Divergenz zwischen geschlossen und gespreizt gestreckten Beinen kommt dadurch zustande, daß der graphische Mittelpunkt der Drehung im Nabel, der physische Mittelpunkt der Spreizung jedoch im jeweiligen Hüftgelenk verortet ist. 16 Dresden fol. 112v, 113r; Bruck, Nr., 36, 37; R III, S. 68; Strauss 1972, Nr. 85, 86. Die Spreizung der Dresdner Figur, einer Rein­ zeichnung in den Standardmaßen, deren Rückseite bezeichnen­ der Weise nicht spiegelverkehrt ist, würde die Verkürzung ge­ genüber Leonardo auf ungefähr 1/7 verdoppeln, was indes ohne wesentlichen Belang für die Kreiskonstruktion bliebe. Diese nichtverwendete Figur besitzt enge metrische Verwandtschaft mit der quadratischen Figur Nr. 277.36 und war möglicher­ weise als deren Zirkel­Pendant geplant. Der Spreizungswinkel zur Vertikalen (ca. 43°, Leonardo: ca. 28°) resultiert daraus, daß die Linie Nabel – Hüftgelenk als Achse des ausgestellten Beines benutzt wurde. Dürer erprobte die Spreizung auch bei der Frau, was völlig mißlang, weil er die volle Länge des Beins von der Sohle zum Hüftgelenk um dieses mit dem Zirkel schlug und damit eine erheblich längere Strecke erzielte: London, Sloane 5228, fol. 178r, 178v; R III, S. 69, Abb. 43.

fol. K1r H 234, B 171 mm Bohatta III, K a Giesen XIII, 50. k II Diese Frau entspricht in den Längen weitgehend dem schmalen achtköpfigen Typ CI (Nr. 277.14/15), hat einen geringfügig kleineren Kopf und geringfügig längere Beine. Entsprechendes gilt auch für die meisten Breiten und Tie­ fen. Dennoch besitzt sie eine von Typ CI (und allen Vor­ gängerinnen) abweichende Morphologie: Die Taille mar­ kiert auffällig die schmalste Stelle des Körpers, darüber weitet sich der Oberkörper – sowohl in Breite wie Tiefe – bis hinauf in den Schulter­/Brustbereich, vergleichbar den männlichen Figuren. Unterhalb des engen ,Gürtels‘ sprin­ gen die Hüften augenfällig hervor, ohne jedoch zunächst größere Breite als beim Vergleichsmodell CI zu gewinnen. Größere Breite entsteht erst in Höhe der Hüftgelenke mit dem Ansatz der Oberschenkel, rückseitig von einem bir­ nenförmig veränderten Gesäßdesign begleitet. Mit diesem dynamischeren Kontur ausgestattet besitzt dieses Modell aus heutiger Sicht einen moderneren, gleichsam sportliche­ ren Zuschnitt. Wie der entsprechende Mann figuriert auch die Frau im Schema des homo ad circulum, womit das populäre vitruvische Modell vermutlich erstmals feminisiert worden

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294

E Katalog und Kommentar

8 a/b

Dürer, Homo ad circulum; von vorn, von hinten; Dresden, fol. 112v, 113r; Feder

ist: dieses gleichfalls in der bereits diskutierten reduzierten Weise, die anders bereits aus Schicklichkeitsgründen bei der Frau auch nicht möglich gewesen wäre.17 Im übrigen erinnert die Beinstellung an diejenige Evas auf der Wiener Zeichnung von ca. 1506 (W 424, 425). Die infolge der seit­ wärts gestreckten Rechten verschobene Brustmuskulatur ist in leichter Hebung des rechten Busens berücksichtigt.

277.52 Seiten- und Vorderansicht eines schlanken Mannes, mit alternativ erhöhtem Schädel, Arm in Seitenansicht fol. K4r, 2 Holzschnitte H 230, B 68 mm; H 230, B 88 mm Bohatta III, Kiiij a Giesen XIII, 51. l I

17 So warnt etwa Leonardo da Vinci ausdrücklich davor, Frauen mit gespreizten und zu offenen Beinstellungen wiederzugeben; Leonardo/Ludwig, 1882, I, Nr. 387.

277.53 Seiten- und Vorderansicht einer schlanken Frau, mit alternativ erhöhtem Schädel, Arm in Seitenansicht

fol. K4v, 2 Holzschnitte H 229, B 68 mm; H 229, B 82 mm Bohatta III, Kiiij b Giesen XIII, 52. l II Hier „beschreibt“ Dürer „einen Mann und ein Weib“, die erstmals nur von vorn und von der Seite, ohne Rückansicht wiedergegeben sind. Der Mann ist von einer seinem Vor­ gänger (Nr. 277.46/47/48) verwandten Statur, hat etwas längere Beine (deutlich länger als die Körperhälfte) und ei­ nen kleineren Kopf, wodurch sich alle Höhendaten des Rumpfs merklich nach oben verschieben. Im übrigen ha­ ben die Körperbreiten annähernd regelmäßig um ca. 10 % zugenommen, das gilt in etwa auch für die Körpertiefen und die Stärke des Arms. Vergleichbar dem Vorgang bei der Konstruktion des Kopfes (Nr. 277.25) wird bei beiden Geschlechtern eine erhöhte Kopfvariante angeboten (Er­ höhung um 8 „Teil“), die ungefähr dem des Vorgängers (Nr. 277.46/47/48) entspricht (neues Verhältnis: 1 zu ca. 7,7 statt 1 zu ca. 8,57). Dieser Mann weist am Bein vier neue

2 Buch II

Meßebenen auf: zwei unter dem Gesäß (genannt: „Die negst darund’“ und „Die ander“) sowie zwei am Knie, wo die Standard­Angaben „über dem Knie“ und „unter dem Knie“ jeweils um die Angaben „innen“ und „außen“ (unter dem Knie) vermehrt sind. Das Knie ist somit der Ort des Kör­ pers mit den meisten Meßdaten auf engstem Raum: insge­ samt 15 bei räumlicher Betrachtung. Die Unterschiede zwischen dieser Frau und ihrer Vor­ gängerin (Nr. 277.49/50/51) sind geringer als bei den entspre­ chenden männlichen Figuren. Der untere Brustabschnitt zwischen den Linien „unter den Brüsten“ und „Taille“ ist merklich verkürzt; um die gleiche Spanne gewinnt die obere Brustzone. Im Profil fällt die extrem ausgeprägte und hoch angesetzte Bauchrundung auf, die jedoch nicht Folge eines Meßwertes, sondern Ergebnis freihändiger Zeich­ nung ist. Der ,sportliche‘ Charakter ist zurückgenommen.

277.54 Seitenansicht eines durchschnittlichen Mannes, Arm in Seitenansicht fol. K6r, 2 Holzschnitte H 228, B 66 mm; H 90, B 24 mm Bohatta III, K6 a Giesen XIII, 53. m I

277.55 Vorderansicht dieses Mannes, mit ausgestrecktem rechten Arm und seitwärts gesetztem linken Bein, von einem Kreisbogen mit Mittelpunkt im Nabel umzogen fol. K6v H 238, B 185 mm Bohatta III, K6 b Giesen XIII, 54. m I

277.56 Rückansicht dieses Mannes fol. L1r H 233, B 188 mm Bohatta III, L a Giesen XIII, 55. m I

277.57 Seitenansicht einer durchschnittlichen Frau, Arm in Seitenansicht fol. L2v, 2 Holzschnitte H 228, B 67 mm; H 88, B 23 mm Bohatta III, Lij b Giesen XIII, 56. m II

277.58 Vorderansicht dieser Frau, mit ausgestrecktem rechten Arm und seitwärts gesetztem linken Bein, von einem Kreisbogen mit Mittelpunkt im Nabel umzogen fol. L3r H 235, B 182 mm Bohatta III, Liij a Giesen XIII, 57. m II

277.59 Rückansicht dieser Frau fol. L3v

H 234, B 178 mm Bohatta III, L iij b Giesen XIII, 58. m II Dieser Mann ist dem früheren Modell (Nr. 277.35/36/37) nicht nur im Kopf­/Körperverhältnis (annähernd 1 zu 7), sondern auch in den meisten übrigen Körpermaßen sehr verwandt. Merkliche Unterschiede zeigen sich nur in der Verteilung einzelner Zwischenlängen des Beins und des Rumpfs: So hat hier die Spanne von der Fußsohle bis zur Kniemitte zu Lasten der Spanne Kniemitte bis Gesäß unten (also etwa Unterschenkel zu Oberschenkel) gegenüber dem Vergleichsmann zugenommen (bei insgesamt etwa gleich­ bleibender Beinlänge). Gleiches gilt für das Verhältnis zwi­ schen Unterkörper („Endt des hindern“ bis „In der weychen“) und Oberkörper („In der weychen“ bis „Halsgrüblein“), das hier im Vergleich zum vorherigen Mann umgekehrt worden ist, wodurch mehr Raum für das ( jetzt vergrö­ ßerte) Gesäß zustande gekommen ist. Die dazugehörige Frau ist gegenüber dem betreffenden Vergleichsmodell (Nr. 277.38/39) in gänzlich anderer Wei­ se verändert: Ihre Beinlänge („Solen“ bis „Spaltung des weybs“) hat erheblich (etwa 10 %) zugelegt (mißt jetzt wie beim Mann die Körperhälfte), während die Verteilung auf Ober­ und Unterschenkel etwa konstant geblieben ist. Dementsprechend verkürzt sich ihr Rumpf bis zur Höhe des Kinns, und die „Zwerchlinien“ für Hüfte, Nabel und Brüste rücken höher. Während die Körpertiefe ungefähr gleich bleibt, besitzt die jetzige Frau aufgrund ihres weit niedrigeren Beckens eine entsprechend schlankere Hüft­ breite und ein kleineres Gesäß. Die Modifikationen sind demnach bei Mann und Frau nicht parallelisierend, sondern divergierend durchgeführt. Erneut erscheinen die Vorder­ und Rückansichten beider Figuren dem Vitruvkreis eingepaßt, wobei hier das jewei­ lige ausgestellte Bein als Spielbein regelrecht, mit vom Bo­ den gelöster Hacke, auf die Fußspitze gestellt ist.

277.60 Seitenansicht eines durchschnittlichen Mannes, Arm in Seitenansicht fol. L5r, 2 Holzschnitte H 226, B 73 mm; H 95, B 24 mm Bohatta III, L5 a Giesen XIII, 59. n I

277.61 Vorderansicht dieses Mannes, mit ausgestrecktem rechten Arm und seitwärts gesetztem linken Bein, von einem Kreisbogen mit Mittelpunkt im Nabel umzogen fol. L5v H 232, B 184 mm Bohatta III, L5 b Giesen XIII, 60. n I

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E Katalog und Kommentar

277.62 Rückansicht dieses Mannes fol. L6r H 233, B 187 mm Bohatta III, L6 a Giesen XIII, 61. n I

277.63 Seitenansicht einer durchschnittlichen Frau, Arm in Seitenansicht (erste Frau zu vorigem Mann) fol. M1v, 2 Holzschnitte H 226, B 77 mm; H 90, B 23 mm Bohatta III, M b Giesen XIII, 62. n II

277.64 Vorderansicht dieser Frau, mit ausgestrecktem rechten Arm und seitwärts gesetztem linken Bein, von einem Kreisbogen mit Mittelpunkt im Nabel umzogen fol. M2r H 235, B 180 mm Bohatta III, Mij a Giesen XIII, 63. n II

277.65 Rückansicht dieser Frau fol. M2v H 232, B 180 mm Bohatta III, Mij b Giesen XIII, 64. n II

277.66 Seitenansicht einer durchschnittlichen Frau, Arm in Seitenansicht (zweite Frau zu vorigem Mann) fol. M4r, 2 Holzschnitte H 228, B 75 mm; H 89, B 22 mm Bohatta III, Miiij a Giesen XIII, 65. n III

277.67 Vorderansicht dieser Frau, mit ausgestrecktem rechten Arm und seitwärts gesetztem linken Bein, von einem Kreisbogen mit Mittelpunkt im Nabel umzogen fol. M4v H 237, B 172 mm Bohatta III, Miiij b Giesen XIII, 66. n III

277.68 Rückansicht dieser Frau

fol. M5r H 237, B 172 mm Bohatta III, M5 a Giesen XIII, 67. n III Dieser ‚durchschnittliche‘ Mann teilt mit seinen etwa acht Kopf längen auch die meisten seiner übrigen Maße mit den beiden nominell achtköpfigen Modellen aus Buch I (Typ B und C). Die ausgeprägtere Trapezförmigkeit des Thorax und die schmaleren Hüften erwecken jedoch einen athle­ tischeren Eindruck.

Auch diesem Mann sind zwei Frauen zugesellt. Anders jedoch als in Buch I, wo die Geschlechter als konstrukti­ onsbedingte, stark formalisierte Mann/Frau­Pendants er­ scheinen, ist hier die je eigene geschlechtsspezifische Natur betont. So besitzt die erste dieser Frauen zwar annähernd dieselbe (relative) Taillenweite wie der Mann, übertrifft diesen aber in der Hüftbreite um ca. 25 %, während die Partner Typ C und Typ CI auf denselben Körperebenen je­ weils annähernd gleich dimensioniert sind. Das bewirkt hier eine weitaus ,fraulichere‘ Erscheinung. Die zweite Partnerin repräsentiert denselben fraulichen Typus mit schlanker Taille und ausladender, in Leistenhöhe maximaler Hüftbreite. Sie ist jedoch insgesamt schlanker ausgelegt, hat einen etwas kleineren Kopf, vor allem aber längere Beine (ca. 4 %), was zur Kürzung des Bauch­/Be­ ckenbereichs führt und die Gesäßdimension entsprechend reduziert. Ihre Gesichtseinteilung folgt einem neuen Sche­ ma: Statt der üblichen Drittelung der Gesichtshöhe (zwi­ schen Haaransatz und Kinnebene) ist dem oberen Abschnitt (der Stirn) eine eigene, größere Spanne eingeräumt. Der verbleibende Abschnitt zwischen Augenbraue und der Un­ terseite des Kinns wird halbiert. Die Vorder­ und Rückansichten der drei Figuren dieses Ensembles sind erneut dem Vitruvkreis eingepaßt.

277.69 Seiten- und Vorderansicht eines sehr schlanken Mannes, Arm in Seitenansicht fol. M6v, 2 Holzschnitte H 226, B 66 mm; H 225, B 70 mm Bohatta III, M6 b Giesen XIII, 68. o I

277.70 Rückansicht dieses Mannes fol. N1r H 226, B 64 mm Bohatta III, N a Giesen XIII, 69. o I

277.71 Seiten- und Vorderansicht einer sehr schlanken Frau, Arm in Seitenansicht fol. N2v, 2 Holzschnitte H 226, B 68 mm; H 227, B 76 mm Bohatta III, N2 b Giesen XIII, 70. o II

277.72 Rückansicht dieser Frau

fol. N3r H 226, B 66 mm Bohatta III, Niij a Giesen XIII, 71. o II Dieses schlankste Paar in Buch II, annähernd neunköpfig, ist dem neunköpfigen Paar in Buch I (Typ D, DI) in allen Maßen so nah verwandt, daß sich eine Diskussion der Un­ terschiede erübrigt. Nur die Armlänge von der Schulter bis zu den Fingerspitzen differiert merklich, sie ist hier beim

2 Buch II

Mann um ca. 5% und bei der Frau um ca. 7 %, also beträcht­ lich, kürzer.

277.73 Konstruktion zweier männlicher Köpfe auf Basis des Mannes von 7 Kopflängen, Profil. Verkleinerung des ersten Kopfes

fol. N4v H 217, B 102 mm Bohatta III, N4 b Giesen XIII, 72 Zum Abschluß des Buches II bietet Dürer zwei weitere Konstruktionen männlicher Köpfe in Profilansicht, jetzt auf Grundlage des „Meßstabs“. Er schickt jedoch voraus, sich „teilweise der Methode des I. Buchs“ bedienen zu wollen, womit wohl nur gemeint sein kann, daß er für sein Kopf­ quadrat auf ein Siebtel (alternativ: ein Achtel) der Figuren­ länge, also die Bruchteil­Methode zurückgreift. Die an­ schließende Unterteilung einer Seite dieses Quadrats in acht „Zall“ (links), mit der Dürer dann zur „Meßstab“­ Methode überleitet, korrespondiert allerdings nicht mit dieser Voraussetzung; denn 1/7 einer vorgegebenen Länge ist qua se nicht identisch mit 1/60 dieser Länge multipli­ ziert mit 8.18 Unbeschadet dieses Denkfehlers ist die weitere Arbeit mit dem „Meßstab“ schlüssig. Erneut bildet das Quadrat den Rahmen, in welchen die Senkrechten ausschließlich nach Maßgabe der „Meßstabs“ gezogen sind, während die Hori­ zontalen erneut aus äquidistanten Teilpunkten gewonnen werden (z. B. durch Drittelung des Gesichts). Anders als bei Nr. 277.25, wo zugleich die Vergrößerung des Kopfes geübt wird, zeigt Dürer hier (am ersten Kopf ) die Metho­ de, ihn zu verkleinern. Dieses scheint insofern vorbereitet zu sein, als die Spanne zwischen Scheitel und Haaransatz mit 2 „Zall“ 6 „Teil“ unverhältnismäßig hoch angesetzt ist, so daß der Kopf durch seine Verkleinerung erst eigentlich seine dürertypische ‚Normalität‘ gewinnt (hier ungefähr ein Viertel der Kopf höhe). Die beiden neuen, der Verklei­ nerung des Rahmens dienenden Grenzlinien, die auffal­ lend ‚beiläufig‘ zustande kommen, besitzen, was sich erst bei genauer Berechnung erweist, unterschiedliche Distan­ zen zu den betreffenden Seiten des Ursprungsquadrates, können also kein exakt verkleinertes neues Quadrat, die übliche Voraussetzung von Dürers (Profil­) Kopfkonstruk­ tionen, bilden, was dem Autor entweder entgangen ist oder was er mit Stillschweigen übergeht.19 18 Das Kopfmaß von 8 „Zall“ ergibt eine Kopf­/Körperrelation von 1 zu 7,5. 19 Die rückseitige Grenz­Vertikale k des verkleinerten Kopfes be­ sitzt die Distanz von 7 „Teil“ zur korrespondierenden Seite b des Ausgangsquadrats, während die neue Scheitel­Vertikale die analoge Distanz von 2 „Zall“ 6 „Teil“ geteilt durch 4 besitzt;

Gegenüber Nr. 277.25 ist das Gesichtsprofil verändert und ähnelt nun dem des Frauenkopfes (Nr. 277.28) mit der ‚griechischen‘ Stirn­/Nasenlinie und dem leicht f liehenden Kinn. Abweichend benutzt Dürer am zweiten Kopf auch bei einigen senkrechten Teilstrecken den „Meßstab“, hält aber an der Drittelung der Gesichtshöhe fest. Die Entwicklung des Profilkopfes beider Konstrukti­ onen läßt sich weit zurückverfolgen; der Kopf erscheint in dieser Form bereits in einem Manuskript, das zumeist um 1512 datiert wird.20 Hier tritt auch schon die Operation mit der unteren „Ortlinie“ (Diagonale) zur Definition des zu­ rückweichenden Profils von Lippen und Kinn auf. Doch bereits der Adam des Kupferstichs von 150421 und der unter Nr. 277.25 genannte konstruierte Kopf in New York tra­ gen verwandte Züge. Auch in diesem Fall zeigt sich Dürers lebenslanges Festhalten an frühen Bilderfindungen und sein Bemühen, sie durch metrische Konstruktionen nach­ träglich zu beglaubigen. Dürer endet Buch II mit der Bemerkung, daß man auch mit Teilstücken des Körpers (er meint wohl, neben der „Tei­ ler“­ und „Meßstab“­Methode) proportional handeln, also diese Teilstücke anstelle mit dem Ganzen mit jeweils ande­ ren Teilstücken des Körpers in Relation setzen könne (z. B.: „die Breite der Wade sei ein Viertel der Länge des Schienbeins, aber die Fußknöchel seien halb so breit“). Dieses Verfahren, das er selbst nicht anwendet, 22 aber hier anheim stellt, entspricht dem Proportionsverfahren Leo­ nardos da Vinci, der sog. Analogie­Methode, bei der die unterschiedlichsten, auch nicht benachbarten Körperteile miteinander ins Verhältnis gesetzt werden.23 Insgesamt zeigt sich bei den Figuren des Buchs II eine weit gemäßigtere Skala der Körper­Konstitutionen. Nur in der ersten (Nr. 277.31/32 sowie Nr. 277.33/34) und der letzten Position (Nr. 277.69/70 sowie Nr. 277.71/72), männlich wie weiblich, ist die Polarisierung aus Buch I – in

20 21 22

23

das ergäbe 6,5 „Teil“ in der Horizontalen gegenüber 7 in der Vertikalen. In der Illustration (Nr. 277.73 oben) weichen die Abstände der neuen Seiten vom Ursprungsquadrat in der Tat ein wenig voneinander ab. London, Sloane 5230, fol. 10r; R II, S. 46. Dürer/Druckgraphik, 1, Nr. 39. Bei einer frühen Figur aus dem Dresdner Skizzenbuch hat Dürer in dieser Weise operiert, indem er eine Kollektion von verschiedenen Vierteln des (männlichen) Körpers zusammen­ stellte, ca. 1508; Dresden, fol. 125v; Bruck, Nr. 48; R II, S. 167; Strauss 1972, Nr. 33. Panofsky 1915, S. 110. Vgl. Leonardos Proportionsangaben: Leonardo/Lücke 1952, S. 124–131. Pomponius Gauricus übernimmt diese Sichtweise (nicht ohne sie symbolisch zu befrachten), er wählt dafür das ‚ griechische „Analogia“ („inter se partium αναλογία“), für das er auch noch das lateinische „commensus“ bereit hält; Gauri­ cus/Brockhaus 1886, S. 134/135.

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E Katalog und Kommentar geringerem Maße – wieder aufgenommen; beide Modi sind von der Erfahrungswelt gleichermaßen weit entfernt. Alle übrigen vierzehn Modelle sammeln sich um eine mitt­ lere Lage, welcher Dürer in seinen schriftlichen Aussagen traditionsgemäß wiederholt den relativen (aber nicht unbe­ dingten) ästhetischen Vorzug eingeräumt hat.24 Alles in allem sind die Figuren in Buch I aufgrund theoretischer Vorgaben von größerer metrischer Systematik, mithin von größerer Willkür gegenüber der Natur gezeichnet, wäh­ rend die Figuren in Buch II aufgrund mehr oder minder dezenter Variationen weit mehr den Anschein der Natur­ vielfalt erwecken, ohne jedoch konkrete Modelle wieder­ zugeben. Dem entspricht auch der jetzt freiere graphische Duktus und die vermehrte Varianz der figürlichen Stellun­ gen.

3 Buch III In Buch III lehrt Dürer alle zuvor beschriebenen Maße nach Wunsch zu „verändern und (zu) verkehren“ (fol. O1r.). Dazu bedarf es, seiner Auffassung zufolge, zunächst der Einsicht in die Natur der Unterschiede und der Andersar­ tigkeit, die sich in Gegensatzpaaren ausdrücke. So folgt eine Auf listung antithetischer Wortpaare (insgesamt 19), die Dürer selbst die „widerwärtigen ding“ oder auch „wor­ ter der underscheid“ nennt.1 Er scheint von einer Passage in Albertis „De Pictura“ angeregt, in der Gegensatzpaare als Grundlage der menschlichen Befähigung abgehandelt sind, überhaupt Vergleiche anstellen und Veränderungen wahr­ nehmen zu können.2 Anhand des Gegensatzes groß/klein wird dann grundsätzlich unterschieden zwischen der regel­ mäßigen Vergrößerung bzw. Verkleinerung eines ganzen Gebildes (z. B. einer Kugel), an deren Gestalt sich nichts ändert, und einer teilweisen („unterschiedlichen“) Verän­ derung ins Große bzw. Kleine (etwa der Vergrößerung/ Verlängerung des Oberkörpers einer menschlichen Figur bei gleichbleibendem Unterkörper oder umgekehrt), mit der ein Gestaltwandel verbunden ist. Sodann schickt Dürer eine exemplarische Figuren­Ma­ nipulation zum Thema lang/kurz voraus, für die er Typ A aus Buch I auswählt. Die dazugehörigen Illustrationen (Nr. 277.76– 277.79) folgen allerdings erst nach der Vorstel­ lung des dafür erforderlichen Instrumentariums, des „Ver­ kehrers“ und des „Wählers“. Zur Durchführung der verschiedenen Veränderungen werden diverse geometrische Instrumentarien angeboten: der genannte „Verkehrer“ und „Wähler“, ferner der „Zwil­ ling“, der „Zeiger“ sowie zweierlei „Fälscher“. Durchge­ führt werden die Veränderungen an zahlreichen Figuren und Köpfen aus dem bisherigem Material. Der „Unterricht alle Maß zu ändern“ wurde ab 1512/ 1513 in zahlreichen Manuskripten angelegt 3. Die Druck­ vorlage von Buch III ist mit Ausnahme des Ästhetischen Exkurses erhalten.4

1

2 24 So auch im Ästhetischen Exkurs, fol. T1r. Ausführlicher zum Mittelmaß: Panofsky 1915, S. 140–142.

3 4

Cam. II übersetzt „apellationes discriminum“ (fol. F3r) und „differentiae vocabula“ (fol. F3v). Diese Liste erinnert an die zehn pythagoreischen Gegensatzpaare, die Aristoteles in seiner Metaphysik zitiert (986 a 22–26), von denen dreie mit jenen Dürers übereinstimmen; vgl.Aristoteles/Bonitz 1995, S. 16. De Pictura, 18; Alberti/Bätschmann 2000, S. 222/223f.; unter Albertis sechs Gegensatzpaaren befinden sich vier der von Dü­ rer verwendeten. Vorarbeiten: R II, S. 395–499. Im Dürer­Kodex Nürnberg, fol. 3–35; R III, S. 223–248.

3 Buch III

277.74 Der „Verkehrer“ („verkerer“)

fol. O2v, Querformat H 270, B 351 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 6v, 7r Bohatta III, Oij b Giesen XIII, 73 Mit dem „Verkehrer“ verändert man die Längen (einer Fi­ gur) nach dem einfachen Strahlensatz „vergleichlich“, d. h. ohne die Maßverhältnisse der jeweiligen Teilstücke unter­ einander anzutasten: hier die Strecke a b in die – proportio­ nal verkürzte – Strecke d e, wobei die aus c hervortretenden Strahlen die für die Konstruktion der Figur benötigten Körperebenen (­punkte) bezeichnen. Der „Verkehrer“ ist aber auch auf Teile einer Länge anwendbar und damit, wie Dürer eigens betont, geeignet, aus einem Siebenhäuptigen einen Acht­, Neun­ oder Zehnhäuptigen zu konstruieren. Dabei müssen allerdings der Kopf und der Fuß ausgespart bleiben: der Kopf, weil dieser ja relativ verkleinert werden soll, der Fuß, weil dieser sonst unförmig würde. In diesem Falle einer selektiven Anwendung wird eine „unterschied­ liche“ (disproportionale) Veränderung bewirkt.5

277.75 Der „Wähler“ („weler“)

fol. O3v H 89, B 162 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 9r Bohatta III, Oiij b Giesen XIII, 74 Eigens zur Veränderung ausgewählter Teilmaße, insbeson­ dere der Breiten und Tiefen, bietet Dürer den „Wähler“, eine Modifikation des „Verkehrers“ an, mit dem eine senk­ recht zur Grundlinie a b verlaufende Strecke unter Verwen­ dung eines zweiten Strahles a c „vergleichlich“ zu verlän­ gern oder zu verkürzen ist. Der zweite Strahl a c ist als „gezwirnter Seidenfaden“ gedacht, der zur Festlegung ei­ ner beliebigen Unterteilung wie ein Zirkel benutzt wird.6

277.76 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von 7 Kopflängen (Typ A), durch den „Verkehrer“ um ein Viertel verlängert. Verkleinerter Kopf in Vorder- und Seitenansicht zum Zweck der Korrektur fol. O4v, 2 Holzschnitte H 228, B 69 mm; H 217, B 112 mm Bohatta III, Oiiij b Giesen XIII, 75

5 6

Vorarbeiten zum „Verkehrer“: R II, S. 416–437. Vorarbeiten zum „Wähler“: R II, S. 438– 441.

277.77 Vorder- und Seitenansicht dieses Mannes mit verkleinertem Kopf, ohne Konstruktionslinien fol. O5r H 217, B 147 mm Bohatta III, O5 a Giesen XIII, 76

277.78 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von 7 Kopflängen (Typ A), durch den „Verkehrer“ um ca. 15 % verkürzt fol. O5v, 2 Holzschnitte H 225, B 68 mm; H 218, B 98 mm Bohatta III, O5 b Giesen XIII, 77

277.79 Vorder- und Seitenansicht dieses Mannes, ohne Konstruktionslinien

fol. P1r H 217, B 172 mm Bohatta III, P a Giesen XIII, 78 Anhand des siebenköpfigen Mannes (Typ A) demonstriert Dürer die Anwendung des „Verkehrers“ und des „Wäh­ lers“.7 Der Mann (im dargestellten „Verkehrer“, in dem die anstehende Prozedur wortgemäß eingestellt ist, die Strecke a b) wird zunächst um ein Viertel seiner Länge, unter Bei­ behaltung der Breiten und Tiefen, vergrößert ( f g). Da die Figur in ihrer neuen Länge (errechnet ca. 27,25 cm) wegen des beschränkten Papierformates nicht wiedergegeben wer­ den könne,8 habe er sie sogleich, nunmehr jedoch in sämtlichen Maßen proportional, wieder auf die Ursprungslänge reduziert, wie der Autor mitteilt (fol. O3r.), also auf das Standardmaß der Holzschnitte (annähernd 22 cm). Ge­ meint sind die Illustrationen Nr. 277.76/77. Der stämmige Mann wird dabei zum schlanken Jüngling,9 dessen verlän­ gertes Haupt indes als „ungestalt“ wahrgenommen und auf 2/15 des Ganzen verkleinert wird (womit sich die Sieben­ köpfigkeit annähernd in Achtköpfigkeit verwandelt). Gleiches gilt für die Fußlänge, die im Verhältnis zum schmal gewor­ denen Profil gleichfalls zu kürzen ist (von 1/6 auf 2/13). Einen umgekehrten Effekt bringt die Verkürzung der Längendistanzen mit dem „Verkehrer“ auf der Vertikalen d e, die einer Längenreduktion des Originals von ca. 15 %

7 8

9

Das komplette Procedere ist verteilt von fol. O1v bis O4r. Ein Studienblatt Dresden, fol. 103r, 103v zeigt in verkleiner­ tem Maßstab rechts den verlängerten Mann vor seiner propor­ tionalen Verkleinerung, links den verkürzten Mann vor seiner proportionalen Vergrößerung; Bruck, Nr. 16, 17; R II, S. 425; Strauss 1972, Nr. 73, 74. „Um 1/5 dünner als der zuerst beschriebene Mann“, wie Dürer korrekt ermittelt; fol. O4r.

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300

E Katalog und Kommentar

9 Dürer, Typ A; verlängert um ein Viertel mittels Rechner; proportional auf Ausgangslänge verkleinert mittels Rechner; Dürers Ergebnis mittels „Verkehrer“: Nr. 277.76 (Montage des Verfassers)

entspricht (Nr. 277.78/79).10 Jetzt entsteht ein grotesk brei­ ter Mann, dessen Kopf und Fuß erneut modifiziert werden müssen. Die elektronische Berechnung nach Dürers Maßgaben ergibt weitgehend identische Bildresultate mit jenen durch „Verkehrer“ und „Wähler“ erzielten Veränderungen und belegt Dürers peinlich genaue Arbeit; die geringen Abwei­ chungen, etwa im Schulterbereich, erklären sich teils aus der freihändigen Umzeichnung, teils – wie bei der Gesäß­ höhe im Profil – aus stillschweigender Korrektur (Abb. 9). Das hier und anderenorts zu beobachtende Nachbessern der Kopfgröße bei extremen Körpermaßen zeugt von der Kenntnis, daß dem Kopfskelett die geringste Varianz im Rahmen der natürlichen Körpervarianten zukommt, und läßt erneut erkennen, daß dem in Buch I angewendeten Kopfmodul mehr theoretisch­didaktisches denn empirisch­ praktisches Interesse zukommt.

10 Für die Verkürzung hat Dürer keinen Wert angegeben; dieser ergibt sich aus dem „Verkehrer“ (Nr. 277.74).

Bemerkenswert ist die Notiz, daß „alle Figuren in allen vier Büchern in ein und derselben Länge wiedergegeben sind“ (fol. O3r) – der besseren Vergleichbarkeit wegen, wie es heißt. Dürer hatte sich bei seinen Proportionszeich­ nungen frühzeitig für eine einheitliche Figurengröße ent­ schieden (knapp 22 cm), die er bei den weitaus meisten sei­ ner zahlreichen figürlichen Studien einhielt – bis hin zur Druckfassung, was ein hohes Maß an Planungsrationalität erkennen läßt.11 Die Profilansichten beider „verkehrten“ Figuren geben hier den zugewendeten Arm wieder, der bei den Propor­ tionsmodellen in Buch I und II gekappt ist. Wie bei diesen erscheint er in der Frontalen vor der betreffenden Hüfte, während er im Profil nach hinten gestreckt ist, was im Ni­ veau­Unterschied der Fingerspitzen deutlich gemacht ist. Die jeweiligen Ansichten sind mithin eigenständig und

11 Selbstverständlich ist dieser Umstand auch arbeitsökonomisch begründet wegen der Möglichkeit, in großem Umfang mit Pausen arbeiten zu können.

3 Buch III

versuchen nicht, homogene Figuren zu repräsentieren, die um ihre Längsachsen gedreht sind, wie es bei den bewegten Figuren in Buch IV der Fall ist.

277.80 Umkonstruktion eines Kopfquadrates in ein hochstehendes Rechteck mit gleichem Flächeninhalt

fol. P2v H 243, B 138 mm Verworfener Entwurf einer Druckvorlage: Nürn­ berg, fol. 12r Bohatta III, Pij b Giesen XIII, 79

277.81 Umkonstruktion eines Kopfquadrates in ein liegendes Rechteck mit gleichem Flächeninhalt fol. P3r H 243, B 125 mm Bohatta III, Piij a Giesen XIII, 80

277.82 Seiten- und Vorderansicht eines Kopfes im hochgestellten Rechteck. Seiten- und Vorderansicht eines Kopfes im quergestellten Rechteck

fol. P3v H 151, B 119 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 12v Bohatta III, Piij b Giesen XIII, 81 Im Gegensatz zum Variantenreichtum seiner Figuren hatte Dürer nur drei, in den Grundmaßen identische, männliche Kopfmodelle (Nr. 277.25, 277.73) angelegt. Die nun ein­ setzenden Kopfvariationen dienen zunächst zur Demons­ tration des geometrisch Machbaren und lassen keine un­ mittelbaren Verwendungszwecke erkennen. Sie können allerdings als ein Propädeutikum des in Buch IV prakti­ zierten Kubenverfahrens angesehen werden. Im Anschluß an die Umkonstruktionen beschäftigt sich Dürer mit cha­ rakterisierenden Kopfveränderungen.12 Zunächst wird der männliche Normalkopf, der in Buch I einem Quader einbeschrieben ist, dessen zwei Seitenf lä­ chen Quadrate und dessen vier übrige Flächen Rechtecke im Seitenverhältnis 4 zu 5 bilden, gegensätzlich verändert: Er wird einem gestreckten sowie einem gedrückten Ge­ häuse („cubus“) eingepaßt, die in ihrer Ansichtsf läche sowie in ihrer Kubatur gleich bleiben sollen. Dazu wird die Fläche des ursprünglichen Quadrats unter Anwendung des im rechtwinkligen Dreieck gültigen Höhensatzes in ein f lä­ chengleiches Rechteck (dessen eine Seite vorgegeben wird)

12 Vorarbeiten: R II, S. 442–476.

verwandelt. Statt der Seitenlänge des gegebenen Quadrates a b ergibt sich a e für die verkürzte und a c für die verlänger­ te Seite (Nr. 277.80). In einer nicht nachvollziehbaren Ope­ ration (vierter Abschnitt: „Nun mustu finden …“) versucht Dürer unnötigerweise die verkürzte Seite, die er bereits hat (a e), zu finden – mit dem falschen Resultat a f (Nr. 277.80, dritte Graphik).13 Dürer wiederholt die gesamte Prozedur mit vertauschten Vorzeichen (Nr. 277.81), obwohl das er­ zielte hochkant gestellte Rechteck zur Erreichung des zweiten Ziels nur quergelegt werden müßte.14 Die Binnenzeichnung (Nr. 277.82) der veränderten Köpfe ergibt sich aus dem ursprünglichen Raster der Pro­ fil­ und En­face­Ansicht.

277.83 Seiten- und Vorderansicht eines Kopfes im Trapez, nach oben zunehmend. Seitenund Vorderansicht eines Kopfes im Trapez, nach unten zunehmend fol. P4r H 132, B 121 mm Bohatta III, Piiij a Giesen XIII, 82

277.84 Seitenansicht eines Kopfes im Trapez, zum Gesicht zunehmend. Zwei alternative Umrißtrapeze. Seitenansicht eines Kopfes im Trapez, zum Hinterkopf zunehmend. Zwei weitere Umrißtrapeze. Seiten- und Vorderansicht eines Kopfes im Rhombus, nach hinten abgesenkt fol. P4v, 3 Holzschnitte H 62, B 157 mm; H 68 B, 157 mm; H 66, B 100 mm Bohatta III, Piiij b Giesen XIII, 83

277.85 Seiten- und Vorderansicht eines Kopfes im Rhombus, nach vorn gesenkt

fol. P5r H 71, B 100 mm Bohatta III, P5 a Giesen XIII, 84 Dürer setzt die Veränderungen des männlichen Kopfes auf­ grund erneut veränderter Kopfgehäuse fort, indem er die bisherige Festlegung auf den rechten Winkel aufgibt. Dazu variiert er das ursprüngliche Quadrat (der Seitenansicht) sowie das Rechteck (der Frontansicht) zu Trapezen („Rau­ ten“), die stereometrisch als Pyramidenstümpfe über einer rechteckigen Grundf läche erscheinen (Nr. 277.83). Dieses

13 Das falsche, etwas zu lange Resultat geht auch in die Illustratio­ nen ein: Nr. 277.80 unten sowie Nr. 277.82 oben. 14 Auch wiederholt sich die fehlerhafte Bestimmung des Breiten­ wertes: er ist nicht a f, sondern a e.

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E Katalog und Kommentar geschieht wieder gegensätzlich, nach oben wie nach unten zu­ oder abnehmend.

wird, so daß bei proportionaler Konstruktion ein „hoher, zugespitzter Kopf “ (ebd.) mit kleinem Gesicht entsteht.

Anschließend wird das Trapez – wiederum gegensätzlich – um 90° zur Seite gedreht, wodurch sich das Kopfprofil ein­ mal zum Gesicht, einmal zum Hinterkopf ausdehnt oder verjüngt (Nr. 277.84). Es fehlt jeweils die Vorderansicht und damit die Information, ob auch hier eine trapezoidale Form, also ein (liegender) Pyramidenstumpf gemeint (wie Nr. 277.87) oder ob der Grundriß je rechtwinklig zu den­ ken ist. Zusätzlich werden vier weitere Leerrahmen für weitere Kopf­Modifikationen – Wechsel von Horizontalen und Schrägen auf Kinn­ und Scheitellinie – angeboten. Es folgt die rhombische Variation des Kopf­Quadrats (in Seitenansicht) – wiederum gegensätzlich, zunächst nach hinten (Nr. 277.84), sodann nach vorn abgesenkt (Nr. 277.85), dazu die entsprechenden Vorderansichten. Sämtliche Köpfe in dieser Lektion basieren auf der Nor­ malform, werden aufrecht gehalten und sind, wie Dürer betont, innerhalb ihres Rahmens „vergleichlich“ gezeich­ net.

277.87 Grundrißschema und Grundriß zweier Köpfe im Trapez, zum Hinterkopf zunehmend, zum Gesicht zunehmend

277.86 Seiten- und Vorderansicht eines Normalkopfes mit leicht erhöhtem Stirnschädel. Seitenansicht eines Kopfes ohne Stirnschädel (ohne Haaransatz). Seitenansicht eines Kopfes mit stark erhöhtem Stirnschädel (niedriger Haaransatz)

fol. P5v, 2 Holzschnitte H 75, B 96 mm; H 61, B 120 mm Bohatta III, P5 b Giesen XIII, 85 Zum Auftakt der folgenden Übungen zur unregelmäßigen Veränderung des Kopfes wird nochmals der schon bekannte Musterkopf als Arbeitsmodell präsentiert. Gegenüber Nr. 277.25 ist er insofern vereinfacht, als er horizontal in vier gleiche Felder geteilt ist zwischen den Linien: i = Scheitel, k = Haaransatz, l = Augenbraue, m = Nasensteg, n = Kinnboden. Dadurch ist das Schädeldach (i k zwischen Scheitel und Haaransatz) vergleichsweise erhöht. Die übliche Drittelung des Gesichtes zwischen Haaransatz und Kinn ist damit aufgegeben. Diese Einteilung benutzt Dürer für die ab Nr. 277.89 folgenden Deformationen des Kopfes. In der ersten Variation (unten links) ist die „Zwerch­ linie“ des Haaransatzes k (Obergrenze des Gesichtes) auf die Scheitelhöhe i gelegt („somit ist der Haarwuchs in der Erhebung [des Hauptes] ganz weggenommen“, fol. P5v); die neue Gesichtshöhe (i n), die das gesamte Haupt ein­ nimmt, wird wieder nach Maßgabe des Modellkopfes ge­ messen und gezeichnet. So entsteht ein extrem langes Ge­ sicht. Es folgt die gegensätzliche Operation, bei der die Linie k um 1/3 des Abstands zur Scheitelhöhe (i) gesenkt

fol. P6r H 118, B 113 mm Bohatta III, P6 a Giesen XIII, 86 Mit dieser in Seiten­ und Vorderansicht nicht wiederzuge­ benden Kubusmodifikation, die sachlich vor die letzte Dar­ stellung (Nr. 277.86) gehört hätte, schließt die Serie der gehäusebedingten Kopfvariationen.15 Die Veränderungen sind bisher rein formaler und experimenteller Natur, ohne eine physiognomische Intention erkennen zu lassen.

277.88 Schematisches Modell für die willkürliche Brechung der Konstruktionslinien des Gesichtes fol. P6v H 21, B 85 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 18v; R III, S. 235 Bohatta III, fehlt Giesen XIII, fehlt

277.89 Paarweise Gegenüberstellung von sechs Profilköpfen im Quadrat mit starker Variation der vier horizontalen Gesichtsabschnitte fol. Q1r, sechs Holzschnitte H 52, B 47 mm; H 54, B 47 mm; H 53, B 46 mm; H 54, B 47 mm; H 55, B 46 mm; H 55, B 47 mm Bohatta III, Q a Giesen XIII, 87

277.90 Paarweise Gegenüberstellung von sechs weiteren Profilköpfen im Quadrat mit starker Variation der vier horizontalen Gesichtsabschnitte

fol. Q1v, 6 Holzschnitte H 52, B 47 mm; H 52, B 47 mm; H 56, B 47 mm; H 56, B 47 mm; H 58, B 47 mm; H 58, B 47 mm Bohatta III, Q b Giesen XIII, 88 Der bislang von den beschriebenen Regeln getragenen Kon­ struktion bzw. Umkonstruktion der Köpfe folgt hier deren willkürliche Veränderung. Um die Willkür jedoch bere­ chenbar – lehr­ und lernbar – zu machen, wird durchge­

15 Vgl. die Studien: R II, S. 454f.

3 Buch III

hend das ursprüngliche Kopfquadrat mit dem vorgege­ benen Vierfelder­Schema und dessen „Zwerchlinien“ i bis n benutzt. Die jeweiligen Experimente werden von Fall zu Fall mit Bildlegenden erläutert. Dürer zieht jedoch nie alle Register des Variablen, sondern sucht mit einem Minimum an Veränderung ein Maximum an Effekt, vor allem aber Gegensätzlichkeit zu erzielen. So sind bei den zwei ober­ sten Köpfen (Nr. 277.89, A, B)16 nur Linie l (Augenbraue), bei den folgenden (C, D) nur Linie m (Nasensteg) variiert, was u. a. niedrige Stirn und lange Nase bzw. hohe Stirn und kurze Nase bewirkt. Beim dritten Paar dieser Tafel (E, F) ist die Distanz von l und m zunächst vermehrt, sodann verengt. Beim ersten Paar in Nr. 277.90 (G, H) verteilen sich die Gesichtsabschnitte Scheitel bis Augenbraue (i l) und Augen­ braue bis Kinnboden (l n) „widerwärtig“, d. h. zunächst oben dann unten plaziert, im Verhältnis 1 zu 2 (Dritte­ lung). Anschließend (I, K) sind die Linien k und m einmal nach oben, einmal nach unten verrückt. Erst beim letzten dieser Paare (L, M) werden alle drei Linien k l m zugleich bewegt, und zwar wachsen die Distanzen links regelmäßig von unten nach oben, rechts von oben nach unten. Da die übrigen Koordinaten, insbesonders die senk­ rechten Linien fehlen, war Dürer außerordentlich frei bei der ‚individuellen‘ Ausformung der Gesichts­Gestaltlinien, die zum Teil Charakterköpfen und Karikaturen angenähert sind. Bei diesen Kopfvariationen wird man weniger von planmäßigen Konstrukten ausgehen können als von einem schon früh, auch für den ikonographischen Bedarf, ange­ legten, sicherlich aus Anschauung gewonnenen physiogno­ mischen Vorrat, aus dem sich Dürer an diesem Ort zum „Unterricht“ der Gegensätze bediente. Einzelne dieser Köp­ fe tauchen in freien Zeichnungen gegen 1513 auf (W 656, 657); aus etwa dieser Zeit dürften auch einige Manuskript­ blätter stammen, aus denen teilweise in der gedruckten Ausgabe wörtlich zitiert ist, sowie ein Tableau von 15 Köp­ fen, deren einige in den Druck übernommen wurden.17 Theoretisch begründet Dürer in einem Manuskript von ca. 1513 die Kopfveränderungen mit der potentiell unbe­ grenzten Schöpferkraft des Malers, die sich angesichts der unendlichen Vielfalt der menschlichen Physiognomien die­ sem Thema adäquat stelle.18

16 Die Großbuchstaben zur Identifizierung gemäß unserer Über­ tragung: nicht bei Dürer. 17 R II, S. 472–476. Dresden, fol. 94r, 94v; Bruck, Nr. 122, 123; Strauss 1972, Nr. 117, 118. 18 Nürnberg, fol. 65r; R II, S. 444.

277.91 Drei Profilköpfe im Quadrat, mit ebenem, ausbogenem und eingebogenem Gesicht. Seitenansicht zweier Normalköpfe im Rhombus („für sich hangend“, „hinter sich hangend“) fol. Q2v, 2 Holzschnitte H 58, B 152 mm; H 56, B 119 mm Bohatta III, Qij b Giesen XIII, 89

277.92 Sechs Profilköpfe im Quadrat, mit unterbrochenen („gebrochenen“) und schräggelegten Koordinatenlinien fol. Q4r, 2 Holzschnitte H 179, B 48 mm; H 177, B 50 mm Bohatta III, Q4 a Giesen XIII, 90

277.93 Vier Profilköpfe im Quadrat, mit verschobenen und schräggelegten Koordinatenlinien fol. Q4v, 4 Holzschnitte H 54, B 47 mm; H 53, B 49 mm; H 53, B 49 mm; H 54, B 48 mm Bohatta III, Q4 b Giesen XIII, 91

277.94 Vier Köpfe in Vorderansicht, mit unterschiedlich verschobenen senkrechten und schrägen Koordinatenlinien

fol. Q5v, 4 Holzschnitte H 51, B 38 mm; H 52, B 38 mm; H 53, B 39 mm; H 54, B 39 mm Bohatta III, Q5 b Giesen XIII, 92 Es werden hier weitere Wege aufgezeigt, menschliche (männliche!) Köpfe nach Gutdünken zu verändern: Man dürfe sowohl die aufrechten als auch die Zwerchlinien bre­ chen (vgl. Nr. 277.88) sowie schräg („überort“) stellen und krümmen. Letztes wird an zwei von drei Profilköpfen (Nr. 277.91, oben) demonstriert, deren Gesichter, das „ein­ gebogene“ und das „ausgebogene“, an einem konvex bzw. konkav geführten Zirkelschlag ausgerichtet sind; so möge man es auch „machen mit Nase, Lippen, Mund und Kinn sowie mit allen anderen Einzelheiten“ (fol. Q3r). Die in „Rauten“ nach vorn und nach hinten „hangenden Angesichter“ (Nr. 277.91, unten) sind eigentlich zu den kubi­ schen Konstruktionen (Nr. 277.82–277.85) zu zählen, bei denen der Rhombus bereits berücksichtigt wurde (Nr. 277.85); hier steht dieser jedoch plan auf dem Boden, so daß die auf­ rechten Linien zu „Ortlinien“ (Schrägen) werden, die in­ des erst hier thematisiert sind. Mit den Schrägen und Brü­ chen wird bei den sechs Köpfen der Illustration Nr. 277.92 experimentiert, die jeweils wieder paarweise gegensinnig angeordnet sind, besonders evident die Köpfe auf der mitt­

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E Katalog und Kommentar leren Ebene, deren drei Schrägen – Stirn, Nase, Kinn – schier umgedreht wurden, so daß aus einer seriösen männli­ chen Physiognomie19 das Bild eines stumpfsinnig wirkenden Kretins entsteht.20 Endlich (Nr. 277.93) werden die Verti­ kalen nach Belieben gerückt und geschrägt – mit dem Er­ gebnis negroider, brutaler, infantiler Physiognomien sowie einer ‚Boxer­Visage‘. Erneut sei darauf hingewiesen, daß derartige Charakteristika – von den ‚Rahmenbedingungen‘ abgesehen – nicht aus der Koordinaten­Manipulation re­ sultieren, sondern erst durch die frei gezeichneten „Gestalt­ linien“ bewirkt sind. Die Illustration Nr. 277.93 links un­ ten weist kein korrektes Kopfquadrat, d. h. keine rechten Winkel auf; es scheint der einzige deutlich verrissene Holz­ schnitt des gesamten Werks zu sein. Zum Abschluß des Kapitels über die Kopfverände­ rungen wird das En­Face im Rahmen des Normalkopfes behandelt, mit konstanten Zwerchlinien und variablen, z. T. symmetrisch geschrägten Aufrechten (Nr. 277.94). Die Veränderungen wirken sich ausschließlich auf die Brei­ ten aus: die Augenstellung, die Augen selbst, die Nase, den Mund, die Wangen. Dürer zeigt hier ausgeprägtes physiognomisches Inte­ resse, das er mit seiner Epoche, vor allem mit Leonardo da Vinci teilt.21 So hat er dieser Lektion auch einige theoretische Überlegungen eingestreut. Er wird zwar nicht müde, die Vielgestaltigkeit der menschlichen Köpfe und ihrer Glieder („vielerlei Varianten, wie es die Natur beschert“, fol. Q3r) zu benennen und – oft übertreibend – zu zeichnen, erklärt aber auch: „Ich halte jedoch die proportional („vergleych­ lich“) hergestellten Veränderungen für die schönsten“ (ebd.), die jedoch nicht das Thema dieses Abschnitts sind.22 Das Gegenteil der vergleichlichen Dinge bilden die „abge­ schiedenen“ (also disproportionalen) Dinge, die ihrerseits „Verwunderung auslösen“, somit künstlerisch gleichfalls Interesse beanspruchen, auch wenn sie „nicht alle lieblich“ (ebd.) sind. Wohl deswegen stellte Dürer gerade an diesem Ort seine sonstige Neigung, dem mittleren Maß den ästhe­ tischen Vorrang vor den Extremen einzuräumen, infrage, weil sich in den Gesichtern – künstlerisch unverzichtbar –

19 Mitte links, vgl. das Bildnis eines jungen Mannes (mit ausge­ prägtem Kinn), 1500; München, Alte Pinakothek, Inv.­Nr. 694 (Zuschreibung an Dürer umstritten). 20 Vgl. den Diener bei der Handwaschung Pilati, 1512, Kupfer­ stichpassion; Dürer/Druckgraphik 1, Nr. 53. 21 Vgl. Panofsky 1915, S. 73–77, diese Beziehung allerdings ein­ schränkend. 22 Die Auflistungen auffälliger und abnormer Gesichtsdetails (Na­ sen, Münder) erinnern an die entsprechende Passage in Albertis „De Pictura“ 55; Alberti/Bätschmann 2000, S. 298/299. Auch Leonardo hat sich ausgiebig den Nasen gewidmet; Leonardo/ Ludwig 1882, I, Nr. 289.

Charakteristisches verkörpert und weil Gesichter qua se nach Charakterisierung verlangen. Endlich möchte er die von ihm demonstrierte Spannwei­ te der physiognomischen Extreme – „zu lang“, „zu kurz“, „ausgebeult“, „grubet“ (eingetieft) usw. – pädagogisch als eine Sehschule für das natürlich Gebotene verstanden wis­ sen: Sie diene mehr zur Unterscheidung denn zur Gestal­ tung der Schönheit („Hübsche“), man müsse dergleichen wissen, damit man aus vielen Erfahrungen mancherlei lerne: „Denn niemand dürfte wohl wissen, was eine gute Gestalt macht, er wüßte denn zuvor, was Ungestalt er­ zeugt“ (fol. Q3v). Sämtliche Veränderungen sind am männlichen Kopf durchgeführt, sie können jedoch analog auch am weib­ lichen Kopf vorgenommen werden, doch müsse dabei des „Weibes Art“ erhalten bleiben. Es folgt eine kurze Einlas­ sung auf den charakterologischen Mensch­Tier­Vergleich, eine zeitgenössische Thematik, 23 die von Dürer als Aspekt der menschlichen Gestalt jedoch abgewiesen wird. Hieran anschließend folgen die bedeutsamen Ausführungen „über weibliche und männliche Art“ (fol. Q5v/5r.), die bis in die Tierwelt reichen. Die Differenzierung der Gestalt darf so weit getrieben werden, wie es die Natur des Geschlechts respektive der Gattung, erlaubt. Mutatis mutandis gilt das auch für alle Gattungswesen (etwa Hunde im Verhältnis zu Wölfen und Füchsen), deren jeweils eigentümlicher Bau­ plan nicht korrumpiert werden dürfe. Das Beispiel der Hunde, unter denen „die Ungleichheit sehr ausgeprägt ist“ und die „von mehr als tausendfältiger Gestalt (sind), was die Proportionen aller ihrer Körperteile angeht“, scheint zudem gewählt, um der Streuung um den Mittelwert auch bei der menschlichen Gestalt ihr Recht zu geben und damit die Lektion des Buches III abermals zu legitimieren.

277.95 Der „Zwilling“ („der zwiling“)

fol. Q6v H 229, B 190 mm Druckvorlage : Nürnberg, fol. 26r Bohatta III, Q6 b Giesen XIII, 93 Das dritte Veränderungsverfahren, der „Zwilling“, eine zum Koordinatenkreuz eingerichtete Verdoppelung des „Verkehrers“, dient erneut dazu, eine bereits vorhandene Figur breiter oder schmaler zu machen. Zu diesem Zweck kann man sie entweder bei konstantem Horizontalmaß verlängern bzw. verkürzen oder bei konstantem Längen­ maß verbreitern bzw. verschmälern. Dazu bedarf es zweier Skalen, einer für die vertikalen, der anderen für die hori­ zontalen Maße, die je einzeln in unterschiedlichem Maß­

23 Vgl. Reisser 1997, S. 308–315.

3 Buch III

stab aufgetragen werden können. Vermindert man etwa das Längenmaß und läßt das Breitenmaß bestehen, gewinnt die Figur proportional an Breite und umgekehrt. Es kön­ nen auch beide Maße verändert werden, allerdings nicht im Gleichschritt, wenn man den Zweck dieser Übung nicht verfehlen will. An die Koordinatenachsen des „Zwillings“ ist jeweils der in Buch I beschriebene „Teiler“ (Nr. 277.2) angelegt, der die Maße in Bruchteilen der Gesamtlänge an­ gibt. Dürer beruft sich bei seiner Empfehlung des „Zwil­ lings“ ausdrücklich auf die „Bauleute“, bei denen er offenbar ein solches Verfahren als nicht unvertraut voraussetzte.24

277.96 Seiten- und Vorderansicht der Frau von 7 Kopflängen (Typ AI), durch den „Zwilling“ schmaler gemacht. Alternativer Kopf in Seiten- und Vorderansicht fol. R1v, 2 Holzschnitte H 215, B 65 mm; H 216, B 99 mm Bohatta III, R b Giesen XIII, 94

277.97 Seiten- und Vorderansicht dieser Frau, ohne Konstruktionslinien fol. R2r H 216, B 155 mm Bohatta III, Rij a Giesen XIII, 95

277.98 Seiten- und Vorderansicht der Frau von 7 Kopflängen (Typ AI), durch den „Zwilling“ breiter gemacht fol. R2v, 2 Holzschnitte H 216, B 79; H 217, B 96 mm Bohatta III, Rij b Giesen XIII, 96

277.99 Seiten- und Vorderansicht dieser Frau, ohne Konstruktionslinien

fol. R3r H 217, B 170 mm Bohatta III, Riij a Giesen XIII, 97 Dürer wendet den „Zwilling“ zuerst auf die siebenköpfige Frau (Typ AI) an und verjüngt sie (ohne Maßangabe) um etwa 20 %, jedoch – wie die Nachmessung ergibt – nicht gänzlich linear, sondern um die Körpermitte etwas stärker (um ca. 25 %) abnehmend. Dieses dürfte bereits Ergebnis der Korrekturen sein, die er selbst für nötig hält und z. T. vorschlägt: den Kopf zu verkleinern, die Schultern abschüs­ siger, die Beine schlanker und den Fuß (im Profil) länger zu machen. Stillschweigend wurde auch die Schritthöhe

24 Vorarbeiten: Nürnberg, fol. 25r–27r; R III, S. 240–240.

verlängert und der gesamte Umriß wesentlich verändert, so daß er jetzt etwa dem der schlanken Frau Nr. 277.42 in Buch II sehr viel näher kommt als dem rechnerisch ermit­ telten Resultat. Dürer war sich also im Klaren, daß die sture mechanische Umrechnung nicht ohne weiteres zu einem ästhetisch befriedigenden Ergebnis führt, daß also eine fettleibige Person nicht allein durch lineare Reduktion ihrer Querschnitte zu einer glaubwürdigen schlanken Er­ scheinung gelangt. Bei der gegensätzlichen Operation, die eine nochma­ lige Zunahme der ohnehin schon korpulenten Frau Typ AI bewirkt (um etwa 15 %, wieder ohne Maßangabe), besteht ein ähnlicher Korrekturbedarf: Jetzt, wo es sich um eine wahrhaft fette Person (und nicht mehr um einen formal stämmig indizierten Typus wie AI) handelt, kommen de­ ren Charakteristika hinzu, ein tief hängendes Doppelkinn („trollen“), das den Hals vollständig verschlingt, wulstig geschwellte statt birnenförmiger Hüften, ein f lacheres zu­ gleich vergrößertes Gesäß („denn das Gesäß wäre sonst zu sehr ausladend“, fol. R1r).25 Auffällig ist, daß auch hier – wieder unkommentiert – die Beinlänge zunimmt. Diese Frau wirkt, ohne daß es ausgesprochen wird, wie die Part­ nerin des mit dem „Verkehrer“ breiter und dicker gemach­ ten Mannes (Nr. 277.78/79), der ebenfalls um ca. 15% zu­ gelegt hatte.

277.100 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von 9 Kopflängen (Typ D), durch den „Zwilling“ schmaler gemacht, alternativer Kopf in Seiten- und Vorderansicht fol. R4r, 2 Holzschnitte H 224, B 52 mm; H 218, B 88 mm Bohatta III, Riiij a Giesen XIII, 98

277.101 Seiten- und Vorderansicht der Frau von 9 Kopflängen (Typ DI), durch den „Zwilling“ schmaler gemacht, alternativer Kopf in Seiten- und Vorderansicht

fol. R4v, 2 Holzschnitte H 217, B 60 mm; H 219, B 78 mm Bohatta III, Riiij b Giesen XIII, 99 Als zweites Exempel für den Gebrauch des „Zwillings“ wählt Dürer das neunköpfige Paar aus Buch I (Typ D, DI, Nr. 277.16/17, 277.18/19), also wiederum eine extreme Figuration, die nochmals gesteigert wird. Als Maß der Brei­ tenreduktion wird hier 1/6 genannt. Erneut sind Korrek­

25 An derartigen massiv adipösen Frauenfiguren laborierte Dürer bereits um 1508; vgl. R II, S. 233–244.

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E Katalog und Kommentar turen zur Vermeidung unnatürlicher Verzerrungen gebo­ ten, die jedoch nicht nachträglich an den Figuren, sondern bereits an der Längenkoordinate vorgenommen werden. Beim Nachrechnen fällt auf, daß der Mann Typ D in seiner Veränderung Nr. 277.100 nicht, wie angegeben, um 1/6, sondern nur etwa um 1/12 verjüngt ist; er entspricht damit ziemlich genau dem Zehnköpfigen (Typ E, Nr. 277.20/ 21) in Buch I, dessen Kopfgröße hier denn auch zur Nach­ besserung des veränderten Mannes empfohlen wird. An­ ders die dazugehörige Frau Nr. 277.101: Sie ist tatsächlich um etwa 1/6 schlanker geworden und übertrifft nunmehr in dieser Hinsicht die zehnköpfige Referenzfigur Typ EI. Ob diese Inkonsequenz auf einem Rechenfehler beruht oder einer überlegten Maßnahme folgt, ist schwer zu ent­ scheiden.

277.102 Der „Zeiger“ („der Zeyger“)

fol. R5v H 289, B 178 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 28v Bohatta III, R5 b Giesen XIII, 100

277.103 Der „erste Fälscher“ („der felscher“) fol. R6v H 228, B 180 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 31v Bohatta III, R6 b Giesen XIII, 101

277.104 Der „umgekehrte erste Fälscher“ („Der felscher umbkert“)

fol. S1r H 229, B 186 Druckvorlage: Nürnberg, fol. 32r Bohatta III, S a Giesen XIII, 102 Hier werden Instrumente eingeführt, mit denen die Maß­ relationen innerhalb einer Figur verschoben werden können – mit der Folge, daß diese „verfälscht“ werden: Die „Fäl­ schung“ geschieht nicht willkürlich (also nicht „abgeschie­ den“ wie z. T. bei den Kopfveränderungen), sondern auf­ grund geometrischer Gesetzmäßigkeiten. Zunächst der „Zeiger“: Er läßt bei konstanten Höhen­ maßen die Breitenwerte von unten nach oben oder von oben nach unten diesseits und jenseits einer mittleren Hori­ zontalen (k l) schrumpfen bzw. wachsen, wozu – wie schon beim „Wähler“ – die Vorstellung des Gebrauchs radial be­ weglicher Fäden benutzt wird. Eine Figur kann auf diesem Wege kontinuierlich in einer Richtung zu­ oder abneh­ mend gezeichnet werden. Auf eine bildlich dokumentierte Anwendung des „Zeigers“ hat Dürer verzichtet. Der erste „Fälscher“ (Nr. 277.103) bewirkt ein Gleiches mit den Höhenmaßen, die diesseits und jenseits eines be­

stimmten Niveaus verkürzt oder verlängert werden kön­ nen. An der auf die Horizontale b c senkrecht gestellten ab­ zubildenden Strecke a b (Längendiagramm der betreffenden Figur) sind die erforderlichen Meßpunkte eingetragen und strahlenförmig mit c verbunden, also in einem Punkt zu­ sammengeführt. Anders als bislang, wo parallele Geraden die proportionale Veränderung bewirkten, beruht der erste „Fälscher“ darauf, daß nun eine zu a b schräge Gerade a (d) e das Strahlenbündel der Längenmaße schneidet. So wer­ den die oben gelegenen Streckenabschnitte verlängert, die unteren verkürzt. Allerdings versäumt es Dürer mitzuteilen, ob die neue Körperachse entlang der Schräge (d e) verläuft, die – aufgerichtet – die Ursprungslänge (a b) überragen (und die Verzerrungen vermehren) würde, oder ob die Schnittpunkte der Linie d e mit den einzelnen Strahlen aus c horizontal auf die Ursprungslänge a b projiziert zu denken seien (was die Verzerrungen mildern würde). Bei der Um­ kehrung des „Fälschers“ befindet sich das Fußende der Fi­ gur oben: a und b haben ihre Lage getauscht (Nr. 277.104), wodurch der Effekt ‚auf den Kopf ‘ gestellt ist. Am Instrumentarium dieser zwei „Fälscher“ laborierte Dürer seit etwa 1512/1513.26

277.105 Seiten- und Vorderansicht des schlanken Mannes (Nr. 277.52), durch den „Fälscher“ verändert fol. S1v, 2 Holzschnitte H 217, B 60 mm: H 217, B 72 mm Bohatta III, S b Giesen XIII, 103

277.106 Seiten- und Vorderansicht der schlanken Frau (Nr. 277.53), durch den „Fälscher“ verändert fol. S2r, 2 Holzschnitte H 217, B 76 mm; H 216, B 76 mm Bohatta III, Sij a Giesen XIII, 104

277.107 Seiten- und Vorderansicht des schlanken Mannes (Nr. 277.52), durch den „umgekehrten Fälscher“ verändert fol. S2v, 2 Holzschnitte H 217, B 59; H 218, B 81 mm Bohatta III, Sij b Giesen XIII, 105

277.108 Seiten- und Vorderansicht der schlanken Frau (Nr. 277.53), durch den „umgekehrten Fälscher“ verändert fol. S3r, 2 Holzschnitte

26 Vorarbeiten zum „Fälscher“ und zum „umgekehrten Fälscher“: R II, S. 489–496 sowie 496–499.

3 Buch III

H 216, B 64 mm; H 216, B 77 mm Bohatta III, Siij a Giesen XIII, 106 Die Wirkung des Fälschers wird demonstriert an den Figu­ ren des fünften Mannes und seines „zugehörigen“ Weibs aus Buch II (Nr. 277.52, 277.53). Dürer betont, daß er sie zu „Demonstrationszwecken („einer Ler“) aus der rechten Art gestellt“ habe, damit man aus den „groben Unterschie­ den“ (R6r) erkenne, was gegebenenfalls künstlerisch zu­ träglich sei und was nicht. Im ersten Fall (Nr. 277.105, 277.106) erscheint bei Mann und Frau ein überdehnter Rumpf mit erhöhtem Haupt auf vergleichsweise kurzen Beinen; das umgekehrte Verfahren (Nr. 277.107, 277.108) führt zu überlangen Beinen, gestauchtem Rumpf und ge­ drücktem Kopf, hier sind zudem die Arme unnatürlich verkürzt. Auch dieses Mal sind Korrekturen erforderlich (die aber unterblieben sind): Bei Nr. 277.105, 277.106 soll man das Haupt niedriger und den Rist des Fußes höher machen, bei Nr. 277.107, 277.108 die Schienbeine und die Risthöhe verkürzen. Es fällt auf, daß die Verkürzung der unteren Extremitäten des überaus langbeinigen Ursprungs­ paars den natürlichen Durchschnittswerten von Mann und Frau näher kommen als bei allen übrigen Modellen des Proportionswerks (mit Ausnahme der Figuren A und AI). Der Sinn solcher Veränderungen mit dem Fälscher, wenn sie denn sparsam geschehen, besteht, wie Dürer ab­ schließend andeutet, in der für jeden thematischen Bedarf stimmigen Charakterisierung der menschlichen Gestalt, ob man sie stärker oder schwächer, behender oder langsamer, frei oder schwerfällig charakterisiert im Bild benötigt. Kei­ nesfalls aber taugt das Verfahren, wie gelegentlich ange­ nommen wurde, für Abbildungen in Unter­ und Aufsicht, wofür perspektivische Darstellungstechniken erforderlich sind.

277.109 Der „zweite Fälscher“ („der ander Felscher“), mit konkavem Kreisbogen, mit den Maßen des sehr schlanken Mannes (Nr. 277.69). Zweiseitiger „Wähler“ zur Bestimmung der Quermaße fol. S4v, Querformat, gefaltet H 287, B 331 mm Bohatta III, Siiij b Giesen XIII, 107

277.110 Der „zweite Fälscher“ („der ander Felscher“), mit konkavem Kreisbogen, mit den Maßen der sehr schlanken Frau (Nr. 277.71). Zweiseitiger „Wähler“ zur Bestimmung der Quermaße fol. S5r, Querformat, gefaltet

H 282, B 365 mm Bohatta III, Sv a Giesen XIII, 108

277.111 Der „zweite Fälscher umgekehrt“ („der umbkert Felscher“), mit konvexem Kreisbogen, mit den Maßen des sehr schlanken Mannes (Nr. 277.69) fol. S5v, Querformat, gefaltet H 276, B 363 mm Bohatta III, Sv b Giesen XIII, 109

277.112 Seiten- und Vorderansicht des sehr schlanken Mannes (Nr. 277.69), durch den „zweite Fälscher“ mit konkavem Kreisbogen geändert fol. S6r, 2 Holzschnitte H 282, B 98 mm; H 200, B 59 mm Bohatta III, S6 a Giesen XIII, 110

277.113 Seiten- und Vorderansicht der sehr schlanken Frau (Nr. 277.71), durch den „zweiten Fälscher“ mit konkavem Kreisbogen geändert

fol. S6v, 2 Holzschnitte H 290, B 91 mm; H 201, B 60 mm Bohatta III, S6 b Giesen XIII, 111 Mit dem „zweiten Fälscher“ projiziert man vorgegebene Längen (einer Figur) strahlenförmig auf einen Kreisabschnitt und bewirkt mittels achsenparalleler ‚Brechung‘ der Strah­ len die Verzerrung der Ursprungslängen. Wenn die ‚Linse‘, wie in Nr. 277.111, umgedreht wird und ihre Peripherie den Mittelpunkt z gegen einen Mittelpunkt außerhalb des Blattes auf derselben Achse tauscht, kommt die entgegenge­ setzte Wirkung zustande.27 Dürer demonstriert die erste Wirkung des „zweiten Fälschers“ an den beiden letzten Modellen aus Buch II, dem sehr schlanken Paar Nr. 277.69/ 70 und Nr. 277.71/72, wobei die Arme und Hände von der Operation ausgenommen sind. Das in den Diagrammen Nr. 277.109 und 277.110 prä­ sentierte Verfahren verursacht nach außen abnehmende Längendistanzen bei konstanter Mitte, im Anschluß dar­ gestellt an den Gestalten dieses Mannes und dieser Frau (Nr. 277.112, 277.113). Die Umkehrung der ‚Linse‘, zu­ gleich die zweite Wirkung des „zweiten Fälschers“, wird lediglich beschrieben: Sie verlängere eine Figur in ihren äußeren Teilen und verkürze sie zur Mitte hin. Sie zu „rei­ ßen“, also abzubilden, sei dem Leser überlassen.

27 Vorarbeiten zum zweiten Fälscher: R II, S. 496–499.

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E Katalog und Kommentar Die graphische Nachprüfung beider Verfahren mit dem von Dürer gewählten Kreisradius ergibt minimale, im Ver­ gleich mit den ‚Urbildern‘ kaum wahrnehmbare Längen­ Verzerrungen (Abb. 10), ersichtlich an den Distanzen der Meßebenen,28 die sich bei der verzerrten Figur oberhalb und unterhalb der Mitte (Linie T ) leicht verjüngen. Eine Verkleinerung des Radius’ würde die Wirkung vermehren, zugleich jedoch die Figuren verkleinern. Die augenfällige Deformation der Figuren beruht denn auch nicht auf dem „zweiten Fälscher“, der die Quermaße unangetastet läßt, sondern allein auf der zusätzlichen Anwendung des „Wäh­ lers“ (Nr. 277.75), der die Breiten und Tiefen verändert, was jedoch mit dem Effekt einer Linse oder eines konkaven bzw. konvexen Spiegels nichts zu tun hat. Dieser immer wieder kursierende Irrtum 29 beruht auf der Erwähnung eines „konvexen („runden“) Spiegels“, dessen verzerrende Wirkung Dürer in diesem Zusammen­ hang mit seiner Operation in Verbindung bringt (fol. S3v). So gewinne ein „paralleles Richtscheit“ in der Mitte eines Konvexspiegels einen „ausgebogenen Bauch“ und werde breit, erscheine zugleich oben und unten schmaler und nach hinten gebogen, – ein Effekt, der mit dem Aussehen der Figuren Nr. 277.112, 277.113 eine entfernte Analogie auf­ weist. Dürers Konstruktion hat mit geometrischer Optik indes keinerlei Berührung. Das Abbildungsergebnis einer (plankonvexen) Sammellinse, als die Dürers Instrument gedeutet werden könnte, wäre je nach Abstand des Objekts von der Linse ein entweder vergrößertes seitenverkehrtes oder ein verkleinertes seitenverkehrtes Bild, nicht aber ein irgendwie verzerrtes Gebilde. Und an die komplizierte Ab­ bildungsgeometrie eines gewölbten Spiegels ist hier erst recht nicht zu denken. Es handelt sich stattdessen um eine Abwandlung des ersten „Fälschers“ mit dem Unterschied, daß die Strahlen nun anstatt auf eine schräge Gerade auf einen Kreisbogen treffen und daß nun nicht aus der Froschperspektive, son­ dern der ‚Meridian‘­Ebene geblickt wird, wodurch glei­ chermaßen oberhalb und unterhalb der Mittelachse dyna­ misierte Verzerrungen bewirkt werden. Die hybride Morphologie der abgebildeten Figuren resultiert aus der Anwendung zweier unterschiedlicher Verfahren, eines nicht­linearen bei der Veränderung der Längen durch den „zweiter Fälscher“ und eines linearen bei der Veränderung der Breiten und Tiefen durch den „Wähler“, der hier dem Zweck entsprechend symmetrisch verdoppelt ist. Zum praktischen Nutzen dieser verfahrenstechnisch 28 Figur Nr. 277.69 in Abb. 10 ist proportional auf die Länge von Nr. 277.112 verkleinert. Die Anzahl und Benennung der Meßebenen bleiben sich in beiden Fällen gleich. 29 Etwa Panofsky 1926/1998, S. 422, Anm. 68; Giesen 1930, S. 50; R II, S. 399.

recht schwierigen Verfälschung verweist Dürer auf die Pra­ xis der Gewölbemalerei, bei der dieses Wissen von Vorteil sei, „obwohl es hier nicht um Perspektive geht“ (S2v), wie er einschränkend hinzufügt. Wenn auch die Anwendung des „zweiten Fälschers“ (incl. „Wählers“) kein ‚gewölbtes‘ Spiegelbild erzeugt, scheint Dürer dennoch vom Motiv des Spiegels angeregt worden zu sein, das in der Malerei seit Jan van Eyck geläufig war. Dessen sog. „Arnolfini­Hoch­ zeit“ von 1434 mit dem berühmten Konvexspiegel dürfte Dürer im Haus der Statthalterin Margarethe in Mecheln während der niederländischen Reise 1521 selbst gesehen haben.30 Noch zu seinen Lebzeiten (um 1524) entstand das spektakuläre Selbstbildnis Parmigianinos im Konvexspie­ gel. Das Aufsehen, das dieses Bild erregen wollte und tat­ sächlich erregte, zeugt von einem enormen Interesse an derartigen Verformungen, das Dürer zweifelsohne teilte. 31 Einige Unstimmigkeiten zwischen Text und Illustra­ tion bei der umgekehrten Version des „zweiten Fälschers“ lassen auf eine nicht kompetent beaufsichtigte Druckle­ gung schließen.

Sog. Ästhetischer Exkurs

Dürer beschließt Buch III mit einem längeren kunsttheore­ tischen Text, dem sog. Ästhetischen Exkurs (fol. T1r – T4v).32 Er begründet darin nicht nur sein Proportionswerk und dessen handwerkliche Aspekte, sondern ref lektiert sei­ ne künstlerische und kunstphilosophische Position, die in Kenntnis und teilweiser Abhängigkeit von italienischen Standpunkten, von mittelalterlichen Traditionen, im üb­ rigen zu guten Teilen eigenwillig verfaßt ist. Es handelt sich um den ersten derartigen Text in deutscher Sprache, zugleich um die überhaupt älteste gedruckte Abhandlung zur bildenden Kunst in der Neuzeit (die entsprechenden, früher verfaßten Texte etwa von Alberti oder Leonardo da Vinci waren nicht publiziert). Der zunächst überraschende Ort des Exkurses, nicht am Beginn oder Ende des gesamt­ en Werks, sondern zum Abschluß des III. Buchs, läßt die Deutung zu, daß diesem im Rahmen des Ganzen ein be­ sonderer Rang, also den Veränderungen („Verkehrungen“) der Figur der Vorzug vor den Normen oder Standards ein­ geräumt ist. Der Text ist nicht diskursiv, eher additiv gehalten. Er enthält vor allem Folgerungen zum Gebrauch der „Verkeh­ 30 London, National Gallery; Inv.­Nr. 186. 31 Wien, Kunsthistorisches Museum; Inv.­Nr. 286. 32 Vorarbeiten: Eine vorbereitende Passage über die Gestalt der Neger, R II, S. 458f.; im übrigen R III, S. 267–306 (mit den Vorarbeiten, einer deutschen Transkription des Druckes und der lat. Übersetzung von Camerarius).Vgl. zum Exkurs neben Panofskys früheren Arbeiten auch dessen Dürer­Monographie: Panofsky 1977, S. 362–378.

3 Buch III

10 Dürer, Der Mann Nr. 277.112, mit dem „zweiten Fälscher“ verändert, und sein Modell Nr. 277.69 mit zum Vergleich verlänger­ ten „Zwerchlinien“ (Montage des Verfassers)

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E Katalog und Kommentar rungen“, sodann verschiedene, sich z. T. wiederholende, auch widersprüchliche Gedanken und Formulierungen, die in den Manuskripten seit mehr als anderthalb Jahrzehn­ ten virulent waren,33 – widersprüchlich deshalb, weil gele­ gentlich frühere Ausführungen nicht dem Entwicklungs­ stand des Manuskriptabschlusses angepaßt sind. Deshalb kann eine erläuternde Zusammenfassung nicht im Gleich­ schritt erfolgen. Die mangelnde Systematik war Ursache, daß der Exkurs gelegentlich dem Autor abgeschrieben und als ‚redaktionelles‘, aus den Handschriften gefertigtes Pas­ ticcio der Herausgeber gewertet wurde. 34 Dürer beginnt mit der Aufforderung und Ermutigung, die zuvor in Buch III beschriebene „Verkehrung“ der mensch­ lichen Gestalt nach Belieben weiterzuführen, nennt ihre Chancen („seltsame Resultate“) und warnt vor Gefahren („Ungestalt“). Diesen könne man begegnen, wenn man – nach der jeweiligen Manipulation der Meßdaten – ein ge­ eignetes lebendes Modell bei der Fertigung der Umriß­ linien zu Hilfe nähme. Den Gebrauch des menschlichen Modells zur Korrektur willkürlicher Veränderungen hat Dürer auch sonst ausdrücklich angemahnt, so insbesonders bei den Biegungen, bei denen sich die zuvor gemessenen Tiefen­ und Breitenmaße verändern (fol. V2v). Man solle mit den Veränderungen nicht zu zaghaft sein, aber auch nicht zu heftig. Mit seinen eigenen Beispielen sei er nur aus didaktischen Gründen „so weit ins Extrem“ gegangen: „Die richtige Mitte ist das Beste“ (fol. T1r). Man könne die Veränderungen auch „linder“ formulieren, dazu bedürfe es jedoch besonderer Meisterschaft. Diese Meisterschaft in der Erkenntnis und Wiedergabe der „Unterschiede“, man könnte auch von Mannigfaltig­ keit sprechen, ist für Dürer letztlich nichts anderes als der Inbegriff des Schöpferischen. So kommt er denn an dieser Stelle nur scheinbar unvermittelt zu einem kunstphiloso­ phischen Exkurs im Exkurs: Ein wahrer („gewaltsam“) Meister habe so viele unterschiedliche Bilder im „Gemüt“, daß er, falls es ihm vergönnt wäre, über Hunderte von Jah­ ren jeden Tag neue menschliche Gestalten und andere Krea­ turen schaffen („ausgiessen“) könnte, wie man sie zuvor nicht gesehen und erdacht habe (ebd.). Diese, meist neopla­ tonisch interpretierte Passage, meint indes nicht mehr die apriorische, gottgleiche Befähigung,35 sondern die Ausbeu­ te eines Erfahrungs­ und Übungsschatzes („erworbenes 33 Vor allem ist auch aus der Vorrede für das geplante Malerbuch geschöpft; R II, S. 97–150.Vgl. auch Klaiber 1916. 34 So u. a.Thausing 1884, II, S. 321. Dazu R III, S. 269. 35 Die z. T. wortgleiche Referenzstelle in einem Konzept von 1512 beruft sich tatsächlich auf die „jnneren ideen, do van Plato schreibt“; R II, S. 109. Davon ist Dürer jedoch inzwischen zu­ gunsten der Begründung des Schöpferischen durch Begabung und Erfahrung abgerückt.

und erlerntes Können“, fol. T3v), den man sich, wie er es im vorgelegten Werk lehrt, als Künstler aneignen könne. Dürer betont anschließend, daß es dabei nicht um zufäl­ lige, unbeherrschbare Unterschiede gehe, wie sie etwa zwi­ schen zwei Abdrucken ein­und­derselben Platte auftreten, sondern um den „Unterschied, den ein Mensch eigens vor­ nimmt und der in seinem Willen steht“ (fol. T1v). Die mit Hilfe der von ihm benannten Gegensatzwörter leichter zugänglichen Unterschiede zu erkennen, zu sam­ meln, sie zu beherrschen, ist somit nicht nur die Vorausset­ zung dafür, selbst Unterschiedliches, Mannigfaltiges zu schaffen, sondern überhaupt die Vorbedingung für Kreati­ vität. Den eben formulierten Gedanken vertieft Dürer an späterer Stelle des Exkurses, wo es erläuternd heißt: Der „so im Herzen heimlich gesammelte Schatz“ werde „offen­ kundig durch das Werk und die Schöpfung („newe crea­ tur“), die einer in seinem Herzen in Gestalt eines Dings schafft“. Der Künstler gieße aus, was er über lange Zeit von außen in sich gesammelt habe (fol. T3v). Die Ursache der Kunst ist also nicht die Inspiration oder eine Idee („certa idea“, wie Raffael es nannte) 36, sondern unermüdliche An­ eignung der Vielfalt der Natur. So auch ist der berühmte Satz zu verstehen: „Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie“ (ebd.). Es folgt eine längere Passage mit technisch­handwerk­ lichen Hinweisen zur Veränderung der Längen­, Breiten­ und Tiefenmaße der Figuren, während derer Dürer wie­ derholt vor Übertreibungen und Unmöglichem warnt – vor dem, was „die Natur nicht gestattet“ (fol. T1v); dieses aller­ dings mit einer bezeichnenden Ausnahme: „es sei denn, er (der Künstler, Verf.) wolle etwas Phantastisches machen, in diesem Fall mag er verschiedene Kreaturen miteinander mischen“. Hier wird – in Ausnahmefällen – „traumwerck“ legitimiert, also Bilder, die nicht der Erfahrung, mithin dem Fundus der Dürer’schen ‚Ästhetik‘, sondern dem Reich des Irrealen entstammen.37 Er dürfte mit dieser in seiner Zeit einzigartigen theoriebegründeten Lizenz zur

36 Brief an Baldassare Castiglione 1514; vgl. Raffael/Camesasca 1994, S. 166.Vgl. auch Panofsky 1924, S. 32f., der Dürers und Raffaels Positionen einander annähert. 37 „traumwerck“, bei Grimm 21, Sp. 1525, wo diese Stelle zitiert ist, in negativem Zusammenhang gesehen: Trügerei, Schatten­ werk; ähnlich R III, S. 288, Anm. 16.Tatsächlich pflichtet Dürer, dem Traumgesichter selbst bekanntlich nichts Fremdes waren, dem nicht bei und schließt sie aus der Kunstpraxis nicht aus. Dürer wiederholt diesen Gedanken fol. T2r. Melanchthon er­ innert sich (Brief an Albert Hardenberg) eines Gesprächs mit Dürer, in dem dieser gesagt habe, „er habe als Jüngling in der Malerei phantastische und ungewohnte Gestalten (monstrosas et inusitatas figuras) geliebt“; R I, S. 289.

3 Buch III

Phantastik 38 an Hieronymus Bosch, vielleicht auch an die Mischwesen der Bildwelt des Altertums gedacht oder sich etwa eigener Arbeiten wie der „Apokalypse“39 oder des „Meerwunders“40 erinnert haben. Erst im Laufe seiner Erörterung kommt Dürer auf den Kern seiner Kunstphilosophie zu sprechen. Das ist – neben der Naturähnlichkeit, einem grundsätzlichen Credo der Renaissance – die Schönheit oder genauer: die Unmöglichkeit irdischer Schönheit, sie zu (er)kennen, sie zu definieren und wiederzugeben; denn sie sei göttlicher Natur. Für das Proportionswerk folgt daraus der Verzicht auf die Postulie­ rung einer Idealfigur, wie er sie etwa im Kupferstich „Adam und Eva“ von 1504 – für Mann und Weib – noch angestrebt hatte. Nun heißt es stattdessen, die menschliche Gestalt sei keineswegs „mit Richtscheiten oder Zirkeln“ (fol. T4v), also geometrisch zu bestimmen (wie er zunächst geglaubt hatte). Wenn er im weiteren dennoch sagt: „Wer aber mit Geo­ metrie seine Sache beweist und vernünftig begründet, dem soll alle Welt Glauben schenken“ (fol. T2v),41 muß dieses nicht als rhetorische Ausf lucht gedeutet, sondern kann einem inzwischen vertieften mit führenden Köpfen seiner Zeit geteilten Geometrieverständnis zugerechnet werden, nicht einer Geometrie der symbolischen Grundformen, sondern einer die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit fun­ dierenden also methodologisch begriffenen Geometrie.42 Es muß zwar offen bleiben, ob sich Dürer darüber im Kla­ ren war, daß er durch die Abkehr vom Ideal unbedingter Schönheit als Künstler letztendlich nur gewinnen konnte; deutlich wird jedoch, daß die Aporie des Schönheits­ problems nicht mehr als Defizit begriffen wurde, sondern ihm, dem Künstler, zumindest nolens volens, zum Freibrief für künstlerische Freiheit geworden war. Der verbleibende Schönheitsbegriff, den Dürer keines­ wegs aufgibt („diesen viehischen Gedanken nehmen wir nicht an“, fol. T2v), darf mit Panofsky „bedingt“ genannt werden.43 Er gilt mithin nicht überall und zu allen Zeiten und nicht einmal für ein und dasselbe urteilende Subjekt, denn es heißt: „Wir finden vielleicht zwei Menschen, beide sehr schön und lieblich, von denen dennoch keiner dem 38 Einzig Leonardo gestattet ausdrücklich ein „animal finto“, ein Phantasietier; allerdings sollte auch dieses partiell mit naturalisti­ schen Details wirklicher Tiere ausgestattet sein; Leonardo/Lud­ wig 1882, I, Nr. 421. 39 Holzschnittzyklus 1498; Dürer/Druckgraphik 2, Nr. 113–126. 40 Kupferstich, um 1498; Dürer/Druckgraphik 1, Nr. 21. 41 Diese Feststellung wird später nochmals wiederholt: fol. T3v. Auch für Leonardo repräsentierte die Mathematik – „Zahl und Maß, Arithmetik und Geometrie“ – die „somma verità“; Leo­ nardo/Ludwig 1882, I, Nr. 33. 42 Vgl. S. 352,Anm. 36. 43 Panofsky 1915, S. 127–131.

anderen in einem einzigen Teil gleicht weder in den Ma­ ßen noch in der Beschaffenheit“ (fol. T3v). Weil das Urteil über Schönheit also grundsätzlich unsicher ist, kann auch nicht das „Urteil der Menschen“, der consensus omnium, wie Dürer es früher durchaus in Betracht gezogen hatte und selbst noch im Exkurs modifiziert durchgehen ließ44, zur Richtschnur gemacht werden (fol. T2r). Gleichwohl existiere eine gewisse Konvention in der Meinung, was lieblich und was häßlich sei; namentlich des Häßlichen könne man sich so sicher sein, daß dessen planmäßige Ver­ meidung beim Streben nach Schönheit eine große Hilfe sei. Was für das Geschmacksurteil in Ansehung der Natur, also der menschlichen Modelle gilt, behält auch bei der Kunst seine Gültigkeit und zwingt den Künstler nachgera­ de zur Beschäftigung mit der Vielfalt und der Vielgestalt, was denn auch die Thematik der ersten drei Bücher des Proportionswerks ausmacht. In diesem Sinne hatte Dürer ausdrücklich die fünf höchst divergenten Typen des (spä­ teren) Buchs I in einer Manuskriptnotiz von 1523 mit ent­ sprechend divergierenden Geschmacksoptionen begründet: „funferleÿ vnderschidlich proportion … da mit eyn iglicher finden mog, dos im gefall: stark, dick, dunn, lang oder kurtz bildnus in manen vnd weiben, oder aus den allen eyn vermischung seyns gefallens“.45 Zur Erzielung bedingter Schönheit – einer Schönheit, die Dürer mit dem Komparativ „besser“ (im Verhältnis zu schlecht) apostrophiert – wird eine Anzahl von Regeln ge­ geben, deren Quintessenz auf die figürliche Homogenität – im Sinne des Konkordanz­Prinzips – hinausläuft. In die­ sem längeren Abschnitt, der erneut ins Handwerkliche führt, behandelt der Autor die einzelnen Glieder und Körperteile des Menschen, die sämtlich in den „allerkleinsten Einzel­ heiten wohlgeformt und aufs beste auszuführen seien“ (fol. T2v). Insbesondere solle ein Körper stimmig („gleych for­ mig“) sein, nicht in einem Teile feist, im anderen dürr, nicht mit dem Haupt eines Jungen und der Brust eines Alten usw., sondern „von einheitlich gleicher Beschaffenheit … entweder jung, alt oder mittleren Alters, mager oder feist, zart oder robust“ (fol. T3r). Eine entsprechende Passage findet sich bereits in Albertis Schrift „De Pictura“, die, ob­ wohl ungedruckt, Dürer detailliert bekannt gewesen sein

44 „Aber suche Personen dazu aus, die als hübsch erachtet werden“ (fol.T3r). Dürer erliegt hier, gegen seine eigene Argumentation, dem formelhaften Unisono der von der Antike bis in seine Zeit ad nauseam wiederholten Devise, Schönheit auf selektiver Basis gewinnen zu können, in das auch Alberti eingestimmt hatte. Vgl. S. 333,Anm. 14. 45 Dresden, fol. 9r; R III, S. 170.

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E Katalog und Kommentar dürfte, wie diese Stelle erneut nahe legt.46 Auch Leonardo hatte die geschlechts­, alters­ und konstitutionsspezifische Übereinstimmung der Figuren nachdrücklich gefordert.47 Die Anerkennung der Mannigfaltigkeit unter dem Schirm der bedingten Schönheit schließt gleichermaßen die ästhetische Bewertung der „zwei menschlichen Rassen, „Weiße und Mohren“, ein. Letztere besäßen zwar selten hübsche Gesichter und weniger ansehnliche Unterschenkel etc., seien im übrigen aber von solcher Leibesschönheit, „so wohlgestaltet und wohl gefügt“, wie „ich es nicht besser gestaltet gesehen habe noch erdenken könnte“ (fol. T3r). Dem widerspricht nicht, daß Dürer zwei negroide Phy­ siognomien in seine Kopfdiagramme eingerückt hat (Nr. 277.90, 277.93),48 die er als Spielfeld für mehr oder minder extreme nichtproportionale Verkehrungen be­ nutzte. Denn auch hier gilt, daß die Vielfalt und die Viel­ gestalt es dem Künstler erlauben, sich selbst mit dem Ab­ sonderlichen, ja dem Rohen und Häßlichen zu beschäftigen und ihm den Platz in der Kunst nicht zu verweigern. Dage­ gen hatte Alberti die Schaffung von Schönheit, auch durch Verbesserung der Natur, zu einem Zweck der Malerei er­ klärt und damit die Schönheit zur Vorbedingung des künstlerischen Werts gemacht.49 Und Dürer geht noch einen Schritt weiter. Er toleriert nicht lediglich die Ungestalt als Teil der Natur und somit nötigenfalls auch als Gegenstand der Kunst, er nimmt sie gar zum Anlaß einer Neubestimmung des künstlerischen Wertes, der nun nicht mehr zwingend an den Gegenstand (seine Schönheit und Dignität), sondern an die Qualität der künstlerischen Ausführung gebunden wird: „Hierbei ist anzumerken, daß ein verständiger, geübter Künstler seine künstlerische Stärke und sein Können [gegebenenfalls] mehr in einer groben bäuerischen Gestalt 50 erweisen kann, also in geringen Dingen, denn manch anderer in einem er­

46 De Pictura,37; Alberti/Bätschmann 2000,S.262/263; so gleich­ falls zum Kontrast von Gesicht und Brust: „Denn wer über ein rosiges, liebliches, schneeweißes Gesicht verfügt, zu dem paßt überhaupt nicht eine gebräunte oder grobschlächtige Brust.” 47 Leonardo/Ludwig 1882, I, Nr. 113, 284. 48 Dürer hat bekanntlich auch würdige Gesichter von Schwarzen gezeichnet:W 431,W 881. 49 Vor allem:De Pictura,55; Alberti/Bätschmann 2000,S. 298/299. Die Verbesserung der Natur lehnt Dürer ausdrücklich ab: „Nimm es dir nicht vor, etwas besser machen zu können oder machen zu wollen, als es Gott der von ihm geschaffenen Natur zu bewirken gegeben hat“ (fol.T3v). 50 Demnach beginnt Dürer sein Proportionswerk wohl nicht un­ bedacht mit einem „dicken bäurischen Mann“ (fol.A3v).

habenen Werk“ (fol. T2r).51 Dürer ist sich des Revolutio­ nären dieser Worte bewußt, die einen Unterschied machen zwischen dem ästhetischen Wert des Bildes und dem kon­ ventionsbedingten Wert des Abgebildeten, denn er nennt sie selbst eine „seltsame Rede“, die recht zu vernehmen er allein den „begnadeten Künstlern“ zutraut. Nachdem so der Bildgegenstand seine Stellung als alleiniges respektive erstrangiges Wertkriterium eingebüßt hat, folgt sogleich die Kritik der weiteren bislang (und bis lange nach Dürer) einschlägigen Wertmaßstäbe des Kunst­ werks: Format, Material und Technik, Arbeitsdauer, Fleiß: „Aus dieser Überlegung folgt, daß das, was jemand mit der Feder während eines Tags auf einen halben Bogen Papier reißt oder mit seinem Messerchen in ein kleines Holz schnei­ det, kunstvoller und besser werden kann als eines anderen großes Werk, woran dieser ein ganzes Jahr mit höchstem Fleiß arbeitet. Diese Gabe ist wie ein Wunder“ (fol. T2r.).52 Hier sind Positionen vorweggenommen, die sich erst in der Moderne, nicht zuletzt durch den Kunstmarkt, voll­ ständig durchgesetzt haben, die aber in einer Zeit, da ein Gemälde nur sein Material und seine Arbeitszeit und ein Fetzen bezeichnetes Papier meist gar nichts wert waren, in der Tat als „seltsame Rede“, ohne Vergleich in ihrer Epo­ che, klingen mußten. Dürers eigenes künstlerisches Oeuv­ re, in dem die Zeichnungen den Gemälden und Drucken ebenbürtig zur Seite stehen, belegt auch hier, daß seine Theoriebildung nicht auf tönernen Füßen steht, wie gele­ gentlich die Albertis, sondern in seiner künstlerischen Le­ benswirklichkeit wurzelt. Die Mannigfaltigkeit der Gestalten und ihre Verände­ rungen repräsentieren jedoch nicht nur die Vielfalt der Natur, sowohl der empirischen wie auch der künstlerisch „geschöpften“, sondern dienen außerdem der Kennzeich­ nung von Wesensmerkmalen charakterlicher und emotio­ naler Art (die für Dürer auf der Temperamentenlehre grün­ dete). Sie besitzen also auch eine ikonographische Qualität: So wisse der Künstler aufgrund dieser Lehre „zornige, güti­ ge und sonstige Gestalten zu verfertigen“. „Und wenn einer will von dir ein untreues Bild des Saturn, Mars oder eines von Venus haben, das lieblich und holdselig aussehen soll, so wirst du aufgrund unserer Lehren … leicht wissen, wel­ che Maßverhältnisse und welche Eigenart du dafür ver­ wenden sollst. Zudem sind die unterschiedlichen Gestalten für die unterschiedlichen Zwecke im Bilde nutzbar zu ma­ chen“ (fol. T4r.). 51 Diese Aussage beruht sicher nicht zuletzt auf dem Selbstbe­ wußtsein, das Dürer als Schöpfer eines eigenen Bauerngenres besaß, vgl. die frühen Kupferstiche Dürer/Druckgraphik 1, Nr. 14, 15 sowie die reifen Stiche ebd. Nr. 76, 77, 88. 52 Eine vorbereitende, z.T. wortgleiche Aussage in einem Manu­ skript von ca. 1515–1520; R II, S. 281.

4 Buch IV

Unbeschadet des hohen Anspruchs an sich selbst und seine Leser und Schüler, die aufgefordert sind, die wissen­ schaftlichen Grundlagen der Kunst selbst zu erarbeiten und im Bild umzusetzen, lehrt Dürer aber auch, von der Kunst anderer Meister zu lernen; so sei es überaus nützlich, gute Bilder von guten und berühmten Meistern oft anzusehen, zu kopieren und diese darüber auch reden zu hören. Dieses geschehe aber mit der nötigen Distanz und Kritik, was ein­ schließt, daselbst Fehler zu erkennen und über Verbesse­ rungen nachzudenken. Keineswegs aber dürfe man sich „ausschließlich zu der Art und Weise eines Meisters über­ reden“ lassen (fol. T4r). Auch das Urteil eines „Unverstän­ digen“, der auf einen Irrtum aufmerksam macht, sei ernst zu nehmen; gleiches hatte wiederum auch Leonardo ange­ mahnt.53 Daraus ergibt sich, daß Dürers pädagogisches Anliegen auf die Ausbildung der jeweils eigenen künstlerischen Per­ sönlichkeit zielt, nicht auf das blinde Befolgen von Tradi­ tionen, Lehrmeinungen und seien es seine eigenen Lektio­ nen. Er versteht diese lediglich als Handreichung auf dem Wege zur je eigenen Qualifikation. Wenn diese, der „Ver­ stand und das Können“, erworben sei, „dann ist es nicht durchweg nötig, jegliches Ding zu messen. Denn deine er­ worbene Kunstfertigkeit verschafft dir gutes Augenmaß, und dann ist die geübte Hand gehorsam“ (fol. T4v). Auch aus diesen Worten spricht mehr die Lebenserfahrung denn die bloße Theorie des Mannes, in dessen eigenem künstle­ rischen Oeuvre kaum Anzeichen des Einsatzes der „Mes­ sung“, seines theoretischen Lebenswerks, zu erkennen sind. Der Exkurs schließt mit erneutem Blick aufs Hand­ werkliche und einen das Groß­ und das Kleinformat be­ treffenden Aspekt der Werkstattpraxis. Möglicherweise verbirgt sich hinter dieser eher banalen Passage die nicht zu unterschätzende Schwierigkeit, Dürers im Papier­Maßstab vorgetragenen Meßmodelle in die von der jeweiligen Bild­ aufgabe erforderten Maßstäbe umzusetzen, wozu es gege­ benenfalls ausgefeilter Meßtechnik und nicht minder avan­ cierter Rechenkunst bedürfte.

4 Buch IV Im abschließenden Buch IV der Proportionslehre will Dü­ rer zeigen, „wie und wo man die zuvor beschriebenen Bil­ der biegen soll“ (fol. V1r). Es handelt sich um eine Lehre zur Darstellung menschlicher Bewegungen, mit der er eine Thematik aufnimmt, die in der italienischen Kunsttheorie eine bedeutende Rolle spielte. Alberti hatte die Bewe­ gungen im Zusammenhang mit der Komposition vor allem unter dramaturgischem Aspekt betrachtet, für sich genom­ men sah er sie im Dienste des Dekorums und verstand sie zudem als physische Träger von Gemütsbewegungen im Sinne einer Gebärdensprache.1 Das blieb bekanntlich un­ illustriert und ohne nähere Anleitungen. Bei Leonardos entsprechenden Studien ging es sowohl um die Vertiefung dieses Gedankens, als auch um die Erkenntnis, was Bewe­ gung und wie sie wahrnehmbar und darstellbar sei. Dieses mündete in Illustrationen, in denen das Wechselspiel von kontinuierlichen Bewegungsabläufen und kontinuierenden Darstellungen (vergleichbar der frühen Bewegungsphoto­ graphie) erprobt wurde.2 Dürers Absicht war dagegen einerseits bescheidener an­ dererseits von bemerkenswerter eigenwilliger Konsequenz. So glaubte er, sechs verschiedene Arten der Körperbiegung definieren zu können, die er dann mittels Parallelprojektion als (still gestellte) Bewegungsmodi konstruierbar machte. Bewegung konnte so zwar nicht als organischer Prozeß (wie bei Leonardo) sichtbar, jedoch in ihrer Grundmecha­ nik verständlich gemacht werden. Zugleich war die Reduk­ tion der Bewegung auf die Mechanik eine Folge der Er­ kenntnis, daß jegliche Maßstäblichkeit im Moment der Bewegung verschwindet und nur durch die hier angebote­ ne Technik gerettet werden könne. Ein Nebeneffekt dieser Lektion besteht in der vertie­ fenden Übung der Technik des „Übertrags“ (Nr. 277.24) zur Generierung der unterschiedlichsten Ansichten von Gliedern, aus denen dann synthetische bewegte Figuren gebildet werden können. Seiner Defizite auf dem Gebiet der Anatomie, die hier gefragt wäre, war sich Dürer wohl bewußt. So räumt er denn gleich zu Beginn ein, daß die Anatomiekundigen es wohl wüßten, wie wunderbar die Glieder ineinander gingen: Ihnen überließe er es, davon zu reden, während er selbst im weiteren davon schweigen wolle (fol. V1r).3

1 2 3 53 Leonardo/Ludwig 1882, I, Nr. 75.

De Pictura, 41– 45; Alberti/Bätschmann 2000, S. 268/269–280/ 281. Panofsky 1940; Barasch 1967; Zöllner 1989. Vgl. auch die entsprechende Aussage bereits in der Widmung (fol. 2v). Es existieren nur wenige anatomische Zeichnungen von Dürers Hand, aufgelistet bei R III, S. 120f.

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E Katalog und Kommentar schlossen werden kann, daß die Masse der Vorarbeiten vor 1520 entstanden ist.6 Die Reinschrift des Buchs IV ist größ­ tenteils erhalten.7

277.114 Diagramm dreier Biegeschemata, zur Erläuterung von gebogen, gekrümmt, gewendet

fol. V1v, 3 Holzschnitte Druckvorlage: Nürnberg, fol. 37r, 37v; R III, S. 251 H 54, B 28 mm; H 61, B 46 mm; H 49, B 43 mm Bohatta III, V b Giesen XIII, 112

277.115 Diagramm dreier Biegeschemata, zur Erläuterung von gewunden, gestreckt/ gekrüpft, geschoben

11 Dürer, Mann von acht Kopf längen in bewegter Haltung; Dresden, fol. 110r; Feder

Dürers Versuche, die Biegung der Körper in die Propor­ tionsthematik einzubeziehen, reichen weit, bis etwa 1508, zurück, immer erkennbar an der Markierung der Biegestel­ len im Körper der Figuren (Seitenansicht mit Buchstaben, Vorderansicht mit Ringlein und Kleeblättern). So ist eines der im folgenden präsentierten Modelle (Nr. 277.128/129) fast wörtlich vorweggenommen in einer Figur des Dresd­ ner Skizzenbuchs von etwa 1512, ihrerseits ein Derivat des frühen Apollo­/Adam­Komplexes (Abb. 11).4 Um 1513 beginnt Dürer die Biegestellen seiner Propor­ tionsfiguren in Seitenansicht mit „Triengellein“ (kleinen Triangeln, Dreiecken) zu signieren, während die Ringlein der Vorderansicht vorbehalten bleiben. Ein weiteres Dresd­ ner Blatt, das einer Reinzeichnung für die Holzschnitte Nr. 277.119/120 nahe kommt, ist 1519 datiert,5 woraus ge­ 4 5

Dresden, fol. 110r, 110v; Bruck, Nr. 11, 12; R II, S. 181; Strauss 1972, Nr. 40, 41. Dresden, fol. 115r, 115v; Bruck, Nr. 34, 35; R III, S. 139; Strauss 1972, Nr. 77, 78.

fol. V2r, 3 Holzschnitte H 51, B 26 mm; H 49, B 29 mm; H 51, B 39 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 37v, 38r; R III, S. 251f. Bohatta III, Vij a Giesen XIII, 113 Wie zu Beginn von Buch III, wo mit den gegensätzlichen Wörtern eine Nomenklatur der Unterscheidung einge­ führt wurde, beginnt auch Buch IV mit einer schemati­ schen Unterscheidungslehre und zwar der sechs von Dürer festgestellten verschiedenen Biegemotive. Die betont ein­ fach gehaltenen Schema­Zeichnungen sind jeweils von einer Legende kommentiert.8 1. Gebogen: Gegeben ist eine Gerade, die an zwei Punkten gegensinnig gebrochen wird, wodurch eine f lach gezackte Linie entsteht. In heutigem Deutsch würde man eher von gebrochen oder geknickt sprechen. 2. Gekrümmt: Die Gerade wird zum Kreisabschnitt sowie wellenförmig bzw. s­förmig verbogen. 3. Gewendet: Zwei aufeinander liegend gedachte Geraden werden um einen mittleren Drehpunkt wie eine Schere zu einem X geöffnet. 4. Gewunden: Zwei Wellenlinien werden ineinander ge­ f lochten bzw. gewunden. 5. Gestreckt/gekrüpft (gestaucht): Es erscheinen zwei unter­ schiedlich lange Geraden, die man sich als gestreckt (ver­ längert) oder gekrüpft (verkürzt/gestaucht) 9 vorstellen soll.

6 7 8 9

Vorarbeiten R III, S. 118–162. Nürnberg, fol. 36–57; R III, S. 249–266. Die sechsVorzeichnungen der Biege­Schemata sind im Text der Reinschrift enthalten – und damit erhalten; Nürnberg, fol. 36v– 38r. „gekrüpfft“: hier im Sinne von ‚gestaucht‘, ‚zusammen geschoben‘; Grimm 11, Sp. 2471: sich krümmen, zusammenziehen (krüpfen).

4 Buch IV

6. Geschoben: Es erscheinen zwei aufeinander liegend ge­ dachte Geraden, die in eine beliebige Lage nebeneinander verschoben werden. Diese in die Fläche gelegten Biege­Modi sind auch in der Dreidimensionalen relevant, „in jedem weichen Corpus, das da breit, dick und beweglich ist. Denn ein solches Cor­ pus ist in gleicher Weise zu biegen, krümmen, wenden, winden, strecken, stauchen und zu schieben wie die Linien; denn kein Corpus ist ohne Linien“ (fol. V2v). Die sechs Modi repräsentieren jeweils bestimmte Körper­, Organ­ oder Skelettabschnitte und Funktionszusammenhänge: Das Biegen die Beweglichkeit der Gliedmaße, das Krümmen ist „beim Geäder und beim Fleisch des menschlichen Leibs“ zu verwenden, das Wenden ebenfalls in Leib und Gliedern (Kopf, Arm, Schenkel), das Winden in „allen weichen Be­ standteilen“, die sich in der Länge drehen lassen, das Stre­ cken und Stauchen ist ein muskelbedingtes Phänomen, das Schieben ist vor allem bei den Gliedmaßen zu beobachten. Will man nun eine beliebige „Gebärde“, gemeint ist eine gesamtkörperliche affektbesetzte Pose, herstellen, wer­ den diese „sechs verschiedenen Modalitäten“ gegebenfalls alle auf einmal fällig; dabei erfolgt wiederum die Mah­ nung, daß „jede Übertreibung von Übel ist“. Wichtig ist endlich die Anmerkung, daß sich bei den anstehenden Operationen die jeweils zuvor beschriebenen Tiefen­ und Breitenmaße naturbedingt nicht gleich bleiben können; deshalb erneut der Rat, viele lebende Menschen abzuzeich­ nen, „denn da sieht man, wie sich alles verhält“ (ebd.). Die Regeln seien zu gebrauchen bei Mann, Weib, Kindern, Pferden und anderen Kreaturen. Anschließend regt Dürer an, die in der Fläche gedachten Biegungen in Körper(­bilder) mittels Verwendung von Kuben oder Quadern zu übertragen, die ihrerseits gleich­ sam randvoll mit einem Körper oder dessen Teilen gefüllt gedacht sind. Dieses diene Bildhauern, die auf dieser Grund­ lage „bossieren“ (abschlagen, skulpieren, die Rohform her­ stellen) können. Er läßt diesen Gedanken aber zunächst ru­ hen und wendet sich beim Thema des Biegens und Wendens erst einmal dem Kopf zu.

277.116 Kopf des Mannes von 7 Kopflängen (Typ A), in Schrägstellung, En-Face und Grundriß fol. V3v H 121, B 118 mm Bohatta III, Viij b Giesen XIII, 114

277.117 Kopf des Mannes von sieben Kopflängen (Typ A), rückwärts gekippt, in Seitenund Vorderansicht fol. V4r

H 76, B 132 mm Bohatta III, Viiij a Giesen XIII, 115

277.118 Kopf des Mannes von sieben Kopflängen (Typ A), vorwärts gekippt, in Seiten- und Vorderansicht

fol. V4v H 72, B 120 mm Bohatta III, Viiij b Giesen XIII, 116 Hier wird, wie mitgeteilt, der Kopf des erstbeschriebenen Mannes aus Buch I (Typ A, der im Gesichtsprofil jedoch abweichend ist) gewendet und gebogen; dazu wird das be­ kannte Quadratschema (Nr. 277.25) benutzt. Zum Aufriß des schräg, ins Halbprofil gestellten Kopfs verwendet man den im gewünschten Winkel gekanteten Grundriß, aus dem die Meßpunkte per „Übertrag“ auf die „Zwerchlinien“ des En­Face­Kopfes übertragen werden. Es folgt der rücklings gebogene oder gekippte Kopf, dessen Quadrat auf die untere linke Ecke gestellt wird. Die Meßpunkte werden ins Vertikalgitter der Vorderansicht übertragen, die dadurch stark verkürzt erscheint und des­ halb hier den sonst ausgeschiedenen Halsansatz aufweist. Die gleiche Operation im Gegensinn verursacht – bei ge­ ringerem Neigungswinkel – ein mäßig gesenktes Haupt. Man könne die Neigung und Hebung des Kopfs auch mit seiner Wendung (gemäß Nr. 277.116) verbinden, was aber in aufgerissener Form befremdlich anzusehen wäre. Der Grundriß müßte dazu beide Verkürzungsapparate ent­ halten, den horizontalen und den vertikalen. Alle diese Übungen ließen sich auch „mit dem ganzen Leib“ (fol. V4r) durchführen.

277.119 Vorder- und Seitenansicht des Mannes von sieben Kopflängen (Typ A) als Bewegungsfigur, schreitend, nach links schauend

fol. V5v H 217, B 199 mm Reinzeichnung (seitenrichtig): Dresden, fol. 115.; Bruck, Nr. 34; R III, S. 139; Strauss 1972, Nr. 77 Bohatta III, V5 b Giesen XIII, 117

277.120 Vorder- und Seitenansicht dieses Mannes ohne Konstruktionslinien

fol. V6r H 216, B 199 mm Reinzeichnung (seitenverkehrt): Dresden, fol. 115r; Bruck, Nr. 35; R III, S. 139; Strauss 1972, Nr. 78 Bohatta III, V6 a Giesen XIII, 118

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E Katalog und Kommentar

277.121 Vorder- und Seitenansicht der Frau von sieben Kopflängen (Typ A I) als Bewegungsfigur, schreitend, nach links schauend fol. V6v H 216, B 174 mm Bohatta III, V6 b Giesen XIII, 119

277.122 Vorder- und Seitenansicht dieser Frau ohne Konstruktionslinien

fol. X1r H 217, B 190 mm Bohatta III, X a Giesen XIII, 120 Bei den ersten seiner wiederum paarweise gegebenen Be­ wegungsfiguren greift Dürer erneut auf die „bäurischen“ Modelle (Typ A, AI) zurück, die er stillschweigend, beson­ ders die Frau, etwas schlanker und ‚sportlicher’ stilisiert. Es sind alle sechs Biegungsmodi berücksichtigt. Der Kopf des Mannes, gesenkt, repräsentiert exakt die Version der vori­ gen Abbildung (Nr. 277.118), der Kopf der Frau, erhoben, annähernd die der allerdings männlichen Illustration davor (Nr. 277.117). Gegensätzlich ist auch die Ponderierung: Während der Mann, leicht schreitend, auf dem linken Bein lastet, ruht die „zugehörige“ Frau mit geschlossenen Beinen auf ihrem rechten Fuß. Die Körper Beider sind gleicherma­ ßen übers Standbein, aber gegensinnig gekrümmt (Krüm­ mungslinie!), so daß die Schwerpunktlinie einmal hinter, einmal vor dem Kopf verläuft. Die Blicke gehen zwar zur selben Seite, jedoch krass divergierend, beim Mann auf den Boden, bei der Frau in die Höhe. Die Arme wiederum – der rechte hinterm Leib, der linke abgestreckt – korrespon­ dieren miteinander, die Linke der Frau indes, wie es heißt, „mit einer weiblichen Gebärde“ (V4v). Bei der verbalen Beschreibung des Mannes Nr. 277.119 fallen typische For­ mulierungen für den Sachverhalt des Kontrapostes auf. Es fällt ferner ins Auge, daß verschiedene Grundkom­ ponenten älterer Dürer’scher Figuren rekapituliert sind; so der Hang zum rechten Winkel bei den Körperachsen – Kopf im Profil, Körper frontal – der vielfach, verbunden mit dem Kontrapost, belegt ist – am prominentesten durch den Stich „Adam und Eva“ von 1504. Dort ist diese Eigenheit indes von der geometrischen Methode bedingt, die ausschließlich derart planimetrische Konstrukte zuläßt. Trotz des Methoden­ wechsels scheint das frühe Blatt, was die Frontalansichten beider bewegten Figuren betrifft, immer noch als maßgeb­ liches Modell nachgewirkt zu haben (mit dem Hauptunter­ schied, daß „Eva“ hier den Kopf vom Partner abgewendet hätte, wodurch die Gegensinnigkeit eigens betont ist).10

10 Vgl. Hinz 2006.

Dürer bleibt bei diesem Konzept, wenn er jetzt die Körper, als seien diese erstarrt, im rechten Winkel zur Bildebene um 90° dreht, damit aber einen überraschend neuen An­ blick schafft. Während die ‚männlichen‘ Holzschnitte in ihren Maßen einander gleich bleiben, ist die Frau im Sei­ tenriß in der Fassung ohne die Konstruktionslinien noch­ mals verschlankt (Nr.277.122 rechts). Bei allen Holzschnitt­Illustrationen dieser Gruppe re­ produziert Dürer seine alte Zeichengewohnheit, Figuren mittels Pause recto und verso eines Blattes stets zweimal, mit und ohne Konstruktionslinien zu reißen, dabei im zweiten Fall vor einen dunklen Fond zu stellen. Die dabei automatisch gegebene Spiegelverkehrung ist hier jedoch rückgängig gemacht.

277.123 Seiten- und Vorderansicht des Mannes von 10 Kopflängen (Typ E) als Bewegungsfigur, vorwärts gebeugt, schreitend, Zirkel haltend fol. X1v H 213, B 170 mm Bohatta III, X b Giesen XIII, 121

277.124 Seiten- und Vorderansicht dieses Mannes ohne Konstruktionslinien fol. X2r H 214, B 181 mm Bohatta III, Xij a Giesen XIII, 122

277.125 Seiten- und Vorderansicht der Frau von zehn Kopflängen (Typ E I) als Bewegungsfigur, rückwärts gebeugt, schreitend fol. X2v H 210, B 160 mm Bohatta III, Xij a Giesen XIII, 123

277.126 Seiten- und Vorderansicht der Frau von zehn Kopflängen (Typ E I) als Bewegungsfigur, vorwärts gebeugt, schreitend fol. X3v H 212, B 154 mm Bohatta III, Xiij b Giesen XIII, 124

277.127 Seiten- und Vorderansicht dieser Frau ohne Konstruktionslinien fol. X4r H 212, B 166 mm Bohatta III, Xiiij a Giesen XIII, 125

4 Buch IV

Dem siebenköpfigen Paar läßt Dürer das gegensätzliche Extrem, das zehnköpfige Paar (Typ E, E I) folgen, „auf daß man die Unterschiede sehe zwischen der viel zu dicken und kurzen und der viel zu langen und dünnen Figur“ (fol. V5r). Die Steigerungspartikel „zu“ (­viel) kennzeichnet hier ein­ mal die extremen Typen als Übertreibungen des Natürlichen, wenngleich Dürer diese durchaus als legitime Geschmacks­ optionen eingestuft hatte. Der männlichen Bewegungs­ lektion sind hier zwei weibliche an die Seite gestellt. Die Figuren Nr. 277.123/124 (männlich) und Nr. 277.125 (weiblich) sind präzis im einfachen Gegensinn konstruiert: schreitend, gebeugt nach vorn bzw. schreitend nach hinten gebeugt. Doch gerade dabei wird deutlich, daß diesen Konstrukten subtile Naturbeobachtung innewohnt: Die Beugung nach vorn zwingt den Mann, das rechte Bein als Stütze einzusetzen, das linke aber – begleitet vom rechten Arm – als Gegengewicht rückwärts ausschwingen zu las­ sen, „daß er in der Waage steht“ (ebd.). Die Rückwärtsnei­ gung der Frau folgt anderen anatomischen Gesetzen, die sie zwingen, das Stützbein einzuknicken und mit dem aus­ schreitenden Bein die Balance zu suchen, die indes ein wenig instabiler als die des Mannes ist, ersichtlich am unterschied­ lichen Winkel des aufsetzenden Fußes. Und diese Nuance ist in einer winzigen Differenz im Frontalriß berücksich­ tigt, wo die Schwerpunktlinie vom Bauchnabel abwärts in spitzem Winkel mit der Körperachse divergiert und somit einen Hauch ausgleichender Ponderierung ausweist, von Dürer eigens kommentiert: „und biege ihr die Hüfte ein wenig zur rechten Seite“ (ebd.).11 Eine zweite Abbildung dieser Figur (ohne die Kons­ truktionslinien) fehlt, die entsprechende Seite (fol. X3r) ist leer geblieben. Für die Figuren Nr. 277.123/124 und 277.125 existieren fortgeschrittene Studien.12 Die Gefährtin des zehnköpfigen Mannes erscheint ein weiteres Mal, hier in der gleichen Weise wie dieser vornü­ ber gebeugt (Nr. 277.126/127), jedoch nicht ausschreitend, sondern wie in einem Schrittchen verhaltend, wobei das gehobene Bein über das gestreckte in stumpfem Winkel geschoben ist. Statt des Zirkels, den der Mann (nach dem Vorbild des Schöpfergottes als Signum der Proportionsar­ beit) trägt, führt sie einen auf den Boden gesetzten Stab, der – wie in der Frontalen zu sehen – sich, wenn auch nur minimal, als zusätzliche Stütze in der Ponderierung be­ merkbar macht: Die senkrechte Achse ist am rechten Fuß, anders als bei der männlichen Referenzfigur, um eine Nu­ ance nach rechts versetzt. Es handelt sich um die einzige 11 Vgl. Entsprechendes zum Gleichgewicht in Leonardos Maler­ buch; Leonardo/Ludwig 1882, I, Nr. 314–324. 12 London, Sloane 5228, fol. 190r, 190v; fol. 108r, hier fehlt ebenso wie im Druck die Version ohne Konstruktionslinien. Strauss/ Drawings 5, HP: 1519/7, 1519/8, 1519/11.

Illustration im gesamten Proportionswerk, bei welcher der abgewendete Arm einer von der Seite gegebenen Figur sichtbar ist. Ein Londoner Studienblatt zeigt die im wesent­ lichen fertige Figur, über deren rechten Arm noch keine vollständige Klarheit herrscht.13

277.128 Seiten- und Vorderansicht eines Mannes von ca. acht Kopflängen als Bewegungsfigur, schreitend, seitwärts schauend, den linken Arm hebend

fol. X4v H 213, B 188 mm Reinzeichnung (seitenrichtig)14: Dresden, fol. 109r; Bruck, Nr. 30; R III, S. 139; Strauss 1972, Nr. 75 Bohatta III, Xiiij b Giesen XIII, 126

277.129 Seiten- und Vorderansicht dieses Mannes ohne Konstruktionslinien

fol. X5r H 218, B 199 mm Reinzeichnung (seitenverkehrt): Dresden, fol. 109v; Bruck, Nr. 31; R III, S. 139; Strauss 1972, Nr. 76 Bohatta III, X5 a Giesen XIII, 127

277.130 Seiten- und Vorderansicht einer Frau von ca. acht Kopflängen als Bewegungsfigur, auf einen Stab gestützt, seitwärts schauend fol. X5v H 211, B 150 mm Bohatta III, X5 b Giesen XIII, 128

277.131 Seiten- und Vorderansicht dieser Frau ohne Konstruktionslinien

fol. X6r H 212, B 159 mm Bohatta III, X6 a Giesen XIII, 129 Dieses letzte Paar der Bewegungsfiguren ist nicht im Text beschrieben. Es repräsentiert mit etwa acht Kopf längen eine mittlere Position zwischen den vorangegangenen Extremen und kommt in seiner figürlichen Erscheinung dem Paar 13 London, Sloane 2228, fol. 109r, 109v; Strauss/Drawings 5, HP: 1519/10, 1519/9. 14 Es handelt sich, genau genommen, um dieVorzeichnung (recto) der Reinzeichnung auf der Gegenseite (verso); einige Kontur­ linien sind in typischer Weise durch Ausstreichungen korrigiert. Der Formschneider dürfte jedoch eine bereinigte spiegelver­ kehrte Pause benutzt haben. Die Reinzeichnung (verso) ohne Konstruktionslinien dürfte als Vorlage für Nr. 277.129 gedient haben.

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E Katalog und Kommentar Nr. 277.60/61/62 und Nr. 277.63/64/65 recht nahe, besitzt aber die längeren unteren Extremitäten. Beide Figuren bil­ den Variationen des ersten siebenköpfigen Bewegungs­ paars, sind aber von der Aufgabe befreit, den Kopf beugen oder heben zu müssen. Des Mannes Stand­ bzw. Schreit­ motiv und seitliche Rumpf beugung sind denen des Sieben­ köpfigen nah verwandt, während er mit seinem heroischen Gestus und dem wie zum Fernblick gewendeten Haupt diese Verwandtschaft souverän überspielt. Dieser Mann ist kein Unbekannter; er ist ein Abkömm­ ling der bereits ein Vierteljahrhundert zurückliegenden sog. Apollo­Gruppe (vgl. Abb. 11),15 die im „Adam“ des Kupferstichs von 1504 kulminiert, dem er denn auch – bei gewendetem Kopf – weitgehend ähnelt. Neu und überra­ schend ist wiederum die in gestelzter Pose erstarrte Seiten­ ansicht, für die keine Vorläufer erkennbar sind. Auch die dazugehörige Frau besitzt eine lange Vorge­ schichte, die gleichfalls in die Anfangsphase der Dürer‘schen Konstruktionsversuche zurückreicht, wie etwa die Zeich­ nung einer nackten Frau mit Stab von etwa 1500 (W 265) erkennen läßt. Und wie ihr Partner hat auch diese Acht­ köpfige ihre Präfiguration in jenem Kupferstich der Mensch­ heitseltern, sie ist „Eva“ fast schwesterlich verwandt. Nur das Standmotiv ist abgewandelt. Anstelle des an „Eva“ exem­ plarisch erprobten Kontrapostes mit der ausschließlichen Belastung des Standbeins sieht man diese Frau zusätzlich auf eine Krücke gestützt, während das Spielbein an die Schwerpunktlinie des Körpers so weit herangezogen ist, daß es das Standbein in ganzer Länge überschneidet. Dürer wollte offenbar den die Ponderation verändern­ den Einf luß einer zusätzlichen Stütze auf eine im übrigen kontrapostisch erscheinende Figur lehren. Das hat zur Fol­ ge, daß sich die Frau weiter nach links beugen darf, als es ihre nach rechts ausladende Dimension im Sinne eines kom­ pensierenden Gegengewichts erlauben würde. Denkt man sich die beiden Achtköpfigen wie Adam und Eva vereint, blickte, wie bei den Siebenköpfigen, einer der Partner – wie absichtlich – zur Gegenseite aus dem Bilde, diesmal der Mann. Die aus der Komposition eines Paars hervorgegan­ genen Figuren sind jetzt offensichtlich mit Bedacht dissozi­ iert (Abb. 12).

15 Terminus von Justi 1902, 1.Teil. Sehr eingehend dazu Panofsky 1920/1998; es handelt sich bei der sog. Apollogruppe um die Blätter W 261–264.

277.132 Zwei geometrische Hilfsfiguren für zwei aufeinander stehende Körper (Würfel) mit Grundrissen, kantengerecht und verschoben („gewendet“) fol. X6v H 136, B 119 mm Bohatta III, X6 b Giesen XIII, 130

277.133 Zwei geometrische Hilfsfiguren für zwei aufeinander stehende Körper mit Grundrissen, verschoben („gewendet“) und gekippt („gebogen“), ferner verschoben, gekippt und gekantet („für sich gebogen“) fol. Y1r H 156, B 133 mm Bohatta III, Y a Giesen XIII, 131

277.134 Geometrische Hilfsfigur für zwei aufeinander stehende Körper, mit Grundriß, „gekrümmt“ fol. Y1v H 158, B 62 mm Bohatta III, Y b Giesen XIII, 132

277.135 Geometrische Hilfsfigur für zwei aufeinander stehende Körper, mit Grundriß, „gewunden“

fol. Y2r H 142, B mm Bohatta III, Yij a Giesen XIII, 133 Dürer führt hier zur Vertiefung der Bewegungsthematik das „Kuben­Verfahren“ ein,16 das auf der Überlegung be­ ruht, daß die Glieder des bewegten Körpers, stereometrisch betrachtet, im Verhältnis zu den Schnittebenen viele belie­ bige Winkel einnehmen können. In diese „Kuben“ (nicht als Würfel verstanden!) eingeschlossen hat man sich Teile oder Abschnitte menschlicher Körper vorzustellen, die sich auf diese Weise als Bausteine aller denkbaren bewegten Fi­ gurationen verwenden lassen, selbstredend nur im Rahmen des Natürlichen. Wohl wegen der Schwierigkeit der graphischen Darstel­ lung (vielleicht auch zur Vermeidung von Unübersichtlich­ keit) verzichtet Dürer ab hier auf figürliche Elemente und operiert stattdessen mit rein geometrischen Figuren („cor­ pora“). Zunächst werden die sechs Bewegungsmodi auf diese Corpora angewendet, die sich in den Illustrationen als Würfel zu erkennen geben, als welche sie wohl ihrer Einfach­

16 Panofsky 1915, S. 56–63.

4 Buch IV

12 Dürer, Adam & Eva im Kupferstich von 1504 (angeschnitten) im Vergleich mit den Bewegungsposen von Mann und Frau Nr. 277.120, 277.122 sowie 277.129, 277.131 (Montage des Verfassers)

heit halber aus didaktischen Gründen ausersehen worden sind. Der Würfel tauge, wie Dürer erklärt, in besonderem Maße dazu, das Prozedere bei Konstruktionen wie jener zu beleuchten, nach der „das vorne beschriebene gewendete Gesicht gemacht“ (fol. X6v) ist, gemeint ist Nr. 277.116.17 Es handelt sich hier um eine einfache Drehung („Wen­ dung“) um die als Ringlein im Grundriß der Figur einge­ zeichnete vertikal zu denkende Achse. Visuelle Verständ­ nisschwierigkeit bereitet der Umstand, daß die Corpora graphisch als bloße Flächen erscheinen, jedoch stereome­ trisch verstanden sein sollen. Weiter erschwert wird das Verständnis bei der linken Figur von Nr. 277.133, wo dem zuoberst gedachten Corpus zusätzlich zu seiner bloßen „Wendung“ in der Ebene noch die Kippung („Biegung“) hinzugefügt ist, die in das Volu­ men des darunter gedachten Corpus eindringt. Die Dreh­ achse bleibt erhalten, wird aber infolge der durch die Kip­ pung ausgreifenden Eck­ bzw. Kanten­Projektionen in ihrer zentrierenden Rolle verunklärt. Bei der rechten Figur von Nr. 277.133 kommt zu den genannten Biegungen eine weitere Biegung „für sich“ hin­ zu, womit über die plane Kippung hinaus die Schrägung nach vorn, also die Verkantung des oberen Corpus gemeint ist. Hier endlich wurde die räumliche Wiedergabe unum­ gänglich, die das Verfahren anschaulicher macht. In allen vier Fällen bleibt das untere Corpus unverändert, es erscheint als Quadrat (4 3 2 1, von links oben im Uhrzeigersinn) so­

17 Wiewohl Dürers Köpfe keine Würfel (sondern Quader!) bil­ den.

wohl auf der mittleren wie auch der unteren Ebene, dort als Grundriß verstanden. Dieses untere Corpus könne aber, wie es heißt, auch seinerseits in gleicher Weise behandelt werden wie das obere, was im Aufriß indes „seltsam“ aus­ sehen würde. In der folgenden Figur Nr. 277.134 ist die vorige Anord­ nung wiederholt, jedoch sind beide Corpora zusätzlich, auf zwei ihrer Seiten, „gekrümmt“. Im letzten Beispiel Nr. 277.135 tritt bei wiederum gleichbleibender Gesamtdisposition das „Winden“ des oberen Corpus hinzu, während das untere wie in der vorigen Figur lediglich „gekrümmt“ bleibt. Das führt zu einer Veränderung des „niedergedrückten Grunds“, der nur im Falle des unteren Corpus wie bisher quadratisch bleibt, während der Grundriß des oberen Elementes ge­ schweifte Seiten erhält. Um die Operationen nachvollziehbar zu machen, hatte Dürer die korrespondierenden Ecken der Corpora in allen Konstellationen und auf allen Ebenen bis hin zum Grund­ riß einheitlich mit 1, 2, 3, 4 sowie a, b, c, d signiert. Dasselbe Verfahren erscheint bereits in Matthäus Roriczers „Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit“ und „Geometria deutsch“,18 wo komplexe Architekturteile mit gleichfalls signierten Ecken auf den Grund projiziert sind, begleitet von Be­ schreibungen, die jenen Dürers überaus ähnlich sind.19 18 Regensburg 1486 sowie ebd. 1487/88; vgl. Roriczer/Geldner 1999. 19 Z. B.: „Willst du einen Grund reißen zu einer Fiale, nach Stein­ metz­Art, aus der rechten Geometrie, so hebe an und mache ein Quadrat, wie es hiernach bezeichnet ist mit den Buchstaben :a: b:c:d.:“ usw. Anders als Dürer verwendet Roriczer zur Unter­

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E Katalog und Kommentar An die Stelle des viereckigen Corpus’ (Würfels), der hier exemplarisch exekutiert wird, können, wie Dürer be­ tont, je nach Bedarf auch andere Corpora treten, oblonge oder kurze, schmale, breite, dicke, aber auch unregelmä­ ßige von ungleichen Seiten und Winkeln – wie auch im­ mer, nur dadurch bestimmt, daß sie jeweils „tauglich ge­ macht werden für die Gestalt, für die sie bestimmt sind“ (fol. Y2r). Mit solchen „eckigen Corpora“ könne man „je­ des körperliche Geschöpf “ (ebd.), das man zuvor gezeich­ net hat, in Höhe seiner „Zwerchlinien“ umschließen und nach Belieben biegen und wenden. Dieses Verfahren, das man heute als „polyedrische Appro­ ximation“ bezeichnen würde,20 dürfte Dürer, unbeschadet möglicher lombardischer Vorgänge,21 aus seinem Studium der Euklid’schen Polyeder mit der sie umfassenden Umku­ gel, denen er weitere halbreguläre Polyeder hinzufügte,22 entwickelt haben. Die dem vorgegebenen körperlichen Inhalt approximierten Corpora verstand er hauptsächlich als ein­ fache geradf lächig begrenzte Körper (Kuben, Quader, Pris­ men), die er im Mehrtafelverfahren durch Drehen, Schwen­ ken, Kippen etc. unter Wahrung einer fixen Achse (durch Ringlein gekennzeichnet) in jeweils veränderte Ansichten brachte. Die Verwendung der von Kanten und Flächen be­ grenzten Corpora anstelle der natürlichen Glieder des Menschen erlaubte auch bei bewegten Figuren die Auf­ rechterhaltung der jeweils beabsichtigten Proportion, was der Autor allerdings hier nicht erwähnt. Er betont jedoch an späterer Stelle, daß durch dieses Procedere die „verkürz­ te und perspektivische Darstellung“ (fol. Y4v) einer Figur erleichtert werde. Dürer spricht allerdings wiederholt auch von „weichen“ Corpora und präsentiert diese exemplarisch in gekrümmter und gewundener Version (Nr. 277.34 und 277.35). Da bei diesen die Zuordnung der Eckpunkte erhalten bleibt, kön­ nen die Projektionen zwar korrekt durchgeführt werden, indessen ist die Einhaltung proportionaler Vorgaben sowie die Optimierung von Verkürzungen nicht mehr gewähr­ leistet. So dürfen denn wohl diese Corpora, deren Krüm­ mungen und Windungen freihändig gezeichnet sind, eher experimentell als praxistauglich verstanden sein. Dürer gesteht in diesem Zusammenhang – es handelt sich um Neuland in der darstellenden Geometrie – Verba­ lisierungsprobleme ein.23 Wohl aus diesem Grund folgt eine

20 21 22 23

scheidung der Korrespondenzen keine Ziffern sondern weitere Buchstaben :e:f:g:h: etc.; „Von der Fialen Gerechtigkeit“, fol. 3r; Roriczer/Geldner 1999, S. 46. Vgl. Schreiber 2007. Vgl. Panofsky 1915, S. 58–61. „Unterweisung der Messung“, Buch IV. So bereits an betreffender Stelle der Vorarbeiten zur Bewe­ gungsthematik: R III, S. 143.

Abschweifung zur Schwierigkeit der Aufgabe; daran schlie­ ßen sich mehr oder minder allgemeine gute Ratschläge zum Kunst­ und Proportionsstudium an.

277.136 Seiten- und Vorderansicht eines ca. achtköpfigen Mannes mit seitwärts ausgestreckter Rechten, von stereometrischen Körpern umzeichnet

fol. Y3r, Breitformat, gefaltet H 218, B 153 mm Druckvorlage: Dresden fol. 140r; Bruck, Nr. 57; R III, S. 261; Strauss 1972, Nr. 107 Bohatta III, Yiij a Giesen XIII, 134

277.137 Derselbe Mann als stereometrische Figur, Seiten- und Vorderansicht, Grundriß

fol. Y3v, Breitformat, gefaltet H 270, B 200 mm Druckvorlage: Dresden, fol. 141r.; Bruck, Nr. 58; R III, S. 261; Strauss 1972, Nr. 104 Bohatta III, Yiij b Giesen XIII, 135

277.138 Kopfcorpus, neun Querschnitte durch den menschlichen Körper, von Rechtecken umzeichnet, Fußsohle, alle Querschnitte und die Fußsohlen im Grundriß

fol. Y4r, 4 Holzschnitte H 26, B 124 mm; H 35, B 180 mm; H 33, B 60 mm; H 60, B 59 mm Bohatta III, Y4 a Giesen XIII, 136 Als Beispiel für die Umkleidung eines ganzen menschli­ chen Körpers gibt Dürer die Figur eines etwa achtköpfigen Mannes24 im Schema des vitruvischen homo ad quadra­ tum.25 24 Im Text (fol.Y2v) ist die Rede von dem neunköpfigen Mann mit erhöhtem Haupt aus Buch II, der aber nicht existiert. Es dürfte sich um eine versehentlich stehen gebliebene Passage aus einer früheren Fassung von Buch II handeln; vgl. dazu R III, S. 150, Anm. 2 sowie S. 262, Anm. 1. Eine zu dieser Charakte­ ristik passende männliche Figur im Ms. London, Sloane 5228, fol. 121r, 121v; R III, S. 67; sie stimmt denn auch im wesentli­ chen mit der hier folgenden Illustration Nr. 277.136 überein. 25 Dieser Figur kommt die Zeichnung eines (allerdings etwa sie­ benköpfigen) ‚unverpackten‘ Mannes im Dresdner Skizzenbuch (spiegelverkehrt) nahe: Dresden fol. 108v; Bruck, Nr. 29; Strauss 1972, Nr. 87. Hier ist die (etwas weitergehende) Hebung des Arms in einer entsprechenden Anhebung des Schultergelenks (zweiter kleiner Kreis) berücksichtigt, was bei Nr. 277.136 nicht der Fall ist.

4 Buch IV

13 Fiale, Seiten­ und Grundriß. Aus: Roriczer, Geometria deutsch, 1487/1488, fol. 6v; Dürer, Mann als stereometrische Figur (Nr. 277.137), Seiten­, Vorderansicht, Grundriß (Montage des Verfassers)

Die von den einschlägigen (namentlich bezeichneten) „Zwerchlinien“ begrenzten Körperabschnitte, insgesamt zehn, stecken in stereometrischen Körpern, die ihnen eng angepaßt sind; zwei von ihnen überschneiden sich aus ana­ tomischen Gründen in der Schamzone, worauf der Autor nicht eingeht. Je drei weitere Corpora umschließen die Arme und die Hände sowie ein übriges Corpus das Haupt. In der Seitenansicht, verstanden als Drehung der Figur um 90°, sticht der rechte ausgestreckte Arm senkrecht aus dem Bild und stellt sich (mit der Hand) in schroffer maximaler Verkürzung gleich einem Grundriß in der Horizontalen dar. Eine mit diesem Thema verbundene Reinzeichnung im Dresdner Kodex zeigt dieselbe Figur in identischen Maßverhältnissen, jedoch im konventionellen Modus der Proportionsfiguren mit separiertem hängendem Arm.26

26 Dresden, fol. 139r; Bruck, Nr. 56; R III, S. 147; Strauss 1972, Nr. 106.

Daraus kann geschlossen werden, daß sich Dürer eigens um des spektakulären Arm­Motivs willen letztendlich für die ‚vitruvianische‘ Version entschieden hat. Die hier verwendete Darstellungsmethode dürfte gleich­ falls auf Roriczers Fialenbüchlein fußen. Insbesondere die Methode, sich eine menschliche Figur in stereometrischer Bosse steckend vorzustellen und in Aufriß und Grundriß entsprechend zu zeichnen (Nr. 277.136 und 277.137), war hier als Steinmetzverfahren, praktiziert an Fialen und Kreuzblumen, vorgegeben (Abb. 13).27 Im folgenden weist denn Dürer auch zum zweiten Mal (nach fol. V3r) ausdrücklich darauf hin, daß „solcher Weg“, das Kubenverfahren, für die angehenden Bildhauer (in Holz und Stein) von Nutzen sei, die so in die Lage versetzt wür­

27 Vgl. vor allem die Illustration: „die rechte Blume auf dem Wim­ perg zu der großen Fiale“: „Geometria deutsch“, fol. 6v; Roric­ zer/Geldner 1999, S. 60.Vgl. auch Braunfels 1973, S. 49.

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E Katalog und Kommentar den, „auf allen Ebenen von den eckigen Corpora das wegzuhauen, was weg gehört, – damit man nicht zuviel weghaue oder stehen lasse“ (fol. Y2v). Dieses Angebot an die Bildhauer scheint davon zu künden, daß sich Dürer an notorischen Bildhauer­Usancen, Figuren aus vorgegebenen Blöcken zu entwickeln, orientiert hat,28 um dann diese Me­ thode nach ihrer Systematisierung zurück zu empfehlen. In der Illustration Nr. 277.137 ist die letzte Figur frontal und seitlich wiederholt, doch so, daß „die Gestaltlinien des Mannes weg(ge)lassen“ sind (fol.Y2v), wodurch sie den Eindruck erweckt, die Wiedergabe einer unfertigen, in Bosse belassenen Skulptur zu sein.29 Die zusammengeschach­ telte Erscheinung, „darin die Figur eingeschlossen („ver­ leybt“) ist“ (ebd.), wird mittels „Übertrag“ auf den Grund projiziert, ergibt somit einen Grundriß, in dem die einzel­ nen ‚Schachteln‘ als ineinander gesteckte Rechtecke und Pyramidenstümpfe erscheinen. Die folgende Abbildung Nr. 277.138 gibt die zehn Kör­ perschnitte – numeriert und bezeichnet entsprechend Nr. 277.137 – gerahmt in ihrer Naturgestalt wieder, jeweils mit der Rückenseite nach oben, wobei die Beschriftung stets die obere Ebene des betreffenden Körperabschnitts be­ zeichnet. Das Kopf­Corpus ist hier allerdings nicht mitge­ zählt, so daß die Zahlen gegenüber der vorhergehenden Illustration Nr. 277.137 nicht die einzelnen Corpora selbst, sondern jeweils deren untere Schnittebenen bezeichnen. In die einzelnen Rahmen sind Hilfslinien „kreutzweiß“ ein­ gezogen, die beim nachfolgenden Wenden und Verrücken der Körperschichten die korrekte Einzeichnung der „Run­ dung des Leibesumrisses“ (ebd.) sicherstellen sollen. Allerdings wird nicht mitgeteilt, wie die Binnenkoor­ dinaten der Körperrundung zustande kommen, die sich allein aus der frontalen und seitlichen Ansicht schließlich nicht ableiten lassen. Endlich sind hier die ungerahmt be­ lassenen Schnittebenen des Körpers ineinander – gleichsam auf die Standf läche der von unten gesehenen Fußsohlen – in ein ‚Fadenkreuz‘ projiziert, dessen Schnittpunkt die Schwerpunktlinie des Körpers markiert, „damit angezeigt werde, wie sie (die Leibesumrisse, Verf.) aufeinander fallen und wie ein Teil den anderen überragt“ (ebd.). Ein ver­ gleichbarer, wenn auch kursorisch gezeichneter Körper­ grundriß eines Mannes, jedoch von oben auf den Kopf gesehen, erscheint skizziert bereits in einem frühen Pro­

28 Vgl. auch die entsprechende Aussage in der Widmung (fol.A2v). 29 Eine eng verwandte (nicht verwendete) Reinzeichnung ohne Inkorporationen, mit separiert hängendem Arm: Dresden, fol. 142r; Bruck, Nr. 59, R III, S. 147; Strauss 1972, Nr. 105 (analog ebd.: Nr. 106).

portionsblatt von etwa 1507/08,30 bei dem die geometrische und die arithmetische Methode noch gemischt auftreten.

277.139 Das untere Brustcorpus (Corpus 5) in verschiedenen Ansichten. Gebrauch des „Verkehrers“ zur Anpassung der Gitterlinien auf beiden Schnittebenen

fol. Y4v H 190, B 197 mm Bohatta III, Y4 b Giesen XIII, 137 Nachdem die diversen Biegungen zunächst mit den leeren Corpora durchgespielt wurden (Nr. 277.132–277.135), folgt hier die entsprechende Übung mit einem gefüllten Corpus: Als Füllung dient der untere Teil der männlichen Brust zwischen den Schnitten, die mit „Tütlein“ (Brustwarzen) und „Weychen“ (Taille) bezeichnet sind, von Dürer mit 5 beziffert (Nr. 277.137). Dieser imaginäre Torso soll in un­ terschiedliche Ansichten gebracht werden, die wiederum als Elemente einer bewegten Figur vorstellbar sind. Das Verfahren mit dem Mittel der korrespondierenden Parallelen, dem „Übertrag“, beginnt links mit der Seiten­ ansicht des gefüllten Corpus zwischen „Tütlein“ und „Weychen“ (in Form eines Pyramidenstumpfs) sowie des­ sen darunter hochkant ineinander gestellten Grundrissen (der Ober­ und Unterf läche des konischen Corpus‘). Dieses Corpus wird rechts daneben um das „triengelein“ nach vorn zur Brust gekippt und unterhalb neu in den Grund gelegt. Sodann wird es in dieser Stellung schräg in Fron­ tansicht gedreht und zwar, wie die Illustration zeigt, in ei­ ner Drehung nach rechts um etwa 115°. Erneut aufgezogen entsteht in Verbindung mit den horizontalen Daten des zweiten (gekippten) Corpus’ die entsprechende Ansicht, eine Aufsicht mit dem wiederum eingezeichneten Brust­ torso. Diese Stellung wird nun durch Beugung nach links31 in der Ebene gesenkt, sodann wiederum auf den Grund projiziert und mit dem Torso gefüllt, der nun steil, leicht rücklings von oben zu sehen ist. Zur Einzeichnung der „Gestaltlinien“ bedarf es noch der vergleichlichen Modifi­ kation der „Gitterlinien“ (vgl. Nr. 277.138, 4 und 5), die je zweimal, eigens an Ort und Stelle kommentiert, in der Tie­ fe und der Breite mit dem „Verkehrer“ vorgenommen wird. Mittels konsequenter Benennung der Eckpunkte mit Zif­ fern und Buchstaben – rechts/links, vorn/hinten, oben/ unten – versucht Dürer die sich schrittweise komplizieren­ de Operation nachvollziehbar zu halten, deren Formulie­ 30 Dresden, fol. 132r; Bruck, Nr. 52; R II, S. 165; Strauss 1972, Nr. 12. Vgl. zu diesem Thema auch Dresden, fol. 144r, 144v; Bruck, Nr. 61, 63; R III, 157; Strauss 1972, Nr. 101, 100. 31 Dürer schreibt „rechts“ (fol.Y4r), wohl aus der Perspektive der Figur.

4 Buch IV

rung und Lektüre er wegen „der vielen Worte, Punkte und Zeichen“ selbst für „schwierig“ und „verdrießlich“ hält (fol. Y2v). Dürer empfiehlt dieses Verfahren als Voraussetzung für die perspektivische Wiedergabe von Figurengliedern und von ganzen Figuren. Das ist durchaus plausibel; denn auf dem Wege der Zerlegung entstehen Elementarkörper, deren perspektivische Ansicht leichter zu erzeugen ist als dieje­ nige von organischen Figuren.32 Unter den im Buchdruck beigegebenen Inschriften die­ ses Holzschnitts (Nr. 277.139) fällt die Verwendung einer abweichenden Schriftart, der Cursiva („ruck/rueck“, „brust“) auf, die sonst an keiner Stelle des Werks verwen­ det wird.

277.140 Das Kopfcorpus (Corpus 1) in verschiedenen Ansichten

fol. Z1r H 185, B 134 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 54r; R III, S. 26533 Bohatta III, Z a Giesen XIII, 138

277.141 Das Halscorpus (Corpus 2) in verschiedenen Ansichten.

fol. Z1v H 141, B 116 mm Druckvorlage: Nürnberg, fol. 55r; R III, S. 265 Bohatta III, Z b Giesen XIII, 139

277.142 Das Schultercorpus (Corpus 3) in verschiedenen Ansichten fol. Z2r H 178, B 160 mm Bohatta III, Zij a Giesen XIII, 140

277.143 Das obere Brustcorpus (Corpus 4) in verschiedenen Ansichten fol. Z2v H 210, B 143 mm Bohatta III, Zij b Giesen XIII, 141

277.144 Das untere Brustcorpus (Corpus 5) sowie das Taillencorpus (Corpus 6) in verschiedenen Ansichten fol. Z3r, 2 Holzschnitte H 107, B 157 mm; H 98, B 82 mm

32 Von Panofsky 1915, 61f. eigens nachgewiesen. 33 Die in den Druck aufgenommene Legende stammt von Pirckhei­ mers Hand. Das gilt auch für die Druckvorlagen von Nr. 277.141 und 277.144.

Druckvorlage: Nürnberg, fol. 56r, 57r; R III, S. 266 Bohatta III, Ziij a Giesen XIII, 142 Zum Abschluß des IV. Buchs (fol. Y5r) kündigt Dürer an, alle Körperabschnitte („gefirte corpora“) der stereometri­ schen Figur (Nr. 277.137) nacheinander „gleichmäßig“, also gleichermaßen zu biegen, zu wenden usw., ohne die Gestalt einzuzeichnen. Tatsächlich behandelt er aber nur die sechs oberen Corpora (1 bis 6 gemäß der Illustration Nr. 277.137). Er beginnt mit dem „Corpus des Hauptes“ (Corpus 1), eines Körpers in Quaderform (Nr. 277.140), den er – stets mittels „Übertrag“ – in fünf verschiedene Ansichten (A–E) versetzt.34 Diese Ansichten behält er auch im weiteren bei. Hier und in den folgenden Fällen gibt nur das „Trienge­ lein“ (als Rückenwirbel zu denken) eine anatomische Ori­ entierung in der sonst rein geometrischen Operation. Es folgen die entsprechenden Arbeiten mit dem Hals (Corpus 2), eines ganz niedrigen trapezoiden Körpers (Nr. 277.141), der nur sachte gebeugt und gewendet wer­ den soll, sodann mit dem „Schulterf leisch“ (Corpus 3), das Dürer in allen seinen Figuren immer auf der Ebene zwischen dem Hals und den Schultergelenken ansetzt (Nr. 277.142). Dieses Corpus hat eine markante prismatoide Gestalt mit drei stark unterschiedlichen Neigungswinkeln, deren geo­ metrische Verwandlungen bequemer als die der anderen Corpora vom Leser zu verfolgen sind. Der daran anschlie­ ßende obere Abschnitt des Brustkastens (Corpus 4), er endet in Höhe der Brustwarzen, bildet einen Pyramidenstumpf mit drei schwach unterschiedlichen Winkeln (Nr. 277.143). Das ist in umgekehrter Lage auch der Fall beim unteren Brust­Corpus (Corpus 5), der in der Taille endet (Nr. 277.144). Dieser war bereits Gegenstand einer ausführlichen und dif­ ferenzierten Operation (Nr. 277.139), die jetzt leicht vari­ iert und abgekürzt wiederholt ist (hier ausdrücklich auf die Wandlungen C­E beschränkt). Schlußendlich wird das Corpus der „Weichen“ (Corpus 6) behandelt, das ein ver­ ändertes, in den Flächen verschobenes Grundrißbild gibt, weil die vordere und hintere Begrenzungslinie (sichtbar im Profil Nr. 277.136 und 277.137) parallele Schrägen bilden und weil es nur geringfügig gebeugt wird; deshalb auch ist das Taillen­Corpus auf die Wandlungen D ­ E beschränkt. An dieser Stelle, an der auch die Nürnberger Druckvor­ lage endet, bricht der Diskurs des IV. Buches unvermittelt ab. Es fehlt nicht nur die Bearbeitung der vier weiteren Körperabschnitte (Corpora 7–10), es fehlen auch Vorschlä­ ge für eine Synthese der separat gebeugten Corpora mit kompletten Figuren. Vorarbeiten dazu sind im Dresdner Konvolut erhalten – sowohl in Form freier Skizzen wie auch

34 Eine klärende Nachzeichnung bei Panofsky 1915,Abb. XIV.

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E Katalog und Kommentar als Modelle möglicher Buchillustrationen, was die Annah­ me nahe legt, daß Buch IV unvollendet geblieben ist. Im Dresdner Sammelband erscheinen folgende skizzierte ku­ bische Männer in Bewegung: fol.143r und 143v, 137r, 138v, 144v, 136v.35 Besonders bemerkenswert ist fol.143r, wo ne­ ben geometrischen Skizzen zu diversen Körperkuben und einer schwungvoll bewegten synthetischen Figur (mit allen zehn Corpora) zusätzlich eine Gliederpuppe mit nahezu identischen Sektionen bis zum Ansatz der Beine wiederge­ geben ist (Abb. 14). Sie dürfte als Modell für die Bewegungs­ operationen gedient haben.36 Es handelt sich allerdings nicht um die Wiedergabe einer der aus dieser Zeit bekannten hochelaborierten Kabinettstücke, die bis in die Finger und Zehen funktionierten, sondern um einen Gliederapparat, bei dem weniger Wert auf die menschliche Gestalt als deren belastbare Gelenkmechanik gelegt ist – von der Art, die heute in Kunstschulen noch geläufig ist. Es spricht einiges dafür, daß Dürer ein vermutlich selbstgefertigtes Exemplar für seine speziellen Zwecke benutzte, dessen Bewegungs­ potential, wie zwei Londoner Zeichnungen zu belegen scheinen, auf die von ihm seit Jahrzehnten festgelegten Ge­ lenkpunkte (Dreiecke, Kreise) beschränkt war (Abb. 15). 37 Reingezeichnete Kuben­Männer, bei denen die durch Beugung zwischen den einzelnen Corpora gebildeten Winkel penibel berücksichtigt sind, bieten die Blätter Dres­ den fol. 144r und 136v.38 Beide Figuren besitzen das für den Druck passende Standardformat und erscheinen in ty­ pischer Weise planmäßig gegensätzlich gebeugt: fol. 144r 14 Dürer, Skizzenblatt mit bewegter kubischer Figur, Körper­ kuben und Gliederpuppe; Dresden, fol. 143r; Feder 35 In der Reihenfolge: Bruck Nr. 62, 60, 65, 66, 63, 64; R III, S. 157, 158, 157; Strauss 1972, Nr. 96, 103, 97, 99, 100, 102. 36 Speziell zu Dürers möglichem Umgang mit der Gliederpuppe: Weixlgärtner 1903; allgemeiner:Weixlgärtner 1954. 37 W 929 (r), W 931 (v); W 930 (r), W 932 (v); 44,5 × 24,2 cm; 44,8 × 24,5 cm; Feder; dat. 1526. Die beiden Blätter geben, gleich den Bewegungsfiguren um ihre Längsachse um 90° ge­ dreht, eine typische Proportionspose wieder (Profil: vergleich­ bar Dresden, fol. 144r; Bruck, Nr. 61; Strauss 1972, Nr. 101); Details (die Knickung des Arms, Knies sowie der Hals) zeigen die Gliedermechanik, ohne deren materielle Technik erkennen zu lassen. Die Blätter (und Figuren) besitzen mit ca. 44,8 × 24,5 cm ziemlich genau die doppelte Größe des Standards. Es könnte sich um Abbilder dieses mutmaßlichen Gliedermannes handeln, allerdings mittels „Gestaltlinien“ (verso sogar mit mo­ dellierender Schraffur) in menschliche Erscheinung gebracht. Das Fehlen jeglicher Ponderierung trotz unterschiedlich be­ lasteter Füße (im Gegensatz zu den verwandten Illustrationen Nr. 277.128, 277.129) dürfte diese Deutung der Londoner Zeichnungen erhärten. 38 Bruck, Nr. 61, 64; R III, S. 157; Strauss 1972, Nr. 101, 102. Letzte Zeichnung ist einem Studienblatt mit der Skizze eines bewegten Kubenmannes eingeklebt.

vergleichbar der bewegten Frau Nr. 277.125, fol. 136v39 dem bewegten Mann Nr. 277.123, folgen also Dürers Vor­ liebe für gegensinnige Operationen (Abb. 16, 17). Beide Figuren dürften zum Planungsmaterial des IV. Buches ge­ hören. Auf Windungen, Drehungen etc., die er in abstracto durchdekliniert hatte, wurde hier wohl aus vermittlungs­ bedingten Gründen verzichtet. Eine Ahnung dessen bietet die Skizze einer leonardesk anmutenden männlichen Figur, deren jeweils gegenläufig gewundene Körperabschnitte – Kopf, Thorax und Unterkörper – (sicher nachträglich) in Pyramidenstümpfe eingeschlossen sind.40

39 Diese Figur, auf gesondertem Papier gezeichnet, ist auf ein grö­ ßeres Blatt mit der Skizze einer weiteren bewegten kubischen Figur geklebt. 40 Dresden, fol. 170r. Bruck, Nr. 115; R III, S. 158; Strauss 1972, Nr. 120.

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15 Dürer, Bewegte männliche Figur von der Seite, von vorn; jeweils recto, dat. 1526; Feder, Tusche; London, British Museum

Die Erfindung des Kubenverfahrens wird von Lomazzo energisch für die lombardische Schule um Bramante in Anspruch genommen, wobei der Name Vincenzo Foppa fällt.41 Dem wird in der Forschung überwiegend zuge­ stimmt, ohne daß es jedoch Dürer abgesprochen werden kann, dieses Verfahren als erster durchdacht und systema­ tisch eingesetzt zu haben. Vor allem ist zu bedenken, daß Dürers ‚Verkubung‘ der menschlichen Gestalt als eine Hilfs­ konstruktion zur Vorstellung ihrer Räumlichkeit zu ver­ stehen ist, deren Parameter ausschließlich vom Flächenpro­ fil der Vorder­ und Seitenansicht gegeben sind – ohne Berücksichtigung der Schnittrundungen. Die intendierte Dreidimensionalität rekurriert lediglich auf die (begradig­ ten) Breiten­ und Tiefenwerte.

Zur bildlichen Konstruktion der Bewegungen bzw. Beugungen seiner Körper­Kuben benutzte er das heute sog. Mehrtafelverfahren, bei dem Normalprojektionen des Raumes auf zwei oder drei Bildebenen vorgenommen wer­ den; erst sehr viel später wurde diese Prozedur zum ein­ schlägigen Verfahren der darstellenden Geometrie.42 Dürers bewegte kubische Figuren, die mit der Publika­ tion des Dresdner Skizzenbuchs 1905 durch Bruck erstmals einem weiteren Publikum bekannt wurden, erregten unter dem Eindruck der kubistischen Kunst großes Interesse, das auch vor Spekulationen zur Modernität des Nürnbergers („Albrecht Dürer – ein Kubist?“)43 nicht halt machte. Da­ bei wurde, übrigens bis heute,44 der systematische Zusam­ menhang dieser Figuren mit Dürers Lektion über die be­

41 Lomazzo/Klein 1974, II, S. 47: Bramante habe die “quadratu­ ra del corpo umano” etabliert,Vincenzo Foppa habe über die „quadratura“ der Glieder von Mensch und Pferd geschrieben; vgl. dazu Panofsky 1915, S. 58.

42 Durch Gaspard Monge (1746­1818): „Géométrie descriptive“, 1798; Monge 1798. 43 Hausenstein 1932; vgl. auch Mende 1971, 8053–8056. 44 Schulz 2007.

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E Katalog und Kommentar

16 Dürer, Skizze und Reinzeichnung einer bewegten kubischen Figur (auf gesondertem Blatt eingeklebt); Dresden, fol. 136v; Feder

17 Dürer, Reinzeichnung einer bewegten kubischen Figur, Körperschnitte von unten und oben gesehen; Dresden, fol. 144r; Feder

wegten Proportionsfiguren in Buch IV und somit die Frage des Zweckes der ‚Verkubungen‘ vernachlässigt. Der Autor schließt sein Werk mit wenigen Sätzen (fol. Z3v),45 in denen er nochmals dessen Nutzen für die proportionsgerechte und perspektivische Wiedergabe von Figuren im Gemälde oder sonstigen Werken betont und den Leser auffordert, sich nicht von der Schwierigkeit des Buches abschrecken zu lassen. Und er kündigt sein vor lan­ ger Zeit geplantes und weit fortgeschrittenes Malerbuch an „so Gott es gibt“, damit die Kunst des Figurenmalens nicht „allein auf der Gewohnheit“ ruhe, sondern „aus richtigen und ordentlichen Grundlagen“, d. h. auf wissenschaftlicher Basis gelernt werden könne.

Nach Ende des IV. Buchs folgt eine editorische Notiz (fol. Z3v), als deren Verfasser zumeist Willibald Pirckhei­ mer angesehen wird. Sie informiert darüber, daß der Autor das erste der vier Bücher vor seinem „schnellen Tod“ noch habe durchsehen können, die drei weiteren habe man „un­ korrigiert“ in den Druck geben müssen. Auch wenn man diese Aussage nicht bezweifeln möchte, zumal sich in den weiteren Büchern Satzfehler und weitere Flüchtigkeiten merklich mehren, so muß man doch gerade in Buch I er­ hebliche Mängel im Seiten­Layout zur Kenntnis nehmen, die mit der Meisterschaft und Sorgfalt, die Dürer ansonsten seinen Druckwerken angedeihen ließ, nicht zu vereinbaren sind. Es scheint, er habe sein Werk doch nicht mehr selbst zu steuern vermocht. Im übrigen wird Dürers eigene abschließende Bemer­ kung zur Fortsetzung seines kunsttheoretischen Werks auf­ genommen, wenn beklagt wird, daß man weiteres „Wun­ derbares, Neuartiges“ etc. zur „Kunst des Malens“ – genannt

45 Diese letzte Passage des Werks ist in der Nürnberger Reinschrift des IV. Buchs nicht enthalten.

4 Buch IV

werden Landschaft, Farbe und eine Perspektivlehre – nun wird entbehren müssen. Das Kolophon (ebd.) nennt die Herausgeberin („Dürers Witwe“), das Jahr und den Tag des Erscheinens („1528, am letzten Tag des Oktobers“) sowie den Drucker Hierony­ mus Formschneider. Dieser, mit eigentlichem Namen Hie­ ronymus Andreä, aus Mergentheim stammend, war seit 1523 Nürnberger Bürger und starb 1556. Für Dürer arbei­ tete er als Holzschneider nachweislich ab 1515, als Drucker Dürer’scher Bücher taucht sein Name erstmals an dieser Stelle auf. Es spricht jedoch einiges dafür, daß er, unter des Autors Aufsicht, auch dessen „Unterweisung“ 1525 und Befestigungsbuch 1527 gedruckt hatte, die beide bereits mit demselben Typenmaterial, der von Neudörffer entworfenen und von Hieronymus geschnittenen sog. Neudörffer­An­ dreä­Fraktur hergestellt waren. Es ist nicht ohne Ironie, daß im Anschluß an den Na­ men des Druckers im Kolophon der Abdruck des kaiser­ lichen Privilegs folgt, dem selbiger offenbar mit Hilfe Se­ bald Behams zuvorkommen wollte. Beide scheinen sich zu einer illegalen Veröffentlichung der Proportionslehre zu­ sammengetan zu haben, die jedoch vom Nürnberger Rat unter Strafandrohung unterbunden worden war.46 Dieser Umstand scheint jedoch die Produktion der autorisierten Ausgabe nicht beeinträchtigt zu haben.

glied des Reichsregiments und als solches mehrfach Statt­ halteramtsverweser.47 Auch Dürers künstlerische Druckwerke, „Apokalypse“, „Marienleben“ und die beiden „Passionen“, waren 1511 mit strafrechtlich bewehrten Nachdruckverboten ausge­ stattet worden.

Buchschmuck 277.145-150 Die Schnörkel Bohatta III, fehlt Giesen XIII, fehlt

277.145: fol. A1r., A3r, A5v, C5r, D1r, O1r, Z4r H 19, B 39 mm

277.146: fol. A1r, A2v, A3r, B3v, C1r, C3r, D1r, D5r H 26, B 43 mm

277.147: fol. A4r

H 25, B 43 mm

277.148: fol. F3r, K3v, O2r, Q2r, R5r, T4v, Z4v, Z5v H 32, B 73 mm

277.149: fol. F6r, Q3v, R1r, R3v, Z3v H 30, B 47 mm

277.150: fol. H3r, O4r, P2r, Q6r, V3r, V5r, Z3v

Das kaiserliche Privileg, gegeben in Speyer am 14. August 1528 (fol. Z4r, Z4v), gewährt der Witwe des Künstlers, Agnes Dürer, für einen Zeitraum von zehn Jahren Schutz vor illegalem Nachdruck (und Verkauf ) des Proportions­ und Perspektivwerks sowie gegebenenfalls weiterer Werke. Zuwiderhandlungen werden mit einer Geldbuße in Höhe von „zehn Mark lötigen Goldes“ bedroht, zahlbar je zur Hälfte an den Fiskus („Kaiserliche Kammer“) und die Ge­ schädigte. Ferner erhält die Witwe das Recht, die illegalen Drucke einziehen zu lassen. Diese Schutzbestimmung („be­ gnadung“), die bereits auf dem Titelblatt der „Unterwei­ sung der Messung“ 1525 angezeigt war, wurde auf deren letztem Blatt jedoch erst für das „nechste büchlein der Pro­ porcion“ angekündigt, wo sie denn auch, wie angesagt, „eyngeleybet“ erscheint. Agnes Dürer muß die seit langem angestrebte Privilegserteilung nach dem Tod ihres Mannes eilends betrieben haben, um unautorisierten Vorabdrucken (wie demjenigen Sebald Behams) während der Druckle­ gung zu begegnen. Unterzeichner des Briefes ist Wolfgang I. von Montfort­Rothenfels (geb. 1489), 1524 bis 1530 Mit­

H 30, B 44 mm In unregelmäßigen Abständen, meist an Buch­ oder Ab­ schnittenden, erscheinen zur Füllung von Leerstellen kalli­ graphische Linienschnörkel in insgesamt sechs verschie­ denen Dessins (die Stempel Nr.277.145, 277.146 wurden bereits im Befestigungsbuch 1527 verwendet, Stempel Nr. 277.147 scheint beschädigt zu sein). Es handelt sich um Übertragung handschriftlich­freihändiger Schreibmeister­ usancen in den Holzschnitt, somit um Vorläufer der Buch­ vignette. Dürers Art war es, in seinen Handschriften, aus­ gehend von einzelnen Buchstaben, gelegentlich derartige Linien als Rankenwerk spielerisch am Rand ausufern zu lassen, wie zum Beispiel in fol. 88 des Nürnberger Konvo­ luts (Abb. 18). Weitaus kompliziertere Linienspiele kennen wir von seinen Randzeichnungen zum Gebetbuch für Kai­ ser Maximilian.48 Separiert von der Schrift und graphisch vereinfacht erscheint dieses Schlingwerk nun als Buch­ schmuck. Die unter dem Titel „Engelsmesse“ bekannte Zeich­ nung in Rennes (W 181) thematisiert exemplarisch in dem von Engeln getragenen, mit vergleichbaren Arabesken be­ schriebenen, sonst aber leeren Blatt („Do schreibt hrein was

46 Ratsverlaß vom 22. Juli 1528; Nürnberg, Staatsarchiv, Ratsver­ lässe 759, fol. 14v, 15r.Thausing 1884, II, S. 324f.; Jaeggli 1966, S. 196f.

47 Vgl. die Porträtmedaille des Grafen, dat. 1530: Habich 1929, S. 62. 48 Über diese Schnörkel, wenn auch spekulativ: Bach 1996, S. 165– 222.

Kaiserliches Privileg

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E Katalog und Kommentar

18 Dürer, Linienschnörkel; Nürnberg, fol. 144r, ca. 1513 (RII, S. 211); Feder

4 Buch IV

ir wollt“) deren leerf lächenfüllende Funktion. Auch dieses von ihm meisterlich freihändig beherrschte Linienspiel suchte Dürer zu rationalisieren, wozu er in der „Unterwei­ sung der Messung“ mechanische Geräte zur Erzeugung von Kurven erfand, so den Zirkel für „Schlangenlinien“ und „Schneckenlinien“: Nr. 274.39, 274.41, 274.42.

Korrekturliste Die „Corrigierung“ am Schluß des Werks (fol. Z6r), die in dieser Form in allen uns bekannten Exemplaren des Buchs erscheint, ist insofern bemerkenswert, als sie der Aussage der editorischen Notiz (fol. Z3v) offensichtlich widerspricht. Dort hieß es, dass der Autor vor seinem Tod noch das I. Buch „übersehen und korrigiert“ habe, während die an­ deren drei Bücher unkorrigiert herausgegangen seien. Die angehängte Corrigendaliste umfasst Daten zu allen vier Büchern bis einschließlich fol. Y; mindestens bis zu diesem Bogen dürfte folglich ein erster Korrekturdruck fürs Lesen ausgeführt und auch gelesen worden sein. Danach muß man die Liste als Anhang für den endgültigen Druck ge­ setzt haben, die selbst als Teil des letzten Bogens (fol. Z) nicht später hinzugefügt worden sein kann. Hinzu kommt indes, daß eine Anzahl der vermerkten Korrekturen, jedoch nicht alle, im vorliegenden Buchdruck bereits berücksichtigt ist, was darauf hindeutet, dass man das Buch nicht bereits in diesem Zustand herausgab, son­ dern eine zusätzliche Satzkorrektur durchführte, die ver­ mutlich aus zeitlichen Gründen unvollständig blieb, sodaß die Liste im Anhang dann doch nicht entbehrlich wurde. Im übrigen fällt auf, dass es sich ausschließlich um Korrek­ turen sprachlicher und schriftlicher Natur handelt. Die zahlreichen, Zahlen und Ziffern betreffenden Fehler und Widersprüche zwischen Schrift und Bild sind in keinem Fall berücksichtigt, was die Annahme nahe legt, dass fach­ lich und inhaltlich versierte und interessierte Leser nicht beteiligt waren.

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F „Von menschlicher Proportion“: Ablauf und Gliederung

1 Voraussetzungen Dürers Werk „Von menschlicher Proportion“ erschien pos­ thum – herausgegeben von seiner Witwe Agnes – „1528. am letzten tag Octobris“ (fol. Z3v). Die endgültige Druckfas­ sung dürfte zum Jahreswechsel 1527/28 fertig gewesen und damals dem Drucker Hieronymus Andreae (gen. Formschnei­ der) übergeben worden sein. Die erhaltenen Reinschriften, insbesondere diejenigen zum letzten der vier Teilbände, belegen, daß der Autor, der während der Drucklegung ver­ starb, das gesamte Werk fertiggestellt hat. Ob es allerdings vollendet ist, muß offen bleiben. Laut editorischer Notiz, wohl von der Hand Pirckheimers (fol. Z3v), habe der Autor die Korrekturen zum I. Buch vor seinem Tod am 6. April 1528 noch lesen können, die drei weiteren Bücher seien unkorrigiert gedruckt worden, was aber angesichts der Cor­ rigendaliste bezweifelt werden muß. Die Vorarbeiten Dürers reichen etwa zwei Jahrzehnte zurück; wenn man die frühen Proportionsstudien ab etwa 1500 – vielleicht noch davor – hinzurechnet, beschäftigte ihn diese Thematik, die als ein Kapitel eines umfangreichen Malerbuchs geplant war, den übergroßen Teil seiner Schaf­ fensbiographie. Es fällt indes auf, daß die Arbeiten zum Zweck einer separaten Publikation (ab etwa 1513) in eine Zeit fallen, in der das eigentliche künstlerische Werk mit Fragen der Proportion nichts mehr zu tun hatte. Das be­ treffende Figurenstudium hatte eine Eigendynamik angenom­ men, die kaum anders denn mit verselbständigtem Erkennt­ nisinteresse, pädagogischem Impetus, wissenschaftlichem Sendungsbewußtsein und nicht zuletzt mit der Absicht, auch als Autor hervorzutreten, gedeutet werden kann. Des Autors zahlreiche eigene Bekundungen dazu do­ kumentieren einen unbedingten Willen zu einem figuralen Kanon, der – wie er glaubte – den Alten geläufig gewesen,

von den frühen Christen unterdrückt worden1 und der in der Gegenwart erneut zu konstituieren sei. Dabei hatte er im Laufe der Zeit auch die beginnende reformatorische Bilderfeindlichkeit im Blick, der er eine Wiederholung der frühchristlichen Gewalttätigkeit gegen Kunstwerke zu­ traute.2 So beabsichtigte er – in Erinnerung an die eigene leidvolle Suche nach den (der Antike bekannten) Quellen der Schönheit und in humanistischem Vertrauen aufs ge­ schriebene, gedruckte Wort – die infolge künftiger Bilder­ stürme befürchtete neuerliche künstlerische Brache mit einer mustergültigen Buchpublikation bis hin zu einer dereinst vielleicht endgültigen Kunst­Renaissance zu überbrücken. Im publizierten Werk treten derartige Überlegungen zurück; es wird hier – übrigens auch mit nationaler Per­ spektive – zum Ziel des Werks erklärt, daß „die Kunst der Malerei mit der Zeit wieder zu ihrer Vollkommenheit reichen und gelangen möge“ (fol. A2r). Es sei nötig, daß er dieses selbst in die Hand nähme, nachdem die „grossen meister“ – gemeint sind die Italiener – von ihrem in den letzten an­ derthalb Jahrhunderten wieder erworbenen Wissen über die Proportion nichts veröffentlicht hätten. Ja, er möchte diese Meister durch seine Publikation, die er selbst als ge­ ring bezeichnet, zur Preisgabe ihrer bedeutenderen Kennt­ nisse reizen.3 An welche italienischen Zeitgenossen Dürer 1

2 3

„Nun ist woll müglich, daz solche edle pücher seÿen jm an­ fang der kÿrchen fertrügt (unterdrückt) vnd aws getilgt worden vm has der abgöttereÿ willen“. Datierung unsicher, wohl um 1512/13; R II, S. 103. Zum neuerlichen Vorwurf gegen Bilder, der „Abgötterey“ wegen, vgl. vor allem die Widmung zur „Unterweisung der Messung“ (1525), fol.A1v. U.a. R II, S. 144; wohl gegen 1523. In diesem Zusammenhang fällt auch das Wort “widererwaxsung”, die erste Formulierung des späteren Begriffs der Renaissance, deren Beginn Dürer demnach im späten 14. Jahrhundert ansetzte. Allerdings spricht Dürer an anderer Stelle von „zweyhundert jaren“ („Unterwei­ sung der Messung“, fol. A1v). Damit würde man in die Zeit Giottos gelangen.

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F „Von menschlicher Proportion“: Ablauf und Gliederung hierbei dachte, ist unklar. Da theoretische Köpfe von Rang nach Leonardos Tod nicht erkennbar sind, kämen allenfalls Praktiker in Betracht, denen Dürer die fraglichen Kennt­ nisse, wie anfangs Jacopo de’ Barbari, unterstellt haben könnte. Sein Vorbild als Autor scheint jedoch Alberti gewesen zu sein, dessen Name zwar nirgendwo fällt, dessen Schriften zur Malerei und Skulptur in Form von Abschriften er aber zweifellos gekannt, benutzt und wohl auch selbst besessen hat.4 Und der Umstand, daß Albertis Schriften, die ihrer­ seits verlorene Kanontexte der Antike zu ersetzen suchten,5 ungedruckt waren, dürfte den entscheidenden Anstoß ge­ geben haben, das Werk in entsprechender Weise und Inten­ tion selbst in Angriff zu nehmen. Es existieren mehrere Aussagen Dürers über den An­ fang seiner Proportionsstudien, die sich mit einer Ausnah­ me sämtlich in den Widmungsentwürfen an Pirckheimer der ursprünglich für 1523 geplanten Edition befinden.6 Dabei blickt der Autor gleichermaßen zurück wie nach vorn. Zunächst ist da die Rede von Jacopo de Barbari und dessen Weigerung, ihm – Dürer – das Geheimnis der männ­ lichen und weiblichen Figur, „dÿ er aws der mas gemacht hett“, zu offenbaren, deren Kenntnis er diesem venezia­ nischen, zeitweise in Nürnberg lebenden Wander­Künstler unterstellte. Ja, er hätte dessen Wissen, wie er eigens betont, „wen ich’s hett … ims zw eren jn trug pringen“ wollen. Er habe sich darauf zum Selbststudium entschlossen: „nam fur mich den Fitruvium, der schreibt ein wenig von der glid­ mas eins mans. Also aws den zweien obgenanten (de Bar­ bari und Vitruv, Verf.) hab ich dornoch aws eÿgnem furne­ men gesucht“.7 Die Präzisierung der (Lebens­) Zeit, von der Dürer spricht („wÿ woll ich dy selb tzeit jung was“), ist strittig, muß aber wohl recht früh, vielleicht gar bereits um 1495 angesetzt werden.8 Ferner erinnert Dürer in diesem Zusammenhang dar­ an, daß er von Pirckheimer Belehrung darüber begehrt habe, ob es überhaupt entsprechende antike Schriften gäbe, was dieser zwar bejaht, aber mit der Information ergänzt habe, daß diese nicht erhalten seien.9 Der Freund habe ihn dann aufgefordert, die eigenen Studien zur Proportion,

4 Vgl. S. 13, Anm. 5. 5 Zöllner 1990, S. 456ff. 6 R I, S. 101–106. Die “Ausnahme”: Brief Dürers an Pirckheimer aus Venedig, 6. Januar, 1506; ebd. S. 41f. 7 R I, S. 101ff. 8 Vgl. dazu im einzelnen R II, S. 34. 9 Im Entwurf zur Einleitung in das Lehrbuch der Malerei zählt Dürer, gestützt auf Plinius, die Künstler Apelles, Protegenes, Phi­ dias, Praxiteles, Poliklet und Parrhasios auf: „Der etlich haben künstliche pücher beschriben van der molereÿ, aber leider, lei­ der, sÿ sind verloren“. Um 1508/09; R II, S. 100.

also „das ans licht [zu] geben, das jch machte“, mithin letzt­ lich das am Ende vorgelegte Werk in Angriff zu nehmen.10 Dürers Planungen für ein Lehrbuch der Malerei, in dem die Proportionslehre eines unter mehreren Kapiteln hätte abgeben sollen, lassen sich bis in die Zeit um 1508 datieren, wie der Entwurf zu einer Vorrede sowie mehrere Inhalts­ angaben für das geplante Werk bezeugen.11 Er verfolgte diese Idee – mit besonderem Nachdruck ab 1511 – bis ins Jahr 1513, als er vom Gesamtplan abrückte, um zunächst ein gesondertes Werk über die Proportion des Menschen ins Auge zu fassen. In den anschließenden Jahren häuft sich das erhaltene Studienmaterial merklich, darunter auch Reinschriften. Aber erst nach der Rückkehr aus den Nie­ derlanden 1521 bereitete Dürer die Drucklegung vor, die für das Jahr 1523 vorgesehen wurde. Kurzfristig ließ er je­ doch die Veröffentlichung fallen und zog, wie er selbst mit­ teilt, aus didaktischen Gründen den Druck der „Unterwei­ sung der Messung“ vor.12 Er scheint auch hier dem Vorbild Albertis gefolgt zu sein, der den 1. Abschnitt seines dreitei­ ligen Buchs „De Pictura“ mit dem Titulus „rudimenta“ expressis verbis als eine mathematische Vorschule der Ma­ lerei verstand; mit derselben Begründung schob Dürer denn die „Unterweisung“, sein Lehrbuch der Geometrie, vor die künstlerische Lektion. Nachdem diese 1525 erschie­ nen war, überarbeitete er nochmals das bis dato zumindest in wesentlichen Teilen fertiggestellte und durchgesehene Manuskript der Proportionslehre und gab diese endgültig in Druck.

10 R I, S. 105. 11 R II, S. 91–96. 12 In der Widmung an Pirckheimer, fol.A2v.

2 Geometrische Methode

2 Geometrische Methode Die erste Etappe von Dürers Proportionsstudien und ihre Bezüge zur antiken, zur mittelalterlichen und zur zeitge­ nössischen, zumal italienischen Kunstlehre müssen hier – nach Panofskys, Giesens u. a. Vorgang – nicht näher be­ leuchtet werden. Diese Studien waren dem der Renaissance so wichtigen Problem der Schönheit – das ist vorrangig die menschliche Schönheit13 – gewidmet. Da dieses Problem schlechterdings nicht mit bloßer Naturerforschung, auch nicht unter Anwendung des vielzitierten Selektionsmodells,14 zu lösen war, griff Dürer, völlig im Einklang mit seiner Epoche, zu einem spekulativ­metaphysischen Ansatz, dem Prinzip der Harmonie (oder auch Symmetrie – diese da­ mals von weit umfassenderem Verständnis als heute)15, als deren Ursache die richtige Proportion angesehen wurde, für die man wiederum in der Geometrie (und Musik) ori­ ginäre Parameter zu besitzen glaubte. Wir haben aus dieser Früh­Zeit keine theoretischen schriftlichen Verlautbarungen, dafür einiges Studienmate­ rial, vor allem aber zahlreiche Zeichnungen,16 die belegen, daß Dürer damals einem spekulativen Begriff unbedingter Schönheit angehangen hat, den er – gänzlich unempirisch – nicht anders als mit dem Instrumentarium der Geometrie sichtbar machen zu können glaubte. Es sind die notorisch idealen, weil regelmäßigen Figuren etwa des Kreises, des Dreiecks und Quadrats, die der menschlichen Gestalt ein­ geschrieben werden, um diese in ihrer kosmologischen Qualitas erscheinen zu lassen. Diese Bemühungen um die schöne menschliche Figur gipfeln im Kupferstich „Adam und Eva“ von 1504,17 dessen Gestalten nach mehr oder minder klassischen, zugleich bewegten Vorbildern – unter Benutzung des vitruvischen Kanons – mittels „Zirkel und

13 Allerdings hatte Dürer auch an der Proportion des Pferdes gear­ beitet. Bei allen übrigen Lebewesen ging es ihm, wie allenthal­ ben zu sehen, nicht um Gesetzmäßigkeiten, sondern um Maxi­ mierung der Naturnachahmung. 14 Gemeint ist die in der Renaissance, auch von Dürer, ständig zitierte Künstlerlegende, derzufolge der Maler Zeuxis aus ei­ ner Auswahl der schönsten Jungfrauen von Kroton in summa eine allerschönste Frau (Helena) komponiert habe, am ausführ­ lichsten bei Cicero („er glaubte nämlich nicht, alles, was er an Liebreiz suche, an einem einzigen Körper finden zu können“); Cicero, De inventione, II, 1, 1–3; vgl. Cicero/Nüßlein 1998, S. 164/165f. Vgl. S. 311,Anm. 44. 15 In Camerarius’ lat. Übersetzung des Werks wird „Proportion“ denn auch zu „symmetria“. 16 Auflistung dieser etwa zwischen 1501 und 1506 datierbaren bzw. datierten Zeichnungen: R II, S. 37f. Das nicht sehr um­ fängliche schriftliche Studienmaterial zur geometrischen Me­ thode bei R II, S. 24 –54. 17 Dürer/Druckgraphik 1, Nr. 39.

Richtscheit“ konstruiert sind. Es liegt in der Natur der Sache, daß hier bei Mann und Weib jeweils nur ein Typus in Frage kommt. Die geometrische Methode läßt jedoch auch Berüh­ rungen mit der mittelalterlichen Werkstattpraxis erkennen, wo man Dreiecke, Kreise, Quadrate, Rauten aber auch Pen­ tagramme als hilfreiche Schemata zur Konstruktion kom­ plexerer zumeist figürlicher Motive benutzte, so etwa im bekannten Musterbuch des Villard d‘Honnecourt. Diese Phase endet während oder bald nach dem zweiten Venedig­Aufenthalt – sichtbar an den Figuren Adams und Evas in der Madrider Gemäldefassung von 1507,18 bei denen nicht nur das klassische Körper­Design, sondern auch der vitruvische Maßstab in Frage gestellt sind.

18 Anzelewsky 1971, Nr. 103, 104.

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F „Von menschlicher Proportion“: Ablauf und Gliederung

3 Arithmetische Methode I Um dieselbe Zeit erkennen wir Versuche, unter Aufgabe des Strebens nach dem Ideal auf anderem Weg das Ziel guter Proportion zu erreichen, nun nicht mehr geometrisch begründet, sondern aufgrund eines arithmetischen Proce­ deres. Man erkennt den Wandel sogleich an einem neuen Figurenmuster. Die bewegte kontrapostische Haltung, die für künstlerische Zwecke nutzbar war (vgl. Apollo, Adam und Eva), ist aufgegeben, stattdessen erscheinen stocksteif stehende Figuren, strikt frontal, bald auch im Profil und rücklings. Dürer räumt selbst ein: „Denn die Figuren taugten so gestreckt, wie sie vorn dargestellt sind, nicht für die Pra­ xis, und sie wären unschön anzuschauen“ (fol. V1r). Einziger Zweck dieser Figuren ist es, für das Richtscheit respektive die speziellen Meßgeräte tauglich zu sein, mit denen nun Längen­, Breiten­ und Tiefenmaße als Teile der Gesamt­ länge einer Figur gemessen werden. In einigen Zeichnungen des sog. Dresdner Skizzenbuchs ist der Methodenwechsel klar zu verfolgen: In fol. 132r tritt ein solcher „gestrackter“ Mann auf,19 von diversen hori­ zontalen Linien durchschnitten, deren einige links von f la­ chen Bögen oder Klammern unterschiedlicher Spannweite zusammengefaßt sind (Abb. 19). Dort erscheinen Ziffern: 2, 4, 6, 8, 10 usw., mit denen die Größe der jeweils be­ zeichneten Strecke (Vertikalabstand) als Teil der gesamten Figurengröße benannt ist, also 1/2, 1/4, 1/6 usw. des Gan­ zen (solche Ziffern 10, 12, 14, 16 usw. sind auch in den Körper geschrieben, wo sie die Breitenmaße angeben: 1/10, 1/12, 1/14 usw.): Die neue arithmetische Methode. Unab­ hängig davon erkennt man zusätzlich drei Kreise zur Defi­ nition des Kopfes, des Ober­ und des Unterkörpers, ferner ein gleichschenkliges Dreieck zur Bemessung der Brust: Relikte der geometrischen Methode. Was hier versuchsweise zusammengeführt wird, erweist sich rasch als widersprüchlich und gänzlich unvereinbar. Während mit der geometrischen Methode unorganische Formen aufgrund ihrer metaphysischen Dignität (vielleicht, wie gesagt, auch in der handwerklichen Tradition konstruk­ tiver Hilfsmittel) als Bausteine des menschlichen Organis­ mus verwendet werden, stehen die Zahlenwerte für – letzt­ lich – natürliche Dimensionen, „letztlich“, weil zunächst auch die mit Zahlen operierenden Modulsysteme, etwa das vitruvische, einen Hang für apriorische Gesetzmäßigkeiten verraten, immer erkennbar an einfachen ‚großkalibrigen‘ Meßzahlen (Vitruv: Brustbreite: 1/4, Fußlänge: 1/6, Kopf­ höhe: 1/8 usw.). Grundsätzlich aber ist es den Zahlen – so

19 Um 1507/08 datierbar, Dresden, fol. 132r; Bruck, Nr. 52; R II, S. 165; Strauss 1972, Nr. 12.

19 Dürer, Mann von acht Kopf längen, nach geometrischer und arithmetischer Methode; Dresden, fol. 132r; Feder

sie klein und differenziert genug sind – zueigen, eine neu­ trale Skala für Messungen zu sein. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Verfahren besteht darin, daß die geometrische Form (vor allem im Falle des Zirkels) die Umrißlinien – auf die Fläche be­ schränkt – mitbestimmt, während die Zahlen des Körpers Längen, Breiten und Tiefen nur punktuell festlegen und so dem Künstler nicht nur weitgehende Freiheit des Umrisses („Gestaltlinien“) lassen, worauf Dürer größten Wert legt, sondern auch die dritte Dimension an die Hand geben. Dürer entschied sich rasch und endgültig für das Re­ gime der Zahlen in Form von Bruchteilen, das er fortan als „Messen“ bezeichnete, und verabschiedete sich damit klaren Bewußtseins von der idealen Schönheitssuche zugunsten einer anscheinend empirischen Perspektive. Mit seiner Ent­ scheidung, bei der „Messung“ einer Figur in Bruchteilen eines Ganzen zu operieren, stellte er sich zugleich in eine

4 Arithmetische Methode II

Tradition, die durch Vitruv, Alberti und Leonardo da Vinci, wenn auch jeweils in anderer Weise, vorgegeben war. Die Messung selbst basiert auf dem von ihm sogenann­ ten „Teiler“ (fol. A3r), worunter er ein Instrument, eine Art Lineal, zur Bestimmung von Bruch­Teilen eines Ganzen, d. h. einer vorgegebenen Figurenlänge (= 1/1) versteht. Zur Demonstration seines neuen Verfahrens wählte er für Buch I eine auffällig grobskalierte Figurenfolge von Män­ nern und Frauen, die zwischen sieben und zehn ihrer Häupter lang sind. Sie beginnt mit einem dicken „bäu­ rischen“ Paar und endet mit einer überschlanken Konfigu­ ration. Dürer greift also auf das Vitruv’sche Kopfmodul zu­ rück (das dieser jedoch auf das Achtfache beschränkte), anstatt die in Italien geläufigere Gesichtshöhe (Kinn bis Haaransatz), bei Vitruv ein Neben­Wert, als Einheit zu wählen. Umfangreiche Vorarbeiten unter dem Signum des „Tei­ lers“, bestehend aus Texten, Zahlenkolonnen und schema­ tischen Zeichnungen von Mann und Frau (und Kind), sind erhalten; sie waren zunächst gedacht für ein Proportions­ kapitel im geplanten Malerbuch, das um 1513 zurückgestellt wurde, sodann für die gesonderte, fürs Jahr 1523 geplante Publikation. Diese wurde dann bekanntlich zugunsten der „Unterweisung der Messung“, die 1525 erschien, auf das Jahr 1528 vertagt.20 Das Meßverfahren mit dem „Teiler“ mündet nach zwei Jahrzehnten der Vorbereitung und Er­ probung in Buch I der gedruckten Ausgabe von 1528.

20 Das betreffende Studienmaterial bei R II, S. 151–351. Rein­ schriften: R III, S. 19–46. Reinschrift (1523) R III, S. 163–219.

4 Arithmetische Methode II Ursprünglich sollte die Messung der menschlichen Propor­ tion auf das eine Verfahren mit dem „Teiler“ beschränkt sein; doch kurzfristig schob Dürer – bereits für das Projekt von 1523 – eine zweite Methode nach, die er „Meßstab“ nannte.21 Diese beruht weitgehend auf Albertis Methode der Hexempeda,22 einem auf der Sechstelung eines Körpers ‚fußenden‘, dezimal abgestuften Modulverfahren,23 das Dürer wohl gegen 1513/15 kennen gelernt hatte, wie eini­ ge Manuskriptblätter belegen.24 Auch der „Meßstab“, er entspricht Albertis „pes“, ist letztlich vom Fuß abgeleitet, dessen Sechsfaches nach Vitruv die Länge eines Menschen abgibt. Er hat zwar dieselbe Funktion wie der „Teiler“, mißt aber die Abschnitte einer gegebenen Länge nicht als deren Teil, sondern als Vielfaches eines aus dieser Länge abgeleiteten Moduls, also nicht in Bruchteilen, sondern in natürlichen Zahlen – nach Art eines Lineals, dessen Mar­ kierung so fein ist (minimal: 1/300 des „Meßstabs“), daß beliebig genaue bzw. minutiöse Messungen möglich sind. Auch dieses gleichfalls dreidimensional eingesetzte Meßverfahren erfordert die stramm stehende, künstlerisch untaugliche Figur. Die Messung nach der „Meßstab“­Me­ thode hat acht männliche und zehn weibliche – jetzt im Gegensatz zu Buch I metrisch hochdifferenzierte – Model­ le zum Gegenstand.

21 Das Studienmaterial und die Reinschriften hierzu bei R III, S. 47–117. 22 Griech.­lat. Kunstwort: enÇ (hex) = sechs, pes / pedes = Fuß / Füße), also etwa: Sechsfuß. 23 In Albertis Schrift „De Statua“; verfaßt wahrscheinlich um 1434/1435, Erstdruck (er erfolgte in deutscher Übersetzung), Nürnberg 1547.Alberti/Bätschmann 2000, S. 141–191. 24 Z. B. R II, S. 430.

335

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F „Von menschlicher Proportion“: Ablauf und Gliederung

5 Die Veränderungen

6 Die Biegungen und Bewegungen

Buch III zeigt Möglichkeiten zur Veränderung der in den vorigen Büchern erarbeiteten Figuren auf und stellt das dazu erforderliche geometrische Instrumentarium zur Ver­ fügung. Mit diesem lassen sich sowohl proportionale wie disproportionale Veränderungen – bis hin zu offenkundi­ gen Verzerrungen – bewerkstelligen. Besondere Beachtung ist der Variation der menschlichen Köpfe geschenkt. Die an den Benutzer gerichtete Aufforderung zur „Verkehrung“ vorgegebener Proportionen bekräftigt erneut die Abkehr von der Suche nach der Schönheit und stärkt zugleich die Freiheit des Künstlers bei der Schaffung seiner Figuren – jedoch nur, wie Dürer wiederholt betont, im Rahmen des­ sen, was die Natur erlaubt.25 Den Abschluß dieses Buches bildet der sog. Ästhetische Exkurs, in dem der Autor seine kunsttheoretischen Grund­ sätze vorträgt. Die Wahl dieses Ortes für den „Exkurs“ zeigt die Bedeutung, die der Variation und dem Varianten­ reichtum der menschlichen Figur vor ihrer normativen Festlegung eingeräumt wird. Vermutlich reichen Dürers Studien zu den Verände­ rungen in die Planungszeit zum Lehrbuch der Malerei, also etwa bis 1512/13, zurück.26

Buch IV behandelt die Biegungen des menschlichen Kör­ pers als Grundlegung für die proportionsgerechte Darstel­ lung bewegter Figuren. Dürers Überlegungen dazu scheinen bis in die Zeit seines Schwenks zur Arithmetik zurückzu­ gehen, denn bereits frühe Modelle nach der ersten Messungs­ methode weisen die Markierung von Biegestellen auf (Buch­ staben, Ringlein, Kleeblätter u. a.), die er mit gewissen Änderungen fortan beibehielt. Mehrere Blätter des Dresdner Skizzenbuchs belegen den genuinen gedanklichen Zusammenhang zwischen der steif stehenden arithmetisch begründeten Proportionsfigur und dem künstlerischen Bedürfnis, diese in ‚Bewegung‘ zu versetzen und überhaupt anwendbar zu machen. Das ist zum Beispiel in fol. 151r, 1507 datiert, der Fall, 27 wo das Profil­ schema einer stehenden Frau von acht Kopf längen freihän­ dig in eine gebeugt sitzende Situation gebracht ist (Abb. 20). Hier zeigt sich, daß Dürer die damit einhergehende Ver­ schiebung des körperlichen ‚Weichbildes‘ (etwa des Busens und Bauchs) sehr wohl im Blick hatte.28 Derartige anato­ mische Konsequenzen der Bewegung sind in den Illustra­ tionen des Buchs IV allerdings strikt vermieden, wo aus­ schließlich die mechanische Komponente der Bewegung zum Tragen kommt. Mit dieser Einschränkung bietet Buch IV neue, mit Bewegungsposen ausgestattete Figurenbilder, die, insofern sie zusätzlich jeweils im rechten Winkel zur Bildebene gedreht erscheinen, überraschende Effekte ver­ mitteln. Dieses Buch schließt mit den stereometrischen ‚Verpa­ ckungen‘ der menschlichen Figur und ihrer Körperabschnit­ te, die – wieder im Rahmen des Natürlichen – nach Belie­ ben zu drehen und zu wenden sind, um den möglichen Bedarf an konstruktiv abstrakt ermittelten Bewegungsele­ menten zu decken.29 Dürer versteht diese mittels eines (wohl von ihm erfundenen) hochkomplizierten Verfahrens darstellender Geometrie geübte Lektion als Vorbereitung zur Anwendung der Perspektive auf menschliche Figuren, die an deren natürlicher Oberf läche zum Scheitern verur­ teilt wäre.

25 Doch er räumt sogar in Ausnahmefällen einen Dispens von die­ sem Postulat ein, so etwa im „Ästhetischen Exkurs“: „Es sei denn der Fall, daß jemand mit besonderem Fleiß ungestalte Dinge produzieren wollte“, fol.T2r. 26 Das Studienmaterial zu dieser Thematik bei R II, S. 395–499.

27 Dresden, fol. 151; Bruck, Nr. 86; R II, S. 231; Strauss 1972, Nr. 16. 28 Noch weitergehend in Dresden, fol.145r, wo das Profilschema einer dicken Frau (verkleinert) in ein genreartiges Bademotiv übertragen ist: Bruck, Nr. 76; R II, S. 233; Strauss 1972, Nr. 17. 29 Studienmaterial R III, S. 118–160; Reinschrift ebd., S. 161–162; Druckvorlage ebd., S. 249–266.

7 Charakteristisches

7 Charakteristisches

20 Dürer, Frau von acht Kopf längen, dieselbe Frau sitzend, freihändig gezeichnet; Dresden, fol. 151r; Feder

Die beiden arithmetischen Meßverfahren stützen sich be­ kanntlich weitgehend auf italienische Vorbilder, besonders Alberti und Leonardo da Vinci.30 Neu und singulär ist je­ doch, daß anstelle eines einzigen Idealtypus‘, den man sich als Mann dachte, auch die Frau einbezogen ist.31 Letztes war für Dürer, wie der Modellcharakter des früheren Adam & Eva­Projektes bezeugt, längst eine Selbstverständlich­ keit. In beiden Büchern zusammen sind dreizehn männ­ liche und fünfzehn weibliche Figuren sowie ein Kind ge­ messen.32 Die Vielheit der figürlichen Möglichkeiten zeigt sich nicht nur in den publizierten 28 Modell­Figuren, sondern bereits in der schieren Menge der zum Zweck des Propor­ tionsstudiums gefertigten Zeichnungen: Es haben sich mehrere hundert Aufrisse der Vorder­, Rück­ und Seiten­ ansichten von Mann und Weib erhalten,33 gespickt mit durchweg unterschiedlichen Zahlen und Daten. 34 Für diese Risse hat Dürer – seine Arbeit weitsichtig rationalisierend – von Anfang an ein nahezu einheitliches Figuren­Format (ca. 21,8 cm) gewählt, das in die Holzschnitte der gedruck­ ten Fassung übernommen ist. Auch die Darstellungsweise der Messung entlang einer Vertikalen in Körperlänge, die horizontal von den Meßebenen geschnitten wird, auf de­ nen ihrerseits wiederum die betreffenden Breiten und Tie­ fen angezeigt sind, ist frühzeitig formalisiert und bis in den Druck beibehalten worden. So hat Dürer die für seine Proportionsstudien unver­ zichtbare Vorarbeit mit Stift und Feder gleichsam ins fer­ tige Werk prolongiert, das mit seinen elaborierten und überaus akkuraten Illustrationen nicht nur erstmals die be­ treffende Materie bebildert, sondern einen Meilenstein in der Entwicklung des illustrierten ‚Sachbuchs‘ darstellt. 30 Vgl. vor allem Panofsky 1915 und Panofsky 1921 sowie Giesen 1930 (mit Abdruck zahlreicher Referenzstellen). 31 Der weiblichen Proportion eigens gewidmete (literarische) Betrachtung über Frauenschönheit im übrigen erst bei Agnolo Firenzuola, Dialogo delle bellezze delle donne, Florenz 1548, verfaßt 1540; hier wird der Frau die siebeneinhalbfache Kopf­ länge zugemessen; Firenzuola/Seliger 1913, S. 33–37. 32 Auch die Proportion des Kindes ist neu.Allerdings stellte Pom­ ponius Gauricus in „De Sculptura“ 1504 eine solche für die Zukunft in Aussicht; Gauricus/Brockhaus 1886, S. 132/133. Leonardo charakterisierte Kinder im Detail, ohne Daten zu nennen; Leonardo/Ludwig 1882, I, Nr. 264–266. 33 Gesammelt und versuchsweise sortiert und datiert in Strauss/ Drawings 5. 34 Vgl.Winterberg 1903,der sämtliche Zahlen sämtlicher im Druck vorgestellten 28 Figuren sowohl nach Bruchteilen (1. Methode) wie nach „Teilen“ (= 1/600, 2. Methode) tabellarisch aufgelis­ tet und damit vergleichbar zu machen versucht hat.

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G Die „Messung“: Fragen und Antworten

1 Die Meßtechniken Dürer erläutert an keiner Stelle die Modalitäten, unter de­ nen die zahlreichen Risse und ungezählten Daten zustande gekommen sind, deren Kenntnis jedoch eine Vorbedin­ gung zur Diskussion seines meist als empirisch gedeuteten Proportionskonzeptes ist. Wir sind deshalb darauf angewie­ sen, mit einer genauen Sichtung dessen, was Dürer „mes­ sen“ nennt, selbst Antworten zu finden. Zweifellos stand Dürer einem empirischen Ansatz nahe, und nackte Menschen nach der Natur hatte er längst vor Beginn seiner Proportionsstudien gezeichnet, warum sollte er sie jetzt nicht ‚nach der Natur‘ vermessen haben? Es gibt einige Aussagen, die in der Tat meistens in dem Sinne gele­ sen werden, als habe er Reihenuntersuchungen an Dutzen­ den, wenn nicht Hunderten männlichen und weiblichen Modellen vorgenommen – etwa: „Um zu guten [Körper­] Maßen zu gelangen und dadurch die Schönheit eines [Kör­ per­]Teils in unser Werk zu bringen, scheint es mir am zweckmäßigsten, von vielen lebenden Menschen die Maße zu nehmen. Aber such Leute dazu, die da hübsch geachtet sind, und derart mach mit allem Fleiß ab“. So kam bereits bei den Zeitgenossen die Legende auf, Dürer habe, wie die antiken Maler Zeuxis und Apelles, die Schönen seiner Stadt nackt inspizieren können. Doch allein schon die offenkun­





Im Ästhetischen Exkurs, fol. Tr. Es handelt sich indes um ein freies Zitat nach Alberti, das bezeichnenderweise von einer Aussage in der ersten Person, bei Alberti, in eine Anrede einer zweiten Person, des Lesers, umgewandelt wurde, zudem eine Paraphrase der genannten Zeuxis­Legende; vgl. De Statua 7; Alberti/Bätschmann 000, S. 6/69 sowie Anm. , S. . So Melanchthon – mit Blick auf Apelles, der 0 schönste Jung­ frauen für ein Bild der Venus zu Modellen gehabt habe: „Simi­ liter fecit Durerus, honestus vir, pictor Norinbergensis, cui gratificatae sunt honestissimae matronae et virgines“ (So tat es auch der ehrenhafte Dürer, Maler in Nürnberg, dem die ehren­ haftesten Frauen und Jungfrauen gefällig sind). R I, S. 7.

dige literarische Rahmung läßt diese Aussage nicht beson­ ders glaubwürdig erscheinen. Die Bedenken verstärken sich bei einer genaueren Be­ trachtung der potentiellen Meßtechnik und der – dabei? – zustande gekommenen Daten, vor allem was deren Quan­ tität und Qualität betrifft. Schauen wir uns zunächst die aus Dürers Angaben zu folgernden Modalitäten des „Mes­ sens“ nach den beiden angewendeten Methoden an. . Der „Teiler“, den Dürer unter Nr. 77. abbildet, umfaßt die Länge der zu messenden Figur. Er versteht ihn auf „fünfzig oder hundert Teile“ unterteilt, wobei der kleinste von ihm de facto mitgeteilte Wert /0 beträgt. Auffällig ist die Bevorzugung von Stammbrüchen (Zähler = ), Brü­ che mit dem Zähler  sind in der Minderheit, die Zähler  und  treten nur je einmal auf. Differenziertere Maßanga­ ben erscheinen als Addition zweier Brüche mit verschie­ denem Nenner, was vom Autor mit dem Zweck größtmög­ licher Genauigkeit begründet wird. So werden größere Nennerwerte vermieden, es heißt also z. B. /0 + / statt /0. Man müßte allerdings dabei die betreffende zu messende Strecke ein­ oder zweimal zwischenmarkie­ ren, um sie mit der jeweils anderen Bruchstelle des „Tei­ lers“, also gestückelt, abzugreifen. Im übrigen benötigte man für jedes zu messende Modell, soweit deren Längen nicht identisch wären, ein je eigenes Instrument. . Der „Meßstab“, der /6 der Höhe einer Figur ausmacht und seinerseits in 0 „Zall“, 00 „Teil“ und 00 „Trüm­ lein“ unterteilt wird, bleibt jedoch gegenüber dem „Teiler“, den Dürer immerhin schematisch illustriert hat (Nr. 77.) im Dunklen. Man könnte ihn sich wohl als ein Lineal mit 



Der abgebildete „Teiler“ (Nr. 77.) zählt, wohl aus Gründen der Übersichtlichkeit, nur von / bis /0. In der Reinschrift von  (Dresden, fol. 7v) hatte Dürer die Illustration des „Teilers“ noch in der Skalierung von / bis /0 vorgesehen; R III,Abb. 9. An der Figur Nr. 77..

0

G Die „Messung“: Fragen und Antworten Einteilungen im Dezimalsystem (abgesehen von den „trüm­ lein“) denken, dessen Länge (und Maßstab) allerdings – ebenso wie der „Teiler“ – von der Länge der zu messenden Figur abhängig wäre. Dieses Lineal müßte also ebenfalls für jede Körperlänge eigens neu gefertigt werden.

 „Klafter von St. Lorenz“, Maßeinheit für Nürnberger Grabsteine; Nürnberg, St. Lorenz

Dabei hatte Alberti, von dem Dürer zweifelsfrei das Ver­ fahren übernommen hat, eine detaillierte Beschreibung seiner Hexempeda mitgeteilt. Der Italiener spricht denn auch von einem Lineal oder einer Latte („lignea“) in der Länge der zu messenden Figur, worauf 6 Fuß, 60 Zoll und 600 Minuten eingetragen seien, damit würde man auf­ rechte Figuren messen. Für die horizontalen Daten bietet er ein gleichermaßen unterteiltes, wenn auch naturgemäß kürzeres Winkelmaß an, mit dem man unter Beteiligung eines zweiten Winkels – nach Art und Weise einer Schub­ lehre – die gewünschten Distanzen in der Breite und Tiefe abgreifen könne. Alberti läßt keinen Zweifel, daß er mit diesen beiden, ursprünglich für das Kopieren von Statuen geschaffenen Instrumenten lebende Menschen vermessen hat. In der Tat würde die geschilderte Technik dieses – wie exakt auch immer – erlauben, und seine anschließend vorgelegte Ta­ belle der Maße eines Menschen scheint dieses auch zu be­ stätigen. Denn Alberti mißt sämtliche Körperlängen stets von der Fußsohle aufwärts, was naheliegend ist, wenn man die Hexempeda neben dem Probanden senkrecht auf­ pf lanzt. Der Dürer’sche „Meßstab“ umfaßt dagegen nur /6 der zu messenden Länge, er kann also, außer auf dem Boden, wo er dann bis zur Wade reichen würde, nirgends sicher aufgesetzt werden.6 Dürer mißt allerdings nicht von der Sohle aufwärts, sondern immer abwärts, dieses jedoch wie­ derum nicht, wie Alberti, stets in einem Zuge, sondern in fünf Etappen (Scheitel, Halsgrube, Taille, „Endt des hin­ dern“, Kniemitte), wobei es nirgendwo einen Meßanschlag gäbe.7 Auch die Breitenmaße würde der „Meßstab“ nicht ohne weiteres meistern, denn diese überragen ihn im Be­ reich des Rumpfes bei den meisten Figuren an den meisten Stellen. Hier müßte man mit einem zweiten „Meßstab“ zu Hilfe kommen und komplizierte Anstückungen vorneh­ men.  6

7

De Statua, 7–9; Alberti/Bätschmann, S. / –/. Wieso Dürer in diesem für die Praxis entscheidenden Sach­ verhalt von Alberti abweicht, ist nicht erklärlich, zumal er den der Hexempeda verwandten „Klafter von St. Lorenz“, eingeteilt in sechs Nürnberger Werkschuh, täglich an der Kirchenfassade sehen konnte, – der noch dazu als Normmaß für die Grablänge diente und damit in etwa die Länge eines erwachsenen Men­ schen repräsentierte: 6 x 7. cm = 67,0 cm (Abb. ). Das gilt auch schon für die erste Methode.

1 Die Meßtechniken

Nach alledem wächst der Zweifel an der Praxistauglich­ keit von „Teiler“ und „Meßstab“, die wir denn wohl eher als rein arithmetische denn praktische Operationen zu ver­ stehen haben. Kritisch hinzu kommt die Aussagekraft der Meßdaten, zunächst deren pure Menge: Eine jede der 9 Fi­ guren des gedruckten Buchs weist zwischen etwa 90 und etwa 00 Meßeinträge auf; gemittelt gibt das eine Summe von ca. .70 Einträgen, deren eine jede irgendwie (mit „Teiler“?, „Meßstab“?) gemessen sein will. Und wenn wir die – nahezu durchweg untereinander differierenden – Daten in den erhaltenen Manuskripten hinzuzählen, ver­ mehrt sich deren Menge überschlägig ins Fünfstellige. Wie denn die quantitative Dimension der Messungen alle Vorstellungen sprengt, so führt auch ihre qualitative Seite rasch an die Grenzen des Nachvollziehbaren. Das be­ trifft zuerst die Meßstellen des potentiellen Modells vor allem in der Vertikalen. Die minutiöse Bestimmung der Längenabschnitte des Körpers gleichsam in Millimeter­ schritten suggeriert eine Exaktheit, welche die Topogra­ phie des menschlichen Körpers bei den weitaus meisten Meß­Positionen gar nicht hergibt. Die in den Einträgen ausgedrückte Meßpräzision bewegt sich bei angenommener Lebensgröße nach der „Teiler“­Methode im engen Milli­ meter­Bereich und unterschreitet nach der „Meßstab“­ Methode die Millimeter­Grenze alsbald. Da die Meßdaten aufgrund kleinster Einheiten nicht die Ausnahme sondern die Regel im Proportions­Oeuvre sind, dem gedruckten wie dem ungedruckten, wird man ebenso regelmäßig kon­ krete Meßvorgänge am lebenden Modell in Frage stelle können. Nach alledem brauchen wir wohl die in der Dürer­ Literatur nach wie vor umgängige Auffassung, der Meister habe seine Erhebungen an zahlreichen, ja Hunderten le­ bender Modelle gewonnen,9 nicht näher zu beleuchten. Es reicht, sich klar zu machen, daß die meisten Meßpunkte in den normalerweise bekleideten Körperzonen gelegen und daß die betreffenden Meßdaten durchweg in Millimeter­ schritten kalibriert sind, wobei gerade der Intimbereich be­ sonders dicht dokumentiert wird, so dicht, daß der Setzer des Buchs aus Raumnot hier gelegentlich zu einem klei­ neren Typengrad greifen mußte.0 Es dürfte auch heute

 Alberti, der seine Meßmethode einleuchtend beschreibt, kommt gerade einmal auf  Einträge (die er allerdings als mittleren Querschnitt einer Auswahl sehr vieler Körper ausgibt). 9 So zuletzt noch Oskar Bätschmann: Alberti/Bätschmann 000, S. ; ferner: London 00, Nr. 7. 0 Dritte Frau (Nr. 77.) in Buch II: „End des bauch, Spaltung des weybs, Endt der scham, Endt des hindern“; die oberste und die unterste dieser vier Ebenen liegen bei Lebensgröße etwa 9 cm auseinander.

noch kein Leichtes sein, auf seriösem Wege in großem Um­ fang an derartiges Zahlenmaterial zu gelangen. Zu der irrigen Einschätzung von Dürers Meßtätigkeit hat das ständig von ihm wiederholte Verb „messen“ nicht unwesentlich beigetragen („will ich einen anderen Mann messen“, „meß ich die Länge der Glieder“), das hier nicht meint, ein Maß zu nehmen, abzumessen, sondern, nach Maß zuzuteilen, zuzumessen, was übrigens nach Grimms Wörter­ buch die ursprüngliche Wortbedeutung von messen ist.

 Pomponius Gauricus berührt dieses Thema kurz: Er wolle sich nicht darum kümmern, wie man die männlichen und weib­ lichen Genitalien ausmesse, zumal diese „immer, außer bei Kindern, den Blicken ehrbarlich entzogen zu bleiben“ pflegen; Gauricus/Brockhaus 6, S. /.  Wie selbst der Germanist Rupprich mißverstand: z. B. R III, S. f.  Grimm , Sp. . So ist denn auch das Wort „Messung“ im Titel der „Unterweisung“ keineswegs mit ‚Vermessung‘ gleich­ zusetzen, sondern mit Geometrie.





G Die „Messung“: Fragen und Antworten

2 Die Meßvarianten Einen Einblick in Dürers tatsächliche Datengewinnung ver­ spricht indes die Sichtung der sich in den Zahlen darstel­ lenden Varianten. Dürer hatte früh, um , begonnen, seine diversen Proportionsfiguren mit Signaturen zu un­ terscheiden, um die Übersicht nicht zu verlieren. Zunächst bezeichnete er die Vertikalen der drei Körperansichten des Mannes und der Frau von acht Kopf längen oben mit a, un­ ten mit b, Varianten nannte er aa und bb. Es kamen in dieser Funktion und Lage weitere Buchstaben des kleinen und des großen Alphabets hinzu, weitere Doppelbuchstaben, Buch­ stabenverbindungen mit Ziffern sowie allerlei Marken (nach Art von Bauhüttenzeichen), kleine Klee­ und Linden­ blätter. Diese, allerdings nicht durchgehend konsequent ver­ wendeten, Signaturen ermöglichen es wenigstens teilweise, die verschiedenen Figurentypen als solche zu erkennen, zu sortieren und ihre Modifikationen zu verfolgen. Es ergeben sich, soweit man sieht, lediglich kleine und kleinste Veränderungen zwischen den einzelnen Blättern und Stadien eines Typs, die unschwer erkennen lassen, daß es sich dabei nicht um Neuaufnahmen, sondern um Varia­ tionen handelt. Oft wird dieses klar ausgesprochen, zum Beispiel bei jenem Mann von acht Kopf längen auf der Linie dd ee: „Item ich will disen negst for beschriben man awff der linj dd ee noch ein mall machen, aber jn etlichen teilen endern“. Es wird hier etwa ein Drittel der vorigen Einträ­ ge geändert, in der Länge z. B.: „aws der weichen“ (Taille) bis „zw ent des pawchs“ /9 zu /9 (Differenz bei 0 cm: ca. ,0 cm); in der Tiefe z. B.: beim Nabel umgekehrt /9 zu /9; in der Breite z. B.: über „prust vnd axsell“ /9 + / zu / (Differenz: , cm). Im übrigen heißt es: „Sunst bleiben dÿ andern teill all in jren forbeschribnen massen“. Das Ergebnis ist im frontalen Umriß kaum wahrnehmbar: Allenfalls scheint die Gestalt infolge der etwas merklicher verbreiterten Brust eine Spur athletischer geworden zu sein. Dürer scheute sich nicht, dieses Maß­Prozedere offen bis ins gedruckte Buch fortzusetzen. Das ist expressis verbis der Fall beim Übergang des ersten achtköpfigen Paars (Typ B/BI) zum zweiten (Typ C/CI), wo es heißt: „Ich kann diese zwei letzten Figuren auch ändern, wie sogleich folgt, und lasse da­ bei etliche Teile bestehen“ (fol. B6v). Besonders auffällig ist die neuerliche Überarbeitung der bereits von Pirckheimer für die geplante Edition von  redigierten Reinschrift des Buches I, aus der immerhin acht Figuren in den Druck von  einf lossen. Auch sie wurden durchweg nochmals modifiziert, sowohl bei ein­  Änderung der Figur London, Sloane 0, fol. r gegenüber jener London, Sloane 0, fol. 9r; R III, S. –6 sowie S. 6– ; Zitat S. 7.  R III, S. .

zelnen Längenabschnitten als auch bei den Breiten und in der Profilansicht – manchmal minimal, manchmal signifi­ kant. Die Frau von sieben Häuptern Länge beispielsweise wurde in der Frontalen deutlich umfänglicher und erhielt im Querschnitt ein überbordendes Gesäß (und damit kür­ zere Beine) – so verwendet in der entsprechenden Figur des Drucks von  (Nr. 77.6), während die schlankere Fas­ sung durch die Daten des Begleittextes als die ursprüng­ liche identifizierbar ist (Abb. ).6 Das Blatt, das nicht zum Formschneider und Drucker gelangte, wurde so – mit an­ deren – zum Arbeitsmaterial für eine weitere, später ver­ wendete Figuration. Wie bei den hier zitierten Beispielen dürfte Dürer auch bei der Masse seiner Varianten nicht jeweils weitere Mo­ delle konsultiert, sondern mit dem vorliegenden Material ‚gespielt‘ haben.

6 Dresden, fol. 0r; R III, S. 7–77. Der dazugehörige Mann (fol. 6r; R III, S. 7–7) wurde in geringerem Maße korpu­ lenter. Die später verworfene schlankere, ursprüngliche Gestalt ist durch kleine Doppelstrichlein als ausgetilgt erkennbar.

2 Die Meßvarianten

22

Dürer, Frau von sieben Kopf längen; Dresden fol. 20r; Feder

343



G Die „Messung“: Fragen und Antworten

 a/b Dürer, Frau von acht Kopf längen in drei Ansichten, Konstruktions­ und Reinzeichnung; Dresden, fol. v,  r; Feder

3 Die Variantenpraxis Unter den Hunderten erhaltener Entwurfs­, Studien­ und Reinzeichnungen finden wir zahlreiche Beispiele, die er­ kennen lassen, daß vielen dieser Variationen eine einschlä­ gige Arbeitsweise Dürers zugrunde liegt. Er liebte es näm­ lich, fertige oder scheinbar fertige Körperkonturen, also seine „Gestaltlinien“, alternierend zu bearbeiten, indem er sie hier und da oder in Gänze mit zusätzlichen Umrißlinien mehr oder minder veränderte. Es handelt sich in der Regel nicht um gestrichelte, ‚suchende‘ Umrandungen, sondern um präzise lineare Abweichungen. Zur besseren Sichtbar­ keit wurden diese Korrektur­ oder Alternativ­Linien mit der Feder gezogen, wobei gegebenenfalls die ursprüngliche

Bleistiftzeichnung stehen blieb bzw. – bei der Feder – die aufgegebene Linienführung mit kleinen Strichlein ausge­ strichelt wurde. So erkennen wir auf einem Blatt des Dresdner Skizzen­ buchs von etwa , wie die zunächst schlankere Fassung einer Frau von acht Kopf längen von einer korpulenteren überlagert ist.7 Dabei wurden neben die bereits bestehen­ den Maße die neuen vermehrten Werte hinzugefügt,

7 Dresden fol. v, r; Bruck, Nr. 9, 9; R II, S. 70; Strauss 97, Nr. , 6.

3 Die Variantenpraxis

 b

mehrfach mit dem Wörtchen „oder“ verbunden, etwa im Oberschenkel (Profil) „/9 oder /“, bzw. in anders ge­ eigneter Weise als Varianten kenntlich gemacht. Die spie­ gelbildliche Reinzeichnung vor schraffiertem Grund auf der Rückseite des Blattes gibt indes die schlankere Version wieder, sei es, daß sie bereits in dieser Weise zuvor reali­ siert war, sei es, daß Dürer sich am Ende für sie entschied (Abb.  a/b).

 Fol. v: „Ker daz plat vm, so sichstw daz weib awsserhalb der gestragten linien“.

Dieser – wie wir sahen – sogar bei mehreren Reinzeich­ nungen für das besagte Projekt von  geübte Usus dürf­ te zu guten Teilen den Hintergrund der enormen Figuren­ menge und der überbordenden Datenfülle bilden. Dürer pf legte also die einmal gefundenen bzw. entwickelten Figu­ ren freihändig zu variieren und den gezeichneten Varianten anschließend plausible numerische Maßvarianten zuzutei­ len. Es ist allerdings nicht sicher zu entscheiden, ob er stets so verfuhr, oder ob er nicht auch gelegentlich den Zahlen den Vortritt ließ.



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G Die „Messung“: Fragen und Antworten

4 Die ‚Gestaltlinien‘ Die Variationen der Umrisse und der davon betroffenen Maße lassen Dürers Prioritäten bei der Proportionsarbeit erkennen. Er ließ sich offenbar vornehmlich vom Auge leiten, bevor er die Daten fixierte. Dem entspricht – umge­ kehrt, wenn die Meßpunkte fixiert waren – seine Aufmerk­ samkeit, die er dem Reißen der „Gestaltlinien“ entgegen­ brachte, sowohl in seinen Beschreibungen als auch in Form expliziter Anleitung der Lernenden. Zu diesem Zweck empfiehlt er denn wiederholt die Hinzuziehung eines le­ benden Modells: „ziehe ich die Gestalt nach meinem Gut­ dünken mit Linien darein oder, wenn ich es haben kann, stelle ich einen entsprechend dimensionierten („gleichmes­ sigen“) Menschen vor mich und ziehe die Linien nach sei­ nem Vorbild“ (fol. Av). So verlangt insbesondere die Zeichnung des seitlichen (Profil­) Umrisses besondere Kompetenz – wenn nicht eben ein lebendes Modell. Denn die Meßdaten in der Tiefe besitzen, anders als die symmetrischen Breitenmaße, keine fixe Justierung um eine Mittelachse, sondern müssen frei­ händig in der Horizontalen verortet werden, bevor man sie umreißen kann; mit anderen Worten: der seitliche Umriß, der naturgemäß nicht punktuell konstruierbar ist, muß be­ reits vor der Justierung der Tiefenmaße bekannt sein. Merk­ würdigerweise wurde dieses generelle (Profil­) Problem der vorliegenden Meßmethodik weder von Alberti noch von Dürer geschweige denn von der Dürerliteratur ange­ sprochen (Abb. ).9 In eben dieser Weise – also freihändig und sicherlich auch unter Verwendung von Reproduktionen (Pausen) – dürfte Dürer an die große Mehrzahl seiner Proportions­ figuren gelangt sein, also nicht in Lebensgröße, sondern im Format seines Papiers. So wird man weitgehend Abstand nehmen müssen von der Vorstellung, es handele sich um ‚objektive‘ Proportionen, Proportionen des ‚Objektes‘, statt­ dessen geht es um Proportionen, denen man, mit einer Formulierung Panofskys, das Adjektiv „faktural“, künstle­ risch berechnet und gestaltet, zuordnen könnte.0 Dieses würde zugleich bedeuten, daß die Bezugsgröße der Maßangaben vom Lebensformat aufs Papierformat wechselte, womit sich der zur Anwendung kommende Maß­ 9 Alberti behandelt freilich ein weiteres Instrument, das „finito­ rium“ („Begrenzer“), mit dem die Distanzen zwischen beliebi­ gen Punkten der Körperoberfläche zu einer senkrechten Mit­ telachse abgelesen werden können, das insofern auch für den Profilumriß nutzbar wäre. Es dient vor allem zum Kopieren von Statuen und dürfte für Lebendmessungen wenig tauglich sein. Alberti, De Statua, –;Alberti/Bätschmann 000, S. /9 –66/67. 0 Panofsky 9/99, S. .

 Dürer, Die Frau Nr. 77., Meßpunkte in der Profilansicht um die Schwerpunktlinie, ohne „Gestaltlinien“ (Montage des Verfassers)

stab nochmals immens verkleinerte und zwar mit der Folge – in der dokumentierten numerischen Präzision – weder meßtechnisch handhabbar, noch vom Zeichner und Form­ schneider graphisch beherrschbar zu sein. Möglicherweise

 Bei der üblichen Figurenlänge der Proportionszeichnungen und Holzschnitte von knapp  cm mißt ein „Zall“ ca. ,6 mm, ein „Teil“ ca. 0,6 mm, ein „trümlein“ ca. 0, mm.

5 ‚Familienähnlichkeit‘

wollte Dürer seinem Vorbild Alberti nicht nachstehen, was den Eindruck metrischer Genauigkeit angeht, ihn vielmehr mit der Einführung der „Trümlein“ noch übertreffen. Wiederholt mahnt Dürer, dem selbstverständlich klar ist, daß die Daten allein noch keine gute Gestalt machen, zu größter Sorgfalt bei der Ziehung der Umrisse („ die nach keiner Regel, sondern von Punkt zu Punkt zu ziehen sind“, fol. Tv) , die denn sogar bei strikter Einhaltung der Maß­ vorgaben viel zeichnerischen Spielraum für Könner – und Nichtkönner lassen. Dabei betont er wiederholt die erwor­ bene Kompetenz, die „ein geübter Künstler“ besitze, der „nicht für jedes Bild lebender Vorbilder bedarf “ (fol. Tv), womit er nicht zuletzt zweifellos sich selbst meint. Dieser Kompetenz, so dürfen wir vermuten, verdankt sich denn auch die Masse seiner Figurenumrisse.

 Ästhetischer Exkurs, fol.Tv. Hier bezüglich des Kopfes.

5 ‚Familienähnlichkeit‘ Ebensowenig wie die vielen Risse und Daten empirische Erhebungen repräsentieren, geben sie offenbar einen Quer­ schnitt und eine gezielte Auswahl einer größeren Popula­ tion wieder, wie es Alberti von seiner (einzigen) Propor­ tionsfigur behauptet. Dürer hat nicht den Durchschnitt, sondern bis hin zu den Extremen verschiedene Modi ge­ sucht, an denen er allerdings bis zur Drucklegung  unablässig gefeilt hat, nicht ohne sie zugleich zu standardi­ sieren. Dabei scheint das Erscheinungsbild der uns im Proportionszusammenhang bekannten Figuren von vorn­ herein mehr oder minder festgelegt, es wandelt sich in an­ derthalb Jahrzehnten nicht wesentlich. Überdies erkennen wir nicht nur zahlreiche oft wiederkehrende, mithin wider den Anschein als Vorgaben zu wertende Maße, sondern auch eine generelle ‚Familienähnlichkeit‘ der Figuren, die durch ‚dick und dünn‘ geht. Dazu zählt bei beiden Geschlechtern die Beinlänge (meßbar an der „Spaltung“), die nahezu durchgängig über­ dimensioniert ist. Sie beträgt meistens, allerdings nicht bei den ‚Dicken‘, die Hälfte der Körperlänge oder mehr. Bei den Frauen häufen sich die dürertypischen Eigenheiten: die stets zu schmalen und zu abschüssigen Schultern, das übergroße Gesäß, dem – im Profil – ein überbordender Bauch wie zum Ausgleich dient, der f lache, sich kaum im Körperkontur abzeichnende Busen (Abb. , 6). Daß dieses eine persönliche Entscheidung ist, belegt Dürers frühe „Nemesis“, die Ahnfrau der weiblichen Seitenrisse jed­ weder Proportion – aus einer Zeit, als Dürer mit den „Mes­ sungen“ noch gar nicht begonnen hatte (Abb. 7). Und auch die Männer, sieht man einmal vom Vierschröter (Typ A) ab, kreisen immerwährend um das früh gefundene Ideal Adams im Kupferstich von 0, bei dem freilich nicht die Messung, sondern die Geometrie Pate gestanden hatte (Abb. ). Vollends sind, wiederum bei beiden Geschlechtern, die Gesichter schematisiert und zwar nicht nur in ihrer physi­ ognomischen Erscheinung, sondern auch in ihren Maßver­ hältnissen.6 Daß Mund und Nase, wie bei Dürer, die glei­ che Breite besitzen, was in der Natur kaum vorkommt, war jedoch nicht unüblich in der spätgotischen Kunst – sowohl  Bezeichnend ist, daß lediglich bei den mit dem „Fälscher“ aus der Proportion gebrachten Figuren Nr. 77.0 und 77.06 einigermaßen erfahrungsnormale Werte zustande kommen.  Dürer/Druckgraphik , Nr. , hier „um 0“ datiert. „Ne­ mesis“ gilt als die erste geometrisch konstruierte Figur Dürers, was man an der Quadratur der Vorzeichnung zu erkennen glaubte (W 66); vgl.Tietze/Conrat 9, S. 9f.  Zu Dürers männlichen ‚Modellen‘ vgl. Hinz 00, S. 60–6. 6 Thomae 9/, S. 0.

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G Die „Messung“: Fragen und Antworten



Dürer, Die fünf Frauen aus Buch I: Typ AI – EI, frontal (Montage des Verfassers)

6 Dürer, Die fünf Frauen aus Buch I: Typ AI – EI, seitlich (Montage des Verfassers)

7 Dürer, Nemesis („Das große Glück“, Detail), im Profil freigelegt; Kupfer­ stich (Montage des Verfassers)

5 ‚Familienähnlichkeit‘



Dürer, Die acht Männer aus Buch II, seitlich (Montage des Verfassers)

in der Malerei wie der Plastik. Leonardo hatte allerdings für das Maß des Mundes einen plausibleren Wert, nämlich die Spanne zwischen Lippenspalt und Kinn angesetzt.7 Auch daß die Ohren auf die Länge der Nase reduziert sind und daß der Abstand zwischen den Augen ein Auge mißt, sind willkürliche Vorentscheidungen (die nunmehr wieder im Einklang mit Leonardo stehen).

7 Leonardo/Lücke 9, S. .

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G Die „Messung“: Fragen und Antworten

6 Empirie(?) – aus heutiger Sicht Die Indizien reichen aus zur Annahme, daß nicht eine ein­ zige der uns bekannten Proportionsfiguren gänzlich oder auch nur zu Teilen auf erhobenen Meßdaten beruht. Dage­ gen lassen sich auch nicht die wenigen Aussagen des Autors ins Feld führen, deren Wortlaut nach einer persönlichen Modellbegegnung klingt, weil die beigegebenen Daten ein­ deutig für eine Musterfigur sprechen.9 Daß die Dürer’sche Proportionslehre als empirisch zu charakterisieren sei, wie meist vorschnell behauptet, ist mit den geschilderten Beobachtungen nicht oder nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen. Wie denn, wenn überhaupt, dieses „weitere“ aussehen könnte, soll, gestützt auf eine Aus­ sage des Autors, im folgenden verhandelt werden, wenn man sich auch klar sein sollte, daß Dürer­Zitate für oder gegen dies oder jenes fast nach Belieben verfügbar sind. Wie der Autor sein „Messen“ verstanden wissen wollte und wie man es, nach unseren jüngsten Einsichten, auch verstehen könnte, hat er in der Reinschrift von  im Zusammenhang mit dem „Teiler“, also gleich zu Beginn, programmatisch mitgeteilt: „Aber all dÿ massen, die jch hÿ hernach beschreib vnd awffreis, dofan will jch mit nÿmant disputiren, ob man solch menschen find oder nit. Ich mach sÿ aber dorum also, das jch hoff, jch wöll vrsach sein, das jr fill kumen werden, dÿ do werden durch disen weg antzei­ gen, wÿ dÿ menschen gestalt sind, vnd wÿ sÿ müsen sein vnd wÿ sÿ möchten (könnten, Verf.) sein. Dorum such ein jtlicher hiraws dÿ warheit vnd nutz der natur oder kunst

 Vielleicht ist davon auszunehmen eine auf London und Dresden verteilte Gruppe illustrierter Manuskripte, die eine fettleibige junge, singulär charakterisierte Frau zum Gegenstand haben. Doch auch hier arbeitet Dürer mit variierenden „Gestaltlinien“ und standardisierten Maßen; zwei der Blätter dat. 0. R II, S. –9. 9 Beispielsweise: „Item ein proporcen von einem weib genumen, einer fast langen persan, dy ein langen schönen leib hett und fast ein klein hawbt, gleich unmuglich (wohl: gleichermaßen ungewöhnlich,Verf.)“. Die beigefügten Maße (in Bruchteilen) ‚verkörpern‘ jedoch überwiegend lapidare Normwerte (Kopf = /9, Beinlänge = /, obere Hälfte wird gedrittelt usw.); Lon­ don, Sloane 0, fol. 7r, 7v, um ; R II, S. f. Rupprich, der die Stelle für eine der „auch für den Anthropologen inter­ essanten Modellabmessungen“ (ebd.) hält, verbindet das Lon­ doner Autograph mit der Zeichnung Dresden, fol. r, v, wobei er allerdings geringe Differenzen zwischen den Daten des Textes und denen des Bildes unterschlägt; Bruck, Nr. 6; Strauss 97, Nr. 67, 6.

vnd schönheit, oder sein eigen wolgefalln, wortzw jn dan sein begird tregt“.0 Hier wird die Frage nach der Generierung der Maße aus der Natur gar nicht erst zugelassen, stattdessen darauf abgehoben, daß es sich um Material handele, aus dem des­ sen Nutzer die je eigenen Zugänge zur Befriedigung seiner künstlerischen Bedürfnisse schöpfen könne, ob diese denn der Naturtreue, der Schönheit (aber auch – wie wir ferner wissen – der „Ungestalt“) oder – wie auch immer – dem eigenen „Wohlgefallen“ gewidmet seien. Diese offene Ziel­ bestimmung seiner Proportionsarbeit setzte modulations­ fähige Basisfiguren voraus, die es erlaubten, die jeweils ei­ genen „Gestalt“­Bedürfnisse zu befriedigen. Dafür hatte Dürer in jahrelanger Arbeit Modelle entwickelt und ent­ worfen, von denen er letztendlich  publizierte, die ihrer­ seits gleichermaßen nicht als Ziel­, sondern nur als Durch­ gangsformen gelten können. Sie sind im Zuge ungezählter Veränderungen entstanden und sind tendenziell unendlich zu ändern – in Analogie zur Natur. Demnach sollten Naturtreue, Schönheit, Idealität, Norm und Abnorm – allesamt Themen und Termini des sog. Ästhe­ tischen Exkurses, die Dürer nebeneinander bespricht – nicht gegeneinander oder exklusiv in Stellung gebracht werden. Sie beinhalten allesamt nicht nur tagtägliche künstlerische Anforderungen, sondern zugleich auch Optionen von an­ thropologischem Zuschnitt, Optionen des subjektiven Wohlgefallens und Bedürfnisses, also dessen, „wortzw jn dan sein begird tregt“. Dürer dürfte sich dieser seiner Worte im klaren gewe­ sen sein, denn sein persönliches von Jugend an offenkun­ diges Interesse an der nackten Figur, Weib und Mann, das er in zahlreichen ‚freien‘ Zeichnungen bekundete, darf als ein wesentliches Motiv seiner früh beginnenden Propor­ tionsarbeit nicht übersehen werden. So beabsichtigte er wohl, den freien Umgang mit der menschlichen Figur un­ ter Zuhilfenahme von Proportionsregeln zu ‚zügeln‘, einer­ seits zu berichtigen, andererseits in affektiver Hinsicht zu neutralisieren. Vice versa bot er nun „gezügelte“ und „neu­ tralisierte“ Modelle, die, wie er unablässig betont, nach Be­ lieben zu verändern, also doch wohl gegebenenfalls auch erneut nach „begird“ zu ‚befreien’ seien, wobei die aus­ drückliche Empfehlung des Gebrauchs lebender Modelle beim Abschluß der Proportionsprozedur in diese Richtung zu zielen scheint. 0 R III, S. 70. Sachlich und in der Wortwahl verwandt der Text­ entwurf London 0, fol. 9r, 9v von ca. , wo indes der künstlerischen Freiheit („neü erdichte mas“) engere Grenzen gezogen sind als in dieser späteren Fassung, in der die eigenen Variationen und „Verkehrungen“ der Figuren bewußter be­ rücksichtigt worden sind; R III, S. 7.  Vgl. hierzu Bonnet 00.

6 Empirie(?) – aus heutiger Sicht

Überhaupt wird man von der Seite des vermeintlich die Proportionen speisenden ‚Objektes‘, also des menschlichen Modells, zu der des Subjektes, also des Künstlers wie des potentiellen Anwenders, wechseln müssen, um den Sinn der gigantischen Proportionsarbeit erklärlich zu machen. Deren Zweck scheint demnach zu sein, Figuren so zu kondi­ tionieren, daß sie erstens erlernbar, zweitens für alle weite­ ren Bedürfnisse manipulierbar sind. Die empirische Natur, nicht in ihrer meßtechnisch ermittelten individuellen Kon­ kretheit, sondern in ihrer graphisch verallgemeinerten, ra­ tionalisierten Abstraktion, ist dabei der Rahmen und die Voraussetzung, derer sich jeder Adept der Proportionslehre zu versichern hat: der die Menschen zu kennen hat, „wie sie müssen sein“, bevor er sich anschickt, sie zu zeichnen, „wie sie könnten sein“, – oder mit anderen Worten des Autors: „So offenbart sich aus der Messung die Natur der menschlichen Gestalt“: „Messung“ – wohlgemerkt: nicht Abmessung –, sondern das mit Maß und Zahl operierende produktive Studium der Gestalt zum Zweck anschließender jeweils persönlicher ‚Maß­Gabe‘. Nach alledem können wir Dürers „Messen“ – also sei­ nem gedruckten und ungedruckten Proportionswerk – so­ wohl aufgrund seiner von uns diskutierten Phänomenolo­ gie als auch betreffender Selbstaussagen zwei wesentliche Gesichtspunkte unterstellen: . Die Erarbeitung von vari­ ablen Musterfiguren gemäß der „Natur der menschlichen Gestalt“, deren auffällige „Familienähnlichkeit“ sowohl als verbindliche Gattungseigenschaft wie auch als persönliche Option des Autors verstanden werden kann. . Gleichsam im Gegenzug ist erkennbar die Eröffnung der künstlerische Perspektive, die in der freien Disposition über die standar­ disierten Figuren­Modelle begründet ist. Es würde sich – ohne explizit so von Dürer vorgetragen zu sein – um den Gegensatz und das Wechselspiel von Generalisierung und Individualisierung handeln. Beides läßt sich, wenn wir ab­ schließend aus dem Zeitalter der elektronischen Datenver­ arbeitung auf Dürers Arbeit zurückblicken, mit heutigen Verfahren beim Management menschlicher Figuren in Be­ ziehung setzen, wie sie in Forschung, Technik und Wirt­ schaft angewendet werden. Einerseits sehen hier gleichfalls immense Anhäufungen von Körperdaten, die – mittels Body­Scan – zwar Mensch für Mensch ‚nach der Natur‘ erhoben werden aber dennoch zum Zwecke der Standardisierung dienen und die Grund­ lage für diverse körpernahe Normen insbesondere der Be­ kleidungsindustrie bilden. Dabei spielen, wie gelegentlich eingeräumt wird, nicht nur metrische Kriterien, sondern

 Ästhetischer Exkurs, fol.Tr.

auch Schönheitsvorstellungen, also ästhetische Vorgaben eine Rolle. Andererseits kennen wir digitale Mensch­Modelle, die sich, ausgehend von derartigen Standardfiguren, beliebig modulieren lassen. Auch diese Verfahren erlauben einen erhellenden Rückblick auf die Proportionslehre: So dürften Dürers Daten, die, wie wir sahen, keine Erhebungsdaten sondern Varianten sind, als eingegebene ‚Spiel‘­Daten eines Benutzers zu interpretieren sein. Dieser würde sie, mit Hil­ fe eines dafür geeigneten Programms, blitzesschnell in Figuren – frontale, seitliche und rückansichtige – verwan­ deln und durch weitere Eingaben permanent minutiös oder großzügig verändern, sodann gegebenenfalls dreidimen­ sional bearbeiten können. Der imaginäre Operateur am Bildschirm würde auch die Figuren unter Beibehaltung ihrer programmierten ‚Na­ tur‘ (‚Familienähnlichkeit‘) nach „Gutdünken“ in belie­ bigen Abstufungen und in beliebiger Anzahl manipulieren oder, wie wir es oben nannten, konditionieren, d. h. auf bestimmte Bedürfnisse zuschneiden können. Die vielen Daten Dürers wären unter dieser Perspektive, anstatt wei­ terhin als naturwissenschaftlich begründet zu gelten, als Exempla einer gedachten oder denkbaren, also virtuellen Daten­ bzw. Formenvielfalt verständlich gemacht, womit sie letztendlich wiederum als Material künstlerischer Sub­ jektivität zu gelten hätten. Dieses Ergebnis seiner schier endlosen Arbeit an der menschlichen Proportion hatte Dürer mit Sicherheit nicht von vornherein angesteuert, es hat sich ihm aufgrund sei­ ner laborierenden Arbeitsweise und seines sich wandelnden Erkenntnisinteresses am Ende „beyleufftig“ – eines seiner Lieblingsworte – vielleicht auch zwangsläufig wie von selbst eingestellt.

 Vgl. Gaugele 00 am Beispiel von „Size UK“, ermittelt durch massenhaftes Körper­Scannen des „London College of Fa­ shion“.  Hierfür bedürfte es freilich der Querschnitte, die nur im IV. Buch ‚angeschnitten‘ werden.





G Die „Messung“: Fragen und Antworten

7 Wissenschaft – aus Dürers Sicht In dieser Weise, wie hier post festum charakterisiert, konn­ te Dürers Arbeit in den Augen seiner Zeitgenossen – und von ihm selbst – naturgemäß nicht wahrgenommen wer­ den. Dürer war sich jedoch sicher, mit Zahl und Maß einen fundamentalen Beitrag zur Erkenntnis der äußeren mensch­ lichen Physis zu leisten, mit dem er die Malerei – im Sinne Albertis und Leonardos – als Wissenschaft fundieren wollte, wie er gleichermaßen auf Geometrie als Garanten der „Wahrheit“ bei der Beschreibung alles Physischen setzte (z. B. fol. Tv). Diesen Gedanken finden wir auch in Jaco­ po de’ Barbaris Brief formuliert, mit dem dieser sich Kur­ fürst Friedrich d. Weisen als Hof künstler anempfohlen hat­ te: „Wenn also die Maler die Formen der Natur mit gewisser rationaler Erkenntnis darstellen wollen, bedürfen sie der Einsicht in Zahl und Maß, insbesondere bei [der Darstellung] von Menschen“. Vor allem aber stand Dürer im Einklang mit den Euklid­Kennern seiner Epoche, zu de­ nen er auch gezählt werden darf, die – lange vor Galilei und Descartes – der Geometrie den Charakter einer Grundlagendisziplin methodischer Wissenschaftlichkeit zuerkannten.6 Bezeichnend für seine Selbstsicht ist eine mehrfach in den Vorarbeiten zum Proportionswerk wiederholte Aussa­ ge, welche die Qualifizierung der künstlerischen Darstel­ lung aufgrund von Maß und Zahl als Organon der wissen­ schaftlichen Erkenntnis zum Gegenstand hat – und zwar mit dem Blick auf geometrische und astronomische Leistun­ gen: „Dÿ messung des ertrichs, wasser vnd der stern ist ver­ stentlich worden durch daz gemell vnd würt noch men­ schen vill künt durch antzewgung der gemell“,7 wobei „gemell“ als zeichnerische Wiedergabe verstanden ist.  Dürer scheint sich hier auf eine Passage in Pomponius Gauricus‘ „De Sculptura“ zu beziehen, wo es mit Blick auf die menschlichen Maßverhältnisse heißt: „Ist es denn nicht die höchste Torheit, daß der Mensch sowohl die Länder als auch die Weiten des Meeres und die Höhe des Himmels ausmißt und sein eigenes Maß nicht kennt?“9 Dieses, das dem Menschen eigene Maß, ist denn auch Dürers ureige­

nes Thema, doch anders als Pomponius verstand er die „Messung“ der Erde, des Meers etc. nicht als abseitigen Spleen, der dem entgegen zu setzen wäre.0 Er verstand die Erforschung des Makrokosmos vielmehr als herausragende Errungenschaft seiner Zeit, der er mit der „Messung“ der menschlichen, im Mikrokosmos wurzelnden Gestalt Ver­ gleichbares und Ebenbürtiges an die Seite zu stellen suchte. Nichts anderes will der oben zitierte, bis in die Wortwahl vergleichbare nun original wiedergegebene Satz aus dem Ästhetischen Exkurs zu verstehen geben: „Also kumbt aus der messung, das die natur auß der gestalt des menschen kuntlich wirdet“ (fol. Tr). Er sieht sich also mit seiner Arbeit in einer Reihe mit den neuartigen, auf Messung beruhenden kartographischen Leistungen seiner Epoche, deren Zeuge er war. Neben den Erd­ und Himmelskarten, an denen er zum Teil selbst mit­ gewirkt hatte, war ihm sicherlich auch Jacopo Barbaris Venedig­Plan von 00 bekannt als ein Paradebeispiel der wissenschaftlichen Vermessung von Land, Stadt und Was­ ser, die erst durchs „gemell“, die graphische Wiedergabe, zur Ansicht und „Verständlichkeit“ gebracht werden konn­ ten. Auch hier muß eine Unzahl an – topographischen – Erhebungen vorausgegangen sein, die in eine bis dato nicht gesehene graphische Gesamt­Vision einf lossen. Gegenüber Barbaris vielteiliger Vedute war Dürers Ge­ genstand, der Mensch, selbst so vielgestaltig, daß der Autor nicht nur viele Gestalten im „gemell“ für erforderlich hielt, sondern auch – für deren Fixierung und Unterscheidung – der Zahl bedurfte, was für die kompletten Figuren wie für ihre Details gleichermaßen gilt. Das zeigt detailliert insbe­ sondere sein Studium der menschlichen Hand und des Fußes, die unter dem Zwang der graphischen Exaktheit zu einer Forschungsleistung par excellence geriet, die bislang und bis hin zu Vesalius von keinem Anatomen, Chirurgen oder Künstler erzielt worden war: Die graphische Wieder­ gabe war zum Organon der Naturkenntnis geworden. Nur in deren Medium konnte er seine Gestalten in beliebiger Menge und beliebiger Variation ebenso eindeutig wie uni­ versell durchspielen: und zwar in ihrer Dreidimensionalität, wie man es zuvor nur mit geometrischen Körpern zu be­

 Pfisterer 00, S. 66–70, hier S. 7; um 00/0; vgl. auch Kirn 9. 6 So spricht u. a. der deutsche Humanist und Altphilologe Simon Grynaeus (Griner) imVorwort seiner griechischen Ausgabe der Euklid’schen Elementa (Basel ) von einer „geometria, quae methodi totius absoluta et perfecta formula est“, fol. r; vgl. hierzu Gerl 99, S. –9. 7 R II, S. , dat. . Dieser Gedanke ist mehrfach wieder­ holt.  So auch Grimm , Sp. 60 (Gemälde). 9 Gauricus/Brockhaus 6, hier S. /.

0 Gauricus wiederum zitiert hier einen Satz Pindars (lat.: „Terras tractusque maris coelumque profundum“), der als Zitat in Pla­ tons Theätet überliefert ist: „ (des Heerführers Geist) schweift, mit Pindar zu reden, überall umher, mißt die Tiefen der Erde und ihre Flächen, erforscht die Bahnen der Sterne oben am Himmelszelt und ergründet jegliche Beschaffenheit jeder Gat­ tung des Seienden, ohne sich einzulassen auf das, was ihn un­ mittelbar umgibt“;Theätet, .Vgl. Platon/Apelt 9, S. .  Stabius’ Weltkarte und Himmelskarte, ; Armillarsphäre, . Dürer/Druckgraphik , Nr. , ,  sowie 7.  Verlegt von dem Nürnberger Kaufmann Anton Kolb.Vgl.Vene­ dig 999.

7 Wissenschaft – aus Dürers Sicht

sorgen wußte, auf die er bei seinen ‚Verkubungen‘ gezielt zurück greift. Das eigentümliche Laborieren zwischen Konstanten und Varianten kann im Lichte der Goethe‘schen Morpho­ logie als ein beinahe lebenslanges Ringen um die Erkennt­ nis des Gesetzmäßigen der menschlichen Figur in deren Mannigfaltigkeit beschrieben werden. Es geht Dürer dabei – wie später Goethe, der übrigens Dürers Proportionslehre unter diesem Gesichtspunkt zur Kenntnis genommen hat – um eine Synthese von wandelbaren und unwandelbaren Formen, um die Idee eines körperlichen Bauplans, der sich in den ebenso notwendigen und gesetzmäßigen wie schwan­ kenden Relationen seiner Teile realisiert, dieses allerdings – im Gegensatz zu Goethe – vom „Wohlgefallen“ des Sub­ jektes mitbestimmt. Dafür bedurfte es eines systematischen, quasi statistischen Vorgehens auf tabellarischer Basis, die bei Dürer, wie wir sahen, von einem Umfang ist, der in seiner Epoche beispiellos zu sein scheint. Unbeschadet der genauen, ja intimen Kenntnis der äu­ ßeren Anatomie von Mann und Weib, die allen diesen Stu­ dien sowie den endgültigen Illustrationen zugrunde liegt, verkörpern Dürers Figuren unübersehbar persönlich und kulturell bedingte Optionen. Und immer beruhen sie letzt­ lich auf einer ästhetischen Entscheidung.

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H Wirkung

Die Wirkungsgeschichte der Proportionslehre in allen ihren Aspekten ist noch weitgehend unerforscht; sie kann hier nur kursorisch beleuchtet werden. Was ihre eigentliche Be­ stimmung angeht, so blieb es dem Autor immerhin erspart, mit dem Mißerfolg seiner Lehre bei den von ihm selbst im­ mer wieder proklamierten Adressaten, den Handwerkern und Künstlern, konfrontiert zu werden. Diese Zielgruppe wurde vollständig verfehlt. Dürer hatte den Handwerkern und Künstlern ein Lehrbuch angeboten, das allein mit sei­ nem minutiösen Zahlenwerk, erst recht mit der technischen Kompliziertheit der „Messungen“ sowie der gedanklichen Abgehobenheit die Ebene der praktischen Anwendbarkeit weit unter sich gelassen hatte. Vollends die geometrischen Operationen bei den „Verkehrungen“ in Buch III und der mathematische Abstraktionsgrad, etwa beim heute soge­ nannten Mehrtafelverfahren, in Buch IV waren damals – das gilt auch noch heute – allenfalls von fachlich versierten Akademikern zu meistern. Was das Proportionsbuch jedoch darüber hinaus für die Werkstätten untauglich machte, lag an seinem rigoros sche­ matisierten, von Dürer selbst als künstlerisch „untauglich“ bezeichneten Bildmaterial (sieht man einmal von den sie­ ben „gebogenen“ Figuren in Buch IV ab), mit dem die eingespielte Tradition des Musterbuches aufgekündigt war. Die steif „gestrackten“ Figuren, die dem Benutzer des Buchs zuallererst auffallen mußten, gaben denn auch den Anstoß für Kritik und Spott aus Künstlermund – von Michel­

29 William Hogarth, Analysis of Beauty, Pl. I (Ausschnitt): Künstler mit Proportionsbuch. Aus: Hogarth 753, Pl. I, 55; Kupferstich

angelo2 bis Hogarth (Abb. 29) 3, wohl weil man diese Figu­ ren als künstlerische Vorlagen mißverstand. Freilich gab es, namentlich im oberdeutschen Raum, zahlreiche Trittbrettfahrer, die ihre Chance darin sahen, das schwer genießbare Werk gleichsam mundgerecht auf­ zubereiten und so seinen eigentlichen Adressaten doch noch zuzuführen: Es entstand die eigenartige, als Elemen­ taranleitung gedachte Literatur der „Kunstbüchlein“, die

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Auch diese Figuren sind kaum rezipiert worden; eines der we­ nigen Beispiele, eine stehende Venus mit Cupido (Minneapolis, Institute of Arts), nach dem Modell von Nr. 277.30, kann Hans Sebald Beham zugeschrieben werden; Von der Osten 983, Nr. X 35.

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Ascanio Condivi, Leben des Michelangelo Buonarotti, Kap. LX: „… macht die Gestalten steif wie Pfähle; von dem aber, was das Wichtigste ist, von den menschlichen Gebärden und Bewegun­ gen, sagt er kein Wort“; Condivi/Valdek 87, S. 80f. Hogarth 753, S. 76 zu Dürers und Lomazzos Proportions­ büchern: „see two tasteless figures taken from their books of proportion“. Die Illustration dazu (Pl. I, 55) gibt Figuren aus Lomazzos englischer Ausgabe von 598 wieder; vgl. Lomazzo 598/970, S. 36 (Abb. 33). Vgl. Schlosser 92, S. 22–26.

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H Wirkung

30 Erhart Schoen, Fünf stereometrische bewegte Figuren in zentralperspektivischem Raum. Aus: Schoen 538, Figur 0; Holzschnitt

sich, thematisch breitgefächert, dennoch äußerst gerafft, mit schlichtem Bildmaterial und ebenso schlichten Texten den deutschen Kunstwerkstätten anempfahlen.5 Meistens enthalten die Büchlein, verschieden gewichtet, sowohl Ele­ mente der Perspektiv­ wie auch der Proportionslehre, teil­ weise ergänzt um Materialien zur Proportion des Pferdes, das Dürer ursprünglich mitgeplant hatte.6 Gleich das erste dieser Büchlein, das von Hieronymus Rodler 53, spricht im Vorwort offen aus, daß Dürers Buch „so uberkünstlich und unbegreif lich gemacht (sei), das es alleyn den hochverstendigen dienlich“ sei, weswe­ gen er „sein Büchlein“ vorlege, „leichtlich und mit kleyner mühe (zu) begreifen“.7 Noch aus direktem Kontakt mit Dürers Werkstatt entstand das Büchlein von Erhart Schoen (538),8 der dieses gleichfalls „zu leychterem verstand“ der Bücher Dürers und Vitruvs, wie es im Vorwort heißt, emp­ 5 6 7 8

Vgl. Keil 985/I. R II, S. 55–57; Panofsky 95, S. 200–20; Kurthen 92. Rodler 53, hier fol.A2r. Schoen 538.

fiehlt. Immerhin versucht er, wenn auch mit beschränkten Mitteln, den kubischen Figuren, mit denen Dürers Werk abrupt schließt, bewegtes Leben einzuhauchen, wobei auch perspektivische Aspekte zum Zuge kommen (Abb. 30). Im selben Milieu wurzelt Hans Sebald Beham, der außer sei­ nem unglücklichen „Rossebüchlein“ von 528 auch eine oft gedruckte Kunstfibel verfaßt hat (zuerst 56) 9. Hier ist sogar noch im Titel die Rede von der Zirkelmethode, die sein Meister längst ausdrücklich verworfen hatte. Weitere Schriften dieser Art gibt es von Heinrich Vogtherr (537),0 Heinrich Lautensack (56), Jost Amman (578)2 u. a. Heinrich Lautensack nimmt nicht nur die Anregung Albertis auf, bei der menschlichen Figur mit dem Skelett zu beginnen, das er denn auch den bekannten Dürer‘schen Arbeitsschritten voranstellt (fol. 36 r), sondern er versucht sich auch – anspruchsvoller als Erhart Schoen – auf bewegte kubische Figuren im Sinne Dürers, die den Lesern des Pro­ portionswerks vorenthalten geblieben waren (Abb. 3, 32).3 Augustin Hirschvogels „Geometria“ (53) bietet, gestützt auf Dürers „Unterweisung“, ein kurzgefaßtes geometri­ sches Propädeutikum der Kunst, berücksichtigt darüber hinaus jedoch ausführlich das komplizierte Verfahren der Mehrtafel­Projektion aus Buch IV der Proportionslehre. Allen diesen Publikationen fehlt mehr oder minder der Impetus, sich mit dem großen Vorbild auseinanderzusetzen oder auch dessen Lehre in angemessener Weise zugäng­ licher zu machen; zitiert und verarbeitet wird, was gerade opportun und verkäuf lich erscheint. Jenseits dieses unmittelbaren handwerklichen Ref lexes vermehrte und verschob sich der Kreis der Rezipienten so­ gleich mit der – sicher noch von Dürer veranlaßten – latei­ nischen Übersetzung des Werks durch Joachim Camera­

9 Anm. Hirschvogel 53; das Werk enthält im ersten Teil aus­ schließlich graphische Darstellungen (37 Blätter), ohne schrift­ liche Erläuterung. Das Textbändchen dazu (Teil 2) lehnt sich bis in die Titelei an Dürers operative Terminologie an. 0 Vogtherr 537.  Lautensack 56. 2 Amman 578. 3 Fol. 6r: hier scheint Lautensack eine Dürer’sche Zeichnung zu übernehmen wie etwa die Figur Dresden fol. r (Abb. 7).  Hirschvogel 53; das Werk enthält ausschließlich graphische Darstellungen (37 Blätter), ohne schriftliche Erläuterung. Fer­ ner von Hirschvogel das bis in die Titelei an Dürers Terminolo­ gie angelehnte Werkchen: Ein aigentliche vnd gründtliche an­ weysung, in die Geometria sonderlich aber, wie alle Regulierte, vndVnregulierte Corpora, in den grundt gelegt, vnd in das Per­ spectiff gebracht, auch mit jren Linien auffzogen sollen werden [Nürnberg] (Johann Vom Berg & Ulrich Neuber) 53.

H Wirkung

3 Heinrich Lautensack, Skelett, Vorderansicht, stereome­ trische Figur eines Mannes von acht Kopf längen. Aus: Lauten­ sack 56, fol. 36r; Holzschnitt 32 Heinrich Lautensack, Bewegte Figur eines Mannes in Seitenansicht, dieselbe Figur stereometrisch. Aus: Lautensack 56, fol. 6r; Holzschnitt 33 Anonymus, Männliche und weibliche Proportionsfigur. Aus: Lomazzo 598/970, S. 36; Kupferstich

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H Wirkung rius,5 die in zwei Tranchen 532 und 53 erschien. Jetzt traten nicht nur die Intellektuellen hinzu, sondern die ge­ samte gebildete Welt des Abendlands konnte das Buch zur Kenntnis nehmen. Dürer wurde zur Autorität und Re­ spektsperson in Sachen Proportion und Anthropometrie. Das Buch, das auch in mehreren nationalsprachlichen Über­ setzungen (meist nach der lateinischen Version) greif bar wurde, befand sich nachweislich – schon wegen der Promi­ nenz des Namens Dürer und der Attraktivität der Holz­ schnitt­Illustrationen – in zahlreichen fürstlichen und pri­ vaten Bibliotheken wie auch in vielen europäischen Künstler­Ateliers. Noch im Jahre 652 war Dürers „Kunst­ buch“ Herzog August d. J. von Braunschweig­Wolfenbüt­ tel 200 Reichsthaler wert.6 Wenn das Buch auch offenbar mehr als illustres Standard­ werk empfunden wurde, dessen Botschaft kaum nennens­ werten und kaum erkennbaren künstlerischen Einf luß aus­ übte, scheint es doch als eine Art künstlerischer Maßstab, als Kanon wahrgenommen worden zu sein. Das zeigt etwa ein erhaltenes französisches Exemplar der Proportionslehre (Edition Arnheim 63), das, in Rom mit zahlreichen kom­ petenten Randbemerkungen versehen – wie man annimmt – Nicolas Poussin zum Studium gedient hat.7 Derselben Epoche gehört das Maler­Buch Francisco Pachecos, des Lehrers von Velasquez, an, der darin den Kunstschülern empfiehlt, die „hervorragenden Figuren Albrecht Dürers“ anstatt lebender Modelle zu benutzen.8 In dieser Empfeh­ lung verbindet sich die Hochachtung vor der ideellen Wahrhaftigkeit der Dürer’schen Gestalten, die ihnen bei aller ihrer metrischen Abstraktheit entgegen gebracht wird, mit der von moralisch­pädagogischer Fürsorge für die Lehrlinge getragenen Einsicht in deren ebenso lehrhafte wie diszipliniert unsinnliche Erscheinung. Auf dem Feld der von Dürer geschaffenen Spezies – der Proportionslehre an sich, die nachgerade zu einer eigenen Literaturgattung wurde – kam man allerdings nicht an ihm vorbei; auch sein (gelegentlicher) Kritiker Lomazzo benutzte das Opus in seinem ins astrologische Denken zurückfal­ lenden Kunst­Traktat (58) (Abb. 33).9 Eine Sichtung der 5 Joachim Camerarius (eigentlich Kammermeister) aus Bamberg (500–57), einer der bedeutendsten altsprachlichen Philolo­ gen seiner Zeit (ab 526, auf Empfehlung Melanchthons, Lehrer für Griechisch und Latein am neugegründeten Ägidiengymna­ sium in Nürnberg), hatte seiner lat. Übersetzung ein kenntnis­ reiches und intelligentes Vorwort zum Autor und dessen Werk vorangestellt. Übersetzungen des Vorworts ins Englische bzw. Deutsche: Conway 889, S. 36–; Lüdecke/Heiland 955, S. 8–53. 6 Sporhan­Krempel 97. 7 Kauffmann 960, S. 25–35. 8 Pacheco 69, S. 272. 9 Lomazzo 58/968; der Trattato dell‘ Arte in sieben Büchern,

3 Chrispijn van de Passe, Proportionsfigur einer feisten Frau von sieben Kopf längen. Aus: Van de Passe 63/972, Teil 3, I; Kupferstich

zahlreichen betreffenden, meist für die akademische Lehre (vor allem in Frankreich) verfaßten Publikationen im 7. und 8. Jahrhundert würde Näheres zum anhaltenden Ein­ f luß des Dürer’schen Werkes, das nie in Vergessenheit ge­ riet, erbringen.20 Dabei scheint Dürers hochdifferenziertes „Messen“ nirgendwo Schule gemacht zu haben, während sich seine Figuren­Schemata und ­Modi allgemein durch­ setzten. Das zeigt sich beispielsweise in Chrispijn van de Passes polyglotter Bild­Enzyklopädie, worin man etwa die korpulente Frau (nach Dürers Typ AI), virtuvisch­simpel metrisiert, in den einschlägigen Ansichten per Linienriß und ausmodellierter Reinzeichnung sowie mannigfach be­ deren erstes der Proportion gewidmet ist, unbebildert. Engli­ sche Ausgabe: Lomazzo 598/970, illustriert.Vgl. Ring 2005. 20 Eine chronologische Auflistung der einschlägigen Schriften zur Proportion bis ins 9. Jahrhundert bei Gerlach 990, S. 68– 26.

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35 Chrispijn van de Passe, Naturalistische Ansicht dieser Frau. Aus: Van de Passe 63/972, Teil 3, II; Kupferstich

36 Chrispijn van de Passe, Diese Frau bewegt. Aus: Van de Passe 63/972, Teil 3, III; Kupferstich

wegt wiedererkennt. Neu ist hier dagegen der offensiv zur Schau gestellte Naturalismus: „nach dem Leben gerissen“, wie es auf dem Titelblatt heißt (Abb. 3, 35, 36).2 Über Bergmüller22 und Schadow23, die der menschli­ chen Wachstumskomponente zusätzlich Raum gaben, er­ reichten Dürers Impulse die Neuzeit in Deutschland und sedimentierten in den noch immer allgegenwärtigen Künst­ ler­Lehrbüchern und ­anatomien. So war Dürers Proportionswerk zwar kaum den Kün­

sten dienlich, wofür es gedacht war, wurde aber zur nach­ gerade unerschöpf lichen Quelle und Richtschnur für an­ thropometrische Zwecke unterschiedlichster Art sowie zum Bild­ und Ideengeber der darstellenden Anthropome­ trie: immer dort, wo es um Reduktion der menschlichen Physis auf meß­ und berechenbare Formate mit physika­ lisch­mechanischer Korrespondenz geht.

2 Van de Passe 63/972, Teil 3: „Inhaltende, unterschiedliche gestalten von Nackenden Weibs bilder, so wohl feisten alß mit­ telmässige, oder schwanke, alles nach dem leben gerissen. In gleichen ihr maß und proportion.Vor alle kunst­liebende sehr nützlich. Autor ist Crispijn van de Passe d. J. (ca. 597–670). Dürers Vorbild ist unverkennbar. 22 Bergmüller 723. 23 Schadow 83.

Hier nur wenige Beispiele. Prominent erscheinen seine Schemata sowohl im anatomischen wie auch im anthropo­ metrischen Teil eines mehrsprachigen Lehrbuchs der Kunst und Architektur von der Hand des Benediktiners (und Ma­ lers) Juan Andrés Ricci, das anscheinend für die Prinzener­ ziehung gedacht war.2 Dabei wechselt der Autor von der

2 Fray Juan Andrés Ricci (600–68), verfaßt gegen 660; Ricci/Marías 2002.

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37 Juan Andrés Ricci, Männliche kubische Proportionsfigur in Vorderansicht. Aus: Ricci/Marías 2002, fol. 95; Feder 38 Juan Andrés Ricci, Äußere Anatomie der Frau, Vorder­ ansicht. Aus: Ricci/Marías 2002, fol. 83; Feder 39 Juan Andrés Ricci, Menschliches Skelett in Rück­ und Seitenansicht. Aus: Ricci/Marías 2002, fol. 52; Feder

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0 Illustration zur kontinuierlichen Verformung: Die Klaue des Tapirs, Dürers verzerrte Profilköpfe (Nr. 277.9). Aus: Thompson 97, Abb. 38, 39

Proportion (Dürers) zur äußeren und inneren Anatomie von Mann und Weib und Kind unter Beibehaltung der einschlägigen Bildmuster (Abb. 37, 38, 39). Aus jüngerer Zeit sei die Theorie der kontinuierlichen Verformungen erwähnt, die der Biologe und Mathematiker D‘Arcy Went­ worth Thompson anhand Dürers Gesichts­„Verrückungen“ (Nr. 277.89–93) entwickelt hat 25 und die inzwischen, ge­ stützt auf entsprechende Software, in der digitalen Bildwelt zu einer Fülle visueller Anwendungen (auch für krimino­ logische Zwecke) geführt wurde (Abb. 0). Schließlich bedient sich die Anthropometrie in Indus­ trie und Arbeitswelt in auffälligem Ausmaße – sicher mitt­ lerweile meist ohne sich dessen bewußt zu sein – der diver­ sen Dürer‘schen Schemata und vieler seiner Meßpunkte bei der Entwicklung und Gestaltung von ergonomischen Arbeitsplätzen, personengerechten Fahrgastkabinen, Ma­ schinen, in der Konfektion und beim Design ‚körperna­ her‘ Produkte jedweder Art. Als Schrittmacher bei der

25 Thompson 97.

Berücksichtigung menschlicher Faktoren in Industrie und Produktgestaltung gilt Henry Dreyfuss, dessen zahlreiche graphischen Menschmodelle mit ihrer Datenfülle den Anfängen der Anthropometrie bei Dürer handwerklich nahestehen, wenn es jetzt auch nicht um die Darstellung menschlicher Figuren, sondern die Herstellung ‚mensch­ licher‘ Ambientes geht (Abb. ).26 Digitale Menschmodelle, deren Körperbewegungen für diese (Meß­)Zwecke ähnlich schematisiert wie bei Dürer erscheinen, sind inzwischen stufenlos variierbar und errei­ chen damit in der Anwendung ein Niveau an Differenzie­ rung, das in der Proportionsarbeit unseres Autors im Medi­ um der Zahl bereits vorgebildet war. Ihnen korrespondieren auf Seiten der Datenerhebung diverse Techniken und Me­ 26 Dreyfuss 993; die Maßangaben sind hier, ihrem Zweck gemäß, nicht in relativen sondern in absoluten Werten ausgedrückt. Das Modellformat in Perzentil (der Perzentilwert gibt an, wieviel Prozent der Menschen hinsichtlich eines Körpermaßes kleiner sind als der angegebene Wert; es ist also kein Durchschnittswert, sondern eine statistische Angabe).Vgl. auch: Jürgens 973.

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Anthropometrische weibliche Figur von mittlerem Maß in Vorder­ und bewegter Seitenansicht. Aus: Dreyfuss 993, S. 2, 25

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thoden des elektronischen Body­Scans, wie es Alberti mit seinem „Finitorium“ mechanisch vorexerziert hatte.27 Eben­ so wenig wie bei Dürers vielfältigem „Messen“ ist hier in der Regel die Dokumentation individueller Personen das Ziel, sondern die Gewinnung modulierbarer Körper­ und Figurenstandards – damals indes zum Zweck der individu­ ellen künstlerischen Arbeit, heute vor allem der industriel­ len Massenproduktion, also für wirtschaftliche Verwer­ tungszwecke.28 Auch hier ist die Priorität Dürers, was den methodisch­wissenschaftlichen Ansatz und die Weiterun­ gen betrifft, mit Händen zu greifen.

27 Siehe Alberti/Bätschmann 2000, S. 2–. 28 Eine kurze Einführung: Gaugele 2005.

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Augustin Hirschvogel, Das Buch Geometria ist mein Namen, All Freye Kunst Aus Mir Zum Ersten Kamen. Ich Bring Architectura vnd Perspectiva zusamen. [Nürnberg][ Johann VomBerg& Ulrich Neuber] 1543 Augustin Hirschvogel, Ein aigentliche vnd gründtliche anweysung, in die Geometria sonderlich aber, wie alle Regulierte, vnd Vnregulierte Corpora, in den grundt gelegt, vnd in das Perspectiff gebracht, auch mit jren Linien auffzogen sollen werden [Nürnberg] [ Johann VomBerg& Ulrich Neuber] 1543.(Separat gebundene und verschieden betitelte Text- und Tafelteile desselben Werks)

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Josef Kurthen, Zum Problem der Dürerschen Pferdekonstruktion. Ein Beitrag zur Dürer- und Behamforschung. In: Repertorium für Kunstwissenschaft. 44, 1924, S. 77–106

Lange 1897/98

Konrad Lange, Dürer’s ästhetisches Glaubensbekenntnis. In: Zeitschrift für bildende Kunst. NF 9, 1897/98, S. 121–136 und 10, 1998/99, S. 220–235

Lange/Fuhse 1893

Dürers schriftlicher Nachlaß. Auf Grund der Originalhandschriften und theilweise neu entdeckter alter Abschriften. Hrsg. von Konrad Lange und Franz Fuhse. Halle a.S. 1893

Lautensack 1564

Heinrich Lautensack, Des Cirkels und Richtscheyts, auch der Perspectiva und Proportion der Menschen und Rosse, kurtze, doch gründtliche underweisung deß rechten gebrauchs. Frankfurt a. M. 1564 (1618)

Leistikow 1937

Kurt Leistikow, Albrecht Dürers Sprachstil. Berlin 1937

Leonardo/Lücke 1952 Leonardo da Vinci, Tagebücher und Aufzeichnungen. Hrsg. und übersetzt von Theodor Lücke. Berlin 1952 Leonardo/ Ludwig 1882

Leonardo da Vinci, Lionardo da Vinci. Das Buch von der Malerei. Nach dem Codex Vaticanus (Urbinas) 1270. Hrsg. und übers. von Heinrich Ludwig. Bd. 1–3. Wien 1882

Lomazzo 1584/1968

Giovanni Paolo Lomazzo, Trattato dell‘arte de la pittura. Mailand 1584. Nachdr. Hildesheim 1968

Lomazzo 1598/1970

Giovanni Paolo Lomazzo, A tracte containing the artes of curious paintinge carvinge and buildinge. Übers. von Richard Haydocke. Oxford 1598. Nachdr. Farnborough 1970

Lomazzo/Klein 1974

Giovanni Paolo Lomazzo, Idea del Tempio della Pittura (Mailand 1590). Hrsg. von Robert Klein. Bd. 1–2, Florenz 1974

London

London, The British Museum, Sloane Collection, Cod. 5228–5231

London 2002

Albrecht Dürer and his Legaci. The Graphic Work of a Renaissance Artist. Ausst.-Kat. British Museum. London 2002

Lücke 1991

Hans-Karl Lücke, Mercurius quadratus: Anmerkungen zur Anthropometrie bei Cesariano. In: Mitteilungen des Kunsthistorischen Instituts in Florenz. XXXV, 1991, S. 61–84

Bibliographie / Abkürzungen

Lüdecke/Heiland 1955 Heinz Lüdecke und Susanne Heiland, Dürer und die Nachwelt. Urkunden, Briefe, Dichtungen und wissenschaftliche Betrachtungen aus vier Jahrhunderten. Berlin 1955 Matiasek 2004/2005

Katarina Matiasek, Vermessene Menschenbilder. In: Blätter für Technikgeschichte. 66/67, 2004/2005, S. 215–236

Meder 1923

Joseph Meder, Die Handzeichnung. Ihre Technik und Entwicklung. 2. Auf l. Wien 1923

Meder 1932

Joseph Meder, Dürer-Katalog. Ein Handbuch über Albrecht Dürers Stiche, Radierungen, Holzschnitte, deren Zustände, Ausgaben und Wasserzeichen. Wien 1932

Melbourne 1994

Albrecht Dürer in the Collection of the National Gallery of Victoria. Ausst.-Kat. National Gallery of Victoria. Hrsg. von Irena Zdanowicz. Melbourne 1994

Mende 1971

Matthias Mende, Dürer-Bibliographie. Im Auftrage des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg zum Dürer-Jubiläumsjahr 1971. Wiesbaden 1971

Monge 1798

Gaspard Monge, Géométrie descriptive. Paris 1798 (deutsch: Leipzig 1900)

Mühlenberend 2007

Sandra Mühlenberend, Surrogate der Natur. Die historische Anatomiesammlung der Kunstakademie Dresden. München 2007

Müller 1910

Franz L. Müller, Die Ästhetik Albrecht Dürers. Straßburg 1910

Müller 1993

Peter O. Müller, Substantiv-Derivation in den Schriften Albrecht Dürers. Ein Beitrag zur Methodik historisch-synchroner Wortbildungsanalysen. Berlin 1993

Neudörffer 1875

Johann Neudörffer, Des Johann Neudörfer, Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg, Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547. Hrsg. von Georg Wolfgang Karl Lochner. Wien 1875

Nürnberg

Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent.V. App. 34aa

Nürnberg 1971

Albrecht Dürer 1471 1971. Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmusum Nürnberg. München 1971

Nürnberg 2008

Heilige und Hasen. Bücherschätze der Dürerzeit. Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Bearb. von Thomas Eser und Anja Grebe. Nürnberg 2008

Olschki 1919

Leonardo Olschki. Die Literatur der Technik und angewandten Wissenschaften vom Mittelalter bis zur Renaissance. Heidelberg 1919

Pacheco 1649

Francisco Pacheco, Arte de la pintura, su antiguedad y grandezas. Sevilla 1649

Pacioli/ Winterberg 1896

Luca Pacioli, Divina Proportione. Die Lehre vom Goldenen Schnitt. Hrsg. und übers. von Constantin Winterberg. Wien 1896

Panofsky 1915

Erwin Panofsky, Dürers Kunsttheorie, vornehmlich in ihrem Verhältnis zur Kunsttheorie der Italiener. Berlin 1915

Panofsky 1920/1998

Erwin Panofsky, Dürers Darstellungen des Apollo und ihr Verhältnis zu Barbari (1920). Nachdruck in: Erwin Panofsky. Deutschsprachige Aufsätze. Hrsg. von Karen Michels und Martin Warnke, I, Berlin 1998, S. 312–336

Panofsky 1921/1998

Erwin Panofsky, Die Entwicklung der Proportionslehre als Abbild der Stilentwicklung (1921). Nachdruck in: Erwin Panofsky. Deutschsprachige Aufsätze. Hrsg. von Karen Michels und Martin Warnke. Bd. 1. Berlin 1998, S. 31–72

Panofsky 1924

Erwin Panofsky, Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie. Leipzig/ Berlin 1924

Panofsky 1926/1998

Erwin Panofsky, Albrecht Dürers rhythmische Kunst. In: Jahrbuch für Kunstwissenschaft

371

372

Bibliographie / Abkürzungen

(1926). Nachdruck in: Erwin Panofsky. Deutschsprachige Aufsätze. Hrsg. von Karen Michels und Martin Warnke. Bd. 1, Berlin, 1998, S. 390–474 Panofsky 1940 Panofsky 1977

Erwin Panofsky, The Codex Huygens and Leonardo da Vinci‘s art theory. The Pierpont Morgan Library Codex M.A. 1139. London 1940 Erwin Panofsky, Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers. Deutsch von Lise Lotte Möller. München 1977

Parshall 1978

Peter W. Parshall, Camerarius on Dürer. Humanist Biography as Art Criticism. In: Joachim Camerarius 1500–1574. Beiträge zur Geschichte des Humanismus im Zeitalter der Reformation. München 1978, S. 11–29

Pauli 1927

Gustav Pauli, Dürers Monogramm. In: Festschrift für Max J. Friedländer zum 60. Geburtstage. Leipzig 1927, S. 34–40

Peiffer 1996

Jeanne Peiffer, La création d’une langue mathématique allemande par Albrecht Dürer. Les raisons de sa non-réception. In: Sciences et langues en Europe. Hrsg. von Roger Chartier und Pietro Corsi. Paris 1996, S. 79–93

Peiffer 1997

Jeanne Peiffer, Dürers Geometrie als Propädeutik zur Kunst. In: Wissenschaft, Technik, Kunst. Interpretationen, Strukturen, Wechselwirkungen. Hrsg. von Eberhard Knobloch. Wiesbaden 1997

Perrig 1997

Alexander Perrig, Leonardo: Die Rekonstruktion menschlicher Bewegung. In: Freiburger Universitätsblätter. 36, H. 138, Dez. 1997, S. 67–100

Pezza 2007

Marcello Pezza, Albrecht Dürer e la teoria delle proporzioni dei corpi umani, in appendice l’edizione del 1591. Rom 2007.

Pfeiffer 1977

Elisabeth Pfeiffer, Dürers Maßeinheiten und Werkzahlen in der Unterweisung der Messung. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. 64, 1977, S. 111–164

Pfisterer 2002

Ulrich Pfisterer, Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Eine Geschichte in Quellen. Stuttgart 2002

Piero della Francesca/ Piero della Francesca, De prospectiva pingendi. Hrsg. von Giusta Nicco-Fasola. Nicco-Fasola 1984 Florenz 1984 Platon/Apelt 1988

Platon, Sämtliche Dialoge. Bd. 4. Übers. von Otto Apelt. Hamburg 1988

Ploß 1952

Emil Ploß, Studien zu den deutschen Maler- und Färberbüchern des Mittelalters. Phil. Diss., Univ. München 1952 (Typoskript)

Püschel 1962

Fritz Püschel, Messen, Maßnehmen, Abformen am und für den menschlichen Körper. Berlin 1962

R

Dürer. Schriftlicher Nachlaß. Hrsg. von Hans Rupprich. Berlin. Bd. I (1956), II (1966), III (1969)

Raffael/ Camesasca 1994

Raffaello. Gli scritti. Lettere, firme, sonetti, saggi tecnici e teorici. Hrsg. von Ettore Camesasca. Mailand 1994

Reißer 1997

Ulrich Reißer, Physiognomik und Ausdruckstheorie der Renaissance. Der Einf luß charakterologischer Lehren auf Kunst- und Kunsttheorie des 15. und 16. Jahrhunderts. München 1997

Reske 2007

Christoph Reske, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Wiesbaden 2007

Reudenbach 1980

Bruno Reudenbach, In Mensuram humani corporis. Zur Herkunft der Auslegung und Illustration von Vitruv III 1 im 15. und 16. Jahrhundert. In: Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. von Christel Meier und Uwe Ruberg. Wiesbaden 1980, S. 651–688

Bibliographie / Abkürzungen

Ricci/Marías 2002

Fray Juan Andrés Ricci, La pintura sabia, Ms. 1659, Biblioteca de la Fundación Lázaro Galdiano, Madrid. Hrsg. von Fernando Marías und Felipe Pereda. Faksimiledruck. Bd. 1–2, Toledo 2002

Richter 1995

Fleur Richter, Die Ästhetik geometrischer Körper in der Renaissance. Stuttgart 1995

Ring 2005

Christian Ring, Dürers Lehre von menschlicher Proportion und ihre Rezeption im Kontext des Trattato dell’ arte de la pittura von Lomazzo. Magisterarbeit, Univ. Kassel 2005 (Typoskript)

Rodler 1531

Hieronymus Rodler, Eyn schön nützlich Buechlin und Underweisung der Kunst des Messens … . Simmern 1531 (Frankfurt 1546)

Rom 2007

Dürer e l’Italia. Ausst.-Kat. Commune di Roma, Scuderie del Quirinale. Hrsg. von Kristina Herrmann Fiore. Mailand 2007

Roriczer/Geldner 1999 Matthäus Roriczer, Das Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit. Die Geometria Deutsch, hrsg. von Ferdinand Geldner. Faks. der Orig.-Ausg. Regensburg 1486 und 1487/88. Neudr. Hürtgenwald 1999 Rupprich 1959 Hans Rupprich, Dürers Stellung zu den agnoetischen und kunstfeindlichen Strömungen seiner Zeit. In: Sitzungsberichte der Bayerischen Akadamie der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse. 1959,1, S. 19–31 Rupprich 1960/61

Hans Rupprich, Die kunsttheoretischen Schriften L.B. Albertis und ihre Nachwirkung bei Dürer. In: Schweizer Beiträge zur allgemeinen Geschichte. 18/19, 1960/61, S. 219–239

Schaar 1998

Eckhard Schaar, A newly discovered proportional study by Dürer in Hamburg. In: Master Drawings. 36, 1998,1, S. 59–66

Schadow 1834

Gottfried Schadow, Polyclet oder von den Maassen des Menschen nach dem Geschlechte und Alter … Berlin 1834

Schatzbehalter/ Bellm 1962

Stephan Fridolin, Der Schatzbehalter oder Schrein der waren Reichthümer des Heils und ewiger Seligkeit genannt. Nürnberg (Anton Koberger) 1491. Teilnachdruck. Kommentiert von Richard Bellm. Bd. 1–2. Wiesbaden 1962

Schauerte 2003

Thomas Schauerte, Albrecht Dürer. Das große Glück. Kunst im Zeichen des geistigen Auf bruchs. Ausst.-Kat. Kulturhistorisches Museum Osnabrück. Bramsche 2003

Scherbaum 2004

Anna Scherbaum, Albrecht Dürers Marienleben. Form, Gehalt, Funktion und sozialhistorischer Ort. Wiesbaden 2004

Schiffman 1991

Byron Charles Schiffman, Early New High German Technical Writings of Albrecht Dürer. Focus on Translation and Linear Syntax. (Ph.D. Berkeley/Calif. 1990). Ann Arbor 1991

Schlosser 1924

Julius von Schlosser, Die Kunstliteratur. Ein Handbuch zur Quellenkunde der neueren Kunstgeschichte. Wien 1924

Schmid 2002

Wolfgang Schmid, Nürnberger Kunst- und Graphikpreise der Dürerzeit. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. 2002, S. 241–252

Schoen 1538

Erhart Schoen, Unnderweissung der proportzion unnd stellung der possen, liegent und stehent abgestolen wie man das vor augen sicht in dem buchlein durch Erhart schon vonn Norennberg … Nürnberg 1538 (1540, 1542, mit angefügter Proportion des Pferdes)

Schreiber 2005

Peter Schreiber, Albrecht Dürers Geometrie aus heutiger Sicht. In: Kepler Symposium Philosophie und Geschichte der Mathematik. Vorträge aus dem Kepler Symposium 1995 bis 2005. Hrsg. von J. Maas, U. Langer, G. Larcher. Linz 2005, S. 85–107

Schreiber 2007

Peter Schreiber, Albrecht Dürers Proportionslehre aus der Sicht neuzeitlicher und computergestützter Bildproduktion In: „Es gibt für Könige keinen besonderen Weg zur Geometrie“, Festschrift für Karin Reich. Hrsg. von Gudrun Wolfschmidt. Augsburg 2007, S. 27–34

373

374

Bibliographie / Abkürzungen

Schröder 1980

Eberhard Schröder, Dürer, Kunst und Geometrie. Dürers künstlerisches Schaffen aus der Sicht seiner „Underweysung“. Basel 1980

Schulz 2007

Heribert Schulz, Die geometrische Überblendung der schönen Figur. Albrecht Dürer als Vorläufer Luca Cambiasos. In: Geometrie der Figur. Luca Cambiaso und die moderne Kunst. Von Heribert Schulz. Ausst.-Kat. Kulturgeschichtliches Museum, Osnabrück. Bramsche 2007, S. 11–28.

Schuster/Henry 1983

Hermann Schuster und Robert Henry, Anatomisches Taschenbuch für Künstler. Ravensburg 1983

Singer 1928

Hans Wolfgang Singer, Versuch einer Dürer-Bibliographie. 2.Auf l. Straßburg 1928

Speich 1957

Nikolaus Speich, Die Proportionslehre des menschlichen Körpers. Antike, Mittelalter, Renaissance. Zürich 1957

SporhanKrempel 1971

Lore Sporhan-Krempel, Dürerbücher in der Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. 58, 1971, S. 206–210.

Staigmüller 1891

Hermann Staigmüller, Dürer als Mathematiker. In: Programm des Königlichen Realgymnasiums in Stuttgart am Schlusse des Schuljahrs 1890/91. Stuttgart 1891, S. 3–59

Steck 1948

Max Steck, Dürers Gestaltlehre der Mathematik und der bildenden Künste. Halle a.S. 1948

Steck 1956

Max Steck, Albrecht Dürer als Schriftsteller. In: Forschungen und Fortschritte. 30, 1956, S. 344–347

Steinitz 1950/51

Kate Trauman Steinitz, A Pageant of Proportion in Illustrated Books of the 15th and 16th Century in the Elmer Belt Library of Vinciana. In: Centaurus. International Magazine of the History of Science and Medicine. 1, 1950/51, S. 309–333

Störig 1963

Das Problem des Übersetzens. Hrsg. von Hans Joachim Störig. Darmstadt 1963

Strauss 1972

Albrecht Dürer. The Human Figure. The Complete ‚Dresden Sketchbook‘. Hrsg. von Walter L. Strauss. New York 1972

Strauss 1987

Walter L. Strauss, Drawings: Construction versus invention. In: Drawings defined. Hrsg. von Walter Strauss und Tracie Felker. New York 1987, S. 197–216

Strauss/Drawings

Walter L. Strauss, The Complete Drawings of Albrecht Dürer. Bd. 1–6. New York 1974

Strauss/Drawings 5

Walter L. Strauss, The Complete Drawings of Albrecht Dürer. Bd. 5. Human Proportions. New York 1974

Thausing 1884

Moriz Thausing, Dürer. Geschichte seines Lebens und seiner Kunst. 2. Auf l. Bd. 1–2. Leipzig 1884

Thomae 1931/32

Walter Thomae, Dürers Proportionstheorien. In: Zeitschrift für bildende Kunst. 65, 1931/32, S. 200–207

Thomas 2002

Barbara Thomas, Adjektivderivation im Nürnberger Frühneuhochdeutsch um 1500. Eine historisch-synchrone Analyse anhand von Texten Albrecht Dürers, Veit Dietrichs und Heinrich Deichslers. Berlin 2002

Thompson 1917

D’Arcy Wentworth Thompson, On growth and form. Cambridge 1917 (zahlreiche Nachdrucke, zuletzt Cambridge 2000, deutsch 1973, 2006)

Tietze/Conrat 1928

Hans Tietze und Erika Tietze-Conrat, Der junge Dürer. Verzeichnis der Werke bis zur venezianischen Reise im Jahre 1505. Augsburg 1928

Tietze/Conrat 1932

Hans Tietze und Erika Tietze-Conrat, Neue Beiträge zur Dürer-Forschung. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien. N.F. 6, 1932, S. 115–140

Bibliographie / Abkürzungen

Tietze/Conrat 1937

Hans Tietze und Erika Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers. Bd. 2, Der reife Dürer. 1. Halbbd. Von der venezianischen Reise im Jahre 1505 bis zur niederländischen Reise im Jahre 1520, nebst Nachträgen aus den Jahren 1492–1505. Basel/Leipzig 1937

Tietze/Conrat 1938

Hans Tietze und Erika Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers. Bd. 2, Der reife Dürer. 2. Halbbd. Von der niederländischen Reise im Jahre 1520 bis zum Tode des Meisters 1528. Basel/Leipzig 1938

Trost 1859

Johann Joseph Trost, Die Proportionslehre Dürer’s nach ihren wesentlichen Bestimmungen in übersichtlicher Darstellung. Wien 1859

Trost 1866

Johann Joseph Trost, Proportionslehre mit einem Kanon der Längen-Breiten- und Profilmaasse aller Theile des menschlichen Körpers. Wien 1866

Ueberwasser 1935

Walter Ueberwasser, Nach rechtem Masz. Aussagen über den Begriff des Maszes in der Kunst des XIII.– XVI. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen. 56, 1935, S. 250–272

Van de Passe 1643/1972

Chrispijn van de Passe, Della luce del dipengere et disegnare … Van’t Light der Teken en Schilderkonst … De la lumiere de la peinture & de la designature … Vom Liecht der Reisz und Mahlkunst. Amsterdam 1643. Nachdruck: Soest 1972

Venedig 1999

Giandomenico Romanelli, Susanna Biadene, Camillo Tonini, A volo d’ ucello. Jacopo de’ Barbari e le rappresentazioni di cittá nell’ Europa del Rinascimento. Ausst.-Kat. Museo Correr di Venezia. Venedig 1999

Verspohl 1998

Franz-Joachim Verspohl, Die Entdeckung der Schönheit des Körpers. Von seiner maßästhetischen Normierung zu seiner bewegten Darstellung. In: Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder, 1500–2000. Hrsg. von Richard van Dülmen. Wien 1998, S. 139–157

Vitruv/ Fensterbusch 1964

Vitruv, Zehn Bücher über Architektur. Übers. und mit Anmerkungen versehen von Curt Fensterbusch. Darmstadt 1964

Vogtherr 1537

Heinrich Vogtherr, Ein Frembds und wunderbars kunstbuechlin allen Molern, Bildschnitzern, Goldschmiden, Steinmetzen, Schreinern, Platnern, Waffen und Messerschmiden hochnutzlich zu gebrauchen Der gleich vor nie keins gesehen oder inn den Truck kommen ist. Straßburg 1537 (1538, 1572, 1608)

Von der Osten 1983

Gert von der Osten, Hans Baldung Grien. Gemälde und Dokumente. Berlin 1983

W

Friedrich Winkler, Die Zeichnungen Albrecht Dürers. Bd. 1–4. Berlin 1936–1939

Weixlgärtner 1903

Arpad Weixlgärtner, Dürer und die Gliederpuppe. In: Beiträge zur Kunstgeschichte. Franz Wickhoff gewidmet. Wien 1903, S. 80–90

Weixlgärtner 1906

Arpad Weixlgärtner, Das Skizzenbuch von Albrecht Dürer in der Königl. öffentl. Bibliothek zu Dresden. Herausgegeben von Dr. Robert Bruck. Straßburg i. E. 1905. Rezension. In: Kunstgeschichtliche Anzeigen. Beiblatt der Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. 3, 1906, S. 17–32

Weixlgärtner 1927

Arpad Weixlgärtner, Alberto Duro. In: Festschrift für Julius Schlosser zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Arpad Weixlgärtner und Leo Planiscig. Zürich 1927, S. 162–186

Weixlgärtner 1954

Arpad Weixlgärtner, Von der Gliederpuppe. In: Årstryck. Göteborgs Konstmuseum, 1954, S. 37–70

Wien 2003

Albrecht Dürer. Ausst.-Kat., Wien, Albertina. Hrsg. von Klaus Albrecht Schröder und Maria Luise Sternath. Wien 2003

375

376

Bibliographie / Abkürzungen

Winterberg 1903

Constantin Winterberg, Über die Proportionsgesetze des menschlichen Körpers auf Grund von Dürers Proportionslehre. In: Repertorium für Kunstwissenschaft. 26, 1903, S. 1–19, 100–116, 204–218, 411–424

Witkowski 1924

Georg Witkowski, Textkritik und Editionstechnik neuerer Schriftwerke. Ein methodologischer Versuch. Leipzig 1924

Wittkower 1969

Rudolf Wittkower, Grundlagen der Architektur im Zeitalter des Humanismus. München 1969, Anhang 2 und 3 (S. 126–130)

Wölff lin 1963

Heinrich Wölff lin, Die Kunst Albrecht Dürers (1905). Darmstadt 1963

Wolfenbüttel 2001

Maß, Zahl und Gewicht. Mathematik als Schlüssel zu Weltverständnis und Weltbeherrschung. Ausst.-Kat., Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek. 2. Auf l. Wiesbaden 2001

Zahn 1866

Albert von Zahn, Dürer’s Kunstlehre und sein Verhältnis zur Renaissance. Leipzig 1866

Zeising 1854

Adolf Zeising, Neue Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers, aus einem bisher unerkannt gebliebenen, die ganze Natur und Kunst durchdringenden morphologischen Grundgesetze entwickelt und mit einer vollständigen historischen Übersicht der bisherigen Systeme. Leipzig 1854

Zöllner 1987

Frank Zöllner, Vitruvs Proportionsfigur. Quellenkritische Studien zur Kunstliteratur im 15. und 16. Jahrhundert. Worms 1987

Zöllner 1989

Frank Zöllner, Die Bedeutung von Codex Huygens und Codex Urbinas für die Proportionsund Bewegungsstudien Leonardos da Vinci. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. 52, 1989, S. 334–352

Zöllner 1990

Frank Zöllner, Policretior manu – zum Polykletbild der frühen Neuzeit. In: Polyklet. Der Bildhauer der griechischen Klassik. Ausst.-Kat. Frankfurt a. M., Liebieghaus, Museum alter Plastik. Hrsg. von Herbert Beck, Peter Cornelis Bol, Mareike Bückling. Mainz 1990, S. 450–472

Glossar

Im Glossar1 sind heutigen Tags unbekannte, ungeläufige sowie durch ihre Schreibweise schwer identifizierbare Wörter alphabetisch vereint. Die jeweils vermerkten Bedeutungen gelten in der Regel für die betreffenden Stellen in Dürers Proportionswerk. Die Wörter sind mit Schreibvarianten in der Weise ihres Erscheinens also nicht durchweg in der Grundform sowie grammatikalisch spezifiziert aufgelistet. Wo es nötig erschien, sind bei der Erstnennung im Abschnitt der Textübertragung zusätzliche Erläuterungen und Nachweise angemerkt.

bas hinab

weiter abwärts

baß

besser, (lat. melius)

baßgestalter (komp.)

besser gestaltet

beulet / beulette

gebeult

beyleufftig

beiläufig, en passant, zufällig, (lat. obiter)

blocket

stämmig

boltzete augen

Glotzaugen

bracht

Pracht

ab machen

porträtieren, wiedergeben

büglet / büglette

ge-/verbogen, buckelig

abgestolln

perspektivisch verkürzt

bühel

ablang

oblong, länglich

Hügel, hier: Schamhügel, Mons pubis

albeg

immer, stets, überall

campast

Kompass

allweg / alweg

immer, stets, überall

caracter

hier etwa: Symbol

alweg / allweg

immer, stets, überall

complexion

Charakter (astrol.)

an / on

ohne

dannacht

dennoch

art

Anfang-, Endpunkt

destpaß (adv.)

umso mehr

art der hüfft

Ort, Anfang der Hüfte

döchten (konj.)

taugten

augbrawen

Augenbrauen

augglider

Augenlid

driengelleyn / triengellein

Triangelchen, kleines Dreieck

augpraen

Augenbrauen

augstern

Pupille

auß streymen

ausstrahlen

außwendig erzeigung äußere Erscheinung babir

Papier

ballet

wulstig

barbild

Paar-Bild, Figurenpaar

barlini / barlinien (pl.) Parallele/n 1

Bearbeitung des Glossars durch Sabine Naumer, Kassel.

drum / trum

Teil eines größeren Stücks oder Ganzen, Kreisabschnitt

dryngt

drängt

düglich / tüglich

tauglich, geeignet

ecketz (adj.)

eckig

einpeissung

(von Beißen) Einbeugung, Eintiefung

erbeyter

Arbeiter

ertig

artig, sorgfältig

ertlein

Pünktchen, Tüpfelchen

378

G Glossar etwan

etwa, ein wenig

grubette

aus-/eingegraben, vertieft

eynfellig

einfällig, verständlich, einleuchtend

grym

grimmig Gewölbe

einzig

gwelber (pl.)

eynig

rückwärtig, rückseitig

lauter, rein, pur

hinderwertig

eytel

Gesäß

neben adv. als Verstärkung: sehr

hind’n patzen

fast

höckerig, höckerförmig

Fehler, Mangel

hocket

fel

Höhlung, Eintiefung

fern, abgelegen

holkele

fer / ferrer (comp.)

Haar

f leischig, korpulent

hor

f leyschechtig

oberer Beginn der Hüfte

weiter, weiter fort

hüfft art

fürbaß

aus Holz

zuvorkommen, verhindern, vermeiden

hültzen

fürkumen

kantlich

kenntlich, erkennbar

fürsichtig

von vornansichtig, vorderseitig

kantlich abmachen

erkennbar wiedergeben

fürt

fortan, ferner, anschließend

kinbacken

Kinnlade

fürwertig

von vorn, vorderseitig

knorren

Knöchel

geberd

Posen, Haltungen, Gesten

knorret

knorrig

gebrech / geprech

Gepräge

kolbet meuler

klobige Münder

geeder

Geäder, Gesamtheit der Adern

kolbet nasen

kolbenförmige Nasen

geferdt / geuerd (f.)

Gefahr

geferdt (n.)

Fährte, Ziel

gegengesicht

Modell, Vorlage

gekrüpfft

gebogen, gestaucht

geleint / geleynt (inf.: leynen)

gelehnt

gemel

Gemälde, Zeichnung

gemerck

Marke, Markierung

gepossiert (inf.: possieren)

in Bosse, in Rohform gebracht

geprech / gebrech

Gepräge

gerumpfen

faltig, runzelig

geschicklickeit

Schicklichkeit, Angemessenheit, Gefälligkeit

geschlecht

Gattung, (lat.: genus)

geschrenckt

verschränkt, gegittert

gestracks

in gerader Richtung

geuerd / geferdt (f.)

Gefahr

glid / glider (pl.)

meist Gelenk, auch Körperabschnitt

glyd

meist Gelenk, auch Körperabschnitt oder Augenlid

goldfinger / goltfinger Ringfinger

krüpffen / gekrüpfft / krüfft biegen, stauchen künstner

Künstler

lebisch

wie ein Löwe, löwengleich

lebs / lebsen (pl.)

Lippe, Lippen

leffzen

Lippen

leuter / leutrer (komp.)

klar, lauter, eingehend, f leißig

leyb / leib

Körper, meist im Sinne von Rumpf

leynen

lehnen

maus

Armmuskel, Bizeps

meinung / meynung

Lehre, Lektion, Regeln, Methode, Lehrmeinung

mendlein

Männlein, Penis beim Kind

meniglich

jeder, jeglicher

messen

aus Messing

meynung / meinung

Lehre, Lektion, Regeln, Methode, Lehrmeinung

miltiglich

wohltätig

mollet / molleter (komp.)

mollig, korpulent

muncket

dick, breit

murret

kurz, krumm, mürrisch

Glossar

nachnen

vermutlich Satzfehler: nähern

nacket

nackte Gestalt, Nackheit

naspelle

Nasenf lügel

nebensichtig

von der Seite

nieren / nyren

Hoden

notturfft, notturfftig

im Sinne von Notwendigkeit, notwendig

nutzer (komp.)

nützlicher

nyren / nieren

Hoden

odern

Adern, auch Sehnen

öff lich

oft, häufig

on / an

ohne

ortlini

schräge Linie, Diagonale

pallen

Ballen, Wulst

pf lechsten nasen

breit-, f lachgedrückte Nase

planus / plani (pl.)

Fläche

posse / possen (pl.)

Form, Bosse, Entwurf, Rohform

prawen

Augenbrauen

pug

Einbiegung

quadrant

Viertelkreis

quallet

quellend, geschwollen, geschwellt

rautens weyß

nach Art einer Raute, rautenförmig

rechter winckelhocken/-hacken

rechter Winkel(-haken)

reissen

zeichnen, reißen

richtscheyt

Lineal

rist / ritz

Rist, Spann (des Fußes)

ritz / rist

Rist, Spann (des Fußes)

rünsen

Falte, Wulst, Runzel

rynlein (dim.)

Rinne, Nasenrinne

schlecht (adj.)

eben, glatt, gerade

schleme (lini) (adj.)

schräg, schief, diagonal

schleme (subst.)

Schräge, Diagonale

schrauffens weys

in Form einer Schraube, schraubenartig

schyr

gänzlich, vollends

seltzam

ausgefallen, verwunderlich, köstlich

senne

Sehne

spannader (ob der ferschen)

Achillessehne (über der Ferse)

staff lecht

gestuft, stufenförmig

steet

fest, unverändert

triengellein / driengelleyn

kleine Dreiecke (Triangel)

trollen / tröllen

Wamme, Unterkinn, Wulst

trug

Druck

trum / drum

Teil eines größeren Stücks oder Ganzen, Kreisabschnitt

tütlein

Brustwarze

überkommen

erwerben, in die Gewalt bekommen

vber ort

schräg, diagonal

vberzwerch

quer

verstand

Einsicht, Verständnis

verzeichung

Markierung

vierung

Viereck

vierwitz

Fürwitz, Übermut

vngefert

ungefähr, ohne Absicht

vnkünnenden

die Unwissenden

vnnenlich

unnennbar, unzählig, unzählbar

vxe / vxen / üxen / vchse

Achsel / Achseln (Achselhöhlen)

wags

Wachs

wall

Wahl, Entscheidung

weitorfft

Weite, größerer Maßstab

wertzlein

Brustwarzen

weyß (subst. oder compositum)

Weise (modus)

widersins

im Gegensinn

widerumb

im Gegensinn, gegenläufig, umgekehrt

widerwerdig

im Gegensinn

wirdet innen

inne werden, einsehen

wirwel

Wirbel

wolstand

Wohlgeformtheit, Eleganz, Schönheit

wüne

Furche, Vertiefung

würstet

wurstförmig, wulstig

zottet

zottig

zwerch

quer

379

380

G Glossar zwerchlini

Querlinie, Horizontale (rechtwinkelig zu einer Geraden)

Abbildungsnachweis

1

Anonymus, Uomo delle malattie.Aus: Ketham 1494; Holzschnitt (Archiv Verfasser) 2 Anonymus, Mann mit anatomischer Nomenklatur.Aus: Hundt 1501, fol. G4v; Holzschnitt (Archiv Verfasser) 3 Hans Brosamer, Mann und Weib von starker Statur; Holzschnitt (Archiv Verfasser) 4 Dürer, Die Typen A, B, D, E auf gleiche Kopfhöhe und entsprechende Körperlänge berechnet (Montage des Verfassers) 5 Dürer, Die Typen C und CI, Mann und Weib, in geschlechtsspezifisch proportionaler Körperlänge (Montage des Verfassers) 6 Wolgemut-Werkstatt, Linke Hand als mnemotechnische Hilfe, Merkzahlen 1–50.Aus: Schatzbehalter 1491, fol. E6v; Holzschnitt (Archiv Verfasser) 7 a/b Dürer, Der Mann Nr. 277.41 mit beiden ihm gemäßen Frauen Nr. 277.42 und Nr. 277.44 in geschlechtsspezifisch proportionaler Körperlänge, -breite und -tiefe, frontal; dieselben Figuren in Seitenansicht (Nr. 277.40 sowie 277.41, 44) (Montage des Verfassers) 8 a/b Dürer, Homo ad circulum; von vorn, von hinten; Dresden, fol. 112v, 113r; Feder (Bruck Nr. 36, 37) 9 Dürer,Typ A; verlängert um ein Viertel mittels Rechner; proportional auf Ausgangslänge verkleinert mittels Rechner; Dürers Ergebnis mittels „Verkehrer“: Nr. 277.76 (Montage des Verfassers) 10 Dürer, Der Mann Nr. 277.112, mit dem „zweiten Fälscher“ verändert, und sein Modell Nr. 277.69 mit verlängerten „Zwerchlinien“ (Montage des Verfassers) 11 Dürer, Mann von acht Kopflängen in bewegter Haltung; Dresden, fol. 110r; Feder (Bruck Nr. 11) 12 Dürer,Adam & Eva im Kupferstich von 1504 (angeschnitten) im Vergleich mit den Bewegungsposen von Mann und Frau Nr. 277.120, 277.122 sowie 277.129, 277.131 (Montage des Verfassers) 13 Wimperg, Seiten- und Grundriß.Aus: Roriczer, Geometria deutsch, 1487/1488; Dürer, Mann als stereometrische Figur (Nr. 277.137), Seiten-,Vorderansicht, Grundriß (Montage des Verfassers) 14 Dürer, Skizzenblatt mit bewegter kubischer Figur, Körperkuben und Gliederpuppe; Dresden, fol. 143r; Feder (Bruck Nr. 62) 15 Dürer, Bewegte männliche Figur von der Seite, von vorn; jeweils recto, dat. 1526; Feder,Tusche; London, British Museum (W 929, 930)

16

Dürer, Skizze und Reinzeichnung einer bewegten Figur (auf gesondertem Blatt eingeklebt); Dresden, fol. 136v; Feder (Bruck Nr. 64) 17 Dürer, Reinzeichnung einer bewegten kubischen Figur; Körperschnitte von unten und oben gesehen; Dresden, fol. 144r; Feder 18 Dürer, Linienschnörkel; Nürnberg, fol. 144r, ca. 1513 (R II, S. 211); Feder (Nürnberg, Stadtbibliothek) 19 Dürer, Mann von acht Kopflängen, nach geometrischer und arithmetischer Methode; Dresden, fol. 132r; Feder (Bruck Nr. 52) 20 Dürer, Frau von acht Kopflängen, dieselbe Frau sitzend, freihändig gezeichnet; Dresden, fol. 151r; Feder (Bruck Nr. 86) 21 „Klafter von St. Lorenz“, Maßeinheit für Nürnberger Grabsteine; Nürnberg, St. Lorenz (Archiv Verfasser) 22 Dürer, Frau von sieben Kopflängen; Dresden fol. 20r; Feder (R III; Abb. 154) 23 a/b Dürer, Frau von acht Kopflängen in drei Ansichten, Konstruktions- und Reinzeichnung; Dresden, fol. 152v, 152 r; Feder (Bruck Nr. 93, 94) 24 Dürer, Die Frau Nr. 277.33, Meßpunkte in der Profilansicht, ohne „Gestaltlinien“ (Montage des Verfassers) 25 Dürer, Die fünf Frauen aus Buch I: Typ AI – EI, frontal (Montage des Verfassers) 26 Dürer, Die fünf Frauen aus Buch I: Typ AI – EI, seitlich (Montage des Verfassers) 27 Dürer, Nemesis („Das große Glück“), im Profil freigelegt; Kupferstich (Montage des Verfassers) 28 Dürer, Die acht Männer aus Buch II, seitlich (Montage des Verfassers) 29 William Hogarth,Analysis of Beauty, Pl. I (Ausschnitt): Künstler mit Proportionsbuch.Aus: Hogarth 1753, Pl. I, 55; Kupferstich (Hogarth 1753) 30 Erhart Schoen, Fünf stereometrische bewegte Figuren in zentralperspektivischem Raum.Aus: Schoen 1538, Figur 10; Holzschnitt (Archiv Verfasser) 31 Heinrich Lautensack, Skelett,Vorderansicht, stereometrische Figur eines Mannes von acht Kopflängen.Aus: Lautensack 1564, fol. 36r; Holzschnitt (Archiv Verfasser) 32 Heinrich Lautensack, Bewegte Figur eines Mannes in Seitenansicht, dieselbe Figur stereometrisch.Aus: Lautensack 1564, fol. 46r; Holzschnitt (Archiv Verfasser)

382 33 34 35 36 37 38 39 40 41

Anonymus, Männliche und weibliche Proportionsfigur.Aus: Lomazzo 1598/1970, S. 36; Kupferstich (Archiv Verfasser) Chrispijn van de Passe, Proportionsfigur einer feisten Frau von sieben Kopflängen.Aus:Van de Passe 1643/1972,Teil 3, I; Kupferstich (Archiv Verfasser) Chrispijn van de Passe,Ansicht dieser Frau.Aus:Van de Passe 1643/1972,Teil 3, II; Kupferstich (Archiv Verfasser) Chrispijn van de Passe, Diese Frau bewegt.Aus:Van de Passe 1643/1972,Teil 3, III; Kupferstich (Archiv Verfasser) Juan Andrés Ricci, Männliche Proportionsfigur in Vorderansicht.Aus: Ricci/Marías 2002, fol. 95; Feder (Archiv Verfasser) Juan Andrés Ricci, Äußere Anatomie der Frau,Vorderansicht.Aus: Ricci/Marías 2002, fol. 83; Feder (Archiv Verfasser) Juan Andrés Ricci, Menschliches Skelett in Rück- und Seitenansicht.Aus: Ricci/Marías 2002, fol. 52; Feder (Archiv Verfasser) Illustration zur kontinuierlichen Verformung: Die Klaue des Tapirs, Dürers verzerrte Profilköpfe (Nr. 277.91).Aus: Thompson 1917,Abb. 138, 139 Anthropometrische weibliche Figur von mittlerem Maß in Vorder- und bewegter Seitenansicht.Aus: Dreyfuss 1993, S. 24, 25