Erziehung zur Tugend: Frauenrollen und der englische Roman um 1800 [Reprint 2015 ed.] 9783110919141, 9783484421349

This study is designed as a contribution to gender studies; it examines the (various different) ways in which gender rol

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Erziehung zur Tugend: Frauenrollen und der englische Roman um 1800 [Reprint 2015 ed.]
 9783110919141, 9783484421349

Table of contents :
Einleitung: Edgeworth, Letters for Literary Ladies
1 Frauenerziehung und Roman um 1800
1.1 Frauenerziehung im 18. Jahrhundert
1.1.1 Probleme der Forschung
1.1.2 Grundlagen der Erziehungsdiskussion
1.1.3 Erziehungsdiskussion in conduct books
1.2 Der englische Roman um 1800: Probleme der Forschung
1.2.1 Bewertung des Romans um 1800
1.2.2 Subgenre-Kategorien der Epoche
1.2.3 Das Didaktizismusproblem
1.2.4 Jane Austen und der Roman um 1800
2 Der weibliche Erziehungsroman, 1778-1814
2.1 Erziehung als Thema des weiblichen Erziehungsromans
2.2 Fiktionale Strategien und moralische Autorität
2.2.1 Erzählperspektive in Edgeworths Belinda und Leonora und Bruntons Discipline
2.2.2 Erzählstruktur in Smiths Emmeline, Inchbalds A Simple Story und Hamiltons Memoirs of Modern Philosoph ers
2.3 Mentorfiguren und moralische Autorität: Opies Adeline Mowbray und Edgeworths Patronage
2.4 Erziehungsziele I: Literarische und ästhetische Erziehung
2.4.1 Ossian-Rezeption in Hamiltons Munster Village und Owensons The Wild Irish Girl
2.4.2 Romanrezeption in Edgeworths “Angelina” und Austens North anger Abbey
2.4.3 Ästhetische Erziehung in Radcliffes The Mysteries of Udolpho und Austens Mansfield Park
2.5 Erziehungsziele II: Generelle Erziehungsziele
2.5.1 Sensibility in Hays’ Memoirs of Emma Courtney und Austens Sense and Sensibility
2.5.2 Die Frau in der Gesellschaft: Wollstonecrafts The Wrongs of Woman; or, Maria und Mores Coelebs in Search of a Wife
3 Die vier Romane Fanny Burneys
3.1 Grundzüge des weiblichen Erziehungsromans in Burneys Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer
3.2 Erzählperspektive in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer
3.3 Erzählstruktur in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer
3.4 Männliche Mentorfiguren in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer
Schlußbemerkung: Waverley und der weibliche Erziehungsroman
Bibliographie I: Primärtexte
Bibliographie II: Sekundärliteratur

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B U C H R E I H E DER A N G L I A ZEITSCHRIFT FÜR ENGLISCHE

PHILOLOGIE

Herausgegeben von Stephan Kohl, Karl Reichl, Hans Sauer, Hans Ulrich Seeber und Hubert Zapf 34. Band

SILVIA

MERGENTHAL

Erziehung zur Tugend Frauenrollen und der englische Roman um 1800

MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN l

997

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme [Anglia / Buchreihe] Buchreihe der Anglia : Zeitschrift für englische Philologie. Tübingen : Niemeyer Früher Schriftenreihe Buchreihe zu: Anglia Bd. 34. Mergenthal, Silvia: Erziehung zur Tugend. - 1997 Mergenthal, Silvia Erziehung zur Tugend : Frauenrollen und der englische Roman um 1800 / Silvia Mergenthal. - Tübingen : Niemeyer, 1997 (Buchreihe der Anglia ; Bd. 34) Zugl.: Erlangen-Nürnberg, Univ., Habil.-Schr., 1994 ISBN 3-484-42134-7

ISSN 0340-5435

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. K G , Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten Einband: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach

In the National Portrait Gallery hangs a picture of Mary Wollstonecraft, a picture of her as she was a few months before her death. I remember the child I was when I saw it first, haunted by the terror of youth before experience. I wanted so desperately to know how other women had saved their souls alive. And the woman in the little frame arrested me, this woman with the auburn hair, and the sad, steady, lightbrown eyes, and the gallant poise of the head. She had saved her soul alive; it looked out from her steady eyes unafraid. The price, too, that life had demanded of her was written ineradicably there. But to me, then, standing before her picture, she was content. And in the light of that content, I still spell out her life. Ruth Benedict Wie das gesellschaftliche Wesen nun einmahl ist, müssen die Weiber Romane lesen, davon bin ich überzeugt, was auch, dem Moral-Schlendrian zu Ehren, darüber - in den Wind gepredigt wird. Da es nun hauptsächlich das weibliche Geschlecht ist, welches Romane liest und lesen muß, so dünkt es mich für die Sittlichkeit günstig, wenn es, wie in Britannien, weibliche Federn sind, die ein so unentbehrliches Product verarbeiten, und ich wünschte, daß auch in Deutschland Frauen vom Stande und gutem Ton ihre Talente anwenden möchten. Ich wünschte deshalb sehr, daß die Männer, da sie den weiblichen Geschmack nicht von Grunde aus bilden wollen oder können, ihn seinen eigenen Gang gehen ließen, der, von unverdorbenem Gefühl geleitet, so schlimm nicht ist; und daß sie ihn nicht irre machten, durch ihr Geschrei von sentimentalem Gift, Tugendleyerei, Eintunken der Feder in Wasser, und was dergleichen tröstliche und ermunternde Aeußerungen über weibliche Schriftstellerey noch mehr seyn mögen. Es ist mit all diesen Beschuldigungen nicht so arg, als die Herren, die oft das so hart Verdammte nicht gelesen haben, sich und der Welt vorstellen möchten. Emilie von Berlepsch

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Die vorliegende Arbeit ist die gekürzte Fassung einer Habilitationsschrift, die im Jahr 1994 von den beiden Philosophischen Fakultäten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angenommen wurde. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben: bei meinem akademischen Lehrer, Prof. Dr. Karl Josef Höltgen, bei den Gutachtern und den übrigen Mitgliedern der Habilitationskommission und des erweiterten Prüfungsausschusses, bei meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Anglistik und Amerikanistik und bei den Mitgliedern der Kommission für Interdisziplinäre Frauenforschung. Englischsprachige Vorworte schließen in der Regel mit dem Hinweis, daß die Vorzüge der Arbeit den im Vorwort Genannten zugerechnet werden müßten, während die Schwächen allein in der Verantwortung der Schreibenden lägen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Erlangen, im März 1996

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Silvia Mergenthal

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Edgeworth, Letters for Literary Ladies

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Frauenerziehung und Roman um 1800 1.1 Frauenerziehung im 18. Jahrhundert 1.1.1 Probleme der Forschung 1.1.2 Grundlagen der Erziehungsdiskussion 1.1.3 Erziehungsdiskussion in conduct books 1.1.3.1 Zur Klassifikation von conduct books 1.1.3.2 Wollstonecrafts Vindication und Mores Strictures 1.1.3.3 Zwei semifiktionale conduct books 1.2 Der englische Roman um 1800: Probleme der Forschung 1.2.1 Bewertung des Romans um 1800 1.2.2 Subgenre-Kategorien der Epoche 1.2.3 Das Didaktizismusproblem 1.2.4 J a n e Austen und der Roman um 1800

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Der weibliche Erziehungsroman, 1778-1814

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2.1 Erziehung als Thema des weiblichen Erziehungsromans . . 2.2 Fiktionale Strategien und moralische Autorität 2.2.1 Erzählperspektive in Edgeworths Belinda und Leonora und Bruntons Discipline 2.2.2 Erzählstruktur in Smiths Emmeline, Inchbalds A Simple Story und Hamiltons Memoirs of Modern Philosophers 2.3 Mentorfiguren und moralische Autorität: Opies Adeline Mowbray und Edgeworths Patronage 2.4 Erziehungsziele I: Literarische und ästhetische Erziehung 2.4.1 Ossian-Rezeption in Hamiltons Munster Village und Owensons The Wild Irish Girl 2.4.2 Romanrezeption in Edgeworths "Angelina" und Austens Northanger Abbey

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140 160 175 176 186 VII

2.4.3

Ästhetische Erziehung in Radcliffes The Mysteries of Udolpho und Austens Mansfield Park 2. j Erziehungsziele II: Generelle Erziehungsziele 2.5.1 Sensibility in Hays' Memoirs of Emma Courtney und Austens Sense and Sensibility 2.5.2 Die Frau in der Gesellschaft: Wollstonecrafts The Wrongs of Woman; or, Maria und Mores Coelebs in Search of a Wife 3

Die vier Romane Fanny Burneys 3.1 Grundzüge des weiblichen Erziehungsromans in Burneys Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer 3.2 Erzählperspektive in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer 3.3 Erzählstruktur in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer 3.4 Männliche Mentorfiguren in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer

205 223 224

241 261

261 276 291 306

Schlußbemerkung: Waverley und der weibliche Erziehungsroman

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Bibliographie I: Primärtexte Bibliographie II: Sekundärliteratur

330 335

VIII

Einleitung: Edgeworth, Letters for Literary Ladies Im Jahr 1795 erscheint bei dem Londoner Verleger Joseph Johnson das Erstlingswerk der angloirischen Schriftstellerin Maria Edgeworth, Letters for Literary Ladies. To Which is Added, An Essay on the Noble Science of Self-Justification.1 Edgeworths Text besteht aus drei Teilen, dem bereits im Titel genannten Essay, dem "Letter from a Gentleman to his Friend upon the Birth of a Daughter, with the Answer" und den "Letters of Julia and Caroline". Das Thema, das die drei Texte miteinander verbindet, wird vom gentleman des ersten Briefwechsels eingeführt: A s I know it to be your opinion, that it is in the power of education, more certainly than it was ever believed to be in the power of Fairies, to bestow all mental gifts; and as I have heard you say that education should begin as early as possible, I am in haste to offer y o u my sentiments, lest my advice should come too late.2

Im ersten der beiden Briefwechsel werden die Korrespondenten ihre unterschiedlichen Positionen zur Frauenerziehung artikulieren, und der zweite Briefwechsel wird die Konsequenzen richtiger und falscher Erziehung an den Lebensläufen der Freundinnen Julia und Caroline aufzeigen; der Essay schließlich ist eine Satire auf falsch erzogene Frauen, die ihre Ziele durch Manipulation erreichen wollen, ein Thema, dem sich Edgeworth ein zweites Mal in ihrem Roman The Modern Griselda zuwenden wird. Das 18. Jahrhundert, an dessen Ende uns Edgeworths Text begegnet, kann als ein Jahrhundert der Erziehungsdiskussion bezeichnet werden, als eine Epoche, der durch die Erziehungstheorien Lockes, Rousseaus und vieler anderer ein neues Verständnis menschlicher Entwicklungsprozesse erwächst. Mit „Erziehung" sei hier und im folgenden ein Bedeutungsfeld skizziert, das, analog zum englischen education, tendenziell die Bereiche Erziehung, Bildung und Sozialisation umfaßt. 1

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Im folgenden zitiert nach dem Garland-Nachdruck von 1974 (ed. Gina Luria, New York, 1974; The Feminist Controversy in England Series) Ibid., S. I.2 I

Die Erziehungsdiskussion des 18. Jahrhunderts ist ein Bestandteil des aufklärerisch-bürgerlichen Diskurses, der das Wesen und die Rolle des Individuums in einer sich verändernden Gesellschaft neu bestimmt und damit die Veränderungen dieser Gesellschaft nicht nur kritisch begleitet, sondern auch seinen Beitrag zu ihnen leistet. Zum radikalsten Ausdruck gesellschaftlichen Wandels wird, wenige Jahre vor der Entstehung unseres Textes, die Französische Revolution. In ihrer Folge gerät die Erziehungsdiskussion in das Spannungsfeld zwischen revolutionärer Begeisterung und zunehmender politischer Repression. Indizien dieser politischen Repression sind in Großbritannien etwa die Hochverratsprozesse der Jahre 1793 und 1794; daneben werden Bürgerrechtsgruppen wie die sogenannten corresponding societies verboten, wird die Habeaskorpus-Akte auf unbestimmte Zeit suspendiert. Einer der Angeklagten im Londoner Hochverratsprozeß von 1794 ist übrigens Hörne Tooke, dessen Texte wie die Thomas Paines, William Godwins, Mary Wollstonecrafts - und Maria Edgeworths - von Joseph Johnson verlegt werden. Johnson selbst wird 1797 wegen eines Flugblatts, das er für den Radikalen Gilbert Wakefield gedruckt hat, zu einer Geld- und Gefängnisstrafe verurteilt. In der Literaturwissenschaft gilt das 18. Jahrhundert als die Epoche der Entstehung des englischen Romans; diese Textform, durch die und in der sich das Bürgertum artikuliert, wird zu einem Vehikel des aufklärerisch-bürgerlichen Diskurses. Allerdings werden die Jahrzehnte zwischen dem Tod des letzten der vier „großen" Romanautoren Richardson, Fielding, Sterne und Smollett, Tobias Smollett, im Jahr 1771 und dem Erscheinen von Scotts erstem historischen Roman, Waverley; or, 'Tis Sixty Years Since, im Jahr 1814 häufig als eine Phase der Stagnation, ja des Niedergangs des Genres interpretiert; hier findet die Literaturwissenschaft Argumentationshilfen in der Literaturkritik der Epoche vor, die polemisch zeitgenössische Inferiorität und historische Respektabilität des Romans kontrastiert. Jane Austen, die ihren ersten Roman, Sense and Sensibility, 1 8 1 1 veröffentlicht, wird in diesem Szenarium zu einer singulären Lichtgestalt, deren innovative Leistung nur dann erklärbar scheint, wenn man sie unmittelbar aus der Tradition der „großen" Autoren ableitet. Generell konzentriert sich das Interesse der Literaturwissenschaft am Jahrzehnt zwischen 1790 und 1800 denn auch auf eine andere Gattung als den Roman, auf die Lyrik. William Blakes Songs of Experience erscheinen 1793, vier Jahre nach seinen Songs of Innocence, die Lyrical Ballads von Wordsworth und Coleridge 1798; auch Blake ist übrigens ein Bekannter Joseph Johnsons, der ihm immer wieder Aufträge als Illustrator verschafft, beispielsweise für die zweite Auflage von Mary Wollstone2

crafts Original Stories 1796. Vor allem die Lyrical Ballads gelten in der Literaturwissenschaft als ein Meilenstein, als der Beginn einer neuen literarischen Epoche in England, der Romantik; entsprechend werden die charakteristischen Merkmale der englischen Romantik häufig aus der Lyrik, speziell aus der Lyrik der sechs „großen" Autoren der ersten und zweiten Romantikergeneration, abgeleitet. Texte aus den anderen Gattungen weisen diese Merkmale häufig nicht auf und können nur nach einer Erweiterung des Kriterienkatalogs - oder durch eine Reduzierung auf den bloßen Synchronismus - als „romantisch" bezeichnet werden; die Alternative, die im folgenden gewählt werden wird, ist ein weitgehender Verzicht auf die Epochenbezeichnung. Die Literary Ladies in Edgeworths Titel verweisen auf ein drittes Phänomen, das - neben Erziehungsdiskussion und Entstehung des Romans - das 18. Jahrhundert in Großbritannien charakterisiert, nämlich auf die wachsende Beteiligung von Frauen, als Leserinnen und als Autorinnen, an der literarischen Produktion. Für die Erziehungsdiskussion, und auch an ihr partizipieren Frauen, - in Großbritannien bedeutet dies, daß die weibliche Erziehung, das Wesen, die Rolle und die gesellschaftliche Funktion der Frau, zu einem ihrer thematischen Schwerpunkte wird. Die zeitgenössische Literaturkritik diskutiert analog die Gefahren, die von bestimmten literarischen Genres, vor allem vom Roman, auf die fair readers ausgehen können, aber auch die didaktischen Möglichkeiten, die der Roman speziell für eine weibliche Leserschaft, und speziell für Autorinnen, bereithält. Der erste der Briefwechsel, aus dem sich Edgeworths Letters for Literary Ladies konstituieren, erweckt den Eindruck, als führte er mitten in eine Diskussion hinein, in der bestimmte Argumente eine lange Vergangenheit haben und bestimmte Begriffe entsprechend ideologisch überfrachtet sind; offenbar rekapitulieren die Erziehungstexte des Jahrzehnts zwischen 1790 und 1800 immer wieder die Positionen des Jahrhunderts in seiner Gesamtheit. Die beiden Korrespondenten sind auf ihre jeweilige Rolle als Exponenten unterschiedlicher Einstellungen zur Frauenerziehung innerhalb des aufklärerisch-bürgerlichen Diskurses reduziert. Der eine von ihnen, der gentleman, schließt aus der im Vergleich zu der des Mannes geringeren Körperkraft der Frau auf ihre angeborene intellektuelle und moralische Inferiorität. Diese sei nur dadurch zu kompensieren, daß man in der Frau so früh wie möglich einen moralischen Instinkt ausbilde, indem man die häufig - und zu Unrecht - als prejudice geschmähten Lebenserfahrungen und Maximen der Elterngeneration an sie weitergebe. 3

Der andere Korrespondent verweigert sich der Leib-Seele-Analogie des gentleman und betrachtet das intellektuelle und moralische Gefälle zwischen den Geschlechtern nicht als naturgegeben, sondern als gesellschaftlich vermittelt und daher als durch vernunftorientierte erzieherische Maßnahmen ausgleichbar. In das Spannungsfeld zwischen prejudice und reason gerät den Briefpartnern auch die literarische Betätigung der Frau: Während sich der gentleman im Falle von prejudice bemüht hat, einen von seinem Freund abgewerteten Begriff zu rehabilitieren, versucht er nun, eine vom anderen ideologischen Lager offenbar akzeptierte Personengruppe, die der literary ladies, als „weibliche Pedanten" zu diskreditieren. Hierzu bemerkt sein Freund milde, daß die Wendung literary ladies durchaus positive Konnotationen haben könne, imaginiert aber seinerseits intellektuell interessierte Frauen eher als Rezipientinnen denn als Produzentinnen literarischer Texte. Beiden Korrespondenten ist nämlich gemeinsam, daß sie von der Warte der Identifikation mit dem eigenen männlichen Geschlecht aus vor allem utilitaristisch argumentieren und die häuslichen und relativen Pflichten der Frau als Tochter, Ehefrau und Mutter affirmieren; eine Spezialisierung oder gar eine Berufstätigkeit außerhalb des Hauses ist auch in dem zweiten der beiden Erziehungsmodelle nicht vorgesehen. Die Korrespondentinnen des zweiten Briefwechsels werden, im Unterschied zu den ersten beiden Korrespondenten, sowohl mit einem Namen als auch mit individuellen Charakterzügen und Lebensläufen ausgestattet; bei den "Letters of Julia and Caroline" handelt es sich um einen epistolarischen Kurzroman, dessen - freilich skizzenhafte - Handlung sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt. "Letter from a Gentleman to his Friend upon the Birth of a Daughter, with an Answer" und "Letters of Julia and Caroline" verhalten sich zueinander wie These und Exemplum: Julia ist eine literarische Figur, die als ein Produkt der Erziehung gelten kann, die der gentleman des ersten Briefwechsels einer Frau angedeihen lassen will, und die die Vorurteile dieses gentleman gegenüber Frauen teilt; Caroline beweist hingegen, daß sie durch ihre Erziehung, die nach den Empfehlungen des Freundes auf die Ausbildung ihrer Vernunft und ihrer intellektuellen Fähigkeiten ausgerichtet war, nicht für ihre häusliche Rolle disqualifiziert worden ist. Diese häusliche Rolle übt Caroline übrigens in einem bürgerlichen Haushalt ohne die repräsentativen Verpflichtungen aus, die der adeligen Frau auferlegt sind; anders als Aristokratinnen verfügt sie frei über ihre Zeit und erzieht ihre Kinder selbst, - weswegen die Erziehung der bürgerlichen Frau von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung ist. Caroline ist eine literary lady in dem 4

positiven Sinn, den der Freund des ersten Briefwechsels dieser Wendung verleiht; ihre intellektuellen Neigungen befähigen sie dazu, sich schriftlich zu artikulieren, wenn auch zunächst noch in einer privaten literarischen Form, dem Brief. In beiden Briefwechseln bedient sich Edgeworth vergleichbarer Begrenzungsstrategien: In beiden Fällen haben die vernünftigen, „aufgeklärten" Briefe das letzte Wort. Trotzdem kann der zweite Briefwechsel eine gewisse Sympathie für die „gefallene" Julia nicht verhindern, vor allem deswegen nicht, weil sich selbst die Briefe der ach so vernünftigen Caroline als eine beredte Klage über die Lage der Frau in ihrer beider Gesellschaft lesen: From domestic uneasiness a man has a thousand resources; in middling life, the tavern; in high life, the gaming table suspends the anxiety of thought. Dissipation, ambition, business, the occupation of a profession; change of place; change of company, afford him agreeable and honourable relief from domestic chagrin. If his home become tiresome, he leaves it - If his wife become disagreeable to him, he leaves her, and in leaving her loses only a wife. But what resource has a woman? - Precluded from all the occupations common to the other sex, she loses even those peculiar to her own. She has no remedy, from the company of the man she dislikes, but a separation; and this remedy, desperate as it is, is allowed only to a certain class of women in society; to those whose fortune affords them the means of subsistence, and whose friends have secured to them a separate maintenance. 3

Im dritten Textteil der Letters for Literary Ladies, in dem bereits erwähnten satirischen "Essay on the Noble Science of Self-Justification" widmet sich eine explizit als weiblich imaginierte Mentorfigur der Aufgabe, ihre Adressatinnen in der Kunst zu vervollkommnen, bei dem kleinsten Vorwurf, der ihnen gemacht wird, sofort zum wirkungsvollen Gegenangriff überzugehen. Auch diese Adressatinnen sind natürlich falsch erzogene Frauen, Frauen nämlich, deren Erziehung sie nicht zu einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen den Geschlechtern befähigt und die deswegen ihre Ziele durch geschickte Manipulation ihrer Ehemänner zu erreichen suchen. Insgesamt ist also zu konstatieren, daß alle drei Textteile der Letters for Literary Ladies nicht nur, wie eingangs erwähnt, das Problem der Frauenerziehung zu ihrem Thema gewählt haben, sondern auch ihrerseits eine didaktische Intention verfolgen, nämlich die, ihre Leserinnen und Leser von der Notwendigkeit einer bestimmten Ausrichtung weiblicher 5 Ibid., S. 44 f.

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Erziehung zu überzeugen; im Dienste dieser didaktischen Intention bedienen sie sich unterschiedlicher literarischer Strategien, von der Satire des Essay über das sachlich-logische Streitgespräch des ersten Briefwechsels zur Einladung des zweiten, sich mit der vernünftigen Romanfigur Caroline gegen die unvernünftige Julia zu identifizieren. Gerade der zweite Briefwechsel legt jedoch auch die Vermutung nahe, daß diese unterschiedlichen literarischen Strategien von unterschiedlicher didaktischer Effizienz sein werden. Dort gesellt sich überdies zu der expliziten Kritik an der unvernünftigen Julia eine implizite Kritik an dem sozialen Umfeld, das im Dienste falscher Frauenbilder falsche Erziehungsziele propagiert; auch eine gesellschaftskritische Einstellung der lesenden Frau, des lesenden Mannes wird damit zu einem Lernziel dieses Textteils. Wenn Caroline in "Letters of Julia and Caroline" ihre literarischen wie ihre didaktischen Aktivitäten auf den privaten Bereich und auf ein privates literarisches Genre, den Brief, beschränkt hat, tritt ihre Autorin mit den Letters for Literary Ladies durch eine Abhandlung zur Erziehungsproblematik in Briefform, durch einen Briefroman und durch einen Essay aus ihrer Privatsphäre heraus an die literarische Öffentlichkeit. Der erste der beiden Briefwechsel orientiert sich dabei an der Korrespondenz Thomas Days, des gentleman, mit seinem Freund Richard Lovell Edgeworth, dem Vater Maria Edgeworths; Day, der nicht nur durch sein mehrbändiges Kinderbuch The History of Sandford and Merton, sondern durch seine unkonventionellen Erziehungsexperimente an zwei Waisenmädchen bekannt geworden ist, spricht sich in anderen Briefen an die Familie Edgeworth vehement gegen eine literarische Laufbahn Marias aus. Mit ihrer ersten Publikation, in der sie, wie bemerkt, dem einen der beiden Korrespondenten des ersten Briefwechsels eine positive Bewertung des Begriffs literary lady zuschreibt, rechtfertigt Maria Edgeworth auch ihre gegenwärtige und zukünftige literarische Tätigkeit; dabei kann sie, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, im Jahr 1795 bereits auf eine Vielzahl fiktionaler und nichtfiktionaler Texte von Frauen zurückgreifen, die, wie sie selbst, das Recht zur literarischen Betätigung aus einer didaktischen Intention ableiten. Edgeworth grenzt sich außerdem, besonders im zweiten Briefwechsel, gegen andere literarische Formen ab: Julias Verirrungen sind auch die Konsequenz aus falscher Lektüre und einer falschen Lesehaltung gegenüber dieser Lektüre. Damit sind nun die thematischen Schwerpunkte der vorliegenden Studie bezeichnet: Sie wird untersuchen, auf welche Weise Frauen im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert am aufklärerisch-bürgerlichen Diskurs, insoweit er das Problem der Frauenerziehung berührt, partizipie6

ren; unter dem Begriff „Frauenerziehung" seien dabei die zeitgenössischen Vorstellungen von der gesellschaftlichen Rolle der Frau, von der adäquaten Vorbereitung auf diese Rolle durch Erziehung und von den Voraussetzungen, die die Frau in den Erziehungsprozeß einbringt, subsumiert. Die Parameter dieses Diskurses werden in einer Analyse von nichtfiktionalen Texten, vor allem von Erziehungshandbüchern, im ersten Teil der Arbeit abgesteckt werden. Das Hauptinteresse der Arbeit wird jedoch dem Roman „zwischen Smollett und Scott" gelten. Hier wird es zum einen darum gehen, zu einem neuen Verständnis des „romantischen Romans" zu gelangen und das literaturwissenschaftliche Bild einer Epoche, eben der Epoche der englischen Romantik, zu vervollständigen. Zum anderen wird zu zeigen sein, daß gerade die Romanautorinnen dieser Epoche die Entwicklung des Genres Roman in seiner Gesamtheit entscheidend prägen; in der Gesellschaft der literary ladies dieser ihrer Epoche wird Jane Austen, die sich nicht nur in ihren Juvenilia, sondern auch ihren großen Romanen intensiv mit den Texten ihrer Zeitgenossinnen auseinandersetzt, den ihr gemäßen literarischen Ort finden. In diesem Zusammenhang wird sich die Arbeit darum bemühen müssen, den Didaktizismusbegriff zu rehabilitieren, mit dem, wie wir sehen werden, der Roman der Epoche „zwischen Smollett und Scott", - und der weibliche Beitrag zum Roman über diese Epoche hinaus - , häufig abgewertet worden ist. Hier ist die Frage zu stellen, ob Erziehungshandbücher und Romane auf genrebedingt unterschiedliche Weise ihrer selbstdefinierten didaktischen Aufgabe nachkommen. Wenn dies der Fall sein sollte, wie der kurze Vergleich zwischen den beiden Korrespondenzen der Letters for Literary Ladies vermuten läßt, so muß eine weiterführende Frage lauten, welche narrativen Strategien dafür verantwortlich gemacht werden können, daß ein fiktionaler Text, anders als ein nichtfiktionaler, keinen eindeutigen Wertungs- und Wahrheitsanspruch erheben kann. Der didaktische Impetus unserer Texte, ob nun fiktional oder nichtfiktional, ist im übrigen durchweg ein ganzheitlicher, dem allerdings, auch im Roman, Belehrungen zu verschiedenen Wissensgebieten untergeordnet sein können. Dem ganzheitlichen Charakter will der Tugendbegriff im Titel der Arbeit Rechnung tragen; darüber hinaus soll mit dem Titel auf den Nexus zwischen der Situation der Frau zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt und der Reflexion über diese Situation in den Texten der Epoche verwiesen werden. Das historische Erkenntnisinteresse der Arbeit richtet sich also auf die Zeit um 1800; allerdings sei nicht verschwiegen, daß etwa die theoriegeschichtlich zukunftsträchtige der beiden Positionen im ersten Brief7

Wechsel der Letters for Literary Ladies, die des gentleman, Stellungnahmen zur „Frauenfrage" bis in unser Jahrhundert hinein beeinflussen wird, etwa in den Debatten um die Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium und um das Frauenwahlrecht.

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ι Frauenerziehung und Roman um 1800 1.1 Frauenerziehung im 18. Jahrhundert 1.1.1 Probleme der Forschung Die Frage der Erziehung der Frau im 18. Jahrhundert wird vor allem von drei historiographischen Disziplinen diskutiert. Bildungsgeschichtliche Studien weisen der Mädchen- und Frauenerziehung ihren Platz in der Entwicklung der westlichen Erziehungsinstitutionen zu. Sie untersuchen, wie sich zeitgenössische Erziehungstheorien auf die Erziehungspraktiken der Epoche auswirken. Darüber hinaus beschäftigen sie sich in Einzeluntersuchungen mit dem Thema, welche Erziehungsmöglichkeiten Frauen im 18. Jahrhundert offenstehen und wie bestimmte Frauen diese Möglichkeiten für sich nutzen. Die Literaturgeschichtsschreibung stellt Verbindungen zwischen dem vermuteten Bildungsstand der bürgerlichen Frau im 18. Jahrhundert und verschiedenen fiktionalen und nichtfiktionalen Textsorten her, etwa dem Roman, dem conduct book1 oder dem periodical essay. Dabei greift sie oft auf Studien zurück, die sich mit der spezifischen Zusammensetzung des Lesepublikums im 18. Jahrhundert und mit der Verbreitung von Schreib- und Lesefähigkeit bei Frauen beschäftigen. Ferner untersucht sie den Stellenwert der Erziehungsdiskussion in den Texten bestimmter Autorinnen und Autoren. Schließlich sind im Zusammenhang mit der Frauenbewegung in den letzten zwei Jahrzehnten eine Reihe von Arbeiten entstanden, die, zum Teil mit explizit emanzipatorischer Intention, eine Geschichte des Feminismus schreiben und die im 18. Jahrhundert häufig artikulierte Kritik an weiblichen Erziehungsdefiziten als einen zentralen Aspekt feministischer Bewußtseinsbildung interpretieren. Der folgende Überblick über den Forschungsstand wird sich in seinem ersten Teil auf zwei Schnittstellen zwischen den drei historiographischen 1

Ein conduct book ist ein nichtfiktionaler Text, der Modelle vorbildhaften Verhaltens entwickelt und gleichzeitig Strategien dafür aufzeigt, wie diese Modelle durch Erziehung in die Praxis umgesetzt werden können; im Deutschen spricht man verschiedentlich von Hauszuchtbüchlein, Benimmbuch, Erziehungshandbuch.

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Disziplinen konzentrieren, auf die zwischen Literatur- und Bildungsgeschichtsschreibung einerseits, zwischen Bildungs- und Frauengeschichtsschreibung andererseits. Dabei kann es noch nicht um Vollständigkeit der Darstellung gehen, da der Zusammenhang zwischen Erziehungsproblematik und Literatur der eigentliche Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist und als solcher auch in Kapitel 1.2 sowie im zweiten Hauptteil thematisiert werden wird. Der periodical essay und die Moralische Wochenschrift, in der diese Textform im 18. Jahrhundert ihre wichtigste Verbreitungsform hat, werden in der Literaturwissenschaft schon früh in Beziehung zur Diskussion über weibliche Erziehungsdefizite gesetzt. So versucht Rae Blanchard in einem Aufsatz aus dem Jahr 1929, "Richard Steele and the Status of "Women",2 Steeles Position in der Erziehungsdiskussion, deren Vertreterinnen und Vertreter er als conservatives, reformers und wits gegeneinander abgrenzt, zu bestimmen. R. H . Bond greift in seiner Monographie The Tatler. The Making of a Literary Journal·· auf Blanchards Dreiteilung zurück und kommt zu einem ähnlichen Befund. Seiner Meinung nach schlägt Bickerstaff, Steeles fiktive Herausgeberpersönlichkeit, einen mittleren Kurs zwischen konservativer und aufgeklärter Position zur Frauenerziehung ein, beteiligt sich aber auch an der satirischen Diskussion weiblicher Schwächen. Bickerstaffs Kritik an bisherigen Erziehungszielen und -praktiken geht ferner nur selten mit konkreten Reformvorstellungen einher. Der einzige konkrete Vorschlag ist der zu einer "Female Library", ein Projekt, das 1714 von Steele selbst verwirklicht wird. 4 In Eberhard Einhoffs vergleichender Untersuchung von Daniel Defoes The Review ( 1 7 0 4 - 1 3 ) , The Spectator und Haywoods The Female Spectator (1744-6) 5 2

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Blanchard, Rae, "Richard Steele and the Status orf Woman", in: Studies in Philology, Vol. 26 (1929), S. 3 2 5 - 5 5 Bond, Richmond Pugh, The Tatler. The Making of a Literary Journal (Harvard University Press, 1971) Steele gibt 1714 eine dreibändige Ladies Library heraus, in der er Passagen aus Taylors Holy Living, Lockes Treatise on Education etc. zusammenstellt und durch eigene Kommentare verknüpft; s. dazu Blanchard, op. cit., S. 3 4 1 - 3

' Einhoff, Eberhard, Emanzipatorische Aspekte im Frauenbild von The Review, The Spectator und The Female Spectator (Frankfurt, Bern, Cirencester, 1980; Europäische Hochschulschriften, Reihe 14; Angelsächs. Sprache und Literatur, Bd. 75); zu The Female Spectator s. auch Hodges, James, "The Female Spectator, a Courtesy Periodical", in: Bond, Richmond Pugh (ed.), Studies in the Early English Periodical (University of North Carolina Press, 195 7), S. 1 5 1 - 8 2 , sowie Mayo, Robert D., The English Novel in the Magazines, 1/40-181j. With a Catalogue of 137; Magazine Novels and Novelettes (Northwestern University Press, 1962), Kap. 2. Neben Haywoods The Female Spectator gibt es im übrigen noch zahlreiche von Frauen edierte Zeitschriften, etwa Frances Brookes The Old Maid ( 1 7 5 5 - 6 ) , Charlotte Lennox' The Lady's Museum (1760) oder Sarah Trimmers The

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dient die Erziehungsproblematik neben den Bereichen „Frauenbild" und „Ehevorstellungen" als Vergleichsmoment zwischen den drei Publikationen. Wollte man die von Blanchard etablierte Dreiteilung für die Zusammenschau nutzen, so ließe sich aufgrund der Befunde Einhoffs Defoe eindeutig der „Reformfraktion" zuordnen, während Steele, Blanchard und Bond folgend, eher zur konservativen Gruppe zu rechnen wäre, in die auch Haywood einzuordnen ist. Allerdings meint Einhoff zu Recht, daß die eher konservative Position durchaus emanzipatorische Aspekte enthalten kann, die, wie in 1.1.2 zu zeigen sein wird, auch von Frauen genutzt werden können, „da nämlich - entgegen dem Trend der Zeit der Frau intellektuelle Eignung, Lern-, Bildungs- und Lehrfähigkeit zugestanden wird." 6 In bezug auf den Roman des 18. Jahrhunderts wird seit den Arbeiten von Watt und Altick zum Realismuspostulat bzw. zur Zusammensetzung des Lesepublikums 7 eine Beziehung zwischen dem neuen Interesse an weiblicher Erziehung und an Frauen als Leserinnen und Autorinnen und einem sich im 18. Jahrhundert erst eigentlich konstituierenden literarischen Genre gesehen. Dieser Zusammenhang wird, wie noch zu zeigen sein wird, natürlich auch schon im 18. Jahrhundert selbst hergestellt, und zwar in der Regel mit deutlich romankritischer Intention und im Rahmen der Diskussion um die Inhalte weiblicher Erziehung. Während sich Altick und Watt auf die neue Rolle vor allem der bürgerlichen Frau als Leserin konzentrieren, ergänzen Arbeiten, die besonders aus einem der ersten inhaltlichen Schwerpunkte feministischer Literaturwissenschaft, dem der Wiederentdeckung „verlorener" Autorinnen, hervorgehen, die Leserinnen· durch die Autorinnenperspektive.8 Nun ist, wie Hunter in seiner

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Family Magazine (1788). S. dazu auch Stearns, Monica Bertha, "Early English Periodicals for Ladies, 1700-60", in: PMLA 48 (1933), S. 3 8 - 6 0 Ibid., S. 78; s. dazu auch Shevelow, Kathryn, "Fathers and Daughters: Women as Readers of The Tatler", in: Flynn, Elizabeth A. and Patrocinio P. Schweickart (eds.), Gender and Reading. Essays on Readers, Texts, and Contexts (Johns Hopkins University Press, 1986), S. 1 0 7 - 2 3 Watt, Ian, The Rise of the Novel: Studies in Defoe, Richardson and Fielding (London, 1957) bzw. Altick, Richard D., The English Common Reader 1800-1900 (University of Chicago Press, 1957)· S. dazu auch, für den Zeitraum vor 1700, McKeon, Michael, The Origins of the English Novel 1600-1740 (Johns Hopkins University Press, 1987), S. 5 if.; die letztzitierte ist im übrigen leider die einzige Stelle in McKeons ansonsten beeindrukkender Studie, die der Frage nach dem weiblichen Anteil an der Leserschaft des neuen Genres gewidmet ist. S. dazu Adburgham, Alison, Women in Print. Writing Women and Women's Magazines from the Restoration to the Accession of Victoria (London, 1972); Gilbert, Sandra M. and Susan Gubar, The Madwoman in the Attic: The Woman Writer and the NineteenthCentury Literary Imagination (Yale University Press, 1979); Moers, Ellen, Literary Women: The Great Writers (Garden City, N Y , 1976); Showalter, Elaine, A Literature of

II

Studie zu den kulturellen Kontexten des Romans im 18. Jahrhundert anmerkt,9 die wissenschaftliche Erfassung der Lese- und Schreibfähigkeiten vergangener Generationen, und vor allem die der weiblichen Mitglieder dieser Generationen, ein notorisch schwieriges Problem. Bei aller Vorsicht in der Analyse des vorhandenen Materials gilt jedoch inzwischen als gesichert, daß der Grad der Alphabetisierung von Frauen aller Schichten und Regionen gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer noch um etwa ein Drittel geringer ist als der von Männern aus vergleichbaren Gruppen, daß er aber, wie im übrigen natürlich der der Männer, seit dem frühen 17. Jahrhundert stark angestiegen war. Für den Zusammenhang zwischen Frauenerziehung und Roman bedeutet dies nach Hunter folgendes: When there were novels to be read in the middle of the eighteenth century, w e can be sure -

as were novelists themselves - that large numbers of female

readers were ready for them. And three generations earlier, the great-grandmothers of those readers were, in about the same proportion, finding something else to read instead - and not just romances, or the printing figures on romances would have been enormous. 10

Seit Hemlows einflußreichem Aufsatz "Fanny Burney and the Courtesy Books" 1 1 gilt das literaturwissenschaftliche Erkenntnisinteresse auch der Beziehung zwischen Roman und Ratgeberliteratur. Diesem einleitend erwähnten didaktischen Genre, das wie kein zweites als Träger der Erziehungsdiskussion im 18. Jahrhundert fungiert, sind bisher nur wenige eigenständige Arbeiten gewidmet worden. Wenn man von Masons bereits 1935 entstandener und 1971 wieder aufgelegter Monographie Gentle folk in the Making. Studies in the History of English Courtesy Literature12 einmal absieht, die in den Kapiteln 4 und 9 auch Texte aus dem 18. JahrTheir Own: British Women Novelists from Bronte to Lessing (Princeton University Press, 1977); Spencer, Jane, The Rise of the Woman Novelist. From Aphra Behn to Jane Austen (Oxford, 1986) oder Spender, Dale, Mothers of the Novel: 100 Good Women Writers Before Jane Austen (London and New York, 1986). Auf der Basis dieser oft stark reihenden Arbeiten (dies gilt besonders für Moers und Spender) sind in den letzten Jahrzehnten eine Fülle von Aufsätzen und Monographien entstanden, die sich entweder mit bislang vernachlässigten Autorinnen beschäftigen oder die Texte bekannter Autorinnen wie Austen und Burney unter neuen Gesichtspunkten analysieren. Siehe dazu 1.2 und den zweiten und dritten Hauptteil der vorliegenden Arbeit. 9

Hunter, J. Paul, Before Novels. The Cultural Contexts of Eighteenth-Century English Fiction (New York and London, 1990) Ibid., S. 73 " Hemlow, Joyce, "Fanny Burney and the Courtesy Books", in: PMLA, Vol. 65 (1950), Vol. 65 (1950), S. 7 3 2 - 6 1 12 Mason, John E., Gentlefolk in the Making. Studies in the History of English Courtesy Literature and Related Topics from I J J I to 1774 (New York, 1971; reprint of 1935 first edition)

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hundert behandelt, so muß man konstatieren, daß conduct books in der Regel lediglich als Materialquelle für andere historiographische Erkenntnisinteressen dienen. Dabei läßt sich eine Tendenz zur Kanonbildung beobachten, also eine Konzentration auf eine relativ kleine Gruppe von conduct Autorinnen und -Autoren wie etwa Halifax, Fordyce, Gregory, More. Hier besteht also ein Forschungsdefizit, das auch durch die Ubersicht über die conduct book-Literatur zwischen 1778 und 1814 in Kapitel 1.1.3 der vorliegenden Arbeit nicht behoben werden kann. Immerhin problematisieren neuere Arbeiten zum Verhältnis von conduct book und Roman gelegentlich Hemlows lineare Umsetzung der moraldidaktischen Anliegen der conduct books in fiktionale Strukturen und bemühen sich um eine Klassifikation der jeweils vergleichend herangezogenen Erziehungshandbücher. So untersucht etwa Mary Poovey 1 3 an verschiedenen conduct books das jeweils propagierte Ideal der propriety und schließt von ihm auf die Bedingungen weiblichen Schreibens im späten 18. Jahrhundert. Sulloway unterscheidet im ersten Teil ihrer Austen-Studie 14 zwischen drei verschiedenen conduct book-Typen, nämlich dem kirchlich-religiösen, dem säkularisierten und dem patriotischen, und führt zahlreiche Beispiele aus allen drei Bereichen an. Brophy 1 5 schließlich beschreibt in ihrer Arbeit die Erziehungsideale und die aus ihnen resultierenden Frauenbilder verschiedener conduct books und stellt ihnen Entwürfe weiblicher Bildungsgänge und weiblicher Rollen in Texten von Romanautoren und Romanautorinnen der Epoche gegenüber, mit der Intention, geschlechtsbedingte Unterschiede aufzuzeigen. Bereits in frühen Geschichten des Feminismus wie Bleases The Emancipation of English Women16 spielt die Erziehungsdiskussion des 18. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Wenn man, Gerda Lerner folgend, 17 den Feminismus als eine Bewegung auffaßt, die sich, bei fließenden Übergängen, in den vier Stufen des Bewußtseins einer Benachteiligung, des Bewußtseins einer schwesterlichen Gemeinschaft mit anderen Frauen, der Entwicklung von Zielsetzungen und Strategien für eine Veränderung der 1J

Poovey, Mary, The Proper Lady and the Woman Writer: Ideology as Style in the Works of Mary Wollstonecraft, Mary Shelley, and Jane Austen (University of Chicago Press, 1984) 14 Sulloway, Alison G.,Jane Austen and the Province of Womanhood (University of Pennsylvania Press, 1989) '> Brophy, Elizabeth Bergen, Women's Lives and the Eighteenth-Century Novel (University of South Florida Press, 1991) 16 Blease, Walter Lyon, The Emancipation of English Women (London, 1910); s. insbesondere Kapitel 2 ("The Beginning of Reform") und 3 ("The Education of Sentiment") 17 Lerner, Gerda, The Creation of Patriarchy (Oxford University Press, 1986)



(gegenwärtigen) Situation und der Entwicklung von Alternativen für die Zukunft entfaltet, so lassen sich in der Erziehungsdiskussion des 18. Jahrhunderts Belege für alle vier Stufen, natürlich in ungleicher Distribution, finden. Allerdings ist ebenso anzumerken, daß die erste Stufe, im Kontext der Erziehungsproblematik also die Kritik an weiblichen Erziehungsdefiziten, für sich genommen noch nicht von dem Beginn eines Erkenntnisprozesses zeugt, den wir aus heutiger Perspektive feministisch nennen würden; vielmehr kann diese Kritik an Erziehungsdefiziten in vielen verschiedenen Argumentationszusammenhängen angesiedelt sein. 18 Das zeigen besonders deutlich ältere Uberblicksdarstellungen wie Humphreys' "The 'Rights of Woman' in the Age of Reason", 19 die so unterschiedliche Autorinnen und Autoren wie Mary Astell und John Dunton oder Catherine Macaulay und Samuel Johnson auf ihre jeweiligen Positionen in einer Debatte, deren Prototyp Humphreys bei Plato und Aristoteles vorfindet, reduzieren.20 Im Gegensatz dazu arbeiten etwa Bullough und Bullough, 21 wie der Erziehungshistoriker Boyd, die Folgen der Rousseauschen Erziehungsvorstellungen auf die Erziehungsdiskussion, speziell auf Forderungen nach einer der männlichen Erziehung vergleichbaren Erziehung für Frauen, heraus. Sie zeigen aber gleichzeitig, wie selbst diese Vorstellungen von Ungleichheit und Komplementarität für emanzipatorische Argumentationsstrukturen funktionalisiert werden können: "If women were made of finer fabric, more concerned with morals, with man's inhumanity to man, then this allowed them to enter the political arena on these grounds." 22 Bullough und Bullough weisen ferner darauf hin, daß sogar die im 18. Jahrhundert erzielten bescheidenen Erziehungsfortschritte eine gewisse Eigendynamik entwickeln: "It was from educated middle-class women, as they became more and more unhappy with their confined role in society, that the demands for female emancipation began to appear." 23 Der tendenziell emanzipatorische Aspekt eines Erziehungsmodells, das die Ungleichheit der Geschlechter festschreibt, wird auch von Schnorren18

Alice Browne meint, daß für eine feministisch orientierte Argumentation die Koexistenz von Erziehungsforderung und Beharren auf weiblicher Rationalität entscheidend sei (The Eighteenth-Century Feminist Mind, Brighton, 1987, Kap. 5, speziell S. I09f.). Andererseits muß darauf hingewiesen werden, daß auch das Argument der anders gearteten weiblichen Fähigkeiten potentiell zu einer Stärkung weiblicher Positionen führen kann. ' ' Humphreys, A. R., "The 'Rights of Woman' in the Age of Reason", in: Modern Language Review, Vol. 41 (1946), S. 256-69 20

Ibid., Teil 1, "John Dunton to Catherine Macaulay" Bullough, Vera L. and Bonnie, The Subordinate Sex. A History of Attitudes Women (University of Illinois Press, 1973) " Ibid., S. 293 2 ' Ibid., S. 284 21

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Toward

berg und Hunter 24 betont. Sie untersuchen ferner das emanzipatorische Potential zeitgenössischer religiöser Bewegungen, insbesondere des Evangelikalismus, und zeigen, wie die Anliegen dieser Bewegungen von Frauen als Argumentationshilfen genutzt werden können. Zum einen kann dabei das Anstreben eines höheren Erziehungsniveaus als religiöse Pflicht gelten, während zum anderen das einmal erreichte Niveau zur Unterweisung anderer, auch außerhalb der unmittelbaren Familie, zur Verfügung gestellt werden muß: Der Aktionsradius der evangelikalen Frau erweitert sich.25 Schließlich bestimmt die Studie von Alice Browne 26 den Stellenwert der Erziehungsproblematik im Kontext des 18. Jahrhunderts insgesamt. In diesem Kontext ist für sie das Erziehungsthema einer von drei thematischen Schwerpunkten, neben der Kritik an der wirtschaftlichen und juristischen Position der Frau im 18. Jahrhundert und an der sexuellen Doppelmoral, dem sogenannten double standard. Browne zeigt ferner, daß die Erziehungsfrage in unterschiedlichen Diskursen behandelt wird. Neben dem bereits von Rowbotham sowie Schnorrenberg und Hunter beschriebenen theologischen Diskurs nennt Browne dabei vor allem den juristischen, den medizinischen, den politischen, den historischen und den ethnologischen. Zwei Beispiele mögen hier genügen: Eine Fragestellung im politischen Diskurs wäre die nach dem Zusammenhang zwischen weiblicher Insubordination und politischer Revolution; dem historischen wie dem ethnologischen Diskurs dienen Rolle und Erziehungsniveau der Frau als Index für eine vergleichende Bewertung des jeweiligen Entwicklungsstandes von Gesellschaften. Brownes Verortung der Erziehungsproblematik im zeitgenössischen Kontext wird durch die Befunde von Katherine M. Rogers 27 und durch die Textsammlung von Vivien Jones, Women in the Eighteenth Century: Constructions of Femininity28 gestützt. Dieser Textsammlung ist auch folgende zusammenfassende Darstellung der Erziehungsdiskussion im 18. Jahrhundert entnommen:

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Schnorrenberg, Barbara B. and Jean E. Hunter, "The Eighteenth-Century Englishwoman", in: Kanner, Barbara (ed.), The Women of England. From Anglo-Saxon Times to the Present. Interpretive Bibliographical Essays (London, 1980), S. 183-228 Eine vergleichbare Argumentationsstruktur ist bei Sheila Rowbotham in bezug auf den Puritanismus des 17. Jahrhunderts zu beobachten: Rowbotham, Sheila, Women, Resistance, and Revolution. A History of Women and Revolution in the Modern World (New York, 1972); s. besonders Kap. ι ("Impudent Lasses") Browne, op. cit. Rogers, Katherine M., Feminism in Eighteenth-Century England (Brighton, 1982) Jones, Vivien (ed.), Women in the Eighteenth Century: Constructions of Femininity (London and N e w York, 1990)

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Women's education w a s fiercely debated in the eighteenth century and the importance of education as an ideological apparatus is evident throughout the texts included here. [ . . . ] Education was the issue on w h i c h feminists began to challenge assumptions about women's natural inferiority, offering telling critiques of the c o n d u c t - b o o k construction of femininity. T h e obvious inadequacies of w o m e n ' s education were f o r them a means of proving the circularity of the conservative view. [...] B u t the differences in 'radical' and 'conservative' educational theories are far f r o m clear-cut. 2 9

Jones' Befund wird, bei unterschiedlichem Erkenntnisinteresse und unterschiedlichem methodischen Vorgehen, von allen drei Historiographien gestützt. Gleichzeitig verweist der Titel ihrer Anthologie, Women in the Eighteenth Century: Constructions of Femininity, über die Erziehungsproblematik hinaus auf einen weiteren Fragenkomplex, dem der folgende zweite Teil des Forschungsüberblicks gewidmet werden soll. Die zahlreichen von den drei Historiographien gelieferten Einzelerkenntnisse finden einen theoretischen Rahmen im Bereich der gender studies.*0 Die dort zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen sex und gender, also zwischen biologischem und sozialem Geschlecht, 31 ermöglicht es, geschlechtsspezifisches Rollenverhalten nicht als naturgegeben, sondern als sozial konstruiert und daher als historisch variabel zu verstehen; dann kann die Entstehung eines bestimmten „Geschlechtscharakters" in einer bestimmten historischen Epoche beobachtet und beschrieben werden. Der Begriff „Geschlechtscharakter" für die mit den physischen korrespondierenden psychosozialen Geschlechtsmerkmale wird, wie Karin Hausen in einem einflußreichen Aufsatz ausführt, 32 im 18. Jahrhundert geprägt und hat eine deutliche normative Dimension; die Hausen zufolge im 18. Jahrhundert geleistete Neudefinition der Geschlechterrollen gibt diese Rollen gesellschaftlich vor, und das Indivi2

' Ibid., S. 98 Einen Uberblick über die Geschichte des Begriffs und über die ihm zuzuordnende Forschungstradition vermitteln Regine Gildemeister und Angelika Wetterer in ihrem Aufsatz „Wie Geschlechter gemacht werden. Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung", in: Knapp, Gudrun-Axeli und Angelika Wetterer (eds.), Traditionen Brüche. Entwicklungen feministischer Theorie (Freiburg, 1992). Der Aufsatz enthält auch eine einschlägige Bibliographie. 3 ' Dieser Unterscheidung trägt das englische Begriffspaar femaleIfeminine Rechnung. Im Deutschen steht hier nur „weiblich" zur Verfügung, das in der vorliegenden Arbeit durchgängig verwendet worden ist. In Fällen, in denen das jeweils Gemeinte nicht zweifelsfrei aus dem Kontext hervorgeht, wird „weiblich im Sinne der vorherrschenden Geschlechtscharaktere" (also feminine) durch Anführungszeichen („weiblich") signalisiert. 32 Hausen, Karin, „Die Polarisierung der ,Geschlechtscharaktere' - Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben", in: Conze, Werner (ed.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas (Stuttgart, 1976), S. 363-93 )0

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duum kann sich ihnen schwerlich entziehen. Dabei zeigt sich, daß, wie Gildemeister und Wetterer in ihrem bereits zitierten Aufsatz ausführen, die Dichotomie von sex und gender selbst ein soziales Konstrukt ist: Welche menschliche Eigenschaft jeweils als „naturgegebenes" physisches und welche als psychosoziales Geschlechtsmerkmal zu verstehen ist und wie physische und psychische Geschlechtsmerkmale miteinander korrespondieren, ist ebenfalls Gegenstand normativer sozialer Festlegungen. Im 18. Jahrhundert bestimmen diese Festlegungen nach Hausen die Frau für den privaten, den Mann für den öffentlichen Raum, ordnen der Frau passive, dem Mann aktive Tugenden zu, der Frau Emotionalität, dem Mann Rationalität etc. 33 Die so entstandene „Polarisierung der ,Geschlechtscharaktere'" ist heutigen Leserinnen und Lesern aus zahlreichen Texten vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts ebenso vertraut wie aus ihren Spätfolgen f ü r das Geschlechterverhältnis der Gegenwart. Auch in zwei Monographien von Thomas Laqueur bzw. Claudia Honegger 3 4 wird die von Hausen konstatierte Neudefinition der G e schlechtscharaktere im 18. Jahrhundert lokalisiert. Beide bauen ihre A r gumentation über weite Strecken auf den gleichen Textkorpus auf, insbesondere auf medizinisch-anthropologische Texte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Laqueurs Ausgangspunkt ist die neue Auffassung von der Funktion des weiblichen Orgasmus, der gegen Ende der Aufklärung, im Unterschied zu früheren historischen Epochen, die Weiblichkeit mit Sinnlichkeit assoziieren, nicht mehr als für die Fortpflanzung unabdingbar erachtet wird. Für Laqueur ist die neue Orgasmustheorie ein Indiz für eine generelle Umdeutung des weiblichen Körpers. E r bezeichnet diesen Paradigmenwechsel als den zwischen dem „Ein-Geschlecht/EinLeib-Modell" und dem „Zwei-Geschlechter/Zwei-Leiber-Modell". Während der Körper der Frau vor dem Paradigmenwechsel als vom männlichen Grundtypus nur graduell abweichend interpretiert wird, „entdekken" die genannten medizinisch-anthropologischen Texte nun eindeutige körperliche Verschiedenheiten, die sich auf die Normierung der G e schlechterrollen, auf die soziale Geschlechterdifferenzierung also, folgendermaßen auswirken:

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S. dazu auch Ellmann, Mary, Thinking About Women (New York, 1968), bes. Teil 3, "Feminine Stereotypes" Laqueur, Thomas, Making Sex. Body and Gender from the Greeks to Freud (Harvard University Press, 1990); im folgenden zitiert nach der deutschen Ubersetzung, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud (Frankfurt und New York, 1992); Honegger, Claudia, Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib 1750-1850 (Frankfurt und New York, 1991)

4

Seit dem 18. Jahrhundert ist es die vorherrschende, wenn auch keineswegs universelle Ansicht gewesen, daß es im Körperlichen zwei feststehende, inkommensurable und gegensätzliche Geschlechter gibt und daß deren Leben im Bereich des Politischen, Ökonomischen und Kulturellen, ihre Geschlechterrollen, irgendwie in diesen ,Fakten' begründet sind. Biologie - der gleichbleibende, unhistorische, geschlechtsmarkierte Körper -

wird als Erkenntnisgrundlage

für gebieterische Postulate über die gesellschaftliche Ordnung verstanden. 3 '

Honegger, die neben medizinisch-anthropologischen Texten auch Ratgeberliteratur und Romane aus Deutschland und Großbritannien als Quellenmaterial benutzt,' 6 versteht ihre Monographie in ähnlicher Weise wie Laqueur als Beitrag „zur Codierungsgeschichte moderner Geschlechtscharaktere" 37 und zeigt, wie mit der zunehmenden Thematisierung des Menschen als eines Forschungsgegenstandes im 18. Jahrhundert eine Schematisierung des Geschlechterdualismus einhergeht. Dieser Geschlechterdualismus, der im 18. Jahrhundert zunächst als eine politische und gesellschaftliche Fragestellung erörtert wird, beispielsweise von Mary Wollstonecraft und Theodor Gottlieb von Hippel, wird in zunehmendem Maße Gegenstand medizinisch-anthropologischer Forschungen und als solcher dem Bereich des gesellschaftlich Disponiblen enthoben. Honegger deutet diesen Prozeß als eine Reaktion auf das „vorübergehende Chaos der bürgerlichen' Geschlechterverhältnisse".38 Aus den bisherigen Kommentaren zur Erforschung von gender als einem sozialen Konstrukt ergeben sich nun zwei weiterführende Fragen: Erstens ist zu fragen, warum der von den genannten Autorinnen und Autoren einhellig im 18. Jahrhundert angesiedelte Paradigmenwechsel nun gerade in diesem Jahrhundert erfolgte. Zweitens ist zu begründen, welchen Beitrag gender studies und vor allem der gender-Begriff zur Beschreibung der Erziehungsdiskussion im 18. Jahrhundert leisten können. Laqueur zufolge ist das neue Modell nicht primär auf den wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs zurückzuführen, den es zweifellos in dieser Epoche gegeben hat. Vielmehr ist die neue Sichtweise des Körpers das Resultat zweier Entwicklungen, die er als die epistemologische und die politische bezeichnet. Im Kontext der neuen Erkenntnistheorie ist der 3! 36

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Laqueur, op. cit., S. 19 Beispielsweise den 1795 anonym erschienenen Roman Elisa, oder das Weib, wie es seyn sollte; Ernst Brandes, Ueber die Weiber (1787); Knigge, Ueber den Umgang mit Menschen (1788); Campe, Väterlicher Rat für meine Tochter (1789); Wollstonecraft, A Vindication of the Rights of Woman (1792); Hippel, Ueber die bürgerliche Verbesserung der Weiber (ebenfalls 1792) Honegger, op. cit., S. 3 Ibid., S. 102 18

Körper nicht mehr als Mikrokosmos durch eine Hierarchie von Analogien und Ähnlichkeiten mit dem Makrokosmos Weltordnung verbunden; in neuen gesellschaftlichen Strukturen, die durch die geistigen, ökonomischen und politischen Veränderungen des Jahrhunderts entstehen, Veränderungen, die in den „universalistischen Forderungen nach menschlicher Freiheit und Gleichheit" 39 der Französischen Revolution gipfeln, muß die Rolle des Individuums neu bestimmt werden. Auch für Honegger spielt neben der gesellschaftlich-politischen die epistemologische Perspektive der neuen Sciences de l'Homme, die sie in Anlehnung an Sergio Moravias 1980 erschienenen Aufsatz "The Enlightenment and the Sciences of Man" als „epistemologische Befreiung", 40 das heißt, als neue Pluralität kognitiver Modelle, definiert, eine wichtige Rolle. In den drei einleitend vorgestellten Historiographien und in anderen sozial- und geisteswissenschaftlichen Teildisziplinen, die sich von ihrem methodischen Zugriff her nicht unbedingt unter den Begriff der gender studies subsumieren lassen, wird das 18. Jahrhundert ebenfalls als eine Epoche des Wandels bezeichnet. Es ist nun zu untersuchen, ob die dort beschriebenen Entwicklungsprozesse in einem Paradigmenwechsel bei der Konstruktion von Geschlechtscharakteren resultieren können. In diesem Zusammenhang erweist sich Stones 1977 erschienene Studie The Family, Sex and Marriage41 als außerordentlich einflußreich. Stone beschreibt die historische Abfolge dreier typischer Familienstrukturen, die er als open lineage family (1450-1630), restricted patriarchal family (15 50-1700) und closed domestic nuclear family (1640-1800) bezeichnet.42 Nach Stone zeichnet sich die closed domestic nuclear family durch einen neuen Umgang der Ehegatten miteinander in einer companionate marriage aus, die wiederum als säkularisierte Version des puritanischen Eheideals zu interpretieren ist.43 Das neue Ehemodell setzt voraus, daß insbesondere die Ehefrau für ihre neudefinierte Rolle als Gefährtin ihres Mannes erzogen wird. Folgerichtig widmet sich Stone in Kapitel 8.3, "The Education of Women", den Auswirkungen des Ehemodells auf die Frauenerziehung. Die Erziehungsthematik wird jedoch auch noch von einem anderen Aspekt der closed domestic nuclear family berührt, dem "

Laqueur, op. cit., S. 221 Honegger, op. cit., S. 108 4 ' Stone, Lawrence, The Family, Sex, and Marriage in England 1500-1800 (London, 1977) 42 Aus den etwas willkürlich anmutenden Jahreszahlen geht bereits hervor, daß Stone natürlich fließende Ubergänge zwischen den Familienstrukturen bzw. eine partielle zeitliche Koexistenz konkurrierender Strukturen annimmt. 43 S. dazu auch Schücking, Levin L., Die puritanische Familie in literar-soziologischer Sicht (Bern und München, '1964) und Rowbotham, op. cit., S. 25 f. 40

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des neuen Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern, als dessen Konsequenz die ältere Generation der Nachkommenschaft größere Aufmerksamkeit und größere Sorgfalt bei der Erziehung, verbunden mit innovativen Erziehungsmethoden, angedeihen läßt. Stone führt den von ihm konstatierten Wandel in der Familienstruktur auf einen Wertewandel zurück; der Träger der von Stone als affective individualism bezeichneten neuen Weltsicht, die ihm zufolge ab dem späten 17. Jahrhundert das private und öffentliche Leben Englands prägt, ist das neu entstandene Bürgertum der middling ranks. In der Literaturwissenschaft berufen sich zahlreiche Autorinnen und Autoren auf Stones Forschungsergebnisse und finden in den Texten, die sie untersuchen, sprachliche oder inhaltliche Belege für Stones Wertewandel.44 Die Kritik an Stone orientiert sich innerhalb der Literaturwissenschaft vor allem an Foucault, speziell an seinem dreibändigen Werk Sexualität und Wahrheit.45 So argumentiert etwa Armstrong, 46 daß das in The Family, Sex and Marriage herangezogene Quellenmaterial das Weltbild einer neuen wirtschaftlichen Klasse nicht etwa widerspiegele, sondern daß diese Texte, in denen eine neue Subjektivität konstruiert werde, zum Entstehen einer bürgerlichen Schicht erst eigentlich beitrügen. Der Wertewandel gehe damit den sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts zeitlich voraus, ein Argument, das in weniger ausführlicher Form bereits von LeGates vorgetragen wird und das sich für den Sonderfall des bürgerlichen Romans auch bei Terry Eagleton findet.47 Einen weiteren Ansatzpunkt zu ebenfalls von Foucault inspirierter Kritik liefert Stones Darstellung der Machtverhältnisse innerhalb der Kleinfamilie. So moniert etwa Boone,48 daß Stone das Modell patriarchaler Herrschaft nicht grundsätzlich hinterfragt habe. Stones affective individualism, so Kowalewski-Wallace,49 beseitige lediglich 44

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S. beispielsweise Green, Katherine Sobba, The Courtship Novel 1/40-1820. A Feminized Genre (University of Kentucky Press, 1991) und Hagstrum, Jean Η., Sex and Sensibility. Ideal and Erotic Love from Milton to Mozart (University of Chicago Press, 1980) Foucault, Michel, Histoire de la Sexualite (Band 1: Paris, 1976; Bände 2 und 3: Paris, 1984); deutsche Ubersetzungen: Der Wille zum Wissen (Band 1: Frankfurt, 1977), Der Gehrauch der Lüste und Die Sorge um sich (Bände 2 und 3: Frankfurt, 1986) Armstrong, Nancy, Desire and Domestic Fiction. A Political History of the Novel (Oxford University Press, 1987) LeGates, Marlene, "The Cult of Womanhood in Eighteenth-Century Thought", in: Eighteenth-Century Studies, 10 (1976-7), S. 2 1 - 3 9 , bzw. Eagleton, Terry, The Rape of Clarissa. Writing, Sexuality, and Class Struggle in Samuel Richardson (Oxford, 1982) Boone, Joseph Allen, Tradition Counter Tradition. Love and the Form of Fiction (University of Chicago Press, 1987) Kowalewski-Wallace, Elizabeth, "Milton's Daughters: The Education of Eighteenth-Century Women Writers", in: Feminist Studies, 12 (1986), S. 2 7 5 - 9 3

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äußere Manifestationen patriarchaler Herrschaft und ersetze sie durch den Mythos des gütigen Patriarchen. Stone habe sich bei seiner Analyse der Familienstrukturen ja auch auf die Makrostruktur von Rechtsordnung, wirtschaftlicher Ordnung usw. beschränkt und die Mikrostruktur individueller Beziehungen vernachlässigt, die innerhalb der Familie väterliche Macht durch Erziehung und nichttyrannische Machtmittel perpetuierten. Auch die Kritiker und Kritikerinnen Stones stimmen freilich dahingehend überein, daß im 18. Jahrhundert ein Wertewandel stattfindet, der in einen engen Zusammenhang mit dem Entstehen einer neuen Schicht, dem Bürgertum eben, zu stellen ist. Innerhalb dieses Konsensrahmens, der von den meisten Historiographien geteilt wird, gibt es in bezug auf die Rolle des weiblichen Geschlechts unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. So wird in verschiedenen Arbeiten eine ökonomische Perspektive eröffnet, der zufolge die bürgerliche Familie ihre Bedeutung als Produktionseinheit verliere, gleichzeitig aber eine neue Funktion als Insel der Stabilität und der affektiven sozialen Beziehungen in einem Meer wirtschaftlicher Konkurrenz und sozialer Unsicherheit gewinne. Die bürgerliche Frau werde damit zur Hüterin des Heimes, der emotionalen Werte der Gesellschaft; gleichzeitig werde ihre Befreiung von Erwerbstätigkeit, ihre Freizeit also, zu einem bürgerlichen Statussymbol. 50 Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frau als bürgerlichem Subjekt, 51 mit ihrem Beitrag zur Konstruktion bürgerlicher Identität52 oder mit ihrer besonderen Rolle in der bürgerlich dominierten literarischen Bewegung der Empfindsamkeit. 53 Insgesamt kann daher Gary Kelly zu Recht von einer bürgerlichen kulturellen Revolution im Großbritannien des 18. Jahrhunderts sprechen, in deren Kontext gender eine zentrale Rolle gespielt habe.54 Der Begriff der kulturellen Revolution wird im übrigen auch von Terry Eagleton verwendet. Eagleton, der den Beitrag des Romans zur bür-



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S. dazu vor allem Davidoff, Leonore, Jean L'Esperance, and Howard Newby, "Landscape with Figures: Home and Community in English Society", in: Mitchell, Juliet and Ann Oakley (eds.), The Rights and Wrongs of Women (Harmondsworth, 1976); Davidoff, Leonore and Catherine Hall, Family Fortunes: Men and Women of the English Middle Class, ιγ8ο-1850 (Chicago University Press, 1987). Das beschriebene Argument ist so verbreitet, daß seine verschiedenen Manifestationen hier nicht geschildert werden müssen. Armstrong, op. cit. Nussbaum, Felicity Α., The Autobiographical Subject. Gender and Ideology in Eighteenth-Century England (Johns Hopkins University Press, 1989) S. dazu Todd, Janet M., Sensibility. An Introduction (London and New York, 1986) Kelly, Gary, Revolutionary Feminism. The Mind and Career of Mary Wollstonecraft (Basingstoke, 1992), Kap. ι, sowie ders., English Fiction of the Romantic Period, 1789-1830 (London and New York, 1989)

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gerlichen kulturellen Revolution untersucht, weist darauf hin, daß die neue bürgerliche Ideologie bestimmte Elemente aristokratischer Kultur beibehalten habe, ζ. B. das Modell einer vertikal strukturierten Gesellschaft oder das Ideal der gentility, während sie andere, etwa sexuelle Freizügigkeit und ostentative Zurschaustellung von Reichtum, energisch bekämpfe. 55 Wenn es eine vom Bürgertum getragene kulturelle Revolution im Großbritannien des 18. Jahrhunderts gegeben hat und wenn diese kulturelle Revolution auch die Position der bürgerlichen Frau innerhalb und außerhalb der Familie verändert hat, so liegt die Vermutung nahe, daß diese Veränderungen zu einer Neudefinition von Geschlechtscharakteren und Geschlechterdifferenz geführt haben. Damit ist die Frage beantwortet, warum eine solche Neudefinition gerade im 18. Jahrhundert erfolgt. 56 Die Antwort auf die Frage nach der Rolle der Erziehungsthematik im Kontext der gender studies könnte dann folgendermaßen lauten: Wenn die kulturelle Revolution im Großbritannien des 18. Jahrhunderts zu einer Neudefinition von Geschlechtscharakteren und Geschlechterdifferenz führt, so ist erstens zu erwarten, daß in Texten, die sich zur Erziehung der Frau äußern, ein zentraler Beitrag zu dieser Neudefinition geleistet wird. Es ist zweitens anzunehmen, daß etwaige Widerstände gegen die Neudefinition ebenfalls in Texten zur Frauenerziehung artikuliert werden. Es erscheint drittens plausibel, daß erziehungsreformatorische Texte vor allem an die bürgerliche Frau adressiert sein werden. I.I.2 Grundlagen der Erziehungsdiskussion Als Begleiterscheinung der kulturellen Revolution im Großbritannien des 18. Jahrhunderts entstehen zahlreiche Texte, die sich mit dem Wesen der Frau beschäftigen. Diese Texte, die zunehmend auch von Frauen selbst produziert werden, zeigen, daß die Position der Frau im Diskurs der bürgerlichen kulturellen Revolution des 18. Jahrhunderts eine doppelte ist. Zum einen dient der weibliche Geschlechtscharakter als Projektionsfläche für philosophische oder gesellschaftstheoretische Modelle. So nimmt etwa in der Argumentationsstruktur Rousseaus die Frau, als das Andere, eine der des homme sauvage vergleichbare Position ein: 57 Wäh" ,6

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Eagleton, op. cit., Kap. ι Allerdings ist Laqueurs Warnung vor monokausalen Deutungen zu beherzigen: Laqueur, op. cit., S. 24 f. S. dazu Akashe-Böhme, Farideh, „Exotismus, Naturschwärmerei und die Ideologie von der fremden Frau", in: Foitzik, Andreas u.a. (eds.), ,Ein Herrenvolk von Untertanen'. Rassismus - Nationalismus - Sexismus (Duisburg, 1992), S. 1 1 3 - 2 4 , Kohl; Karl-Heinz, Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation (Frankfurt und Paris, 1983) und Weigel, Sigrid, „Die nahe Fremde - das Territorium des

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rend Rousseau in Diskurs über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit zwischen den Menschen58 den homme civil und den homme sauvage miteinander vergleicht, um nach Abzug der gesellschaftlich bedingten Unterschiede zum hypothetischen Modell des homme naturel gelangen zu können, destilliert er in Emile он de [Education59 das Gemeinmenschliche aus dem Vergleich zwischen Mann und Frau. Alles, was den beiden Geschlechtern gemeinsam ist, gehört wie das, was homme civil und homme sauvage miteinander teilen, zur menschlichen, und damit zur männlichen, Art: „In allem, was nicht mit dem Geschlecht zusammenhängt, ist die Frau Mann." 6 ° Das, was Mann und Frau unterscheidet, ihr Geschlecht also, ist nach Rousseau nicht gesellschaftlich konstruiert, sondern natürlich, - hier divergieren die beiden Argumentationsstrukturen. Wie Weigel ausführt, ist dieser explizite Zusammenhang zwischen Frauen und Wilden, der sich beispielsweise auch in Diderots Über die Frauen61 finde, typisch für den aufklärerischen Diskurs, der die Parallelen zwischen den zwei Gruppen oft über beider hypothetische Nähe zu Natur, Kindheit, Unschuld herstellt. In einem zweiten Schritt ergeben sich aus philosophischen oder gesellschaftstheoretischen Modellen Konsequenzen für die Konzeption des weiblichen Geschlechtscharakters, und damit für die Lebenswirklichkeit von Frauen im 18. Jahrhundert. Auch hierfür mag Rousseau als Beispiel dienen. Aus seiner These weiblicher Alterität folgt für ihn zunächst die Vorstellung von der Komplementarität der Geschlechtscharaktere. Diese Vorstellung wiederum führt ihn zu konkreten Forderungen in bezug auf Inhalt und Funktion weiblicher Erziehung: Nachdem nun einmal bewiesen ist, daß der Mann und die Frau weder nach dem Charakter und nach dem Temperament gleich gebildet sind noch sein dürfen, so folgt daraus, daß sie auch nicht die gleiche Erziehung haben dürfen. Folgen sie den Weisungen der Natur, so handeln sie wohl gemeinsam, aber sie ,Weiblichen'. Vom Verhältnis von ,Wilden' und ,Frauen' im Diskurs der Aufklärung", in: Koebner, Thomas und Gerhart Pickerodt (eds.), Die andere Welt. Studien zum Exotismus (Frankfurt, 1987), S. 1 7 1 - 9 9 >8 Discours sur l'origine et les fondements de l'inegalite parmi les hommes (1754) " Erschienen 1762; im folgenden zitiert nach Emil oder Über die Erziehung (Paderborn, '1981) 60

Rousseau, Emil, op. cit., S. 385 (dies ist der Anfang des fünften Buches, „Sophie oder die Frau"); s. dazu auch Fülleborn, Ulrich, „Zwischen Erziehung und Bildung: Die literarische Figur des Mädchens um 1800", in: Hohenzollern, Johann Georg Prinz von und Max Liedtke (eds.), Der weite Schulweg der Mädchen. Die Geschichte der Mädchenbildung als Beispiel der Geschichte anthropologischer Vorurteile (Bad Heilbrunn, 1990; Schriftenreihe zum Bayerischen Schulmuseum Ichenhausen, Bd. 9), S. 168-80 6 ' „Sur les femmes", (1772)

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dürfen nicht das gleiche tun. Das Ziel der Bemühungen ist das gleiche, aber die Aufgaben sind verschieden, und folglich auch die Neigungen, die sie leiten.

Und: Die ganze Erziehung der Frau muß daher auf die Männer Bezug nehmen. Ihnen gefallen und ihnen nützlich sein, ihnen liebens- und achtenswert sein, sie in der Jugend erziehen und im Alter umsorgen, sie beraten, trösten und ihnen das Leben angenehm machen und versüßen: das sind zu allen Zeiten die Pflichten der Frau, das müssen sie von ihrer Kindheit an l e r n e n / 2

Im folgenden soll nun untersucht werden, auf welche theoretischen Positionen die Erziehungsdiskussion des 18. Jahrhunderts rekurrieren kann. Einzelfragen innerhalb dieser Diskussion gelten den Voraussetzungen, die die Frau in den Erziehungsprozeß mitbringt, d. h., in welchem Maße sie überhaupt als erziehbar gelten kann, den Erziehungszielen und damit der gesellschaftlichen Funktion, für die die Frau durch ihre Erziehung vorbereitet werden soll, schließlich den Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen männlicher und weiblicher Erziehung. Die einzelnen Erziehungsmodelle sind dabei nicht als prinzipiell inkompatibel aufzufassen; realistischer ist es wohl, sie als Meinungskontinuum mit diskreten Ubergängen zu verstehen. Ferner sei darauf hingewiesen, daß etwa eine bestimmte philosophische Richtung nicht per se als frauen- und erziehungsfreundlich oder frauen- und erziehungsfeindlich klassifiziert werden kann. Vielmehr zeigt sich, wie in ι. ι. ι schon mehrfach bemerkt, daß Einzelargumente für unterschiedlichste Argumentationszusammenhänge instrumentalisiert werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist die Rousseau-Rezeption Mary Wollstonecrafts. Sie, die in A Vindication of the Rights of Woman61 eine entschiedene Kritik an Rousseaus Entwurf des weiblichen Geschlechtscharakters formuliert, teilt mit Rousseau trotzdem die Forderung nach moralischen Reformen als Vorbedingung für gesellschaftliche und politische Veränderungen. Beide betrachten ferner das Verhältnis zwischen den Geschlechtern als das Kernstück moralischer Reformen, obwohl sie natürlich ein ideales Geschlechterverhältnis je unterschiedlich imaginieren.64 61 63 64

Rousseau, Emil, op. cit., S. 392 bzw. 394 S. unten, 1.1.3 Außerdem hatte Wollstonecraft in ihren 1788 erschienenen Original Stories Rousseaus Erziehungsmethoden feminisiert, d. h. einer weiblichen Mentorfigur und weiblichen Zöglingen zugeordnet (Original Stories from Real Life; with Conversations Calculated to Regulate the Affections, and Form the Mind to Truth and Goodness; im folgenden zitiert nach dem Nachdruck der zweiten Ausgabe von 1791, ed. E.V.Lucas, London, 1906). S. dazu ebenfalls Kap. 1.1.3.

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Des weiteren sei bemerkt, daß philosophische Positionen, die, wie etwa Rousseaus Leistungen auf pädagogischem Gebiet und in der Frage der Menschenrechte, aus der Sicht einer kontinuierlichen Theoriengeschichte als fortschrittlich einzuordnen wären, in der Diskussion um Frauenerziehung, oder grundsätzlicher um die Rechte der Frau, durchaus einen Rückschritt darstellen können. Insgesamt kann es im Rahmen der vorliegenden Arbeit natürlich nicht darum gehen, den philosophischen Diskurs des 18. Jahrhunderts in seiner ganzen Vielschichtigkeit zu rekapitulieren. Eine wichtige Grundlage für die Erziehungsdiskussion des 18. Jahrhunderts liefert die Anwendung des cartesianischen Leib-Seele-Dualismus auf das Verhältnis der Geschlechter durch den französischen Cartesianer Poullain de la Barre. 6 ' Im Unterschied zu anderen dualistischen Modellen identifiziert Poullain de la Barre nicht den Geist mit dem männlichen, den Körper mit dem weiblichen Prinzip, sondern behauptet: „L'esprit n'a point de sexe." Aus dieser These leitet er eine grundsätzliche intellektuelle und moralische Gleichheit von Mann und Frau ab; bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern können nicht als natürliche hingenommen werden. Daraus ergibt sich die Forderung nach gleichen Erziehungsprinzipien und Erziehungszielen für beide Geschlechter. Nun zielt jedoch das Erkenntnisinteresse des 18. Jahrhunderts, wie Claudia Honegger in ihrer bereits in I.I.I vorgestellten Studie Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib ausführt, darauf ab, den theoriegeschichtlich „altmodischen" cartesianischen Dualismus zu überwinden. Im englischen Sprachraum zeigt sich dieses veränderte, „anthropologische" Erkenntnisinteresse beispielsweise in Joseph Priestleys Ausgabe von David Hartleys Observations on Man, his Frame, his Duty and his Expectations. Während Hartley in den 1749 erschienenen Observations noch behauptet, "Man consists of two parts, body and mind", 66 wobei mind für ihn ein immaterielles Prinzip ist, gibt Priestley in seinem Vorwort zu seiner Kurzfassung der Observations 65

In De l'egalite des deux sexes discours physique et moral он Von voit l'importance de se defaire des prejuges (1673, ins Englische übersetzt als The Woman as Good as the Man, or the Equality of both Sexes, 1677), De l'education des dames pour la conduite de l'esprit dans les mceurs (1674), De I'excellence des hommes centre l'egalite des sexes (1675); eine Zusammenfassung der Argumentation Poullains findet sich bei Hierdeis, Irmgard, „Poullain de la Barre: Zur Modernität eines Vergessenen", in: Hohenzollern/Liedtke, op. cit., S. 1 4 8 - 1 6 7 .

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Zitiert in: Sambrook, James, The Eighteenth Century: The Intellectual and Cultural text of English Literature, /700-/7^9 (London and New York, 1986), S. 65

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(1775) diesen Dualismus auf: "All so-called matter is energy; it is therefore capable of sensation and thought: mind and matter are one." 67 Priestley kann sich dabei auf neuere medizinische, vor allem neurologische, Untersuchungen stützen, wobei allerdings in Parenthese angemerkt sei, daß naturwissenschaftliche Untersuchungen vom intellektuellen Gesamtklima einer Epoche nicht unbeeinflußt bleiben. Wenn Körper und Geist, mind und matter, also eins sind, so wird aus der Perspektive eines monistischen Naturalismus Poullain de la Barres „geschlechtslose" Seele zwangsläufig entweder männlich oder weiblich, werden die unterschiedlichen intellektuellen und moralischen Fähigkeiten als natürlich unterschiedlich von der je unterschiedlichen Beschaffenheit des männlichen und weiblichen Körpers abgeleitet. In einem weiteren Schritt werden dann intellektuelle und moralische Qualitäten ihrerseits feminisiert oder maskulinisiert. Am Ende des 18. Jahrhunderts gibt es nur noch wenige Stimmen, die sich gegen diese Entwicklung wehren; pointiert nennt Honegger daher ihr entsprechendes Kapitel „Mary Wollstonecraft und das Ende des ,cartesianischen Feminismus"'. 68 Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Erziehungstheorie des 18. Jahrhunderts leistet John Locke. Wenn man wie Locke in seinem 1690 erschienenen An Essay Concerning Human Understanding69 davon ausgeht, daß es keine angeborenen Ideen gebe, dann lassen sich individuelle moralische und intellektuelle Unterschiede wie auch Unterschiede in den Sitten und Gebräuchen von Gesellschaften auf je unterschiedliche Erfahrungen, also auf „Erziehung" im weitesten Sinne, zurückführen. Damit gewinnt zum einen individuelle Erfahrung an Wertigkeit, vor allem da Locke explizit die Fähigkeit der individuellen Vernunft, zur Wahrheit zu gelangen, postuliert, "God having fitted men with faculties and means to discover, receive, and retain truths, accordingly as they are employed"7° Zum anderen wird die Kindheit als eine eigenständige Phase in der menschlichen Entwicklung neu bewertet, wächst den Eltern eine neue Verantwortung darin zu, den kindlichen Entwicklungsprozeß und die kindlichen Erfahrungen so zu lenken, daß sich eben die Fähigkeit zur

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Ibid. Honegger, op. cit., Erstes Hauptstück, Kapitel 3.4, S. 9 3 - 1 0 2 Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von John W. Yolton (London and N e w York, 1976) Ibid., 1.4.23 (S. 29; Hervorhebung im Text); zu den "truths" gehören die Existenz Gottes, die gesetzmäßige natürliche Ordnung, die sinnvolle und zielgerichtete Ordnung der Welt insgesamt.

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individuellen Wahrheitsfindung voll ausbilden kann/ 1 Entsprechend können individuelle intellektuelle und moralische Defizite durch eine sorgfältige Erziehung verhindert werden. Locke selbst zeigt die erziehungspraktischen Konsequenzen seines Essay in dem 1693 erschienenen Text Some Thoughts Concerning Education72 auf. Den naheliegenden Schritt, unter Berufung auf Locke die allseits konstatierten moralischen und intellektuellen Defizite der Frau auf deren mangelhafte Erziehung zurückzuführen und eine konsequente Erziehungsreform zu fordern, geht im englischen Sprachraum Mary Astell in A Serious Proposal to the Ladies, for the Advancement of their True and Greatest Interest (1694). Die Ubertragbarkeit Lockescher Positionen bleibt dabei nicht auf den Erziehungsbereich im engeren Wortverständnis beschränkt, sondern kann auch darauf ausgedehnt werden, daß alle Menschen, Männer und Frauen, dazu angehalten sind, ihren Verstand auszubilden, daß Individuen beider Geschlechter zur individuellen Wahrheitsfindung befähigt sind.73 Locke erkennt in Essay immerhin noch gewisse natural tendencies an,74 schließt also einen natürlich gegebenen Anteil an der geistigen und moralischen Entwicklung nicht völlig aus; außerdem unterscheidet er im Bereich der Ideen zwischen sinnlichen Eindrücken (sensations) und ihrer geistigen Verarbeitung (reflections)75 und damit zwischen passiven und aktiven Elementen des menschlichen Geistes, der Sinneseindrücke (simple ideas) empfängt und sie zu abstrakten Vorstellungen (complex ideas) verarbeitet. In der bekanntesten Radikalisierung seiner Positionen durch Claude Adrien Helvetius 76 verschwindet der „natürliche" Anteil des na71

In der Tat wird die Kindheit, wie Jonathan Cook bemerkt, sehr bald "a site of competing theories of self", etwa auch der neuen Theorien zur Charakterbildung. S. dazu Cook, Jonathan, "Romantic Literature and Childhood", in: Aers, David, Jonathan Cook, and David Punter (eds.), Romanticism and Ideology. Studies in English Writing Ij6j-i8jо (London, 1981), S. 44-63, hier zit. S. 45 72 Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von R. H. Quick (Cambridge University Press, 2 i 884) 73 S. zur Locke-Adaptation beispielsweise bei Jane Austen: Devlin, D. D., Jane Austen and Education (Basingstoke, 1975); Harris, Jocelyn,Jane Austen's Art of Memory (Cambridge University Press, 1989); Horwitz, Barbara J., Jane Austen and the Question of Women's Education (New York and San Francisco, 1991; American University Studies, Series 4, Vol. 129); Poovey, Mary, "Persuasion and the Promises of Love", in: Heilbrun, Carolyn G. and Margaret R. Higonnet (eds.), The Representation of Women in Fiction (Johns Hopkins University Press, 1983; Selected Papers from the English Institute, New Series, N o . 7) 74 Essay, op. cit., 1.3.3 (S. 19); Locke spricht hier auch von "inclinations" und "natural impressions". 7 > Ibid., 2.1.3 bzw. 2.1.4 (S- 3 3 - 4 ) 76 In De l'esprit (1758) und dem postum erschienenen De l'homme, de ses facultes intellectuelles et de son education (1773)

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ture/nurture-Kontinuums, werden alle affektiven und intellektuellen Fähigkeiten des Individuums auf Sinneswahrnehmungen reduziert. Allerdings wird Helvetius, wie Honegger zeigt, bereits kurz nach seinem Tode dafür kritisiert, daß er den wechselseitigen Einfluß von Körper und Seele vernachlässigt habe.77 Kritik an Helvetius wird auch von seinem langjährigen Freund Diderot geübt, in Refutation suivie de l'ouvrage d'Helvetius intituU L'Homme (1773-4). 7 8 Diderot würdigt zwar Helvetius' „experimentelle Sittenlehre", also die Begründung seiner Ethik in der Beobachtung der menschlichen Natur, wehrt sich aber gegen seine dogmatische Verabsolutierung des Erziehungs- und Milieuelementes im nature/nur£«re-Kontinuum. Diderot verweist statt dessen auf die Fülle und Komplexität menschlicher Triebkräfte und läßt die Koexistenz von natureund nurture-betonten Betrachtungsweisen zu. Im Großbritannien des 18. Jahrhunderts gibt es eine ausgeprägte innatistische Tradition, die sich auf die Auseinandersetzung der moral philosophers mit Locke gründet. So postuliert Shaftesbury in seinen 1 7 1 1 erschienenen Characteristicks zwar nicht explizit angeborene Vorstellungen, wohl aber einen angeborenen moral sense als eine natürliche Fähigkeit, die, durch den Verstand kultiviert, das Individuum dazu befähigt, spontan und intuitiv Gutes von Bösem zu unterscheiden. Hohendahl verweist zu Recht darauf, daß auch die moral philosophers aufklärerische Ziele verfolgen und wie andere Aufklärer nach einer universellen Basis für moralisches und gesellschaftliches Verhalten suchen.79 Ein Erziehungsmodell, das von unerschütterlichen angeborenen Prinzipien und Vorstellungen ausgeht, wird sich allerdings darauf beschränken müssen, die Entfaltung „guter" angeborener Vorstellungen und des innate moral sense zu befördern. Insofern ist es nur folgerichtig, daß Shaftesbury, anders als Locke, keine Erziehungsmodelle entwickelt, ja den Begriff „Erziehung" kaum erwähnt. Insofern erweist sich Lockes Position, auch wenn man sich ihrer Radikalisierung in der erziehungs- und milieutheoretischen Version von Helvetius nicht anschließen will, als für die Erziehungsproblematik ungleich fruchtbarer. Andererseits sind in einer Welt der polarisierten Geschlechtscharaktere die dem innate moral sense zuge77

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Honegger, op. cit., S. 137; zu Helvetius s. ferner Boyd, William, The History of Western Education (London, 4 1947), S. 290 f. Zu Diderot und seiner Helvetius-Rezeption s. Cru, R. Loyalty, Diderot as a Disciple of English Thought (Columbia University Press, 1913) und Winter, Ursula, Der Materialismus hei Diderot (Genf und Paris, 1972; Kölner Romanistische Arbeiten, Neue Folge, Heft 40) Hohendahl, Peter Uwe, Der europäische Roman der Empfindsamkeit (Wiesbaden, 1977), S.9 28

ordneten Tugenden tendenziell weiblich, so daß sich hier ein Ansatzpunkt für die Begründung weiblicher Autorität aus größerer weiblicher Empfindsamkeit finden läßt.8° Diese angeblich ohnehin größere weibliche Empfindsamkeit ließe aber dann wiederum, in der Argumentationsstruktur der moral philosophy, die relative Bedeutung weiblicher Erziehung, und speziell die Vermittlung intellektueller Erziehungsinhalte, als sehr gering erscheinen. Das Alltagsleben und das individuelle Bewußtsein der Menschen im späten 17. und 18. Jahrhundert werden immer noch weniger von philosophischen Richtungen als von der christlichen Religion geprägt. Selbst die bereits erwähnte Erziehungsreformerin Mary Asteil verortet ihre Forderungen nach Reformen nicht nur im philosophischen Diskurs ihrer Zeit, sondern bezieht sich gleichermaßen auf christliche Glaubensinhalte. Die einschlägigen Bibelstellen, etwa Genesis 2 . 2 1 - 2 3 , Genesis 3, die Paulusbriefe, vor allem der Erste Brief an Timotheus, 2 . 9 - 1 0 , spielen auch im 18. Jahrhundert bei der Begründung der untergeordneten Position der Frau noch eine wichtige Rolle. Allerdings kann man mit den genannten Stellen auch, wie Astell dies tut, die Notwendigkeit einer besseren Erziehung für Frauen begründen: Durch Erziehung können Frauen ihre Rolle als Gesellin und Helferin {helpmeet) des Mannes besser ausfüllen. Dieses relative Erziehungsideal dominiert bei Astell, wie auch die Ehe die für sie erstrebenswerte Lebensform ist. Gleichzeitig ist bei ihr jedoch in Ansätzen auch ein Erziehungsmodell zu erkennen, das sich stärker an den Bedürfnissen der Frau orientiert. Dieses Modell läßt sich, unter Rekurs auf die erste Version des Schöpfungsmythos in Gen. 1.27, ebenfalls religiös legitimieren: Frau und Mann sind von Gott gleichermaßen als vernunftbegabte Wesen geschaffen worden, und wenn die Frau ihre Vernunft nicht gebraucht, sündigt sie gegen Gott. Neben dem helpmeet-hrgiment, dessen sich auch Judith Drake in An Essay in Defence of the Female Sex (1696) bedient,81 gibt es Ansätze einer historischen Bibelkritik. Diese kann sich zum Beispiel mit der Frage beschäftigen, ob weibliche Unterordnung eine in allen Zeiten wirksame Strafe für den Sündenfall sein müsse oder nur Adam und Eva betreffe und ob die paulinischen Sanktionen gegen weibliche Artikulation im Gotteshaus universelle Gültigkeit besitzen oder sich ihre Gültigkeit

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S. dazu Reiss, Timothy J., "Revolution in Bounds. Wollstonecraft, Women, and Reason", in: Kauffman, Linda (ed.), Gender and Theory: Dialogues on Feminist Criticism (Oxford, 1989), S. 1 1 - 5 0 Drake, Judith, An Essay in Defence of the Female Sex, in: Jones, V. (ed.), op. cit., S. 208

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auf den unmittelbaren Adressatenkreis beschränke.82 Das Ladies Magazine druckt in seinem ersten Jahrgang 83 "Freyjo's [sic] Defence of Women" ab. Gemeint ist mit diesem Titel der Text Defensa de las Mujeres des spanischen Aufklärers und Benediktinermönches Feijoo у Montenegro, der seine Argumentation, daß die Frau dieselben intellektuellen und moralischen Fähigkeiten besitze wie der Mann und daß ihre Inferiorität ein Produkt ihrer mangelhaften Erziehung und der ihr ebenfalls mangelnden Erfahrungsbasis für rationale Schlußfolgerungen sei, mit Bibelzitaten belegt. Defensa de las Mujeres wird im übrigen zu dieser Zeit auch von Elizabeth Carter rezipiert, die mit Feijoo-Argumenten Hester Mulso in deren Auseinandersetzung mit Richardson beispringt.84 Gerade an diesen Versuchen zur Umwertung und Relativierung biblischer Vorlagen zeigt sich eben die erwähnte fortdauernde Bedeutung christlichen Gedankengutes, eine religiöse Bindung, die bei allen rationalistischen Tendenzen beispielsweise auch manche Texte Wollstonecrafts kennzeichnet. Dies wird etwa durch ihre Einstellung zur Erbsündeproblematik illustriert: Die doctrine of corruption,8' die sowohl von Locke und seiner Schule als auch in der Shaftesbury-Nachfolge und bei Rousseau abgelehnt wird, die aber Erziehungsautorinnen und -autoren wie Hannah More und, vor ihr, Fenelon 86 vertreten, wird von Wollstonecraft geteilt. Insgesamt ist also zu konstatieren, daß sich die soziale Konstruktion von Geschlechtscharakteren im 18. Jahrhundert auf tradierte philosophische und theologische Diskurse beziehen kann. So kann das von Laqueur beschriebene Zwei-Geschlechter/Zwei-Leiber-Modell 87 weiblicher Alterität die eben beschriebenen Positionen des monistischen Naturalismus und des Innatismus mit einer restriktiven Auslegung biblischer Texte 82

S. dazu Browne, op. cit., Kapitel 1 ' 1759/60; s. dazu Brophy, Women's Lives, op. cit., S. 2 6 - 9 84 Die Geschichte dieser Auseinandersetzung wird ausführlich in Myers, Sylvia Harcstark, The Bluestocking Circle: Women, Friendship, and the Life of the Mind in EighteenthCentury England (Oxford, 1990), S. i4off. dargestellt. Mulso hatte in mehreren Briefen Clarissas Ungehorsam gegenüber ihren Eltern verteidigt. Im zweiten Brief beruft sie sich übrigens auf Locke: "Hester insisted that Locke's arguments about a man and his liberty must apply to a woman also. Since natural liberty arises from reason, women must be considered reasonable creatures capable of liberty." (ibid., S. 142) 8

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Der Begriff wird von der evangelikalen Autorin Hannah More verwendet; hier zitiert nach Devlin, D. D., The Novels and Journals of Fanny Bumey (Basingstoke, 1987), S. 73 f. Beispielsweise in Education des Filles (1687); die vielfach, etwa an prominenter Stelle in Kindlers Literatur Lexikon, behauptete Ähnlichkeit der Maximen Fenelons und Lockes fällt weniger auf als Fenelons Insistieren auf weiblicher Unterlegenheit und Schwäche. Auszüge aus Fenelons Education, in einer englischen Übersetzung von 1805, bei Jones, V. (ed.), op. cit., S. 102 ff. S. dazu Kap. 1.1.1

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verbinden. Aber auch eine Kritik an diesem Modell oder an Teilaspekten kann sich auf aufklärerische Vorstellungen stützen; sie kann sich etwa an Locke und seinen Nachfolgern wie zum Beispiel Helvetius orientieren und die Existenz angeborener Prinzipien, und damit auch die vermeintlich angeborene weibliche Fähigkeit zur Empathie, negieren. Erinnert sei in diesem Zusammenhang noch einmal an Honeggers Bezeichnung für Wollstonecraft, „letzte cartesianische Feministin". Hiermit sind nun die beiden Pole der Auseinandersetzung beschrieben, innerhalb derer sich die Erziehungsdiskussion in den conduct books der Epoche bewegt. Zwei Vertreter der ideologischen Lager, die sich den beiden Polen zuordnen lassen, haben wir bereits kennengelernt: den gentleman und den friend in Edgeworths Letters for Literary Ladies. Beide Lager stimmen jedoch in ihrer Forderung nach einer verbesserten Frauenerziehung überein. Entweder gilt es, die Frau zur Ausübung der moralischen Autorität im Hause zu befähigen, auf die sie als der bessere, weil sensiblere, empfindsamere Mensch einen besonderen Anspruch hat; sie muß lernen, ihre angeborene Empfindsamkeit in die richtigen Bahnen zu lenken. Oder das Erziehungsziel ist die Befähigung zu vernunftgeleitetem und eigenverantwortlichem Handeln, wobei der Aktionsradius tendenziell nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Einen Kompromiß zwischen extremen Positionen könnte das Ideal einer rational motherhood darstellen: Frauen sind so vernünftig wie Männer, doch ist ihnen die einzigartige Aufgabe der Mutterschaft zugedacht. Sie müssen also so erzogen werden, daß sie dieser Aufgabe gerecht werden können, und sie müssen dabei so selbständig werden, daß sie sie auch beim Tode des Ehemannes bewältigen können. Außerdem, und hier eröffnet sich eine weitere denkbare Kompromißformel, muß der Frau Rationalität nicht abgesprochen werden, um sie gleichzeitig mit Sensibilität auszustatten.88 Nun ist es natürlich kein historischer Zufall, daß die ersten feministischen Texte in Großbritannien gerade im späten 17. Jahrhundert, im Zuge der Glorious Revolution, erscheinen. Ansatzpunkte zur Kritik an bestehenden Verhältnissen, in unserem Zusammenhang also an weiblichen Erziehungsdefiziten und den Unzulänglichkeiten weiblicher Rollen im allgemeinen, ergeben sich an den Schnittstellen konfligierender Diskurse. Lockes Two Treatises of Government (1689) legitimieren die Absetzung des letzten Stuart-Königs James II. und begründen die konstitutionelle Monarchie. Sie tun dies in expliziter Ablehnung des etwa von Robert Filmer in Patriarcha formulierten konservativen Analogiemodells, das die 88

S. dazu wiederum Reiss, op. cit.

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Autorität des Königs mit der des Familienvaters vergleicht und aus der Unantastbarkeit der familiären Machtposition die des Monarchen ableitet, und führen damit nicht nur zu einer Neudefinition des Verhältnisses Herrscher/Untertanen, sondern auch zu der des Verhältnisses pater fami/ids/Familie.89 Aus diesem Spannungsfeld zwischen liberaler politischer Theorie und der aktuellen Lage innerhalb und außerhalb der Familie erhalten die Texte von Astell oder Drake ihren Impetus. Am Ende des 18. Jahrhunderts, nach einer bürgerlichen kulturellen Revolution, in der, wie wir gesehen haben, die Frau eine wichtige Rolle spielt, eröffnet sich im Umkreis der Französischen Revolution ein ähnliches Spannungsfeld, nämlich zwischen der Menschenrechtsdiskussion und den mit ihr verbundenen, allgemeine Gültigkeit beanspruchenden politischen Forderungen und der faktischen Beschränkung dieser Ansprüche auf die männliche Hälfte des Menschengeschlechtes. Im Umkreis der Französischen Revolution artikulieren sich beispielsweise Wollstonecraft und Catherine Macaulay, deren 1790 erschienenes Manifest Letters on Education. With Observations on Religious and Metaphysical Subjects Wollstonecraft für den Analytical Review rezensiert. Beide teilen das Bewußtsein, daß Geschlechtscharaktere nicht naturgegeben sind, sondern einem sich in der Geschichte vollziehenden Konstruktionsvorgang unterliegen. Sie verweigern sich also dem Prozeß der „Selbstnaturalisierung", der, wie Gildemeister und Wetterer ausführen, durch impliziten Rückgriff auf die „Natur" des Menschen den Blick darauf verstellt, „daß uns diese [Natur] immer schon im Modus sozial produzierten Wissens begegnet".90 Das Bewußtsein von der Historizität des Konstruktionsvorgangs verdanken sie wiederum zum Teil ihren jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen: Macaulay ist eine bedeutende Historikerin und bedient sich neuer historiographischer Ansätze und Methoden, um die Geschichtlichkeit gesellschaftlicher Systeme und der in ihnen vorhandenen Wertvorstellungen, Erziehungsmodelle usw. zu beschreiben.91 Wollstonecraft kann das 89

Stone, op. cit., S. 239 f.; in diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die von Kowalewski-Wallace vorgebrachte Kritik an Stones Darstellung der derart neu begründeten familiären Autorität explizit auch für Locke gilt. S. dazu auch Rogers, Feminism, op. cit., Kap. 2, und Moynihan, Robert D., "Clarissa and the Enlightened Woman as Literary Heroine", in: Journal of the History of Ideas, Vol. 36 (1975), S. 1 5 9 - 6 6 90 Gildemeister/Wetterer, op. cit., S. 211 bzw. 210 9 ' Hier teilt Macaulay die Vorstellungen David Humes, der ja (in A Treatise of Human Nature) im Unterschied zu Shaftesbury moral sense nicht als ein angeborenes, sondern als ein gesellschaftlich vermitteltes, und daher auch von Gesellschaft zu Gesellschaft verschiedenes, Regelsystem auffaßt. Ihre Version der Geschichte Englands weicht allerdings von der Humes erheblich ab und wurde von diesem auch heftig kritisiert. S. dazu Hill,

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Entstehen eines bestimmten weiblichen Geschlechtscharakters durch die vergleichende Analyse verschiedener conduct books dokumentieren. In der Phase der konservativen Reaktion auf die Ereignisse in Frankreich ab 1792/93, in der auch die von Locke problematisierte Analogie zwischen königlicher und väterlicher Autorität rehabilitiert wird, werden die Äußerungen von Wollstonecraft oder Macaulay, die von ihnen propagierten Erziehungsziele und deren ideologische Begründung zunehmend als politisch und moralisch subversiv kritisiert. Claudia Johnson zeigt, daß in dieser Zeit Begriffe wie philosophy, independence, reason häufig negativ besetzt werden. 92 Allerdings führt die konservative Abwertung des Vernunftbegriffes nicht zu einer korrespondierenden Aufwertung der im Zwei-Geschlechter/Zwei-Leiber-Paradigma der Frau zuzuordnenden moralischen Qualitäten wie etwa sensibility, also Empathie, emotionale Expressivität, Impulsivität usw. Diese Qualitäten werden vielmehr nicht nur als „verweiblichend", sondern auch als „unbritisch" interpretiert93 und mit „männlichen" und „britischen" Tugenden wie Selbstbeherrschung, Zurückhaltung kontrastiert. Dieses Junktim nötigt Autorinnen und Autoren, die sich in der Zeit der revolutionären und der Napoleonischen Kriege zur Rolle der Frau und zu Fragen der Frauenerziehung äußern, auch dazu, den patriotischen Charakter ihrer Fragestellungen zu betonen. Im folgenden Kapitel soll nun vorgeführt werden, wie die hier beschriebenen Positionen des aufklärerisch-bürgerlichen Diskurses in die Ratgeberliteratur der Epoche eingehen.

1.1.3 Erziehungsdiskussion in conduct books In einer Ausgabe aus dem Jahr 1821 sind drei der bekanntesten conduct books des 18. Jahrhunderts vereint: Chapones Letters on the Improvement of the Mind (1773 erstmals veröffentlicht), Gregorys A Father's Legacy to His Daughters (1774) und Penningtons A Mother's Advice to

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Bridget, The Republican Virago. The Life and Times of Catherine Macaulay, Historian (Oxford, 1992) Johnson, Claudia L., Jane Austen: Women, Politics, and the Novel (University of Chicago Press, 1988), S. 1 1 f.; Johnson bezieht sich dabei vor allem auf Romane, in denen gezeigt wird, wie vermeintlich vernunftgeleitete Heldinnen und Helden gegen geheiligte (und explizit zeitlose) moralische Prinzipien verstoßen, wobei ihnen ihre aufklärerische Vernunftrhetorik lediglich dazu dient, ihre Eigensucht und ihre sinistren Absichten zu verbergen. S. dazu Teil г der vorliegenden Arbeit. Todd, Sensibility, op. cit., Kap. 8

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Her Absent Daughters (1761). 94 Offenbar werden diese Texte, denen neben Kurzbiographien der Verfasserinnen und des Verfassers auch eine Lektüreliste unter dem Titel "The Lady's Library" vorangestellt ist, immer noch als so zeitgemäß empfunden, daß sich eine Neuauflage lohnt. Chapone, Gregory und Pennington stehen ihrerseits bereits in einer langen Tradition frauenorientierter Ratgeberliteratur, die nach Vorläufern im 17. Jahrhundert wie etwa Richard Allestrees The Ladies Calling (1673) für das 18. Jahrhundert von Halifax' Advice to a Daughter (1700) begründet wird. Im folgenden sollen nun zunächst anhand der Texte von Chapone, Gregory und Pennington verschiedene Möglichkeiten zur Klassifikation von conduct books vorgestellt werden. In einem zweiten Schritt werden die hierbei entwickelten Kriterien zu Kurzcharakteristiken von zehn repräsentativen und einflußreichen Texten aus den letzten drei Jahrzehnten des 18. und aus dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts herangezogen. Das nächste Teilkapitel wird sodann mit Mary Wollstonecrafts A Vindication of the Rights of Woman und Hannah Mores Strictures on the Modern System of Female Education zwei sehr unterschiedliche conduct books von Autorinnen vorstellen, deren Romane The "Wrongs of Woman und Coelebs in Search of a Wife uns im zweiten Hauptteil begegnen werden. Schließlich werden wir uns in einem letzten Abschnitt einer Sonderform des conduct book zuwenden, die in ihrer Verbindung von Erziehungshandbuch und Kinder- oder Jugendliteratur als „semifiktional" 95 bezeichnet werden kann.

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Chapone's Letters on the Improvement of the Mind. Dr Gregory's A Father's Legacy to His Daughters. Lady Pennington's A Mother's Advice to Her Absent Daughters. With Lives of the Authors (Edinburgh, 1821). Im allgemeinen ist die Sekundärliteratur, auf einzelne conduct hooks bezogen, unergiebig. Erwähnt werden die Texte von Chapone, Gregory und Pennington in Bullough/Bullough, Kap. n , Mason, Kap. 4, Rogers, Feminism, Kap. 7, Spencer, Kap. 4, Sulloway, Kap. 1 (jeweils op. cit.) sowie in Bradbrook, Frank W., Jane Austen and her Predecessors (Cambridge University Press, 1967), Kap. 2; Kamm, Josephine, Hope Deferred. Girls' Education in English History (London, 1965), Kap. 7; Leranbaum, Miriam, "'Mistresses of Orthodoxy': Education in the Lives and Writings of Late Eighteenth-Century Women Writers", in: Proceedings of the American Philosophical Society, 121 (1977), S. 2 8 1 - 3 0 1 ; Sauermann-Westwood, Doris, Das Frauenbild im englischen Schauerroman (Marburg, 1978), Kap. 2.2; Suhr, Heidrun, Englische Romanautorinnen im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Entwicklung des bürgerlichen Romans (Heidelberg, 1983; Anglistische Forschungen, Heft 169), Kap. 5 und 1 1 ; Todd, Janet Μ., The Sign of Angellica. Women, Writing, and Fiction 1660-1800 (London, 1989), Kap. 6

95

In Anlehnung an Newton, Sarah Emily, "Wise and Foolish Virgins: 'Usable Fiction' and the Early American Conduct Tradition", in: Early American Literature, Vol. 25 (1990), S. 1 3 9 - 6 7

34

1.1.3.1 Zur Klassifikation von conduct books Wenn die Erziehungsdiskussion, wie in den vorhergehenden Kapiteln postuliert, in einem engen Zusammenhang mit gesellschaftlich-politischen Entwicklungen der jeweiligen Epoche steht, bietet sich als erste Klassifikationsmöglichkeit die chronologische Differenzierung zwischen prärevolutionären, revolutionären und postrevolutionären Texten an. Diese Differenzierung kann unter anderem aus den Bezugslinien der Texte zueinander abgeleitet werden: Die prärevolutionären Texte werden von revolutionären Autorinnen als Gruppe verstanden und gemeinsam kritisiert; mit „revolutionären Autorinnen" seien hier vorläufig diejenigen gemeint, die von den Menschenrechtsdiskussionen der Französischen Revolution beeinflußt sind. Die revolutionären Autorinnen wiederum geraten ins Kreuzfeuer der Kritik postrevolutionärer Texte, die zudem oft an prärevolutionäre Traditionen anknüpfen. Weitere Klassifikationsmöglichkeiten werden von der Sekundärliteratur angeboten. So unterscheidet etwa Sulloway, wie bereits bemerkt, in ihrer Austen-Studie zwischen kirchlich-religiösen, säkularisierten und patriotischen conduct books.96 Wenn man dieses Kriterium, mit dem sich die Begründungsstrategien für eine verbesserte weibliche Erziehung kategorisieren lassen, auf die prärevolutionären Texte von Chapone, Gregory und Pennington anwendet, so stellt man fest, daß die religiöse Dimension bei Chapone am ausgeprägtesten ist. Patriotische Tendenzen lassen sich in keinem der drei Texte aufzeigen, wohl aber in den einleitenden Passagen der Ausgabe von 1821, deren Autorschaft nicht mehr geklärt werden kann. So heißt es in der Einleitung zu Penningtons Text: English literature, unrivalled in almost every other department, can likewise boast the greatest number that any country ever produced of excellent w o r k s of this [didactic] nature; to which w e may perhaps attribute the stricter morality observed among Britons of liberal education, compared with similar classes in other kingdoms; - the superior modesty, elegance, and worth, which so eminently distinguish the British female character. 97

Es ist anzunehmen, daß patriotische Argumentationsstrukturen vor allem als Folge der Französischen Revolution und während der Napoleonischen Kriege in die Ratgeberliteratur eingehen, also weitgehend auf postrevolutionäre Texte beschränkt sind. Nun wurde in den vorhergehenden Kapiteln neben der Französischen Revolution auch das Phänomen der bürgerlichen kulturellen Revolution 96 97

Sulloway, op. cit., Kap. 1 Chapone/Gregory/Pennington, op. cit., S. 197

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in England als historischer Kontext der Erziehungsdiskussion im 18. Jahrhundert eingeführt.98 So schildert etwa Nancy Armstrong den Zusammenhang zwischen conduct books und bürgerlicher kultureller Revolution wie folgt: 99 Das Genre des conduct book, dessen Zielgruppe ursprünglich aus aristokratischen Männern bestanden habe, erfahre ab dem späten 17. Jahrhundert, also beispielsweise mit dem bereits erwähnten Text von Richard Allestree, eine inhaltliche Neuorientierung, die der Neuorientierung in journalistischen Formen und im Roman entspreche. Die conduct books konzentrierten sich jetzt verstärkt auf die Entwicklung bürgerlicher, und speziell weiblicher, Erziehungsmodelle, die darauf abzielten, die Frauen der aufstrebenden Mittelschicht durch psychologische Tiefe begehrenswerter zu machen als die durch ihre „glitzernde Oberfläche" faszinierenden aristokratischen Frauen. 100 Die Erziehungsmodelle privilegierten ferner horizontale soziale Beziehungen und nivellierten in der Erziehung der Frau die bestehenden Unterschiede, etwa zwischen Stadt und Land, professions und Handel, innerhalb der sich neu konstituierenden „mittleren" sozialen Schicht. Auf die erste historische Phase der Abgrenzung zur Oberschicht hin, der damit auch politische und moralische Autorität entzogen werde solle, folge, so Armstrong weiter, etwa ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Abgrenzung der nunmehr konsolidierten bürgerlichen Schicht nach unten. Die conduct books sind also auch danach zu befragen, ob sie ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht thematisieren und welcher Strategien der Abgrenzung von anderen sozialen Schichten sie sich bedienen. Für Chapone und Gregory läßt sich konstatieren, daß sie beide selbstverständlich davon ausgehen, daß ihre Adressatinnen über Dienstpersonal verfügen und daß sich die Funktion der Adressatinnen in ihren jeweiligen Haushalten auf Organisation und Leitung beschränken wird. Ihre Texte warnen davor, durch allzu großen finanziellen Aufwand für Kleidung oder bei der Bewirtung von Gästen den eigenen gesellschaftlichen Rang zu überschreiten, und sind damit eher noch den Texten zuzuordnen, bei denen eine Konsolidierung bürgerlicher Wertvorstellungen 9$ 99

100

S. dazu Kap. 1 . 1 . 1 In Desire and Domestic Fiction, op. cit., Kap. 2; s. dazu auch Sauermann-Westwood, op. cit., Kap. 2, und Schrick, Annegret, Jane Austen und die weibliche Modellbiographie des 18. Jahrhunderts. Eine strukturelle und ideologiekritische Untersuchung zur Zentralfigur hei Jane Austen (Trier, 1986). Schrick verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff „höhere Tochter", der aber assoziativ so stark an das deutsche Bürgertum gebunden ist, daß er als für einen britischen Kontext ungeeignet erscheint. Zu dieser Neuorientierung hin zu einer weiblichen Leserschaft s. auch Hunter, op. cit., S. 2 7 0 - 2

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und Lebensmodelle mit der Abgrenzung zu aristokratischem Gepränge einhergeht. Andererseits zeigt der Text von Lady Pennington, die ja der so ausgegrenzten sozialen Schicht angehört, daß diese bürgerlichen Normen inzwischen jedenfalls von Teilen der Aristokratie übernommen worden sind. Die Haushalte, die Lady Pennington als zukünftige Heime ihrer Töchter imaginiert, sind zwar deutlich größer und verfügen beispielsweise über housekeepers, upper servants, ladies' women, doch dieses Dienstpersonal kann der Frau des Hauses die ihr zugedachten Aufgaben der Organisation und Leitung nicht abnehmen. Darüber hinaus wird sie, wie ihre bürgerliche Geschlechtsgenossin, vor unangemessener Prunksucht gewarnt. Im übrigen gilt auch für diesen Bereich, daß conduct books aus den 90er Jahren des Jahrhunderts, also Texte, die in einer Zeit gravierender sozialer Spannungen entstehen, aus naheliegenden Gründen dem Thema der inneren Stabilität, die nur dadurch bewahrt werden könne, daß sich jedes Individuum mit dem ihm zugedachten gesellschaftlichen Rang bescheide, viel mehr Raum zur Verfügung stellen werden. Eine weitere Klassifikationsmöglichkeit wird durch Schricks Überlegungen zur „Erzählperspektive" der conduct books eröffnet. Analog zur Erzählerfigur eines fiktionalen Textes kann man für das conduct book eine Mentorfigur konstruieren, deren Verhältnis zur ebenfalls textintern konstruierten Adressatin, von Schrick als Handlungsträgerin bezeichnet, dann untersucht werden kann; 101 dabei kann man, wie etwa Shevelow dies vorschlägt, Ioi die textinterne Adressatin auch als Repräsentantin der intendierten Leserin auffassen. Schrick verweist zu Recht darauf, daß das Verhältnis zwischen Mentorfigur und Adressatin in der Regel durch Distanz gekennzeichnet ist, die aus dem Alters- oder Erfahrungsvorsprung der Mentorfigur, oft auch aus deren (männlichem) Geschlecht und geistlichem Amt, abgeleitet wird. Hier ist nun weiterführend zu fragen, welche spezifischen Auswirkungen unterschiedlich konstruierte Mentorfiguren auf die im Text vermittelten Normensysteme und Handlungsmaximen haben. Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Mentorfiguren sind dabei in der jeweiligen Darstellung des Verhältnisses der beiden Geschlechter zueinander, vielleicht auch der des Verhältnisses von Frauen untereinander zu erwarten. Chapones Text signalisiert bereits durch die Wahl der Briefform als rhetorischem Muster ein familiäres oder freundschaftliches Verhältnis zwischen Mentorfigur und Adressatin. In der Tat wenden sich die Briefe 101

102

Schrick, op. cit., Kap. 1.4; allerdings sind nicht alle conduct books, wie Schrick behauptet, „weibliche Modellbiographien". In Flynn/Schweickart, op. cit.

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an eine geliebte Nichte und exemplifizieren damit das ideale Verhältnis zwischen einer älteren und einer jüngeren Frau, das im Text selbst, und zwar im fünften Brief zu "Affections", thematisiert wird. Hier behauptet Chapone, daß wahre Freundschaft nur zwischen gleichgeschlechtlichen Individuen möglich sei, nicht aber zwischen Mann und Frau. Eine junge Frau müsse sich daher eine ältere Freundin suchen, die ihr an Welt- und Menschenkenntnis überlegen sei und die sie in allen Lebenslagen um Rat fragen könne. Die Eigenschaften, die eine Freundin besitzen müsse, werden im folgenden aufgezählt. Auch der Titel des conduct book von Gregory weist auf ein familiäres Verhältnis hin. Allerdings bemerkt Gregory bereits in seinem Vorwort, daß er nicht nur als Vater, sondern auch als Mann zu seinen Töchtern sprechen wolle: Y o u must expect that the advices [sic] w h i c h I shall give y o u will be v e r y imperfect, as there are m a n y nameless delicacies in female manners, of w h i c h n o n e but a w o m a n can judge. - Y o u will have one advantage b y attending to w h a t I am going to leave with y o u ; y o u will hear, at least f o r once in y o u r lives, the genuine sentiments of a man w h o has no interest in flattering o r deceiving y o u . 1 0 '

Damit ist bereits ein Grundproblem des Textes angesprochen, das man vielleicht als Problem des ambivalenten Männerbildes in Gregorys Legacy wie in anderen conduct books bezeichnen könnte: Einerseits wird die tugendhafte Frau in diesen Texten dazu aufgefordert, sich durch den männlichen Blick definieren zu lassen und sich dem männlichen Schutz anzuvertrauen; andererseits wird die normale Beziehung zwischen den Geschlechtern als eine Beziehung imaginiert, die durch Täuschung seitens des Mannes gekennzeichnet ist, auf die die Frau ihrerseits mit Täuschungsmanövern reagieren muß. So wird sie beispielsweise in einer vielzitierten Textpassage des Kapitels "Conduct and Behaviour" dazu angehalten, ihren Verstand und ihre Bildung vor Männern zu verbergen, besonders vor solchen Männern, die Vorurteile gegen intellektuelle Frauen haben. Textintern versucht Gregorys Mentorfigur, dieses Problem im Kapitel "Friendship, Love, and Marriage" zu lösen, und zwar dadurch, daß sie Frauen Kriterien für die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Freiern an die Hand gibt. Ansonsten bleibt die männliche Perspektive unproblematisiert 104 und geht mit einer Abwertung des Verhältnisses von 103 104

Chapone/Gregory/Pennington, op. cit., S. 154 S. z.B. die vielzitierte Textpassage zur weiblichen Religiosität: "Women are greatly deceived, when they think they recommend themselves to our sex by their indifference about religion. Even those men who are themselves unbelievers, dislike infidelity in you.

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Frauen zueinander einher: Wenn Frauen Freundinnen haben, sind sie ihnen gegenüber oft so indiskret, daß sie ihre allzu große Offenheit bald bereuen. Allerdings stehen Frauen ohnehin im ständigen Wettkampf miteinander, weswegen es ihnen schwerfällt, überhaupt Freundinnen zu werden. Damit scheint sich Shevelows Beobachtung zu bestätigen, daß sich conduct books, in denen, wie in Halifax' Advice to a Daughter, Mentorfigur und intendierte Leserin in einem Vater-Tochter-Verhältnis zueinander stehen, durch besonderen Konservatismus in bezug auf das Geschlechterverhältnis auszeichnen. Shevelow schreibt über Halifax weiter: Advice to a Daughter projects a strong fatherly voice, transferring both the familiarity and the authority vested in the patriarchal role into the interaction between the text and the intended reader. The reader, in order to 'read' the book (i. e. to absorb Halifax's advice), endows the fatherly role with power. The voice draws the reader in, casting her into a new mold as reader which is at the same time an ancient one as woman. The book, acting in loco parentis, elicits a response based on the reader's experience. The reader becomes, in effect, a surrogate daughter. 105

Es ist hinzuzufügen, daß die von Shevelow für Halifax aufgezeigten Determinanten der Leserinnenrezeption, die sich ohne weiteres auf Gregory übertragen lassen, durch die Form des testamentarischen Nachlasses oder Vermächtnisses, der sich Gregory bedient, natürlich noch verstärkt werden. Eine dritte Variante des Verhältnisses zwischen Mentorfigur und intendierter Leserin wird in Penningtons Einleitung zu ihrem A Mother's Advice to Her Absent Daughters aufgebaut. Pennington hat ihren Text als einen offenen Brief an ihre Töchter konzipiert, weil sie diese Töchter zum letztenmal gesehen hat, als sie noch sehr klein waren. In ihrem Privatleben sei ihr Verhalten immer untadelig gewesen, doch in ihrem öffentlichen Auftreten habe sie sich, auf Wunsch ihres Mannes, der Maske einer coquette bedient und dadurch ihren guten Ruf verloren. Von ihrem Mann lebe sie nun getrennt, weswegen Privatbriefe die Töchter auch nicht erreichen könnten. Wenn es die Hauptaufgabe einer Mutter ist, ihre Töchter zu erziehen, kann nur ein durch außergewöhnliche Umstände beeinträch-

105

Every man who knows human nature, connects a religious taste in your sex, with softness and sensibility of heart; at least, we always consider the want of it as a proof of that hard and masculine spirit, which, of all your faults, we dislike the most. Besides, men consider your religion as one of their principal securities for that female virtue in which they are most interested." (Chapone/Gregory/Pennington, op. cit., S. 159f.; Hervorhebungen im Text) In Flynn/Schweickart, op. cit., S. 111

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tigtes Mutter-Tochter-Verhältnis den Anlaß für eine Korrespondenz liefern. Die so konstruierte Mentorfigur ist also keine vorbildliche moralische Instanz, sondern eher ein warnendes Beispiel dafür, was einer jungen Frau widerfahren kann, die die aus einer bitteren Erfahrung gewonnenen und im Text vermittelten Lehren nicht beherzigt. Seine besondere Brisanz gewinnt dieser Sonderfall des Mutter-Tochter-Verhältnisses dadurch, daß die Heiratschancen einer jungen Frau natürlich durch den schlechten Ruf ihrer Mutter erheblich beeinträchtigt werden können. 106 Bezogen auf den von Laqueur beschriebenen Wechsel vom EinGeschlecht/Ein-Leib-Modell zum Zwei-Geschlechter/Z wei-Leiber-Modell107 ist zu konstatieren, daß dieser Wechsel, sicher unter dem Einfluß Rousseaus, bei Gregory bereits weitgehend vollzogen ist, während sich Chapone auf dem nature/nurture-Kontinuum eher in der Nähe des nurture-Pols ansiedeln läßt. Allerdings unterscheiden sich die Texte von Gregory und Chapone hier erheblich von postrevolutionären conduct books, die, offenbar unter dem durch die revolutionäre Menschenrechtsdiskussion hervorgerufenen stärkeren Rechtfertigungsdruck, „natürliche" Unterschiede zwischen den Geschlechtern ebenso wie „natürliche" intellektuelle und moralische Gleichheit mit einem erheblich größeren rhetorischen Aufwand begründen müssen. Letztere Argumentationsstruktur findet sich in den „revolutionären" Texten, die sich damit dem Paradigmenwechsel noch widersetzen. Insgesamt wird also die Zugehörigkeit eines conduct book zu der einen oder anderen der eben beschriebenen Textgruppen die Art und Weise beeinflussen, wie der je einzelne Text den weiblichen Geschlechtscharakter normativ festlegt, wie er seine Festlegungen begründet und welchen weiblichen Verhaltenskodex er aus ihnen ableitet. Damit ist das Hauptinteresse an den conduct books bezeichnet. In Hinblick auf andere thematische Schwerpunkte dieser Arbeit 108 werden alle Texte außerdem danach zu befragen sein, ob sie sich zur didaktischen Relevanz von Romanlektüre äußern. Während sich Gregory mit diesem Thema nicht beschäftigt, nehmen Chapone und Pennington, wie im übrigen die meisten der conduct book-Autorinnen und -autoren, ausführlich zu ihm Stellung.109 Ihre Kommentare sind eher negativ, spre106

107 108 109

S. dazu beispielsweise Elizabeth Inchbalds Α Simple Story (1791), Maria Edgeworths Roman Patronage (1814), Kap. 4, oder Amelia Opies Adeline Mowbray (1804)

S. Kap. 1.1.1

S. dazu Kap. 1.2 und 2.2 Sie stehen damit in einer langen Tradition: Die Kritik an romanlesenden Frauen wird bereits in Allestrees Ladies Calling artikuliert. S. dazu Uphaus, Robert W., "Jane Austen and Female Reading", in: Studies in the Novel, Vol. 19 (1987), S. 334-345

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chen jedoch dem Genre nicht grundsätzlich jeden didaktischen Wert ab, - Pennington lobt beispielsweise den moralischen Gehalt von Goldsmiths The Vicar of Wakefield, Chapone rät lediglich zur Vorsicht bei der Textwahl. Die Zurückhaltung von Chapone und Pennington wird in der Edinburgher Ausgabe dadurch relativiert, daß die den Texten vorangestellte Lektüreliste, die "Lady's Library", Romane enthält, und zwar unter anderem Bruntons Discipline, Smiths Emmeline, Burneys Cecilia und Evelina, Edgeworths Moral Tales, Hamiltons The Cottagers of Glenburnie usw. Außerdem heißt es in der Einführung zu Chapones Letters·. The present age is honourably distinguished by the variety and the excellence of productions from the pen of females, the mere mention of whose names will, we are satisfied, awaken within our readers recollections of delight: Miss Aikin, Miss Joanna Baillie, Mrs Barbauld, Miss H. Bowdler, Mrs Brunton, Miss Burney (now Mad. d'Arblay), Miss Elizabeth Carter, Mrs Chapone, Miss Edgeworth, Miss E. Hamilton, Mrs Hemans, Miss Hannah More, Mrs Opie, Miss Porter, Mrs Sherwood, Miss E. Smith, Miss Talbot, Mrs Taylor, Miss Taylor, Mrs Trimmer, Mrs Wakefield, Mrs West. 110

In diesem Pantheon weiblicher Autorschaft spielen die Romanautorinnen natürlich eine wichtige Rolle. Durch ihre Tätigkeit in den ca. 50 Jahren seit der Erstveröffentlichung des Chapone-Textes, also etwa in dem Zeitraum, dem die vorliegende Arbeit gewidmet ist, wurde das Genre, bei dessen Evaluierung moraldidaktische Kriterien immer noch eine zentrale Rolle spielen, aufgewertet. Die Gruppe der prärevolutionären conduct books umfaßt die Texte von James Fordyce, John Moir und John Bennett sowie Mary Wollstonecrafts Thoughts on the Education of Daughters. Der Titel von James Fordyces Sermons to Young Women (1765) 1 1 1 verweist bereits darauf, daß es sich bei dem Text um ein conduct book handelt, in dem die besonderen Erfordernisse weiblicher Erziehung religiös begründet werden. Die Mentorfigur nimmt ihren Adressatinnen gegenüber die geistliche Autorität des Predigers für sich in Anspruch. In der 1.0 1.1

Chapone/Gregory/Pennington, op. cit., S. X I f. Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1793. Zur Forschungslage s. Fußnote 94; Fordyce wird in allen dort genannten Arbeiten erwähnt, was für die bereits konstatierte Tendenz zur Kanonbildung spricht. Neben den Sermons gibt es noch ein zweites conduct book von Fordyce, The Character and Conduct of the Female Sex, and the Advantages to be Derived by Young Men from the Society of Virtuous Women. A Discourse in Three Parts, Delivered in Monkwell-Street Chapel, January 1, IJJ6 (London, 1776). Letzteres wird im gleichen Jahr als Der Charakter und Wandel des weiblichen Geschlechts, und die Vortheile, so Jünglinge aus dem Umgange mit tugendhaften Frauenzimmern ziehen können ins Deutsche übersetzt.

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Tat sind Fordyces Sermons formal Predigten, denen jeweils vorangestellte Bibelstellen zugrunde liegen; so beziehen sich die ersten drei Predigten auf Paulus' 1 1 2 Ersten Brief an Timotheus, 2 . 9 - 1 0 , also auf den Brief, der die Beteiligung von Frauen an der Gemeindearbeit regelt und der im 18. Jahrhundert, und zwar nicht nur in nonkonformistischen Gemeinden, Gegenstand heftiger Kontroversen ist. 1 1 3 Daneben wird jedoch auch die Natur als Begründungsinstanz instrumentalisiert. Fordyce bedient sich der Leib-Seele-Analogie und leitet aus ihr die geringere Entwicklungsfähigkeit des weiblichen Intellekts ab; außerdem gebe es bestimmte Wissensbereiche, die Männern vorbehalten seien, wie etwa Militärwesen, Wirtschaft, Philosophie, Naturwissenschaften. Ohnehin sei das wichtigste Wissensgebiet für die Frau der Mann. 1 1 4 Allerdings könne sie sich dabei auf „Sekundärliteratur" stützen, die ihr dabei weiterhelfen könne, den Mann zu „lesen", vor allem Geschichtsbücher, Reisebeschreibungen, erzählende Texte mit didaktischer Intention wie etwa Fabeln und Allegorien oder periodical essays. Eine Beschäftigung mit solchen Texten führe zu virtue und sobriety.IIJ Das Ziel der intellektuellen Betätigung ist nicht weibliche Gelehrsamkeit, - Fordyce warnt hier vor „weiblichen Pedanten" - , sondern eine moralisch gefestigte Haltung bei der Bewältigung von Lebenskrisen. In seinem vierten Kapitel nennt Fordyce einige der Faktoren, die diese moralisch gefestigte Haltung gefährden können. Der größte Raum wird dabei der Kritik an Romanlektüre zugestanden. Mit Ausnahme von Richardson gebe es nur wenige Romane (novels), die für Leserinnen moralisch ungefährlich seien: A l l is dotage, or despair: or else ranting swelled into burlesque. In short, the majority of their lovers are either mere lunatics, or mock-heroes. A sweet sensibility, a charming tenderness, a delightful anguish, exalted generosity, heroic worth, and refinement of thought; h o w seldom are these best ingredients of virtuous love mixed with any judgment or care in the composition of their principal characters. 1 1 6

Eine ideale Repräsentation des Geschlechterverhältnisses findet der Sprecher dagegen in einer anderen fiktionalen Textsorte, in den Romanzen (romances)·, deren Wertsystem einer ritterlichen Liebe, die nur der keuschen Frau geschenkt werde, die sich ihrerseits, wenn sie die Liebe erwi' 1 г "In fact, a better friend to women than has been commonly supposed" (Fordyce, Sermons, op. cit., S. I.40 f.) 113 S. dazu Kap. 1.1.2 114 Fordyce, Sermons, op. cit., I I . 9 - 1 1 Ibid., S. II.50 1,6 Ibid., S . I . 1 4 3

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dere, unter den Schutz des Mannes stelle, sei völlig unverdient bei Zeitgenossinnen und Zeitgenossen in Ungnade gefallen, obwohl doch Milton seine Vorstellungen von Liebe und Ehe an ihm geschult habe.117 Im Vergleich zu Fordyces Sermons ist John Moirs Female Tuition118 als ein weitgehend säkularisiertes conduct book einzuordnen, das entsprechend die „natürlichen" Begründungsstrategien in den Vordergrund rückt. Die Natur als universelle, vor- und übergesellschaftliche Kraft, Moirs Mentorfigur spricht in diesem Zusammenhang von der "sovereignty of nature" 119 - , hat die Frau also zu einem zurückgezogenen, physisch wenig aktiven Leben bestimmt. „Natürlich" ist aber auch die weibliche Disposition zu Schmuck und Putz. 120 Spätestens an dieser Stelle wird der Einfluß Rousseaus, der sich bereits bei Fordyce abzeichnete, deutlich; Rousseau äußert sich in Emil folgendermaßen zur weiblichen Putzsucht: „Fast von Geburt an lieben Mädchen den Putz. [...] Woher auch die Mädchen diese erste Lektion erhalten, sie ist jedenfalls sehr gut." 121 Die Adressatengruppe von Moirs Text sind nicht die zu erziehenden jungen Mädchen selbst, sondern die mit ihrer Erziehung beauftragten Mütter. Die männliche Mentorfigur ist der Ansicht, daß sie diesen Müttern damit einen unschätzbaren Dienst leistet, obwohl sie gleichzeitig zugeben muß, daß sich manche Mütter eine derartige Einmischung verbitten werden. Die Erziehung von Frauen ist nämlich so wichtig, daß sie keinesfalls Frauen überlassen werden darf; in der Tat sind viele Eigenheiten der Frau ausschließlich auf mütterliche Erziehungsfehler zurückzuführen. Der Erziehung der Töchter muß also eine Erziehung der Mütter vorausgehen. Das Mißtrauen gegen freundschaftliche Beziehungen zwischen Frauen, das uns bereits in Gregorys Legacy begegnet ist,122 wird in Moirs Text auf das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern verlagert. Auch die Ablehnung von angeblich spezifisch weiblich definierten Kommunikationsformen (gossip) und von den Institutionen weiblicher Bildung, den 117

Ibid., 1 . 1 3 9 - 5 1 ; s. dazu Lange, Bernd-Peter, Die Theorie literarischer Gattungen in der englischen Aufklärung. Poetische Regeln und bürgerliche Gesellschaft (München, 1979). Die These, daß von romances eine vergleichsweise geringere moralische Gefahr ausgehe als von novels, leitet sich dabei letztlich von Johnsons Nexus zwischen realistischer Darstellung und moraldidaktischer Effizienz in der berühmten vierten Nummer von The Rambler ab (vgl. dazu unten, Kap. 1.2.3).

118

Moir, John, Female Tuition, or, an Address to Mothers, on the Education of Daughters (London, 1784) Ibid., S. 114; an anderer Stelle heißt es: "Nature, not art, is the great standard of her manner" (S. 143). Ibid., S. 166 f. Rousseau, Emil, op. cit., S. 395 Im bereits erwähnten Legacy-Kapitel "Friendship, Love, and Marriage"

"9 ,i0 121

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boarding schools, die sich bereits in Fordyces Sermons findet, ist zum Teil auf Mißtrauen gegen weiblich dominierte Räume zurückzuführen. 123 Darüber hinaus hat die Abneigung gegen die boarding schools auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Moirs Mentorfigur kritisiert boarding schools deswegen, weil sich in ihnen Klassenunterschiede verwischen. So weist sie darauf hin, daß in boarding schools bürgerliche Mädchen die Untugenden sozial höherstehender Geschlechtsgenossinnen erlernten. 124 Während diese Textstelle als Abgrenzung der bürgerlichen Schicht gegen die Aristokratie gedeutet werden kann, tritt andernorts die Abgrenzung „nach unten" in den Vordergrund; so werden Mütter davor gewarnt, ihre Töchter von Freiern aus sozial niedrigeren Schichten umwerben zu lassen. 125 Damit muß der klassenlose Anspruch, den Moir in seinem Vorwort erhebt, als nicht eingelöst betrachtet werden. Er ist vielmehr selbst eine Komponente bürgerlicher Ideologie, die eben die Allgemeingültigkeit und die vorgesellschaftliche Natürlichkeit bürgerlicher Normen behauptet. Aus dieser Perspektive erscheint auch Fordyces pointierte Vermeidung schichtenspezifischer Festlegungen in einem veränderten Licht. Die von Moirs Mentorfigur vertretenen Erziehungsziele unterscheiden sich nur unwesentlich von denen, die in Fordyces Texten propagiert werden. Während allerdings bei Fordyce der Begriff der sensibility noch positiv besetzt ist, - er spricht von "sweet sensibility" als unverzichtbarem Bestandteil weiblicher Tugend - , I 2 f i setzt bei Moir bereits eine gewisse Umwertung ein, die uns in späteren Texten noch häufig begegnen wird. 1 2 7 Nach Moir kann Empfindsamkeit die Ausgeglichenheit und den Seelenfrieden der Frauen stören, die diese Eigenschaft zu sehr kultivieren. John Bennetts Letters to a Young Lady (1784) 128 ist ein biblisches Motto vorangestellt, - "That our Daughters may be as polished Corners of the Temple" - , und die ersten 44 Briefe (des ersten Bandes) sind vorwiegend religiösen Fragestellungen vorbehalten, beispielsweise dem stil,2J

Dieses Mißtrauen zeigt sich, wie wir sehen werden, selbst in Wollstonecrafts Vindication. Zur Beurteilung der boarding schools im 18. Jahrhundert s. Kamm, op. cit., und Borer, Mary Cathcart, Willingly to School. A History of "Women's Education (Guildford and London, 1976) 124 Moir, Female Tuition, op. cit., S. 38 f.: "where they acquire nothing but the foibles, insipidities, and delirium of their betters". ,2 ' Ibid., S. i 8 / f . 126 Fordyce, Sermons, op. cit., S. 1.143 127 Zur senji'Wiiy-Problematik s. Kap. 2.5.1 der vorliegenden Arbeit 128 Bennett, John, Letters to a Young Lady, on a Variety of Useful and Interesting Subjects, Calculated to Improve the Heart, to Form the Manners, and Enlighten the Understanding (Warrington, 1789). Bennetts conduct book wird in der Sekundärliteratur lediglich von Sulloway, op. cit., kurz erwähnt.

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len Gebet u n d der Teilnahme an Gottesdiensten (Briefe 1.6 u n d I.7), der Bibellektüre (1.8 und I.9), der Religionsgeschichte (I.23) oder den nicht anglikanischen und den nichtchristlichen Glaubensgemeinschaften (I.2435). In diesen Briefen weist Bennetts Text deutliche Parallelen zu G r e g o r y auf; 129 beide Mentorfiguren betonen zwar, daß die christliche Religion f ü r M ä n n e r und Frauen gleichermaßen verbindlich sei, daß aber Frauen, aufgrund ihrer spezifischen Situation - ihrer körperlichen Schwäche, ihrer Empfindsamkeit, ihrer Lebensumstände vor u n d in der Ehe - größerer Frömmigkeit bedürften u n d durch diese Frömmigkeit auch besonders attraktiv würden. 1 3 0 Mit dieser Feminisierung bzw. Maskulinisierung des Tugendbegriffs geht bei Bennett eine Feminisierung bzw. Maskulinisierung der Wissensgebiete einher; Bennetts Mentorfigur entwickelt hier konsequent Vorstellungen u n d Ansätze weiter, die bereits die Mentorfigur ihres neben Gregorys Legacy zweiten wichtigen Prätexts, Fordyces Sermons, artikulierte und die letztlich auf Rousseau z u r ü c k z u f ü h r e n sind: The elegant studies are, more immediately, your department. They do not require so much time, abstraction or comprehensiveness of mind, they bring no wrinkles, and they will give a polish to your manners, and such a liberal expansion to your understanding, as every rational creature should endeavour to attain. Whilst men, with solid judgment and a superior vigour are to combine ideas, to discriminate, and examine a subject to the bottom, you are to give it all its brilliancy and all its charms. They provide the furniture, you dispose it with propriety. They build the house, you are to fancy, and to ornament the cieling [sic]. Cultivate, then, such studies, as lie within the region of sentiment and taste. Let your knowledge be feminine, as well as your person.131 Bennetts Mentorfigur differenziert entsprechend zwischen spezifisch männlichen und weiblichen F o r m e n literarischer Betätigung. Maskulinisiert bzw. feminisiert werden dabei zunächst nicht die Genres, sondern die Art und Weise, wie ein bestimmtes literarisches Genre, der Brief, von Männern u n d Frauen inhaltlich u n d formal unterschiedlich verwendet wird. D e m spontanen Fluß weiblicher Gefühle, der keine A u f m e r k s a m keit auf die Befolgung grammatikalischer Regeln verschwenden kann, steht männliche Regelgläubigkeit u n d Regelgerechtheit bei der Wiedergabe von Gedanken gegenüber. 1 3 2 Die insgesamt recht ausführlichen Überlegungen z u r intellektuellen Erziehung der Frau werden durch zahlreiche Lektürehinweise, vor allem in den Briefen 45 u n d 47 bis 53 des 129 ,J

Vgl. dazu Chapone/Gregory/Pennington, op. cit., S. 159 f. ° Bennett, Leiters, op. cit., S. I.18 Ibid., I.i68f.; Hervorhebungen im Text Ibid., I . i 7 2 f .

1)1

45

ersten Bandes, ergänzt. Diese Leseanregungen, die sich oft auf Lehr- und Handbücher zu bestimmten Wissensgebieten wie etwa der Geschichte oder der Theologie beziehen,' 33 können als die eine der beiden zentralen didaktischen Strategien des Textes bezeichnet werden. Die zweite, die Strategie der kontrastierenden Gegenüberstellung einer positiven, „weiblichen", „natürlichen" und einer negativen, „unweiblichen", „widernatürlichen" Frauenfigur, prägt den zweiten Band der Letters. Newton bezeichnet diese Strategie, die in Ansätzen bereits bei Fordyce und Moir zu erkennen ist und die uns auch in zahlreichen Romanen begegnen wird, als das Prinzip der klugen und törichten Jungfrauen. 134 Während Fordyce eine Dichotomie zwischen „natürlichen" keuschen und „widernatürlichen" unkeuschen Frauen aufbaut135 und Moir die ideale Frau, die sowohl mit sich selbst identisch als auch völlig transparent ist, gegen Frauen abgrenzt, bei denen Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung nicht übereinstimmen, 136 können Bennetts Kontrastfiguren als fiktionale Charaktere betrachtet werden, die eine bestimmte soziale Herkunft haben, einen bestimmten Erziehungsgang durchlaufen haben usw. Louisa ist die Tochter eines anglikanischen Geistlichen, dessen Jahreseinkommen sich auf £ iooo beläuft. Bennetts Mentorfigur schildert im Detail, welche häusliche Ausstattung und welche Gartengestaltung diesem Einkommen, das wir aus unserer Kenntnis der finanziellen Verhältnisse der Austenschen Romanfiguren als ein mittleres bezeichnen können, angemessen sind. Bennetts Text ist also offensichtlich bestrebt, dieses bürgerliche Lebensideal „nach oben", zur Aristokratie hin, abzugrenzen. Entsprechend wird Lady Harriet, Louisas Kontrastfigur, unter anderem wegen ihres Standesdünkels kritisiert. Lady Harriet ist außerdem eine eifrige Romanleserin, und bereits im Advertisement wird die Romanlektüre als ein weibliches Fehlverhalten bezeichnet, gegen das sich die Erziehungsin133

Bennetts Text geriert sich dabei natürlich selbst als ein theologisches Lehrbuch. '34 Newton, S. E., op. cit., S. 183 f. 135 Fordyce, Sermons, op. cit., S. 1.95 136 Bei Moir „ist" die ideale Frau außerdem ihre natürliche Rolle; „weibliche" Frauen werden in Moirs Text als „Engel" und „Sylphen" bezeichnet, Frauen, die die natürlich vorgegebene Rollenverteilung verletzen, als harpies, fiends, crocodiles, basilisks, Syrens. Zu den „widernatürlichen" Frauen gehören im übrigen auch Prostituierte, die willkürlich die häusliche Sphäre und den männlichen Schutz verlassen und männliche Züge annehmen. Auch bei Fordyce werden im übrigen „widernatürliche" Frauen als „Sirenen" und harpies bezeichnet. S. außerdem Moir, Female Tuition, op. cit., S. 218: "those tawdry and gigantic women, who stalk through the street, like grenadiers in disguise, and exhibit so much wanton and ferocious effrontery". Diese Stelle erinnert unwillkürlich an Burkes Beschreibung der revolutionären viragos in Reflections on the Revolution in France. S. dazu Paulson, Ronald, Representations of Revolution (ιγ805

Armstrong nennt hier eine Gruppe von Texten, die andernorts in der vorliegenden Arbeit unter dem Begriff semifiktionale Texte zusammengefaßt worden sind. Allerdings sind, wie ihr Verweis auf Richardsons fiktionale Verarbeitung der Briefstellertradition zeigt, die Ubergänge zwischen semifiktionalen und fiktionalen Texten offenbar ebenso fließend wie die zwischen conduct books und semifiktionalen Texten. Armstrongs Strategie bedarf also einer Ergänzung. Es sei daher erneut auf die grundsätzliche moralische Ambiguität des fiktionalen Textes verwiesen; abgesehen davon, daß, wie wir gesehen haben, die conduct book-Tradition an sich bereits innerhalb des bürgerlichaufklärerischen Diskurses durchaus unterschiedliche Positionen zu Wesen und Bestimmung der Frau vertritt, kann ein gynozentrischer Roman, wie wir aus der Analyse von semifiktionalen Texten wie Edgeworths Letters for Literary Ladies und "The Good French Governess" sowie Wollstonecrafts Original Stories deduziert haben, als fiktionaler Text keine schlichte Umsetzung eines für eine weibliche Leserschaft bestimmten conduct book sein. Es ist zu vermuten, daß die moralische Ambiguität in gynozentrischen Romanen beispielsweise aus der Koexistenz von explizitem Bekenntnis von Erzählerfigur oder Protagonistin zu conduct £oo&-Idealen einerseits, der impliziten Kritik an diesen Idealen auf der Ebene von Charakterzeichnung, Figurenkonstellationen, Handlung oder Struktur andererseits entsteht. Mit dem Argument der moralischen Ambiguität fiktionaler Texte ist notwendigerweise die Forderung nach einer Erweiterung des Didaktizismusbegriffs verbunden: Moraldidaktische gynozentrische Romane sind nicht nur Romane, die ihrer expliziten Intention nach ein bestimmtes Frauenbild vermitteln wollen, sondern auch solche Romane, die die Problematik dieses Frauenbildes - oder aller Frauenbilder - aufzeigen. Damit sind nun alle Komponenten für eine Definition des Romantyps versammelt, mit dem sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich beschäftigen wird: 30

* Armstrong, Desire, op. cit., S. 108

ΙΟΙ

Es handelt sich bei diesen Romanen um gynozentrische Texte, die eine didaktische Intention verfolgen. Diese didaktische Intention kann als eine vorwiegend moraldidaktische beschrieben werden; sie gilt vornehmlich, aber nicht ausschließlich, dem Wesen, der Rolle und der gesellschaftlichen Funktion der Frau. Hierin liegt eine Parallele zur Ratgeberliteratur der Epoche. Die genannten Texte sollen als weibliche Erziehungsromane bezeichnet werden. Der weibliche Erziehungsroman ist ein Subgenre des Romans, dessen thematische Orientierung quer zu den in der Forschung f ü r das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert etablierten Subgenre-Grenzen steht. Weibliche Erziehungsromane sind nicht notwendigerweise realistische Romane; sie müssen sich auch nicht explizit mit der Gesellschaft ihrer eigenen Epoche auseinandersetzen. Die Texte, mit denen wir uns beschäftigen werden, sind aber, auch wenn sie ihre Handlung in eine ferne Vergangenheit oder in eine utopische Welt verlegen, in einer konkreten historischen Umbruchssituation, im Großbritannien des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts, entstanden. Die vorliegende Arbeit wird darauf bestehen, diese Texte daher im aufklärerisch-bürgerlichen Diskurs dieser Zeit, speziell in seinen Aussagen zu Wesen und Bestimmung der Frau, anzusiedeln und als weibliche Beiträge zu diesem Diskurs zu behandeln. Aus dieser Beschreibung des weiblichen Erziehungsromans lassen sich nun, und hier kommen wir zum vierten und letzten der eingangs genannten Forschungsprobleme, bereits bestimmte Vorentscheidungen für die Analyse der Texte Jane Austens ableiten. Auch Austens Texte sollen als weibliche Erziehungsromane gelesen werden, die, wie die anderen R o mane unserer Epoche, in einer bestimmten historischen Situation entstanden sind und am aufklärerisch-bürgerlichen Diskurs zu Wesen, Rolle und gesellschaftlicher Funktion der Frau partizipieren. 1.2.4 J a n e Austen und der Roman um 1800 E s kann natürlich nicht die Aufgabe dieser Arbeit sein, einen ausführlichen und vollständigen Überblick über die Forschungslage zu Jane Austen zu vermitteln. 3 ° й Einige Entwicklungslinien seien jedoch an dieser Stelle aufgezeigt. 306

Diese Aufgabe leistet für die ältere Forschung Southam, В. C. (ed.), Jane Austen. The Critical Heritage (London, 1968) bzw. ders. (ed.), Jane Austen. Sense and Sensibility, Pride and Prejudice, and Mansfield Park. A Casebook (London and Basingstoke, 1976); zur neueren Forschung s. etwa Duckworth, Alistair M., "Jane Austen and the Conflict of Interpretations", in: Todd, Janet M. (ed.), Jane Austen. New Perspectives (New York and

102

Grundsätzlich kann man feststellen, daß im Unterschied zu den weitgehend textimmanenten Interpretationsansätzen des New Criticism bereits von D. W. Harding 1940 der Versuch gemacht wird, Austens Romane in ihrer Historizität zu begreifen. Mit Hardings Aufsatz "Regulated Hatred: An Aspect of the Work of Jane Austen" 307 beginnt gleichzeitig die „subversive Schule" der Austen-Kritik, also diejenige Interpretationstradition, der zufolge in Austens Texten gesellschaftskritische Elemente und Strategien dominieren. Im Gegensatz zu dieser „subversiven Schule" betonen vor allem die Arbeiten von Butler und Duckworth 308 den konservativen, systemstabilisierenden Charakter der Austenschen Romane. In der Folgezeit bemühen sich verschiedene Studien vor allem der „subversiven" Richtung, dieses offensichtliche Dilemma der Austen-Rezeption zu lösen. So argumentieren etwa Gilbert und Gubar, daß sich Austen zwar konservativer Romantraditionen bedient habe, diese aber parodistisch mit neuen, gesellschaftskritischen Inhalten habe füllen wollen. 309 Auch Kelly ist der Meinung, daß Austen konservative, „antijakobinische" Techniken verwende, aber versuche, diese mit „jakobinischen" Anliegen zu verbinden. 310 Austen habe, so Kelly weiter, das ideologische Potential des Romans erkannt, aber, wie im übrigen Edgeworth, ihre eigene ideologische Position des Kompromisses, nämlich "the professionalization of the gentry, and the gentrification of the professional classes", 311 hinter der Fassade des Frauenromans (im engeren Sinne von women's novel of domestic realism) verborgen. Von der Koexistenz konservativer und progressiver Elemente in den Romanen Austens wird einstweilen auszugehen sein. Wie sich diese Elemente zueinander verhalten, und ob man im Einzelfall von einem Überwiegen der einen oder anderen Tendenz sprechen kann, wird die Analyse der Texte im zweiten Hauptteil der vorliegenden Arbeit zeigen müssen. Im Moment bleibt lediglich festzuhalten, daß na-

London, 1983; Women and Literature, η. s., Vol. 3), S. 3 9 - 5 2 ; weitere bibliographische Angaben im zweiten Hauptteil der Arbeit 307

In: Scrutiny (1940); Teile dieses Aufsatzes nachgedruckt in Southam (ed.), A Casebook, op. cit., S. 1 1 6 - 8 ; s. dazu auch Brosch, op. cit., Einleitung, sowie Glage, Liselotte, Jane Austen: Pride and Prejudice (München, 1984; U T B 1 3 1 1 , Modellanalysen zur englischen und amerikanischen Literatur, Bd. 12), Kap. 1

308

Butler, Austen, op. cit., sowie Duckworth, Alistair M., The Improvement Study of Jane Austen's Novels (Johns Hopkins University Press, 1 9 7 1 )

309

Gilbert/Gubar, op. cit., besonders Teil 2, "Inside the House of Fiction: Jane Austen's Tenants of Possibility"

310

Kelly, Gary, "Jane Austen and the English N o v e l of the 1790s", in: Schofield/Macheski (eds.), op. cit., S. 2 8 5 - 3 0 6 ; s. dazu auch Tanner, op. cit., S. n f .

311

Kelly in Schofield/Macheski, op. cit., S. 301

of the Estate. A

103

türlich sowohl die „subversive" als auch die „systemstabilisierende" Richtung der Austen-Kritik auf der Historizität der Texte beharrt. 312 Glage betrachtet die geschichtliche Verortung der Texte Austens als den ersten Paradigmenwechsel in der Austen-Rezeption. In einem zweiten Schritt tritt nun neben den Verweis auf die historische, vor allem auch ökonomische, Basis der Texte Austens eine Berücksichtigung der Analysekategorie Geschlecht. Während diejenigen Kritiker und Kritikerinnen, die Austen dadurch „retten" wollen, daß sie ihre Geschichtsträchtigkeit betonen, immer noch die weibliche Sphäre gegenüber der männlichen diskreditieren, wird nun, wie Glage ausführt, „weibliches Bewußtsein als Subjekt und Objekt weiblichen Schreibens" 313 Gegenstand der Betrachtung. Auch hier läßt sich bald eine Spaltung in eine „subversive" und in eine „systemstabilisierende" Richtung beobachten. Erstere stellt, etwa in Aufsätzen von Brown und Fowler sowie in den Monographien von Kirkham und Gilbert und Gubar, 3 ' 4 die Verbindung zwischen Austens Texten und progressiven zeitgenössischen Äußerungen zu Wesen und Bestimmung der Frau, etwa in Wollstonecrafts zweiter Vindication her: Although [Austen] has become a symbol of culture, it is shocking how persistently Austen demonstrates her discomfort with her cultural inheritance, specifically her dissatisfaction with the tight place assigned women in patriarchy and her analysis of the economics of sexual exploitation. At the same time, however, she knows from the beginning of her career that there is no other place for her but a tight one, and her parodic strategy is itself a testimony to her struggle with inadequate but inescapable structures. 34

Demgegenüber bezieht Butler, wie wir bereits gesehen haben, 3 ' 6 in ihrem Urteil zu Austens politischem Konservatismus explizit auch Austens angeblich wertkonservatives Frauenbild mit ein, ein Urteil, das unter anderem von Glage und Lovell geteilt wird. 3 ' 7 Auch hier sei wieder auf die für 5,2

Daß sich die Historizität Austens mittlerweile als ein Konzept in der Austen-Rezeption durchgesetzt hat, zeigen die Titel einiger neuerer Studien bzw. Aufsatzsammlungen: Evans, Mary, Jane Austen and the State (London and New York, 1987); MacDonagh, Oliver, Jane Austen. Real and Imagined Worlds (Yale University Press, 1991) sowie Monaghan, David (ed.), op. cit.

313

Glage, op. cit., S. 23 Brown, Lloyd В., "Jane Austen and the Feminist Tradition", in: Nineteenth-Century Fiction, Vol. 28 (1973), S. 3 2 1 - 3 8 ; Fowler, Marian E., "The Feminist Bias of Pride and Prejudicein: Dalhousie Review, Vol. 57 (1977), S. 47-64; Kirkham und Gilbert/Gubar jeweils op. cit. Gilbert/Gubar, op. cit., S. 1 1 2 S. dazu Kap. 1.2.2 Glage, op. cit., Teil 3, sowie Lovell, Terry, "Jane Austen and the Gentry: A Study in Literature and Ideology", in: Laurenson, Diana (ed.), The Sociology of Literature: Applied Studies (Keele, 1978; Sociological Review Monograph, 26), S. 1 5 - 3 7

314

34 3.6 3.7

104

den Bereich der conduct book-Literatur konstatierten Zusammenhänge zwischen einem wertkonservativen Frauenbild und einer konservativen politischen Einstellung ebenso wie zwischen progressiven Orientierungen in bezug auf die Rolle der Frau und gesamtgesellschaftlichen Reformbestrebungen verwiesen. Entsprechend bezeichnet Butler Austen daher als "a conservative Christian moralist of the 1790s". 3 1 8 In einem Aufsatz von 1980, "The Woman at the Window", 3 ' 9 zeigt Butler, wie sich diese vermeintliche konservative und wertkonservative Ausrichtung Austens in deren Umgang mit literarischen Vorlagen, zum Beispiel den Romanen Radcliffes und Wollstonecrafts, niederschlägt. Damit leistet sie einen Beitrag zu einer Richtung der Austen-Forschung, die sich mit dem Verhältnis der Texte Jane Austens zu denen ihrer Vorgängerinnen und Zeitgenossinnen beschäftigt. Auch in diesem Kontext kann man von einem Paradigmenwechsel in der Austen-Forschung sprechen. Während etwa Litz in seiner Austen-Monographie zwar den Einfluß Richardsons und Fieldings auf Austen erörtert, aber die Einflüsse von Autorinnen wie Edgeworth oder Burney entweder völlig ignoriert oder ex negativo beschreibt, 320 setzt sich Bradbrook in seiner Studie mit dem programmatischen Titel Jane Austen and her Predecessors321 bereits 1967 ausführlich und differenziert mit den Leistungen dieser und anderer Autorinnen auseinander. Diese Forschungsrichtung, die natürlich mit einer generell positiveren Bewertung des weiblichen Beitrags zum Roman einhergeht, wird unter anderem von Johnson, Moler, Moers, Poovey und Steeves sowie in zahlreichen Aufsätzen zu einzelnen thematischen Parallelen zwischen Austen-Romanen und anderen Texten fortgeführt; alle diese Arbeiten gehen von einer bewußten Bezugnahme Austens auf diese anderen Texte, oft in deutlich revisionistischer Absicht, aus. 322 In diesem Zusammenhang geraten im übrigen Austens oft vernachlässigte Jugendar3,8 315

320

321 322

Butler, Austen, op. cit., S. 164 Butler, Marilyn, "The Woman at the Window: Ann Radcliffe in the Novels of Mary Wollstonecraft", in: Todd, Janet Μ. (ed.), Gender and Literary Voice (New York and London, 1980; Women and Literature, n. s., Vol. 1) Litz, op. cit., Kap. 1; er konstatiert beispielsweise, daß sich Austen in bezug auf ihre Rolle als Romanautorin weniger defensiv verhalte als Burney oder Edgeworth, ohne dabei den naheliegenden Schluß zu ziehen, daß Austen ihr größeres Selbstvertrauen vielleicht gerade der Pioniertätigkeit dieser beiden Autorinnen verdankt. Op. cit. Johnson, Moler, Moers und Poovey jeweils op. cit., sowie Steeves, Harrison R., Before Jane Austen. The Shaping of the English Novel in the Eighteenth Century (New York, Chicago, San Francisco, 1965), - Steeves' letztes Kapitel heißt bezeichnenderweise "And Jane Austen". Als - beliebiges - Beispiel für eine der zahlreichen Einzelstudien s. Jackel, David, "Leonora and Lady Susan·. A Note on Maria Edgeworth and Jane Austen", in: English Studies in Canada, Vol. 3 (1977), S. 278-88

IOJ

beiten und Fragmente in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, da sich in ihnen die produktive Auseinandersetzung mit der Tradition besonders offen manifestiert. 323 Es ist leicht nachzuvollziehen, daß Litz' negative Bewertung der weiblichen Tradition mit einer Abwertung ihrer moraldidaktischen Intention einhergeht. So äußert er sich zu Sense and Sensibility folgendermaßen: The depressing atmosphere which hangs over so much of Sense and Sensibility can, in short, be attributed to the fact that Jane Austen was working against her natural inclinations and talents. She was a victim of conventions, but these were primarily artistic, not social. The brilliant ironic effects of her earlier fiction had been local ones, and she was not able in her revisions of Sense and Sensibility to evolve a structure that could sustain her ironic vision. 324

Mit den „Konventionen" meint Litz, wie aus dem Textzusammenhang hervorgeht, die didaktische Konvention der Kontrastierung positiver und negativer Frauengestalten; Austen habe in der Tradition, - hier nennt er Edgeworth, Inchbald und West - , nur bipolare Strukturen vorgefunden, selbst aber einen Kompromiß zwischen Extremen darstellen wollen. Eine ähnliche Argumentationsstruktur ist bereits für Wrights Austen-Monographie festgestellt worden; Wright argumentiert, wie wir gesehen haben, daß etwa Austens Roman Sense and. Sensibility seine ästhetische Qualität trotz seiner didaktischen Intention erreiche. 325 Umgekehrt ist zu erwarten, daß eine positive Beurteilung der Feminisierung des Romans in unserer Epoche zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den didaktischen Strategien Austens führt. Diesen didaktischen Strategien sind gerade in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiten gewidmet worden. 3 2 6 Insgesamt läßt sich nun auch die Position der vorliegenden Arbeit im Kontext der Austen-Rezeption beschreiben: Sie ordnet sich in eine Forschungsrichtung ein, die Austens Zeitgemäßheit, insbesondere in bezug auf ihre Thematisierung der „Frauenfrage", konstatiert und die die didaktische Intention der Austenschen Texte ebenso positiv bewertet wie deren produktive Auseinandersetzung mit anderen weiblichen Erziehungsromanen. 323

S. dazu beispielsweise Debon, op. cit., sowie Epstein, Julia L., "Jane Austen's Juvenilia

and the Female Epistolary Tradition", in: Papers on Language

324 325 326

and Literature,

Vol. 21

(1985), S. 399-416, und Grey, David (ed.), Jane Austen's Beginnings: The Juvenilia and Lady Susan (Ann Arbor, Mich., 1989) Litz, op. cit., S. 82 f. S. dazu Fußnote 306 oben S. z.B. Colby, R. Α., Devlin, Fergus, Horwitz, Schrick, Tanner, jeweils op. cit., sowie Mann, Renate, Jane Austen: Die Rhetorik der Moral (Frankfurt, 1975; Neue Studien zur Anglistik und Amerikanistik, Bd. 4)

106

2 Der weibliche Erziehungsroman, 1 7 7 8 - 1 8 1 4 2.1 Erziehung als Thema des weiblichen Erziehungsromans Das Thema der weiblichen Erziehung muß bei der Analyse des weiblichen Erziehungsromans, der in Kapitel 1.2.1 als ein Text beschrieben worden ist, dessen didaktische Intention sich vornehmlich auf das Wesen der Frau und auf ihre Rolle in der Gesellschaft richtet, grundsätzlich unter zwei Aspekten betrachtet werden: Einmal ist zu fragen, welchen Erziehungsprozeß die Protagonistin des jeweiligen Textes durchläuft; zum zweiten ist zu untersuchen, auf welche Weise dieser Text seine didaktische Aufgabe gegenüber seinen Leserinnen erfüllt. Es ist natürlich zu erwarten, daß die Darstellung der Erziehung der Heldin einen wichtigen Beitrag zur Erziehung der Leserinnen leisten wird; das Verhältnis zwischen dieser Darstellung und anderen für den Erziehungsprozeß der Leserinnen relevanten Faktoren, die im folgenden eingeführt werden sollen, ist jedoch für jeden einzelnen Erziehungsroman im Detail zu bestimmen. Das typische Muster des weiblichen Erziehungsromans besteht darin, daß eine junge Frau durch ein Ereignis aus ihrer vertrauten häuslichen und familiären Welt gerissen und in eine neue Umgebung versetzt wird; in dieser neuen Umgebung muß sie sich behaupten und die wichtigste Entscheidung ihres Lebens, die für den richtigen Lebenspartner, treffen. Dieses Schema kann auf unterschiedliche Weise variiert werden. Die erste variable Größe ist der Grad der Aufmerksamkeit, die der formalen Erziehung geschenkt wird, die die Protagonistin vor ihrem Eintritt in ihre neue Umgebung erhalten hat. Hier kann sich der Text darauf beschränken, die von der Heldin erworbenen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem kurzen Abschnitt aufzuzählen, - sie hat die Bücher gelesen, zu denen sie Zugang hatte, und ist besonders mit englischer Lyrik und englischer Geschichte vertraut, sie spricht eine oder mehrere moderne Sprachen, sie beherrscht ein Instrument und malt Aquarelle. Die Alternative dazu ist eine detaillierte Lektüreliste, verbunden mit einer Wiedergabe verschiedener Gespräche zu ästhetischen wie zu gesellschaft107

lichen Fragestellungen, die die Heldin mit ihren Mentorfiguren geführt hat. Diese Digressionen, die keineswegs auf die Anfangsphase der Romane beschränkt bleiben müssen, tragen oft die Last der „wissensmäßigen Belehrung", 1 die neben der Moraldidaxe ein allgemein anerkanntes Ziel nicht nur des weiblichen Erziehungsromans ist. Die Relevanz dieser didaktischen Gespräche für die eigentliche Romanhandlung ist oft nur gering; es gibt allerdings durchaus auch Texte, in denen durch didaktische Gespräche Ereignisse auf der Handlungsebene vorbereitet oder begleitet werden. Andere Texte wiederum bedienen sich des didaktischen Gesprächs, um selbstreflexiv Fragen der weiblichen Erziehung und der didaktischen Effizienz von Romanlektüre zu thematisieren. Eine zweite Variable ist die Rolle der Mentorfiguren. Als Mentorfigur ist bei der Analyse der conduct books die textintern konstruierte Ratgeberinstanz bezeichnet worden; sie ist in der Regel mit der auktorialen Erzählerfigur in fiktionalen Texten vergleichbar, kann sich aber in manchen conduct books auch zu einer eigenständigen Handlungsträgerin hin entwickeln. Diese bereits im conduct book angelegte Spaltung oder Verdopplung der Mentorfigur erscheint in einem fiktionalen Kontext vollzogen. Mit den Mentorfiguren eines Romans seien daher zunächst die Figuren gemeint, die auf der Handlungsebene als Eltern, Vormunde, Lehrer und Lehrerinnen, Freundinnen und Freunde einen Einfluß auf die heranwachsende Heldin ausüben; auch ihr späterer Ehemann kann ihr gegenüber als Mentor auftreten. Zum zweiten kann, wie wir sehen werden, die Erzählerfigur, besonders die auktoriale Erzählerfigur, eine Mentorfunktion übernehmen; es ist folglich zu vermuten, daß die Erzählerfigur eine der Brücken zwischen der Erziehung der Heldin im Text und der Erziehung der Leserin durch den Text bilden wird. Einstweilen ist festzuhalten, daß auch in weiblichen Erziehungsromanen die handlungstragenden Mentorfiguren eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von Erziehungsinhalten spielen. Diese Position der Mentorfigur kann letztlich aus Lockes Some Thoughts Concerning Education2 und besonders aus seinen Äußerungen zur frühkindlichen Erziehung abgeleitet werden. Da die ersten Lernprozesse, wie Locke ausführt, imitativ verlaufen, muß die Mentorfigur nicht nur durch Vorschrift, sondern vor allem durch Beispiel wirken können; es muß nicht eigens ausgeführt werden, daß hier der Einfluß von Locke auf die Erziehungsvorstellungen von 1

2

Foltinek, op. cit., S. 95; s. dazu auch Sherwood, Irma Z., "The Novelists as Commentators", in: Iser, Wolfgang (ed.), Henry Fielding und der englische Roman des 18. Jahrhunderts (Darmstadt, 1972; WdF, Bd. 161), S. 384-96 S. dazu Devlin, Austen, op. cit., Kap. I

I08

Rousseau, der ja seine Mentorfiguren in ganz ähnlicher Weise konstruiert, besonders deutlich wird. Vorbedingung für einen gelungenen Lernprozeß ist, neben der Tugendhaftigkeit der Mentorfigur, die höher zu bewerten ist als Wissensfülle, ein gutes Verhältnis zwischen Mentorfigur und Zögling. Auf dieses Konzept des „Lernens am Beispiel" wird noch zurückzukommen sein. Ideale Mentorfiguren verkörpern im weiblichen Erziehungsroman die moralischen Werte, zu denen sich die Heldin, als Konsequenz aus ihrem Erziehungsprozeß, bekennen muß; während dieser Erziehungsprozeß andauert, dienen die Mentorfiguren als ein Maßstab, an dem die Fortschritte der Protagonistin gemessen werden können, und häufig sogar als ihr personifiziertes Gewissen. Allerdings gibt es im weiblichen Erziehungsroman zahlreiche Mentorfiguren, die aus unterschiedlichen Gründen ihre eigentliche Aufgabe nicht erfüllen können. Diese unfähigen Mentorfiguren beeinflussen, ex negative, ebenfalls die Entwicklung der Heldin. Hier kann der weibliche Erziehungsroman, im Unterschied zum conduct book, auch das Problem des Generationenkonfliktes thematisieren; während das conduct book die Wertevermittlung etwa von Mutter zu Tochter in der Regel als konfliktfrei bezeichnet und so eine Kontinuität der Wertsysteme suggeriert,3 stellt bereits einer der Prototypen des weiblichen Erziehungsromans, Richardsons Clarissa; or; The History of a Young Lady,4 den Interessen- und Wertekonflikt zwischen Eltern und Tochter in den Mittelpunkt. Aus den Variablen in der Rolle der Mentorfigur ergeben sich folgende Konstellationen: Entweder verläuft, dank der Mentorfiguren, die der Heldin in ihrer Kindheit und frühen Jugend zur Seite stehen, deren häuslich-familiärer Erziehungsprozeß so erfolgreich, daß sie die in ihm erworbenen moralischen Qualitäten später lediglich in ihrer Lebenspraxis beweisen muß. Die Alternative ist, daß der jugendliche Erziehungsprozeß der Heldin, oft wegen unzulänglicher Mentorfiguren, eine falsche Richtung nimmt. Hier ist die Heldin dazu aufgefordert, auf ihrem späteren Lebensweg (und unter dem Eindruck ihrer dortigen Erfahrungen) aus eigener Kraft oder mit Hilfe neuer, selbstgewählter Mentorfiguren, zum Beispiel des künftigen Ehemannes, Korrekturen vorzunehmen; in den meisten Erziehungsromanen gelingt diese Korrektur. Es gibt allerdings 3

S. dazu Schrick, op. cit., Kap. 2.1 und 2.5.2; zur besonderen Rolle der Mütter im weiblichen Erziehungsroman vgl. ferner Davidson, Cathy N. and E. M. Broner (eds.), The Lost Tradition: Mothers and Daughters in Literature (New York, 1980), speziell MacDonald, Susan Peck, "Jane Austen and the Tradition of the Absent Mother", S. 58-69

4

1748-9 109

auch Texte, in denen die Heldin an ihrer Aufgabe scheitert, etwa weil die Einsicht in ihre Fehler zu spät kommt; diese Texte eröffnen jedoch in der Regel die Möglichkeit, daß eine neue Generation der Töchter aus den Fehlern ihrer Mütter lernen kann. Als weitere variable Größe innerhalb des eingangs beschriebenen Schemas können die Ereignisse gelten, die den Bewährungs- oder Erziehungsprozeß der Heldin erst eigentlich auslösen. Die wichtigsten Varianten sind dabei, wie im Bildungsroman insgesamt, der Tod der Eltern und eine Reise; 5 in beiden Fällen muß die Protagonistin das Heim ihrer Kindheit verlassen und eine neue Heimat suchen. Dieser Verlust der Heimat kann von der Protagonistin entweder als eine Vertreibung aus dem Paradies6 oder als eine Chance zu neuen Erfahrungen, zu einer Erweiterung ihres Horizontes, erlebt werden. Der Verlust der Heimat ist immer mit dem Verlust einer personalen Identität verbunden, die sich über die Zugehörigkeit zu einer Familie und über die Rolle innerhalb dieser Familie definiert; die Suche nach einer neuen Heimat ist also auch die Suche nach einer neuen Identität. O b diese Suche erfolgreich verläuft, hängt nicht nur, wie wir bereits gesehen haben, von den Fähigkeiten und Fertigkeiten ab, die die Protagonistin bereits erworben hat; sie wird entscheidend davon beeinflußt, wie die neue Umgebung der Protagonistin beschaffen sein wird. In allen weiblichen Erziehungsromanen enthält die neue Umgebung ein Element der psychischen, manchmal sogar der physischen Bedrohung; Art und Ausmaß der Bedrohungen können wiederum variieren. Die extremste Variante ist dabei sicherlich die der gynozentrischen gothic novel·, doch muß festgehalten werden, daß sich die in ihr geschilderten Gefahren für die Protagonistin nur graduell von den Bedrohungen unterscheiden, denen die Heldinnen Burneys, Edgeworths oder Austens ausgesetzt sind. Am Ende eines Erziehungsromans steht in der Regel die Heirat der Heldin; als eine Variable innerhalb unseres Musters ist auch zu untersuchen, ob die Eheschließung über ihre Funktion als komische Version von narrative closure hinaus noch eine weitere, symbolische Dimension besitzt, etwa in der Versöhnung gesellschaftlicher Gegensätze oder in der Wiederherstellung gesellschaftlicher Ordnung. 7 Diese symbolische Di5

6

7

S. dazu Mann, op. cit., besonders Teil i, Kap. ι („Wertvermittlung durch die Elternfiguren") S. zur Bedeutung des bürgerlichen Heims Ellis, op. cit., "Introduction", und Davidoff, Leonore and Catherine Hall, Family Fortunes: Men and Women of the English Middle Classes, Ij8o-i8;o (Chicago University Press, 1987) Zur symbolischen Bedeutung der Eheschließungen bei Jane Austen s. (zum Beispiel) Duckworth, op. cit., S. 27: "Her fiction puts forth a positive vision of society, and al-

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mension könnte etwa darin bestehen, daß die glückliche Ehe die Heldin, analog zum Helden eines androzentrischen Bildungsromans, für einen Reifeprozeß belohnt, der außerhalb der Liebeshandlung verlaufen ist und durch den sie Fähigkeiten erworben hat, die nicht ausschließlich eherelevant sind. In seltenen Fällen wird, wie die Auffächerung des Begriffs novel of marriage in die Begriffe novel of courtship und novel of wedlock8 gezeigt hat, die Heirat der Protagonistin vom Romanende in den Roman zurückverlegt; hier setzt sich der Erziehungsprozeß der Heldin innerhalb der Ehe fort. Insgesamt ist im weiblichen Erziehungsroman, wie im conduct book, eine Konzentration auf bestimmte weibliche Rollen und auf die Phasen im Leben einer Frau, in denen ein Rollenwechsel stattfindet, zu konstatieren. Die genannten Varianten innerhalb des Grundmusters des weiblichen Erziehungsromans erlauben natürlich nun noch keine Aussage darüber, welche Erziehungsziele die einzelnen Romane für ihre Heldinnen anstreben und welche Vorstellungen von Wesen und Bestimmung der Frau oder, allgemeiner, von dem Stellenwert der Erziehung in einem nature/ nurture-Y^ontmmim ihren Erziehungsprogrammen zugrunde liegt. Immerhin ist zu vermuten, daß sich bestimmte Handlungsmuster gut dazu eignen, die Erziehung der Heldin zu einer selbständigen, eigenverantwortlichen Persönlichkeit darzustellen, während andere stärker ihr Eingebundensein in ein Netz familiärer Abhängigkeiten betonen werden. Entsprechend wird eine Handlungskonstellation die Wertigkeit individueller Erfahrung privilegieren, während eine zweite die Bewahrung traditioneller moralischer Werte in den Mittelpunkt stellt. Auch die relative Bedeutung intellektueller und moralischer Eigenschaften im Wertsystem des Romans kann tendenziell aus der Entscheidung für das eine oder andere Handlungsmuster abgeleitet werden.

8

though her great novels [...] each end by describing the 'perfect happiness' of hero and heroine in the company of 'a small band of true friends', this is not to be read as a circumscription of Jane Austen's ethical concern, or as an indication of her loss of faith in an inherited structure of morality. In each case, society has been reaffirmed around the central union, and the social fragmentation that initially threatened has been reconstituted through individual commitment into a new whole." Tanner argumentiert in seiner AustenStudie (op. cit., bes. S. 227 f. und S. 249), daß durch Fanny Prices Heirat in Mansfield Park die soziale Ordnung wiederhergestellt werde, nicht aber durch Anne Elliots Eheschließung in Persuasion. Vgl. auch Thompson, James, "Sense and Sensibility. Finance and Romance", in: Conger, Syndy McMillen (ed.), Sensibility in Transformation: Creative Resistance to Sentiment from the Augustans to the Romantics (Fairleigh Dickinson University Press, 1990), S. 1 4 7 - 7 1 Etwa bei Boone, op. cit., Kap. 3 ("Narrative Structure in the Marriage Tradition. Paradigmatic Plots of Courtship, Seduction, and Wedlock")

III

Grundsätzlich sei angemerkt, daß, wie Devlin zu Recht ausführt, die textinternen Lernprozesse oft mit Metaphern des Sehens beschrieben werden: To see clearly, or to gaze on what is real, may be for Jane Austen (and many others) the aim of education; but the metaphors of sight are simple ways of suggesting a process that is long and arduous. H e r heroines, but not only her heroines, come to see clearly at the end of the novels; the skill and interest of the books lie in Jane Austen's showing us how this clarity is achieved. O n l y the novels themselves can define for us what precisely she means by education and can dramatize the means by which the heroines come to see things not through a glass darkly but face to face, and the courage and intelligence and luck which they need in order to succeed. 9

Der zweite der eingangs genannten Aspekte, die Frage nach der Erziehung der Leserin durch den weiblichen Erziehungsroman, führt uns nun in den notorisch diffizilen Bereich rezeptionspsychologischer Vorgänge. Natürlich kann nicht rekonstruiert werden, wie „die" Leserin des späten 18. Jahrhunderts einen Erziehungsroman rezipiert hat; selbst Äußerungen zu Leseerfahrungen in Briefen und Tagebüchern - oder in den Erziehungsromanen selbst - geben ja immer nur wenig repräsentative Einzeleindrücke wieder. Einige allgemeine Überlegungen zur Rezeptionsproblematik seien jedoch im folgenden skizziert. 10 Als Ausgangspunkt bietet sich eine Rekapitulation der Rezeptionsprozesse an, die in den conduct books, Romantheorien und Romanen unserer Epoche postuliert werden. Wie bereits Johnsons vierte Rambler-Nummer 11 suggeriert, begeht eine schlechte Leserin den Fehler, daß sie zwischen der fiktionalen Realität und der Welt, in der sie lebt, nicht mehr unterscheiden kann, ein Fehler, zu dem der realistische Roman Johnson zufolge geradezu einlädt. Die falsche Lesehaltung des identifikatorischen Lesens wird, wie Uphaus ausführt, aus der Perspektive der zeitgenössischen Romankritik besonders vom empfindsamen Liebesroman provoziert, in dem, wie wir gesehen haben, Empathie zum ästhetischen Prinzip wird: Late in the eighteenth century the condemnation of female reading focusses specifically on woman's susceptibility to sensibility, so much so that the term

' Devlin, op. cit., S. 6 f.; s. dazu auch Cohan, op. cit., S. 18 f. Es kann selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, daß auch Männer weibliche E r ziehungsromane gelesen haben; deren Rezeptionserwartungen und -prozesse sollen uns nicht beschäftigen. " S. dazu Kap. 1.2.3

10

112

' s e n s i b i l i t y ' acts as a s u r r o g a t e n o t j u s t f o r a w a y o f s e e i n g o r f e e l i n g , b u t f o r a p r a c t i c e of r e a d i n g p r i n c i p a l l y ( b u t n o t e x c l u s i v e l y ) a s s o c i a t e d w i t h w o m e n . 1 2

Damit ist, so Uphaus weiter, die Revision der sentimental novel durch Autorinnen wie Wollstonecraft, Edgeworth oder Austen gleichzeitig auch ein "new program of female reading". 13 In diesem new program of female reading betrachtet die gute Leserin den Roman als ein Fallbeispiel, ein exemplum. Der entsprechenden Aufforderung an die ideale Leserin liegt natürlich ein Glaube an die generelle didaktische Effizienz des Beispiels, das heißt, an die generelle menschliche Fähigkeit, aus Beispielen zu lernen, zugrunde. Auf dieser Prämisse aufbauend beschäftigen sich, wie wir bereits gesehen haben, romantheoretische Erörterungen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts mit der Fragestellung, welche Romanfiguren als Träger der didaktischen Botschaft brauchbarer seien, diejenigen, die man als im engeren Sinne exemplarisch, das heißt, vollkommen tugendhaft, bezeichnen könne oder diejenigen, die moralische Fehler aufwiesen. Die erste Gruppe beruft sich vor allem auf Johnson, während der zweiten Jane Austen zuzurechnen ist; dies geht sowohl aus ihrer Romanpraxis als auch aus ihren wenigen Äußerungen zum Roman hervor. 14 Beide Gruppen setzen natürlich ebenfalls eine gewisse innere Anteilnahme der Leserin am Romangeschehen voraus. Die innere Anteilnahme muß aber durch analytisch-kritische Distanz zum Romangeschehen komplementiert werden; die Grenzen zwischen Romanwelt und Lebenswelt der Leserin bleiben so gewahrt. In der Rezeptionstheorie des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts trennt eine geübte Romanleserin also die Spreu vom Weizen; sie konzentriert sich auf die Aspekte des fiktionalen Textes, die tendenziell mit ihrer Lebenswelt konvergieren, und scheidet sie von den Aspekten, die „bloße" Fiktion sind, das heißt, nur in der Romanwelt ihren Platz haben. Eine junge bürgerliche Leserin des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts findet im weiblichen Erziehungsroman eine Beschäftigung mit epistemologischen Fragestellungen vor, mit denen sie sich auch selbst auseinandersetzen muß, etwa woher eine Frau wissen kann, daß sie geliebt wird, oder für welchen Ehepartner sie sich entscheiden soll.' 5 Der weibliche Erziehungsroman kann also als ein Modell betrachtet werden, das be12 11 4

Uphaus, op. cit., S. 336 f s . dazu auch Fergus, op. cit., bes. Kap. 2 und 3 Uphaus, op. cit., S. 339 E t w a aus dem ca. 1 8 1 6 entstandenen (satirischen) "Plan of a N o v e l According to Hints f r o m Various Quarters", in: Chapman, R . W. (ed.), The Works of Jane Austen. Volume 6: Minor Works ( O x f o r d University Press, 1954), S. 4 2 8 - 3 0 S. dazu Hunter, op. cit., speziell Kap. ι und 3

ИЗ

stimmte Entscheidungsprozesse thematisiert, vor denen eine junge Frau steht. Die zentrale Entscheidung ist dabei, wie bereits eingangs bemerkt, in der Regel nicht die f ü r oder gegen eine Ehe oder gar die zwischen Ehe und Beruf, sondern die zwischen mehreren potentiellen Ehepartnern; das bedeutet jedoch nicht unbedingt, daß die Ehe als Institution glorifiziert wird. Die Texte suggerieren, daß junge Frauen diese Entscheidung tatsächlich selbst treffen können. Trotzdem werden sie sich nur in sehr seltenen Fällen, und dann meist mit katastrophalen Folgen, gegen den Willen ihrer Mentorfiguren für einen bestimmten Bewerber entscheiden; dies gilt selbst für solche Romane, in denen die moralische Autorität der Mentorfiguren demontiert worden ist. Wenn es in den weiblichen Erziehungsromanen zum einen darum geht, welche Eigenschaften ein idealer Ehepartner aufweisen sollte, ist korrespondierend ihr zweites, in unserem Zusammenhang zentrales Thema die Frage, welche Eigenschaften eine junge Frau besitzen muß, um einen geeigneten Bewerber an sich zu binden und mit ihm eine glückliche Ehe zu führen. Der weibliche Erziehungsroman fordert also die Leserin dazu auf, die im Text skizzierten und an der Protagonistin exemplifizierten Erziehungsprozesse, die die Protagonistin zu einer begehrenswerten und begehrten Lebensgefährtin machen, 16 nachzuvollziehen; die an die Heldin adressierten didaktischen Hinweise werden von dieser Heldin stellvertretend f ü r die Leserin entgegengenommen. Damit ist die Konvergenz, die diese Leserin, als geübte Leserin, entdecken soll, die zwischen ihrem eigenen Reifeprozeß und dem der Heldin sowie die zwischen den Entscheidungssituationen, vor denen beide stehen. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, daß das Rezeptionsmodell des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts in zweifacher Hinsicht einer Ergänzung bedarf. Z u m einen werden natürlich durch den literarischen Text Konvergenzen zwischen Heldinnen- und Leserinnenerfahrung nicht aufgedeckt, sondern erst eigentlich hergestellt: T o ask a w o m a n to read as a w o m a n is in fact a double o r divided request. It appeals to the condition of being a w o m a n as if it were a given and simultaneously urges that this condition be created or achieved. Reading as a w o m a n

16

S. dazu Armstrong, Nancy, and Leonard Tennenhouse (eds.), The Ideology of Conduct. Essays on Literature and the History of Sexuality (New York and London, 1987), "Introduction": "Together with conduct books and other literature that claimed to be directed at women readers, novels helped to redefine what men were supposed to desire in women and what women, in turn, were supposed to desire to be." (S. 14 f.)

114

is n o t s i m p l y [ . . . ] a theoretical position, f o r it appeals to a sexual identity defined as essential and privileges experiences associated with that identity. 1 7

D a s bedeutet, daß eine gute Leserin nicht nur diejenigen Faktoren ignorieren oder unterdrücken muß, die in der Romanwelt nicht mit der Lebenswirklichkeit übereinstimmen, sondern auch diejenigen, die in der Lebenswirklichkeit nicht mit der Romanwelt übereinstimmen; eine gute Leserin „lernt" also beispielsweise aus einem weiblichen Erziehungsroman, daß die einzige Lebensentscheidung, die sie treffen kann, ehebezogen ist oder daß bestimmte Eigenschaften, die sie vielleicht besitzen mag, unweiblich sind und ihr bei ihren ehebezogenen Entscheidungen eher hinderlich sein werden. Sie wird sich gegenüber anderen Optionen verschließen: " Y o u are or become what y o u read." 1 8 D i e zweite Ergänzung des Rezeptionsmodells gründet sich auf die Hypothese, daß der weibliche Erziehungsroman, als fiktionaler Text, nicht nur eine Konvergenz zwischen Protagonistinnen- und Leserinnenerfahrung herstellt, sondern daß sich sein didaktisches Potential auch aus Bereichen der Divergenz zwischen diesen beiden Erfahrungen erschließt. Diese Bereiche der Divergenz werden, wie wir an den Beispielen der semifiktionalen Texte von Edgeworth und Wollstonecraft gesehen haben, durch Erzählperspektive und Erzählstruktur des Romans eröffnet. Hinsichtlich der Erzählperspektive eines weiblichen Erziehungsromans ist zu erwarten, daß die Konvergenz zwischen Heldinnen- und Leserinnenerfahrung dann am stärksten betont wird, wenn die Heldin aus ihrer Perspektive ihren Erziehungsprozeß schildert. Die Ich-Perspektive, die im Konflikt zwischen Individuum und Welt die Erfahrung des Individ u u m s privilegiert, birgt auch die größte Gefahr identifikatorischen L e sens, eine Gefahr, die, wie wir sehen werden, selbst dadurch nicht vollständig gebannt werden kann, daß sich diese Protagonistin, mit dem E r zählgestus des Bekenntnisses, zu einem warnenden oder gar abschreckenden Beispiel stilisiert. In einer zweiten F o r m des weiblichen Erziehungsromans, dem Briefroman, wird die Leserin häufig bereits mit zwei oder mehreren IchPerspektiven konfrontiert; wenn die Korrespondentinnen und Korrespondenten der Protagonistin zudem Briefkontakte zu dritten Personen unterhalten, wie dies etwa in Richardsons Clarissa der Fall ist, beginnen 17

,s

Culler, Jonathan, On Deconstruction: Theory and Criticism after Structuralism (Cornell University Press, 1982), S. 49 Harold Bloom, zitiert nach Kolodny, Annette, " A Map for Rereading: Gender and the Interpretation of Literary Texts", in: Showalter, Elaine (ed.), The New Feminist Criticism: Essays on Women, Literature, and Theory (London, 1986), S. 49-62, S. 59

" S

Protagonistinnen- und Leserinnenerfahrung zu divergieren. Der Briefroman wirft perspektivische Probleme auf, denen gegenüber, wie Eagleton am Beispiel von Clarissa19 darlegt, Richardsons Bemühungen um die Eindeutigkeit seiner moraldidaktischen Botschaft zum Scheitern verurteilt sind. Richardsons Strategie, durch immer neues fiktionales Material etwa dem zeitgenössischen Interesse an Lovelace entgegenzuwirken, verstärkt lediglich die Polyphonie der Romanstimmen. Zu dieser Pluralität tragen letztlich auch Richardsons Versuche bei, als Autor und hinter dem Rükken seiner Romanfiguren mit seinen Leserinnen und Lesern zu kommunizieren: Tendenziöse Inhaltsverzeichnisse und Fußnoten erweitern die Kluft zwischen Leserinnen- und Heldinnenerfahrung, aus der gerade das Interesse an Lovelace und die gleichzeitige Kritik an Clarissa resultieren. Den Ausweg aus diesem Dilemma, die auktoriale Erzählperspektive, lehnt Richardson deswegen ab, weil er, wie Eagleton weiter ausführt, befürchtet, daß sich die Erzählerfigur, als vermittelnde Instanz, zwischen Leserinnen und Leser und die Wirklichkeit der Romanwelt schiebe und so die Unmittelbarkeit des Leseeindrucks verhindere; damit begründet Richardson gerade das später unter anderem im new program of female reading kritisierte empathische Rezeptionsprinzip des empfindsamen Romans*0 und will lediglich eine Identifikation mit der „falschen" Romanfigur, nämlich Lovelace, verhindern. Gerade die von der auktorialen Erzählperspektive eröffnete Möglichkeit zur Distanzierung ist es jedoch, die die Nachfolgerinnen und Nachfolger Richardsons - wie im übrigen natürlich seinen Zeitgenossen Fielding - zu einer Entscheidung für die auktoriale Erzählperspektive veranlaßt.21 Als Paradigma einer Progression vom Briefroman zum auktorialen Roman kann die Entwicklung Jane Austens gelten, die sich in ihren Juvenilia vorwiegend der epistolarischen Form bedient; auch für einen der ersten abgeschlossenen Romane, Pride and Prejudice, wird in der Forschung verschiedentlich eine frühe Briefromanfassung angenommen. Perspektivierende Elemente haben sich jedoch in allen ihren Romanen, in ihrer Version der personalen Erzählperspektive, erhalten, so daß man Austens Texte als einen Kompromiß zwischen den erzähltechnischen Strategien der Distanzierung, oder Divergenz, und der Identifikation, oder Konvergenz, bezeichnen könnte.22 ' ' Eagleton, op. cit., vor allem S. 2of. S. dazu Uphaus, op. cit. 21 S. dazu auch Bronson, Bertrand H., "The Writer", in: Clifford, James R. (ed.), Man Versus Society in Eighteenth-Century Britain. Six Points of View (Cambridge University Press, 1968), S. 1 0 2 - 3 2 12 S. dazu unter anderem Mann, op. cit., S. 59 und Kap. 5, sowie Foltinek, op. cit., S. 148f., und Voss-Clesly, Patricia, Tendencies of Character Depiction in the Domestic Novels of 20

II6

Während also ein Erziehungsroman, der aus der Perspektive der Protagonistin erzählt, die Konvergenz zwischen Leserinnen- und Heldinnenerfahrung unterstreicht, kann ein auktorialer Erziehungsroman die Erzählerfigur als eine Instanz etablieren, die, ähnlich wie eine handlungstragende Mentorfigur, den Werdegang der Heldin kritisch kommentiert; die Erzählerfigur lädt damit die Leserin zur Komplizenschaft gegen die Protagonistin ein. Darüber hinaus verfügt sie natürlich über ein umfangreiches didaktisches Instrumentarium, aus dem hier nur einige Elemente isoliert werden können: Sie kann die individuelle Erfahrung der Protagonistin in einen größeren Rahmen stellen; sie kann die Perspektive der Protagonistin durch die Sichtweisen beliebig vieler anderer Figuren ergänzen. Sie kann diese Sichtweisen aus der „Vorgeschichte" des Romans ableiten und auf die Konsequenzen einmal getroffener Entscheidungen vorausverweisen. Tendenziöse Inhaltsverzeichnisse, Kapitelüberschriften, intertextuelle Elemente, Vorworte usw. tragen, wie in Richardsons Clanssd-Bearbeitungen, dazu bei, die Divergenz zwischen Protagonistinnenund Leserinnenerfahrung zu unterstreichen. In diesem Zusammenhang ist auch zu fragen, ob die Erzählerfigur, als Mentorin, die handlungstragenden Mentorfiguren, also Eltern, Vormunde, Geschwister etc., in deren Erziehungsbemühungen unterstützt oder ihre Autorität unterminiert; daß Leserinnen zwischen „schlechten" und „guten" Mentorfiguren unterscheiden können, verdanken sie im auktorialen Erziehungsroman unter anderem den Kommentaren der Erzählerfigur. Dies bedeutet nun aber nicht, daß die auktoriale Erzählerfigur ihrerseits zu einer Garantin moraldidaktischer Eindeutigkeit werden könnte, eine Vermutung, die zunächst naheliegt, wenn man den auktorialen weiblichen Erziehungsroman mit der Pluralität der Diskurse im mehrstimmigen Briefroman vergleicht. Dies würde bedeuten, daß die Protagonistinnenerfahrung zu einer bloßen Illustration der Erzählerrede wird; in Wahrheit kann sie sich aber selbst in auktorial erzählenden Erziehungsromanen, wie wiederum unsere Erfahrungen mit semifiktionalen Texten gezeigt haben, bis zu einem gewissen Grad von den Deutungsmustern der Erzählerrede emanzipieren. Zu einem Vehikel ihrer Emanzipation wird dabei auch der oben genannte zweite Bereich potentieller Divergenz, die Erzählstruktur. Immerhin ist zu vermuten, daß, analog zu der oben geschilderten ideologischen Dimension der Entscheidung für ein bestimm-

Bumey,

Edgeworth

and Austen:

A Consideration

of Subjective and Objective World (3

vols., Salzburg, 1979; Salzburg Studies in English Literature, Romantic Reassessment, Vol. 95) " 7

tes Handlungsmuster,23 auch die Wahl einer bestimmten Erzählperspektive eine ideologische Basis besitzen kann. Die Erzählstruktur des Erziehungsromans ist, wie zahlreiche Studien im allgemeinen und am Beispiel einzelner Texte immer wieder ausführen,24 geprägt durch Nebenhandlungsstränge und Nebenfiguren, die sich als Parallelen oder Gegensätze der Haupthandlung und ihrer Handlungsträgerin zuordnen lassen; diese Multiplizierung der Handlungselemente ist, wie wir gesehen haben, in den Kontrastfiguren des conduct book bereits angelegt. Nun können zwar Protagonistinnenerfahrung und Leserinnenerfahrung insofern konvergieren, als aus der Sicht der Protagonistinnen gerade diejenigen Figuren als positives oder negatives Beispiel erscheinen können, die aus der Sicht der Leserin zu Handlungsträgerinnen der Nebenhandlungen werden. Trotzdem wird die Protagonistin immer nur zu einer partiellen Erkenntnis in bezug auf diese Nebenfiguren und ihre Schicksale gelangen können; das vollständige Panorama des Romans erschließt sich nur der guten Leserin, und es ist ihr vorbehalten, mit oder gegen die Erzählerfigur zu einem Urteil über die Relationen zwischen plot und subplots und über die Nebenfiguren zu gelangen. Insgesamt sind also, neben der Darstellung des Werdeganges der Protagonistin, vor allem Erzählperspektive und Erzählstruktur die für den Erziehungsprozeß der Heldin relevanten Faktoren. Das Zusammenspiel dieser Faktoren produziert, wie wir gesehen haben, sowohl die moraldidaktische Aussage des je einzelnen weiblichen Erziehungsromans als auch die potentielle Ambiguität dieser Aussage; man kann vielleicht sogar provokativ behaupten, daß in manchen Erziehungsromanen die Ambiguität jeglicher moraldidaktischen Aussage die eigentliche moraldidaktische Aussage des entsprechenden Textes ist. Hier unterscheiden sich die weiblichen Erziehungsromane von den conduct books, in denen eine weitgehende Konvergenz zwischen Leserinnen- und Protagonistinnenerfahrung mit einer eindeutigen moraldidaktischen Aussage des Textes einhergeht. Das Zusammenspiel der genannten Faktoren muß für jeden einzelnen weiblichen Erziehungsroman genau beschrieben werden; aus einer Zusammenschau der Beschreibungen läßt sich der Beitrag seiner Autorinnen zum aufklärerisch-bürgerlichen Diskurs der Epoche rekonstruieren. Die vorliegende Arbeit stellt einen Kompromiß zwischen dem Desiderat der

2> 24

E t w a für ein Handlungsmuster, das die Wertigkeit individueller Erfahrung privilegiert S. beispielsweise die Kapitel zu Sense and Sensibility in den Austen-Monographien von Fergus und Johnson, jeweils op. cit., sowie Debon, op. cit., Kap. 2, Teil В („Typische Elemente eines Romans von Jane Austen"), und Kirkham, Teil 3, Kap. 3

Il8

detaillierten Beschreibung einzelner Texte und dem der Zusammenschau vieler unterschiedlicher Texte dar. Die folgenden acht Kapitel bzw. Teilkapitel des zweiten Hauptteils werden sich jeweils auf bestimmte Aspekte der in ihnen behandelten Romane konzentrieren; bei der Textauswahl sind die in Kapitel 1.2.1 beschriebenen Subgenre-Kategorien für den Roman von 1778 bis 1814 berücksichtigt worden. Trotzdem kann dieser Textauswahl bei der Menge der in unserem Zeitraum erschienenen Romane 2 ' eine gewisse Beliebigkeit nicht ganz abgesprochen werden. Außerdem trägt die Orientierung am Konsens der literaturwissenschaftlichen Forschung hinsichtlich der „lesenswerten" Romane der Epoche - neben der angemessenen Repräsentanz der verschiedenen Subgenres das zweite Auswahlkriterium - unvermeidlich zu einer Kanonisierung bestimmter Texte auf Kosten anderer, potentiell ebenso lesenswerter, bei. In Kapitel 2.2.1 werden drei Romane danach befragt, wie ihre Autorinnen die je unterschiedliche Deutungs- und Definitionsmacht ihrer auktorialen Erzählerfigur (Edgeworth, Belinda16), ihrer Korrespondentinnen und Korrespondenten (Edgeworth, Leonora) und ihrer Ich-Erzählerin (Brunton, Disdpline) zu etablieren versuchen. Kapitel 2.2.2 wendet sich dem zweiten Bereich potentieller Divergenz im Erziehungsroman zu, der Erzählstruktur, und untersucht das Verhältnis zwischen Haupthandlung und Nebenhandlungen in Charlotte Smiths Emmeline; or, the Orphan of the Castle und Elizabeth Hamiltons Memoirs of Modern Philosophers. A Novel sowie das zwischen dem ersten und zweiten Teil von Elizabeth Inchbalds Α Simple Story. Kapitel 2.3 beschäftigt sich mit den handlungstragenden Mentorfiguren der Romane Patronage von Edgeworth und Adeline Mowbray; or, The Mother and Daughter. A Tale von Amelia Opie. Die in den Kapiteln 2.2 und 2.3 gewonnenen Erkenntnisse zu den Strategien der Leserinnen- und Heldinnenerziehung im weiblichen Erziehungsroman werden in den folgenden beiden Kapiteln an partiellen und generellen Erziehungszielen exemplifiziert: Das Kapitel 2.4 geht der Frage nach, wie der weibliche Erziehungsroman die partiellen Erziehungsziele der literarischen und der ästhetischen Erziehung thematisiert. 25

26

Peter Garside hat f ü r den Zeitraum von 1780 bis 1830 ca. 3000 Titel erfaßt; s. seinen bereits zitierten Vortrag, S. 3 Für detaillierte bibliographische Angaben zu den Primärtexten und zur jeweils verwendeten Sekundärliteratur s. die entsprechenden Kapitel. Wenn irgend möglich, wurden f ü r die Textarbeit leicht zugängliche Nachdrucke der Primärtexte verwendet; da die Textqualität der Pandora-Nachdrucke oft unzureichend ist, wurden wörtliche Zitate aus diesen Texten mit den Erstausgaben abgeglichen.

119

Als Beispiele für den Bereich der literarischen Erziehung dienen die Ossian-Rezeption in Mary Hamiltons Munster Village und Sydney Owensons The Wild. Irish Girl sowie die Auseinandersetzung mit der Romantradition in Edgeworths Kurzroman "Angelina; or L'Amie Inconnue" und Jane Austens Northanger Abbey (Kap. 2.4.1 und 2.4.2). Der Bereich der ästhetischen Erziehung wird durch Ann Radcliffes The Mysteries of Udolpho und Austens Mansfield Park illustriert (Kap. 2.4.3). Mit Kapitel 2.5 kehren wir zu dem Thema zurück, das uns bei der Analyse der conduct books im ersten Teil der Arbeit beschäftigt hat. Das Kapitel untersucht, welche generellen Vorstellungen von Wesen und Bestimmung der Frau im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert den beiden Romanen The Wrongs of Woman; or, Maria von Mary Wollstonecraft und Coelebs in Search of a Wife; Comprehending Observations on Domestic Habits and Manners, Religion and Morals von Hannah More zugrunde liegen und wie diese Vorstellungen fiktionalisiert werden können (Kap. 2.5.2). Der Gegenüberstellung der Texte von Wollstonecraft und More geht in Kapitel 2.5.1 eine Bestimmung des Begriffs sensibility in Mary Hays' Memoirs of Emma Courtney und Austens Sense and Sensibility voraus; wie wir aus der Analyse verschiedener conduct books und aus der Romankritik der Epoche wissen, ist sensibility ein Schlüsselbegriff für das Frauenbild dieser Zeit. Der dritte Hauptteil wird den vier Romanen Burneys vorbehalten sein; Analysebereiche werden, wie im zweiten Hauptteil, Erzählperspektive, Erzählstruktur, die Funktion der handlungstragenden Mentorfiguren und die Erziehungsziele der Texte sein. Aus der Analyse dieser vier Romane, die 1778, 1782, 1796 und 1814 erschienen sind, wird dem dritten Hauptteil auch eine zeitliche Dimension erwachsen, die mit der Kategorisierung der conduct books in prärevolutionäre, revolutionäre und postrevolutionäre Texte im ersten Teil der Arbeit verglichen werden kann.

2.2 Fiktionale Strategien und moralische Autorität 2.2.1 Erzählperspektive in Edgeworths Belinda und Leonora und Bruntons Discipline Aus den im vorhergehenden Kapitel entwickelten Thesen zur didaktischen Funktion der Erzählperspektive ergeben sich für die Analyse der Romane Belinda und Leonora von Maria Edgeworth sowie Discipline von Mary Brunton zwei komplementäre Fragestellungen: Es ist zum einen zu fragen, ob ein Text wie Belinda, der mit der auktorialen Erzähler120

figur über eine Instanz zur narrativen und damit zur moralischen Kontrolle verfügt, Stellen aufweist, an denen diese Kontrolle versagt hat. Zum anderen muß untersucht werden, welcher Kontrollinstrumente sich Autorinnen bedienen können, deren Texte sich als Briefromane (Leonora) oder Bekenntnisromane (Discipline) einer narrativen wie moralischen Kontrolle zunächst stärker zu widersetzen scheinen. Maria Edgeworth, Belinda (1801) Edgeworths Roman Belinda27 erscheint im Jahr nach Castle Rackrent, einem Roman, der vor allem in denjenigen Studien zu Edgeworth, die dem didaktischen Anliegen ihrer Texte kritisch gegenüberstehen, als einer ihrer besten gilt. Die literarische Qualität von Castle Rackrent wird dabei vor allem auf seine unkonventionelle Erzählperspektive zurückgeführt; der sprachlich idiosynkratische Ich-Erzähler, Thady Quirk, ist ein irischer Gutsverwalter, der von seiner Warte aus die Geschicke der Gutsherrenfamilie schildert. Gilbert und Gubar kommentieren diese Wahl der Erzählperspektive wie folgt: Pursuing her career in her father's sitting-room and writing primarily to please him, Maria E d g e w o r t h managed in this early fiction to evade her father's control b y dramatizing the retaliatory revenge of the seemingly dutiful and apparently weak. 2 8

Auf das aus der Sicht vieler Edgeworth-Forscherinnen und -forscher problematische Verhältnis zwischen Richard Lovell Edgeworth und seiner Tochter Maria, auf das in diesem Zitat angespielt wird, wurde bereits andernorts verwiesen. 29 In bezug auf Belinda scheint gesichert, daß 27

Zur Textgeschichte s. die folgende Seite; die wichtigsten Studien zu Edgeworth werden in Kap. 1.1.3.1 vorgestellt. Vgl. ferner Altieri, Butler, Austen, Kap. 5, Figes, Kap. 6, Green, Kap. 14, Gilbert/Gubar, Teil 2, Kap. 5, Mellor, Romanticism, Kap. 3, Spencer, Kap. 5, speziell S. 161 f. und S. 177, Sulloway, Kap. 2 und 4, alle op. cit.; sowie Hawthorne, Mark D., "Maria Edgeworths Unpleasant Lesson: The Shaping of Character", in: Studies. An Irish Quarterly Review of Letters, Philosophy and Science, Vol. 64-5 (1975-6), S. 167-77; Herrlinger, Wolfgang, Sentimentalismus und Postsentimentalismus. Studien zum englischen Roman bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (Tübingen, 1987), Kap. 2.1.1.3, 2.1.4.2 und 2.3.3.4; Myers, Mitzi, "Daddy's Girl as Motherless Child: Maria Edgeworth and Maternal Romance; an Essay in Reassessement", in: Spender, Dale (ed.), Living by the Pen. Early British Women Writers (New York, 1992), S. 137-59; Voss-Clesly, Patricia, Tendencies of Character Depiction in the Domestic Novels of Burney, Edgeworth and Austen: A Consideration of Subjective and Objective World (3 vols., Salzburg, 1979; Salzburg Studies in English Literature, Romantic Reassessment, Vol. 95), Kap. 2.8.1 et passim

28

Gilbert/Gubar, op. cit., S. 151; s. dazu auch Altieri, op. cit., S. 265 f. S. dazu Kap. 1.1.3.3

19

121

R. L. Edgeworth den ursprünglichen Entwurf überarbeitet und in einem entscheidenden Punkt eine Änderung empfohlen hat.3° Für die Aufnahme in Barbaulds Romananthologie British Novelists erstellt Edgeworth eine zweite Fassung des Romans, die sich von der Erstfassung zum Teil erheblich unterscheidet.31 In dieser Zeit äußert sie sich sehr negativ zur Erstfassung 32 und besteht darauf, daß die zweite Ausgabe von 1810 als autorisierte Version des Romans zu betrachten sei; neueren Ausgaben von Belinda liegt diese zweite Version zugrunde. 33 Die auktoriale Erzählerfigur in Belinda befindet sich hinsichtlich ihres erzähltechnischen Standorts über weite Strecken in der Nähe der Titelfigur. Sie verfügt neben der Außenperspektive auch über die Innenperspektive, vollzieht aber die Gedankenprozesse der Figuren selten im Detail nach, sondern beschränkt sich auf die summarische Wiedergabe ihrer Ergebnisse: "The result of Belinda's reflections upon Lady Delacour's history was a resolution to benefit by her bad example; but this resolution it was more easy to form than to keep." 34 Es ist wohl vor allem dieses narrative Verfahren, das für den Vorwurf der Selbstgerechtigkeit, der der Titelfigur häufig gemacht wird, 35 verantwortlich ist. Belinda ist eine junge Frau, die von ihrer Tante, die bisher für ihre Erziehung verantwortlich war, der weltläufigen Lady Delacour anvertraut wird; Lady Delacour soll Belinda den letzten Schliff geben und sie in die Gesellschaft einführen. Lady Delacour ist, wie viele negative Frauenfiguren in den conduct books,16 eine zutiefst gespaltene Persönlichkeit, deren geistreiche öffentliche Maske ihr privates Unglück ebenso verhüllt wie ihre verletzte Brust von ihren eleganten Gewändern verborgen 30

S. dazu Harden (1971), op. cit., S. Harden nennt als Quelle für den ursprünglichen Entwurf A Memoir of Maria Edgeworth, with a Selection of her Letters by the late Mrs Edgeworth (3 vols., unpublished, London, 1867, Appendix 2). Diesem ursprünglichen Plan zufolge sollte Lady Delacour am Ende des Romans sterben, während sie, wie wir sehen werden, in den veröffentlichten Fassungen einer moralischen Reform zugeführt wird.

31

Die Unterschiede zwischen den beiden Fassungen werden von Hawthorne in seinem eingangs zitierten Aufsatz dargestellt; s. dazu auch Butler, Edgeworth, op. cit., Appendix C, S. 494 f. 32 Z . B . in einem vielzitierten Brief vom Dezember 1809 zur Hauptfigur Belinda, "the cold tameness of that stick or stone Belinda"; hier zit. nach Hare, Augustus J . C., The Life and Letters of Maria Edgeworth (2 vols, 1894; repr. Freeport, 1971), S. 178 33 Etwa auch der Longford-Ausgabe von 1893 und der im folgenden verwendeten Ausgabe (introd. Eva Figes, London, 1986; Pandora Mothers of the Novel Series) 34 Ibid., S. 58 35 Z . B . von Harden (1971), op. cit., Kap. 3 36 S. dazu etwa das conduct hook von John Bennett; diese negativen Frauenfiguren sind häufig, wie wir aus der conduct έοο^-Analyse wissen, Trägerinnen eines „falschen", nämlich aristokratischen, Wertsystems.

122

wird. Belinda muß lernen, sich von dieser Mentorfigur zu emanzipieren; sobald ihr dies gelungen ist,37 wird sie ihrerseits zur Mentorin, und es gelingt ihr, mit Hilfe einer weiteren positiv geschilderten Frauenfigur, Lady Anne Percival, Lady Delacour für ein glückliches häusliches Leben zu gewinnen. Symbol dieser moralischen Regeneration von Lady Delacour ist eine gelungene Brustoperation. Den bereits genannten Frauenfiguren sind zwei weitere zugeordnet, Virginia St. Pierre und Harriot Freke. Im folgenden soll nun zunächst gezeigt werden, wie das negative Potential dieser beiden Frauen durch erzähltechnische, und vor allem durch erzählperspektivische, Strategien eingegrenzt wird. Die eigentliche Handlung des Romans wird von zwei längeren Rückblenden eingerahmt, deren zweite, in den Kapiteln 26 und 27, die Geschichte der Beziehung zwischen der männlichen Hauptfigur des Romans, Clarence Hervey, und Virginia St. Pierre schildert. Diese Geschichte, die, wie Spencer zu Recht ausführt, als ironisches Spiel mit der fiktionalen Konvention des Mentor-Liebhabers gedeutet werden muß,38 ist in einer Reihe von Briefen und anderen autobiographischen Fragmenten Herveys festgehalten, die dieser Belinda und Lady Delacour zur Lektüre überläßt. Im Romantext selbst werden diese autobiographischen Fragmente jedoch nicht in ihrer ursprünglichen (ich-perspektivischen) Form wiedergegeben, sondern in die auktoriale Erzählperspektive „übersetzt", was der auktorialen Erzählerfigur die Möglichkeit gibt, Herveys Erlebnisse zu kommentieren, eine Möglichkeit, die sie weidlich nutzt. So stellt sie einleitend die Verbindung zwischen Herveys Wunsch, sich eine junge Frau zur Ehefrau heranzuziehen,39 und seiner Rousseau-Lektüre her: "He was charmed with the picture of Sophia, when contrasted with the characters of the women with whom he had been disgusted; and he formed the romantic project of educating a wife for himself." 40 In weiteren kommentierenden Passagen wird die Unschuld des Herveyschen Erziehungsgegenstandes Virginia einem Wortfeld ignorance/timidity*1 zu17 j8

39

40 41

Dieser Lernprozeß ist bereits zu Beginn des 10. Kapitels (von insgesamt 31) abgeschlossen. Spencer, op. cit., S. 162; zur Rolle des Mentor-Liebhabers im weiblichen Erziehungsroman s. ferner Cockshut, Arthur O. J., Man and Woman: Α Study of Love and the Novel 17401940 (London, 1977), Kap. 4 Ein Wunsch, den bekanntermaßen R. L. Edgeworths Freund Thomas Day in die Praxis umsetzte (mit katastrophalen Folgen) Edgeworth, Belinda, op. cit., S. 329 Ibid., S. 338; an dieser Stelle thematisiert die auktoriale Erzählerfigur explizit ihren Wissens- oder besser Bewußtseinsvorsprung vor der Figur Clarence Hervey: "These reflections could not possibly have escaped a man of Clarence Hervey's abilities, had he not

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geordnet, werden die Eigenschaften von Virginia und Belinda in einer langen Reihe von Gegensatzpaaren einander gegenübergestellt: In comparison with Belinda, Virginia appeared to him but an insipid, though innocent child. The one he found was his equal, the other his inferior; the one he saw could be a companion, a friend to him for life, the other would be merely his pupil, or plaything. Belinda had cultivated taste, an active understanding, a knowledge of literature, the power and habit of conducting herself; Virginia was ignorant and indolent, she had few ideas, and no wish to extent her knowledge [ . . . ] . 4 2

Die Gegensatzreihe gipfelt in der Aussage, daß Belindas Charakter durch prudence und reason geprägt sei, Virginias durch innocence und sentiment. Durch diese und ähnliche Passagen wird Virginias einziger Auftritt in der Haupthandlung des Romans vorbereitet. Selbst bei diesem Auftritt, der im letzten Kapitel, "The Denouement", stattfindet, bedient sich die auktoriale Erzählerfigur noch verschiedener Lenkungsstrategien: Das Kapitel beginnt mit der Schilderung des Eindrucks, den Virginia auf Belinda und Lady Delacour macht. Auf den folgenden drei Seiten sprechen die anderen Figuren über Virginia; Virginia „spricht" durch ihren Körper, wobei ihre im Detail beschriebene Körpergestik das gesamte Vokabular einer sentimentalen Romanheldin umfaßt - Ohnmachtsanfälle, unkontrollierbares Zittern, Tränenausbrüche, heftiges Erröten. Als Virginia endlich zu Wort kommt, sind ihre Äußerungen unzusammenhängend, wirr, von vielen emphatischen Sprachgesten unterbrochen; von Clarence Hervey, der sie am besten kennt, müssen diese Äußerungen erst mühsam interpretiert und dann für die anderen Figuren in deren rationale Sprache „übersetzt" werden. Wenn Belinda im Roman prudence und reason verkörpert und Virginia für sentiment steht, so kann Harriot Freke als die Repräsentantin von unreason, Irrationalität, betrachtet werden.43 Die Irrationalität ihres Verhaltens, die dadurch symbolisiert wird, daß sich Harriot an zwei Stellen des Romans als Gespenst verkleidet, besteht darin, daß sie die bestehende Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern ablehnt; Harriot Freke ist, als eine „maskuline" Frau, ebensowenig zu einer echten Partnerschaft mit dem anderen Geschlecht fähig wie die „allzu weibliche" Virginia. Um

42 43

[...]". Andernorts wird dieses Wortfeld noch um ignorance erweitert; s. dazu Herrlinger, op. cit., Kap. 2.1.4.2 Edgeworth, Belinda, op. cit., S. 344 S. dazu Kowalewski-Wallace, Fathers' Daughters, op. cit., S. 107

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Harriots Position im Text zu marginalisieren, werden dieselben Lenkungsstrategien verwendet, die uns schon bei der Ausgrenzung Virginias begegnet sind. Vor Harriots einzigem Auftritt in der Haupthandlung sind bereits Vorurteile gegen sie geweckt worden, das heißt, sie ist von verschiedenen Romanfiguren und von der auktorialen Erzählerfigur negativ beurteilt worden; sie ist eine falsche Freundin, die Lady Delacour zu transgressiven Handlungen verleitet hat, die diese allein nicht begangen hätte. Als Harriot dann selbst auf der Bildfläche erscheint, in Kapitel 17, "The Rights of Woman", - dem übrigens das Kapitel "Domestic Happiness" unmittelbar voraufgeht - , entlarvt sie sich, wie Virginia, durch ihre Sprache und ihre Körpergestik. Ihre Sprache weicht von der im Text propagierten Sprachnorm, auf die noch einzugehen sein wird, vor allem durch ihr heftiges Fluchen ab; stilistisch ähnelt diese Sprache damit der des ebenfalls negativ gezeichneten Sir Philip Baddely, 44 mit dem Harriot im übrigen die Neigung zum Wetten teilt. Die einzelnen Argumente Harriots in der Diskussion über die Rechte der Frau müssen hier nicht im Detail vorgeführt werden; sie werden nicht nur von ihren Gesprächspartnern diskreditiert, sondern auch v o n der auktorialen Erzählerfigur, die beschreibt, wie nach Harriots provokativer Aussage, daß die Gesellschaft reformbedürftig sei und ihrer "decent drapery of life" beraubt werden müsse, Harriots eigene Kleider zerreißen: Ί know nothing of the Lacedaemonian ladies: I took my leave of them when I was a schoolboy - girl, I should say. But pray, what o'clock is it by you? I've sat till I'm cramped all over', cried Mrs Freke, getting up and stretching herself so violently that some parts of her habiliments gave way. 'Honi soit qui mal у pense!', said she, bursting into a horse laugh. 45

Harriots weitere Auftritte im Roman werden, wie die vorhergehenden, nicht dramatisiert, sondern nur aus Erzähler- oder Figurenperspektive berichtend wiedergegeben. Harriots irrationale Energie bleibt selbstverständlich in den Text eingeschrieben und sollte daher nicht unterschätzt, aber auch nicht überbewertet werden; 46 insgesamt müssen, gerade durch die sorgfältige Parallelisierung zwischen ihr und Virginia, die Lenkungs44

Natürlich ist dies ein sprechender Name, wie auch der von Harriot, - die Parallele Freke/ freak wird dabei von Harriot selbst hergestellt (Edgeworth, Belinda, op. cit., S. 37). Virginia St. Pierre verdankt ihren Namen dem von Rousseau inspirierten Roman Paul et Virginie von Jacques-Henri Bernardin de St. Pierre; sie wird erst von Clarence Hervey so getauft und heißt in Wirklichkeit Rachel Hartley. «' Ibid., S. 209 46 Zu letzterem neigt Kowalewski-Wallace, wenn auch aus durchaus nachvollziehbaren Gründen, in ihrer eben zitierten Studie.

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Strategien des Textes trotz einer gewissen Überdeterminiertheit in ihrem Fall als weitgehend gelungen gelten. Harriot wird nicht zur Sympathieträgerin, sondern fungiert im Roman als eine Art Sündenbock und eröffnet damit einen Raum, den positive Frauenfiguren wie Belinda oder Lady Anne Percival zu eigenständigen, vernunftgeleiteten Entscheidungen nutzen können. Dieser Freiraum eröffnet sich allerdings auch für Lady Delacour, deren schwerste Verfehlungen ja auf den schlechten Einfluß Harriets zurückgeführt worden sind. Das eigentliche Problem des containment transgressiver Energien wird damit durch Lady Delacour verkörpert, die, wie wir gesehen haben, für ein friedvolles Leben in harmonischer Häuslichkeit gewonnen werden soll. Lady Delacours Lebensgeschichte wird in der ersten längeren Rückblende des Romans (Kapitel 3 und 4) geschildert, und zwar nicht, wie bei Clarence Hervey, aus der auktorialen Perspektive; Lady Delacour kommt selbst zu Wort. Ihre autobiographische Erzählung besticht durch Offenheit, Intelligenz, Sprachwitz und Sinn für Situationskomik; die Urteile, die Lady Delacour über andere Romanfiguren fällt, werden später sämtlich von der auktorialen Erzählerfigur - oder durch den Gang der Handlung - beglaubigt.47 In der Sekundärliteratur wird Lady Delacour übereinstimmend als die psychologisch plausibelste Figur des Romans bezeichnet;48 der Eindruck der psychologischen Plausibilität ist darauf zurückzuführen, daß bei Lady Delacour, anders als etwa bei Belinda, Gedankenprozesse nicht summarisch wiedergegeben werden, sondern im Detail mitvollzogen werden können. Der privilegierte Blick hinter die Maske nimmt die Leserin für die Ich-Erzählerin ein; dies ist die Gefahr der Ich-Perspektive im weiblichen Erziehungsroman. Lady Delacour dominiert auch die letzte Szene des Romans. Bevor wir uns dieser Schlußszene zuwenden, kehren wir kurz zu der Frage der im Text propagierten Sprachnorm zurück, von der, wie bereits erwähnt, Virginia und Harriot auf je unterschiedliche Weise abweichen. Im Roman besteht ein Sprachkontinuum zwischen der auktorialen Erzählerfigur und den positiv geschilderten Frauenfiguren, also Lady Anne Percival und Belinda. 49 So wird zum Beispiel der positiv besetzte Begriff des domestic 47

48 49

Diese Korrelation zwischen den Bewertungen Lady Delacours und denen der auktorialen Erzählerfigur wird von Mellor (in Romanticism, op. cit., S. 44 f.) ebenso unterschlagen wie die selbstreferentielle Funktion dieser Romanfigur; damit soll natürlich nicht behauptet werden, daß Lady Delacour für die Autorin „spreche". Etwa in Bosch, op. cit., Kap. 4 Dieses Phänomen des Sprachkontinuums zwischen Erzählerfigur und Romanfiguren ist in zahlreichen Arbeiten zu Burney und Austen untersucht worden, etwa von Babb und Debon, jeweils op. cit., sowie in Cottom, Daniel, The Civilized Imagination. Α Study of

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life früh von Lady Anne eingeführt, die mit ihm Lady Delacours spätere Entwicklung prophezeit, und dann mehrfach von der auktorialen Erzählerfigur aufgegriffen. 50 Belindas Sprachsensibilität geht so weit, daß sie die Sprachformen Harriot Frekes, Lady Annes und Lady Delacours gegenüberstellen kann; ein längerer Abschnitt des Freke-Kapitels (Kapitel 17), der von der auktorialen Außenperspektive bruchlos in Belindas Innenperspektive hinübergleitet, endet wie folgt: M r s Freke's wit, thought she, is like a noisy squib, the momentary terror of passengers; L a d y Delacour's like an elegant f i r e w o r k , which w e c r o w d to see, and cannot forbear to applaud; but L a d y A n n e Percival's w i t is like the refulgent moon, w e ' L o v e the mild rays, and bless the useful light.'' 1

Die Stilideale des solchermaßen gelobten Sprachstils, dessen sich neben Lady Anne Belinda und die auktoriale Erzählerfigur befleißigen und der auch von vorbildlichen Männerfiguren wie Doctor X - geteilt wird, sind Klarheit, Schlichtheit, Angemessenheit, aber vor allem auch kommunikative Zweckmäßigkeit; in der rhetorischen Tradition des 18. Jahrhunderts steht die häufige Verwendung abstrakter Begriffe.' 1 Wie aus den eben zitierten Sprachbetrachtungen Belindas hervorgeht, weicht Lady Delacours Sprache von diesem Stilideal ab; ihre moralische Regeneration, die der Text auf der Handlungsebene inszeniert, schlägt sich, wie zahlreiche Textbeispiele zeigen,53 nicht in einem veränderten Sprachverhalten nieder. Trotzdem wird Lady Delacour im Roman die Rolle der aktiven Sprachkritikerin zugewiesen. Sie ist es, die beispielsweise die sprachliche Überhöhung einer geliebten Frau durch das Wort angel moniert;54 die Verwendung dieses Begriffs, etwa durch Harriot Ann Radcliffe, Jane Austen, and Sir Walter Scott (Cambridge University Press, 1985), Mcintosh, Carey, Common and Courtly Language: The Stylistics of Social Class in Eighteentb-Century English Literature (University of Pennsylvania Press, 1986) und Nardin, Jane, Those Elegant Decorums: The Concept of Propriety in Jane Austen's Novels (State University of New York Press, 1973)· S. auch Eagleton, op. cit., S. 3 8 f. 50 Edgeworth, Belinda, op. cit., S. 91 bzw. S. 292 " Ibid., S. 211 52

Diese Merkmale werden in den bereits erwähnten Arbeiten zu Austen und Burney (s. oben, Fußnote 49) auch als charakteristisch für diese beiden Autorinnen bezeichnet; Mcintosh, op. cit., nennt diesen Stil courtly-genteel; vgl. dazu ihre Kap. 2 und 3 >3 Vgl. z.B. Edgeworth, Belinda, op. cit., S. 28, "I pitched upon Viscount Delacour for my lord and judge" mit S. 242, "What man can ever be loved who wears creaking shoes?", und S. 286, " A tame Lady Delacour would be a sorry animal, not worth looking at. Were she even to become domesticated, she would fare the worse." (Hervorhebung von mir) 54 Damit stellt sich Lady Delacour übrigens in die Tradition Mary Wollstonecrafts. Figuren (männlich oder weiblich), die Frauen als angels bezeichnen, sind im weiblichen Erziehungsroman der Epoche häufig suspekt.

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Freke, ist im Text ein sicheres Signal für ein ihm zugrundeliegendes falsches Verständnis des Geschlechterverhältnisses und korrespondiert mit Virginias aus der Romanzenliteratur abgeleiteter Bezeichnung für ideale männliche Figuren, heroes." In einem kurzen Exkurs sei bemerkt, daß Lady Delacour, obwohl sie auf der Handlungsebene des Romans ihre Vergnügungen immer außerhalb der häuslichen Umgebung gesucht hat, die belesenste der Romanfiguren ist und, im übrigen wie die männliche Mentorfigur Dr. X-, zahlreiche literarische Gespräche initiiert; wie Belinda wird ihr zugetraut, die autobiographischen Fragmente Herveys, die, wie wir gesehen haben, für die Leserin des Romans in einen auktorial erzählenden Text übersetzt werden müssen, richtig zu lesen. Harriot liest überhaupt nicht, Virginia bevorzugt Romanzen, und Belinda lernt im Laufe des Romans die Freuden richtigen Lesens kennen und schätzen.' 6 Lady Delacour wird die Aufgabe übertragen, als persona der Autorin im Roman, und damit in impliziter Konkurrenz zur auktorialen Erzählerfigur, spielerisch auf den fiktionalen Charakter des Textes hinzuweisen, in dem sie agiert. 57 Durch diese Anspielungen wird die Schlußszene vorbereitet, in der Lady Delacour als Regisseurin das Ende des Romans als Tableau inszeniert und den Epilog spricht: 'Now I think of it, let me place you all in proper attitudes for stage effect. What signifies being happy, unless we appear so? - Captain Sunderland kneeling with Virginia, if you please, sir, at her father's feet: you in the act of giving them their blessing, Mr Hartley. Mrs Ormond clasps her hands with joy - nothing can be better than that, madam - I give you infinite credit for the attitude. Clarence, you have a right to Belinda's hand, and may kiss it too: nay, Miss Portman, it is the rule of the stage. Now, where's my Lord Delacour? he should be embracing me, to show that we are reconciled. Ha! here he comes - Enter Lord Delacour, with little Helena in his hand - very well! a good start of surprise, my love - stand still, pray; you cannot be better than you are: Helena, my love, do not let go your father's hand. There! quite pretty and natural! Now, Lady Delacour, to show that she is reformed, comes forward to address the audience with a moral - a moral! Yes, Our tale contains a moral·, and, no doubt, You all have wit enough to find it out.'' 8 " 56

57 58

Vgl. für Lady Delacours Sprachkritik Belinda, op. cit., S. 65, für Harriots und Virginias sprachliche Fehlgriffe ibid., S. 204 bzw. S. 348. Zu Lady Delacours literarischen Kenntnissen s. beispielsweise ibid., S. 50, 60, 1 5 5 - 7 , und 290 f.; zu Harriot und Belinda s. S. 206 f. Virginias Romanzenlektüre impliziert natürlich eine Kritik an den Lektüreempfehlungen mancher conduct books, die geneigt sind, Romanzen für ungefährlicher zu halten als zeitgenössische Romane. S. etwa ibid., S. 28, 47, 267 Ibid., S. 433 f. (Hervorhebung im Text) 128

Auf den hochgradig artifiziellen Charakter dieser Schlußszene wird in der kritischen Literatur zu Belinda mehrfach verwiesen;59 diese Schlußszene suggeriert, daß Lady Delacours ohnehin partielle moralische Regeneration auf den fiktionalen Raum beschränkt bleiben muß. Die transgressive Energie Lady Delacours, die sich, wie wir aus ihrer autobiographischen Erzählung wissen, in der Vorgeschichte des Romans in unkonventionellen Handlungen manifestiert hat, richtet sich im Lauf der eigentlichen Romanhandlung auf unkonventionelle Sprachgesten und auf die Usurpation der Autorinnenrolle; während sich Lady Delacour in der Vorgeschichte durch ihre Handlungen exponiert hat, stellt sie sich nun durch ihre Sprechakte zur Schau.60 Damit ist Lady Delacours Sprache der Ort in Belinda, an dem die moralische und narrative Autorität der auktorialen Erzählerfigur versagt; es ist ebenso verlockend wie unergiebig, dieses Versagen als Marias bewußte oder unbewußte Reaktion auf Richard Lovell Edgeworths Änderungsvorschläge zu deuten. Maria Edgeworth, Leonora (1806) Edgeworths Briefroman Leonora61 erzählt, aus den Perspektiven von insgesamt zwölf Korrespondentinnen und Korrespondenten und in 115 Briefen unterschiedlicher Länge, die Geschichte eines Dreiecksverhältnisses; einige Schlüsselszenen in der Entwicklung dieses Verhältnisses werden dabei mehrfach, aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der jeweils beteiligten Figuren, geschildert.62 Die wichtigsten Korrespondenzen sind die zwischen Leonora, der betrogenen Ehefrau, und ihrer Mutter, zwischen Leonoras Ehemann, Mr L-, und seinem Vertrauten, General B-, sowie zwischen der „anderen Frau", Olivia, und ihrer älteren Freundin Madame de P.; den drei Hauptfiguren des Romans ist damit jeweils eine Art Mentorfigur zugeordnet. In einem vierten Briefwechsel berichtet eine 59

"In this highly self-reflexive scene, Edgeworth affirms what her text has repeatedly suggested through framed representations and refractions of negative example - that the most desirable role for woman is a domestic one, a partnership within companionate marriage. Yet, at the same time, the fact that Edgeworth chooses to have Lady Delacour arrange the scene serves as her acknowledgment that even in fiction the domestic tableau ('being happy') is achieved with difficulty." (Green, op. cit., S. 151; vgl. auch Harden, 1971, op. cit., S. 99 ff.) 6 ° Auf sie entfallen im Roman auch die meisten in direkter Rede wiedergegebenen Passagen. 61 Im folgenden zitiert nach dem Nachdruck der Longford-Gesamtausgabe der Tales and Novels, London, 1893; Vol. 8, S. 243-423 (repr. Hildesheim, 1969, Anglistica & Americana, Vol. 31) 62 Ζ. B. der Verlauf des Gartenfestes, das Mr L - zum Geburtstag seiner Frau veranstaltet, in Brief 26 und 27

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Freundin Leonoras von ihrer Position außerhalb des Dreiecks einer weiteren Freundin über die Geschehnisse in Leonoras Haus. Butler zufolge 63 wird Edgeworth während eines Aufenthaltes in Paris durch die Kontroverse um Madame de Staöls Roman Delphine (1802) zu Leonora inspiriert. Auch in diesem Roman, der maßgeblich zu de Staöls späterer Verbannung aus Paris beigetragen hat, steht ein Mann zwischen seiner Ehefrau und seiner Geliebten; doch während de Stael die Dreieckskonstellation als ein Vehikel zur Kritik an der Institution Ehe nutzt und in diesem Zusammenhang die Scheidungsgesetzgebung der ersten Jahre der Französischen Revolution diskutiert, wird bei Edgeworth programmatisch die Ehe als eine Partnerschaft, die auf Zuneigung, Achtung voreinander und gemeinsame Interessen gegründet ist, in der aber erotische Spannung nicht fehlen darf, beglaubigt. Delphine ist ein Text mit emanzipatorischem Anspruch; dieser Anspruch wird unter anderem mit der empfindsamen Rhetorik des Beharrens auf der moralischen Wertigkeit der eigenen, spontanen Empfindungen vertreten. In Edgeworths Roman ist, wie in Delphine, die „andere Frau", die Exponentin dieser Rhetorik; im Unterschied zu de Staels Roman ist diese „andere Frau" bei Edgeworth jedoch nicht die Titelheldin. Wie bereits in Kapitel 2.1 bemerkt, muß der Briefroman ohne die Instanz zur narrativen und moralischen Kontrolle auskommen, die der auktoriale Roman in seiner Erzählerfigur besitzt; in einer fiktionalen Tradition, die seit Richardson den Brief als eine Geste des authentischen Ausdrucks inszeniert/ 4 erwächst daher derjenigen Figur, von der die ersten Briefe stammen, unweigerlich eine gewisse Deutungs- und Definitionsmacht. In den ersten beiden Briefen von Leonora erhält Olivia die Gelegenheit, ihrer Korrespondentin Leonora, die damit zunächst zur Repräsentantin der Leserin im Text wird, ihre Geschichte zu erzählen. Alle übrigen Briefe des Romans können, wie zu zeigen sein wird, als ein Versuch interpretiert werden, die Aussagen Olivias in diesen ersten beiden Briefen zu entkräften und ihr revolutionäres Potential zu entschärfen. Der erste Brief beginnt mit einem Ausruf: "What a misfortune it is to be born a woman!" 6 ' Im folgenden beklagt Olivia,66 daß das solchermaßen beschworene Unglück der Frau darin bestehe, daß sie sich entweder ständig verstellen müsse oder aber wegen ihres unkonventionellen Lebens 6> 64 65 66

In Austen, op. cit., Kap. $ S. dazu Epstein, Julia L., "Epistolary Tradition", op. cit. Edgeworth, Leonora, op. cit., S. 243 Deren Argumentation übrigens der Harriot Frekes im "Rights of Woman"-Kapitel von Belinda ähnelt

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jenseits von prejudices und custom aus der Gesellschaft ausgestoßen werde, wie dies Olivia selbst geschehen sei. Genius und sensibility seien der Frau keine Hilfe, und ihre Fähigkeiten erwerbe sie nur, um ihre Tyrannen befriedigen zu können oder um ihr unglückliches Los noch klarer zu erkennen. Nach dieser Einleitung erzählt Olivia im zweiten Brief ihre Geschichte; durch diesen rhetorischen Schritt macht sie deutlich, daß sie ihr individuelles Schicksal als eine Konsequenz aus der generell beklagenswerten Rolle der Frau in der Gesellschaft verstanden haben will. Als Jungvermählte stellt Olivia überhöhte Ansprüche an die Ehe; 67 obwohl diese ihrer Ansicht nach legitimen Ansprüche nicht erfüllt werden, kann sie sich von ihrem Mann nicht scheiden lassen, ein Zustand, den sie als legal prostitution6* bezeichnet. U m ihrer bedrückenden Lage zu entkommen, reist sie ins Ausland, wo sie Trost im erhabenen Anblick der Schweizer Berge sucht, sich in metaphysische Spekulationen vertieft und deutsche Romane liest und schließlich in ein Liebesabenteuer verstrickt wird. Zusammenfassend kommentiert sie ihren Werdegang wie folgt: With real contrition I confess, that a fatal mixture of masculine independence of spirit, and of female tenderness of heart, has betrayed me into m a n y i m p r u d ences; but of vice, and of that meanest spirit of vice, hypocrisy, I thank H e a v e n , m y conscience can acquit m e . 6 9

Olivia meint es daher wagen zu können, Leonora, mit der sie seit langem freundschaftlich verbunden ist, 7 ° bei der Rückkehr nach England um Asyl in ihrem Hause zu bitten. Die Leserin von Leonora soll nun lernen, die zwei Briefe Olivias richtig, das heißt, gegen ihre revolutionäre Rhetorik, zu lesen. U m dieses Erziehungsziel zu erreichen, bedient sich Edgeworth einer Vielzahl von Lenkungsstrategien, die drei Aspekten des Textes zugeordnet werden können, nämlich der Sprachebene, der Handlungsebene und der Perspektive. Für den sprachlichen Bereich ist zu konstatieren, daß die beiden Briefe Olivias eine Vielzahl von ideologisch belasteten Signalwörtern enthalten; 67

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"In the fond expectation of meeting a heart suited to my own", Edgeworth, Leonora, op. cit., S. 245; diese Ansprüche wird, wie bereits erwähnt, der Roman in gewisser Weise beglaubigen und das eheliche Glück der englischen companionate marriage den französischen Konvenienzehen gegenüberstellen. Vgl. dazu die Briefe 33, 81 und 57 Ibid., S. 245 Ibid., S. 247 Diese Konstellation erinnert natürlich an Edgeworths ersten „Briefroman" in Letters for Literary Ladies-, s. dazu die Einleitung der vorliegenden Arbeit

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hierzu gehört vor allem die in den Briefen aufgebaute Opposition zwischen prejudices oder custom einerseits, reason, genius, sensibility andererseits. Das erste Begriffspaar bezeichnet dabei die aus Olivias Sicht negativ zu bewertende gesellschaftliche Norm; mit reason, genius und sensibility wird die Notwendigkeit einer individuellen Abweichung von dieser Norm begründet. Edgeworths Roman steht in einer langen Reihe von Texten,71 die seit den ersten Jahren der Französischen Revolution und der von ihr ausgelösten weltanschaulichen Kontroversen die gesellschaftsstabilisierende Kraft eines konservativen Welt- und Frauenbildes affirmieren. Sie inszenieren dieses Welt- und Frauenbild als sprachlichmoralischen Konsensus einer moral majority, gegenüber individuellen, und individualistischen, Abweichungen; damit leugnen sie implizit die Existenz eines zweiten ideologischen Lagers, das seinerseits zu einem überindividuellen sprachlich-moralischen Konsensus gelangen könnte. Der sprachlich-moralische Konsensus des konservativen ideologischen Lagers hat, wie wir aus conduct books wissen, in den postrevolutionären Jahren der Kriege zwischen England und Frankreich eine patriotische Dimension. So äußert sich etwa General B-, die Mentorfigur Mr L-s, folgendermaßen zur französischen Scheidungsgesetzgebung, die, wie bereits erwähnt, ein zentrales Thema von de Staels Delphine darstellt: "Do you envy France this blessing? Do you wish that English husbands and wives should have the power of divorcing each other at pleasure for incompatibility of temper?" 72 Edgeworths Text impliziert, daß seine Leserinnen aus der Perspektive eines konservativen sprachlich-moralischen Konsensus an ihn herantreten — eines Konsensus, den der Text erst eigentlich herstellen muß - und seine Signalwörter entsprechend deuten können. Auf der Handlungsebene zeigt der Text sodann, welche Folgen ein Verhalten hat, das, vermeintlich durch reason, sensibility und genius motiviert, die gesellschaftlichen Normen verletzt. Dieses moralisch verwerfliche Verhalten Olivias hat zwar vorübergehend katastrophale Konsequenzen, muß jedoch langfristig angesichts der Stabilität einer guten Ehe wirkungslos bleiben; am Ende des Romans wird Olivia aus dem Kosmos des Romans - und aus England - verbannt. Überdies wird Leonora als Kontrastfigur zu Olivia aufgebaut; das heißt beispielsweise, daß beide Frauenfiguren immer wieder in Situationen gestellt werden, in denen sie sich konträr verhalten: Als Mr L- schwer erkrankt, eilt seine Frau Leonora an sein Krankenbett 71 71

Unter diesen Texten sind, wie wir in 1.1.3.1 gesehen haben, zahlreiche conduct Edgeworth, Leonora, op. cit., S. 286

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books.

und pflegt ihn aufopferungsvoll, während seine Geliebte Olivia sich aus egoistischen Motiven fernhält. Olivia ist ihrer Familie entfremdet, Leonoras familiäre Bindungen sind eng. Leonora widersteht den Verlockungen eines außerehelichen Verhältnisses und beharrt auf ehelicher Treue, Olivia verletzt ihr eigenes Ehegelübde und bricht bedenkenlos in andere eheliche Gemeinschaften ein. Damit wird durch das Zusammenspiel der sprachlichen und strukturellen Lenkungsstrategien Olivia entweder als eine Heuchlerin entlarvt, die progressive Rhetorik gezielt dazu einsetzt, andere Figuren zu täuschen; oder sie glaubt selbst an das, was sie predigt, in welchem Falle die progressive Ideologie, die sie vertritt, einen selbstbezogenen und destruktiven Kern enthält.73 Wenn die ideale Leserin des Romans von einem hypothetischen Standpunkt des konservativen sprachlich-moralischen Konsensus also nicht nur Signalwörter erkennen, sondern auch die Kluft zwischen Sprache und Handlung ausloten kann, wird sie auch bemerken, daß die Perspektiven der einzelnen Romanfiguren beschränkt sind. Die erste Leserin der Briefe Olivias ist, wie bereits erwähnt, Leonora, die diese Briefe wiederum an ihre eigene Mutter weiterleitet. In den nächsten sechs Briefen versuchen diese beiden Frauen nun gemeinsam, Olivias Briefe zu interpretieren. Beide Leserinnen erweisen sich als fehlbar: Leonora ist, wie der Fortgang der Handlung zeigen wird, zu weich, der sentimentalen Rhetorik Olivias gegenüber zu anfällig. Ihre Mutter vertritt in ihrer Sprachkritik den Standpunkt des konservativen sprachlich-moralischen Konsensus; so weist sie beispielsweise im sechsten Brief darauf hin, daß Olivia diejenigen verachte, die sich rollenkonform benehmen, und daß sich diese Verachtung in einer Umwertung verschiedener Begriffe niederschlagen; in diesem pervertierten Sprachgebrauch werde etwa regard to the rights of others zu prejudice74 Leonoras Mutter divergiert aber insofern selbst von dieser Norm, als sie Leonora empfiehlt, ihre tiefe Liebe zu ihrem Mann vor diesem zu verbergen; dadurch, daß sie Leonora zu Verstellung rät, löst sie die folgenden Katastrophen erst eigentlich aus. Ahnlich ergeht es der Mentorfigur Mr L-s, dem General; auch er liest und interpretiert Briefe, die ihm zugeschickt werden, und auch seine Interpretationen sind nicht immer in sich stimmig. Insgesamt können Mentorfiguren zwar den richtigen Weg zeigen, doch muß letztlich jede einzelne Figur durch eigenständiges Abwägen aller relevanten Faktoren zu einer Entscheidung gelangen. Über diese Informationen verfügt jedoch 73 74

S. dazu unten, Kap. 2.5.1 Edgeworth, Leonora, op. cit., S. 256; weitere Umwertungen: prudence tude zu insensibility

zu coldness,

forti-

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allein die Leserin; sie nimmt dabei, in Komplizität mit der Autorin, eine Rolle ein, die mit der der auktorialen Erzählerfigur in Belinda vergleichbar ist. Um nun aber Mr L - , der ja die Entscheidung zwischen Leonora und Olivia treffen muß, in die Position zu versetzen, in der sich die Leserin ohnehin befindet, ist eine Handlungskonstruktion erforderlich, durch die er die Korrespondenzen zwischen Leonora und ihrer Mutter sowie zwischen Olivia und deren Vertrauter erhält. Diese Handlungskonstruktion, in deren Verlauf ein Beamter des britischen Marineministeriums als eine Art deus ex machina intervenieren muß, - das Paket mit dem Briefwechsel von Olivia und Madame de P. ist im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich aufgetaucht - , 7 5 verleiht dem Ende von Leonora jedoch einen höchst artifiziellen Charakter. Durch diesen artifiziellen Charakter verweist das Romanende aber wieder auf den Anfang des Romans, auf die ersten beiden Briefe Olivias, zurück; neben der A f firmation des konservativen sprachlich-moralischen Konsensus durch die Verbannung Olivias bleibt der Eindruck der extremen Gefährdung der Romanwelt durch ihre transgressive Energie bestehen. Dieser Eindruck der Bedrohung wird noch dadurch verstärkt, daß Edgeworth nicht darauf verzichten zu können meint, in Olivias letzten Briefen an Madame de P. den von vornherein in der Figur der „anderen Frau" angelegten Schritt von glaubwürdiger Charakterschilderung zur Karikatur zu vollziehen. In letzter Konsequenz bedeutet dies auch, daß die didaktische Effizienz des Romans auf den Prozeß des richtigen Lesens beschränkt bleiben muß; offenbar ist es ja nicht möglich, moralisch deviante Figuren wie Olivia nach ihren Taten zu beurteilen. Mary Brunton, Discipline (1814) Discipline ist nach Self-Control ( 1 8 1 1 ) der zweite und letzte Roman der schottischen Autorin Mary Brunton. 76 Die ersten beiden Abschnitte von 75

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Was im übrigen auch als ein erneuter Hinweis auf die nationale Dimension der von Olivia ausgehenden moralischen Gefährdung gedacht sein mag Discipline wird im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1986 (introd. Fay Weldon, London, 1986; Pandora Mothers of the Novel Series). Der Roman wird in den Arbeiten von Green (Kap. 12) und Spender, Mothers (Kap. 19), jeweils op. cit., kurz diskutiert; s. ferner Jones, Ann H., Ideas and Innovations: Best Sellers of Jane Austen's Age (New York, 1986), Kap. 2; McKarrow, Mary, "Joanna Baillie and Mary Brunton: Women of the Manse", in: Spender (ed.), British Women Writers, op. cit., S. 160-74; Smith, Sarah, "Men, Women, and Money: The Case of Mary Brunton", in: Schofield/Macheski, op. cit., S. 4 0 56. Für Spender ist Brunton eines der tragischen Opfer der Kanonbildung (ibid., S. 337^); daß sie bei ihren Zeitgenossinnen und Zeitgenossen bekannt und beliebt war, wird auch

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Discipline weisen den Text als eine fiktionale Autobiographie aus, deren Intention von der Autobiographin als eine doppelte bezeichnet wird: "It is no unworthy feeling which leads such as are indebted beyond return, to tell of the benefits they have received; or which prompts one who has escaped from eminent peril, to warn others of the danger of their way."77 Diese Aussage enthält zwei Hinweise darauf, wie der nun folgende Text gelesen werden soll: Zum einen wird mit den Begriff benefits bereits indirekt eine religiöse Dimension eröffnet, die dem Lebensweg der Autobiographin seine überindividuelle Bedeutung verleihen soll; im weiteren Verlauf des ersten Kapitels tritt diese religiöse Dimension durch die Einführung des Begriffs vital piety noch deutlicher zutage, "that piety which consists in surrender of self-will, of selfrighteousness, of self in every form, to the Divine justice, holiness, and sovereignty".78 Die Leserin kann damit den Text der Kategorie (fiktionale) „religiöse Autobiographie" zuordnen. Zum zweiten versucht die Autobiographin dadurch, daß sie ihren Lebensweg als ein warnendes Beispiel vorführt, den Gefahren identifikatorischen Lesens zu begegnen und eine gewisse Distanz zu ihren Leserinnen aufzubauen. Die Tendenz dieser Lenkungsstrategie wird insofern verstärkt, als die Autobiographin in diesen ersten Abschnitten gleich die Kardinalfehler benennt, die sie deswegen auf ihrem Lebensweg überwinden muß, weil sie vital piety im Wege stehen, nämlich pride und vanity, die eben zitierte Erläuterung ihrer Schreibintention dient ihr auch dazu, den Vorwurf zu entkräften, daß autobiographisches Schreiben an sich von pride und vanity zeuge. In den folgenden Kapiteln beschäftigt sich die Autobiographin, Ellen Percy, mit der Frage, ob ihre Charakterfehler, die, wie ihre intellektuellen Fähigkeiten, im übrigen als „unweiblich" markiert werden,79 angeboren oder auf ihre Erziehung zurückzuführen seien. Sie will zwar die erste Möglichkeit nicht ausschließen, gibt aber denjenigen Leserinnen, die der n»ri«re-Komponente eine größere Bedeutung einräumen, die Gelegenheit, pride und vanity aus verschiedenen frühkindlichen Begebenheiten und aus elterlichen Erziehungsfehlern abzuleiten.

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durch die Aufnahme von Discipline in die Lektüreliste der Edinburgher Chapone/Gregory/Pennington-Ausgabe von 1821 dokumentiert. Brunton, Discipline, op. cit., S. 1 f. Ibid., S. 6 "It is a confounded pity she is a girl. If she had been of the right sort, she might have got into Parliament, and made a figure with the best of them. But now what use is her sense of?" (Ellens Vater, ibid., S. 4)

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Ellens äußerer Lebensweg kann als ein Prozeß der sukzessiven Erniedrigung interpretiert werden. Seine erste Phase endet mit dem wirtschaftlichen Ruin und Selbstmord ihres Vaters; Ellen, die als einzige Tochter einer reichen Familie aufgewachsen ist, wird nun völlig mittellos aus ihrem Haus vertrieben und muß bei einer Freundin, Miss Mortimer, Zuflucht suchen. Die Armut der beiden Frauen ist groß und wird nur durch die Almosen eines väterlichen Freundes, Mr. Maitland, etwas gelindert. Als Miss Mortimer stirbt, wird Ellen erneut vertrieben; die folgenden Abschnitte ihres Lebenswegs sind von den Schwierigkeiten einer alleinstehenden bürgerlichen Frau, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, überschattet. Schließlich wird Ellen Gouvernante in einer Familie; als sie im Dienste dieser Familie schwer erkrankt, wird sie - ein auffällig „gotisches" Handlungselement - von ihrer eifersüchtigen Dienstherrin in ein Irrenhaus eingewiesen. Nach ihrer Entlassung aus dieser Anstalt befindet sie sich erneut in einer verzweifelten finanziellen Situation, teilt aber das Wenige, das sie durch Handarbeiten verdienen kann, mit einer Jugendfreundin, die sie wiedergetroffen hat. Als diese ebenfalls stirbt, ist Ellen am Tiefpunkt ihrer Existenz angelangt. Ellens bisheriger Weg hatte sie, als räumliche Metapher für ihre soziale Marginalisierung, immer weiter von der Metropole London, in der sie aufgewachsen war, entfernt, zuerst in die Vororte, dann nach Edinburgh. Nun wird sie von einer neuen Bekannten ins schottische Hochland eingeladen; dort heiratet sie den Bruder ihrer neuen Freundin, Henry Graham, und wird in eine Großfamilie und in ein intaktes Netz feudaler Beziehungen integriert, die an ihre weiblichen Mitglieder hohe soziale und administrative Anforderungen stellen. 80 In ihrem neuen Clan findet Ellen schließlich auch ihre wichtigste Rolle als Schwiegertochter des alten Clanchefs, Ehefrau seines Sohnes und Mutter seines Enkels (des zukünftigen Clanchefs). Ellens Bekehrungserlebnis, das wichtigste Ereignis ihres inneren Lebensweges, wird, wie in der nichtfiktionalen religiösen Autobiographie, durch die Lektüre einer Bibelstelle hervorgerufen. Diese Bibelstelle eröffnet ihr zunächst einen Blick auf ihr wahres, sündhaftes Selbst und auf ihre Charakterfehler; sie muß nun im folgenden lernen, ihren Stolz und ihre Eitelkeit zu überwinden und zu wahrer Demut zu gelangen. Auf den ersten Blick korrespondieren so äußerer und innerer Lebensweg: Erst wenn sich Ellen in einer vermeintlich aussichtslosen Situation befindet, 80

"Schoolmistresses, chamber-council, physicians, apothecaries, and listeners-general", ibid., S. 371

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wenn ihr Stolz gebrochen ist, kann sie sich ganz Gott anvertrauen. Dann nimmt auch ihr äußeres Leben eine Wendung zum Besseren. Brunton versucht also, die Probleme des ich-perspektivisch erzählenden weiblichen Erziehungsromans dadurch zu umgehen, daß sie über das säkularisierte autobiographische Schreiben empfindsamer Autorinnen und Autoren hinweg auf deren Vorbilder in der religiösen Autobiographie rekurriert. Die Erzählperspektive der religiösen Autobiographie ist die eines bekehrten Menschen, der auf sein unregeneriertes Selbst zurückblickt. Traditionell werden das Individuum vor seiner Bekehrung und das bekehrte Individuum natürlich als zwei Entwicklungsphasen, oder zwei Aspekte, einer persona verstanden; trotzdem ist es sinnvoll, auch bei der Analyse einer Autobiographie zwischen Erzählerfigur und Protagonist oder Protagonistin zu unterscheiden. Damit kann der zeitliche Abstand zwischen verschiedenen Entwicklungsphasen, der zugleich eine moralische Distanz ausmißt, auch als eine Strategie der erzählperspektivischen Distanzierung beschrieben werden. D i e Autobiographin-als-Erzählerin wertet das Verhalten der Autobiographin-als-Protagonistin und verweist an verschiedenen Stellen, oft in expliziter Wendung an die Leserin, auf die Konsequenzen hin, die dieses Verhalten unweigerlich haben muß: B u t what am I doing? Is the world peopled with Miss Mortimers, that I should expect its forbearance for such a character as mine? - N o ; but I will endure the shame which I have merited. Detest me, reader. I was worthy of y o u r detestation! T h r o w aside, if you will, m y story in disgust. Yet remember, that indignation against vice is not itself virtue. Your abhorrence of pride and ingratitude is no farther genuine, than, as it operates against your o w n pride, y o u r o w n ingratitude. 8 1

Damit wird die autobiographische Erzählerfigur wie die Erzählerfigur des auktorialen weiblichen Erziehungsromans von Anfang an zu einer Repräsentantin der sprachlichen und moralischen N o r m des Textes, einer N o r m , der sich die Protagonistin erst nach ihrem Bekehrungserlebnis anschließen kann. In ihrer didaktischen Aufgabe den Leserinnen gegenüber wird die autobiographische Erzählerfigur von den handlungstragenden Mentorfiguren unterstützt, vor allem von Miss Mortimer und Mr. Maitland; diese beiden Figuren erhalten im Text auch die Gelegenheit, sich ausführlich brieflich, das heißt, scheinbar nicht durch die Autobiographin vermittelt, zu äußern.

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Ibid., S. 50; wertende Kommentare dieser A r t finden sich vor allem in den letzten A b schnitten der einzelnen Kapitel.

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Trotzdem lädt Bruntons Text auch dazu ein, sich den Lenkungsstrategien der Autobiographin-als-Erzählerin zu entziehen. Entgegen den Erzählerkommentaren liegt es nahe, den Stolz der Protagonistin als eine verständliche Reaktion sowohl auf ihre Lebenslage als auch auf die Tapferkeit, mit der sie diese Lebenslage meistert, zu interpretieren. Demgegenüber erscheint die rhetorische Selbsterniedrigung der autobiographischen Erzählerfigur als eine unangemessene Antwort auf reale soziale Mißstände, die es etwa einer Frau unmöglich machen, sich im städtischen Raum frei zu bewegen oder ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten; bezeichnenderweise bedient sich Brunton zur Darstellung dieser MißStände „gotischer" Handlungsmuster. Der dadurch erweckte Eindruck der Disproportionalität zwischen Ellens Verfehlungen und deren Bestrafung wird dadurch verstärkt, daß an zentralen Stellen des Textes die Distanz zwischen der Autobiographin-als-Kommentatorin und der Autobiographin-als-Protagonistin, die eben als charakteristisch für die religiöse Autobiographie eingeführt worden ist, aufgehoben scheint. So wird beispielsweise in Kapitel 20 geschildert, wie sich die Protagonistin in Edinburgh an eine Mrs. St. Clare mit der Bitte um Hilfe bei der Arbeitssuche wendet; deren Reaktion auf diese Bitte wird mehrfach mit cool insolence oder insolent freedom bewertet. Auf eine besonders arrogante Bemerkung hin verläßt Ellen überstürzt das Haus der St. Clares: For more than a year I had maintained a daily struggle with my pride; and I fancied I had, in no small degree, prevailed. Alas! occasion only was wanting to show me the strength of my enemy. To be thus coarsely offered an alms by a common stranger, roused at once the sleeping serpent. A sense of my destitute state, dependent upon compassion, defenceless from insult; a remembrance of my better fortune; pride, shame, indignation, and a struggle to suppress them all, entirely overcame me.82

Obwohl hier also die Kommentatorin das Fehlverhalten der Protagonistin beklagt, werden deren Wertungen in bezug auf Mrs. St. Clare nicht zurückgenommen, sondern sogar bekräftigt (etwa durch das Adverb coarsely). Die Reaktionen der „unregenerierten" Protagonistin bleiben auf die gleiche Weise ein Element des Textes wie die Reden Lady Delacours in Belinda oder die Briefe Olivias in Leonora.8i Insgesamt ist es daher folgerichtig, daß Ellen am Ende des Romans nur in einer Weltgegend ihre Zuflucht und ihre neue Heimat finden kann, 82 83

Ibid., S. 241 S. zum Beispiel den Anfang von Kapitel 5, ibid., S. 4 1 , "Marriage is like sin; if w e often allow it to be presented to our view, w e learn to look without starting".

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die von ihrem bisherigen Lebenskreis mit seiner Urbanen Nuklearisierung familiärer Bindungen völlig verschieden ist. Die Konstruktion des schottischen Hochlands als einer Gegenwelt mit vorbürgerlicher Sozialstruktur wird durch die doppelte Identität von Ellens Ehemann Henry Graham unterstrichen. Ihn lernt Ellen zunächst durch die Erzählungen seiner Schwester kennen;84 durch verschiedene tradierte Prophezeiungen des Clans erscheint er ihr als Ehemann vorbestimmt. Als Graham am Ende des vorletzten Romankapitels endlich nach langer Abwesenheit in seine Heimat zurückkehrt, erweist er sich als Ellens alter Bekannter, Mr. Maitland. Er, der in der Rolle der väterlichen Mentorfigur trotz seiner aufgeklärt-bürgerlichen Tugenden8' als Ehemann untauglich war, - "I should as soon have dreamt of marrying my father" - , 8 6 wird nun als feudalpatriarchalischer Clanchef zu Ellens idealem Partner. Damit erfüllt das schottische Hochland in Bruntons Text eine ähnliche Funktion wie in Scotts nahezu gleichzeitig entstandenem Roman Waverley?7 Während jedoch in Waverley die Hochland-Romantik auf ein Gemälde reduziert wird, mit dem Waverley im letzten Kapitel des Romans sein neues Heim in den Lowlands schmückt, entzieht sich am Ende von Discipline die Hochland-Welt dieser Eingrenzung: I am the mother of three hardy, generous boys, and two pretty, affectionate little girls. But far beyond my own walls extend the charities of kindred. Many a smoke, curling in the morning sun, guides my eye to the abode of true, though humble friends; for every one of this faithful romantic race is united to me by the ties of relationship. I am the mother of their future chieftain. Their interests, their joys, their sorrows, are become my own. Having in my early days seized the enjoyments which selfish pleasure can bestow, I might compare them with those of enlarged affections, of useful employment, of relaxations truly social, of lofty contemplation, of devout thankfulness, of glorious hope. I might compare them! - but the Lowland tongue wants energy for the contrast.8S

Der Vergleich zwischen den verschiedenen Lebensphasen Ellen Percys ist gerade, wie wir gesehen haben, das narrative Grundprinzip von Discipline. Dieses Grundprinzip wird somit durch den Unsagbarkeitstopos 84

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Es kann in diesem Zusammenhang nur kurz darauf verwiesen werden, daß Ellens Entwicklung natürlich auch als eine Abfolge weiblicher Freundschaften gelesen werden muß. Er ist beispielsweise ein prominenter Abolitionist. Brunton, Discipline, op. cit., S. 131 Für Smiths Behauptung (in Schofield/Macheski, op. cit., S. 53 f.), daß Bruntons Hochland, anders als das Hochland Scotts, nicht "wholly other" sei, gibt es keine Anhaltspunkte im Text. Brunton, Discipline, op. cit., S. 375 (Hervorhebung von mir)

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des letzten Abschnittes negiert: In der englischen Sprache des Textes, die aus der Perspektive der regenerierten Hochländerin als Lowland tongue disqualifiziert wird, können die Unterschiede zwischen den beiden Lebensbereichen gar nicht adäquat beschrieben werden. Da die Erzählperspektive nur einer der vielen in Kapitel 2.1 eingeführten Faktoren ist, aus deren Zusammenspiel sich die moraldidaktische Aussage eines weiblichen Erziehungsromans erst erschließt, führt eine Konzentration auf perspektivische Probleme notwendig zu Vereinfachungen. So wäre es beispielsweise in Hinblick auf das Gesamtthema der vorliegenden Arbeit interessant gewesen, die verschiedenen Aspekte der Erziehung Ellens in Discipline zu beschreiben oder zu zeigen, wie Edgeworth versucht, in Leonora ihre eigene schriftstellerische Tätigkeit, als ein new program of female reading, gegenüber anderen Romanformen abzugrenzen. Insgesamt verstehen sich die Überlegungen zur Erzählperspektive in diesem, zur Erzählstruktur im folgenden Kapitel daher auch als Fundamente einer Textanalyse, auf die in den Kapitel 2.3, 2.4 und 2.5 aufgebaut werden kann. Die Untersuchung der Erzählperspektiven von Belinda, Leonora und Discipline hat gezeigt, daß es einerseits im auktorial erzählenden Roman Figuren gibt, die sich der sprachlich-moralischen Kontrolle der Erzählerfigur entziehen können; dadurch wird die scheinbar so eindeutige moraldidaktische Aussage des Textes destabilisiert. Andererseits verfügen Briefromane und fiktionale Autobiographien zwar über narrative Kontrollmechanismen, mit deren Hilfe eine sprachlich-moralische Norm vermittelt werden kann, doch erweisen sich diese Kontrollmechanismen als ebenso ineffizient wie die Kontrollinstanz auktoriale Erzählerfigur. 2.2.2 Erzählstruktur in Smiths Emmeline, Inchbalds Α Simple Story und Hamiltons Memoirs of Modern Philosophers Während das vorhergehende Kapitel die Divergenz zwischen Protagonistinnen- und Leserinnenerfahrung beschrieben hat, die aus den verschiedenen perspektivischen Möglichkeiten des weiblichen Erziehungsromans resultiert, wendet sich das folgende Kapitel der Frage zu, wie diese Divergenz durch die Struktur der Romane eröffnet wird. Die Schwerpunkte der Untersuchung werden dabei auf der Figurenkonstellation und auf dem Verhältnis zwischen Haupthandlung und Nebenhandlungen liegen.89 8

' Natürlich werden, wie etwa die Analyse der beiden Edgeworth-Romane Belinda und Leonora gezeigt hat, auch perspektivische Techniken dazu eingesetzt, um verschiedene

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Wenn, wie im vorhergehenden Kapitel angedeutet, weder auktoriale noch epistolarische noch autobiographische Erzählperspektiven die Eindeutigkeit der moraldidaktischen Aussage eines weiblichen Erziehungsromans garantieren können, so sind die Erzählstrukturen dieser Texte danach zu befragen, ob sie nun, gegen die Ambiguitäten der Perspektive, als stabilisierende Faktoren wirken oder ob sie ihrerseits zur Ambiguität dieser Texte beitragen.

Charlotte Smith, Emmeline; or, The Orphan of the Castle (1788) Smiths auktorial erzählender Roman Emmeline; or, The Orphan of the Castle90 wird in den wenigen literaturwissenschaftlichen Studien, die sich ausführlicher mit ihm beschäftigen,91 vor allem in seinem Verhältnis zu den Texten anderer Autorinnen seiner Zeit untersucht. Diese Studien zeigen deutliche Parallelen zwischen Burneys Cecilia, or Memoirs of an Heiress (1782) und Smiths Text, der seinerseits durch seine „gotischen" Elemente wie durch seine deskriptiven Passagen einen großen Einfluß auf Radcliffe und auf Burneys Camilla ausübt.92 Emmeline gilt ferner als eine der Zielscheiben von Austens Satire in Northanger Abbey,91 die Titelheldin entsprechend als eine Folie für Austens „Antiheldin" Catherine Morland.94

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Frauenfiguren als Kontrast- oder Vorbildfiguren auf die Titelheldinnen zu beziehen oder Parallelen und Unterschiede zwischen Haupthandlung und Nebenhandlungen aufzuzeigen. Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1971 (ed. Anne Henry Ehrenpreis, Oxford University Press, 1971) Die wichtigsten Arbeiten der Sekundärliteratur sind Bradbrook, Kap. 6, Doody, "Deserts", Ellis, Kap. 5, Figes, Kap. 5, McCarthy, Kap. 4, Spencer, Kap. 3 und 4 (speziell S. 98ff. und S. 132f.), Spender, Mothers, Kap. 13 (speziell S. iiof. und S. 224f.) jeweils op. cit.; sowie Elliot, Pat, "Charlotte Smith's Feminism: A Study of Emmeline and Desmond", in: Spender (ed.), British Women Writers, op. cit., S. 9 1 - 1 1 2 ; Rogers, Katharine M., "Inhibitions on Eighteenth-Century Women Novelists: Elizabeth Inchbald and Charlotte Smith", in: Eighteenth-Century Studies, Vol. 1 1 (1977-8), S. 63-78; Schofield, Mary Anne, "'The Witchery of Fiction': Charlotte Smith, Novelist", in: Spender (ed.), British Women Writers, op. cit., S. 1 7 1 - 8 7 ; Suhr, Heidrun, Englische Romanautorinnen im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Entwicklung des bürgerlichen Romans (Heidelberg, 1983; Anglistische Forschungen, Heft 169), Kap. 10.2. S. dazu Ehrenpreis' Einleitung sowie Figes, op. cit., Kap. 5, und Bradbrook, op. cit., Kap. 6; aus Cedlia liest im übrigen eine männliche Romanfigur, Fitz-Edward, Emmeline und ihrer Freundin Mrs. Stafford vor (Smith, Emmeline, op. cit., S. 190). S. dazu wiederum Bradbrook, ibid., sowie Kapitel 2.4.2 der vorliegenden Arbeit Eine These, die, wie Ehrenpreis zu Recht bemerkt, von Lascelles entwickelt und mit zahlreichen Textbeispielen belegt wird; s. Lascelles, Mary, Jane Austen and her Art (Oxford University Press, 1939), Kap. 2

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In ihrer Einleitung zur im folgenden verwendeten Ausgabe von Emmeline verweist Ehrenpreis auf die zeitgenössischen Auseinandersetzungen um Smiths Roman. Einen Beitrag zur moralisch motivierten Kritik an Emmeline stellt der 1789 anonym erschienene Briefroman The Spectre dar, als dessen Autor der spätere poet laureate Henry James Pye vermutet wird. In The Spectre wird Emmeline auf rund 40 Seiten ausführlich diskutiert; neben der Adelina-Nebenhandlung, auf die noch ausführlicher einzugehen sein wird, - Adelina, eine verheiratete Frau, erwartet ein Kind von ihrem Liebhaber steht die Titelheldin selbst im Mittelpunkt der Kritik, weil sie sich, während sie noch mit dem „falschen" Freier, Delamere, verlobt ist, in einen anderen Mann, Godolphin, verliebt und schließlich ihre Verlobung löst. Auch Wollstonecraft beschäftigt sich in einer frühen Rezension für The Analytical Review95 mit Emmeline·, sie beanstandet ebenfalls die Adelina-Episoden, allerdings weniger wegen ihrer vermeintlichen Unmoral, sondern wegen der Theatralik von Adelinas Reuegesten, die die Aufmerksamkeit der Leserin von der vorbildhaften stillen Resignation einer anderen Frauenfigur, Mrs. Stafford, ablenke. Darüber hinaus beklagt Wollstonecraft, daß durch die realitätsferne, ja absurde Handlung in jungen Leserinnen Erwartungen auf allerlei Abenteuer geweckt würden, die das wahre Leben unweigerlich enttäuschen müsse.96 Smiths Emmeline muß als eine extreme Ausprägung eines bestimmten Typs des weiblichen Erziehungsromans bezeichnet werden, des Typs nämlich, in dem die Heldin ihre früh erworbenen Charaktereigenschaften in zahlreichen prekären Situationen beweisen muß. Emmelines Erziehung, die im ersten Romankapitel dargestellt wird, ist entsprechend eine geradezu groteske Uberzeichnung der autodidaktischen Anstrengungen, zu der auch andere Protagonistinnen des weiblichen Erziehungsromans, in Ermangelung formaler Bildungsmöglichkeiten und geeigneter Mentorfiguren, fähig sein müssen. Gleichzeitig wird dieser autodidaktische Impetus, neben Empfindsamkeit, Aufgeschlossenheit für die Schönheiten der Natur, Güte oder Würde, zu einem Kriterium der Befähigung zur Heldin. In einer Metapher der weiblichen Aneignung männlicher Bildungstraditionen stellt Emmeline sich aus der durch verschiedene Umwelteinflüsse teilweise zerstörten und von ihren jetzigen Besitzern vernachlässig" Juli 1788; in: Todd/Butler (eds.), op. cit., Vol. 7, On Poetry. Contributions to the Analytical Review, iySS-ijyj (London, 1989), S. 22 96 S. dazu Myers, Mitzi, "Sensibility and the Walk of Reason: Mary Wollstonecrafts Literary Reviews as Cultural Critique", in: Conger (ed.), op. cit., S. 1 2 0 - 4 4

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ten Bibliothek ihres verstorbenen Vaters ihr eigenes Erziehungsprogramm zusammen. Die ältere Abteilung enthält nichts Brauchbares, doch im nächsten Regal haben Spenser und Milton, einige Bände von The Spectator, eine Shakespeare-Ausgabe und ein oder zwei Bände einer PopeAnthologie die Zeit überdauert: Emmeline, however, by her unwearied researches, nearly completed several sets of books, in which instruction and amusement were happily blended. F r o m them she acquired a taste for poetry, and the more ornamental parts of literature; as well as the grounds of that elegant and useful knowledge, which, if it rendered not her life happier, enabled her to support, with the dignity of conscious worth, those undeserved evils with which many of her years were embittered. 9 7

Das, was Emmeline später hinzulernt, etwa durch ihre Freundschaft mit Mrs. Stafford, dient lediglich der Vertiefung ihrer Kenntnisse, verändert aber nicht die tugendhafte Grundstruktur ihres Charakters. Ihre erwiesene Tugendhaftigkeit ist es auch, die sie, da der Reinen bekanntlich alles rein ist, später zu relativ unkonventionellem Verhalten befähigt, also zur bereits erwähnten Lösung ihrer Verlobung, aber auch zur Hilfe für ihre „gefallene" Freundin Adelina.98 Allerdings manifestiert sich Emmelines Tugendhaftigkeit, für die sie mit einer glücklichen Heirat und mit der Restitution des väterlichen Vermögens belohnt wird, vorwiegend in der angemessenen Reaktion auf die Entscheidungen anderer. Nicht nur die autodidaktischen Anstrengungen der Titelheldin erscheinen in Smiths Roman überzeichnet, auch Emmelines Erlebnisse nach ihrem „Eintritt in die Welt" stellen eine Übersteigerung dessen dar, was einer Protagonistin im weiblichen Erziehungsroman in der Regel widerfährt;99 in diesen Uberzeichnungen und Ubersteigerungen, auf die sich natürlich die bereits erwähnte Wollstonecraft-Kritik bezieht, 100 besteht gerade das „gotische" Element des Textes. Das zentrale Motiv der grundsätzlichen weiblichen Machtlosigkeit wird in Emmeline durch zahlreiche weibliche Nebenfiguren variiert, die 97

Smith, Emmeline, op. cit., S. 4 Dieser Zusammenhang zwischen erwiesener Tugendhaftigkeit und Unkonventionalität wird in der Sekundärliteratur vor allem von Ellis, op. cit., S. 81 ff., hergestellt. Rogers, "Inhibitions" (op. cit., S. 65) berücksichtigt den Aspekt der Unkonventionalität zu wenig und sieht nur "the requirement to keep beyond moral approach". " S. dazu Figes, op. cit., S. 68; sie bezeichnet Emmeline als eine Heldin "who stood alone, orphaned, possibly illegitimate, out-side the privileged protection of society. It was a way of highlighting the essential vulnerability of all women." Wollstonecrafts etwa gleichzeitig entstandener erster Roman Mary. A Fiction und ihr postum veröffentlichtes Romanfragment The Wrongs of Woman; or, Maria (s. unten, Kapitel 2.5.2) erfüllen ihren eigenen Realismusanspruch jedoch ebenfalls nur sehr bedingt. 98

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jeweils als Kontrastfiguren auf die Titelheldin bezogen sind. Zunächst sind alle Verwicklungen der Handlung darauf zurückzuführen, daß, in der Vorgeschichte des Romans, Emmelines Großmutter und Mutter Unrecht getan worden ist. Obwohl Emmelines Großmutter mit einer späteren Heirat ihres Mündels mit ihrem Sohn einverstanden gewesen wäre, entführt dieser die junge Frau nach Frankreich und heiratet sie dort erst nach langem Zögern und auf ihre dringenden Bitten hin; die Heirat wird von den Verwandten nicht anerkannt, daher Emmelines ursprünglich ungeklärte soziale Position. Mrs. Stafford, Emmelines mütterliche Freundin, wird jung mit einem Mann verheiratet, der ihr gesamtes Vermögen durchbringt; nur durch ihren Geschäftssinn gelingt es ihr, ihre Familie vor dem Schlimmsten zu bewahren. 101 Die bereits mehrfach erwähnte Adelina geht im Alter von nur 16 Jahren eine Ehe ein, um aus dem väterlichen Haus entkommen zu können; nach dem Tode ihrer Mutter hatte der Vater sich wiederverheiratet, um seine Söhne angemessen versorgen zu können. Adelinas Ehe ist unglücklich, und ihr Ehemann, Trelawny, bringt sie, wie Mr. Stafford seine Familie, an den Rand des wirtschaftlichen Ruins; er ist indirekt für ihre Freundschaft mit Fitz-Edward, die zu ihrem späteren Fehltritt führt, verantwortlich. Andere Frauen werden aus Klöstern entführt oder durch lettres de cachet in Klöster verbannt. Die verschiedenen schweren Schicksalsschläge, die der Roman Emmeline für seine weiblichen Figuren bereithält, treffen positive und negative Frauengestalten gleichermaßen. Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zwischen Smiths Roman und den conduct books, die, wie wir in Kapitel 1.1.3 gesehen haben, das schlimme Ende lasterhafter Frauen mit dem guten tugendhafter Frauen kontrastieren. Die einzige Frau in Emmeline, die eine glückliche Ehe führt, Augusta Montreville, verdankt dies ihrem Mann, Lord Westhaven. Lord Westhaven und sein Bruder Godolphin, der spätere Ehemann Emmelines, unterscheiden sich von den negativen Männerfiguren des Textes dadurch, daß sie eine positive Einstellung zu Frauenfreundschaften besitzen und daß sie für weiblichen Rat prädisponiert sind; fehlt diese Prädisposition, so sind alle weiblichen Versuche, die männlichen Figuren zu vernünftigem Handeln zu bewegen, vergebens. Grundsätzlich wissen die positiven Männerfiguren auch die geistigen Fähigkeiten einer Frau zu schätzen. Während etwa Emmelines „falsche" Freier ihre Schönheit 101

In den Stafford-Episoden verarbeitet Smith bekanntermaßen die Geschichte ihrer eigenen unglücklichen Ehe.

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bewundern (Delamere, Bellozane, Elkerton) oder sie als Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen sehen (Delamere, Rockely), ist Godolphin Emmelines körperlichen Vorzügen gegenüber zwar nicht unempfindlich, doch lernt er diese erst kennen, nachdem er erfahren hat, was Emmeline für seine Schwester (Adelina) getan hat; als charakteristische Eigenschaften Emmelines gelten ihm "native dignity of soul, an enlarged and generous heart, a comprehensive and cultivated understanding, a temper at once soft and lively, with morals the most pure, and manners simple, undesigning and ingenuous".102 Die verschiedenen Nebenhandlungen, in denen die eben genannten Figuren agieren, brauchen nicht im Detail nachvollzogen werden. Es sei lediglich darauf verwiesen, daß sie untereinander und mit der Haupthandlung durch zahlreiche Parallelisierungen und Kontrastierungen aufs engste verknüpft sind. Der gemeinsame Nenner der Nebenhandlungen ist, daß sie das courtship-Muster der Haupthandlung um das wedlockMuster ergänzen.103 Vor diesem Geflecht der Nebenhandlungen erhält nun jedoch das Ergebnis der Haupthandlung, die glückliche Heirat Emmelines als Belohnung für eine bestandene Tugendprobe, einen zufälligen, ja beliebigen Charakter. Weibliche Tugendhaftigkeit kann weibliches Lebensglück offenbar nicht garantieren, sondern ist auf männliche Tugendhaftigkeit angewiesen; dies impliziert auch, daß das moraldidaktische Projekt des weiblichen Erziehungsromans so lange zum Scheitern verurteilt sein muß, wie er sich auf ein ausschließlich oder vorwiegend weibliches Publikum beschränkt. Das im Roman propagierte Tugendideal ist dabei, im Sinne einer Geschlechterrollenverteilung, die der Frau Empfindsamkeit und Gefühl, dem Mann vernunftgeleitetes Handeln zuschreibt, ein androgynes oder gynandrisches, das Männer zu Empfindsamkeit und Zärtlichkeit, Frauen zu Vernunft und Selbstbeherrschung anleiten will. Von diesem Ideal, als dessen Trägerinnen und Träger Emmeline, Mrs. Stafford, Augusta, Lord Westhaven und Godolphin fungieren, weichen, in einer neuen Konfiguration von Kontrastfiguren, Adelina und Delamere ab. Beide sind äußerst unbeherrscht und neigen dazu, nicht nur die Kontrolle über ihre Gefühle zu verlieren, sondern sogar in den Wahnsinn abzuglei-

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Smith, Emmeline, op. cit., S. 311 S. dazu Boone, op. cit., Kap. 3, Teil 5, und Spender, Mothers, op. cit., S. 221 f. und S. 22 j f.; Spender erörtert die inhaltliche Verlagerung auf die Eheproblematik allerdings im Zusammenhang von Smiths 1792 erschienenem Roman Desmond.

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ten; sie unterscheiden sich lediglich in den Manifestationen dieser mangelnden Gefühlskontrolle. 104 Das Romanende von Emmeline suggeriert jedoch, daß selbst im Idealfall des Zusammentreffens männlicher und weiblicher Tugend das Wohlergehen der Frau noch durch verschiedene Sicherheitsmechanismen geschützt werden muß, die offenbar wegen des spezifischen Charakters der Institution Ehe notwendig werden. Im Unterschied zu den üblichen Ehepraktiken des 18. Jahrhunderts, exemplifiziert in den Ehen von Mrs. Stafford und Adelina, kann Emmeline, die im übrigen ungleich wohlhabender ist als ihr Mann, ihren Besitz behalten; die junge Familie wird abwechselnd in dem Haus ihres Mannes und in Emmelines Schloß residieren. Schließlich verweist der letzte Satz des Romans, während er scheinbar Emmelines Eheglück affirmiert, über dieses Eheglück gerade hinaus: "[Providence] had bestowed on her the means and the inclination to deserve, by virtue and beneficence, that haven, where only she can enjoy more perfect and lasting felicity." 105 Elizabeth Inchbald, A Simple Story (1791) Inchbalds Roman A Simple Story106 besteht aus zwei Teilen, den ersten beiden Büchern mit der Protagonistin Miss Milner und den Büchern drei und vier mit Miss Milners Tochter Matilda als weiblicher Hauptfigur; zwischen den Handlungen der beiden Teile liegt ein Zeitraum von 17 Jahren. Dies stellt die Autorin vor die Probleme des Übergangs und der Kohärenz zwischen den beiden Romanteilen. Um die Brücke zwischen den beiden Teilen zu schlagen, fungiert als die auktoriale Erzählerfigur im ersten Kapitel des dritten Buches daher Time\ analog zu dieser Figur aus Shakespeares Drama The Winter's Tale, die eine ähnlich große Zeitspanne (16 Jahre) überbrücken muß, reflektiert Inchbalds Erzählerfigur 104

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Adelina leidet und halluziniert, wobei sich ihre Halluzinationen sämtlich auf männliche Gewalt beziehen, die entweder ihr selbst angetan wird oder die Männer einander antun, Delamere lebt seine Obsessionen aktiv - und aggressiv - aus. Beide neigen im übrigen zu identifikatorischem Lesen. Smith, Emmeline, op. cit., S. $27 Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1987 (introd. Jeanette Winterson, London, 1987; Pandora Mothers of the Novel Series); die wichtigsten Studien zu A Simple Story sind Backsheider, Bradbrook, Kap. 6, Castle, Masquerade, Kap. 7, V. Colby, Kap. 3, Johnson, Kap. ι, Kelly, Jacobin Novel, Kap. 2, Paulson, Kap. 7, Rogers, "Inhibitions" und "Elizabeth Inchbald: Not Such a Simple Story", in: Spender (ed.), British Women Writers, S. 82-90, Spencer, Kap. 5 (speziell S. 1 5 8 - 6 1 ) , Spender, Mothers, Kap. 12, und Suhr, Kap. 10.ι, jeweils op. cit.; sowie Spacks, Patricia Meyer, Desire and Truth. Functions of Plot in Eighteenth-Century Novels (University of Chicago Press, 1990), Kap. 7

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erst allgemein über die Vergänglichkeit alles menschlichen Tuns und setzt dann das Publikum davon in Kenntnis, was den Figuren des ersten Teils inzwischen widerfahren 1st. 107 In dieser kurzen Rückblende, die das Geschehen des ersten Teils kommentiert und bewertet, zeigt sich, daß sich die böse Vorahnung, die den ersten Teil beschlossen hat, bewahrheitet hat; auch durch dieses Muster von Prophezeiung/Erfüllung werden die beiden Romanteile miteinander verknüpft. Außerdem verweist die auktoriale Erzählerfigur selbstreflexiv auf Parallelen in der Handlungsstruktur der beiden Teile: We left [Miss Milner] in the last volume at the summit of human happiness; a loving and beloved bride. - We begin this volume, and find her upon her death bed. [...] A t the commencement of this story, her father is described in the last moments of his life, w i t h all his cares fixed u p o n her, his only child -

how

vain these cares! h o w vain every precaution that was taken f o r her w e l f a r e ! 1 0 8

Der Roman beginnt also mit dem Tod von Mr. Milner, der seine Tochter dem katholischen Priester Dorriforth anvertraut. Miss Milner verliebt sich in ihren Vormund, und als dieser aus familiendynastischen Gründen von seinem Keuschheitsgelübde entbunden wird, heiraten die beiden, gegen den Rat von Dorriforths Vormund, dem Jesuiten Sandford. Wie die Leserin aus der Rückblende erfährt, scheitert die Ehe zwischen ihnen (nun Lord und Lady Elmwood), und Lady Elmwood wird mit ihrer Tochter verstoßen. Zu Beginn des zweiten Teils stirbt sie und vertraut ihre Tochter deren Vater, Lord Elmwood, an. In beiden Romanteilen müssen die Protagonistinnen versuchen, die Zuneigung von Dorriforth/Elmwood zu gewinnen; dabei ist natürlich zu hoffen, daß Dorriforth, der offenbar in seiner ersten Vormundschaft gescheitert ist, - "how vain every precaution that was taken for her welfare!" im zweiten Fall, als Lord Elmwood, erfolgreicher sein wird, vielleicht gerade deswegen, weil er in seiner Beziehung zu Matilda die Grenze zwischen Vaterfigur und Liebhaber nicht überschreiten darf. Die Erfolgsaussichten scheinen allerdings nicht günstig: "Dorriforth, the pious, the good, the tender Dorriforth, is become a hard-hearted tyrant.

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Diese Analogie zwischen The Winter's Tale und A Simple Story ist natürlich keine zufällige und soll vielleicht auch durch den Romantitel signalisiert werden; Inchbalds genaue Kenntnis der englischen und der kontinentalen Dramenliteratur schlägt sich in ihren Theaterkritiken und in ihrer eigenen, überaus erfolgreichen dramatischen Praxis nieder. S. dazu auch Kelly, Jacobin Novel, op. cit., S. 88 f. Inchbald, Simple Story, op. cit., S. 170

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The compassionate, the feeling, the just Lord Elmwood, an example of implacable rigour and injustice."109 Neben der strukturellen Parallele, die die jeweiligen Beziehungen zwischen Dorriforth und den zwei Protagonistinnen ins Zentrum der beiden Romanteile stellt, gibt es noch andere strukturelle Analogien zwischen den ersten beiden Büchern einerseits, den letzten beiden andererseits. Auch diese strukturellen Analogien haben, wie die eben geschilderte, neben der parallelisierenden eine antithetische Dimension. So werden etwa, wie Castle ausführlich nachweist,110 jeweils verbotene Räume konstruiert, in die die beiden Protagonistinnen nicht eindringen sollen; in beiden Fällen hat die Verletzung dieses Tabus nicht die befürchteten Konsequenzen, sondern führt zu einer ekstatischen (Wieder-)Annäherung zwischen Dorriforth und der Protagonistin. Die erste Tabuzone liegt jedoch außerhalb des Dorriforthschen Hauses, auf einem Maskenball; im zweiten Teil wird die Tabuzone im Hause selbst angesiedelt, in dem Flügel des Hauses nämlich, der für Lord Elmwood reserviert ist. Ahnliches gilt für die Verwendung gängiger Romanmotive wie etwa des Briefmotivs, des Reisemotivs, der Entführung, der falschen Freier. So reist etwa Miss Milner am Ende des ersten Buchs nach Bath, um Dorriforth zu entgehen, den sie, wie sie meint, unglücklich, liebt, und am Ende des dritten Buches wird Matilda aus dem Hause Lord Elmwoods verbannt. Am Ende des zweiten Buches wird eine Reise Dorriforths durch Miss Milner verhindert, am Ende des vierten eine Reise Matildas durch Dorriforth. Insgesamt zeigt also bereits dieser knappe Uberblick über den Handlungsverlauf von Α Simple Story, daß der Roman von zahlreichen Analogien und Antithesen geprägt ist. Die folgende Untersuchung wird sich nun auf zwei Figurenkonstellationen konzentrieren, auf das Verhältnis zwischen Miss Milner und Dorriforth im ersten Teil des Romans und auf die Parallelen und Unterschiede zwischen Miss Milner und ihrer Tochter Matilda. Miss Milner und Dorriforth sind in einen Machtkampf verstrickt; das Wortfeld power/obedience!(in)gratitude muß als einer der zentralen Begriffsbereiche des Textes gelten. Dieser Machtkampf ist eine Konsequenz der inkompatiblen Rollen Dorriforths, der zuerst Miss Milners Vormund ist und später ihr Ehemann werden wird. In der Phase der Werbung, die zwischen diesen beiden mit gesetzlicher Autorität ausgestatteten Rollen liegt, sieht Miss Milner, anders als Dorriforth, einen machtfreien Raum: IO

? Ibid., S. 169 Castle, Masquerade, Story" 148

op. cit., Kap. 7, "Masquerade and Utopia II: Inchbald's Α Simple

"As my guardian, I certainly did obey him; and I could obey him as my husband; but as a lover, I will not." 111 Der Antagonismus zwischen Miss Milner und Dorriforth prägt diesen Teil des Romans bis hinunter auf die Mikroebene der Satzstruktur, deren prekäre Balance von Gegensatzpaaren das auffälligste stilistische Merkmal des Textes ist. 112 Auch die Erzählperspektive reflektiert die Spannungen zwischen den beiden Figuren; so wird zum Beispiel im siebten Kapitel des ersten Buches das Verhalten Miss Milners aus der Perspektive Dorriforths geschildert, während sich die Blickrichtung im folgenden achten Kapitel umkehrt. Die auktoriale Erzählerfigur befindet sich jeweils in der Nähe der beobachtenden Romanfigur, und die Leserin kann, wie die beobachtende Figur, auf die innere Befindlichkeit der beobachteten nur aus deren sprachlichen Äußerungen, Körpergesten, Handlungen schließen.113 Was ist nun der Grund für den Antagonismus zwischen Miss Milner und Dorriforth? Dorriforth ist ein sprechender Name, mit Assoziationen zu durus und fortitudo. Sein Träger ist schon im ersten Teil des Romans, - und nicht, wie die bereits zitierte Rückblende zu Beginn des zweiten suggerieren will, erst nach seiner gescheiterten Ehe - , hart, unflexibel, konsequent; Miss Milner hingegen erweist sich als weich, flexibel, zu Kompromissen bereit. Offenbar sollen die beiden Figuren jeweils extreme Ausprägungen eines geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens verkörpern, wobei ihre Geschlechtscharaktere entweder auf natürliche Veranlagungen zurückgehen, die durch ihre Erziehung verstärkt worden sind, oder durch Erziehung erst eigentlich hervorgerufen werden; Inchbalds Umschreibung für Erziehung, second nature114 erlaubt sichtlich beide Lesarten. Die Erziehung, die Miss Milner und Dorriforth genossen haben, ist zwar höchst unterschiedlich, doch wird, in der impliziten Parallelisierung zwischen ihren beiden Erziehungsinstitutionen boarding school und Priesterseminar, beider Erziehung als mangelhaft gekennzeichnet. 11 ' " ' Inchbald, Simple Story, op. cit., S. 132 112 S. z.B. ibid., S. 16: "Six weeks have now elapsed since Miss Milner has been in London, partaking with delight in all its pleasures, whilst Dorriforth has been sighing with apprehension, attending with precaution, and praying with the most zealous fervour for her safety." (Hervorhebungen von mir) " 3 Im zweiten Teil des Romans, in dem sich Dorriforth/Elmwood zunehmend von allen sozialen Kontakten isoliert, wird der Leserin (wie den Romanfiguren) jeglicher Zugang zu seinen mentalen Prozessen verwehrt. " 4 Inchbald, Simple Story, op. cit., S. 62 " s Zur Parallelisierung zwischen den beiden Institutionen s. Kap. IX des ersten Buches (S. 32 - 3 5). Obwohl Inchbald selbst Katholikin ist, reflektiert Simple Story hier in gewisser

149

Auch die zweite zentrale Figurenkonstellation des Romans, Miss Milner und Matilda, steht unter dem Vorzeichen der Erziehung: [The reader] has beheld the pernicious effects of an improper education in the destiny which attended the unthinking Miss Milner - O n the opposite side, then, what may not be hoped from that school of prudence - though of adversity - in which Matilda was bred? And M r Milner, Matilda's grandfather, had better have given his fortune to a distant branch of his family - as Matilda's father once meant to do - so he had bestowed upon his daughter A PROPER EDUCATION.116

Die Opposition zwischen den beiden Frauenfiguren, - deren eine übrigens nie bei ihrem Vornamen genannt wird, während die andere offenbar keinen Anspruch auf den Familiennamen erheben kann, - wird hier, am Ende des Romans, mit dem Begriffspaar improper/prop er education gefaßt. Sie wird erstmals in der bereits erwähnten Rückblende zu Beginn des zweiten Teils aufgebaut; diese Rückblende verschiebt im übrigen das empfindliche moralische Gleichgewicht des ersten Teils zugunsten von Lord Elmwood. Er hatte seine Frau zwar vier Jahre nach der Heirat verlassen und seine Rückkehr aus Westindien ohne Angabe von Gründen immer wieder verschoben, doch seine Gründe erweisen sich als zwingend, und Lady Elmwoods Ehebruch während seiner Abwesenheit ist ein unverzeihliches Verbrechen, ihre Reue vergeblich. Die perspektivische Distanzierung dieses resümierenden Kapitels ist gleichbedeutend mit einer retrospektiven moralischen Distanzierung von Lady Elmwood. Insofern verwundert es nicht, daß in der Sekundärliteratur zu A Simple Story Matilda, der es gelingt, durch unbedingten Gehorsam die Liebe ihres Vaters zu gewinnen, in der Regel als ein sittsames junges Mädchen geschildert wird, dem eine konventionelle Belohnung für konventionelles Verhalten zusteht; daß Matilda, wie bereits bemerkt, ebenfalls in tabuisierte Räume eindringt, wird dabei ignoriert. Anders als ihrer Mutter, die aus Lebensdurst moralische Schranken durchbricht, mangelt es Matilda angeblich an erotischer Ausstrahlung,117 - die aber in Matildas Beziehung zu Dorriforth das Inzesttabu verletzen müßte.

"6

117

Weise zeitgenössische Vorurteile gegen den (offiziell immer noch verbotenen) Jesuitenorden, wie sie sich auch in der zeitgleichen gothic novel widerspiegeln. Vgl. dazu auch S. 131; dort bezieht sich Miss Milner explizit auf die Darstellung der katholischen Kirche als Institution in der Literatur ihrer Zeit. Zu Inchbalds Katholizismus s. Rogers, "Not Such a Simple Story", op. cit. Inchbald, Simple Story, op. cit., S. 294 (Hervorhebung im Text) S. dazu insbesondere Rogers, "Inhibitions", und Suhr, Kap. 10.1, jeweils op. cit., sowie Spacks, Desire, op. cit., S. 201: "She offers no threat to the social order or to a reader's 150

In der Tat gibt es im Text Anzeichen dafür, daß Matilda nicht nur als simple Antithese zu ihrer Mutter konzipiert ist, sondern als Synthese aus mütterlichen und väterlichen Eigenschaften.118 Matilda gleicht äußerlich Vater und Mutter, besitzt den Stolz des Vaters und die Empfindsamkeit der Mutter119 und hat eine weibliche und eine männliche Mentorfigur; letztere ist der Jesuit Sandford, den wir bereits als den Lehrer Dorriforths kennengelernt haben. Sandford hat seinerseits in dem Zeitraum zwischen den beiden Teilen des Romans eine Wandlung durchgemacht, die die Grenzen psychologischer Plausibilität überschreitet; er, der im ersten Teil seine misogynen Neigungen deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, steht nun auf der Seite der weiblichen Romanfiguren, und seine Misogynie wird auf eine andere Nebenfigur, Lord Margrave, verlagert und mündet dort in aktive physische Gewalt gegen Frauen. Während Lord Margrave als Matildas „falscher" Freier fungiert, hat ihr späterer Ehemann Rushworth deutliche „weibliche" Züge, darunter die Anfälligkeit für psychosomatische Erkrankungen, die er mit Matildas Mutter teilt. Entsprechend bezeichnet ihn Matilda als softer brother.110 Schließlich wird Lord Elmwood selbst einem Prozeß der Reedukation unterzogen. Durch seine Tochter Matilda wird er wieder an die menschliche Gemeinschaft herangeführt, und am Schluß des Romans überträgt er ihr in einer symbolischen rhetorischen Geste die Macht über ihr eigenes Schicksal und das ihres zukünftigen Ehemannes.121 Insgesamt sind also in Matilda die Antagonismen des ersten Teils aufgehoben, werden durch sie die Fehler der Eltern- und Großelterngeneration gesühnt; hier zeigt Α Simple Story Parallelen zur zeitgleichen gotbic novel. Von diesem Versöhnungsprozeß bleibt allerdings Miss Milner ausgeschlossen; sie, die durch ihren frühen Tod aus dem Universum des Romans verbannt worden ist, ist offenbar, anders als Adelina in Smiths Emmeline - und als ihr eigener Ehemann Dorriforth/Elmwood - , zu einer Reedukation nicht fähig. sensibilities. Her mother has suffered conventional punishment for conventional female sin; Matilda wins the conventional reward for female conformity." 1,8 Entsprechend betont beispielsweise Paulson (op. cit., S. 228 f.) zu Recht, daß Inchbald, anders als in ihrem zweiten Roman Nature and Art, der bereits durch seinen Titel Bipolarität signalisiert, in Simple Story bipolare Strukturen nur deswegen aufbaue, um sie dann zu dekonstruieren. " ' Inchbald, Simple Story, op. cit., S. 192 bzw. 294 120

111

"She loved him as her friend, her cousin, her softer brother, but not as a lover", ibid., S. 292; diese Stelle muß als Echo von "As my guardian, I certainly did obey him; and I could obey him as my husband; but as a lover, I will not" betrachtet werden. "[..·] and he has yielded to you alone, the power over my happiness or misery", Inchbald, Simple Story, op. cit., S. 294

Damit ist auch für die Figurenkonstellation Miss Milner/Matilda, wie für die Miss Milner und Dorriforth, eine Überlagerung von parallelisierenden und antithetischen Mustern zu konstatieren. Wie die kurze Analyse der Handlungsstruktur eingangs gezeigt hat, ist diese Überlagerung charakteristisch für den Roman in seiner Gesamtheit.

Elizabeth Hamilton, Memoirs of Modern Philosophers: A Novel (1800) Die Einleitung zur zweiten Ausgabe von Hamiltons Roman Memoirs of Modern Philosophers122 rahmt die auktoriale Intention des Textes auf doppelte Weise: Eine Herausgeberfigur schreibt einen Brief an einen Buchhändler, in dem sie erläutert, daß sie ein Manuskript gefunden und mehreren Bekannten zur Lektüre gegeben habe. Sie zitiert aus den kritischen Anmerkungen zum Manuskript, die sie erreicht haben: T o impute evil intention to the author of every speculative opinion that has an evil tendency, is equally illiberal and unjust; but to expose that tendency to the unsuspicious, and t o point it o u t to the unwary, is an o f f i c e of charity, not o n l y innocent but meritorious. 1 2 3

Im besonderen sei es verdienstvoll, die gefährlichen Tendenzen in Godwins ansonsten durchaus bewundernswerter Political Justice124 offenzulegen. Der Autor habe sich zu diesem Zwecke satirischer Mittel bedient, 125 insbesondere im Fall der Figur Bridgetina Botherim, die, da sie nur philosophische Romane lese, durch einen Roman von ihren philosophischen Neigungen kuriert werden müsse. In der Sekundärliteratur zu Hamilton und zu anderen „konservativen" Autorinnen wie Jane West wird zu Recht darauf verwiesen, daß „moderner Philosoph" im Kontext der konservativen postrevolutionären Dis122

'23

124

125

In drei Bänden (Bath, 2 1800); die erste Ausgabe des Romans ist ebenfalls 1800 erschienen, allerdings unter einem Pseudonym, während das Titelblatt der zweiten Ausgabe (aus der im folgenden zitiert wird) Hamiltons Namen nennt. Die wichtigste Sekundärliteratur ist Butler, Austen, Kap. 4, Johnson, Kap. 1, Jones, Α., Kap. 1, Kelly, Romantic Fiction, Kap. 2, vierter Abschnitt ("Against Enlightenment, Sensibility and Revolution: Anti-Jacobinism and Romanticism"), McCarthy, Kap. 5, jeweils op. cit., sowie Allen, B. Sprague, "The Reaction against William Godwin", in: Modern Philology, Vol. 16 (1918), S. 57-75. Hamilton, Modern Philosophers, op. cit., S. I. XIII An Enquiry Concerning the Principles of Political Justice, and Its Influence on General Virtue and Happiness (1793) Viele, vor allem tendenziell konservative Romane der Epoche rekurrieren, wie Kelly (in Romantic Fiction, op. cit., S. 62 f.) ausführt, auf die fiktionalen Konventionen Cervantes' und Fieldings. Diese Romantradition wird in Modern Philosophers selbst diskutiert (S. II.77-80).

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kussion zu einem pejorativen Begriff geworden sei.' 26 In der Tat ist der eigentliche „moderne Philosoph" des Textes, Vallaton, ein Schurke der schwärzesten Sorte, der am Ende des Romans von der Revolution, die er propagiert hat, gefressen wird und unter der Guillotine endet. Seine revolutionären Thesen dienen ihm, wie seinem Lehrer Myope, 127 nur dazu, seine egoistischen Ziele, insbesondere auf sexuellem Gebiet, durchzusetzen; damit entspricht er dem Typus des antigodwinischen Helden, den Allen in mehreren Romanen der Epoche nachgewiesen hat, 128 und eine Zuordnung von Modern Philosophers zur Gruppe der antijakobinischen Romane, wie sie etwa von Butler und Kelly vorgenommen wird, erscheint zunächst legitim.129 Vallatons der eigentlichen Romanhandlung vorausgehende kriminelle Karriere wird, auktorial beglaubigt, bereits im achten und neunten Kapitel des ersten Bandes nachgetragen; die Leserin ist also vor ihm gewarnt und wird nicht, wie einzelne Figuren des Romans, auf Vallaton hereinfallen. Vallatons weibliches Pendant ist, als Exponentin moderner Philosophie, die bereits im Vorwort genannte Bridgetina Botherim; sie wird an mehreren Stellen des Romans als dessen Protagonistin bezeichnet, "the true and proper heroine of this our history". 1 ' 0 Ihr sind vor allem drei andere junge Frauen als Kontrastfiguren zugeordnet, Julia Delmond, Harriet Orwell und Maria Sydney. Auf die beiden letztgenannten Frauenfiguren kann hier nur kurz eingegangen werden. Sie bleiben blaß und sind weitgehend austauschbar; was für Harriet gilt, - sie beschäftigt sich eifrig mit historiographischer Literatur, ist eine gute Haushälterin und vereint die Eigenschaften enlightened intellect, calm and steady judgment und transcendent delicacy131 - , trifft auch auf ihre Freundin Maria zu. Als Repräsentantinnen der sprachlich-moralischen Norm des Textes werden Harriet und Maria mit angemessenen Ehepartnern belohnt; die Handlungsträgerinnen des Romans sind jedoch Bridgetina und Julia. Dabei ist allerdings der Begriff „Handlungsträgerin" insofern problematisch, als der Roman in seiner 126

127 128

129

130

"[...] in conservative fiction as a whole 'philosophy' is what bad men appeal to in order to justify theft in terms of the greater good, and what loose women blather about when they desert fathers, husbands, and children" (Johnson, op. cit., S. 1 1 f.) Wie Bridgetina Botherim natürlich ein sprechender Name Darunter Modern Philosophers, Opies Adeline Mowbray (s. dazu unten, Kapitel 2.3), Wests A Tale of the Times, Walkers The Vagabond., Lloyds Edmund Oliver und andere (s. Allen, op. cit.) Butler, Austen, S. io6ff. sowie Kelly, Romantic Fiction, Kap. 2 ("The 1790s: From Enlightenment and Sensibility to Romanticism - 'Modern Novels' and 'Tales of the Times'") Hamilton, Modem Philosophers, op. cit., S. 1.303 Ibid., S. I.io8f.

x

53

Fülle von Handlungssträngen, Einschüben, kürzeren und längeren Rückblenden und Fußnoten die traditionelle fiktionale Hierarchie zwischen Haupt- und Nebenhandlungen weitgehend überwindet. Die sprachlich-moralische Norm des Romans manifestiert sich vor allem in zwei Bereichen, Religion und Familie. 131 Das Problem der Verpflichtungen, die Eltern gegenüber ihren Kindern, Kinder gegenüber ihren Eltern haben, wird im Roman in didaktischen Gesprächen erörtert und durch zahlreiche Nebenfiguren und Nebenhandlungen illustriert. So schreibt etwa Maria Sydney an ihren Bruder: B u t w h a t shall w e s a y to this s o r t of p h i l o s o p h y , w h i c h builds the f a b r i c k [sic] of m o r a l s o n a direliction [sic] o f all t h e principles of natural a f f e c t i o n ; w h i c h cuts t h e ties of gratitude, and p r e t e n d s t o extend o u r b e n e v o l e n c e b y annihilating the s w e e t b o n d s of domestic a t t a c h m e n t ? S h o u l d this s y s t e m p r e v a i l

-

'Relations, dear, and all the charities of father, s o n and b r o t h e r ' , w o u l d s o o n no longer be k n o w n . 1 3 3

Miss Sydney nimmt hier Bezug auf Positionen, die im Roman von Vallaton vertreten werden; er argumentiert, in Anlehnung an Godwins Political Justice, - eine Quelle, auf die die Leserin in einer Fußnote hingewiesen wird daß in einer egalitären Gesellschaft ein menschliches Wesen als menschliches Wesen Anspruch auf Unterstützung und Solidarität habe und nicht deswegen, weil man zu ihm in irgendeiner familiären Beziehung stehe. 134 Diese progressive Position wird von konservativen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen, zu denen Maria Sydney gehört, so ausgelegt, daß mit ihr lediglich die selbstsüchtige Vernachlässigung der Bedürfnisse der Menschen, die einem am nächsten stehen, rationalisiert werde, eine Interpretation, die der Text insofern beglaubigt, als sich Vallaton natürlich aus durchaus egoistischen Motiven dieser Argumentation bedient: Er will Julia Delmond dazu bewegen, für ihn ihr Elternhaus zu verlassen. Auch religiöse Fragestellungen werden in Modern Philosophers auf vielfältige Weise thematisiert, etwa in der Rousseau-Diskussion des ersten 132

Im Unterschied zu anderen konservativen Romanautorinnen der Epoche scheut Hamilton offenbar nicht davor zurück, sich direkt und argumentativ mit philosophischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Kellys Beobachtung, daß sich etwa West und Le Noir auf Techniken des domestic realism zurückzögen, um nicht mit jakobinischen Autorinnen assoziiert zu werden (Kelly, Romantic Fiction, op. cit., S. 63) trifft weder auf Modern Philosophers noch auf den in der Lettres persanes-Tradition stehenden Roman Translation of the Letters of a Hindoo Rajah (London, 1796) zu. S. dazu auch das Vorwort von Modern Philosophers: Bridgetina, die Leserin „philosophischer" Romane, kann nur durch einen „philosophischen" Roman kuriert werden.

133 ,3

Hamilton, Modern Philosophers, op. cit., S. IL397 * Ibid., S. I . 1 6 0 - 7

154

Bandes, 135 auf die später noch einzugehen sein wird, und in der Rückblende auf die Jugend von Maria Sydneys Vater, der sich aus Gewissensgründen gegen eine Ordination zum anglikanischen Geistlichen entscheidet. 136 Die religiöse Grundeinstellung des Textes läßt sich dabei indirekt aus ihren Deviationen, also vor allem aus den areligiösen oder gar antireligiösen Positionen Julia Delmonds und Bridgetina Botherims, ablesen. Erstere hat keine religiöse Erziehung genossen: T h u s p r e p a r e d , it is n o t s u r p r i s i n g t h a t s h e w a s c h a r m e d w i t h t h e t e n e t s o f t h e n e w p h i l o s o p h e r s , w h i c h t a u g h t h e r t h a t d e n y i n g r e v e l a t i o n is b u t o n e s t e p t o w a r d s t h a t s t a t e o f p e r f e c t i o n t o w h i c h t h e h u m a n m i n d is s o s p e e d i l y a d vancing.137

Bridgetina tadelt ihrerseits eine positive Frauenfigur gerade deswegen, weil sie das aufklärerische Dogma menschlicher Perfektibilität im Diesseits anzweifle und Ordnung, Harmonie, Vollkommenheit nur im Jenseits imaginieren könne.138 Von der sprachlich-moralischen Norm des Textes, die, wie in Edgeworths Leonora, eine konservative ist, weichen Bridgetina und Julia also auf unterschiedliche Weise ab. Sie können als die komische und die tragische Variante einer gemeinsamen Verwirrung, einer gemeinsamen Aufgeschlossenheit für „moderne" philosophische Theorien, bezeichnet werden. Julia verläßt mit ihrem Verführer, Vallaton, das elterliche Haus und wird ihrerseits von ihm verlassen; nach einem gescheiterten Selbstmordversuch wird sie in ein Bordell eingesperrt. Sie kann entkommen und endet, hochschwanger, in einem Heim für mittellose Frauen; dort stirbt sie, ein Exemplum für Bridgetina, 139 die vor Julias Schicksal nur durch ihre mangelnde physische Attraktivität bewahrt worden ist, und damit, wie durch das Vorwort des Romans impliziert, auch für die Leserin, die ja gerade den „philosophischen" Roman liest, durch den eigentlich Bridgetina von ihren philosophischen Neigungen geheilt werden soll. Die beiden Frauenfiguren neigen zu identifikatorischem Lesen und teilen ferner eine Vorliebe für eine bestimmte Lektüre, nämlich, wie be135 136 137 138

139

Ibid., S. 1 . 1 9 0 - 2 0 2 Ibid., Buch 2, Kapitel 1 2 und 13 Ibid., S. 1 . 1 5 1 Ibid., S. I I I . 1 1 : " M r s Fielding was the slave of prejudice; her mind was fettered b y superstition; her morals were built upon the false structure of religious principle. She looked to a future world f o r that state of complete order, happiness, and perfection, which she weakly believed would never be found in this." " M o r e likely to produce an effect on the mind of Bridgetina than any argument", ibid., S. 111.292

155

reits bemerkt, für „philosophische" Romane wie Rousseaus Nouvelle Helo'ise, Mary Hays' Memoirs of Emma Courtney140 oder Godwins Things as They Are; or, The Adventures of Caleb Williams und für philosophische Traktate wie Godwins Political Justice und The Enquirer. Auf ihre bevorzugte Lektüre ist es zurückzuführen, daß Bridgetina und Julia über eine exzessive Imagination verfügen, ein Fehler, den Julia zwar an Bridgetina, nicht aber an sich selbst erkennen kann. Im dritten Kapitel des zweiten Buches erhält Bridgetina die Gelegenheit dazu, ihren Werdegang zu schildern.141 Diese Schilderung wird von Allen142 zwar zu Recht als eine Parodie auf Godwins Theorie der Charakterbildung, die sich an Lockes und Helvetius' tabula rasd-Modellen orientiert, bezeichnet; andererseits unterzieht sich die auktoriale Erzählerfigur der Mühe, in impliziter Beglaubigung dieser Modelle, Julias charakterliche Mängel detailliert auf Umwelteinflüsse, und vor allem auf die Erziehungsfehler ihrer Eltern und deren charakterliche Mängel, zurückzuführen.143 Dadurch wird Julia in gewisser Weise entlastet. Selbst ihre Selbstidentifikation mit der Romanfigur Clarissa Harlowe erweist sich insofern als nicht völlig unangebracht, als ihre Eltern nicht nur durch ihre mangelnde pädagogische Eignung ihre Pflichten gegenüber ihrem Kind vernachlässigen, sondern auch einen moralisch korrupten Freier Julias favorisieren;144 Julias „untöchterliches" Verhalten, das heißt, ihre Verletzung des familiären Paktes zwischen Eltern und Kindern, ist, anders als das Verhalten Bridgetinas, die ihre treusorgende Mutter verläßt, um einem Mann nachzulaufen, der sie nicht liebt, eine Konsequenz elterlichen Versagens. Wenn also nach Johnson einer der wichtigsten Unterschiede zwischen den tendenziell konservativen und den tendenziell progressiven Romanen der Epoche darin besteht, daß in ersteren eine intakte Familie von außen, durch „moderne Philosophen" und ihre Thesen, zerstört wird, während in letzteren die familiäre Struktur an sich korrupt ist,145 so muß Hamiltons Text, jedenfalls in bezug auf die Julia-Handlung, als eine Mischform bezeichnet werden. Auch Butlers Modell der Differenzierung zwischen „jakobinischen" und „antijakobinischen" Texten läßt sich auf Bridgetina Botherim anwenden, erweist sich jedoch für Julia als problematisch.146 So lernt Bridgetina ,4

° S. dazu unten, Kap. 2.5.1 Hamilton, Modern Philosophers, op. cit., S. II.89-93 " 4г Allen, op. cit., S. 66 143 Hamilton, Modern Philosophers, op. cit., S. 1 . 1 1 8 - 5 1 144 Ibid., S. II.264 ff. ,4! Johnson, op. cit., S. 10f. und S. 26f. 146 Butler, Austen, op. cit., S. 106f.; s. dazu oben, Kap. 1.2.1.2, bes. S. n 8 f . 141

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bis zu einem gewissen Grade, die Welt so zu betrachten, wie sie ist, doch wird Julias „verkehrtes" Weltbild in einem entscheidenden Punkt nicht korrigiert, sondern durch zahlreiche positiv besetzte Romanfiguren und durch die Romanhandlung selbst beglaubigt. Julias echter, aber fehlgeleiteter Idealismus wird, wie sie auf ihrem Totenbett erläutert, durch die Situation der Frau in der Gesellschaft ihrer Zeit hervorgerufen.147 Die genannten positiven Romanfiguren lehnen Julias revolutionäre Strategien zur Veränderung dieser Situation zwar ab und belächeln Bridgetinas Plan, in eine Weltgegend auszuwandern, wo Männer und Frauen angeblich vollkommene Gleichheit genießen, zu den Hottentotten nämlich.'48 Sie teilen aber, wie aus der bereits erwähnten Diskussion der Werke Rousseaus hervorgeht, Julias Einschätzung der Lage ihrer Geschlechtsgenossinnen. In dieser Diskussion wird Rousseaus Einstellung zur weiblichen Erziehung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Wollstonecrafts Vindication of the Rights of Woman ebenso kritisiert wie sexuelle Doppelmoral und sexual virtues, also ein geschlechtsspezifisch differenzierter Tugendkatalog; diese Kritik wird religiös begründet: "[Christ's] morality was addressed to the judgment without distinction of sex". 149 Durch eine christliche Lebenseinstellung bei Männern und Frauen lassen sich Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern beseitigen; diese christliche Lebenseinstellung gebietet allen Menschen den Gebrauch ihrer gottgegebenen Vernunft: "The light of the mind is necessary for the performance of every duty; and great is the mistake of those who think ignorance the guard of innocence and virtue."' 50 Im Schatten Vallatons und Bridgetina Botherims kann sich Hamiltons Roman also mit zahlreichen Fragestellungen auseinandersetzen, die, wie wir im ersten Teil der Arbeit gesehen haben, immer wieder von conduct Autorinnen und -autoren, darunter natürlich Hamilton selbst, diskutiert werden. In der generellen Beurteilung der Mängel weiblicher Erziehung steht der Roman Wollstonecraft nahe. Andere Themen sind das Rollenverständnis älterer alleinstehender Frauen, die ungenügenden Berufsmöglichkeiten junger Frauen, die entwürdigende Sitte, überzählige junge Frauen auf den Heiratsmarkt der Kolonien, mit ihrem hohen Männerüberschuß,'5' zu schicken, das Problem der Prostitution; in allen ge47

Hamilton, Modern Philosophers, op. cit., S. III.310 ">8 Ibid., S. II.40 Ibid., S. I.200 •>° Ibid., S. I.201 151 Dieses Thema wird übrigens auch von Austen in "Catharine, or the Bower", Juvenilia, Volume the Third, aufgegriffen (in: Chapman, R. W., ed., The Works of Jane Austen, Vol. 6, Oxford University Press, 1954, S. 194); s. außerdem Edgeworth, Patronage

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nannten Bereichen vertritt der Roman, wie Hamiltons Letters on Education und Letters Addressed to the Daughter of a Nobleman,1'2 eine tendenziell progressive Position. Trägerinnen dieser Themen sind vor allem zwei positive Frauenfiguren, die bisher noch nicht erwähnt wurden, nämlich Miss Orwell, Harriet Orwells Tante, und Mrs. Fielding, Henry Sydneys Gönnerin; beide sind ältere, alleinstehende Frauen, eine Seltenheit im Figureninventar des weiblichen Erziehungsromans. Vor allem letztere verfügt über erhebliche finanzielle Mittel und über großen moralischen Einfluß, den sie unter anderem dazu nutzt, ein Heim für mittellose Frauen zu gründen, das Heim, in das Julia später aufgenommen wird. Damit geht ihr philanthropisches Engagement, wie das der „Revolutionärin" Julia, deutlich über den familiären Bereich hinaus. Den beiden Frauen stehen gleichgesinnte Männerfiguren zur Seite, was zu einem natürlich ihre Position aufwerten, zum anderen aber auch auf die gesamtgesellschaftliche Relevanz von „Frauenthemen" verweisen soll. Aus der Perspektive von Mrs. Fielding ist der Tod Julias, - die sie bewundert und bedauert - , denn auch nicht mehr nur eine Strafe für ihre Verfehlungen, oder ein Exemplum für Bridgetina, die diese Strafe ja viel eher verdient hätte, sondern beinahe ein Martyrium für die Sache der Frau: The woman who is suspected of having made a false step, but who, by assiduously concealing it, shows some regard for reputation, will ever meet with more indulgence from the world than she, who, by openly avowing it, seems to brave its censures. In the latter case she becomes a mark for public scorn to point the finger at; all the virtues she may possess are of no avail, or rather they are considered by the world, what certain dogmatists affirm of the virtues of the unregenerate, as so many shining

sins.ln

Wie die Analyse der drei Romane von Smith, Inchbald und Hamilton gezeigt hat, sind ihre Nebenfiguren zwar zum Teil mit didaktischen Aufgaben für die jeweiligen Protagonistinnen betraut, doch ist vor allem die Leserin dazu angehalten, Parallelen und Kontraste zwischen den Figuren zu entdecken und Haupt- und Nebenhandlungen aufeinander zu beziehen. Während die so entstehende Divergenz zwischen Protagonistinnenund Leserinnenerfahrung in Smiths Roman noch vergleichsweise gering ist, wird die Leserin zu Beginn des zweiten Teils von Simple Story durch 1,2

Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann, läßt der Roman, wie Johnson (op. cit., S. 9) zeigt, gesellschaftskritische Stimmen zu; s. beispielsweise Henry Sydneys Briefe aus Schottland, Modem Philosophers, op. cit., S. 1 . 2 2 1 - 1 3 9 • » Ibid., S . I I I . 3 2 i f . 158

Umwertung des ersten Teils zur moralischen Distanzierung von dessen Protagonistin veranlaßt und muß sich im folgenden auf eine völlig neue weibliche Hauptfigur einstellen. In Modern Philosophers schließlich ist die Protagonistin Bridgetina satirisch überzeichnet und kann, anders als etwa Emmeline oder Matilda, nie zur Trägerin der sprachlich-moralischen Norm des Textes werden; eine Identifikation mit anderen Romanfiguren wird durch den bereits beschriebenen weitgehenden Verzicht auf einen linearen Handlungsablauf erschwert. Welche Konsequenzen haben nun diese Divergenzen zwischen Protagonistinnen- und Leserinnenerfahrung für die moraldidaktische Aussage des Textes? In Emmeline wird eine junge Frau für ihr tugendhaftes Verhalten belohnt; doch von diesem Lohn der Tugend bleiben andere tugendhafte Figuren ausgeschlossen, und er bleibt auch im Falle der Protagonistin gefährdet. In Simple Story sühnt eine junge Frau, durch Gehorsam ihrem Vater gegenüber, die Vergehen ihrer Mutter; in einem Text, der zur Überwindung von Gegensätzen und zur Versöhnung aufruft, wird diese Mutter jedoch aus dem Kosmos des Romans verbannt. In Modern Philosophers stirbt eine junge Frau, als Strafe für ihren mutwilligen Verstoß gegen gesellschaftliche Konventionen, und bewahrt dadurch eine andere Figur vor einem ähnlichen Schicksal; ihr Tod wird jedoch gleichzeitig zu einem Vehikel der Kritik an diesen Konventionen. In jedem der drei Texte koexistieren Haupt- und Nebenfiguren, Haupt- und Nebenhandlungen, die sprachlich-moralische Norm und ihre Deviationen, Protagonistinnen- und Leserinnenerfahrung; diese Koexistenz ist eine Quelle moralischer Ambiguität und führt zur Destabilisierung der moraldidaktischen Aussage. Dies gilt gleichermaßen für Texte, die in den kritischen Arbeiten zur Literatur der Epoche als progressiv gelten, also etwa Emmeline, und für vermeintlich konservative Romane wie Modern Philosophers. Eine Interpretation, die diese generische moralische Instabilität fiktionaler Texte nicht berücksichtigt, wird diesen Texten nicht gerecht. Als ein Negativbeispiel einer solchen Interpretation mag abschließend Ann Jones' Analyse der Modern Philosophers dienen: Jones, die ohne weiteres davon ausgeht, daß Hamilton in diesem Roman einen uneingeschränkt konservativen Standpunkt vertritt, moniert immer wieder die Präsenz scheinbar diskordanter Elemente wie Autoreflexivität, Stilbruch, Wechsel zwischen sentimentalen und burlesken Passagen, zwischen typisierten und individualisierten Figuren: "Yet it is surprising that her artistry was so flawed, for she was obviously aware of contemporary 49

weaknesses in technique, such as stereotyped features in the behavior of heroes and heroines." 154 Trotzdem soll hier nicht behauptet werden, daß der weibliche Erziehungsroman programmatisch subversiv sei; die Existenz einer konservativen sprachlich-moralischen Norm etwa in Modern Philosophers kann nicht geleugnet werden. Plädiert sei jedoch erneut für einen Didaktizismusbegriff, der der genrebedingten moralischen Ambiguität eines weiblichen Erziehungsromans Rechnung trägt und, im Unterschied zu Jones, die Präsenz destabilisierender Romanelemente zuläßt. Damit bestätigt sich erneut die Notwendigkeit einer Sprachregelung, die bei der Zuordnung eines weiblichen Erziehungsromans zu einem der beiden ideologischen Lager der Epoche lediglich von „tendenziell" konservativen bzw. „tendenziell" progressiven Romanen spricht.

2.3 Mentorfiguren und moralische Autorität: Opies Adeline Mowbray und Edgeworths Patronage Zu Beginn des Kapitels 2.1 wurde darauf hingewiesen, daß das Erziehungsthema im weiblichen Erziehungsroman zwei Aspekte hat, den Aspekt der Erziehung der Protagonistin im Roman und den Aspekt der Erziehung der Leserin durch den Roman. Während in den Kapiteln 2.2.1 und 2.2.2 stärker die zweite didaktische Komponente des Erziehungsromans akzentuiert wurde, die Komponente also, die den Text und insbesondere seine Erzählerfiguren in die Mentorrolle versetzt, werden nun im folgenden Kapitel Mentorfiguren im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, die den Werdegang der Protagonistin beeinflussen. Natürlich werden diese handlungstragenden Mentorfiguren ihrerseits durch Perspektive und Struktur des Textes als solche ausgewiesen, werden sie in ihrer Autorität durch perspektivische oder strukturelle Strategien beglaubigt oder demontiert. Gleichzeitig kann ihr Verhältnis zur Protagonistin als ein Paradigma der erwünschten oder der zu vermeidenden Beziehungen zwischen der Leserin und ihren Mentorinnen und Mentoren, oder zwischen der Leserin und ihren Schützlingen, dienen. Die beiden didaktischen Aspekte des weiblichen Erziehungsromans erweisen sich hier wie andernorts als komplementär.

' 5 4 Jones, Α., Ideas and Innovations, op. cit., S. 29

160

Amelia Opie, Adeline

Mowbray;

or, The Mother and

Daughter.

A Tale (1804) E s ist ein Topos der Opie-Rezeption, daß Opies Roman Adeline bray; or, The Mother

and Daughter15

5

Mow-

Parallelen zur Biographie M a r y

Wollstonecrafts aufweise und sich insbesondere an deren Liebesbeziehung zu William G o d w i n orientiere; Opie kannte Wollstonecraft gut, w a r eine enge Vertraute G o d w i n s und hatte dessen Biographie seiner Frau, die 1 7 9 8 erschienenen Memoirs Rights of Woman',

of the Author

of Ά

Vindication

of The

gelesen. 4 6 A n n e Thackeray Ritchie charakterisiert da-

her Opies Roman folgendermaßen: It is a melancholy and curious story, which seems to have been partly suggested by that of poor Mary Wollstonecraft, whose prejudices the heroine shares and expiates by a fate hardly less pathetic than that of Mary herself. The book reminds one of a very touching letter from Godwin's wife to Amelia Alderson [Opie], written a few weeks before her death, in which she speaks of her 'contempt for the forms of a world she should have bade a long good-night to had she not been a mother." 5 7 Glenmurray, die männliche Hauptfigur von Adeline

Mowbray,

kann als

eine Variante des antigodwinischen Helden gelten, eines Figurentyps, der uns bereits in Elizabeth Hamiltons Vallaton 1 5 8 begegnet ist. Beiden Figuren ist gemeinsam, daß sie vor allem eine Komponente der godwinischen Philosophie personifizieren, G o d w i n s Kritik an der Institution Ehe. Anders als Vallaton ist Glenmurray allerdings, wie Allen zu Recht ausführt, ein idealistischer, aber fehlgeleiteter junger Mann, der seine philosophischen Jugendtorheiten bitter bereuen w i r d . 1 ' 9 A l s Glenmurray nämlich seine erklärte

156

157

1,8 159

Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1986 (intro. Jeanette Winterson, London, 1986; Pandora Mothers of the Novel Series); die wichtigsten kritischen Arbeiten zu Opie sind Kelly, Gary, "Discharging Debts: The Moral Economy of Amelia Opie's Fiction", in: Wordsworth Circle, Vol. и (1980), S. 198-203, und "Ideology in Three Popular Early Nineteenth-Century Women Fiction Writers. Amelia Opie, Lady Caroline Lamb, and Maria Edgeworth: Official and Unofficial Ideology", in: Ariel, Vol. 12 (1981), S. 3-24; Spencer, Jane, '"Of Use to her Daughter': Maternal Authority and Early Women Novelists", in: Spender (ed.), British Women Novelists, op. cit., S. 201 - 1 1 ; s. ferner Allen, Bascho, Colby, V., Kap. 3, Johnson, Kap. 1, Jones, Α., Kap. 2, Mellor, Romanticism, Kap. 4, speziell S. 84, Spender, Mothers, Kap. 18, jeweils op. cit. Godwins Wollstonecraft-Biographie löste bekanntlich "The Great Wollstonecraft Scandal" aus. Thackeray, Anne (Mrs. Richmond Ritchie), A Book of Sybils. Mrs Barhauld, Miss Edgeworth, Mrs Opie, Miss Austen (London, 1883), S. 177; zu den Parallelen zwischen der Protagonistin des Opie-Romans und Mary Wollstonecraft s. auch Kelly, "Ideology", S. 23 f., und Spender, Mothers, op. cit., S. 322 In Modern Philosophers Allen, op. cit., S. 64 161

Schülerin Adeline Mowbray kennenlernt und von ihr beim Wort genommen wird, müssen beide zu der Erkenntnis gelangen, daß die Gesellschaft, in der sie leben, für soziale Experimente nicht reif ist. D o c h Adeline weist Glenmurrays wiederholte Heiratsanträge zurück und weigert sich, ihre theoretische Ablehnung der Ehe mit einer praktischen Anpassung an überholte gesellschaftliche Normen zu vereinbaren. Erst nach dem Tode Glenmurrays, mit dem sie ohne Trauschein zusammengelebt hat, entspricht sie seiner letzten Bitte und heiratet zu ihrer finanziellen Absicherung seinen Cousin Berrendale; vorher muß sie erfahren, daß sie sich ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen kann 1 6 0 und daß ihr der Weg zurück ins Haus ihrer Mutter vorerst versperrt bleibt. Berrendale erweist sich jedoch als Bigamist; die Erzählerfigur macht mehrfach deutlich, daß seine Bigamie nur eine extreme Form einer bestimmten Einstellung zu Frauen ist, die von vielen seiner Geschlechtsgenossen geteilt wird: He was conscious, indeed, that his fidelity to his wife had not been proof against a few weeks' absence; but then, being, like most men, not over delicate in his idea on such subjects, as soon as Adeline returned he had given up the connexion which he had formed, and therefore he thought she had not much reason to complain.16' Adelines Ehe kann sie und ihre Tochter nicht vor großer materieller N o t bewahren; als Folge ihrer Entbehrungen stirbt Adeline kurz nach ihrer Aussöhnung mit ihrer Mutter, der sie auf dem Totenbett ihre Tochter anvertraut. Vor ihrem Tod erhält Adeline noch die Gelegenheit, in Gesprächen mit einem früheren Verehrer und in einem Brief an ihn 1 6 2 ihre nunmehr veränderte Position in bezug auf die Institution Ehe darzulegen; dabei beharrt sie darauf, daß sie nicht aus der Erfahrung ihrer eigenen Ehe sprechen könne, sondern sich lediglich auf die einschlägige Ratgeberliteratur berufe. Das wichtigste Argument für die Institution Ehe sei dort, daß sie die Aufzucht und Erziehung der Kinder garantiere, die wiederum als Basis für das Wohl der Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit gelten müsse. Außerdem halte die E h e passions unter Kontrolle: Wenn Männer nicht durch die Ehe zur Treue gegenüber einer Frau verpflichtet wären, würden sie sich ständig neuen Liebesobjekten zuwenden; dieser ausschweifende Lebenswandel wirke sich aber negativ auf die Kindererziehung aus. , Edgeworth, Patronage, op. cit., S. 78 (Hervorhebung im Text); der Sprecher ist einer der Percy-Söhne, Alfred. 194 Ibid., S. 1 5 1 f.; zum Motiv des display s. auch Figes, "Introduction", S. XI. Figes verweist auf die deutlichen Parallelen zwischen Patronage und dem im gleichen Jahr erschienenen Austen-Roman, Mansfield Park; in beiden Romanen wird display durch eine private Theateraufführung illustriert. 1,5 Edgeworth, Patronage, op. cit., S. 1 1 3 ; dabei ist allerdings zu bemerken, daß nach modernem Verständnis die im Bild vom Rad der Fortuna implizierte Komponente des Zufälligen, des Schicksal- oder Glückhaften, das im Roman eine große Rolle spielt, dem Tugendund Verdienstprinzip in gewisser Weise zuwiderläuft.

171

Falconer über weite Strecken Disharmonie; Mrs. Falconer dominiert ihren Mann und mischt sich immer wieder in seine beruflichen Angelegenheiten ein.196 Wenn die Mentorfiguren, wie in den conduct books des Jahrhunderts immer wieder behauptet, nicht nur durch ihre Erziehungsprinzipien, sondern vor allem durch ihr exemplarisches Verhalten moralischdidaktische Autorität ausüben, folgt die gelungene Erziehung der PercyKinder ebenso aus der Rollenkomplementarität zwischen ihren Eltern wie die mißlungene Erziehung der jungen Falconers aus der Rollenkonkurrenz zwischen ihren Eltern. Im Vergleich zwischen den beiden Familiengruppen zeigt sich, daß sich in Patronage zwei fiktionale Paradigmata der Gegenüberstellung zwischen positiven und negativen Frauenfiguren überlagern. Das historisch jüngere der beiden Muster, eine Präfiguration des bürgerlichen Familienlebens im viktorianischen Roman, ist in Patronage am deutlichsten aus der Ehe zwischen dem Rechtsanwalt Alfred Percy und Sophia Leicester abzuleiten. In diesem Muster, in dem die Frau auf den häuslichen Bereich beschränkt bleibt, während der Mann einer Berufstätigkeit außerhalb des Hauses nachgeht, herrscht eine nahezu vollständige geschlechtsspezifische Rollendifferenzierung: [Sophia] had those habits of independent occupation, which are essential to the wife of a professional man, w h o must have many hours to spend alone, or to pass at least without the company of her husband. - She had also that cheerfulness of temper, readiness to converse, or to be silent, which are necessary to a man, whose mind is alternately engrossed with serious business, and in want of relaxation after tiresome exertion. - O n his return home every evening, he was sure to find a smiling wife, a sympathizing friend, a cheerful fireside, as delightful to the intellectual as to the corporeal laborer. - Sophia had musical talents, her husband was fond of music. - She did not lay aside the accomplishments, which had charmed the lover, but made use of them to please and attach him she had chosen as a companion for life. 1 9 7

Diesem Muster wird auch die Ehe zwischen Rosamond Percy und ihrem Mann, einem hochrangigen Regierungsbeamten, folgen. Neben diesem Muster bleibt jedoch ein historisch älteres Paradigma bestehen, das uns beispielsweise in Edgeworths Belinda begegnet ist. Es siedelt die positive Frauenfigur in einer ländlichen Umgebung an und assoziiert sie mit domesticity, die negativen Frauenfiguren leben in der Stadt und in einer world of fashion. Diese Lebensformen werden von den 196 197

S. beispielsweise ibid., S. i i 4 f . Ibid., S. 511 (Hervorhebung im Text) 172

männlichen Romanfiguren weitgehend geteilt und können daher als nur partiell geschlechtsspezifisch differenziert bezeichnet werden. Wie Mrs. Percy lebt auch Mr. Percy ein privates Leben auf dem Land, und Caroline Percy wird es mit ihrem aristokratischen Ehemann, der auf eine Stellung am Hofe verzichtet hat, ihren Eltern gleichtun.198 Entsprechend beziehen sich Mrs. Percys Erziehungsaufgaben zwar vorwiegend, aber nicht ausschließlich auf ihre Töchter; unter der Anleitung ihres Mannes achtet sie einerseits darauf, daß entgegen dem gängigen Vorurteil die intellektuellen Neigungen ihrer Töchter diese nicht für häusliche Betätigung disqualifizieren, andererseits artikuliert sie ihren Söhnen gegenüber die sozialen und moralischen Aspekte beruflichen Handelns. Daß Mrs. Percy ihrer Vorbildfunktion in beiden Mustern nachkommen kann, wird dadurch demonstriert, daß sie beide Töchter erfolgreich auf ihre unterschiedlichen Aufgaben als Ehefrauen eines gentleman of leisure einerseits, eines professional man andererseits, vorbereiten kann. Mrs. Falconer hingegen bewegt sich ausschließlich in der städtischen world of fashion und weigert sich außerdem, die neue Aufgabenverteilung zwischen weiblicher Häuslichkeit und männlicher Berufstätigkeit außer Hause zu akzeptieren. Allerdings läßt sich Mrs. Falconers Rolle im Roman nicht auf die einer negativen Kontrastfigur zu Mrs. Percy beschränken. Ihre kriminelle Perversion des Systems der patronage wird durch einen Abdruck des Siegels von Lord Oldborough, eines mächtigen Politikers, ermöglicht; dieser nimmt sie als Gegenspielerin durchaus ernst und wird durch ihre Aktionen zur Demission veranlaßt. Da es Lord Oldborough trotz lauterster Absichten nicht gelungen ist, in seiner politischen Laufbahn private Interessen und politische Entscheidungen zu trennen und da er keine der beiden von ihm selbst konstruierten Oppositionen, etwa zwischen love und ambition oder zwischen privat motiviertem politischem Intrigenspiel und selbstlosem Dienst am Vaterland, aufrechterhalten kann, werfen Mrs. Falconers finanzielle Erfolge mit seinem Siegel ein schlechtes Licht auf seine politischen Praktiken. In gewisser Weise kann Mrs. Falconer daher, wie Mrs. Freke in Belinda oder Bridgetina Botherim in Modern Philosophers, als eine Sündenbockfigur bezeichnet werden, die Freiräume für andere Figuren, hier für eine auktorial beglaubigte Kritik am zeitgenössischen politischen System, eröffnet. 1 " 1,8

Am Ende des Romans wird der Politiker Lord Oldborough zu dieser Lebensweise bekehrt. Diese These wird indirekt durch die parallele Geschichte der politischen Laufbahn von Caroline Percys Ehemann gestützt, dessen Verdienste um sein Vaterland vom Herrscher-

17З

Nun wird auch deutlich, daß Edgeworth nicht nur das Fortbestehen einer geschlechtsspezifisch relativ undifferenzierten Rollenverteilung affirmiert, sondern sich, wie ihre Figur Mrs. Falconer, in ihrer detaillierten Schilderung der beruflichen Karrieren der Percys und der Falconers einer Beschränkung auf den weiblich-häuslichen Bereich verweigert und das Recht beansprucht, „männliche" Themen darzustellen.200 Es verwundert daher nicht, daß, wie Butler darlegt, Patronage derjenige Edgeworth-Roman ist, der in der zeitgenössischen Kritik die größte Kontroverse hervorruft: Repräsentanten aller Berufsstände beschweren sich über die Darstellung ihres jeweiligen Berufs, und es gibt zahlreiche Versuche, den Roman als einen Schlüsselroman zu lesen und seine Politiker, Höflinge, seinen König mit real existierenden Personen zu identifizieren.201 In der Folgezeit neigen Edgeworth-Studien dazu, die Anteile R. L. Edgeworths am Roman überzubetonen. So schreibt Newby: "Whatever one feels constrained to say about Edgeworth's influence on his daughter's writing the probability is that Patronage is the kind of novel that would have been quite impossible for her without his active help." 202 Er muß allerdings zugeben, daß Maria Edgeworth zwar den Einfluß ihres Vaters anerkannt habe, aber immer darauf bestanden habe, daß Lord Oldborough ihre eigene Erfindung sei. Der Bereich der hohen Politik sei aber gerade der, der von Marias eigener, häuslich-privater Erfahrung am weitesten entfernt sei. Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß beide Texte, Opies Adeline Mowbray und Edgeworths Patronage, die zentrale Bedeutung der Mentorfiguren, insbesondere der Eltern, für die Entwicklung der Protagonistinnen affirmieren. Während Adeline Mowbray nur fehlgeschlagene Erziehungsmodelle präsentieren kann und damit die Rolle der Mentorfiguren ex negativa bestimmt, stehen sich in Patronage erfolgreiche und gescheiterte Erziehungssysteme gegenüber, auch wenn Erfolg und Mißerfolg durch zufällige Ereignisse beeinflußt werden.203 Dabei gelingt es dem

200 201

202 203

haus nicht honoriert werden. Während im Falle von Lord Oldborough die Kritik auf Mrs. Falconer verlagert wird, wird sie durch Count Altenberg ins Ausland verschoben. In beiden Fällen bleibt es der Leserin überlassen, die im Text angelegten Parallelen zu zeitgenössischen politischen Verhältnissen zu vervollständigen. S. dazu auch Mellor, Romanticism, op. cit., S. 83 f. S. dazu Butler, Edgeworth, op. cit., Appendix C, S. 495-9, sowie Ferris, ebenfalls op. cit., S. 67 f.; Butler beschreibt auch Edgeworths Reaktionen auf diese Vorwürfe, die sich vor allem in den Änderungen der dritten Ausgabe, ebenfalls 1814, und der ersten Gesamtausgabe von 1825 niederschlagen. Newby, op. cit., S. 73 f. Edgeworth würde hier wahrscheinlich argumentieren, daß sie habe zeigen wollen, wie sich ihre Figuren angesichts der Wechselfälle des menschlichen Lebens verhielten und daß das Glück die Tüchtigen begünstige und ihnen zu irdischem Lohn verhelfe.

174

Roman allerdings nicht, die transgressive Energie der negativen Mentorfigur Mrs. Falconer einzugrenzen, ein Problem, das dadurch verschärft wird, daß weder Mrs. Falconer noch ihr Mann durch die Strafen, die sie und ihre Kinder treffen, moralisch geläutert erscheinen; im vorletzten Kapitel des Romans erfahren wir, daß Mrs. Falconer neue Pläne für die Versorgung ihrer Töchter schmiedet und ihrem Mann nach wie vor sein mangelndes Durchsetzungsvermögen vorwirft und daß dieser sich immer noch auf das System der patronage verläßt.204

2.4 Erziehungsziele I: Literarische und ästhetische Erziehung Während sich die vorhergehenden Kapitel der Frage nach den Trägerinnen und Trägern moraldidaktischer Autorität im weiblichen Erziehungsroman gewidmet haben und untersucht haben, welcher Erziehungsmethoden sich diese Autoritätsfiguren bedienen können, werden sich die folgenden Abschnitte mit einigen der Erziehungsziele beschäftigen, die im weiblichen Erziehungsroman verfolgt werden können. Dabei werden in Kapitel 2.4 die partiellen Erziehungsziele der literarischen und ästhetischen Erziehung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, wobei allerdings daran erinnert werden muß, daß die Romanautorinnen der Epoche ebenso wie die Autorinnen und Autoren von conduct books die literarische und ästhetische Erziehung als einen Beitrag zur Formung des weiblichen Geschlechtscharakters verstehen, der seine Bedeutung erst im Kontext der generellen Erziehungsziele des jeweiligen Textes erhält; die Erziehung zum richtigen Lesen und zum richtigen Sehen hat, wie unsere Beispiele in Kapitel 2.4.1 und 2.4.3 zeigen werden, eine moraldidaktische Dimension. 205 Ein weiterer Aspekt der literarischen Erziehung wird in Kapitel 2.4.2 eröffnet werden. Die beiden anti-romances "Angelina; or, L'Amie Incon204

Edgeworth, Patronage, op. cit., S. 616 f.; in einem Brief an Mr Percy schreibt Mr. Falconer: "P. S. I have just learnt, that the little place I mentioned to Mr Alfred Percy, when we last met, is not disposed of. - Lord Oldborough's influence, as Mr Temple well knows, is still all powerful, and your interest with his Lordship, you must be sensible, is greater than that of any other person living without exception. A word from you would do the business for me."

105

Daher erheben beispielsweise zwei historisch bzw. literarisch ausgerichtete Erziehungstexte, Mrs. Pilkingtons A Mirror for the Female Sex. Historical Beauties for Young Ladies, Intended to Lead the Female Mind to the Love and Practice of Moral Goodness (London, 1798) und John Aikins Letters to a Young Lady on a Course of English Poetry (London, 1804) einen ganzheitlichen Anspruch. I

75

nue" und Northanger Abbey können als besonders ausgeprägte Beispiele des literaturdidaktischen Projektes dienen, in dessen Verlauf sich der weibliche Erziehungsroman, im Dialog mit anderen Subgenre-Konventionen, erst eigentlich konstituiert. 2.4.1 Ossian-Rezeption in Hamiltons Munster Village und Owensons The Wild Irish Girl Mary Hamilton, Munster Village (1778) Zu Beginn von Mary Hamiltons Roman Munster Village206 verliebt sich ein junger Mann, Lord Finlay, der Sohn des Politikers Lord Munster, in die Tochter seines Hauslehrers: Miss B u r t had a merit the more engaging, f r o m its avoiding notice and parade: a refined genius, enriched with great knowledge and h a p p y expression, united w i t h the most candid sincerity and goodness of heart; these qualities entitled her to the esteem and friendship of every noble mind: and the thick veil, under which her too great modesty concealed her pre-eminence, exalted her in the penetrating eyes of her lover. 2 0 7

Die beiden heiraten, gegen den Willen Lord Munsters, der seinen Sohn enterbt. Lady Finlay kann ihre Familie eine Weile durch den Verkauf ihrer Gemälde ernähren, doch dann stirbt sie, und ihr Ehemann überlebt sie nur um wenige Wochen. Die beiden Kinder werden von ihrer Tante, der Schwester Lord Finlays, aufgezogen; diese, Lady Frances, ist die eigentliche Protagonistin des Romans. Sie erbt durch den Tod ihres Bruders und den Selbstmord ihres Vaters das Familienvermögen und errichtet mit ihm ein Mustergut, eben Munster Village, das sie bis zur Volljährigkeit ihres Neffen verwaltet. Das Thema der weiblichen Erziehung wird, wie aus dieser kurzen Inhaltsübersicht bereits hervorgegangen ist, im Roman am Beispiel verschiedener Figuren illustriert, vor allem an Miss Burt, der späteren Lady Finlay, an ihrer Schwägerin Lady Frances sowie an Eliza Finlay, Lady Finlays Tochter und Lady Frances' Nichte, bei deren Erziehung die Tante die mütterliche Rolle übernimmt. Außerdem erhalten in dem Erziehungsinstitut, das Lady Frances in Munster Village gründet, neben 200 jungen Männern auch 20 junge Mädchen eine solide, praktisch orientierte Erziehung. 206

107

Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1987 (intro. Sarah Baylis, London, 1987; Pandora Mothers of the Novel Series); außer bei Mellor, Romanticism, op. cit., S. 39 bzw. S. 53 f., hat Mary Hamiltons Roman bislang keinerlei kritische Beachtung gefunden. Hamilton, Munster Village, op. cit., S. 6 f.

176

Das eben genannte Erziehungsinstitut und das Mustergut Munster Village sind erste Indizien dafür, daß Hamiltons Roman, der ja seinem Entstehungsdatum nach zu den ersten Vertretern des Subgenres weiblicher Erziehungsroman gehört, ein für diese Romantradition ungewöhnlich großes Themenspektrum aufweist. In der Tat kritisiert die auktoriale Erzählerfigur etwa auf den ersten drei Seiten des Romans Vertreter von Politik, Klerus und Militär und macht jeweils Vorschläge, wie den von ihr kritisierten Mißständen abgeholfen werden könnte. Die Verankerung dieser gesellschaftskritischen Äußerungen in der Erzählerrede und der umfangreiche Fußnotenapparat des Textes machen deutlich, daß in diesem frühen Text die Divergenz zwischen Leserinnen- und Protagonistinnenerfahrung über weite Strecken so groß ist, daß die Romanhandlung zu einem bloßen Anlaß für zahlreiche, an die Leserin adressierte didaktische Exkurse wird. Die wichtigste Digression im ersten Teil des Romans ist die Beschreibung von Munster Village, die eine Utopie einer geordneten Gesellschaft unter der Kontrolle einer gütigen Matriarchin, eben Lady Frances, entwickelt/ 08 Im Mittelpunkt dieses Musterdorfes steht die tribuna genannte Erziehungsinstitution, deren didaktische Funktion die auktoriale Erzählerfigur für die Leserin beschreibt und damit zugleich der Leserin gegenüber übernimmt. So erläutert sie beispielsweise den Stellenwert der Rhetorik im Fächerkanon der tribuna folgendermaßen: The master for oratory was recommended by Mr Sheridan, who says that the art of oratory may be taught upon certain principles, and with as good a prospect of success, as it ever was by the rhetoricians of Greece or Rome, or as the arts of music, painting, etc. are taught by their several professors. He formed himself on Quintilian's institutes of eloquence, who particularly recommends cbironomy, or gracefulness of action, which took rise in the age of heroism, was practised by the greatest men in Greece, was approved of by Socrates, ranked by Plato amongst the civil virtues, and recommended by Chryssipus [sic] in his treatise upon the education of youth. 209

Auf ähnliche Weise werden Exkurse zur britischen Malerei im 18. Jahrhundert, 210 zu Gartenbau und Viehzucht, zu den poor rates und zu vielen anderen Aspekten zeitgenössischen Lebens wie zu ihren historischen Wurzeln in den Text integriert. Wie das obige Zitat gezeigt hat, wird 208 « A feminist Utopian fantasy", Mellor, Romanticism, op. cit., S. 39 209 Hamilton, Munster Village, op. cit., S. 25 (Hervorhebung im Text) 210 S. zum Thema Malerei im weiblichen Erziehungsroman Burlin, Katrin R., ' " A t the Crossroads': Sister Authors and the Sister Arts", in Schofield/Macheski, op. cit., S. 6 0 - 8 4 ; auch in diesem Aufsatz bleibt Hamilton leider unberücksichtigt.

177

dabei besonders der in der weiblichen Erziehung oft vernachlässigte Bereich der klassischen Antike berücksichtigt, hier durch eine kurze Geschichte der Rhetorik von Quintilian bis zu Chryssipos und durch die Einführung und Erläuterung des Begriffs chironomy. Das Gegenstück zur Beschreibung von Munster Village im ersten Teil des Romans ist im zweiten eine masque, die bedeutende Autoren und Künstler aus der Unterwelt in die Gegenwart des Romans zurückführt, wo sie Lady Frances huldigen und sich dafür bedanken, daß ihr Andenken in den Erziehungsinstitutionen von Munster Village gepflegt wird; Lady Frances antwortet auf die Huldigungsreden jeweils ex tempore. Auf die Griechen mit ihrem Sprecher Demosthenes folgen die Römer unter der Leitung Ciceros; "Lawrence de Medicis", der die Patronin der Künste Lady Frances als seine würdige Nachfahrin betrachtet, geht der Gruppe der Italiener voran. Nach dem Auftritt verschiedener Figuren aus der Epoche von Charles II. bitten zwei Herren, Chesterfield und Lyttelton, den Fährmann Charon, sie zu Lady Frances überzusetzen; Lytteltons Bitte wird entsprochen, Chesterfield muß zurückbleiben, eine Zurückweisung, die mit dem negativen moralischen Einfluß und insbesondere mit dem misogynen Frauenbild Chesterfields begründet wird.211 Das gleiche Schicksal widerfährt, mit analoger Begründung, auch Homer; Ossian hingegen erhält Zugang zu Lady Frances' moralischem Universum: "But Ossian had a just claim to that indulgence."212 Der nun folgende Dialog zwischen Lady Frances und Ossian erfüllt zunächst, wie die vorausgegangenen Reden von Demosthenes, Cicero oder Lorenzo di Medici, die Funktion der Huldigung: 2.1

Hamilton, Munster Village, op. cit., S. 1 3 6 - 9 ; Hamilton spielt hier auf Chesterfields Letters to his Son. On the Fine Art of Becoming a Man of the World and a Gentleman (1774) an und vergleicht ihre moralische Schädlichkeit mit der politischen Destabilisierung, die Montesquieus De l'esprit des loix (1748) in Frankreich ausgelöst habe; das Frauenbild Chesterfields wird später auch von Wollstonecraft heftig kritisiert (Vindication of the Rights of Woman, op. cit., S. 2oy{{; s. dazu Brosch, Kap. 1 . 1 , und Devlin, Austen, Kap. 1, jeweils op. cit.). Die Leistungen, denen Lyttelton eine positivere Bewertung verdankt, sind dagegen weniger leicht auszumachen; sein 1731 erschienener Text Advice to a Lady wird von Lady Mary Wortley Montagu in " A Summary of Lord Lyttelton's Advice to a Lady" satirisiert (s. dazu Mason, op. cit., S. xoi), doch seine Dialogues of the Dead (1760) beweisen seine positive Einstellung zu weiblicher Autorschaft (die letzten drei Dialoge stammen von Elizabeth Montagu).

2.2

Hamilton, Munster Village, op. cit., S. 139; zur Ossian-Rezeption der Epoche s. Gaskill, Howard (ed.), Ossian Revisited (Edinburgh University Press, 1990) und Stafford, Fiona J., The Sublime Savage. A Study of James Macpherson and the Poems of Ossian (Edinburgh University Press, 1988). Macphersons erste Ossian-Texte erscheinen 1760 (Fragments of Ancient Poetry, collected in the Highlands of Scotland, and translated from the Galic [sic] or Erse Language), gefolgt von Fmgal, an Ancient Epic Poem in Six Books: together with Several Other Poems composed by Ossian, the Son of Fingal (1762) und Temora, an

178

I have escaped from the narrow-housel I have crossed Colamon, О daughter of Munster, to behold thy glory. My joy returns as when I first beheld the maid, the white-bosomed daughter of strangers, Moina with the dark blue eyes: But Crimiona should be thy name, for thou art the guiding star of the women of Albion, who mark no years with their deeds! Time rolls on, seasons return, but they are still unknown. Vanity is their recompence; and when their years shall have an end, no grey stone shall rise to their renown! But the departure of thy soul shall be a stream of light! A thousand bards shall sing of thy praise; and the maids of harmony, with their trembling harps, shall relate thy mighty deeds! 213

Dieses Zitat zeigt bereits, daß der Ossian-Dialog neben der genannten strukturellen noch eine weitere Dimension hat, die als literaturdidaktisch bezeichnet werden muß. Durch eine Stilimitation, zu der sowohl die Autorin, durch den Mund des Barden, als auch ihre Figur Lady Frances fähig sind, - diese antwortet dem Barden in wohlgesetzten Worten - , werden die Leserinnen mit charakteristischen Elementen des „ossianischen" Stils vertraut gemacht. Alle im obigen Zitat kursiv erscheinenden Wörter sind im Text mit Anmerkungen versehen: "The narrow-house, the grave; Colamon, a narrow river; Moina, a woman soft in temper; Crimiona, a woman with a great soul." 2 1 4 Darüber hinaus erhalten die Leserinnen, wie wir gesehen haben, Anleitungen zur Bewertung, das heißt, zum relativen literarischen Wert, der Dichtungen Ossians. Nun ist zwar, wie die Forschung zur Ossian-Rezeption gezeigt hat, die Präferenz für die empfindsamen ossianischen Helden gegenüber den rauhen homerischen ein Topos der Literaturkritik des späten 18. Jahrhunderts; demnach paart sich bei ersteren ihr unzweifelhafter Mut mit Güte, Mitgefühl, Großzügigkeit und Zärtlichkeit. So schreibt etwa Henry Home, Lord Kames, in seinen Sketches of the History of Mam "In Homer's time, heroes were greedy of blunder; and, like robbers, were much disposed to insult a vanquished foe. According to Ossian, the ancient Caledonians had no idea of blunder; and as they fought for fame only, their humanity overflow'd to the vanquished [.. .]." 2 1 5 Die Besonderheit der Hamiltonschen Ossian-Rezeption liegt jedoch darin, daß sie ihre Bewertung Ossians nicht mit dessen im Vergleich zu Homer positiverem Heldenbild, sondern mit seinem ihrer Meinung nach Andent Epic Poem in Eight Books: together with Several Other Poems composed by Ossum, the Son of Fingal (1763). 1,3 Hamilton, Munster Village, op. cit., S. 139 (Hervorhebungen im Text) " i Ibid. Edinburgh, 1774, S. I.292; zitiert nach Stafford, op. cit., S. 176

49

moderneren Frauenbild begründet. Diese These wird durch eine Analyse der Episode gestützt, die Ossian zur Unterhaltung der Festgäste vorträgt, eine Episode, die, wie die entsprechende Fußnote anzudeuten scheint, von Hamilton aus Livius' römischer Geschichte, Ab urbe condita libri, entliehen und „ossianisiert" worden ist: L i v y has j u s t l y raised the praise of Scipio, w h o restored to her lover the C e l t i b erian captive; w h i c h has been the f a v o u r i t e topic of eloquence in every age and e v e r y country. T h e author cannot think it merited such c o m m e n d a t i o n , as to have acted otherwise w o u l d have been mere brutality, -

but if granted so

liberally to Scipio, it cannot be r e f u s e d t o O s s i a n . 2 1 6

In der genannten Episode präsentiert sich Ossian als eine Person, die seiner Gefangenen das Recht der Selbstbestimmung einräumt, und als ein Autor, der der weiblichen Stimme einen Platz in seinem Text zugesteht: Die Rede Ossians bildet lediglich den Rahmen für die Selbstdarstellung und für die bewegte Klage seiner Gefangenen und soll außerdem, wie Ossians bereits zitierte einleitende Anrede an Lady Frances gezeigt hat, in ihrer Gesamtheit dem Frauenlob dienen; die Anrede definiert im übrigen Frauenlob und eine Geschichte weiblicher Taten2'7 als Aufgabe einer zukünftigen Bardengeneration. Genau dieser Aufgabe stellt sich natürlich Hamiltons Text, der sich in seinem Lob für die Romanfigur Lady Frances explizit - und selbstbewußt - in die Gruppe der klassischen Dichter einreiht, die wie Ovid, Horaz oder Catull in ihren Texten ihre Geliebten verherrlicht haben.2'8 Sydney Owenson, The Wild Irish Girl (1806) In der Sekundärliteratur zu Owensons Roman The Wild Irish Girl wird häufig auf seine „ossianischen" Tendenzen in Inhalt und Grundgestimmtheit verwiesen.2'9 Dabei bleibt in der Regel unberücksichtigt, daß diese 2.6 2.7

2.8 2.9

Hamilton, Munster Village, op. cit., S. 140, vierte Fußnote Der Begriff deed (ibid., S. 139 und S. 292) ist natürlich in der Regel für die Taten von Kriegshelden reserviert. Ibid., S. 139 Der Roman wird im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1986 (intro. Bridget Brophy, London, 1986; Pandora Mothers of the Novel Series); „ossianisch" ist der Roman nach Jeffares, Α. Norman, Anglo-Irish Literature (Dublin, 1982; Macmillan History of Literature) und Kosok, Heinz, Geschichte der anglo-irischen Literatur (Berlin, 1990); s. außerdem zu Owenson: Campbell, Mary, Lady Morgan. The Life and Times of Sydney Owenson (London, 1988), Lubbers, Klaus, Geschichte der irischen Erzählprosa. Band 1: Von den Anfängen his zum ausgehenden 19. Jahrhundert (München, 1985), Kap. 2, dritter Abschnitt, sowie Bascho, Kap. 2, vierter Abschnitt, Jones, Α., Kap. 7, Mellor, Romanticism, Kap. 5, speziell S. 9 7 - 1 0 3 , und Spender, Mothers, Kap. 17, jeweils op. cit.

180

„ossianischen" Tendenzen durch die männliche Hauptfigur, Horatio Mortimer, vertreten werden, aus dessen Briefen an seinen Freund, "J· D., Esq., Μ. P.", der Roman, mit Ausnahme eines auktorial erzählenden Schlußkapitels, besteht. Dieser Adressat ist, wie Horatio selbst, ein großer Ossian-Verehrer; entsprechend leitet Horatio einen seiner Briefe folgendermaßen ein: "Here is a bonne bouche for your antiquarian taste, and Ossianic palate!" 220 Auch Horatios sonstige Lektüre, etwa Cervantes oder die sentimentale Romantradition, und sein Hobby, die Malerei, der er eine Kenntnis der zeitgenössischen ästhetischen Theorie und einen Blick für malerische Szenerie verdankt, 221 gehen in Horatios Irlandwahrnehmung ein und dienen gleichzeitig als ein Koordinatensystem, das ihm und seinem lesenden Freund die Orientierung in der für sie neuen Welt erleichtert. Die Titelfigur des Romans, das „wilde irische Mädchen" Glorvina, ist die Tochter einer verarmten katholischen Adelsfamilie, die mit ihrem Vater und einem Hauskaplan in den Ruinen des Familiensitzes ein kärgliches Dasein fristet. In dieser Familie begegnet Horatio den letzten Vertretern einer gälischen Kultur, die den kulturellen Leistungen der klassischen Antike in nichts nachsteht, ja sich zum Teil sogar, durch Vermittlung der mythischen phönizischen Besiedler Irlands, aus der klassischen Antike herzuleiten scheint. 222 Die Erforschung der Sprache, Dichtung, Musik, Kultur des gälischen Irland beginnt, ursprünglich von archivalischem Interesse geleitet,223 erst in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts und wird zunehmend zu einer politischen Geste, die in einer Zeit der politischen Spannungen zwischen England und Irland die kulturelle und damit implizit die politiOwenson, Wild Irish Girl, op. cit., S. 93 (Hervorhebung im Text) Anspielungen auf Don Quijote finden sich beispielsweise auf S. 26 und 33, während die sentimentale Romantradition (mit Rousseau, Bernardin de Saint-Pierre, Goethes Werther etc.) auf S. 140 eingeführt wird. „Pittoreske" und „groteske" Szenen entdeckt Horatio etwa auf S. 37 und S. 39; seine Autorin wird später eine fiktionalisierte Biographie des Malers Salvator Rosa schreiben (The Life and Times of Salvator Rosa, 2 vols., London, 1824), dessen Gemälde in den Augen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts als beste Beispiele des Pittoresken in der Malerei gelten (s. dazu auch Kapitel 2.4.3 der vorliegenden Arbeit). 111

Owenson, Wild Irish Girl, op. cit., S. 140: "'And [this custom] most probably was brought hither,' said the priest, 'from Greece by our Phoenician progenitors; for we learn from Athenienus, that the young Greeks hung garlands on the doors of their favourite mistresses on the first of May; nor indeed does the Roman storalia differ in any respect from ours."'

" 3 Diesem archivalischen Interesse trägt beispielsweise Owensons eigene Sammlung, Twelve Original Hibernian Melodies, from the Works of the Ancient Irish Bards (London, 1805) Rechnung.

181

sehe Eigenständigkeit Irlands gegenüber England affirmiert und die Bürgerrechte der katholischen Bevölkerung gegenüber der protestantischen Ascendancy einklagen will.224 Entsprechend wird The Wild Irish Girl trotz des versöhnlichen Romanschlusses vor allem in Irland als ein politisches Manifest rezipiert und löst überdies eine heftige kritische Kontroverse hinsichtlich der Funktion und Bestimmung des Genres Roman aus.225 Owenson selbst streitet 1806 eine politische Intention ihres Romans ab; erst im Vorwort zu einer späteren Ausgabe schreibt sie: I came to the task with a diffidence proportioned to the ardour w h i c h instigated me to the attempt; for as a w o m a n , a y o u n g w o m a n , and an Irishwoman, I felt all the delicacy of undertaking a w o r k which had for the professed theme of its discussion, circumstances of national import, and of national interest. 2 2 6

Owensons Titelheldin Glorvina erweist sich, entgegen den Erwartungen des Protagonisten, mitnichten als „wild" im Sinne von „unkultiviert", „ungelehrt"; sie ist vielmehr eine hochgebildete junge Frau, deren Bildungsgang und Bildungsinhalte im Text ausführlich geschildert werden. So hat sie unter der Anleitung des Hauskaplans Latein und Griechisch gelernt, übersetzt flüssig aus dem Gälischen, äußert sich kenntnisreich zur französischen Literatur, spricht Italienisch wie eine Florentinerin und Englisch besser als die meisten Engländerinnen, das heißt, ohne den irischen Akzent, dessen Kenntnis das englische Theaterpublikum des 18. Jahrhunderts den zahlreichen irischen Komödianten der Epoche verdankt.227 In einer Inversion der aus anderen weiblichen Erziehungsroma224 225

S. dazu Campbell, S. 6 1 - 4 , Ferris, S. 48ff., und Lubbers, S. 7 1 , jeweils op. cit. Campbell zitiert aus Crokers Owenson-Rezension in dem ^sceWtfягу-Publikationsorgan Freeman's Journal (S. jii.)t Lubbers aus Monthly Review, Vol. 57 (1808): "Romances and novels were formerly written to make old women sleep, and to keep young women awake. They interfered not with the serious affairs of the world; but dwelt in a region of their own, and revelled there free and unconfined. [...] N o w , however, they are frequently made the vehicles of the most marked and serious instruction; [...] and instead of being toys to amuse, they have occasionally become extremely useful as mines to blow up, or as battering rams to throw down, whatever is deemed hurtful to society." (S. 9 1 )

226

Zitiert nach Campbell, S. 61; Owensons spätere Romane und ihre sonstigen Aktivitäten, in denen sie von ihrem Mann nachhaltig unterstützt wird, leisten bekanntermaßen einen Beitrag zur Catholic Emancipation. Aufgrund ihres sozialen und politischen Engagements und Einflusses bezeichnet sie Spender (in Mothers, op. cit., Chapter 17, " L a d y Morgan [Sydney Owenson] and Political Fiction") etwas plakativ als Bindeglied zwischen Charlotte Smith und Elizabeth Gaskell.

227

Owenson, Wild Irish Girl, op. cit., S. 3 1 , 79, 71 f. und 126 f.; dabei gelingt es Glorvina auch, Horatios Vorurteile gegen gelehrte Frauen, "'Tis, indeed, impossible to look less like one who spouts Latin with the priest of the parish, than this same Glorvina'" (ibid., S. 56) zu entkräften. Der Roman kann im übrigen als ein Text gelesen werden, in dem die weibliche Titelfigur zu einer Projektionsfläche der jeweiligen Frauenbilder Horatios und

182

nen vertrauten Mentor-Liebhaber-Konvention gibt Glorvina, zusammen mit ihrem Vater und ihrem Hauslehrer, einen Teil ihres beträchtlichen Wissens an Horatio weiter, der diese Informationen, die sich vor allem auf die große kulturelle Vergangenheit Irlands beziehen, wiederum für seinen archivalisch interessierten Freund, als Repräsentanten der Leserin im Text, festhält; die jeweiligen Ausführungen Glorvinas und der anderen irischen Figuren sind dabei mit einem umfangreichen Fußnotenapparat der Autorin versehen.228 Im zwölften Brief, in dessen Einleitung Horatio, wie wir bereits gesehen haben, seinem Londoner Freund einen „ossianischen" Leckerbissen verspricht, wird eine Diskussion zwischen Horatio einerseits, dem Vater Glorvinas und dem Hauskaplan andererseits, wiedergegeben. Diese Diskussion faßt die drei repräsentativen Positionen der Ossian-Rezeption der Epoche zusammen, nämlich die vor allem in England, und prominent von Samuel Johnson, vertretene Meinung, Macpherson sei ein Fälscher, das schottisch-patriotische Beharren auf der Authentizität der Texte und schließlich die irische Anschuldigung, Macpherson habe ursprünglich irisch-gälische Texte und ihren irisch-gälischen Autor für Schottland requiriert. Letzterer Vorwurf wird, wie Stafford zeigt, bereits im Jahr der zweiten Ossian-Sammlung von Ferdinando Warner in Remarks on the History of Fingal and Other Poems of Ossian erhoben. 229 Alle drei Positionen sind in der Ossian-Forschung bis zum heutigen Tage präsent; so wehrt sich etwa Donald E. Meek in einem 1990 erschienenen Aufsatz vom schottischen Standpunkt aus gegen irische Usurpationsbestrebungen: Recently Macpherson has been cast in the role of a disingenuous Scottish 'picker-up' of Irish ballads, which (we are told) he then misleadingly refashioned into another mould, with its shape determined b y Macpherson's o w n pro-Scottish and anti-Irish tendencies. It is certainly correct to stress Macpherson's pro-Scottish bias; but it is quite incorrect to imply that the tradition tapped b y Macpherson had no proper Scottish dimension, or that it was, in some way, the 'off-scouring' of a more noble tradition in Ireland. Macpherson, for all his faults (and he doubtless had some) was not a literary hijacker [.. .]. 2JO

228

229 230

der anderen männlichen Figuren wird; eine Untersuchung dieser Projektionsmechanismen würde jedoch den Rahmen des Kapitels sprengen. S. dazu beispielsweise Glorvinas Ausführungen zur irischen Harfe, ibid., S. 6 2 - 4 ; Owensons Hang zu gelehrten Fußnoten wird von Lubbers (op. cit., S. 76) kommentiert. London, 1762; s. dazu Stafford, op. cit., S. 1 6 4 - 6 Meek, Donald E., "The Gaelic Ballads of Scotland: Creativity and Adaptation", in: Gaskill (ed.), op. cit., S. 19-48; Meek bezieht sich auf die „irische" Position Hugh Trevor-Ropers in dessen Aufsatz "The Invention of Tradition: The Highland Tradition of Scotland", in: 183

Selbstverständlich kann es an dieser Stelle nicht darum gehen, die relative Berechtigung der drei genannten Positionen zu dokumentieren. Es sei lediglich festgehalten, daß die Diskussion in The Wild Irish Girl die wichtigsten Texte zur Ossian-Kontroverse kompetent rekapituliert, wobei Zitate aus der kritischen Literatur und eigenes Beispielmaterial relativ beliebig auf den eigentlichen Text und den glossarischen Subtext des umfangreichen Fußnotenapparates verteilt sind. Im Kontext des Romans hat die Diskussion, wie die anderen Informationen zur Geschichte und Kultur Irlands, sowohl eine politisch-patriotische als auch eine didaktische, hier speziell eine literaturdidaktische, Funktion. Darüber hinaus dient Glorvinas Zusammenfassung dieser Diskussion erneut dazu, ihre Gelehrsamkeit, die sich exemplarisch mit weiblicher Sensibilität paart, zu dokumentieren. Als vorbildliche Ossian-Leserin verweist sie zu Recht auf die stilistischen Unterschiede zwischen Macphersons archaischen Quellen und seiner am Geschmack des 18. Jahrhunderts orientierten Bearbeitung dieser Quellen: In the original Irish poems, if m y fancy is sometimes dazzled by the brilliant flashes of native genius; if my heart is touched b y strokes of nature, or my soul elevated by the sublimity of sentiment, yet my interest is often destroyed, and my admiration so often checked, by relations so wildly improbable, by details so ridiculously grotesque, that though these stand forth as the most undeniable proofs of their authenticity and the remoteness of the day in which they were composed, yet I reluctantly suffer my mind to be convinced at the expense of my feeling and my taste. But, in the soul-stealing strains of 'the voice of Cona', as breathed through the refined medium of Macpherson's genius, no incongruity of style, character, or manner, disturbs the profound interest they awaken. 2 3 1

Aus heutiger Sicht zeigt diese Äußerung, trotz ihrer romantischen Diktion, einen höheren Grad an literarischer Reflexion als Lord Kames' vergleichsweise naives Lob der sensiblen gälischen Helden; 232 dieser „ossianische" Aspekt des Romans ist in der Owenson-Forschung bisher unberücksichtigt geblieben. Sowohl in Munster Village als auch in The Wild Irish Girl hat also die Beschäftigung mit Ossian eine didaktische, vor allem eine literaturdidaktische, Funktion. Daß die Adressatin dieser literaturdidaktischen Bemühungen primär die Leserin ist, geht aus den beiden Romanen insofern Hobsbawm, Eric and Terence Ranger (eds.), The Invention 231 1,1

1983). S. 1 5 - 4 1 · Owenson, Wild Irish Girl, op. cit., S. 107 S. dazu erneut Stafford, op. cit., S. 176 184

of Tradition (Cambridge,

besonders deutlich hervor, als die Leserin bei Hamilton und Owenson, anders als in anderen weiblichen Erziehungsromanen, nicht mit der weiblichen Hauptfigur lernt, sondern eher deren Wissensvorsprung einholen muß; entsprechend können die beiden weiblichen Hauptfiguren, Lady Frances in Munster Village und Glorvina in The Wild Irish Girl, die wiederum durch ihren vorbildlichen Umgang mit literarischen Motiven ihre Vorbildhaftigkeit auch auf anderen Gebieten unterstreichen, Mentorfunktionen übernehmen. Während sich Hamilton in Munster Village einer für den weiblichen Erziehungsroman singulären Strategie der Verankerung der Lyrik-Rezeption im Text bedient, kann die Ossian-Diskussion in The Wild Irish Girl als eine Variante des didaktischen Gesprächs betrachtet werden, das uns im weiblichen Erziehungsroman häufig, wenn auch selten in so umfangreicher Form, begegnet. Typisch ist folgendes Beispiel aus dem dritten Kapitel von Austens Sense and Sensibility: ' O h ! mama, h o w spiritless, h o w tame w a s Edward's manner in reading to us last night! I felt f o r m y sister most severely. Yet she bore it w i t h so much composure, she seemed scarcely to notice it. I could hardly keep m y seat. T o hear those beautiful lines which have frequently almost driven me wild, pronounced with such impenetrable calmness, such dreadful indifference!' ' H e w o u l d certainly have done more justice to simple and elegant prose. I thought so at the time; but y o u would

give him C o w p e r . '

' N a y , mama, if he is not to be animated b y C o w p e r ! - but w e must allow f o r difference of taste.' 2 ' 3

Auch durch poetische Einsprengsel und durch die Motti der jeweiligen Romankapitel kann die Beschäftigung mit poetischen Texten in den weiblichen Erziehungsroman integriert werden und eine literaturdidaktische Funktion übernehmen. So fügen sich beispielsweise die Motti von Radcliffes The Mysteries of Udolpho114 zu einer repräsentativen Anthologie englischer Literatur, deren Schwerpunkt auf der Lyrik des 18. Jahrhunderts liegt, zusammen;235 diese präromantische Lyriktradition wird von Radcliffe durch eigene Textbeispiele, die sich gelegentlich mit didakti233

234

235

Austen, Jane, Sense and Sensibility (1811; zitiert nach der Ausgabe von 1970, ed. James Kinsley and Clare Lamont, Oxford University Press, 1970), S. 14; die Sprecherinnen sind Marianne Dashwood und ihre Mutter. Radcliffe, Ann, The Mysteries of Udolpho: A Romance (1794; im folgenden zitiert nach der "World's Classics"-Ausgabe von 1980, ed. Bonamy Dobree, Oxford University Press, 1980) S. etwa einige der Motti des ersten Bandes: Kap. 1, 5 und 6 Thomson (der auch im Kapitel selbst zitiert wird), Kap. 2 und 10 Shakespeare, Kap. 3, 4 und 7 Beattie, Kap. 8 Collins, Kap. 9 Mason usw. 185

sehen Gesprächen verbinden, ergänzt. Das Gedicht "The Glow-Worm" der Protagonistin Emily wird entsprechend folgendermaßen eingeleitet: '[...] Let us hear what vagaries fancy has been playing in your mind. If she has given you one of her spells you need not envy those of the fairies.' 'If it is strong enough to enchant your judgment, sir', said Emily, 'while I disclose her images, I need not envy them. The lines go in a sort of tripping measure, which I thought might suit the subject well enough, but I fear they are too irregular.' 1 ' 6

Schließlich können die jeweiligen Erzählerfiguren punktuell auf poetische Texte rekurrieren: "But we have reason to fear that what Mr. Pope observes of one of them may be applicable to most. 'Europe he saw, and Europe saw him too.'"**7 Natürlich zeigen alle Textbeispiele, daß die Anspielungen auf Dichter und ihre Texte sowie die verschiedenen Textmontagen neben der literaturdidaktischen auch noch andere Funktionen in den jeweiligen Erziehungsromanen erfüllen, etwa die der Charakterisierung von Romanfiguren bei Austen oder Radcliffe, des Ornatus bei Mary Hamilton usw.; nicht nur ist die literaturdidaktische Erziehung nur ein Aspekt einer umfassenderen didaktischen Intention, sondern ein anspruchsvoller weiblicher Erziehungsroman zeichnet sich gerade durch die gelungene Integration verschiedener Funktionen aus. 2.4.2 Romanrezeption in Edgeworths "Angelina" und Austens Northanger Abbey Mit Charlotte Lennox' 1752 erschienenem Roman The Female Quixote; or, The Adventures of Arabellabeginnt in Großbritannien eine Ro*>6 Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 16; der erste Sprecher ist Emilys Vater. 237 Hamilton, Munster Village, op. cit., S. 42 (Hervorhebungen im Text) 238 Wichtige neuere Arbeiten zu Lennox sind Doody, Margaret Anne, "Shakespeare's Novels: Charlotte Lennox Illustrated", in: Studies in the Novel, Vol. X I X (1987), S. 296-310, Langbauer, Laurie, "Romance Revisited: Charlotte Lennox's The Female Quixote", in: Novel, Vol. 18 (1984), S. 29-49 u n d Ross, Deborah, "Mirror, Mirror: The Didactic Dilemma of The Female Quixote", in: Studies in English Literature, Vol. 27 (1987). Vgl. ferner Auty, Susan G., The Comic Spirit of Eighteenth-Century Novels (Port Washington, 1975), Kap. 3; Kauvar, Elaine M., "Jane Austen and the Female Quixote", in: Studies in the Novel, Vol. 2 (1970), S. 2 1 1 - 2 1 ; Thomson, Helen, "Charlotte Lennox's The Female Quixote: A Novel Interrogation", in: Spender (ed.), British Women Writers, S. 1 1 3 - 2 5 ; sowie aus dem Bereich der deutschen Anglistik, in der dieser Text viel Beachtung gefunden hat, Löffler, Arno, "Die wahnsinnige Heldin: Charlotte Lennox' The Female Quixote", in: Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik, Bd. 11 (1986), S. 6 3 - 8 1 ; Müller, Wolfgang G., "Charlotte Lennox' The Female Quixote und die Geschichte des englischen Romans", in: Poetica, Bd. 1 1 (1979), S. 369-93; Wolpers, Theodor, "Der weibliche Quijote in England: Charlotte Lennox' The Female Quixote und die literarische Tradition", in: Wolpers,

186

mantradition, in der die Folgen falschen Lesens an den Erlebnissen romanelesender Heldinnen, den fair romance readers, illustriert werden. Diese quijotische Tradition wird in der Regel als die Tradition der anti-romance oder auch der Romanburleske bezeichnet.239 Zu ihr gehören Texte wie William Beckfords Modern Novel Reading; or, the Elegant Enthusiast (i 796), Mary Charltons Rosella; or, Modern Occurrences (1799), Sarah Greens Romance Readers and Romance Writers (1810) oder Eaton Stannard Barretts The Heroine; or, The Adventures of Cherubina (1813). Lennox selbst leitet mit ihrem letzten Roman, The History of Sir George Warrington; or, the Political Quixote (1797), in dem die Titelfigur durch die Lektüre von Paines Rights of Man auf quijotische Abwege gerät, eine Remaskulinisierung des Subgenres ein, die, wie wir gesehen haben, von Owenson fortgesetzt wird und in Scotts Waverley; or, 'Tis Sixty Years Since (1814) mündet.240 Inhaltlich ist der burleske Roman dadurch bestimmt, daß eine falsche Lesehaltung der Hauptfigur bei dieser zu einer Verwechslung zwischen fiktionaler Welt und Lebenswelt, und damit zu falschen Erwartungen der Lebenswelt gegenüber, führt; 241 die Romanhandlung inszeniert die Heilung der Hauptfigur von dieser falschen Lesehaltung. Dabei kann der Heilungsprozeß entweder aus den Erfahrungen der Hauptfigur über einen längeren Zeitraum hinweg resultieren oder durch ein traumatisches Schlüsselerlebnis ausgelöst werden; manchmal wird er von Mentorfiguren begleitet. Die eben skizzierte inhaltliche Ausrichtung des burlesken Romans macht deutlich, daß er, wie Kauvar zu Recht behauptet, als eine Variante des weiblichen Erziehungsromans gelten muß. Einige Literaturwissenschaftler und Literaturwissenschaftlerinnen neigen sogar dazu, in ihm die Wurzeln des weiblichen Erziehungsromans zu sehen. So spricht Todd etwa davon, daß Lennox' Roman die von Leavis als The Great Tradition bezeichnete realistische Tradition des englischen Romans begründet habe, die ihrer Meinung nach gerade durch das Handlungsmuster der reforTheodor (ed.), Gelebte Literatur in der Literatur. Studien zu Erscheinungsform und Geschichte eines literarischen Motivs (Göttingen, 1986; Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philologisch-historische Klasse, 3. Folge, Nr. 152), S. 1 3 5 2

59

" S. dazu Huber, Werner, "Forgotten Novels of the Romantic Era, Part II: Mary Charlton, Rosella", in: Ahrends/Diller, op. cit., S. 3 9 - 4 9 240 S. dazu (und zu weiteren Beispielen aus der Tradition) Small, Miriam Rossiter, Charlotte Ramsay Lennox. An Eighteenth-Century Lady of Letters (Yale University Press, 1935), Kap. 3 241 Zum Problem der falschen Lesehaltung in den romantheoretischen Entwürfen der Zeit und im weiblichen Erziehungsroman s. Kap. 2.1 der vorliegenden Arbeit 187

mierten Heldin geprägt wird. 242 Analog dazu reiht Kauvar, wie im übrigen Johnson und Kirkham, 243 Austens Pride and Prejudice oder Emma in die Gruppe der burlesken Romane ein. Cohan geht noch einen Schritt weiter und will das quijotische als das dominante Muster der gesamten englischen Romantradition des 18. und 19. Jahrhunderts erkennen, die er, wie Todd, als eine realistische Romantradition, die ihr Realismuspostulat aus der impliziten Abgrenzung zu nichtrealistischen fiktionalen Formen wie der romance begründet, interpretiert.244 In der Tat können anti-romances als besonders ausgeprägte Beispiele eines literaturdidaktischen Projektes gelten, das defensiv, das heißt, gegen die zeitgenössische Kritik an der Feminisierung des Genres Roman, die Leistungen des weiblichen Beitrags zu diesem Genre positiv bewertet. Aus diesem Projekt des new program of female reading245 geht, wie im folgenden zunächst am Beispiel von Edgeworth und Austen zu zeigen sein wird, der weibliche Erziehungsroman als eine Form erst eigentlich hervor. Entsprechend verwerfen weder die anti-romances noch der weibliche Erziehungsroman in seiner Gesamtheit den Roman als Gattung; Kritik wird immer nur an bestimmten Ausprägungen dieser Gattung geübt, etwa an der romance bei Lennox, am empfindsamen Roman bei Edgeworth und Austen, am Schauerroman bei Austen. Alle drei Romanformen werden übrigens im 18. Jahrhundert mit weiblichem Lesen assoziiert.246 Obwohl viele weibliche Erziehungsromane, im Dienste des new program of female reading, Vorworte und Einschübe enthalten, in denen sich die Autorin, ihre Erzählerfigur oder ihre Romanfiguren zu der didaktischen Funktion des Romans, zu Romantraditionen oder Lesegewohnheiten äußern, sind diese autoreflexiven Elemente in den anti-romances besonders auffällig; in ihnen bestimmt überdies die Auseinandersetzung mit einer Vorlage, von der sich das eigene Schreiben abheben soll, die Struktur des Textes in seiner Gesamtheit. Die Leserin wird in den anti-romances immer wieder auf eine metafiktionale Ebene geführt und dazu aufgefordert, die fiktionale Natur des Textes zu betrachten, das heißt, die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit „richtig" zu ziehen. Dies 142

243

244 245 246

In: Todd, Janet Μ., The Sign of Angellica. Women, Writing, and Fiction 1660-1800 (London, 1989), S. 160 Kauvar, "Austen and Quixote", Johnson zu Emma, Kap. 6, und Kirkham zu Pride and Prejudice, Kap. 15, jeweils op. cit. Cohan, op. cit., S. 18 f. S. dazu erneut Kap. 2.1 S. dazu Ballaster, Ros, "Romancing the Novel: Gender and Genre in Early Theories of Narrative", in: Spender (ed.), British Women Writers, op. cit., S. 188-200 188

setzt eine gründliche Kenntnis der zeitgenössischen Romanliteratur voraus, 247 wobei die Romanautorinnen offenbar von ihrem eigenen Leseverhalten ausgehen: So finden sich etwa in den Briefen Maria Edgeworths Anspielungen auf Austen, Burney, Ferrier, Inchbald, More, Radcliffe, Richardson, Rousseau und Scott.248 Austen erwähnt in ihren Briefen Barrett, Burney, Brunton, Edgeworth, Elizabeth Hamilton, Inchbald, Lennox, More, Richardson, Smith und West.249 Trotzdem ist in den anti-romances die quijotische Antiheldin immer noch, romantechnisch, eine Heldin, das heißt, die Protagonistin ihres Textes. In der Regel wird sie weiterhin einem glücklichen Romanende entgegengeführt, wobei allerdings, im Zuge der genannten Autoreflexivität der Texte, auf die Konventionalität und den artifiziellen Charakter glücklicher Romanausgänge verwiesen werden kann. Maria Edgeworth, "Angelina; or, L'Amie Inconnue" (1801) In Edgeworths Kurzroman „Angelina; or, L'Amie Inconnue" 2 ' 0 macht sich eine junge Frau, Anne/Angelina Warwick, auf die Suche nach ihrer Freundin Araminta, der „unbekannten Freundin" des Romantitels. Während die beiden Frauen ihre empfindsame Freundschaft bisher nur brieflich pflegen konnten, besteht nun die Aussicht auf ein Zusammenleben in der ländlichen Idylle von Wales. Wie in allen anti-romances liegt auch in "Angelina; or, L'Amie Inconnue" die Quelle der Komik in der Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Protagonistin und der erfahrbaren Realität. So ist etwa der Harfenspieler, den Angelina auf der ersten Station ihrer Reise trifft, nicht blind, und sein Repertoire umfaßt keineswegs nur melancholische Lieder. Die Kutsche, in der Angelina fährt, stürzt weder um noch wird sie überfallen. Das kleine Häuschen, das Angelina am Ende ihrer Reise erwartet, ist wenig idyllisch, und sie wird auch nicht von ihrer Freundin empfangen. Die komischen Inkongruenzen gipfeln, wie nicht anders zu erwarten, in der „unbekannten Freundin" selbst: Before we introduce Angelina to her 'unknown friend', we must relate the conversation which was actually passing between the amiable Araminta and 247 248 245

250

S. dazu Figes, op. cit., S. 32 Hare (ed.), Life and Letters, op. cit. S. dazu Hunt, Linda C., A Woman's Portion. Ideology, Culture, and the British Female Novel Tradition (New York and London, 1988; Garland Publications in American and English Literature), S. 24 Im folgenden zitiert nach dem Nachdruck der Longford-Gesamtausgabe der Tales and Novels, London, 1893; Vol. 1, Moral Tales for Young People, S. 221 - 8 1 (repr. Hildesheim, 1969, Anglistica & Americana) 189

her Orlando, whilst Miss Warwick was waiting in the fruit shop. Our readers will be so good as to picture to themselves a woman, with a face and figure which seemed to have been intended for a man, with a voice and gesture capable of setting even man, 'imperial man', at defiance - such was Araminta. She was, at this time, sitting cross-legged in an arm-chair at a tea-table, on which, beside the tea equipage, was a medley of things of which no prudent tongue or pen would undertake to give a correct inventory. 2 ' 1

Als Folge der Begegnung mit Araminta alias Rachael Hodges gelangt Angelina zu einer plötzlichen Einsicht, zu einer radikalen Veränderung ihrer Wahrnehmung: "Every thing appeared to her in a new light."* 52 Durch die drastische Gegenüberstellung der imaginierten idealen Freundin Araminta und der realen Miss Hodges sowie deren idealem Liebenden Orlando und ihrem realen Verlobten Nathaniel Gazabo soll Angelina dazu erzogen werden, Texten zu mißtrauen, die die Welt in einem falschen, das heißt, unrealistischen, Licht erscheinen lassen. Diese Texte sind die empfindsamen Romane Aramintas, auf deren Lektüre Angelinas Wunsch nach einer Seelenfreundschaft mit der Autorin zurückzuführen ist. In einem parallelen Erziehungsprozeß soll die Leserin des Edgeworthschen Textes zum richtigen Lesen erzogen werden. Dabei ist, wie schon in Lennox' Female Quixote, das literarische Erziehungsprogramm mit einem sprachlichen Erziehungsprogramm gekoppelt. 253 Entsprechend zeichnet sich "Angelina; or, L'Amie Inconnue" durch eine geradezu babylonische Sprachvielfalt aus; zu den multiple discursive practices254 gehören, um nur einige Beispiele zu nennen, der schottische, walisische und irische Gebrauch des Englischen, das gebrochene Englisch eines französischen Flüchtlings und eines Tanzlehrers, das schichtenspezifisch geprägte Englisch einer Kurzwarenhändlerin und ihrer aristokratischen Kundin sowie die Sprache der Quäker. In diesem Babel der Dialekte, Soziolekte und Idiolekte ist Angelinas empfindsame Sprache, die sich vor allem durch ihren Hang zur Emphase und Hyperbel auszeichnet, nur eines von mehreren unzulänglichen Modellen zur sprachlichen Strukturierung von Wahrnehmung und zur Konstruktion von Wirklichkeit. Allerdings gibt es in "Angelina; or, L'Amie Inconnue", wie im nahezu zeitgleich entstandenen Roman Belinda, sehr wohl eine Sprachnorm: Die 251 2si 253

2,4

Edgeworth, "L'Amie Inconnue", op. cit., S. 263 f. Ibid., S. 267 S. z.B. Arabellas falsche Verwendung des Begriffs history in Female Quixote·, die Folgen dieses sprachlichen Fehlverhaltens werden bei Thomson, in: Spender (ed.), British Women Writers, op. cit., S. 1 1 7 , diskutiert. Myers, in: Spender (ed.), British Women Writers, op. cit., S. 139

190

vorbildliche Sprache, von der die genannten Sprachformen abweichen, ist die der auktorialen Erzählerfigur, die an manchen Stellen des Textes auch explizite Sprachkritik betreibt. So isoliert sie aus einem Brief Aramintas einige besonders absurde Wendungen und kommentiert sie folgendermaßen: What effect this letter may have on sober-minded

readers in general can easily

be guessed; but Miss Warwick, who was little deserving of this epithet, was so charmed with the sound of it, that it made her totally forget to judge of her amiable Araminta's mode of reasoning. [...] She neglected to observe, that her Araminta was in the course of two pages - 'almost heart-broken' - and in the possession of - 'supreme felicity.' 255

Zwischen der Erzählerfigur und Lady Frances Somerset, der exemplarischen Frauenfigur des Textes, besteht ein Sprachkontinuum, das gegen Ende des Textes auch auf Angelina, - die damit nicht nur richtig lesen, sondern auch richtig sprechen lernt - , ausgedehnt wird. Der auktorialen Erzählerfigur und Lady Frances Somerset gemeinsam ist dabei eine gewisse ironische Distanziertheit gegenüber den anderen Figuren, gepaart mit Offenheit und Direktheit in der Artikulation eigener Meinungen. Wie in Belinda ist die sprachliche Norm des Textes mit seiner moralischen Norm aufs engste verbunden. Lady Frances nimmt am Ende des Romans Angelina unter ihre Fittiche und empfiehlt ihr die Lektüre von Lennox' The Female Quixote; mit dieser Lektüreempfehlung wird die burleske Tradition, in die sich Edgeworths Text einreiht, explizit benannt. Zu diesem Zeitpunkt hat Angelina jedoch bereits ihre eigenen Schlüsse aus ihren Erfahrungen mit Araminta gezogen. Dem eben beschriebenen ironisch-distanzierten Sprachgestus der Erzählerfigur entspricht ihre narrative Distanz von den handlungstragenden Figuren des Romans. 2 ' 6 Die Erzählerfigur nutzt, wie bereits bemerkt, diese Distanz dazu, auf die komische Diskrepanz zwischen Angelinas Fiktionen und der Realität des eigenen Textes zu verweisen. Dabei verläßt sie sich nicht immer darauf, daß die Leserin mit Angelina lernt: Die Lernprozesse verlaufen zwar parallel, aber asynchron. So geht beispielsweise,

2

" Edgeworth, "L'Amie Inconnue", op. cit., S. 226; einer ähnlichen Strategie bedient sich Edgeworth in Leonora. li6 Eine ähnliche narrative Distanz wird übrigens, wie wir noch sehen werden, von McKillop für Austens Northanger Abbey diagnostiziert; s. McKillop, Alan D., "Critical Realism in Northanger Abbey", in: Rathburn, Robert C. and Martin Steinmann, Jr. (eds.), From Jane Austen to Joseph Conrad. Essays Collected in Memory of James T. Hillhouse (University of Minnesota Press, 1958), S. 3 5 - 4 $

191

wie wir gesehen haben, die erste Begegnung der Leserin mit der „unbekannten Freundin" der Angelinas mit Araminta voraus. 257 Zum zweiten verweist die Erzählerfigur aber auch auf eine Diskrepanz zwischen der eigenen Fiktion und der außerliterarischen Realität; wenn sie zum Beispiel erklärt, daß eine zufällige Begegnung wie die im folgenden zu schildernde zwischen zwei Romanfiguren zwar in der Wirklichkeit häufig vorkomme, in einem Roman aber unglaubwürdig wirke, 2 ' 8 betont sie den Leserinnen gegenüber immer wieder die Fiktionalität des eigenen Textes. Dabei wird dieser eigene Text von der Erzählerfigur mehrfach in Beziehung zu anderen literarischen Texten gesetzt: Eine dritte wichtige Leistung der Erzählerfigur, - und, wie wir gesehen haben, ihrer „Komplizin" Lady Frances ist es, an die literarische Tradition anzuknüpfen, in der sie selbst steht und von der sie sich absetzen will. Da die handlungstragenden Figuren, in erster Linie natürlich Angelina und Araminta, ihre Wirklichkeit ebenfalls literarisieren, besteht die Aufgabe der Erzählerfigur darin, diese Literarisierungen zu korrigieren. So erkennt etwa Angelina sehr wohl, daß das junge walisische Dienstmädchen, das sie auf der entscheidenden Etappe ihrer quijotischen Reise begleitet, die Funktion eines „weiblichen Sancho Panza" erfüllt: "Her own more striking resemblance to the female Quixote never occurred to her so blind are we to our own failings." 259 Araminta orientiert sich bei ihrem neuesten Roman offensichtlich am Vorbild Goethes, - "The Sorrows of Araminta, a novel, in nine volumes" -, 2 Ä ° ohne jedoch persönlich den Ansprüchen, die an die Heldinnen und Helden dieser Vorlage gestellt werden, zu entsprechen: "'Butter the toast, Nat,' said Miss Hodges who was cutting bread and butter, which she did not do with the celebrated grace of Charlotte, in the Sorrows of Werter." 261 Die quijotische Veranlagung Angelinas wird, wie schon in Lennox' The Female Quixote, auf ihre einseitige Erziehung zurückgeführt, die 2,7

" B e f o r e we introduce Angelina to her 'unknown friend' . . . " Edgeworth, " L ' A m i e Inconnue", op. cit., S. 242. " B y one of those extraordinary coincidences which sometimes occur in real life, but which are scarcely believed to be natural when they are related in books, Miss Warwick happened to come to this shop at the very moment when the persons she most wished to avoid were there." Vgl. ferner ibid., S. 255 f.: " I t is a pity, for the sake of our story, that Miss Warwick did not stay a f e w minutes longer at Mrs. Porett's, that she might have heard this eulogium on L a d y Frances Somerset, and might have, a second time in one day, discovered that she was on the very brink of meeting with the persons she most dreaded to see; but, however temptingly romantic such an incident would have been, we must, according to our duty as faithful historians, deliver a plain unvarnished tale." 2(9 Ibid., S. 262 260 Ibid., S. 256 26 ' Ibid., S. 266 258

192

zwar ihre Einbildungskraft, nicht aber ihre Urteilsfähigkeit entwickelt habe und die über der Lektüre von epischen, lyrischen und dramatischen Texten die Vermittlung soliden Faktenwissens vernachlässigt habe. 262 Trotzdem besitzt Angelina, wie im übrigen Lennox' Protagonistin Arabella, auch gute Eigenschaften, zu denen etwa echte Sensibilität, Großzügigkeit und Begeisterungsfähigkeit gehören. Entsprechend stellen Butler und Harden 263 zu Recht fest, daß sich die Distanziertheit von Edgeworths Erzählerfigur gegenüber ihrer Protagonistin durchaus mit Sympathie für diese Protagonistin paart. Im Unterschied zu Lennox' Protagonistin Arabella wird Angelina durch ihre einseitige Lektüre nicht dazu veranlaßt, in jedem Mann, der ihr begegnet, einen potentiellen Verehrer oder Vergewaltiger zu sehen. Obwohl alle, die von Angelinas Verschwinden hören, zuerst vermuten, daß sie mit einem Geliebten durchgegangen sei, 264 gilt ihre romantische Suche nicht heterosexuellen Liebesabenteuern, sondern weiblicher Freundschaft. Bei dieser Suche hat sich Angelina zunächst einer Landkarte bedient, eben der empfindsamen Romane Aramintas, die nach Edgeworths Ansicht erhebliche Mängel aufweisen. Zum einen vermitteln diese Romane ein Frauenbild, das, wie der Titel des ersten AramintaRomans, "The Woman of Genius", suggeriert,26' die Frau als ausschließlich gefühlsbetontes Wesen begreift; die auktoriale Erzählerfigur stellt diesem Frauenbild in ihrem Resümee good, sense gegenüber und fordert dazu auf, Entscheidungen, zum Beispiel für eine Freundin, empirisch und auf der Basis rationaler Überlegungen zu fällen.266 Zum zweiten ist die Protagonistin des empfindsamen Romans in der Regel dazu verurteilt, das, was ihr widerfährt, passiv zu erdulden; diesem Charakteristikum des empfindsamen Romans trägt Aramintas bereits zitierter zweiter Titel, "The Sorrows of Araminta", Rechnung. Trotzdem muß konstatiert werden, daß Edgeworth das empfindsame Projekt selbst, die Suche nach einer Freundin, sanktioniert; die Validität weiblicher Gefühle, die der empfindsame Roman ebenfalls affirmiert hat, wird von Edgeworths Text beglaubigt: Die Entstehung neuer literarischer

261

Ibid., S. 226 f. *6> Butler, Austen, Kap. 5, und Harden (1984), Kap. 2, speziell S. 34ff., jeweils op. cit. "'With whom did she go off?' 'With nobody', cried Lady Diana, 'there's the wonder.' 'With nobody! - Incredible! - She had certainly some admirer, some lover, and she was afraid, I suppose, to mention the business to you.'" (Edgeworth, "L'Amie Inconnue", op. cit., S. 222 f.) Ibid., S. 227 266 Ibid., S. 282

19З

Genres oder Subgenres ist, wie Michael McKeon, Bachtin folgend, argumentiert, von Kontinuität und Disjunktion bestimmt. T h e generic c a p a c i t y o f a w o r k is defined b o t h b y its intertextual affiliations w i t h s o m e w o r k s and b y its intertextual d e t a c h m e n t f r o m o t h e r s . I n d e e d , the n o t i o n o f ' p a r o d y ' is as fruitful as it is t o B a k h t i n b e c a u s e it conflates these t w o m o v e m e n t s i n t o a single dialectical g e s t u r e o f recapitulation and r e p u d i a t i o n , i m i t a t i o n and disillusion, c o n t i n u i t y a n d r u p t u r e . * 6 7

Hier unterscheidet sich Edgeworths Text auffällig von zeitgenössischen konservativen conduct books, die die Fähigkeit der Frau zur Freundschaft mit anderen Frauen grundsätzlich verneinen oder Frauenfreundschaften unter ausschließlich negativen Vorzeichen, etwa im Kontext der ebenfalls negativ besetzten boarding schools, darstellen.2^8 Dieser Aspekt von "Angelina; or, L'Amie Inconnue" bleibt in Richard Lovell Edgeworths typisch reduktionistischem Vorwort unberücksichtigt: "The nonsense of sentimentality is here aimed at with the shafts of ridicule, instead of being combated by serious argument. With the romantic eccentricities of Angelina are contrasted faults of a more common and despicable sort." 2 ^ 9 Angelinas Suche nach der Freundin, die sie in ihrer bisherigen Umgebung so schmerzlich vermißt hat, wird positiv von Lady Diana Chiliingworths 270 Erwerb einer Gesellschafterin abgegrenzt; diese Gesellschafterin, die sich insofern als eine weitere amie inconnue entpuppt, als sie Lady Diana gegenüber ihre wahre soziale Herkunft verschwiegen hat, hat im übrigen auch Angelinas Flucht aus Lady Dianas Haus veranlaßt, weil sie fürchtete, ihren Einfluß auf Lady Diana zu verlieren. Am Ende des Romans wird Angelinas Suche denn auch belohnt. Als sich durch den Schock ihrer Begegnung mit Araminta ihre Wahrnehmung geändert hat, entdeckt sie in Lady Frances Somerset eine wahre Freundin. Letztere ist eine der typischen, aufgeklärt-rationalen Edgeworthschen Frauenfiguren und ähnelt am stärksten Lady Anne Percival in Belinda. Im Schatten Aramintas, die wie Harriot Freke, ebenfalls in Belinda, als 267 268

269 270

McKeon, op. cit., S. izf. Dies gilt beispielsweise für Fordyce und Moir; Chapone hingegen behauptet, daß wahre Freundschaft nur unter gleichgeschlechtlichen Individuen möglich sei und rät der jungen Frau, sich eine ältere Freundin zu suchen, die ihr Welt- und Menschenkenntnis vermittelt und ihr Ratschläge erteilen kann, die also als Freundin auch eine Mentorrolle übernehmen kann. Edgeworth, "L'Amie Inconnue", op. cit., S. V Lady Diana hat natürlich einen sprechenden Namen; ihre eingebildete sensibility, - "Lady Diana Chillingworth went to calm her sensibility at the card-table" (ibid., S. 123) - , wird negativ mit Angelinas wahrer Empfindsamkeit kontrastiert.

194

eine A r t S ü n d e n b o c k f i g u r f u n g i e r t , k a n n L a d y F r a n c e s m o d e r a t p r o g r e s sive A n s i c h t e n z u r gesellschaftlichen S t e l l u n g d e r F r a u

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(1817)

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1 8 1 7 u n d d a m i t p o s t u m erschienen ist, ist er w a h r s c h e i n l i c h in den letzten J a h r e n des 1 8 . J a h r h u n d e r t s entstanden u n d steht so zeitlich den B u r l e s k e n d e r J u v e n i l i a nahe, die in der R e g e l auf die J a h r e z w i s c h e n 1 7 9 0 u n d 1 7 9 3 datiert w e r d e n . 2 7 3 N a c h einer Ü b e r a r b e i t u n g i m J a h r 1 8 0 3 , in d e r e n V e r l a u f e t w a die A n s p i e l u n g auf E d g e w o r t h s R o m a n Belinda

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v o n C r o s b y & C o . z u r ü c k u n d revidiert ihn n o c h m a l s . In d e r Z e i t z w i s c h e n dieser z w e i t e n R e v i s i o n s p h a s e u n d d e m Advertisement

erscheinen,

w i e in d e r E i n l e i t u n g z u d i e s e m K a p i t e l e r w ä h n t , Sarah G r e e n s

Romance

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or, The Adventures

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' 7 ' S. dazu etwa ibid., S. 225 und S. 275; hier äußert sich Lady Frances, wie andernorts (S. 259) Araminta, zum oppressiven Einfluß von public opinion auf weibliches Verhalten. 272 Im folgenden zitiert nach der World's Classics-Ausgabe: Austen, Jane, Northanger Abbey, Lady Susan, The Watsons, and Sanditon (ed. John Davie, intro. Terry Castle, Oxford University Press, 1990); zu Austen-Studien s. Kap. 1.2.4, z u Northanger Abbey speziell Burlin, Katrin Ristkok, "'The Pen of the Contriver': The Four Fictions of Northanger Abbey", in: Halperin, John (ed.), Jane Austen. Bicentenary Essays (Cambridge University Press, 1975), S. 8 9 - 1 1 2 ; Fullbrook, Kate, "Jane Austen and the Comic Negative", in: Roe, Sue (ed.), Women Reading Women's Writing (New York, 1987), S. 3 9 - 5 7 ; Keener, Frederick M., The Chain of Becoming. The Philosophical Tale, the Novel, and a Neglected Realism of the Enlightenment: Swift, Montesquieu, Voltaire, Johnson, and Austen (Columbia University Press, 1983), Kap. 10; Levine, George, "Translating the Monstrous: Northanger Abbey", in: Nineteenth-Century Fiction, Vol. 30 (1975), S. 335 — 50; MacDonald, Susan Peck, "Jane Austen and the Tradition of the Absent Mother", in: Davidson, Cathy N . and Ε. M. Broner (eds.), The Lost Tradition: Mothers and Daughters in Literature (New York, 1980), S. 58-69; Wolpers, Theodor, "Schrecken und Vernunft: Die romanelesende Heldin in Jane Austen's Northanger Abbey", in: Wolpers (ed.), op. cit., S. 168-84 273

274

Zur Entstehungsgeschichte s. Glage, op. cit., Kap. 2.2 („Die drei ,frühen' Romane"); zu den Juvenilia s. Figes, Kap. 6, Litz, Kap. 1, sowie die Monographie von Debon und den von Grey herausgegebenen Aufsatzband, jeweils op. cit. S. XLVIII der vorliegenden Ausgabe; aus der Zeit um 1816 stammt auch der bereits erwähnte satirische "Plan for a Novel", der, wie die Juvenilia, gewisse Parallelen zu Northanger Abbey aufweist.

r

95

ment zurückzuführen sein, daß Northanger Abbey, in dem Zeitraum zwischen der geplanten und der tatsächlichen Publikation, bis zu einem gewissen Grade obsolet geworden sei. Northanger Abbey ist insofern der Tradition der anti-romance zuzuordnen, als auch in diesem Text, wie in Edgeworths "Angelina; or, L'Amie Inconnue", die Protagonistin, Catherine Morland, von einer aus ihrer falschen Romanlektüre resultierenden verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit geheilt werden muß. Allerdings ist, wie unter anderem Litz, Moler und Wolpers275 darlegen, Catherines Heilung von ihrem „Gotizismus" in einen Reifeprozeß integriert, der der Heldin auch noch andere Fortschritte in ihrer charakterlichen Entwicklung abverlangt: Catherine ist kein female Quixote auf der Suche nach Abenteuern. Entsprechend werden Catherine Morlands verschiedene Lapsus, etwa bei der Beurteilung ihrer Mitmenschen, nicht ausschließlich aus der Romanlektüre begründet, sondern haben ihre Ursachen auch in Catherines mangelnder Lebenserfahrung und in ihrer Neigung, von sich auf andere zu schließen: H e n r y smiled, and said, ' H o w v e r y little trouble it can give y o u to u n d e r s t a n d the m o t i v e of other people's actions.' [Catherine:] ' W h y ? - What d o y o u m e a n ? ' 'With y o u , it is not, H o w is s u c h a o n e likely t o be influenced? W h a t is the inducement m o s t likely to act u p o n such a person's feelings, age, situation, and p r o b a b l e habits of life c o n s i d e r e d ? - but, h o w s h o u l d / b e influenced, w h a t w o u l d be my inducement in acting s o and s o ? ' 2 7 6

Durch diese Integration der verschiedenen Lernprozesse vermeidet Austens Roman die charakteristischen strukturellen Mängel quijotischer Texte, die in der Regel die Abenteuer ihrer Protagonistinnen lediglich aneinanderreihen. Catherines verzerrte Wirklichkeitswahrnehmung ist, wie bereits angedeutet, auf ihre bevorzugte Lektüre, die Schauerromane Ann Radcliffes und ihrer Imitatorinnen und Imitatoren, zurückzuführen. 277 Neben der „gotischen" bedient sich Northanger Abbey aber auch der Folie des empfindsamen Romans, auf den bereits zu Beginn des Romans durch die 27!

276 277

Litz, Kap. 2, und Moler, Kap. 1, sowie Wolpers in „Schrecken und Vernunft", jeweils op. cit. Austen, Northanger, op. cit., S. 103 (Hervorhebungen im Text) Explizit im Text genannt werden Radcliffes The Mysteries of Udolpho·. A Romance und The Italian; or, The Confessional of the Black Penitents. A Romance sowie Lewis' The Monk (John Thorpes Lieblingslektüre). Daß die übrigen Titel im Katalog der "Northanger Novels" ("Castle of Wolfenbach, Clermont, Mysterious Warnings, Necromancer of the Black Forest, Midnight Bell, Orphan of the Rhine, and Horrid Mysteries", Northanger, op. cit., S. 24) keine Erfindung Austens sind, hat Μ. Sadleir nachgewiesen: "The Northanger Novels", English Association Pamphlet, 68 (1927).

196

auktoriale Erzählerfigur angespielt wird; 278 dieser Faden wird von der Erzählerfigur im Laufe des Romans mehrfach wieder aufgenommen. Außerdem gefällt sich Isabella Thorpe in der Rolle der empfindsamen Heldin, und Catherine geht mit ihr einen empfindsamen Freundschaftsbund ein; wie in Edgeworths "Angelina; or, L'Amie Inconnue" wird, als Teil des Entwicklungsprozesses der Protagonistin, diese erste Freundschaft durch eine zweite abgelöst, die sich auf längere Bekanntschaft und gegenseitigen Respekt gründet. 279 Schließlich wird durch Henry Tilney, der Catherine nicht nur, bekanntermaßen, zur Heldin einer gothic novel stilisiert, sondern sie bereits bei ihrer ersten Begegnung auf ihre Pflichten als Heldin eines empfindsamen Romans hinweist, eine weitere empfindsame Komponente in den Text eingeschrieben.280 Diese Koexistenz der empfindsamen und der „gotischen" Vorlagen verweist natürlich auch auf thematische Parallelen - und eine generische Verwandtschaft - zwischen diesen beiden Subgenres. Die eben erwähnte Selbststilisierung Isabellas und Henrys spielerischer Umgang mit „gotischen" und empfindsamen Konventionen zeigen, daß nicht nur Catherine, sondern auch andere Romanfiguren ihre jeweilige Lebenswelt fiktionalisieren; neben Isabella Thorpe ist dies deren Bruder John, neben Henry Tilney sein Vater, der General. Ihre Fiktionalisierungen unterscheiden sich dabei sowohl durch ihre Motive als auch durch ihre Folgen: Während Henrys Anspielungen auf literarische Muster als educational fictions bezeichnet werden können 281 und die Intention verfolgen, Catherine zu einer guten Leserin zu erziehen, sind die Wirklichkeitsentwürfe der Thorpes und des Generals durch ihren ausgeprägten Egoismus gekennzeichnet und fügen ihrer Umwelt, vor allem Catherines Bruder und Catherine selbst, erheblichen Schaden zu. Der General rekur278

279

280

281

Catherines Vater ist kein Tyrann, ihre Mutter ist nicht im Kindbett gestorben, Catherine ist keine Schönheit und interessiert sich nicht für die traditionellen Betätigungen der empfindsamen Heldin, es findet sich kein Waisenknabe, in den sie sich verlieben könnte, in der Nachbarschaft etc. (Austen, Northanger, op. cit., S. 1 - 5 ) . Die zweite, „wahre" Freundin ist natürlich Eleanor Tilney; vgl. dazu die beiden A b schiedsszenen zwischen Catherine und Isabella (ibid., S. 120) einerseits, Catherine und Eleanor (ibid., S. 186) andererseits. Ibid., S. 1 1 ff.; auch Henry nimmt, wie die auktoriale Erzählerfigur, den empfindsamen Faden wieder auf, etwa S. 166 f.: "You feel, I suppose, that in losing Isabella, you lose half yourself: you feel a void in your heart which nothing else can occupy. Society is becoming irksome; and as for the amusements in which you were wont to share in Bath, the very idea of them without her is abhorrent. You would not, for instance, now go to a ball for the world. You feel that you have no longer any friend to whom you can speak with unreserve; on whose regard you can place dependence; or whose counsel, on any difficulty, you could rely on. You feel all this?" S. dazu Burlin in Halperin (ed.), op. cit., S. 90

197

riert dabei zwar, anders als sein Sohn oder die Thorpes, nicht auf literarische Muster, doch ist bei ihm die Diskrepanz zwischen dem Bild, das er für seine Umwelt von sich selbst entwirft, und seinem wahren Wesen vielleicht am auffälligsten; 182 diese Diskrepanz ist gerade der Ausgangspunkt für Catherines „gotische" Fiktion, in deren Verlauf sie den General als den Mörder seiner Frau imaginiert. Mit Ausnahme des Generals sind die genannten Figuren nicht nur „Fiktionalisierer", sondern auch eifrige Konsumenten fiktionaler Texte;2®3 das Leseverhalten dieser Figuren wird, besonders in der ersten Hälfte des Romans, zu einem Charakterindex. So ist John Thorpe, eine negativ gezeichnete Romanfigur, ein unaufmerksamer Leser, der sich für seine Romanlektüre schämt und lediglich den Texten einzelner (männlicher) Autoren eine gewisse literarische Qualität zugestehen will. Seine Lieblingsschriftsteller sind Henry Fielding und M. G. Lewis, und vor dem weiblichen Beitrag zur Romanproduktion seiner Zeit hat er offensichtlich wenig Respekt. So sind seine Beurteilungskriterien für Burneys Camilla biographistischer Natur: "As soon as I heard she had married an emigrant, I was sure I should never be able to get through it." 284 Auch das literarische Urteilsvermögen von Isabella Thorpe und von Catherine selbst erweist sich als wenig ausgeprägt; während für Isabella Sir Charles Grandison amazing horrid ist, ein Epitheton, mit dem sie auch Schauerromane bedenkt, hält Catherine sowohl Richardsons Roman als auch Radcliffes The Mysteries of Udolpho für gleichermaßen „unterhaltsam". 28 ' Henry Tilney, die positiv besetzte männliche Hauptfigur des Romans, wird hingegen als ein ebenso geschulter wie kritischer Leser eingeführt, der sich zu seiner Romanlektüre bekennt: [ C a t h e r i n e ] 'But y o u have never read n o v e l s , I dare s a y ? ' [ H e n r y ] ' W h y n o t ? ' 'Because t h e y are n o t clever e n o u g h f o r y o u - g e n t l e m e n read better b o o k s . ' 'The p e r s o n , b e it gentleman or lady, w h o has n o t pleasure in a g o o d n o v e l , m u s t be i n t o l e r a b l y stupid. I h a v e read all M r s . Radcliffe's w o r k s , and m o s t of t h e m w i t h great p l e a s u r e . ' 2 8 6

282

S. z.B. Austen, Northanger, op. cit., S. 131 und S. 165 S. dazu Hardy, Barbara, A Reading of Jane Austen (London, 1979), vor allem Kap. 7 und passim, sowie Wilt, Judith, Ghosts of the Gothic: Austen, Eliot, and Lawrence (Princeton University Press, 1980), S. I26ff. 284 Austen, Northanger, op. cit., S. 32 28 ' Ibid., S . 2 5 286 Ibid., S. 82; mit diesem Bekenntnis zum Roman erfüllt Henry natürlich die Forderungen der auktorialen Erzählerfigur in ihrer berühmten "Defence of the Novel" (S. 21 f.), auf die noch einzugehen sein wird. John Thorpe hingegen verhält sich wie die an gleicher Stelle kritisierte junge Romanleserin, die sich ihrer Romanlektüre schämt. 283

198

Henrys Schwester Eleanor bevorzugt die Lektüre historiographischer Werke, eine Vorliebe, die Catherine leider nicht teilen kann. Als Begründung für ihre Abneigung gegen die Geschichtsschreibung führt Catherine an, daß in ihr Frauen kaum eine Rolle spielten und daß es den Historiographen, trotz der vielen Details, die sie notwendig erfinden müßten, etwa die Gedanken, Gefühle, Gespräche historischer Persönlichkeiten - , nicht gelinge, das Interesse ihrer Leserinnen und Leser zu fesseln;287 diese Gegenüberstellung von Romanliteratur und Geschichtsschreibung, in der die Geschichtsschreibung unter deutlich gynozentrischen Vorzeichen zugunsten der Romanliteratur abgewertet wird, verbindet Austens Text mit Lennox' The Female Quixote.2** Austen benutzt, wie wir gesehen haben, nicht nur „gotische" und empfindsame Romanformen als Folie für ihren eigenen Text, wobei sie teils direkt, teils indirekt auf spezifische Vertreterinnen der Tradition anspielt, 28 ' sondern sie ergänzt diese Auseinandersetzung mit der Tradition durch zahlreiche Gespräche der Figuren untereinander, in denen sich deren je unterschiedliche Einstellung zur Romanlektüre entlarvt. Schließlich meldet sich, in einem langen Einschub, der in der Regel verkürzend als Austens "Defence of the Novel" bezeichnet wird, die auktoriale Erzählerfigur direkt zu Wort: 'And what are you reading, Miss?' ' O h ! it is only a novel!' replies the young lady; while she lays down her book with affected indifference, or momentary shame. - 'It is only Cecilia, or Camilla, o r Belinda;' or, in short, only some works in which the greatest powers of the human mind are displayed, in which

287

288

289

Ibid., S. 84; s. dazu auch Harris, Jocelyn, Jane Austen's Art of Memory (Cambridge University Press, 1989), S. 32f. In einer Schlüsselszene dieses Romans (Buch VII, Kapitel V) mißt sich die Protagonistin Arabella mit einem jungen Mann, Mr. Selwyn, der sich viel auf seine historischen Kenntnisse zugute hält und der Arabellas vermeintlichen Wissensvorsprung nur dadurch erklären kann, daß er es leider versäumt habe, Arabellas Quelle, den großen Historiker „Scudery" zu lesen, obwohl dieser von Herodot, Thukydides und Plutarch zitiert werde. Der Historiker „Scudery" ist natürlich die Romanautorin Madeleine de Scudery. S. zur Rolle der Historiographie in Lennox' The Female Quixote Thomson, in: Spender (ed.), british Women Writers, sowie Doody, "Shakespeare's Novels", jeweils op. cit. Neben den bereits erwähnten direkten Verweisen auf Radcliffe und Burney finden sich beispielsweise Zitate aus ihren Romanen, etwa aus The Romance of the Forest (Northanger, op. cit., S. 134-6), Evelina (ibid., S. 37ff.) und Camilla (ibid., S. 86). Die Länge dieser Zitate kann variieren und reicht von punktuellen Anspielungen, etwa im Fall von Camilla, bis zur komischen Rekonstruktion ganzer Szenen, so der Ballszenen in Evelina, der Kerzenszene in The Romance of the Forest. S. dazu auch Bradbrook, op. cit., Kap. 6, sowie Beasley, Jerry C., "Fanny Burney and Jane Austen's Pride and Prejudice", in: English Miscellany. Α Symposium of History, Literature, and the Arts, Vol. 24 (1973-4); S· 1 53 ~ 66.

199

the m o s t t h o r o u g h k n o w l e d g e of h u m a n nature, the happiest delineation of its varieties, the liveliest effusions of wit and h u m o u r are conveyed to the w o r l d in best chosen l a n g u a g e / 9 0

Entsprechend ruft die auktoriale Erzählerfigur, die hier natürlich ihre eigenen Anforderungen an den Roman definiert und im folgenden die Leistungen dieses Genres positiv von denen der Historiographie ("the ninehundredth abridger of the History of England"), aber auch von denen der Lyrik ("some dozen lines of Milton, Pope, and Prior") und den moraldidaktisch orientierten Schriften ("the Spectator") abgrenzt, zur Solidarität der Romanautorinnen und ihrer Protagonistinnen auf: "Let us not desert one another; we are an injured body." 2 9 ' Die Analyse von Edgeworths "Angelina; or, L'Amie Inconnue" hat gezeigt, daß in der typischen anti-romance die literarische Erziehung der Protagonistin oft mit ihrer sprachlichen verknüpft ist. Im folgenden soll nun untersucht werden, ob sich dieser Nexus auch für Northanger Abbey bestätigen läßt. Anschließend werden wir uns der Frage zuwenden, ob sich Austens auktoriale Erzählerfigur, wie die Edgeworths, um narrative Distanz bemüht und auf die Fiktionalität ihres eigenen Textes verweist. In einem letzten Schritt kehren wir zu unserem Ausgangspunkt, der „gotischen" Verwirrung Catherine Morlands, zurück. Auch in Northanger Abbey geht falsches Lesen mit falschem Sprechen einher, wie die numerischen Ungenauigkeiten John Thorpes, die Elative Isabella Thorpes und Catherines inflationäre Verwendung von amazing und nice zeigen. 2 ' 2 Wie bei Edgeworth haben die sprachlichen Deviationen eine moralische Dimension, das heißt, das falsche Sprechen der Figuren spiegelt ihre moralischen Defizite wider. Während jedoch bei Edgeworth ein Kontinuum zwischen der auktorialen Erzählerfigur, als Exponentin der sprachlich-moralischen Norm des Textes, und einer vorbildlichen Handlungsträgerin, nämlich Lady Frances Somerset, zu beobachten ist, ist das Verhältnis zwischen auktorialer Erzählerfigur und Romanfigu290

Austen, Northanger, op. cit., S. 22 * 9 ' Ibid., S. 21; in der Austen-Sekundärliteratur beschäftigen sich vor allem Sulloway und Day (jeweils op. cit.) mit der Frage nach den Gemeinsamkeiten zwischen den drei genannten Romanen. Während Sulloway die „feministischen" Komponenten aller drei Texte betont, die sie in ihrer Struktur, Bildlichkeit sowie in den Figurendialogen und in den auktorialen Einschüben ebenso vorfindet wie in den zentralen Themenkomplexen (der Erziehung der Heldin, ihrer finanziellen Lage, ihrer Verpflichtung zur Selbstbestimmung usw.), verweist Day zu Recht darauf, daß die auktoriale Erzählerfigur, anders als etwa Richardson, auf eine ausdrückliche Erwähnung der didaktischen Intention des Romans verzichtet (Sulloway, S. 76ff., Day, S. 2o6f.). S. z.B. Austen, Northanger, op. cit., S. 46f., S. 23f. und S. 83

200

ren in Northanger Abbey ein sehr viel komplexeres; selbst Henry Tilney, der Catherine gegenüber gelegentlich als Sprachlehrer in der Tradition des Mentor-Liebhabers fungiert, 293 kann nur bedingt als Sprachrohr der Autorin betrachtet werden, denn auch er weicht gelegentlich vom impliziten sprachlich-moralischen Standard ab, etwa durch - wenngleich scherzhaft gemeinte - misogyne Äußerungen. 294 Dies wirft nun natürlich die Frage auf, wie der implizite sprachlichmoralische Standard des Textes charakterisiert werden kann. Was von den Figuren des Romans verlangt wird, ist das Bemühen um größtmögliche Präzision, um eine unmißverständliche Versprachlichung des „eigentlich" Gemeinten; bei all ihrer sonstigen Unbeholfenheit ist dieses Bemühen, insbesondere in sozialen Schlüsselsituationen, bei Catherine deutlich zu erkennen. Andererseits bedient sich aber die auktoriale Erzählerfigur, wie im übrigen auch Henry Tilney, einer Sprache, die durch indirektes Sprechen, das heißt vor allem durch Ironie, von dem eben beschriebenen Standard des plain speaking abweicht; auf diese Weise gelingt es der Erzählerfigur - und Henry - , sich die elative Sprache der anderen Figuren einzuverleiben und ihr Zitatcharakter zu verleihen. Aus dieser Spannung zwischen einem unironischen und einem ironischen Umgang mit Sprache läßt sich eine weitere, modifizierte Forderung an die Figuren ableiten: Sie müssen, wie Henry, lernen, in welchen Situationen welches Sprachverhalten angemessen ist, und sie müssen, wie Catherine, die Regeln des einen oder anderen Sprachverhaltens erkennen können. 295 Während in Northanger Abbey unironisches Sprechen häufig dazu dient, Nähe zwischen den Figuren herzustellen oder zu signalisieren, zeigt sich ironisches Sprechen natürlich, gerade im Verhältnis zwischen auktorialer Erzählerfigur und anderen Romanfiguren, als ein Mittel der Distanzierung; 296 stärker als in anderen Austen-Romanen werden in Northanger Abbey die Romanfiguren „vorgeführt", wird eine potentielle Identifikation der Leserin mit ihnen verhindert oder doch erschwert. Diese Distanzierung ist eine von mehreren Strategien, derer sich die Er2

« Etwa ibid., S. 83 Zum Beispiel ibid., S. 88 f.; unter Umständen muß auch Henrys vergleichsweise naive Weigerung, die Schattenseiten des Lebens zur Kenntnis zu nehmen ("Remember the country and the age in which we live S. 159), als Deviation gelten. 295 Das unterschiedliche Sprachverhalten Catherines und Henrys ist häufig eine Quelle der Komik; auf exemplarische Weise wird dieser komische Kontrast in der Ballszene in Kap. 10 des ersten Bandes, S. j6ff., inszeniert ("I consider a country-dance an emblem of marriage" etc.). 2,4

196

S. dazu Keener, Kap. 10, und McKillop (in Rathburn/Steinmann, eds.), jeweils op. cit., sowie Mudrick, Marvin, Irony as Defense and Discovery (University of California Press, "1968), Kap. 2

201

zählerfigur bedient, um auf die Fiktionalität ihres Textes zu verweisen. Andere Strategien sind die vergleichsweise häufige Verwendung des auktorialen I, die Einbeziehung der Leserin 297 oder das Bloßlegen der Erzähltechniken: This brief account of the family is intended to supersede the necessity of a long and minute detail from Mrs. Thorpe herself, of her past adventures and sufferings, which might otherwise be expected to occupy the three or four following chapters; in which the worthlessness of lords and attornies might be set forth, and conversations, which had passed twenty years before, be minutely repeated. 298

In die letzte Kategorie muß auch der Romanschluß eingereiht werden. Hier macht die Erzählerfigur zunächst darauf aufmerksam, daß angesichts der wenigen verbliebenen Seiten das glückliche Ende unmittelbar bevorstehen müsse und die einzige Frage nun nur noch sein könne, wodurch dieses glückliche Ende bewerkstelligt werde. Um es zu beschleunigen, führt sie parodistisch mehrere romanzenhafte Elemente ein, darunter, als eine Art deus ex machina, eine neue Figur, einen Verehrer Eleanor Tilneys, der durch eine plötzliche Erbschaft in die Lage versetzt wird zu heiraten, was Eleanors Vater so milde stimmt, daß er einer Heirat zwischen Catherine und Henry nichts mehr in den Weg legt. Die Aufgabe, sich die Eigenschaften dieser neuen Figur, "the most charming man in the world", im Detail auszumalen, wird vom auktorialen Ich ebenso explizit der Leserin überlassen wie die, sich für eine von mehreren moraldidaktischen Botschaften des Romans zu entscheiden. 2 " Die „gotische" Verwirrung Catherine Morlands, die am Ausgangspunkt dieser Analyse von Nortbanger Abbey gestanden hat und zu der wir nun zurückkehren, veranlaßt Catherine dazu, mit dem Namen "Northanger Abbey", dem Wohnsitz der Tilneys, von denen sie eingeladen worden ist, bestimmte Assoziationen zu verbinden. Bereits während ihres Aufenthaltes in Bath hatte die Aussicht auf einen Ausflug nach Blaize Castle in ihr die Erwartung geweckt, sie werde nun die dunklen Gänge und Verliese erkunden können, die ihr aus ihrer bevorzugten RoZ u ersterem s. beispielsweise die bereits erwähnte "Defence of the Novel"-Passage, Austen, Northanger, op. cit., S. 21 f., zu letzterem den Beginn des zweiten Romankapitels, S. 5: "In addition to what has been already said of Catherine Morland's personal and mental endowments, when about to be launched into all the difficulties and dangers of a six weeks' residence in Bath, it may be stated, for the reader's more certain information, lest the following pages should otherwise fail of giving any idea of what her character is meant to be; that her heart was affectionate [...]." 2>8 Ibid., S. 19 Ibid., S. 203-5 2,7

202

manlektüre so vertraut sind, eine Hoffnung, die sie nun auch an die Abtei knüpft und die auf der Reise durch Henry verstärkt wird.3°° Nach zwei „gotischen Fehlversuchen" mit der Truhe und dem Sekretär in ihrem Zimmer, - im Sekretär findet sie die Rechnungen einer Wäscherei, die, wie sich später herausstellen wird, der Verehrer Eleanors dort zurückgelassen hat - , verdichten sich in Catherines Phantasie die Anzeichen dafür, daß der General seine Frau umgebracht hat. Erst als sie das Zimmer der verstorbenen Mrs. Tilney inspizieren kann, gelangt sie zu der Erkenntnis, daß sich in diesem Raum, der so ganz anders aussieht, als sie es sich vorgestellt hat, kein Mord zugetragen haben kann. Die Helligkeit des Raums wird dabei zu einem Korrelativ für Catherines plötzliche Erleuchtung, die, wie in Edgeworths "Angelina; or, L'Amie Inconnue", mit einer Lichtmetapher beschrieben wird: "and a shortly succeding ray of common sense added some bitter emotions of shame."301 Diese Schamgefühle werden durch Henry Tilney noch geschürt. Allerdings entlarvt sich der General im folgenden zwar nicht als Mörder, aber doch als ein außerordentlich unangenehmer Zeitgenosse, dessen Anwesenheit einen Schatten auf seine Kinder wirft, der am weitesten von allen Figuren von der sprachlich-moralischen Norm des Textes abweicht und der schließlich Catherine, die sich keines Vergehens schuldig gemacht hat, aus dem Haus weist. So wie dem von Catherine gefundenen Wäschezettel schließlich doch noch eine Bedeutung im Universum des Romans zugewiesen wird, stellt sich ihre Einschätzung des Generals als nicht so abwegig heraus, wie sie das in ihrer ersten Scham zu akzeptieren bereit war.3°2 Als Catherine von Henry die Motive für das Verhalten seines Vaters erfährt, kommt sie zu folgendem Schluß: "[...] that, in suspecting General Tilney of either murdering or shutting up his wife, she had scarcely sinned against his character, or magnified his cruelty."303 Die Figur des Generals ist in der Austen-Forschung ebenso umstritten wie die beiden vielzitierten Aussagen "The visions of romance were over" und "The anxieties of common life began soon to succeed to the alarms of romance".304 Während Marilyn Butler in ihrem Bemühen, Northanger Abbey als einen antijakobinischen Roman zu interpretieren, die Figur des Generals für einen technischen Fehlgriff hält und Wolpers kategorisch 300 301

302 3=3 304

Zu Catherines ersten Abtei-Assoziationen s. ibid., S. 110, zu Blaize Castle S. 66 Ibid., S. г у 5; Catherines erste Enttäuschung in bezug auf die Abtei bezieht sich im übrigen auf deren Fenster, "so large, so clear, so light!" (S. 128). Auf die „Rehabilitation" des Wäschezettels verweist Levine, op. cit., S. 35 f. Austen, Northanger, op. cit., S. 201 Ibid., S. 159 bzw. S. 161 (in Kapitel 10 des zweiten Bandes, und damit unmittelbar auf Catherines „Erleuchtung" folgend)

203

behauptet, daß der General kein Montoni sei,305 besteht in der neueren Forschung ein Konsens, ihn als Repräsentanten einer patriarchalischen Gesellschaft und den Text als eine Kritik an der Rolle der Frau in diesem gesellschaftlichen System zu begreifen. Stellvertretend für andere Vertreterinnen und Vertreter dieser Forschungsrichtung sei im folgenden Claudia Johnson zitiert: By making the distrust of patriarchy which gothic fiction fosters itself the subject for outright discussion, Austen obliges us first to see the import of conventions which we, like Henry perhaps, dismiss merely as formal, and then to acknowledge, as Henry never does, that the 'alarms of romance' are a canvas onto which the 'anxieties of common life' can be projected in illuminating, rather than distorting ways. Austen may dismiss 'alarms' concerning stock gothic machinery - storms, cabinets, curtains, manuscripts - with blithe amusement, but alarms concerning the central gothic figure, the tyrannical father, she concludes, are commensurate to the threat they actually pose.306

Wenn man außerdem, wie etwa Ellis oder Wilt,307 den Schauerroman als einen Text liest, der einerseits reale gesellschaftliche Mißstände in überzeichneter Form darstellt, andererseits dieser Darstellung dadurch ihre gesellschaftskritische Brisanz nimmt, daß er die Mißstände ins Ausland oder in eine graue Vorzeit verlagert, dann kann Northanger Abbey als ein Roman gelten, der sich um eine Repatriierung der „gotischen" Anliegen bemüht und der gleichzeitig, wie Gilbert und Gubar ausführen, die im Schauerroman angelegte Kluft zwischen der Sicherheit der Leserin und der Gefährdung der Heldin aufhebt.308 Was General Tilney und Montoni miteinander gemeinsam haben, ist ihr Interesse am Besitz einer jungen Frau und ihr Bestreben, sich diesen Besitz anzueignen, wobei sie vor moralisch fragwürdigen Strategien nicht zurückscheuen;3°9 statt in einem „gotischen" Kerker ist Catherine in den Fiktionen der anderen Figuren gefangen. 305

Butler in Austen, Kap. 7, und Romantics, Kap. 4, jeweils op. cit., Wolpers in „Romanelesende Heldin", ebenfalls op. cit.; Montoni ist der Name des Schurken in Radcliffes The Mysteries of Udolpho. 3 6 ° Johnson, op. cit., S. 3 J (Hervorhebungen im Text); entsprechend argumentieren beispielsweise auch Fullbrook (in Roe, ed.) und Tanner, Kap. 2, jeweils op. cit., sowie Brownstein, Rachel M., Becoming α Heroine: Reading About Women in Novels (New York, 1982), Teil 2, speziell S. 94. 307 Ellis, Einleitung, speziell S. XIII, und passim, Wilt, Kap. 3, jeweils op. cit. 308 Gilbert/Gubar, op. cit., S. 143; zur Repatriierung der gothic novel s. Johnson, op. cit., S. 48 309 Bei den drei in "Defence of the Novel" genannten Romanen findet sich dieses Handlungsmotiv in Burneys Cealia sowie in der Eugenia-Nebenhandlung in Camilla; s. den dritten Teil der vorliegenden Arbeit.

204

Eine solche Deutung des Textes hat natürlich Konsequenzen für die Bestimmung der Beziehung Austens zu ihren Vorgängerinnen. Wie Edgeworths "Angelina; or, L'Amie Inconnue" ist Northanger Abbey ein Roman, der sich über die Vorlage, die er benutzt, nicht nur lustig macht, sondern der diese Vorlage, in der von ihm selbst modifizierten Form, beglaubigt. Die beiden anti-romances von Maria Edgeworth und Jane Austen wollen also ihre Leserinnen zum richtigen Romanlesen erziehen, das heißt, zu einem Lesen, das innere Anteilnahme am Romangeschehen mit analytisch-kritischer Distanz verbindet und die Elemente des Textes, die „bloße Fiktion" sind, von denen trennt, die tendenziell mit der eigenen Lebenswelt konvergieren. Die verschiedenen „antiromantischen" Textstrategien können dabei als das Äquivalent einer oft von conduct books artikulierten direkten Aufforderung zum Gebrauch der Vernunft - und zum richtigen Lesen gelten. Gleichzeitig bemühen sich Edgeworth und Austen darum, Elemente aus anderen, älteren Romantraditionen wie etwa dem empfindsamen Roman für ihre eigenen Texte zu retten; außerdem verweist etwa Austens Rezeption der gynozentrischen Version der gothic novel auf thematische Parallelen zwischen verschiedenen Subgenre-Traditionen, Parallelen, denen unser Begriff „weiblicher Erziehungsroman" für Romane von Austen und Radcliffe, Edgeworth und Owenson Rechnung trägt. Eine der Thesen der vorliegenden Arbeit ist ja, daß das Interesse an Fragen der Frauenerziehung und an der gesellschaftlichen Rolle der Frau quer zu diesen Subgenre-Konventionen der Epoche verläuft. 2.4.3 Ästhetische Erziehung in Radcliffes The Mysteries of Udolpho und Austens Mansfield Park Als in Northanger Abbey Catherine Morland bei einem Spaziergang mit den Tilneys bekennen muß, daß ihr der Blick für pittoreske Landschaften fehle, erteilt ihr Henry Tilney eine Lektion: H e talked of foregrounds, distances, and second distances, side-screens and perspectives - lights and shades; and Catherine was so hopeful a scholar, that w h e n they gained the top of Beechen C l i f f , she voluntarily rejected the w h o l e city of Bath, as u n w o r t h y to make part of a landscape. 3 1 0 >'° Austen, Northanger, op. cit., S. 87; hier befindet sich Catherine übrigens in bester Gesellschaft: in On Buildings and Architecture (1798) kommt Uvedale Price ebenfalls zu der Einsicht, daß Bath nicht pittoresk sei. Vgl. dazu Hussey, Christopher, The Picturesque. Studies in α Point of View (London and Totowa, 1967; reprint of 1927 first edition), S. 1 205

I m f o l g e n d e n K a p i t e l soll anhand z w e i e r T e x t e , A n n R a d c l i f f e s The steries of Udolpho.

A Romance

u n d J a n e A u s t e n s Mansfield

Park,

My-

gezeigt

w e r d e n , daß sich d e r didaktische I m p e t u s des w e i b l i c h e n E r z i e h u n g s r o m a n s nicht n u r auf L i t e r a t u r r e z e p t i o n richten k a n n . D a b e i hat, w i e w i r feststellen w e r d e n , die E r z i e h u n g z u m richtigen Sehen, a n a l o g z u r E r z i e h u n g z u m richtigen L e s e n , eine m o r a l i s c h e D i m e n s i o n .

A n n R a d c l i f f e , The Mysteries

of Udolpho.

A Romance

(1794)

A n n R a d c l i f f e rezipiert in ihren R o m a n e n , v o r allem in A Romance the Forest

( 1 7 9 1 ) u n d The Mysteries

of Udolpho.

A Romance311

of

Tenden-

z e n des z e i t g e n ö s s i s c h e n ästhetischen D i s k u r s e s , als d e r e n repräsentative T e x t e E d m u n d B u r k e s rezeptionsästhetische Philosophical

Enquiry

the Origins

( 1 7 5 7 ) 3 1 2 und

of our Ideas

G i l p i n s A Dialogue Viscount

Cobham

of the Sublime

upon the Gardens at Stow

and

the Beautiful

of the Right

[sic] in Buckinghamshire

Honourable

The

into Lord

( 1 7 4 8 ) gelten k ö n n e n .

N a c h B u r k e lösen e r h a b e n e u n d s c h ö n e G e g e n s t ä n d e je u n t e r s c h i e d l i c h e 311

Im folgenden wiederum zitiert nach der "The World's Classics"-Ausgabe, op. cit.; folgende Arbeiten beschäftigen sich unter anderem mit den ästhetischen Aspekten der Texte Radcliffes: Bradbrook, Kap. 3, Herrlinger, Kap. 2.3.5.1, Mellor, Romanticism, Kap. 5, speziell S. 9 1 - 5 , jeweils op. cit., sowie Berglund, Birgitta, Woman's Whole Existence. The House as an Image in the Novels of Ann Radcliffe, Mary Wollstonecraft and Jane Austen (Lund University Press, 1993; Lund Studies in English, 84); Epstein, Lynne, "Mrs. Radcliffe's Landscapes: The Influence of Three Landscape Painters on her Nature Descriptions", in: Hartford Studies in Literature, Vol. 1 (1969), S. 107-20; Flaxman, Rhoda L., "Radcliffe's Dual Modes of Vision", in: Schofield/Macheski, op. cit., S. 1 2 4 - 3 3 ; Möhr, Hans-Ulrich, „Von der Regelpoetik zur Wirkungsästhetik? Der Wandel des englischen Literatursystems im 18. Jahrhundert in funktionsgeschichtlicher Sicht", in: Danneberg, Lutz und Friedrich Vollhardt (eds.), Vom Umgang mit Literatur und Literaturgeschichte. Positionen und Perspektiven nach der „Theoriedebatte" (Stuttgart, 1992), S. 365-85; Ross, Alexander M., The Imprint of the Picturesque on Nineteenth-Century British Fiction (Wilfrid Laurier University Press, 1986); Ruff, William, "Ann Radcliffe, or the Hand of Taste", in: Hilles (ed.), op. cit., S. 183-93; Schröder, Priska, Landschaftsbild - Wirklichkeitsbild. Zur Funktion von Natur und Landschaft im Roman von Charlotte Smith, Ann Radcliffe, Jane Austen und Charlotte und Emily Bronte (Diss. Marburg, 1987); Ware, Malcolm, Sublimity in the Novels of Ann Radcliffe. Α Study of the Influence upon her Craft of Edmund Burke's Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and the Beautiful (Upsala and Copenhagen, 1963; Essays and Studies on English Language and Literature, Vol. 25); allgemein zu Radcliffe s. außerdem: Smith, Nelson C., "Sense, Sensibility, and Ann Radcliffe", in: Studies in English Literature 1500-1900, Vol. 13 (1973), S. 577-90, und The Art of Gothic. Ann Radcliffe's Major Novels (New York, 1980); Stoler, John Andrew, Ann Radcliffe. The Novel of Suspense and Terror (New York, 1980); Weber, Ingeborg, Der englische Schauerroman. Eine Einführung (München und Zürich, 1983).

312

Burkes Definition des Erhabenen und des Schönen geht natürlich eine lange Diskussion voraus; so verweist Mohr (op. cit.) zu Recht auf die Ablehnung des formal garden bereits bei Addison.

20 6

Emotionen bei ihren Betrachterinnen und Betrachtern aus, nämlich pain einerseits, pleasure andererseits. Erhabene Gegenstände erkennt der menschliche Selbsterhaltungstrieb wegen ihrer charakteristischen Attribute obscurity, power, privations, vastness, infinity, succession und uniformity als Bedrohung, die schönen schmeicheln durch ihre Kleinheit, Zierlichkeit, Schwäche, Glätte dem zweiten menschlichen Urtrieb, dem Drang zur Fortpflanzung. 313 Für die gothic novel ist Burkes Theorie insofern relevant, als sich aus ihr ein Katalog von Landschaftsformen, aber auch von menschlichen Charaktereigenschaften, ableiten läßt, deren Wirkung auf potentielle Leserinnen und Leser berechenbar scheint. Gilpin fordert in dem bereits erwähnten Dialog, in einem 1768 erschienenen Essay über Hogarth, An Essay Upon Prints, und in den Beschreibungen seiner zahlreichen picturesque tours314 dazu auf, Landschaft mit Maßstäben zu messen, die aus der Betrachtung von Landschaftsgemälden, etwa von Claude Lorrain, Salvator Rosa 3 1 5 oder Nicolas Poussin, gewonnen werden können. Eine pittoreske Landschaft ist demnach eine Landschaft, die wie ein Gemälde aufgebaut ist und die entsprechend wie ein Gemälde kritisiert werden kann, wie Henrys „pittoreske" Terminologie in der eingangs zitierten Northanger Abbey-Passage zeigt. 3 ' 6 In einer Weiterentwicklung des Begriffs des Pittoresken durch Uvedale Price und Richard Payne Knight wird, nahezu zeitgleich mit The Mysteries of Udolpho, das Pittoreske als eine dritte Kategorie neben dem Erhabenen und dem Schönen etabliert, beschreibt der Ausdruck picturesque nicht mehr nur die „Bildgerechtheit" einer Landschaft, sondern einen ganz bestimmten Landschaftstyp - unregelmäßig, rauh, kontrastreich. Auch das 313

3,4

S. für eine konzise Zusammenfassung der Burke-Positionen Hussey (S. izf. und S. 58 f.) sowie Weber (S. 20-38), jeweils op. cit. Etwa auf der Reise durch den Lake District, die er in Observations on the Mountains and Lakes of Cumberland and Westmoreland (1786) beschreibt; bibliographische Angaben zu Gilpins anderen Reisebeschreibungen finden sich bei Hussey, op. cit., S. 1 1 1 . Hussey stellt im übrigen eine Liste pittoresker Gegenstände bereit, auf die im folgenden dankbar zurückgegriffen werden wird. Vgl. ferner Three Essays: on Picturesque Beauty; on Picturesque Travel; and on Sketching Landscape (1792).

3

' ' Dieser italienische Maler ist uns bereits im Kontext von Sydney Owensons The Wild Irish Girl begegnet. s 6 ' In einem weiteren Schritt werden, wie Bradbrook zeigt, Parallelen zwischen landschaftsästhetischer und literaturkritischer Terminologie konstruiert; als Beispiele nennt Bradbrook hier composition, design, expression, effect (Bradbrook, op. cit., Part I, Chapter 3, "The Picturesque"). Auch Mohr (op. cit.) verweist auf diese (geradezu synästhetische) Übertragung von Kriterien aus einem Kunstmedium auf andere Medien, wobei noch anzumerken ist, daß Gilpin in seinem An Essay Upon Prints die Hogarth-Drucke unter anderem danach beurteilt, ob sie eine Geschichte erzählen und eine moralische Lehre erteilen.

207

ästhetische Modell des Pittoresken stellt, wie Ross zu Recht bemerkt, Konventionen zur Verfügung, derer sich Romanautorinnen und -autoren des späten 18. und 19. Jahrhunderts bedienen konnten: "The novelists, therefore, found that the picturesque offered a very tempting and sensible approach whereby they could make their readers see and even feel what they wanted them to see and feel." 3 1 7 Das 18. Jahrhundert lernt also, einzelne natürliche Phänomene zueinander in Beziehung zu setzen und das Resultat, eben Landschaft, als eine ästhetische Einheit zu erleben. Dieses Erleben der Landschaft durch das Individuum ist, wie Priska Schröder zu Recht darlegt, von der Gesellschaft als normstiftender Gruppe beeinflußt. 3 ' 8 Der Blick auf die Natur ist durch die Kunst vermittelt, die wiederum in der Regel nicht nach der Natur malt, sondern, wie eben Claude Lorrain, Salvator Rosa und Nicolas Poussin, ideale Landschaften als Komposita aus bestimmten Landschaftsformen entwirft, oft in einem Prozeß der Piktorialisierung literarischer Vorlagen. In unserem Zusammenhang gilt es zunächst festzuhalten, daß die von Radcliffe wie von anderen gothic novelists häufig gebrauchten Termini sublime, beautiful, picturesque in der zeitgenössischen ästhetischen Diskussion verortet sind und daß ihnen in dieser Diskussion, zu der Radcliffe selbst mit einem postum veröffentlichten Aufsatz "On the Supernatural in Poetry" beiträgt, 319 eine präzise Bedeutung und Funktion zukommt. Im folgenden sollen nun drei deskriptive Passagen in The Mysteries of Udolpho daraufhin untersucht werden, ob sie erkennbar landschaftsästhetische Postulate Burkes oder Gilpins in Schauplätze des Romangeschehens umsetzen, nämlich die improvement-Diskussionen im ersten Kapitel des ersten Bandes, die Annäherung an den Hauptort „gotischen" Geschehens, die Burg Udolpho, im fünften Kapitel des zweiten Bandes und der Seesturm im elften Kapitel des dritten Bandes. 320 St. Aubert, der Vater der Protagonistin Emily, hat sich schon als recht junger Mann aufs Land zurückgezogen und sich auf einem kleinen Gut, das sich seit langer Zeit im Besitz seiner Familie befindet und auf dem er aufgewachsen ist, niedergelassen:

3.7

3.8 319

320

Ross, op. cit., S. 45; Ross' früheste Beispiele des Pittoresken im Roman stammen bereits aus Mackenzies The Man of Feeling (1771) und Smiths Emmeline (1788). Schröder, op. cit., S. 8 und passim In: New Monthly Magazine and Literary Journal, Vol. 16 (1826), S. 1 4 5 - 5 2 ; zitiert bei Weber, op. cit., S. 39 f. Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 4 und 13, S. 2 2 5 - 7 sowie S. 484^

208

In the surrounding ground, St. A u b e r t had made v e r y tasteful improvements; yet, such was his attachment to objects he had remembered f r o m his boyish days, that he had in some instances sacrificed taste to sentiment. There w e r e t w o old larches that shaded the building, and interrupted the prospect; St. A u b e r t had sometimes declared that he believed he should have been w e a k enough to have wept at their fall. In addition to these larches he planted a little grove of beech, pine, and mountain-ash. O n a l o f t y terrace, f o r m e d b y the swelling banks of the river, rose a plantation of orange, lemon and palm-trees, w h o s e fruit, in the coolness of the evening, breathed delicious fragrance. With these were mingled a f e w trees of other species. H e r e , under the ample shade of a plane-tree, that spread its majestic canopy towards the river, St. A u b e r t loved to sit in the fine evenings of summer, with his w i f e and children, watching, beneath its foliage, the setting-sun, the mild splendour of its light fading f r o m the distant landscape, till the shadows of twilight melted its various features into one tint of sober grey. 3 2 1

St. Aubert hat sich bei der Anlage seines Landschaftsgartens der clumps "Capability" Browns bedient, kleiner Baumgruppen, die über die Fläche einer Parkanlage verstreut werden. Auch bei der Auswahl der Baumsorten orientiert er sich an Brown, der als einer derjenigen Multiplikatoren, die als Landschaftsgärtner und -architekten die Theorien der Landschaftsästhetiker in die Praxis umsetzen und so einem breiteren Publikum zugänglich machen, für den die Parkanlage umgebenden Baumgürtel eine Mischung aus Nadel- und Laubbäumen bevorzugt; 322 die Zitrusplantagen sind natürlich ein Zugeständnis an das wärmere Klima, in dem St. Auberts Garten liegt. Allerdings weigert dieser sich, die Anregungen Browns allzu rigoros zu befolgen; neben den ästhetischen trägt seine Gartenanlage, wie im übrigen sein Haus, 323 auch anderen, emotionalen Bedürfnissen Rechnung. Die Passage ist perspektivisch aufgebaut: Die Leserin wird dazu eingeladen, zuerst den Blick von St. Auberts Haus auf die Gartenanlagen zu imaginieren; sodann wird ihr die Aussicht von dieser Gartenanlage auf die sie umgebende Landschaft eröffnet. Bei der Beschreibung dieser Landschaft versucht Radcliffe, wie Lynne Epstein 324 zeigt, besonders die detaillierte Analyse der wechselnden Lichtqualitäten bei Sonnenaufgang oder -Untergang, durch die sich die Bilder Claude Lorrains auszeichnen, zu versprachlichen. Der perspektivische Aufbau gewinnt seine besondere Brisanz durch den Vergleich mit einem anderen Garten, dem „französi321 322 323 324

Ibid., S. 4 S. dazu Hussey, op. cit., S. 141 S. dazu Berglund, op. cit., S. 37 Epstein, L., op. cit., S. n o f .

209

sehen" der Madame Cheron, Emilys Tante. Hier wird der Blick der Betrachterin, Emily, nicht vom Garten in die Landschaft geführt, sondern umgekehrt von der Landschaft in den Garten mit seinen "straight walks, square parterres, and artificial fountains" 325 zurückgeworfen. Die korrespondierende improvement-Passage im Fortgang des ersten Romankapitels führt uns zu einem anderen Landgut, das sich ursprünglich im Familienbesitz St. Auberts befunden hat, von diesem aber an den Bruder seiner Frau, Monsieur Quesnel, verkauft worden ist. Zum Entsetzen St. Auberts will Quesnel alte Bäume, darunter eine Kastanie, fällen lassen, - "They interrupt my prospect" 326 - , und sie durch Pappeln ersetzen. Auch Quesnel orientiert sich offensichtlich an Brown und spricht sogar explizit von den clumps, die im Bewußtsein der Zeitgenossen so nachhaltig mit Browns Gartenarchitektur assoziiert sind. Allerdings verstößt er dabei in einem entscheidenden Punkt gegen die pittoreske Autorität Gilpin: Die Kastanie gilt in dessen Katalog pittoresker Naturobjekte als ein Baum, der besonders von Salvator Rosa hoch geschätzt wird, als eminent malerisch, nicht jedoch die Pappel. 327 Darüber hinaus hat Quesnel kein Verständnis für die natürlich gewachsene Landschaft, in die St. Aubert nur äußerst behutsam eingegriffen hat. Er ist allein von dem Wunsch beseelt, für sein Streben nach Macht und Geltung einen standesgemäßen Rahmen zu schaffen: Ί live for my family and myself,' said St. Aubert; Ί am now contented to know only happiness; - formerly I knew life.' Ί mean to expend thirty or forty thousand livres on improvements,' said M. Quesnel, without seeming to notice the words of St. Aubert; 'for I design, next summer, to bring here my friends, the Duke de Durefort and the Marquis Ramont, to pass a month or two with me.' 328

Die Parallelen zu den improvement-Passagen in Austens Mansfield Park, auf die im zweiten Teil des vorliegenden Kapitels einzugehen sein wird, sind unübersehbar und dokumentieren erneut Austens produktive Auseinandersetzung mit den Texten ihrer Vorgängerinnen und Zeitgenossinnen. Durch den Tod ihrer Eltern wird Emily St. Aubert aus dem Garten ihrer Kindheit vertrieben und reist unter der Obhut ihrer Tante, Madame Cheron, die mittlerweile einen italienischen Abenteurer, Montoni, gehei325

326 327 328

Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 120; Browns Landschaftsgärten zeichnen sich im übrigen vor allem durch ihre Vermeidung der geraden Linie aus. Ibid., S. 13 S. dazu Hussey, op. cit., S. 123 Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 12 f.

210

ratet hat, zu dessen Burg im Apennin. Beim Aufstieg ins Gebirge machen die Reisenden Rast auf einer kleinen Lichtung, von der aus sie in der Ferne die italienische Campagna, wie ein Amphitheater ausgebreitet, sehen können. Von dort geht es durch dichte Nadelwälder zu einem engen Gebirgspaß, an dessen Ende sich Ausblicke auf Gebirgsketten eröffnen. Schließlich, gegen Abend, erreicht die Gruppe ihren Bestimmungsort, Udolpho: T o w a r d s the close of the day, the r o a d w o u n d into a deep valley. M o u n t a i n s , w h o s e s h a g g y steeps appeared to be inaccessible, a l m o s t s u r r o u n d e d it. To the east, a vista o p e n e d , that exhibited the A p e n n i n e s in their darkest horrors; a n d the long perspective of retiring s u m m i t s , rising over each other, their ridges clothed with pines, exhibited a stronger i m a g e of grandeur than any that E m i l y had yet seen. T h e s u n had just sunk b e l o w the t o p of the mountains she w a s descending, w h o s e long s h a d o w s stretched athwart the valley, but his s l o p i n g rays, s h o o t i n g t h r o u g h an opening of the cliffs, t o u c h e d with a yellow g l e a m the s u m m i t s of the forest, that h u n g u p o n the o p p o s i t e steeps, and s t r e a m e d in full s p l e n d o u r u p o n the towers and battlements of a castle, that spread its extensive r a m p a r t s along the b r o w of a precipice above. T h e s p l e n d o u r of these illumined objects w a s heightened by the contrasted shade, which involved the valley below. 'There,' said M o n t o n i , speaking for the first time in several hours, 'is U d o l pho.''2'

Der eben geschilderte Abschnitt der Reise Emilys ist in sich präzise strukturiert. Zwei explizit als sublim bezeichnete Anblicke, der der Campagna und der der Burg, 3 3 ° rahmen eine Landschaftsform, die des Passes, die nicht die Kriterien der Erhabenheit erfüllt und statt dessen als „wild" und „romantisch", das heißt, als „malerisch" im engeren Sinne von Price und Knight, beschrieben wird. Entsprechend lösen die beiden unterschiedlichen Landschaftstypen bei Emily Gefühle unterschiedlicher Intensität aus. Innerhalb der jeweiligen Landschaftstypen sind weitere Rahmenkonstruktionen erkennbar: So wird, einer Empfehlung Gilpins folgend, das Amphitheater der Campagna, das sich im übrigen an einem der Grundtypen idealer Landschaft, der amphitheatralisch aufgebauten Bucht von Neapel, orientiert, 331 nach hinten vom Meer und zu den Seiten hin 329 330

331

Ibid., S. 226 Besonders bei der Schilderung der Burg verwendet Radcliffe Termini, die den Attributen des Erhabenen bei Burke entsprechen, ζ. B. extensive (vgl. Burkes vastness), silent, lonely (vgl. Burkes privations, zu denen ausdrücklich die Stille, als das Fehlen von Geräuschen, gerechnet wird) und obscurity. S. dazu Hussey, op. cit., S. 85: "The Bay of Naples might be dubbed the parent of all Ideal Landscape. The amphitheatral form is there seen at its most obviously impressive, in that the view immediately proclaims itself a unity, perfectly composed and balanced.

211

von den beiden Flüssen Po und Brenta begrenzt.332 Der Gebirgspaß, durch den die Reisenden dann weiter in den Apennin vordringen, hat als Rahmen natürlich seine Felsenwände und bildet seinerseits den Rahmen für weitere Ausblicke, die sich unter anderem auf ein von schroffen Felsenwänden umschlossenes lieblich-pastorales Tal richten. Gebirgs- und Waldszenen sind im übrigen ein beliebtes Motiv Salvator Rosas, der sie in der Regel mit dubiosen zerlumpten Gestalten zu bevölkern pflegt, ein Bildelement, an das sich offenbar auch Emily sofort erinnert: "The extent and darkness of these tall woods awakened terrific images in her mind, and she almost expected to see banditti start up from under the trees." 333 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß sich im zwölften Kapitel des vierten Buches eine ähnlich gebirgige Landschaft als tatsächlich von Banditen bevölkert erweist. Neben dem Rahmenprinzip weist die zitierte Reisebeschreibung noch ein weiteres bildkompositorisches Prinzip auf, das als Chiaroscuro-Technik bezeichnet werden kann. Diese Technik der Hell-Dunkel-Kontrastierung geht, wie schon in dem ersten der beiden improvement-Abschnitte, mit einer detaillierten, an Lorrain orientierten Beschreibung der Lichteffekte eines Sonnenunterganges einher.334 Auf die dritte der genannten Passagen, den Seesturm in der Manier Nicolas Poussins, braucht nur noch kurz eingegangen zu werden: While the lady abbess ordered refreshment, and conversed with the Countess, Blanche withdrew to a window, the lower panes of which, being without painting, allowed her to observe the progress of the storm over the Mediterranean, whose dark waves, that had so lately slept, now came boldly swelling, in long succession, to the shore, where they burst in white foam, and threw up a spray over the rocks. A red sulphureous tint overspread the long line of clouds, that hung above the western horizon, beneath whose dark skirts the sun looking out, illumined the distant shores of Languedoc, as well as the tufted summits of the nearer woods, and shed a partial gleam on the western waves. The rest of the scene was in deep gloom, except where a sun-beam, darting between the clouds, glanced on the white wings of a sea-fowl, that circled high among

332

333 334

A Claude had only to accept this principle of composition and to include similar cities, sweet meadows, and distant sea, to interest at once anybody who had seen the prototype." Ibid., S. 1 1 J f.; das Meer, ein See sind bei Gilpin besonders als background geeignet, Flüsse als o f f - s k i p . Vgl. dazu auch Stoker, op. cit., Ch. 5, "Setting". Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 227 (Hervorhebung von mir) Es ist verlockend, dieses Hell-Dunkel-Prinzip auf den Text in seiner Gesamtheit zu übertragen, eine Fährte, die jedoch im Zusammenhang des vorliegenden Kapitels nicht weiter verfolgt werden kann.

212

them, or touched the swelling sail of a vessel, which was seen labouring in the storm. 335

Das Bild, das den unteren Fensterscheiben fehlt, wird der Betrachterin natürlich vor ihrem Fenster geboten; ihre Eindrücke von dem Gesehenen schwanken zwischen sympathetischer Anteilnahme am Schicksal des in Seenot befindlichen Schiffes und ästhetischem Genuß, - sie selbst ist ja von dem Sturm nicht existentiell bedroht. Innerhalb des Bilderrahmens wird die aufgewühlte See vom entfernt liegenden Ufer und vom nahe gelegenen Wald begrenzt. Dadurch werden statische und motorische Elemente sorgfältig auf der Bildfläche verteilt. Bei der Beschreibung der motorischen Elemente versucht Radcliffe offenbar, etwa bei den ans Ufer rollenden Wellen, die Wellenbewegung durch syntaktische Strukturen wiederzugeben; dieses word-painting erhöht die piktoriale Qualität der Szene. Auffallend ist erneut die detaillierte Wiedergabe von Färb- und Lichteffekten, die wir schon aus der improvement- und aus der Reisepassage kennen. Die drei Passagen, die als repräsentativ für andere Natur- und Landschaftsschilderungen in The Mysteries of Udolpho gelten können, sind, wie wir im folgenden sehen werden, nicht dekorative Versatzstücke oder Kulissen für die Romanhandlung, sondern verweisen auf übergeordnete, moraldidaktische Themen des Romans. So eröffnen beispielsweise die beiden improvement-Massigen eine Dimension, die uns ausführlicher in den parallelen improvement-Diskussionen in Mansfield Park beschäftigen wird und die einstweilen unter dem Stichwort Stadt-Land-Gegensatz rubriziert werden kann. Dieser Gegensatz, den Radcliffe letztlich, wie Ware ausführt, der empfindsamen Romantradition sowie ihren Vorgängerinnen in der gotbic novel, nämlich Lee und Charlotte Smith, verdankt, 336 wird im Roman durch St. Aubert und Quesnel und durch deren jeweilige Lebensentscheidungen repräsentiert; diese Lebensentscheidungen, vor denen im Roman auch der jugendliche Held, Valancourt, sowie die Familie des Count De Villefort stehen, prägen wiederum die Einstellung zu Landbesitz und Landschaft. Der Graf ist es auch, den die Natur zu folgenden Reflexionen veranlaßt: The Count, comparing this with the scenes of such gaiety as he had witnessed at Paris, where false taste painted the features, and, while it vainly tried to supply the glow of nature, concealed the charms of animation - where affecta»> Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 484f. Ware, op. cit., S. 46; das Motiv des Stadt-Land-Gegensatzes begegnet uns im übrigen, wie wir gesehen haben, auch bei Edgeworth, besonders in Patronage.

s>6

213

tion s o o f t e n distorted the air, and vice perverted the manners - sighed to think, that natural graces and innocent pleasures flourished in the w i l d s of solitude, while they d r o o p e d amidst the c o n c o u r s e of polished society. 3 3 7

Allerdings zeigt gerade diese Stelle, daß das Land in Radcliffes Romanen kein reiner Hort des Guten ist: Der Graf wird, wie bereits bemerkt, wenig später von Banditen überfallen, die sich nicht auf ihre Rolle als Staffagen einer malerischen Landschaft beschränken lassen. Umgekehrt ist die Stadt, wie Nelson C. Smith zeigt, 338 oft der Ort, an dem, wie in The Romance of the Forest, den Opfern finsterer Machenschaften Gerechtigkeit widerfährt. Die Reise- und die Sturmpassagen sind im Roman jeweils zwei Betrachterinnen zugeordnet, der Protagonistin Emily und ihrer späteren Freundin Blanche, der Tochter des Count De Villefort; ihre Perspektive wird von der auktorialen Erzählerfigur geteilt und soll von der Leserin nachvollzogen werden. Während in Radcliffes Romanen negativ gezeichnete Figuren ihrer Umgebung gegenüber unsensibel sind, zeichnen sich die Heldinnen durch ihr Einfühlungsvermögen gegenüber der Landschaft aus. Dieses innige Verhältnis zwischen dem guten Menschen und der Natur wird sprachlich dadurch zum Ausdruck gebracht, daß bestimmte, leitmotivisch wiederholte Schlüsselbegriffe wie etwa gloomy, melancholy sowohl zur Charakterisierung menschlicher Stimmungen als auch zu der Beschreibung der natürlichen Phänomene, die diese Stimmungen hervorrufen, verwendet werden. 339 Wegen der Gleichgestimmtheit von Heldin und Natur kann letztere manchmal auch, wie in der Reisepassage, auf das Schicksal der Heldin vorausverweisen: Emilys Weg durch den Gebirgspaß führt sie von den weiten Ebenen der Campagna in eine neue, zutiefst bedrohliche Welt. Wie bereits angedeutet, wird die Heldin zu einer intuitiven Reaktion auf die Natur durch ihren moralischen Sinn befähigt: "Virtue and taste are nearly the same, for virtue is little more than taste, and the most 337 338 339

Radcliffe, Udolpho, op. cit, S. 597 (Hervorhebung von mir) Smith, Radcliffe, op. cit., S. 161 f. S. z.B., für gloomy, S. 224 (Hervorhebungen von mir): "The gloom of these shades, their solitary silence, except when the breeze swept over their summits, the tremendous precipices of the mountains, that came partially to the eye, each assisted to raise the solemnity of Emily's feelings into awe; she saw only images of gloomy grandeur, or of dreadful sublimity, around her; other images, equally gloomy and equally terrible, gleamed on her imagination." S. dazu auch Herrlingen op. cit., S. 115 f. und Berglund, op. cit., S. 66; letztere weist zu Recht darauf hin, daß die zur Beschreibung Udolphos verwendeten Termini gleichzeitig auch seinen Besitzer charakterisieren können, und beschreibt damit eine Variante der Ubereinstimmung zwischen einem Individuum und seiner Umgebung. Ihr Beispiel ist: "Silent, lonely, and sublime, [Udolpho] seemed to stand the sovereign of the

214

delicate affections of each combine in real love." 3 4 ° Herrlinger kommentiert diese Passage wie folgt: Der ästhetische Sinn, der uns die Erhabenheit und Schönheit der Natur erkennen läßt, ist identisch mit einem moralischen Sinn, der uns die Einfühlung in den Mitmenschen und ein intuitives moralisches Handeln ermöglicht. Wie der moralische Mensch selbst in größter Not reflexartig auf die Erfahrung erhabener Landschaft reagieren muß, so muß er auch intuitiv den in Not geratenen Menschen helfen. 341 Analog zur sprachlich-moralischen Norm, um deren Etablierung sich, wie wir in den vorhergehenden Kapiteln gesehen haben, der weibliche Erziehungsroman oft bemüht, kann also für Radcliffes The Mysteries Udolpho

of

eine ästhetisch-moralische N o r m konstruiert werden.

Jane Austen, Mansfield

Park

(1814)

Unterhaltungen über zeitgenössische ästhetische Theorien finden nicht nur, wie einleitend gezeigt, in Austens Nortbanger auch in Sense and Sensibility.

Abbey

statt, sondern

Dort unterbricht der nüchterne Edward

Ferrars die Landschaftsschwärmereien Marianne Dashwoods: You must not inquire too far, Marianne - remember I have no knowledge in the picturesque, and I shall offend you by my ignorance and want of taste if we come to particulars. I shall call hills steep, which ought to be bold; surfaces strange and uncouth, which ought to be irregular and rugged; and distant objects out of sight, which ought only to be indistinct through the soft medium of a hazy atmosphere. You must be satisfied with such admiration as I can honestly give. 342 Austens ausführlichste Auseinandersetzung mit landschaftsästhetischen Fragestellungen findet sich jedoch in ihrem 1 8 1 4 erschienenen Roman Mansfield

340

341

342 343

Park.i4)

Die Annäherung an diesen Roman wird, wie schon

scene, and to frown defiance on all, who dared to invade its solitary reign." (Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 227) Radcliffe, Udolpho, op. cit., S. 49 f.; St. Aubert erweist sich hier natürlich als gelehriger Schüler Shaftesburys: "What is Beautiful is Harmonious and Proportionahle; what is Harmonious and Proportionable, is True; and what is at once both Beautiful and True, is, of consequence, Agreeable and Good." (zitiert nach Sambrook, op. cit., S. 55) Herrlinger, op. cit., S. 143 (Hervorhebungen im Text); zum teste-Begriff s. auch Schröder, op. cit., S. 97, sowie Stokes, Myra, The Language ofJane Austen. A Study of Some Aspects of her Vocabulary (Basingstoke, 1991), S. 173 Austen, Sense, op. cit., S. 83; s. dazu auch S. 40 und S. 62 f. Im folgenden zitiert nach der "World's Classics"-Ausgabe (ed. James Kingley and John Lucas, Oxford University Press, 1980)

215

bei d e r D i s k u s s i o n literaturdidaktischer A s p e k t e in Northanger ü b e r einen a n d e r e n T e x t , hier The

Mysteries

of Udolpho,

Abbey,

erfolgen; da-

d u r c h w e r d e n die R o m a n e A u s t e n s in d e r T r a d i t i o n des w e i b l i c h e n E r z i e h u n g s r o m a n s v e r a n k e r t . A u f die Parallelen z w i s c h e n Mansfield The

Mysteries

of Udolpho

w i e s e n . S o w i r d e t w a bei F i g e s u n d B e r g l u n d 3 4 4 The Mysteries z u e i n e m V o r w u r f nicht nur f ü r Northanger Mansfield

Park·,

Abbey,

und

of

Mysteries

of Udolpho

Udolpho

sondern auch f ü r

f ü r beide R o m a n e , w i e f ü r zahlreiche gothic

a l l g e m e i n e n u n d The

Park

w i r d in d e r A u s t e n - F o r s c h u n g m e h r f a c h v e r -

novels

im

i m b e s o n d e r e n , f u n g i e r t ein

H a u s als T i t e l g e b e r . 3 4 5 B r a d b r o o k z u f o l g e s c h w ä r m t die P r o t a g o n i s t i n F a n n y P r i c e w i e E m i l y St. A u b e r t f ü r die N a t u r , ist in ihren Ä u ß e r u n g e n a b e r sehr viel w e n i g e r spontan; beide H e l d i n n e n sind i m ü b r i g e n bestens m i t d e m W e r k S h a k e s p e a r e s vertraut u n d erinnern sich an dieselbe S h a k e s p e a r e - P a s s a g e . B r i s s e n d e n 3 4 6 geht einen Schritt w e i t e r u n d w i l l in F a n n y s N a t u r s c h w ä r m e r e i eine p a r o d i s t i s c h e I n t e n t i o n A u s t e n s e r k e n n e n . D a m i t w i r d eine der zentralen F r a g e n d e r Mansfield

Park-Rezeption

b e r ü h r t , die B e u r t e i l u n g F a n n y s , die beispielsweise in M a r i l y n 344 345

546

Butlers

Jeweils op. cit. Berglund zitiert aus einem 1798 erschienenen Katalog des berüchtigten Minerva-Verlages: Rosemond Castle, or False Reports-, Edgar, or the Phantom of the Castle; The Horrors of Oakendale Abbey, The Mystery of the Black Tower, The Mystic Castle, or the Orphan Heir; The Children of the Abbey; The Abbey of Clugny; The Ruins of Avondale Priory ; The Abbey of St. Asaph; Madeline, or the Castle of Montgomery; Bungay Castle (Berglund, op. cit., S. 2$). Figes, op. cit., Kap. 6, betrachtet Northanger Abbey und Mansfield Park als komplementäre Texte: So ist Sir Thomas Bertram, anders als General Tilney, kein Haustyrann, und der Eindringling Fanny darf im Haus bleiben, während der Eindringling Catherine Morland aus Northanger Abbey verbannt wird. Der patriarchalische Haushalt in Mansfield erweist sich als Zufluchtsort für Fanny, verbannt werden die rebellischen Kinder. Bradbrook, op. cit., Kap. 6, sowie Brissenden, Ralph F., "Mansfield Park·. Freedom and the Family", in: Halperin (ed.), op. cit., S. 1 5 6 - 7 1 ; zur Austen-Forschung s. Kap. 1.2.4 und 2.4.2; speziell zu Mansfield s. Berglund, Kap. 8 und 1 1 , Butler, Austen, Kap. 10, Duckworth, Kap. i, MacDonagh, Kap. 1, Schröder, Kap. 9, vierter Abschnitt, jeweils op. cit.; Banfield, Ann, "The Influence of Place: Jane Austen and the Novel of Social Consciousness", in: Monaghan, op. cit., S. 28-48; Donoghue, Denis, " A View of Mansfield Park", in: Southam (ed.), Critical Essays, op. cit., S. 39-59; Fleishman, Avrom, A Reading of Mansfield Park: An Essay in Critical Synthesis (Johns Hopkins Press, 2 1970); McMaster, Juliet, "Surface and Subsurface in Jane Austen's Novels", in: Ariel, Vol. 5, N o . 2 (April 1974), S. 5 - 2 4 ; Morgan, Susan, In the Meantime. Character and Perception in Jane Austen's Fiction (University of Chicago Press, 1980), Kap. 5; Murrah, Charles, "The Background of Mansfield Park", in: Rathburn/Steinmann, op. cit., S. 2 3 - 3 4 ; Nardin, Jane, Those Elegant Decorums: The Concept of Propriety in Jane Austen's Novels (State University of New York Press, 1973), Kap. 6; Ruoff, Gene W., "The Sense of a Beginning: Mansfield Park", in: The Wordsworth Circle, Vol. 10 (1979), S. 174-86; Trilling, Lionel, "Mansfield Park", in: Southam (ed.), Sense, Pride, Mansfield, op. cit., S. 2 1 6 - 3 5 ; Uffen, Ellen Serien, "The Art of Mansfield Park", in: Women and Literature, Vol. 5, N o . 2 (Fall 1977), S. 2 9 - 4 1

216

konservativem Austen-Bild als eine Repräsentantin des "Christian Good Life" gesehen wird, das heißt, als demütig, kontemplativ, dienstfertig; selbst Butler muß jedoch zugeben, daß die Beschreibung von Fannys Einstellung zu Edmund Bertram von einer gewissen ironischen Distanzierung seitens der auktorialen Erzählerfigur gekennzeichnet ist.347 Fanny nimmt erstmals während einer improvement-Diskussion im sechsten Kapitel des Romans zu landschaftsarchitektonischen Fragen Stellung.348 Rushworth, der Verlobte Maria Bertrams, kommt von einer Reise zurück, in deren Verlauf er den Besitz eines Freundes besichtigt hat; dieser Besitz ist von dem Landschaftsarchitekten Repton, einem Nachfolger Capability Browns, einer Serie von improvements unterzogen worden. Bei der Beschreibung der improvements bedient sich Rushworth des neu erlernten Vokabulars: "The approach now is one of the finest things in the country. You see the house in the most surprising manner." 349 Er vergleicht sein eigenes Haus, Sotherton, mit einem Gefängnis." 0 Den improvements Reptons sind auf dem Gut des Freundes einige alte Bäume zum Opfer gefallen, und auch Sotherton soll nun, nach Rushworths Plänen, zuerst seine Alleebäume verlieren. An dieser Stelle des Gesprächs gibt Fanny, die bisher ihre gewöhnliche Rolle als stille, aber aufmerksame Zuhörerin gespielt hat, ihre Zurückhaltung auf; in einer deutlichen Parallele zu St. Auberts Reaktion auf die Pläne seines Schwagers Quesnel verteidigt Fanny den alten Baumbestand. Wie Rushworth zitiert sie aus der zeitgenössischen improvement-Literatur, aus Cowpers explizit gegen Repton gerichtetem Lehrgedicht The Task.3SI Allerdings 347

Butler, Austen, op. cit., S. 242 ff.; diese ironische Distanzierung beschreibt auch Lucas im Vorwort zur hier verwendeten Ausgabe, S. X V f. 348 Austen, Mansfield, op. cit., S. 47 ff. 34 ' Ibid., S. 47 3! ° Maria Bertram, die ihre eigene Heimat, Mansfield Park, als ein Gefängnis empfindet (vgl. zum Beispiel S. 182: "She was less and less able to endure the restraint which her father imposed. The liberty which his absence had given was now become absolutely necessary. She must escape from him and Mansfield as soon as possible [...]"), tauscht in Wirklichkeit natürlich, wie Berglund (op. cit., S. 227) zu Recht ausführt, ein Gefängnis gegen ein anderes aus. 351

Austen, Mansfield, op. cit., S. 50: "Ye fallen avenues, once more I mourn your fate unmerited", The Task, 1.338; s. dazu Duckworth, op. cit., S. 47. Auch andernorts finden sich in Fannys Reden Zitate aus dem zeitgenössischen ästhetischen Diskurs, den wir bereits aus Radcliffe kennen, z.B. Mansfield, op. cit., S. 102: "When I look out on such a night as this, I feel as if there could be neither wickedness nor sorrow in the world; and there certainly would be less of both if the sublimity of Nature were more attended to, and people were carried more out of themselves by contemplating such a scene" (Hervorhe-

217

ist Fannys Bemerkung, aufgrund derer sie häufig als eine Hüterin traditioneller Werte gilt, nicht wie die St. Auberts durch eine Kindheitserinnerung an die bedrohten Bäume motiviert; Fanny hat die Bäume nie gesehen und wird sie auch bei dem verhängnisvollen Ausflug nach Sotherton, von dem später die Rede sein wird, nicht zu sehen bekommen. Außerdem spricht sich selbst Edmund Bertram, ihr großes moralisches Vorbild, grundsätzlich für behutsame improvements aus.352 Entscheidend ist jedoch der Kontext, in den die einzelnen Positionen zu improvements eingebettet sind: Offenbar geht es Austen hier nicht um die landschaftsarchitektonischen Details von improvements oder um deren spezifische moralische Signifikanz, sondern darum, daß ein Grundbesitzer die persönliche Verantwortung für diese improvements, welcher Natur sie auch immer sein mögen, übernehmen muß; dieser Verantwortung würde sich Mary Crawford entziehen, nicht aber ihr Bruder Henry. Während erstere im Zusammenhang mit dem Transport ihrer Harfe ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber ländlichen Lebensrhythmen erkennen läßt, hat sich Henry bereits als Schüler und Student Gedanken um seinen Besitz gemacht und kommt später, als er um Fanny wirbt, seinen sozialen Aufgaben als Grundbesitzer in mustergültiger Weise nach. Mary ist also viel eher ein Stadtkind als Henry; die Stadt-Land-Dichotomie, die in Mansfield Park, wie in The Mysteries of Udolpho, als ein moralischer Gegensatz präsent ist, erscheint in Austens Roman nicht mehr unmittelbar an das Thema der improvements gekoppelt. Außerdem wird die bereits in The Mysteries of Udolpho angelegte Relativierung dieses Gegensatzes weiterentwickelt: Zwar zeigt auch in Mansfield Park Mary Crawford in London ihr wahres Gesicht, begeht Henry Crawford dort den Ehebruch mit Maria Bertram Rushworth, doch nur Fanny ist naiv genug, diese moralisch verwerflichen Verhaltensweisen monokausal dem Stadtleben zuzuschreiben: "Fanny was disposed to think the influence of London very much at war with all respectable attachments."353 Während entsprechende Wertungen und Beurteilungen in The Mysteries of Udolpho

3,2

353

bung von mir). Dies sind die „naturschwärmerischen" Passagen, auf die sich Bradbrook und Brissenden beziehen. Edmunds Äußerungen werden von Berglund, in Anlehnung an Duckworth, als "Burkean" bezeichnet (Berglund, op. cit., S. 155). Burke bedient sich bekanntermaßen in Reflections on the Revolution in France der improvement-Terminologie und plädiert, analog zu behutsamen Eingriffen in natürlich gewachsene Landschaft, für behutsame Korrekturen im natürlich gewachsenen politischen System. Austen, Mansfield, op. cit., S. 394; Edmund verurteilt zwar an anderer Stelle (S. 83) ebenfalls die städtische Unmoral, doch mit ähnlichen, auf Mary Crawford gerichteten Hintergedanken. 218

noch von der auktorialen Erzählerfigur sanktioniert werden, hält Austens Text alternative Erklärungsmuster bereit, vor allem das der durch die Erziehung vermittelten moralischen Werte; die mißlungene Erziehung der Bertram-Töchter hat schließlich auf dem Lande, in Mansfield Park selbst, stattgefunden. Auch bei der zweiten ausführlichen improvement-O'iskxission spielt der kommunikative Kontext eine zentrale Rolle. Für diese Passage, die den zukünftigen Wohnsitz Edmund Bertrams, das Pfarrhaus von Thornton Lacey betrifft, erweisen sich die Vorwürfe als berechtigt, die Henry Crawford, stellvertretend für bestimmte Landschaftsarchitekten der Epoche, in der Austen-Rezeption gemacht werden,3'4 daß er nämlich einer Dissoziation des herrschaftlichen Hauses von den ländlichen Produktionsprozessen das Wort rede und daß seine Anregung zur Verlagerung der Achsen innerhalb des Grundstücks sein „verkehrtes" Wertsystem symbolisiere. Außerdem sollen Henrys projektierte improvements explizit dem Zwecke dienen, dem Pfarrhaus einen sozialen Status zu verleihen, der ihm nicht zusteht: From being the mere gentleman's residence, it becomes, by judicious improvement, the residence of a man of education, taste, modern manners, good connections. All this may be stamped on it; and that house receive such an air as to make its owner be set down as the great land-holder of the parish, by every creature travelling the road; especially as there is no real squire's house to dispute the point·, a circumstance between ourselves to enhance the value of such a situation in point of privilege and independence beyond all calculation.355

Die Unterhaltung findet während eines Kartenspiels, Speculation, statt, und auch Henry Crawfords Äußerungen sind rein spekulativer Natur. Soweit wir wissen, werden im Roman keine der von ihm vorgeschlagenen improvements ausgeführt, - mit Ausnahme derer, die er auf seinem eigenen Besitz vornimmt und von denen wir erfahren, daß sie ihrem Umfang nach äußerst moderat ausgefallen sind. Überdies wird Thornton Lacey, in welcher Gestalt auch immer, - schließlich plant Edmund ebenfalls improvements - , nur kurz von ihm und seiner späteren Ehefrau Fanny bewohnt werden; sehr bald vertauschen die beiden Thornton Lacey mit dem Pfarrhaus von Mansfield und kommen damit in den Genuß einer

354 3

Etwa von Banfield (in Halperin, op. cit.) " Austen, Mansfield, op. cit., S. 220 (Hervorhebung von mir); es kann in diesem Kontext nur kurz darauf verwiesen werden, daß Begriffe wie modern manners oder independence natürlich Schlüsselbegriffe der ideologischen Auseinandersetzungen der Epoche sind.

219

Aussicht, die Fanny allen anderen vorzieht, "the view and patronage of Mansfield Park".» 6 Als Resultat der bereits geschilderten ersten improvement-D'is)sMSSion wird ein Ausflug nach Sotherton, dem Besitz Rushworths, geplant, an dem die Geschwister Bertram, die beiden Crawfords, Fanny Price und Mrs. Norris teilnehmen. Während der Fahrt nach Sotherton und während des Aufenthaltes dortselbst folgt die Erzählung im wesentlichen der Perspektive Fannys. Allerdings werden bereits auf der Fahrt alle Perspektiven sorgfältig relativiert: Fanny interessiert sich zwar, im Unterschied zu Mary Crawford, die neben ihr sitzt, stärker für die Landschaft, doch gilt beider Aufmerksamkeit vor allem Edmund Bertram, der hinter der Kutsche herreitet. Maria Bertram ist die Sicht buchstäblich durch ihre Schwester Julia, auf die sie eifersüchtig ist, und Henry Crawford versperrt; die beiden sitzen nebeneinander auf dem Kutschbock. Doch auch im übertragenen Sinn hat Maria keinen Blick für die Landschaft, sondern nur für Henry und für ihre Schwester. Julia ihrerseits verdankt ihren Landschaftsgenuß nicht nur ihrer erhöhten Sitzposition, sondern eben auch ihrem anregenden Nachbarn. Erst als sich die Gesellschaft Sotherton selbst nähert, richtet sich Marias Aufmerksamkeit auf die Umgebung: She had Rushworth-feelings, and Crawford-feelings, and in the vicinity of Sotherton, the former had considerable effect. Mr. Rushworth's consequence was hers. She could not tell Miss Crawford that 'those woods belonged to Sotherton,' she could not carelessly observe that 'she believed it was now all Mr. Rushworth's property on each side of the road,' without elation of heart; and it was a pleasure to increase with their approach to the capital freehold mansion, and ancient manorial residence of the family, with all its rights of Court-Leet and Court-Baron. 357

Die Gesellschaft besichtigt nun zuerst das Haus. Wie in The Mysteries of Udolpho repräsentiert das Haus seine Besitzer; Berglund zeigt im Detail, daß das Attribut heavy, das bereits in der ersten improvement-Diskussion für Sotherton verwendet wird, gleichzeitig häufig zur Beschreibung seines Besitzers, Rushworth, dient.358 Mrs. Rushworth, die zukünftige Schwiegermutter Maria Bertrams, verhält sich bei der Führung durch ihr Haus wie eine Museumswärterin: Of pictures there were abundance, and some few good, but the larger part were family portraits, no longer any thing to any body but Mrs. Rushworth, 356

>!в

Austen, Mansfield, op. cit., S. 432 (Hervorhebung von mir) Ibid., S. 73 f. Berglund, op. cit., S. 151; Berglund nennt einige andere Beispiele für dieses Verhältnis zwischen Haus und Besitzer, etwa Pemberley und Darcy in Pride and Prejudice.

220

w h o had been at great pains to learn all the housekeeper could teach, and was n o w equally well qualified to show the house. 3 5 '

Es ist vor allem dieser Traditionsverlust, der, in Verbindung mit dem Schicksal der Hauskapelle, den Eindruck der Kälte und Sinnentleertheit Sothertons erweckt. 360 In der Sekundärliteratur wird häufig darauf verwiesen, daß Sotherton ausführlicher beschrieben wird als Mansfield Park selbst; dies lädt natürlich dazu ein, die Kritik an Sotherton als eine indirekte, displazierte Kritik an Mansfield zu interpretieren. Auch Mansfield hat keine Hauskapelle mehr, und an keiner Stelle des Romans wird Sir Thomas aktiv bei der Bestellung seines Gutes gezeigt;361 beide Häuser müssen einem Prozeß der Revitalisierung, der Wiedererweckung des sozialen Gewissens, unterzogen werden. Nach der Besichtigung des Rushworth-Hauses sollen nun die Gartenanlagen begangen werden; in einer Szene, die die perspektivische Anlage des ersten Kapitels von The Mysteries of Udolpho in Handlungsabläufe umsetzt, werden die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft von den offenen Gartentüren magisch aus dem Haus in die das Haus umgebende Landschaft gelockt, zuerst in die sogenannte wilderness, dann in den Park. Spätestens hier wird eine Tendenz der Landschaftsbeschreibungen Austens deutlich, die in den improvement-Oiskussiontn bereits angeklungen ist und die wir auch aus The Mysteries of Udolpho kennen, die Tendenz nämlich, den deskriptiven Passagen eine symbolische Bedeutungsdimension zu verleihen. Die Personenkonstellationen sind ebenfalls moralisch signifikant; 362 Edmund durchschreitet die wilderness mit den beiden Frauen am Arm, zwischen denen er sich entscheiden muß, nämlich Fanny Price und Mary Crawford. Letztere offenbart in der wilderness im übrigen ihre Unfähigkeit zu präzisen Angaben von Raum und 359

Austen, Mansfield, op. cit., S. 76; auch hier gibt es eine Parallele zu Pride and Prejudice: Dort zeigt die Haushälterin Elizabeth Bennet Pemberley, einschließlich eines Porträts seines Besitzers, Darcy, - und dieses Bild hat, anders als die Ahnengalerie der Rushworths, sehr wohl eine tiefere Bedeutung für seine Betrachterinnen (Pride and Prejudice, Kap. 43; ed. Tony Tanner, Harmondsworth, 1972, S. 267ff.).

360

Und natürlich sieht die Gesellschaft, bevor sie das Gutshaus selbst erreicht, die verfallenen Hütten der Landarbeiter: "Those cottages are really a disgrace", wie selbst Maria Bertram zugeben muß, die sich im gleichen Atemzug darüber freut, daß die Dorfkirche so weit vom Gutshaus entfernt ist, daß sie nicht ständig von den Kirchenglocken gestört werden wird (Austen, Mansfield, op. cit., S. 74).

3 Ibid., S. 875 f.

290

S. 885 und S. 890

to her it offers her only two options: to write words 'illuminated with burning sulphur' or to make no mark on the page the pen traverses, to write invisible words. 1 1 6

3.3 Erzählstruktur in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer Wie in Kapitel 3.1 bemerkt, entsprechen die vier Burney-Romane dem Strukturmuster des weiblichen Erziehungsromans. Auch auf die ungewöhnlich große Anzahl an Nebenhandlungen, die sich zu einem vielschichtigen Bild der Gesellschaft des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, und der Rolle der Frau in dieser Gesellschaft, zusammenfügen, wurde bereits verwiesen. Vor allem diese Nebenhandlungen machen Burneys Romane zu Büchern, wie Evelina sie gerne gelesen hätte: "But, really, I think there ought to be a book, of the laws and customs a-la-mode, presented to all young people, upon their first introduction into public company." 117 Als ein Beispiel seien hier noch einmal die verschiedenen gescheiterten Ehen in Evelina genannt; neben der Ehe der Mirvans, die Mrs. Mirvan angesichts der charakterlichen Inkompatibilität ihres Ehepartners zu stillem Leiden verurteilt,118 handelt es sich hier vor allem um die unglücklichen Ehen von Evelinas Eltern und Großeltern. Evelinas wohlgeborener Großvater heiratet eine Barfrau (die vulgäre Madame Duval der Romanhandlung), die Tochter aus dieser Mesalliance, Caroline Evelyn, einen Adeligen, Sir John Belmont, der, wie wir später von seinem unehelichen Sohn Macartney erfahren, zu Recht in dem Rufe sexueller Freizügigkeit steht;" 9 die letzten beiden Ehen werden natürlich gegen den Willen der jeweiligen Familienangehörigen geschlossen. Damit vermittelt der Text in seiner Gesamtheit ein Kompendium der Faktoren, die zum Scheitern einer Ehe führen können. Vor der Heirat Evelinas mit Orville müssen all diese Störfaktoren sorgfältig ausgeräumt werden: Die beiden Liebenden entscheiden sich erst nach längerer Bekanntschaft füreinander; das Ideal der Keuschheit gilt auch für den zukünftigen Ehemann. Evelinas soziale und finanzielle Position wird als eine ebenbürtige etabliert, und die betroffenen Familien erteilen ihre Zustimmung. Ein zweiter Komplex an Nebenhandlungen und Nebenfiguren in Evelina beschäftigt sich mit dem Los alternder Frauen, die ihre physische " 6 Epstein, Burney, op. cit., S. 149; s. auch ibid., S. 135 Burney, Evelina, op. cit., S. 83 1.8 Ibid., S. 38 " » Ibid., S. 13 f. bzw. S. 15 1.7

291

Attraktivität und mit ihr, in den Augen einiger männlicher Romanfiguren, auch ihre Existenzberechtigung verloren haben: "I don't know what the devil a woman lives for after thirty: she is only in other folks [sic] way." 120 Evelinas Großmutter, Madame Duval, ist ein Beispiel dafür, wie eine Frau, die ihr Selbstwertgefühl immer aus ihrer mehrfach betonten großen Schönheit bezogen hat, versucht, mit allen Mitteln diese Schönheit zu bewahren: sie schminkt sich, kleidet sich übertrieben modisch, trägt eine Perücke. In vielen Romanszenen wird sie dieser modischen Attribute, und mit ihnen ihrer Menschlichkeit, beraubt: Her head-dress had fallen off; her linen was torn; her negligee had not a pin left in it; her petticoats she was obliged to hold on; and her shoes were perpetually slipping off. She was covered with dirt, weeds, and filth, and her face was really horrible, for the pomatum and powder f r o m her head, and the dust from the road, were quite pasted on her skin by her tears, which, with her rouge, made so frightful a mixture, that she scarcely looked human. 1 2 1

In einer anderen Episode des Textes einigen sich zwei junge Männer darauf, statt ihrer Pferde zwei alte Frauen um die Wette laufen zu lassen.122 Wie wir gesehen haben, finden sich auch in den anderen drei Romanen zahlreiche gescheiterte Ehen; vor ihrem dunklem Hintergrund bewährt sich zwar die Liebesgeschichte der Protagonistin, aber als ein außergewöhnliches, ein in doppeltem Wortsinn glückliches, Ereignis. Daneben spiegeln die Nebenhandlungen in Cecilia, Camilla und The Wanderer natürlich die jeweiligen thematischen Schwerpunkte der Haupthandlungen wider, in Cealia die Mechanismen sozialer Mobilität und das Problem des richtigen Umgangs mit ererbtem oder erworbenem Vermögen, in Camilla die Erziehungsproblematik und das Verhältnis zwischen Beobachtenden und den Gegenständen ihrer Beobachtung, in The Wanderer die Schwierigkeiten weiblicher Berufstätigkeit. Die folgende Untersuchung wird sich nun auf zwei Aspekte der Erzählstruktur beschränken; sie wird zuerst zeigen, welche weiblichen Kontrastfiguren den Protagonistinnen zugeordnet sind, - auch hier wird eine Auswahl aus der Burneyschen Figurenfülle zu treffen sein - , und sie wird sich zweitens mit der Funktion eines bestimmten Typs einer weiblichen Kontrastfigur beschäftigen, mit den Frauen nämlich, die vermeintlich oder tatsächlich gegen die Geschlechterrollen ihrer Gesellschaft versto,2

° Ibid., S. 275 Ibid., S. 148 (Hervorhebungen im Text) 122 Ibid., S. 31 i f f . ; zu diesem Wettrennen und zum Themenkomplex weibliches Altern s. auch Straub, op. cit., Kap. 2, speziell S. 42 f f . 121

292

ßen. Dieser Figurentyp ist uns bereits in Edgeworths Belinda, Hamiltons Memoirs

of Modern

Philosophers

Elizabeth

und in den Romanen von

Wollstonecraft und H a y s begegnet. In allen Romanen Burneys gibt es vier Gruppen von weiblichen Nebenfiguren, nämlich eine negativ besetzte Gruppe älterer Frauen, die aufgrund ihres Verhaltens keine Vorbildfunktion für die Protagonistin übernehmen können, eine positiv besetzte Gruppe älterer Frauen, die als potentielle

Rollenmodelle

fungieren, eine Gruppe

negativ

besetzter

gleichaltriger Frauen, von denen sich die Heldin positiv abhebt, und eine Gruppe positiv besetzter gleichaltriger Frauen, die in der Regel die guten Eigenschaften der Heldin teilt. 123 Die Romane weisen zahlreiche Parallelen, aber auch einige Unterschiede in der Distribution und der relativen Bedeutung dieser vier Gruppen auf. Die negativ geschilderten älteren Frauenfiguren können in allen vier Romanen deswegen keine Vorbildfunktion übernehmen, weil sie einer niedrigeren sozialen Schicht angehören. 124 Sie bringen durch ihre Vulgarität, das heißt, ihre mangelnde Vertrautheit mit dem im Text propagierten Sprach- und Sittenkodex, die Protagonistinnen mehrfach in Situationen, in denen ihre sozialen Aspirationen, ihr Bemühen um gentility

in den

Augen ihrer zukünftigen Ehemänner Rückschläge erleiden. Dies ist um so gravierender, als, wie bereits bemerkt, der gesellschaftliche Status aller vier Protagonistinnen prekär ist. 125 So will beispielsweise Mrs. Belfield, 123

In die erste Gruppe gehören beispielsweise Madame Duval in Evelina, Mrs. Belfield in Cecilia, Miss Margland und Mrs. Mittin in Camilla und Mrs. Ireton, Mrs. Maple und Mrs. Howel in The Wanderer. Zweite Gruppe: Lady Howard, Mrs. Mirvan, Lady Caroline Evelyn Belmont in Evelina, Mrs. Charlton in Cecilia, Mrs. Tyrold und Lady Isabella Irby in Camilla, die Marquise in The Wanderer. Dritte Gruppe: Lady Louisa Larpent, die Schwestern Branghton in Evelina, Mrs. Harrel, Miss Larolles und Miss Leeson in Cecilia, Indiana und Mrs. Berlinton in Camilla, Miss Arbe in The Wanderer. Vierte Gruppe: Maria Mirvan in Evelina, Henrietta Belfield in Cecilia, Eugenia und Lavinia Tyrold in Camilla, Gabriella und Lady Aurora Granville in The Wanderer. Die „emanzipierten" Frauenfiguren entziehen sich, wie wir noch sehen werden, einer Zuordnung zu diesen Gruppen oder wechseln die Gruppenzugehörigkeit im Laufe der Romanhandlung. Zu den weiblichen Kontrastfiguren in Burneys Romanen s. auch Straub, op. cit., Kap. 2 und 3, speziell S. 57ff.

124

Dies gilt selbst für Mrs. Ireton in The Wanderer, obwohl die soziale Rangordnung zwischen ihr und Juliet durch Juliets Incognito zuerst umgekehrt erscheint. Analog zum Klassifikationssystem der conduct books kann in diesem Bereich also von einer Abgrenzung „nach unten" gesprochen werden; allerdings bleiben in Burneys Texten auch die oberen (aristokratischen) Gesellschaftsschichten nicht von Kritik verschont, wie das Beispiel Lady Louisa Larpents in Evelina zeigt. Wie bereits bemerkt, gehen Evelina und Juliet aus Mesalliancen ihrer aristokratischen Väter hervor, stammen die zukünftigen Ehemänner von Cecilia und Camilla aus höheren sozialen Schichten als sie selbst.

125

293

die Witwe eines Stoffhändlers in Cecilia, nicht wahrhaben, daß die Titelheldin zu Höherem geboren ist, und versucht immer wieder, sie mit ihrem eigenen Sohn 126 zu verkuppeln: "'Why, Mr. Hobson,' cried Mrs. Belfield, Ί am quite ashamed of you for being so dull! don't you see my son has something to say to the lady that you and I have no business to be meddling with?"' 127 Auch Delvile gegenüber, mit dem Cecilia insgeheim bereits verheiratet ist, vermittelt Mrs. Belfield den Eindruck, als sei ihr Sohn mit Cecilia liiert; sie nährt damit Delviles latente Eifersucht und löst die eigentliche Katastrophe des Textes aus. Die positiven älteren Frauenfiguren bleiben in Evelina, Cecilia und The Wanderer entweder blaß, oder sie treten auf der eigentlichen Handlungsebene des Romans gar nicht auf und sind nur in Rückblenden, wie die Marquise in The Wanderer; oder durch hinterlassene Briefe, wie Evelinas tote Mutter in Evelina, präsent. In ihrem Aufsatz "Jane Austen and the Tradition of the Absent Mother" führt Susan P. MacDonald Evelina als ein Beispiel für ihre These an, daß die Anwesenheit einer vorbildlichen Mutter den Reifeprozeß der Tochter behindern könne. Damit die Protagonistin im weiblichen Erziehungsroman die geforderte Selbständigkeit, - wenn auch in einem engen Rahmen erwerben könne, müsse die Mutter entweder ein untaugliches Rollenmodell sein oder, wie eben in Evelina, durch einen frühen Tod aus der Romanhandlung eliminiert werden: B u r n e y ' s absent mother pattern, then, contains several displacements. T h e m o t h e r is absent and s o , seemingly, powerless. T h e mother substitutes nurture their charge imperfectly and thereby fail to prevent her distress, f . . . ] B u t the w o m e n have succeeded; b y w i t h d r a w i n g s u p p o r t f r o m Evelina, they f o r c e her to act f o r herself s o that L o r d Orville is d r a w n to her partly b y the p o i g n a n c y of her distress and p a r t l y b y the strength of character it p r o d u c e s in her. 1 2 8

Am stärksten ist der Einfluß der positiven weiblichen Mentorfiguren in Camilla. Allerdings können auch Mrs. Tyrold und Lady Isabella Irby die Protagonistin nicht vor schweren Schicksalsschlägen bewahren: Lady Isabella bleibt eine entfernte Bekannte, und Mrs. Tyrold weilt in den entscheidenden Phasen von Camillas Lebensweg im Ausland. 129 Trotz116

127 128 129

Dieser Sohn wurde bereits als ein „dunkler Schatten" Cecilias bezeichnet. Er wird durch seine Erziehung seiner Klasse entfremdet, hat aber nicht das Kapital dazu, in einer höheren sozialen Schicht standesgemäß zu leben. Burney, Cecilia, op. cit., S. 885 MacDonald (in: Davidson/Broner, eds.), op. cit., S. 6of. Rogers weist überdies darauf hin, daß Mrs. Tyrolds Erziehung ja auch die Verantwortungslosigkeit Lionel Tyrolds, das mangelnde Selbstvertrauen Lavinias und Eugenias Nei-

294

dem ist Mrs. Tyrold noch so prägend, daß der Roman durch Inversion Macdonalds These bestätigt; Camilla ist, wie bereits in den vorhergehenden Kapiteln angedeutet, die am wenigsten selbständige der vier Protagonistinnen, das heißt, diejenige, deren Trennung vom Elternhaus nur partiell vollzogen wird und deren Heimkehr ins Elternhaus am Ende des Romans besonders aufwendig inszeniert wird. I} ° Die negativ geschilderten Altersgenossinnen der Protagonistinnen werden in Evelina, Cecilia und The Wanderer stark typisiert und eindimensional auf bestimmte Sprach- und Handlungsmuster festgelegt. Als Beispiele mögen hier Lady Louisa Larpent und die Branghton-Schwestern in Evelina dienen, die als Vertreterinnen des Hochadels einerseits, des Kleinbürgertums andererseits vom goldenen Mittelweg des sprachlich-moralischen Konsensus abweichen. Lady Louisa neigt, wie Isabella Thorpe in Northanger Abbey, zu elativem Sprechen: "'Me, Ma'am! - I declare I can't stir a step; the heat is so excessive, it would kill me. I'm half dead with it already; besides, I shall have no time to dress."' 31 Miss Branghton und Miss Polly tendieren zu als substandard markierten Satzkonstruktionen wie etwa doppelten Negationen, - "not such a boy, neither"1*1 - , und zu Kraftausdrücken: "I wonder Papa'll be such a fool as to let him stay in the house, for I dare say he'll never pay for his lodging."' 33 Was alle drei Frauenfiguren gemeinsam haben, ist ein übermäßiges Interesse am männlichen Geschlecht, ein Interesse, das sich sowohl in ihrer Konversation mit anderen Frauen als auch in ihrem provokanten Verhalten gegenüber männlichen Figuren manifestiert. Etwas komplexer ist Burneys Umgang mit Mrs. Berlinton, einer negativ besetzten Kontrastfigur in Camilla. Mrs. Berlinton ist eine junge Frau, die die traditionelle Erziehung einer „empfindsamen" Heldin genossen hat; sie hat Romane und Lyrik gelesen, wobei sie zum identifikatorischen Lesen neigt und sich an den schönen und erhabenen Landschaften ihrer

131 132 133

gung zur Selbstaufopferung hervorgebracht hat und daß sie einen starken Druck auf ihre Lieblingstochter Camilla ausübt. (Rogers, Burney, op. cit., Kap. 3, speziell S. 78) Burney, Camilla, op. cit., S. 890ff; s. beispielsweise S. 894: "Once more in the appropriate apartment of her Father, where all her earliest scenes of gayest felicity had passed, but which, of late, she had only approached with terrour [sic], only entered to weep, she experienced a delight almost awful in the renovation of her pristine confidence, and fearless ease." Burney, Evelina, op. cit., S. 280 (Hervorhebungen von mir) Ibid., S. 174 (Hervorhebung von mir) Ibid., S. 176 (Hervorhebung von mir); auch die Anrede Papa ist im weiblichen Erziehungsroman bereits ein Indiz für ein deviantes Sprachverhalten.

295

Heimat Wales berauscht.134 Die Heldin, als deren größter Fehler ebenfalls impetuous sensibility diagnostiziert wird, 135 ist ursprünglich von Mrs. Berlintons Schönheit und Gefühlstiefe fasziniert und bedauert, mit der Leserin, ihr Los: Mrs. Berlinton wurde gegen ihren Willen mit einem sehr viel älteren, wenig kongenialen Mann verheiratet. Faszination und Sympathie werden jedoch im Lauf des Romans von der auktorialen Erzählerfigur systematisch abgebaut. Da sich Mrs. Berlinton nicht nur als Glücksspielerin selbst an den Rand des finanziellen Ruins bringt, sondern auch Camilla zum Spiel verführen will, und da sie überdies außereheliche Beziehungen zu einem verheirateten Mann unterhält, entsteht jedoch unweigerlich der Eindruck inhaltlicher Uberdeterminiertheit. Eine ähnliche Demontage widerfährt, wie wir sehen werden, der „emanzipierten" Frauenfigur in Camilla, Mrs. Arlbery; in beiden Fällen geht diese Demontage notwendig mit Inkonsistenzen in der Figurenzeichnung einher. Die positiven Figuren unter den Altersgenossinnen der Heldinnen sind in der Regel eng mit diesen Heldinnen befreundet. Alle vier Romane bewerten weibliche Freundschaft überaus hoch; sie kann zwar Leid nicht verhindern, hilft den befreundeten Frauen jedoch, dieses Leid leichter zu ertragen. In The Wanderer kommuniziert Juliet mit ihren beiden Freundinnen, nämlich mit ihrer Adoptivschwester Gabriella und ihrer Stiefschwester Lady Aurora Granville, in einer stark emotionalisierten Sprache, die an den empfindsamen Roman vor 1770 erinnert, etwa an die Texte Frances Sheridans oder Frances Brookes, aber auch an die sprachlichen Äußerungen der eben erwähnten Mrs. Berlinton in Camilla. Während jedoch, wie wir gesehen haben, Mrs. Berlintons Empfindsamkeit zensiert wird, wird das emotive Sprechen der drei Frauen in The Wanderer auktorial beglaubigt: In ihrem Vorwort zu The Wanderer bedient sich Burney dieses Sprachstils immer dann, wenn sie sich an ihren Vater, als ihren intendierten Leser, wendet. 136 In Evelina und Cecilia bleiben neben den weiblichen Mentorfiguren auch die positiven Kontrastfiguren blaß, wie Maria Mirvan, oder sie sind 134

Burney, Camilla, op. cit., S. 487^; eine neue Variante in diesem stereotypen Erziehungsmuster, das wir aus zahlreichen Romanen der Epoche kennen (s. dazu oben, Kap. 2.5.1) wird durch die Tante eingeführt, bei der Mrs. Berlinton aufgewachsen ist, "who had taught her nothing but her faith and prayers, without one single lesson upon good works, or the smallest instruction upon the practical use of her theoretical piety." (ibid.) Von ihrer Mutter, ibid., S. 882 >36 Y g ] beispielsweise einen Brief Lady Auroras an Juliet (Burney, The Wanderer, op. cit., S. 144) und die ersten Abschnitte des Vorworts (ibid., S. 3). Auch der Brief der toten Mutter Evelinas an ihren Mann (Burney, Evelina, op. cit., S. 338 ff.) weist ähnliche stilistische Merkmale auf.

296

die Proteges der Protagonistinnen, wie Henrietta Belfield. In The Wanderer erweisen sich Gabriella und Lady Aurora, wie bereits bemerkt, dadurch als tugendhaft, daß sie die Heldin zu schätzen wissen. Damit bleibt die Protagonistin in diesen drei Romanen eine konkurrenzlose Erscheinung; ihre singuläre Position korrespondiert in der Regel mit der ihres zukünftigen Ehemannes, der sich seinerseits von der Gruppe der männlichen Romanfiguren seines Alters abhebt. So wird etwa in Evelina das vorbildhafte Verhalten Lord Orvilles gegen die misogyne Arroganz Sir Clement Willougbys, Lord Mertons, Coverleys abgegrenzt; das höchste Lob, das Evelina ihm spenden kann, ist allerdings das Aufzeigen der Ähnlichkeiten, die zwischen ihm und Villars, ihrem Vormund, bestehen.137 Auch im Verhältnis zwischen der Protagonistin und den positiven Kontrastfiguren weicht Camilla, wie schon in anderen Bereichen des Textes, von Evelina, Cecilia und The Wanderer ab. Camilla hat nicht nur, in ihrer Mutter und Lady Isabella Irby, zwei Rollenmodelle, deren Vorbildhaftigkeit für sie unerreichbar scheinen muß; in einem weiteren Akt der Disziplinierung werden ihr mit ihren Schwestern Eugenia und Lavinia zwei Altersgenossinnen zur Seite gestellt, die ihr in manchem überlegen sind und von denen sie viel lernen kann.138 Den vier positiven Frauenfiguren ist gemeinsam, daß sie bis zur Selbstaufgabe ihre eigenen Interessen und Neigungen hinter die ihrer Ehemänner oder Väter zurückstellen; dieses repressive Ideal des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern wird auch in dem bereits erwähnten didaktischen Brief Mr. Tyrolds an Camilla propagiert. 139 So wird Mrs. Tyrold folgendermaßen eingeführt: H a d this lady been united to a m a n w h o m she despised, she w o u l d y e t h a v e o b e y e d him, and as scrupulously, t h o u g h not as happily, as she o b e y e d her h o n o u r e d partner. She considered the v o w taken at the altar to her husband, as a v o l u n t a r y vestal w o u l d h a v e held o n e taken to her Maker; and no dissent in o p i n i o n exculpated, in her mind, the least deviation f r o m his will. But here, w h e r e an admiration almost adoring w a s fixt to the character to w h i c h she 137

138

139

Burney, Evelina, op. cit., S. 72, S. 320, S. 372; wenn Orville psychisch Villars ähnelt, ist Evelina das physische Ebenbild ihrer toten Mutter (ibid., S. 372). Im übrigen sei an dieser Stelle kurz angemerkt, daß Orville und Mandlebert (in Camilla) der Mentor-LiebhaberKonvention zuzuordnen sind, während die beiden anderen Helden, Delvile (in Cecilia) und Harleigh (in The Wanderer), eher von den Heldinnen lernen. Smith, auf deren aufmerksame Burney-Rezeption bereits andernorts hingewiesen wurde (s. dazu oben, Kap. 2.2.2) entlarvt daher auch in Emmeline Delamere, der in vielen Zügen Delvile ähnelt, als einen falschen Freier. Diese „Disziplinierung" wird natürlich auch durch die Erzählperspektive unterstützt, die, wie wir gesehen haben, die Hierarchie zwischen der Titelfigur und den Nebenfiguren destabilisiert. Burney, Camilla, op. cit., besonders S. 3 5 9 ff. 297

submitted, she was sure to applaud the motives which swayed him, however little their consequences met her sentiments: and even where the contrariety was wholly repugnant to her judgment, the genuine warmth of her just affection made every compliance, and every forbearance, not merely exempt from pain, but if to him any satisfaction, a sacrifice soothing to her heart. 1 4 0

Lady Isabella Irby scheut die Aufmerksamkeit der Menge und lebt nur für ihren Ehemann,141 und für Eugenia ist die Ehe heilig, obwohl ihre eigene Ehe eine Zwangsheirat war und ihr Ehemann sie mißhandelt.142 Lavinia schließlich versucht zwar, zwischen Camilla und den Eltern zu vermitteln, doch sie steht auf der Seite der Eltern und sieht ihre Aufgabe darin, Camilla die elterliche Position zu erläutern.143 Zu der Gruppe der „starken" Frauenfiguren,144 der wir uns im folgenden zuwenden wollen, gehören Mrs. Selwyn in Evelina, Mrs. Delvile und Lady Honoria Pembroke in Cecilia, Mrs. Arlbery in Camilla und Elinor Joddrell in The Wanderer. Auch in diesem Bereich des Figurenspektrums wird sich, wie bereits angedeutet, die mehrfach diagnostizierte Sonderstellung Camillas bestätigen. Mrs. Selwyn wird von Evelina folgendermaßen beschrieben: She is extremely clever; her understanding, indeed, may be called masculine·, but, unfortunately, her manners deserve the same epithet; for, in studying to acquire the knowledge of the other sex, she has lost all the softness of her own. In regard to myself, however, as I have neither courage nor inclination to argue with her, I have never been personally hurt by her want of gentleness; a virtue which, nevertheless, seems so essential a part of the female character, that I find myself more awkward, and less at ease, with a woman w h o wants it, than with a man. 1 4 '

Auf den ersten Blick scheint Evelinas Urteil über Mrs. Selwyn die geschlechtsspezifische Attribution von Rollen und Charaktereigenschaften in ihrer Gesellschaft zu affirmieren. Es muß jedoch zum einen darauf ,4

° Ibid., S. 13 f. Ibid., S. 476: "Lady Isabella, addressed only where known, followed only because loved, sees no adulators encircling her, for adulation would alarm her; no admirers paying her homage, for such admiration would offend her. She knows she has not only her innocence to guard, but the honour of her husband. Whether she is happy with him or not, this deposit is equally sacred." Der Sprecher ist hier Mandlebert, doch wie wir gesehen haben, wird seine Auffassung von der Ehe auktorial sanktioniert. 141 Ibid., S. 805: '"No, my dear Father', [Eugenia] continued, 'the die is cast! and I am his! Solemn has been my vow! sacred I must hold it.'" 141

143 144

,4S

S. beispielsweise ihren Brief an Camilla, ibid., S. 861 f. S. dazu den Aufsatz von Cutting, op. cit., besonders Abschnitt 2; für Cutting ist die Präsenz dieser Frauenfiguren ein Indiz für Burneys feministische Sympathien. Burney, Evelina, op. cit., S. 268 f. (Hervorhebung im Text)

298

hingewiesen werden, daß Evelina zwar Mrs. Selwyns Umgangsformen kritisiert, nicht aber ihren „männlichen" Verstand. Zum zweiten wird in anderen Briefen Lord Orville mehrfach für seine Sanftheit, Bescheidenheit, sein geradezu „weibliches" Zartgefühl146 gelobt. „Typisch männliche" Rationalität, „typisch weibliche" Verhaltensformen werden offenbar nicht durch das biologische Geschlecht determiniert, das heißt, sie sind nicht angeboren, sondern anerzogen. Das im Roman propagierte Tugendideal ist, wie das der Burney-Schülerin Charlotte Smith,147 ein androgynes oder gynandrisches, das Männer zu Empfindsamkeit und Zärtlichkeit, Frauen zu Vernunft und Selbstbeherrschung anleiten will. Mrs. Selwyn, deren Entschlossenheit Evelina letztlich die Begegnung mit ihrem Vater verdankt, ist eine geistreiche, wortgewandte Frau, deren Hang zur Satire zwar, wie bereits bemerkt, von Villars mißbilligt wird, nicht aber von Evelina selbst. In ihrer Rolle als eine Autobiographin, die ihrerseits ein satirisches Bild ihrer Gesellschaft zeichnet,148 läßt Evelina Mrs. Selwyn breiten Raum und gibt viele ihrer Dialoge mit männlichen Romanfiguren, die deren Abweichung von der sprachlich-moralischen Norm des Textes entlarven, wörtlich wieder; in ihrer Rolle als schweigsame, scheue Protagonistin hat sie in Mrs. Selwyn ein Sprachrohr und eine Fürsprecherin.149 In Cecilia werden die beiden wichtigsten Eigenschaften Mrs. Selwyns, ihre selbstsichere Charakterstärke und ihre satirische Ader, auf zwei Figuren verteilt, auf Mrs. Delvile einerseits, auf Lady Honoria Pembroke, deren auktorial beglaubigte Meinung über das Stammschloß der Delviles wir bereits kennen - , andererseits. Mit Mrs. Delvile zeichnet Burney eine der eindrucksvollsten Frauenfiguren in ihren Romanen, eine Frau nämlich, die zugleich Opfer und Täterin in ihrer Gesellschaft ist. Burney selbst betrachtet die Szene des Romans, in der Mrs. Delvile während einer Auseinandersetzung mit ihrem Sohn vor den Augen Cecilias einen Schlaganfall erleidet,150 als die Schlüsselszene: "The conflict scene for Ce146 147 148 49

Gentleness, ibid., S. 72; modesty, S. 113; delicacy, S. 172; feminine delicacy, S. 261 S. dazu oben, Kap. 2.2.2 S. dazu Cutting, S. 522, Simons, Bumey, S. 55 f., und Steeves, S. jeweils op. cit. Ein besonders schönes Beispiel findet sich im dritten Brief des dritten Bandes, in dem Evelina schildert, wie Mrs. Selwyn das männliche Privileg der klassischen Universitätsbildung demontiert: "'But, to be sure, Sir, you have read the classics?' Ό dear, yes, Ma'am! very often, - but not very - not very lately.'" (Burney, Evelina, op. cit., S. 290f.) In einer analogen Szene in Camilla betrachtet Sir Hugh Tyrold die lateinische Sprache als intellektuelle Panazee und versucht im Alter nachzuholen, was er in der Jugend versäumt hat. Die Lateinkenntnisse der anderen Figuren machen diese jedoch nicht merklich lebenstüchtiger.

' s ° Burney, Cecilia, op. cit., S. 671 ff.

299

cilia between the mother and the son [ . . . ] is the very scene for which I wrote the whole b o o k . " 1 ' 1 Wie ihr Ehemann, - aber sehr viel geschickter als dieser - , versucht Mrs. Delvile zunächst, Cecilias Heirat mit ihrem Sohn zu verhindern; zwar ist sie persönlich Cecilia sehr zugetan, aber da Cecilias Onkel testamentarisch verfügt hat, daß sie das Vermögen, das er ihr vererbt hat, nur dann behalten kann, wenn ihr zukünftiger Ehemann ihren Namen annimmt, stürbe im Fall einer Heirat der Name Delvile aus: 'Not, therefore, to your name are we averse,' she continued, 'but simply to our own more partial. To sink that, indeed, in any other, were base and unworthy: - what, then, must be the shock of my disappointment, should Mortimer Delvile, the darling of my hopes, the last survivor of his house, in whose birth I rejoiced as the promise of its support, in whose accomplishments I gloried, as the revival of its lustre, - should be, should my son be the first to abandon it! to give up the name he seemed born to make live, and to cause in effect its utter annihilation! - Oh how should I know my son when an alien to his family! how bear to think I had cherished in my bosom the betrayer of its dearest interests, the destroyer of its very existence!'1'2 O b w o h l Mrs. Delviles Familie, eine Nebenlinie der Delviles, sie verheiratet hat, ohne auf ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen, und obwohl Mrs. Delvile ihren Mann, der ihr geistig und charakterlich unterlegen ist, verachtet, sieht sie ihre Lebensaufgabe darin, das Geschlecht der Delviles zu perpetuieren; obwohl sie selbst den Delviles geopfert worden ist, ist sie bereit, ihrerseits Cecilia zu opfern. 1 5 3 Erst spät ändert sie ihre Meinung und affirmiert den Primat der Neigungen vor den Standesinteressen; 154 durch diesen Dissens von ihrem Mann, der sie fast das Leben kostet, wird sie, mehr als durch die nunmehr durch die Heirat hergestellten „gesetzlichen" Verwandtschaftsbeziehungen, dazu befähigt, Cecilia gegenüber die Mutterrolle zu übernehmen. 1 5 5 Mrs. Delviles Dissens findet sein E c h o in der Entscheidung ihrer Schwester, Cecilia zur Alleinerbin ihres VermöIS

' In einem Brief an "Daddy" Crisp, 15. März 1782; in: Barrett, Charlotte, Diary and Letters of Mme. d'Arblay, 7 vols. (London, 1842-6), S. II.99, hier zitiert nach der Einleitung von Sabor/Doody zu Cecilia, op. cit., S. X X X I I 152 Burney, Cecilia, op. cit., S. 640 (Hervorhebungen im Text); im übrigen muß Burney die für den weiblichen Erziehungsroman singulare Konstruktion des Ehehindernisses häufig verteidigen, etwa gegenüber Crisp (s. Diary and Letters, op. cit., S. II.80 f.). 43 Burney, Cecilia, op. cit., S. 461 Ibid., S. 820 f. 45 "Mrs. Delvile received [Cecilia] with the most rapturous fondness, and the impression of her sorrows gradually wore away, from her kind and maternal cares, and from the watchful affection and delighted tenderness of her son." (ibid., S. 938; Hervorhebung von mir)

300

gens zu machen, das für den jungen Delvile bestimmt war. Der ältere Delvile wird hingegen aus seiner Familie, und damit aus dem Kosmos des Romans, verbannt; auf den letzten Romanseiten, die, wie in vielen weiblichen Erziehungsromanen, einem Ausblick auf das weitere Schicksal vieler, auch unwichtiger, Romanfiguren gewidmet sind, fehlt ein Hinweis darauf, wie und wo er seinen Lebensabend verbringen wird. Während sich Mrs. Selwyn in Evelina und Mrs. Delvile in Cecilia einer Zuordnung zu einer der beiden eingangs definierten Gruppen älterer Frauenfiguren entziehen, - Mrs. Delvile ist, wie Devlin nachweist, sogar explizit als ein mixed, character konzipiert, was die zeitgenössischen Rezensenten, etwa Henry Mackenzie, auch registrieren156 - , gehört Mrs. Arlbery in Camilla ursprünglich der positiv besetzten Gruppe weiblicher Mentorfiguren an und gleitet in die Gruppe der für die Heldin gefährlichen älteren Frauen ab; sie macht damit, wie bereits bemerkt, eine Entwicklung durch, die der der Kontrastfigur Mrs. Berlinton zu vergleichen ist. Trotzdem bleibt sie, als schlechtes Beispiel für Heldin und Leserin, offenbar eine so potente Figur, daß sie am Ende des dritten Bandes, also ungefähr in der Mitte des Romans, aus dem Text verbannt werden muß; 1 ' 7 ihre Funktion im Text, als Beschützerin und Ratgeberin Camillas, wird auf zwei andere Frauenfiguren übertragen, auf die „falsche Freundin" Mrs. Berlinton einerseits, auf die zuverlässige Lady Isabella Irby andererseits. Während erstere, wie Mrs. Arlbery, zu sorgfältig inszenierten öffentlichen Auftritten neigt,1'8 bescheidet sich letztere, wie bereits bemerkt, mit ihrem häuslichen Wirkungskreis. Mrs. Arlbery erfüllt also, in gewissem Sinne, die Funktion eines Sündenbocks, da ihre Ratschläge bis zu dem Zeitpunkt ihrer Verbannung deutliche Parallelen zu denen Mr. Tyrolds gezeigt haben. Als sie im fünften und letzten Band zu einem kurzen Auftritt in den Roman zurückkehrt, rät sie Camilla zu einer Konvenienzehe mit einem alten, aber rei1,4

157 1,8

Devlin, Burney, op. cit., Kap. 4, erster Abschnitt; Devlin führt Mackenzies Artikel in The Lounger, 20 (18. Juni 1785) an, in dem er an Johnsons vierte Rambler-Nummer (und deren Warnung vor mixed characters) erinnert. Burney, Camilla, op. cit., S. 519 Die Ablösung Mrs. Arlberys durch Mrs. Berlinton wird im Text durch eine sorgfältige Parallelisierung ihrer jeweiligen „Auftrittsszenen" vollzogen. Beide Figuren entfalten bei ihren Auftritten eine große öffentliche Wirkung und sind von Bewunderern umringt (s. ζ. B. ibid., S. 73 f. für Mrs. Arlbery, S. 439 für Mrs. Berlinton); doch Mrs. Arlberys Einfluß beschränkt sich auf ihre unmittelbare Umgebung, dem Mrs. Berlintons steht die weite Welt der Badeorte und der Metropole offen. Burney tendiert im übrigen dazu, charakterliche oder funktionale Ähnlichkeiten zwischen Figuren durch Namensähnlichkeiten zu suggerieren: Arlhery/Berlinton, aber auch VilUrs/Orville/Anville in Evelina, Elinor/Ellis in The Wanderer, zu letzterer Namensähnlichkeit s. auch Doody, Burney, S. 367 f.

301

chen Adeligen: "This was by no means the style in which Camilla had been brought up to think of marriage."159 Damit hat sich Mrs. Arlbery endgültig von sprachlich-moralischen Konsens des Textes, hier repräsentiert durch Camillas Eltern, entfernt. Adelstein zufolge besteht ihre Abweichung von diesem Wertsystem darin, daß sie sich weigert, sich rollenkonform „weiblich", also bescheiden, zurückhaltend, passiv, zu verhalten; er spricht in diesem Zusammenhang von Mrs. Arlberys „männlicher" Aggressivität.'60 Mrs. Arlberys größter Fehler ist jedoch eher, daß sie das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ausschließlich als einen Machtkampf mit ungleichen Mitteln interpretiert, in dem die Ehe lediglich der wirtschaftlichen Absicherung der Frau dient; andere Motive für eine Eheschließung bezeichnet sie entsprechend als "the romance of false reasoning"·; 6 ; Diejenige Frauenfigur Burneys, die am stärksten den „emanzipierten" Frauen Wollstonecrafts oder Hays' ähnelt, ist Elinor Joddrell in The Wanderer. Während sich viele Figuren und Handlungselemente der Romane Smiths, Edgeworths oder Austens162 Prototypen in den Texten Burneys verdanken, kehren sich die Rezeptionslinien in The Wanderer insofern um, als Burney hier, wie wir sehen werden, ihrerseits auf vor allem in der Dekade zwischen 1790 und 1800 erschienene Vorlagen zurückgreift. Elinor ist damit eine Figur, die den Romanen der Zeit entsprungen ist, in der The Wanderer spielt; in einem Roman, der im gleichen Jahr wie Patronage und Mansfield Park erschienen ist, wird diese Figur jedoch zu einem Anachronismus. Umgekehrt sind die Anschauungen Mrs. Arlberys, der „starken" Frauenfigur in dem 1796 erschienenen Burney-Roman, Camilla eben, vergleichsweise unmodern; den Bedrohungen, die vermeintlich von den „revolutionären" Ideologien des Jahrzehnts für die Ehe ausgehen und die etwa von den „modernen Philoso-

160 161

Burney, Camilla, op. cit., S. 780 Adelstein, op. cit., S. 103 Burney, Camilla, op. cit., S. 780; hier stehen natürlich in den ideologischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts zwei konfligierende Ehemodelle gegeneinander, die vereinfachend als „aristokratisch" einerseits, „bürgerlich" andererseits bezeichnet werden können. In der Terminologie Stones (in Family, Sex, and Marriage, op. cit.) verweigert sich Mrs. Arlbery dem neuen Wert des affective individualism, während, wie eben gezeigt, Mrs. Delvile in Cecilia zu einer Affirmation dieses Wertes gelangt. Ähnliche Konflikte zwischen Eheauffassungen kennen wir bereits aus den Texten Edgeworths, vor allem aus Belinda (Lady Delacours „Bekehrung") und Patronage (die Percys und die Falconers).

' 6 г Erinnert sei hier an die bekannte Tatsache, daß Austen, wie Beasley in einem bereits zitierten Aufsatz ausführlich darlegt, ihren Romantitel Pride and Prejudice Burneys Cecilia entlehnt hat.

302

phen" Elizabeth Hamiltons oder Amelia Opies personifiziert werden, stellt sich Burneys Text nicht.163 Elinor Joddrell ist in The Wanderer das Vehikel für zahlreiche Themen, mit denen sich conduct books und weibliche Erziehungsromane des „revolutionären" Jahrzehnts beschäftigen. Eines der wichtigsten Problemfelder ist dabei Erziehung; Elinor orientiert sich wie Emma Courtney an Helvetius,' 64 wenn sie behauptet, daß sich der Mensch, im richtigen gesellschaftlichen Umfeld, vervollkommnen könne, und sie zitiert Wollstonecraft, wenn sie die richtige Erziehung wiederum als Vorbedingung für allgemeine gesellschaftliche Veränderungen erachtet.165 Die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungen leitet Elinor vor allem aus der gegenwärtigen Lage der Frauen ab, die sie auf überkommene Vorstellungen vom Wesen der Frau zurückführt. Sie begeistert sich für die Französische Revolution, die sie auch als einen Akt der persönlichen Befreiung erlebt, 166 und fordert, wie Wollstonecraft, die Errungenschaften der Revolution auf dem Gebiet der Menschenrechte als "Rights of woman" für ihre Geschlechtsgenossinnen ein: "Rights, however, which all your sex, with all its arbitrary assumption of superiority, can never disprove, for they are the Rights of human nature; to which the two sexes equally and unalienably belong." 167 Zu diesen Rechten, die ihrer Meinung nach die Männer bewußt und wissentlich den Frauen vorenthalten, gehören für sie selbstverständlich auch die Rechte auf Erziehung, Berufsausbildung, berufliche Tätigkeit: By the oppressions of their own statutes and institutions, they render us insignificant; and then speak of us as if we were so born! But what have we tried, in which we have been foiled? They dare not trust us with their own education, and their own opportunities for distinction: - I except the article of fighting; against that, there may, perhaps, be some obstacles: but to be condemned, as weaker vessels in intellect, because, inferiour in bodily strength and stature, we cannot cope with them as boxers and wrestlers! They appreciate not the understanding of one another by such manual and muscular critenons. 168 l6

> Selbst Bellamy, der zum „modernen Philosophen" geradezu geschaffen wäre, ist bei Burney ein (unpolitischer) Hochstapler. Vgl. dazu auch Kelly, Romantic Fiction, op. cit., S. 47: "But Camilla is also a novel of 1796 and as such its silences are as significant as what it describes and enscribes." 164 Burney, The Wanderer, op. cit., S. 18: "but, when all minor articles are progressive, in rising to perfection, must the world in a mass alone stand still, because its amelioration would be costly?" (Hervorhebung von mir; zu Helvetius s. oben, Kap. 1.1.2) Ibid., S. 19 (zu Wollstonecraft s. oben, Kap. 1.1.3.2) 166

Burney, The Wanderer,

op. cit., S. 152 und S. 156

Ibid., S. 175 '» Ibid., S. 399

3°3

Das Recht, das Elinor jedoch vor allem in Anspruch nimmt, ist es, dem Mann, den sie liebt, ihre Zuneigung aktiv und offen zu zeigen; es ist natürlich kein Zufall, daß der geliebte Mann, wie der Emma Courtneys, den Namen Harley/Harleigh trägt. Da dieser Elinors Liebe nicht erwidert, sondern seinerseits in Juliet verliebt ist, inszeniert sich Elinor in immer neuen Rollen als Opfer ihrer Leidenschaft; zu diesen Rollen gehört die eines „weiblichen Werther", der aus Liebe einen Selbstmordversuch begeht. 169 Ihre vermeintliche Befreiung aus den Banden von custom wird damit, wie der Text immer wieder verdeutlicht, zu einem Akt der Selbstversklavung.170 Durch ihr Verhalten Harleigh gegenüber diskreditiert sich Elinor also in gewisser Weise. Juliet, die Repräsentantin der sprachlich-moralischen Norm des Textes, stellt entsprechend mehrfach bedauernd fest, daß Elinors intellektuelle Fähigkeiten, ihre Gefühlstiefe und ihr heiteres Gemüt sich leider nicht mit Urteilsvermögen, dem weiblichen Sinn für das Schickliche, echter Religiosität paaren.' 71 Andererseits ist Juliet, wie bereits bemerkt, selbst die schärfste Gesellschaftskritikerin des Textes, bestätigen ihre Erfahrungen die dringende Notwendigkeit gesellschaftlicher Reformen: Juliet ist durch ihre Erziehung nicht auf eine Berufstätigkeit vorbereitet worden, Juliet hat keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, Juliet leidet immer wieder am Frauenbild ihrer Gesellschaft. 172 Elinors „revolutionäre" Argumente, denen im Text viel Raum zugestanden wird, und Juliets Lebenswirklichkeit verhalten sich zueinander wie These und Exemplum, und die Wendung Female Difficulties, die ja den Untertitel des Romans bildet, wird von Juliet, nicht von Elinor, in den Text eingeführt. Allerdings greift Elinor diese Wendung an einer Stelle auf: 169

Adelstein, op. cit., S. 125; zu einem weiblichen Werther wird natürlich, wie bereits mehrfach bemerkt, Wollstonecraft, nicht zuletzt aufgrund ihrer Selbstmordversuche, in Godwins Biographie seiner Frau stilisiert. Zu Elinors Liebessehnsucht s. auch Doody, Burney, op. cit., S. 348. ' 7 ° S. z.B. Burney, The Wanderer, op. cit., S. 179ff; Elinor wird hier als urgent, disordered, vehement, impetuous, fervent, wildly starting, severe bezeichnet. Außerdem: "Losing now all self-command, and wringing her hands, in a transport of ungovernable anguish" (S. 181), "with uncontrolled emotion" (ibid.) usw. 171 Ibid., S. 401; der Text inszeniert im übrigen Elinors religiöse Bekehrung: In einem langen Gespräch mit Harleigh in Kapitel 85 des Romans (S. 78off.) wird sie von der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode überzeugt. Dieses Leben nach dem Tode wird nun, statt der Vervollkommnung durch Erziehung im Diesseits, ihr neues "image of perfection" (ibid., S. 794)· 171 S. ibid., S. 275 und S. 289; auf die Bestätigung der Thesen Elinors durch die Erfahrungen Juliets verweisen Cutting (S. 527^), Daugherty (S. 193), Devlin (in Burney, S. 1 1 1 ) und Rogers (in Burney, S. 165 f.), jeweils op. cit.

304

Juliet answered, that her choice was small, and that her means were almost null: but when she lamented the severe DIFFICULTIES OF A FEMALE, who, without fortune or protection, had her way to make in the world, Elinor, with strong derision, called out, 'Debility and folly! Put aside your prejudices, and forget that you are a dawdling woman, to remember that you are an active human being, and your FEMALE DIFFICULTIES will vanish into the vapour of which they are formed. 1 7 3

Elinor ist durch ihre gesicherte gesellschaftliche und finanzielle Position blind für die gesellschaftliche Determiniertheit Juliets, deren female difficulties objektiver, nicht, wie Elinor behauptet, rein subjektiver Natur sind. Anders als etwa Lady Aurora Granville kann sich Elinor trotz ihrer revolutionären Rhetorik nicht über die Vorurteile ihrer Gesellschaft gegenüber den vermeintlich sozial Entwurzelten hinwegsetzen. Auch hier scheint eine Parallele zu Wollstonecraft, in diesem Fall zu The Wrongs of Woman; or, Maria, intendiert; wie Maria ist Elinor, anders als Jemima oder Juliet, klassenbedingt nicht in ihrer physischen Existenz bedroht. Wie in anderen weiblichen Erziehungsromanen, - die, wie wir gesehen haben, oft auf das Vorbild Burneys rekurrieren variieren die positiven weiblichen Nebenfiguren in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer in der Regel das Motiv weiblicher Machtlosigkeit und weiblicher Gefährdung, das auch die Grundstruktur der Haupthandlung prägt; die negativen weiblichen Nebenfiguren exemplifizieren unangemessene Reaktionen auf diese Machtlosigkeit und Gefährdung. In zahlreichen Nebenhandlungen, die von positiven wie negativen Frauenfiguren getragen werden, wird das courtship-Muster der Haupthandlung durch das wedlock-Muster ergänzt. Die unglücklichen Ehen der Nebenfiguren relativieren die symbolische Dimension der zentralen Liebesbeziehung; weder kann diese die gesellschaftliche Ordnung wiederherstellen, noch ist sie die einzige denkbare Form von narrative closure·. Die Schlußkapitel in den drei auktorial erzählenden Romanen halten für viele wichtige und unwichtige Romanfiguren, - in The Wanderer sogar für einen Hund,' 7 4 - höchst unterschiedliche weitere Schicksale bereit. Burneys dritter Roman nimmt, wie wir gesehen haben, auch in seinem Umgang mit weiblichen Kontrastfiguren eine Sonderstellung ein. Camilla ist diejenige der vier Protagonistinnen, die am stärksten eines Lernprozesses bedarf und deren Fehler die gravierendsten Folgen haben. Im Unterschied zu Evelina, Cecilia oder Juliet ist Camilla daher in ihrer Umwelt 173

B u r n e y , The Wanderer,

174

" A n d Harleigh bought of the y o u n g w o o d c u t t e r s , at a high prize, their d o g D a s h " , ibid.,

op. cit-, S. 397 (Kapitälchen im Text)

S. 872

3°5

keine singulär tugendhafte Erscheinung, sondern es werden ihr andere Frauenfiguren zur Seite gestellt, von denen sie lernen kann und muß; ihre Aufgabe besteht darin, ihre impetuous sensibility, ihre Neigung zu unüberlegten Handlungen, zu zügeln. Unter den wachsamen Augen ihrer Eltern, zu denen sie am Ende des Romans zurückkehrt, und ihres zukünftigen Ehemannes, der seine Beobachtungstalente hinreichend unter Beweis gestellt hat, wird ihr die Gelegenheit zu spontanen Entscheidungen ohnehin fehlen. Allerdings tragen selbst in Camilla einige Aspekte der Erzählstruktur zur generischen moralischen Ambiguität des Romans bei. Neben der Überdeterminiertheit der negativ besetzten Kontrastfiguren Mrs. Arlbery und Mrs. Berlinton ist dies überraschenderweise vor allem der autobiographische Text der aufopferungsvollen Eugenia, aus dem diese im letzten Romankapitel vorliest: 'Ye, too, О lords of the creation, mighty men! impute not to native vanity the repining spirit with which I lament the loss of beauty; attribute not to the innate weakness of m y sex, the concern I confess f o r m y deformity; nor to feminine littleness of soul, a regret of which the true source is to be traced to your own bosoms, and springs from y o u r own tastes: for the value you yourselves set upon external attractions, y o u r own neglect has taught me to know; and the indifferency with which y o u consider all else, your own duplicity has instructed me to feel.' 1 7 5

Mit diesem Text erweist sich Eugenia als ein Kind ihrer Zeit; aus ihr hätte die Autorin des „jakobinischen" Romans werden können, den Burney im Jahrzehnt zwischen 1790 und 1800 nicht schreibt.

3.4 Männliche Mentorfiguren in Evelina, Cecilia, Camilla und The Wanderer Unter den vielen Themen, Motiven und Erzählstrategien des weiblichen Erziehungsromans, die sich den Texten Burneys verdanken, ist der Umgang mit männlichen Mentorfiguren. Ihnen soll, aufgrund ihrer potentiellen Relevanz als Quelle moralischer Autorität, ein eigenes Kapitel gewidmet werden; den positiv besetzten älteren Frauenfiguren in Burneys Romanen wird, wie wir gesehen haben, moralische Autorität nur in sehr begrenztem Umfang zugestanden, in der Regel, wie im Falle von Mrs. Tyrold, als Repräsentantinnen ihrer Ehemänner. Burney, Camilla, op. cit., S. 905

306

Die wichtigste Technik, die Burney bei der Darstellung von männlichen Autoritätsfiguren entwickelt, ist die der Aufspaltung oder Verdopplung; diese Technik, die in Burneys Texten in zwei Varianten existiert, wird von den gothic novelists, insbesondere von Radcliffe, adaptiert. Die erste Variante, bei der einer positiven männlichen Mentorfigur jeweils eine negative zugeordnet wird, findet sich in den beiden Romanen Evelina und Camilla. Die positiven Mentorfiguren, Evelinas Vormund, Mr. Villars, und Camillas Vater, Mr. Tyrold, sind Geistliche; die Macht, die sie aufgrund ihrer quasi-väterlichen oder väterlichen Rolle besitzen, und der Alters- und Erfahrungsvorsprung, den sie vor den Protagonistinnen haben, wird also, wie in manchen conduct books, um die moralische Autorität des geistlichen Lehrers ergänzt. 176 Villars' Kontrastfigur ist Evelinas biologischer Vater, Sir John Belmont. Die Beziehung zwischen den beiden Männern erscheint über weite Strecken als durch Antagonismen und Rivalität geprägt, eine Rivalität, derer sich beide bewußt sind: Villars schreibt in einem Brief an Lady Howard, er habe der Mutter Evelinas das Versprechen geben müssen, "That her child, if it lived, should know no father, but myself, or her acknowledged husband."177 Aus Sir Johns Perspektive, der sich ebenfalls an Lady Howard wendet, gestaltet sich das Verhältnis folgendermaßen: It seldom happens that a man, though extolled as a saint, is really without blemish; or that another, though reviled as a devil, is really without humanity. Perhaps the time is not very distant, when I may have the honour to convince your Ladyship of this truth, in regard to Mr. Villars and myself. 1 7 8

Sir John suggeriert hier auch die Inkompatibilität zweier Wertsysteme; seine eigene moralische Aufwertung muß notwendig mit einer Abwertung des Standpunktes von Villars einhergehen. Daß diese Wertsysteme sich letztlich doch, in der Person Evelinas, die von beiden in ihrem wahren Wert erkannt wird, als vereinbar erweisen, kann nur durch den Rekurs auf das Märchenmotiv der vertauschten Kinder erreicht werden. 179 In den letzten Kapiteln des Romans geht Evelina in die Obhut ihres biologischen Vaters über, der sie seinerseits an ihren zukünftigen Ehemann

176

177 178

'79

S. dazu Leranbaum, op. cit., zweiter Abschnitt; auch zwei Mentorfiguren in Cecilia und The Wanderer sind im übrigen, wie wir noch sehen werden, Geistliche, Cecilias Onkel und Juliets Vormund nämlich. Burney, Evelina, op. cit., S. 125 (kursiv im Text) Ibid., S. 158 Der „Rabenvater" Sir John kommt längst seinen Verpflichtungen gegenüber seiner Tochter nach, nur ist diese vermeintliche Tochter in Wahrheit das Kind der Amme Evelinas.

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übergibt; erst dann wird die Zustimmung des Adoptivvaters zur Eheschließung eingeholt. l8 ° In Camilla wird Mr. Tyrold sein gutmütiger, aber dummer Bruder Sir Hugh zugeordnet. Durch diese Verdopplung, die auf der Ebene der Nebenfiguren in der Verdopplung der beiden Erzieher Dr. Marchmont und Dr. Orkborne gespiegelt wird, zeigt sich, anders als in Evelina, daß die „gute" Autorität durch die Abspaltung der „schädlichen" nicht rehabilitiert werden kann; die Verdopplung wird vielmehr zu einer Quelle moralischer Ambiguität. So akzentuieren Sir Hughs wiederholte Versuche, seine Nichten und Neffen mit ungeeigneten Partnern zu verheiraten, die Tatsache, daß es auch Mr. Tyrold als seine Aufgabe erachtet, seine Töchter möglichst gut unterzubringen, wobei er diesen Töchtern lediglich ein negatives Mitspracherecht, also die Ablehnung völlig unakzeptabler Kandidaten, zugesteht.'81 Ebenso erweist sich die Misogynie des „schlechten" Tutors Dr. Orkborne als eine besonders krude Variante des tiefen Mißtrauens, das der „gute" Tutor Dr. Marchmont dem weiblichen Geschlecht entgegenbringt.182 Im folgenden soll nun untersucht werden, welche Wertsysteme Villars und Tyrold in Evelina und Camilla verkörpern; dabei wird verschiedentlich auf Erkenntnisse der vorhergehenden Kapitel zurückzugreifen sein. Villars, der sich selbst als einen Einsiedler, Evelina als a little rustic1*2· bezeichnet, wobei er Evelinas und seine eigene Unkenntnis der städtischen Welt und ihrer Umgangsformen als eine Tugend betrachtet, schätzt an seinem Zögling, wie bereits bemerkt, ihre artlessness, ihre Unfähigkeit zur Verstellung. Durch seine Erziehung vermittelt Villars Evelina zwar, wie Ronald Hatch ausführt, eine moralische Prädisposition, doch keine brauchbaren Handlungsmaximen.184 Evelina wird nicht in die Lage versetzt, sich in der großen Welt, zu deren gesellschaftlichen Regeln es ge,So l8

Ibid., S. 377ff. bzw. S. 405 ' Burney, Camilla, op. cit., S. 359; der hier verwendete Begriff der negative choice spielt bekanntermaßen eine Schlüsselrolle in einem der Prototypen des weiblichen Erziehungsromans, Richardsons Clarissa. In den meisten weiblichen Erziehungsromanen, die wir in dieser Arbeit kennengelernt haben, hat sich das Recht zu negative choice auf die Eltern verlagert, die damit die Wahlmöglichkeiten der Tochter einschränken können.

,S2 183

184

Ibid., S. 49 bzw. S. 642 Burney, Evelina, op. cit., S. 125 bzw. S. 19; die - negativ besetzte - Kontrastfigur zu little rustic ist an accomplished young woman (ebenfalls S. 125). Wie bereits angedeutet, ist die Stadt-Land-Dichotomie natürlich eine Quelle der Satire in Evelina; s. dazu Daugherty, S. 49, und Voss-Clesly, S. 132, jeweils op. cit. Hatch, Ronald, '"Lordship and Bondage': Women Novelists of the Eighteenth Century", in: Real. Yearbook of Research in English and American Literature, Vol. 8 (1992), S. 321 — 42; zu Evelina s. vor allem S. 239ff. 308

rade gehört, die wahren Gefühle hinter Höflichkeitsfloskeln zu verbergen, zu behaupten; da aber diese gesellschaftlichen Regeln, wie etwa Elinor Dashwood in Sense and Sensibility wohl weiß,185 einen Schutz vor der Gesellschaft gewähren, muß Evelina so schnell wie möglich aus Erfahrung lernen und sich das Regelsystem aneignen, ein Lernprozeß, den Villars, wie wir bereits gesehen haben, nicht billigt. Durch seine Distanz zur „großen Welt" gelingt es Villars auch nicht, das, was Evelina dort widerfährt, richtig einzuschätzen. Da er aber Macht über Evelina besitzt und Evelina emotional, - aber auch finanziell - , von ihm abhängig ist, legt sie sich in ihren Briefen an Villars, anders als in ihren Briefen an ihre Freundin Maria Mirvan, oft eine gewisse Selbstzensur auf; sie bedient sich, wie Epstein zeigt,186 verschiedener Unsagbarkeitstopoi, um eine Vollständigkeit der Darstellung zu umgehen, schützt Zeitmangel vor, spart längere Lebensabschnitte völlig aus. Andere Kommunikationshindernisse zwischen der mondänen Welt und dem ländlichen Berry Hill entstehen durch verlorengegangene oder sich kreuzende Briefe. Die größte Fehleinschätzung, die Villars unterläuft, ist sein Mißtrauen gegenüber Lord Orville. Der Brief, in dem er Evelina vor Orville warnt, markiert gleichzeitig den größten emotionalen Abstand zwischen Vormund und Mündel im Roman: "How strange, then, is it, that the letter in which she tells me she is the happiest of human beings, should give me the most mortal inquietude!"187 Obwohl Villars in anderen Briefen Evelina immer wieder zur Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Urteils aufruft,188 verlangt er hier von ihr, sich seinem Urteil zu beugen. Evelina unterwirft sich ihm zunächst, gelangt jedoch bald zu der Erkenntnis, daß ihr nunmehr verändertes Verhalten Orville gegenüber moralisch nicht gerechtfertigt ist: I begin to think, my dear Sir, that the sudden alteration in m y behaviour was ill-judged and improper; for, as I had received no offence, as the cause of the change was upon my account, not his, I should not have assumed, so abruptly, a reserve for which I dared assign no reason, - nor have shunned his presence so obviously, without considering the strange appearance of such a conduct. Alas, m y dear Sir, that my reflections should always be too late to serve me! dearly, indeed, do I purchase experience! 1 8 '

,8> 186 187 188 189

S. dazu oben, Kap. 2.5.1 Epstein, Burney, S. 115 ff. Burney, Evelina, op. cit., S. 307 (Hervorhebung im Text) Ibid., S. 164 bzw. S. 217 Ibid., S. 341 (Hervorhebungen im Text) 309

Evelinas Urteilsvermögen hat sich emanzipiert; ihre eigenen Beobachtungen, ihre Erfahrung ermöglichen es ihr, ihr Verhalten, ohne Rekurs auf Villars und gegen seinen "Willen, zu korrigieren. Villars muß sich in bezug auf Orville Evelinas Einsicht beugen und ihn als ihren zukünftigen Ehemann akzeptieren. Bereits vor dieser Kapitulation des Vormundes vor dem Mündel hat sich Villars dazu veranlaßt gesehen, die Verantwortung für Evelina Lady Howard, Mrs. Mirvan, Madame Duval und Mrs. Selwyn zu überlassen; obwohl diese einzeln nur wenig bewirken können und zudem, wie wir gesehen haben, als Rollenmodelle für Evelina nur bedingt tauglich sind, gelingt es ihnen gemeinsam, Evelinas biologischen Vater zu einer Anerkennung seiner Tochter zu bewegen. Wie bereits erwähnt, orientiert sich Camillas Vater in seinem Brief an seine Tochter an den conduct books von Fordyce, Gisborne und Gregory und wird damit selbst Teil der conduct &oo&-Tradition. Während Tyrold als Vater und Geistlicher in den Texten von Gregory und Fordyce, - von letzterem entlehnt Burney auch den Titel des Kapitels, das seinen Brief an Camilla beinhaltet, "A Sermon", 1 ' 0 - ein brauchbares Modell des Verhältnisses zwischen im Text konstruierter Mentorfigur und Adressatin vorfindet, zitiert er in seiner Darstellung der Schwierigkeiten relativer Erziehung sinngemäß aus Gisborne. 191 Auch für sein konservatives Eheideal und, wie wir bereits gesehen haben, für die Pflicht der tugendhaften Frau, ihre Gefühle zu verbergen, findet Tyrold Anregungen in konservativen conduct books. Umgekehrt sind die Transparenz, die artlessness, die Edgar Mandlebert, wie Villars in Evelina, von der tugendhaften Frau erwartet, und die emotionale Spontaneität, die Tyrold selbst an seiner Tochter schätzt, ebenfalls in conduct books häufig erhobene Forderungen. 192 Diesen konfligierenden Handlungsanweisungen kann Camilla trotz aller Bemühungen nicht genügen. Cutting-Gray bemerkt in diesem Zusammenhang: Absent from Tyrold's assessment and absent too from the wider implications of that conceptualized female standard is the understanding that what he most admires in Camilla is also what he heartily disapproves. [ . . . ] Accordingly, in spite of Camilla's wish to obey her father's admonition, thereby proving her docile accommodation, and in spite of her active efforts to implement his advice toward Edgar, thereby proving her disinterest, her feelings and her thoughts remain divided. She must appear interested in Edgar in order to encourage his declaration, yet also disinterested in order to prevent his disappro° Burney, Camilla, op. cit., S. 355ff. S. dazu oben, Kap. 1.1.3.1 ' 9 ' Etwa im Text von Bennett ,9

191

310

bation. This complexity of interest and disinterest must be appropriately communicated to him, not by direct and plain speech, not even by indirect speech, but solely by her silent behavior. That is, she must be governed by the delicacy that is her peculiar attribute as woman, be obedient to its laws, and at the same time be entirely spontaneous. 15 ' 3

Obwohl Tyrolds „Predigt", wie Epstein betont, 194 zunächst als moralisches Zentrum des Textes fungiert, - auch die wichtigere der beiden weiblichen Mentorfiguren, Mrs. Tyrold, leitet ja ihre Autorität von der ihres Mannes ab sind die Parallelen zwischen den Ratschlägen Tyrolds und Mrs. Arlberys und zwischen den Zielsetzungen Tyrolds und Sir Hughs unübersehbar. Andererseits läßt der Text aber keine Interpretation zu, die, in völliger Dissoziation von seiner Protagonistin, argumentierte, daß Camilla die Ratschläge ihres Vaters als falsch hätte erkennen müssen, wodurch sie viel Leid hätte verhindern können.195 Wie in Evelina kann man jedoch auch in Camilla von einer partiellen Demontage der positiven männlichen Ratgeberfigur, und damit von einer moralischen Ambiguität des vermeintlichen moralischen Zentrums, sprechen.196 Aus der Perspektive von Cecilia, Burneys zweitem Roman, erscheint die partielle Demontage Tyrolds in Camilla, ihrem dritten Text, allerdings eher als eine partielle Rehabilitation der positiven Vaterfigur. In Cecilia entwickelt Burney nämlich eine zweite Variante im Umgang mit männlichen Mentorfiguren, die der Aufsplitterung der patriarchalischen Autorität auf drei offizielle und zwei selbsternannte Vormunde, Harrel, den älteren Delvile, Briggs, Monckton und Albany, die alle ihre Macht über Cecilia höchst willkürlich ausüben.197 Was den fünf Männern, trotz aller Unterschiede in ihrer sozialen Position und in ihren jeweiligen Motiven, gemeinsam ist, ist der Wunsch, sich Macht und Geld, - Macht über Cecilia und Cecilias Geld - , anzueignen. Selbst Albany, der dieses Geld für

194

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Cutting-Gray, op. cit., S. 63 f. Epstein, Витпеу, op. cit., Kap. 4; s. dazu auch die bereits zitierte Anmerkung der Herausgeber der hier verwendeten Ausgabe, die in bezug auf " A Sermon" von der "moralistic essence" des Textes sprechen (Burney, Camilla, op. cit., S. 941). S. dazu Rogers, Bumey, op. cit., S. 106; Rogers verweist hier auf Austen, der es gelungen sei, in Persuasion deutlich zu machen, daß sich auch wohlmeinende und intelligente Ratgeberfiguren wie Lady Russell irren können. Im Falle Evelinas verursacht die partielle Demontage Villars' eine gewisse Spannung zwischen dem eigentlichen Roman und dem Widmungsgedicht "To " (Dr. Burney), dessen erste Strophe folgendermaßen lautet: "Oh author of my being! - far more dear/To me than light, than nourishment, or rest,/Hygieia's blessings, Rapture's burning tear,/Or the life blood that mantles in my breast!" (Burney, Evelina, op. cit., S. 1) Zu den männlichen Mentorfiguren in Cedlia s. Doody, Bumey, S. 134, Figes, S. 45, Rogers, Bumey, Kap. 1, jeweils op. cit.

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seine karitativen Projekte benötigt, verhält sich dabei Cecilia gegenüber äußerst rücksichtslos.' 9 8 Alle fünf nehmen weibliche Willensäußerungen nicht ernst, oder lassen Frauen gar nicht erst zu Wort kommen: Obwohl Cecilia Harrel gegenüber immer wieder betont, daß sie den Mann, den er ihr als Ehemann vorgeschlagen hat, nicht liebt und nicht heiraten will, glaubt er ihr nicht: Ί never saw in Miss Beverley any disapprobation beyond what it is customary for young ladies of a sentimental turn to shew; and every body knows that where a gentleman is allowed to pay his devoirs for any length of time, no lady intends to use him very severely." 9 9

In einer Schlüsselszene des Romans, die als paradigmatisch für Cecilias Schwierigkeiten mit ihren Mentorfiguren gelten kann, - das entsprechende Kapitel trägt den bezeichnenden Titel " A Wrangling"* 0 0 - , sind zwei der drei offiziellen Vormunde, Briggs und Delvile, sowie Albany und ein zufälliger Besucher, Hobson, im Hause Moncktons versammelt. Sofort brechen unter ihnen Streitigkeiten aus, die mit dem Anlaß des Zusammentreffens, der Volljährigkeit Cecilias, nichts mehr zu tun haben; die Arroganz Delviles, die Monomanie Albanys, der Geiz Briggs', die sententiöse Selbstzufriedenheit Mr. Hobsons prallen aufeinander. Cecilia versucht immer wieder, sich einzumischen, zu vermitteln, zum Geschäftlichen zurückzuführen, doch sie wird entweder nicht gehört oder unterbrochen oder bewußt mißverstanden. Das Resümee der auktorialen Erzählerfigur zu Beginn des nächsten Kapitels bezieht sich zwar primär auf Delviles Verhalten, kommentiert aber indirekt den gesamten Kommunikationsvorgang: Cecilia was now left in a state of perturbation that was hardly to be endured. The contempt with which she had been treated during the whole visit was nothing short of insult, but the accusations with which it was concluded did not more irritate than astonish her. 2 0 1

Cecilia hat keinen männlichen Mentor, auf den sie sich verlassen kann; ihrem toten Onkel, einem Geistlichen, verdankt sie zwar ihr Vermögen, 198

S. dazu beispielsweise Burney, Cecilia, op. cit., S. γ^βίί.; außerdem erfahren wir (ibid., S. 704 ff.), daß Albany durch seinen Einsatz für die Armen und Unterdrückten der Gesellschaft Buße tun will für eine schwere Verfehlung in seiner Jugend: Als Student hat er ein Dorfmädchen verführt und verlassen; sie endet als Prostituierte in London, und seine späte Reue kann sie nicht mehr retten (sie stirbt in seinem Haus). •»» Ibid., S. зб/f. Ibid., S. 741 ff. Ibid., S. 761

З12

doch er hat ihr aus Familienstolz testamentarisch die Verpflichtung auferlegt, ihren, das heißt, seinen, Namen beizubehalten. In ihrer Einleitung zu der hier verwendeten Ausgabe meint Doody dazu etwas salopp: "There are no good daddies any more." 202 Konservative conduct books wie etwa die Texte von Fordyce oder Moir 2 ° 3 führen wiederholt aus, daß das Geschlechterverhältnis von Komplementarität geprägt sei, wobei die Frau auf den männlichen Schutz angewiesen sei und sich darum bemühen müsse, diesen Schutz durch ein Verhalten zu verdienen, das der natürlich vorgegebenen Rollenverteilung entspreche. Obwohl sich Cecilia, als exemplarische Protagonistin, weitgehend rollenkonform verhält, wird ihr der männliche Schutz, der ihr zustünde, weder von ihren „Vätern" noch von ihrem zukünftigen Ehemann gewährt; alle männlichen Figuren erweisen sich vielmehr als Quelle der Gefährdung und Bedrohung, 204 und Mrs. Delvile wird, wie wir gesehen haben, erst dann zu einer positiven weiblichen Mentorfigur, als sie sich ihrem Mann widersetzt. In der Sekundärliteratur gibt es Tendenzen, Burneys radikale Kritik an patriarchalischer Autorität in Cecilia mit der Entstehungssituation des Romans in Verbindung zu bringen. So argumentiert Straub in ihrer Burney-Monographie Divided Fictions: Fanny Burney and Feminine Strategy, daß Cecilia, anders als Evelina, unter den wachsamen Augen einer Gruppe männlicher Mentoren, nämlich Charles Burney, Samuel Crisp und Samuel Johnson, entstanden sei und daß sich Burney zwar im wesentlichen ihren Ratschlägen gefügt habe, aber doch gewisse Ressentiments gegenüber diesen Eingriffen in ihren Text gehegt habe. 20 ' Diese These hat insofern eine gewisse Plausibilität, als, wie wir wissen, der Arbeit an Cecilia die Komödie The Witlings vorausgeht, die Burney, trotz des erklärten Interesses von Sheridan, auf den Rat ihres Vaters und Crisps zurückziehen muß. Joyce Hemlow zitiert in ihrer Burney-Biographie in diesem Zusammenhang aus einer Tagebucheintragung Burneys: "'The fatal knell, then is knolled', wrote the playwright, 'and "down among the dead men" sink the poor Witlings - for ever, and for ever, and for ever! I give a sigh, whether I will or not, to their memory!'" 206 Die Arbeit an Cecilia selbst wird mehrfach durch psychosomatische Erkrankungen und Erschöpfungszustände, zu denen Burney auch in anderen belastenden 2 2

°

205 204 205 го6

Ibid., S. X X I S. dazu oben, Kap. 1.1.3.1 S. dazu Simons, in: Spender (ed.), British Women Writers, S. 1 3 i f . Straub, op. cit., Kap. 5, speziell S. 1 1 3 Hemlow, Joyce, The History of Fanny Burney (Oxford, 1958), S. 138

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Phasen ihres Lebens, zum Beispiel während ihrer Zeit am Hofe, neigt, unterbrochen.207 Darüber hinaus gehen die Schreibzwänge, unter denen Burney steht, in mehreren offensichtlich selbstreflexiven Passägen direkt in den Text ein: ' A n y situation, madam, must be less irksome than that which I quitted: to write by rule, to compose by necessity, to make the understanding, nature's first gift, subservient to interest, that meanest offspring of art! - when weary, listless, spiritless, to rack the head for invention, the memory for images, and the fancy for ornament and allusion; and when the mind is wholly occupied by its own affections and affairs, to call forth all its faculties for foreign subjects, uninteresting discussions, or fictitious incidents! -

Heavens! what a life of

struggle between the head and the heart! H o w cruel, how unnatural a war between the intellects and the feelings!' 1 0 8

Der Sprecher ist Belfield, den wir bereits als den „dunklen Schatten" der Protagonistin kennengelernt haben. Burney benutzt die Figur außerdem dazu, verschiedene Berufsmöglichkeiten auszuloten, die einem Mann mit seiner Herkunft und seiner Erziehung offenstehen; in The "Wanderer wird für sie die Karriere der Protagonistin eine analoge Funktion im Bereich weiblicher Berufstätigkeit haben. Belfield betätigt sich als Tutor, Buchhalter, kurzzeitig sogar als Landarbeiter, schließlich als freiberuflicher Schriftsteller. Wenn die Darstellung der positiven männlichen Mentorfigur in Camilla als eine partielle Zurücknahme der Kritik an patriarchalischen Strukturen in Cecilia verstanden werden kann, revidiert The Wanderer, Burneys letzter Roman, wiederum diese Revision. In The Wanderer werden die beiden positiven männlichen Autoritätsfiguren, nämlich Juliets Onkel, der Admiral, und Juliets selbsternannter Vormund, ein französischer Bischof, an die Peripherie des Textes relegiert. Ihnen ist mit Lord Denmeath, der als Bruder von Juliets Stiefmutter das Vermögen seines Schwagers für die Kinder aus zweiter Ehe retten will, eine negative männliche Autoritätsfigur zugeordnet; da Lord Denmeath auf der eigentlichen Handlungsebene des Romans jedoch nicht auftritt, trägt selbst er im Vergleich zu den negativen Frauenfiguren wie etwa Mrs. Iretön nur unwesentlich zu den täglichen Erniedrigungen der Protagonistin bei. Dem Admiral, dem Bruder von Juliets Mutter, kommt lediglich die Aufgabe zu, im drittletzten Romankapitel209 Juliet als seine Nichte an207 208

S. zu Cecilia ibid., S. 139ff., zu Burneys Jahren am Hofe ibid., S. 20iff. Burney, Cecilia, op. cit., S. 883 Burney, The Wanderer, op. cit., S. 829 ff.

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zuerkennen und damit eine Symmetrie der Anerkennungsprozesse herzustellen: ihre Familie väterlicherseits hat diesen Prozeß bereits abgeschlossen. Die wohltätige Wirkung des Bischofs liegt ebenso wie die schädliche Lord Denmeaths ohnehin in der Vorgeschichte der Romanhandlung; in letzterer braucht der Bischof, wie Doody zu Recht anmerkt,210 seinerseits Juliets Schutz. Im vorletzten Romankapitel211 betritt er dann die Bildfläche, um sich bei Juliet zu bedanken und sie zu segnen. Unsere Untersuchungen in den vorhergehenden Kapiteln haben zunächst eine Paarung der Romane Evelina und Camilla einerseits, Cecilia und The "Wanderer andererseits nahegelegt. Eine detailliertere Betrachtung hat jedoch gezeigt, daß Burneys dritter Roman nicht nur Parallelen zu ihrem ersten aufweist, sondern daß sich Camilla auch in vielen Punkten von Evelina unterscheidet und damit insgesamt eine Sonderrolle in Burneys Werk einnimmt. So hat beispielsweise die vergleichende Analyse der Erzählperspektiven ergeben, daß Camilla eine Protagonistin ist, deren Sprachlosigkeit nicht, wie im Falle Evelinas, durch die Sprach- und Definitionsmacht einer Protagonistin-als-Autobiographin kompensiert wird; hinter Camilla steht jedoch auch nicht immer, wie im Falle Cecilias und Juliets, die Sprach- und Definitionsmacht der auktorialen Erzählerfigur, so daß sie von Spencer zu Recht als "smothered heroine" 212 bezeichnet werden kann. Analoges gilt für den Bereich der Erzählstruktur, in dem Camilla, anders als die anderen drei Protagonistinnen, ihren Status als singulär tugendhafte Figur verliert, und, unter Berücksichtigung der Chronologie der Texte, für den Bereich der Autoritätsfiguren; insbesondere scheint, wie wir gesehen haben, eine kontinuierliche Demontage der Vaterfiguren von Evelina über Cecilia zu The Wanderer durch ihre partielle Rehabilitation in Camilla unterbrochen. Aufgrund seiner erzählperspektivischen und erzählstrukturellen Entscheidungen und wegen seines Umgangs mit Mentorfiguren muß Camilla, in der am Ende von Kapitel 2.5.2 der vorliegenden Arbeit eingeführten Terminologie, als ein tendenziell konservativer weiblicher Erziehungsroman bezeichnet werden. Entsprechend lassen sich Evelina, Cecilia und The Wanderer als tendenziell progressiv klassifizieren; diese Progressivität der Romane ist eine Konsequenz aus der zunehmenden

2,1

112

Doody, Burney, op. cit., Kap. 9; da Juliet keine Katholikin ist, hat der Bischof, im Unterschied zu den Geistlichen, die in den anderen drei Romanen als Mentorfiguren fungieren, im übrigen keine direkte geistliche Autorität über sie. Burney, The Wanderer, op. cit., S. 857; diese Stelle markiert übrigens die einzige wörtliche Rede des Bischofs auf der Handlungsebene des Romans. Ein zweites Mal, und ebenso kurz, spricht er lediglich in einer der Rückblenden (ibid., S. 741). Spencer, op. cit., S. 163

3!J

Verdüsterung der Burneyschen Romanwelten. Der Begriff "Fictions of Resistance", den Epstein für Cecilia und The Wanderer reserviert,213 ließe sich also auch für Evelina beanspruchen; Epsteins Bezeichnung für Evelina und Camilla, "Fictions of Violation", erweist sich dagegen insofern als untauglich, als sie die genannten Unterschiede zwischen den beiden Romanen ignoriert und damit die Sonderstellung Camillas verschleiert. Die Kategorien „tendenziell konservativ" und „tendenziell progressiv" schließen natürlich, wie wir wissen, nicht aus, daß die tendenziell progressiven Romane konservative Struktur- und Handlungselemente integrieren und beispielsweise in ihren Haupthandlungen die Möglichkeit einer glücklichen Ehe affirmieren; umgekehrt ist Camilla ein tendenziell konservativer Text, der auch progressive Elemente enthält, etwa eine eher milieu theoretisch ausgerichtete Position in der nature/nurture-Dlskussion. An dieser Stelle erscheint es angebracht, die vier Romane Burneys in ihr historisches wie literaturhistorisches Umfeld einzuordnen und damit gleichzeitig in Beziehung zu den Texten zu setzen, mit denen sich die ersten beiden Hauptteile dieser Arbeit beschäftigt haben. Evelina, Burneys erster Roman, erscheint im Jahr 1778, also zu einer Zeit, in der, wenn man von seinen Prototypen bei Richardson absieht, das Subgenre weiblicher Erziehungsroman erst im Entstehen begriffen ist; in der Tat trägt Evelina, wie wir gesehen haben, entscheidend zu diesem Entstehungsprozeß bei. Die Fülle formaler Optionen, aus denen Burney mit Evelina auswählen kann, macht ein Vergleich mit Mary Hamiltons im gleichen Jahr erschienener weiblicher Utopie Munster Village deutlich. Munster Village findet in der weiteren Entwicklung des Subgenres jedoch keine direkte Nachahmung, während sich die Handlungselemente und Strukturmuster, die Burney in Evelina initiiert und vier Jahre später, in Cecilia, variiert, zunehmender Popularität gerade bei Autorinnen erfreuen und daher immer mehr verfestigen. Es erscheint legitim, die Zunahme der weiblichen Romanproduktion im Jahrzehnt nach der Publikation Evelinas, im Jahrzehnt Cecilias also, mit dem Erfolg dieser ersten beiden Burney-Romane in Verbindung zu bringen; wie Peter Garside gezeigt hat, übersteigt im Zeitraum zwischen 1780 und 1790 die Zahl der Romane mit expliziter oder impliziter weiblicher Autorschaft erstmals die der Romane von Autoren/ 1 4 Damit soll jedoch nicht sugge2.3 2.4

S. dazu oben, Kap. 3.1 N a c h Garsides Zahlenmaterial sind insgesamt 38,2 % der Romane eindeutig von Autorinnen, 2 1 , 8 % von Autoren (beim - sehr großen - Rest ist die Autorschaft ungeklärt). Im Zeitraum von 1 7 5 0 bis 1769 beträgt der Prozentsatz f ü r Autorinnen, wie Raven zeigt,

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riert werden, daß sich alle Autorinnen der Epoche der Romanform weiblicher Erziehungsroman bedienen: Zu den populärsten Romanen der Epoche gehören Edgeworths Regionalroman Castle Rackrent (1800) sowie die historischen Romanzen von Jane und Anna Maria Porter. 21 ' In den zwei Jahrzehnten der Publikation von Evelina und Cecilia intensiviert sich aber auch die Diskussion über Wesen und Bestimmung, und damit um die Erziehung der Frau, in nichtfiktionalen Texten. Drei der einflußreichsten conduct books stammen aus den siebziger Jahren, nämlich die Texte von Chapone, Fordyce und Gregory, und im nächsten Jahrzehnt erscheinen neben den konservativen conduct books von Bennett und Moir auch Wollstonecrafts Thoughts on the Education of Daughters und Original Stories. Die Gleichzeitigkeit und, wie wir gesehen haben, Interdependenz der fiktionalen und nichtfiktionalen Diskurse zur Frauenerziehung, innerhalb des aufklärerisch-bürgerlichen Diskurses in seiner Gesamtheit, führt dazu, daß bestimmte Aspekte des weiblichen Erziehungsromans ideologisch aufgeladen werden; als Beispiel möge hier die mehrfach erwähnte Intensivierung des in Evelina und Cecilia angelegten Gegensatzes zwischen Individuum und Welt, der seinerseits die Texte Burneys an den empfindsamen Roman rückbindet, in der gothic novel dienen. Die ideologischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts, die sich in der Frage der Frauenerziehung kristallisieren, kulminieren, in der Folge der Französischen Revolution, in seinem letzten Jahrzehnt. Im Jahr 1796, dem Erscheinungsjahr Camillas, veröffentlicht Mary Hays Memoirs of Emma Courtney, Inchbald den ebenfalls tendenziell progressiven Roman Nature and Art. Aus dem anderen ideologischen Lager geht Wests A Gossip's Story, and a Legendary Tale hervor. Elizabeth Hamilton beginnt, wie Jones nachweist, mit der Arbeit an Memoirs of Modern Philosophers,"6 Radcliffe arbeitet am letzten zu ihren Lebzeiten erschienenen Roman, The Italian; or, The Confessional of the Black Penitents: A Romance.2'7 Der wichtigste Roman eines (männlichen) Autors aus diesem Jahr, Robert Bages tendenziell progressiver Text Hermsprong; or, Man As

21>

2.6 2.7

selten mehr als ein Viertel (Beispiele: 12 von 44 Neuerscheinungen im Jahr 1763, 22 von 68 im Jahr 1764); s. dazu Raven, James, British Fiction ι/;ο-1//0. A Chronological Check-List of Prose Fiction Printed in Britain and Ireland (University of Delaware Press, 1987), Einleitung, speziell S. 19. Zum Beispiel Jane Porters Thaddens of Warsaw (1803) und The Scottish Chiefs (1810) und Anna Maria Porters The Hungarian Brothers (1807); zu Jane und Anna Maria Porter s. Jones, op. cit., Kap. 4 und 5 Jones, op. cit., S. 23 Dieser Text erscheint im folgenden Jahr, 1797.

3J7

He is Not218 hat zwar eine männliche Hauptfigur, eben Hermsprong; dieser ist jedoch von einer Vielzahl weiblicher Nebenfiguren umgeben, und Frauenerziehung erweist sich als ein thematischer Schwerpunkt des Romans. Hermsprong ist überdies ein Anhänger Mary Wollstonecrafts, aus deren Vindication of the Rights of Woman er mehrfach zitiert.219 Burney ist im Jahre 1796 bereits seit drei Jahren mit dem mittellosen französischen Aristokraten Alexandre d'Arblay verheiratet. Die junge Familie, - im Dezember 1794 kommt der einzige Sohn zur Welt, - lebt von Burneys Hofpension und von dem Geld, das sie durch ihre schriftstellerische Tätigkeit verdienen kann.220 Ihre Tragödie Edwy and Elgira, von der sie sich ein gewisses finanzielles Polster erhoffen konnte, wird im März 1795 nach einer einzigen Aufführung abgesetzt. Für Camilla, einen der wenigen Subskriptionsromane der Epoche, erhält sie die für damalige Verhältnisse enorme Summe von £ 1000.221 Außerdem wird ihr gestattet, - und dies ist für einen Roman der Epoche noch ungewöhnlicher als die Publikationsform auf Subskriptionsbasis - , Camilla Königin Charlotte Sophia, der sie als Hofdame gedient hatte, zu widmen.222 In ihrer Widmung stellt Burney eine Beziehung zwischen diesem Gunstbeweis und der moraldidaktischen Intention ihres Romans her: In those to whom Your Majesty is known but by exaltation of Rank, it may raise, perhaps, some surprise, that scenes, characters, and incidents, which have reference only to common life, should be brought into so august a presence; but the inhabitant of a retired cottage, who there receives the benign permission which at Your Majesty's feet casts this humble offering, bears in mind recollections which must live there while 'memory holds its seat,' of a benevolence withheld from no condition, and delighting in all ways to speed the progress of Morality, through whatever channel it could flow, to whatever port it might steer. I blush at the inference I seem here to leave open of annexing undue importance to a production of apparently so light a kind - yet if m y hope, my view, however fallacious they may eventually prove, extended not beyond whiling away an idle hour, should I dare seek such patronage? 223 2,8

"9

220 211

222 223

Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1985 (ed. Peter Faulkner, Oxford University Press, 1985; The World's Classics) S. beispielsweise Kap. 43, S. 132 ff.: Wollstonecraft wird in diesem didaktischen Gespräch zwischen Hermsprong, der emanzipierten Frauenfigur Miss Fluart und dem konservativen Bankier Mr. Sumelin namentlich erwähnt; ein Thema des Gesprächs, das sich um Frauenerziehung und die Rolle der Frau in der Gesellschaft dreht, ist dabei das Frauenbild Miltons. S. dazu Figes, op. cit., Kap. 4 Die Vergleichszahlen für Evelina und Cecilia lauten 20 Guineen und £ 250 (auch dieser Betrag ist bereits stattlich). S. dazu Hemlow, Burney, op. cit., S. 251 Burney, Camilla, op. cit., S. 3 318

Offensichtlich muß Burney daran gelegen sein, in Camilla ideologische Festlegungen zu vermeiden, die den Erfolg und die Respektabilität ihres Romans in den höfisch-aristokratischen Kreisen, aus denen sich viele ihrer Subskribentinnen und Subskribenten rekrutieren, hätten gefährden können. Die daraus resultierende Unzeitgemäßheit des Romans, auf die Gary Kelly aufmerksam gemacht hat, wird auch in zeitgenössischen Rezensionen registriert und dort durchaus positiv bewertet.224 Gleichzeitig versucht Burney, wie Edward A. und Lillian D. Bloom zeigen,225 unterschiedlichen Lesegewohnheiten bei ihrem intendierten Publikum durch die Integration populärer fiktionaler wie nichtfiktionaler Textformen entgegenzukommen. Zu diesen Textformen gehören im fiktionalen Bereich die gothic novel, die vor allem die Eugenia-Handlung des Romans beeinflußt, im nichtfiktionalen Bereich das conduct book, in dessen Tradition, wie wir gesehen haben, sich Mr. Tyrolds Brief an Camilla stellt; die Heterogenität dieser Quellen erweist sich ihrerseits als eine Quelle moralischer Ambiguität im Text. Obwohl Burneys - legitimen - fiktionalen Strategien der gewünschte finanzielle Erfolg beschieden ist, ist sie selbst mit Camilla unzufrieden. Der ersten von mehreren Revisionsphasen fallen zahlreiche moraldidaktische Passagen zum Opfer, unter anderem Mr. Tyrolds Brief; dafür werden die „gotischen" Elemente des Textes verstärkt. In einer weiteren Phase, die unmittelbar auf die harsche zeitgenössische Kritik auf The Wanderer folgt, werden diese moraldidaktischen Passagen in den Text reintegriert und sogar erweitert.226 Auf seine Art ist Burneys vierter Roman The Wanderer, der im Jahr 1814 zeitgleich mit Austens Mansfield Park und Edgeworths Patronage erscheint, ebenso anachronistisch wie Camilla. Entsprechend bemerkt ein Rezensent des European Magazine and London Review: "[We] are doubtful whether the public will consider the subject sufficiently modern, though managed with all the skill of a Burney." 227 In The Wanderer kehrt Burney, wie wir gesehen haben, imaginativ in die revolutionäre Dekade zwischen 1790 und 1800 zurück und nimmt im nachhinein zu den Problemen Stellung, die besonders die progressiven 224

225 226

227

S. zur Burney-Rezeption allgemein Epstein, Burney, op. cit., Kap. 7; Epstein zufolge wird der Anachronismus Camillas in den Rezensionen des British Critic und des Monthly Review gelobt (ibid., S. 205). In ihrem Aufsatz "Fanny Burney's Novels", op. cit., S. 232f. Zu den Camilla-Revisionen s. Bloom, Lillian D., "Fanny Burney's Camilla·. The Author as Editor", in: Bulletin of Research in the Humanities, Vol. 82 (1979), S. 367-93 European Magazine and London Review, Vol. 66 (Nov. 1814), S. 425-7; hier zitiert nach Graus Burney-Bibliographie, op. cit., S. 30

З19

Autorinnen dieser Jahre beschäftigt haben, also zu den Fragen weiblicher Erziehung und Berufstätigkeit und zu anderen Aspekten gesellschaftlich konstruierter Frauenbilder und Frauenrollen. Die Französische Revolution selbst wird in Burneys Roman explizit kritisiert; unter anderem wegen ihres eigenen langjährigen Aufenthaltes in Frankreich und wegen ihres französischen Ehemannes, das heißt, wegen des Namens, unter dem sie nun publiziert, fühlt sich Burney/Madame d'Arblay verpflichtet, in dieser Spätphase der Napoleonischen Kriege bereits zu Beginn des Romans die anglophile Gesinnung ihrer Protagonistin außer Zweifel zu stellen. Diese anglophile Gesinnung wird sich natürlich später, als die Herkunft der Protagonistin geklärt ist, als eine patriotische Haltung erweisen: Upon reaching the British shore, while Mrs. Maple, her niece, the elderly lady, and two maid-servants, claimed and employed the aid of the gentlemen, the Incognita, disregarding an offer of Harleigh to return for her, darted forward with such eagerness, that she was the first to touch the land, where, with a fervour that seemed resistless, she rapturously ejaculated, 'Heaven, Heaven be praised!' 228

Gleichzeitig erweist sich die Gesellschaft im Gelobten Land als auf allen sozialen Ebenen außerordentlich reformbedürftig, eine Situation, die im Roman auf mangelnde Erziehung, vor allem auch auf mangelnde Frauenerziehung, zurückgeführt wird. Die Beseitigung gesellschaftlicher Mißstände durch Erziehung steht jedoch, wie wir bereits im ersten Romankapitel durch Elinor Joddrell erfahren haben,229 im Zentrum des revolutionären Projektes; daß dieses Projekt selbst legitim ist, wird in The Wanderer nie angezweifelt. Die zeitgenössischen Reaktionen auf The Wanderer sind vernichtend. Die überwiegend negative postume Rezeption dieses Romans, die sich in der Literaturwissenschaft bis in unsere Tage perpetuiert hat, läßt sich vor allem auf zwei einflußreiche Rezensionen zurückführen, auf John Wilson Crokers Besprechung in The Quarterly Review und auf William Hazlitts "Standard Novels and Romances" in The Edinburgh Review.2 i0 Doody kommentiert diese zwei Rezensionen wie folgt: It is not wonderful that conservative patriotic reviewers were affronted by a book which showed that man - and English man (and woman) - continues 228

Burney, The Wanderer, op. cit., S. 22 » Ibid., S. 18 230 Quarterly Review, Vol. 11 (April 18x4), S. 1 2 3 - 3 0 , und The Edinburgh Review, Vol. 24 (Feb. 1815), S. 3 2 0 - 3 8 . Zur Rezeption von The Wanderer s. Bloom/Bloom, S. 235, Devlin, Burney, S. 93, Doody, Burney, Kap. 9, speziell S. 334 und S. 367 f., Epstein, Bumey, Kap. 7, und Ferris, S. 73 ff., jeweils op. cit.

22

320

to deal out 'oppression in the very face of liberty'. The 'wild edifice' of the novel (which itself seems made of massy parts and strange intersections) reflects the wild edifice of human history, crazily contradictory, always being constructed at great cost, and yet always tending toward ruin. 231

1824 werden die Reste der zweiten Auflage von The Wanderer, insgesamt noch 465 Exemplare, als unverkäuflich vernichtet. Burney, die das Scheitern ihres persönlichen new program offemale reading um 26 Jahre überleben wird, hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits in den Bereich des Briefes und des Tagebuches zurückgezogen, den sie mit dem Briefroman Evelina erstmals verlassen hatte. Zu ihren Lebzeiten erscheint nur noch ihre Biographie ihres Vaters, Memoirs of Doctor Burney (1832), die wie The Wanderer auf nahezu einhellige kritische Ablehnung stößt, wobei sich John Wilson Croker wiederum als der schärfste Kritiker erweist. Burney stirbt 1840 im Alter von 88 Jahren.

*>' Doody, Burney, op. cit., S. 367

321

Schlußbemerkung: Waverley und der weibliche Erziehungsroman Hazlitts Rezension von The Wanderer, die im Februar 1815 in The Edinburgh Review erscheint,1 benutzt Burneys Text als einen Anlaß zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Genre Roman; entsprechend sind lediglich die letzten Seiten des Aufsatzes "Standard Novels and Romances" Burneys viertem Roman und seiner Autorin gewidmet. Hazlitt reiht sich damit in eine Gruppe von Rezensenten ein, die, wie Munday in seinem Aufsatz zur Romankritik im frühen 19. Jahrhundert zeigt,2 in den literarischen Zeitschriften der Epoche, etwa in The Quarterly Review, The Edinburgh Review oder Blackwood's Edinburgh Magazine, eine kritische Diskussion zum Roman in Gang setzen und in dieser Diskussion, oft von einem eben veröffentlichten Roman ausgehend,3 Maßstäbe zur Beurteilung fiktionaler Texte entwickeln. Dabei konzentrieren sie sich auf die Fragestellungen, die auch in eigenständigen romantheoretischen Publikationen und in Vorworten zu Romanen oder Romansammlungen erörtert werden, nämlich auf den Status des Romans im Vergleich mit anderen literarischen Genres, auf den moraldidaktischen Auftrag des Romans und auf seinen Wahrheitsanspruch. Hazlitts Rezension weist zwei grundsätzliche Tendenzen auf: Zum einen begründet er mit den „Großen Vier", also den Romanautoren Fielding, Richardson, Smollett und Sterne, einen Kanon exemplarischer fiktionaler Texte, eine Kanonbildung, die, wie wir in Kapitel 1.2 л gesehen haben, die literaturwissenschaftliche Diskussion bis in unsere Epoche beeinflußt hat. Zum zweiten versucht er, diese vier Autoren, die er gleichzeitig in eine europäische Romantradition stellt, gegen Autorinnen wie Burney, Radcliffe, Inchbald oder Edgeworth abzugrenzen und die Besonderheiten weiblichen Schreibens zu bestimmen. 1

2

J

Im folgenden zitiert nach Howe, P. P. (ed.), The Complete Works of William Hazlitt, Vol. 16 (London and Toronto, 1933), S. 5 - 2 4 Munday, op. cit., speziell S. 205 f.; s. dazu Böker (in Ahrends/Diller) und Haworth, jeweils op. cit. Ein Beispiel für diese Strategie kennen wir bereits, nämlich die Owenson-Rezensionen J. W. Crokers.

322

Die europäische Romantradition wird Hazlitt zufolge von zwei Autoren und ihren Texten maßgeblich geprägt, von Cervantes' Don Quixote und von Lesages Gil Blas. Während ersterer stark individualisierte Figuren zeichne, deren Eigenschaften sich nicht ihren Lebensumständen, sondern ihrer angeborenen Disposition verdankten, schildere letzterer Charaktertypen, die repräsentativ für ihren sozialen Stand oder ihren Beruf seien.4 Im Bereich der englischen Literatur neige Fielding eher der ersten Gruppe, Smollett eher der zweiten zu; die Unterschiede zwischen diesen englischen Autoren einerseits, ihren literarischen Vorbildern andererseits seien jedoch wichtiger als die Parallelen. Für Hazlitt ist damit die Entstehung literarischer Genres, in diesem Fall die Entstehung des englischen Romans während der politisch stabilen Regierungszeit Georgs II., ein dialektischer Prozeß, in dem sich die Kontinuität der Orientierung an den Vorbildern mit der Disjunktion der Abgrenzung gegen diese Vorbilder paart.5 Die Disjunktion ist dabei, wie der Hinweis auf Georg II. und die Betonung des spezifisch englischen Charakters der Romane der „Großen Vier" zeigen, eine Konsequenz aus den jeweiligen historischen Umständen, in denen das neue Genre entsteht. Eine ähnliche VorbildAbbild-Beziehung wie die zwischen Cervantes und Fielding, Lesage und Smollett konstruiert Hazlitt zwischen Marivaux und Richardson, während er bei Sterne zwar einen besonders imitativen Zug konstatiert, ohne jedoch eine konkrete Vorlage zu nennen. Allen vier Autoren sei gemeinsam, daß sie ein viel detaillierteres Bild der Sitten und Gebräuche einer Epoche vermitteln, als nichtfiktionale Texte, aber auch Lyrik und Dramatik, dies vermögen: In looking into such grave and ostentatious performances, we see little but the rigid skeleton of public transactions, exaggerations of party zeal, and vestiges of literary ambition; and if we really wish to know what was the state of manners and morals, and in what way, and into what forms, principles and institutions were actually moulded in practice, we cannot do better than refer to the works of those writers, who having no other object than to imitate nature, could only hope for success from the fidelity of their pictures; and were bound (in their own defence) to reduce the boasts of vague theorists, and the exaggerations of angry disputants, to the mortifying standard of reality.6

Hazlitt verwendet hier den Begriff manners in seiner weitesten Bedeutung und belegt mit ihm ein semantisches Feld, das sich, vor allem in der 4 5

6

Hazlitt, op. cit., S. 9 f. Dieses Verhältnis von Kontinuität und Disjunktion ist, wie bereits bemerkt, charakteristisch für das Entstehen literarischer Genres; s. dazu M c K e o n , op. cit., S. 11 f. Hazlitt, op. cit., S. 6

323

Kollokation manners and morals, von konkreten situativen Normen bis zur sittlichen Verfaßtheit und moralischen Befindlichkeit einer Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, deren Spiegel diese situativen Normen sind, erstreckt.7 Neben diesem umfassenden manners-Begriii kennt er jedoch noch einen zweiten: The author of the present novel is, however, quite of the old school, a mere common observer of manners,

- and also a very woman. It is this last circum-

stance which forms the peculiarity of her writings, and distinguishes them from those masterpieces which we have before mentioned. She is unquestionably a quick, lively, and accurate observer of persons and things; but she always looks at them with a consciousness of her sex, and in that point of view in which it is the particular business and interest of women to observe them. We thus get a kind of supplement and gloss to our original text, which we could not otherwise have obtained. 8

Während Burney in ihrem Vorwort zu Evelina den ersten, umfassenden manners-Begriif für sich beansprucht,9 wird sie von Hazlitt auf seinen zweiten, eher pejorativen, reduziert; dieser zweite leugnet den ursächlichen Zusammenhang zwischen Umgangsformen und moralischer Verfaßtheit der Gesellschaft. Manners sind nur noch bloße Form, „Manieren" im engsten Sinne des Wortes, der weibliche Beitrag zum Roman eine zwar interessante, aber im Grunde irrelevante Marginalie zum eigentlichen Anliegen des Romans. 10 Hazlitt erläutert im folgenden, daß es das in obigem Zitat bereits angesprochene „Geschäft" der Frau sei, Umgangsformen zu erlernen und Abweichungen von diesen Formen zu registrieren, da solche Abweichungen bei ihr selbst streng geahndet würden. Die Handlung von The Wanderer entspinne sich ausschließlich aus diesen Verstößen gegen die Manieren der guten Gesellschaft; die Female Difficulties des Untertitels existierten nur in der Einbildung der Protagonistin. Anderen Romanautorinnen, namentlich Radcliffe, Edgeworth und Inchbald, wird eine ernsthafte Beschäftigung mit den Konstanten menschlichen Verhaltens oder mit seiner Aktualisierung in konkreten historischen Situationen ebenfalls abgesprochen. Auch Hazlitts semantische Differenzierung des manners-Begritis, die die umfassendere der beiden Bedeutungen für die kanonisierten Autoren Fielding, Smollett, Richardson und 7 8 9

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S. dazu oben, Kap. 1.2.2 Hazlitt, op. cit., S. 21 (Hervorhebung von mir) "To draw characters from nature, though not from life, and to mark the manners of the times, is the attempted plan of the following letters." (Burney, Evelina, op. cit., S. 7) Damit leugnet Hazlitt natürlich auch, wie Doody zu Recht bemerkt, die Relevanz weiblicher Erfahrung (Doody, in Burney, op. cit., S. 334f.).

324

Sterne rettet, hat, wie wir in 1.2.1 gesehen haben, Konsequenzen für die Literaturgeschichtsschreibung. Worauf sind nun die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Schreiben zurückzuführen? Hazlitts Antwort auf diese Frage ist biologistisch im Sinne des von Honegger und Laqueur beschriebenen Zwei-Geschlechter/Zwei-Leiber-Modells, 11 das seinerseits aus der medizinisch-anthropologischen „Entdeckung" körperlicher Unterschiede zwischen den Geschlechtern hervorgeht und von diesen körperlichen Unterschieden auf Unterschiede in der geistigen und psychischen Konstitution schließt; aus physischen und psychischen Differenzen werden wiederum die unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen der beiden Geschlechter abgeleitet: T h e surface of [women's] minds, like that of their bodies, seems of a finer texture than ours; more soft, and susceptible of immediate impression. T h e y have less muscular power, - less p o w e r of continued voluntary attention, - of reason - passion and imagination: but they are more easily impressed w i t h whatever appeals to their senses or habitual prejudices. T h e intuitive perception of their minds is less disturbed b y any general reasonings on causes or consequences. T h e y learn the idiom of character and manner, as they acquire that of language, b y rote merely, without troubling themselves about the principles. 1 z

Ferris, deren bereits mehrfach zitierter Studie The Achievement of Literary Authority die Argumentation in diesem Kapitel wertvolle Anregungen verdankt, weist zu Recht darauf hin, daß sich in Hazlitts BurneyRezension viele literaturkritische Tendenzen bündeln, die sich vereinzelt auch in anderen romantheoretischen Untersuchungen der Epoche finden.' 3 Durch diese Bündelung gelingt es Hazlitt, die Romantradition in einen männlichen und einen weiblichen Teil zu spalten und das männliche Segment, auf Kosten des weiblichen, aufzuwerten; wie in anderen Texten, die sich des Zwei-Leiber/Zwei-Geschlechter-Modells bedienen, sind auch bei Hazlitt die Leistungen der beiden Geschlechter nicht nur nicht gleichartig, sondern auch nicht gleichwertig. Der bisherige kritische Gemeinplatz der Epoche, der das Genre Roman überwiegend mit Autorinnen und Leserinnen assoziiert, wird durch die Ausgrenzung von Autorinnen, 11

12

13

Zu Honegger und Laqueur s. oben, Kap. 1.1.1, zu dem biologistischen Aspekt der HazlittRezension außerdem Epstein, Burney, op. cit., Kap. 7, speziell S. гоу{{., sowie Doody, Burney, op. cit., S. 334 Hazlitt, op. cit., S. 22; die Stelle wird auch von Doody (in Bumey, op. cit., S. 334) zitiert und kommentiert. Ferris, op. cit., Kap. 2, speziell S. 69 ff.

З25

und implizit auch von Leserinnen, aus der „eigentlichen" englischen Romantradition, die durch die „Großen Vier" repräsentiert wird, abgelöst. Ein Roman, der in Hazlitts "Standard Novels and Romances" nicht erwähnt wird, obwohl er wie Burneys The Wanderer im Jahr 1814 erschienen ist, ist Scotts erster Roman Waverley; or, 'Tis Sixty Years Since.14 Die selbstreflexiven Äußerungen Scotts in Waverley weisen deutliche Parallelen zu Hazlitts Burney-Rezension auf: Scott bedient sich wie Hazlitt der Unterscheidung zwischen einem Romantyp, der ahistorisch allgemeinmenschliche Charakterzüge, general human nature,15 betont, und einer Figurenzeichnung, die historisch relativierend das Individuum als Produkt der gesellschaftlichen Umstände, manners, seiner Epoche betrachtet;16 diese Unterscheidung betrachtet Hazlitt, wie wir gesehen haben, als für die europäische Romantradition konstitutiv. Aus seinem (natürlich weit gefaßten) manners-Begriff leitet Scott, wie Hazlitt, den historiographischen Anspruch seines Romans ab. Diese Parallelen legen nahe, daß Hazlitt Waverley gekannt hat und vielleicht sogar sein Publikum dazu anregen will, Scott, der sich explizit auf Cervantes und Fielding beruft, als eine Reinkarnation dieser vorbildhaften Romanautoren zu betrachten. Darauf ist dieses Publikum wiederum durch Jeffreys Waverley-Rezension, wie "Standard Novels and Romances" in The Edinburgh Review erschienen,17 vorbereitet worden. Wie Ferris zeigt/ 8 wird Waverley bereits in dieser ersten wichtigen Rezension als ein Text betrachtet, der nicht mit den kritischen Maßstäben gemessen werden kann, die an Romane von Autorinnen, seien es nun Trivialromane oder proper novels,19 angelegt werden; der Autor, - Scotts Autorschaft ist nicht nur in Edinburgh ein offenes Geheimnis - , sei, so Jeffrey, ein Dichter und gentleman, der an seine intendierten Leser hohe Ansprüche stelle und ein gewisses Maß an klassischer Bildung voraussetze, über die natürlich, den romantheoretischen Prämissen der Epoche zufolge, die „typische" Romanleserin, an die sich die „typische" Romanautorin wendet, nicht verfügt. In der Tat zeigt ein flüchtiger Blick besonders auf die Bradwardine-Kapitel von Waverley ein dichtes Geflecht von Anspielungen auf die klassische Literatur, aber auch auf historiogra14

16

'7 ,8

19

Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1972 (ed. Andrew Hook, Harmondsworth, 1972) Ibid., S. 35 Ibid., S. 492 Edinburgh Review, Vol. 24 (1814) Ferris, op. cit., Kap. 3, speziell S. 83; zur Scott-Rezeption s. ferner Hillhouse, James Т., The Waverley Novels and their Critics (New York, 1968; repr. of 1936 first edition) Zu Ferris' Begriff der proper novel s. oben, Kap. 1.2.1

326

phische und andere nichtfiktionale Texte, die oft in ihrer Originalsprache, dem Lateinischen, zitiert werden. 20 Aus der Perspektive von 1817 und 1820, in Jeffreys Rezensionen von Tales of My Landlord und Ivanhoe,21 erscheint Scott endgültig als der Begründer einer neuen, „männlichen" Romanschule. Ferris kommentiert diese Kanonisierung Scotts in der zeitgenössischen Literaturkritik folgendermaßen: F o r these first male reviewers, Waverley reading offered a compelling alternative both to female reading and to feminine writing. In particular, in this period of conservative reaction, evangelical revival, and the domestic-didactic novel, Waverley

and its successors licensed a nostalgic male-inflected romance of his-

tory that offered the satisfaction of emancipation f r o m the necessary restraints. A n d central to that sense of liberation, the reviews suggest, was release f r o m a feminized space. Suggestively, Francis Jeffrey, writing in 1 8 1 7 , found that the main fault of the A u t h o r of Waverley lay in his 'descriptions of virtuous y o u n g ladies - and his representations of the ordinary business of courtship and c o n versation in polished life.' 2 2

Dabei vernachlässigt Jeffrey natürlich, daß Scott nicht nur explizit immer wieder weibliche Vorbilder erwähnt, vor allem die irischen Romane Maria Edgeworths, Elizabeth Hamiltons The Cottagers of Glenburnie und Anne Grant of Laggans Superstitions of the Highlanders, sondern auch Handlungselemente aus Romanen dieser und anderer Autorinnen in seine Texte integriert. Ein Beispiel für Scotts Rekurs auf die weibliche Romantradition möge hier genügen: In seinem berühmten Einleitungskapitel erläutert Scott die Genese seines Romantitels und grenzt seinen Text, durch spielerische Variationen dieses Romantitels, "Waverley, a Tale of other Times", "Waverley, a Romance from the German" etc., gegen andere Romanformen ab: O r if I had rather chosen to call m y w o r k a 'Sentimental Tale,' w o u l d it not have been a sufficient presage of a heroine with a profusion of auburn hair, and a harp, the soft solace of her solitary hours, w h i c h she fortunately finds the means of transporting from castle to castle [ . . . ] ? 2 3

Trotzdem macht eine der beiden weiblichen Hauptfiguren, die dunkelgelockte Flora Maclvor, dadurch einen unauslöschlichen Eindruck auf den 20 21 22 23

S. z . B . Scott, Waverley, op. cit., Kap. 10, speziell S. 87ff. Edinburgh Review, Vol. 28 ( 1 8 1 7 ) bzw. Vol. 33 (1820) Ferris, op. cit., S. 91 Scott, Waverley, op. cit., S. 34; hier handelt es sich wahrscheinlich um eine Anspielung auf Owensons The Wild Irish Girl.

327

Helden Waverley, - der im übrigen, wie die typischen (weiblichen) fair romance readers der Epoche, zu identifikatorisch-eskapistischem Lesen neigt - , daß sie ihn in unwegsamem Gelände mit einem Harfenkonzert beglückt. 24 Peter Garsides Zahlenmaterial zeigt, daß sich die Tendenz zu einem Ubergewicht von Romanautorinnen, die das Jahrzehnt zwischen 1780 und 1790 charakterisiert hat, im Jahrzehnt nach dem Erscheinen Waverleys und Ivanhoes, und wahrscheinlich unter deren Einfluß, umkehrt: Zwischen 1820 und 1830 können nur noch 34,2 Prozent der Romanproduktion Autorinnen zugeschrieben werden, 48,5 Prozent aller Romane stammen von Autoren. 25 Außerdem gibt es nach Garside Indizien dafür, daß weibliche literarische Kreativität in andere Kanäle, etwa die Kinderund Jugendliteratur oder die kurze Prosaerzählung religiösen Inhaltes, gelenkt wird. Garside spricht in diesem Zusammenhang, in Anlehnung an Ferris, von "male capturing of the genre". 26 Ein Blick auf die großen Romanautorinnen der viktorianischen Epoche zeigt uns zwar, daß Frauen im Verlauf der nächsten Jahrzehnte Territorium zurückgewinnen können, doch während sich Romanautoren des späten 18. Jahrhunderts gelegentlich weiblicher Pseudonyma bedient haben, werden einige dieser viktorianischen Autorinnen unter geschlechtsneutralen oder männlichen Pseudonyma an die Öffentlichkeit treten: Acton, Currer und Ellis Bell, George Eliot. Und die weibliche Erziehung? Die Erziehungsdiskussion des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts wird in einer Erzählung einer anderen viktorianischen Autorin, Elizabeth Gaskeils "Morton Hall", 2 7 durch drei unverheiratete Schwestern aus einer alten Adelsfamilie personifiziert, die, in Erinnerung an ihre eigene Jugend um die Jahrhundertwende, nun ihre Nichte Cordelia erziehen wollen; die Erzählerin macht dabei immer wieder deutlich, daß die Schwestern trotz ihrer äußeren Umgebung, die sich im Zuge der Industriellen Revolution rapide wandelt, in der Welt ihrer Jugend zurückgeblieben sind.28

14

is 16 27

г8

Ibid., S. 176 ff.; s. dazu auch Ferris, op. cit., S. 123, und, zu Waverley als fair romance reader, Colby, R., op. cit., S. 46 ff. In absoluten Zahlen beträgt das Verhältnis 251:355 (Garside, op. cit., S. 7). Garside, op. cit., S. 2 Im folgenden zitiert nach der Ausgabe von 1877 (Novels and Tales by Mrs. Gaskell, London, 1877), Vol. 6, S. 362-92 Zum Beispiel in ihrer Kleidung, in ihrer Gewohnheit, sich zu schminken, in ihrem Verhältnis zueinander 328

Da die Erziehungsvorstellungen der drei differieren, ist ihnen die Nichte im wöchentlichen Turnus anvertraut. Miss Sophronia, die älteste - und intellektuell ambitionierte - Schwester, arbeitet an einem conduct book, das den Titel The Female Chesterfield; or, Letters from a Lady of Quality to her Niece tragen wird, und legt vor allem Wert auf die körperliche und geistige Ertüchtigung ihrer Nichte, die von ihr in ein Korsett gezwängt wird und Geographiebücher auswendig lernen muß. Annabella, die zweite, liest mit der Nichte sentimentale Liebesromane, etwa Santo Sebastiano; or, the Young Protector, und spielt ihr auf dem Spinett vor. Dorothy schließlich kümmert sich um praktische Details, zum Beispiel darum, daß Cordelia ihre Kleider nicht schmutzig macht. Es überrascht nicht, daß Cordelia bei diesem Erziehungsregime nicht gedeiht; doch bevor sie bleibenden Schaden nehmen kann, stirbt Miss Sophronia, und eine vierte Person schaltet sich in den Erziehungsprozeß ein: But, just as Miss Cordelia had begun to droop, the general came home, without any one knowing he was coming. Sharp and sudden was the word with him. H e sent Miss Cordelia off to school; but not before she had had time to tell us that she loved her uncle dearly, in spite of his quick and hasty ways. 2 '

Cordelia wird später einen jungen Mann aus einer Industriellenfamilie heiraten.

19

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