Die Tugend der keuschen Kydippe: Schein und Sein 9632841360, 9789632841366

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Die Tugend der keuschen Kydippe: Schein und Sein
 9632841360, 9789632841366

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ANCIENT !!!STORY

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Thomas Köves-Zulauf

SERIES ISTVÄN HAHN LECTURERS (IHL)

DIE TUGEND DER KEUSCHEN KYDIPPE: SCHEIN UND SEIN

Ed. by GYÖRGY NEMETH

Vol. I

2009

Budapest

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ISBN 978-963-284-136-6

© Publisher; © Author

Printed by VERANO

Budapest, 2009 Joint Libraryof the Hellenic and RomanSocieties SenateHouse.MaletSt. LondonWC1E 7HU

2 2 JAN2018

ThomasKöves-Zulauf doctor honoris causa Universitatis Debreceniensis, a. 2006

INHALT

Forcword eo procceding IHL ... .... _............................. Abkürzungen ......................................

8 10

I. Zwei Namen: Akonrios und Kydippe ............................

11

I 1. Die Jungfrau und ihre Göttin ....................................

30

III. Kydippe, Ariadne, Lavinia •................

_...........................

44

Curriculum vitae des Autors •••...........................................

51

Kurzbibliographie der wichtigsten Veröffentlichungen ... _...........................

54

FOR.EWORD TO PROCEEDING

JHL

Hahn Lecturer in every second year (even years). The honoured scholar holds an inaugural lecrure in our Department and publishes the lecture as a small monograph in rhe Istvan Hahn Lectures (!II/.) series.

Istvan Hahn (1913-1984) was former head of the Department of Ancient History at ELTE (1963-1983), full member of the Hungarian Academy of Sciences, and an internationally acknowledged expert of several areas of ancient history. He graduared from our university in 1935 as a reacher of Latin, ancient Greek, and history, whereas in 1937 he received a degree in rhe College of Rabbinical Studies. Besides classical languages, he was perfect in Hebrew, Aramaic, Syrian, and Arabian, and he became a scholar not only of Greek and Roman political, economic and religious history but also of rhe ancient and medieval history of the Jews. His rwenty years as head of our Department laid down the course of its later history and rurned it into an internationally acclaimed research centre. T o commemorate his scienrific accomplishment, the Department of Ancient History at ELTE and the Non Omnis Moriar Foundation decided to honour a scholar gaining international fame in any of the scientific areas srudied by Istvan Hahn with the tide Istvdn

Likcwise in every two years (odd years), we honour promising scientisrs less than 45 years old wich the reward Istvdn Hahn Prize of the Non Omnis Moriar Foundation, which can be frccly sperrt on their research, though rhey are .d~o expected to publish rheir results in separate volumes of the IHL.

8

9

Prof Dr. GyörgyNemeth Head of Department

Professors honoured wich ehe cicle Istvan Hahn Leccurer:

2008: ThomasKöves-Zulauf (Marburg)

Promising scienciscsrewarded wich ehe Iscvan Hahn Prize:

2005: PeterProhdszka(Budapest) 2007: Adam SzabrJ(Budapest) 2009: Zsolt Simon (Budapest)

I.

ABKÜRZUNGEN

ARW

Archiv for Religionswissenschaft

CQ

The ClassicalQuarterly

Zwei Namen: Akontios und Kydippe

Es gibt antike Mythen, die für uns ein für CR

ClassicalReview

FGrH

Die Fragmenteder griechischen Historiker

HSPh

Harvard Studies in ClassicalPhilology

REG

Revue des etudesgrecques

TAPhA

Transactionsand Proceedingsof the American PhilologicalAssociation

allemal im Dunkel der Vergangenheit versunken sind. Wir besitzen zwar einen Hinweis auf ihre einstige Existenz, wissen aber nichts Näheres über Ihren Inhalt. Ein solches Beispiel stellt die Erwähnung durch Ovid eines Mannes dar, ,,der voll Furcht die drei Köpfe eines Hundes erblickt hat. .. und den der Schrecken nicht früher verlies als seine frühere Natur, nachdem sein Körper zu Stein geworden war". Oder das einstige Liebespaar, der selbstlose Olenos und die unglückliche Lethaea, die nun als Felsen auf dem Berg Ida existieren. 1 Es gibt auch Mythen, die einem solchen Schicksal nur knapp entronnen sind. Zum Beispiel die Liebesgeschichte von Akontios und Kydippe. Ihre Kenntnis verdanken wir dem berühmten hellenistischen Dichter Kallimachos des 3. Jahrhunderts vor Christus, der sie dem 1

10

Metamorphosen 10, 65-71.

11

sonst verlorenen Werk des etwa 200 Jahre früher gelebten Lokalhistorikers Xenomedes entnahm und damit rettete. 2 Auf Grund des kallimacheischen Fragments erzählte dann die Geschichte auch Ovid in seinen Heldinnenbriefen (Nr. 20, 21) um die Zeitenwende und fand sie auch Eingang in die Sammlung erotischer Briefe des spätantiken (5. Jh. n. Chr.?) Aristainetos. 3 Auf Grund dieser verhältnismäßig schmalen Überlieferungsgrundlage ergibt sich folgendes Gesamtbild der Geschichte: Akontios, ein schöner Jüngling von der Insel Keos, erblickt beim Artemis-Fest auf Delos das Mädchen Kydippe und verliebt sich in sie. Er folgt ihr zum Tempel der Göttin, wo er in den Weg ihrer Begleiterin einen Apfel wirft, worauf folgendes geschrieben 2

Frg. 65-75 PFEIFFER.

3

Hinzukommen

möglicherweise Anspielungen auf die

Geschichte ohne Namensnennung bei Vergil und anderen augusteischen Dichtern: F. CAIRNS, CR 19, 1969, 131 ff.; DERS., Quaderni de! Dipartimento di Filologia, Linguistica e Tradizione Classica „Augusto Rostagni" 3, 2004, 21 ff.; R.

M. ROSEN andJ. FARRELL,TAPhA 116, 1986, 241 ff.; G. T!SSOL, HSPh 94, 1992, 263 ff.; L. MORGAN, Latom11s

54, 1995, 79 ff.; Antonius Liberalis (2. Jh. n. Chr.) verfasste eine Nachahmung unter den Namen Hern10chares und Ktesilla: Metamorphoseon Synagoge 1. Kcesylla, welche erhalten ist. Es gibt als seine Quelle die Heceroioumena Nikanders an, die verloren sind.

12

sLcht: ,,Ich schwöre bei Artemis, dass ich Akontios heiraten werde." Die Begleiterin hebt den Apfel auf, gibt ihn Kydippe, die das Ceschriebene laut liest und damit sich unbeabsichtigt zur Ehe mit Akontios eidlich verpflichtet. Als sie sich dessen bewusst wird, wirft ~ic den Apfel weg. Der Vater des Mädchens .mangierc jedoch eine Heirat für seine Tochter 1nit einem anderen Mann. Als aber der /,1.·itpunkt der Hochzeit kommt, wird Kydippe von einer geheimnisvollen Krankheit befallen. 1kr Vater lässt sich nicht abschrecken und wiederholt den Versuch noch dreimal, immer mit demselben Ergebnis. Nach dem Scheitern ,\lieh des vierten Versuchs begibt er sich nach Delphi, um Apollon um Rat zu fragen. Der Cott teilt ihm mit, dass der unbeabsichtigte, von Artemis wahrgenommene Eid seiner Tochter der Grund für die seltsamen Schwierigkeiten ist, sie zu verheiraten. Darauf gibt der Vater Kydippe dem Akonrios zur Frau. Dem Gelübde wird auf diese Weise Genüge getan und das neuvermählte Ehepaar wird zum Uhrahnenpaar der Herrscher-dynastie der keischen Stadt Julis. Die Geschichte enthält eine Fülle von Problemen, viel behandelte wenig erörterte, bisher nicht thematisierte. Ein Beispiel für die erste Gruppe stellt die Bedeutung des Apfels als 13

Liebessymbol dar; in die zweite Kategorie gehöre das Verhältnis der Dynastiegründungsgeschichte bei Xenomedes zu der Liebesgeschichte bei den späteren Autoren; gänzlich unbemerkt geblieben ist z. B. das Problem der Schriftkenntnis Kydippes. Haben die griechischen Mädchen der archaischen Zeit lesen können? Die Frage, die den Ausgangspunkt folgender Untersuchung bildet, gehört in die mittlere Kategorie. Es handelt sich um das Problem der Bedeutung und der Funktion der Eigennamen in der Geschichte, insbesondere um die Namen der zwei Hauptpersonen, des verliebten J ünglings Akontios und des unwilligen Mädchens Kydippe. Die Etymologie von Eigennamen spielt in antiken Mythen und Sagen eine wichtige Rolle, auch die Dichter, die solche Erzählungen literarisch gestaltet haben, zeigen häufig lebhaftes Interesse für sie, spielen gerne mit etymologischen Inhalten. 4 Dies trifft mehr oder weniger auf alle Übermittler unserer Geschichte zu, einschließlich solcher Quellen, die nur gelegentliche, anonyme Anspielungen auf die Geschichte bieten wie z. B. Vergil. Am eindeutigsten ist dies beim Verfasser unseres ersten ausführlichen Berichtes, bei

K.,llinuchos der Fall. Das Phänomen taucht bei ih111~kid, im ersten Satz des erhaltenen Textes .1ul: Au1:oi; "EpCüi;eoioa~Ev 'AK6vnov 61t1tü'l:EKaA i\0F1:o Ku8bmn ,:(·xvriv -

n

1taii; e1t1.1tap8EVtKTI

ou yap ö y'EcrKE1tOAUKpo1:0c;öcppa AEY(ot 1:0)5

1:l)\),:0

8ta Sffi'Tli;oüvoµa KOUptolOV.

„Eros persönlich lehrte Akontios die Technik (sc. der Liebe), als dieser für die schöne Kydippe in Liebe entbrannt war, als Junge für eine Jungfrau - denn er war keineswegs viel gefeiert 6

'Vgl. zu dieser Textergänzung R. PFEIFFERed.,

Callimachus, Oxford 1949; z. St. C. A. TRYPANISed., Callimachus, Cambridge Mass. - London 1958 (Loeb); z.

St. F. CAIRNS, CQ 52, 2002, 472. 6

R. PFEIFFER,z. Sc. versteht das Wort als „schlau" mit

Hinweis auf eine Hesiodstelle sowie auf callidus und vafer bei Ovid Her. 20, 25; 30; C. A. TRYPAN1S,z. St.: „cunning"; F. CAIRNS,CQ 52, 2002, 471 sieht darin eine Kontrastierung mit Odysseus, mit Berufung auf dieses

4

F. CAIRNS, CQ 52, 2002, 471 ff.

14

Wort als eine Textvariante in Homer. Od. 1, 1 zur

15

damit dieser 7 zu einem jungen Ehemann passende Name 8 ein Leben genannt werde".

l\i, jl'11.1 liegen folgende Vorschläge für die t·t y111oln[!_ische Ableitung des Namens in der 1:.tl lili1cratur vor: Ableitung aus dem Wort CX.K0Vl) = ,,Wetz,1cin", Schleifstein". 9 Man sieht darin einen Ausdruck für die Hartherzigkeit des Akontios, quasi für sein Herz aus Stein. Als Argument hnuCt man sich einerseits auf eine Stelle aus der ovidischen Fassung der Geschichte, aus dem Bril-1"der Cydippe an Acontius Heroides 21, > \ 1: Durius et ferro . . . tibi pectus, Aconti. Andererseits auf eine Parallele aus Ovids Metalllorphosen 5, 201-202, wo ein Mitkämpfer des P.1rscus mit dem fast identischen Namen, /\conteus, zu Stein erstarrt. 10 Diese Theorie ist nicht überzeugend, schon aus dem Grunde nicht, weil er das + als Bestandteil des Wortstammes nicht erklärt: akon-e gegenüber Akon+ ios. Hinzukommt, dass die erstere Ovid-Stelle ein häufig gebrauchter allgemeiner Gemeinplatz ist. Wenn er etwas speziell mit dem ,steinernen' Herzen des Acontius zu tun haben sollte, würde man mindestens erwarten, dass das Herz des Jünglings mit einem Stein, und nicht mit Eisen verglichen wird. Der Hinweis auf den Parallel1)

Charakterisierung des Odysseus und deutet es als Ausdruck mangelnder rhetorischer Fähigkeit des Akoncios; deswegen kommuniziere er auch schriftlich mit Kydippe. Etymologisch stammt das Wort von KpO'tO~; Kpü'tEOJ= „Lärm" u.ä.; ,,schlagen, klopfen, rasseln" insbesondere ,,(be)klatschen". Ich verstehe das Wort im Sinne von „beklatschen": Akontios wuede nicht viel beklatscht, gefeiert, war kein berühmter Don Juan, hatte keinen großen Erfolge bei Frauen. Deswegen hatte er die Belehrung durch Eros nötig. Eine eindrucksvolle Rede nach Art des Odysseus ist schwer als eine Art 'Lärm' vorstellbar; ein 'Beklatschen' dagegen sehr wohl. 7

'tOU'tO v. 4 ist ei sehr wichtiges Wort, was man nicht

immer beachtet: ,,dieses" bringt zum Ausdruck, dass den Inhalt von (oüvoµa) Koupl.8t0v etwas bildet, was im gegebenen Kontext schon erwähnt wurde. 8

Das Adjektiv leitet sich von Küt>p0