Erste Analytik. Zweite Analytik: Organon Band 3/4. Zweisprachige Ausgabe [5 ed.] 9783787331550, 9783787315956

Die Lehre vom einwandfreien logischen Schluß, die Aristoteles in der Ersten Analytik entwickelt, gilt als sein Meisterst

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German Pages 636 [770] Year 1995

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Erste Analytik. Zweite Analytik: Organon Band 3/4. Zweisprachige Ausgabe [5 ed.]
 9783787331550, 9783787315956

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A R ISTOT EL E S

Organon Band 3/4

FEL I X M EI N ER V ER L AG H A M BU RG

A R ISTOT EL E S

Erste Analytik Zweite Analytik Herausgegeben, übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen versehen von Hans Günter Zekl Griechisch – deutsch

FEL I X M EI N ER V ER L AG H A M BU RG

PH I L O S OPH I S C H E BI BL IO T H E K BA N D 4 9 4 /4 9 5

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INHALT

Vorwort ................................................................. .

VII

Einleitungen des Übersetzers .............................. .. Erste Analytik .................................................... . Zweite Analytik ................................................. ..

IX IX LXVII

Ausführliche Inhaltsübersicht .............................. . Siglen ...................................................................... .

CXXI CXXXI

Aristoteles Erste Analytik Text und Übersetzung A

Erstes Buch ....................................................

2

3

B

Zweites Buch..................................................

188

189

Zweite Analytik Text und Übersetzung

309

A

ErstesBuch ....................................................

310

311

B

Zweites Buch..................................................

446

447

Appendix..............................................................

525

Anmerkungen des Herausgebers

.......................

531

Abkürzungen ........... ............................... .. ......... Ausgewählte Literatur ........................................ WOrtverzeichnis .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Index verborum .................. ................ ...............

609 611 621 624

VORWORT

Der griechische Text der hier an die Öffentlichkeit gegebenen zweisprachigen Analytik-Ausgabe ist nach Ross (Oxford 1949, seither nachgedruckt); der Clarendon Press sei gedankt für die freundliche Erlaubnis zur Übernahme. Was die Obersetzung angeht, so ist es schon erstaunlich, daß neben dem vielkritisierten Unternehmen von P. Gohlke (Aristoteles. Die Lehrschriften. 9 Bände. Paderborn 1947-61. Die Logik dort in Bd. II [1953]) die Version von E. Rolfes (PhB 10, Leipzig 1921, seither nachgedruckt) im deutschen Sprachraum bislang die einzig greifbare war. Auf die im Rahmen der deutschen Aristoteles-Gesamtausgabe (ed. E. Grumach f; H. Flashar) angekündigte Bearbeitung der Ersten Analytik durch G. Striker wird man wohl noch warten müssen, und es wird dann vorwiegend für Wissenschaftler sein. Die für alle Interessierten, also auch für Studenten gedachte Übertragung von Rolfes als >>brauchbar aber nicht gutseit Aristoteles' Zeiten hat die Logik keine Fortschritte gemacht.>umgekehrten Schluß nach der ersten Form«.) Die traditionelle Verfremdung geht bis in die Titel hinein: Indem man von Logik spricht und die von Andronikos dazu versammelten Schriften Organon nennt, darf man sich auf Aristoteles nicht berufen: den ersten der Termini kennt er gar nicht,? der zweite kommt gelegentlich einmal als Metapher vor, beschreibt aber die aristotelische Grundintention nicht, sondern lenkt, so genommen, das Verständnis in falsche Richtung. Man muß sich bewußt halten, daß man als Übersetzer und Interpret mit diesen Titeln unter falscher Flagge fährt; es ist also der Inhalt immer gegen die Etiketten zu wenden. Das Verformen geht unterdes weiter und bestimmt in seinen terminologischen Endprodukten noch die Sprache der heutigen Interpretation. Das ganze aus den aristotelischen Aussagen abgezogene System wird latinisiert, also in einen

Z. B. das sog. Modalpeiorem. Einen knappen, instruktiven Überblick der Ansätze vom Altertum bis in die Neuzeit gibt zur Frage nach der Vollkommenheit von Syllogismen G. Patzig: Die aristotelische Syllogistik. 21963, 78-92. 7 Aoy1K~ (sei!. 1EXV!J), also so etwas wie: Kunst der vernünftigen Herleitung, ist erst im I. Jh. v. Chr. nachweisbar, eine offensichtlich stoische Bildung. Das Adverb .\oylKW~ verwendet Aristoteles öfter, nur genau nicht in der Bedeutung, die man erwartete, sondern im Sinne von: Aus vagen Voraussetzungen nur als wahrscheinlich Gefolgertes; das präzise, strenge, zwingende Verfahren nennt er ava.\unKGl~. 6

Einleitung

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anderen Horizont gesetzt.S Wenn wir heute interpretatorisch sprechen von Prämissen und Konklusio, von Termen, Figuren,

Modi, Subjekt, Prädikation, Konversion, Reduktion, Quantifizierung usw., so ist das die Sprache des Boethius. Die Symbole

für Quantität und Qualität der Aussagen (a, e, i, o) sind gebildet nach den lateinischen Verben affirmo und nego. Bei Boethius finden sich auch die ersten Ansätze zur Umstellung des S- und P-Terms, womit die aristotelische Anordnung der Terme völlig durcheinandergerät, die für seine Auffassung von syllogistischer Figur und Vermittlung essentiell war. Es ist ein vollkommen anderes Denken in diesen Formalismus gekommen, alles steht, gemessen an der ursprünglichen Anordnung, verschrägt und überkreuz. Die war doch wohlüberlegt gewesen: Aristoteles hatte sich aus gewichtigen Gründen dazu entschlossen, die umgangssprachliche >>iStliegt vor an ... >wird ausgesagt von ... > ... kommt ZU>Geschichte der Logik im Abendlande«, C. Prantl, vermag nun die Entwicklung nach Aristoteles nur noch als Abfall von ihm, als ein Herunterkommen zu deuten, gegen das die aristotelische Logik ihm >>ein Gegenstand wahrer Bewunderung>AusschwärmenMittelnäher>Weiter weg The structure of the second book is by no means so clear as that of the first.>das, wovon ... « dieser Eingabe in einem zweiten Satz (Präm.min) zum Ausgesagten an einer dritten Entität, so ist es Figur I. Läuft ein Auszusagendes auf zwei Subjekte zu, also, wird etwas von mehrerlei ausgesagt, so Figur II. Schließlich und umgekehrt, ist es mehrerlei, das von einem ausgesagt ist, dann Figur 111 (Kapitel 15). Das zeigt einerseits die Sonderstellung der I. Figur und somit die Tatsache, warum sie die Basis der gesamten Syllogistik sein muß, zweitens, daß diese Figuren nicht gleichgewichtig und gleichstark nebeneinander stehen, sondern es wird von oben nach unten schwächer: Figur I ermöglicht a-, e-, i-, o-Syllogismen, also alle, und auf den a-Fall, den klassischen wissenschaftlichen Syllogismus, wie Aristoteles es versteht, hat sie das Monopol. Figur II ist nur negativ, aber zweimal immerhin allgemein; diese Negativität ihrer Konklusionen bedingt ihre Sonderstellung beim Enstasis- Verfahren (Kapitel 26): Wer die Gegenannahme zu einer der zwei Prämissen setzt, muß auf einen zum behaupteten kontradiktorischen Syllogismus hinauswollen, den aber gibt es in der Figur II nicht. Figur 111 kennt nur partielle Syllogismen, ist also zur Widerlegung (Elenchos, Kapitel 20) von a- und e-Behauptungen am

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besten geeignet. Drittens zeigt sich an dieser Anschaulichkeit der Auffassung von Syllogismus das Herauswachsen dieser Theorie aus dem Topik-Stadium besonders deutlich. Sie ist hier viel näher gegenwärtig als anderswo im Diskurs: Abgesehen davon, daß Aristoteles im Kapitel 17 ihr IX. Buch ausdrücklich zitiert und daß das gesprächspraktische Kapitel 19 mit seiner Anweisung zur Anwendung von List beim Herleiten auf purem Topik-Niveau steht - ein Kapitalvergehen, wenn man die Sache von der abstrakten Systemhöhe her betrachtet -, so sind auch die Ausführungen der Kapitel 15, 16, 20, 22 am besten von dieser Folie aus verständlich. Der Ablauf schließlich faßt ab Kapitel 23 Apodeiktik, Dialektik und Rhetorik unter einem Aspekt zusammen. Was er jetzt nur neu versucht, ist die Einordnung von Induktion, Paradeigma, Apagoge usw. in die Systematik der erreichten drei Figuren: Das Wahre und Vollkommene muß es auch diesmal bei ihm leisten, die Unvollkommenheiten des dem Wahren nur Ähnlichen mit zu erklären. Da nun also in der zweiten Hälfte von Analytica Priora, ll (ab Kapitel 15) das Sich-Herausarbeiten aus den Fehlstrategien und Insuffizienzen des Topik-Stadiums gut erkennbar scheint - das Material ist nur alles schon in das System der drei syllogistischen Figurern umgearbeitet -, so sei für die erste Hälfte des Vortrags eine entsprechende Einheitsvermutung angestellt: Einen großen Teil der »Rechnerei« mit den Begriffsverhältnissen und den sie beschreibenden Aussagen, die ihn schließlich zur Konstruktion des ausgereiften 48gerFeldes hat gelangen lassen, hat er hier post festurn eingearbeitet. Einige signifikante Inkonsistenzen, die dabei stehengeblieben sind, sprechen für diese Vermutung. Sieht man vom Kapitel 1 ab, das deutlich für sich steht, so ist eine Dreiergruppierung schon rein äußerlich unverkennbar: Kapitel 2-4, eine kleine in sich geschlossene Abhandlung, die sich wie eine dürftigere Palinodie zu 1,4-6 ausnimmt, handeln von Wahr-falsch-Relationen zwischen Prämissen und

Einleitung

XLV

Konklusio. Obwohl es im Kapitel 2 nicht sogleich klar wird, aber ab Kapitel 3 wird es ausdrücklich, legt er dem Ganzen eine Gliederung nach den drei syllogistischen Figuren zugrunde. (Und das bleibt so bis Kapitel 13.) Die Fragestellung überrascht zunächst, und die Ausführungen sind auch alles andere als klar. Vor allem scheint er hier ständig zu kontaminieren, was denn Prämisse, was Konklusio ist, und das ist mit den oben beschriebenen vier Seiten des syllogistischen Quadrats nicht so ohne weiteres zu vereinen. Ausgangsvoraussetzung war doch: Die Eingangsannahmen sind als wahr unterstellt - um das zu erreichen, mußte es gelegentlich zu einem syllogistischen Vorverfahren vor dem eigentlichen Syllogismus kommen-, aber, diese nun als wahr angenommen, so führen sie entweder zu einem eindeutigen Begriffsverhältnis, oder es kommt kein Syllogismus zustande. Wie kann er daran rütteln? Sollte es Einsetzungsfälle geben, die sich dieser Syllogistik nicht fügen wollen? Hier hilft vielleicht seine eigene Definition von wahr und falsch, ihre Inhalte sowohl wie deren Verteilung im Vortrag (Kapitel 2 und ergänzend dazu Kapitel 8) weiter. Er unterscheidet nämlich überraschend zwischen ganz falsch und nicht ganz falsch (entsprechend müßte es geben: ganz wahr und nicht ganz wahr). Kann es das geben? Oder ist diese Logik etwa »mehrwertig«? Ist nicht die halbe Wahrheit eine ganze Falschheit? - Nun, Aristoteles ordnet die Dinge viel weniger anspruchsvoll: 1. a (w), gesetzt e (oder entsprechend umgekehrt): ganz falsch, also Kontrarietät 2. a (w), gesetzt i (oder entsprechend umgekehrt): nicht ganz falsch, also Implikation im einen, Kompatibilität, aber nicht zureichende Exhaustion im anderen Falle 3. e (w), gesetzt o (oder entsprechend umgekehrt): wie (2). Das ist nur eine andere Setzung der aussagenlogischen Grundverhältnisse, die den ganzen Diskurs tragen. (In Kapitel 8 setzt er die komplettierende Unterscheidung a-o, e-i, kon-

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tradiktorisch, und a-e, i-o, konträr, gleich noch einmal dazu.) Dieser - bekannte - Plafond bildet die Subkonstruktion zu allen, nur scheinbar disparaten Ausführungen bis Kapitel 14 und wird zu Anfang von Kapitel 15 in einer aufschlußreichen Loslösung vom traditionellen Sprachgebrauch nochmals thematisiert und mit seltener Klarheit auseinandergelegt. Was also in Kapitel 2-4 zur Wahrheits-Falschheits-Relation zwischen Eingängen und Resultat, in Kapitel5-7 über Zirkel und Diallele, d. h. Veränderung der Funktionen von Prämissen und Konklusio, in KapitelB-IO über Umkehren, d.h. Setzung der Konklusio in ihr Gegenteil, was in Verbindung mit einer Prämisse zum Gegenteil der anderen führen muß, in Kapitel 11-13 über das Verfahren der reductio ad impossibile alles vorgetragen ist, einschließlich des schönen und prinzipiellen Vergleichs der beiden Verfahren, der Apodeixis und der Reductio (Kapitel 14), läuft - unangesehen der verschiedenen logischen Valenz der Teilaspekte: das eine sind Fehler und falsche Strategien, das andere ist ein Verfahren, das er selbst sich angeeignet hat und praktiziert - unter diesem einen und gleichen Nenner. Die Parallelitäten zu 1,2-3 liegen ja auf der Hand, bei allen Unterschieden, etwa im Verständnis von >>Umkehrungmight be a mere oversight«, aber auch >>a serious one which A. is most unlikely to have fallen into.Markt«, Schülern usw., traf härter. Der Parmenides ist das deutlichste Dokument einer Krise. In seinem ersten Teil werden drei schwerwiegende Einwände gegen die Ideenlehre erhoben (130 a-135 b), die nicht aus der Welt geschafft werden können. Die Antwort ist einigermaßen flau: Bevor das lösbar erscheint, muß man sich »Um der Philosophie willen« rüsten und üben (135 c); und es soll bei der grundsätzlichen Überzeugung bleiben: Wer eine mit sich identische, bleibende Idee für ein jedes, das es gibt, nicht setzen will, der weiß nicht, wohin er sein Denken wenden soll, die Möglichkeit einer Dialektik würde überhaupt vernichtet, und man geriete in einen Abgrund von Geschwätz. Die gründlich vertiefenden Ansätze Platons, die ihn im Theaitet zu einer Untersuchung des Begriffs »Wissen« und im Sophistes zu einer ersten logischen Theorie von Satz und Urteil führen, sind hier nicht weiter zu verfolgen, ebenso nicht sein erweiterter Lösungsansatz im Timaios. 4 3 Interessant sind zwei andere Fakten, erstens, daß Aristoteles bei seinem Eintritt in die Akademie (um 367/66) genau die beschriebene

meiner Philosophie) und wird auch keine geben. (Warum nicht, das erläutert er im folgenden; das ganze Material bei Ep. Vll,340 bff.) 4! In den Einleitungen zu Kategorien, Hermeneutik (PhB 8/9) und zum Timaios (PhB 444) ist dazu jeweils etwas vorgetragen. Soviel zusätzlich: Schon im Phaidros verschärft er den instrumentellen Begriff der Dialektik. Ihre Aufgabe wird es jetzt, •nach Erscheinungsformen zu schneiden bis zum nicht mehr Zerschneidbaren• (277 b).

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geistige Situation vorgefunden hat,44 zweitens, daß man mit ziemlicher Sicherheit ausmachen kann, woher die Kritik kam. Seit langem und mit guten Gründen gilt in der Forschung als sicher, daß Platon im letzten Teil des Theaitet (201 dff.) und im Sophistes sich mit Antisthenes, dem »vielproduzierenden Schwafler«, wie Timon ihn später nennt,45 auseinandersetzt. Zwischen beiden muß sich eine >>abgrundtiefe Animosität«46 herausgebildet haben, und die Angriffe des Antisthenes müssen so roh gewesen sein, daß Platon die sonst gewohnte Souveränität fahrenließ und mit »spätbelehrter Alter« und >>geistige Armut>Ein Pferd, Platon, sehe ich wohl, aber so etwas wie Pferd-heit sehe ich nicht! «49 Wie rüde und primitiv solche Angriffe gewesen sein können, sieht man aus den vielerlei Anekdoten, die von Diogenes, einem Geistesverwandten des Antisthenes, überliefert sind :50 Er verspottete Platon als »unendlichen SchwätzerIdee von Drei« (3) nimmt also von etwas (x) Besitz, undjedes dieser x der Erfahrung, von dem sie Besitz ergreift, nimmt sie an, oder, sie wird von ihnen allen ausgesagt: 3--+ ax. Die 3 bringt aber eine weitere Idee mit sich, die - ausdrücklich - von ihr verschieden ist: ungerade. Diese Bestimmung gilt für die Zahlenreihe 3, 5, 7 etc., also die >>Hälfte der Zahlenungerade« ist 3 (also die a-i-Konversion). Wenn denn also ugr.--+ a 3 und 3--+ ax, dann zwingend: ugr.--+ ax. Das ist der Modus Barbara. 77 Weiter, dem >>ungerade« ist das >>geradedurchzurechnenFrüheren an sich>infolge der Schwäche der Sinneswahrnehmungen sind wir nicht in der Lage, die Wahrheit zu erkennen.,,II 5 Dieser Mangel macht indessen Erkenntnis nicht überhaupt unmöglich, denn der Mensch hat einige weitere Fähigkeiten: Seine Schwächen anderen Tieren gegenüber gleicht er aus durch Erfahrung, Gedächtnis, Klugheit und Technik.II6 Not als Lehrmeisterin eines zum Lernen anstelligen >>Tiers«, das dazu mittätige Hände, Redebegabung und >>Scharfsinn der Seele>Selten nur kämpft Zufall gegen kluges Bedenken an; das meiste im Leben richtet wohlverständiger Scharfblick gerade. Übereinstimmungsgemäß spricht man von Farbe, süß und bitter usw., in Wirklichkeit aber gibt es nur Atome und LeeVS 59 B21 a. 115 B2l. 116 B21 b. 11 7 VS 68 unter BS, Nr. 1: Diodor, 1,8,lff., besonders 7. Es sei nur nebenbei darauf hingewiesen, daß der Scharfsinn als besondere logische Begabung bei Aristoteles ausdrücklich in der Zweiten Analytik, 1,34 zum Thema gemacht wird. 11s VS 68 Bll9. 119 Bll7; ähnlich B6-10. 120 Bll8. 114

Einleitung

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res,,121 - vermitteln über den nachmals so berühmt gewordenen Übergang des Quantitativen zum Qualitativen, hier in epistemologischer Absicht umgekehrt; zunächst noch einmal die Trennung: >>Von Erkenntnis gibt es zwei Formen, die eine edel, die andere dunkel,«I22 die dunkle ist die über die Sinne; soweit ist das ganz parmenideisch, nun aber der Übergang: Wenn die dunkle Erkenntnisform nicht mehr ins immer Kleinere hinein vernehmen kann, sondern ins Feinere hinein untersucht werden muß, so tritt an deren Stelle die edle Erkenntnisform, also ja wohl das analogische Denken. Wie deutlich er die dialektische Interdependenz von Verstand und Sinnen gesehen hat, zeigt der mit Recht berühmte Vorwurf der Sinne gegenüber dem Denken: >>Armer Verstand! Von uns hast du die Argumente erhalten, und jetzt willst du uns niederwerfen? Dein Sieg wird dein Fall!«I23 Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Handlungsreisenden in Sachen Bildung, die Sophisten, machen die Mitteilung rhetorisch gut zubereiteter Information zum Geschäft, rühren dafür die Werbetrommel und verdienen gut dabei, daß sie Wissen »demokratisieren«, d. h. plattmachen und als Ware verkaufen. Wissen wird zum Bescheidwissen, es verliert auf der objektiven Seite an Halt und Bestand - zu jeder >>Sachech weiß, daß ich nichts weiß« entgegen. Man muß der hinterlistigen apollinischen Legitimation des Satzes und der existentiellen Haltung, die er ausdrückt, gar nicht weiter nachfragen,t33 die sokratische Wende, diese Bemühung um gemeinsame Erkenntnis in einem spannenden Prozess dialektischer Interaktion mit all ihrer Vorläufigkeit und Vergänglichkeit, die heuristische Aufwertung der Aporie, die Entdekkung des Allgemeinen im vielfach Zerstreuten, wird zum nervus rerum für das folgende Jahrhundert und bildet den näheren Horizont nächst Platon auch für Aristoteles.

II Der nähere Horizont

Es ist unmöglich, im Rahmen einer Einführung diesen kontrastreichen Horizont rundum abzusuchen; 134 nur wenige Aspekte seien noch einmal aufgerufen: Spätestens seit Schilderung des eigenen intellektuellen Werdegangs im Phaidon135 ist für Platon Wissen ein Wissen von Ideen. Ideen sind, wenn man es so nennen darf, eine Art eleatischer Pluralität. Es stellt sich bald heraus, daß es da nicht nur den glückhaften Erleuchtungsweg hinauf zum >> Überhimmlischen Ort«, zu Gipfeln also, gibt, sondern daß schon der Rückweg herab ins sinnliche Veränderungsgeschiebe Schwierigkeiten macht, speziell am Be-

m Lncus classicus bleibt die platonische Apologie.

Wie das aristotelische Logik-Unternehmen herauswächst aus den platonischen Schriften, aus dem Schulbetrieb der Akademie, aus dem Streit um die Ideenlehre, aus dem Sich-Absetzen gegen Lösungsversuche und Theorien anderer - z. B. Speusipp, Xenokrates -, dazu ist in den Einleitungen zu Topik, Kategorien, Hermeneutik und Erster Analytik einiges zusammengetragen. Daraus ergibt sich ein einigermaßen detailliertes Bild, das hier einzusetzen wäre. 135 Phd., 97 a-100 a. 131

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rührungspunkt des Übergangs, wo die Ansetzung von Ideen zur Ordnung des chaotischen Flusses doch produktiv werden sollte. Auch besteht dies Reich der Ideen nicht nur aus Spitzen, sondern zu errichten ist am Leitfaden des Schnittes nach der Naturgliederung ein ganzer Systembau eidetischer Bestimmungen, eine ideale Gegenwelt sozusagen, deren Strukturen auf dem Wege rationaler Prüfung zu ermitteln sind, z. B.: Parataxe, Opposition, Subsumption, Exklusion, Kompatibilität, Identität, Differenz, Ähnlichkeit usw. Die Begriffe dazu mußten überhaupt erst erfunden werden, diese Grund- und Aufrißzeichnung des Ideengebäudes ist der wirkliche Anfang der Logik, die - wie schon mehrfach gesagt - als Onto-Logik beginnt. Die anfänglichen Beschreibungsbegriffe sind bemerkenswert anschaulich: Da gibt es Geschlechter, Verwandte, Glieder und Reihen, da treten Formen in Erscheinung; anderes steht einander entgegen oder liegt gegenüber, ist ähnlich oder ist gößer, kleiner oder ragt über anderes hinaus; es gibt darin ein oben und unten und dann selbstverständlich auch einen Mittelbereich; es gibt ein Hinübergehen, einen gemeinschaftlichen Wechselverkehr, es wird auseinandergenommen, zusammengesetzt, geschnitten, aufgelöst, zugrundegelegt usw.136 JeBis in die Isagoge des Porphyrios hinein reicht dieser anschauliche Sprachgebrauch. Die dortige Rede von den •Seins-Geschlechtern• wie von menschlichen Stämmen, Sippen und Generationen (z. B. Herakliden) ist besonders aufschlußreich. Wenn man die Arbor Porphyriana (vgl. Anm. 13 zur Isagoge), das paradigmatische Stemma der Angelfischerei (Platon, Soph., 218 eff.) sowie andere derartige Begriffsbäume heranzieht: Soph., 221 c ff.; 223 b ff.; 224 e ff.; 226 b ff. -alles zum Zwecke der Auffindung und Verortung von Sophistik und Dialektik in dieser reichgegliederten Heerschar der allgemeinen Bestimmungen-, so hat man reichlich Anschauungsmaterial. Wie weit man diese einordnende, Seinsherkünften nachspürende Denkweise zurückverfolgen kann, zeigt beispielsweise der Gorgias (wenn er denn so früh ist, wie man da und dort ansetzt). Die Fragestellung ist ganz ähnlich: Was ist eigentlich Rhetorik? Nach einigen Anläufen bietet Sokrates eine Einteilung an (462 eff.; Dihairesis gibt es also schon hier): Den Menschen trennt er nach Seele und Leib; für beide sind zwei Disziplinen da, die 136

Einleitung

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der, der die Zweite Analytik anfaßt, sieht sofort, daß ein großer Teil dieses Deskriptionsvokabulars noch die Sprache des Aristoteles ist. Das sei an einem Fall belegt, in den die Metaphysiker, die Wissenschaftstheoretiker und Logistiker gern wer weiß was flir fundamentale Axiome, Prinzipien, Essentials usw. hineininterpretiert haben und der sich doch bemerkenswert praktisch-anschaulich herleiten läßt - apx~. 137 Dies griechische Wort, das sehr viel kann, ist- zumindest hier- nicht bis auf den Urgrund oder Ur-Sprung durchzufragen, sondern bedeutet im dialogischen Kontext, von dem die aristotelische Syllogistik nie abläßt, schlicht die Ausgangsannahme. Wie konkret das sein und wie das, je nach Thema und Gesprächslage, prak-

dem wahren Wohl dienen, Gymnastik und Medizin für den Leib, Gesetzgebung und Rechtsprechung für die Seele. Das unterscheidende Merkmal wird zwar nicht ausdrücklich genannt, ergibt sich aber zwanglos, erklärt die Zweiheit und ist heute noch in den betreffenden Wissenschaften oder Fächern oder Techniken, oder wie man es nun nennen will, gegenwärtig: Gesundheits- und Krankheitsfall oder Norm und Defizienz oder Prävention und Therapie resp. Sanktion (was auf das gleiche hinauslaufen soll). Jede dieser ·Künste• hat ihr zur Seite ein Schattenbild, eine Fratze oder einen Affen: Kosmetik, Kochkunst, Sophistik und Rhetorik. Wieso kann es zu diesen Karikaturen kommen? Der Grund liegt in ihrenjeweiligen Zwecken, das ist in diesem Fall die Seinsherkunft, das Genos; die einen nämlich machen sich am wirklich Guten fest, auch dann, wenn sie Anstregung und Verzicht verlangen und Schmerzen bereiten, die anderen dienen nur dem Angenehmen, der Lust, spiegeln Gutes nur vor; ihr richtiges Ins-Genos-Setzen führt also letztlich zu Sein und Schein hinauf. - Schließlich gehört hierher die große Dichotomie zu Anfang des Politikos (258 bff.), zumal es in ihr genau um das Genos und seine Ausdifferenzierung geht, welches Thema der Zweiten Analytik ist: Wissen und Wissenschaft (in allden Facetten, die das Wort [mo1~J.IIJ und die damit gemeinten Sachverhalte haben können). Wenn man das alles zusammennimmt - und bei Platon ist sicher noch mehr dazu zu finden -, dann hat man ein Stück des näheren Horizonts, in dem die Zweite Analytik angesiedelt und in ihrer Hauptintention hinreichend zu verstehen ist. 1!7 Bezugstexte z.B. Anal. post., 1,10-12; 32.

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tisch alle Inhalte annehmen kann, zeigt sich z. B. im platonischen Kriton: 138 An einer entscheidenden Schaltstelle soll Kriton sich noch einmal, bevor weitergeschritten werden kann, vergewissern, daß er nicht seiner Überzeugung zuwider zustimmt, denn mit Ja und Nein in diesem Punkte trennen sich hier alle Wege; und da fragt ihn Sokrates nun mit Nachdruck: Nimmst du davon Abstand und nimmst an der apx~ nicht teil? (Das, worum es geht, ist der Ausgangssatz: Man darf unter keinen Umständen Unrecht tun, auch dann nicht, wenn man zuvor solches erlitten hat.) Sprachgebrauch und zugehörige Vorstellung sind bei Aristoteles demgegenüber möglicherweise wohl fortgeschritten, doch es tut seinem Verständnis sehr gut, sich daran zu erinnern, daß in so etwas der Anfang von Anfang liegt. Zur Abtastung des näheren Horizonts auf die Zweite Analytik hin gehören noch zwei Momenta. Im Theaitet hat Platon die Frage nach dem Wissen noch einmal systematisch gestellt, nachdem er ganz offensichtlich mit seiner Ideenlehre längst herausgekommen war. Angesichts teils plumper, teils böswilliger, aber auch intelligenter Einwände gegen ungelöste Probleme seiner Eidos-Konzeption 139 sah er wohl die Notwendigkeit, das Fundament zu verbreitern, um von da zu neuen Lösungen zu gelangen. Alle ebenso eindrucksvoll vertretenen wie einseitigen Ansätze zur Sache hat er noch einmal durchgearbeitet, die ionische Empeiria, besonders herausgestellt am Sensualismus, die pythagoreischen Mathemata, die eleatische Noesis: alles das sind Beiträge, die im dreifachen Wortsinn >>aufzuheben« sind in einem größeren Ganzen. Das kann, nach allem, obwohl das Gespräch ja äußerlich aporetisch endet - aber die impliziten Hinweise sind deutlich -, nur eine Platon, Krit., 49 de. 139 In der Einleitung zur Ersten Analytik ist dazu eine Übersicht gegeben, in der zur Hermeneutik ist ausftihrlicher darauf hingewiesen, daß Antisthe. nes einer der Hauptgegner ist. 138

Einleitung

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vertiefte, breiter ausgearbeitete, besser abgesicherte Vergewisserung im ebenso Erfahrung erst ermöglichenden wie sie organisierenden Reiche der Ideen sein. Der Theaitet stellt also Wissen fest als einen Habitus und setzt diesen nach Leistungsund Sicherheitskriterien gegen alle Konkurrenz und Skepsis ab. Diese Unumstößlichkeit ist von jetzt an sein charakteristisches Merkmal, auch bei Aristoteles. Nun gibt es, zweitens, aber verschiedene Ansätze, Wege, Methoden, später dann Disziplinen oder Fächer genannt, sich diesem unumstößlichen Habitus auf verschiedenen Feldern der Realität anzunähern und auf der objektiven Seite unbestreitbare Ergebnisse zu gewinnen, kurz und gut, f:moT~JllJ und seine Synonyme treten in den Plural, und man denkt dabei ebenso gern wie vorschnell an Wissenschaften. Daß man hier die ganze Straße mit Warnzeichen säumen müßte, versteht sich eigentlich von selbst, und nichts hat wohl einem zureichenden Verständnis der Zweiten Analytik mehr geschadet, als daß man hier unvorsichtig und unbedacht durchgefahren ist und irgendeinen modernen Wissenschaftsbegriff, mit welchen methodischen Anforderungen auch immer, schon in die platonische Akademie hat hineintragen wollen. Platon hat also eine Schule gegründet, ihr Name ist paradigmatisch geworden für Forschung und Lehre Hoher Schulen in aller Welt; und die aristotelische Philosophie des Logos ist aus dem >>Betrieb« dieser Schule, aus ihrem Problem- und Bewußtseinsstand, in Auseinandersetzung mit dem Schulhaupt und anderen in ihr tätigen Lehrern und Kollegen herausgewachsen. Je mehr man an Material über Forschungsgegenstände, Lehrverfahren, Lernziele, Umgangsformen usw. dieser Akademie zusammenträgt, desto mehr treten die Fremdheiten und Unterschiede heraus zu allem, was im 20. Jahrhundert als Wissenschaft gegolten hat und gilt. Man wird nicht fehlgehen mit der Vermutung, daß das Bildungsprogramm, wie es Platon in der Politeia für die »Philosophen-Könige« (was für eine provokante Fremdheit allein

LXXXII

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das schon ist, wurde selten zureichend bedacht) entwirft,1 40 etwas mit dem »Fächerkanon>Lehrplan>Vorbildfunktion der Mathematik>Wissenschaft« betrieben wird und gilt, es also ist, dürfte nach Methoden, Bewußtseinsstand und Ethos etwas ziemlich anderes gewesen sein, als was heute dafür gilt,l4S und jede einfache Identifikation verbietet sich. Aristoteles selbst nennt in der Zweiten Analytik an Wissensfächern: Reine Arithmetik, mit einem augewandten Spezialfall, Harmonik; deutlich davon unterschieden ist Geometrie, unter ihr steht speziell die Optik; irgendwo zwischen ihr und der Astronomie, innerhalb deren er (n. b.) noch einmal zwischen >>rein« und >>erscheinungsnah>daß>Weshalb