Ernst und Spiel [Reprint 2020 ed.] 9783112346525, 9783112346518

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Ernst und Spiel [Reprint 2020 ed.]
 9783112346525, 9783112346518

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Ernst und Spiel von

Karl Hessel.

V

Bonn N. Marcus und E. Webers Verlag

1907

Spameriche Buchdruckerei in Leipzig

Vorwort. Die Feier des fünfzigjährigen Bestehens des seit 1875 von mir geleiteten Lehrerinnen-Seminars der Hildaschule im Oktober dieses Jahres ist der Anlatz, daß ich die schon so oft gegebene Zusage endlich einlöse, meinen früheren Schülerinnen und meinem Freundeskreise Einblick in die Fächer meines Schreibtisches zu geben, worin allerlei eigene Dichtungen ruhen, mit anderen Worten, eine Auswahl davon drucken zu lassen. Vielleicht, datz auch außerhalb dieses engeren Kreises sich hie und da Leute finden, die daran Gefallen gewinnen. Die un­ freiwillige Mutze eines Erholungsurlaubs gestattete mir, die in jenen Fächern ruhenden Schätze in Ruhe zu durchmustern. Wie? alle die Denksprüche ins Album, die Terte zu Bilder­ büchern, Maskenspiele, heitere und ernste Festspiele, Eröffnungs­ ansprachen, Aufschriften — Schätze? Ach nein, es waren nur Kinder des Augenblicks, darum mögen sie der Vergessenheit an­ heimfallen und nur einige Proben zur Erinnerung erhalten blei­ ben! — Die meisten meiner Fachgenossen denken bei meinem Na­ men gleich an die „Stachelverse", die bei unsern Versammlungen die Gesellschaft oft erheitert, kaum jemand verletzt haben. Es erzielte ja Wirkung, wenn es z. B. hieß: Gedanken einer jüngern Lehrerin. Bestimmungen dort, Bestimmungen hie — Bestimmungen spat, Bestimmungen früh — doch sagt, wo bleibt die eine — Bestimmung, die ich meine? Oder: Besoldungs­ frage. Ihr Freunde, lasset jeden Groll, — Blickt auf zum Staat vertrauensvoll, — Der wird schon für euch sorgen, — Heut nicht, doch übermorgen! — Aber das nochmals vorzufüh­ ren konnte ich mich nicht entschließen. Immerhin fand sich eine Anzahl Sachen in poetischer Form, die vielleicht auf allgemeineres Interesse Anspruch er­ heben dürften. Und diese sind hier gesammelt. Einiges da­ von ist auch gelegentlich in Musik gesetzt worden. Der Abschnitt,

IV

Vorwort.

der das rheinische Leben in Gegenwart und Sage behandelt, ist besonders umfangreich geraten. Denn wenn man so lange am Rhein gelebt hat, bietet sich immer wieder Veranlassung, dies Leben zu feiern. Manches ist bei verschiedenen Gelegen­ heiten gedruckt worden: so stehen zwei Sagen, die von der Schwanenkirche und die von den drei Schwestern zu Auw, in der 10. Auflage von Simrocks Rheinsagen, das Einleitungs­ gedicht „Romantik an dem Rhein" nebst einigen andern in den von mir gesammelten „Nheinliedern", die Verdeutschung des genialen lateinischen Liedes aus dem Mittelalter: „Mihi est propositum“ in meinen „Rheinsagen". Auch von den hier gege­ benen Übertragungen aus griechischer, lateinischer, italienischer, englischer und französischer Dichtung ist einiges gelegentlich ver­ öffentlicht worden, so der Chorgesang des Sopholles schon in dem Wetzlarer Gymnasialprogramm von 1874 (Griechische Reiseskizzen). Ich erwähne das, weil es späterhin mein Grund­ satz geworden ist, daß Übersetzungen von Poesien soviel als möglich das ursprüngliche Versmatz beibehalten sollen. Die Weisheitssprüche um Schlug der Sammlung sind eine sehr kleine Auswahl aus einer Verdeutschung meist spätlateinischer Sprüche, die der verstorbene Geheimrat Wegeler-Koblenz in seinem Buch: „Philosophia Palrum" (3. Aufl., Koblenz 1877) gesammelt hat. Die Ipri|d;en Lichtungen des zweiten Abschnittes sind Klänge aus lange entschwundenen Zeiten; ihnen ist eine kleine Auslese von Versen angereiht, die an mir nahestehende Per­ sonen gerichtet waren. Hoffentlich ist das Dargebotene nicht zu bunt geraten und darf auch hier das Wort aus ?ci:i „Faust" gelten: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen! Koblenz, September 1907.

Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule.

Rheinisches Leben in Gegenwart und Sage.

Vom Rhein.

Seite

Romantik an Dem Rhein............................................ 3 Dem Vater Rhein..................................................... 6 Gesang der Nheinni.ren............................................................ 7 Rheinisches Weinjahr................................................................. 9 Ein Lied vom Heurigen (1904 er)............................................10 Rheinwein und Moselwein................................................. 11 Der Mönch von Tankt Alban (Sage a. d. Karolingerzeit) 12 Der Kaplan vom Rochusberg (Sage) Beim Schöffenschmaus..................................................... 14 Beim Pfarr von Atzmannshausen..................................14 Beim Abt vom Johannisberg.......................................16 Fahrt zur Lorelei.................................................................... 18 Die Schiffer an der Lorelei..................................................... 19 Jung Siegfried am Drachenfels (Sage-..................................20 Der Zwerg und die Lederhose (Sage,................................. 21 Tas Glockengeläut zu Brühl (Sage a. d. l8. Jahrhundert) 24 Idas Brunnen (Sage a. d. Karolingerzeit)........................ 26 Tas versunkene Köln (Sage)..................................................... 32 Erinnerungen an die Studentenzeit zu Bonn Schänzchenlied.................................................................... 34 Wohin wandern wir?..................................................... 34 Pfingstfest der Alten Herren............................................36 Zum Schänzchenfest 1901................................................ 37

Aus der Eifel. Die Schwanenkirche (Sage vom Maifeld)............................. 39 St. Bernhards Nachtigallen (Sage vom Kloster Hi,nmerod) 41 Das Bandziehen (Sage vom Kloster Hinunerod) ... 43 Die drei Schwestern 311 Auw (Sage a. d. Kylltal) ... 45 Der Teufel als Bugprediger (Sage aus Nideggen) ... 48 Aus dem Trappistenkloster..................................................... 50

Von Mosel, VnOn und Rahe. Mosellied.......................................................................................54 Moselwein...................................................................................56 Lied der Moselwinzer............................................................... 58 Ausonius an der Mosel (370 n. Chr. Geb.)........................ 60 Kloster Marienburg an der Mosel........................................... 62

Inhalt.

VI

3cte

Der Frühmesser von Zell (Sage) ... . 63 Marienrosen (Sage von Minheim) 65 Lahnlied............................................................................ 67 Kreuznach.................................................... ... 69 In Kreuznach ist es schön......................................................... 70 Nahewein....................................................................... 71 In Kreuznachcr Mundart.

Do hockt's un Hot e Hietche uff.................................. 7*2 Er Hot kee Ruh...................................................................... 74 Es bloo Kreiz in de Klappergatz..................................... . 76 Arn Eisebahnschalder. Bloß hin...................................... 78 Jetz wohin?.......................................... 78 De Assischdent......................................................... 79 Uff de Kleenbahn......................................................... 81 Finnef altreemische Trinklieder üiim Horaz. Ans Lenche....................................................................... 85 Uff e Trunk Achtunsechziger ............................. 85 Trinke un Saufe is zweerlei.................................. 86 Inladung Zirm Wein................................................ 87 Im Minder muh mer trinke.................................. 88 Selbstempfunden und Mitempfunden.

Zum Geburtstag der Mutter................................................ 91 Kristallisation............................................................................ 92 Blumenzauber............................................... 93 Deine blauen Augen ............................................................... 94 Amors Bogen........................................................................ 95 Vergessen................................................................................. 96 Auf hohem Meer................................................................... 97 Selige Schari. 98 Glück. ..................................................... 99 Scheidestunde................................................................................ 100 Mägdleins Klage...................................................................... 101 Vollmond.......................................... - 102 Gruß aus der Ferne.............................................................. 103 Zu ihr und von ihr.................................................................. 104 Sprache des Schweigens................................................................ 105 Reue.................................................................... Verwandlung..................................................... Letzter Wunsch einer Mutter.......................................................108 Lebensfreude................................................................................... 109 Der alte Kirschbaum................................................................. 110 Einern Freund, als ihm seine Braut abgesagt hatte . . . 111

Inhalt.

VH Seite

Ein Wiedersehen.................................................................................... 112 Nach dem E.ramen............................................................................... 113 Libellenleben .... ........................................................ 114 Bleib doch............................................................................................... 115 Erzieherlos.......................................................................................... 116 Die Wetterfahne.................................................................................... 117 Einem Brautpaar. Für H. M.und H.R....................................... 118 Schule und Geselligkeit. Anfang, Mitt und Ende.....................................................................121 Das neue Reich. Zum 18. Januar 1896 ..................................... 122 Zu Moltkes 90 jährigen: Geburtstag,26. Oktober 1890 . . . 123 Amos Comenius. Zu seinen: 300. Geburtstag, 28. März 1892 124 Zu Hans Sachsens 400. Geburtstag, 3. November 1894 . . 127 Realist und Idealist. Zum Rheinischen Lehrertag 1905 . . 131 Schülerinnen ins Album. Die Schulglocke. Für L. L.........................................................133 Etwas von: Kochen..................................................................... 133 Wanderung durchs ABC — Mit den Schwestern E und B 135 Trennen! Für E. 1..................................................................... 136 Flügge. Für E. P........................................................................ 137 Elfenreigen................................................................................. 138 Tagebuch einer Fahrt nach Heisterbach. 1886 .......................... 139 Über das Rheineis bei Oberwesel. 1891...................................... 142 Lieschens Traum. Märchenspiel. 1898 .............................. . 144 ♦ ♦ * An: Ugleisee. 1893 ........................................................ 169 Zum Jubelfest eines Buchdruckers. 1890 ......................... • • 170 Dem allgemeinen deutschen Sprachverein. 1894 171 Weinbaukongreß in Kreuznach. 1901............................ 172 Mosel- und Saarkanalisierung. 1903 ............................ 173 Bazar-Bettellied.............................. 175 Die Wanderknaben............................................................ 177 Kasino stern ..........................................................................................179 Das übers Meer gesandte Festmahl. . ........................................... 181 Es lebe der Mann!............................................................................ 182 Aus fremden Sprachen. Kolonos. Chorgesang üoi: Sophokles............................................ 185 Füns Trinklieder von Horaz. An seinen Schenken. (Od. 1, 38)........................................... 187 An einen Weinkrug. Für Corvinus (Od. 3, 21) . . . . 187 Trink, doch trinke mit Matz. An Qu. Barus. (Cb. 1, 18) 188 Einladung zum Wein. An Mäcenas. (Od. 1, 20) . . . 189 Im Winter musz inan trinken. An Thaliarchus (Od. 1,9) 190

vin

Inhalt.

Zwei Meergedichte von Horaz. An das Schiff des nach Athen reisenden Virgil (Od 1. 3) 191 Nereus weissagt dem Paris sein Geschick. (Od. 1, 15). . 192 Bissula, das Schwarzwaldmädchen. Fünf Lieder des Ausonius Widmung............................................................... 194 Drüben über dem kühlen Rhein..........................................194 Herziges Kind, du meine Lust.............................................. 195 Bissula, nicht Wachsfarben und keinerlei Rot...................... 195 Malst du den Liebling mir....................................................195 Dichter und Wein. Von Walther Mapes. 0Aus dem 13. Jahrh.) 196 Michelangelo an Vittoria Colonna. Soviel auch Bilder in dem Künstler leben........................... 198 Als meine Augen an den deinen hingen ..... 198 Im Herzen nicht ist meine Lieb entstanden...................... 199 Hat erst die Kunst, die gottgeborne, echte........................... 199 O, hehre Frau, du schenktest unermessen........................ 200 Ich heb den rechten Fuß und dann den linken .... 200 Michelangelo an Giorgio Vasari................................................... 201 Zwei altenglische Lieder. An die Nachtigall. Sonett von Milton .... . . 202 O, wiege, wiege, sanftes Lied. Von Dryden...................... 202 Der Drachenfels. Von Byron................................................... 203 Die weißen Klippen oon England...............................................205 Allerseelentag. Von Viktor Hugo.............................................. 206 An Deutschland. Von Henri Martin......................................... 207 Drei Lieder von Paul Verlaine. Herbstlied................................................................................. 208 Der Himmel soblau..............................................................208 Abendruhe.................................................................................209 Alte Weisheit in neuer Form. Nach lateinischen Sprüchen vom Ausgangdes Mittelalters....................................... 210

Vom Rhein. Romantik an dem Rhein. Welch bunte Schar der Dampfer trägt

Zuberg den dunkelgrünen Rhein! Und alle traumhaft sich bewegt, Berauscht vom Rhein, als wär es Wein: Dort gehn sie schauend auf und nieder, Dort sitzen zwei, die sind sich hold, Studenten singen Wanderlieder, Und Rheinwein blinkt im Glas wie Gold. Wen gestern noch die Sorge drückt, Heut ist er stillbeglückt!

Bei Baler Rhein dünkt's jedem gut; Bon seinem Atem feucht umhaucht, Blickt man zufrieden in die Flut, Drin 's Schisflein aus und nieder taucht: Auf Fels gebannt scheint es zu liegen, Die Flut prallt an, smaragdengrün, Wie wandelnde Kulissen fliegen Die User uns zur Schau dahin. Kein Räuber, keine Klippe droht, Fernab liegt alle Not!

Stromaufwärts fahren Schlepper qualmend, Und ihre Räder keuchen schwer, In wilder Wut die Flut zermalmend, Und Eisenkähne hinterher; Viel bunte Dampfer Nein und groß, Mit frohen Menschen vollgepackt;

4

Rheinisches Leben. Bewimpelt naht ein Riesenfloh, Und Ruderboote ziehn im Takt, Dann kreuzt ein Segler unsern Pfad — So geht das früh und spot!

Wo dort am Bergeshang der Schlot, Da schürft man Blei und Silbererz; Hochöfen dann, draus blau und rot Die Flammen lodern himmelwärts; Dort bricht man Säulen aus Basalt; Rechts geht und links die Eisenbahn, Das Echo durch die Felsen hallt, Wenn donnernd sich die Züge nahn: Sie rasen über Brücken kühn, Der Strom muh drunter hin!

Und doch, o Dampf, wirst nie vertreiben Romantik von dem schönen Rhein: Vermählt mit ihm, wird sie hier bleiben, Hold wie des Mondlichts milder Schein. Hier gieht sie aus ein sühes Träumen In Zeiten, die gewesen nie Und auch zu kommen ewig säumen, Den Traum ins Land der Poesie, Hier hält sie offen nach wie vor Zn dieses Reich das Tor.

Die hehren Schlösser, die da ragen, Als wie von Geisterhand erneut, Erzählen Taten uns und Sagen Aus Deutschlands Jugendherrlichkeit; Dort schlingt sich Efeu um Getrümmer, Das grau und scheu am Felsen klebt; Dort Städtchen, deren Namen immer Wie Weindust von den Lippen schwebt; Der hohen Dome Elockenton Und fromme Prozession!

Bom Rhein.

Dazwischen kommt der Rhein gezogen! An weißer Gletscherbrust genährt, Rollt er die ewig grünen Wogen Zum deutschen Meer, von Schlamm geklärt. Und wie sich Reben aufwärts ranken, So weit man ihnen Wege wies, So ranken unsere Gedanken Beim Rheinwein bis ins Paradies! Das ist — was sollt es anders sein? — Romantik an dem Rhein!

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6

Rheinisches Leben.

Dem Vater Rhein. Su deinen Ufern sind wir heut,

O Vater Rhein, gekommen, Hast uns aus deinen Rücken breit, Du Starker, dann genommen. Ties Oberste vom goldnen Wein, Das werde nicht genossen, Als Dankesspend« sei's, o Rhein, In deine Flut gegossen. Balleri, vallera — In deine Flut gegossen!

Wie herrlich ist's, hinabzuschaun In deiner Wellen Spiegel, Es lachen draus die schönsten Aun, Die schönsten Rebenhügel. Doch blicken wir ins Glas hinein, Gefüllt mit Rheinweingluten, Da spiegelst du dich selbst, o Rhein, Zn diesen goldnen Fluten. Valleri, vallera — In diesen goldnen Fluten. Und müssen wir verlassen dich, So wird als Trost im Jammer Dein Bild getreu entwickeln sich In dunkler Herzenskammer. Als leuchtender Dreifarbendruck, Als Kunstwerk ohnegleichen, Verbleibt es drin als schönster Schmuck, Wenn andre Bilder bleichen. Valleri, vallera — Wenn andre Bilder bleichen!

*

Vom Rhein.

Gesang der Rheinnixen. Nur frisch in die Fluten, Nur mutig hinein! Es kühlt alle Gluten Der herrliche Rhein! In Nirenarm heilen die Schmerzen Verwundeter Herzen. Wenn droben der Dampfer Die Wasser bewegt, Der wild« Zerstampfer Zu Schaum sie zerschlägt, Dann schaukeln Rheintöchterlein leise Und tanzen im Kreise. Geht unter die Sonne, Dann schweben wir aus Und blicken in Wonne Zum Himmel hinaus: Goldpurpurne Wogen umfangen Uns Nacken und Wangen.

Da schnellt sich in Sätzen Der mächtige Salm, Entrinnet den Netzen Durch Strudel und Qualm. Da kommen mit rötlichen Flossen Die Barben geschossen.

Vom wirbelnden Spiele Im Flutengebraus Ruft Vater ins kühle Kristallene Haus: Dort schallen von oben die Lieder Der Menschen hernieder.

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Rheinisches Leben.

Tief unter den Lüften, Bon Wogen umrollt, In dämmernden Klüften Lacht funkelndes Gold, Dort blitzen demantene Kiesel Im Wellengeriesel. Drum frisch in die kühle, Grüngoldene Flut: Im Wellengewühle, Da kost es sich gut, Von des Rheins hellperlenden Wogen So selig umzogen.

Vom Rhein.

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Rheinisches Weinjahr. *) Weise: Es saßen beim schäumenden, funkelnden Wein.

Der Frühling ist kommen: wir wandern zum Rhein, Wo Pfirsiche blühen Es harren die Augen Der Sonne noch, sich Der Sonne noch, sich

und Mandeln, der Reben allein zu verwandeln, zu verwandeln.

Es blühen die Reben: wir wandern zum Rhein, Dort wehen die köstlichsten Düfte, Die blumige Seele von werdenden! Wein, Die zartesten Geister der Lüfte. Sie Wo Sie Der

lesen die Trauben: wir wandern zum Rhein, sie golden und purpurn sich drängen! tragen den triefenden Segen herein, Most will die Fässer zersprengen.

Es naht sich der Winter: wir wandern zum Rhein! Der Most hat verbraust und vergoren. Und winket ein Strauß wo, da kehren wir ein, Denn Freude! Der Wein ist geboren. So schwinden die Winter und Sommer am Rhein Beim Goldsast der rheinischen Reben, Beim Geiste gewordenen Sonnenschein, O, wonnig berauschendes Leben! O, wonnig berauschendes Leben! *) Aus dem Festspiel: Sommerabend am Rhein. Zur Haupt.-smnmlung der deutschen Ingenieure zu Koblenz, 16. Juni 1907.

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Rheinisches Leben.

Ein Lied vom Heurigen. 1904er*) Trinkt von dem feurigen

Weine, dem heurigen! Konnt ihn als Traube schon, Das war ein Sonnensohn, Sog an der Mutter Brust Flammende Lust.

Trink von dem feurigen Weine, dem heurigen! Muh denn ein edler Wein Alt erst und fime sein? In seiner Jugend Braus Schlürf du ihn aus! Trink von dem feurigen Weine, dem heurigen! Scheint er dir noch nicht klar, Warte noch sieben Jahr, Dann zu dem Zapfen greif, Dann ist er reif!

Mir her den feurigen, Ich trink vom Heurigen! Sieben Jahr? Das ist hart, Ob dann der Wein so ward, Wie er uns heut verspricht, Wissen wir nicht. Mir her den feurigen, Ich trink vom Heurigen! Frohsinn und Liebe rollt Mit seinem Sonnengold Wie eine Himmelsglut Durch unser Blut! *) Ans den Kölner Blumenspielen 1905 mit Anerkennung bedacht.

Vom Rhein.

Rheinwein und Moselwein. Vinum est Rhenense Decus, gloria mensae, Notabene, wenn er wirklich echt. Der Begeistrung Flammen schlagen hoch zusammen, Wenn im edlen Rheinwein wir gezecht; Schwärmen für das Schöne, Fühlen uns als Söhne Unsres großen, stolzen Vaterlands. Wollen darum geben Unsres Rheines Reben Aller Reben schönsten Ehrenkranz!

Vinum Mosellanum Omni tempore sanum! Ach, wie schmeckt ein Gläschen in der Früh! Willst du zu dem Braten mich des Mittags laden, Dann vergiß den sauren Mosel nie! Wähl ich einen Troppen Zu dem Abendschoppen, Frag ich: Ist kein leichter Mosel da? Bis zum frühen Morgen Kneip ich ohne Sorgen, Frisch bleibt Herz und Kopf und Magen ja!

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Rheinisches Leben.

Der Mönch von Sankt Alban. Sage aus der Karolingerzeit.

Ekkehards Chronik von St. Gallen.

„Das Leben hier im dicken Wald, Das ist so gut wie keins!" So sprach der Bruder Wunibald Und pilgerte nach Mainz. Die braune Kutte zog er an, War nun nicht mehr allein, Er war jetzt Mönch von Sankt Alban Und trieb den Zehnten ein. Das war ein ander Leben, hei! Wenn man so Trauben las, Aus allen Bergen Lustgeschrei, Gesang und Wein und Spatz. Und wenn sie hochgeschürzt sich nahn, Die schmucken Mägdelein, Da lacht' der Mönch von Sankt Alban Und trieb den Zehnten ein.

Ein Wirtshaus war, wo's ihm gefiel, Die Wirtin war so frisch, Sie bracht ein Weinchen, heitz und kühl, Kam zu ihm an den Tisch. Er sah sie so verlangend an, Sie satzen da zu zwein, Er war ja Mönch von Sankt Alban Und trieb den Zehnten ein. Was weiter im Gemach geschah: O weh, wenn's einer wützt, Es klang genau, als würde da Geschäkert und gekützt. Die Wirtin war so wohlgetan, So köstlich war ihr Wein — Er war geschickt von Sankt Alban Und trieb den Zehnten ein.

Vom Rhein.

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Im Winkel sitzt em Mann und nickt, Ein Mönch wie Wunibald, Doch blinzelnd er herüberblickt Und lauscht, was da so schallt. Es hört sich ganz verdächtig an, Ein Stimmchen kichert fein: „Komm her, mein Mönch von Sankt Alban, Komm, treib den Zehnten ein!" Der braune Mönch war Tutilo, Kam von Sankt Gallen grad, Im Torweg knappert Heu und Stroh Sein grauer Kamerad. Hier lehnt die Peitsch. Er packt sie an, Springt auf mit lautem Schrein: „Sankt Gallus schickt's dem Sankt Alban! Hier, treib den Zehnten ein!" Und Hiebe sausen, dah es knallt, Mit Wucht aufs Mönchshabit, Geduldig trägt es Wunibald, Sein Schätzchen kriegt was mit. Die Knecht' und Mägde rücken an Und schaun verdutzt darein: „Das ist der Mönch von Sankt Alban, Der treibt den Zehnten ein!"-------„Ach! Mönch sein ist doch gar zu schwer Im goldnen Mainz am Rhein: Zum Rheingauwein patzt nimmermehr Das Dützen und Kastein! Einsiedel in dem dicken Tann Will wiederum ich sein, Ich bleib nicht Mönch von Sankt Alban, Treib nie mehr Zehnten ein!"

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Rheinisches Leben.

Der Kaplan vom Rochusberg. Beim Schösfenschmaus.

Vom Rochusberg bei Bingen Dem rundlichen Kaplan Durft man nur Feinstes bringen, Rur Bestes wollt er Han.

Doch einmal ging's, ich meine, Fast schief beim Schöffenschmaus, Diel Schüsseln, viele Weine, Rur blieb der beste aus. „Käm jetzt ein Meer gestossen Dom besten Wein daher: Mein Magen ist verschlossen, Ganz zu, ich kann nicht mehr!"

Doch wehe! — Ahmannshäuser Kam noch. — Wer sagt da Nein? Der Weine Purpurkaiser, Dem mutz gehuldigt sein.

„Verschlossen ist mein Magen!" So rief er, „der jedoch Nimmt ohne viel zu fragen Den Weg durchs Schlüsselloch!"

♦ Beim Pfarr von Ahmannshausen.

„Heut kehr ich beim Konfrater ein,

Beim Pfarr von Atzmannshausen, Der baut so edlen roten Wein Und hat auch was zu schmausen!" Es sprach's der Herr Kaplan Vom Rochusberg bei Bingen, Von Herzen zugetan War er dem Gläserklingen.

Pom Rhein.

Der Pfarrer — heut ein schief Gesicht Zog der, er war so tranig, Der Wein war auch der rechte nicht, So trüb, so rohn*) und kahnig. Jedoch der Herr Kaplan Beschloß den Trank zu preisen, Sein Auge Glanz gewann, Er sang in hohen Weisen: „Beim Herrn Konfrater kehrt ich ein, Er wohnt im Garten Eden, Drin hegt er diesen Wunderwein, Zum Lebenstrank für jeden. Wie Rosen und wie Zimmt Riecht's Weinchen auserlesen, Bist krank du und verstimmt, Nimm dies, du wirst genesen!" — Des Wirtes Augen werden hell, Ihm klang's wie leises Mahnen, Schlüpft in den Rotweinkeller schnell Und zapft am besten Krahnen, Reicht dann erwartungsvoll Dem Gast den edlen Roten, Daß er besingen soll Den Wein in höchsten Roten. Doch der Kaplan ganz lautlos satz, Sein' Äuglein blitzten munter, Und lautlos gotz er Glas um Glas Voll Hochgenuh hinunter. Konfrater endlich spricht: „Und der?" — im Frageton — „Und der? — den lob ich nicht, Der lobt sich selber schon!" —

*) Abgestanden und braun.

15

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Rheinisches Leben.

Beim Abt vom Johannisberg.

Vom Rochusberg der Herr Kaplan Fährt gen Johannisberg im Kahn: Den Klosterwein, den man so lobt, Den Riesling, hätt' er gern geprobt. Doch denkt der Abt: „Der wird gelabt Mit Fastenspeis und Fischen Und kriegt dazu vom Sauersten, Den irgend wir erwischen. Ist gut genug, ist gut genug, ist gut für den Kaplan!"

Keller lag ein Fuderfatz, einem Jahr, das kühl und naß, einem gottvergehnen Jahr, auch so was wie Wein gebar. Von diesem Wein Ohn Sonnenschein Hat der Kaplan getrunken. Da sagt er: „Sinus bonus!" und Satz still in sich versunken. Ist gut genug, ist gut genug, ist gut für den Kaplan! Im Aus Aus Das

Der Abt horcht hin, blickt auf den Wein: „Warum spricht der so schlecht Latein?" Bracht Wein aus entern Mitteljahr, Wo's Wetter warm und wolkig war. Der glänzt so hold Wie flüssig Gold, Schmeckt säuerlich und spritzig. Der Gast spricht: „Vinum bonus!" und Saugt lang, die Lippen spitzig. Ist gut genug, ist gut genug, ist gut für den Kaplan!

Dom Rhein.

Der Abt sich an die Stirne schlug: „Dem ist nur Bestes gut genug!" Reicht ihm aus sonnenheigem Jahr Johannisberger Riesling dar, Der duftet weich Und rosengleich! Da ändert sich der Ton um — Der East, verklärten Angesichts, Rust: „Ave, Binum bonum!" Ist gut genug, ist gut genug, ist gut für den Kaplan!

L» esscl, Ernst mit) Spiel.

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Rheinisches Leben.

Fahrt zur Lorelei. Langsam kommt unser Schiff Stromauf gezogen, Lenkt um die Lorelei Kreisend im Bogen; Ringsum den stolzen Rhein Engen die Felsen ein, Abendumschattet.

Dunkel die Lorelei Bis an die Stirne, Aber im Sonnengold Flammt noch die Firne: Fürstin, des Schmucks beraubt, Einzig auf hehrem Haupt Strahlet die Krone.

Lieblich zur Felsenwand Schallen die Lieder, Siebenfach Ton um Ton Kommen sie wieder. Singe nur, Bergessei, Lassen, o Lorelei, Gern uns umgarnen!

Vom Rhein.

Die Schiffer an der Lorelei. Den Rhein zutal noch fahren,

Und ist schon tiefe Nacht! Gott wolle uns bewahren Vor der Unholde Macht! Wie hoch sie über uns hängen, Die Felsen schwarz und schwer! Von rechts und links her drängen Sie sich ins wilde Gefähr. Dort in dem hohlen Berge, Gott helf! die Lorelei wohnt, Dort herrscht sie über die Zwerge-------O, sieh, wie rot der Mond!

Als wollt er nach uns greifen, So blickt er aus der Flut — Sieh nur die Flimmer und Streifen, Das Gezitter, als wie in Wut!

Um all die Felsenecken So stumm das Gewässer zieht! — Die Geister kann's doch nicht wecken, Sing ich ein frommes Lied?-------O weh, da hallt es im Grolle: Die Lorelei ist erwacht! Ein wirres Stimmgerolle Geht hin und her durch die Nacht!

Sechs-, siebenfach schwebt's nieder, Wie Raunen und Locken ein Klang! Und immer noch kommt's wieder: Das ist der Lorelei Sang! —

Um die eine Ecke noch, Bruder, Dann atmen wir wieder frei: Leg dich nur fest in die Ruder, Denk nicht an die Lorelei!

19

20

Rheinisches Leben.

Jung Siegfried am Drachenfels. Sage. Jung Siegfried wird als Drachenheld

Gefeiert hoch in aller Welt.

Jung Siegfried einst aus Santen kam, Rheinaufwärts seinen Weg er nahm, Vom Waldschmied lernt er mit Bedacht, Wie man die guten Schwerter macht: Er schlug und schlug mit starkem Schwang, Dah weit es durch die Felsen klang, Er schlug den Amboh in den Grund, Der Meister stand mit offnem Mund,

Dacht Tag und Nächte nur allein, Wie er des Unholds los möcht sein. Zum Rheine schickt er den Gesellen, Holz holen dort und Bäume fällen,

Daß ihm am Drachensels der Drache Mit guter Art den Garaus mache.

Jung Siegfried voller Heldenfeuer Schlug aber tot das Ungeheuer, Hat sich in Drachenblut gebadet, Daß ihm hinfort kein Schwert mehr schadet.

Sein ganzer Leib ward fest und hürnen: Weh jedem, der ihn möcht erzürnen! An einer noch der Felsenwände Jst's Drachenloch, sagt die Legende,

Ein Wein wächst dorten, rot und gut, Führt noch den Namen „Drachenblut."

Vom Rhein.

Der Zwerg und die Lederhose. Sage aus der Gegend von Siegburg.

Es stand einmal ein Bauer Beim Wolsberg an der Sieg, Der blickte gar zu sauer: Denn, ach! der böse Rrieg! Verlöchert war sein Hut, Zerrissen seine Lederhos, Verloren Hab und Gut. „Wie ist die Hose schäbig!" Hört er ein Stimmchen zart, „Nimm! bessere dir geb ich, Wildleder feinster Art, Gefertigt in dem Berg: Wir helfen gern dem Menschenvolk, Wir emsiges Gezwerg."

Der Pitter steht und schmunzelt, Macht schnell die Beine blank, Die Stirne ist entrunzelt: „Die Hose patzt! Hab Dank!" — „Jetzt zeig einmal dein Geld!" — „Ich hab ja nur drei Hellerlein, Sonst gar nichts aus der Welt."

Doch aus der Tasche brachte Er flugs der Heller sechs, Das Zwerglein aber lachte: „Hihi, das war Geher! Ist Geld in dieser Hos, Dann doppelt sich's und doppelt sich, Das heckt in ihrem Schoß.

21

22

Rheinisches Leben.

Geh jetzo heim und stecke Dein Geld in diesen Sack! Ich wett: all das Gehecke, Das ist so dein Geschmack! Doch überfülle nicht, Denn ist einmal die Naht geplatzt, Wird nie sie wieder dicht!"

Solch Hecken war nicht bitter: Nach einem Jährlein, schau! Da stand ein fetter Pitter Bei einer selten Frau. Sie hatten Kühe sechs Und Pferde und ein Bauerngut, Das kam von dem Geher.

Nachdem nun in der Taschen Das viele Geld geheckt, Mutz man die Hose waschen, Dieweil sie arg befleckt. Dann kommt sie aus den Zaun: Husch! weht ein Wind und nimmt sie fort, Sie war nicht mehr zu schaun. Wie dann man in der Schenke Den: Pitter zugeseht, Da hat bei dem Getränke Er alles ausgeschwäht. Das hört auch bei dem Wein Der geizge, reiche Nachbar an, Der will noch reicher sein.

Läuft eilend zu dem Berge In feinster Lederhos; Da spürt er ein Gezwerge, Macht schnell die Beine blost; Die Hos tomnit auf den Zaun: Husch! weht ein Wind und nimmt sie fort, Sie war nicht mehr zu schaun.

Vom Rhein.

Ta hört er ein Gekicher, Doch ist kein Zwerg sehn, Ta mutz der arme Schlicher Baibein nach Hause gehn. Und wie beim Schuhu wohl Die Vögelschar, zieht hinter ihm Die Jugend mit Gejohl.



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24

Rheinisches Leben.

Das Glockengeläut zu Brühl. Sage aus dem IS. Jahrhundert.

3m Brühler Park die Rosen blühen, Die Schwäne durch den Weiher ziehen, Das Schloß im Sonnenscheine! Mar Franz, der Kölner Erzbischof, Lustwandelt heute ohne Hof Im Lindengang alleine. Den hagern Priester sieh, den blassen, Er grüßt bescheiden und gelassen. „Ei! Der Kaplan oom Städtchen? Im letzten Jahr, als ich Euch sah, Wie rund und lustig wart Ihr da — Jetzt so? — und wie ein Fädchen?

Wart damals erst nach Brühl gekommen, Aus Walporzheim, zu Eurem Frommen, War Euch der Wechsel traurig?" — — „Ach, gnädger Kurfürst, das Geläut, Hier das Geläut mich gar nicht freut, Das klingt so schreckhaft schaurig:

Es klingt, als schlug an Blech der Klöppel, So ewig: öppel, pöppel, pöppel! So schrill, mich bringt der Ton um! Ach, denk ich an mein Walporzheim, Da läutete ein andrer Reim, Das klang so: bonum, bonum!" Der Kurfürst spricht mit schlauem Blinzeln: „Glaubt nicht, daß hier die Glocken winseln, Doch ich versteh das Klagen: Gielsdorfer Roter macht Euch krank, Und Kölsche Wieß, der schale Trank, Das wollt Ihr damit sagen*). *) Gielsdorf, am Vorgebirge, unweit Brühl, so ziemlich di Nordgrenze des rheinischen Weinbaues. — Kölsche Wieß = Köl nisches Weißbier.

V o m Nh ein. Der Walporzheimer — drin steckt Feuer! Na, ist's in Brühl Euch nicht geheuer, Dann mach ich Euch dies Donum: Ihr seid Pastor von Walporzheim! Freut Euch recht lang am Glockenreim, Dort läutet's: Binum bonum!"

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Rheinisches Leben.

Idas Brunnen. Sage aus der Karolingerzeit. Im Kapitol zu Köln am Rhein, In der Königsburg der Franken, Liegt ein stiller Garten im Mondenschein, Wo blühende Rosen ranken, Wo Flieder mit ihnen die Düfte tauscht Und ein immerfließender Brunnen rauscht. Durch den Garten huscht eine Maid und lauscht, Dann setzt sie am Brunnen sich nieder Und singt sehnsüchtige Lieder.

„So schön ist draußen im Lenz die Welt, Ich führ so gern aus dem Rheine, Lustig zutal, die Segel geschwellt, Doch ich sitz hier am Brunnen und weine." Und horch! ganz nah, wo am Turm entlang Um vergitterte Fenster sich Efeu schlang, Hallt schwer und dumpf ein Antwortsang: „Ich führ so gern aus dem Rheine, Doch ich sitz hier gefangen und weine!" „Ach! lag ich im grünen Waldestal Und sah, wie zwischen dem Laube Zitternd tanzte der Sonnenstrahl Zum Girren der wilden Taube!" — — „Ach! jagt ich im tiefsten Waldestal, Wo durchs Dickicht blitzte kein Sonnenstrahl! Ach! hört ich das Waldhorn noch einmal, Und spürte die bellende Meute Den Eber aus, meine Beute!" —

Bom Rhein. „Ach! dürft ich wandern ins Feld hinaus, Mich über die Bächlein schwingen, Ich pflückte mir einen blauweißen Strauß Und hörte die Vögelein singen!" — „Ach! dürft ich reiten ins blache Feld, Wo der Feind sich mir entgegenstellt Und sein Speer an meinem Schild zerschellt. — Ach! dürft ich Helme zerhauen Und fliehende Reiter schauen!" — So ging der trauliche Wechselsang, Leis wogt er hin und wieder, Und tief durch die zwei Herzen drang Der Schall der Sehnsuchtslieder. Da sprach die Maid in stillem Glück: „Fang auf, wenn ich dir Rosen schick!" Die vollen Rosen prallten zurück, Doch blieben drei Knöspelein hangen, Die fielen durch die Stangen.

„Hab tausend Dank, du liebe Maid, Fürs Singen und für die Rosen, Das war ein Stündchen Frühlingszeit: O, jagen und kämpfen und kosen!" In ihr hub's auch wie Lenzzeit an, Sie sprach: „Wer bist du, fremder Mann, Nichts Böses hast du wohl getan, Du sangst so lieb und linde Mir freudelosem Kinde." Er sprach: „Du weißt, daß sonst Pipin Im Frankenland geboten, Ich heiße Karl, sein Sohn ich bin, Weh, daß er bei den Toten! Mich hält gefangen in harter Hut Des Herzogs zweite Fran, Plektrud: Sie wähnt in ihrem eiteln Mut, Es soll in künftigen Tagen Ihr Söhnlein Krone tragen.

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Rheinisches Leben. Bis dahin will die schwache Frau Fürs Söhnlein nachgeboren Beschirmen selbst den fränkischen Gau; So macht die Herrschsucht Toren! Vor einem Weib wohl nimmer flieht Das Volk von heidnischem Geblüt, Das heran wie Wetterwolken zieht: Wo die Christenbanner wehen, Wird bald der Halbmond stehen! Ich aber fühle Greift im Arm, Auf dem Streitrost möcht ich fliegen, Ich fürchte nicht den Heidenschwarm, Ich weist ihm obzusiegen. Wie sehn ich mich nach Männerstreit Und must verliegen hier die Zeit: Ist keiner denn, der mich befreit? O, spreng du diese Kelten, Mein Volk, dein Volk zu retten!"

„So will ich dich retten, teurer Mann, O, könnt ich retten uns beide! Erführ Plektrud, was ich getan, Mir wär es zu bitterm Leide; Denn Ida bin ich, ihr Schwesterkind, Vater und Mutier gestorben sind, Gar unfreund ist die Muhme gesinnt: Sie lästt mich so streng erziehen, Alle Welllust soll ich fliehen. Wir wohnen im Kapitol am Rhein, Doch ich darf den Rhein nicht schauen, Artig und sittsam soll ich sein Mit frommen Klosterfrauen. Nur heute, wo der Mond so schien, Da muht ich aus der Zelle fliehn, In diesen Garten zog's mich hin, Dem süsten Brunnenrauschen Und meinem Sang zu lauschen."

Vom Rhein.

Urlaub von Karl nun Ida nahm, Doch ihm blieben im Ohr die Lieder Und scheuchten sieghaft seinen Gram; Er wußte: Sie kehrt mir wieder! „Wie lang die Nacht! Der Tag wie lang! Jetzt Mondschein. Horch! Der Liebsten Gang!" Und wieder hub sich Zwiegesang, Dann kam ein Rosenregen Wie gestern ihm entgegen. „Was klirren die Rosen so sonderbar?" Er bückt sich nieder in Eile, Und sieh! an die Rosen gebunden war Aus Stahl die schärfste Feile. Herr Karl, er schlief nicht diese Nacht, Hat emsig sich ans Werk gemacht, Wie schlug sein Herz, bis er's vollbracht! Konnt kaum den Abend erwarten, Bis der Schlüssel klang zum Garten. Und sie kommt. Sie sieht ein lockig Haupt Am Fenster sich frei erheben, Am Fenster, dem das Gitter geraubt; Und geschmeidige Glieder schweben, Schweben herab an der grünen Wand, Bis vor ihr der Geliebte stand, Noch nie gesehn und doch bekannt; Er schließt in seine Arme Das Herz, das treue, das warme.

„Und bist du wirklich denn so schön, O Ida, du mein Leben? Oder bist du ein Engel aus Himmelshöhn Und wirst gleich wieder entschweben?" Doch irdisch war ihrer Tränen Guß Und irdisch heiß ihr Glutenkuß; Es treibt sie mit süßer Gewalt: sie muß, Sie muß ihn halten umschlungen, Von Lust und Weh bezwungen.

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Rheinisches Leben. Sie reicht ihm dar ein weit Gewand, Wirft's um die starken Glieder Und drückt noch einmal seine Hand Und mutz ihn lassen wieder. „Ich halte dich, Ida, treu im Sinn, Und wenn ich der Franken Herzog bin, Hol ich hier vom Brunn meine Herzogin!" Fort ist er von ihrer Seite — Sein Tritt hallt schon in der Weite. Die Monde zogen durch das Land, Ununterbrochne Reihen, Und ctarl ward Herr über Frankenland Und dachte seiner Treuen. Den Heerbann führt er ins Feld mit Macht Und schlug die Sarazenenschlacht: Ihm, Karl Martell, wurde Dank gebracht; Im Sieger-Glorienscheine Ritt er ein zu Köln am Rheine. Dort will er mit dem schönsten Stein Die Herzogskrone schmücken, Der Stein soll seine Ida sein: Wie wird sie blinken und blicken! Doch als er am rauschenden Brunnen stand, Wo einst er gehalten die liebe Hand, Ist sie in heiligem Gewand Unter den Rosen gesessen, Fremd und weltvergessen.

„Vom Brunn wolltst du holen die Herzogin? So sagtest du. Das ist zerronnen. Wie gern, wie so gern möcht ich mit dir ziehn, Doch muh ich hier bleiben am Bronnen. Plektrud ersah nach kurzer Zeit, Dah ich es gewesen, die dich befreit, Da hat sie mein Leben dem Himmel geweiht: Christ hat um mich geworben, Und ich bin der Welt gestorben.

Dom Rhein.

Nur die Sehnsucht lebt, stets ungestillt, Nach dir, in meinen Gedanken. Was zählt ein armes Frauenbild, Eilt es das Reich der Franken? Nie will ich klagen und singen mehr, Lebwohl! und ohne Wiederkehr! Ach, Scheiden, Scheiden ist so schwer! So auseinander gehen! Karl, gibt's ein Wiedersehen?!"

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Rheinisches Leben.

Das versunkene Köln. Kölnische Sage.

„Was mutzt ich denn zur Kirmes auch Nach Köln? geschieht mir recht: Mein Spargeld all, als wär es Rauch, Derjurt, verspielt, verzecht! Und komm ich jetzo heim nach Brühl, Wie schimpft das Tring — ach! mir wird schwül! So — zick — zack — geht — die Stratze — Klatsch — lieg ich — auf der Nase!" —

Da lag der Bauer Erkenbold Und schrie mit heisrer Stimm: „Wenn doch der Herrgott strafen wollt Dies Köln in seinem Grimm! Dies Sodom, dieser Sündensumpf, O, führ es doch mit Stiel und Stumpf Zur allertiefsten Höllen! Versinken soll dies Köllen!" Als ihm entflohn dies harte Wort, Da ging's ihm doch ans Herz! „Wenn's unser Herrgott tät sofort, Das wär ein schlechter Scherz! Biel tausend Kindlein unschuldsvoll, Datz die der Teufel kriegen soll, Das nagt an mir wie Schlangen, Ich bin zu weit gegangen!"

Mühsam erhub sich Erkenbold Und — starrt: „Was, Köln ist fort? Hier Sinter Bring*) doch stehen sollt! Und nun ein leerer Ort? Fort? Mauer? Dom? und Lichterglanz? Verschwunden? Köln versunken ganz!! Nacht gähnet allerorten — Gott tat nach meinen Worten!!" — *) Sankt Severinskirche.

Vom Rhein.

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Und Erkenbold fällt auf die Knie: „Mutzt es so schnell denn sein? Die armen Kindlein, schone sie, O Herr, die Schuld ist mein!" Ganz nüchtern ward der Erkenbold. Als ob auch er versinken sollt, So fängt er an zu laufen. „Jetzt halt! — ich — mutz — verschnaufen!"

Ganz ängstlich wendet er das Haupt: „Dank, Herr, du sahst die Reu, Dort ragen ja — wer hält's geglaubt, Die Türme halb aufs neu, Mein Flehen also halb erhört!" Drei Finger hebt er hoch und schwört: „Ich laß das Kartenklopfen! Trink nie mehr keinen Tropfen!" Und wieder läuft der Erkenbold: „SD, weh der heißen Hölln!" Dreht sich — im letzten Abendgold Erglänzt das ganze Köln, Das heilge Köln, in voller Pracht! Wie dankt er Gott! eilt heimwärts sacht, Schlüpft eilig in die Federn Und läßt das Trina zetern.

Am andern Tage harrt er bang Der Mär vom Strafgeschick, Geht scheu, als Warten ihm zu lang, Nach Köln den Weg zurück: Der senkt sich sanft am Rodertal, Und da verschwindet Köln einmal!-------Der Schreck verließ die Glieder, Und Erkenbold? — trank wieder!

tzesscl, Ernst und Spiel.

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Rheinisches Leben.

Erinnerungen an die Studentenzeit zu Bonn. Schänzchenlied. 3u Bonn steht gebauet Ein Haus an dem Rhein, Darin es sich beschauet Mit blanken Äugelein. Die blinken so munter, So weit in das Land, Stromauf und stromhinunter, Und Schänzchen ist's genannt. Was soll denn dies Blinken? Die Äuglein voll Glanz? Ich glaub, du willst uns winken, Du alte, liebe Schanz! Du sagst uns: das Härmen Das darf nicht herein! Doch Trinken, Lieben, Schwärmen, Soll all willkommen sein!

So sei's denn gesungen, So kling es hinaus: Den Alten und den Jungen Ein liebes Heimathaus!

* Wohin wandern wirk Sie stritten sich ums Wandern Zu Bonn im Schänzchenhaus, Und einer um den andern Sprach seine Wünsche aus.

Vom Rhein. Der Erste: Den Sommerlag vertrauern? Kommt mit, roo's grüne Dach Sich wölbt um Klostermauern, Kommt mit nach Heisterbach! Der Zweite: Von Drachenfelsens Höhen, Wie liegt so schon die Welt! Hat man sich satt gesehen, Wird Drachenblut bestellt.

Der Dritte: Die Welt von oben schauen? Ich schreite lieber keck Selbst in die schonen Gauen: Wohlauf, nach Rolandseck! Der Vierte: Kommt zum Entschluß doch endlich Und laßt das Streiten sein: Das Ziel kann selbstverständlich Nur Königswinter sein! Der Fünfte: Warum so weit? sprach einer, Er war gemütlich dick, Nach Beul! Kein Bier ist feiner Als „op de annere Sick." Der Sechste: Beseht von hier aus, Leute, Den Paradiesesglanz — Was tun wir in der Weite? Wir bleiben auf der Schanz!

Hei, Wie Sie Wir

wie die Becher klangen! hell der Augen Glanz! jubelten und sangen: bleiben auf der Schanz!

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Rheinisches Leben.

Pfingstfest der Alten Herren.

Es zogen viel Gesellen Einst aus und ab den Rhein, Sie liebten so den hellen Wie auch den dunkeln Wein. Und mutzten sie auch borgen Den hell und dunkeln Wein, All die Bezahlungssorgen Die schwammen fort im Rhein.

Kollegia zu schwänzen Macht ihnen kein Beschwer, Nach Pfingst- und Kirmestänzen, Danach stand ihr Begehr.

Bei Zartmann auf der Schanzen, Da flotz das kühle Bier, In Halben und in Ganzen Trank man es für und für.

Und Ein Wie Bei

manchmal winkt verstohlen Bursch dem andern zu: wär's mit einer Bolen Groyen, was meinst du?

Der Und Auch Gut,

andre aber lachte sprach im Augenblick: ich daran schon dachte, nehmen wir ein Gig!

Nach Rolandseck dann lenkte Den Gaul man, Trab und Schritt, Wo man die Bolen schenkte, Bald ohne Geld, bald mit.

Doch nenn der Weine besten: Lochmühler Lei fürwahr! Ein Hoch den goldnen Festen Im sonnigen Tal der Ahr!

Vom Rhein. Ein ander Bild: Gebunden Die Klingen! Zur Mensur! Noch trägt von solchen Wunden Manch Antlitz hier die Spur!

Und wenn nach Sang und Scherzen Ein ernstes Wort sich sand, Wenn zwischen Herz und Herzen Sich wob ein festes Band:

Gesprochen und gesungen, Verklungen schien das Wort Und ist doch nicht verklungen: Das Wort, es tönet fort!

Und wie wir uns gefunden Einst hier am grünen Rhein, So wollen wir verbunden Durchs ganze Leben sein!

Zum Schänzchenfest 1901. Jüngst war es mir im nächtlichen Traum, Als trügen mich weit über Zeit und Raum Zwei mächtige Flügel, die mir wüchsen, Die trügen mich hierher zu meinen Konfüchsen, Wir grüßten uns mit Juchheirassassa Und zählten, ob wir auch alle da, Dann hielten wir uns selig umfangen Und küßten uns auf Mund und Wangen. Wir hatten uns ja so lang nicht gesehn Und schwuren nun, nie voneinander zu gehn, Stets hier zu bleiben in trautem Verein. Zu unsern Füßen rauschte der Rhein. Wir nannten uns auch nicht „altes Haus", Dazu sahen wir viel zu jugendlich aus. Blonde Locken, rote Mützen, ein Band um die Brust Und blitzende Augen voll Jugendlust.

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Rheinisches Leben. Der Traum ging zu Ende — es war alles nicht wahr, Die Konfüchse zerstoben und grau das Haar! Rur Träume noch und die Erinnerung Machen zuweilen uns wieder jung. Doch kommt der Mai ins Land gegangen, Und sehn wir zu Pfingsten die Erde prangen, Dann zieht uns ein Zug, dann treibt uns ein Trieb Nach Bonn zu dem Schänzchen, das einst uns so lieb, Bei dessen Namen die Herzen schlagen, Als lebten wir noch in den Jugendtagen. Wir grüßen jubelnd die Jugendgenossen Und freuen uns auch der jungen Sprossen, Die mit fröhlichem Mute fest noch halten Den Wahlspruch, den sich gewählt die Alten, Freun uns, daß die alte „Schanze" noch steht Und darüber die alte Fahne noch weht. O, mögest du wallen, Du stolzes Panier, Bis von uns allen deiner mehr hier! Solang die Woge grün Vorüberrollt, Soll fröhlich hier blühn Unser Schwarzrotgold!

Aus der Eifel. Die Schwanenkirche. Sage vom Maifeld.

Ein Ritter saß gefangen im Turm aus Bergeshöhn, Darum die Wolken hangen, die Winde wandeln gehn. Zum Gitter konnt er klimmen, da sah er auf das Meer Und sah ein Schifflein schwimmen, das fuhr so schnell daher. „Ach, Schifflein, dürft ich fliegen mit dir auf weiter See, Wo uns die Wellen wiegen, dann wär mir nicht mehr weh! O, hätt im Kriegessturme das Schwert mich hingerafft, Dann lag ich nicht im Turme hier in der Heidenschaft! Fürs Kreuz hab ich gestritten, vertrauend zog ich hin, Wo einst dein Sohn gelitten, du Himmelskönigin! O, wende meine Plage, mach meine Ketten los, Und aus dem Elend trage mich in der Heimat Schoß!"

Der Abend kommt, es dunkelt, im Schalten liegt das Meer, Ein Stern durchs Fenster funkelt, wie Trost vom Himmel her. „Meerstern, komm du hernieder! Zum trauten Vaterland, Maria, führ mich wieder, nimm mich an deine Hand!"

Wie Kindlein überm Weinen doch endlich schlafen ein, So er auf harten Steinen, trotz aller seiner Pein. Lin Traum ist ihm gekommen: ihm war's, er sah aufs Meer, Da käm ein Schwan geschwommen, käm bis zum Turme her,

Schlüg mit den starken Schwingen sich eine Türe breit, Dann hörte man ihn singen: „Steh aus, der Weg ist weit! Schwing dich auf meinen Rücken, dann flieg ich mit dir fort Und lasse dich erblicken vor Tag den Heimatsort!"

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Rheinisches Leben.

Und auf dem Schwane reite er bis ans Meer hinaus, Der Vogel aber breite die weißen Schwingen aus, Flog aufwärts in die Lüfte mit mächtgem Flügelschlag. „Lebt wohl, ihr Moderdüfte! Willkommen, Freiheilslag l"

Das Meer lief unten brausend, im Dunkel nicht zu sehn, Des Schwanes Flug so sausend, schneller als Stürme gehn. Cs bleichen schon die Sterne, und kühler wird die Luft, Das Meer liegt in der Ferne, es riecht wie Waldesdust. Die Und Und Der

weißen Schwanenflügel, sie gehn langsamern Schlags, unten glänzt ein Hügel im ersten Strahl des Tags glanzt ein Strom, der dünket dem Ritter so bekannt, Schwan jetzt abwärts sinket, das Schifflein ist am Land.

Der Traum ist aus, der Ritter erwacht auf hartem Stein, Er lächelt, seufzt dann bitter: „Ach, Kerker schließt mich ein!" — „Das sind nicht Moderdüfte, tu doch die Augen auf! Hier wehen Heimatslüfte, das ist der Mosel Lauf! Das Land, ein Gottesgarten, in Maienblüten steht, Das Maifeld ist es, Carden, erhört ist dein Gebet!" Die Augen tät er heben und schaut und sinkt aufs Knie, Den Schwan sieht er entschweben. „Dank, Dank sei dir, Marie!

Du trägst, die dir vertrauen, heim über Land und Meer: Hier will zum Dank ich bauen ein Haus zu deiner Ehr!" Und wo ihn hat getragen der Schwan zum Maiengau, Da sieht man heut noch ragen der Schwanenkirche Bau.

Aus der Eifel.

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St. Bernhards Nachtigallen. Sage vom Kloster Himmerod am Salmbach, unweit der Mosel.

So wonnig schwül die Frühlingsnacht!

So wunderklar der Mondenschein! Schlaflos in stiller Zelle wacht Gedankenvoll ein Mönch allein. Er lauscht. Sanftschwellende Klänge! Dem Garten entschweben die Sange, Dem blühenden Weißdorn und Flieder Die Lieder —

Die Lieder, die die Nachtigall Aus ihrer Sehnsuchtsfülle sang — Kein Wunder, daß der süße Schall In seinem Herzen wiederklang! So hell jetzt seine Mienen, Als ob die Sternlein schienen, Als brach ihr Glanzgefunkel Durchs Dunkel —

Durchs Dunkel der Eedankennacht: „O Lenz, o Nachtigallenlied! Wie das ins Herz mit Siegerpracht Als wie durch ein Triumphtor zieht! O, du in den goldenen Haaren, Mit der ich durchs Leben wollt fahren, Maiblume so minnig und milde, Mechtilde! Mechtilde! — Ach, wie lang ist's her! Das war im schönen Frankenreich! Wie ward mein Leben freudeleer, Das damals — paradiesesgleich! Horch, immer die Nachtigallen! Deine lausend Stimmen, sie hallen, Du wonniges Wellgetriebe, Nur Liebe! —

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Rheinisches Leben.

Nur Liebe wünscht sich, was da lebt, Das singt und sehnt sich, wählt und wirbt, Und eines zu dem andern strebt, Sucht Lebenswonnen, bis es stirbt. Hinaus in das Freudengedränge, Gott will nicht die Qual und die Enge, Warum Leib und Seele entzweien, Kasteien?" — Kasteien!! — Weh! der Mondenstrahl Fällt auf zwei Augen, groß und mild, Fällt auf zwei Wangen, bleich und schmal: Das ist des Heilands Blarterbild! — Ein Schrei: „Ah! Satans Krallen! Der schuf die Nachtigallen, Sie sollen zur Wollust versuchen. Verfluchen - -

Verfluchen will ich euch: Zieht fort! Lockt keinen Gottgeweihten mehr! Ihr predigt Weltlust, Seelenmord, Kasteiung wir zu Gottes Ehr!"-------Sankt Bernhards bannende Worte, Sie haben vom heiligen Orte Die Nachtigallen, die lieben, Vertrieben. — Vertrieben? — Nein, sie sind noch dort. Das Leben ist ein heilges Buch, Und was drin steht, ist Gottes Wort, Das überdauert Menschenfluch. Himmerode liegt zerfallen, Seinen laubdurchrauschten Hallen Entschweben im Lenze wieder Die Lieder.--------

Aus der Eifel.

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Das Bandziehen. Sage vom Kloster Himmerod.

Des Heilgen Bernhard streng Gebot

Befolgte man zu Himmerod. Er kam oft selbst vom Moselstrand, Zu sehn, wie's um die Brüder stand, Ob sie im Denken, Tun und Dichten Sich nach der Ordensregel richten, Ob tot die Weltenlust In ihrer Brust. Gebet sollt sein ihr Zeitvertreib, Die Kutte aus dem bloßen Leib, Stets harte Arbeit, hartes Bett, Die Nahrung würzlos, ohne Fett — Er selbst ließ sich die ganze Wochen Zum Brot nur Buchenblätter kochen, Noch Bohnen höchstenfalls, Doch ohne Salz. Das erstemal war der Befund: Zufrieden alles, rot und rund! Das hat den Heilgen Mann erlabt. Beim Abschied hub er an: „Herr Abt! Tagtäglich darf nach dem Kasteien Euch ja ein Kännchen Wein erfreuen — Was ist das Deputat, Was jeder hat?"

„Das Deputat?" der Pater spricht, „Enthaltsamkeit ist Ordenspflicht, Drum auf vier Maß ich es beschnitt, Nur selten man es überschritt." — „Zm Monat? das wird gut bekommen!" — „Nein, täglich —" sprach der Abt beklommen. — „Da wird sich Satan freun: Vier Maß voll Wein?!"

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Rheinisches Leben. Der Abt spricht mit ergebnem Sinn: „So sei's die Halste fürderhin! Jedoch, verzeihet Euerm Knecht, Wenn's nur nicht unsern Magen schwächt!" Sankt Bernhard spricht: „Das mutz gelingen, Ein Christ soll auch den Magen zwingen!" Mit Segnen schied er dann, Der strenge Mann. Das nächste Mal war er entsetzt: Verdrossen, bleich und abgehetzt Sieht er im Chor so zwanzig knien. „Wo sind die andern Brüder hin?" Fragt er, „vor einem Jahr, das weist ich, Zahlt' ich der Mönche sechsunddreistig!" Der Abt zur Antwort gab: „Sie ruhn im Grab! —

Schwer lag auf uns des Höchsten Hand, Die armen Brüder zogen Band!" — — „Sie zogen Band? Was ist denn das?" — „Füllt nur zur Hälfte Ihr ein Fast, Wächst bald darin ein giftger Schimmel, So in den Brüdern, die im Himmel. Man nennt's im Moselland: Das Fast zieht Band!" Sankt Bernhard dachte lange nach, Dann glättet sich die Stirn, er sprach: „Lebt sonst ihr geistlich, geht mein Rat: Zurück zum alten Deputat! Lastt wieder vier Mast täglich geben, Dann halten wir den Rest am Leben: Sie sind vom Moselland Und ziehn sonst Band!"

Aus der Eifel.

Die drei Schwestern zu Auw. Sage aus dem Kylltal.

Drei Schwestern stehen am felsigen Hang, Tief unten die dunkle Schlucht entlang Rauscht leise die Kyll. Wie ein Wild gehetzt über Berg und Tal — Hier rasten sie zagend zum erstenmal: Hier ist's friedlich und still. Mit dem Eselein, ihrem Begleiter, Soll dann die Wanderung weiter Der drei Schwestern. Sie wuchsen in einsamen Klosters Hut, Die Jungfrauen, lieb und schön und gut Wie man nirgend fand. Drei Rosen waren sie anmutvoll, Und bald ihrer Schönheit Ruf erscholl Durchs fränkische Land: Da konnt auch des Klosters Frieden Die Frauenblüte nicht hüten Der drei Schwestern.

„All das Schönste, was man auf Erden fand, Hört mir, dem König von Frankenland!" Sprach Dagobert. Er selber zog vor das Gotteshaus: „Gebt mir die drei schönen Schwestern heraus, Sonst holt sie mein Schwert!" — „Herr König, o, latzt Euer Drohen, Sie sind ja schon längst entflohen, Die drei Schwestern."

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Rheinisches Leben.

Und da stehen sie nun im Eifelwald, Der Schleier umgibt ihre hohe Gestalt, Und Irmina spricht: „Wenn auch hier uns der schreckliche König sucht, Wie kämen wir über die wilde Schlucht? Wir entgingen ihm nicht, Wenn uns nicht die himmlischen Scharen Vor Tod und Schande bewahren, Uns drei Schwestern."

„Was war das?" Adelheid lauschet entsetzt: „Still! Stimmen hör ich und Hufschlag jetzt, So brauset kein Wind! — Weh uns, gewappnete Männer nahn, König Dagobert, er reitet voran!" — „Gefunden! es sind Die drei Schönen! o, laszt euch umarmen, Jetzt seid ihr mein, ohn Erbarmen, Ihr drei Schwestern."

Klothilde rasch zu dem Tiere fliegt, Sie besteigen es, all aneinandergeschmiegt, Sie spornen es gut, Sie treiben's zum Rande des Felsen — und Es springt hinab in den tiefen Grund, Schwebt über die Flut Und setzet ohne Gefährde Jenseits auf die blumige Erde Die drei Schwestern. Kein Feind ist nirgend zu sehen mehr, Rings friedlich bleibt es und menschenleer, Der Wald so still. Und drüben ragt der felsige Hang, Und lieblich rauscht die Schlucht entlang Die schäumende Kyll. Dem höchsten Gotte zu danken, Stumm auf die Kniee sie sanken, Die drei Schwestern.

Aus der Eifel.

Die Flucht zu Ende-, die Irrfahrt aus: Sie bauen zu Auw ein geweihtes Haus Und bleiben dort. Was mit den heiligen Schwestern geschehn, Das ist im Bilde noch heut zu sehn An jenem Ort. So lang es gibt gläubige Seelen, Wird's an Verehrung nicht fehlen Den drei Schwestern.

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Rheinisches Leben.

Der Teufel als Butzprediger. Sage aus Nideggen.

Bei Nideggen ist eine Schlucht, Da haust' nach seiner Weltenslucht In enger Felsenhöhle Ein Klausner, der kasteite sich Und sorgt' um seine Seele.

Er sorgt' um andre Seelen auch, Denn Feierabends war es Brauch, Wenn's Tagewerk erledigt, Da zog's zur Klause scharenweis, Dort gab es eine Predigt. Doch einmal war der Klausner krank, Lag kraftlos drinnen auf der Bank, Drautz warteten die Frommen, Als sei der Kaiser angesagt Und wolle gar nicht kommen. Es dauert lang. Der Abend sinkt. Da kam ein Teufel hergehinkt, Als Büßer, schier unkenntlich, Trat in der Kutte ftech einher Und predigte ganz schändlich.

Er predigt: „Läßt dein Feind sich schaun, Sollst du ihn auf den Backen Haun, Dann sprich: Jetzt reich den andern! So hast du Gottes Wort befolgt Und wirst zum Himmel wandern! Ist eine schöne Nachbarsfrau, Besieh sie oft und sehr genau, Dann küsse sie, und tüchtig! Denn Nächstenliebe Gott gebot, Das Lieben ist sehr wichtig.

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Aus der Eifel. Das Kirchenlaufen hat nicht Zweck, Von Sünde, Teufel und so Dreck Hört man, das gibt nur Reue, Doch wozu ist man auf der Welt, Als datz man recht sich freue?

Jetzt lehr ich noch ein schön Gebet, Doch datz es tief von Herzen geht: Der Teufel soll mich holen!"-------Einsiedler drinnen auf der Bank Hört das und liegt auf Kohlen.

Denn dieses war ihm doch zu arg: „Und müßt ich gradwegs in den Sarg, Den Teufel mutz ich strafen!" Er rafft sich auf, tritt vor und schreit: „Wolf! weich von meinen Schafen!" Der Teufel war nicht sehr erbaut, Doch als er gar das Kreuz erschaut, Er jäh zusammenkrampfte Und wütend mit dem Pserdefutz Die Felsen rings zerstampfte. Er trat ein Loch in das Gestein Und fuhr da wie der Blitz hinein, Glatt abwärts in die Hölle, Das Wasser zischte wild empor An seiner Heimfahrt Stelle. Bei Nideggen kann man noch sehn Den Pferdehuf im Felsen stehn, Noch sprudelt da die Quelle, Und mancher, der vorübergeht, Bekreuzt sich dreimal schnelle.

fessel, Ernst und Spill.

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Rheinisches Leben.

Aus dem Trappistenkloster.

Hoch im Gebirge hausen die Trappisten, Dem Himmel näher als die andern Christen, Die Welt tief unter ihnen schön und weit, Sie fern davon in Abgeschiedenheit. Durch strenge Büßung Gottes Huld erwerben, Das ist ihr Ziel, sie denken nur ans Sterben. Ein ewig Schweigen siegelt ihren Mund, Nicht durch das Wort wird ihre Seele kund: Sie geben keine Antwort auf dein Fragen, Stumm ist ihr Haß, ihr Lieben und ihr Klagen, Ihr Denken auch, Schlafdasein, trüb und schwer, Es fehlt nur eines: daß es traumlos wär! So steht ihr Leben still, nicht Freud noch Leid, Nur Todessehnen und Vergessenheit. Auch Arbeit: Felder rings und Wald und Ra'en, Darin die bunten Klosterkühe grasen. Zwölf Mönche machen dort ein Feld bereit, Die schwere Kutte ist ihr Arbeitskleid; Ein Glöcklein schrillt, und aus der Kirche Chor Schallt Alleluja an ihr lauschend Ohr. Die Zwölfe ordnen sich zum Kreise rund. Das Grabscheit ruht. Was murmelt wohl ihr Mind? Sie beten, denn nur Beten bricht das Schweigen. Seht! sie bekreuzen sich mit tiefem Neigen. Da, horch! ein Seufzer, dann ein geller Schrei, Als ob was Schreckliches geschehen sei — Platt aus die Erde sinkt ein Bruder hin, Die andern springen zu mit Helfersinn, Und lautlos, ohne Zucken, ohne Klagen Wird in das Kloster er getragen.

Aus der Eifel.

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Mühsam durchs Dunkel bricht der Ampel schein, Ein junger Arzt sitzt bei dem Mönch allein. Auf einem Lager — Bett kann man's nicht nennen Liegt er in Fieberglut, die Wangen brennen. Unwirtlich öd ist das Gemach zu schauen: Ein Kruzifir, ein Stuhl — hier herrscht das Grauen. Der Arzt blickt auf den Kranken unverwandt: „Die Züge fremd und mir doch so bekannt! Und denk ich fort mir diesen wirren Bart, Dann ist er es! — Sag, bist du Eduard?" Ruft er ihn an. Der Mönch hat ihn erkannt, Reicht matt und traurig seine heihe Hand, Die fällt dann kraftlos auf das Lager nieder. Ein dumpfer Halbschlaf löst die Glieder. —--------

„Ach! find ich so dich wieder, Eduard, Mein Jugendfreund, der mir entrissen ward? Denkst du des Städtchens in Westfalenland, Weit ist's von hier — wo unsre Wiege stand? Wie viele Jahre sind dahingeschwunden, Seit Liebe wir zu einer Maid empfunden, Zu Bertha, unserm blonden Nachbarskind. Doch dir war sie von kindaus hold gesinnt, Dir hatte früh sie schon ihr Wort gegeben, Sie wollte dein sein — ach! fürs Leben!-------------

Du warst der Bessere von uns, ich weiß, So edel, aber auch so glutenheitz, Und rasch verzagt, drum ist dir's nicht gelungen, Wie sehr du in der Fremde auch gerungen, Ein Heim für dich und deine Braut zu schaffen, Und da begann der Arm dir zu erschlaffen. Dein letzter Bries hieß: Gott sei mit euch beiden. Nimm sie zum Weib! ich fühl's, ich mutz sie meiden! Dann hat man nie mehr was von dir vernommen, Die Liebste harrte, du bist nicht gekommen.

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Rheinisches Leben.

Und Jahr um Jahr verging. Mein ward die Braut, Ward als mein liebend Weib mir angetraut. Don frohen Kindern sind wir jetzt umgeben Und fuhren arbeitsfrisch ein selig Leben. Nur wenn dein Name wohl ans Ohr ihr schlug, Fliegt über sie ein Schmerzenszug. — — — —

Jetzt liegst du hier! — Was hat dich all bewegt, Bis du dein Herz hierher zur Ruh gelegt? Du schlägst die Augen auf, willst reden, und — Legst einen Finger schmerzvoll auf den Mund? Weh, dein Gelübde! Doch, wir sind allein, O, rede nur, das kann nicht Sünde sein! Gewitz, mein Freund, du sehntest ost dich heim! — Warf das in dich den frühen Todeskeim? Dein Schwur ist Schweigen, doch du muht ihn brechen: Ich geh zum Abt, dann darfst du sprechen!" - —

Der junge Arzt springt auf und eilt zur Zelle Des Abtes, und in atemloser Schnelle Berichtet er vom Jammer, den er sah: „Kein Hoffen mehr, die Todesstunde nah — Und möcht erzählen nur ein einzig Mal, Dem Freund erzählen seines Lebens Qual! Die letzten Worte seien ihm erlaubt! Ich bin sein Freund!" — Der Abt, er schüttelns Haupt: „Er suchte Ruh in diesem stillen Hasen, Und sturmlos soll er hier entschlafen!" - — — —

Am andern Abend tönt ein Glöcklein leise, Diel bärtge Mönche stehn geschart im Kreise; Sie beten, denn nur Beten bricht das Schweigen. Seht! sie bekreuzen sich mit tiefem Neigen;

Aus der Eifel.

Denn einen Toten bringen sie getragen, Die braune Kutte um das Haupt geschlagen, Und langsam senkt man, ohne Totenschrein, Den Bruder Benedikt ins Grab hinein: Kein Menschenherz erfuhr von seinem Leid, Und ihn umweht Vergessenheit! — — — —

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Von Mosel, Lahn und Nahe. Mosellicd. *) Dein grünes, stilles Tal, Geküßt vom Sonnenstrahl, All deine Städtchen, Moselstrom, Von Metz bis an Sankt Eastors Dom, Dein grünes, stilles Tal, Wann läßt es mich einmal? Und ach! dein Wein! O blanker, lieblicher Moselwein! Du dehnst im Schlangengang Den Weg noch eins so lang, Die Berge ziehn, ein endlos Heer, An dir vorbei, von Segen schwer, Du dehnst im Schlangengang Den Weg am Felsenhang, Da wächst der Wein, O blanker, lieblicher Moselwein!

Wenn tief im Märzenschnee Noch Soon und Eifelhöh, Dann ruft im Tal der Sonnenschein: „Wacht auf, ihr Rebenäugelein!" Wenn tief im Märzenschnee Ich rings die Berge seh, Treibt hier der Wein, O blanker, lieblicher Moselwein! *) Komponiert von Engelbert Humperdinck.

Don Mosel, Lahn und Nahe.

Am Sankt Johannistag Verblüht der Rosenhag, Doch Traubenblüten duften süß, Als wäre hier das Paradies. Am Sankt Johannistag, Was da wohl werden mag? Ta wird der Wein, O blanker, lieblicher Moselwein! Und wenn's zum Herbste geht, Die Welt in Freuden steht. Zur Traubenlese Winzersang Erschallt das ganze Tal entlang. Und wenn's zum Herbste geht Und man die Kelter dreht, Dann gibt es Wein, O blanker, lieblicher Moselwein!

Und friert's aus Nord und Ost, Im Keller ist kein Frost, Da lachen Lenz und Maienluft, Und Moselblümchen spenden Dust. Und friert's aus Nord und Ost, Vergärt der sütze Most Und wird zu Wein, O blanker, lieblicher Moselwein!

Du goldner Moselwein, Wann magst am schönsten sein? Wenn eine blonde Moselbraut Ihr Bild in deinem Spiegel schaut, Du goldner Moselwein, Wie spiegelst du so sein! Du goldner Wein, O blanker, lieblicher Moselwein!

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Rheinisches Leben.

Moselwein. Wer Moselwein im Keller hat,

Der kann nicht elend sein: Er sitzt am Fatz und wird nicht satt Und schenkt sich immer ein, Trinkt weiter und weiter, Die Seele bleibt heiter Und offen der Spund — £, selige Stund!

Der Rheinwein ist wie Sonnenschein, Mit Lebenskraft gefüllt, Wie Mondlicht ist der Moselwein, So lieblich, klar und mild. Wie strahlen so golden Die Düfte, die holden, In weiteste Rund — O, selige Stund!

Des Südens dunkler Feuerwein Macht alle Glieder schwer, Rollt heitz durch Adern und Gebein, Die Seele lätzt er leer. Der Moselweinzecher Hebt rastlos den Becher Und leert ihn zum Grund — O, selige Stund! Gewunden wie der Mosel Gang Durch Berge rebenschwer, So fließt bei Moselwein Gesang Und Rede hin und her. O, freundliches Ranken Der lausend Gedanken Von Blunde zu Mund — O, selige Stund!

Bon Mosel, Lahn und Nahe.

Des Moselweines Eeisterschcr Entfesselt jedes Herz, Doch finden sie ein liebend Paar, Sie tragen's himmelwärts: Bald heimliches Nippen An rosigen Lippen, Bald Becher zum Mund: O, selige Stund!

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Rheinisches Leben.

Lied der Moselwinzer. Gesegnet sei das Moselland,

Das uns den Wein gegeben, Gesegnet auch die Schwielenhanö, Die hier gepflegt die Reben. Wie manchmal haben wir die Stirn Getrocknet uns, die nasse, Bis unser goldner Wein so firn Und duftend lag im Fasse. Gott segne tausendmal Das liebe Moseltal!

Wir ehren fromm den alten Brauch, So machten es die Eltern, So machen es die Enkel auch: Wir roden, lesen, keltern. Doch Feiertags am Moselflutz Sind Beter rings zu schauen, Denn mehr als andre Menschen mutz Der Winzer Gott vertrauen. Gott segne tausendmal Das liebe Moseltal!

Der Pilz, der Heu- und Sauerwurm, Maifrost und schlechtes Wetter, Das alles läuft ja förmlich Sturm Auf Blüten, Holz und Blätter. Da wird denn Tag und Nacht geschafft Mit Schwefeln, Spritzen, Dämpfen, Doch geht es über Menschenkraft, Der Herrgott mutz mit kämpfen. Gott segne tausendmal Das liebe Moseltal!

Von Mosel, Lahn und Nahe.

Der Heiland hat den Wein geweiht, Daß wir daran genesen, Der Wein des Menschen Herz erfreut, Im Psalmbuch steht's zu lesen. Ich denke: wer den Wein erschuf, Bestimmt' ihn nicht den Fröschen, Drum ist es menschlicher Beruf, Im Wein den Durst zu löschen. Gott segne tausendmal Das liebe Moseltal! SD, möcht es jeden Herbst so sein,

Daß Mangel wär an Bütten, Und alle Fässer viel zu klein, Den Segen einzuschütten! Eäb's stets ein Weinchen, echt von Art, Ein Stolz der Moselbauern, Gesund zu trinken, blumig, zart, Und keines von den sauern! Gott segne tausendmal Das liebe Moseltal!

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Rheinisches Leben.

Ausonius an der Mosel. 370 n. Chr. Geb.

Es

sang einmal Ausonius Vor sün^ehnhundert Jahren Ein Loblied auf den Moselflutz Für seinen Herrn Scholaren; Er sang's am selben Moselstrom, Zu Trier, in dem zweiten Rom. O, jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!

Der Schüler war Prinz Eratian, Und Residenz war Trier, Hoch ehrte Kaiser Valtinian Den dichtenden Erzieher: Ein reizend Schwabenmädel war Professors Ertrahonorar. O, jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum! Da ging es, sagt er, munter her, Mit Staunen er's betrachtet: Die Mosel trug, als wär's ein Meer, Biel Schiffe, hoch befrachtet, Herr Fortunat fuhr ganz gemach Von Metz sogar bis Andernach. O, jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!

Da wimmelt es von Fischen auch: Der Hecht in Schilfes Halmen, Die Schleie mit dem grünen Bauch, Und erst die fetten Salmen! Es wälzt sogar als Fluhdelphin Der Stör sich durch die Fluten hin. O, jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!

Don Mosel, Lahn und Nahe.

Am Fluh, am Wald, am Hügel dort Diel schimmernde Paläste, Aus üppgen Bädern immerfort Schallt Jubel froher Gäste, Der Dillen Säulengänge ziehn Wie Wälder durch die Wiesen hin. O, jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum! Geschüttet auf die Felsenwand Hat Bacchus seinen Segen, Don Weine troff das Moselland, Er wuchs an allen Wegen. In diesem einen Punkte, glaubt, Ist uns zu klagen nicht erlaubt: O, jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!

Drum muh man nicht bedauernd sehn Auf jene alten Lieder, Die Welt ist rund und muh sich drehn, Es kommt schon alles wieder! Und hat sich's erst verwandelt hier, Dann freun wir uns und singen wir: O, jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!

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Rheinisches Leben. Kloster Marienburg an der Mosel.

Verfallne Kirch in Reben, Was blickst du wie gebannt, Von Berg und Wald umgeben, Ins tiefe Moselland?

Denkst du der Zeit, der alten, Da du noch unverbrannt, Da deine Glocken hallten Durchs glaubensstarke Land? Zwei Fensteräuglein schauen Hoch aus des Chores Wand Mit Strahlen, himmelblauen Ins sonnenlichte Land. Ihr Augen, sagt, ihr kranken, Zum Troste dicht umspannt Mit dunkelgrünen Ranken.Macht euch gesund dies Land?

Wohl mag man hier genesen Vom Traume, der entschwand, Vergessen, was gewesen, So herrlich ist das Land!

Die Mosel seht ihr blinken Im Bogen, weit gespannt Zur Rechten und zur Linken Durch all das Rebenland; Die Winzer seht ihr klimmen An steiler Bergeswand, Und in dem Strome schwimmen Die Schifflein weit ins Land. Wer möchte da wohl weinen? O, blickt nur unverwandt Von waldumwobenen Steinen Zn Gottes schönstes Land!

Don Mosel, Lahn und Nahe.

Der Frühmesser von Zell. Sage.

„So

vierzehnhundert Gulden, Das ist ein Wort! Da schwimmt von meinen Schulden Ein gut Teil fort. Bedenkt einmal, Herr Bruder, Ist das nicht fein? Nur für ein einzig Fuder Voll Zeller Wein! Man zeigte mir heut morgen Die Gulden bar und blank: Bald hör ich aus zu borgen — Gott sei Dank!

Die Pfarre, ach! Herr Bruder, Sie trägt nichts ein AIs jährlich ein paar Fuder Oft sauren Wein!" — So sprach der Herr Frühmesser, Das war in Zell, Und schlug in eins der Fässer Den Krahnen schnell: „Jetzt wollen wir mal proben Mit Gründlichkeit und Fleiß, Dann runden wir nach oben Ab den Preis!" Da kam es aus dem Krahnen Wie Gold und Duft, Ein Paradiesesahnen Durchzog die Luft. Die Nasenflügel klaffen, Ganz still wird's da — Denn alle Sinne schassen, Man hört nur: aah!

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Rheinisches Leben.

Sie riechen, sehen, schmecken, Ganz Auge, Nase, Mund, Sie schlürfen und sie schlecken Stund um Stund. Der Gast sprach: „Dieses Fuder Ist wert viel mehr, Gehörte mir das, Bruder, Ich gäb's nicht her!" — Frühmesser ruft: „Fort, Gulden! — Versuchung, weich! Ich halte meine Schulden, Den Wein zugleich! Gott wird ja weiter sorgen, Der Herr der Welt, Und ich will weiter borgen Ohne Geld!"



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Don Mosel, Lahn und Nah«.

Marienrosen. Moselsage aus Minheim.

Wo

dort am Waldessäume Der Frühling quillt, Hangt an dem Eichenbaume Mariens Bild; Man sieht durch tiefe Schluchten Ins Moseltal, Da tanzt aus stillen Buchten Der goldne Abendsonnenstrahl. Biel wilde Rosen schwanken Ums fromme Bild, Das schützend sie umranken, Als wie ein Schild. Es kniet an jedem Tage Ein Kind am Baum, Bricht Rosen dann im Hage Am blumenreichen Waldessaum. Sitzt nieder aus dem Moose Im Abendlicht, Die Blümlein in dem Schatze Zum Kranz sie flicht. Die Abendschatten dringen Herein mit Macht, Der Drossel helles Singen Verkündet schon die stille Nacht.

Mit all den Rosenspenden Die Hand gefüllt, Geht sie, sich zuzuwenden Mariens Bild: Hat mit der Rosenkrone Ihr Haupt umhegt, Dem lieben Gottessöhne Diel Rosen in den Arm gelegt. Hessel, Ernst und Spiel.

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Rheinisches Leben. Der Sommer ist vergangen, Herbst zog herauf, Doch an der Hecke sprangen Noch Rosen aus. Und Tag um Tag gefunden Wirdes Mägdlein hier, Hal Strauh und Kranz gewunden, Maria und dem Kind zur Zier. Der Winter kam gegangen, Die Maid blieb aus, Sie lag mit blassen Wangen So krank zu Haus. Sie ging im Fieberlraume Den Zeiten nach, Wo sie am Waldessäume Mit frommem Sinn die Rosen brach. Sie schloß am Weihnachtstage Den Erdenlauf, Da blühten dort im Hage Drei Rosen auf. Die brachte man mit Schmerzen Ins Dorf hinein: Mit Rosen auf dem Herzen Kam*s Mägdlein in den Totenschrein.

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Bon Mosel, Lahn und Nahe.

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Lahnlied*). Du lustige Lahn, o du Bergesmaid,

Wie flink durch die Wiesen im wogenden iUetb! Du tauchst in den Wald, da tränkst du das Reh, Du ziehst um die burgenumkränzte Höh: Wie glänzt deine Bahn, O, du lustige Lahn! Die Berge sind Marmor und Schiefergestein, Da liegen viel Schätze, viel köstliche, drein; Vernehmt's, die ihr haltet am Rhein die Wacht: Das Eisen der Männer wächst hier in dem Schacht, Es wächst an der Lahn, An der brausenden Lahn.

Da sitzt seit uralters ein freies Geschlecht, So hart wie das Eisen, so deutsch und so echt, Da blühen noch heut wie vor tausend Jahr Die deutschesten Mädchen im goldenen Haar, So frisch wie die Lahn, Wie die liebliche Lahn.

Viel Mären aus dunkler Jahrhunderte Nacht Erzählen die Dome, hochragend in Pracht, Erzählen die Burgen, weitschauend ins Land, Die Städtchen, hoch hangend an Berges Wand. Sie sagen's der Lahn, Der still lauschenden Lahn. Von alter verschollener Kaiserzeit, Von denen von Stein und von Werthers Leid, Vom König, der stolz in rächendem Zorn Muht reiten zum Kampfe vom heilenden Born, Von Ems an der Lahn, Der stolzrauschenden Lahn. *) Komponiert von Engelbert Humperdinck.

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Rheinisches Leben. Doch müde vom Lauschen und Schauen die Maid Gilt weiter im rauschenden Wogenkleid, Zum Rheine, zum Rhein! wie pocht ihr die Brust, Der Vater umfängt sie in seliger Lust: Willkommen, o Lahn, Meine liebliche Lahn!



Don Mosel, Lahn und Nah«.

Kreuznach. Wenn du aus fremden Wegen Der Heimat denken mutzt, Dann geht in hohen Schlägen Das Herz dir in der Brust. Die Nahe siehst du brausend Aus waldigen Schluchten gehn, Der Reben viel, viel tausend Auf allen Bergen stehn.

Den Strom siehst du umarmen Die WSrte grün und dicht, Die Türm« ragen im warmen, Im goldnen Abendlicht; Am roten Felsenhange Dein Kreuznach hochgemut, Maid, beten linke Wange Auf roten Kissen ruht. Die breiten Nahebrücken, Die steinernen, altersgraun, Die Giebel, wie sie sich bücken Und in den Spiegel schaun. Die Menschen, die da wallen, Sie gehn so stolz und frei, Die Gasten, horch! sie Hallen Don lauter Lustgeschrei! Zum Rhein hin durch Getreide Schlingt sich die Nah dann sacht, Als wie ein hell Geschmeide Durch goldene Lockenpracht. Ich wollt, ich käm gegangen Noch einmal zu dir hin, Dein Arm hielt' mich umfangen, Bis datz ich müde bin!



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Rheinisches Leben.

In Kreuznach ist es schön!*) Wollt ihr was Schönes sehn, Mutzt ihr nach Kreuznach gehn, In Kreuznach ist es einmal schön! Drei Flüsse slietzen da: Die groh und kleine Nah, Die Ellerbach, ja ja! Und hüben und drüben über Nah, Da wohnt ein durstig Völkchen, Und die auch Spatz verstehn. Jawohl, allemol! in Kreuznach ist es schön!

Es ragt am Nahestrand Die rote Schlotzbergwand, Des Gaus gesegnet Land, Nahabwarts seht ihr es ausgespannt, Bon drüben überm Rheine, Da grützen blaue Höhn. Und drunten in dem Tal Die Quellen allzumal, Die spülen ab die Qual; Vor ihrem salzgen Wasserstrahl, Vor ihren gelben Fluten Mutz alle Krankheit gehn. Rundum wachst edler Wein, Der schmeckt nach Sonnenschein. Im Brückes, Hinkelstein, Delz, Kauzenberg, überall ist's fein: Wer den einmal getrunken, Latzt allen andern stehn. Jawohl, allemol! in Kreuznach ist es schön!

*) Aus dem Lustspiel: Kreuznach ist Trumpf. Komponiert von Ferdinand Fries. Kreuznach, Verlag von Harrach. fr

Don Mosel, Lahn und Nahe.

Nahewein. Das Jahr ist gut gewesen,

Die Sonne blieb uns hold, Das gibt ein lustig Lesen, Der Riesling glänzt wie Gold. Schon blinken die Messer, Sie schwenken die Fässer Im Tale der Nah: Der Herbst, der ist da. Ihr vollen, runden Trauben, Die Schönheit ist jetzt aus, Jetzt müht ihr tmran glauben, Gebt nur den Most heraus. Bald ist er vergoren, Der Neue geboren, Wie schmeckt er so gut, Rollt heih durch das Blut.

Dort, wo von Soonwalds Rücken Die Nahe brausend springt, Bis wo mit Liebesblicken Der stolze Rhein ihr winkt: Allüberall heben Sich Berge voll Reben Im sonnigen Strahl Durchs herrlichste Tal! Käm einer hergegangen, Betrübt und sorgenschwer, Säh Land und Luft so prangen, Der wollt nicht wandern mehr. Hier muh er gesunden Von all seinen Wunden. O, schenket ihm ein Vom Nahewein!

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In Kreuznacher Mundart. Do hockt's un Hot e Hietche uff!

„Do hockt's un Hot e Hietche uff!" So kriet mer als emol eens druff, Wammer wo druff besteht, Was eemol gar nit sich geheert. Do neilich Hot mersch eens erklärt, Woher mer das so seet. Ltreiznach in d« franzeesche Zeit Hot aarig viel gelitt, ihr Leit: Do kam de Oschero,*) Die Heiser hot er aangesteckt, Hot Deiwelsstreech als ausgeheckt, Befonnersch immer Noh. Geschoß werd, hin un her geloff Un fufzig Zulascht Wein gesoff, Dielleicht noch ebbes meh. De Stadlrat Hot bei Dag un Nacht De Stadt ihr Wohl un Weh bedacht, Gernehniglich ihr Weh. Uf eemol kam mei Oschero Ganz frech zum Burjemeeschder jo, Seet: „Männche, no, wie steht's? Bis morje mittag um halb drei Schaff hunnert Ochse uns ebei, Jetz mach mer kee Gedeez!"

In Kreuznacher Mundart. Do hocke dann die Stadträt all, Die Herzcher in die Schuh gefall, Mit goldgestickte Reck, lln hinne bambele die Zepp, Die Hietcher wackle uff de Jtepp, All gucke in een Eck. lln vor de Burjemeeschder dann Stellt sich e mächdig dicke Mann, De Metzjermeeschder Trumm. „Schasst mir die Ochsen nur herbei, Woher, ist mir ganz einerlei, Sonst bringen wir Euch um!"

De Trumm seet: „Ei, wie mit 're Walz Js plattgedemmert jo die Palz, Geht selwer norz enuff! Jo, kreecht ich Ochse, wär ich stoh: Die eenzge Ochs« Hocke do Hit hawwe Hietcher uff!"

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Rheinisches Leben.

Er Hot kee Ruh! So Wingert losse eem kee Ruh: Gemischt, gegert, gepehlt, Geräumt, gegrab, gehest, gespritzt, Eegibbelt — un was fehlt? E Rege fehlt, daß Schwölle eem So henke an be Schuh, Wann norz e gude Rege leern, Ehr Hot mer doch kee Ruh!

Was henke das Johr Treiwercher! Die Steck honn all ihr Deel, Die Riesling sein gedibbelt all lln braun un goldegeel. Bald is de allgemeine Herbscht, Sie kreisch« schun: ju juh! Doch ehb mersch nit im Ladsaß Hot, Ehr Hot mer doch kee Ruh! Die Reiber is schun uffgeschitt, De Moscht miet hunnertdrei, Wie lauder Honig richt die Bitt, lln beinah seirefrei! So dick wie Eel, was meensche, Kaarl, E bißche was dezu? Guck, ehb mer nit gezuckert Hot, Ehr Hot mer doch kee Ruh!

De Fedderweiße is so sieh, Er pitzelt uff de Zung, Doch weeß mer noch nit, wie er werd, Er is noch gar zu jung. An Seire sehlt's em, meen ich als, No, Kaarel, was meensch du? Ehb nit de zwedde Abstich war, Ehr Hot mer doch kee Ruh!

In Areuznacher Mundart. Das Weinche is entwickelt jetz, Was schluckt sich das so glatt! So schmalzig! un ich meene als, Es wär schun ebbes platt! Bei beeile Preise iwwerhaapt, Do macht mer doch tee Schmutz, Un ehb mer nit sei Batze Hot, Ehr Hot mer doch tee Ruh! Wieviel Remiescher honn ich dann Heit Owend schun geblos? Erscht susfzeh? No, was steckt do drin? Mei Dorscht war aarig groß. Mir bleiwe als noch! Binche, gell, Du machscht doch noch nit zu? Dann ehb mer nit beschasbelt is, Ehr Hot mer doch tee Ruh!

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Rheinisches Leben.

Es bloo Kreiz in de Klappergatz. So Weibsleit komme als uf Sache, Bezwerwelde, bo mutz mer lache! — Mir Germer aus de Klappergatz Mir honn um Zehnuhr unser Spatz, Do trinke mer een Remiesche als, No, nach e zweddes allenfalls, Das is so unser Morjesippche, Beim Klappergässer in deem Stibbche. Geheichlich. Uff die Noh dee Blick, Uff die grotz Kerch un uff die Brick. Hernoch, was geht das Schaffe leicht, So innewennig aangefeicht! Eemol do Hot uns grad das Liesche So hingestellt e kiehl Remiesche, E Krischtche Hammer grad geknischbert, Do hol's so hinnig uns gepischbert, E Fraa wars oder e Mamsell, Es war e aarig derr Gestell! E gewerfelt Schal, dee Hot se aan Mit grien un geele Franze dran, Zwee falsche Krolle aangesteckt, Zu Kreiznach sein so keen geheckt; Sie fuchdelt mit ihrm knochig Armche Un schlenkert als ihr Sunneschermche. »Ihr Zisfeer!" seet se, „ihr sitzt wohl Frieh morgens schunst beim Alkehol? Die Leiwer bringt's un Seelen um, Ihr kriecht das Tirilirium!" So Bichelcher stobbt se uns in die Hand, Un alsfort „Ziffeer!" uns geschannt! Vor jedes leet se dann so hin — Gewidder-Oos! e Abbelsin! — No, endlich dauert mersch zu lang, Ich dacht: jetz awwer aan se gang!

In Kreuznacher Mundart. Ich kriee se fescht am Elebooe — Gewiß hot's Placke gebb, so blooe! Ans Fenschder honn ich se gezappt, No waart, dir werd es Maul gestoppt! lln saat: Madamche, guck S« do, Dort die groß Kerch leit iroroer Nah! Gell, Sie sein err? mir sein jetz hiwwe, Mir sein nit in de Kerch do driwwe: De Sunndag stelle Se sich uff die Kanzel Un preddige als wie e Amschel, Wann's de Herr Parre Lind erlaabt, Vielleicht aach, daß er Ihne staabt. Heit honn Se noch geschlof, Mamsell, Do waremer schun an unsere Fell. Jetzt hommir Dorscht! hieher geloff Zum Friehstick is doch nit gesoff! Um zehn Uhr kann e Gerwersch-Maae So e Remiesche gut vetraae! Un wann's e Schnaps wär, allemool, Das war noch lang kee Alkehol! Erscht in deer scharfe Lohbrieh puddele, Hernochert Abbelsinc schnuddele? Sie solide emol so Lohkees springe, Was Ihne do die Streech veginge! Mir schaffe ohne Sunnescherm, Do gummol her: hie unser Ärm Sein nit wie Ihne Ihre derr! Mir sein kee Sifser, Sie sein err! Adjees, Madamche, feil mich Ihne! Do leie noch Ihr Abbelsine! Die Hot s« dann aach mitgenomm, Is fort un nimmeh widderkomm. Ob die ins Lauermanns noch zieht? No, mir honn all de Schlickfer kriet.



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Rheinisches Leben.

Am Eisebahnschalder. Bloh hin!

Ich will noh Planig, dridde Klah! — Bloß hin? — Ei, wie vesteh ich das? — Bloß hin? — Uch, was e Schoode! — Bees werd der Mann am Schulder do: Bloß hin? un gibt e Stumber so Dem Bauer an sei Poode. Die Krenk! for was die Ungeduld? Wann's langsam geht, da seid Deer schuld, Was braucht Der mich zu stohe? Do zeigt mersch doch, do loht mich siehn! Nir wie alsfort: bloß hin! bloh hin! Wohin soll ich dann bloose?

Jetzt wohin? Ich will e Kaart noh — noh--------Wohin? Macht eem nit err, gleich fällt mersch in! Mir fahre virrde Klaß! — Der Ort? Sagt's doch, sonst fährt der Zug Euch fort! Hin un zurick, 's leit uffem Gaa. Nun, nach? — Un aach noch for mei Fraa! Wohin? — Ja joo, die is wohin, Dort in das Heische, tenntersch siehn? Es steht jo druff geschribb: Für — Ja, Wenn Jhr's nicht wiht, dann bleibt Ihr da! Waart, hall emol e Äeitche in! Habt Ihr besonnen Euch, wohin? 's is eigentlich kee Stazijon, Do is jeh uff de Schau mei Sohn, Es is dort so e ganz alt Kerch, Wie heeht mersch? Wiht Er, mei nei Schnerch,

In Kreuznacher Mundart. Die wohnt jo dort. — Ich hab kein Zeit, Macht Platz jetzt für die andern Leut! Waart, helft mer druff! een Aaeblick! — Do kimmt se jo! he, was e Glick! Ei, eilsche dich gleich, Härterm, Ich honn's vegetz: wo wollemer hin? — No, Michel, bische dann so dumm? Mir mache jo uff Zotzenum! — Ach, was, das ist kein Station! Das saat ich Eich jo vorhin schon! — — No, Michel, das is awwer dumm, Wie machemer jetz uff Zotzenum?

* De Asstschdent.

Wach uff, sunscht duhmer hocke bleibe! Es peift, de Zug kimmt schun gerennt! Na waart, ich klobbe an die Scheiwe! Heert ersch dann nit, Herr Assischdent?

Aweil geht's uff, jetz werd gerabbelt: Noh Binge! Binge! — Augenblick! Ich glaub, Deer habt's noch nit bedabbelt: Noh Binge will ich! — Auch zurück? Als wenn ich deet uff Binge mache, Hernoochert dann nit Widder leern! Redur, vesteht sich! macht fee Sache! Nadierlich will ich Widder heem!

Die Das Uch, Fort

Klasse nun? — Bliew ich dort henke, Marri sollt mer siehn, mei Fraa, das deet schänne, das beet denke, wär ich noh Ameriga!

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Rheinisches Leben. Rasch, was für Klasse? — In die beite, Gell in die zweit Klatz soll ich gehn? Das leit mer uff, mit eite Steile! Naddietlich drille! das wüt scheen!

Ein Uff Da, Det

Mark und dteitzig! — Das is wenig, dteizeh Gtosche leeft's enaus, det is noch vum aide Keenig, Dalet, gebt met bruff etaus!

Schweigt endlich stille mit dem Bappeln, Hiet ist das Geld, jetzt macht Euch weg! Seht nut, wie all die Leute zappeln, Es kommt ja niemand von dem Fleck!

Ei, Et konnt uff jo mache ehnder Sei Fenschdetche, ich saat 's Em jo! Das Bubbelgum kann waarde! meent Et. Fot was dann? ei, Et wat jo do! (Im Fortgehen.)

Den Das Das Der

kenn ich, den, aus Simmete stammt er, detf det nit, datz der so schännt, is fee richdiger Beamder, is nit als e Assischdent!

*

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In Kreuznacher Mundart.

Uff de Kleenbahn. „Tor was alsfort die albe Leier? Mr wolle Neies, Awenteier!" — Dann hockt eich in di« Kleenbahn nur, Fahrt bis ans End un dann redur! Ihr findt dort so e Art Balgeench«, Do sitzt mer als wie ufseme Threenche; Nur halt eich fescht an dem Geländer, Die Gegend eich begucke kennt er, Un wammer all di« Scheenheit sieht, Do merkt mersch nit, daß es so zieht. So honn ich letscht gestann, do war E Fraa, die is auch mitgefahr, Sie leet sich vor, hält mit be Hand sich Un guckt un is ganz äbbeldenzig; Sie saat: „Dort in beet Mihl, beer neie, Do honn ich ebbes lasse leie, Do wohnt mei Schwester drin, die Jule, Die will mersch hier «riwwer schule!" Was Hot sich's Behnche abgehetzt, Gerumbelt un gebumbelt jetzt! Uff eemol awwer kimmt e Kurv, 's geht langsam, rutschdich! sich bee Wurf! Geschlenkert kimmt e Duch gesloo, G Henkelkerbche hinnenoh. „Diel Grieh! schreib bald!" die Jule schreit's, Mir — in die Bockenauer Schweiz!

Das Winderburg, ei nemmol aan, Das is doch scheen, mer sollt's nit saan! Ich wär gern länger dogeblibb, Sie hon jo awwer als getribb, Schun aangespannt wär unser Geilche, Deet schnubbere mit seim Feiermeilche. Sessel, Ernst und Spiel.

G

82

Rheinisches Leben.

Fort geht's, un mei kleen Behnche rennt Als wie e großes, sabberinent! Lee Kohle werte do gespart Uff beere wilde, dolle Fahrt.

Zum Glick kimmt bald die Kloschdermiehl: Hurra die Geil — das Menschespiel! Als wär do Kerb! un Reschdrazjon, Tobrum is hier jo aach Stazjon! Das Fahre in beer Hitz macht Dorscht: Hangkees, e Scheibche Lewwerworscht For zuzuspitze druffgesetzt, Gelacht, gejurt, dumm Zeich geschwätzt: „No, Freilein Schnuckesche, noch e Schebbche!" „Hier howwe wächst emol e Trebbche!" „Gar so gemiedlich is beer Ort!“ Roo'm Fahrplan wäre längscht mir fort. Das eise Eeilche is am Stambe, Mer sieht's vor Ungeduld schun bombe ; Es bombt un stambt un bleibt doch stehn — Kee Kutscher do! na, das werd schern! Dort steht der mit beem rode Täschche, Der waart gewiß noch uff e Fläschche? Der Mann, wo die Billjeder knipst, Kimmt ganz oegniegt dezu gehipst, De Heizer stellt sich aach bebet, Do gucke se dann alle drei. „Was guckt ihr dann so in die Sunn? Mir honn jo doch Bespeedung schun!" — „Sie honn noch Zeit, for auszusteige, Mir wolle Zhne ebbes zeige, Was Scheenes, 's is e Seldenheit, Mir hole inn das bißche Zeit!"

Ich stete aus. „Was gibt's dann do?" — „Ei, gucke