Erhart Kästner (1904-1974): Griechenlandsehnsucht und Zivilisationskritik im Kontext der »konservativen Revolution« 9783839436820

From a longing for Greece to a contempt for civilisation - Erhart Kästner in the context of the 'Conservative Revol

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Erhart Kästner (1904-1974): Griechenlandsehnsucht und Zivilisationskritik im Kontext der »konservativen Revolution«
 9783839436820

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Vorbemerkungen
A. Zur Einführung: Kästner im Kontext
B. Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht
C. Zwischen Anthropologie und Theologie
D. Zwischen Dionysos und ORDO
E. Inter-Textualitäten
F. Habitushermeneutik und Psychodynamik
G. Eskapismus und Psyches iatron
H. Inter-Textualität und Originalität. Eine Entzauberung
Literaturverzeichnis

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Frank Schulz-Nieswandt Erhart Kästner (1904-1974)

Lettre

Frank Schulz-Nieswandt (Dr. rer. soc.), geb. 1958, ist Professor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln und lehrt Sozialpolitik, Methoden der qualitativen Sozialforschung und Genossenschaftswesen. Er ist Honorarprofessor für Sozialökonomie der Pflege an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar.

Frank Schulz-Nieswandt

Erhart Kästner (1904-1974) Griechenlandsehnsucht und Zivilisationskritik im Kontext der »konservativen Revolution«

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Inhalt

Vorwort | 7 Vorbemerkungen | 9 A. Zur Einführung: Kästner im Kontext | 19 B. Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht | 59 I. II. III. IV.

Kunst und Massengesellschaft | 61 Et in Arcadia ego: Griechenlandsehnsucht | 65 Einfachheit des Lebens und Heimatsuche | 79 Transzendentale Verdrängung und Aisthesis | 88

C. Zwischen Anthropologie und Theologie | 93 V. Diastatische Theologie | 96 VI. Zwischen Aither und Athos: Metamorphosen religiöser Haltungen | 105 VII. Gabe und Gastfreundschaft | 107

D. Zwischen Dionysos und ORDO | 111 VIII. Atmosphäre der Lichtmetaphysik: Lob des Weines, Zikaden als Musik tiefer Stille | 112 IX. »Aufstand der Dinge« und Ekphrasis | 119

E. Inter-Textualitäten | 157 X. XI. XII. XIII.

»Griechischer Frühling« von Gerhart Hauptmann | 157 Gerhard Nebel: Christliche Antikerezeption | 162 Spuren eines Konservatismus in Reiseberichten bei Ernst und Friedrich Georg Jünger | 176 Distanz zur »Arbeit am Mythos« bei F. G. Jünger | 181

F. Habitushermeneutik und Psychodynamik | 193 XIV. Unpolitisch-politische Haltung: Paul Klee, Werner Gilles, Werner Heldt | 195 XV. Gerhard Altenbourg, Peter Huchel: anachoretische Haltung innerer Emigration | 208 XVI. Hoffnung und Immanenz: Distanz zu Marie Luise Kaschnitz | 220 XVII. Liebende Weltoffenheit: Distanz zu Romano Guardini | 230 XVIII. Borderliner Habitus der konservativen Revolution | 241 G. Eskapismus und Psyches iatron | 249 H. Inter-Textualität und Originalität. Eine Entzauberung | 267 Literaturverzeichnis | 287

Vorwort

»Auch ich in Arkadien!« … – eine Formel, die von Johann Georg Jacobi 1769 in dieser deutschen Version geprägt und von Goethe 1816 der Erstausgabe seiner »Italienischen Reise«1 als Motto vorangestellt worden ist.2 Griechenlandsehnsucht ist eine Variante der Suche nach Arkadien. Insofern ist das vielfach bemühte Zitat von Goethe nicht unpassend, um die Studie zu eröffnen. Und dennoch stellt sich mir die Frage: Wie einen optimalen Zugang zu einer vielschichtigen und komplexen Themenstellung finden? Bekanntlich sollen ja Bücher nach Lektüre der ersten Seite entweder zugeschlagen und zur Seite gelegt oder eben gelesen werden. Der Zugang erfolgt zunächst durch die relativ langen Vorbemerkungen. Nach der Inhaltsgliederung folgt aber ein erneuter Anlauf, Zugang zu schaffen durch eine umfängliche Einführung. Dann werden verschlungene Wege zur Aneignung des Gesamtwerkes von Erhart Kästner gebahnt und bewandert. Ich scheue auch nicht angstvoll im Kontext des universitären Wissenschaftsbetriebes, eigene Verstrickungen mit einem Thema wie das der Griechenlandsehnsucht einzubauen und zu reflektieren. Prozesse der Übertragung und Gegenübertragungen sind in der Wissenschaft nicht selten. Das gilt auch für die zweite konstitutive Dimension des Themas: die Zivilisationskritik. Hier sind es die fachlichen Verstrickungen, die nicht ohne transzendentale Wertsetzungen von hoher Kulturbedeutung, wie Max Weber das Fundament seiner von neu-kantianischer Wissenschaftslehre geprägten verstehenden Soziologie bezeichnete, auskommen können. Webers Auffassung von Werturteilsfreiheit der Wirtschafts-, Sozial- und 1 | Der Italienaufenthalt fand 1786 und 1788 statt. Vgl. auch Aurnhammer 2004. Ich vertrete die These, dass die »Italienische Reise« von Victor Hehn (Hehn [ca.] 1840) der Schilderung von Goethe kaum nachsteht, im Gegenteil: Hier stehen noch stärker das Leben der Bevölkerung im Vordergrund als der Blick auf das klassische Kulturgut. Ähnliches gilt für die Italienbeschreibung von Ludwig Curtius 1954, S. 90ff. 2 | Vgl. Goethe 1925.

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Erhart Kästner (1904-1974)

Kulturwissenschaften war keineswegs so trivial gestrickt, wie sie oftmals dargestellt wird. Also in einem doppelten Sinne ist, quasi der Einsicht einer post-strukturalen Hermeneutik folgend, das jemeinige Selbst der Forschung im Thema involviert, aus Sicht narrativer Identität verstrickt. Beide konstitutiven Dimensionen, die Sehnsucht nach Arkadien und die Problematik der Zivilisations-, Kultur- und Gesellschaftskritik, sind kaum aus einer affektneutralen objektivistischen Haltung cartesianischer Wissenschaft heraus zu begegnen. Das Subjekt der Wissenschaft ist Teil der Krise der Moderne, in der sich nach wie vor die Themen mit hoher Aktualität bewegen. Deswegen beziehe ich einerseits, zumindest am Rande, eine Selbstreflexion meines eigenen Zugangs zu Kästner ein. Dies wird sich in der Struktur der Argumentation als implizite Textwachstumsgeschichte entbergen lassen. Absicht und erwartetes Ergebnis der vorliegenden Studie haben sich im Verlauf dieses Werkprozesses verändert, ja transformativ verschoben. Denn die Entdeckung der im Titel des Buches implizit angesprochenen Inter-Textualitäten mit Teilströmungen der konservativen Revolution hat diese Verschiebung der Perspektiven bedingt. Und erst dadurch habe ich zur Beurteilung dieses Kontextes einen Referenzrahmen eingebaut, der konträr zum post-zivilisatorischen Habitus der konservativen Revolution positioniert ist: die Position eines freiheitlichen (religiösen) Sozialismus. Dass ich dabei auf Paul Tillich und Romano Guardini (man vgl. allein Kästner zu Guardini 1982) abstelle, hat seinen Sinn darin, dass die Zivilisationskritik der konservativen Revolution auf Variationen mythologisch-theologischer Argumentation beruht, so dass sich eine Konfrontation mit Positionen andersartiger theologischer Anthropologie und letztendlich mit einem existenzialen Humanismus (Schulz-Nieswandt 2017) geradezu aufzwang. September 2016

Vorbemerkungen

Verläuft der erste Zugang zu Erhart Kästner über die Prosadichtung seiner Griechenlandbücher, so stehen zunächst dominant personale Erlebnisgeschehen im Vordergrund. Es geht um Licht, Zikadenmusik und Staunen. Wer, wie ich, seit 1998 im relativ entlegenen und, wie seit Jahrhunderten schon in der Antike, vom Meltimi1 (türkisch: meltem: »Brise, sanfter Wind«; lat.2: euroaquilo) erfrischten ostkretischen Paleokastro seinen Urlaub verbringt, dem entgeht nicht jene Lichtmetaphysik (das wird mich noch beschäftigen)3, von der schon der faszinierende Walter F. Otto4 gehandelt hat.5 Eindrucksvoll verdichtet beschrieben ist eine

1 | Vgl. eindringlich geschildert bei Kästner 1974c, S. 47. Auch Bradford berichtet in seinem »Reisen mit Homer« (1999) von diesen Winden, ebenso Schildt 1977, S. 202ff., S. 325. 2 | NT: Apostelgeschichte 27.14. Breit beschrieben bei Nebel 1968, S. 303ff. Vgl. neuerdings auch angesprochen bei Freely 2016, S. 206, S. 223. 3 | »Licht ist hier alles.« (Kästner 1974c, S. 41) 4 | Schulz-Nieswandt 2014a: Walter F. Otto (1874-1958) ist eine kontroverse Gestalt in der Erforschung der altgriechischen Religion. Erst im Lichte differenzierter Auffassungen von Wahrheit (epistemische Wahrheit: wissenschaftliche Richtigkeit einerseits, ontologische Wahrheit: Daseinsgestaltqualität andererseits) wird seine ganze Relevanz verständlich. Meine strukturalistisch orientierte Arbeit (Schulz-Nieswandt 2014a) kann als neuartige Leseweise von Ottos Werk dort verstanden werden, wo sie darlegen kann, dass und wie Otto fundamentale Probleme menschlicher Psychodynamik thematisiert. In dieser Hermeneutik der griechischen Welt und zugleich des menschlichen Daseins wirft Otto trotz aller problematischen Aspekte seines Werkes Schlüsselfragen der modernen Existenzproblematik auf. Hinzu kommt von bleibender Bedeutung, dass er die christliche Anstaltskirche fundamental kritisiert hat. Er ist als »radikalste(r) Theologe des modernen Heidentums« bezeichnet worden. Insofern ist eine solche mythopoetische Religionsforschung durchaus ein Beitrag zur ewigen »Arbeit am Mythos«. Zu Otto vgl. auch Moraw 2014. 5 | Auch in der literarischen Moderne, wie bei Faulkner, finden wir eine Anmutung von Lichtmetaphysik. Der Titel seines Buches Licht im August bezieht sich auf das besonders helle, vorherbstliche Licht einiger Augusttage in den Südstaaten: dazu Nicolaisen 1981, S. 55.

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Erhart Kästner (1904-1974)

solche Lichtmetaphysik in Verbindung mit tiefem Staunen bei Hajo Jappe (1973; 1975). Eine der schönsten Darstellungen6 der Erfahrung des Lichts im Mittelmeerraum verdanken wir m.E. jedoch – neben einer Formulierung in Schneider (1930, S. 54) – einer Passage aus »Sizilianische Tage« von Rudolf Bach (1946, S. 39). Diese Lichterfahrung wird als Stille hörend dargelegt, somit als eine Transformation der Sinne formuliert. Die Reiseberichte von Bach aus dem Jahr 1939 stellen das sizilianische Licht bereits zu Beginn (S. 6) als »das berühmte griechische Licht« dar. Und der Kontrast zum Licht der Nordmenschen (Kaschnitz [1975, S. 92] spricht von »Nordländer«)7 wird betont. Farbe ist bei Bach immer auch ein Ton (S. 8). Und er kennt die »panische Stunde« (S. 18) – so auf Sardinien auch Seewald (1933, S. 117) – und auch »arkadische Bilder« (Bach 1946, S. 20). »Helle Einsamkeit« wird erlebt als »klare gesunde Lust des ausgeruhten Daseins« (S. 35): »Und auf einmal ward die Stille seines Lebens dem inneren Hören in ein Tönen verwandelt, in einen mächtigen Gesang, einen goldenen Donner, […], aber sie waren aus Licht« (S. 39). Helios, »der durch das Licht tötet«, schüttet ein Licht aus und ruft ein »Ja« zum Leben im Menschen heraus. Das ist zutiefst onto-theologisch angelegt. Eschmanns »Griechisches Tagebuch« (Eschmann 1967) hat mich dagegen enttäuscht. Es ist Prosa, nicht Prosadichtung und ohne reflexive Tiefe, von einigen Bemerkungen zu Apollon und Dionysos abgesehen. Ganz anders da Endres mit einem Buch »Griechenland als Erlebnis« (Endres 1929). Goethes Spruch, man müsse das Land der Griechen mit der Seele suchen (Iphigenie, 1. Akt, 1. Szene), nimmt er zum Schlüssel und durchgehenden roten Faden seiner Griechenlanderfahrung. Das Werk ist dabei religionsphilosophisch und -psychologisch interessant angelegt. * Wer seine Sinne halbwegs beisammen hat, wird auch »staunen« – eine durchaus (Kästner-typische8) theologische Kategorie – über das immer wieder nur kurz unterbrochene ewige Konzert der Zikaden. Und so mischen sich die Sinneseindrücke zum komplexen Bild: das Licht9, als Glitzern in den staubigen

6 | Sehr schön auch die Aquarelle von Hans-Jürgen Gaudeck in »Griechische Inseln« (Gaudeck 2004). 7 | Andersch 1972, S. 282: Tonlage und Sprache des Gedichts bei Ernst Wilhelm Eschmann sei nur möglich bei einem »Mann aus dem Norden«, denn es geht um eine spezifische Melancholie (S. 284). Eschmann wäre in diesem Kontext ein moderner Konservativer. 8 | Ottmann 2010, S. 52 nimmt hier Bezug auf Kästner. 9 | H. Schmitz 2005, S. 124ff.; Kreuzer 2008; Luther 1965; Blumenberg 1957; dazu auch Stoellger 2000, S. 70ff.

Vorbemerkungen

grau-grünen Olivenhainen (»Silbergeglitzer«: Kästner 1975a, S.  15)10 im Tal und das Zirpenkonzert der Zikaden. Zum Ölbaum schreibt Kästner (1975a, S.  15): »Mich ergriff eine Art von seligem Rausch«. Und: »Wenn er sein Silbergefächer gegen das Lichtblau des Himmels hält, so entsteht ein Klang, der vom Jenseits ist.« (S. 15) Auch hier gehen Licht und Klang ein Gefüge ein. »Wo Ölbäume sind, ist das Land heilig. Seine lautlose Andacht macht fromm. […] Die Seele dieses Landes ist dieser Baum.« Genau diese Erfahrung teilen viele Menschen mit, die Griechenland als landschaftlich11 verkörperte Mythenwelt auf Reisen erlebt haben. Es ist der Äther (mythologisch: Aither), der hier in der Dichte erfahren wird, als Offenbarungserlebnis. Es ist die Atmosphäre, die empfunden und empfangen wird. So sehr Erfahrung und Empfindung dem Subjekt eigen sind; es ist eher der Zwischenraum zwischen den Subjekten und den Dingen der Umwelt, der hier subjektiv erlebt wird. Es ist die Seinsverfassung des Seins, das zum Erleben ansteht und so eine Daseinsqualität generiert, die quasi-religiös ist. Dieses Erlebnisgeschehen ist geheimnisvoll. Deshalb das Staunen. * Das war zunächst der Ausgangspunkt meiner Kästner-Rezeption. Es ging mir um die Suche nach einer paganen Onto-Theologie des Landschaftserlebens als Seinsfrömmigkeit. Das angeführte Zunächst indiziert bereits einen gewissen Wandel der Thematik während der Themenausarbeitung. Aus der Fixierung auf die implizite natürliche Theologie12 vor allem des frühen Kästner ist eine Gesamtwerkbetrachtung unter starkem Einbezug von entdeckten Inter-Textualitäten geworden. Und in diesem Zuge hat sich auch die Gesamtbewertung von Kästner verschoben. Auch eine psychodynamische Selbstreflexion zum eigenen Zugang zu Kästner, vor allem mit Blick auf die anfangs dominante Sichtung der natürlichen Onto-Theologie, hat sich in diese Themenausarbeitung eingewoben. Damit kommt auch eine 10 | Der Ölbaum – in der deutschen Reiseliteratur immer schon eine Chiffre für die Sehnsucht nach dem Süden (Schellinger 2004, S. 140) – war schon in der griechischen Antike heilig: Hehn 1963, S. 103 (zu Hehn vgl. auch See 1992) sowie Brosse 2001, S. 231, dort auch zum Kontext des Alten und Neuen Testaments S. 232ff. Vgl. auch in Baumann 1993, S. 44ff. 11 | Zur Landschaftsbegrifflichkeit in ihrer modernen und zur Antike unterschiedlichen Entwicklung vgl. in Elliger 1975. Relativ oberflächlich-ideologiekritisch: Eisel 1982. Instruktiv auch die Einleitung in Smuda 1996. Ebenso Trepl 2012. Vgl. ferner Maurer 2015. 12 | Diese (zur diesbezüglichen Theologiegeschichte: Birkner 1961) ist hier in Abgrenzung zu einer Offenbarungstheologie gemeint. Genau zu einer solchen Theologie barthianischer Art wendet sich Kästner später zu. Ich lege natürliche Theologie hier als religiöses Erleben pantheistischer Art aus und begreife sie als Onto-Theologie des Naturerlebens. Später werde ich diese pantheistische Haltung näher spezifizieren.

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Erhart Kästner (1904-1974)

eigene hermeneutische Inter-Textualität zwischen Kästner und mir selbst zur Wirkung. Die auf das objektive Werk von Kästner bezogene Entdeckungsreise wird somit auch zu einem subjektiven Stück der Selbst-Entdeckungsreise. Erneut wird fraglich, ob eine cartesianische Subjekt-Objekt-Relation die Forschungsleistung angemessen zu beschreiben vermag. Die übliche verbreitete Ausblendung dieser De-Konstruktion des Cartesianismus mag auch ein Stück Angst in den Sozialwissenschaften zum Ausdruck bringen. Wie dem auch sein mag. Bleibt in der vorliegenden Arbeit also alles letztendlich um Erhart Kästner zentriert, so muss dennoch konstatiert werden: Die verzweigten Netze um ihn herum, ihn einbindend, verweisen jedoch, so ging dann meine Rezeptionsforschung weiter – anthropologisch, ontologisch, immer auch im Modus der angeführten Psychodynamik13 als Blickweise des Verdachts – über Kästner hinaus. Nicht nur wurde das Thema der auf die Griechenlanderfahrungen zentrierten Prosadichtung von Erhart Kästner in dessen Gesamtwerk sichtend und deutend eingeordnet. Es wurden vor allem auch die inter-textuellen14 Positionierungen seiner Prosadichtung und seines Gesamtwerkes im Kontext von Teilströmungen15 der sog. Konservativen Revolution herausgearbeitet. Im Schnittbereich wiederum dazu wurde auch versucht, impliziten Theologien im Werk von Kästner auf die Spur zu kommen. Insofern ist aus einer engeren Forschungsfrage eine gewisse Netzwerkanalyse des Denkens und Schaffens von Kästner geworden. * Walter F. Otto wie Erhart Kästner, auch der weiter unten mehrfach noch anzuführende Göran Schildt16(es gesellten sich im weiteren Forschungswachstum einige andere AutorInnen noch dazu), gehörten zu meiner ständigen und wiederholten Lektüre in der Region von Sitia17. Aber das ist nur ein subjektiver Zugangsaspekt; 13 | Wobei in Lacan’scher Theorietradition Psychodynamik keine individualpsychologische Konstruktion ist; die innere Psychodynamik des seelischen Geschehens spricht eine Sprache, die semiotisch auf die Einschreibung kultureller Grammatiken sozialer Geschehen verweist. Eltern-Kind-Beziehungen sind nur ein Mikrotypus dieser Geschehensordnungen. Die Dispostivierungen sind sodann komplexerer sozialer Gestalt. 14 | Ich verstehe Inter-Textualiäten, auch wenn die Kategorie der Literaturwissenschaft entnommen ist und hier ja auch auf Literaturwerke hin angelegt wird, als Einschreibungen und Umschriften dieser Einschreibungen in der rezeptiven Reziprozität von Sinnproduzenten, die selbst wieder auf Sinnkontexte verweisen. Die de-zentrierten Subjekte dieser sozialen Austauschprozesse verstricken im Modus der Dialogizität ihre jemeinigen narrativen Identitäten mit den Geschichten der jeweils Anderen. 15 | Schnittflächen ergeben sich nur zum Teil mit dem »Dritten Humanismus« (vgl. Stiewe 2011). 16 | Vgl. den Zusammenschnitt seiner Reiseberichte: Schildt 1971. 17 | Zu Sitia auch Kerényi 1969, S. 125f.

Vorbemerkungen

es geht um ein kollektiv relevantes Thema, das einer wissenschaftlichen Durchdringung bedarf wie auch verdient. Kästners Position in der Literaturgeschichte18, auch sein Stellenwert in der deutschsprachigen Reiseliteratur19 nach 1945, darf weder über- noch unterschätzt werden. In der »Deutsche(n) Kulturgeschichte« von Schildt/Siegfried 20 kommt Kästner im Kontext der konservativen Kulturkritik nach 1945 gar nicht vor. Bei Biernat (2004, S. 47ff.) werden Kästner und Nebel knapp abgehandelt. Immerhin verweist z.B. Pöggeler (2011, S.  86) auf Kästner als wichtige Reiselektüre in Griechenland nach dem Kriege. Mir geht es um das Grundproblem der Sehnsucht in der Reiseliteratur als Ausdruck einer immer auch epochal bzw. zeitgeschichtlich konkretisierten21 Seinsverfassung des Menschen in seiner Existenzproblematik. Und hierbei kann nun Kästner als sehr exemplarisch zugänglich gemacht werden. Kästner ermöglicht damit – eher im hermeneutischen Rahmen einer historischen Anthropologie – einen systematischen Zugang zur ganzen Epoche des 20. Jahrhunderts als anhaltende Krise der Moderne, hier zugleich auf eine Habitushermeneutik der konservativen Revolution zumindest ansatzweise abstellend. Insofern ist der Versuch, Kästner im Kontext seiner Inter-Textualitäten vor, während und nach dem 2. Weltkrieg zu verstehen, ein Beitrag zum Verständnis des Wandels des Menschen im 20. Jahrhundert.22 In Anlehnung an Bourdieus Habitus- und Feldtheorie (auch im Bereich der Kunst) mag die im Werk zum Ausdruck gebrachten zwischenmenschlichen Beziehungsdynamiken sowohl etwas zum lebensgeschichtlichen Erfahrungshorizont des Poeten/der Poetin als auch – im Sinne einer psychohistorischen/psycholinguistischen Analyse – zu dergestalt reflektierten Epoche als das soziale Umgebungsmilieu des Textes transportieren.23 In diesem Lichte24 ist die daseins-analytisch fassbare Verfehlung in der Haltung der konservativen Revolution wissenschaftlich re-konstruierbar. Der Aufstieg des homo touristicus ist dabei eine zu kontextualisierende Dimension des ganzen Geschehens. Dazu gehört auch der Sozialtypus (und die Rollen) des Intellektuellen wie auch der homo consumens, die Entstehung der Dienst18 | Vgl. auch zu Kästners Rolle als Direktor der Herzog August Bibliothek 1950-1968: Hiller von Gaertringen 2009. Vgl. jetzt auch Schmidt-Glintzer 2015. 19 | Biernat 2004 behandelt die Vielfalt in der AutorInnenlandschaft des Phänomens der Reiseliteratur und erwähnt Kästner dabei nur eher am Rande. Bei Huber 2011 taucht Kästner auch nicht auf. 20 | Schildt/Siegfried 2009, S. 156ff. 21 | Vgl. auch die Beiträge in Brenner 1989. Schober 2015 geht auf britische Reiseberichte zum antiken Griechenland des 18. Jahrhunderts ein. 22 | Dazu Frevert/Haupt 1999. Zur Sozialgeschichte der Bundesrepublik bis Ende der 80er Jahre: Schildt 2007, der diese Dimensionen ebenso aufgreift. 23 | Dazu Weilnböck 2000, S. 405f. 24 | Weilnböck 2000, S. 432f.

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leistungsgesellschaft, die ihr Netz auswarf und den Menschen einfing in ihre Diskurse, Institutionen, Professionen und Praktiken. Der Blick richtet sich dabei auch auf den Wandel der Arbeitswelt, auf die Rolle der Technik und auf die Rolle der Verwaltung im ganzen Alltagsleben. Die beiden großen Kriege haben alles verändert. Das spiegelt sich auch in der Sozialgeschichte der avantgardistischen Kunst 1905 bis 1955.25 * Dabei stelle ich eine Definition der konservativen Revolution – phänomenologisch gesehen eine Geburt aus der Krise der klassischen Moderne26 in ihrer fehlenden Bewältigung der Verankerung ihrer Spannungspotenziale im Raum der Vektoren in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Politik, Kultur und Person – nicht an den Anfang meiner Analyse. Hier wären verschiedene Strömungen zu unterscheiden. Der harte konstitutive Kern entfaltet sich im Verlauf meiner Arbeit dadurch, dass ich die Bezugspersonen von Kästner zu Wort kommen lasse und die erheblichen Parallelen im Weltbild von Kästner und den Weltbildern z.B. bei Gerhard Nebel und Ernst Jünger erkennbar werden lasse. Die persönlichen Spaltungen in diesem Kreis der wahlverwandtschaftlichen Gleichgesinnten macht zugleich deutlich, dass sich die These eines harten konstitutiven Kerns im Sinne einer Identitätsbildung als Denkgemeinschaft vereinbaren lässt mit extrem idiosynkratischen Subjektivismen der konkreten Personen.27 Insbesondere gilt dies für Fragen der Religiosität. Die christliche Orientierung (wobei Kirche als Anstaltsorganisation nicht wirklich von Relevanz ist) ist in diesem Kreis sehr unterschiedlich ausgebildet, und Spannungen entstehen in der Differenz zwischen Religiosität (als Offenbarungserleben) einerseits und Theologie als System andererseits, zumal28 gerade Kästner extrem wissenschaftsfeindlich 29 eingestellt ist. Auch die jeweiligen Positionierungen mit Blick auf Mythos und Christentum fallen differenziert aus. Ferner kommen einige psychodynamisch de-chiffrierbare Eigenheiten der Akteure zur Wirkung. Bei Kästner ist es einerseits seine Neigung, sich herausragenden Persönlichkeiten wie z.B. Heidegger huldigend zu nähern, andererseits

25 | So Beyme 2005. 26 | Vgl. insgesamt auch Großheim 1995. 27 | So wird zum Beispiel der krasse Konservativismus eines Armin Mohler (zu Mohler: unkritisch, aber informativ: Weissmann 2011) nach 1945 von Kästner negiert. Als Gerhard Nebel von den Mythenschwärmereien der archaischen Zeit zu theologischen Herrschaftsansprüchen wechselt, negiert Kästner die Freundschaft zu ihm. 28 | Um aus Sicht einer Foucault-Bourdieu-Lacan-Synthese zu sprechen. 29 | Wissenschaft ist Teil eines komplex verschachtelten dispositionalen und daher habituell disponierenden und inskriptierenden Macht-Systems von wissenszentrierten, diskursiven, epistemischen und institutionellen Kräftefeldern.

Vorbemerkungen

Personen (wie – u.a.30 – Huchel und Altenbourg) zuzuneigen, die ihm in seiner Selbstinszenierung der inneren Emigration des Zeitkritikers (attrahierend) zu ähneln mochten.31 Das Spektrum von literarischen Zeitkritikern ist natürlich breit. Bei Kästner geht es um konservativen Post-Zivilisationismus. Ganz anders (man vgl. nur mit Blick auf eine einzige Seite bei Andersch [1966, S. 11]: das ist krasse politisch-soziologische Kritik) gelagert ist der Fall von Alfred Andersch (vgl. u.a. Jendricke 1988; Reinhardt 1996; Schütz 1980). Die nachfolgende strukturale Einschätzung wird sich erst im Verlauf der Arbeit in psychodynamischer Diagnostik als plausibel erschließen. Exisenzialistischer (Kästner war ja ausgeprägter Sartre-Kritiker) orientiert (Koberstein 1996; Raabe 1999) und politisch links positioniert, schleppt aber auch Andersch – ausgetragen in der Andersch-Sebald-Debatte (Döring/Joch 2011) – eine problematisierte Vergangenheit mit sich herum. In der Debatte wurde das politische Engagement (Reinhold 1988) nach 1945 von Andersch mit Blick auf einen gewissen Opportunismus und seinem privaten Fehlverhalten mitunter als eine »Wiedergutmachungsphantasie eines politischen Eskapisten« betitelt. Für mich von Interesse ist die in der Rezeption zum Teil vorgebrachte Haltungsart linker Melancholie und einer kämpferischen Resignation als Linker. Fast könnte man meinen, eine strukturale Binärik ableiten zu können: Kästner : Andersch = rechts : links = konservative melancholische Resignation : linke melancholische Resignation = passive Aggression : aktive Aggression = post-zivilisatorische Haltung : Fortschrittsgestaltung als Haltung.

Es handelt sich demnach um zwei – komplementäre – Formen nonkonformistischen Mutes. Ich gehe habitushermeneutisch aber noch weiter. So werde ich einen Habitus zu bestimmen versuchen, der diagnostisch derartige Neigungen mischt mit Ele-

30 | Vgl. auch Gilles oder Heldt. Ich werde auch darüber reflektieren, warum Kästner zu anderen Personen – subjektiv – keinen Zugang fand, obwohl er – objektiv – in der Substanz dieser Menschen die Möglichkeit hätte sehen können. 31 | Kritisch wird man sehen müssen, wie sich die Selbständigkeit Kästners als Beobachter mit seiner ausgeprägten Neigung zur Verehrung ausgewählter Gelehrter und Künstler verträgt: So nahm Heidegger später die Position von Hauptmann im Leben von Kästner ein. Heidegger übte quasi eine magische Wirkung auf Kästner aus.

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menten der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung und narzisstischen Neigungen in Verbindung mit einem melancholisch-heroischen Haltungstyp. Eine in Grenzen vergleichbare Problematik besteht im Fall von Stefan George und dessen »Kreis« (dazu Aurnhammer u.a. 2012). Dort wird der »Kreis« als Variante des weiten Feldes der konservativen Revolution behandelt. Auch eine Nähe zum Dritten Humanismus wird behandelt. Zwar werden für mich wichtige Personen wie Ernst Jünger und Nebel nur am Rande vermerkt, auch Carl Schmitt. Eine Verbindungslinie mag Hugo von Hofmannsthal sein, dessen Beziehung zu Stefan George dramatisch war. Dennoch findet sich bei Stefan George eine oftmals vergleichbare Kultur- und Zivilisationskritik (auch einen entsprechenden Anti-Amerikanismus: Dahlmanns 2016). Dies gilt auch für Ludwig Klages, der eine ambivalente Rolle im »Kreis« spielte. Insgesamt liegt m.E. auch eine Differenz in den Habitus-Strukturen beider Teilströmungen der konservativen Revolution vor. Der von einer hohen Suizidrate geprägte George-Kreis war als Kreis von einer Aura charismatischer Führerschaft geprägt. Ein hoher Grad ritueller Zeremonialstruktur als Selbst-Inszenierung wurde praktiziert. Es lag eine Art von heidnischer Religiosität vor. Im Lichte einer sowohl tiefenpsychologischen wie auch diskurs- bzw. literatursoziologischen Betrachtung lag im »Kreis« eine Flucht vor emotionaler Bindung an die profane Welt in Verbindung mit einem ästhetizistischen Hang zur Heldenverehrung vor. Dieses mentalitätsgeschichtliche Syndrom ist etwas anders gelagert im Fall von Ernst Jünger, Nebel etc. Das wird zu zeigen sein. Beide Kreise waren aber scheinbar unpolitisch und von hoher zwischenmenschlicher Dissoziation geprägt. * Die Phänomenologie diagnostischer Merkmale ergibt die Möglichkeit, hier – nicht im Sinne einer klinischen Diagnose, sondern nur als Fluchtpunkt einer habitushermeneutischen Approximation – eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zu erkennen. Da es sich hierbei um ein gestörtes Verhältnis von Selbst und Weltbezug handelt, verdichtet sich dieses Bild einer Persönlichkeitsstörung auf den Begriff eines cartesianischen Eskapismus. Genauer lässt sich der neurotische Haltungstyp als benpahm-Phänomen benennen. benpahm setzt sich zusammen aus Elementen des Borderlinen, des Eskapismus, des Narzissmus, des Passiven, Aggressiven, Heroischen, Melancholischen. Der privatistische Eskapismus darf nicht als einfacher sozial unproduktiver Narzissmus verstanden werden. Das wäre verkürzt. Das mehr-dimensionale Syndrom ist komplexer. * Die Sekundärliteratur zu Kästner ist schmal. Zusätzlich hat sich mir ergeben, dass diese auch durchweg zu oberflächlich ist. Die inter-textuellen Tiefenschich-

Vorbemerkungen

ten sind kaum de-chiffriert worden.32 Dies gilt auch für die beiden grundlegenden Dissertationen von J. Freifrau Hiller von Gaertringen (1994): »Meine Liebe zu Griechenland stammt aus dem Krieg. Studien zum literarischen Werk Erhart Kästners« (die auch weitere wertvolle Publikationen und Editionen zu Kästner vorgelegt hat) und von J. M. Nauhaus (2003): »Erhart Kästners Phantasiekabinett. Variationen über Kunst und Künstler«. Auf den Lebenslauf von Kästner gehe ich nicht weiter ein; u.a. bei Hiller von Gaertringen und Nauhaus findet sich das Wesentliche (vgl. auch in Kästner/Kästner 1980). Dies wollte ich nicht nochmals paraphrasieren. Ich habe weitgehend alle zugänglichen Publikationen von Kästner herangezogen sowie die Briefwechsel, soweit sie editiert sind. Archivarbeit zu unveröffentlichten Materialien von Kästner habe ich nicht betrieben. * Ein Wort noch zur optimalen Gliederung. Diese Bemerkung hängt mit der soeben skizzierten Transformation der Sichtweise auf das Werk von Kästner zusammen. Die Gliederung und in der Folge auch der Titel ist mehrfach verändert worden. Das Programm der Komposition wechselte ständig. Und das ist im literarischen Produktionsprozess zunächst normal und verständlich. Der Text hatte – um in der Methodenterminologie der Hermeneutik der biblischen Exegese33 zu räubern – seine eigene Textwachstumsgeschichte, wobei sich auch die ganzen Perspektiven auf das Thema wandelten. Die Inter-Textualitäten haben sich stärker als erwartet in den Vordergrund geschoben. Kästner bleibt im Mittelpunkt, aber die analytischen Zugänge sind von Umwegen geprägt. Kästner wird etwas (durchaus post-strukturalistisch motiviert) de-zentriert im figurativen Kontext seiner Relationen. Das literarische Lebenswerk erweist sich als doch relativ klein, impliziert aber eine interne Komplexität solcher Relationen inter-textueller Art.

32 | Das gilt auch für Schmidt-Glintzer 2004. Vgl. etwa auch die Besprechung von Gaisreiter 2006 zu Kästner und Bissier. Ferner Figal 2004a sowie Ludwig 2004. 33 | Oeming 2013.

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Erhart Kästner (1904-1974)

Kästner wird daher im – figurativen34 – Traditionszusammenhang der konservativen Revolution35 habituell re-konstruiert. Die Gliederung wirft noch ein anderes Problem auf. Es gibt querschnittliche Themen und auf Personen bezogene Fragestellungen, die sich nicht eindeutig nur einem Kapitel zuordnen ließen. So werden die Figuren und deren Positionen und Funktionen in diesem inter-textuellen Netzwerk – trotz einiger diskursiver, thematischer und/oder personaler Schwerpunktbildungen, die den Kapitelüberschriften zu entnehmen sind – nicht nur in einem einzigen Kapitel abgehandelt. Eine solche eindeutige Verdichtung auf einen Ort der Erörterung ist kaum zu verwirklichen. Schließlich hat der Verzicht auf eine m.E. nur scheinbar der Transparenz und Orientierung im Leseprozess dienende Tiefengliederung den Nachteil, dass einige Verästelungen und auch Sprünge in der Argumentationsarchitektur einzelner Kapitel erst durch Einfügung von Sternchen * kenntlich und somit möglich wurden. Die ursprünglich erhebliche Zahl von Exkursen wurde im Zuge der mehrfachen Überarbeitung aufgelöst und dem fließenden Text zugeleitet. Auf einige längere Fußnoten konnte dagegen kaum verzichtet werden.

34 | Den Begriff der Figuration habe ich der historischen Soziologie der langen Dauer von Norbert Elias entnommen. Dies hat mehrere Implikationen. So wie Elias nicht von einem methodologischen Individualismus ausgeht, isoliere auch ich nicht die Person Erhart Kästner. Hermeneutisch auf die Problematik narrativer Identität abstellend, sind Menschen immer nur im Narrativ erzählter Geschichten, die wiederum in Geschichten verstrickt sind, re-konstruierbar. Ich will diese bekannte, komplexe kulturwissenschaftliche und zugleich psychologische Sichtweise nicht weiter hier entfalten. Menschliche Existenz ist dialogisch. Kästners Psychogramm korreliert mit seinem Soziogramm; und dieses Strukturgitter seiner sozialen Relationen, in denen er seine Selbstkonzeption findet, verweist auf wesentliche Akteure von Teilströmungen der konservativen Revolution, wie sie im Kontext des 1. Weltkrieges Gestalt annahm (und sich mitunter auch wandelte). 35 | Zur Begriffs- und Analysegeschichte vgl. in Hornacek 2014, S. 23ff.

A. Zur Einführung: Kästner im Kontext

Ich fasse mein Forschungsanliegen an dieser Stelle der Einleitung im Lichte der Bemerkungen in den Vorbemerkungen, die fast selbst bereits zu einer Einleitung mutiert sind, zunächst dicht zusammen: Es geht1 bei Kästner in seiner Prosadichtung – ich werde jedoch meine Analyse von Kästner auf sein Gesamtwerk beziehen – als habitueller2 Ausdruck einer Haltung, die zunächst Seinsfrömmigkeit und Modi natürlicher Theologie zum Ausdruck bringt, später mythisch-orthodoxe Innerlichkeit, fokussiert um die innere Offenheit3 gegenüber einer sich extern offenbarenden Epiphanie4 des Göttlichen oder der Theophanie5 selbst. Beide Phänomene behandelt Kästner in seiner Prosadichtung über Griechenland, der frühe Kästner eher das pagane Naturerleben, der spätere Kästner das christlich gefilterte Offenbarungserlebnisgeschehen. Ein Kontrast zum Werk des Altphilologen und Mythoshermeneutikers Walter F. Otto wird evident. Nicht zuletzt – ich führe nur eine Auswahl meiner neueren Studien an – infolge meiner Hinwendung zu psychodynamischen Aspekten6 des Kulturwandels7 und in Verbindung mit Fragen der Beziehung zwischen philo1 | Zum Nachschlagen immer auch TRE 1977ff. sowie RGG 1998ff. Vor allem sei verwiesen auch auf Roscher, W. H.: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Leipzig 1884-1896, verfügbar als Nachdruck. Hildesheim u.a.: Olms, hier Roscher 1992/1993. 2 | Instruktiv dazu Michel 2006. 3 | Das gilt für Kästner auch im Fall der horizontalen Dialogik (»Freundesgesprächs«, »dieses dialogischen Glücks«: Kästner 1974, S. 21): »Denn es hängt nicht allein vom Sagenden ab, ob er sich aussprechen kann. Nicht der Sprecher: der Hörer ist es, der spricht.« (Kästner 1974, S. 19) 4 | Frenschkowski 1995. 5 | Otto 1956. 6 | Meine Forschungen zusammenfassend: Schulz-Nieswandt 2013a. 7 | Schulz-Nieswandt 2015a. Kürzer in Schulz-Nieswandt 2014f. Vgl. ferner u.a. SchulzNieswandt 2013. Meine Studie (Schulz-Nieswandt 2015a) thematisiert angesichts der großen Herausforderungen der Rechtsphilosophie der Inklusion (Schulz-Nieswandt 2016b)

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sophischer und theologischer Anthropologie8 im Kontext einer fundamentalontologischen Klammer existenzialphilosophischer Fragen (als Propädeutik sozialpolitischer Forschung und Lehre) bin ich zu der Abhandlung über Walter F. Otto gekommen. U.a. im Lichte meiner gabeanthropologischen Studien9 habe ich nun die notwendige Zeit gefunden, meine sich aufdrängenden Gedanken zu Erhart Kästner darzulegen. Im Prinzip ist die vorliegende dichte Analyse ein vertiefender Kommentar zu dem kurzen Aufsatz von Erhard (1974), noch stärker als Vertiefung zum kurzen Beitrag von Krättli (2015) zu verstehen. Vieles ist dort angedeutet (bei Erhard) und bereits abgewogen durchdacht (bei Krättli), aber – wegen der angesprochenen Kürze der Aufsätze – nicht entfaltet (vgl. vertiefend dazu Schulz-Nieswandt 2017). Allerdings fehlt auch hier die Dimension der Inter-Textualitäten mit den Teilströ-

des homo patiens die Notwendigkeit einer die Grenzen der normierten Faktizität überschreitenden sozialen Phantasie im Sinne einer schizoiden Kreativität der Sozialpolitik in der transgressiv-ekstatischen Praxis des sozialen Wandels und somit zugleich die wissenschaftliche Reflexion dieser verborgenen Psychodynamik in der Wissenschaft von der Sozialpolitik. Sozialreform grenzt sich somit ab von einer mechanischen Vorstellung von social engineering. Im Zentrum der Betrachtung steht die Dialektik von Identität und Alterität. 8 | Schulz-Nieswandt 2015: Meine strukturalistisch orientierte Analyse (Schulz-Nieswandt 2015) arbeitet die psychodynamischen Argumentationsschichten in verschiedenen Positionen der theologischen Anthropologie bei Romano Guardini, Friedrich Hölderlin, Peter Wust, Gabriel Marcel, Otto F. Bollnow, Max Müller, Wilhelm Weischedel heraus. Damit gelingt es, den Humanismus und somit die Differenz zwischen philosophischer und theologischer Anthropologie herauszuarbeiten. Bis zur Überschreitung der Grenze zur Theologie entfalten die Autoren eine tiefe Einsicht in die Grammatik des Dramas der Person und der Kultur. 9 | Schulz-Nieswandt 2014. Vgl. nun auch Hoffmann u.a. 2016. Die Forschung über Gabe sowie Geben und Nehmen hat Konjunktur (vgl. auch Pyyhtinen 2014: den extra-utilitaristischen Kern im Rezeptionspotenzial der Gabe betont auch Graeber 2012, ohne besonders innovativ in der Gabe-Diskussion wirksam zu werden), aber dies vor dem Hintergrund einer langen Tradition in verschiedenen Disziplinen. Das Thema ist fundamental zum anthropologischen Verständnis auch der eigenen Gesellschaft. Vor allem die genossenschaftliche Form kann in diesem Lichte in ihrer großen Bedeutung fundiert verständlich gemacht werden. Meine Studie (Schulz-Nieswandt 2014) skizziert nochmals diese Forschungstradition, betont die trans-utilitaristische Bedeutung vieler (vor allem französischer) Forschungsbeiträge verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen und fokussiert schließlich im Lichte der Schnittfläche zur Theologie auf Aspekte im Horizont von fundamentaler Ontologie und philosophischer Anthropologie, die in ökonomischen und soziologischen Rezeptionslinien zur Reziprozität in der Regel zu kurz kommen oder gar nicht gesehen werden. Dabei werden einige strukturale Zusammenhänge zwischen Sorge und Liebe in der menschlichen Daseinsführung thematisiert, womit der Mensch als homo cooperativus im Kräftefeld seiner Potenziale als homo donans und homo abyssus verortet wird.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

mungen der konservativen Revolution. Auch ich entfalte nicht alles in hinreichender anschaulicher und materialbasierter Evidenz. Kästner suche (so Krättli 2015) ein »Refugium außerhalb der Zeit«; »außerhalb der Geschichte«; er sei insofern ein Konservativer: Er sei weniger in die Zukunft hinein unterwegs, sondern sieht eher den Zerfall der alten Ordnung. Er sei, so Kästner explizit selbst, aus der Zeit ausgestiegen. Dies ist zum Teil elitäre Idyllik und innere Emigration; er suchte die »Oase aus Zeitlosigkeit« und fand diese in verschiedenen Modi: das »Dasein im Leeren« als Erleben abfallender Unruhe fand er in der Wüste zuvor, in der »Gastfreundschaft der kretischen Hirten«, im Kloster »byzantinischer Frömmigkeit der Eremiten«. Natürlich sei dies Ausdruck einer »Entfremdung der Umwelt«, eine Reaktion darauf; aber eben auch eine »Opposition zur Zeit«, zwar als »Aussteigen« in die »klösterliche Stille«, aber doch Kritik des Weltgeschehens. Diese ideologiedispositive Lage ist das Thema der vorliegenden Abhandlung. Vorliegende Arbeit versteht sich als Diskussionsbeitrag, nicht als erschöpfender Kommentar und – welche Illusion – (fehldeutungsfreien) Abschluss der Debatten. Kästners Werk weist viele Verweisungszusammenhänge auf, die hier gar nicht alle genannt, geschweige denn verfolgt werden. Einige Linien werde ich freilegen und analysieren. Insbesondere ist auf die Verbindungslinie zu Gerhard Nebel (Poncet 2013) und Ernst Jünger zu verweisen. Die ganze Welthaltung von Kästner, die ja Thema der vorliegenden Studie ist, lässt sich teilweise auch in Relation zu Jünger verdeutlichen. Nehmen wir z.B. Jüngers Werk »Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt« (Jünger 2007). (Auf F. G. Jünger werde ich hinsichtlich der These seiner de-zentrierten Relevanz eingehen.) Jünger beschreibt in geradezu apokalyptischer Tradition die Erosion des bürgerlichen Zeitalters, dies durchaus mit Genugtuung. Was stattdessen auftaucht ist im Rahmen seiner Epochenkritik die Gestaltvision einer gleichförmigen, post-individuellen Zivilisation, geprägt von – wie man modern sagen könnte – habituellen, dispositiven, gouvernementalen Regimen der Reklame, der Statistik, der Hygiene etc. Im Modus eines Maschinencharakters erscheint diese Gesellschaft als ubiquitärer Funktionalismus einer total gewordenen Arbeitswelt. Die vorliegende Studie zeigt, dass dies auch Kästners Bild vom modernen urbanen Menschen ist, der im Käfig von Wissenschaft und Technik, Bürokratie und Wirtschaftsmacht haust. Gewiß, Jünger hat sich von dieser (den Trend einer Vernichtung des Menschen im Sog des totalen Nihilismus mit Genugtuung bejahenden) Haltung später distanziert (Martus 2001). Und so passt Kästner noch besser in dieses Schema. Denn Kästner teilt diesen Ekel vor der totalen Herrschaft von Wissenschaft und Technik, aber versteht dies als Verfall einer guten alten Zeit. Eine ganz anders positionierte Vision vom Maschinencharakter der neuen Welt ist zu entdecken bei Fritz Lang’s Stummfilm Metropolis, ein Werk (1925-26 gedreht, 1927 aufgeführt) des deutschen Expressionismus10, an amerika10 | Elsaesser 2000; Gehler/Kasten 1990; Jacobsen/Sudendorf 2000; Vana 2001.

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Erhart Kästner (1904-1974)

nische Wolkenkratzer (die Skyline als Denkform symbolischer Markierung verstanden als Inszenierung des modernen Subjekts: Damisch 1997) angelehnt und die marxistisch stilisierte duale Klassenstruktur des Kapitalismus zum Ausdruck bringend. Auch hier siedeln sich die Diskurse über die Variationen von »Maschinenmenschen« an. Dabei – ich sehe auch nicht, was ich textdatierungsgeschichtlich und hinsichtlich der Aufdeckung der christlichen Wende über Hiller von Gaertringen (1994), die allerdings kaum die tiefenschichtigen Inter-Textualitäten aufdeckt, hinaus hier leisten könnte – arbeite ich in der Quellendarlegung nicht extensiv mit literaturwissenschaftlicher Kompetenz (die ich nicht habe) an den Texten. Auf Kästners (vgl. auch Kästner 1994, S. 105) Beziehung zu Gerhart Hauptmann gehe ich später vertiefend ein. Der Briefwechsel und andere Materalien zu Hauptmann und Kästner liegen durch die Edition von Hiller von Gaertringen (2004a) vor. Dazu darf auch auf Tempel (2005) verwiesen werden, der deutlich konstatiert, Hauptmanns »Griechischer Frühling« blieb für Kästner »ein ferner Fixpunkt«. Blickt man genauer in die Forschungsliteratur (Nitzsche 1953) zu Hauptmann (etwa zu dessen Lichtsymbolik: Hurtig 1957; Wegner 1968), so ist es nicht auszuschließen, dass es noch tiefere Prägungen von Hauptmann auf Kästner gab. Dies ist mir gerade auch nach der Lektüre von Tank (2003) überaus deutlich geworden. Das betrifft die Zeitdiagnose im Lichte des Mythos der Medusa, die Prometheus-Figur, Rückzug unter der Maske mystischen Seelenschutzes, Mystik überhaupt, Urtypendenken, Lichtmetaphysik, Bezüge zu Guardini, Dionysos-Thematisierungen, die {Christos-Dionysos}-Figur, Italien-Liebe, die Bevorzugung des Griechischen gegenüber der römischen Macht, Odysseus und Entwicklung als Wachstum, Wissenschaftskritik, Landschaftsdenken, Zusammenhang zwischen Antike und Christentum, Christologie. Auch die angeführte Dissertation von Hurtig (1956) zeigt auf, wie Hauptmanns Werk durchgängig lichtmetaphysisch geprägt ist und insgesamt der Allzusammenhangs-Onto-Theologie des frühen Kästner blaupausenartig entspricht. Die frühe pagane Landschafts-OntoTheologie synthetisiert sich zu einem Interpretationskomplex {Dionysos : Christos}.

Alles kommt hier zusammen: Mystisches Naturerleben, Heiligung der Natur, Sehnsucht als Grundgefühl, anti-kirchliches theopathisches Christentum, Rückkehr zum Mythos, Synthesestreben, Betonung des Irrationalen etc. Nauhaus (2003, S. 465ff.) legt die Zusammenhänge nicht nur zwischen Hauptmann und Kästner, sondern auch mit Hugo von Hofmannsthal (dazu auch Meid 2012, S. 81ff.) dar. Daher werde ich die Relation zur Reiseliteratur von Hauptmann und von Hofmannsthal näher betrachten.11 Auch bei Hofmannsthal (Bechtle 1959, 11 | Zu Hofmannsthal (Weinzierl 2007; Volke 2004; Koch 2004; Dangel-Pelloquin 2007) auch Meiser 2014.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

S.  188ff.) sind die Dinge, vor allem in dem späteren Stück »Griechenland« von 1922 (in Hofmannsthal 2001, S. 11ff.) aufgeladen: Sonne, Stadt, Zeit, Schatten […], alles durchdrungen von mythischer Kraft. Deshalb komme ich weiter unten im Kapitel zu »Griechischer Frühling« von Gerhart Hauptmann als Blaupause für Kästners frühe pagane synkretistische Naturreligion nochmals auf diese Relation zu sprechen. Von Interesse ist (vgl. auch Meid 2012, S. 81ff.) Hofmannsthals »Augenblicke in Griechenland«, geschrieben im Zeitraum 1908 bis 1914, auch, weil wohl eine Reaktion auf Hauptmanns »Griechischer Frühling« (Hofmannsthal 2001) seiend.12 Doch ist Hofmannsthal im Rahmen seiner triadischen Strukturbildung nicht durchgehend im Ganzen aufgehend von harmonischer Seinsdurchdringung. Dies wohl in Teilen, wenn es um die Klostererfahrung geht. Dort – im Prosastück »Das Kloster des heiligen Lukas« – geht es um Spiritualität, Gelassenheit, Geborgenheit. Meid (2012, S. 86): »Antike und Christentum vermischen sich in einem Text, der in deutlicher Anlehnung an literarische und ikonographische Traditionen eine idyllische Szenerie entwirft.« Das ist ganz nahe zu Kästner – oder umgekehrt, durch Chronologie bedingt. Die Landschaft ist weitgehend/ völlig zeitenthoben, wie in Kästners Kreta. Taucht in der Bukolik bei Hauptmann die Panik angesichts des wilden Dionysos auf, so bei Hofmannsthal einfachste harmonische Ruhe. Eher Christos als Dionysos. Und eher transzendentale Geborgenheit als deren Negation bei Georg Lukács. Doch das weitere Prosastück transportiert (»Der Wanderer«) eher die Erfahrung von Verlust und Entfremdung. Hofmannsthal problematisiert die menschliche Existenz. Die Harmonie weicht. Leid und Einsamkeit werden Themen. Trotz aller Versuche (»Die Statuen«) der annähernden Rückgewinnung der Antike; es bleibt bei deren Verwesung. Kontrovers bleibt (Meid 2012, S. 114), ob (und wie) diese Negation wiederrum umschlägt. Beteiligt an der Reise nach Griechenland war auch Harry Graf Kessler, der aber sicherlich ein eigenes Thema darstellt (vgl. auch Ritter 1998; Grupp 1995; Brinks 2015).13 Ich nehme auch keine detaillierte und entsprechend dokumentierte Analyse der zeitlichen Textwachstumsgeschichte (Genese) und der Publikationszeitordnung vor14. Mir geht es um eine Einschätzung von Kästner insgesamt, wenngleich ich zur Kenntnis genommen habe, dass Universitätsprofessoren als der Wahrheit unwissend bei Kästner, ironisiert auch bei Pippi Langstrumpf im Rahmen ihrer 12 | Dazu u.a. auch Grundmann 2003, S. 295ff.; Götz 1992, S. 68ff., die eine psychoanalytische Analyse der Reiseliteratur von Hofmannsthal vorlegt. 13 | Erinnert werden kann auch an Max Frisch (Hage 2011), und zwar an dessen »Glück in Griechenland« (Frisch 1998). Schon sein Frühwerk »Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt« (Frisch 1998a) galt als jugendlicher Ausdruck der Zivilisationskritik vor dem Hintergrund der Lebensphilosophie (Kozljanic 2004), der Lebensreform- und Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Schmitz 1985, S. 24ff.). Auch ist wohl das Meer ein Symbol der Freiheit und der Erfüllung (Stephan 1983, S. 24). 14 | Vgl. dazu Hiller von Gaertringen 1994, S. 168ff.

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Erhart Kästner (1904-1974)

Spunk-Suche, schlecht wegkommen (Kästner 1974, S.  162). Dabei behaupte ich eine tiefe onto-theologische Dimension in Kästners Werk, die sich im Rahmen einer kulturellen Modernisierungskritik und Zivilisationskrisendiagnostik 15 – in der konstatiert wird, die Neuzeit16 insgesamt habe sich wieder der, allerdings selbst geschaffenen Moira (Kästner 1973, S.  143, S.  14017)18 verschrieben – von einer Daseinsontologie des göttlichen Äthers im Allzusammenhang der Natur19 transformiert zu einer in klösterlicher Einfachheit eingebetteten christlichen Religiosität. Diese kennt weder Raum noch Zeit (mehr) und treibt daher die Griechenlandsehnsucht zu einem spezifischen asketischen Modus der Transzendenz in der Immanenz20, die – in diesem Punkt sogar bei Rahner (1971) ganz anders, »modern«, gedacht als Spiritualität auch im Alltag – die Weltbezogenheit der menschlichen Existenz monadologisiert21. Sie monadologisiert die menschliche Existenz in der Selbstbezogenheit, die den innerlichen Ort der Öffnung hin zur

15 | Die typisch deutsche Unterscheidung (Institut für Sozialforschung 1974, S. 83ff.) zwischen Zivilisation und Kultur (Norbert Elias folgte dieser Unterscheidung allerdings nicht) ist auch hier wirksam: Aus der technischen Krise der Zivilisation folgt die geistige und seelische Krise der Kultur: Zivilisation : Kultur = Technik : Geist. 16 | Blumenberg 2007: Mit Blick auf die Problematik der »Legitimität« analysiert Blumenberg die Konstitution der Neuzeit im Zuge einer Diskussion der »Säkularisierung«. Damit wird das Selbstverständnis der Moderne problematisiert. Es wird nach den Voraussetzungen/Bedingungen für die Entbettung einer (der modernen) Epoche aus ihren bisherigen historischen Vorgegebenheiten gefragt. Es ist der Prozess der humanen Selbstbehauptung gegen den theologischen Absolutismus des Mittelalters, den Blumenberg diskutiert. Er arbeitet damit in Kontinuität zum Forschungsleitgedanken des »Absolutismus der Wirklichkeit«, die er anthropologisch (im Lichte der Arbeiten von Arnold Gehlen: Blumenberg 2014) herausgearbeitet hat. 17 | Während Kästner das Schicksalsverständnis der Griechen homerisch (Sarischoulis 2008; 2008a) auslegt: Kästner 1973a, S. 127. Zu Differenz des griechischen und des jüdisch-christlichen Schicksalsverständnis: Steiner 2014, S. 9ff. 18 | Moiren sind die mythischen Schicksalgöttinnen. Dazu in Bellinger 2012, S. 333f. Vgl. auch Giannoulis 2010. 19 | Paradigmatisch auch bei Otto, mitunter im Rekurs auf Hölderlin, der – ein Fehlurteil, aber die theologische Dogmatik von Kästner indizierend – aus Sicht von Kästner 1994, S. 105 an der synkretistischen Unentschiedenheit von {Christos = Dionysos} scheiterte (Kästner 1994, S. 105: »Synkretism nach Nietzsches Art sind abgetan und sind überholt.«), vorliegend. 20 | Dazu auch Schmidt 2004. 21 | Vgl. auch Roche 2013.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Offenbarung »von oben«22 abgibt.23 Kästner hat an einer anderen Stelle m.E. die menschliche Monade beschrieben (Kästner 1974a, S. 124): »Jeder ist so Zuschauer der Welt.« Und: »Einsam ist er in seinem Gehäus. Was ist der Mensch? Ein Träger von Bildern, die nicht mitteilbar sind. Ein einsamer Träger von Bildern in Wachen und Schlaf.« Und Hauptmann wird charakterisiert, er habe »ein Leben lang den Blick der Medusa« aufgefangen. Schlüsseltext ist u.a. die Patmos-Darstellung in Kästners »Griechische Inseln« (Kästner 1975a, S. 151ff.). Dieser Text dürfte den Dreh- und Angelpunkt der geistigen Entwicklung Kästners zum Ausdruck bringen, wenngleich gerade an diesem Text meine fehlende textgenetische Perspektive negativ zu Buche schlägt. Ich komme auf diesen Schlüsseltext natürlich nochmals intensiver zu sprechen. Das Oben24 ist Kästner so wichtig. Die Moderne hätte dies vergessen (Kästner 1974c, S. 67f.). Das Heil kommt nur von Oben (Kästner 1974c, S. 121). Bei aller Werkschätzung: Das ist – wenn auch kryptisch – Ausdruck einer gewissen Autoritarismusneigung diastatischer Theologie als Zuspitzung dialektischer Theologie, worauf ich weiter unten noch spezifizierend eingehen werde. Die Physik (Heisenberg wird als Täter angeführt) sei dabei gottverlassen (S. 69). * Ich werde zur wissenschaftsethischen Evidenz dieser (pubertär 25 wirkenden) Pauschalkritik auf die Neuzeit differenzierend eingehen müssen. Ist Kästner – nochmals: trotz Werkschätzung – wirklich im Diskurs nachhaltig ernst zu nehmen? Trotz meiner ostkretischen Lektürebegeisterung: nur sehr begrenzt! Und das gilt sodann für die konservative Revolution insgesamt. Insofern ist die vorliegende Studie auch eine gewisse Ideologiekritik dieser Denkgemeinschaft Gleichgesinnter. Natürlich: Kästner legt die Finger in die Wunde: Es geht um Erfüllung oder Leere (Kästner 1974c, S. 74). Oder (mit Heidegger gesprochen): um eigentliche und uneigentliche Existenz.

22 | »An den Präpositionen sollt ihr sie erkennen!« (Zahrnt 1967, S. 436). Ist Gott »über«, »gegenüber« oder »in« der Welt und dem Menschen. 23 | Und somit die Transzendenz in der Immanenz zur Transzendentalisierung – womit keine Rahner’sche Position gemeint ist – der Immanenz treibend. Kästner orientiert sich dabei an die Barth’sche Strömung der dialektischen Theologie. 24 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 45ff. Auch schon in Schulz-Nieswandt 2000. 25 | Das klingt gemein, soll aber sachlich aus entwicklungspsychologischer Sicht gemeint sein: Eine solche Gegen Alles-Haltung entspricht keiner personalen Haltung verantwortungsethischer Reife als charakterliche Selbstaufstellung des Menschen in seiner Welt.

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Erhart Kästner (1904-1974)

Mag26 die angedeutete theologisch konstruierte Korrelation (Paul Tillich 27) von Oben und Innerlichkeit bei Kästner an Romano Guardini28, den Kästner eindeutig – nur m.E. nicht breit, tief und produktiv-wohlwollend – rezipiert hat (Kästner 1994, S. 106), erinnern, so war dennoch Guardini in seinem Werk weitaus mehr offen für die politischen Fragen der Weltgestaltung (hier Paul Tillich ähnlich) als Kästner. Wie überhaupt es Guardini um Gestaltanalysen (Guardini 1985, S. 57) ging.29 Werden meint hier ein Sich-Hergeben und sodann Rückkehr in das reife Personale selbst (S. 71). Schon in seiner Arbeit über das System Bonaventuras (S. 33) behandelt er die Dimensionen Geisteslicht, Stufenordnung des Seins und Lebensantriebe. Guardini hatte dabei tiefes Gespür, ja analytische Zugänge zu den Motiven in ihrer tiefen seelischen Schichtung (S. 21). Gestalt-Werdung hängt aber an der geschichtlichen Wirklichkeit, die Guardini – anders als die eskapistische Offenbarungsfrömmigkeit bei Kästner – anerkannte und der als »Reichtum der Kultur« (S.  86) er sich zuwandte (S.  87). Daher ging es ihm immer auch um Daseinsdeutungen in Verbindung mit den Grundproblemen der Ethik und der Anthropologie. Die Barthianische Theologie eskamotiert die Anthropologie. Bei Guardini hat sie einen legitimen, existenzialen Stellenwert, einen signifikanten Ort in der Theologie (S. 45). Deshalb fiel seine Kulturkritik signifikant anders aus als im Fall der konservativen Revolution. Nun sollte man auch Kästner nicht mit Guardini oder Tillich vergleichen. Mit Bezug auf seine Prosadichtung war Kästner selbst explizit eher bescheiden30, aber angesichts der durchaus beträchtlichen Wirkgeschichte von Kästners Werk in der Rezeption der Mittelmeer-Träume der von den Dispositiven und gouvernementalen Regimen des Turbo-Kapitalismus und des Konsumfetischismus31 gestressten32 Menschen (so auch Kästner 1973a, S. 301)33 der europäischen Wohlstandszentren, geprägt von Serienprodukten und Modezyklen34 (Kästner 1990, S. 117f., 119f.), ist es bedeutsam, die existenzialen – daseinsthematischen35 – Sinnpotenzia-

26 | Vgl. in Schulz-Nieswandt 2015. 27 | Kriegstein 1975. 28 | Grundlegend zu Guardini: Gerl 1985 sowie Brüske 1998. 29 | Vgl. auch insgesamt dazu Jahr 1989. 30 | Dazu in Gander 2004, S. 28. 31 | Drügh/Metz/Weyand 2011. 32 | Kury 2012; Martynkewicz 2013; Richter/Berger 2013; Summer 2008. 33 | Neckel/Wagner 2013; Rosa 2013. Man lese bei Kästner 1990, S. 26f. »Ars Moriendi« i. S. einer Kritik des Leistungsprinzips als Grundlage des Habens- und Erreichens-Fetisch. Zum Fetischismus siehe Böhme 2006. 34 | Dazu auch Lehnert 2015. 35 | Die Daseinsthematik (»Formen der Daseinsermöglichung«: Thomae in Gadamer/Vogler 1973, S. 317ff.) ist ein Term, der der Psychologie der personalen Erlebnisgeschehens-

Zur Einführung: Kästner im Kontext

le, aber eben auch die daseinshermeneutischen Grenzen des Werkes von Kästner zu realisieren. Genau die Sinnfrage und die Daseinsqualität des Menschen stehen im Werk von Kästner im Mittelpunkt: »Neben Daseinsgrundproblemen wie Zeit, Geschichte, Zukunft, Sprache, Schmerz und Tod geht es um Grundlagen der modernen Zivilisation: Wissenschaft, Technik, Herstellung, Verbrauch; vor allem um Fragen des täglichen Lebens, verdichtet zu Modellen des Zeitgeists wie Wohlständler, Habenichtse, Langweiler, Auswanderer, Schweiger, Künstler, Einsiedler.« (Heinrich Gremmels im Nachwort zu Kästner 1990, S. 151). Gremmels36 konstatiert die aisthetische37 Haltung bei Kästner. Diese sei eine Wiederbelebung der Formen urgriechischer Seinsfrömmigkeit (S.  152): Ja, aber nur in frühen Phasen. Dann sank diese natürliche Seinsfrömmigkeit interpretativ zum Heidentum38 ab und das christliche Byzanz39 steigt bei Kästner auf. Weiter Gremmels (S.  152): Dies sei »kein Romantizismus, sondern meint einen existenziellen Widerstand gegen den technischen Leviathan, der die Freiheit der Menschen, ebenso wie die Natur der Dinge, zwar unauffällig aber beharrlich bedroht.«40 Da helfe nur das reine, zwecklose Wort der Dichtung, also Kästners Prosadichtung.

ordnung von Hans Thomae 1968 entnommen ist. Fortgeführt ist der Ansatz von Andreas Kruse (z.B. Kruse 2013). 36 | Gremmels gehörte mit Nebel zum »Der Bund (Akademische Gesellschaft)«, eine »Gesellschaft zur geistigen Erneuerung« der Wuppertaler Stadtverwaltung (1946-1975). Zur sozialistischen Vorläuferorganisation vgl. Homberg 2008, S. 119ff. Dies zeigt die schwierige Klassifizierung dieser geistigen Kräfte von Personen im Umfeld von Kästner. Vgl. zur Frage von Tiefenschärfe und Unschärfe in der Klassifikation auch Fröschle/Kuzias 2008. 37 | Zirfas/Liebau 2008. 38 | Mitunter nutzt Kästner den Heidenbegriff politisch naiv: »unwissend wie Heidenkinder« (Kästner 1974a, S. 157). 39 | Das byzantinische Reich wird in der neueren Byzantinistik nicht mehr mit überzogenen kulturellen Stereotypen wie Cäsaropapismus oder halborientalischer Despotie behandelt. Byzantinismus galt lange Zeit als Haltung extremer Unterwürfigkeit. Dennoch war das byzantinische Reich sicherlich bürokratisch straff und hierarchisch organisiert und die proskynetische Huldigungsritualistik ist typisch. Dazu auch Lang 1926. Ich habe eine Kritik der proskynetischen Haltung (auch des Kotau) in anderen Kontexten formuliert: vgl. in Schulz-Nieswandt 2010 (S. 30ff. zum Kotau) und 2010a (S. 248, S. 251 zur Proskynese). Die proskynetische Haltung habe ich entwickelt u.a. in Schulz-Nieswandt 2007, auch schon in Schulz-Nieswandt 2002. Dabei stellt sich das Thema in den Forschungskontext einer archetypischen Morphologie der Sozialpolitik zwischen Genossenschaft (SchulzNieswandt 2006b; Schulz-Nieswandt 2015b) einerseits und Herrschaft im Modus sakralen Königtums andererseits (Schulz-Nieswandt 2000a und 2003, 2010a, S. 231ff., S. 251ff.). 40 | Zur Metapher des Leviathan vgl. auch Ebach 1984.

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Es wird zu zeigen sein, dass Gremmels Kästner m.E. zu positiv und somit unkritisch interpretiert: »Kästner bejaht die Technologie als Grundgesetz des modernen Lebens« (S. 152) – aber wo in seiner Prosadichtung? Mitunter in seinen Literaturkommentaren und Stellungnahmen zur modernen Kunst oder in Briefen? Dort und in seinen rezipierten Hauptwerken m.E. nicht. Und weiter: »aber ihn ängstigt ihr Totalitätsanspruch, ihre demiurgische Tendenz, die Welt von Grund auf neu zumachen.«41 Da helfe eben nur das reine, zwecklose Wort (S. 153). Und die »Liebe: deren evangelischen Ursprung Kästner immer bewahrte.« (S. 153) – aber sich, wie zu zeigen sein wird, im Verlauf des Gesamtwerks zunehmend verflüchtigt. Die internen theologischen Gründe werde ich skizzieren. Ich versuche also darzulegen, dass im Zuge des Wandels innerhalb der Werkgeschichte von Kästner etwas verloren geht. Dabei muss ich Position zur Bestimmung einer Onto-Theologie beziehen. So wie Paul Tillich42 (1886-1965) in seiner systematischen Theologie43 gesagt hat, die Philosophie beschäftige sich mit der Struktur des Seins, die Theologie mit dem Sinn des Seins, so will ich mich daran orientieren.44 * Somit entfaltet sich, wie ich bereits in den Vorbemerkungen im Lichte einschlägiger Sekundärliteratur konstatieren konnte, ein werkimmanenter Wandel bei Kästner, da beim frühen Erhart Kästner, bevor er ins byzantinische Christentum mystischer Weltabgewandtheit abtaucht, dem Landschaftserleben – sehend, hörend, fühlend – eine onto-theologische Musik abgewinnt. Hier, in dieser frühen Phase, bevor er mit fortschreitenden Jahren nach 1945 seine Weltoffenheit primär nur auf die Rolle als Kunst- und Literaturszenenpartizipant reduziert, taucht Kästner noch in das ländliche Alltagsleben ein und erfährt in der Einfachheit archetypisch die Gabe und die Gastfreundschaft. Doch all dies wird er später abwerten als jugendlich-romantische Griechenlandsehnsucht. Im Lichte der Erfahrung des Äthers: Dieses Erlebnis teilte also (vor allem, was mich durchgängig beschäftigen wird, der frühe) Erhart Kästner in seiner Prosadichtung (wie ich es bezeichnen möchte) mit, Ergebnisse, die sich um seine Griechenlandwanderungen und –reisen drehen.

41 | Zum Demiurgischen: Theiler 1957. 42 | Schüßler/Sturm 2007; 2. Aufl. 2015. Zu Tillich auch Dienstbeck 2011. 43 | Tillich 1987. 44 | Wenngleich wissenschaftstheoretisch hierbei ungelöste Probleme (bereits erkennbar im marburgischen und südwestdeutschen Neu-Kantianismus) des Dualismus von Sein (Struktur) und Sollen (Sinn) auf- und durchscheinen. Doch dazu möchte ich auch gerade wegen des umfangreichen Schrifttums (Köhnke 1986), das hierzu vorliegt, nicht weiter Stellung nehmen.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Die Wandlungen sind demnach nicht als Transformationen darzustellen, die auf verschiedene Phasen sich beziehen lassen, welche wiederum jeweils in Differenz zueinander in jeweils reiner Andersheit erkennbar sind. Als früh verstehe ich die Bücher »Griechenland« (1942) und »Kreta« (1946). »Ölberge, Weinberge« von 1953 ist eine Überarbeitung seiner frühen Griechenlandberichte, ebenso »Griechische Inseln« von 1975. Hier zeichnen sich bereits christliche Transformationen ab. 1956 erscheint die »Stundentrommel vom heiligen Berg«. Die sich herausschälende Byzantisierung des Offenbarungserlebens ist eine zuspitzende Variation der christlichen Transformation. Auslösende Episode mag das Erleben der Kriegsgefangenschaft gewesen sein, von der »Das Zeltbuch von Tumilat« ein Zeugnis ablegt. Weitere Publikationen – wie »Die Lerchenschule« von 1964, »Aufstand der Dinge« von 1971, »Der Hund in der Sonne und andere Prosa« von 1975 – dokumentieren diesen transformativen Wandel. Die christliche Wende seiner eher pagan wirkenden frühen Landschaftsfrömmigkeit hat die Sekundärliteratur erkannt und breit herausgestellt. Dass die Überarbeitungen seiner frühen Griechenlandbücher in den Nachkriegsjahren auch eine Bereinigung nationalsozialistischer Passagen aufweisen, ist ebenso erkannt und kritisiert worden. Dies soll hier aber kein großes Thema sein. Kästner ist für kein Kriegsverbrechen angeklagt. Seine – allerdings nie explizit reflektierte – fehlende Systemkritik holt er sodann in dem Modus seiner global generalisierten Totalitarismuskritik nach. Reduzierte er im Sinne eines Selbstmanagements eine kognitive Dissonanz, die in ihm wühlte? Das wird noch zu behandeln sein. Mich interessiert eine inter-textuelle Hermeneutik von Kästners Werk. Denn seine komplexen Verschachtelungen mit Personen, die dem Kreis der konservativen Revolution zugerechnet werden, ist bislang ausgeklammert worden. Das Problem ist weniger, dass ein Mensch den Eindruck hat, er müsste im Lichte einer christlichen Überhöhung dieses Landschaftserleben nochmals übersteigen. Schauen wir auf Guardini und dessen Hölderlin-Rezeption. Ich möchte nicht nochmals meine strukturale psychodynamische Analyse von Guardini an dieser Stelle wiederholen (Schulz-Nieswandt 2015). Gleiches gilt für Guardinis Rilke-Rezeption. Letztendlich finden in der Sicht von Guardini Hölderlin und Rilke – als Formen indirekter Verkündigung45 – ihre Grenzen im fehlenden Sprung in eine reine christliche Haltung. Aber dennoch werden von Guardini diese begrenzten Leistungen von Hölderlin und Rilke zutiefst bewundert, ja als geniales Eintauchen in die Geheimnisse des Daseins gehuldigt. Bei allem christlichen Überschreiten der Grenzen bei Guardini bleiben Hölderlin und Rilke in ihren Immanenzerlebniswahrheiten ohne wirkliche Abwertung seitens Guardini. Dies zeigt sich bei Guardini etwa auch in seiner wunderschönen Analyse von »Form und Sinn der Landschaft in den Dichtungen Hölderlins«46. All das – diese tiefe 45 | Dazu auch Wechsler 1973, S. 138. 46 | Guardini 1946.

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Psychodynamik, das Leben als Musik zu verstehen47, den Rhythmus48 des Lebens in seinen Entgrenzungen und Übergangspfaden49 zu entschlüsseln, müsste umfassend entfaltet werden.50 Aber Kästner ist hier das Thema, während Guardini eine wichtige implizite Relation darstellt. Auch Kästner hätte diesen tiefen Bezug zur Landschafts-Onto-Theologie nicht aufgeben oder so stark zurück drängen müssen. Aber auf dem Weg zum konservativen Kulturkritiker der totalitären Welt im Modus des Eskapismus musste er offensichtlich die innige Bindung an diese Welt kappen. Im Verlauf der Kapitel werde ich an vielen Stellen deutlich machen, dass dieser Wandel nicht linear und stetig zu verstehen ist. Die Landschaftssehnsucht und die Naturfrömmigkeit bleiben auch in den Griechenlandreflexionen nach 1945 mehr oder weniger präsent. Aber die paganen Wurzeln werden christlich transformiert. Und die Erfahrungen der Wahrheitsgestalt des Daseins im Allzusammenhang weichen der Zivilisationskritik. Diese Zivilisationskritik findet sich bei vielen Anhängern der untergegangenen griechischen Antike (herrlich die Formulierungen von Edschmid (1962, S. 45f.) in seinen »Rundblick« »Stürme und Stille am Mittelmeer« (1962). Hier wird die altgriechische Tugend-Paideia im sportlichen Bereich der modernen Idiotie der »Rekordmenschen«, der »Sportzüchtungen«, der »Spezialisten« gegenübergestellt.51 * Werde ich die werkbezogenen, impliziten Inter-Textualitäten herausarbeiten, wird bereits eine andere Inter-Textualität deutlich. Ich habe dies in den Vorbemerkungen bereits angedeutet. Ich lese mit der Brille eines jemeinigen Textes die Texte von Kästner. Diese Ebene einer Inter-Textualität ist hermeneutisch unabdingar.52 47 | Vgl. auch insgesamt dazu Janke 2005. In der neueren kulturwissenschaftlichen Öffnung zur Musik ist diese daseinsthematische Tiefe aber wohl kein zentrales Thema: vgl. etwa in Conersmann 2012. 48 | Auch Helbling 1999. 49 | In Grenzen auch bei Buber 1964. 50 | Die tiefsten Metaphern – die Musik der Zikaden und das Glitzern der Olivenhaine – werden kurz und dicht zu behandeln sein. Bei allen Interdependenzen, die ich entwickeln kann, bleibt eine vollständige Entfaltung der Daseinstiefe im Rahmen (Modus) einer wissenschaftlichen Analyse nicht möglich, findet hier nicht ihre Form. 51 | Zu Edschmid auch die Studie von Schlösser 2007. 52 | Ich unterscheide daher eine Hermeneutik 1. Ordnung (Alltag sozialer Wirklichkeit) und Hermeneutik 2. Ordnung (Wissenschaft des Alltags). Der Alltag ist zu verstehen als Reziprozität der de-zentrierten Subjekte mit je eigenen Text-Inskriptionen. Es handelt sich also um eine Relation, die weder im Rahmen einer egologischen Phänomenologie noch in einer zwei-poligen Egologie im Sinne einer generativen Inter-Subjektivität zu verstehen ist. Vielmehr handelt es sich um eine horizontale Inter-Textualität von Rezeptionssinn und

Zur Einführung: Kästner im Kontext

In diesem Rahmen ist etwa meine Auseinandersetzung mit Guardini zu verstehen, damit implizit auch mit Hölderlin und Rilke. Dabei fällt es mir eher einfacher, mich auf Tillich zu beziehen, während die Gottesdominanz bei Guardini – letztendlich – doch urteilsfällend vom Himmel fällt. Dies gilt mit Blick auf Guardinis Gesamtwerk. Man kann diese liminale Haltung zwischen Oben und Unten bei Guardini sehr schön studieren in seinen theologischen Briefen an einen Freund (Guardini 1982). Betrachtet man einzelne Bausteine, einzelne Arbeiten von Guardini, so fällt das Urteil sehr differenziert aus. Dagegen bleibt Tillichs symboltheoretische Erörterung Gottes hinter Gott, hier abweichend von der harten dialektischen Theologie bei Karl Barth, humanistischer angelegt (dazu differenzierter in Schulz-Nieswandt 2017). Dennoch liegt der Rekurs auf die existenziale Sicht bei Guardini nahe, wenn dessen Weltzugewandtheit angemessen erschlossen wird. Tillichs theonome Kultur ist dennoch akzentuierter und verweist auf meine Blickrichtungen auf die pantheistischen Dimensionen einer daseinsbezogenen Onto-Theologie, schon bei Walter F. Otto. Auch spielen die struktural-psychodynamischen Analogien, die bei Otto wie bei Guardini (u.a.: siehe in Schulz-Nieswandt 2015) prägnant ausgebildet sind, eine konstitutive Rolle für mein Erkenntnisinteresse wie für meine wahrheitssontologischen Fragen. Vor diesem Hintergrund schimmert deutlich mein Bedauern durch, wenn Kästner seine frühe Onto-Theologie aufgibt als spätadoleszent-romantisches Intermezzo zugunsten eines christlichen Eskapismus, der sich mit konservativer Zivilisationskritik paart, um eine elitär-intellektualistische Haltung des Ekels zu performieren. Mit negativer Gesinnungsethik ist dieser unserer Welt eben nicht angemessen zu begegnen. Deshalb ist auch die gängige Rede der Sekundärliteratur, Kästner sei ein unverbesserlicher Humanist, problematisch bzw. problematisierbar. Er verkörpert habitualisiert eher einen postzivilisatorischen Post-Humanismus, der in seiner literarischen Strategie auch durchstilisiert inszeniert wird. Kästner weist eine Reihe von Stellungsnahmen zur modernen Gesellschaft auf, in denen auch die Sozialpolitik und die soziale Marktwirtschaft abgewertet werden (vgl. auch im Schlusskapitel von Schulz-Nieswandt 2016). Ich fokussiere auf die Zitation einiger dieser Textstellen von Kästner demnach, schließlich ist dies mein eigenes eigentliches Fachgebiet, aus sozialpolitischen Erkenntnisinteresse heraus. Aber es geht – ich folge modifiziert Gadamers Differenz von Wahrheit und Methode – eben nicht nur um Wissenschaft als Erkenntnis. Es geht, Heideggers Differenz zwischen Ontologie und Ontischem aufgreifend und durch die neuere (vor allem aus Frankreich stammende) politiktheoretische Differenz Produktionssinn. Sodann kommt es zu einer vertikalen Inter-Textualität als Hermeneutik der Hermeneutik. Vgl. dazu auch in Schulz-Nieswandt 2016. Zugleich kommt die jemeinige Psychodynamik, wie sie als persönliches Landschaftserleben von mir bereits in den Vorbemerkungen angesprochen worden ist, ins Spiel. Es ist zugleich ein jemeiniges Ringen mit der Frage, wie stehe ich nun zum Religiösen. Es ist die Angst der Wissenschaft, die eigenen Ängste statt zu reflektieren, diese einzuklammern, auszublenden und zu verdrängen.

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zwischen dem Politischen und der Politik filternd, um die Wahrheit des Daseins: Ob es dem Menschen gelingt oder ob der Mensch, auch als Kollektiv, das gelingende Dasein verfehlt. Nur oberflächlich ähnelt die habitualisierte Haltung der konservativen Revolution der Kritischen Theorie, wenn beide Positionen fragen, ob in dieser Welt ein gelingendes Dasein überhaupt möglich ist, also (nicht ohne Pathos wie in »Minima Moralia«) nach passenden »Reflexionen aus dem beschädigten Leben« (Adorno 1962) suchend. Denn der Kritischen Theorie (und auch jenen theologischen Positionen, die ich den eskapistischen Krypto-Theologismen von Kästner entgegen halten werde) geht es, um mich an Ernst Bloch zu orientieren, um eine Ontologie des Noch-Nicht 53, die aber immer im jeweiligen Jetzt und Hier ihre topographische messianische Wahrheit findet. * Auf das Thema der Griechenlandsehnsucht fokussiere ich also zunächst die Analyse. Es wird dies der rote Faden der Gesamtanalyse bleiben. Doch wird die Analyse Umwege gehen müssen, verschlungenen Pfaden folgen, um das Problem letztendlich tiefer zu analysieren als es bislang in der Sekundärliteratur der Fall war. Daher sind, unvermeidbar, wenn man in die Tiefe vordringen will, komplexere Analysebezugssysteme generiert worden. Werkbezogene Inter-Textualitäten54 , 53 | Vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2015a; vor allem auch in Schulz-Nieswandt 2015c. 54 | Im Untertitel der vorliegenden Studie ist implizit eine Perspektivenfloskel »Im Lichte« – im Freundeskreis (bezugnehmend auf diese von mir häufig genutzte Formulierung) bereits ein Dauerwitz – installiert, doch ist die dauerhafte Betonung auf die Perspektivität zwingend notwendig. Man versteht semiotisch die Phänomene nur relational im Kontext, ein signifikantes Motiv erst in der Signatur seiner Texte. Jedes Phänomen braucht seine Lichtung, muss »im Lichte« der konstitutiven Texturen verstanden werden. Es gibt immer die tieferen Schichten, die ans Licht gebracht werden müssen. Diese Hermeneutik ist eine Mehr-Ebenen-Sinn-De-Konstruktion; Hermeneutik und Strukturalismus gehen eine epistemische Synthese ein. Die generative Psychodynamik des Subjekt folgt einer Inskription der kulturellen Grammatik des Transaktionalismus der Person in seiner Welt, in der sie bei aller exzentrischen Positionalität geworfen bleibt; Struktur mit Dominante (L. Althusser) bedeutet hier, dass – der ökologischen Begrifflichkeit von Jakob von Uexküll verändernd folgend – die Kreativität (Wirkkreis) den Gestaltbildungen der Plastizität (Merkreis), allerdings transzendierend – eingebunden bleiben. Auch der moderne Mensch ist und bleibt eine platonische Wachstafel, Lacan hat die Sprache dieser kultivierten Seele entschlüsselt und Freuds späte Idee des psychischen Apparates fortentwickelt. Der Mensch ist immer nur ein Selbst im Knotenpunkt seiner sozialen Beziehungen (so eine Formulierung von A. de SaintExupéry), ist immer nur ein Selbst im figurativen Netz seiner sozialen Rollen, eine narrative Identität, in der seine höchst individuelle Lebensgeschichte die Dichte verschiedenster Geschichten ist, in die er verstrickt ist. All das ist aus der neueren Sozialphilosophie und Kulturwissenschaft hinlänglich bekannt. Insofern überrascht auch nicht, dass und wie

Zur Einführung: Kästner im Kontext

die ich als wesentlich personalisiere, zeichnen im Bezug zu Gerhard Nebel eine Dominanz55 ab, im Hintergrund zu Ernst Jünger56, weniger zu dessen Bruder. Natürlich ist die Beziehung zu Heidegger zentral in die Betrachtung einzubeziehen. Gerhart Hauptmann (in seiner Hinwendung zur Antike57 und zum Mythos58) spielt eine deutliche Funktion, aber auch Hugo von Hofmannsthal mit seiner Lichtmetaphysik, den Orient 59 (stärker noch bei Vietta 1955) dabei – dem europäischen Synkretismus angemessen – mit einbeziehend. Allerdings liegen hier die Inter-Textualitäten anders gelagert als im Fall der revolutionär-konservativen Figurationen. Bei der Frage der Beziehung zum Werk von Hauptmann und von Hofmannsthal, der früh schon an der Begriffsbildung der konservativen Revolution beteiligt war60, geht es um deren Griechenlandsehnsucht und des Antikenideals mit Blick auf die frühe onto-theologische Landschaftssehnsucht von Kästner. Sodann spielt in einem theologischen Rezeptionszusammenhang die Positionen von Karl Barth61 und (negativ) Rudolf Bultmann eine gewichtige Rolle. Doch diese theologischen Positionierungen spielen sich bereits in der der Mensch der gegenwärtigen Gesellschaft im Lichte – da ist es wieder – langer Dauer in archetypischer Weise die ewig gleichen Daseinsthematiken problematisch aufwirft. 55 | Mitunter kann man sich fragen, ob die meisten griechenlandssehnsüchtigen Elemente vieler hier genannter Autoren nicht bereits bei Hölderlin angelegt sind. Zur »Erfindung der Antike« bei Hölderlin vgl. Honold 2002, an Foucaults Blick geschult. Man lese vor allem Hölderlins Hyperion (Hölderlin 2005). Eine solche Einschätzung fand ich auch bei Ludwig Curtius 1952, S. 261. An Korfu (vgl. auch Gregorovius 1952a) erlebe man süd-ostwärts Helios als Licht-Erlebnis (S. 265). So könne auch der moderne Mensch ein Grieche ein. Ansonsten sei angemerkt, dass Ludwig Curtius »Lebenserinnerungen« durchaus eine Fundgrube relevanter Überlegungen zu meinem ganzen Themenkreis darstellt. Eine Hebung dieses Schatzes soll aber an dieser Stelle unterbleiben. Vgl. ferner Curtius 1957. 56 | Hagestedt 2004; Kiesel 2009; Wimbauer 2004 (bei dem [S. 203, S. 197], mit Bezug auf Leonhard Fischer noch eine weitere interessante inter-textuelle Relation ausgegraben wird); Schöning 2014. Was im Lichte der biographischen Aufarbeitung von Magenau 2012 aussteht, ist eine psychodynamische Traumanalyse der Jünger-Brüder. U.a. in den Briefen werden Träume geschildert, die einer näheren Diagnostik bedürften. Dies bleibt Forschungsdesiderat. 57 | Voigt 1965. Dazu auch Beiträge in Schrimpf 1976. 58 | Dazu auch Ries 1952. Dabei spielt auch die Idee der Wiedergeburt eine Rolle, weniger christlich, eher archaisch: Leiner 1955. 59 | Esselborn 1969, S. 17. 60 | Schumann 1939; Nicolaus 2004, S. 78ff.; komplex differenzierend Mionskowski 2015, S. 77ff. 61 | Zu Barth vgl. auch Kupisch 1996. Dabei referiere ich recht grob, aber wohl nicht falsch (offenbarungstheologisch-systematisch: Stosch 2010; auch in Stosch 2014) die Positionen von Barth und seinen Kontrahenten. Gerade die neuere Literatur belegt erneut die Komplexität und Differenziertheit der Konturen der Auseinandersetzungen (Trowitsch

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nach-romantischen Phase im Selbstbild von Kästner ab. Dabei partizipiert Kästner an theologischen Diskursen, sofern es um seine Selbstpositionierung geht; ansonsten hat er im Rahmen seiner allgemeinen Wissenschaftsfeindlichkeit kein Interesse an systematischer Theologie. Seine Orientierung an der byzantinischen Orthodoxie plausibilisiert dies, denn diese ist 62 meditativ in der Praxis und wenig an theoretisch fundierter Systematik in der Theologisierung interessiert. Kästner entlehnt (offenbarungstheologisch motiviert) der dialektischen Theologie von Barth die Figur des unverfügbaren einen Gottes. Gott ist hier das radikal ganz Andere, wenngleich Barth diese Kategorie von Rudolf Otto nicht so positiv rezipierte wie Tillich. Rudolf Otto war phänomenologischer Religionsforscher; Barth ging es um die einzig wahre Theologie des christlichen Glaubens. In dieser vertikalen »von oben herab«-Theologie des menschlich unverfügbaren Gottes der Offenbarung der Gnade bei Barth geht es – daher entgegen Bultmann – nicht um existenztheologische Hermeneutik des Menschen, wie auch bei Tillich, »von unten«. Oben ist oben, unten ist unten; Gott ist Gott, Mensch ist Mensch. Und die Welt des Menschen ist schlecht. Höre63 das Wort. Guardini dagegen bemüht sich um eine etwas andere Architekturgestalt der Relation. Eine Stelle in seinen autobiographischen Aufzeichnungen (Guardini 1985, S. 99) ist bezeichnend. Man spürt sein Leiden in der realpolitischen Hierarchie-Macht-Praxis der katholischen Kirche, doch er liebt zu sehr seine Vision einer liturgischen Gemeinschaft (hier falsch rezipiert bei Braungart 1997, S. 58), um eine Position der radikalen Opposition einzunehmen. Oftmals ist er dennoch schmerzlich angeeckt. Auch seine Beteiligung an der Zeitschrift »Hochland« (dazu auch Giacomin 2009) galt als Indikator eines bösartigen Liberalismus. Hochland galt als Teil der deutschen Renouveau catholique. Doch: Das Dogma sei aber »kein Werkzeug einer kirchlichen Geistespolizei« (S. 43; vgl. auch S. 36). Und wie so oft typisch für die doxische Anstaltskirche klerikaler Macht übte man sich auch im Fall von Romano Guardini in dem üblichen Schema, er sei ja mehr Religionsphilosoph als Theologe. Die Stelle, um die es geht, handelt von der brüderlichen Haltung des Priesters gegenüber dem Laien: »ich weiß, was man einwenden kann: Das christliche Dasein gehe nicht vom Menschen, sondern von Gott aus und sei daher wesenhaft ›Befehl‹, demgegenüber es nur den Gehorsam gebe.« Es ist mir überaus klar, dass meine Interpretation von Barth – dessen »unerbittlichen ›Nein!‹« (und dessen Vorwurf der Irrlehre gegenüber Bultmann sowie die darin angelehnte Entfremdung von Brunner) in der Rezeption unterschiedlich wahrgenommen und hingenommen wird (vgl. auch in Reinisch 1960) – mitunter als falsch oder zumindest stark verkürzt/verzerrt eingeschätzt wird 2012; Weinrich 2013). Dies gilt für den Vergleich zu Tillich »zwischen Himmel und Erde« (Gallus 2007) ebenso wie für den Streit zwischen Barth und Bultmann (Jaspert 2014). 62 | Folge ich Mc Grath 1997, S. 71ff. 63 | Zur Theologie des Hörens vgl. auch Lincoln 2014.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

oder werden kann.64 Aber es gibt zwei Aspekte zu bedenken. Ein Aspekt hat mit dieser Art von dialektischer Theologie bei Karl Barth65 zu tun, auch ohne Bezug zu Kästner. Der zweite Aspekt hat etwas mit Kästner zu tun. Zunächst zum ersten Punkt: Es ist selbstverständlich bekannt, dass Barth privat der demokratischen Sozialkritik zuneigte; und sein Engagement als bekennende Kirche gegenüber dem deutschen Faschismus ist ebenfalls bekannt. Aber man wird kritisch fragen müssen, ob diese Totalitarismuskritik wirklich nur zum Preis einer solchen Theologie der Herrschaftsprädikation Gottes supranaturalistischer Art erkauft werden muss.66 Diese – wenn auch gut gemeinte – in der altorientalisch-alttestamentlichen Metaphernwelt von Hirte und Herde wurzelnde, sich auch noch in altägyptischer Tradition im Christustitel67 als Variante des Pharaonentums68 weiter transportierende Weltdeutung muss dem modernen Menschen schwer verdaulich aufstoßen und muss deshalb genau dem Ent-Mythologisierungsprogramm Bultmanns unterzogen werden. Derart infantilisierend69, so meine ich, kann die Mündigkeit des Menschen zur Kritik der eigenen Verhältnisse nicht fundiert werden. Herrschaftskritik muss auch ohne Letzt-Sakralisierung durch Bezug auf den Absolutismus einer transzendenten Gottperson, die menschliche Person überhaupt erst konstituiere, möglich sein. Hier zeichnet sich eine eigene Variante der Dialektik der Aufklärung ab: Indem der Mensch die politische Herrschaftsfolgen seiner misslingenden Welt-der-Dinge-Eroberung in der dialektischen Theologie zu überwinden versucht, unterwirft er sich erneut einer absolutistischen Herrschaft, die kritisch hinterfragen lassen muss, wieso sich der Mensch aus einer erneuten Kindheitsmetapher angesichts einer unbedingten Vaterliebe, die – das ist der Kern der Theologie der Gnade (und der Demut als Korrelativ) – auch ohne den Menschen auskommt, nicht befreit. Diese transzendente Transzendentalität wird umgekehrt gedacht werden müssen: Immanente menschliche Transzendentalität 64 | Dazu etwa Lienemann 2005, S. 33f.; vgl. auch Holtmann 2007. 65 | Korsch 1996. 66 | Vgl. auch in Schüßler 2015, S. 119ff. Ob die Kategorie des Supranaturalismus, wie sie in den etablierten Handbüchern der Theologie und auch der Philosophie (u.a. im TRE) abgehandelt wird (vgl. auch Deneffe 1922), auf Barth übertragen werden kann, ist strittig. 67 | Ich möchte hier aber nicht vertiefend in die Christologie-Debatte eintauchen: Hoping 2014; Danz 2013. 68 | Zu dieser klassischen Debatte vgl. z.B. die Beiträge von Cullmann 1975 und Kügler 1997. Die Idee des Gottkönigtums – und somit die Idee des Sohn Gottes – entstammt aus altorientalischer Zeit seit ca. 2000 v. Chr. Der Pharao war Sohn des Gottes Amun, Alexander im Hellenismus war Sohn des Zeus. Ähnliches galt für Augustus ab 42 v. Chr. Auch alttestamentliche Analogien (u.a. in den Königspsalmen) lassen sich ausmachen. In diesem Sinne sind auch die Hoheitstitel (Gesalbter; Kyros) im Christentum zu verstehen. Vgl. u.a. Müller 1996; Otto/Zenger 2002. 69 | Hierzu müssten die entwicklungspsychologischen Überlegungen zur religiösen Sozialisation (Büttner/Dieterich 2013) weiter gedacht werden.

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ermöglicht – dann eventuell mit Bezug auf göttliche Schöpfung – die Kritik der Verhältnisse. Zum zweiten Punkt: Kästner entleiht sich bei Barth seine offenbarungsreligiöse Haltung. Er steht dann im Widerspruch zu Barth, wenn er auch die sozial zu verbessernde Welt ablehnt, radikalisiert aber sein Barth-Rezeptionsbild dort, wo er zur totalen Totalitarismus-Kritik im planetarischen Universalismus ausholt. Barthianer ist Kästner somit auch dann, wenn er rezeptionshermeneutisch falsch liegt. Seine Rezeption bleibt also ambivalent angesichts der privaten politischen Position von Barth. Was Kästner und Barth wiederum vereint, war die Metapher der Wüste 70 zur Selbstanalyse personaler Erlebnisgeschehensordnung.71 Doch zurück nochmals zu meiner (sicherlich strittigen) Rezeption der dialektischen Theologie von Karl Barth. Rechtfertigung findet seit der Reformation nicht zentral im Modus des sozialen Tuns statt. Die Ambivalenzen – und deshalb wird die theologiegeschichtlich subtile Debatte um die Zwei-Reiche-Lehre und um den Römerbrief zumindest am Rande eine Rolle spielen – tun sich auf: Wie steht es mit der alltäglichen Nächstenliebe und somit um ihre generalisierte Modalität, die sich Sozialpolitik und Sozialreform nennt? Bei Kästner wird die Haltung eindeutig ausfallen: Alles nur nutzlos, wirkungslos, nur Makulatur. Wozu sozialer Wohnungsbau, geht es doch eher um die anachoretische Einfachheit. Die Partizipation im Literaturbetrieb bleibt als Szene offensichtlich dennoch attraktiv; doch auch hier gilt: »Psyches iatron!« 72 Die Frage bleibt auch hier, ob die Sehnsucht in der Kunst, Ganzheit und Fülle in alternativer Weltentwerfung jenseits der Entfremdung uneigentlicher Existenzführung als Daseinsverfehlung sich nicht knüpfen muss an engagierter Sozialkritik 73. Diese macht dann aber nur Sinn, wenn ein Kairos-Potenzial messianischer Jetzt-Zeit und Hier-Örtlichkeit für reale Veränderung besteht, also Gestaltbarkeit im Lichte einer Ontologie des Noch-Nicht als Denken in konkreter Utopie möglich ist. Die anders gelagerte Inter-Textualität mit Hauptmann und Hofmannsthal hat mit dialektischer Theologie nichts – jedenfalls nicht direkt 74 – zu tun. In der OntoTheologie der Landschaft erlebt der Mensch die Musikalität seines Daseins. Hier geht es um das Göttliche seines Seinszusammenhangs, nicht um den einen Gott. Daher steht die Lichtmetaphysik eines Landschaftserlebens im Mittelpunkt des Systems aller Sinne des personalen Erlebnisgeschehens. *

70 | In Bezug auf Barth vgl. Stüssi 2006 in der Besprechung zu Schildmann 2006. 71 | Vgl. dazu auch Greshake 1990. 72 | Dazu auch in Fliedl u.a. 2011, S. 402ff. 73 | Dazu auch Kaiser 2011. 74 | Dann schon, wenn die Ablehnung jeglicher natürlicher Theologie bei Barth bedacht wird.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Eine Fülle von Bezugspunkten ergibt sich aus Kästners Kommentaren zur Kunst, zur Literatur ebenso wie zur Malerei. Ich werde u.a. die Beziehung zu Altenbourg aufgreifen, aber auch zu Huchel. Ein Vergleich zu Albert Camus wird mich beschäftigen, wenn auch nur knapp, allerdings mit einem systematisch bedeutsamen Hinweis auf einen liminalen Text von Kästner, der (auf die Hirten-Thematik eingehend) einen Übergang innerhalb der Werkdynamik von Kästner markiert, dabei auch die Abgrenzung zu Sartre aufgreifend. Schwer zu erklären ist die relative Marginalisierung der inter-textuellen Relevanz von Friedrich Georg Jünger. Meine Hypothese hierzu lautet: Vielleicht hat sich aus Sicht von Kästner Friedrich Georg Jünger zu wenig vom Nachfühlen des ur-griechischen Glaubens entfernt, also zu wenig christlich orientiert?75 In diesem Punkt wie mit Blick auf die unorthodoxe Mischung aus Poetik und akademischer Disziplin ähnelt der Bruder von Ernst Jünger m.E. Walter F. Otto. Und hatte sich Nebel durchaus positiv auf Otto bezogen, da ihm dieser eben nicht der Methode kalter akademischer Altphilologie ohne Mythopoetik verpflichtet war, so war wohl auch für Nebel Otto nur zitationsfähig, wenn es um die Hermeneutik des altgriechischen Glaubens ging. Diese Epoche menschlicher Seinsfrömmigkeit ist nun aber für Nebel wie auch für Kästner abgeschlossen, vergangen, verloren. Die post-antike technische Zivilisation hat diesen Götterglauben getötet. Nicht so, wie noch zu zeigen sein wird, bei F. G. Jünger. * Ich vertiefe die Zusammenhänge etwas. Für Kerényi (1959) thematisiert der Prometheus-Mythos in der griechischen Dichtung grundsätzlich die Problematik der menschlichen Existenz. Damit beginnt die evolutionäre Dominanz des Menschen, seine Geschichte als Freiheitsdrang, aber eben auch als ein Drama, das Abgründe auf brechen ließ. Der Freiheitsdrang war von Beginn an verbunden mit dem Umschlag in Herrschaft, erst über die Dinge (die bei Kästner ein Thema sein werden), dann, damit verknüpft, über die Menschen und deren sozialen Relationen. In diesem Sinne thematisierte Karl Marx durchaus eine Kerndimension des Dramas: die Spannungen zwischen der Entfesselung der Produktivkräfte und den Basis-Fesseln der Produktionsverhältnisse, die zusammen als die Produktionsweise in einer jeweiligen Epoche in der Geschichte der Klassengesellschaf75 | Einige interessante Anhaltspunkte bietet auch hier die Biographie der beiden Brüder von Magenau 2012. Nun ist der Ertrag der Lektüre von Magenau hier gar nicht zu paraphrasieren, da quasi auf jeder Seite relevante Befunde dargelegt werden. Hier ist der späte Übergang von Ernst Jünger zum Katholizismus von Interesse. Dieser ist von der inneren Motivation her betrachtet gar nicht einfach zu interpretieren (S. 164f., S. 169). Mag sein, dass das Heilige an sich Ernst Jünger faszinierte, somit das Elementare (S. 169), das ja auch aus F. G. Jüngers Mythenrezeption bekannt ist. Vgl. auch S. 165, S. 167f. F. G. Jünger bewahrte sich ein gewisses Misstrauen gegenüber der katholischen Kirche (S. 305).

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ten eingehen. Die Welt der Ideen wurde in diesem Theoriekontext ambivalent entfaltet: als Modus falscher Ideologie in der Funktionalität der Überbau-Fesseln, als transgressive Kraft in der Bewegungsmasse des Proletariats und der Lotsenfunktion der Partei. Das geschichtsphilosophisch-eschatologisch von Marx konzipierte Ende der klassengesellschaftlichen Vorgeschichte der Menschheit und somit der Beginn der eigentlichen nicht-entfremdeten, klassenlosen Geschichte der freien Assoziation aller Menschen darf hier dahin gestellt bleiben. Bekanntlich fand diese Geschichte der Dialektik der Aufklärung in der Meta-Revolution aller bisherigen Revolutionschimären kein Ende als Beginn der eigentlichen vermenschlichten Menschheitsgeschichte. Dieser Befund mag Kästners Haltung zunächst Recht geben. Wieder einmal wurden die Sehnsüchte und Hoffnungen der Menschen enttäuscht. Die Revolution fand eben ohne Theologie statt, um an Walter Benjamin oder eben an die Ontologie des Noch-Nicht und der Licht-Metaphysik des Herzens bei Ernst Bloch anzuschließen. Christliche Umorientierungen, die allerdings in ihrer Suche nach moderner Passungsfähigkeit bis ins Selbst-Revolutionäre – wie bei Robinson (1965) – ekstatisch transgressieren können, haben auch andere vorgenommen, so auch Alfred Döblin (1959) über den »unsterblichen Menschen«. Doch ist die spezifisch modellierte Schlussfolgerung von Kästner daher also zwingend? Die augenblickliche Epoche des Hyper-Prometheus – und somit mythopoetisch im ewigen Prozess einer »Arbeit am Mythos« an die alte Tradition des Prometheus-Mythos76 also anknüpfend – der totalitären Regime in West wie Ost seien nur noch in der weltabgewandten Öffnung nach oben, zum Himmel des einen, transzendenten Gottes zu überwinden. Diesen theologischen Eskapismus hat Friedrich Georg Jünger wohl nicht hinreichend vollzogen. Damit wird er, so also meine diesbezügliche Hypothese, für die Zivilisationskritik von Kästner unbedeutsam. Auf einer anderen Ebene kristallisiert sich ein Bezugsystem heraus, das hybrider »themencharakterlicher« Natur ist, einerseits thematischer Art, andererseits charakterliche Haltung zur Umwelt zum Ausdruck bringt: Es geht um Totalitarismuskritik und um die Individualisierungsbedürfnisse der eskapistisch-konservativen Elite 77 gegenüber der Masse 78, es geht um Eskapismus und Autoritätshörigkeit, um Partizipation im Kunstbetrieb, um pagane Onto-Theologie der Landschaft und Christentum der innerlichen Mystik und Offenbarungserfahrung. Wie bei der Inter-Textualität steht auch hier Kästner mit Blick auf die InterDiskurse 79 in einem komplexen Feld von Vektoren.

76 | Bapp 1993. 77 | Dazu auch Essenberg 2004. 78 | Die Soziologie der Masse(nkritik) ist viel differenzierter als gemeinhin verhandelt wird. Vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2013. Zur Kategorie der Masse als Manie vgl. auch Jonsson 2015. 79 | Munk 2011, S. 6, S. 13.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Und schließlich geht es um das gattungstypische Feld. Im Mittelpunkt steht Kästners Prosadichtung mit Fokus auf Griechenland. Sicherlich gibt es intensive Verflechtungen mit dem dokumentierten Briefwechsel von Kästner sowie mit seinen Festreden im Schnittbereich zu seinen Partizipationen im Modus des Kunstkommentars, auch hier Schnittflächen zu seinem Briefverkehr aufweisend. Insofern analysiere ich Kästners Gesamtwerk. Dennoch steht die Prosadichtung mit ihrer frühen landschaftsfrömmigen paganen Onto-Theologie im Mittelpunkt der Analyse. Zumindest liegt hiermit der rote Faden der Gesamtanalyse vor. Gerade hier findet man prototypisch – für seine eigene personale Ontogenese: archetypisch – die Funktionalität, die er der Kunst zuschrieb: als Psyches iatron zu dienen, was sich fügt in die Tradition von »Et in Arcadia ego«, eine Sehnsucht, die von anthropologischer Reichweite ist, wenn sie auch immer nur im Modus einer epochalen bzw. zeitgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen – z.B. im zeitlichen Umkreis des 1. Weltkrieges oder z.B. im Kontext des bundesdeutschen Nachkriegswunders – Konkretion in Zeit und Raum auftritt. Ich werde hierbei nicht weiter auf die psychologische Theorie und Praxis eingehen, die in dem Literaturkonsum durchaus eine relevante Trostfunktion nachzuweisen vermag und die im produktiven Akt des Schreibens eine therapeutisch relevante Funktion darlegen kann. Denn bei Kästner geht es um etwas Anderes: »Heiltrunk der Seele« meint eine Haltung zur Welt und ist fundamental gemeint, und dies im Prisma eines elitären Konservatismus, der keine Versöhnung mit der Welt kennt. Wenn Rauterberg in einem Essay (2015) nach der Position der postmodernen Kunst in der Gesellschaft in Abgrenzung zur modernen Kunst fragt, so hebt er auf eine Differenz ab. Die klassische Moderne war Gegenwelt, wie ich meine: eine Gegenwelt in der Welt; und er definiert die postmoderne Kunst als eine solche, die variantenreich in der Welt sei, ohne doch gegen diese Welt zu sein. Daran gemessen, wäre Kunst als Heiltrunk der Seele Außerhalb-in-der-Welt. Sie nimmt nicht mehr teil, auch nicht als Gegenentwurf. Im Gegenentwurf nimmt Kunst gestaltend aus kritischer Haltung teil: Der Mensch »ist es, der einsam, verloren, unruhig, entfremdet, unwiedersehlich hoffend, neue Ordnungen als neue Lebensmöglichkeiten gestaltend seinen Weg sucht, indem er ihn geht.« (Kienecker 1975, S. 115) Eskapismus ist dagegen Selbstausklammerung aus dieser Position des Im Gegen-noch-in-der-Welt-Sein. Natürlich täuscht sich der Eskapismus über seinen ontologischen Status. Es gibt kein Außer. In diesem Sinne kann man auch nicht nicht politisch sein. Unpolitisch zu sein bedeutet immer, politisch zu sein. Der Konservatismus täuscht sich über seine elitäre Selbstüberhöhung: Indem sich der Konservatismus eskapistisch gibt, verfehlt er überhaupt sein Dasein. Borderlin taumelt er am eigenen Abgrund der selbstverschuldeten Entfremdung, aus der er sich nicht herausführt, sondern in dem er immer mehr versinkt. *

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Et in Arcadia ego … Dieser Traum80 ist in der (literarischen81) Moderne, die von Beginn an in der Krise war, verbreitet. Man denke etwa z.B. auch an das sensible Leiden von Robert Walser82 als personalisierte Ausdrucksform dieser Epoche. Andere Figuren (nicht zuletzt z.B. Robert Musil83, ein ausgeprägter Vertreter einer Neomystik des ekstatischen Erlebens84) wären zu nennen. Arkadien hat viele Verortungen85. Letztendlich ist es als geistige Landschaft 86 zu denken.87 Denn die Einstellung, man könne Arkadien wirklich lokalisieren, ist naiv. Es geht um die Sehnsucht, und der suchende Drang selbst ist die Wahrheit dieser Haltung. Der Weg ist das Ziel. Der homo viator muss nicht finden; er muss suchen. Und dennoch: Der Wunsch, tatsächlich zu finden, kommt immer wieder hoch. Der philosophische Spruch, der Weg selbst sei das Ziel, bricht sich am Träumen des Alltagsmenschen. Er zitiert gerne, hält sich aber in seiner Lebensführung nicht am Zitat. Die geistige Landschaft materialisiert sich also immer wieder in der eben materiellen Geographik als physische, nicht nur psychische – geistige – Orte der Sehnsucht.88 Ob Tahiti und Tunis, ob Paris oder die Toskana oder die Provence, die Bretagne oder die Normandie (eigentümlicher Weise oftmals alles Orte auch der [neueren] Kriminalliteratur), Griechenland ragt für den traditionellen Europäer als Variante des homo viator heraus. Rom interessiert als Kulisse für die großen Schlachtenfilme. Griechenland ist die Landschaft der Ruinen einer untergegangenen Reinheit, Schönheit, Harmonie – der Klassik der Symmetrien und als Orte von Nomos und Logos. Aber auch des Dionysischen. Also auch als Ort der dionysischen Theophanien: Dionysos, der kommende Gott als »Epiphaniengott« 89, der »Gott des Gelages«90. Ganz ohne Ambivalenzen angesichts dieser spannungsreichen Gottheit geht es also auch hier nicht. Ich werde noch, wie in vorausgegangenen Studien von mir, daher auf die klassische sowie neuere Dionysos-Forschung91 verweisen. Das paradox anmutende Ergebnis 80 | Schönhammer 2004; Schredl 2008; Maisak 1992. 81 | Vietta 1992. 82 | Schilling 2007; Gisi 2015. 83 | Berghahn 1988; Corino 2003; Pfohlmann 2012. 84 | Gschwandtner 2013. 85 | Dazu gehören auch einige der Rezeptionslinien des Atlantis-Mythos: Vidal-Naquet 2006. 86 | Snell 1945. Vgl. auch Brandt 2006. 87 | Dazu auch Maurer 2015 mit Bezug auf die Landschaftswahrnehmungen deutscher Künstler und Reisender 1760-1870. 88 | Auch Adorno hat wesentliche Eckpunkte seines Werkes wohl auch im Kontext von Neapel imaginiert: Mittelmeier 2015. 89 | Otto 1996, S. 74. Dazu und auch mit Verweis auf englischsprachige Forschungsliteratur in Bohrer 2015. 90 | Heinemann 2016. 91 | Instruktiv als Überblick: Merkelbach 1988, S. 1ff., S. 7ff. Friesen 2015, S. 6ff.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

ist: Aber Apollon ist Dionysos bzw.: »daß erst beide zusammen die ganze Wahrheit bedeuten.«92 Eine Paradoxie liegt aber nur vor, wenn man das Wesen der griechischen Götter verkennt. Diese sind oftmals polyvalent, und sie gehen sogar als Gestalten auch dynamisch im Sinne eines Gestaltwandels ineinander über.93 Dies liegt zum Teil in der historischen Entwicklungsdynamik, denn die Göttermythologie ist eine einzige, komplizierte Abfolge von Neube- und Neu(v)erarbeitungen der Mythen und ihrer Gestalten, eben »Arbeit am (und an der Wahrheit des) Mythos«94 . Aber diese Gestalt(en)dynamik ist phänomenologisch – folge ich den Forschungen von Georges Dumézil – ein echter Wesenszug des Götterapparates. Mit der Grammatik eineindeutiger Relationen einer modernen wissenschaftlichen Identitätslogik kann man hier nicht an die Phänomene herangehen. Dann scheitert das Verständnis im Prozess einer religionsethnologischen Repräsentation. * Das Dionysische – »Die vornehmsten Dichter und Denker haben in dieser Vielfältigkeit ein Wesen von unaussprechlicher Tiefe geahnt.«95 – wird aufgehoben im Lichtgott96 des Apollinischen97, findet so die erhabene Gestaltqualität des Vollendeten98. Mag man geistesgeschichtlich zunächst eher die Strategie der exkludierenden Orientalisierung des Dionysos gefahren haben; Dionysos ist, wie die Übersetzung der mykenischen Linear-B-Schriften aufzeigen konnte, urgriechisch. Wenngleich die Ethnogenese des Urgriechischen, jenseits der klassischen Stämmetheorie der Völkerwanderungen, ebenso kompliziert gelagert ist, so verliert der Schrecken des archaischen Dionysos jedenfalls doch wieder seine transgressive Kraft, wird aufgehoben in der ORDO-Welt des Apollinischen, später der christlichen Weltordnung. Von diesem Griechenland, der Schönheit, der Stille und Harmonie auf einfachstem Niveau, aber auch des Dionysischen, der Gabe und der Gastfreund-

92 | Otto 1996, S. 187. Und (S. 188): »Apollon mit Dionysos, dem trunkenen Reigenführer des Erdkreises, – das wäre das ganze Ausmaß der Welt.« 93 | Otto 1956, S. 79ff. 94 | Schulz-Nieswandt 2010a, S. 581ff. Vgl. auch den Ansatz der Mythenkorrekturen: Vöhler/Seidensticker 2005. 95 | Otto 1996, S. 49. 96 | So auch Otto 1962, S. 53ff. 97 | Vgl. auch Vietta 1948a, S. 11f., S. 19. 98 | Wahrheit des Seins ist nicht identisch mit Wahrheit als Richtigkeit: Otto 1962, S. 362; Wahrheit ist dort und dann, wenn und wo Wirklichkeit Gestalt (Otto 1962, S. 364ff.) annimmt. Otto 1963, S. 11: Gestalthafte Wirklichkeit, »in der alle Dinge ihren Sinn und ihr Wesen haben.«

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schaft99, der gemeindlichen Feste handelt der frühe Kästner. Dann wird im weiteren Entwicklungsprozess bei Kästner allerdings alles neu akzentuiert, ich meine: alles weitgehend entwertet100. Das war alles für ihn nun nur Romantik, Naivität. Die Mystik des Orthodoxen, die byzantinische Innerlichkeit der empfänglichen Offenheit (nach Oben hin) gegenüber der Ikone wie angesichts der Stille des Klösterlichen (als Variante der bebauten Wüste) dominiert nun später die personale Erlebnisgeschehensordnung des zivilisationskritischen Kästner. In dieser frühen Prosadichtung war Kästner noch nahe an der Position von Walter F. Otto. Dieser hatte101 die ewige Wahrheit der alten Griechen102 gegenüber der Dogmatik der christlichen Kirche vehement verteidigt: »Liebe statt Wille und Gehorsam«103. Den Weg des frühen zum späteren Kästner wäre er nie mitgegangen. Der frühe Kästner ist aber zunächst noch nahe an der ontologischen Wahrheitsauffassung der Kunst, wie sie Otto formulierte.104 Für Otto (ich zitiere nun aus Otto 1949 im Text) liegt – ebenso wie bei Guardini – die Wahrheit der altgriechischen Kunst wie in jeder wahren Kunst105 in der Gestaltbildenden Formfindung 106 – »ist doch alles wahre Leben Zeugen und Schaffen.« (S. 8) – des sich offenbarenden göttlichen Allseins (als »Allgegenwart der Götter«107). Dies ist aber nicht (moderne, innerliche) Frömmigkeit, sondern Begegnung, Ausdruckwerden eines höheren Seins (S. 8). Wahrheit ist hier nicht »bloße Richtigkeit« (S. 11). Otto hebt eine grundlegende Differenz zwischen Wahrheit und Wirklichkeit hervor (S. 16). Wahrheit ist Begegnung (S. 18) mit dem, was vorher – oftmals im Alltag – verhüllt/verborgen geblieben ist. Dies ist »Offenbarung des Göttlichen« (S. 22): »Das geschieht durch die großen schon vor uns geschehenen Offenbarungen der Dinge in ihrer Wahrheit.« (S. 23) Dazu gehört auch die Kontinuität der Ahnen – »dieses geheime und offenkundige Mitsprechen« – in unserem Leben, das dadurch »Tiefe und Weite« erhält (S. 25) als Figur 99 | Vgl. auch Otto 1987, S. 29. 100 | Und die Differenz zu Otto wird deutlich, waren Otto und der frühe Kästner doch sich nahe im Sinne einer Offenbarung des Göttlichen im Seinserleben der Landschaft im apollinischen Licht. Otto lehnte die Mystik als ungriechisch ab: Otto 1963, S. 298. Mehr noch: Otto (1962, S. 339, S. 344, S. 361) verstand die Religion der Griechen nicht als Glauben im christlichen Sinne. 101 | Otto 1923. Auch Otto 1963, S. 21ff. 102 | Vgl. ausführlich auch in Otto 1987. 103 | Otto 1956, S. 82; kursiv auch im Original. 104 | Otto 1949. 105 | Auch hier wird die Differenz von Kästners Haltung zur Kunst/Literatur als »Heiltrunk der Seele« zu Guardini (dazu in Schulz-Nieswandt 2015) deutlich. Man ziehe Guardini 1962 »Über das Wesen des Kunstwerks« (auf einem Niveau mit den kunstontologischen Beiträgen von Heidegger und Gadamer stehend) heran und die Differenz wird deutlich. 106 | Vgl. auch Wechsler 1973, S. 31. Vgl. auch Blamberger/Boschung 2011. 107 | Otto 1956, S. 41.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

eines »unendlichen Lebensstrom(s)« (S. 26). Dies ist alles ziemlich äquivalent zu F. G. Jünger. Und genau dieser ist, anders als der Bruder Ernst Jünger, der direkt oder vermittelt über über G. Nebel auf Kästner wirkte, bei Kästner marginalisiert. Offensichtlich, so meine Hypothese, sind F. G. Jünger wie W. F. Otto im Gleichstrom der heidnischen Mythologie nicht so negierend abgewandt wie es eine christliche Offenbarungslehre verlangt. Daher ist die Differenz von Kästner zu F. G. Jünger und W. F. Otto plausibilisierbar. Der Griechenlandsehnsüchtige Glaube ist beim frühen Kästner jedenfalls noch ausgeprägt. So mögen die Römer, auch hier eine Parallele bei Kästner, siegreich gewesen sein, verbeugten sich aber vor der Dominanz der Kultur der Hellenen (Otto 1949, S. 29f.) Otto spricht nun von der Nähe zum Göttlichen, nicht von Frömmigkeit (S. 32), kein Suchen in der Tiefe des »Mysterium(s) der Menschenseele« (S. 36)108. Griechische Gotteserfahrung ist »lebendige Begegnung« (S. 32).109 Deshalb liegt keine dogmatische heilige Schrift vor (S. 33). Vielmehr: »die vollkommene Vermählung des Naturhaften mit dem Ewigkeitsglanz des Göttlichen ist überhaupt ein Kennzeichen der griechischen Kunst« (S.  35). Diese Gotteserfahrung ist, das trennt dann Otto vom späteren Kästner, keine Mystik, kein einfacher diffuser Pantheismus, aber auch nicht der abwesend-anwesende Gott der Transzendenzordnung der christlichen Kirchenlehre (S. 37), also das »ganz Andere« (S. 40)110. »Göttlichkeit« des Seins (S. 39) ist (Kursivschreibung S.-N.) anders: das »Wesen der griechischen Gotteserfahrung: Offenbarung des unendlichen Reichtums des Seins«111. Auch die altgriechischen Götter sind oben, in einem »Lichtreich« (S. 40): Aber alles ist dem Menschen im Leben selbst zugewandt: »So ist es die Art des griechischen Gottes, nicht von der Welt abzusondern, sondern die Welt aufzuschließen.« (S. 41,

108 | Otto 1956, S. 106. 109 | Dazu auch in Otto 1987, S. 8: »In ihrer Welt ist das Göttliche dem Naturgeschehen nicht als souveräne Macht übergeordnet: es offenbart sich in den Formen des Natürlichen selbst, als dessen Wesen und Sein.«; als ein »Sein, das sich in der Gestalt offenbart.« (S. 10) So auch u.a. S. 19f., S. 47, S. 211f., S. 223ff. S. 291: Die Gottheit »ist die Heiligkeit des Natürlichen selbst und mit seinem Walten einig, in allen Erfahrbaren mit ihrem Geiste gegenwärtig und von der frommen Seele ehrfürchtig empfunden.« Und Otto, hier Kästner ähnlich, argumentiert (S. 298f.), dem modernen Menschen sei diese Religion der alten Griechen so fremd, weil die Welt für ihn primär unter dem Aspekt der technischen Beherrschbarkeit erscheint. Die S. 299 sollte ganz zitiert werden: Dort formuliert Otto die auch bei Kästner zum Ausdruck gebrachte Kritik am Wahn des Prometheus-Geistes. Es geht dem alten Griechenland nicht um Wille und Kraft, sondern um die »reine Größe der Natur« (S. 302). In der Moderne geht es um monströse Dynamik (ebenda). Die grundlegende Aufsatzsammlung zur Gestaltwerdung des Seins ist Otto 1955. 110 | Otto 1956, S. 58. 111 | Otto 1956, S. 84; kursiv auch im Original.

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auch S. 43) Für Otto brauchen die altgriechischen Götter keine autoritative Offenbarung.112 Man spürt wohl bereits meinen krypto-normativen Duktus der Kritik an der Entwicklungsdifferenz vom frühen zum späteren Kästner. Die onto-epistemische Bilanz dieses Wechsels der Orientierung von Kästner ist nicht einfach: Manches ist Gewinn; Manches auch Verlust, Verlust der zu schnell aufgegebenen Wahrheitsqualität der pagan-pantheistischen Wahrheitserfahrung in der Landschaft des Lichts griechischer Inseln und Arkadiens im Inneren des Festlands zugunsten der christologisierten Hierarchie des Hörens, des demutsvollen Empfangens und der Gnade der Erkenntnis der geordneten Wahrheit der Einfachheit des kosmischen Baldachins des Sternenhimmels: als das Glitzern der Schöpfungsmacht des transzendenten Hirten. Bei Paul Tillich wie bei Romano Guardini finden wir trotz christologischer Zentrierung des Glaubens und Finalisierung des Denkens eine mehr an theonomer Kultur orientierte Analyse und Haltung. Und Haltung leitet die Analyse. Beide sind – und das ist eine Signatur – für Kästner auch keine relevanten Referenzsysteme. Das wird noch zu zeigen sein. In apodiktischer Manier könnte nun die Abhandlung bereits beendet werden. Auch in der Literaturdiskussion sind solche forensischen Wirklichkeitskonstruktionen des Hörens, des Empfangens und der Gnade verbreitet. Doch die Thesen sind überhaupt erst zu entfalten, darzulegen und mit Material der Bewährung auszusetzen. * Technik (heute auch ein Thema einer eigenständigen Technikphilosophie113) als allgemeinste Metapher für Fortschritt wird bei Kästner (und in seinem Kreis der Gleichgesinnten) zum Objekt der totalen Kritik114. Treibende Kraft ist der böse Dämon der Wissenschaft. Hierbei ist die Figur des bösen Dämons eigentlich eine Redundanz. Angesichts des einen, abwesend-anwesenden (christlichen) Gottes ist der Dämon immer des Teufels; den guten Daimon115 der homerischen Welt hat 112 | Otto 1956, S. 29. 113 | Gut lesbar: Nordmann 2008. In der – eher kurzen – Einführung tauchen Namen wie E. und F. G. Jünger oder G. Nebel gar nicht auf. Bei Hörl 2011 fragt man sich, was an dieser weitgehend nur terminologisch neu komponierten Darstellung die Differenz sein soll zur älteren Theorie der eine neue Totalität generierenden technologischen Dispositivordnung als Grammatisierungsprozeß (Weigel 2015)? Auch der Satz, die Umwelt stelle nun das Welt-antreibende Zentrum, nicht mehr das Subjekt, dar, ist im Kern post-struktural. Sehr orientierend, auch für die hier interessierenden Gleichgesinnten von Kästner: Müller 2014. Einbezogen werden müssen auch die Überlegungen von Blumenberg 2009. 114 | Viel differenzierter ist da Schadewaldt 1978, S. 185. Vgl. zur Technik-Problematik auch dessen Beiträge in Schadewaldt 1960, S. 867ff. 115 | Vgl. auch in Schadewaldt 1978, S. 89f.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

man kirchlich ausgetrieben. Diese infantile Götterwelt hat der reife Kästner, so er selbst, als eigene Kinderkrankheit hinter sich gelassen. Der Technikphilosophie geht es in der Regel um die Darlegung der Ambivalenzen der Technikentwicklung116 für die menschliche gesellschaftliche Existenzführung. Im Mittelpunkt steht die Figur des homo faber117. Infolge der Hochindustrialisierung stehen die Themen der Automatisierung, Maschinisierung und Rationalisierung im Vordergrund. Technik wurzelt dabei immer in einer Entfremdung118, die sich im Prozess der Distanzierung des Subjekts von der Welt zum Ausdruck bringt. Dies verweist auf Ur-Fragen der Existenz, auf ein Ringen um das Leben und damit auf das Problem der Machtgewinnung. Umstritten bleiben die Fragen einer Demokratisierung der Technikentwicklung im Lichte der Komplexitätsbewältigung der Folgen der Technik. Gibt es – analog zum Hippokratischen Eid in der Medizin – ein Eid einer Ingenieursethik? Trotzdem: Wie beim frühen Kästner sitzt ganz allgemein die Sehnsucht nach der fernen Alterität tief. Durch die Brille der Psychoanalyse119 als Meisterin des Verdachts120 ist es heute nicht besonders schwer, in dieser Sehnsucht121 verwickelte Spiegelungen der Suche nach dem eigenen Ich hermeneutisch – wie Paul Ricoeur (1999)122 die Freud’sche Analyse unter dem Paradigma der Interpretation abhandelte – zu erschließen.123 Ich behaupte hier jedoch für mich nicht die Kompetenz und auch nicht die Berechtigung einer psychodynamischen »Zerlegung« der Person Erhart Kästners. Gewiss, einige Andeutungen kann ich mir nicht verkneifen. Aber es sind Hypothesen, die für die Analyse notwendig erscheinen, keine überzogen gewaltsamen – medikalisierenden – Diagnosen. Die paradox anmutende, aber einfach wohl »nur« dialektische Figur besteht darin, dass diese Reise in die Ferne124 von Anbeginn eine Rückkehr in die eigene, 116 | Vgl. auch in Poromka 2013. 117 | Zum homo faber ausführlich Müller 2014, S. 77ff. 118 | Dazu Henning 2015. 119 | Ich unterscheide hier nicht die schismogenetischen Spaltungen der SchülerInnen des (selbst ambivalenten) Schulbegründers. Dazu auch Ellenberger 2011. 120 | W. Ries 2014. 121 | Vgl. auch Gillen 2005. 122 | Zur theologischen Rezeption von Ricoeur vgl. Frey u.a. 2013. 123 | Als dramatische Reise als Roman verfasst bei Andres 1975. 124 | Zur Sehnsucht nach dem Fernen auch in Glaser 1956, S. 125ff., wobei Glaser es schafft, die moderne Weltliteratur unter zentralen Aspekten daseinsthematischer Art im Lichte des bürgerlichen Zeitalter »an der Wende« zu strukturieren. Zentral sind u.a. die Themen »Gott ist tot«, der neue Mensch, Abgrund, »Dämon Stadt«, das natürliche Leben, »Leviathan Staat«, »Not der Entrechteten«, Tod, verlorene Zeit. Vgl. ferner zur Fernsehnsucht Parry/Voßschmdt 2009.

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psychodynamisch125 dann aber (transgressiv) verändert erlebte Heimat126 (vgl. – nahe an Gerhard Nebel – auch Kästner 1974b, S. 136) ist: »Da reist man und reist man und wird sich eines Tages bewußt, daß man auf Reisen ununterbrochenem Heimweh aussteht. Gibt man das zu, so ist man vielleicht auch zu dem Eingeständnis bereit, daß es überhaupt der verborgene Sinn allen Reisens ist, Heimweh zu haben. Wir begeben uns in die Fremde, weil wir dort unser Unbehaustsein am reinsten dargestellt finden.« (Kästner 1974b, S. 40) Neuere Publikationen (vgl. etwa Kufeld 2007) können hier kaum Neues beitragen. Ähnliches – ich ziehe auch die Reisebilder »Aus einem römischen Winter« von Andersch (1966) heran – reflektierte Andersch mit der Frage: warum reisen? Andersch antwortet (1972, S.  106): »In Wirklichkeit reist man aus Ungenügen, aus Neugier, aus Unruhe.« Reisen sei (S. 197) »gesteigertes Leben«. Zurück zu Kästner (1974b, S. 40). An dieser Formulierung ist die Begrifflichkeit interessant, denn die Figur des unbehausten Menschen stammt von Hans Egon Holthusen (1951). Typisch für das Lebensgefühl vieler Menschen in der Nachkriegszeit der 1950er Jahre, und mitunter an Positionen des christlichen Existenzialismus erinnernd, hat Holthusen dies – und auch die Inter-Textualitäten zwischen Ernst Jünger, Gerhard Nebel und Erhardt Kästner (Holthusen 1955, S. 151ff., S. 293ff.) – breit erörtert. Es ist aber auch für diese konservativen Positionen wiederum durchaus belastend, wenn man Holthusens Verstrickungen im deutschen Faschismus beachtet – ebenso (ganz anders Seewald 1933, S. 126) – wie Ernst Jüngers Begeisterung für Mussolini127. Die Enthausung des »Massenautisten« verweist aber auf eine Entzugserscheinung: Verlust von Heimat.128 Erst vor diesem Hintergrund ist die Psychodynamik des Reisens, auch des Wanderns in der Landschaft, letztendlich auch die Kulturgrammatik des Massentourismus in der ganzen dialektischen Ambivalenz angemessen zu verstehen. Die dialektische Dynamik (des Ankommens: Kästner 1974, S.  182, dort, wo die »Sorge abfällt«: S.  182) ist aber kompliziert(er): In der Fremde sucht man die Heimat und will zurück, aber eben in der Fremde findet man die Heimat: »Wenn man hier ist, hat man keine Sehnsucht anderswohin. Man ist in der Mitte der Welt. Es gibt wenig Plätze, die so eine Heimatkraft haben.« (Kästner 1974b, S.  95) Es gibt in der reziprok-transgressiven Dialektik von Hier und Dort, von Herkunftsort und Zielort, von Identität und Alterität also eine doppelte Heimat, eben hier und dort, vom Dort zurück ins Hier, um dann doch wieder das Dort abseits des Hier zu suchen. Das ist analog zum Kantischen: Ist der Mensch allein, sucht er die Gesellung; ist er in Gemeinschaft, sucht er die Vereinzelung … und der Kreislauf beginnt sodann von Vorne. So gibt es eigentlich kaum ein Hier und 125 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 174ff. 126 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 96. 127 | Zu Mussolini: Schieder 2014. 128 | Dazu durchgängige Verständnishilfen in Beckmann-Zöller/Kaufmann 2015.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Jetzt, da der topologisch oder temporal verankerte Augenblick immer nur im Prisma erinnerter Vergangenheit im Übersprung auf die noch ausstehende Zukunft hin definiert ist.129 In Bezug auf die »Äolische Erde« von Ilias Venesis (Venesis 1949) – ich gehe hier nicht umfassend auf diese Primärquelle ein – thematisiert Kästner (1994, S.  80) diese Heimat (vgl. auch Kästner 2014, S.  10). Denn die Heimat wird im Lichte dieser Rückkehr aus der Fremde einerseits als die »altbekannte«, gewohnte, aber andererseits auch wieder neu erkannte Lebenswelt130 erlebt. So wächst das eigene personale Ich in seiner Lebenswelt rindenförmig, Stufe um Stufe, einem Reifungsprozess entsprechend, heran, […] wenn, was (soziologisch betrachtet) unwahrscheinlich ist, alles gut läuft131. In »Äolische Erde« finden wir auch viele weitere Berührungspunkte – Punkte, die aus Kästners Werk heraus auf Textstellen von Venesis verweisen. Etwa dort, wo (S. 44f. bei Venesis) »die tiefe Stille, die im Ölwald leben, das silbern Laub und die gequälten Stämme« betont werden. Oder dort (S. 141), wo Delos als Geburtsort von Apollon, »Gott des Lichtes«, gelobt wird. Der innere werkgeschichtliche Wandel von Kästner ist bereits mehr als nur angedeutet worden. Die griechische Landschaft wird beim frühen Kästner zum Ort einer Offenbarung. Dieses Geschehen ist – es ist zu verstehen als ein lokales öffentliches Gut, dessen Zugang nur von der Sinnesorganisation des personalen Selbst abhängt – ein integriertes Licht-Ton-Spiel: lichtendes Musikgeschehen. Und Farben kommen hinzu: Vor allem – dazu später nochmals mehr – das Blau (aber auch schon bei Nebel in seiner Rezeption von Ernst Jünger: Nebel 1949, S. 38), definiert als die Farbe der Sehnsucht und auch und somit der Ferne (Kästner 1974b, S. 119). Eine ganze Metaphysik der Farbe Blau skizziert andeutend Kästner.132 * Es ist – im Rekurs auf Theoreme der ökonomischen Theorie – erkennbar, dass ich hier in Anspielung auf Begriffe (öffentliches Gut und Zugang) der public choice-Theorie eine strukturale Analogie zu paganer oder theistischer Offenbarungstheologie gezogen habe. Ich schreibe dies auf als Code: Zugang : öffentliches Gut = religiöse Erfahrung : Selbstoffenbarung der Transzendenz. 129 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 83. 130 | Zum Begriff: Sierra 2013. 131 | Brandtstätter 2011. 132 | Zu Hell und Dunkel in der Kunst: Düchting 2011.

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Diese strukturale Analogie ist m.E. brauchbar gewählt. Einerseits meint dies methodologisch: Kästners Prosadichtung – wonach gilt: »wirklich sind nur die bedichteten Dinge« (Kästner 1974, S.  308) – hat eine eigene Tiefengrammatik, die onto-theologischer Art ist. Dies gilt es, expliziter zu generieren. Insofern werde ich – allerdings weniger ausgeprägt als in anderen, vorgängigen Studien von mir133 – strukturalistische Sichtungen dieser latenten Sinnstrukturen, die hermeneutisch erschlossen werden müssen, vornehmen. Andererseits liegt die Analogie in der Sache begründet. Theologisch gesehen ist der transzendente Gott in seiner abwesenden Präsenz »da«, also in seiner Unbedingtheit da, unabhängig davon, ob man ihn erfährt, erlebt, »nutzt« (erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Perspektive des spezifischen Fragens der traditionsreichen, aber eben auch methodologisch umstrittenen Religionsphänomenologie134 des »do ut des«135). Er, der transzendente Gott, offenbart sich, bleibt aber dennoch verborgen, wenn der Mensch (der »Nutzer«) keinen Zugang findet – eben glaubt. Er ist dann verborgen, obwohl doch da, eben anwesend: anwesende Verborgenheit oder verborgende Anwesenheit, also unechte Abwesenheit. Diese Sprachspiele sind nicht klärend im Sinne der Herbeiführung von Einfachheit; sie lichten vielmehr die dialektische Komplexität. In der Tat: Wir brauchen keine Einsicht diesseits, sondern jenseits der Komplexität. Diese ist kaum zu überbieten. Er – Gott – ist da, aber doch nicht. Es ist nicht da, aber doch präsent. Der Alltagsmensch rauft sich die Haare und empfiehlt empathisch den Analytiker. Das Problem ist hermeneutisch nicht trivial. Was denn nun also? Diese Frage ist selbst zu naiv gestellt. Hermeneutisch ist bekanntlich zu unterscheiden zwischen der Verstehenspraxis 1. Ordnung und 2. Ordnung. Der Mensch im Alltag muss sich selbst, den Anderen und die Interaktion von sich als Selbst und dem Anderen im Kontext von kulturellen Sinnhorizonten sowie situativen Rahmenbedingungen verstehen. Und nun kommt die Forschung, und sie versucht diese vorgängige Hermeneutik nun als Wissenschaft – methodisch kontrolliert – nochmals neu zu de-chiffrieren. Hier liegt eine ungeheuer komplexe Inter-Textualität vor. Ich versuche Kästner zu verstehen, ihn, aber zugleich einen Sozialtypus, dabei die Epoche, aber als konkretisiertes sozialisiertes Milieu zu rekonstruieren; zugleich nicht alles wörtlich zu nehmen, sondern zu de-konstruieren: also die erzählten Geschichten nochmals ganz anders – »gegen den Strich« – zu lesen. *

133 | Schulz-Nieswandt 2013; 2014; 2014a; 2015; 2015a. 134 | Vgl. dazu das religionsphänomenologische Schrifttum von Geradus van der Leeuw (1890-1950) und Geo Widengren (1907-1996). 135 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 31.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Roland Jaeger136 hat die Offenbarungsdimension in der Haltung Kästners deutlich ausformuliert. Aber sie muss in ihren Eigenheiten komplexer verstanden werden. Und die besagte Analogie zur Theorie öffentlicher Güter ist auch didaktisch gewollt, was damit zusammenhängt, dass Kästner in seiner ex definitone nicht unpolitischen Zeitkritik eine völlige Selbst-Entpolitisierung betreibt. Das ist kompliziert. Kästner ist kritisch, da er im Kontrast zur Totalität des realen Geschehens steht; damit steht er aber eben auch außerhalb. Die Kritik ist keine – wahre – Kritik, weil nicht abzusehen ist, dass es eine verbessernde oder gar vervollkommene Praxis gibt. Das zentrale Problem ist also: Kästner ist unpolitisch politisch. Er, der Kritiker, steht vor dem Objekt seiner kritischen Begierde; jedoch: Wie das Objekt verändern? Aber in den sozialen Wissenschaften gibt es keine wirklichen SubjektObjekt-Beziehungen, vielmehr nur Subjekt-Subjekt-Relationen. Die Zeitkritik von Kästner ist Zivilisations- und Kulturkritik der »langen Dauer«, die den Mittelmeerraum137 zum Ausgangspunkt der Entwicklung des vorchristlichen Altertums über die Spätantike bis in die Neuzeit nimmt. Ute Seiderer (i.E.) spricht von einem »postzivilisatorischem Gestus« bei Kästner. Die Radikalität seiner Realitätsablehnung ist weniger im begrifflichen Gefüge von Gesinnungs- und Verantwortungsethik zu erfassen. Im gewissen Sinne jedoch schon: Wer sich dem realen (schmutzigen) Spiel der weltlichen Kräfte entzieht, bleibt rein (unbeschmutzt), aber befleckt sich anders und neu, weil er seine Mitverantwortlichkeit leugnet. Es gibt, sozialontologisch gesehen, keine Identität jenseits von Rollen, die als Aufgabenstrukturierung des Lebens immer mit Verantwortung (also mit Verantwortungsethik: in Bezug auf sein Handeln oder eben auch Nicht-Handeln) verknüpft sind. Es ist sich leicht gemacht, die Grenzrolle des außerhalb des bösen Spiels stehenden Künstlers138 als Mahner, Rufer, Seher zu spielen.139 Charakterlich ist es die ungleich schwierigere Rolle, im Spiel es besser zu machen als diese Praxis es bisher vermag. Das erinnert an die bundesdeutsche Geschichte des Weges durch die Institutionen. Wie auch immer. Es gibt in dieser Welt keine echten Inseln. Jeder wird überall vom Geschehen eingeholt, irgendwann. An einer Stelle (Kästner 1974c, S. 143) erkennt Kästner selbst, dass Klage und Mitleid nicht reichen, erst Mitschuld bringt die Anklage voran. Insofern halte ich der innerlichen Reinheitssuche Kästners eine andere Theologie entgegen: zum Teil die von Romano Guardini und vor allem die von Paul 136 | In: »Das dritte Auge« 1992, S. 115ff. 137 | Braudel/Duby/Aymard 1991. Zur Kulturgeschichte des Meeres vgl. von Kaiser 1962 bis zu Richter 2004. 138 | Dazu auch Krieger 2007. Vgl. auch Ratschko 2010. Ferner Feulner 2010. 139 | Die Frage ist, wie hier das Verhältnis zum Typus der Prophetie (Weidner/Willer 2013) zu bestimmen ist. Die klassische Moderne kannte solche poetische Visionen (Wacker 2013). Aber hat Kästner eine poetische Vision? Kann man tatsächlich mit permanenter Verlustbezeugung in die Zukunft weisen? Doch wohin flüchten (Bachelard 1960, S. 248)? Zu Innen und Außen vgl. auch Ciompi 1988 sowie Tafazoli/Gray 2012.

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Tillich (und anderen140), die dem Wagnis des Seins den »Mut zum Sein« entgegensetzt. Es besteht kein Dissens in der Diagnostik des homo abyssus. Doch die Geschichte ist komplexer. Die Kraftquelle141 des Seins-Mutes ist die Liebe. Dazu gehört auch eine gewisse gelassene Haltung, die begrenzte Erwartungen in die Perfektion des Menschen steckt (Kästner 1974, S. 12): »dort, wo Versprechungen niemals eintreffen, und dort, wo sie immer eintreffen, ist das Leben um einen Hoffnungszug ärmer.« Gelassenheit ist aber bei Kästner letztendlich gedacht als ein sich »Gott überlassen«-Sein (Kästner 1974, S.  190). In der »Klosterwelt« ist »die Gelassenheit der ganzen Welt ja zuhaus.« (S. 225). Und dieser homo donans142 wird bei Kästner, tendenziell stärker in seiner früheren onto-theologischen Landschaftsfrömmigkeit, angesprochen. Im beschriebenen Akt der Gabe143 und der alltäglichen kultischen Praxis der Gastfreundschaft144 sowie des dörflichen Festes (als Momente der Agape145) kommt diese Liebe zum Ausdruck. Auch bei Tillich bleibt die Ur-Quelle dieser Liebe in der Ur-Gabe Gottes verbürgt. Insofern ist es zunächst kein Problem, wenn Kästner diesen Rückverweis auf Gott offenbarungstheologisch, zunehmend im Verlauf seines Werkwachstums, herausstellt. Aber, und dies anders als bei Tillich, gerät die kulturelle Praxis des alltäglichen Soziallebens der Menschen aus den Blickwinkel. Tillich ist und bleibt Theologe des transzendenten Gottes; aber er ist ein politischer Mensch und Theoretiker des religiösen Sozialismus: Deshalb ist für ihn auch diese profane Welt bereits messianischer Ort der Liebe und des personalen Telos. Ich werde später mit Blick auf Kästners Barth-Orientierung die problematischen Auslegungsformen des Römerbriefes aufrufen. Kästner driftet in die eskapistisch-elitäre Haltung ab: In dieser elenden Welt ist keine Rettung zu erhoffen. Verarbeitet er hier seine eigene Erfahrung als Soldat im Dritten Reich, nunmehr auch im Prisma eines nicht vollends gelungenen bundesdeutschen gesellschaftlichen Neuanfangs nach 1945? Was für diese Hypothese spricht, dass ist u.a. die Differenz zu Marie Luise Kaschnitz, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Dieses Abdriften ist bei Kästner im Werkwachstumsprozess signifikant: So wird denn auch von Kästner die Gastfreundschaft, obwohl typisch griechisch, in Athos nochmals überhöht, weil dort »der rituelle Urgrund deutlicher wird« (Kästner 1974, S. 185).

140 | Schulz-Nieswandt 2015. 141 | Vgl. dazu auch Schilling 2005. 142 | Schulz-Nieswandt 2014. 143 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 68ff.; 2015a. Vgl. neuere Literatur, etwa Grund 2015. 144 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 35, S. 88, S. 91, S. 98, S. 104, S. 174, S. 182. Vgl. auch Liebsch 2016. 145 | Vgl. auch insgesamt dazu Knauber 2006.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Für Kästner erschließt sich der Sinn, hierbei den existenziell zunächst durchaus offenen katholischen Denkern wie Romano Guardini146 nur scheinbar ähnlich, letztendlich eben nicht in und aus dieser sozialen Welt. Diese Abwertung des profanen Diesseits147 angesichts der transzendenten Wahrheit – »man kann eine Wahrheit nicht kennen, man kann nur einfahren in sie« (Kästner 1974a, S. 244) – macht hier wohl den Unterschied zwischen den Positionen aus. Die Studie von Haubenthaler (1995) hat zeigen können, das Guardini die Askese als Weltzuwendung und Weltbejahung verstand, nicht als Wegdrehen von der sozialen Wirklichkeit. Denn dabei ist (deutlich zu betonen) z.B. Guardini – man schaue in seine geniale, wenngleich letztendlich dann aber leider doch alles an der Messlatte der christlichen Lehre orientierte Abhandlung zu Rilkes zweiter, achter und neunter Duineser Elegie (Guardini 1948; später erweitert zu Guardini 1996) – nämlich stärker zugewandt der Frage der besseren Gestaltung der politischen Welt der Macht, auf die nicht verzichtet werden kann und soll, und die Tillich als Theoretiker eines freiheitlichen148 religiösen Sozialismus ontologisch im Zusammenspiel mit anderen zentralen Kategorien der Gerechtigkeit und der Liebe analytisch geklärt hat.149 Die Duineser Elegien (Stephens 2004), sicherlich auch Ausdruck des Ersten Weltkrieges als Kindheitstrauma, aber auch typischer Modus moderner Kunst, die um die Verzweiflung des Subjekts kreist, sind voller Psychodynamik: Die Wandlungen des Menschen in seiner Existenz sind angeordnet zwischen Klage und Lob, Steigen und Fallen etc. Aber die Dynamik ist eine solche in der Immanenz des Daseins im Hier und Jetzt: Auch die Engel sind (nur) Symbole hybrider Übergänge und als solche »Vögel der Seele«. Musik wird zum Medium engrenzender Erlebnisse. Auch der Garten wird zum Übergangsraum zwischen Natur und Kultur. Es geht Auf und Ab als Suche nach Gleichgewichten. Es geht insgesamt um eine Verwandlungslehre des Daseins des Menschen. Die Tröstungen der Kirche sind hier im Fokus von Rilkes Kritik. Kästner erweist sich (inter-textuell komplex verankert, wie noch weiter differenziert zu zeigen sein wird) dagegen als Kritiker des ubiquitären Totalitarismus, in Ost wie in West, in Wirtschaft, Verwaltung, Politik und in der – banalen, ob klein- oder spießbürgerlichen – Massenkultur: »Je mächtiger die Masse anschwillt, desto mehr ist doch Einsamkeit da« (Kästner 1974, S. 265). Und Kästner wird sodann überaus heftig: Er verweist – die Inter-Textualität insbesondere mit Gerhard Nebel wird mich noch intensiver beschäftigen – auf »Kaserne« und »La-

146 | Schulz-Nieswandt 2015, S. 20ff., S. 56ff. Vgl. – von mir vorher nicht rezipiert – u.a. Guardini 1950. Insgesamt auch Knoll 1993. Meine eigene strukturalistische Sichtung der Psychodynamik im Werk von Guardini bestätigt sich auch in Guardini 1998. 147 | Ganz anders Otto 1962, S. 13: Der alte Grieche »hat für das Diesseits entschieden und umfaßte die Sinnenwelt mit der Zärtlichkeit unendlicher Liebe.« 148 | Vgl. Weisser 1958. 149 | Schulz-Nieswandt 2009.

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ger«150 (ebenda). Immer und überall? Gilt das auch für den Sozialstaat als materiale Form des (eben sozialen) Rechtsstaates? Das ist keine Sozialkritik mehr. Das ist totalisierende Totalitarismusfiktion: science fiction. Und so spricht sich Kästner (ebenda) für das Eremitendasein aus, versteht dies christlich, nicht buddhistisch151. Hier kristallisiert sich unter der Decke einer scheinbaren Esoterikkritik eine eigentümliche Position von Kästner im EuropaOrient-Asien-Diskurs152 . Das christliche Europa wird, jedenfalls wird sich dies noch abzeichnen, einerseits unter dem Primat der Orthodoxie definiert, einige kirchenkritische Töne werden andererseits eingefügt in eine eher katholisierte Barth-Rezeption, gegen sonstige Religionen gesetzt. Kästner zeichnet sich dabei durch eine gewisse Ambivalenz aus: Einerseits die Neigung zur extrem individualisierenden, ja vereinzelnden Mystik des eremitischen Habitus im räumlichen Abseits (Wüste, Berg Athos), andererseits die Neigung zum ORDO-Denken in der demutsvollen Autoritätsoffenheit »nach oben« hin. Die Gottvergessenheit (auf den einen, transzendenten [christlichen] Gott bezogen), nicht mehr, auch hier analog zu Nebel, eine heideggerianische Seinsvergessenheit, die sich an der Daseinslichtung des Landschaftserfahrung als göttlicher Äther153 orientierte, ist bei Kästner, auch das wird noch deutlicher, zum zentralen, fundamentalen Grund seiner Zivilisationskritik. Die Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung interessieren ihn – auch hier wiederum dem Werk von Gerhard Nebel überaus deutlich ähnelnd – nicht. Die Begründung liegt in der Hypostasierung der Prämisse: bringt nichts und bleibt Makulatur. Das Böse ist die Abwesenheit des Lichts (Kästner 1974a, S.  47): »das Lichtlose selbst«. Das ist (vgl. auch Kästner 1974c, S.  186) wohl keine hinreichende Theologie des Bösen154. Ich denke, das ist auch keine gute sozialwissenschaftliche Diagnostik. Kritische Theorie oder auch marxistisch-mystische Geschichtsphilosophie erträumten sich zumindest noch die konkrete Utopie am Rande des kollektiven Abgrunds. *

150 | Dries 2012. 151 | Das ist wiederum ein eigenes komplexes Thema: Regamey 1964, S. 42ff. 152 | Zu diesem Diskurs auch in Schulz-Nieswandt 2010a, S. 251. 153 | So vor allem auch Otto 1963: »Ätherglanz«. Otto 1962, S. 16: »Und über allem leuchtet, wie ein unendliches Auge, von Geist und Klarheit, der Äther.« Das Allsein ist das Göttliche. Otto spricht vom »Zusammentreffen und Zusammenfallen des Göttlichen mit dem Natürlichen« (Otto 1963, S. 15). Im Aither ist im oberen Himmel der Sitz des göttlichen Licht gemeint. Vgl. auch in Nebel 1951, S. 73. 154 | Dazu aber auch die Exklusion des Dunkels problematisierend: Bremer 1976. Vgl. zur inter-disziplinären Sichtung des Bösen auch in Franz u.a. 1961.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Nochmals zur Technik- und Wachstumskritik: Es gibt gute Gründe, die mainstream-Ökonomie155 zu verwerfen, nicht nur zu kritisieren, sondern zu verwerfen.156 Ich werde noch zeigen müssen, dass Kästner wenig Zugang zur politischen Problematik, anders als z.B. Friedrich Georg Jünger, hat. Aber es gibt ebenso gute Gründe, sozio-ökonomische Argumente produktiv aufzunehmen, um die Welt etwas besser zu machen. Kästner ahnt davon gar nichts. Das ist akzeptabel, aber dann darf die Position nicht mehr universalistisch auf Wahrheit pochen. Die persönlich befreundete Sekundärliteratur bescheinigt Kästner die Haltung, trotz dieser totalen Kritik des Totalitarismus, die politische Macht und die soziale Realität der Fortschrittsmoderne als Faktizität anzuerkennen und angesichts der dabei deutlich werdenden Schattenseiten der konstante Mahner zu sein. Ich kann im Werk Kästners diese Haltung der Anerkennung der Realität und der transzendierenden Kritik der Realität nicht oder kaum erkennen. Kritik, die nicht aufzeigen kann, wie die unvollkommene Wirklichkeit liebevoll zur Besserung gestaltet werden kann, ist keine echte Kritik, die immer im Modus der Dialektik auftritt. Ist Tillich dialektisch und die sog. Dialektische Theologie vielmehr dualistisch, so kennzeichnet dies auch die diastatische Haltung Kästners zur Welt: Diese ist letztendlich dualistischer Art: Dort das Böse, hier die Reinheit des innerlichen Offenbarungserlebens. Die Welt des Bösen ist der materielle Ort des Schmutzes, die Mystik ist geistiger Ort der Reinheit: das Böse : Wahrheit = Schmutz : Reinheit = das Da-Draußen : Innerlichkeit.

Das ist der tiefengrammatische mehrschichtige strukturale Code des Werkes von Erhart Kästner. Seine Kunst-Künstler-Theorie (Kästner 1974c, S. 88f.) neigt auch dazu. Deshalb wird ihm in der bisherigen Sekundärliteratur mitunter Esoterik, vielfach Eskapismus vorgeworfen. Auch ich werde dies, allerdings in einer sehr differenzierten (problematisierenden und inter-textualisierenden) Weise tun. * Um Kästners Position besser greifen zu können, rekurriere ich auf eine Arbeit von Sloterdijk (1993). Ich nutze Sloterdijks Phänomenologie des weltabgewandten 155 | Gegen die sich neuere populärwissenschaftliche Glanzstücke wie die von Sedlacek 2013 und Sedlacek/Tanzer 2015 richten, die wiederum ein Problem aufweisen: Ihre Literaturbasis ist systematisch verengt und viele Strömungen einer langen Tradition der Heterodoxien innerhalb der Ökonomie wie auch breite Strömungen der älteren wie neueren Kulturtheorie werden ausgeblendet. Auch ist die Rezeption der Psychodynamik viel zu holzschnittartig. 156 | Und dies spiegelt sich auch in einer neueren wissenschaftlichen Literatur in populärer Absicht: Ich verweise auf Piketty 2015 und auf Forrester 1998; 2002.

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Geistes.157 Peter Sloterdijk`s umfassendes, aber eben auch umfassend kontroverses Werk158 ist hier nicht das Thema.159 Ich habe Sloterdijk bislang nur im Kontext spezifischer Fragestellungen rezipiert, einerseits das Thema des Medizinzynismus160, andererseits im Kontext post-strukturalistischer De-Zentrierung des Subjekts. Hier nun ziehe ich seine Abhandlung über die Figur der Weltabgewandtheit161 heran. Das Buch von Sloterdijk mit dem Titel »Weltfremdheit« folgt einem Analyseschlüssel, der eindeutig psychodynamischer Art ist. Sloterdijk will diesen Analyseschlüssel zwar explizit nicht psychiatrisch ausgelegt sehen; dennoch entfaltet er auf den S. 14ff. eine Psychodynamik der Mobilität zwischen Öffnung und Verschlossenheit, wie auch ich sie zuletzt sehr ausführlich in anderen sozialpolitischen Themenkreisen dargelegt und genutzt habe und die Psychodynamik hier daher nicht nochmals in ihrer Kernargumentationsstruktur paraphrasieren möchte. Nur soweit: Die Psychodynamik analysiert und entfaltet im Vorfeld endogener Psychosen hier eine Charakterneurosenlehre162, wo es um die Haltung der Person zu ihrer Umwelt unter dem Aspekt des kreativen Sich-Öffnens auf die Entwicklungs- und somit Wachstums- bzw. Reifungsaufgaben in der Daseinsgestaltung im Lebenslauf geht. Daran können Subjekte (regressiv-panisch-phobisch wie auch manisch) scheitern; es kann ihnen aber auch relativ gut gelingen. Es geht bei Sloterdijk um typologisch fassbare verschiedene Selbste: das bestimmte, das berufene, das begeisterte, das umzingelte, das harte, das deprimierte, das tauchende, das atmende und das pneumatische Selbst. Die tiefengrammatische Folie der Bipolaritäten im Transaktionalismus von Person und Umwelt wird überaus deutlich. Diese Sicht passt zugleich zu der von Sloterdijk auf den S. 332ff. skizzierten post-strukturalen De-Zentrierung des Subjekts in einer Art, die ich an anderer Stelle als Philosophie des Mich163 bezeichnet habe. Diese Sicht von Sloterdijk lässt sich an seinem Kapitel über die Wüste (S. 80ff.) für meine Fragestellung passend erläutern, zumal Sloterdijk (nachfolgend: Sloterdijk 1993) an einer Stelle (S. 299) auf Kästners Buch zur Stundentrommel vom heiligen Berg Athos Bezug nimmt. Die Anachoreten und Eremiten der Wüste handelt Sloterdijk unter der Person-Welt-Figurativät des »Akosmismus« (auch S. 257ff.) ab. Ich werde noch zu zeigen versuchen, inwieweit dieses Element Teil eines post-zivilisatorisch-konservativen Habitus ist. Allerdings, und dies dürfte bei 157 | Einige relevante Aspekte können auch Sloterdijk/Macho (1993) entnommen werden. 158 | Sehr instruktiv zur Orientierung ist Schütte 2015. 159 | Dobeneck 2006; Heinrichs 2011; Tuinen 2006. 160 | Schulz-Nieswandt 2010a, S. 393f. 161 | Sloterdijk 1993. 162 | In Anlehnung an Gebsattel u.a. 1972 kann auch von »Fehlhaltung« der Person gesprochen werden. Zur Charakterlehre vgl. beeindruckend auch Wellek 1966. 163 | Schulz-Nieswandt 2013a; 2014; 2015; 2015a.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

Kästner eventuell eine Rolle spielen, kann die Suche nach der einsamen Einfachheit auch Ausdruck eines unbewältigten Traumas sein, in diesem Fall die Erfahrung der Soldatenrolle im 2. Weltkrieg, wohl auch die sich für alle damit stellenden Schuldfragen. Es ist die Welt selbst, die den Menschen aus dieser Welt heraus treibt in ein Außen im Drinnen.164 Wobei die »Lage des Erleuchteten keineswegs einer über der Welt« ist (Sloterdijk 1993, S. 263), sondern: »Weltlosigkeit gibt es nur in der Welt selbst.« (S. 263) Für die Weltflüchtigen sind dennoch die weltintegrierten Partizipanten, die sich um »Reformpolitik, Technik und Klinik« bemühen (S. 261), arme »Triebsäcke« und »Staubsäcke«, verarmte »Weltlinge«: »Da sie sich fürs Jasagen und Weitermachen engagieren, können sie nichts von den Wahrheiten wissen, die aus der Verneinung und dem Aufhören stammen.« (S. 259) Das »Prinzip Wüste« (S. 86) analysiert Sloterdijk vor dem Hintergrund seiner ontologisch-anthropologisch-psychodynamischen Darlegungen als strukturale Verschiebung von einer Triade zur Dyade. Aus der Triade

Welt – Person – Gott

wird nun die Dyade Gott – Person.

Die Welt wird als letztendlich bedeutungslos ausgegrenzt. Dies ist mit Blick auf die bi-polare Diastase ganz barthianisch165. In der Dyade öffnet sich die Person nun zwar vertieft vertikal gegenüber Gott, aber dies auf Kosten eines Weg-Schließen der Welt (S.  91f.). Dies mag extrem wichtig – kulturbedeutsam – gewesen sein als psychohistorische Vorgeschichte der modernen subjektiven Innerlichkeit166 (S. 94). Aus der »üblen Welt« erreicht der Aussteiger so das Optimum an Distanz, also das Minimum an Weltverbundenheit. Die Kritik des Üblen ist die Distanz, nicht die zugehende, durch Öffnung zur Welt sich anstrengende Bewegung des personalen Subjekts der Veränderung seiner Welt in dieser seiner Welt. Was stattdessen anachoretisch praktiziert wird ist der »Monolog der dyadischen Monade« (S.  98). Kritik ist hier reine Verweigerung. Damit auch das Ende der Partizipation an der polis, auf die Sloterdijk mit mehrfachen Verweis auf Paul Tillich (S. 107, S. 109) wohl insistiert. Was Sloterdijk hier andeutet, ist eine Synthese der Öffnung nach Oben und einer Bewegung nach vorne, in der Horizontalität der profanen geschichtlichen Gesellschaftlichkeit, so dass hier ein Bezug zu Teil164 | Vgl. dazu einen anderen »Fall«: Robert Francis: dazu Hamburger 1993, S. 253ff. Hamburger war auch mit Huchel befreundet. 165 | Hauser 1949. 166 | Aufschlussreich: Christoffel 1940.

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hard de Chardin (S. 112), auf den ich etwas weiter unten noch streifend eingehe, durchaus richtig ist.167 Ich komme aus dieser kurzen Exkursion zu Sloterdijk zurück zum binären Code der Reinheit des Geistes. Indem der materielle Ort des Schmutzes dem geistigen Ort der Innerlichkeit dual kontrastiert wird, entfaltet sich unterschwellig auch dieser binäre Code: Materie : Geist = profan : sakral = banal : wahr.

Ich habe in einer psychodynamischen Lesart der Sozialpolitik168 zu zeigen versucht169, dass eine verantwortliche Mitwirkung am sozialen Wandel nicht konformistisch und opportunistisch sein muss. Vielmehr geht es (eben transgressiv170) um Grenzüberschreitungen171 im Modus schizoider Kreativität. Interessen müssen durch geteilte Ideen bahnend transzendiert werden. Kästner erscheint die Welt der Interessen ohnehin nur als des Teufels. Es darf darauf verwiesen werden, dass an einer Stelle Kästner den Antichristen entpersonalisiert und – existentialphilosophisch anmutend – als »Leere« (auch S.  228) bezeichnet, als »Nichts, das Gegenteil von Erfüllung.« (Kästner 1974, S.  205). Und des Teufels sind ebenso die Welt der Ideen, denn im Zeitalter der Totalitarismen sind Ideen immer schon verdächtig. Verdächtig, ja. Aber sind Ideen deshalb überflüssig? Kästner konnte ja seine Wahrheit anfangs noch wandernd172 in urgriechischen Landschaften finden. Nun – nach dem Intermezzo der Wüste – nur noch im Kloster? Die Landschaftssehnsucht ist verständlich. Sie ist nachvollziehbar. Das mache ich auch. Aber es muss auch eingestanden werden: Das sind die ersehnten und erhofften (oftmals im Alltag des Urlaubs dann doch nicht erfüllten) Auszeiten173, in denen die Seele baumeln kann (also den »Frieden der Seele« findend: Kästner 1974, S. 234) – wofür? Um zu schöpfen, in dieser Welt mitverantwortlich gestaltend zu partizipieren. Nicht nur kann, ich folge wieder Tillich, der Mensch sein personales Sein nur in Partizipation am Gemeinwesen, ontologisch gesehen, zur Verwirklichung treiben. Auch rechtsphilosophisch (eben auch im Lichte einer Schnittstelle philosophischer und theologischer Anthropologie174) kann man die zivilisatorische Idee eines sozialen Rechtsstaates, dessen Sinn es ist, al167 | Vgl. Teilhard de Chardin 1963, S. 351 ff: »zum Empor durch das Voran«. Vgl. auch zum Zwei-Vektoren-Modell bei ihm (Oben und Vorwärts): Teilhard de Chardin 1962, S. 175. 168 | Schulz-Nieswandt 2006. 169 | Schulz-Nieswandt 2015a. 170 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 82f., S. 86, S. 96. 171 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 10. 172 | Vgl. ferner zu diesem daseinsthematischen Metaphernfeld auch Gellhaus/Moser/ Schneider 2007 sowie Graf/Hornung 1995. 173 | Baumann u.a. 2010. 174 | Schulz-Nieswandt 2014; 2015.

Zur Einführung: Kästner im Kontext

len Menschen im schicksalhaften Gefüge des Miteinanders Chancen der Selbstentfaltung und damit die Perspektive einer gelingenden Daseinsgestaltung zu eröffnen, nicht ernsthaft banalisieren. Im Gegenteil: Die Idee der Person in der modernen teilhaberechtlich orientierten Grundrechtsdebatte ist quasi sakralisiert (dazu mehr in Schulz-Nieswandt 2017)175. Aber hier ist man fast gezwungen, bei Kästner eine despektierliche Abwertung der Welt der sozialen Rechtsregime zu lesen (Kästner 1974c, S.  116): Er will eher natürliche Gnade176 (S.  116) als Recht der Chancengleichheit wirksam sehen. Vielleicht verstehe ich die knappen Texte falsch. Aber da ist von natürlicher Vererbung die Rede: von Schicksal. Die moderne Sozialarbeit und Sozialpädagogik werden – implizit – karikiert: Wird dort doch um die sozialen Entwicklungschancen des Menschen gerungen (S. 116f.). Kästner verliert hier das Augenmaß. So stilistisch durchgebildet seine Prosadichtung des Eintauchens in die Wahrheit der Landschaft ist (Kästner kombiniert177 Prosadichtung mit Autobiographie, Tagebuchform, Montagen, Kunsttheorie und Philosophie); und so sehr ich selbst diese personale Erlebnisgeschehensordnung178 bereits in der Lektüre von Walter F. Otto nachvollziehen konnte179; und so sehr diese onto-theologische Erlebnisverarbeitung für die eigene Lebensführung des Menschen gerade auch im Kontrast zur oftmals ekeligen Wirklichkeit des kirchlichen Institutionengeschehens Kraft gibt: Es muss eine Kraft sein, sich auf das ewige Wagnis des Seins einzulassen, mit Mut zum Sein aus der Kraftquelle der Liebe im Lichte sozialer Gerechtigkeit. Ewig ringt der homo abyssus und der homo donans im Menschen und somit im Gefüge der Menschen in der Rolle des Mitmenschen im Knotenpunkt sozialer Beziehungen. So sehr der innere Ort des Offenbarungserlebens eine primäre schöpferische Kraftquelle ist; die sekundären und sodann tertiären Räume des Institutionellen, der Gabe und der Reziprozität, des Gebens und Nehmens also, des Kultes und Ritus, des Festes, der Gemeindeordnung180 der Gesetzgebung und der praktischen Sozialpolitik im lokalen Sozialraum des Quartiersmanagement181 sind nicht minder zu schätzen. Sie sind nicht banal. Wo sonst soll der Mensch denn leben und d.h. lieben?

175 | Joas 2011. 176 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 65, S. 173. 177 | Krättli 2015. 178 | Thomae 1968. 179 | Schulz-Nieswandt 2014a. 180 | Schulz-Nieswandt 2013. 181 | Schulz-Nieswandt 2013a. Vgl. auch Wegner 2014.

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B. Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

Ich werde Kästners literatur- und kunsttheoretische Haltung im Lichte einer psychodynamischen Theorie apotropäischer1 Hygieneangst formulieren. Dies werde ich in dem bereits kurz definierten BENPAHM-Syndrom (dazu insb. Kapitel XVIII) diagnostisch verdichten. Die Welt ist des Teufels geworden: Der Mensch hat sich als heroischer2 Prometheus (Bapp 1993) selbst dem Schöpferwahn hingegeben und damit hat er seine uralte Seinseingebundenheit verloren. Vor allem die Wissenschaft ist zur Quelle der fetischisierten Weltbeherrschung geworden. Die Welt ist zum Objekt eines falschen Gottes, eines demiurgischen Dämonen3 geworden. So Kästners universale, auf Totalität abstellende Diagnose. Verloren ist die Bescheidenheit. Verloren sei die Demut (»wahrer Heimkehrer nur ist, wer aus Niederlage und aus der Gefangenschaft kommt. Niemals der Sieger.«: Kästner 1974, S.  309) vor der Ordnung des Seins. Das ist Verweis auf die notwendige Rückkehr des Schicksals, die doch die Neuzeit bekämpfte, nun aber nicht als natürliche Ordnung des Seins göttlicher Fügung, sondern als das neuartige artifizielle, zugleich verdinglich1 | Herrlich die Darstellung der apotropäischen Praxis eines Familienmitgliedes angesichts des ständigen Besuchs der Großtante Costanza im Roman von Carofiglio (2015, S. 141). Wissenschaftsgeschichtlich geht der Begriff der apotropäischen Handlung in der älteren Altertums- und Religionswissenschaft auf Otto Jahn zurück. Vgl. auch Schlesier 1990. 2 | Campbell 1999; Boehringer 2001; Hoff u.a. 2015. Dazu auch auf der Homepage des DFG-SFB 948: Der Sonderforschungsbereich 948 der DFG mit dem Titel »Helden – Heroisierungen – Heroismen. Transformationen und Konjunkturen von der Antike bis zur Moderne« in Freiburg i.Br. untersucht das Heroische als ein soziales Phänomen – methodisch in einer kulturübergreifenden komparativ-diachronen und -synchronen Langzeitperspektive – von der Antike bis heute. Das besondere Interesse liegt hierbei fokussiert auf den sozialen Ordnungen, die durch spezifische Heldenfiguren stabilisiert, aber auch problematisiert werden. Die erste Förderphase läuft von Juli 2012 bis Juni 2016. 3 | Zum Dämonischen vgl. in Schulz-Nieswandt 2013, S. 15f., S. 102f.

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te Schicksals der verselbständigten Objektivationen des Menschen. Die Dinge4 wurden verdinglicht; nun schlagen sie – eine Mana-artige Personifizierung, die allegoretisch5 den Metapherncharakter6 der Rede von den »Dingen« fundiert – zurück: ein »Aufstand der Dinge«. Die affektpsychologische Haltung ist die des Ekels7: Aus Abscheu vor dieser Welt auf Abwegen kehrt Kästner der Welt den Rücken und thematisiert die Sehnsucht nach dem inneren Frieden (vgl. auch Kästner 1974a, S. 76, wo er konstatiert: Könnte er »sein Leben noch einmal ins Reine« schreiben, so würde er die Wüstenzeit nicht missen wollen) der geistigen Meditation8 in heterotopen Räumen der Wüste (»Wüste, gelebt«: Kästner 1974, S. 161) und des Klösterlichen. Zunächst (Kästner 1974a, S.  21) ist Wüste das »Land, das nicht mehr empfing und nicht schenkte, nicht nährte«. »Es war ein Dasein im Leeren.« (S.  22) und (ebenda): »Mit der Zeit aber, freilich nach vielen Monaten erst, vollzog sich ein Wandel. Die Unruhe fiel ab.« Diese Unruhe, weit vor der Moderne schon bei Hiob thematisiert (Kästner 1974a, S. 166), wird hier als Zeitproblem zugespitzt. Die Wirkungskette ist in der Kapitelüberschrift dargelegt: Welt ↔ {Ekel → Abkehr → Sehnsucht} : → fremde heimatliche Orte der Alterität.

Das ist zunächst zu entfalten. Die Analyse beginnt mit dem dualen Gegenüber von Masse und Kunst. Sodann zeichne ich die besagte Wandlung von der Ethnographie der gastfreundschaftlichen Gabe hin zu einer spezifischen ORDO-Theologie nach. Dieser Abschnitt macht deutlich, dass ich – identifiziert man mit Krättli (2015) die drei zentralen geographischen Regionen im Werk Kästners (die griechischen Inseln, die ägyptische Wüste und das Kloster Athos) – einerseits einer Werk4 | Zum Ding-Verständnis vgl. auch Mohrmann 2011. Ferner Tietmeyer u.a. 2010. 5 | Drügh 2000. 6 | Die Allegorie ist eine Form indirekter Aussage, bei der eine Sache (hier die Dinge) aufgrund von Ähnlichkeits- und/oder Verwandtschaftsbeziehungen als Zeichen einer anderen Sache (menschliches Handeln) eingesetzt wird. So wird die Allegorie als Stilfigur unter den Tropen (Formen uneigentlichen Sprechens) eingeordnet und gilt dort als fortgesetzte, also über ein Einzelwort hinausgehende Metapher (Kohl 2007). Da die Dinge durch Objektivationen des Menschen verwandelt werden und erst infolge dieser Verwandlung zurückwirken, handelt es sich quasi um ungewollte Folgen unreflektierten magischen Handelns. Damit werden den Dingen infolge des Prozesses Fähigkeiten der Rückwirkungen attribuiert, die der Dingwelt seelische Regungen entlehnt. Wenngleich die Umweltzerstörung real ist und ebenso die Folgen dieser Zerstörung, ist die beseelte Allegorisierung doch eine abergläubische Vorstellung. Dazu auch Anregungen in Völk 2015. Menninghaus 2002. Instruktiv im Überblick: Penning 1984. 7 | Nochmals dazu Menninghaus 2002. Instruktiv im Überblick: nochmals Penning 1984. 8 | Zur Meditation vgl. theologisch auch Lotz 1959.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

wachstumsgeschichte entlang der Zeitachse folge, andererseits, weil die Zusammenhänge eben nicht so einfach in der Sequenz anzuordnen sind, übergreifende Verschachtelungen der (eher paganen und eher theologischen) Perspektiven darlege. Meiner These nicht widersprechend, geht ja die frühere Landschafts-OntoTheologie sowie die Anthropologie der Gabe nicht gänzlich verloren. Sie rückt nur, allerdings m.E. überaus deutlich, in den Hintergrund. In den Vordergrund rückt dagegen die Theologie der Gabe und Offenbarung, der Demut und der Hörigkeit nach dem Oben. Der Topographie von Kästners Migrationen korrespondieren dergestalt mentale Transformationen. Geographisch bleibt er auf einer Linie, wandert von Kreta nach Süden in die ägyptische Wüste und dann nach Norden zum Berg Athos, wenngleich immer die ägäische Inselwelt im Blick habend. Insgesamt ist es ein mentaler Migrationsprozess9: von der Onto-Theologie des Landschaftserlebens hin zu einer Licht-Ton-Metaphysik zur Mystik der Wüste und sodann des Klosters. Immer bleibt es eine Welt der Einfachheit: griechische Berghütten, das Zelt in der Wüste, das Bergkloster.

I. K unst und M assengesellschaf t Nauhaus (2003) – auch Meid: »Die Reiseberichte von […] Erhart Kästner stehen für eine wirkmächtige Tradition des Schreibens über Griechenland, die von der metaphysischen Überhöhung des bereisten Landes geprägt ist.« – konstatiert eine signifikante Relevanz von Kästner, der 1953 ins PEN-Zentrum aufgenommen, 1956 zum ordentlichen Mitglied der Berliner Akademie der Künste berufen und sodann in die Bayerische Akademie der Schönen Künste gewählt wurde, wenn sie die Aktualität der zeit- und sprachkritischen Reflexionen von Kästner betont, wobei Kästner die Bedeutung der Kunst als Gegenwelt zu einer von Naturwissenschaft und Technik10 beherrschten Massengesellschaft11 betont. Natürlich hat Kästner Recht, wenn er konstatiert, man könne eine griechische Insel nicht durch die Windschutzscheiben eines Autos erleben; man müsse wandern: krumme und steinige Wege gehen, für die man dann das Heilige geschenkt bekommt (Kästner 1974, S. 144). Aber dann das Übersteigen: »Ja, Impressionen kann man viel9 | Instruktiv zur Mythologie der Himmelsrichtungen, insb. zum Süden: D. Richter 2009. 10 | Vgl. auch zu dem ganzen Themenfeld der Technikdiskussion: Richter/Schwarke 2014. Kulturgeschichtlich zur Technik: Heßler 2012. 11 | Die Problematik der Massengesellschaft ist umfassend aufgearbeitet worden in Munk 2011. Dort geht es im Schwerpunkt zwar um »Tierbilder für das Phänomen des Massenhaften in der Literatur des 20. Jahrhunderts«, aber die einschlägige Forschungsliteratur zur Massengesellschaft und zur Massenpsychologie sowie auch zur methodologischen Debatte um inter-textuelles Verstehen unter Berücksichtigung von Inter-Diskursen ist dort aufgearbeitet. Vgl. auch Zeller 2011. Zur (Theorie der) Masse in Schulz-Nieswandt 2013, S. 36ff.

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leicht vom Auto aus haben; aber was sind Impressionen. Des Nichts, des Teufels Kulissen.« (Kästner 1974b, S. 7) Dies ist allerdings keine neue Haltung12, wenn man einerseits an Heidegger und Gadamer13 denkt, andererseits an Guardini und Weischedel14. Wissenschaft sei, »wenns hoch kommt«, Klugheit, nicht (mehr) Weisheit (Kästner 2004, S. 186). Selbst Archäologie (sarkastisch-ironisch: Kästner 1974c, S. 105f.) hält Kästner für verfehlt (Kästner 1974b, S. 10): »Oder will jemand behaupten, daß das in Ordnung sei: Forschung, Besichtigung, Archäologie?« (S. 55) Oder: Kästner (1990, S. 39): »Spürt man den Atem Homers, wenn man die Schuttberge der homerischen Forschung durchwühlte?« Es wird sich zeigen, dass Kästner nicht im Rahmen einer eingeengten Werkanalyse von herausragender Bedeutung ist; dazu ist seine Prosadichtung nicht hinreichend von erstem Rang. In vielen Abhandlungen zur Griechenlandrezeption in der modernen Literatur wird er auch nur sehr am Rande vermerkt.15 Kästner ist eher eine Chiffre für komplexere Zeitdiagnosen, die auf das ganze 20. Jahrhundert einschließlich des längeren Vorspiels der Moderne bezogen sind. In Kästners Werk verdichten sich in spezifischer Figurativität relevante kulturelle Diskurse und trans-individuelle Deutungsmuster, die es zu entschlüsseln gilt. Daher ist sein Werk nicht nur von lokaler Bedeutung, allerdings auch nicht im Status einer »totalen sozialen Tatsache«, aus der sich die Totalität anthropologisch verfasster historischer Gesellschaft entwickeln lässt. Allerdings erschließt der Blick auf die Inter-Textualitäten eine gewisse Komplexität in der epochalen Strukturhermeneutik der Krise (der Kritik) der Moderne. Vor diesem Hintergrund wird relevant, dass der König von Griechenland16 Kästner für dessen Griechenlandbücher das Goldene Kreuz des Ordens Georg August verliehen hat. Als Kästner 1974 starb, wurden in allen Klöstern des Berges Athos gottesdienstliche Totengedenken für einen Freund des Byzantinischen gehalten, des Byzantinischen, das Kästner nicht der Vergangenheit zuzählte, sondern als »ein Weg zum Leben«.17

12 | Die »Herrschaft der Mechanisierung« hat (1948) auch Sigfried Giedion (2000) umfassend (wenn auch nicht thematisch erschöpfend) ausgebreitet. Vgl. auch Barbey 2007 sowie Gerhards 1999. 13 | Grondin 2011. Schulz-Nieswandt 2013, S. 28f. 14 | Schulz-Nieswandt 2015. Clement 2012. Über Weischedel, den ich bislang nur oberflächlich rezipiert habe (Schulz-Nieswandt 2015, S. 53ff.), gibt es einige unterschiedlich fokussierende Studien (Deinhammer 2008; Hieber 1999). Instruktiv die sorgsame Arbeit von Smit 1997. 15 | Biernat 2004; vgl. auch Kefalea 1995. Zum Teil wird er nur erwähnt im Kontext pauschaler ideologiekritischer Bemerkungen: vgl. in Riedel 2000, S. 303. 16 | Vgl. Krättli 2015. 17 | Dazu auch Tamcke 2008.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

Raabe schreibt im Nachwort seiner Edition von Briefen von Kästner18, das »Zeltbuch von Tumilat« sei eines der berühmtesten »Nachkriegsbücher« und er hätte bis hin zum »Aufstand der Dinge« bildliche Darstellung und abstrakte Reflexion zur Synthese geführt. In seiner Kritik hätte er unerbittlich sein können. Auch das wird zu analysieren sein. * Komme ich daher zu Charakter und Funktion der Kunst. Walter F. Otto19 hat mich auf die Spuren von Friedrich Hölderlin (1770-1843)20 gebracht und damit auf das gestalttheoretische Dreigestirn der Liebe, der Wahrheit und des Schönen. Dies hat mich somit verwiesen zur Kontroverse um das Kunstwerk bei Gadamer (2009)21 und Heidegger (2010). Ich konnte diese ontologische Wahrheitstheorie der Kunst bei Weischedel wiederfinden22 . Aber bereits Walter F. Otto23 hat die ontologische Analyse der Kunst auf die Wahrheit bezogen, die nicht mit (nomologischer) Richtigkeit identisch ist. Literatur als Gegenwelt. Das Problem bleibt auch hier, was unter Gegenwelt verstanden werden kann. Dabei interessieren mich gar nicht so sehr die Fragen, die Adorno (2006) in seiner Ästhetischen Theorie aufgeworfen hat, also insbesondere die Frage, wie Kunst angesichts ihrer historischen Eingebundenheit überhaupt erst den Status von relativer Autonomie erringen kann. Bedeutet Gegenwelt eine Absonderung, ohne gestaltende Rückwirkung auf die Gesellschaft, aus der sich Kunst absondert? Dann würde ich mich doch lieber wiederum an Tillich orientieren und Kunst als Eros der Person24 nach unten von der Libido abgrenzen, aber als Stufe hin nach oben zu philia und sodann zur agape verstehen wollen.25 Daher ist es passend, dass Tillich 26 den Expressionismus27 schätzte. Innerhalb der und durch die Form der Abstraktion wird die Entfremdung der Menschen in 18 | Raabe 1984, S. 233. 19 | Schulz-Nieswandt 2014a. 20 | Schulz-Nieswandt 2015. Einen schönen neuen Überblick findet sich bei Burdorf 2011. 21 | Vielleicht wird man Gadamers philosophische Ästhetik der Kunst, kulturanthropologisch aufgeschlüsselt in Rekurs auf Kategorien des Spiels, des Symbols und des Festes, als Mittelposition einer Theorie der doch auch hermeneutisch erschließbaren EreignisKunst des Performativen (Fischer-Lichte 2012) einerseits und der Kunsttheorie der auratischen Daseinswahrheit andererseits verstehen können. 22 | Vgl. in Schulz-Nieswandt 2015. 23 | Otto 1949. 24 | Zum Personverständnis bei Tillich: Glöckner 2004 sowie Rösler 2013. 25 | Schulz-Nieswandt 2009. 26 | Tillich 2004. 27 | Exemplarisch an Max Beckmann dargelegt: Schneede 2009. Der eigentlich erst sehr spät entdeckte Meidner thematisierte ebenso die Großstadt wie die anderen angeführ-

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ihrer sozialen Welt daseinsthematisch verarbeitet. Das gilt auch28 für die expressionistische Lyrik 29 oder für den expressionistischen Roman30, ferner auch für die Plastik, wenn diese etwa im Rekurs auf die primitiv-exotische31 Kunst32 den Abstand zur Wirklichkeit zum Ausdruck bringt. Wandlung ist hier ein Paradigma zur Krisenbewältigung.33 In diesem anthropologischen Kontext eröffnete sich für Tillich die Kunst wie auch für Guardini die Literatur34 als Quelle einer Idee der theonomen Kultur. Kunst könnte auch im Modus der Zweckbefreiung den Zweck erhalten, gerade aus der ubiquitären Zweckrationalität des Systems auszubrechen. Damit wäre sie bereits durch den Kontrast aufklärerisch, weil mit der Logik der kulturellen Grammatik des Systems dem technokratisch regulierten Utilitarismus der Massengesellschaft brechend. Kunst selbst wäre das gelingende ganz Andere – also Religion – zur Systemidentität. Anders ist dies in einer später eskapistischen35 Lyrik/Prosa, wie sie hier nun zunächst aber noch die Gestalt einer Ausdrucksform religiösen Erlebens des Allzusammenhangs der Natur annimmt. Diese Frage nach der Gegenwelt wirft z.B. das daseinshermeneutische Verständnis von Wüste36 auf, wenn man in das »Zeltbuch von Tumilat« blickt (Kästner 1974a). Verlassenheit und Einsamkeit werden dort vom Geist – als geistliches Arkadien – überwunden.37 Busch38 spricht durchaus ironisch – auf das Dschungelbuch und Mogli, Baghira und Balu anspielend – (jedoch werkanalytisch nur schwach fundiert) von Genügsamkeit (»Versuch’s mal mit Gemütlichkeit«).

ten Expressionisten; der Krieg bestätigte seine apokalyptischen Visionen. Zu Meidner vgl. Presler/Riedel 2013. 28 | Anz 2010; Bogner 2009; F. Krause 2008. 29 | Vietta 1999. 30 | Zu Toller vgl. Rothe 1997; zu Döblin siehe Bernhardt 2007 sowie Schoeller 2011. Insbesondere zu Döblin liegt nunmehr ebenso eine umfassende Spezialforschungsliteratur vor, etwa: Rauwald 2013; Baum 2003; Baumann-Eiseneck 1992; Büchel 2012; Keil 2005; Leidinger 2010. 31 | Beyme 2008. 32 | Städtische Galerie Neues Schloss und Bibelgalerie 2007. 33 | Elwardy 2010. 34 | Langenhorst 2005. 35 | Diese Eigenschaft wird vor allem im Kontext des Werkes von George diskutiert: Strodthoff 1976. Umfassend Karlauf 2008. 36 | Lindemann/Schmitz-Emans 2000. Nicht näher aufgegriffen werden soll das Potenzial des Wüsten Landes bei T. S. Eliot. Dazu aber später nochmals. 37 | Holthausen 1957. 38 | Busch 2000.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

Das – also die Möglichkeit des Besinnens im ökologischen Setting39 des Zurückgezogenseins – ist nicht zu unterschätzen. Aber geht es vom Standpunkt des dialogischen40 Personalismus41 nicht um das gelingende Miteinander des Menschen in der Rolle des Mitmenschen? Hier wird die Daseinsverfehlung42 mit Blick auf eine Sozialkritik thematisiert, dort wird die uneigentliche Existenz in der Massengesellschaft nur als Horizont genutzt, um – ganz anders außerhalb der etablierten sozialen Faktizität – zum Daseinsglück zu gelangen. Es sind dann aber eben nur Auszeiten. Ich komme bis zum Ende der vorliegenden Abhandlung auf diesen Punkt mehrfach wieder zurück.

II. E t in A rcadia ego : G riechenl andsehnsucht Die Begeisterung der Kunst für die Ethnologie des »Primitivismus«43, erinnert sei nur44 an das zentrale Werk »Negerplastik« von Carl Einstein (2012)45, war im geistigen Bezugssystem des Kontextes der Krise der klassischen Moderne46 – in der Kunst, vor allem in der Malerei47 mit Paul Cézanne48, Paul Gauguin49 und Vincent van Gogh50 beginnend und in ihrer späteren Metamorphose zu Dadaismus51 und Surrealismus52, die Kästner für ganz zentral bedeutsam im 20. Jahrhundert hielt (Kästner 1973, S. 63, S. 152)53, fortgeführt 54 – eine kollektive Über39 | Settings sind hier quasi sozialtranszendentale Orte des kreativen Selbst-Überstiegs und der Struktur-Transgression. 40 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 32, S. 73, S. 96, S. 170, S. 181. 41 | Schulz-Nieswandt 2014; 2015. 42 | Daseinsanalytisch, eng am klinischen Material, sehr klärend: Zacher 1988. 43 | Vgl. auch Schmidthorst 2004. 44 | Abgesehen von einer breiten Forschungsliteratur: vgl. Weiss 2007. 45 | Berning 2011; Crighton/Kramer 2012. 46 | Kiesel 2004. Vgl. auch Koch-Hillebrecht 1983. 47 | Richter 1993. 48 | Adriani 2006; Becks-Malaorny 2011. 49 | Walther 2013. 50 | Koldehoff 2003. 51 | Korte 2007; Elger 2009. 52 | Klingsöhr-Leroy 2006; Schneede 2006. 53 | Zu Magritte vgl. Kästner 1973, S. 150. Vgl. auch Paquet 2007. 54 | Obwohl er keine Sozialkritik transportierte, war der Bruch mit dem Naturalismus – je nach gattungsgeschichtlichem Niveau kognitiver Weltdurchdringung ohnehin immer schon eine Chimäre – bereits im formgeschichtlichen Wandel zum Impressionismus (Feist 2010; Grimme 2011; Wildenstein 2011) als erste De-Konstruktion verankert. Der Kubismus (Ganteführer-Trier 2009) de-konstruierte die Wirklichkeit noch vor dem Ersten Weltkrieg radikal, indem er die Wirklichkeit in seine elementarsten geometrischen Figuren zerlegte und neu

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tragungsleistung.55 Gemeint ist eine Suche nach dem eigenen Selbst im Spiegel56 des Exotisch-Fremden57, auch als Reise angedacht, ob nach Tunis oder Tahiti. Das ist letztendlich egal.58 Die berühmte »Tunis-Reise«59 von Paul Klee60, August Macke61 und Louis Moilliet62 ist als Sehnsucht nach dem »ganz Anderem« (als Paradies) letztendlich nur (und eben [so auch Kästner 2004, S. 100] »erschreckend« anders) zusammenfügte. Höhepunkt der De-Konstruktion sozialer Wirklichkeit waren am Ende der (unproduktive) Dadaismus und der (produktive) Surrealismus. Ausgangspunkt ist also zwingend hierbei die Überwindung des Naturalismus einer Nachahmung, die den Weg zur Symbolik und Metaphorik als Neu-Schöpfungen von Wirklichkeit (über Impressionismus und Post-Impressionismus [Thomson 2002] hinweg) in die Kultur- und Gesellschaftskritik des Expressionismus findet. Insofern setzt der Expressionismus, ebenso wie der Kubismus und alle anderen avantgardistischen Variationen, bereits den Impressionismus, die Abkehr vom Naturalismus der vor-modernen Malerei und Kunst überhaupt voraus; Realität ist eben nicht mehr eindeutig selbstverständlich. Und deshalb ist die Stilgeschichte, die Gauguin, Cézanne und van Gogh auslösten, Ausdruck einer kollektiven epistemischen Krise. Zumal die Photographie (Plumpe 1990; Geimer 2012; Kemp 2011; Sachsse 2003) dem Abbild-Naturalismus die Grundlage entzog, bevor die Photographie später selbst in ihrer konstruktivistischen Tiefengrammatik entschlüsselt wurde, ebenso wie der Film – bis hinein in die neuere Theorie der videographischen Methode in der Ethnographie der qualitativen Sozialforschung. 55 | Jung 2001; Lacan 2008. 56 | Lang 1998. 57 | Vgl. auch Kiening 2006. 58 | Vgl. auch Otterbeck 2007; Küster 2007 zu Pablo Picasso und Henri Matisse. Zu Matisse siehe Essers 2010 sowie Jacobus 1989. 59 | Güse 1982. 60 | Kupper 2011; Düchting 2008; Partsch 2011; Rümelin 2004. Mit Bezug auf Klee kann man sich fragen, welchen Zugang Kästner (2004, S. 71ff.) hier eigentlich hat. Dazu im Kontext der Wüste: Boehm 2004, S. 68f. Hier zeigt sich in der Abstraktion ein »Verwandlungswunsch«. (Dazu auch Th. Ries 2014 am Beispiel von G. Benn; eine Fülle von Spezialliteratur bezieht sich auch auf das Werk von Robert Musil: R. Krause 2008; Giller 2004; Geschwandtner 2013.) Im Bild kommt die verborgene Wahrheit der Wirklichkeit zum Ausdruck (S. 71). Boehm zeigt in diesem Zusammenhang, wie dionysisch-ekstatisch Kästner sein kann (Boehm 2004, S. 75): Iphigenie (Matuschek 2006) »hat Gesicht und Haltung der Hekate angenommen, der unheimlich-schaurigen Göttin des Dreiwegs, der Straßenkreuze, der Aufseherin der Schatten, des Wahns, der Epilepsie, der Dämonin, die Hunde und Wölfe begleiten.« Aus dem Rückzug der Iphigenie resultiert der Einzug der Hekate. Auf dieser Wandlung begleitet uns Hermes, oder stellvertretend nun die Kunst, die die Augen dafür öffnet (Boehm 2004, S. 67). Zur Hekate vgl. auch Art. Hekate, in: Roscher 1993, I.2, Sp. 1885ff. Zum Hekate-Zyklus von Nay vgl. auch Reuter 2002. 61 | Meseure 2009. 62 | Schaffroth 2009.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

eine exotistische63 Suche64 im Lichte der eigenen Krise der Moderne65.66 Und auch die persönliche tiefe Lebensangst, die Marc Chagall67 empfand, reflektiert die Krise der Moderne und deren Grausamkeiten. Oder: Edvard Munch’s »Schrei«68 verdichtet diese personale Erlebnisgeschehensordnung geradezu auf den Brennpunkt bringend. Die Zusammenhänge zwischen Angst, Existenzialismus und Expressionismus69, auch gerade im Lichte der traumatischen 70 Erfahrung des Ersten Weltkrieges71, sind hier nicht das breit zu entfaltende Thema. Aber gerade der Zusammenhang zwischen Angst in der Alltagssorge und der Aufstieg der öffentlichen Daseinsvorsorge 72 – nun dabei aber nicht der post-liberalen, anti-bürgerlichen Staatsauffassung von Ernst Forsthoff folgend 73 – ist hier durchaus zu betonen.74 Denn jede rationale soziale Reform wird von Kästner abgelehnt.

63 | Vgl. auch Zenk 2003. 64 | Rees 2010. 65 | Wagner/Melcher 2011. 66 | Lemaire 2013; Wagner/Melcher 2011. Vgl. sehr kritisch Metken (1989) zu Gauguin in Tahiti. Grundsätzlich auch Därmann 2005 sowie Rees 2010. Zur »Ikonographie der Wilden« vgl. Wiener 1990. Vorgeschichte bei Volk 1934. Zur deutschen Südseeliteratur 1815-1914: Dürbeck 2007. Vgl. auch Hall 2008. 67 | Aaron 2003. 68 | Arnold 2007; Bischoff 1999. 69 | Rothe 1997. 70 | Mülder-Bach 2000; Metzner 1976. 71 | Buelens 2014; Fries 1994; 1995. 72 | EU-rechtlich: (wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche) Dienstleistungen von allgemeinem (öffentlichen) Interesse: Schulz-Nieswandt 2010b. 73 | So ist bei Forsthoff (Meinel 2011) die Entfremdung des Menschen in der klassischen Moderne der Ausgangspunkt; aber seine Theoriearchitektur ist nun ganz eigener Art. Forsthoff wird von Meinel als post-liberal dargestellt: Der duale Gegensatz von Gesellschaft und Staat wird aufgehoben. Der Bürger sucht nun im Staat Sicherheit, nicht durch den Staat. Anders als im Funktionalismus von Thomas Hobbes (der Staat garantiert die bürgerliche Gesellschaft kraft seiner Autorität), neigte Forsthoff zunächst in der Tat zum totalen Staat, von dem er sich wohl ein falsches Bild machte und von dem er sodann abgeschreckt war angesichts von dessen Gewaltsamkeit. Forsthoff wich vor dem Totalitarismus (der Stiefel uniformierter Truppen) zurück: Sein Staatsverständnis war nochmals ein ganz anderes. Der Bürger findet seine Sicherheit in der unmittelbaren Institutionalität des Staates, der aber in diesem neuen, post-liberalen (post-bürgerlichen) Modus sein personales Dasein realisieren könne. Einer solchen Aufhebung der Trennung von Staat und Gesellschaft und einer solchen unmittelbaren Einbettung der Person in den Staat folgt der heute genutzte Begriff der öffentlichen Daseinsvorsorge eben nicht. 74 | Schulz-Nieswandt 2010.

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Erhart Kästner (1904-1974)

Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen liegt bereits tiefer und verweist uns auf die Tradition der Romantik.75 Die Italien-Sehnsucht – nicht nur 76 bei Goethe 77 (dessen Verhältnis zur Antike ein eigenes komplexes Thema darstellt 78, sicherlich jedoch Teil seiner kritischen Auseinandersetzung mit der beginnenden Moderne ist 79) – ist hier systematisch zu lokalisieren.80 Hier gehört auch das (von Gregorovius81 schön beschriebene82) Phänomen Capri83 dazu. Ebenso älter, bereits in der Romantik 84, wurzelt – an die bekannten Studien von Manfred Frank (1982; 1988) ist nur zu erinnern – aber auch der Rückgriff auf die wilden Ursprünge der dionysischen85 Mythologie, die die Philosophie und die Kunst bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägen wird 86. Die klassischen Mythen wurden kreativ absorbiert 87 in den Reflexionen seit der Romantik, in klassischer Philologie und in den Varianten eines »kommenden« (dionysischen) Gottes im 20. Jahrhundert, die man, wohl wissend um ihre ideologischen Fallstricke, in spezifischer Weise doch wiederum produktiv als Faden aufnehmen kann. *

75 | Schulz 2006; Safranski 2009. Kritisch auch Kohlschmidt 1955. 76 | Vgl. auch Müller/Reitani 2011. 77 | Boerner 2010 sowie Locher u.a. 2010. Auch auf Thomas Mann wäre einzugehen: Ognibene 2009. 78 | Grumach 1949. 79 | Dazu auch Jaeger 2004. 80 | Alefeld 2011. 81 | Vgl. Kruft 1992. 82 | Gregorovius 1952. 83 | Savinio 2001. 84 | Gockel 1991; Loos 2011. Eine der Quellen neuer Mythologie ist Friedrich Schlegel. Dazu hinführend auch Behler 1966. Zur romantischen Vorgeschichte der bi-polaren Denkstruktur {Aplollinisch : Dionysisch} vgl. auch in Bosco 2004, S. 155ff., ferner in Ruttkowski 1978, S. 127ff. 85 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 11, S. 13, S. 85. Vgl. auch Schlesier/Schwarzmaier 2009. 86 | Baeumer 2006. 87 | Vgl. auch Koopmann 1979.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

Menschliche Existenz ist immer mythopoetisch.88 Wahrheit kann nur im Modus der Erzählung89 erfunden werden. All dies ist also nicht ohne Bezug auf die Traditionslinien der Romantik und auch nur im Bezugssystem spezifischer Antikerezeption90 verstehbar91. Hier kommt die ganze tiefe seelische Problematik des modernen Menschen als soziales Daseinsführungsproblem im urbanen92 Kontext schmerzvoll zum Ausdruck – im Modus der Lyrik oder auch (die Plastik keineswegs ausschließend) der post-naturalistischen Malerei –, damit aber auch in einem eigenen Modus der Reflexion, die, da sie auf die zerstörte unentfremdete Kreativität des Menschen abstellt, einem Typus der »aufgeklärten Romantik« entspricht. Diese lässt sich einerseits einer Industrialismus93-/Kapitalismuskritik94 zuordnen, die schon in der klassischen Romantik wurzelt (ich denke auch an Novalis95), nun aber seinen traurigen96 mythischen Optimismus verliert und die die nicht vollendete Moderne in ihrem Zerfall und Niedergang mythopoetisch reflektiert97.

88 | Pajevic 2012. Hierzu können wichtige Anregungen zur diesbezüglichen Theoriebildung bei Menninghaus (1980) entnommen werden, der über die »Form der Magie« bei Paul Celan handelt. Gedichte sind nicht einfach ein instrumentelles Organon des Inhalts als Geschichtserfahrung, sondern (vgl. auch Grimm 2003) Orte des Daseins (analog zu Heideggers Sprachphilosophie); Form ist Form einer Geschichtserfahrung, aber als Form immer zugleich Hervor-Bringung des Inhalts (S. 38f.). Das ist die »Magie der Form«: GestaltWerdung (S. 35, S. 37). So (S. 253) könnte die Kategorie der energeia (S. 42) entfaltet und eingefügt werden. Präsenz und Inhalt müssen demnach so auf einander bezogen werden, dass die Form als copula von Form und Inhalt (Materie) (S. 80, S. 250f., S. 252) begriffen werden kann. Daher auch die Rolle des Namens. Das Ding bekommt einen Namen und auch das Wort (vom Ding). Konstitutiv ist der Name als copula und hat eine eigene generative Wirklichkeit. Wort (Form) vom Inhalt (Ding) ist erst durch die Namensgebung als Benennung als copula. Zur Metapoetik des Namens: S. 50f. Insofern ist soziale Wirklichkeit immer auch nahe am Charakter des Mythos: Praxis der hermeneutischen Erfindung und dennoch soziale Tatsächlichkeit im Sinne der Selbst- und Fremdkonstruktion von Wirklichkeit. Vgl. auch Baumann-Eiseneck 1992 sowie Büchel 2012. Auch Gottwald 2006. 89 | Koschorke 2012; Strohmaier 2013. 90 | Vgl. auch Horn 2008. Vgl. auch Vietta/Urlings 2006. 91 | Jamme 2013. 92 | Reulecke 1985. 93 | Weiter zur Technikdiskussion in der Industrialisierung auch Hädecke 1993; Korber, 1998; Luks 2010. 94 | Franck 2005. 95 | Friedrich von Hardenberg 1772-1801. 96 | D.h.: im Antike-rezeptiven Modus: Göhler 2011; Mautz 1987. 97 | Steiner 1993.

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Erhart Kästner (1904-1974)

Auch nach 194598 setzte wiederum eine Kulturkritik99 ein.100 Diese weist ebenso wie in der Krise der klassischen Moderne viele Varianten auf101. Vor diesem Hintergrund einer »langen Dauer« kulturgeschichtlicher Prägehorizonte ist nun ein Blick auf das Werk von Erhart Kästner zu werfen. Ich ziehe zunächst ein Zwischenfazit. Es gibt mehrere signifikante Themenkreise im Werk von Kästner, die konstitutiv für das Ganze sind. Dazu zählt die frühe Griechenland-Romantik, die sich zu einer seinsfrömmigen Onto-Theologie griechischer Daseinserfahrung als Natur- und Kosmoserleben und als »Arbeit am Mythos«102 erweist. Dazu gehört sein Verhältnis zu Martin Heidegger.103 Im – mitunter in hybrider Liminalität: »So sind wir getaufte Hellenen.« (Kästner 1974b, S. 53; Kästner 1974, S. 10) – Übergang der frühen Onto-Theologie zur christlichen Deutung ist eine Lichtmetaphysik (Kästner 1973a, S. 19, S. 116) des Naturerlebens als Themenkreis von Lichtung und Existenz insgesamt zu deuten. Es kristallisiert sich eine christologische Lichtmetaphysik (Kästner 1973a, S. 218) heraus. (Dies ist angesichts der [kontroversen] Lichtmetaphysik der Gotik104 ebenso nicht überra-

98 | Petersdorff 2011. 99 | Kästner wird da nicht explizit behandelt. Bollenbeck 2007; Konersmann 2008; instruktiv: Bühner 2014. Eine besondere Bezugsperson, um die Kultur- und Zivilisationskritik nach 1945 zu charakterisieren, wäre Günther Anders: dazu Dries 2009. Ferner Dries 2012 und Lieesmann 1993. 100 | Hans Jonas (man könnte auch auf die Technikkritik von Illich 2011 verweisen) eröffnet im Vorwort seines Hauptwerkes »Das Prinzip Verantwortung« (Jonas 2012) die Analyse mit der mythopoetischen Metapher des entfesselten Prometheus (Schulz-Nieswandt 2013, S. 88). Jonas thematisiert dergestalt, wie technologische Entwicklungen weitere Übel in die Welt setzen (so die mythopoetische Figur der Büchse der Pandora). Der entfesselte Prometheus thematisiert somit neuzeitliche Machtwahnhorizonte des Menschen und zugleich die Notwendigkeit einer neuen Ethik, wie sie Jonas in diesem Werk zu entwerfen versucht. Vgl. auch Müller 2008. Lenzig 2006. Hans Blumenberg hat ähnlich in »Arbeit am Mythos« (1986) den Prometheus-Mythos und dessen spätere oftmalige Umarbeitungen und Transformationen als Paradigma der menschlichen Selbstbehauptung gegen den »Absolutismus der Wirklichkeit« daseinshermeneutisch erschlossen (Blumenberg 2014). 101 | Dazu etwa Reiter 1999. 102 | Blumenberg 1986. Vgl. auch Krämer 2014. 103 | Petzet 1986; dazu auch Gander 1988. Heidegger ließ dennoch einmal durchblicken, die »Dinge« seien von ihm selbst wohl tiefer durchdacht worden. Das ist angesichts der Analytik der Sorge (Ruffing 2011) auch nicht ganz falsch: vgl. Kästner 1984c, S. 60f. 104 | Bloch 1959, S. 847. Die Sehnsucht »nach oben« wird dabei psychohygienisch »nach innen« fundierend verlagert (S. 847f.). Umfassend diskutiert bei Markschies 1995; 2004; vgl. auch Haug 2008, S. 261f. Die Literatur ist hierzu umfassend, auch die zur Lichtsymbolik. Vgl. etwa Bultmann 1948; Rensching 1957; Hempel 1960; Malmede 1986.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

schend neu wie angesichts der [Forschungen zu] solaren Gottesvorstellungen im Alten Testament105.) Durchgängig sind die Thematiken von Gabe106 (oder Geschenk: Kästner 2004, S. 181; Kästner 1974c, S. 78) und Gastfreundschaft107 (ein Phänomen mit einem »kultischen Grund«: Kästner 1974b, S.  25) als Daseinsthemen. Aber gerade hier wird deutlich: Kästner geht es weniger um das Schenken des banalen Menschen im Alltag. Es geht vielmehr um die Annahme des sich offenbarenden Geschenks von oben (Kästner 1974c, S.  78f.): Es geht gar nicht um die Spende (die nicht abnimmt); es geht um die Annahme, die als Empfängnis nicht mehr erlebt wird. Das ist nicht die Theologie des religiösen Sozialismus, um die es mir geht; das ist barthianisch die Ehrfurcht vor der anrufenden Gabe als Offenbarung von oben. Man lese die Textpassage selbst. Mag sein, dass Kästner sich selbst als nie modern bezeichnet hat, aber damit wird er in der demokratischen Moderne auch nicht auf Verständnis stoßen. An vielen Stellen wird aber auch deutlich, dass Kästner mit dieser profanen Demokratie (wobei wir »froh sein müssen, wenn es eine Rechts- und Ordnungswelt und nicht eine Räuberwelt ist«: Kästner 1974, S.  40) als »straßenfreundliche Demokratie« (Kästner 1974, S.  111) nicht viel anfangen kann. Aber mit was dann? Eine Einordnung in die Theologie der Welt als Gabe108 macht dabei durchaus Sinn. Hier, mit Bezug auf das Daseinsthema der Erfahrung von Gastfreundschaft 109, sind auch Parallelen in den Reiseberichten von Göran Schildt110 – anders als in der 105 | Arneth 2000. Ferner in Liwak 2013 sowie in Leuenburger 2011. 106 | Ergänzend zu Schulz-Nieswandt 2014: So kommt es immer wieder zu Relektüren von Marcel Mauss: vgl. etwa Schmidt 2014, auch in spezifischen modernen thematischen Kontexten: etwa mit Bezug auf Corporate Social Responsibility: Müller-Christ/Rehm 2010. Zur »Gabe der Nahrung« vgl. Althans u.a. 2014: Zur Ethik der Gabe in der Medizin vgl. Maio 2014. Über Geben und Nehmen im Betriebsklima: Kock/Kutzner 2014. Volz (2015) thematisiert die Gabe in Bezug auf das Fundraising. Vor allem wird die Frage authentisch solidarischer Gabe vermehrt im post-kolonialen Diskurs (Kerner 2012) zu Formen transnationaler Hilfe thematisiert: vgl. etwa Dübgen 2014. Vgl. auch Pulcini 2012. Klassisch ist auch die Debatte im die Gabe im antiken Kulturkontext: Carlà/Gori 2014. In Bezug auf die Kunst als prozessualer Ort der Gabe: Hentschel/Moehrke/Hoffmann 2011. Zu den Grenzen einer performativen Fokussierung der Gabe als Tun bzw. zur komplementären (m.E. transzendental-konstitutiven) Eigenschaft der Gabe in Richtung auf das passive Zu-Lassen im Empfang der Gabe: Hobuß/Tams 2014. 107 | Forschungsliteratur (Kulturgeschichte wie Ethik der Gastfreundschaft) ist angeführt in Schulz-Nieswandt 2013. 108 | Auch Wendtke 2013. 109 | Kästner 1973a, S. 66: »Man ist ein paar Wochen da und ist eingemeindet; Gast, der dazugehört.« 110 | Auch die Titel von Schildt (1959; 1954; 1965) deuten die Mythos-Romantik an; der Reiseberichtsstil ist zwar sehr unterhaltsam, aber dennoch eher sachlich, dabei durchaus gewinnend.

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hybriden Form von Ernle Bradford (1967; 1999), der Reiseführer mit dem klassischen Traum einer realgeographischen Rekonstruktion von Odysseus‹ Reise111 spielerisch verknüpft, und wieder anders als bei Patrick Leigh Fermor (1915-2011), der als der »letzte Byzantiner« bezeichnet worden ist112 – zu erkennen.113 P. L. Fermor (2012; 2012a) ist im Vergleich zu Kästner nicht nur deshalb von Interesse, weil er als britischer Agent auf Seiten der kretischen Partisanen gegen die deutsche Besatzung gekämpft hat und den Krieg auf Kreta dabei explizit aufgreift. Fermor (2012a) ist in seiner Reiseerzählung über das nördliche Griechenland aufgrund einiger eher kulturanthropologisch anmutenden analytischen Reflexionen von ganz anderem Schlag als Kästner. Auch bei Fermor finden sich (wenn auch schwache) onto-theologische Momente, etwa zum Wasser (S. 206) oder zur Panflöte (S. 348). Auch die Gastfreundschaft wird thematisiert (S. 290, S. 302); Stadtkritik wird am Rande deutlich (S. 238). Aber das ist wirklich marginal. Herausragend ist dagegen das Bemühen, die ambivalente Kultur Griechenlands im Modernisierungsprozess zu verstehen. Er stellt struktural die Eigenheiten (Merkmale) der traditionalen Teile (»Rhomäer«) und des moderneren Hellenismus gegenüber (vgl. vor allem S. 167ff.). Doch das dürfte aus Sicht von Kästner Soziologie sein; und die ist für Kästner eher des Teufels. Fermor dagegen bietet in aller Breite und Tiefe viele Deutungen von menschlichen Persönlichkeiten, hier dem Reisebericht von Bachofen aus dem Jahre 1851 ähnlich (Bachofen 2010). Diese Charakterisierung validiert sich mit Fermor (2012) auch im Rahmen seiner Reiseerzählung zum südlichen Peloponnes aus dem Jahre 1958. Typisch ethnologisch sind (S. 89ff., S. 114ff., S. 115f., S. 137ff.) die Darlegungen zur Totenklage, zu Gender, zur Blutrache. Ebenso einzuschätzen sind die Darstellungen zur Gastfreundschaft (S.  312), die religiöser Natur gleichkommt (S.  312), zum Fremden (S. 216, S. 432ff.). Vgl. auch zum bösen Blick S. 263ff. Vgl. ferner zum Schicksalsdenken, zum Dämonischen, zu den apotropäischen Praktiken S. 286ff., S.  291, zum Dionysischen und zur Karnevaleske S.  292f.; zum Satyr und zum Zentauer und zum sonstigen dionysischen Zoo (S. 300) vgl. S. 298f., S. 299. Zu den Nereiden S. 257f. Zu den Ikonen vgl. S. 326, zur orthodoxen Kirche S. 326ff. Neben diesen ethnologischen Aspekten lassen sich durchaus onto-theologische Momente ausmachen, wobei er über ein Lob des Polytheismus reflektiert: S. 268. Die Erfahrung der »dionysische(n) Trägheit in der Luft« (S. 251) ist ihm durchaus bekannt. Daher ist auch seine Erfahrung der Ekstase im dionysischen DaseinsErleben (S. 187, S. 224, S. 311, S. 458) typisch. S. 458: »An solchen Orten hat man das Gefühl, das ganze Leben löse sich auf und setze sich dann langsam in genau der richtigen Form wieder zusammen … Zwischen den Blättern der Olivenbäume …«. Zeitkritik bleibt im Hintergrund nicht ausgeblendet. Wird doch als Kontrast111 | Wolf/Wolf 1990. 112 | Büscher 2006. 113 | Zu weiteren, auch griechischen AutorInnen der Griechenlandreisen in Blume/Lienau 2006.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

folie zu dieser Erlebnisgeschehensordnung die hektische nordische Pflichtarbeit (S. 249) gesehen. Und auch der Raki (S. 373ff.) oder der Retzina (S. 376) sind ein ausgiebig erörtertes Thema. Ebenso der Meltemi (S. 415). Fermor kann von der »mystisch-animistischen Aura göttlicher Immanenz« (S. 428) sprechen. Das vielfach angesprochene Licht-Erlebnis kann Fermor anschaulich machen (S. 428ff.). Anders wiederum Walter Jens114, der sich mitunter positiv zu Kästners Werk geäußert hat, der eine besondere Art von Mischung in seinem Büchlein »Die Götter sind sterblich«115 vorgelegt hat, da sich hier eine Reisebeschreibung und eine moderne Art von Gustav Schwab’scher Neuerzählung der griechischen Mythen und Sagen116 verbinden. So das Ergebnis einer ersten oberflächlichen Sichtung. Bei einem zweiten Blick kristallisiert sich der fachakademische Anspruch heraus und die Methode der aktualisierenden Mythenneubildung.117 Ähnlich wie im Zusammenhang mit meiner Selbstkritik an der ersten Lektüre von Bachofens Reisebericht (vgl. weiter unten), habe ich nach der Lektüre der Studie »Hofmannsthal und die Antike« von Jens (1955) ebenfalls meine Meinung revidiert: Auch bei Walter Jens überwindet der zweite Blick die oberflächliche Lektüre. Die kleine Schrift von Jens (1983) ist quasi als aktualisierende Neo-Mythik (oder auch Mythopoetik) zu verstehen. Sie ist somit eine Art von »Arbeit am Mythos« (S. 119, S. 120, S. 149ff.). Deshalb sind die Götter sterblich: Damit sie immer wieder aktualisiert zum Leben erweckt werden (können). Sie sind in ihrer Sterblichkeit unsterblich. Dabei geht es durchaus um Verwandlungen (S. 121). Aber gerade im Modus dieser Verwandlungen sind sie lebendig. Hier kommt dem Dichter (wie etwa bei Broch: S. 124) eine wichtige Funktion zu (S. 117). Die strukturale Relation {Apollon : Dionysos} fehlt hier ebenso nicht wie die Stadtkritik (S. 131f.), die Problematisierung der Technik (S. 119), aber auch die Erinnerung an die griechische Tugend, die Gegensätze eben zu ertragen (S.  127). An Fermor erinnert im Gegensatz zu Kästner (und auch Nebel) das Lob an Rom (S. 114f., S. 118). Rom hätte nicht nur zur Zerstörung gebracht, auch die Infrastruktur-Daseinsvorsorge. Er erinnert, wie auch Göran Schildt in seinen Reiseberichten, an die Notwendigkeit von Bewässerungs-Systemen (S.  138). Solche Ideen sind der Prosadichtung von Kästner zu profan. Jens kritisiert die Graecomanie (S. 124). Der ganz kurze Exkurs zu Jens ist nicht zufällig. Eine theologische Gemeinsamkeit von Jens mit Kästner (und mit Camus, wie noch zu zeigen sein wird) ist die Bemerkung zu Delos als Geburtsinsel des Apollon: »Von hier aus ging das Licht über die Welt. Delos war Betlehem« (Jens 1983, S. 55). Diese Lichtmeta-

114 | Lauffs 1980. 115 | Jens 1983. Dazu in Meid 2012, S. 389ff. 116 | Schwab 2008. 117 | Vgl. auch Lauffs 1980, S. 58ff.; Seidensticker 2001, S. 186ff.

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physik schließt nicht aus, die Merkmalsvielfalt des Apollinischen118 zu erkennen, denn Apollon ist auch »Gott des Kalkuls und der Vernunft« (Jens 1983, S.  95). Apollon verschmolz mit Helios (Kästner 1975a, S. 84): Er war »Erzieher des griechischen Volks«. Die Differenzen in der Performanz der Griechenlandsehnsucht können mitunter riesig sein. Genial die Fähigkeit von Hölderlin119, in seiner mythopoetischen Imagination120 die Griechenlandsehnsucht zum Ausdruck zu bringen121, obwohl er122 nie tiefer in den Süden kam als nach Bourdeaux.123 Vergleicht man, auch dieser Verweis ist von Bedeutung, da Kästner das »Mutterrecht« von Bachofen kannte124, dazu Bachofens Griechenlandreise125, so kommt (zunächst) weniger Romantik für das »Vaterland der Mythen«126 auf. So war mein Eindruck nach der ersten Lektüre, die ich aber in einer zweiten Lektürerunde revidieren musste, nachdem ich die instruktive Interpretation von Bechtle (1959, S. 141ff.)127, der u.a. auch für mich relevante, treffsichere Interpretationen von Hauptmann und Hofmannsthal vorlegt, zur Kenntnis nehmen durfte. Bachofens Reisebericht kann demnach zu einem Höhepunkt der Reiseprosadichtung gerechnet werden. Eine Einschätzung, die Gehrke (2003, S. 27) auch hinsichtlich Wilamowitz128 konstatiert. Sicherlich wäre auch an Ernst Curtius (z.B. Curtius 1935)129 zu denken. Wie bei P. L. Fermor finden sich auch bei Bachofen vielerlei Personenbeschreibungen tieferreichender Art. Kunstgeschichte, aber sodann auch die Landschaftsbeschreibungen sind hervorzuheben. Die Beobachtung wird an einigen Stellen 118 | Ich habe über die Dynamik der bi-polaren Einheit in der Differenz des Apollinischen und Dionysischen u.a. gehandelt in Schulz-Nieswandt 2013. Vgl. aber auch Graf 2009 und Seaford 2006. Ferner Bernabé u.a. 2011 und Drewniak/Dittmann 2009. 119 | Kreuzer 2011. 120 | Honold 2002. Vgl. zu Guardini über Hölderlin in Schulz-Nieswandt 2015. 121 | Mit Blick auf eine Tiefenstruktur dualer Art: Stefa 2011. 122 | Der Briefwechsel zwischen Kästner und Heidegger zeigt, wie schwer sich auch Heidegger tat mit dem Reisen. Vgl. auch in Heinze/Möckel/Röcke 2014. 123 | Vgl. auch Peterich 1956, S. 65. Dazu auch Glasenapp 1940, S. 21. 124 | Ausführlich auch Vietta 1948, S. 23ff. 125 | Bachofen 1995; Kästner 1973a, S. 109. An Bachofen scheint sich Otto (1987, S. 27ff., S. 199; S. 327ff.) etwas angelehnt zu haben durch die Betonung der Binärik des Weiblichen und des Männlichen in Relation zu den vorhomerischen (vgl. auch Schadewaldt 1978, S. 99ff.) und homerischen Gottheiten. 126 | Herbert 2001. 127 | Der auch die Bipolaritäten in der sowohl kulturgrammatisch wie auch psychodynamisch gehaltvollen Analyse von Bachofen (ähnliches lässt sich von Hofmannsthal sagen: Wiethöler 1990) bestätigt, die ich in einer früheren Studie (Schulz-Nieswandt 2013) bereits hervorgehoben habe. 128 | Vgl. dazu in N. Richter 2009, S. 129ff. 129 | Vgl. auch in N. Richter 2009, S. 96ff.

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überaus signifikant (z.B. Bachofen 2010, S.  150) deutlich. Ansätze einer Landschafts-Onto-Theologie lassen sich ausmachen, ohne dass Bachofen hierbei die christliche Theologie des Staunens (S. 222) anbietet. Auf das All (S. 150, S. 129) wird ebenso verweisen wie auf die Sonne (S. 197), der blaue Äther wird bewundert (S.  27, S.  84), die Kräfte der Tiefe (S.  241) erfahren. Der Übergang des Mythos zum Christlichen wird oftmals angedeutet (S. 33f., S. 152, S. 156f.), etwa auch im Symbol des Samenkorns (S. 155, S. 199), wodurch Reflexionen über den Kreislauf von Leben und Tod ermöglicht werden (S. 180, S. 219). Insgesamt bleibt aber (im Rahmen einer Mythoshermeneutik: S. 95, S. 121, S. 130, S. 151) die Wertschätzung des Mythos im Vergleich zum Christlichen hoch; es zeichnet sich eine (nicht nur) an Hölderlin oder Walter F. Otto erinnernde Hybridizität {Dionysos = Christos} ab. Stadtkritik (S.  196) fehlen bei Bachofen ebenso nicht wie Zivilisationskritik (S. 9; die Ausführungen auf S. 58 erinnern an die »Dialektik der Aufklärung« und an Kästners »Herrschaft der Dinge«). Eine Reihe von relevanten Aspekten wird zumindest angesprochen, so die Psychodynamik des Reisens (S.  196), die Bedeutung kleiner Genossenschaften (S. 148). Der homo religiosus wird herausgearbeitet (S. 149). Zbigniew Herberts Reisebericht (Herbert 2001) ist weitgehend kunstgeschichtlich orientiert. Nur weiter vorne, wo er explizit die griechische Landschaft zugänglich machen will (S. 15), kommt er onto-theologisch anmutenden Impressionen nahe: »Damals hat die griechische Landschaft mit der Stimme des Mythos und der Tragödie zu mir gesprochen.« (S. 24) Und Griechenland wird zu einer der kulturellen Wurzeln der Gegenwart (S. 197): »Diese Ruinen – sind Ruinen einer Wiege, Ruinen eines Kinderzimmers.« (S.  229) Auch Herbert entdeckt in der Grotte des Zeus die »Wiege der neuen Lichtreligion« (S. 17). Herberts Definition der griechischen Religion zwischen Himmel und Erde, auch vor- und außergriechische Elemente aufnehmend, verschmelzt bäuerliche Vegetationskulte mit den Göttern des Olymps, wechselt dabei auch die Perspektive vom eher Weiblichen zum Männlichen und ist eine durchaus fundierte religionsphänomenologische Extraktion aus dem religionsgeschichtlichen Material (S. 16f.). Damit ist auch ein Übergang vom Chaos zur Ordnung verbunden (S. 209). Dies erinnert sehr an F. G. Jüngers Analyse der Titanen (Jünger 1944). Schon in den Vorbemerkungen (S.  9f.) deutet Jünger eine einfühlsame Hermeneutik der Mythen an. (Er deutet auch die Kritik an einer Entmythologisierung an; dies klingt wie Kästners und Nebels Ablehnung von Bultmanns Hermeneutik der frühchristlichen Existenz.) Auch hier wird die aktualisierte Zeitkritik schon deutlich: »Inmitten einer Zeit des Titanismus« (S.  9). Bei F. G. Jünger findet sich jedoch keine dogmatische Überwindung des heidnischen Mythos zugunsten der (einzigen) Wahrheit des Christentums; seine Huldigung an Zeus (S. 121ff.) thematisiert Zeus zwar (nur) als Grenzgänger hin zum Monotheismus, aber man spürt die Huldigung der Konstellation der altgriechischen Liebe, der Muse und des Schönen (S.  123). Die Titanen werden nicht als strenger Dualismus zu den Göttern gedacht (S. 60), mit Prometheus wird eher ein dynamischer Übergangs-

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raum zu den Menschen und den Göttern angedacht. Dionysos wird zur echten Figur des Werdens und der Wandlung (S. 60f.). Hier fundiert sich Jüngers zentrale ontologische Idee des ewigen Kreislaufes der Wiederkehr (S. 104), von Leben und Tod. Es geht um das ontologisch fassbare Grundmotiv des Lebens (S. 311): Freude, Abschied und Wiederkehr. Diese Ontologie ist völlig konträr zum Fortschrittsgedanken der modernen Zivilisation. Daher gehört auch Pan in dieses Bild (S. 64). Werden und Wandlung sind auf Zeus und Apollon ausgerichtet, also auf das Licht (S.  102). In diese Konstellation ist der Mensch (S.  78, S.  85) eingelassen, denn es geht um das Spannungsverhältnis zwischen Apollon und Prometheus. Von Prometheus geprägt entfaltet der Mensch ein tätiges Selbstwertgefühl. So löst sich der Mensch aus dem Ur-Magna des Chaos (S. 13), die dem Menschen totale kosmische Geborgenheit spendete. Diese Arbeit liegt dem Göttlichen quer; daher war auch Hephaistos (S. 80, S. 94) eher immer am Rande des Olymps angesiedelt. Die ganze Götterlehre bei F. G. Jünger liest sich wie eine kulturschaffende Psychodynamik des Menschen. Das Kräftefeld ist vektoriell determiniert durch quasi-ontologische Kategorien wie Geborgenheit, Wille, Verstand und Zutrauen auf das Selbst (S. 109ff.), durch Arbeit und Zerstörung (an Sisyphos erinnernd: S. 116f., S. 114). Hier muss der Mensch das rechte Maß (S. 10), die Reife in ihrer Gestalthaftigkeit (S. 121) finden. Der titanische Mensch definierte sich noch als Mensch der absoluten Seinsgeborgenheit (S. 109). Danach (S. 111, S. 104ff.) ist eine Psychodynamik ausgelöst worden, die das Spannungsfeld zwischen dem apollinischen, dem panischen, dem dionysischen (S. 120), dem titanischen Menschen (S. 113) zum Ausdruck bringt. Die Tragödie wird geboren (S. 110, S. 121). Auf das Licht, auf die Weite hin öffnet sich der Mensch, die geschlossene Welt von Gaia verlassend. Und zugleich bindet sich der Mensch wieder, wird zum institutionellen Wesen im Kontext von Stadt und Staat und entscheidet sich so ontologisch gesehen zwischen den Titanen und den Göttern (S. 110). So wird das menschliche Leben – Jünger klinkt hier wie ein post-strukturalistischer Sozialtheoretiker – wieder reguliert (S. 119). Mit dieser Psychodynamik steht der Mensch immer am Abgrund, nahe der Zerstörung (S. 116), steht vor der Leere und dem Absturz. Es ist der Zustand der Gottlosigkeit (S.  115): Jünger ist hier nahe an der Figur der »Dialektik der Aufklärung« (S. 119), in die die Freiheit und die Unabhängigkeit des Menschen den Menschen geführt hat (S. 116). Das Wollen und das Erreichbare treten in einen Konflikt ein. Dies ist das alte Problem der Hybris. Wissenschaft (S. 118) ist ein Ausdruck dieser Gottlosigkeit. Kannte der titanische Mensch gar nicht den Gegensatz von Freiheit und Zwang, so ist es nun das ontologische Grundproblem des modernen Menschen. Hier darf angesprochen werden, dass das Buch von Elisabeth von Glasenapp weniger eine »Griechische Reise« erzählt (Analoges gilt für Isolde Kurz 1944: zu ihr auch Ipsen 2010); es handelt sich vielmehr um eine gelehrte, angesichts des damaligen Standes der Forschung bemerkenswert ausgeglichene Abhandlung zum Wesen der griechischen Kultur und des hellenistischen Wesens im Wandel von den Anfängen bis zum Synkretismus des Christentums. Die Passagen zu

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den wilden Ursprüngen der altgriechischen Religion und später zu der Rolle der Mysterienkulte sind bemerkenswert. Diese AutorInnen sind dem frühen Werk von Kästner in Grenzen nur zum Teil vergleichbar. * Ein Bruch in der (trans-epistemischen, auf Gestaltqualität der Existenz abstellenden130) ontologischen Daseinswahrheitsauffassung131 erfolgt bei Kästner im Zuge der späteren »Byzantisierung«. Damit rückt das Thema Antike und Christentum in den Vordergrund. Fortschrittskritik und Weltflucht – ein Modus des »fliehenden Begreifens«132? – der Orthodoxie133 gewinnen nun eine gewisse Dominanz. Und hier zeichnen sich Differenzen etwa zu Schildt ab. Man lese nur (Original 1951) das Nachwort in der 7. Auflage von »Im Kielwasser des Odysseus« (Schildt 1977, S. 315ff.: »Zwanzig Jahre später«) oder auch im Buch »Segeln im Mittelmeer« (Original 1969) von Schild (Schildt 1971, S. 9ff.). Hier kommt eine ganz andere Selbstreflexion zur Wirkung, die man bei Kästner nirgends findet. Natürlich ist Schildt auch keine Prosadichtung, die bei Kästner explizit mit einer andersartigen Funktionalität ausgestattet wird. Aber dennoch: Niemals kommt Schildts Griechenlanderfahrung einem Eskapismis gleich. Im Sommer 2015 hatte ich im ostkretischen Agathia nahe Paleokastro nochmals Gelegenheit, ein Teil des Werkes von Schild zu lesen. Dies war gar nicht geplant. Ich war ausgestattet u.a. mit Literatur von und über F. G. und E. Jünger. Aber im Haus der Freunde Ulrike und Klaus in Agathia fanden sich drei Reisebücher von Schildt und zwar in einer jeweils anderen Auflage als ich sie besitze und gelesen habe. Das angeführte Nachwort in Schildt (1977, S. 315ff.) war mir daher neu; und das Kapitel in Schildt (1971, S. 9ff.) fiel mir jetzt erst ins Auge. Vor allem studierte ich nochmals die Nilfahrt von Schildt in der 3. Aufl. als Schildt (1958), die (Original 1956) zur Zeit kurz nach Nassars Revolution (S. 93, S. 135, S. 219, S. 292f., S. 282) und kurz vor dem Suezkrieg (ob Schildt die beginnende Herrschaft Nassars angemessen einschätzte, ist ein anderes Thema, zumal ja eine wechselvolle Geschichte des Nassar-Regime [vgl. u.a. Pawelka 1985] erst folgte) stattfand. Meine Aufzeichnungen sind komplex. Eine angemessene Verschriftlichung würde ein eigenständiges Kapitel bedeuten. So soll nur paraphasiert werden, wie Schildt, seine eigene 130 | Zum wahrheitstheoretischen Hintergrund vgl. auch Landmesser 1999. Instruktiv Renneke 2008, S. 13ff. 131 | Schulz-Nieswandt 2014a. Sehr klärend auch Krämer 2014, der starken Bezug auf Walter F. Otto nimmt. 132 | Meiser 2014. 133 | Aus einer westeuropäischen Sicht (wenn ich hier eine nicht unproblematische Kulturkreistheorie nutzen darf) ist die Spiritualität der christlichen Ostkirche als kontemplativ zu bezeichnen.

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skandinavische Wohlfahrtsstaatssozialisation reflektierend (selbstironisch: S. 253 zur Figur des hygienesüchtigen schwedischen Sozialarbeiters), sich sehr differenzierend, ja geradezu ambivalenzanalytisch mit dem »Modernisierungsprozess« Ägyptens auseinandersetzt (S. 25ff., S. 32ff., S. 43f., S. 56ff., S. 63ff., S. 231, S. 214f., S.  161f. [Gender-Ordnung]). Die Leidensprozesse der Menschen infolge der fehlenden Daseinsvorsorge und sozialen Infrastruktur betonend, kann er dennoch abwägend die Folgen der westlichen Modernisierung ins argumentative Spiel einbringen. Er thematisiert auch die eigenen Verlustfunktionen industrialisierter Gesellschaften als Entfremdungsprozesse (S. 233ff.). So fragt er nach einem Dritten Weg. Ägypten sieht er eher auf dem Weg (S. 91) zu einem Industrialismus ohne Freiheit, Geist und Seele (S. 66, S. 118, S. 136, S. 235). Die Mentalitätsanalysen der Fellachenkultur müsste in einer eigenen Untersuchung überhaupt erst in Beziehung gesetzt werden etwa zu Max Webers (zu Weber: Hennis 1987; Kaesler 2011) Bemerkungen zu den alten Fellachen (vgl. in Weber 1976, S.  835: zur berühmten Formulierung des stählernen Gehäuses vgl. auch in Geyer 1996, S. 41), auch bei ihm schon aktualisiert durch sein eigenes Daseinsthema der Moderne als »stählerndes Gehäuse«. Ich will hier nun die zahlreichen Fundstellen nicht anführen. Anders als in anderen Fällen (wie bei Nebel und den Jünger-Brüdern) zwingt mich keine für mich nachweisbare Inter-Textualität dazu. Dennoch sei noch angemerkt, wie achtsam Schildt (1958, S. 10f.) seine Reisemotive reflektiert. Manches mag schon (wie von ihm berichtet) in kindlicher Sehnsucht wurzeln; Schildt weiß aber um die Flucht aus dem Alltag. Und er reflektiert die hermeneutischen Probleme der Interpretation anderer Kulturen im Licht der eigenen Sozialisation und der angeführten Sehnsuchtsflucht (S. 12, S. 85, S. 127). Insgesamt gesehen erweist sich Schildt als achtsamer Sozialreformer (S. 131), eine Haltung, die Kästner und Nebel völlig abgeht (vgl. auch S. 181). Schildt charakterisiert sich auch nicht als christlich (S. 142, S. 215) und sucht so auch keinen Ausweg jenseits des Diesseits. Hier ist er skandinavischer Sozialingenieur (S. 144, S. 130), wenngleich ihm die Kritik an der menschlichen Hybris durchaus ebenso eigen ist (S.  213). Auch den kirchlichen, weil oftmals eben doxischen Charakter der Wissenschaft wird von Schildt thematisiert (S.  277), festgemacht an Diskursen, die der promovierte Kunstgeschichtler natürlich kennt. Und seine Ausführungen zum Tode Gottes und der achtsamen Selbstreflexion der nunmehr anstehenden Aufgaben des Menschen in seiner selbstverantworteten Geschichte (S. 297 i. V. m. S. 312) sind achtsam formuliert. Nach seiner Nilreise reflektiert er die notwendige Ergänzung der menschlichen Freiheit und Individualisierung durch die Phänomene von inter-individuellem Respekt und Abhängigkeiten (S. 213). Daher ist auch Reiseerleben (S. 131) nur möglich, wenn sich die Haltung herausbildet, dass uns der (fremde) Mitmensch angeht. Und schließlich ist auch Tourismuskritik Schildt nicht fremd (S. 97f., S. 175). Aber die Radikalität von Nebel und der Eskapismus von Kästner fehlen. Schildt reflektiert (Schildt 1958, S. 63f.) sehr differenziert verschiedene Formen des Verständnisses von Individualität. Das Individuum wird zur Person vermittels der Tugenden (S. 64); Bindung gehört hier ebenso konstitu-

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tiv dazu wie Kreativität. Der cartesianische Prometheus des Westens stellt dergestalt eine problematische Verkürzung dar (S. 65). In Bezug auf das Menschenbild des Architekten Alvar Aalto (vgl. Lahti 2004; Schildts Arbeiten dazu sind von mir bislang nicht aufgearbeitet worden) positioniert sich Schildt (psychodynamisch ausgeglichen) zwischen der Idee des heroischen Übermenschen einerseits und dem Durchschnittsmenschen andererseits: Es kommen eben zusammen sowohl die Stärke wie die Schwäche, die Selbständigkeit einerseits, aber auch der Mut, die Dinge im Fluss anzufassen, andererseits. Dabei dominiere die Ethik alles: die Ästhetik ebenso wie die Wissenschaft insgesamt. Man kann auch andere Reiseberichte von Schildt heranziehen, z.B. »Segeln im Mittelmeer« (Schildt 1971). Man findet dort ebenso diese gemischte Berichtsphilosophie: Reflexionen über Industrialisierung (S. 27) und Tourismuskritik (S. 42) wie solche über die Gastfreundschaft (S. 94), über das Flötenspiel (S. 93) und die Zikaden, über das Leiden (S. 118) und über den Meltimi (S. 99ff.). Ganz anders Auburtin (1924, S. 71), der konstatiert, »Wunderwerke der modernen Technik« hätten in Griechenland nichts verloren. Im Hintergrund spielt rezeptionstheoretisch die Frage nach der Verdrängung des 2. Weltkrieges – »Vergessen, vergessen. Man weiß, daß das Leben nur möglich ist, indem man vergißt.« (Kästner 1974a, S. 169; auch S. 231)134 – eine bedeutsame Rolle. Ich schlage hierzu eine Hypothese vor, formulierbar im Rahmen einer Psychodynamik der Verdrängung als quasi-Husserl’sche Epoché des Zugangs zur gelichteten, eigentlichen Daseinserfahrung. So spricht Kästner (1975a, S. 38) in Bezug auf den »Untergang« Europas im Lichte der Beobachtung einer mahlenden »Magd (des – S.-N.) homerischen Mahlstein(s)«: »So bleiben die Dinge irgendwo doch immer bestehen, kleine Altwasser im Strome der Zeit. Immer bleibt einiges unverloren.« (Komparativ dazu in Hauptmann 1919, S. 52.) Was heißt hierbei »im Ansehen der Toten« »unser Leben zu leben« (Kästner 1974a, S. 105)?

III. E infachheit des L ebens und H eimatsuche Es liegt somit ein Modus einer Prosa-Dichtung vor, die die Fortschrittskritik durch romantische Hinwendung zur Einfachheit135 einer Daseinsführung transformiert und dabei in die sinnvolle apollinische Dimension einer rationalen136 134 | Doch hier muss man weiter lesen: Kästner ist hier differenziert. Man benötige zur Selektion Kraft, auch Verantwortung. Alles käme doch wieder hoch. 135 | Michaels 2004. 136 | Der Bedarf einer »Ordnung der Moderne« wurde mitunter ausformuliert aus der Sicht eines »Social Engineering« (Etzemüller 2009; 2010). Bezugspunkt sehr unterschiedlicher Ordnungsdiskurse und –praktiken war die Wahrnehmung der negativen sozialen Folgen der Moderne. Lässt sich der Ursprung der Soziologie aus dem Geist (und der Praxis) der Sozialreform ableiten (vgl. auch Schulz-Nieswandt 1987a sowie die Vorgeschichte: Schulz-

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Daseinsvorsorgepraxis137, die phasenweise eine dionysische Dynamik der Grenzüberschreitung138 nicht ausschließt139, eliminativ übergeht. Auf der Suche nach einer ontologisch fassbaren Wahrheit der Lebenswelt wird hierbei – in diesem Modus der immanenten Weltflucht – die epistemische Wirklichkeit einer konkreten Gestaltung des Systems vergessen. Kultur wird140 gegen Zivilisation – eine mentalitätsgeschichtlich und wissenssoziologisch mitunter typisch deutsche Sichtweise – ausgespielt. Eine Differenzlogik findet nicht mehr zur dialektischen Synthese von Wahrheit und Methode. Genau diese Differenz kennt Kästner Nieswandt 1999), so lässt sich sogar zeigen, wie bereits die aufkommende Statistik der Lebensverhältnisse im 19. Jahrhundert im Lichte gouvernementaler Staatlichkeit zu dekonstruieren ist. 137 | Ambrosius (2011, S. 305): »Es stellt sich die Frage, warum die Kommunen diese gewaltigen Aufgaben, die mit enormen finanziellen Herausforderungen und Belastungen verbunden waren, überhaupt annahmen. Man könnte es sich einfach machen und davon ausgehen, dass das rasante Bevölkerungswachstum und die dynamische Urbanisierung und Industrialisierung Städte und Gemeinden einfach dazu zwangen, die damit verbundenen öffentlichen Aufgaben zu erfüllen […]. Die Ausbreitung epidemischer Krankheiten wie Typhus und Cholera erforderten eben eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse durch den Ausbau der Frischwasserversorgung und der Abwasserentsorgung. Die Sicherheit in den Städten machte eine funktionierende Gasbeleuchtung in allen Stadtteilen notwendig. Die Modernisierung gewerblicher Kleinbetriebe mit Elektromotoren und die verkehrsmäßige Erschließung auch der Vororte durch die elektrische Straßenbahn erzwangen ein gut ausgebautes Stromnetz. Die Nachfrage nach Bildung (Volksschulen) musste ebenso befriedigt werden. Ganz so einfach darf man es sich allerdings nicht machen, blieben doch andere öffentliche Aufgaben liegen, die der »Staat« in einer sich herausbildenden industriellen Wirtschaft und Gesellschaft eigentlich schon im Kaiserreich hätte in Angriff nehmen können. Dahinter stand eben auch ein neues Paradigma, das darauf gerichtet war, gerade den Städten und Gemeinden Verantwortung in dieser Hinsicht zu übertragen. Sein und Bewusstsein standen in einer Wechselbeziehung. Das konzeptionelle Angebot war breit. Es gab u.a. den reformistischen Sozialismus, den kathedersozialistischen Konservativismus oder den wirtschaftsliberalen Antimonopolismus, die – trotz unterschiedlicher ordnungspolitischer, systemischer Zielvorstellungen – in irgendeiner Form die übergreifende Idee des ›Munizipalsozialismus‹ widerspiegelten […]. Danach galten Städte und Gemeinden, die unmittelbar »vor Ort« mit den konkreten Auswirkungen von Urbanisierung und Industrialisierung, aber auch von orthodox-liberalen Vorstellungen über ein kapitalistisches System konfrontiert wurden, als Vorreiter des modernen Sozial- und Interventionsstaates. Insofern war der Munizipalsozialismus ein breiter gesellschaftlicher Reformansatz, der letztlich über die kommunale Ebene hinausreichte.« Vgl. ferner u.a. Ambrosius 1984; 1984a; 2011a. Zum Munizipalsozialismus vgl. auch in Lenger 2013. 138 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 39ff. 139 | Schulz-Nieswandt 2015a. 140 | Anders etwa bei Norbert Elias 1997.

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durchaus (1974a, S.  233): »Das Wirkliche ist das Unwirkliche, was es gibt. Sein Anspruch auf Wirklichkeit, der eine freche Anmaßung ist, muß versinken, wenn das Wahre die Szene betritt.« (Kästner 1974a, S. 233) Hier sei nur angemerkt, dass das Verständnis des Apollonischen sehr variantenreich ist. Wenn Hiller von Gaertringen141 Kästner die Suche nach »apollinischer Klarheit« zuschreibt, dann ist dies angesichts der Liebe Kästners zum Klassischen142 nicht falsch. Doch aus der neueren Forschung143 zur Psychodynamik als Verarbeitung einer kulturellen Dramatik des Kampfes des Dionysischen mit dem Apollinischen (von Dynamik und Statik, transgressiver Ekstase144 und Ordnung) wird deutlich, dass es im Apollinischen immer auch um die polis ging, um die politische Ordnung des rechten Lebens im sozialen Miteinander. Wenn man Ästhetik als Ontologie des Sozialen versteht, ist das begriffen; wenn Ästhetik nur das Reine und Schöne behandelt, geht diese soziale Dramatik verloren. Es ist bei Kästner (noch) da nicht verloren, wo er das Nachbarschaftliche und somit die Gastfreundschaft thematisiert; aber es verflüchtig sich dort, wo »grenzenlose Kargheit« der Natur »transzendiert (wird) durch das Licht«. Kästner ist Otto Friedrich Bollnow (und auch Martin Heidegger sowie über Arnold Gehlen145 bis hin zu Hans Blumenberg146) dort noch nahe, wo er das »Gebaute als belebte und beseelte Materie« verstand. Hier entfaltet sich die ganze Lichtmetaphysik147 141 | Hiller von Gaertringen 1996a. 142 | Beyer 2011. Anders bei Picasso: Vgl. auch Düchting 2001, S. 89ff. Zur dionysischen Tiefe vgl. Düchting 2001, S. 88, S. 102. Zum Labyrinth S. 98. Für Picasso ist es relevant zu sehen, wie sein Oszillieren zwischen Kubismus und Klassizismus – wie ich meine: psychodynamisch – ein Oszillieren zwischen der (kubistischen) Dissoziation der Teile und der (klassizistischen) Orientierung an der Figuration darstellt (S. 117). Kubismus : Klassizismus = Auflösung : Ordnung. Die Themen bei Picasso sind anthropologischer Natur, immer in ihrer konkretisierten Geschichtlichkeit: Zerrissenheit, Ängste, Schmerz, Not. Es geht um das Drama im Bild (S. 140). Malen ist dabei eine Form der Magie (S. 141), drückt Sehnsüchte ebenso aus wie Ängste: Auflösung : Ordnung = Sehnsüchte : Ängste. Den Sehnsüchten muss dabei Gestalt gegeben werden, die Ängste müssen hierbei apotropäisch bewältigt werden. 143 | Vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2013. 144 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 10, S. 84, S. 87. 145 | Wöhrle 2010; Delitz 2011. 146 | Buch/Weidner 2014, S. 185ff. 147 | Vgl. zu Däubler auch Klappstein 2012. Carl Schmitt hat (m.E. korrekt) in Däublers Nordlicht bi-polare Strukturalismen entdecken können, die ihm später selbst wohl Anregungen zu seinem zentralen Binärischen Code des Politischen (Freund/Innen : Feind/Außen) diente: Schmitt 1991.

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Kästners in wundervoller Sprache. Unklar ist der Einfluss der Lichtmetaphysik von Däubler (vgl. auch Hämmerle 1989, S. 27ff.). Relevant ist natürlich auch Däublers Fragment »Griechenland« aus dem Nachlass (Däubler 1946). Däubler war z.B. im Briefwechsel von Nebel und Ernst Jünger durchaus ein Thema. Die von Hiller von Gaertringen konstatierte »Erfahrung der Daseinssteigerung« erinnert mitunter an die Existenzerhellung148 bei Karl Jaspers149. Aber dieser Verweis ist angesichts der Spannungen (auch in Kästner 2004, S.  24: »Die Kluft zu Jaspers finde ich angemessen«) im Gefüge von Heidegger und anderen Existenzphilosophien wohl von eigener thematischer Komplexität, die hier weder aufgegriffen noch sodann abgehandelt werden muss. Die anführbaren Textstellen verweisen aber auf eine gewisse Psychodynamik, die fundamentalontologisch eingebettet ist: Berge zu besteigen150 ist – auch schon bei Ernst Bloch151 – ein Erfahrungsmodus des »Sich-Steigern(s)« und eines »über sich selber hinaus«152 . Berge zu besteigen – und das verweist auf eine eigene innere Dialektik des Phänomens – kann auch als neuzeitliche Loslösung vom Göttlichen zeugen. Denn nun steigt der titanische Mensch selbst auf und erobert die Gipfel. Das Gipfelkreuz zeugt dann weniger vom Glauben als vom Gottverlust. Die Gipfelstürmerei ist daher als Indikator für die bürgerliche Fortschrittsidee der Moderne zu verstehen. Ein »Sprung« – und das habe Hellas der Menschheit gelehrt. Alles andere ist »uneigentliche« (daseinsverfehlende) Existenzführung. Das von Kästner dargelegte Hirtenidyll ist gewiss nicht neu, verweist auf uralte Traditionen des Bukolischen. Ich will diese Engführung, diese Verpassung der angemessenen Vermittlung von Natur und Kultur also am Beispiel der »Prosa-Dichtung« von Erhart Kästner darlegen153. Dies verweist auf eine weitere zentrale Hypothese. Kästner ist m.E. durchaus zugleich ein missing-link zwischen der ausgehenden Weimarer Zeit, in die hinein die von mir eingangs angesprochene klassische Moderne ragte, einerseits und die Literaturgeschichte154 nach 1945 andererseits. Dieses Bindeglied beziehe ich weniger auf die poetische Kraft, sondern auf das implizite Weltbild konservativer Kulturkritik in der (mitunter philosophierenden) Literatur. Erhart Kästners Griechenlandberichte haben – einzuordnen auch in eine viel komplexere Tradition von Reiseberichten (Brenner 1989155; vgl. auch in Zern 2014, 148 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 17, S. 24, S. 111, S. 188. 149 | Saner 2005. 150 | Dazu Scharfe 2007. 151 | Markun 1990. Vgl. zu Bloch auch in Schulz-Nieswandt 2013, S. 7f., S. 10. 152 | Dazu auch in Schulz-Nieswandt 2015. Topographische Metaphern in der Philosophie werden instruktiv abgehandelt in Konersmann 2011. Vgl. auch Blumenberg 2012. 153 | Kästner/Kästner 1980. 154 | Karpenstein-Eßbach 2013. 155 | Darin besonders die Beiträge von Brenner, S. 14 ff sowie Jost, S. 490ff.

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S. 17ff., 20ff.)156 – die wissenschafts- wie literaturgeschichtlich traditionsreiche157 Griechenland-Sehnsucht der Deutschen im Kontext des Reiseverhaltens spezifischer Bildungsmilieus nach 1945158 vor dem Hintergrund einer Psychologie der »Reif für die Insel«-Gestimmtheit159 breit geprägt. Mitunter mag es ein LeserInnensegment gegeben habe, für das Kästner (wohltuend) zwischen Heidegger und Bloch stand. Diese Einschätzung aus der Sekundärliteratur muss als zu gewagt bezeichnet werden. Jedoch findet sich manchmal ein nicht wirklich sozialtheoretisch (anders als F. G. Jünger) tiefer kapitalismuskritischer Ton bei Kästner etabliert (Kästner 2004, S. 187f.; Kästner 1973a, S. 30, S. 314, S. 301, S. 302). Aber Kapitalismuskritik ist der konservativen Kritik der Moderne immer schon eigen gewesen. Besitz erinnere (so Kästner 1973a, S. 83) an Besessenheit160; Dalí161 hätte dies zum Ausdruck gebracht (S. 82). Doch die Wertschätzung Kästners auch in linken Kreisen seiner Leserschaft besteht. Und der Verleger Siegfried Unseld162 hat später (dies mag ein Indikator für eine konservative Variante der Kritischen Theorie, wenn diese Paradoxie einmal gewagt werden darf, sein) an Kästners Grab eine Rede gehalten. Insofern schließe ich einerseits nochmals an die Psy-

156 | Biernat 2004; Wemhöner 2004. Mitunter wird Kästner diesbezüglich neben Ernst Wilhelm Eschmann (1904-1987) und Werner Helwig (1905-1985) gestellt. (Zu Helwig ist aufschlussreich: Bernsch 1992.) Von Interesse ist Eschmanns »Griechisches Tagebuch« von 1936 sowie Helwigs Hellas-Trilogie, insbesondere Teil 2: »Im Dickicht des Pelion« von 1941 vgl. Helwig 1981]. Für Eschmann war der Tat-Kreis biographisch bedeutsam (vgl. Fritzsche 1976; vgl. auch Plöger [2007], der differenzierte Interpretationen vornimmt, auch mit Blick auf Verortungen im Umkreis der konservativen Revolution), für Helwig die Jugendbewegung. Würmann (1999) kann Zusammenhänge von Helwig und dem Denken einer zivilisationsmüden Gegenmoderne aufzeigen. 157 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 11f.; Lisson 2014. Vgl. auch Schlesier 1994; Vries 1961, sich dabei auf die Studien von Gruppe »Geschichte der klassischen Mythologie und Religionsgeschichte« von 1921 (Gruppe 1992) und auf Strick »Die Mythologie in der deutschen Literatur von Klopstock bis Wagner« von 1910 berufend. 158 | Kritisch zum Tourismus: Kästner 1974b, S. 25. Vgl. auch Hennig 1999. Ferner zur breiteren Einordnung in die Tourismusforschung: Hachtmann 2007; Mittag/Wendland 2015; Schildt 1995, S. 180ff. Ein Hauch einer kritischen Theorie der inneren Dialektik des Massentourismus zwischen Kritik der Realität und unkritischer Pseudo-Flucht aus eben diesem Elend findet sich bei Enzensberger 1962, S. 147ff. 159 | Biernat 2004, S. 73. 160 | Zu Magie und Zauber vgl. Hasenfratz 2002, S. 27ff. oder auch Wernhart 2004, S. 80ff.; klassisch: Evans-Pritchard 1988. 161 | Descharnes/Néret 2007 sowie Otte 2006. 162 | Fellinger 2014.

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chologie des Reisens163 als Suche nach Arkadien164 an, andererseits führt Kästner die Linie der romantischen Fortschrittskritik fort. Dabei kommt zunächst in – von Winckelmann165 geprägter – Form einer romantisch-neuhumanistischen Sehnsucht nach der von der Moderne ungetrübten urgriechischen Daseinserfahrung und später in der Form der asketischen Weltflucht orthodoxen Klosterwesens166 eine Hinwendung zur Einfachheit der Lebensführung (reines Wasser im Setting sonstiger Armut: Kästner 1974a, S. 81f.: »Geringes war nicht gering.«, S. 82) zum Ausdruck, die allerdings die Bedeutung einer modernen apollinischen Daseinsvorsorge als Infrastruktur des Alltagsleben im Zuge der fundamentalen Fortschrittskritik übergeht und ausschaltet. Der Berg Athos sei »eine Bloßstellung der Neuzeit« (Kästner 1990, S. 24) und Ort des »Seelenfrieden[s]« (dort S. 25), den Kästner tiefgreifend reflektiert. Öffentliche Daseinsvorsorge167 im Modus einer Gewährleistung168 sozialer Infrastrukturen bis hin zu Sozialschutzsystemen ist aber durchaus eine konsolidierte Form dionysischer Kreativität169 gegenüber der klassischen sozialen Frage. Die transgressive Ekstase170 gegenüber der Misere des modernen Alltags als erlebte Entfremdung von der Wahrheit der menschlichen Lebenspraxis bekommt aber dann jedoch in der Folge der Verkennung der Relevanz der apollinischen Sozialordnungsgestaltung einen regressiven Charakter. Eine dialektische Einheit des Apollinischen und Dionysischen wird nicht mehr anvisiert oder gar entfaltet. * Kästner oszilliert zwischen einer Fixierung auf Privatheit der Lebensführung, die auf einer tiefen Innerlichkeit basiert einerseits und einer mahnenden Kulturkritik andererseits. Seine Künstlerauffassung ist in der Folge angesiedelt in einem Raum zwischen Ekel an der Welt, Abwendung von der Welt und der dennoch immer wieder aufkommenden Sehnsucht nach Partizipation. Diese wird aber reduziert auf einen gleichgesinnten Freundeskreis und einer Teilnahme an 163 | Schulz-Nieswandt 2015. Ferner Schildknecht 2008. Vgl. auch Feldbusch 2003 sowie Thabet 2011. Klassisch: Winterstein 1912. 164 | Brandt 2005; Dantillo Frizell 2009; Garber 2009; Garber 2012; Schmidt 2010; Maisak 1981. Grundlegend: Hennig 1999. Ferner Alefeld 2011 und Luttringer 2000. 165 | Sünderhauf 2004; Haupt 2014. 166 | Frank 1996, S. 20ff.; Hussey 1959, S. 94ff.; zum Berg Athos: Müller 2005. 167 | Man schaue sich Kästners Kritik des Klinikwesens an (Kästner 1974c, S. 52f.): Das erinnert an die Blicklinien von Goffman bis Foucault: Ich könnte auch weitere Forschungsliteratur zur Kritik der Medizinkultur (Schulz-Nieswandt 2010a) anführen. Aber wo bleibt die konstruktive Überwindung? Nichts! Nur Ablehnung. Hilft das dem Menschen weiter? 168 | Dazu u.a. in Schulz-Nieswandt 2014c. 169 | Schulz-Nieswandt 2015a. 170 | Geschwandter 2013; Görner 2011; Passie/Belschner/Petrow 2013.

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der Kunstszene. In diesem Zusammenhang hat sich Kästner mit Literatur und Malerei auseinandergesetzt. So auch mit dem Existenzialismus. Dabei fragt sich wiederum, welche Existenzialphilosophie171 Kästner eigentlich ablehnt!? In Bezug auf »Die Pest« – Kaschnitz (1975, S. 106ff.) reflektiert »Der Fremde« – von Albert Camus172 schreibt Kästner (1994, S. 65): »Großartiges, höchst modernes, von Verzweiflung ausgehendes, aber überwindendes Buch.« Meinen Fokus lege ich hier interpretativ auf die Funktion der Überwindung. Kästners Position bleibt hier insgesamt verworren. Was meint er mit existentialen Positionen173? In Bezug auf George Orwell’s »1984« (Kästner 1994, S.  83) zieht Kästner einen Vergleich zu Otto Dix174 . Offensichtlich kapriziert sich Kästner (1994, S.  85ff.) – im »Zeitalter des Schwundes« als »Becketts Epoche«175 – auf Jean-Paul Sartre176, allerdings in gravierender Fehleinschätzung zum sinkenden Stern von Sartre als personifiziertes Paradigma der »Verzweiflungsliteratur« (Kästner 1994, S.  86). Angesichts der positiven Auseinandersetzung mit dem Existenzialismus als gottlose Theologie (Schulz-Nieswandt 2017) ist für Kästner Vietta (1946), dessen Reiseliteratur mich hier interessiert, kaum ein geeigneter Bezugspunkt, wenngleich sich bei Vietta durchaus eine Position der Kritik der »Verrechnung der Welt« (S. 33) als Hybris (S. 61) findet. Eine Kritik des Existenzialismus von Sartre findet sich bereits bei F. G. Jünger (1949a, S.  154ff.). Die Kritik ist hier aber etwas fundierter. Er rekonstruiert zunächst das Sartre’sche Existenzial, sich als Mensch entscheiden zu müssen. Allerdings problematisiert hier Jünger, quasi post-struktural, die Frage der vorgängigen Anordnung von Essenz und Existenz als Problem von Ei und Henne (S. 156). Das erinnert heideggerianisch daran, dass jeder subjektive Entwurf immer an der Geworfenheit des Menschen in seiner Epoche gebunden ist. Bei Foucault taucht dann die Subjektivität immer nur im dispositiven Modus einer Subjektivierungsform als Ausdruck einer epochalen gouvernementalen Vergesellschaftungsart auf. Vor diesem Hintergrund wird es nicht mehr so überraschend sein, dass Sartre mitunter als Vordenker post-moderner Biographiebastelei-Soziologien der Selbstsozialisation des Menschen rezipiert worden ist. Jünger legt daher Sartre als cartesianisch aus (S. 156). Wie dem auch sei. Psychodynamisch klingt es bei Jünger dort (S. 157), wo er den Ekel (bei Sartre) als Dekomposition quasi neurosendiagnostisch interpretiert. Verzweiflung ist im Kontext moderner Entfremdung vielmehr im Nexus mit Isolierung und sozialer Desintegration zu sehen. Der Trost der Literatur kann 171 | Thurnherr/Hügli 2007. 172 | Sändig 2000. 173 | Thurnherr/Hügli 2007. 174 | Schubert 1980. 175 | Gander 2004, S. 23. 176 | Cohen-Solal 1991; Hakenesch 2001.

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hierzu nicht die einzige – ich sage nicht: keine – Medizin sein. Und auch Camus ist – wenngleich sein Verständnis von Engagement nicht (wie bei Sartre) parteipolitisch auszulegen ist – Philosoph der Revolte177. Wie passt dies zu Kästner? Trotzdem ist der positive Bezug auf Camus bei näherer Betrachtung sehr klärend. Im Schisma zwischen Sartre und Camus178 schlägt sich Kästner auf die Seite von Camus. Und das hat systematische Gründe. Nicht nur, dass sich Kästner zur Loslösung der Literatur – parallel dazu die Position der dualistischen Theologie bei Karl Barth – vom Zwang der politischen Stellungnahme zur Geschichte179, die Sartre Camus kritisch vorwirft, positiv positioniert. Die tieferen Analogien zwischen Camus und Kästner in der Grundhaltung zum existenzialen Status der Literatur/Kunst werden deutlich, wenn ich die Zusammenhänge durch die Brille der Camus-Biographie von Iris Radisch (2013) lese. Denn alle poetologisch und daseinsthematisch fassbaren Figuren bei Kästner finden sich auch bei Camus: die Lichtmetaphysik180, das Solare, die Gastfreundschaft, der Synkretismus von Europa und Orient, Geschlechterstereotype181 (was ich bei Kästner gar nicht herausgearbeitet habe, aber gegeben ist), die Griechenlandsehnsucht der deutschen Tradition, Großstadtkritik182 und Zivilisationsskepsis, das geschichtsvergessene Erleben der Natur als Mystik, die Heimatsuche der Seele, das Wüstenverständnis und die Präferenz für eine Einfachheit des Lebens etc. Nur die theologische Hörigkeit von Kästner geht Camus völlig ab. Mit der Einfachheit des Lebens – heute bereits eine Bewegung der Lifestyle of Voluntary Simplicity – ist ein (in der Literatur breit diskutiertes) Thema der Daseinsorientierung des modernen Menschen angesprochen, zu dem Kästner selbst einen m.E. Schlüsseltext anbietet. Dieser Text hat (werkwachstumsgeschichtlich gesehen) liminalen Status: Der Text markiert eine Passage, das Durchschreiten einer Übergangszone innerhalb der Werkwachstumsgeschichte von Kästner. Gemeint ist das »Geleitwort« von Kästner zu »Aristide Maillol: Hirtenleben. 36 Holzschnitte« (Kästner 1957). Maillol (Bergber/Zuttner 1996; Genge 2008) – in seinem Werk tief der Mittelmeerkultur verbunden – ist in der vorliegenden Studie nochmals am Rande ein Thema, war er doch mit bei der Reise von Hofmannsthal und Kessler nach Griechenland. Hofmannsthals Reise wird auch in diesem Geleitwort von Kästner erwähnt; es geht mir hier nun aber um einen anderen Aspekt. 177 | Dazu auch Reichenbach-Klinke 2014, S. 101ff. 178 | Aronson 2004. 179 | Wie an vielen Stellen deutlich wird, hält Kästner nichts von der Geschichtsforschung: vgl. etwa Kästner 1974, S. 113; das gilt dann auch für Philologie und Historie in der bibelkritischen Tradition: S. 117. 180 | Trageser-Rebetez 1995 sowie Sommer 2011. 181 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 27, S. 121. 182 | Insgesamt auch Becker 1993.

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Es geht hier darum, dass Kästner die (seine eigene) romantische Griechenlandsehnsucht hinter sich lässt und eine Einfachheit dekliniert, die sich von naivromantischer Einfachheit des Lebens unterscheidet. Ich versuche, diese Differenz – analog zu Heidegger – als Differenz eigentlicher und uneigentlicher Einfachheit einzufangen. Kästner meint (wörtlich) eine Vorstellung von Heimat, die als Objekt der Bedürfnisstruktur des Menschen verständlich und legitim ist, aber eben nicht fixiert auf Griechenland in einer entsprechenden Sehnsucht auf das Fremde als das ganz Andere zu finden ist. Heimat kann auch zu Hause sein, wie bei Maillol in dessen (geographisch und zugleich psychodynamisch-erlebnisphänomenologisch verstehbaren) Heimat. 1957 hat Kästner scheinbar seine ontotheologisch-lichtmetaphysische Griechenlandsehnsucht als jugendliche Naivität überwunden (wenngleich das Licht [des Südens] auch hier [Kästner 1957, S. 44] noch daseinsthematisch wirksam ist). Was bleibt ist eine grundsätzliche (anthropologisch-ontologische) Sehnsucht nach Heimat, aber nicht als Suche nach fremder Exotik (S.  40). Die Liminalität des Textes im Kontext seiner gesamten Werkwachstumsdynamik wird auch darin deutlich, dass Kästner noch an einem Wohlbefinden in dieser Welt glaubt; Heimat sei Eros in der Welt (S. 44f.). Das wiederum sei aber weder elegische Dramatik noch romantisches Arkadien-Denken (S. 40f.). Kästner versteht sich hier also post-romantisch und post-naiv, ist aber noch nicht in seiner Phase der eskapistischen Ablehnung der Welt angekommen. Noch herrscht bei ihm nicht das Denken der Transzendierung der elenden Immanenz vor; noch gibt es etwas Glück in der Immanenz der Welt. Das wird sich bei ihm sodann ändern. Hier kristallisiert sich demnach die Vision eines echten einfachen Lebens jenseits der altromantischen oder massentouristischen Sehnsucht nach einer – letztendlich – uneigentlichen Pseudo-Philosophie des eigentlichen Lebens der Einfachheit. Aber bereits in diesem liminalen Text zeichnet sich bei Kästner die Haltung der konservativen Revolution ab: Abkehr vom modernen Gewaltstaat zugunsten elitär-adliger Haltung numerisch kleiner Eliten (Kästner 1957, S. 45). Hier geht es mir nicht darum, die Leistung von Maillol zu klären, auch geht es mit hier nicht um eine Einordnung in die traditionsreiche Entwicklung der (sizilianisch-griechischen/hellenistischen) Bukolik (als literarische Gattung zwischen Drama und Epos). Bedeutsam auch für die vorliegende Sicht der Dinge ist es, dass in der Bukolik183 der Alltag unheroischer Menschen thematisiert wird. Kästner steht insofern in solchen Traditionslinien, wie es um die Kritik der Masse (im Konsum, im Tourismus etc.) geht. Es geht auch gegen totale Reizüberflutung, Marketing, Beschleunigung und Schnelllebigkeit, damit gegen überflüssige Dinge und diesbezüglicher Verschwendung. »Rechts« und »Links« in der politischen Landschaft sind hier existenzthematisch kaum zu differenzieren. (Tiefer gesehen natürlich schon.)

183 | Effe/Binder 1989; Wojaczek 1969; Bernsdorff 2001.

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IV. Tr anszendentale V erdr ängung und A isthesis Zunächst sei, ich möchte dieses Kapitel knapp halten, um die Rezeption von Kästner nicht durch eine Überbetonung seiner frühen Griechenlandberichte als Soldat im 2. Weltkrieg zu entwerten. Ich klammere die Kontroverse zum Problem weitgehend aus184, wie mit der Tatsache umzugehen und das Thema zu behandeln ist, dass Kästner einen wesentlichen Teil seiner Griechenlandberichte während seiner Militärzeit als Soldat (seiner »unkriegerischen Streifzüge«: Kästner 1974, S. 49185) im 2. Weltkrieg geschrieben hat. Zu Strohmeyers (eventuell im Kontext einer späten und fortdauerenden inter-generationellen Adoleszenzkrise geprägten) Abhandlung zum »Dichter im Waffenrock«186 hat vor dem Hintergrund ihrer grundlegenden Kästner-Dissertation Hiller von Gaertringen (1994187) geantwortet. Sie hat hierbei gegen Wolfram Wettes Artikel »Über den Krieg schweben« in der Badischen Zeitung vom 28. Juli 2006 klärend in einem Leserbrief in der Badischen Zeitung vom 12. August 2006 angemessen, differenziert argumentierend, Stellung genommen.188 Kästner selbst schlüpfte einmal in die Rolle von Uvo Hölscher189 (Kästner 1973a, S. 255): »Uvo Hölscher, junger Soldat dieser, aber Krieg oder Nichtkrieg, Archäologie ging vor«. Sollte in diesem Kontext der Satz von Kästner (1990, S. 49) zu verstehen sein: Die Söhne »interessiert nur, was die Väter falsch gemacht haben«?190

184 | Vgl. dazu die instruktive Darlegung von Rainer Ruther (2012). Um die von Freifrau Hiller von Gärtringen konstatierte Fähigkeit von Kästner, Griechenland als geistige Landschaft zu erfahren, die eine Auseinandersetzung mit den Grundfragen menschlicher Existenz ermögliche, zu realisieren, benötige man die Abstraktion von der historisch-konkreten Situation. In diesem Sinne müsse man über das Dunkle schweigen, und man müsse dann das vergessen, was den Blick trübt. Das ist erkenntnistheoretisch und wahrnehmungspsychologisch von Interesse. Dennoch bleibt die Frage, warum Kästner über seinen Bereinigungsbedarf in der Neuedition seiner Kriegsreisebücher nie öffentlich kurz reflektiert hat. 185 | Kästner 1974a, S. 32: »Mir war der Himmel während des Krieges gnädig gewesen; ich hatte Grund, auf den Knien dankbar zu sein. Mir blieb es erspart, unter Mordenden mitmorden zu müssen.« 186 | Strohmeyer 2006. 187 | Dazu auch Fertig 1996. 188 | Oberflächlich und pauschal mit wenig Verständnis für die philosophischen und theologischen Implikationen der Prosa-Dichtung hat auch Meid (2012, S. 326ff. sowie S. 355ff.) zum Themenkreis beigetragen. Gemessen an den notwendigen Differenzierungsbedarfen eher naiv: Sallinger (2002, S. 141ff.). 189 | Mit Blick auf das Alter kann nur der Philologe Uvo Hölscher (1914-1996), ein Schüler von Karl Reinhardt, gemeint sein. 190 | Jedenfalls sind einige Formulierungen in der Tat etwas unglücklich, wenn Kästner etwa mit Blick auf den Partisanenwiderstand auf Kreta 1943 schreibt, die Kreter seien des

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Was bleibt, ist eine psychodynamisch verstehbare Hypothese, die ich formulieren möchte und die erst vollends vor dem Hintergrund der gleich noch stärker zu entfaltenden Onto-Theologie in der »Prosa-Dichtung« von Kästner vollends verständlich wird: Die Verdrängung des 2. Weltkrieges ist in Analogie zur phänomenologischen Epoché (im Sinne von Edmund Husserl191) eine Voraussetzung dafür, dass Kästner sich im Modus eines religiösen Erlebnisses der geglaubten (wissenssoziologisch: konstruierten) urgriechischen Daseinsführung als personale Erlebnisgeschehensordnung öffnen konnte. Nur durch die (in der Phänomenologie192 methodisch zu verstehende) Ausklammerung des historischempirischen Kontextes war diese Offenbarungsbegegnung möglich. Religionswissenschaftlich ist damit eine alte, mitunter193 von Rudolf Otto (2014) bis zu Karl Rahner194 geführte Debatte195 verbunden, wie die transzendentalen Bedingungen der Offenbarung zu spezifizieren sind. Das im Kapiteltitel aufgenommene altgriechische Wort Aisthesis verweist auf die eine Seite dieser Hypothesenbildung: Wie wird Wahrnehmung, hier als religiöses Erleben196 – ein Staunen angesichts der epiphanen Natur als Gestaltwahrheit des Allzusammenhangs, in die der Mensch als noch nicht subjektiviertes Subjekt schicksalhaft gestellt ist – als Geschehen am und im Individuum möglich? Vielleicht kann in diesem Deutungskontext nachvollzogen werden, ob und inwieweit Kästner früher in einem pantheistischen Erleben der Landschaft eingebunden war und später diese Onto-Theologie zugunsten der barthischen Gottesvorstellung aufgegeben hat und dennoch in orthodoxe Innerlichkeit eintauchte. Kästner lässt sich – eine verschlungen-widersprüchliche Konstruktion – im Zuge dieser Hinwendung zum theistischen Autoritarismus den Privatismus der eskapistischen Elite nicht nehmen. Pantheisten sind dagegen – potenziell – liberal und weltoffen, kommunikativ und kooperativ, da sie im sozialen Miteinander stehen. Von Kanonismus und Dogmatik ist dann keine signifikante Spur auszumachen. Neben dem kulturkritisch-konservativen Pantheismus dominiert die Einbettung in die liebende, demokratische Erziehung. Pantheismus ist daher eher inklusiv, nicht exklusiv. Die Welt des Pantheismus ist nicht die einer Kirchlichen Dogmatik, sondern das Gespräch, das Lied und die Musik, das Tanzen, das Wandern, die Dichtung und die Kunst überhaupt. So kommt durchaus eine Grundhaltung angesichts der »Tiefe der Welt« auf, die in Ehrfurcht vor dem Lebendingen ausTeufels (Raabe 1984, S. 458f.). 1950 blickt Kästner kritischer zurück (S. 108). Es gibt aber auch ganz andere Passagen von Kästner (1974b, S. 244). 191 | Mayer 2009. 192 | Zahavi 2009. 193 | Auch an William James (1842-1910) ist zu erinnern (James 2014). Dazu auch Thörner 2011; Thies 2009; Seibert 2009. 194 | Raffelt/Verweyen 1997. 195 | Zuletzt in Kant-kritischer Haltung: Leidhold 2008. 196 | Dazu bereits die ältere Religionspsychologie: vgl. in Pöll 1965.

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mündet. Dies ist keineswegs kindlich-primitiv, sondern muss kulturell erlernt und gepflegt werden. Die pantheistische Erfahrung des Allzusammenhangs der Landschaft im Hören, Sehen, Fühlen setzt eine Zugangsweise voraus, die das Geschehen auch geschehen lässt.197 Das System der Sinne muss hierfür offen bzw. empfänglich sein. Die Differenz zur modernen Lehre vom Schönen ist hier zu betonen. Es geht nicht nur um die Wahrnehmung der schönen Künste, die epistemisch an der modernen dispositiven Auffassung vom Subjekt und der subjektiven Schöpfung und der genialen Objektivation des kreativen Subjekts gekoppelt198 ist und letztlich einen Kunstmarkt und den Sozialtypus des Künstlers199 voraussetzt, sondern um das wahrnehmende Erleben des Seinszusammenhangs insgesamt. Die Frage bleibt jedoch, ob auch noch eine zweite psychodynamische Hypothese generierbar ist. Kästner hat, ähnlich der Haltung von Heidegger200 angesichts seiner kurzen (?) NSDAP-Huldigung, nie ausführlich über diese frühen Griechenlandreise-Prosadichtungen explizit reflektiert. Fand er diese seine frühe Zeit dadurch befleckt und reinigte sich später im Modus des totalitarismuskritischen Eskapismus? Ist dieser Prozess als Vorgang der Reduktion kognitiver Dissonanzen zu verstehen? Nahm er deshalb explizit Abschied von seiner frühen griechenlandromantischen Jugendsünde? Wäre es dann, wenn dies zutreffe, nicht psychodynamisch – also gleichgewichtiger – die reifere Haltung, die jugendlichen Erfahrungen im weiteren Lebenswerk bewahrend fortzuschreiben, dabei den Kontext des Sammelns der Eindrücke zu bedauern und als episodische Verfehlung zu verarbeiten? Vielleicht kommt Scham auf angesichts dieses Seinserlebens tiefster Daseinsqualität mitten im Kriegsgeschehen? Vielleicht kam das Gefühl der Unreinheit des Geschehens auf? Das Erlebnisgeschehen war nur durch diese Einklammerung als Ausklammerung der Verunreinigung möglich. Ein Dilemma: Es musste verdrängt werden, was nicht verdrängt werden darf. Die Ohren sollten für den Klang 197 | Instruktiv darlegend: Wolf 2013, S. 15ff. zum Pantheismus nach der Aufklärung. Dazu passt zentral die Formulierung: »Die Vorstellung eines Gottes über uns, die strikt hierarchische Auffassung trifft im Pantheismus auf weniger Entsprechung als in der Bilderwelt der orientalischen und mittelalterlichen Theismen, die das Verhältnis von Gott und Mensch als steile Hierarchie denken, verkörpert in der gotischen Architektur.« Dispositionen der Unterwerfung und des Gehorsams fügen sich dem Erleben des Allzusammenhangs nicht gut. Der Mensch taucht hier ein; der Allzusammenhang wird aufgesogen, eingesogen. Vgl. auch die weiteren Ausformulierungen von Wolf auf S. 17. Psychologisch fortgelesen geht es um Erweiterungen durch Imagination und Empathie, daher auch um Motoriken des Sehens und Fühlens wie durch Tanz und Musik. Es geht um die Figur eines denkenden Herzens. Damit eröffnet sich auch die Welt der Kunst. 198 | Dazu auch Garber/Szell 2005. 199 | Vgl. auch Feulner 2010. 200 | Hierzu nun auch Heinz/Kellerer 2016.

Apotropäische Haltung: Ekel, Abwendung und Sehnsucht

der göttlichen Stille offen sein, obwohl das Krachen des Krieges alles durchdrang. Die Augen sollten offen sein für das göttliche Licht dieser Landschaft und sollten zugleich ein Wegschauen vom grausamen Geschehen sein. Man wird sich die kognitive Dissonanz klar machen müssen: Mitten im Krieg, dessen Modalitäten des titanischen Prometheus auf der höchsten Stufe einer kulturellen Perversionsskala angesiedelt sind, soll die höchste, weil tiefste Daseinsgestaltqualität offenbart worden sein? Ist hier nicht bereits das wirkliche – eigentliche – Selbst-Sein als Modus des Draußen-Seins im Mitten-Drin-Sein von Kästners Habitus des anachoretischen Mahners und Sehers vorprogrammiert? Wurzelt hier nicht die Figur des inneren Emigranten, die Kästner gerne eingenommen hat? Daher sein Plädoyer: vergessen, vergessen!201 Über das Dunkle202 sei zu schweigen. Gemeint ist das Dunkle der nahen Vergangenheit, in der das Selbst selbst verstrickt war. Die aktuelle Zeitgeschichte wird dagegen allerdings durchaus kritisch begleitet. Und die reinste Form der Nicht-Verstrickung besteht dabei darin, eben nicht differenziert Position zu beziehen, sondern das Ganze in seiner Totalität als Totalität abzulehnen. Wer alles ablehnt, kann sich Nichts durch Bejahung schuldig werden lassen. Die einzuwendende Kritik wird auf die fehlende Verantwortungsethik eines solchen Gesinnungsadels verweisen. Auch ich werde dieses Argument nochmals anführen. Verantwortung setzt ein Mit-Spielen voraus. Spielverweigerer haben es scheinbar leichter. Der Schein scheint dabei aber das Problem zu sein. Das Problem ist das einer Illusion und der Selbstlüge. Ohne teilnehmende Einmischung geht es nicht. Der Arzt als externer Diagnostiker des kranken Objekts verweist auf unbewältige Angst vor der Einmischung, der Teilhabe am Geschehen. Die Angst treibt den Berührungsekel voran. Eine solche ärztliche Haltung generiert letztendlich den Modus der affektuellen Neutralität des Beobachters. Das Modell folgt einer Grammatik der Diastase von Innen und Außen. Angesichts dieser diastatischen Lage ist die nachträgliche Überbrückung des Dualismus aber eher zwanghaft. Kritik ohne Empathie? Die affektuelle Neutralität erweist sich jedoch schnell als Chimäre. Sie ist nicht wirklich möglich. Daher erscheint die radikale konservative Kritik der Zivilisation nach 1945 gar nicht so unplausibel oder überraschend. Sie ist eine seelisch-geistige Copingstratgie. Sie ist ein Mechanismus zur Reduktion der kognitiven Dissonanzen. Sie ist zu verstehen als völlig überdrehte Radikalkur eines Bereinigungsbedürfnisses. Für die Fehler in der je eigenen Geschichte sollte man nicht mit der völligen Abkehr vom Prinzip der Hoffnung in der Immanenz zahlen. Die Schuld kann man auch abtragen durch Arbeit an der Noch-Nicht-Existenz der Essenz des menschlichen Daseins in der Seinsgeborgenheit. Es zeichnet sich so eine Differenz ab zwischen einer partizipativen Verantwortungselite und einer eskapistischen Elite der

201 | Zur Kategorie des Vergessens vgl. auch in Behrens 2004. 202 | Instruktiv auch: Berndl 2016.

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politischen Daseinsverweigerung. Mit Wolfdietrich Schnurre203 formuliert: Man sollte dagegen sein!204 Ja, aber partizipativ. Mitten-in-dieser-Welt, nicht Außerhalb-in-dieser Welt.

203 | Zu Schnurre vgl. auch Schwardt 1999; Bauer 1996; Adelhoefer 1990; Blencke 2003, Warg 1993. 204 | Schnurre 1964.

C. Zwischen Anthropologie und Theologie

Dort, wo Kästner die Gabemechanismen poetisiert darlegt, wo er die rituelle und dennoch zutiefst authentische Gastfreundschaft als kultisches1 Phänomen des sozialen, auch inter-kulturellen Miteinanders in der Begegnung des Menschen zeichnet, ist er kulturanthropologisch orientiert: zumindest als ein Ethnograph uralter Sitten. Dort, wo er von der Seinsfrömmigkeit des Landschaftserlebens zum byzantinischen Christentum übergeht (explizit: Kästner 1974, S. 9f.), dort wechselt er zu einer Subjekt-zentrierten demutsvollen Haltung empfangener Gnade der Offenbarung. Entgegen den Erfahrungen der ersten Jahre gilt: »nach und nach aber sei mir deutlich geworden, daß es an der Zeit sei, den Blick aufs antike Griechenland durch das Byzantinische hindurch zu gewinnen« (Kästner 1974, S. 9). Und: »Es mußte ein ganz anderer Einblick in die tausendjährige Geheimniswelt sein.« (S. 11). Hier wechselt Kästner also die perspektivische Position: Der naturfrömmige Ethnograph wird christlicher Theologe. Ich wage die These der Barthianisierung Kästners. Sodann lege ich die These des besagten Wandels von der Anthropologie zur Theologie dar als Wandel der Auffassung von der Gabe. In anthropologischer Sichtung ist die Gabe ein Phänomen konkreten Miteinanders als symbolische Ordnung materieller Kultur. Nun wird die ganze Welt zur Gabe, ein Geschenk Gottes. Barth geht auch nicht vom Menschen aus. Er geht von Christus aus. Anthropologie sei nur als Christologie möglich. Alles andere ist Humanismus, Titanismus, Prometheus-Atheismus (dazu auch in Schulz-Nieswandt 2017). Eine solche Position findet sich auch bei Gebsattel (1947, S. 149ff.), der etwas schwankt zwischen radikaler Schuldzuweisung an den neuzeitlichen Humanismus mit Blick auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts einerseits und versöhnlichen Tönen zur heidnischen Antike und zum Christentum andererseits. Es zeichnen sich hier deutliche Bezugnahmen und Parallelen auf und zu Guardini ab. Das Ambiente der Weltentdeckung von Kästner wechselt dabei. Nicht mehr die glitzernde Performativität der Olivenhaine ist der Ort des (ohnehin nicht epis1 | Glasenapp 1960, S. 96ff.; Wernhart 2004, S. 42ff.; Stollberg-Rilinger 2013.

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temologisch, auf Richtigkeit abstellend, gemeinten) Wahrheitserlebens, sondern das Kloster und die Wüste. Nicht mehr Pans2 Flöte ertönt3 und kündigt Dionysos an. Es ist nicht mehr die (paradoxe) Stille der Musik der Landschaft. In der Tradition von Hölderlin galt beim frühen Kästner noch die Synthese des {Christos : Dionysos}. Nun ist es der reine Christus. Es bleibt bei einer Lichtmetaphysik im personalen Erlebnisgeschehen. Aber zunächst war es das apollinische Licht der Landschaft; nun ist es quasi-gotischer Lichteinfall von oben, vom Himmel4, wo der eine Gott thront 5. Pagane, theonome Lichtmetaphysik transgressiert zur christologischen Lichtmetaphysik. Bei Tillich ebenso bei Guardini ist diese Transgression wie bei Kästner ein Gewinn. Aber weder Tillich noch Guardini werten deshalb die profane Welt der kulturellen Immanenz deshalb so elitär ab wie Kästner. Mein Autoritarismus-Vorwurf – bereits weiter oben angedeutet – wird deutlich. Das trübt den Humanismus, der als unbeirrte Haltung Kästner von Freund(Inn) en bescheinigt wird. Es ist ein Humanismus alteuropäischer ORDO-Philosophie. Es war nicht mein Streben (auch nicht meine Kompetenz), hier zu klären, was hier aristotelisch und thomistisch in Neo-Varianten ist oder sich nochmals anders in alteuropäischer Tradition christlicher Metaphysik verstehend einordnen lässt. Auch bei Guardini liegt ja eine komplizierte Orientierung an die vor-neuzeitliche Ordnung des christlichen Mittelalters vor. Kästner selbst hat überaus deutlich konstatiert, er sei nie modern gewesen. Wie ich zeigen werde, war er hierbei seinem Freund Gerhard Nebel wohl nicht konservativ genug. Das wiederum spricht m.E. für Kästner. Die Hörigkeit Kästners ist aber – um meine Autoritarismus-Kritik richtig zu verstehen – nicht immanent, profan in der Welt der politischen Macht angesiedelt. Kästner ist dem abwesenden und zugleich anwesenden Gott hörig (»Hören«6: Kästner 1974, S. 26f.: Maria, die »goldene Mythe«: »sie ist das Hören«)7, dessen Abwesenheit anwesend wird, wenn man seine Offenbarung erfährt, passiv: erfährt. Hier fehlt die kantisch-transzendentale Fundierung der Theologie bei Rahner ebenso wie die existenziale Korrelation von Tillich. Da bleibt nur der Supra-Naturalismus von Barth 8 als Anlehnungsoption. Diese ist mit Blick auf die

2 | Roscher 1983 zum Pan als Allgott. Interessant (etwa mit Blick auf Dynamiken bei Kaschnitz) die Hinweise zum Tanzen und Springen (dort S. 59). Zu Pan auch Vinci 1993 sowie Adami 2000, dort auch zu Kästner (S. 91ff.) im Zusammenhang mit Hauptmann und Jens sowie Hofmannsthal. 3 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 9. 4 | Lang/McDannell 1990; Ebner 2005; Lang 2009. 5 | Eickhoff 1993, S. 26ff. Auch in Schulz-Nieswandt 2010a, S. 250. 6 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 47f. 7 | Lincoln 2014; Moxter 2008. 8 | Schulz-Nieswandt 2010a, S. 127, S. 555.

Zwischen Anthropologie und Theologie

Probleme der Macht und der Autorität nicht ohne innere Widersprüche.9 Aber es geht nicht um Barth-Exegese. Vielfach mischen sich antik-griechische und christliche Sichtweisen bei Kästner. Der Wandel seines Weltbildes innerhalb seiner Werkgeschichte ist natürlich auch nicht über klare Brüche sauber zu ermessen, sondern verweist in typischer Weise im kulturwissenschaftlichen Sinne von transgressiven Liminalitäten ausgeprägte hybride Übergangszonen im Wandel auf. Zwischen paganer Erfahrung und christlichem Bewusstsein, immerhin ist auch das Christentum in seiner kulturellen und mentalen Genealogie höchst synkretistisch zu verstehen, lassen sich so manche Positionen von Kästner lokalisieren. Bei Kästner (1974, S. 27) ist Demut das Hören auf die Weisheit. Und lichtmetaphysisch: Die Reinheit der Sophia10 lichtet den Blick: Sie ist das Sonnenhafte, in dem unser Auge das Licht der Sonne erblickt.« (S.  27f.) Zugleich wird sie Ausdruck der universellen11 Gaia12 , wobei es Kästner an naturreligiösen Metaphern (Wasser13, Brunnen, Baum) nicht fehlt. Und (heideggerianisch): Sophia sei »der irdene Krug, der von göttlicher Weisheit was er fassen kann faßt.« (S. 28) Diese hybriden Transformationszonen sind auch politiktheoretisch zu verstehen. Einerseits gilt die Tradition der griechischen polis, auch noch im Frühchristentum. Doch die antike Politik war ebenso nicht frei vom königlichen Herrschergedanken wie das frühe Christentum im Kontext der spätrömischen Kaiserideologie altägyptischer Provenienz. Auf die Osiris-Dionysos-Orpheus-Jesus-Linie darf nochmals hingewiesen werden. Dabei oszilliert die Christianisierung von Jesu zwischen seiner frühen Tischgenossenschaft und seiner späteren Hoheitstitelei, die im Kontext der Trinitätslehre fundiert wurde. Die Agora – nicht die Chora – der klassischen polis war eine Räumlichkeit der Dialogizität der genossenschaftlichen face-to-face-Gemeindeordnung. Altorientalisch, auch alttestamentlich, heute barthianisch, ist die Geometrie der senkrechten Perspektive »von oben nach unten«: Gott : Kreatur = König : Volk = Hirt : Herde.

Die Vaterbildfigur Gottes entspricht der traditionellen Typik der Herrschaft, die genealogisch ist, eingebettet in Schöpfungsmythen. Noch die Weisheitslehre ist apodiktisch eine Spruchpraxis: Resultate darbietend ohne Diskurs der guten

9 | Dazu in Hauser 1949, S. 68ff. 10 | Vgl. Art. Sophia, in: Roscher 1993, Bd. IV, S. 1212-1214. 11 | Kästner 1974, S. 28: »Sie geht jeden an. Mögen wir sie nun Maria nennen oder nicht nennen, sie bleibt doch, was wir hoffen.« 12 | Dazu auch Dietrich 1925 sowie Neumann 1953. 13 | Wasser wird in der Regel in der Kultur- und Religionsgeschichte in Verbindung gebracht mit dem Weiblichen. Ganz anders dazu: Seiderer 2009.

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Gründe. Philosophie beginnt dort, wo das Fragen nach dem »Warum« und »Wieso« beginnt. Also nicht einfach: »Höre, Israel!« Hier – im Lichte der politischen Philosophie der polis – war das Sehen konstitutiv; das Reden und Hören war dabei eingebettet. Dominant ist die Geometrie des Horizontalen. Doch dieses archaische Griechenland hat Kästner im Verlauf seiner Christologisierung und Byzantisierung verloren. Die Geometrie des Vertikalen dominiert nunmehr sein – hellenistisches – Denken. Das Heil ist oben; und daher da-draußen. Es ist nicht im Innen des profanen Alltags des sozialen Miteinanders. Die (teilnehmend-beobachtenden) Anthropologien der Gabe und der Gastfreundschaft in Kästners frühen Griechenlandbeschreibungen verflüchtigen sich. Das Elend der Welt interessiert Kästner nur noch als bi-polarisierte Folie der Abgrenzung zu seiner eigenen, ersehnten und poetisch realisierten Gegenwelt der in sich und zu Gott offenen, baumelnden Seele. Also Geistigkeit. Hier teilen sich Kästner und Barth eine mentale Gemeinsamkeit: die diastastische Haltung als fundamentale Gestimmtheit. Denn die naturfrömmige Landschaftswahrheit war pagan, dem profanen Leben trotz heiliger Aura zugewandt. Aber diese ist bei Kästner im Zuge seines affektuellen Ekels ausgegrenzt, zwar Objekt seiner totalen Wahrheitsverwerfung, aber kein Ort der Wahrheitsfindung. Auf diesem differenzierten Niveau einer psychodynamischen Diagnostik ist der Vorwurf des Eskapismus berechtigt.

V. D iastatische Theologie Bis jetzt ist von mir schon so oft von Barth und von der Barthianisierung Kästners die Rede gewesen, so dass nunmehr etwas mehr Klärung erwartet werden kann. Kästner kannte die Kontroversen um Rudolf Bultmann14 und kannte die harte Position von Karl Barth15, der die Vorlesungen von Karl Jaspers als JasperleTheater bezeichnet und Rudolf Bultmann als Häretiker stigmatisiert hat16, und der – auch entgegen der religiös-sozialistischen Haltung von Paul Tillich17 – immer Gott »von oben«, nie existenziell »von unten« gedacht hat (vgl. auch Kästner 1974b, S. 157): »Oben ist Oben; darin liegt ein kleiner […] Gottesbeweis.« (S. 157) Von unten kommt – so die Position auch von Kästner – nicht das Heil. Sinn 14 | Hammann 2012; Jaspert 2012. 15 | Holtmann 2007; Kupisch 1971; Schildmann 2006. Ich bin mir der komplexen Forschungslage zu Barth bewusst, vertrete dennoch hier die zugespitze These einer stark autoritären Dogmatik bei Barth. Weinrich 2013; Trowitzsch 2012. Differenziert Pöggeler 2011, S. 235. 16 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 8f. Anders: Bauer 2012, S. 281, dagegen wiederum M. Fischer 2013, S. 425 sowie Bartels 2011, S. 309. 17 | Gallus 2007.

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kommt nicht aus der Welt, sondern nur von Gott (Kästner 1973a, S. 143f.): »Daß der Sinn des Lebens immer bloß von etwas außer ihm kommen kann.« (S. 143) Und: »Leben, das seinen Sinn aus sich selbst nimmt, wird sinnlos.« (S. 144) Die implizite Debatte (vgl. in Schulz-Nieswandt 2017) ist bekannt und in der Philosophiegeschichte breit diskutiert.18 Ist Humanismus automatisch christlicher Humanismus19? Ist der anthropologische Existenzialismus – von der dialektischen Theologie bei Barth radikal als teuflisch verworfen – ein Humanismus? Aber es gibt ja zahlreiche – katholische wie protestantische – Varianten des christlichen Existenzialismus. Alles nur Religion, aber kein christlicher Glauben (mehr)? Wie steht es dann z.B. um Peter Wust und Gabriel Marcel, um Guardini und Tillich? Und natürlich wie steht es um Karl Jaspers‹ Absolutem ohne Gott? Barth vertrat eine personale Gottesidee: Aber integrierte er den Menschen auch personalistisch in seine christliche Dogmatik? Dann hätte er doch im dialogischen Modus des Korrelates von unten und von oben denken müssen. Doch das und war ihm des Teufels. Denn so wird der Mensch zum halbgöttlichen Titanismus getrieben und die Unerreichbarkeit Gottes unterlaufen. Eher nahm er persönlich immer wieder Abschied von Andersdenkenden, von Brunner, von Gogarten etc. Es gab relevante wissenschaftstheoretische Kritik – nicht nur von Pannenberg – an dieser jede Vernunft (und Wissenschaft des Menschen) ausgrenzenden Hermetik des Glaubens. So wurde ja auch auf Seiten der katholischen Theologie konstatiert: Glauben sei eine nicht auf Wissen reduzierbare Form der Erkenntnis. Aber hier wird zumindest Glauben-Wissen-Erkenntnis noch in eine gewisse Relation gebracht. Tillich sah die Korrelationsmethode mit der Unbedingtheit Gottes als vereinbar an. Die Kategorie des ganz Anderen von Rudolf Otto wurde dergestalt bei Tillich auch weltoffener genutzt als bei Barth. Das Unbehagen an einer neurotisch steigerbaren Diastase als Fundamentalhaltung bleibt also ausgeprägt. Schildmann20 hat die – wohl aber auch reziproken – Todeswünsche von Barth gegenüber Emil Brunner (1941; 1958)21 herausgearbeitet. Barth war insgesamt kri18 | Eine solche Position findet sich auch bei Gebsattel (1947, S. 149ff.), der etwas schwankt zwischen radikaler Schuldzuweisung an den neuzeitlichen Humanismus mit Blick auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts einerseits und versöhnlichen Tönen zur heidnischen Antike und zum Christentum andererseits. Es zeichnen sich hier deutliche Bezugnahmen und Parallelen auf und zu Guardini ab. 19 | Wie bei Hugo Rahner 1957, insb. S. 9, S. 15, S. 18, S. 461f., S. 466. 20 | Schildmann 2006, S. 183ff. 21 | Fischer (2002) setzt seine Darstellung der protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts in der Tat mit der existenziellen Verarbeitung des 1. Weltkrieges an. Der radikale Umbruch im Kulturoptimismus der Moderne zeichnet sich in und mit Sören Kierkegaard (1813-1855) und F. M. Dostojewksi (1821-1881) ab. Fischer zeigt die Verarbeitung innerhalb der Theologie der Offenbarung Gottes auf der Basis der diastatischen Dialektik bei Karl Barth (1886-1968) – die Diastatik transformiert die Chimäre der Dialektik in einen kruden Dualismus, der erst ex post zur nicht gelingenden Beziehung der Pole transportiert

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tisch-ablehnend gegenüber jeglicher anthropologischer Wende eingestellt. Daher auch gegen Brunner (1958). Dem Thema des Menschen und des Mitmenschen widmete sich Barth nur im Rahmen seiner kirchlichen Dogmatik, damit ein- und untergeordnet. Anthropologische Reflexionen laufen in seiner Sicht immer der Gefahr, sich zu verselbständigen und als Religion eine Form anzunehmen, die er strikt vom (christlichen) Glauben abgrenzte. Diese Differenz zwischen Religionswissenschaft einerseits und Glaubenslehre andererseits ähnelt der Haltung von Kästner, der einerseits Glauben gegen Welt setzte, andererseits innerhalb seiner Wissenschaftsfeindlichkeit auch gegen theologische Systeme war, wobei er dann eigentlich von Barths Werk sich erschlagen fühlen musste. Bereits die pagantheologischen Mythologien von F. G. Jünger, auch bei G. Nebel, wurden ihm zunehmend suspekt. Barth war unerbittlich, wenn es um seine »Sache« ging. Aber Ähnliches re-konstruiert Jehle22 auf Seiten von Brunner. Schildmann hat psychodynamisch herausarbeiten können, wie es zu Barths blitzartig, vertikal von oben einschlagene Auffassung Gottes (was allerdings auch Zeus23 schon konnte), wobei dem Menschen in diesem Geschehen dieser Selbstoffenbarung Gottes überhaupt keine aktive Rolle zukommt, kommen konnte. Ich will hier nicht in simpler Form psychoanalysieren und pathologisieren. Aber diese Unerbittlichkeit bei Barth ist auffallend. Und auch Kästner konnte ähnlich unerbittlich sein, wenn es um seine Zivilisationskritik ging. Die Kindheit Barths war mitunter stark belastend; ihm wurde vermittelt, Elternwille sei Gotteswille. Später dann transformiert er die Negation dieser Weltimmanenzherrschaft Gottes in diese jegliche Ablehnung der Indienstnahme Gottes für politische Zwecke, sei es für die Sozialdemokratie und dem religiösen Sozialismus, dem er ja politisch zuneigte, sei es für den Faschismus, den er bekennend ablehnte. Politik (Wirklichkeit überhaupt) einerseits und Theologie und Glauben andererseits sind strikt zu trennen, wenngleich seine Position hier nicht ganz widerspruchsfrei zu seien scheint.24 Zugleich re-realisiert Barth demnach den kindlich erfahrenen Autoritarismus der Eltern außerhalb der Weltwirklichkeit im demütigen Empfangsstatus des Menschen angesichts des göttlichen Blitzes von oben. Bemerkenswerter kann gar nicht die Parallele zur weltabgewandten Autoritätshörigkeit Kästners gegenüber dem einen sich selbstoffenbarenden Gott des

wird – ebenso nach wie vor die erneute (aber post-liberale, nicht mehr kulturprotestantische) anthropologische Wende im dialogischen Personalismus etwa bei Friedrich Gogarten (1887-1967) und Emil Brunner (1889-1966). Aber auch Ferdinand Ebner (1882-1931) und Martin Buber (1878-1965) sind von grundlegender Bedeutung für den dialogischen Personalismus (Fischer 2002, S. 52). Zu Brunner vor allem auch Jehle 2006. 22 | Jehle 2006, S. 293ff. 23 | Wiederum nicht zu verwechseln mit dem kleinen Welpen, den Söhnchen Gören Gunnar am Strand von Paleokastro als Zeus benannte. 24 | Dazu in Hauser 1949, S. 68ff.

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Christentums sein. Orthodox ist dabei nur die klösterliche Rückgezogenheit in der Wüste des Berges Athos als anachoretischer Habitus. Diese Entrückung Gottes in die Nichterreichbarkeit durch aktiven Zugehens seitens des Menschen – Barths zentrales Thema klassisch schon im Römerbrief – als das zentrale große »Thema der Bibel« ist das fundamentale Theologem Barths, psychodynamisch Ausdruck tiefliegender Konflikte im Zusammenhang mit narzisstisch-depressiver Gestimmtheit. Die melancholische Gestimmtheit mag überhaupt ein Element eines übergreifenden Haltungsmusters der Personen sein, die hier inter-textuell erschlossen werden. Das werde ich später nochmals zeigen, denn die Melancholie weist Eigenschaften auf, die zum Teil nur wiederzufinden sind in der habituellen Struktur des Geistes der konservativen Revolution, so die von Freud (1989) in »Trauer und Melancholie« (1917) bereits aufgezeigte Auf hebung des Interesses an der Außenwelt und den Verlust der Liebesfähigkeit. Aber von suizidaler Neigung muss nicht die Rede sein. Auch nicht von Selbstvorwürfen usw. Im Gegenteil: Im maskulinen Modus des Heroischen kommt eher eine Kritik weiblicher Weichlichkeit zum Ausdruck. Es geht den konservativen Revolutionären in seiner passiv-aggressiven Haltung um Tugenden der elitären Schau auf das gesellschaftlich-kulturelle Schlachtfeld, dass für ihn numinos ist, ekelt und fasziniert zugleich. Der Ekel ist dabei die haptische Basis für jene Distanz, die die Elite braucht, um eskapistisch ein post-zivilisatorisches Urteil abzugeben. Dazu passt dann auch die Poesie als Therapieform der Melancholie – auf die Rolle der Musik werde ich auch noch hinweisen – in diesem Kontext. Bei Kästner geht es um diesen »Heiltrunk der Seele« (Psyches iatron). Die Schwermut wird so in die Außenwelt transportiert. Die ganze Grammatik der zwischenmenschlichen Beziehungen wird somit diastatischer Natur. In der konservativ-postzivilisatorischen »Dialektik der Aufklärung« bei Erhart Kästner verdoppelt sich diese Diastase auf die Dimensionen Mensch-Mensch und Mensch-Dinge. Aber warum fand Guardini, der diese Gestimmtheit selbst seelisch teilte, zur theonomen Kultur und konnte in diesem Lichte trotz seiner missionarischen Christologie den menschheitsgeschichtlichen Wert der griechischen Antike so wertschätzen, ebenso wie die Werke von Hölderlin, Rilke, Dostojewski neben Dante, Pascal u.a.25? * Überhaupt erweist sich der Römerbrief als Schlüsseltext, um die ganze Figuration besser zu verstehen. Ich kann hier die Römerbrief-Debatte auch nicht nur ansatzweise darlegen. Die ganze Problematik von Barths Römerbrief-Kommentar ist in der langen Dauer im Lichte der Reformation und aktualisiert im Lichte des Ersten Weltkrieges zu verorten. Nicht das profan-alltägliche Tun der Menschen ist relevant vor Gott (Sollte hier immer noch eine anti-jüdische Komponente mitspielen?); nur Glauben und somit im Wort Gottes ist der Mensch gerechtfertigt. 25 | Z.B. auch Eduard Mörike: Guardini 1957.

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Damit wird die Welt als Ort der Wahrheit entwertet. Natürlich fragt es sich, wie es um die textkompositorische Kohärenz angesichts der im Brief konstatierten Bedeutung der Nächstenliebe bestellt ist. Ist sie nun konstitutiv und zentral für eine eigentliche Existenz? Oder ist sie doch nur Makulatur in dieser sündhaften Welt? Diese hermeneutischen Freiheitsgrade des Römerbriefes und insbesondere die Positionierung von Barth bieten Kästner die Fundierung seines Eskapismus. So wie für Barth alles außerhalb des christlichen Glaubens nur (heidnische) Religion ist, taucht auch bei Kästner (etwa mit Bezug auf den Totenkult) die Kategorie des Heidnischen auf (Kästner 1974, S. 97). Kulturanthropologisch gesehen ist dies weder sensibel noch wertschätzend angesichts der Tatsache, welche Bedeutung der Ahnenkult (auch schon bei Erwin Rohde [1910] herausgestellt) für die Stiftung kollektiven Gedächtnisses und des transgenerationellen Erinnerns hat.26 So wird auch der Tod für das Subjekt einfacher, trägt man doch dergestalt zur Kontinuität von Geschichte bei27. Aber das passt nicht ins theologische Weltbild: Das Leben sei die Metapher für Gott (Kästner 1974, S. 96f.). Kästner scheut sich nicht, diffamierend von »Bultmänner« zu sprechen (Kästner 2004, S. 23) im Kontext von Ketzern (S. 21). Beim Künstler sieht Kästner dagegen die Figur des Ketzers positiv besetzt (Kästner 1990, S. 135): »Er verfehlt seine Mission, wenn er seinen Platz bei der Mehrheit sucht.« Er hat, wie auch schon G. Nebel, massiv gegen das Ent-Mythologisierungs-Programm von Bultmann 28 Stellung genommen und wollte die »Sage« im NT bewahren. Auch hier erweist sich Kaschnitz in ihren »Römische(n) Betrachtungen« aus dem Jahr 1955 (Kaschnitz 1975, S. 44) aber differenzierter. Sie sieht die Gefahren eines solchen Programms der Ent-Mythologisierung, aber eben auch die zeitgemäße Notwendigkeit. Nun ist es29 – wie auch Gadamer (1999a, S. 387ff., der jedoch die Relevanz der aktualisierenden Hermeneutik von Bultmann hervorhebt) – durchaus problematisierbar, wie Bultmann den Mythos-Begriff gefasst hat.30 Was Bultmann meinte, verweist auf die anachronistische Erzählung von Märchen. Natürlich ist der Mythos als Erzählungen mit Eigenschaften von Märchen und Sagen gestrickt 31. Dies meint Bultmann. Im Deutungsgehalt und daseinsthematischen Orientierungsgehalt ist der Mythos bereits eine erste Form philosophischer Anthropologie und somit ein Stück Aufklärung.32 Dies hat Bultmann nicht ganz klar – seine existenzialphilosophische Hermeneutik legt dies eigentlich eher nahe – eingeschätzt.33 Dieses 26 | Pethes 2008. Dazu auch Schadewaldt 1960, S. 60ff. 27 | Schulz-Nieswandt 2015, S. 61f. 28 | Bultmann 1960. Auch Bultmann 2002. 29 | So auch Otto 1962, S. 348. 30 | Zum Mythosverständnis bei Tillich vgl. Danz/Schüßler 2014. 31 | Renger 2011. 32 | Schulz-Nieswandt 2010a, S. 29. 33 | Das ist bei Danz/Schüßler (2014) in den Beiträgen zum Mythosverständnis von Tillich deutlich herausgearbeitet worden. Im Prinzip nähert sich Tillich, hier analog zu Jaspers,

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Defizit ist aber nicht dass, wogegen der Barthianer Kästner angeht. Im Lichte moderner Wissenschaft, die das Weltgeschehen nicht durch übernatürliche Kräfte erklärt sehen kann, argumentiert Bultmann für eine zeitgemäße Interpretation der mythologisierten Sprache des Neuen Testaments. Im Prinzip ist dies eine »Arbeit am Mythos«, die nicht den religiösen Kern rationalisiert, sondern die – transportative – Sprache34, in der die Botschaft den heutigen Menschen anspricht, ihm verständlich wird im Lichte seiner aktuellen Daseinsfragen. Kästner merkt auch gar nicht, wie sehr Bultmann ebenfalls die Fehlentwicklungen der Moderne erkennt und (auch wissenschaftskritisch) diskutiert. Ähnlich wie Tillich möchte aber auch Bultmann in seiner kerygmatischen Hermeneutik 35 verwirklicht sehen, dass die alte Botschaft in der neuen Zeit verständlich wird und damit für die Daseinsthematisierung des Menschen aktualisiert wird. Damit rettet Bultmann die Botschaft, macht sie gegenwarts- und zukunftsfähig36. Für Kästner muss wohl allein der Bezug von Bultmann zum modernen Wissenschaftsverständnis Dorn im Auge sein. Bultmann entmythologisiert37 im Sinne einer hermeneutischen Methode, wenn man dies so38 formulieren will, die Rezeptionsästhetik, weil die produktionsästhetische Seite geschichtlich dergestalt eingebunden war, dass im Kontext der aktuellen geschichtlichen Lage der Sinn der Produzenten nochmals neu erarbeitet werden muss. Mit Rekurs auf die Erträge der formgeschichtlichen Schule39 bzw. der religionsgeschichtlichen Schule40 muss der »Sitz im Leben«, damit der geschichtlich codierte daseinsthematisierende Lebenssinn der christlichen Botschaft

dem Philosophem der »Arbeit am Mythos« von Blumenberg an. Menschliches Dasein geht nicht ohne Mythos, denn nur in der Welt der bildhaften Sprache kann der Mensch sein Sein führen. Natürlich muss der Mythos so mythopoetisch immer wieder neu ausgelegt werden, dass er den Menschen in seiner chronotopischen Einbettung anspricht, also existentiell relevant wird im Ansprechen des Menschen. Genau dies sah Bultmann. Und in diesem Punkt stand Tillich ihm bei. Es war Cassirer, den Tillich, aber nicht Bultmann rezipiert hat, der im Mythos einen Modus (symbolische Form) sah, in der der Mensch sich selbst existierend zum Ausdruck bringt. Dies wiederum konnte Tillich verstehen, da dies nahe an seinem eigenen Symbolbegriff ist. 34 | Ganz wie bei Heidegger, Gadamer und Walter F. Otto ist auch bei Schadewaldt (1978, S. 112ff.) Sprache ontologisch die Seinsbeschaffenheit, in der der Mensch überhaupt erst wird. 35 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 25. 36 | Bultmann 1975. 37 | Dazu klärend auch Geyer 1996, S. 65ff. 38 | Dazu Jauß 1991. 39 | Zu Hermann Gunkel (1862-1932): Frey 2013 sowie Hammann 2014. Ferner Klatt 1969. Vgl. auch Studien etwa von Gerhard Lohfink und von Klaus Koch. 40 | Lüdemann/Özen 1997.

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im Rahmen einer sozialgeschichtlichen Psychologie41 damals wie heute plausibilisiert werden. Was sagt die Botschaft noch dem heutigen Menschen in seiner heutigen Lage? Wollen wir hierbei tatsächlich noch die Märchen und Wunder, die Himmelfahrt, die Auferstehung, die metaphysischen Fledermäuse, den heiligen Geist wörtlich nehmen? Sozialgeschichtliche Auslegung und Psychologie der Erwartungsbildung der Ur- und Frühchristen sind produktionsästhetisch (eigentlich ganz im Sinne einer objektiven Hermeneutik42 kollektiv geteilter Deutungsmuster der historischen43 Jesus-Situation) unabdingbar, um in der aktualisierenden Hermeneutik den aktuellen Menschen orientierend anzusprechen. Die ganze Problematik der Bilder-Sprache – war es Zufall, dass Kästner die Untermalung seiner Prosa-Dichtung durch einfache Zeichnungen (von Helmut Kaulbach [1908-1049] in »Weinberge, Ölberge« [zuvor in »Griechenland« von 1942] oder von Hugo Peschel [1905-1980] in Kreta von 1943) so liebte? – filtert Kästner nochmals durch das Prisma seiner Byzantisierung (Kästner 1974, S. 135ff.). Er handelt dies unter »Ikonen: die Augen der Welt« ab44. Es soll nicht eigens diskutiert werden, wie sein Bild-Begriff im Lichte moderner Bildtheorien und bildwissenschaftlicher45 Anthropologie einzuschätzen sein könnte. Er nutzt bei seiner Darlegung die Kategorie der Metapher, ohne auch hier an den Maßstäben der (heutigen) metaphorologischen und symboltheoretischen Forschungen46 gemessen werden zu müssen.47 In »Strahlungen« hat Ernst Jünger (1949) einige ähnliche Argumente ausgearbeitet. Theologie sei notwendig (S. 29): Polare Spannungen (S.  10), zwischen hellen und dunklen Kräftefeldern, seien auszuhalten und als Kampf im Inneren zu führen (S. 18). Höchstes Ziel sei die Liebe (S. 12): Daher geht es um Lebenswachstum und Heilsstrahlen. Deshalb braucht man neben Sprache auch Bilder (S. 16). Denn die Tiefe unterhalb positivistischer Oberfläche (S. 16f.) muss erhellt werden. Hier kommt, ambivalent, das Christentum ins Spiel (S. 17). Gegenüber der Welt der Technik muss der Muse und der Metaphysik wieder Platz eingeräumt werden. Zunächst ist seine Anti-Bultmann’sche Position nochmals exponiert (Kästner 1974, S. 135): »So ist die zur Zeit bei uns so besprochene Frage, ob die mythischen Elemente der evangelischen Überlieferung entbehrt oder nicht entbehrt, durch Begriffe ersetzt oder nicht ersetzt werden können, der Bilderstreit unserer Tage.«

41 | Vor allem Theißen 2007 sowie dessen ältere Studien zu diesem Forschungsthemenkreis. 42 | Wernet 2006. 43 | Dazu auch Strotmann 2014; Wengst 2014. 44 | Zu den Ikonen vgl. Fischer 2005. 45 | Frank/Lange 2010; Sachs-Hombach 2005; Probst/Klenner 2009. 46 | Kurz 2004; Buch/Weidner 2014, S. 201ff. 47 | Vgl. auch Kruse/Biesel/Schmieder 2011.

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Dabei nimmt Kästner eine strukturale Analogie an: So wie Musik »Licht durch die Fenster« (S. 137) sei, sind es die Bilder überhaupt. Kästner macht dies an den Metaphern von Lamm und Hirte deutlich. Ohne Bilder geht es, so Kästner, nicht: »Wahrheit will wohnen. Und sie kann nicht anders wohnen als im Bild« (S. 137). »Denn Bilder sind Fenster« (S. 138). Auf die Metapher des Fensters – auch bei Kaschnitz (1975, S. 95f.) thematisiert – ist nochmals einzugehen. Diese »Bildtheorie« wird offenbarungstheologisch (auch S.  139) eingebettet: »In den Bildern liegt der Anruf aller Dinge von oben. Am Bild, am Gleichnis hängt alles mit goldenen Strahlenketten zusammen.« (S. 138)48 Das Bild wird hier mit Gleichnis identifiziert, und dieses erscheint in einem lichtmetaphysischen Gewand. Es folgt (S. 139f.) eine Ausführung zur väterlichen49 Königsprädikation50 Gottes im Himmel. Alle »gerufenen Dinge« sind somit sakramental erhöht: Weinstock und Felder, Hochzeit und Brot etc. Alles kulminiert in der höchsten Verwandlung von Brot und Wein.51 Im Lichte der nächtlichen Erfahrungen des Sternenhimmels schreibt Kästner (1974a, S. 84): »Was aber haben wir eingetauscht für die verlorene Magie der verlorenen Bilder? Wir wissen es besser als früher, der alte Glaube ist fort. Aber wo ist ein neuer?« Und weiter: »Bilder! Bilder! Helfen uns etwa Gedanken? Kenntnisse, Wissen? Lehrsätze und große Systeme? Die Seele ernährt sich von Bildern: so ist es seit uralter Zeit. […] Zauberkraft wohnt nur im Bild.« * Schadewaldts Sternenbildhermeneutik (Schadewaldt 2002), wissenschaftlich eine Mythenrekonstruktion, die sich aber der Poesie bedient, kann durchaus als nicht-explizite Psychodynamik des Menschen gelesen werden. Denn er analysiert spannungsvoll das Werden des Subjekts aus der Geborgenheit des kosmischen Allzusammenhangs. So blickt ein zunehmend sich selbst erkennender Mensch zum Himmel hoch. Dabei spielen Mittlerfiguren wie die der Helden (Heroen: Boehringer 2001) als Grenzgänger zwischen den Menschen und den Göttern eine zentrale Rolle. Dieses langsame Werden des Subjekts findet sich durchgängig auch als Thema bei Ernst Buschor (dessen Nazizeit-Verstrickungen wohl begrenzter Reich-

48 | Mit der Kategorie der Anrufung (Schulz-Nieswandt 2013, S. 72f., S. 79; vgl. auch in Gondek/Tengelyi 2011) relationiert sich Kästner zu komplexen theologischen und philosophischen Diskussionen. 49 | Dazu in Schulz-Nieswandt u.a. 2006, S. 177ff. 50 | Dazu in Schulz-Nieswandt 2002, S. 87ff. Speziell dazu z.B. Jeremias 1987. 51 | Hörisch 1992. Dazu in Schulz-Nieswandt u.a. 2006, S. 171ff.; Schulz-Nieswandt 2010a, S. 398f. Neuerdings auch Heilmann 2014.

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weite waren: Hofter 2012).52 Das griechische Drama analysiert Buschor quasi als Vorgeschichte der Vorgeschichte des Subjekts (Buschor 1963, Aspekte auch in Buschor 1963a). In seiner Abhandlung »Die Musen des Jenseits« (Buschor 1944) werden diese nicht auf Hades-Führer verkürzt, sondern als Himmelsboten positiv entfaltet. So wie Walter F. Otto Erwin Rhodes zu früh, nämlich schon bei Homer angesetzte Entstehung vor-christliches Seelendenken verworfen hat, wird auch hier das Wirken himmlischer Figuren auf die Immanenz menschlichen Diesseits bezogen. Das Problem dieser Ich-Werdung des Menschen stellt ein zentrales daseinsthematisches Leitmotiv in den kunstgeschichtlichen Abhandlungen von Buschor (1947; 1958) dar. Eine tiefgreifende Analyse im Lichte der Stufenlehre des moralischen Handelns und des kognitiven Lernens bei Piaget und Kohlberg steht als Desiderat noch aus. In »Plastik der Griechen« (1958) analysiert Buschor vor dem andersartigen Hintergrund der altägyptisch-vorderasiatischen und pelasgischen Kunst die Stufen der griechischen Plastikgeschichte. Es ist eine mentale Entwicklungsgeschichte der Gestimmtheit, der Haltung, des Aufwachens, des Seelenbildnisses (S. 30, S. 45); Lieblichkeit, Heiterkeit, Lässigkeit entstehen zunächst, dann die Tragödie des einsam gewordenen Menschen (S. 55f.). Das Ich erwacht in Bezug auf die Stellung des Menschen im Kosmos (S. 58), von Außen zu Innen. (Eine Darlegung möglicher Beziehungen zu Plessner und Scheler wäre von Interesse.) Die Tragödie erneuert – aber anders – den Mythos (S. 67, S. 70, S. 81f.). Eine Tiefenschicht der Selbstbegegnung wächst heran. In der hellenistischen Spätphase erstarrt diese Entwicklung im Modus der Romanfiguren (S. 130). In »Bildungsstufen« (Buschor 1958) arbeitet Buschor diese Stufen des Griechischen in eine Kunstgeschichte der Universalgeschichte ein. Alles dreht sich um das Thema der Ich-Werdung (S. 51, S. 534). Wissenschaftstheoretisch von Bedeutung ist Buschors Fähigkeit, die Prämissen des Naturalismus porträttheoretisch zu problematisieren; der naiven Abbildtheorie stellt er in je eigener Sprache eine imaginative Theorie der poetischen Wirklichkeitskonstruktionswahrheit entgegen (S. 9, S. 29f.). Auch könne man nicht (S. 236) eine moderne Brille bei der Hermeneutik der Antike aufsetzen. Ob es an Spengler erinnert, sei dahin gestellt, wenn Buschor das universalgeschichtliche Fazit zieht. Das alte Ägypten sei eine Kunst der unbewegten Zeit, der Grieche ein Mensch der ewigen Schicksalsgebundenheit, der moderne Abendländer ein faustischer Typ (S. 299f.). Insgesamt ist Buschor in der Lage, den polaren Gegensatz zwischen einmaliger Individualität und Schema-Typus aufzuheben, indem er die Kategorie der Person als PersonWerdung stufentheoretisch ins Spiel bringt (S. 190f., S. 299). * 52 | Die Zivilisationsgeschichte der Individualisierung (vgl. auch Mayerhofer 2012) hat der Buschor-Schüler Hans Walter (Kyrieleis 2001; Dornisch 2002; Prater 2002) fortgeführt: vgl. vor allem Walter 1971. Dies alles wäre positiv am Maßstab neuerer Kulturwissenschaften über Individualität, Person, Rolle und Maske zu messen: Belting 2013.

Zwischen Anthropologie und Theologie

Genauer betrachtet, liegt in Kästners Funktionsbestimmung der Bilder gar nicht so eine große Differenz zur existenzialen Hermeneutik Bultmanns begründet: Ohne Bilder geht es nicht, aber es müssen zeitgemäße Interpretationen sein, die im Lichte des aktuellen Weltbildes als Resonanzraum verstehbar, nachvollziehbar und daher akzeptierbar sind oder werden. Dann möge man doch sagen: Faktisch gab es keine Auferstehung und Himmelfahrt. So wird nur eine spannende Geschichte erzählt, die eine theologisierte religiöse Botschaft transportiert. Die im Kern bleibende Botschaft muss sich im geschichtlichen Wandel von der Verpackungsgeschichte lösen, will sie kommunizierbar bleiben. All dies ist aktuell angesichts des Exodus der Mitglieder einer unglaubwürdigen Kirche zu verstehen. Es ist wohl so: Da Bultmann argumentierte, dies sei in der Folge des modernen wissenschaftlichen Zeitalters geboten, fällt Bultmann für Kästner als Bezugsperson aus: Der Verlust der Wahrheit ist für Kästner als Verlust der wundervollen Geheimnisse gerade durch Wissenschaft und Technik verursacht worden. Man muss nun nicht die ganzen wissenschaftstheoretischen Probleme eines Kulturrevolutionismus diskutieren, wenn daran erinnert wird, dass Formen des moralischen Argumentierens (Kohlberg53) an Stufen kognitiven Urteilens (Piaget 54) gebunden sind. Es kann nicht sein, dass die kirchliche Theologie es nicht versteht, den Menschen zu erreichen, weil sie eine Sprache der Infantilisierung des modernen Menschen praktiziert, die nicht nur fremd wirkt, sondern lächerlich, weil sie ohne historische Hermeneutik ihre Bildsprache nicht übersetzen kann – oder (herrschaftspolitisch gesehen) nicht will?

VI. Z wischen A ither und A thos : M e tamorphosen religiöser H altungen Die Passagen der Werkentwicklung von Kästner sind also als Stufen einer Transformation zu verstehen. Es handelt sich um einen Wandel der Modalitäten der Religiosität von Kästner. Zugleich eröffnet sich in diesem Zuge die Orientierung von Kästner auf eine konservative Zivilisationskritik. Der dichte Bezug zur Theologie war und ist auch deshalb von Belang, weil Barth Religion nur in seinem supranaturalistischen christlichen Glaubensverständnis verbürgt sah; den Rest der Religionen war – und damit auch die Religion der alten Griechen55 – für ihn nicht echter religiöser Glauben. Gemeint ist: Heidentum. So wohl auch Kästner (1990, S. 24f.): »so wie Gott, wenn Gott Gott ist und man sich nicht mit der kläglichen Auskunft von Göttern begnügt«. Nun zeichnet sich, wie bereits deutlich wurde, Kästners Erleben der konstruierten urgriechischen Daseinsführung, vielleicht Walter F. Otto etwas 53 | Vgl. Becker 2011; Garz 2011. 54 | Vgl. Kohler 2008. 55 | Zur Orientierung im Überblick: Burkert 2011.

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ähnelnd (Schulz-Nieswandt 2014a), gerade in der frühen Phase (Kästner 1975; 1975a) quasi durch ein Seinsfrömmiges Naturerleben aus, welches als eigene Lichtmetaphysik griechischer Landschaften (Kästner 1975a, S. 53, S. 84, S. 114) von ihm empfunden wird: »Nun hat mich mein Stern nach dem Süden geführt […]. Und wenn ichs bedachte, so mußte ich wohl bekennen, daß ich ein Verwandelter war, berauscht von so viel Bechern randvoll getrunkenem Lichts.« (1975a, S. 114) Hier wird in einer tiefengrammatischen Struktur Wein zu Licht in Relation gesetzt: {Wein : Licht}.

Genauer: Becher → Trunkenheit : Licht → Wandlung.

Das ist dionysisch gedacht: Metamorphose des Subjekts im Zuge der transgressiven Ekstase des Rausches: Gestaltwerdung als Lichtung. Die Olympier werden hierbei (Kästner 1975, S. 17) zu den »Hüter(n) des Lichts«. Erst später (Kästner 1974), auch das hat Hiller von Gaertringen (2004) nachzeichnen können, hat sich Kästner der aus der synkretistischen56 Antike57 erwachsenen christlichen Glaubenslehre als Deutungsschema seines Griechenlanderlebens geöffnet und daher seine Griechenland-Beziehung weitgehend mystisch58 und offenbarungstheologisch59 im Kontext der Orthodoxie60 vor dem Hintergrund der Byzantisierung61 umgebaut. Kästners frühere – eher auf das Naturerleben abstellende – Lichtmetaphysik wird dabei zunehmend christologisch (Kästner 1974b, S. 230f.) umgeformt. Übergänge zeichnen sich im »Zeltbuch von Tumilat« (Kästner 1974a) und in »Ölberge, Weinberge« (Kästner 1974b), als Überarbeitung des im 2. Weltkrieg geschriebenen »Kreta« in der Nachkriegszeit, ab. Fundgrube für die Theologie der Kategorien der Gabe, der Gnade62 und der Offenbarung ist die »Lerchenschule« (Kästner 1974c).

56 | Vgl. in Schulz-Nieswandt 2003. 57 | Vgl. auch Burkert 2004. 58 | Hahn 1997; Certeau 2010. 59 | Stosch 2010; Assmann/Strohm 2013. 60 | Tamcke 2007; Nowak 1997, S. 32ff. 61 | Lilie 2014. Ferner etwa Beck 1994; Ducellier 1990; Grünbart 2014. 62 | Im Filter von Foucault gelesen: Hardt 2005.

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VII. G abe und G astfreundschaf t Vor dem Hintergrund dieses Wandels der Deutungsrahmen seines (von ihm – explizit – selbst reflektierten: Kästner 1973a, S. 115) Griechenlanderlebens ist die in seinem Gesamtwerk signifikant entfaltete Erfahrung von Gabe und Gastfreundschaft eine doppelte Gestaltfigur. Einerseits geht es (wie auch in anderen Reisebeschreibungen zu Griechenland nach 1945, etwa bei Göran Schildt) um die aus der Ethnologie bekannte63 »totale soziale Tatsache«64 der Gabe als sozialer Tausch mit polyvalenten Bedeutungen in der Praxis der Menschen (Kästner 1975a, S. 121; Kästner 1974b, S. 165: »Die griechische Gastfreundschaft ist ein überwältigender Zug dieses Volks. Sie ist unantastbar, uralt und ein Zeugnis hoher Gesittung.«, dort auch S. 166; Kästner 1974c, S.  79, S.  116). Hier zeichnen sich vielfache Formulierungsanalogien bei F. G. Jünger ab. Oder auch (1975a, S. 98): »Labetrank, schluckweise genossen! Gabe, seit Urmenschheitstagen gereicht, jung wie der Morgen und empfangen wie je mit ewigem Dank!« Auch kennt Kästner (1973a, S.  111) die psychodynamische Ambivalenz von Angst und Vertrauen, die hinter der Gabe im Rahmen der Gastfreundschaft steckt: »Dicht neben der leidenschaftlichen Gastfreundschaft wohnt ein Mißtrauen.« Doch Gabe und Gastfreundschaft dominieren die Eindrücke. Dagegen wird zugleich die Erfahrung des daseinsreligiösen Zerfalls gestellt: »die Armut und Schande entgötterter Zeit, die nicht zu empfangen und nicht zu danken versteht und nicht glaubt.« (1975a, S. 103)65 Kästner beteiligt sich hier zunächst (vorwegnehmend) und später dann abnehmend am trans-utilitaristischen M.A.U.S.S.-Spiel66 und steht nahe an Positionen der neueren kulturwissenschaftlichen Diskussion der Geste als Performativität von sozialer Bindung in Analogie zur Sprechakttheorie (vgl. auch Kästner 1974c, S. 116f.): »Eine Gabe, wie klein! Der Wert ist, und so sollte es bei allen Geschenken wohl sein, ganz überdeckt von der Geste des Gebens, der Regung, die dazu treibt.«67 (1975a, S. 121) Vor diesem Hintergrund ist Kästners Position zu verstehen (1975, S. 24f.): »Ist dieses Land nun arm oder ist es reich? […] Natürlich ist dieses Land nicht reich, jeder weiß es; aber was es zu schenken vermag, schenkt es mit solcher Güte […], reicht es mit einer solchen Bedeutung dar, daß zwischen Geben und Nehmen das Geschenk zum Ereignis wird.« Hier kristallisiert sich

63 | Schulz-Nieswandt 2014. 64 | Schulz-Nieswandt 2000b. 65 | Vgl. auch Guthke 1971. 66 | Schulz-Nieswandt 2014b. 67 | Zur Geste: vgl. Wulf/Fischer-Lichte 2011.

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Marcel Mauss‘‘68 hau heraus69; und das Geschenk wird zur Geste der Präsenz. Und die zum Ausdruck kommende anti-utilitaristische Reinheit 70 wird – auf dem symbolischen Niveau des Weines – als Wasser, wie eh und je in der Kultur- und Religionsgeschichte 71, dargelegt (1975, S. 25). Und (Kästner 1973a, S. 195) die Gabe sollte keine Gegen-Gabe erwarten; ganz anders. Wer gibt, der hat Danke zu sagen an – wie ich es interpretiere – den generalisierten Dritten, der Idee der Gabe, denn: »Der Bettler hat ihm (dem Geber – S.-N.) die Chance des Wohltuns gegeben, Allach wird es verrechnen.« (S. 195) Gabe konstituiert so72 den Schnittpunkt, wo alles zusammen kommt, wo das »Zusammengehören der Welt« 73 konstituiert wird. Erde und Himmel, Menschen und Götter kommen – als Gemeinschaft – zusammen. Das Wasser 74 im Krug, auf Heidegger aufsetzend 75: Der Krug aus Ton verweist auf die untere Gebundenheit an die Erde, doch das Wasser als Gabe an die Götter verweist offen nach oben, in die Weite – und konstituiert in der Opfergabe das Zusammengehören aller Dinge. Und Griechenland wird zur Reinheitskultur und der Macht-zentrierten Realgeschichte Roms vorgezogen (1975, S. 36; anti-römisch/pro-griechisch76: Kästner 1973a, S. 49, S. 283): »Nun, Römer sind Römer.« (Kästner 1974b, S. 239; vgl. auch Kästner 1994, S. 125, S. 249) Andererseits entfaltet sich Gabe bei Kästner nunmehr zunehmend als Theologie der Welt als Gabe (Kästner 1975a, S.  98, S.  103), vergleichbar mit der dra-

68 | Vgl. in Mauss 2001. 69 | Dazu umfassend und dicht Moebius 2012. 70 | Daher wohl auch, dass Kästner (1990, S. 30) den Kranich-Tanz um den Altar des Apollon herum nicht interpretiert wissen will im Kontext von Fruchtbarkeitsriten (entsprechende ethnologische Ansätze schon in der klassischen Altertumsforschung [auch von Walter F. Otto, aber dennoch anders akzentuiert, kritisiert: Schulz-Nieswandt 2014a] abweisend). Das scheint ihm zu funktionalistisch. Es geht um Selbstversunkenheit und Zwecklosigkeit im Tanz (zum »Tanz als Logos der Freiheit«: Rittelmeyer/Klünker 2005, S. 203ff.; anthropologisch: Brandstetter/Wulf 2007; Klepacki/Liebau 2008). Kästner – und auch hier Otto verwandt – erkennt die Differenz der ontologisch zu verstehenden Wahrheitserfahrung in Homer einerseits und der Entfremdung von Homer durch die epistemische Wahrheit der klassischen Philologie. 71 | U.a. Selbmann 1995; Wolf 2004; Woschitz 2003; Erdogan 2003. Vgl. ferner die einschlägige Studie von Ninck 1921. 72 | Figal 2004, S. 57. 73 | Figal 2004, S. 57. 74 | Dazu auch in Schulz-Nieswandt 2010; ferner Triebskorn/Wertheimer 2016. 75 | Mohrmann 2011, S. 13. 76 | Vgl. auch Kästner 1975: »Ich sehe lieber einen einzigen griechischen Quaderstein, als die ragenden Trümmer eines Römerpalastes«.

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matischen Theologie (Theodramatik 77) von Hans Urs von Balthasar 78 in der Traditionslinie etwa von Gustav Siewerth 79 bis Ferdinand Ulrich (2006)80. Die Welt als Gabe kann man aber eher einerseits pagan sowie pantheistisch und somit onto-theologisch im Kontext der Seinserfahrung insgesamt verstehen oder andererseits christologisch gewendet. Kästner kombiniert lange Zeit beide Zugänge zur Wahrheitserfahrung, lässt sodann aber im weiteren Verlauf die selbst als naiv und romantisch deklassierte Naturfrömmigkeit zurück. Die Wahrheit einer Offenbarung im Lichte einer diastatischen Gottesvorstellung bietet ihm sodann die Möglichkeit der Weltabkehr und der Weltentwertung im Modus der totalen Zivilisationskritik. Die Modernisierung der Gesellschaft als Fortschritt wird im Zuge der Utilitarisierung81 der menschlichen Praxis daher auch als Erosion der uralten Sitte der Gabe verstanden (Kästner 1974c, S. 177). Angesichts seiner Orientierung an Heidegger (Kästner 1974c, S. 12382) überrascht es nicht, dass Kästner Seinsvergessenheit in der modernen Lebensführung beklagt (Kästner 1974c, S. 182f.). Die Gabe führt zum Geschenk, doch der Beschenkte ist Beschenkter der »Sitte« (als Ordnung des alten – über-personalen – Gesetzes) (Kästner 1974b, S. 166). Die psychogrammatische Ähnlichkeit zu Heidegger wird ansatzweise deutlich: Heidegger zog sich in seine einfache Hütte im Schwarzwald zurück; Reisen fiel ihm schwer. Die gemeinsamen Reisebemühungen von Kästner deuten nicht in erster Linie eine bleibende Faszination paganer und pantheistischer Landschaftswahrheitsoffenbarung bei Kästner an, sondern die huldigende Art Heidegger gegenüber. Kästner spürte hier die zivilisationskritische Geistverwandtschaft zu Heidegger nach der Kehre. Dass Heideggers Ontologie nicht einfach in christliche Theologie – eine anhaltend komplexe Diskussion – zu überführen ist, scheint da weniger 77 | Kapp/Kiesel/Lubbers 2000. 78 | Kuhr 2012. 79 | Hier könnte man exemplarisch auf die »Metaphysik der Kindheit« von Siewerth verweisen (Siewerth 1957). In großen Teilen liest sich die Abhandlung wie eine Ontologie der Gabe als Liebe im Horizont einer Heideggerianischen Sprache, aber die ganze Dialogizität zwischen den Menschen (Eltern und Kinder, Kinder und Eltern, Eltern unter sich) scheint zugleich immer wertlos, wenn nicht alles – unvermittelt (Schulz-Nieswandt 2015) – auf Gott hin angeordnet und ausgerichtet ist. In diesem Zuge wird quasi jede wissenschaftliche (z.B. im Lichte der Entwicklungspsychologie, der pädagogischen Psychologie, der Tiefenpsychologie etc.) Erklärung der Mechanismen der Liebe abgelehnt. Im Lichte heutiger neurowissenschaftlich fundierter Empathieforschung und der bindungspsychologischen Analyse der Psychodynamik der familialen Konstellationen muss diese Haltung umso grotesker ausfallen. Offener: Guardini 1965. 80 | Oster 2004; Feiter 1994; Bieler 1991. 81 | Kästner 1974a, S. 85: Der Mensch denkt sich als »Mitte der Welt« und daher: »Der Mensch spricht heilig, was seinem Leben dient, was ihm nützt«. 82 | Petzet 1986.

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eine zentrale Rolle gespielt zu haben. Die Unfähigkeit zum Reisen bei Heidegger verweist auf neurotische Anklänge fehlender Realitätsöffnung. Eigentlich war es für alle zur Griechenlandreise in der deutschen Nachkriegswirtschaftswunderwelt motivierten Menschen klar, dass die Gestaltwahrheitssuche in der geographischen Realität Griechenlands eine Enttäuschung werden muss. So hat vor allem Nebel dieses Reisen aufgegeben. Nie, auch nicht schon bei Hauptmann und Hofmannsthal oder bereits bei Bachofen, waren frühe Griechenlandreisen frei von tiefer Ambivalenz zwischen Wahrheitserlebnis und schockartiger Enttäuschung. Nebels »Phäakische Inseln« (1954) ist allerdings noch ein diesbezüglich hybrides Gebilde, denn beide Elemente werden hier kombiniert: ein Landschaftserleben, das metaphysische Züge trägt, und eine Kritik des ekeligen Massentourismus im Kontext seiner allgemeinen Kulturkritik der technischen Zivilisation, der aufkommt (Nebel 1965). Einerseits erlebt er hier noch »Schöpfungsmorgen« (S. 19), »Fülle des Seins« (ebenda). Das ist onto-theologisch gedacht. Andererseits sind die Wachstumsspuren des »Titanismus des Menschen« (S. 37) deutlich zu entnehmen. Die mehrfach angeführte chemische Industrie steht für die »Monomanie der entarteten Wissenschaft« (S. 55). Dennoch gäbe es noch Begegnungen mit »Festfreude, Eros und Poesie« (S. 57). Es geht um letzte Refugien jenseits von Ost und West, Rechts und Links (S. 61) und jenseits der Glückswelt von Volkswagen und Kühlschrank (S. 60). Nebel stellt echte Wildnis unserer heimatlichen Waldeinsamkeit – ein Stachel gegen den Waldgänger Ernst Jünger? – gegenüber (S. 85). Und hier erlebt – durchaus in einer psychodynamisch interessanten Prosa eingebaut – Nebel noch kosmisches Sein (S.  86f.): »der Aufstieg, diese einzige und einzigartige Bewegung, hat Innen-und Außenseite, ist denkendes Selbstgespräch und enthüllende Verwandlung der Welt, beide aber so, daß sie sich gegenseitig auswechseln«. Der Text geht noch weiter. Doch will ich etwas springen: Nicht nur vom Partner und vom Wein, sondern von der Landschaft hängt es ab, ob man zum tiefen Denken kommt: »Je höher ich komme, um so mehr tritt die Nähe vor der Weite zurück. Ich blicke ins Weite, ich werde ganz zu diesem Weitenblick, ich werde zu dem in der Weite Erblickten, ich werde weit und die Weite selbst. Die Weite ist kein fertiger Zustand, sondern Dehnung, sich aufschließende, sich weitende Weite – und in diese kosmische Bewegung gehe ich hinein, in ihr werde ich mitgenommen, auch hier also der Zusammenklang von Innen und Außen, in dem das Mythische, der Augenblick geschieht.« (S. 86f.) Es geschieht das Mythische, aber keine Mystik. Hier wird die Differenz zur Offenbarungsmystik von Kästner deutlich. Obwohl in diesem Buch von Nebel bereits die Zivilisationskritik deutlich wird, bleibt Nebel noch mythenerfahrender Reisender. Er ist auch noch nicht zum Christlichen eintauchend gewechselt. Und hierbei finden sich bereits Aspekte einer trans-griechischen Mythik. Er erkennt in seinen phäakischen Inseln des Atolls eine Europa-Ferne (S. 107). Denn Griechenland wird bereits vom primitiven Tourismus überrollt. Auch dem Atoll droht die »Über-Riviera« (S. 107).

D. Zwischen Dionysos und ORDO

Mit dem Wechsel des landschaftsfrömmigen Ethnographen zum barthianischen Christen wechselt Kästner die daseinsthematische Haltung: Der Überstieg zur transzendenten Alterität bleibt, aber nur der Form nach. In psychodynamischer Perspektive stellt sich die Frage nach dem biographischen Beitrag dieses Wandels zur Möglichkeit der öffnenden Daseinserschließung (i. S. von Hans Thomae) bzw. zur neurotisierten Fehlhaltung (E. V. Freiherr v. Gebsattel). Die an Hölderlin und Walter F. Otto erinnernde Wahrheitserfahrung im Naturerleben transformiert sich bei Kästner zur christlichen Offenbarungstheologie, die dem verfehlten Machtreich des Realen (als Raum der Sünde, des Bösen) den Rücken kehrt und zur Innerlichkeit der Seelenruhe migriert. Zugespitzt gehört zu dieser Haltung die Vorstellung, wonach nicht das Böse in der Welt ist, sondern die ganze Welt das Böse ist. Mit Blick auf eine politische Gestaltbarkeit der Welt im Lichte einer Ethik aus der Kraftquelle eines liebend öffnenden Mutes zum Dasein ist diese Differenz entscheidend: Ist die Welt eine Kultur des Bösen? Oder hat sie eine Kultur des Bösen. Ist oder Haben? Das macht einen Unterschied mit Blick auf die Freiheit des Menschen: Ist : Haben = Faktizität der Unabänderlichkeit : hoffnungsvolle Gestaltbarkeit.

Theologisch korrespondiert dieser strukturalen Anordnung die Gegensätzlichkeit der messianischen Zeitauslegung in der Römerbrief-Rezeption: Eschatologie der apokalyptischen Zukunft : messianische Hier-und-Jetzt-Zeit.

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Hier fügt sich Kästner ekstatisch einer ORDO-Welt des einen Gottes. Diesem blieb Hauptmann eher fern.1 Und auch F. G. Jünger, von Walter F. Otto ohnehin abgesehen, blieb(en) hier eher »un-christlich«, Christos doch (nur) neben dem geliebten polytheistischen Götterapparat der alten Griechen stellend. Während die Seinsfrömmigkeit des göttlichen2 Naturerlebens in bestimmten Passagen bei Kästner noch dionysisch anmutete und insofern einem anderen Typus von Ekstase entsprach, ist christliche Offenbarung gegenüber dem diastatischen Gott der dialektischen Theologie ganz anders. Dionysisch ist eine immanente Transzendenz; barthianisch ist die transzendente Transzendenz. Hier ist das Heil nicht von und nicht in dieser Welt; dort ist das Heil ein Überstieg in bzw. innerhalb dieser einen Welt (vgl. auch im Sinne der transzendenten Transzendenz – noch radikaler – bei Gerhard Nebel).

VIII. A tmosphäre der L ichtme taphysik : L ob des W eines , Z ik aden als M usik tiefer S tille Kästners Position muss skizziert werden im Trend der Abkehr vom Pantheismus. Diesen habe ich bereits versucht zu charakterisieren. Er ist vielleicht in dem Satz nochmals zu re-konstruieren: Die Welt des Pantheismus ist nicht die einer Kirchlichen Dogmatik, sondern das Gespräch, das Lied und die Musik, das Tanzen, das Wandern, die Dichtung und die Kunst überhaupt. Die frühe Seinsfrömmigkeit von Kästner ist konstitutiv erfüllt von der Erfahrung des Lichts des Südens. Eine derartige Lichtmetaphysik ist einerseits allgemein bekannt aus der Religionsphänomenologie; andererseits ist diese Metaphysik des Lichts gerade mit der neueren europäischen Sehnsucht nach Italien und Griechenland verknüpft. Im atmosphärischen Umkreis – so begann ich ja meine Vorbemerkungen – dieser Lichterfahrung spielen auch andere Sinne des Staunens eine Rolle: der Kult des Weines und das Hören der Zikaden. Dies wiederum prägt Kästners Auffassung von wahrer Kunst. Kästner vertritt eine Kunstauffassung, die geprägt ist von einer Kritik des gesellschaftlichen Engagements der Kunst. Sie müsse unpolitisch ein. Der Künstler kann sich zwar nicht frei machen von seiner Zeit, in der er tätig ist. Aber die Kunstwerke dienen dem Seelenheil angesichts einer untröstlichen sozialen Realität im geschichtlichen Zeitstrom. Sie ist unmittelbar Teilnahme am seinsfrömmigen Dasein in einer ansonsten unwahren Wirklichkeitswelt.

1 | Hauptmann strebte eher eine Synthese heidnischer Antike und Christentum an: dazu instruktiv Meinert 1964. Zur Christusgestalt bei Hauptmann vgl. auch Hensel 1957. Neueren Datums ist Sprengel 1982. 2 | Zum nicht-personalen Götterbegriff, auch mit Bezug auf Tillich, vgl. in Dworkin 2014, S. 36ff.

Zwischen Dionysos und ORDO

* Auch in der Abhandlung Schadewaldts zur griechischen Tragödie wird die lyrische Musikalität 3 der Rationalität gegenübergestellt.4 Das ist keine unübliche Binärik 5. Es mag Sinn machen, Schadewaldts Abhandlung zur frühgriechischen Lyrik6 etwas näherdarzulegen, da hier eine Seinserfahrung thematisiert wird, die ziemlich kongenial zu Otto und zum Kästner der frühen Griechenlanderfahrung ist. Dabei wird Lyrik als Daseinsausdruckserfahrung im Modus des Musikalischen begriffen, besser: erfahren. Ich habe Schadewaldts Werk an verstreuten Stellen in vorgängigen Studien bereits angeführt. Hier nun macht es Sinn, nochmals eine verdichtete Darstellung zu bieten, da es der Erhellung des Gemeinten dient. Ich beziehe mich nachfolgend also auf Schadewaldt (1989). Gattungstheoretisch thematisiert Schadewaldt (1989, S. 31) die Sage, das Singen und das Spielen als jeweils zugehörig zum Epos, zur Lyrik und zum Drama. Die Lyrik (die Dichtung 7) bringt dabei eine einzigartige Seinsbezogenheit des Menschen zum Ausdruck. Anthropologisch setzt es eine erste Form des Erwachens des Ich-Erlebens voraus (S.  13), eine affektuelle Haltung (als Liebe wie als Furcht: S. 29) zur Welt, die nicht mit der modernen Subjektivität verbunden ist. Subjekt und Objekt 8, so möchte ich es formulieren, stehen nicht in einer cartesianischen Formation zueinander. Das sollte nicht als primitiv bezeichnet werden. Dies hat auch Walter F. Otto (auf den Schadewaldt Bezug nimmt: S. 2269) religionswissenschaftlich immer als Fehlurteil des Evolutionismus bezeichnet: Das griechische Denken ist anders, nicht primitiv(er). Hier kommen politisches Streben (damit auch verweisend auf die Ursprünge des Philosophierens der Griechen10), Unruhe (die neuere Forschung spricht von der

3 | Die Ursprünge der Musik bleiben weitgehend im Dunklen: Matzke 1961, S. 9ff. Auch neuere musikanthropologische und musiksoziologische Studien hellen das Thema nicht mehr auf. 4 | Schadewaldt 1991, S. 54; Schulz-Nieswandt 2014a, S. 47. 5 | Zu Binärism: Schulz-Nieswandt 2013, S. 17, S. 47f., S. 83, S. 94, S. 109, S. 122. 6 | Schadewaldt 1989. 7 | Vgl. auch Schadewaldt 1978, S. 93. 8 | Vgl. auch Schadewaldt 1978, S. 197. 9 | Auch in Schadewaldt 1978, S. 65. 10 | Schadewaldt 1989, S. 39. Dazu Schadewaldt 1978. Gutes Leben wird nun als Leben in gerecht geordneter Gemeinschaft (S. 105ff.) verstanden. Es geht um die Verwirklichung des Höchsten im Menschen. Die Ordnung bleibt religiös eingebettet (S. 115). Der Mensch tritt staunend und in der Folge fragend an sein Sein heran. Auch dies ist nicht modern: Der Mensch ist hier frei nur im Modus des Rückbezogenseins auf seinen Seinsgrund (Schadewaldt 1978, S. 35): »Es gibt keine absolute Freiheit, sondern Freiheit ist immer nur eine rechte Art der Gebundenheit« (ebenda). Schadewaldt (S. 80) deutet an, dass diese ontologische

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Agonalität des Politischen) und Abenteuerlust11 auf, und der Sinn für das Musikalische (S. 14). Die im Medium des Musikalischen zur Ausdruckqualität gebrachte Lyrik ist eine spezifische Gestimmtheit, »das Durchwaltetsein von etwas« (S. 20), wie Schadewaldt mit Bezugnahme auf Heidegger und Bollnow sagt. Es ist – wie bei Hölderlin (an Guardinis Abhandlung über Hölderlin erinnernd12) – Lyrik der Landschaftserfahrung in »süßer Ruhe« (S.  23): »In diesem Sinne ist die Lyrik die philosophische Dichtung, weil sie aus der tiefsten Unmittelbarkeit des Daseins heraus empfängt und die Dinge ins Wort bringt.« (S.  28) Dichtung handelt vom Gründenden, vom Ewigen, »ein Offenbarmachen des Gründenden im Sinnlichen, im Bild.« (S. 30) Das Singen wird zu einer spezifischen »Zuständlichkeit des Menschen«, eine bestimmte Grundhaltung der Seele«, ein »Offensein« (S. 33). Hier deutet sich bei Schadewaldt, so sehe ich dies, ein Übergang zur Analyse des Dionysischen an, denn: Gesang als Ekstase wird begriffen »als Form des Enthusiasmus, des Begeistertseins, des von Gott Ergriffenwerdens.« Gesang wird zum archetypischen Zugangsmodus zu den »große(n) Grundgesetzlichkeiten des Daseins« (S. 35). Das spiegelt13, wie schon gesagt, kein neuzeitliches Subjekt-Ich (vgl. auch S. 92ff.). Eher »das Einssein des Beschwörenden mit dem Beschworenen« (S. 37). Der Mensch steht eingebettet in »umfassenden, totalen Zusammenhängen« (ebenda), in die der »erhobene, in seinem Dasein gesteigerte, emotional bewegte, sich befreit fühlende und zugleich getragene Mensch« (S. 37) steht. Die älteste Lyrik ist demnach religiös und am Kult gebunden (S. 39). Daraus erwächst sodann auch das politische Philosophieren, weil es um Ordnungsbildung14 geht. Später dann gehört dies zum Ursprung der Tragödie (S. 59)15. Eigentümlich ist der altgriechischen Lyrik (wie bei Pindar) die Einstellung, die Überheblichkeit »nach oben« hin – die Hybris – zu vermeiden (S. 229). Dies ist Ausdruck der altgriechischen Anthropologie16 der Sterblichkeit17, die die Götter vom Menschen scheidet, ein Aspekt, der von Otto wie von Kästner herausgearbeitet wird, von Kästner aber, anders als bei Otto, ins Christliche dogmatisch

Problematik auch in der heutigen modernen Gesellschaft gestellt bleibt. Bei Homer ist dies alles Ontologie in poetischer Form. 11 | Schadewaldt 1978, S. 199. 12 | Vgl. in Schulz-Nieswandt 2015. 13 | Konersmann 1991. 14 | An sich müsste hier ein Exkurs zu Vögelin folgen. 15 | Schadewaldt 1978, S. 116. 16 | Schadewaldt 1960, S. 396: »die Griechen haben überall das menschliche Dasein auf dem Wege eines erkennenden Durchleidens und Durchprobens zur Existenz erhoben.« 17 | Im Kräftefeld der elementaren Vektoren von Eros, Thanatos und Dike: Reinhardt 1960, S. 240ff.

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ziehend. Bei den alten Griechen (wie bei Hölderlin18: S. 230, S. 255f.19) kommt ein Schwanken zwischen Hochgefühl und Schwermut zur Wirkung: Im Grunde eine erste Form des psychodynamischen Verstehens des Menschen im Kontext seiner Bi-Polaritäten der Lebensführung20. * Jetzt, vor dem Hintergrund dieser kurzen und dichten Ausführungen zur musikalischen Lyrik werden die nachfolgenden Ausführungen zum Wein und zu den Zikaden verständlicher. »Käse und Wein. Das Leben war schön.« (Kästner 1975a, S. 46) Krättli (2015) hebt als Teil der Beziehung von Kästner zu Hauptmann das Thema des »prallvollen bockledernden Weinschlauch(es) aus Keryra« hervor: »Eine Wahrheit, eine Erinnerung und ein Plan mögen ihre Tüchtigkeit haben: ihren wirklichen Wert wird man erst sehen, wenn man sie durch den Topos des Weines anblickt. Seine Freunde und was mit der Liebe zusammenhängt, muß man im Weine anschauen; nichts taugt, was nicht so angeblickt werden kann.« (Kästner 1974b, S.  153) Hier kommt die ganze dionysisch-kultische Tiefenqualität des Themas von Gabe und Gesellung zum Ausdruck. Ich habe davon weiter oben in verschiedenen Abschnitten mit Blick auf die Entwicklungsetappen in Kästners Werk gehandelt. Freundschaft und Liebe, die Steigerung bis zur Agape ist denkbar, sind Orte, die symbolisch vom Wein21 geprägt sind. Orte und Zeiten der Kommunion, der Kommune. Aber auch, um hier erneut auf die Inter-Textualitäten abzustellen, diese hymnische Haltung findet sich ebenfalls breit ausgearbeitet bei Nebel (1970, S. 257ff.). Solche Textstellen sind es, die Kästner zum Denker der Gabe und der gelebten Liebe22 machen. Erkennbar werden, zumindest, aber ohne Tiefe, jedoch im Ansatz: Orte des ontischen Zwischenraums der Dialogizität. Sie werden gefühlt und ge- und bedacht. Die Reziprozität der Rollen des Menschen, als immer nur im Modus des Mitmenschen möglich seiend, werden geahnt: »Was folgte, war ein Mahl am Tische Homers.« (Kästner 1974b, S. 166): »Wir tranken, da hob einer den Becher gegen mich auf, sah mich an und sprach die Anfangsverse der Odyssee.« (Kästner 1975a, S. 31): Ein »Gastgeschenk« (ebenda). Der der Soziologie und Eth18 | Vgl. die Hölderlin-Studien in Schadewaldt 1960, S. 658ff. 19 | Parallelen zu Eliot in Schadewaldt 1989, S. 257; Schadewaldt 1960, S. 99. Auch in Schadewaldt 1970, S. 411ff. 20 | Vgl. auch Schadewaldt 1978, S. 48ff. zur Analyse der Schmiedung der Waffen für Achilleus durch Hephaistos im 18. Buch der Ilias. 21 | Der Wein ist kulturgeschichtlich (Phillips 2003; Weeber 2013 zu den Lebenskräften Wein, Öl und Wasser), auch religionsgeschichtlich (Kircher 1970) bereits breit abgehandelt worden. 22 | Schulz-Nieswandt 2014. Ferner Schmidt 2004.

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nologie wie allen Wissenschaften so abgeneigte Kästner mischt genau in diesen Disziplinen prosadichterisch mit. Aber genau diese Alltagsethnographie tritt bei Kästner zunehmend in den Hintergrund. Einerseits sind diese alten kultischen Sitten im Untergang infolge der technischen und geistigen Modernisierung; andererseits bleibt diese Liebe im Alltag ohnehin immer nur ein schlechter Abglanz der Liebe des einen Gottes, die eben gar nicht im Hier-und-Jetzt zu haben ist. Eine Hinwendung zur Immanenz ist immer schon dämonisch getrieben: vom Titanismus des Prometheus bis hin zum modernen homo faber und seinen Zeitgenossen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Ost und West. So wie ich die Rolle der Musik im Rekurs auf die Dionysos-Rekonstruktion von Walter F. Otto darlegte, so ist auch der Wein Teil der tiefen Grammatik des dionysischen epiphanen Geschehens und Erlebens, so Otto über die Weinrebe23. Analoges wäre zum Tanz24 (zum Reigen25) zu sagen. Zum Tanz findet sich wiederum Analoges bei F. G. Jünger. Die vegetativen Zusammenhänge in der Tiefengrammatik der Offenbarung des Dionysos im wilden Kultgeschehen sind – obwohl Otto26 der Vegetationsgottheitsforschung eher ablehnend gegenüber steht – Reflexionen philosophischer Anthropologie im Mythos: Wein : Efeu = Licht : Dunkel = Sonne/Wärme : Feuchtigkeit/Kälte = Leben : Tod.

Das ist das ganze Geheimnis.27 Ich habe darüber an anderer Stelle bereits etwas ausführlicher gehandelt.28 Das Lob des Weines ist nun für inter-textuelle Relationen bei Kästner typisch. Ein Beispiel ist F. G. Jünger. Zitiert sie aus Dalmatinische Nächte (Jünger 1990, S. 17f.): 23 | Otto 1996, S. 130ff. 24 | Ich bin an anderer Stelle (Schulz-Nieswandt 2014a) auf Walter F. Otto eingegangen: Otto 1956a. Dort, wie auch in Schulz-Nieswandt (2013a), findet sich weitere Literatur zur Tanzanthropologie (vgl. auch Vietta 1938; 1948). Insgesamt grundlegend die Dissertation von Kubatzki 2013. 25 | Tölle 1964; Weege 1976. 26 | Dazu nochmals in Schulz-Nieswandt 2015a. 27 | Otto 1996, S. 138ff., S. 145ff. 28 | Schulz-Nieswandt 2013. Mit Bezug auf die impliziten Gender-Codes habe ich dort auch auf Parallelen bei Bachofen hinweisen können.

Zwischen Dionysos und ORDO »›Das ist wahr. Er ist kein verlorener Mensch, er hat dem Weinstock nicht abgeschworen.‹«

Ich komme zu einem zweiten Element, das in diesem Spiel der seinsfrömmigen Daseinserfahrung eine Rolle spielt: den Zikaden, definiert als Musik tiefer Stille. Die bereits mehrfach in zunehmend zentraler Weise deutlich gewordene Kritik an der zeitdiagnostischen Haltung von Kästner schmälert aber nicht seine ebenso vorhandenen Fähigkeiten, das Erleben von Landschaft als Wahrheitserfahrung zutiefst verstanden zu haben. Deshalb oszilliere ich nochmals zu dieser Textdimension der Prosadichtung von Kästner. Von Zikaden – bereits Gegenstand des Mythos in Platons Phaidros 29 – war schon mehrfach die Rede. Ihre onto-theologische Bedeutung ist größer als vielleicht vermutet: »Tausendfach kleine Freundschaft, mir lieb, übers ganze Land!« (Kästner 1975a, S. 18): »Göttlicher Lärm der Zikaden.« (S. 18) Die Zikaden (dazu auch Achtziger/Nigmann 2002), so Sokrates im Dialog, waren einst Menschen, aber von den Musen so beeindruckt, dass sie nur noch sangen und nicht mehr Essen und Trinken zu sich nahmen und daher starben. So entstanden die Zikaden. Ursprung dieser Metamorphose waren also die Liebe zur Musik und Poesie und das Staunen angesichts der Ordnung des Kosmos. Zikaden verdichten nochmals das ganze Gefüge von Licht, Musik und Klang, von Stille und Getöse zugleich, bewirkt ein Staunen und führt in die Selbstversenkung des Lauschens in die tiefe Stille – obwohl doch ein Getöse. Eine Paradoxie, die nicht paradox ist, weil Ausdruck des Heiligen der Landschaft (seiend), deren Erleben die Seele öffnet. Walter F. Otto hat eine Dialektik von Getöse und Totenstille dargelegt, indem er die ganze Dynamik des Dionysos rekonstruiert: Im Lärm des rauschhaft kommenden Gottes tritt im Zuge der Ekstase die Stille ein. Das ist numinos: »Bezauberung« und »Entsetzen« zugleich: »Im Schwall der Klänge, Töne und Schreie wohnt der Wahnsinn, und er wohnt auch im Schweigen.«30 Hier eröffnet sich keine prinzipiell andere Erfahrung der Daseinsthematik vom Hören der Stille. Es handelt sich ja um Überstiege, Transgressionen vertiefter Wirklichkeitserfahrung – also typisch dionysisch. Ungeheure Erregung ist tiefste Versunkenheit. Keine Paradoxie, wenn Identität transgressiv gedacht wird. Nur quer durch die

29 | Wie schon Goethe hat auch Ingeborg Bachmann (Die Zikaden von 1954 als Hörspiel von 1955) das Motiv aufgenommen und im Kontext von Lebensflucht und Lebensmut daseinsthematisch entfaltet (Vanhaegendoren 2006). Mit Blick auf Kästner kehrt sich dessen Hymne auf die Zikaden als kritisches Spiegelbild im Lichte von Bachmanns Hörspiel um, denn hier geht es problematisierend um die Fluchtbewegung aus der Wirklichkeit, die dort, bei Kästner in seiner Prosa-Dichtung zum byzantinischen Griechenland, gefeiert wird, und die bei Bachmann eben mit Blick auf die Einöde privatisierter Gefühlswelten problematisiert wird. So ist bei ihr die Insel- und Zikadensymbolik zu de-chriffieren. 30 | Otto 1996, S. 87.

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Liminalität ordnet sich die Struktur der Identität neu. »Alles ist verwandelt.«31; »eine Wahrheit, die wahnsinnig macht.«32 Dionysos ist hier der »Löser«33: »Alles Verschlossene öffnet sich.«34 Und: »Eine Öffnung des Verschlossenen ist auch die Enthüllung des Unsichtbaren und Zukünftigen.«35. Aber die Öffnung zur Zukunft hin ist konstituiert durch den Tod als Regime der Endlichkeit: »Die Philosophie, die Erbin des Mythos, hat schon bei ihrem ersten Auftreten die Erkenntnis ausgesprochen, daß der Tod im Wesen des Daseins selbst begründet und beschlossen sei.«36 Aus dieser Abgründigkeit, wonach das Leben im Tod wurzelt, der Tod nicht einfach das Leben beendet, sondern es ermöglicht, in der Erkenntnis und Erfahrung dieser Abgründigkeit kündigt die Musik, die dionysische Musik, die Einheit von Leben und Tod an, im Klang liegt die Stille, im Getöse die Ruhe.37 In der Figur der Zikade ist daher die Einheit von Musik und Stille, von Leben und Endlichkeit verkörpert: »darum ist Dionysos, trotz der Verwandtschaft mit den Geistern der Unterwelt, mit Erinyen, Sphinx und Hades, ein großer Gott, ein echter Gott, das heißt: die Einheit und Totalität einer unendlich vielfältigen, ja einer alles Lebendige umfassenden Welt.«38 Von all dem berichtete Kästner sehr wohl in seiner Prosadichtung. Warum die späte Abwendung als Ablehnung dieser Offenbarungssphären? * Von dieser Seinsfülle, die über die verschiedenen Sinne als Wahrheit des Lebens erfahrbar ist und die in einem allgemeinen Verständnis musikalischer Art, selbst dort, wo es um Stille geht oder die Musik selbst die Stille der tiefen Seinserfahrung meint, ist bei Kästner weniger die Rede. Der Weg führte ihn vielmehr in die diastatische Zivilisationskritik, die in einem Post-Zivilisationismus ausmündet.

31 | Otto 1996, S. 87. 32 | Otto 1996, S. 88. 33 | Otto 1996, S. 89. 34 | Otto 1996, S. 88. 35 | Otto 1996, S. 89. 36 | Otto 1996, S. 127. 37 | Vgl. auch Schadewaldt 1978, S. 269. 38 | Otto 1996, S. 130. Zum Bund von Dionysos und Apollon auch Otto 1956, S. 117.

Zwischen Dionysos und ORDO

IX. »A ufstand der D inge « und E kphrasis Es erinnert (u.a.39) stark an die Entfremdungsdiskurse, an die »Dialektik der Aufklärung« von Adorno und Horkheimer (2006)40, was Kästner als Aufstand der Dinge darlegt. Aber bereits 1955 findet sich bei Kaschnitz (1975, S. 100): »Auch die Dinge reden, beobachten, erzählen Geschichten, die im Augenblick niemand hören will. Sie melden ihre Schäden an und gemahnen an die Vergänglichkeit«. Reine Vernunft führe (Kästner 1990, S.  41) in lebensfeindliche Unmenschlichkeit: »Vernunft und Unvernunft, das ist ja wie Schlafen und Wachsein; eins ist nicht ohne das andre, und das eine kommt aus dem anderen.« (S. 41) Oder (S. 43): »Wir Kinder der Aufklärung sollten uns darüber aufklären, daß es ohne das Verstiegene, Verrückte nicht gehen kann.« Stattdessen – statt Verstiegenheit – der platte Aufstieg im Konsum (S. 43). Es kann allerdings auch gezeigt werden, dass stärker noch Gerhart Nebel den Problematisierungen der Kritischen Theorie und anderen Positionen (wie die von Günther Anders41) ähnelte.42 Bei F. G. Jünger ist dies nochmals fundierter angelegt. An diesem Punkt kristallisiert sich bei Kästner die Erkenntnis der Macht und der Notwendigkeit des Dionysischen43 heraus. Er diskutiert dies aber nie im Kontext der Veränderung der sozialen Wirklichkeit (Schulz-Nieswandt 2015a). Damit vergeistigt er die Daseinsproblematik. Auch verkürzt er – das möchte ich hier angemerkt sehen – so das Christentum um seine ursprüngliche genossenschaftli-

39 | Bammè 2011. 40 | Diese Epochen-Deutung von Adorno und Horkheimer ist selbst wiederum bereits Gegenstand einer eigenen Rezeptionsgeschichte, die hier nicht ein Thema sein kann. Neuerdings auch Dörr 2007. Ferner Kunnemann/Vries 1989 sowie Reijen/Schmid Noer 1987. Einen Einfluss hatte sicherlich Max Webers Diagnostik der »Entzauberung« (vgl. dazu insgesamt auch Bolz 1989) der modernen Welt durch die Aufklärung, die er 1917 in seiner berühmten Abhandlung »Wissenschaft als Beruf« vortrug. Im Grunde geht dieses Entfremdungsgefühl als Verlustfunktion der Modernisierung zurück auf Schillers Gedicht »Die Götter Griechenlands« von 1800. Das harmonische Ideal der Antike wird hier durch das Christentum zerstört verstanden; die Vielfalt der Götter Griechenlands, die noch das ganze All, die Natur und die Lebenswelt der Menschen durchdrang, wird ersetzt durch einen einzigen, recht abstrakten fernen Gott. 41 | Auch auf André Gorz wäre zu verweisen. Der ehemalige Existentialist löste sich auch vom Marxismus und wurde in den 1980er Jahren zu einem führenden Theoretiker der politischen Ökologie. Es kann aber nicht dem konservativen Lager zugeschlagen werden, da es ihm um Selbstverwaltung und Befreiung von entfremdeter Arbeit etc. ging. Vgl. u.a. Gorz 1989. Vgl. auch Little 1996. 42 | Geyer 2007, S. 291. Vgl. auch Heyer 2000. Zu Anders siehe auch Dries 2009 sowie Liessmann 1993. 43 | Schulz-Nieswandt 2015a.

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che Gemeindeform44, wie auch im Judentum die Siedlungsgenossenschaft (später noch bei Martin Buber45) alte Tradition ist. Kästner ist hier überaus deutlich und kritisiert »die Monstren unserer industriellen Verwaltungen, unserer Regierungen, Versicherungen und anderer Zentralen der allgemeinen Verteilung, diese Labyrinthe der allgemeinen Beglückung, in deren Innerem Minotaurus, das Ungeheuer der Weltausrechnung, der totalen Vernunft hockt. Es müßte, wenn deren Rechnung aufginge, viel, viel Glück in der Welt sein. Wo ist es?« (Kästner 1990, S. 44) Die Neuzeit, und in und mit ihr die Wissenschaften, haben die Dinge versklavt (Kästner 1973, S.  65ff.). Ausforschung, Unterdrückung und Ausbeutung stellen den Nexus der Problematik dar (S.  138). Doch – eine Variante von ökologischer Kritik, spricht Kästner (1973a, S. 217, S. 299) doch von »Welt-Müll«? – die Dinge ertrügen nicht dauerhaft diesen »Terror«, »ohne je eine Rechnung zu stellen« (S. 136). * Diese diagnostische Sicht ist bemerkenswert, eben der Bemerkung wert, originell ist sie nicht. Als herausragenden, wenn auch ambivalenten Klassiker ist Ludwig Klages (1872-1956) anzuführen. Zum lebensweltlichen Kreis der Kosmiker gehörend46, hat er vor allem in seinem monumentalen Werk »Der Geist als Widersacher der Seele« aus den Jahren 1929-32 (Klages 1972) die einseitige rationalistische47 Technisierung des Lebens durch den Geist kritisiert. Wissenschaft diktiert dem Leben einen für die Seele tödlichen Takt, wo doch das eigentliche Leben rhythmisch sei (Klages 1934). Im Aufruf »Mensch und Erde« von 1913 (Klages 1937) begründet er eine radikale Ökologie gegen die Naturzerstörung. Mehr noch: Klages fordert 1922 den kosmogonischen Eros ein. Er unterscheidet Eros und Sexus. Die Differenzierungen – von Platon bis zu Freud reflektiert – definieren Liebe hin zur Höhe, den Sex hinein in die Tiefe, also, in meiner Sprache ausgedrückt: eine vertikale Bi-Polarität, die sich auch als Dialektik des Apollinischen und des Dionysischen oder als Dialektik des homo donans und des homo abyssus re-formulieren ließe. Denn auch weitere Binärismen prägen hier Klages‹ Denken: Fülle versus Mangel und Ferne versus Nähe. Manche seiner charakterologischen48 Studien finden sich auch noch als Dimensionen in der modernen differentiellen Persönlichkeitspsychologie, aber auch in phänomenologischen Beiträgen von Phi-

44 | Öhler 2005; Schulz-Nieswandt 2003; Schulz-Nieswandt 2010a, S. 260ff. 45 | Wehr 2010. 46 | Dazu auch in Dörr 2007. 47 | Zur Kopflastigkeit der Zivilisation und dem Wiedergewinn des sehenden Herzes vgl. etwa auch Meves 1971. 48 | Zur Charakterlehre vgl. beeindruckend auch Wellek 1966.

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lipp Lersch, der sich auch auf Guardini beziehen konnte49, bis hin zu Hermann Schmitz wieder.50 Auch der Verlust der Seele – nach einem langen Aufstieg von Homer bis Freud – im Zivilisationsprozess ist in prominenter Literatur vertreten. Nicht immer war dies jedoch im Modus kruder Zivilisationsabsage formuliert. Bei Gehlen spürt man nicht eine plumpe Technikfeindlichkeit, sondern eine Analyse der Totalität des technischen Zeitalters, indem Technik, Kapitalismus, Organisation und eben auch die seelische Struktur des Menschen ein Gefüge eingehen, das einer Superstruktur-Analyse (Gehlen 1957) bedarf. Man spürt bei Gehlen – jüngst wieder Objekt aktualisierender Sekundärliteratur – die Aufdeckung von Ambivalenzen, nicht aber eine einfache Verlust- und Niedergangs-Diagnostik. An anderer Stelle spricht Kästner davon, das Wohnen in der Welt (Kästner 1973a, S. 139) sei eine legitime Nutzung; es ginge um die Kritik der Über-Nutzung (Kästner 1973a, S. 130; auch S. 155ff., S. 161, S. 276). Das ist nun interessant: Der geradezu wissenschaftsfeindliche und das Ökonomische abwertende Kästner entdeckt (auch in Kästner 1973a, S.  23ff., S.  5551) die »sozialen Kosten« (K. William Kapp 1958)52, ein wohlfahrtstheoretisch zentrales Problem, das unter dem Titel der (negativen) Externalitäten fundiert in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften abgehandelt ist.53 Und es ist heute evident, dass dieses Problem ein Problem allokativer Effizienz ist, aber bis in seine Tiefengrammatik hinein ethischer Natur ist, da die als Externalitäten begriffenen Interdependenzen der Menschen als Pareto-Rawls-Prinzip strukturanalog zum Sittengesetz von Kant formuliert ist (vgl. in Schulz-Nieswandt 2017). Die ökonomische Theorie ist hier in ihrem innersten Kern eine ethische Wissenschaft. Und auch das Problem der Nachhaltigkeit, auf das Kästner (1973a, S. 89) verweist (mit Bezug auf Forstwirtschaft auch Kästner 1974, S. 148: »Wald ist Sorge«), ist in diesem theoretischen Kontext abgehandelt worden. Insofern hat Kästner Recht (1973, S. 137): »Wir waren es, die uns der Sünde schuldig machten: der Welt-Sünde einer Ehren-Kränkung der Dinge.« In der Neuzeit korrelieren so »Welt-Ausrechnung« einerseits und »Selbst-Schöpfung« des Menschen (S. 140) andererseits54.55 Da von 49 | Lersch 1954, S. 142. 50 | Auf deren ertragreichen Perspektiven der Verfasser in anderen Themenkreisen bereits zurückgreifen konnte: vgl. etwa in Schulz-Nieswandt 2010a. 51 | Er diskutiert dort das Problem der Macht, auf Kosten Dritter zu leben, aber nicht intensiv wie Tillich oder Guardini. 52 | Ramazzotti/Frigato/Elsner 2012. 53 | An anderen Stellen (Kästner 1973a, S. 33) hat man sogar das Gefühl, Kästner argumentiere auch gegen sozialstaatliche Chancenpolitik; auch die Demokratie kommt schlecht weg: »auch nur ein Elend« (S. 53). 54 | Gander 2004, S. 37. 55 | Einen Verlust durch die Transformation göttlicher Schöpfung in menschliche Erfindung konstatiert auch Steiner 2004.

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dieser Verdinglichung der Dinge die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen mit abhängig ist, war es jedoch eine zentrale Leistung von Tillich, den Sündenbegriff durch die Kategorie der Entfremdung zu ersetzen.56 Entfremdung als Denkfigur taucht bei Kästner dort auf, wo er die Masse als Man im Sinne von Heidegger thematisiert und von Banalität 57 (die »Großmacht und Weltmacht geworden« sei) spricht (Kästner 1990, S. 55): Dann ist der Hades (Kästner 1990, S.  64)58 (nicht als Hölle59, sondern als trauriges Dahinvegetieren) im Diesseits angesiedelt (Kästner 1973a, S. 237).60 Dies ist sinnlose Existenz (S. 225), die die Menschen bedroht. Hier kommt (S. 229) bei Kästner die Angst vor der Daseinsverfehlung hoch. Seine Hades-Auslegung ist echte »Arbeit am Mythos«, wie er bekennt (S.  257, S.  236). Ähnlich der »Dialektik der Aufklärung« (S.  233) wird Daseinsentfremdung zum Ausdruck gebracht (S. 232f.). Denn (die hochmütige: Kästner 1974, S. 113) Wissenschaft – ein Krebs-Wachstum (Kästner 1973a, S. 247) – hätte den Hermes 61 ersetzt und Hades an die Tagesoberfläche gezogen (S. 234). Natürlich muss der Mensch wieder eine Aura des unerfüllten Traums in ekstatisch-dionysischer Dynamik verspüren und mag wieder Dryaden und Nymphen (Kästner 1990, S. 103) entdecken. Aber doch eben nur, um diese Welt besser zu machen (Schulz-Nieswandt 2015a). Aber was ist stattdessen die Einsicht von Kästner? Die Welt ist eben zum Hades geworden (S. 111). Kästners Verständnis vom »Hungerleider« bringt seine Kulturkritik auf den Begriff. Es geht ihm um die seelisch-geistige Krise im Wohlstand: »Irgendwann wird Jedermann wissen, daß diese Wohlstandsgesellschaft eine Gesellschaft von Hungernden ist. Gut genährt, aber wenn man zusieht: Kollwitzgestalten.« (Kästner 1990, S. 121)62 56 | Murmann 2006; Mugerauer 1996. Selbst auf katholischer Seite, bei Welte (1959, S. 20ff.), wird die Sünde im Lichte einer tieferen Heidegger-Rezeption (in Relation zum Thomismus) nicht vulgärtheologisch ausgelegt, sondern als nicht gelingende Transformation der (ontologisch bestimmten) Wesenspotenziale des Menschen in die ontischen Formen der Existenz. 57 | Zu den entsprechend generierenden Diskursen der Wertung vgl. Genz 2011. 58 | »Der Hades ist ein unheilvoller, dunkler, nebeliger Ort.« (Minois 1994, S. 32) »Der Hades mit den verschlossenen Türen ist eine hermetisch abgeriegelte Welt, die man nur mit Grauen anschaut.« (Minois 1994, S. 32) Vgl. auch in Bellinger 2012, S. 181f. Andere Perspektiven finden sich bei Görner 2014. 59 | Zur Hölle als Raum siehe Mauz/Werner 2014. 60 | Der Gott Hades als Totengott (und als Ort der Unterwelt) hat eine Fülle von Beinamen; einige sind für den vorliegenden Zusammenhang besonders relevant, liegen sie doch angesiedelt im semantischen Feld von Dunkelheit und Schwärze. Vgl. auch Art. Hades, in: Roscher 1993, I.2, Sp. 1778ff. 61 | Ausführlich zu Hermes in Schulz-Nieswandt 2014a. Vgl. auch Eitrem 1909 sowie Herter 1976. Zum Nachschlagen immer auch TRE 1977ff. sowie RGG 1998ff. 62 | Zu Kollwitz vgl. Krahmer 2011; Schymura 2014. Ferner Staatsgalerie Stuttgart 2011.

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Fehlt es an einem Karl Marx dieser neuen Elendsgestalten, fragt Kästner? Als sei Marx ein Denker nur des ökonomischen Elends gewesen. War er nicht der Entfremdungstheoretiker der Moderne? Kritiker des Fetischismus 63, der theologischen Mucken im Kapitalismus? Also warten wir doch auf den kommenden Gott des Überstiegs? »Diese Entrechteten, Beraubten: wo sind ihre Träume und Lieder? Wo ihre Aufschwünge?« (Kästner 1990, S. 121) Doch dort, wo Kästner den dionysischen Genius abhandelt (Kästner 1990, S. 138), geht antikes Heldentum über in christliche Heilige und Engel (Kästner 1974, S.  29), in das späte Griechenland, das man byzantinisch nennt (S. 139). Kästner hebt sein 64 Byzanz weit über den römischen Westen der katholischen Kirchengeschichte, wo »die Engel zu einem Personal des Himmels geworden, zu Dienstgraden« geordnet wurden (Kästner 1990, S.  139), hier nun extrem an Agambens Studien65 erinnernd. Der Glauben war Wohlstand für Kästner (S. 139): »Welche Spannung, welcher Wohlstand. Da diese Engel ja nicht bloß Bringende waren, auch Holer: Sie trugen auch Gebete nach oben.« Eben: »nach oben«. Das Gebet66, diese religionsphänomenologische Ubiquität, ist bei Kästner immer ein Habitus67 der demütigen Haltung »nach oben«. Es ist eine Theologie der Hierarchie und der Autorität. Die Welt als Verschlüsselung, als Rätsel und daher in der Suche nach Rat: Die Welt ist für Kästner ohne Theologie nicht zu denken, seien die Kategorien auch nur zu verstehen als Kryptotheologicum. * Hier nicht zu klären, aber angedeutet werden soll schon, welche Parallelen sich zum Werk von Bruno Latour68 abzeichnen mögen. Angedeutet ist eine solche in der Besprechung von Palm (2011) zu Bammé (2011). Immerhin nimmt auch Böhme – kurz etwa auch Marx (2015, S. 22) – in seiner Abhandlung über »Fetischis-

63 | Zum Fetisch auch Antenhofer 2011. 64 | »Geist und Leben der Ostkirche« (Benz 1957), auf die Kästner damit automatisch verweist, stehen hier hinsichtlich einer religionswissenschaftlich authentischen Rezeption nicht als Thema an. Es geht nicht darum, ob Kästner hier richtig lag, sondern dass er überhaupt diese Position einnahm. 65 | Agamben 2012; 2014. 66 | Heiler 1969; Holl 2006. 67 | Dazu Michel 2006. 68 | Vgl. Ruffing 2009; Schmidgen 2013; Lemke 2011; Joas/Knöbl 2004, S. 745ff.

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mus und Kultur« deutlichen Bezug auf Kästner69 und sieht auch eine Parallele zu Latour (Böhme 2006, S. 47), ähnlich auch Fischer-Lichte (2013, S. 166).70 Auch weitere, neuere anthropologische Beiträge, wie etwa die zum homo mundanus von Wolfgang Welsch (2015), könnten zur Klärung der Position von Kästner herangezogen werden. Und Descola (2013) bezweifelt im Lichte seiner Materialausbreitung und -interpretation die Universalität des binären Codes von Natur versus Kultur. Die verloren gegangene Natur mag auch das tiefere seelische Thema der Malerei von Marc 71 gewesen sein. Latour, ich vereinfache, schwebt eine den Dualismus von Kultur und Natur, von Menschen und den Dingen72, überwindende symmetrische Anthropologie vor. Sein Aktandenmodell schließt nicht-menschliche Akteure ein. Auch haben sich Hybride (vgl. auch bei Kästner 1973a, S. 214) herausgebildet: »Man hat die Apparaturen so mächtig gemacht, längst wurden sie mächtiger als ihre Erfinder« (Kästner 1990, S. 67). Und dies nur, weil man den Zufall (»Das Tremendum der Neuzeit, die Gorgo.«: S. 67) durch Planung ersetzen wollte. Und so sei der Einfall ein »Unfall der Planung« (S. 67). All das hätte uns »Kafka zu leiden gelehrt« (S. 70).73 Wie dem auch sei; der Mensch, so Kästner, habe sich an der Welt der Dinge versündigt; den Preis dafür wird er zahlen müssen. * Gibt es Räume jenseits dieser bei Kästner verworfenen Modernisierung? »Geht denn das, so zu leben?« (Kästner 1974c, S. 244). Signifikant (Kästner 1974c, S. 191: »Ein Schiff aus Brot«): »Nicht daß wir die Wahl hätten, von der modernen Wissenschaft abzulassen, kaum der Einzelne, auswandernd, sicher nicht Alle. Das mei69 | Böhme 2006, S. 45ff. Kästner (Böhme 2006, S. 42) nimmt bei diesen Zusammenhängen Bezug auf Chirico. Giorgio de Chirico (Holzhey 2006; Schmied 1993) malt kreisend um Melancholie, Mysterium, Traum und Meditation; unaufgelöste Bedrohungen (»Geheimnis und Melancholie eine Straße«) spielen hier eine Rolle; in »Die beunruhigenden Musen« mutet uns die Mechanisierung (vgl. auch Gutsche 2014 zu Massenkultur, Mechanisierung und Beschleunigung) des Menschen an. 70 | Vgl. auch in Hahn 2014. 71 | Partsch 2013; Fröhling/Huck 2015. 72 | Zum Ding-Verständnis vgl. auch Mohrmann 2011. 73 | Zu Kafka müsste mehr gesagt werden. Natürlich spielt bei ihm Bürokratismus und Ohnmachtserfahrung eine daseinsthematische Rolle (Arens 2001, S. 43ff.; Alt 2005, S. 170ff.). Nicht ohne Humor ist im Schrifttum bereits angemerkt worden, Kafka hätte ja schließlich in der Sozialversicherungsverwaltung gearbeitet (dazu auch Eichenhofer 1997; Strejcek 2005). Strittig ist die Frage, wie existenzialistisch Kafka orientiert war, und ob er in seinen Wandlungsgeschichten und Labyrinth-artigen Geschichten das Problem der Entfremdung thematisiert hat. Zu Kafka auch Kleinwort/Vogl 2013.

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nen, hieße ihren totalen Charakter, den Charakter einer Schreckensherrschaft also, verkennen. Das Schiff ist nun einmal bestiegen, einzig mögliche Rettung. Indessen, ein Schiff aus Brot ists, auf dem wir da fahren. Eine andere Wahl ists, die uns nur bleibt: auf der hohen See treibend in diesem Schiff zu verhungern oder vom Schiffe zu essen. Nach und nach aufzuessen, was uns über den furchtbaren See hält.« 74 In beiden bislang skizzierten Modi der Seinserfahrung kommt Kästner jedoch einer Onto-Theologie der Wahrheit nahe, einerseits (wie bei Walter F. Otto) eher als heidnische Naturtheologie 75 und andererseits – auch chronologisch in der Sequenz geordnet – als christliche Offenbarungserfahrung. Diese – hermeneutische 76 – Wahrheitssuche hängt einerseits mit der von Zimmermann 2004 (S.  14) herausgestellten Technik der Ekphrasis zusammen: Für Kästner kommt die Wahrheit der Dinge nur zur Sprache, wenn Literatur und bildende Kunst zusammenfallen, also im Bild eine Gestalt gebildet wird, somit (dergestalt) zum anschaulichen77 Ausdruck 78 kommt: »Düfte, Farben, Klänge. Erhart Kästner ist Meister synästhetischer Ekphrasis.« (S. 14): »Wo das Reich der Bilder aufhört, beginnt der Mysterienverrat.« (Kästner 1974b, S.  231) Verrat ist hier sicherlich ein harter Begriff. Ekphrasis 79 ist eine literarische Form, durch welche die Anschaulichkeit der Dinge bildlich zum Ausdruck gebracht wird.80 Der Zuhörer wird so zum Zuschauer der Dinge. Heimat (»Gott ist in der Heimat.«: Kästner 1974, S. 199) findet der Mensch nur dort (S.  19), wo die Imagination als poetische Erinnerung mit der Landschaft harmonisch zusammenfällt. Nur im kargen Griechenland – oder

74 | Die Metapher des Schiffes als christliche Figur hat Rahner (1957, S. 414ff.) abgehandelt. 75 | Dort, wo Kästner – »Das ist Attika, flötenzart.« (Kästner 1974b, S. 85) – auch Pan (Walter 2001; Herbig 1949; Vinci 1923) hört (Kästner 1974b, S. 82) oder auch Nymphen erwähnt: vgl. auch Otto 1971; auf die von Otto zentral behandelten Musen vgl. auch Buschor 1944. Ferner Söffner 2008. 76 | Vor allem Günter Figal nimmt in vielen Schriften immer wieder auf diese Einstellung von Kästner Bezug. 77 | Figal 2004, S. 52, S. 59. 78 | Gander 2004, S. 32: »In einer imaginären Schule des Wahrnehmens und Sehens wäre Kästners Ressort gewiß das eines Phänomenologen der Aufmerksamkeit.« (Gander 2004, S. 32) Zum Ausdruck-Bringen ist der Stil der Kunst, nicht, weil die Kunst eine Meinung zu den Dingen hat, sondern weil sie »Gestaltung« dessen ist, was sie ist: Gander 2004, S. 33. 79 | Boehm/Pfotenhauer 1995. 80 | Um die inter-medialen Gestalttransformationen zu verstehen, muss man zu nur scheinbar paradoxen Kompositionen offen sein: »Die Malerei kann ein sehr beredtes Schweigen haben«, so der Titel von Greif 1998. Es fehlt nicht an Überblicken zur Bilddichtung: Kranz 1981-1987; Leifeld 2015.

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im Erlebnis der Wüste81 (Boehm 2004, S. 64: »Wüste als ein Raum der Imagination«82) – kann man (autobiographisch: S. 20) zur Fülle des Lebens (zurück-)finden. »Griechische Orte werden zu ›Urorten‹« (S. 20). Wirklich sind eben nur die bedichteten Dinge83. Wahrheit haben die Dinge nur in einer leiblichen Gestalt 84, verweist (S. 25) daher auf existenzielle Erfahrungen. Kästner (1990, S. 10): »Gab es je ein Glück ohne Bilder?« Und er bezieht sich85 hier auf Max Ernst 86: »Sehen heißt, seine Blindheit loswerden«.87 Und Kästner wartet auf die neuen Dichter (Kästner 1974a, S. 9): »Wann ziehen neue Bilder auf? Mit einer neuen Magie?« Imagination88 (S.  10) –“ein anderer Sinn. Er befähigte einen, zu sein, wo man wollte.« (Kästner 1974a, S. 23) – sei die »Herrin der Welt«.89 Hier wird eine gewisse Hölderlin-ähnliche Tradition wirksam. Doch kann Hölderlin für Kästner keine Referenz abgeben, drang dieser – so bedauernd ja letztlich auch Guardini – doch zu keiner reinen Christologie durch. * Nochmals zurück zu den beiden Modi der Seinserfahrung. Und ich möchte hier kurz u.a. auf Göran Schildt eingehen. Der erste Modus ist bei dem soeben erwähnten Göran Schildt ähnlich beschrieben worden, als er – durchaus faszinierend – seinen kurzen Aufenthalt in Phaselis reflektiert (Schildt 1959, S.  214ff.; Schildt 1971, S. 294: »Ein Gott ist hier«). Diese Passage ist sehr lesenswert. Und ähnlich wie bei Kästner spielt auch in den Reisebeschreibungen von Göran Schildt eine kritische Reflexion der Fortschrittsprozesse der Gesellschaften nach 1945 immer wieder als deutende Hintergrundsfolie eine konstitutive Rolle. Ebenso wie Kästner soll und kann auch Schildt hier nicht im Rahmen einer textnahen

81 | Gander 2004, S. 30. 82 | Gerade dort, wo nichts ist, kommt es zur Imagination der reichen Fülle: Bilder werden so geschöpft, und nur im Zauber der Bilder kommt die Wirklichkeit zur Wahrheit: Boehm 2004, S. 64f. Paradox: »der ausgebrannte Wüstenboden wird zum fruchtbaren Grund authentischer Bilder« (S. 66). 83 | Gander 2004, S. 24. 84 | Gander 2004, S. 25. 85 | Kästner hat sich auf viele Künstler bezogen. Auch auf Miró: dazu auch Mink 2006. Nicht näher überprüft habe ich etwa Beziehungen zu Kandinsky und Magritte. Dazu Paquet 2007; Becks-Malaorny 2011a; Düchting 2007. 86 | Dazu auch Nauhaus 2003, S. 391ff. 87 | Zu Max Ernst ferner Bischoff 2005. 88 | Zur therapeutischen Perspektive vgl. Kuntz 2009 sowie Lazarus 2006. 89 | Zur Problematik der Organisation der Sinne u.a.: Plessner 2003 sowie Taussig 1997; Bilstein 2011.

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Re-Konstruktion aufgearbeitet werden.90 Kästner sieht durchaus die Apathie des Griechen (Kästner 1973a, S.  122f.), der nicht willens (und daher fähig) ist zum Wasseranstau, obwohl ihm dies nachhaltig im Lebensstandard helfen könnte.91 Er ahnt, dass es hier um Probleme des Verständnisses von Wohlstand geht (S. 208). Was nun im Werk von Kästner auffällt, ist die in beiden Erfahrungsmodi zum Ausdruck kommende Hinwendung zur Einfachheit92 als Grundgestimmtheit der Daseinsführung. Gegenüber der Kompliziertheit der Welt der technischen und instrumentellen Rationalität wird eine von Armut geprägte Alltagswelt zur Epochè einer urgriechisch-christlichen Daseinsführungserlebnisordnung, die bei Kästner jedoch mitunter als regressive Abkehr von der Wirklichkeit erscheint. Diese Literatur von Kästner verliert, anders als die Tradition des Expressionismus (Worringer93 hat die Theoriefolie geliefert, vor deren Hintergrund der Expressionismus sich explizit fundiert hat), den Bezug zur Wirklichkeitskritik und kann die dionysische Dynamik der Transgression nicht mehr mit dem apollinischen Willen zur Sozialreform und Gesellschaftsgestaltung verknüpfen. Dies ist anders bei Walter Jens. Der Vergleich ist in mehrfacher Hinsicht von Interesse, indem ich der Werkanalyse von Kuschel94 folge. Jens verkörpert ebenso eine Kulturkritik des technischen Atomzeitalters – auch Kaschnitz (1975, S. 113ff.) thematisiert die »Wasserstoff bombe« – nach 1945. Er ist Kenner des griechischen Altertums und hat zur »Arbeit am Mythos« beigetragen. Er sieht zwar eine ewige Wahrheit der Mythen gegeben, aber nur im Modus einer fortführenden Mythenarbeit, dies für ihn nur im Horizont des Christentums machbar. Und: Er orientiert sich an Karl Barth.95 Und dennoch kommt Walter Jens zu einer ganz anderen Position als Kästner. Jens orientierte sich an der für ihn unvermeidlichen Leitidee eines freien demokratischen Sozialismus. Und diese wiederum leistet er durch eine entsprechende – soziale – Rezeption des (frühen) Christentums. 90 | Im Gegensatz zu der wenngleich begrenzten wissenschaftlichen Sekundärliteratur zu Kästner liegt m.E. zu Göran Schildt leider überhaupt keine wissenschaftliche Literatur vor. 91 | Auch das Klientilismus-Problem thematisiert Kästner am Rande: Kästner 1973a, S. 102, S. 124. 92 | Kritisch dazu Schnell 1998, S. 131ff. 93 | Vgl. ferner Böhringer/Söntgen 2002. In der Darlegung von Worringers Theoriearchitektur folge ich weitgehend Öhlschläger 2005. Die klassische Moderne sei ein »Kunstwollen« wie Worringer unter Einfluss von Riegl 1985 formuliert hat. Worringer sah sich später von den diesbezüglichen Möglichkeiten des Expressionismus enttäuscht und wandte sich nach seiner Dissertation in seiner Habilitation der Ontologie des Gotischen zu. Das ist hier nicht mein Thema. Das spiegelt ganz andere (persönliche) geistige Veränderungsprozesse, die hier nicht von Bedeutung sind. 94 | Kuschel 2013. 95 | Ob Jens mit seiner Rezeption von Barths »Christengemeinde und Bürgergemeinde« (Barth 1946) die Gesamtposition von Barth angemessen rezipiert hat, mag dahin gestellt bleiben. Jens rezipiert Barths Theologie nicht so diastatisch wie ich es tue.

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Bei Kästner (1994, S.  128) wird die »Sphäre des Sozialen« abgewertet. »Der Kern sitzt tiefer.« (Ebenda) Alternativen sind möglich: Moderne Sozialreformideen – wie bei Sennett (2008 zum Handwerk)96 – mögen ebenfalls die modernen Themen wie Vereinzelung, Ohnmacht und Desorientierung sowie Oberflächlichkeit, Sinnlosigkeit und Instabilität im Leben der Menschen aufgreifen, aber positionieren sich nicht als eskapistische Elite. Die konservativen Positionen sehen aber keinen humanen Weg der Menschheit in die Zukunft; die Moderne wird nicht, wie bei Morin (2012), fortgedacht, sondern postzivilisatorisch verworfen. In diesem Sinne habe ich bereits kritisch nachgefragt, ob man Kästner wirklich einem Humanismus (Schulz-Nieswandt 2017) zuordnen kann. Und ob er damit bzw. somit ernst zu nehmen sei? Klassische Bildungsrekurse und aktive Teilnahme in der modernen Kunst- und Literaturszene reichen hier nicht aus. Zum Humanismus gehört die Idee der polis aus der generativen Grammatik der Tugenden heraus, heute vor dem Hintergrund der irreversiblen Erbschaft der französischen Revolution und ihrer Wertewelt von Freiheit, Gleichheit, Solidarität, alles verklammert zu einem personalistischen Menschenbild und einem dialogischen Weltverständnis – im § 1 SGB I, im GG, im EUV und im Völkerrecht der UN (Schulz-Nieswandt 2017). Doch Kästner wendet sich der praxis ab und kehrt ein in die Geistigkeit. Für eine humanistische Gestaltung des Hier-und-Jetzt notwendige Einheit von Körper-Seele-Geist in der leiblichen Existenz der sozialen Zwischenräume der Personen bedeutet diese Haltung Reduktionismus der Sichtweise und Regression der Möglichkeitsräume. Die Revolution im Geist versteht Kästner in der »Art mystischer Taufe«97 (Kästner 1994, S.  128). Beim angeführten Schildt findet man dagegen ständig Gegenwarts-bezogene gesellschaftliche und politische Reflexionen im Kontext seiner Reisebeobachtungen. Kästner ist dagegen, und sein Freund G. Nebel ist (anders als F. G. Jünger) noch viel radikaler, wiederum überaus deutlich: »veränderte Wirtschaftsformen und gebesserte Gesellschaftsformen« können nicht das »Unbehagen« »abhelfen. So kuriert man an den Symptomen.« (Kästner 1973, S. 67) »Denn Veränderungen gesellschaftlicher und ökonomischer Zustände würden an dem, wovon hier die Rede ist, ja nichts ändern.« (S.  141; auch Kästner 1973a, S.  235) Oder: »Die Verklagung ökonomischer und gesellschaftlicher Zustände hat eher den Rang einer Ablenkung, ist vordergründig, denn unter anderen ökonomischen und gesellschaftlichen Zuständen würden sich diese entscheidenden, unser Schicksal bestimmenden Vorgänge genau so abspielen.« (S.  149; auch S.  150) Eigentlich kristallisiert sich hier ein Zeitverständnis heraus, das aus der phänomenologischen Methode der anthropologisch orientierten daseinsanalytischen Psychiatrie 96 | Sennett würde ich eher zu einem Kreis des sozialdemokratischen Essentialismus zählen, zu dem etwa auch Martha Nussbaum zu rechnen wäre. 97 | Zur Taufe vgl. auch Öhler 2012.

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bekannt ist: Die Vergangenheit, falls sie glücklich war, ist endgültig verloren; eine glückliche Zukunft ist nicht möglich. Damit ist die Gegenwart vollständig entwertet. Sie ist bedeutungslos. Bedeutung hätte sie nur, wenn, mitunter im Lichte der Vergangenheitsbewältigung, hoffnungsvoll ein Weg in eine sinnhafte Zukunft eröffnet werden könnte. An einer Stelle reflektiert Kästner (1990, S.  78) über die Frage, wie Gesellschaft möglich ist. Aber eine sozialtheoretisch fundierte Antwort bleibt aus. Diese muss man von einem Prosadichter und Kunstkommentator auch nicht erwarten. Das wäre die falsche Messlatte. Aber die Arbeit am eigenen Selbst mit Blick auf die jemeinige charakterliche Haltung zur Welt ist erwartbar. Die totale Anti-Haltung erinnert an die These einer »zweiten Trotzphase« in dem adoleszenten Entwicklungsprozess. Ich möchte diese Probleme hier (personalisierend) nicht tiefer z.B. reaktanzpsychologisch oder gar mit Blick auf eine passiv-aggressive Fehlhaltung aufgreifen. (Aber dazu an anderer Stelle [Kapitel XVIII] doch nochmals mehr.) Dafür fehlt es an hermeneutischem Material zur Person Kästners. Und es scheint mir auch nicht notwendig, geht es mir nicht um einzelne Personen, sondern eher um die Grundzüge des Habitus der revolutionär-konservativen Mentalität, für deren Klärung psychodynamische Analysen sehr hilfreich sind, aber nicht erzwungen werden sollten. Die Gefahr eines zynischen Pessimismus ist jedoch nicht zu übersehen. Ernst Jünger dürfte hier von besonderer Relevanz sein. Auch bei Nebel lassen sich einige Merkmale dieses neurotischen Formenkreises entdecken. An dem Typus des passiv-aggressiven Verhaltens ist gerade die doppelte habituelle Bestimmung von Bedeutung. Die sich als post-zivilisatorisch erweisende Kulturkritik ist als Kritik eine Hinwendung zur Wirklichkeit, aber eine solche, die auf einer sequenziell vorgängigen Abwendung basiert. Damit ist nicht einfach die cartesianisch notwendige Distanz gemeint, die man eventuell konstatieren könnte. Es ist eher ein Vermeidungsverhalten. Eskapismus meint ja zunächst auch Weltflucht. Es geht demnach um eine Variante von Flucht. Es handelt sich um eine Bewältigungsstrategie angesichts einer Realität, auf die das Subjekt sich abwendend einrichtet. Die Realität schreckt ab. Insofern reagiert Flucht auf Gefahr, Vermeidung auf Ekel. Als Bewältigungsverhalten schützt das Vermeiden, aber es schränkt auch die Teilhabe am Leben ein. Eine weltoffen-liebende Haltung verkümmert so. Ein solches Vermeidungsverhalten kann auf gestörte Bindungserfahrungen zurückgehen, kann die passiv-aggressive Störung bis zur sozialen Phobie98 steigern. Bei dem intellektuellen Kreis der revolutionären Konservativen kann man nicht von einer generalisierten sozialen Phobie sprechen. Man hatte seine gleichgesinnten Netzwerke und dort sprach man dem Weingott gut zu. Kästner partizipierte – zusprechend wie ablehnend – in der Kunstszene. Der Habitus dieser Elite implizierte ein eigenes Bedürfnis nach sozialer Aufmerksamkeit und sie inszenierte sich. Hier zeichnen sich Kanäle einer Rückkehr zur Welterfahrung ab, die jedoch 98 | Mitte/Heidenreich/Stangier 2007.

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spezifisch selektiv und in einem elitären Bereich des normalen Innenraums der Gesellschaft angesiedelt sind. Man bleibt trans-profan dort, wo der Welt des Profanen begegnet wird. Insofern müssen sich wohl inner-seelische Dissonanzen einstellen. Vermeidung oder Teilhabe? Verschlossenheit oder Öffnung? Eine sehr widersprüchliche Motivlage generiert sich. Sollte sich hier etwas Numinoses in Form einer »Angstlust« abzeichnen? Ist hier Ernst Jünger an der Westfront das Bild, in dem sich diese psychologisch zu verstehenden Haltungssyndrome veranschaulichen? In der sozialpsychologischen Literatur ist von einem »Aufsuchen-MeidenKonflikt« die Rede.99 Hier ist zwischen einer anthropologischen conditio humana einerseits und eine psychodynamischen Vielfalt empirischer Varianten andererseits zu unterscheiden. Im Lichte der allgemeinen Biologie (auch des Menschen) in der ökologisch-transaktionalen Tradition von Jakob von Uexküll100 zum Kreislauf von Wirkwelt und Merkwelt des Organismus in seiner Umwelt gibt es kein echtes Außerhalb der Welt.101 Allerdings gibt es psychodynamische Ungleichgewichte in dieser charakterlichen Selbstaufstellung der Person zur Welt. Das Getrenntsein gehört zum Ur-Konflikt des erwachten Bewußtseins des Subjekts. Aber davon zu trennen ist die Neurotisierung zum tragischen Leiden an dieser Differenz. Struktural gesprochen ergeben sich einige Äquivokationen: ontologisch : ontisch = eigentlich : uneigentlich = conditio humana : Neurose.

Der Ekel angesichts der Welt ist bei Kästner ausgeprägt. Europa sei eben ein Apfel, der innen faul ist (Kästner 1990, S. 86). Die Bildsprache ist weiter zu denken. Ein solcher Apfel ist wegzuwerfen; oder man schält die guten Teile nochmals heraus. Aber dabei bleibt nicht viel übrig. Oftmals dringt der faule Geschmack auch in die optisch gesunden Teile durch. Wenn einmal erst der Wurm drin ist, ist Hoffnungslosigkeit angesagt. Die dabei eingebrachte Kraft der Kategorie der Liebe – anders als etwa bei Tillich – bleibt dabei schwach beleuchtet (S. 87). Das »Soziale« – ganz nett, aber ist eben auch das Ende des Abenteuers (S. 91). Der Kyniker Diogenes kippt in der Haltung hier um in das moderne Verständnis von Zynismus. 99 | Analysiert schon bei McDougall 1928, S. 42ff. Bei Kurt Lewin (Schönpflug 2007; Lück 1996) wird dies als Ambivalenzproblem thematisiert: als Appetenz-Aversions-Konflikt. 100 | Der sich in neuerer Zeit einer erfreulichen Rezeption erfreut: Mildenberger 2007; Mildenberger/Herrmann 2014; Brentari 2015. Jakob von Uexküll wird, das ist hier durchaus von Interesse, ebenso im Umkreis der konservativen Revolution eingeordnet: Hornàcek 2015. 101 | Ergänzend muss zu dieser Sicht auch auf die Gestaltkreis-Lehre von Viktor von Weizsäcker verwiesen werden: Zybowski 2013. Hiervon mitgeprägt kann wiederum das ganze Problem auch im Lichte der Psychomotorik definiert werden.

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Die Armut der Eremiten soll doch wohl keine Empfehlung für die Zukunft aller Menschen sein – oder doch (Kästner 1974, S. 162f.)? Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftsform sind dabei vollständig irrelevant (S. 94).102 Vielmehr wird auf die »Verteilungsbeamten« (wie bei Nebel 1952, S. 83) geschimpft; das übliche Bild des Schneckentempos wird bemüht. Planwirtschaft, Sozialwirtschaft, Wehrwirtschaft (Kästner 1990, S. 113f.) – alles wird in einen Topf geworfen. Sozialwirtschaft103 ist heute in der Tat durchaus ein diskutiertes Thema zwischen Ökonomik der Effizienz und Ethik; aber niemand spricht, wie Kästner, hier von totaler Barbarei. Geht es wirtschaftsethisch104 in der öffentlichen Wirtschaft um die Besinnung auf die Dienstgesinnung105 und in der Sozialwirtschaft um die Werteorientierung106 in dem Traditionskontext der Sorgearbeit, so ist bei Kästner alles Terror: »durch preußische Ideologie, Pflichtgefühl also, oder durch irgendeinen anderen Enthusianismus, der durch Terror, das Rezept der Kaserne, auch durch Lauf bahnversprechen und Ehrgeiz« (Kästner 1990, S. 14).107 Welche Viertel-Wahrheiten, wo doch etwas, wie immer, dran ist. Aber welche Chimären liegen hier insgesamt vor. Nicht, dass an der Idee der Gouvernementalität und der kollektiv geteilten Dispositive vorbeizugehen ist; doch dann muss es auch so kompliziert entfaltet werden wie bei Michel Foucault (2006; 2012). Auch hier gilt jedoch wieder: Kästner ist nicht an der post-strukturalen Theorie zu messen. Aber dennoch gilt weiterhin: Auf die Selbstreflexion der je eigenen Haltung kommt es an. Foucaults Machtbegriff hat den Vorteil, keine personalisierten Tätervisionen (gar verschwörungstheoretischer Art) zu konstatieren, so als wäre der »böse Blick«108 auszumachen. Insofern haben Foucault wie Kästner das System als solches im Auge. Mit gelungener Soziologie und Sozialpsychologie einer zeitgeschichtlichen Diagnose haben Kästners manchmal redundante Prosastücke (über die »Wohlstandssklaven«: Kästner 1974c, S. 137) letztendlich jedoch wenig zu tun.109 Mitunter denkt Kästner die moderne Gesellschaft als Massenlenkung; auch der Künstler110 läuft Gefahr, gelenkt zu werden (Kästner 1974c, S. 173). Es scheint ihm das soziale Sicherheitsdenken zu sein, dass zur sicheren Lenkung führt (ebenda, S. 118). Dem modernen Versicherungswesen stellt Kästner 102 | Stattdessen, auch auf Grund der Beziehung zu Paul Tillich: Eduard Heimann (1954, S. 204): »Wenn christliche Freiheit eine Wirklichkeit haben soll, so muß auch sie in institutioneller Form erscheinen.« Ebenso eng zu Tillich stehend: Adolph Lowe: Krohn 1996. 103 | Arnold/Grunwald/Maelicke 2014. 104 | Aßländer 2011. 105 | Schulz-Nieswandt 2010a, S. 322ff. 106 | Schulz-Nieswandt 2010a, S. 503ff. 107 | Kaserne erinnert an die »totale Institution« bei Erving Goffman 2014. 108 | Dazu Hauschild 1979. Klassisch: Seligman 1985. 109 | Aber immer ist Kästner nahe dran, so bei der Charakterisierung der Figur des Kleinbürgers: Kästner 1990, S. 115f. Dazu Haupt/Crossick 1998; Schilling 2002. 110 | Kris/Kurz 1995; Ruppert 1998.

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die »fromme Ergebung« entgegen. (S. 118). Seine Kategorien sind Schicksal und Demut111, Gnade statt Steuerung. Für Kästner scheint das Problem zu sein: »Jeder will frei sein.« (S. 183) Statt himmlische Götter und »erdentkrochenen Dämonen«, dies erinnernd an F. G. Jüngers Abhandlung über die Götter des Olymp einerseits und den Titanen andererseits (Jünger 1944), hätten Forschung und Planung nunmehr die Macht ergriffen (S. 183). »Erst im Leiden ist er (der Mensch – S.-N.) befähigt, im Stande des Leidens gelangt er erst zu sich, leidend erst lebt er.« (S. 187).112 Das ist ganz im Geiste von Gerhard Nebel. Und (S. 248): »Trauer, ausgehalten, läßt ein wenig Zuversicht stehen. Melancholie113, getrunken, bleibt Hoffnung.«114 Bei Kästner wird der Weg der innerlichen Geistigkeit gesucht. Die Sphäre des Profanen wird vom Raum115 des Offenbarungserlebens strikt getrennt. Dieses Bild ist mitunter brüchig: In der zeitlosen Wüste wird das Profane doch wieder zentral: Freunde116, Gedichte, Musik (Kästner 1974a, S. 88). Sie deuten das Agape-Fest in dieser Welt an. Doch war dies der kirchlichen (d.h. zur Herrschaft neigenden) Theologie noch nie genug. Zum Ausdruck gebracht wird vielmehr der Verdacht, dass dem profanen Diesseits gehuldigt wird und der Blick zur Transzendenz zugunsten des Dämonischen verloren geht. Kästners Verständnis der Wüste – Verständnis im Sinne der personalen Erlebnisgeschehensordnung daseinsthematisierender Art – ist vielschichtiger, aspektenreicher, sicherlich auch ambivalenter als es die meditationsorientierte Rezeption zum Ausdruck bringt. Wüste bleibt eine öde Leere.117 Mehr noch: Sie ist Metapher für die Zukunft Europas, jedenfalls in Kästners Augen (Kästner 1974a, S.  154): »war es denn so, daß sie die eigentlich moderne Landschaft war, diese Wüste? Das kroch ja wie Grauen am Leib Europas empor. Das war ja die Zukunft, die drohte.« Erst kurz weiter oben zitierten wir: Europa sei eben ein Apfel, der innen faul ist (Kästner 1990, S. 86). Nun auch hier: »Hier war es unmöglich, zu Hause zu sein. Dies war voller Unheimlichkeit.« (Kästner 1974a, S. 154) Textstellennah wird klar: Er meint die Analogie der kriegszerstörten Städte. Dresden (Kästner 1994a) – Kästner ist als Heimkehrer118 zu verstehen – ist natürlich sein durchgängiges Beispiel (umfassend zur Zerstörung von Dresden in der Rezeption durch die 111 | Dazu auch Schulz-Nieswandt 2010a, S. 555. 112 | Zum Daseinsthema des Leidens auch Hölterhoff 2013. 113 | Das ist konstitutiv für den Habitus der konservativen Revolution. 114 | Vgl. auch Gadamer (1993) über den Schmerz. Vgl. auch Schulz-Nieswandt 2010a, S. 535ff. Zum Leiden auch Schulz-Nieswandt 2010a, S. 189f. 115 | Zum Raum-Denken vgl. auch Hoffstadt 2009. 116 | Oder ist dies nur die materielle Bescheidenheit der »geistigen Arbeiter«: »ihr Besitz hieß: Bücher, Freundschaft, Gespräch« (Kästner 1974a, S. 192). Bücher: »Ein paar Bücher freilich tun so einem Zustand so not wie ein paar Freunde.« (Kästner 1974a, S. 224) 117 | Auch Schulz-Nieswandt 2013, S. 35. 118 | Agazzi/Schütz 2010; vgl. zur Kriegsgefangenschaft auch Bischof/Karner/StelzlMarx 2005.

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Künste: W. Schmitz 2005119); und die Wüste120. Aber auf das ganze Werk bezogen und auch spätere zeitkritische Stellungnahmen einbeziehend: Er meint das ganze Nachkriegseuropa. Aber trotz aller Probleme: Ist Europa (als EU) nicht auch eine Friedensordnung geworden und ein Raum des wenn auch langsamen – und ambivalenten121 – sozialen Fortschritts?122 Doch Kästner ist da radikaler: »Und nicht nur der Städte; ihre Verwüstung war ja nur als ein Sinnbild zu nehmen. Denn auch der Zustand der Menschen war so« (Kästner 1974a, S. 155). Und trotz aller anschaulicher Differenzierung: Im Kern sieht Kästner das Problem in der Gottlosigkeit (ebenda, S. 155): »Ausgehöhlt …«. »glaubenslos«, »heillos, ausgesetzt und verwirrt«. »Mitten im Abendland« »wuchsen rapide die Wüsten.« (Ebenda) Die profane Welt erscheint rettungslos. An einigen Stellen scheint Differenzierung und in der Folge Hoffnung auf. Dennoch: Kästner baut sich quasi seine eigene Zwei-Reiche-Lehre123, ein theologischer Diskurs vor allem des 20. Jahrhunderts, der differenzierte Strömungen der Deutung in langer geschichtlicher Dauer aufweist124, auf. Staat und Glauben werden wie Äußerlichkeit und Innerlichkeit – in verschiedensten Figurationen – getrennt und doch wieder aufeinander bezogen. Kästner verkörpert nun durchaus jene Innerlichkeit, die Troeltsch125 als protestantisch herausarbeitet. Aber Kästner verkörpert nicht die weltliche Autoritätshörigkeit, die hier ebenso ein protestantisches Korrelat ist. Insofern neigt Kästner nicht zur Kirche, sondern, um im religionssoziologischen Paradigma von Troeltsch zu bleiben, zur Sekte. Die Autoritätshörigkeit, die Kästner verkörpert, ist eine religiöse Haltung gegenüber Gott. Die Figuration wird kompliziert: Äußerlichkeit ↔ Innerlichkeit ↓ kritische Weltabgewandtheit im Sektenmodus : demutsvolle Innerlichkeit ≠ unkritische weltliche Hörigkeit im Kirchenmodus : demutsvolle Innerlichkeit.

119 | Vgl. auch die Erzählung bei Kaschnitz 1975, S. 63f. 120 | Dies ist hier dem Wüsten-Verständnis von Gerhard Nebel entgegengesetzt. Allerdings ist das Wüstenverständnis allgemein sehr polyvalent. 121 | Und aktuell vom Scheitern gefährdet. Dennoch: Schulz-Nieswandt 2012a. 122 | Vgl. nochmals in Schulz-Nieswandt 2012a. 123 | Lau 1962. Es ist nicht unbedingt ein Rekurs auf Luther (Lilje 1996) notwendig: Vielmehr die weitere – bis hin zu Troeltsch in seiner Arbeit von 1912 (Troeltsch 1994) reichende – Rezeptionsgeschichte ist relevant. 124 | Vgl. die Handbuchartikel von Anselm sowie Härle sowie Kroeger in TRE Bd. XXXVI 2004/2006, S. 776ff. sowie Herms in RGG Bd. 8 2005, Sp. 1936ff. 125 | Zu Troeltsch auch Dreschner 1991; Strohm 2008.

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Da-Draußen und hier bei mir im Innen. Diese Innerlichkeit ist zwar am Einatmen und Hören der kargen Landschaft Griechenlands als Ermöglichungsraum beim frühen Kästner gebunden. Aber die Landschaft wird zum Medium. Insofern verknüpft sich diese Innerlichkeit mit der im Römerbrief126, hier in der ReKonstruktion von Karl Barth, zugleich gefiltert durch die Hermeneutik durch Agamben127, mit der Offenheit des Menschen »unten« gegenüber der Offenbarung des Wortes des unverfügbaren Gottes »von oben«. Nicht das Tun, wenngleich Nächstenliebe immer thematisch bleibt, sondern das Hören des Wortes ist offenbarungsreligiös das Zentrum von Kästners Haltung. Die (mitunter auf Walter Benjamin rekurrierende) zeitontologische Hermeneutik des Römerbriefes bei Agamben128 stellt die entscheidende Frage nach der Bedeutung des Jetzt.129 Binäriken tun sich dabei auf, etwa solche der Dualität von Innen und Außen als Diesseits und Jenseits. Es stellt sich die Frage nach der Gestaltung der Welt als Aufgabe: aus der Kraftquelle des Glaubens heraus oder als Abwendungshaltung von der Welt weg? Kommt die Essenz des Menschen in der Welt zur Existenz? Oder ist im Lichte des Verlusts der ursprünglichen Vorgeschichte der Sündenwelt die Zukunft eine eschatologische Hoffnung, die das Jetzt und Hier in die Bedeutungslosigkeit hinein (besser: hinaus) eskamotiert? In der neutestamentlichen Debatte des 20. Jahrhundert130 blieb es kontrovers, ob die Eschatologie – und somit die Erfüllung – auf die Zukunft verweist oder ob das Jesus-Geschehen nicht bereits das entscheidende messianische Ereignis war und nun die Welt in diesem Lichte erfüllt ist. Erneut werden Variationen zur Zwei-Reiche-Lehre evident: Geht es um eine Vermittlung von Glauben und Tun in der Hybridizität beider Reiche im Hier und Jetzt? Oder geht es um eine strikte Trennung, wonach sich die glaubende Haltung zur Welt des Jetzt und Hier nur mit Ekel abwendend zuwenden kann? Dabei neigt Kästners einerseits in kritischer Haltung eben nicht zur Variante des Gehorsams gegenüber jeglicher weltlicher/kirchlicher Autorität: Dies ist ja die Haltung der konservativen (revolutionären/totalitarismuskritischen) Kritik an dem Jetzt und Hier der Daseinsführung, in der die Essenz nie zur eigentlichen Existenz kommen kann. Wahrheit ist nur außerhalb der sozialen Wirklichkeit zu finden. So sah es schon Luther infolge von 1, 16 und 17 Römerbrief; in der Gnade, nicht im guten Tun ist der Mensch von Gott gerechtfertigt. Gleichwohl bleibt im Römerbrief das Gebot der Nächstenliebe (13, 8-10). Auch bei Kästner tauchen Figuren der Gabe und der Gastfreundschaft auf; aber es sind Inseln im Strom eines eher nichtenden Daseins der Uneigentlichkeit ohne Glauben in der Offenbarung des unverfügbaren Gottes.

126 | Dazu Balz in TRE Bd. 29, 1998/2006, S. 291 – 311. 127 | Agamben 2006. 128 | Dazu auch Zizek 2003, S. 109ff. 129 | Vgl. dazu Zizek 2003, S. 142f. 130 | Dazu instruktiv Gibellini 1995. Vgl. auch Fischer 2002.

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Nun liegt dies wohl in der spezifischen Art der Frömmigkeit von Kästner begründet. In die Kultur- und Psychogeschichte der Frömmigkeitsformen will ich nicht eintauchen. Kästner neigt zu einer Form der mystischen Meditation, auch hier vor dem Hintergrund eines Variationsreichtums in der Geschichte der Mystik.131 Nun ist Kästner wiederum auch kein traditioneller Kirchenmensch. Seine Kritik der Welt der Massenorganisation impliziert auch hier eine eher ablehnende Haltung. Deutlich wird, dass er zur Religiosität neigt, ohne theologische Systeme anzuvisieren. Dies wiederum fügt sich seiner Kritik aller akademischer Welten, der Wissenschaft insgesamt. Dennoch impliziert seine Frömmigkeit verdeckt – kryptisch – Theologismen. In diesem Sinne habe ich soeben Beziehungen zu Variationen über die Zwei-Reiche-Lehre i. V. m. einer entsprechenden Römerbrief-Auslegung angedeutet. Und im Prisma dieser Kästner-De-Konstruktion durchzieht meine Analyse eine konstatierte Differenz etwa zu Tillich und Guardini. Die zeitgeschichtliche Kulturkritik von Guardini, der auch von Totalismus sprach132 – sie ist überall präsent, auch im Nachwort von Guardini zu seiner Hermeneutik von »Rainer Maria Rilkes Deutung des Daseins«133 – hat Kästner gekannt. Aber Guardini war ihm wohl wiederum immer noch zu sehr der Welt zugewandt, zu sozialreformerisch, wie ich meine (Guardini 1982). Tillich wäre dem Anti-Kommunisten134 Kästner sicherlich ohnehin zu sozialistisch. Auch dann, wenn Kästner hinreichend zu differenzieren vermochte und in diesem Sinne ein angemessenes Rezeptionsverständnis von Tillichs freiheitlichem religiösen Sozialismus gehabt haben sollte, bleibt ihm diese Weltbezogenheit letztendlich fremd. In psychodynamischer Sicht ist diese Abwendung von der Weltgestaltung nicht unproblematisch, denn zur Wahrheit des personalen Seins gehört fundamental die Weltoffenheit und die partizipative Haltung zum Gemeinwesen. Diese mag Kästner privat gekonnt haben; die Partizipation am öffentlichen Raum im Sinne einer politischen Theorie des Gemeinwesens blieb ihm als Geistverwandter zu seinen Gesprächspartnern aus der Tradition des revolutionären Konservatismus versperrt. Die moderne Massendemokratie kam auch bei ihm eher schlecht weg. Überhaupt konnte er mit dem organizational man kaum etwas Positives verbinden. Da ihm, auch dies ein Aspekt einer Psychodynamik des normalen Partizipationsbedürfnisses des Menschen, jedoch trotz dieser unpolitisch-politischen Haltung ein soziales Anerkennungsbedürfnis eigen ist, partizipierte Kästner in ausgewählten kultur- und literaturbetrieblichen Kreisen und spielte dort eine Rolle des bereits älteren-weisen Kommentators und Laudators. Diese Privatisierung135 ist eine liminale Haltung zur Welt, bei Ernst Jünger dabei durchaus borderline

131 | Hier darf auf die phänomenologische Analyse von Walther (1955) verwiesen werden. 132 | Wechsler 1973, S. 127. 133 | Guardini 1996, S. 372ff. 134 | Vgl. zu dieser Kategorie Creuzberger 2014. 135 | Instruktiv als Analog-Studie die Dissertation von Hoffmann (2002) zu Friedo Lampe.

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Formen annehmend.136 Sie zentriert sich um die Geste eines intellektualisierten – nicht affektpsychologisch fassbaren – Ekels angesichts der elenden Welt. In seinem Werk sedimentiert sich dies im Modus einer Tiefeneinschreibung als literarische Strategie. Seine Krypto-Theologismen werden nicht erst in einer Differenz zu Tillich und Guardini deutlich. Ich möchte also einen Habitus zu bestimmen versuchen, der diese Diagnostik mischt mit Elementen der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung und narzisstischen Neigungen in Verbindung mit einem melancholisch-heroischen Haltungstyp. Insofern liegt es nahe, sich am F61-Typus der ICS-10-Klassifikation zu orientieren (vgl. auch Barnow 2008). Die Phänomenologie diagnostischer Merkmale ergibt die Möglichkeit, hier eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zu erkennen. Da es sich hierbei um ein gestörtes Verhältnis von Selbst und Weltbezug handelt, verdichtet sich dieses Bild einer Persönlichkeitsstörung auf den Begriff eines cartesianischen Eskapismus. Genauer lässt sich der neurotische Haltungstyp als benpahm-Phänomen benennen. benpahm setzt sich zusammen aus Elementen des Borderlinen, des Eskapismus, des Narzissmus, des Passiven, Aggressiven, Heroischen, Melancholischen. Der privatistische Eskapismus darf nicht als einfacher sozial unproduktiver Narzissmus verstanden werden.137 * Auch in der Differenz zu einer messinanischen, nicht auf zukünftige Apokalypse ausgerichteten Auslegung des Jesu-Geschehens138 – in Agambens Römerbrief-Exegese: »Die Zeit, die bleibt« – bei Moltmann wird die Differenz prägnant. Denn bei Moltmann – abgeschwächt auch auf katholischer Seite etwa bei Schillebeeckx 139 – geht es bei allem heilsgeschichtlichen Überschuss seiner Theologie um die Sozialreform der Welt im Lichte sozialer Gerechtigkeit einer demokratisierten Welt.140 Momente messianischen Erlebens im Fest der Sabbatzeit141, wie sie Moltmann darlegt, tauchen nun auch in der Prosadichtung von Kästner auf: Dort nämlich, wo er von Gabe-Erleben und Gastfreundschaftsgeschehen erzählt. Doch diese tief beindruckenden Passagen dominieren im frühen Werk, verflüchtigen sich zur 136 | Diese Interpretation geht auf die noch nicht veröffentlichte Habilitation von Harald Weilnböck (»Borderline literarische Interaktion am Beispiel von Ernst Jüngers Kriegsschriften«) zurück: www.weilnböck.net. Einen entsprechenden Aufsatz hat Weilnböck publiziert in Hagestedt 2004. 137 | Die Narzissmus-Theorie hat u.a. seit Kohut (Butze 1997) differenzierte Vorstellungen entwickelt (u.a. Kohut 1976 im Lichte der späteren Weiterentwicklungen in Kohut 1993). 138 | Moltmann 1994, S. 96ff. 139 | Schillebeeckx 1979, S. 43ff. 140 | Moltmann 1994, S. 25ff. 141 | Moltmann 1994, S. 103.

Zwischen Dionysos und ORDO

Marginalie. Zwar mag noch manchmal von der Nächstenliebe die Rede sein. Aber das wahre Leben findet nur noch in ausgewählten Kurzmomenten im höchst privat-elitären Kreis gleichgesinnter Konservativer statt. Bei Wein, während – wie bei Nebel – über den sozialen Wohnungsbau gelästert wird. Damit verflüchtigt sich die urchristliche Bindung des Weines an dem archetypischen Geschehen der Gabe, wie sie sich aus dem Opferkult zur alltäglichen, profanen Nächstenliebe als Mahlgemeinschaft transformierte. * Und an dieser Stelle kommt ferner erneut die Kategorie der Demut angesichts des Staunens in der Offenbarung Gottes bei Kästner zur Wirkung. Auch hier klären Handbuchartikel142 wie neuere komplexe Studien143 schnell über die Vielfalt der Sinnschichten in einer historischen Hermeneutik der Kategorie auf. Unsere moderne kritische Haltung zur Demütigung ist hier keineswegs durchgängig gemeint, wenngleich sie als soziale Pathologie immer wieder in der Geschichte thematisiert wird. Das Gegenteil von Demut ist Hochmut; dies ist unerwünscht, folglich muss Demut positiv besetzt sein. Demut ist Nicht-Hochmut, also Bescheidenheit. Doch gibt es bekanntlich auch falsche Bescheidenheit. Vor allem darf Demut nicht als De-Mut, also als Entmutigung verstanden werden. Bringt doch Tillich gerade den »Mut zum Sein« ins Spiel des sozialen Dramas ein. »Mut zum Sein« ist notwendig, wenn das Wagnis (u.a. so von Peter Wust bezeichnet) des Seins vom Menschen eingegangen werden soll. Denn die Kehrseite der Freiheit dieser existenzialen Entscheidung ist das Risiko des Scheiterns. »Falsche Demut« ist demnach nicht gemeint. Sogar in der kritischen Psychologie bei Erich Fromm findet sich die Haltung der Demut als Teil einer Kunst des Liebens als Überwindung sozial schädlichen und letztendlich auch selbst-destruktiven Narzissmus.144 Dennoch bleibt bei aller tugendethischer Rezeption der Demut (wie bei Bollnow145) als sozial gedeihliches Gegenteil der Hochmut: Demut wurzelt im extremen Gehorsamsautoritarismus in Bezug auf die vertikale Architektur von Gott (»oben«) und Mensch (»unten«): eine extreme Metaphysik der Vaterschaft gegenüber der Kindheit der Menschen. Es ist eine väterliche – sakral-königliche – Liebe als Herrschaft im Modus hierarchischer Asymmetrie. Kästner war, folge ich Albert von Schirnding (im Vorwort zu Hiller von Gaertringen 2004a, S. 5), von einem starken Freiheitsdrang geprägt, wonach ein

142 | Vgl. die Handbuchartikel Preuß sowie Awerbuch sowie Rehrl sowie Mühlen sowie Radler in TRE Bd. XIII 1981/1993, S. 459ff. 143 | Feldmeier 2012 sowie Becker 2015. 144 | Fromm 2015. 145 | Bollnow 1958a, S. 122ff.

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starkes Bedürfnis nach Sicherheit146 (wie bei Gerhard Nebel) bereits den sozialen Tod bedeutet. Diese Sicht folgt die Grammatik neo-liberalen Denkens. Sozialer Tod meint in diesem Verwendungskontext jedoch nicht wie in der Ethnologie die soziale Ausgrenzung, sondern den Verlust des männlichen Heldentums, das Leid zu ertragen. Daher ist dies ein ganz zentraler Sichtungsbefund: Dieses psychodynamische (Un)Gleichgewichtsproblem bei Kästner mag mit erklären können, wie Kästner eine Abneigung gegenüber den sozialen Formprinzipien moderner Daseinsvorsorge ausbilden konnte. Von den Ämterstrukturen modernen Verwaltungslebens hin zur Metapher des Leviathan147 (ganz analog zu Gerhard Nebel) stellen bei Kästner nur kurze Wege dar. * Die Griechenland-Sehnsucht ist allerdings (auch) psychodynamisch gut zu verstehen, gerade auch im Kontext der Krise der Moderne von ihren Anfängen an. Die Suche nach Arkadien ist archetypisch und sitzt psycho- wie kulturgrammatisch tief verankert in der Existenzproblematik des Menschen. Wahrheit ist nicht Wirklichkeit148. Die kollektive Problematik – sicherlich nicht nur – des 20. Jahrhunderts ist vielmehr: Daseinsqualität überhaupt erst suchen! Die Angst149 (Wilhelm Worringer150) treibt die Abstraktion voran, weil nur so der Naturalismus expressiv überwunden werden kann. Gauguin und die anderen Patronaten des 19. Jahrhundert fundierten dazu eine epistemische Sattelzeit151. Dionysische Transgressionen als Hinwendung zum ganz Anderen sind so zutiefst plausibel; die gestalterische152 Rück-Hinwendung zur sozialen Wirklichkeit, diese selbst etwas zu transgressieren, sollte als apollinische Dimension der 146 | Dies ist verwandt zur traditionsreichen sozialpolitiktheoretischen Diskursfigur {Freiheit versus Sicherheit}. Klassisch dazu Kaufmann 1970. Ebenso klassisch die kulturelle Theorie des Risikos bei Douglas/Wildavsky 1982. 147 | Dazu auch Manow/Rüb/Simon 2012. Zu den Metaphern Drache/Schlange, aber auch zu Leviathan und Behemot etc. vgl. religionsgeschichtlich auch Wilms 1987. 148 | Hofmann (1987) rekurriert vor allem auf Fiedler. Ich nehme daher vor allem auf die Lektüre von Fiedler (1977) Bezug. Von daher kann ich diesen Rekurs gut nachvollziehen. Bei Fiedler ist in der Tat viel herauszuholen. 149 | Koch 2013. 150 | Vgl. die Einleitung von Claudia Öhlschläger in Worringer 2007, S. 13-42 sowie die dort angeführte Sekundärliteratur. Vgl. auch Gramaccini/Rößler 2012. 151 | Koselleck 1972, S. 14f. 152 | Kästner (Hannah Arendt [vor allem Tömmel 2013] wäre hier natürlich eine Referenz: Breier 2011 sowie Heuer 1987) differenziert nicht anthropologisch und soziologisch zwischen Arbeit (Füllsack 2009) allgemein und in entfremdeter Form. Zum Leistungsprinzip vgl. Distelhorst 2014.

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menschlichen praxis dabei jedoch nicht verloren gehen. Kästner (1974, S. 205f.) persifliert die Arbeit (»Pathos des Berufs«), den »Rauschtrunk der Leistung«, die »Fortpflanzungsfreude« als »Fortsetzung der Erbsünde« etc. Zwar spricht er vom »Werk«, aber Alles scheint ihm von ungesättigtem Erfolgszwang geprägt. Das Werk ist »Rechtfertigung aus Eigenem«; alles andere sei heteronom? Kommt hier wieder der einsame Künstler als Eremit seiner Gesellschaft zum Ausdruck? An anderer Stelle entwertet Kästner auch den Werk-Begriff: »Das Werk, das Werk. Der Götze, den alle im Osten und Westen anbeten.« (Kästner 1974, S. 241) Kunst und Politik der polis sind zwei Modi menschlicher praxis, die nicht gegenseitig auszuspielen sind. Dionysos ohne Apollon ist Regression; Apollon ohne Dionysos ist Verlust sozialer Phantasie als die Kreativität des Traums einer besseren Welt. Für – durchaus sehr bedeutsame – Momente ist Kästners Epoché – durchaus im Sinne von Husserl – als Zugangspfad zur urgriechischen Daseinserfahrung transzendental (im Sinne von Kant) notwendig; aber eine Rückkehr in die soziale Wirklichkeit bleibt ebenso notwendig. Und sie unterbleibt bei Kästner. Unberührt davon mag es sein, dass Kästner privat ein sanfter Mensch gewesen sein mag. Die Differenz von theologischer Härte und privater Geselligkeit kennt man auch von Barth, dessen schizoide Eigenschaften psychodynamisch evident gemacht worden sind.153 Die Tiefenpsychologie des Reisens154 hat gelehrt, dass das Reisen eine Suche nach der Wahrheit der Daseinsführung und somit eine Suche nach der eigenen personalen Identität ist. So ist schon die Odyssee155 psychodynamisch zu lesen (Resch 2012). Aber letztendlich ging es auch bei Odysseus um die unabdingbare Rückkehr zu Penelope, also nicht um ein Verbleiben in der Alterität.156 Wobei sich die Rückkehr in die Identität (I) über die Alteritäten (A) der Reise (R) hinweg als Transformation (Reifung) der Identität (I*) erweist: R: I → A → I*.

153 | Dazu Schildmann 2006. 154 | Schulz-Nieswandt 2015. 155 | Gehrke/Kirschkowski 2009; Sarischoulis 2008; 2008a; Renger 2011. 156 | Dergestalt lese ich die Odyssee (Clarus 1997) psychoanalytisch (vgl. auch Resch 2012). So wird – metaphorisch – das Leben, wie schon im Mythos des Odysseus (Andreae 1982; Matzig 1949; Luther 2005), mythospsychologisch gelesen (Valcarenghi 1998), zur Reise als Selbst-Findung (mittels Wandlungen: Kuhn 2003), zur Reise in die Ferne als Rückkehr in die Heimat (Clausen 2010). Und genau deshalb bleibt Odysseus für alle zukünftigen historischen Zeiten ein »wahrer« Mythos: eine Geschichte vom Reisen als labyrinthische (Gehring 2013) Heimkehr (Röttgers 2013; zum Motiv der Heimkehr auch Frenzel 1988, S. 328ff.) des sich im Anderen als der Andersheit suchenden Menschen. Heute ist das Labyrinth daseinsthematisch auch zu einem Erzählmodell geworden: Schmeling 1987. Ich verweise nur auf James Joyce. Die Sekundärliteratur dazu ist Legende.

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Diese Oszillation von Reisen, Grenzüberschreitung und Rückkehr in die Heimat geht tendenziell bei Kästner regressiv verloren. Gleichwohl hat Kästner lange Zeit vergeblich versucht, mit Heidegger nach Griechenland zu reisen. Die Erfahrung ur-griechischer Daseinsführung mag allerdings157 eine Kraftquelle sein, aus der heraus der Mut geschöpft wird, sich der wirklichen Welt zuzuwenden und diese aus der Lichtmetaphysik der Ur-Liebe, gebrochen im Prisma der sozialen Gerechtigkeit von Logos und Nomos der polis, als politische Aufgabe, ich greife in Analogie zu Heideggers ontologischer Differenz nochmals die politische Differenz des Politischen und der Politik158 auf, anzunehmen. Findet man im Werk von Göran Schildt bei aller (aber auch eben nicht nur auf die Ägäis zentrierten159) Erfahrung einer Daseinserlebniserweiterung, hier nun im Kontext der archaischen Einfachheit griechischen Lebens immer auch aktualisierende Reflexionen, so wird dabei doch immer wieder auch – eine skandinavische Mentalität des sich entfaltenden nordischen Wohlfahrtsstaates zum Ausdruck bringend – der Segen moderner Infrastruktur für den Alltag der Menschen reflektiert. Das verhält sich auch im Bericht über das Leben auf Leros so160. Anders Kästner (1974c, S. 120), der ohne Sinn für die bleibende Ambivalenz der Bezüge zu Richard Wagner161 schreibt: »So ist es: Faust wird erlöst und fährt auf und Wagner, Wagner blieb uns erhalten. Was er in Fausts verlassener Gelehrtenstube betrieb, hatte Folge. Mit Wagner leben wir weiter, mit Faust nicht; Faust, dessen Modernität auch auf Landgewinnen, Urbarmachen, Deichwesen und Kanäle beschränkt, uralte Künste, schon im Zweistromland und bei den Ägyptern zu lernen: Faust, eine rückwärtsgewandte Figur der Romantik. Während Wagner den Menschen herstellt. Die Neuzeit beginnt mit Wagner. Er ist der Ahn dieser sanften Gelehrten, die ungeheure Explosionen erzeugen, dann bei Seite treten, still lächeln und blauäugig in Forscherunschuld verharren, betrogene Diktatoren der Neuzeit.« Kästner (1994, S. 60) versucht mit dieser Stellungnahme die neuzeitliche Subjektphilosophie (als »In-Frage-Stellung aller abendländischen Entwicklung seit Renaissance und Reformation« als inakzeptable »Grenzüber157 | Ich paraphrasiere nochmals die Onto-Theologie von Paul Tillich: Schulz-Nieswandt 2009. 158 | Dazu auch in Schulz-Nieswandt 2015a. Ferner Marchart 2011. 159 | So denke man an die Nilfahrt (Schildt 1963) oder an die Fahrt ins Mittelmeer durch die Flüsse und Kanäle Frankreichs (Schildt 1956). 160 | Schildt 1978. Leros kommt bei Kästner (1975a, S. 145) dagegen schlecht weg. 161 | Voss 2012; Friedrich 2012. Zu Wagner und Hitler: Werr 2014. Vor diesem Hintergrund auch einzuordnen: Vaget 2006. Im Rahmen einer psychosemiotischen Analyse der Melancholie wird gerade die Musik zur Ausdrucksform der bipolaren Spannung, da hier Produktivität, Kreativität, Individualität – bis hin zum Manischen – möglich wird. Dazu in Häfner 2014, auch in Frömming 2015. Ich würde fortsetzen: In der Musik kommt es – der langen Debatte um die tiefen schöpferischen Kräfte des Depressiven folgend – zur Transformation der Depression zum Manisch-Depressiven.

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schreitung«)162 überhaupt zu treffen, also das faustische »Überschreiten der menschlichen Grenzen«, die »Vermessenheit, die den Menschen verführt, den Schöpfer nachahmend, ins Hybride zu gehen, ganz so wie Prometheus, der nach Art der Götter Menschen erschuf und der ja nichts anderes ist als ein anderer Faust.«163 An anderer Stelle führt Kästner (1990, S.  65f.) Daidalos164 als Ingenieur an (Kästner 1973a, S. 121). So habe ich in erster Lesung die Faust-Wagner-Passage verstanden. Bei zweiter Lesung kommen Fragen auf. Das ist nicht selten. Manche Passagen in Texten von Kästner sind schwer interpretierbar. War Faust165 die alte Figur der rationalen Fortschrittsingenieurwissenschaft, so beginnt der Text doch so: »es ist Wagner gewesen. Nicht Faust, der den Homunculus machte.« (Kästner 1974c, S. 119). Wagner sei der Grenzüberschreiter, der die schreckliche Neuzeit gebracht hat. Das steht quer zur wissenschaftlichen Rezeptionsgemeinschaft. Faust bahnte doch bereits diesen Pfad in die neo-titanische Neuzeit, in der der Mensch als homo faber den Mythos des Prometheus zu leben begann. Faust war der Beginn der Neuzeit; Wagner war sicherlich eine besondere Variation im Lichte der Krise dieser Moderne. Insofern stimmt mein Verweis auf die fehlende Sensibilität für Wagners Ambivalenz nicht ganz; einerseits; andererseits wird Faust ja als altmodischer (romantischer), aber eben dann auch banaler Denker der technischen Sorgeinfrastrukturen fixiert. Faust: ein Übel, Wagner: der Überstieg des Übels zur übelsten Übelei? Nicht immer bringt uns Kästner in die Lichtzone, manches bleibt eher schleierhaft (vgl. etwa auch Kästner [1974c, S.  53f.] zu Apollon, Kästner 1974c, S. 108ff. zur Hekate). Kästner (1994, S. 90f.) zieht einen engen Schluss von der »Selbstherrlichkeit des Menschen« zum »Einbruch der barbarischen Welt in Gestalt des Nationalsozialismus«. Die Moderne als Prometheus166 wird hier als Romantik uralter techne gedeutet. Die neue Neuzeit167 entsteht durch Hinwendung zum Menschen, 162 | Dazu und zu Goethe: Heimerl 2001. 163 | Zu Faust vgl. auch Eibl 2000. 164 | Koerner 1983. 165 | Gerber-Münch 1997. 166 | Blumenberg 2006, S. 327ff.; Balthasar 1947; Vaupel 2005; Storch/Damerau 1995; Bapp 1993. Prometheus hat dem Menschen, das ist die Problematik (Bammé 2011), eine dialektische (ambivalente) Ressource (Produktivkraft) zur Verfügung gestellt. Sie war von Anbeginn geprägt von einer verbotenen Grenzüberschreitung, die der Heros begangen hat: Die Kluft zwischen den Göttern und den Menschen ist erodiert worden; die Strafe folgte unmittelbar. Auch hier ist die Analogie zur Genesis (von anderen altorientalischen Mythen abgesehen) kaum zu übersehen. 167 | Warum setzte sich Kästner nicht offensiver und gründlicher mit Guardinis Kritik der (Macht in der) Neuzeit auseinander? Es kannte diese Arbeit von Guardini.

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der zu seiner Wahrheit der Daseinsführung zurück findet. Kästner müsste dann vor allem Unverständnis gegenüber dem Futurismus168 gehabt haben. In diesem Sinne reflektiert Kästner an anderer Stelle über Dionysos, Maske169 und persona (Kästner 1974b, S. 84ff.).170 »Die Geschichte des Wortes Person ist die Geschichte des Selbstbewußtseins des Menschen.« (Kästner 1974b, S.  87)171 Mit Bezug auf Goethe172 macht Kästner dort die Differenz auf zwischen Selbstbewusstsein des Menschen einerseits und der »Parole der Selbstbestimmung« andererseits (dort S. 87). Faust und Wagner werden struktural analog zu Apollon und Dionysos kontrastiert. * Maske und Maskierung sind von durchgängiger Bedeutung im Werk von Kästner (etwa auch in Kästner 1994, S. 20, S. 84, S. 128). Dabei kommt keineswegs die positive Bedeutung der Maske zum Ausdruck173, nämlich Modus der transgressiven Ekstase zwischen Identität und Alterität sowie des Transzendenzerlebens zu sein. Das ist eine weitere Schwachstelle bei Kästner. Maske wird eher im Sinne profaner Rollen-Soziologie (man lese die 1 ½ Seiten »Der Tod vor dem Tod« in Kästner 1990, S.  22f.) verstanden und steht im Kontext von Kästners Kritik der Massenmenschen. Oder es geht um die vielen Mask(ierung)en des Dämonischen174, womit eben diese Massengesellschaft – »Dumm wie alles, was in Massen auftritt, bewegt sich das tausendköpfige Tier wie Tang hin und her.« (Kästner 1974a, S. 176) – gemeint ist. *

168 | Martin 2005; Chiellino 1978. 169 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 63, S. 136; Schulz-Nieswandt 2010a, S. 119ff.; Otto 1996, S. 81: »Dionysos aber ist der eigentliche Maskengott.« 170 | Die etruskisch-römischen Sprachwurzeln der Maske in persu und persona verweisen auf eine soziale Praxis kultischen Theaters, die als inszeniertes Drama integrierter Teil des normalen Sozialgeschehens von Wandlungen zwischen Identität und Alterität im örtlichen Zusammenleben der Menschen waren. Es handelte sich nicht um das spezialisierte, professionalisierte (theaterwissenschaftlich selbst-reflexive) Theaterwesen der Moderne, die als hochkulturelle Sonderinstitutionen in eine Marktsituation von Angebot und Nachfrage eingelassen ist. Das Thema zieht kulturwissenschaftlich aber noch weitere Kreise: Hüls 2013 sowie z.B. auch Weihe 2004. 171 | Das hat Helwig 1960 (Helwig 1979, S. 250ff.) breiter und tiefer thematisiert. 172 | Vgl. auch Saße 2010. 173 | Zur Arbeit von Masken bei James Ensor vgl. Finckh 2008 sowie Kunstmuseum Basel 2013. 174 | Lichtenberger/Lange/Römhild 2003.

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Eine dem Menschen entfremdete Wirklichkeit wurde in der Kunst der Krise der klassischen Moderne nochmals verfremdet. Sei dies geschehen im Kubismus175 vor dem Ersten Weltkrieg oder im dunklen Expressionismus im Lichte des Ersten Weltkrieges und seinen Folgen, sei es in der Provokation des Dadaismus und dann in dem (bei Dalí ebenso provokativen, weil mit Spott [Kästner 1973a, S. 178] arbeitenden) Surrealismus, der im Lichte der Psychoanalyse tief grub und ebenso Dunkles176 hervorbrachte. In einem gewissen, dialektischen Sinne gilt diese Verfremdung der Entfremdungserfahrung auch für den Jugendstil177. Denn hier verdrängte man die Wirklichkeit völlig, um die Utopie einer neuen Welt der Schönheit zu verfolgen. Eine Parallelentwicklung war der Jugendkult. Die ikonographisch-ikonologische Kunstgeschichte178 als objektive Hermeneutik des Dokumentensinns der Werke spiegelt nur, was insgesamt Reflexion des status quo der niedergegangenen bürgerlichen Epoche war: eine kritische Zerlegung des menschlichen Seelenlebens und dergestalt – wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde179 – eine tiefe, das Tier im Menschen – selbst ja nur ein höheres Tier seiend – de-chiffrierende Kulturkritik. 1945 war diese alte Welt tatsächlich zertrümmert180. Vollendete sich die Moderne nunmehr, verspätet, Phönix-artig181 aus den Trümmern auferstanden? Die traumatischen Spuren saßen tief. An diesen tiefen seelischen Einschreibungen scheiterten menschlich Paul Celan ebenso wie Ingeborg Bachmann182 . Und Adorno’s nicht ohne den ihm eigenen Pathos vorgetragene Formel, nach Auschwitz sei keine wahre Kunst mehr möglich, wurde in einem komplexen Diskurs, indem Adorno seine Position selbst etwas variierte, daseinsthematisch debattiert183. 1968184 wurde, unabhängig von den zutiefst eigenen (mitunter verhängnisvollen) 175 | Ganteführer-Trier 2009. 176 | Waldschmidt 2011. 177 | Sembach 2014. Vgl. auch Sternberger 1977. 178 | Büttner/Gottdang 2013; Straten 2004, S. 15-36 sowie Kopp-Schmidt 2004, S. 44-60. 179 | Dierkes 2009. 180 | Entsprechend wurde die Nachkriegsliteratur (Barner 1994) auch aufgrund ihres literaturepochalen Stiles als Trümmerliteratur bezeichnet. Die Werke mündeten in einem einfachen und knappen Stil. Einflüsse auf die Gruppe 47 (Arnold 2004; Böttiger 2012; Braese 1999; Meyer 2013) waren gegeben. Daseinsthematisch ist die Parallelität von 1914ff. und 1945ff. evident: Das einsame Herumirren des Menschen in seinen Trümmerwelten. Ausgeprägt war die Thematisierung der Individual- und Kollektivschuld. Vgl. auch Schütz/Hardtwig 2008 sowie Siebenpfeiffer/Wölfel 2004. 181 | Vom altägyptischen Benu hergeleitet: Phönix – als mythischer Vogel verbrennt und steht aus der Asche wieder auf. Vgl. in Bellinger 2012, S. 399. Vgl. auch Broek 1972. 182 | Albrecht/Göttsche 2013; Höller 2009; Schmaus 2014. 183 | Kiedaisch 1996. 184 | Gilcher-Holtey 2008.

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Ambivalenzen der 68er-Bewegung, evident, dass die nachgeholte Moderne eine Chimäre war.185 Wie ordnet sich nun Kästner in einer solchen Nachkriegsrekonstruktionsphase (ein Terminus, der auch für die wirtschaftsgeschichtliche Erklärung des »Wirtschaftswunders« genutzt wurde186) ein? Man wird sich die Kontrastlandschaft nochmals vorstellen müssen, wenngleich es nicht fair ist, Kästners Prosadichtung in den ästhetischen Vergleich zu stellen. Zu verweisen ist auf Ingeborg Bachmann und Paul Celan187. Celan ist von Kästner (Kästner 1994, S. 152ff.; 2004, S. 121ff.; 1973, S. 50ff.) ja reflektiert worden188 in seiner Laudatio im Rahmen der Verleihung des Bremer Literaturpreises 1958189. Dabei sind Bachmann und Celan eben auch in ihrer Wechselbeziehung190 zu verstehen, reflektieren die epochale Zivilisationskrise im Kontext des 2. Weltkrieges so, wie es der Expressionismus191 bis hin zum (ethnologisch am »Primitivismus« ebenfalls inspirierten) Surrealismus im Kontext des 1. Weltkrieges getan haben.192 Mit Blick auf Max Ernst bleibt die Position von Kästner eher unsicher: Max Ernst zu rühmen »wird nicht ganz leicht sein, denn ich verhehle mir nicht, nicht allen kann diese schwermütige, verrätselte, unvernünftige, hochpoetische, wie alle Kunst dieses Jahrhunderts im Unheimlichen beheimatete Kunst gefallen.« (Kästner 2004, S. 83)

185 | Der (selbst zwischen Erhellung und erneuter Selbstverdunkelung wirkenden) Kulturrevolution dieser Zeit verdankt die weitere Kultur-, Mentalitäts- und Politikgeschichte der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig viel. Dass dies kein widerspruchsfreier Prozess war und ist, ist klar, eigentlich auch nicht überraschend. Die Entwicklung ist voller Ambivalenzen, paradoxalen Erscheinungen und von Gleichzeitigkeiten der Befreiung wie der Regression begleitet. 186 | Abelshauser 1983. 187 | Emmerich 2006; May/Goßens/Lehmann 2012. 188 | Wobei der Stellenwert von Kästners Rezeptionsweise innerhalb des möglichen Spektrums (Meinecke 1970) hier nicht eingehend bewertet werden soll. 189 | Später hielt Kästner auch eine Rede anlässlich der Vergabe des Fontane-Preises an den noch jungen Uwe Johnson (Grambow 1997; Leuchtenberger 2010) für dessen »Mußmaßungen über Jakob«. Vgl. Kästner 1994, S. 174ff.; 2004, S. 111ff.; 1973, S. 59ff. Erwähnt wird diese Rolle von Kästner in der Johnson-Literatur nicht unbedingt: so etwa nicht in Gambow 1997. 190 | Wimmer 2014. 191 | Nicht aufzugreifen ist hier – ebenso wie Edward Hopper (1882-1967) – der abstrakte (durchaus inhaltsschwer interpretierbare) Expressionismus (Heß 2009) später etwa bei Jackson Pollock (1912-1956): Emmerling 2013. 192 | Fondation Pierre Arnaud 2014. Am Werk von Max Ernst (1891-1967) könnte man sogar die übergreifende Reflexionsachsen personalisiert fixieren: Fischer, L. 2013. Vgl. auch Beßling 1999 zur Zivilisationskritik in der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert.

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Und reflektierte diese Avantgarde193 auch die Folgen des 1. Weltkrieges im Zuge der politischen, sozialen und kulturellen Krise des Weimarer Zeit194, so erinnerte sich der imaginative Realismus der Nachkriegszeit nach 1945 nicht nur der Hölle der Zeit vor 1945195, sondern reflektierte ebenso die Folgezeit – als eine unvollkommene kollektive Bewältigungszeit. Und so thematisierte auch die Literatur nach 1945 das entfremdete Elend der menschlichen Existenz, wenngleich sich stilgeschichtlich ein magischer Realismus als Poetik der nicht-einfachen Erzählung des Alltäglichen196 erst allmählich herausbilden musste197, nachdem – ich sprach es weiter oben in Bezug auf Adorno’s Ästhetische Theorie bereits an – die schmerzhafte Vergewisserung darüber einer Klärung zugeführt worden ist, wie nach Auschwitz Kunst noch heiter sein kann. Katastrophen und die Identität der »letzten Menschen« bleiben dauerhaft ein Thema der Literatur. Also: Wie muss die Prosadichtung von Kästner vor dem Hintergrund einer solchen Problemlandschaft positioniert werden? Der Vorwurf neo-romantischer Weltflucht – ohne Validierung – wäre zu kurz, wenngleich dies ein Wesensaspekt angesichts der Hinwendung zur klösterlichen Meditation darstellt. Die Verdrängung der Historie, damit verbunden auch die eigene chronotopische198 Kastration von Kästner, habe ich m.E. angemessen kritisch angesprochen. Dazu entgegen ist Kästner in Bezug auf Hermann Hesse199 (Kästner 1994, S. 17)200 anzuführen. Aber derartige Passagen im Werk von Kästner reichen nicht hin, diese kritischen Einschätzungen zu revidieren. Ich habe dies aber auch psychodynamisch eventuell als Voraussetzung einer ontologischen Suche einer Daseinswahrheit jenseits epistemischer Wahrheit des homo 193 | Berg/Fähnders 2009; Fähnders 2010. 194 | Wacker 2013. 195 | Baer 2002. Zu Baudelaire vgl. auch Ross 1993. 196 | James Joyce war eine wichtige Rezeptionsquelle, denn dort wirkt alles auf der ersten Oberflächen als Replikation der alltäglichen Prozedur, ist sodann tiefergründig und im Lichte der Arbeit am Mythos zu de-chiffrieren. Dann wird auch die architektonische Aufhängung an der Odyssee verständlich, denn Odysseus war ein Menschentyp zwischen Liebe (Heimkehr zu Peneleope) und Mut zum Abenteuer (Reise). Daher ist die Transformation der Relationen Furcht : Haß → Mut : Liebe entscheidend. 197 | Vgl. zur Nachkriegslyrik auch Lampart 2013. 198 | Bachtin 2008. 199 | Decker 2013; Schwilck 2013. Spezieller zum Zentralproblem von Diastole und Systole bei Hesse, hier mit Blick auf Statuspassagen: Kouagou 2011. Dazu vor allem auch Bieliková 2007. 200 | Dort: »Man muß wohl in den Tessiner Bergen am Luganer See wohnen, um die Dinge so zu sehen.« Dagegen Kästner (ebenda): »Niemals kann es darauf ankommen, Erlebnisse dieser Art zu vergessen.«

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faber im Gestell201 der uneigentlichen Seinsvergessenheit als Daseinsverfehlung klassifiziert. Eine gewisse Tiefe in den onto-theologischen Reflexionen der Welt als Gabe und der kritischen Nachfrage nach der Aufstellung der menschlichen Haltung angesichts des ihn anrufenden und dergestalt offenbarenden Seins ist der Prosadichtung von Kästner nicht abzusprechen. Aber die letztendliche Abwendung von der Seinsfrömmigen Erfahrung des göttlichen Äthers einer durchund gelichteten Natur als Allzusammenhang202, in der der Mensch – mich an das Werk von Walter F. Otto erinnernd – gestellt ist, zur mystischen203 Orthodoxie auto-exkludierter heterotopischer204 Klöster ist eine andere Form als z.B. die auf das Kairos-Erlebnis205 politisch und pädagogisch hoffende pantheistische Kulturphilosophie des religiösen Sozialismus206 bei Paul Tillich207. Beide Formen der Daseinswahrheitssuche sind Formen der Transzendenz in der Immanenz. Aber die eine bleibt (von mir negativ konnotiert) in innerer Geistigkeit transgressivekstatisch, die andere (von mir positiv konnotiert) ist praxis, eine immer auch auf das gesellschaftlich Gewollte abstellende schizoide Kreativität im ewigen Versuch des personalen Selbst-Seins im Modus des gelingenden sozialen Miteinanders208. Insofern verkümmert die Anthropologie der Gabe und ihr Archetypus der Gastfreundschaft bei Kästner zunehmend in der innerweltlichen Askese (anders als es Max Weber209 meinte210) der subjektiven Öffnung hin zur Offenbarung der anwesenden Abwesenheit (»Dasein und Abwesendsein«: Kästner 1974, S. 31) des einen Gottes. Dieser Glauben ist zu verstehen im Horizont vorderasiatischer Erlösungsreligion211 und weniger in dem (von Georges Dumézil erforschten) Kontext indogermanischer Götterapparate, allerdings (von mir) bei dieser Interpretation auch die Gefahren einer bipolaren Kulturkreisideologie reflektierend. Selbst die Figur des getauften Hellenen (auch in Kästner 2004, S. 180f.; Kästner 1974, S. 10, S. 130) erscheint in diesem Lichte nur als erodierende synkretistische Hybridizität, die 201 | Heidegger 2002. Dazu ausführlich Riis 2011. F. G. und E. Jünger werden dabei beachtet (S. 79ff., S. 81ff., S. 100 ff., S. 218), auch Kästner (S. 111, S. 170, S. 248), aber es werden keine Inter-Textualitäten aufgedeckt. Gleiches gilt auch für Müller 2014 (jedoch S. 129ff.). Kästner wird kritisch ein unversöhnlicher Duktus zugeschrieben, Heidegger eine existenzialdramatische Patina (S. 193). 202 | Bei Bargheer wird dies als kosmische Einheit eines metaphysischen Erlebnisgewebes verstanden. 203 | Hahn 1997. 204 | Foucault 2013. 205 | Christophersen 2008. 206 | Schulz-Nieswandt 2009. Vgl. auch in Fischer 1989. 207 | Danz 2011. 208 | Schulz-Nieswandt 2015a. 209 | Kaesler 2011. 210 | Schluchter 1980. 211 | Kippenberg 1991.

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sich ergibt im liminalen Raum zwischen Gesellschaftsgestaltung im Lichte sozialer Gerechtigkeit aus der Urkraft der Liebe einerseits und der innerweltlichen Einkehr in sich selbst als homo clausus, der als Monade noch ein Fenster zur Offenbarung Gottes hat, andererseits. Die Findung der Wahrheit ist demnach eine monologische Leistung des einsamen Künstlers (Kästner 1990, S. 133ff.212). Dies ist geknüpft an eine Aura des Alleinseins213. Das Ganze wirft komplexe Reflexionszusammenhänge auf. Vor allem im Kontext von, bzw. hier: im Kontrast zu Walter Benjamins Aura-Begriff (Fürnkäs 2000; Stoessel 1983) wird der Eskapismus von Kästner signifikant. Kultur- und religionsgeschichtlich liegt der Ursprung im religiösen Kult; die auratische Daseinsweise ist in diesem Ursprung also an der Ritualfunktion gebunden. Vor diesem Hintergrund ist die weitere Geschichte bei Benjamin eine solche des Aura-Verlustes. In verzerrter, entfremdeter Form kommt die Sakralität im Warenkonsum und in den Orten des Massenkonsums zum Ausdruck; in den Weltausstellungen sah Benjamin die Wallfahrtsstätten des Warenfetischismus. Diese religionsphänomenologisch anmutende Kulturdiagnose macht sich bei Benjamin am »Großstadtelend« topographisch fest. Soweit also bestehen Parallelen zu Kästner. Aber: Benjamin fragt sich nun, ob mystisch und messianisch in dieser elenden Welt nicht doch noch Formen authentischer Aura-Erfahrung möglich ist. Aber genau darum geht es: Es geht um Herbeiführung eines anderen, sozialistischen Lebens. Ein Analogon ist wohl in Paul Tillichs Kairos-Erlebnis (Christophersen 2008) im kulturphilosophischen und onto-theologischen Kontext seines religiösen Sozialismus zu sehen. * Kulturkritik bei Kästner als Haltung ist dies die Folge einer Absetzung von der Leere der Masse (Kästner 1990, S. 27). Kästner mag hier wirklich am kynischen Diogenes (Kästner 1974a, S. 91)214 orientiert sein. Auch Gander (2004, S. 43) kon212 | Gander 2004, S. 25. 213 | Gander 2004, S. 26; »Auratisierung der Kunst«: S. 29. 214 | Zu diesem antiken Phänomen: Niehues-Pröbsting 1988. Dabei darf der Zusammenhang zum Mönchtum nicht ins Zentrum des Phänomens gerückt werden (Niehues-Pröbsting 1988, S. 43); es geht eher um eine geistige Haltung. Dabei ist – struktural gesehen – eine Analogie zu erkennen: Krise der polis : Diogenes = Krise der Aufklärung und des neuzeitlichen Prometheus-Denken : Denkhaltung vom Typus Kästners. Fällt die Umwelt existenziell ins Chaos (hier der Niedergang der polis: Bengtson 1965), so zieht sich die stoische Geste des Kynikers zurück in eine eigene Unberührbarkeit (Niehues-

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statiert, Kästner sei in diesem Sinne ein stoischer Moralist gewesen. Im Zentrum stünde natürlich die Sorge angesichts der Zukunft (S. 44): »Ohne Bedenken der Zukunft, das ist der Hund in der Sonne.« (Kästner 1990, S. 7) Die Haltung des Stoikers zur Welt problematisiert Guardini (1979, S.  208). Wenn man sich Guardinis durchaus kritische, aber doch immer auch auf politische Gestaltung hin angelegte Welthaltung vergegenwärtigt (Schulz-Nieswandt 2015), stellt sich nur noch rhetorisch die Nachfrage, warum Kästner Guardini zwar gelesen hat, aber kaum positiv aufgriff. Guardini hielt nichts vom eskapistischen Rückzug in die reine Innerlichkeit (Guardini 1979, S. 12). S. 115: Ohne Staatlichkeit fehlt der Gnade der Form und daher der Handlungsfähigkeit. Es kommt dann bei Guardini aber auch der Umkipp-Effekt (S. 50). Guardini kennt die Gnade nur im Modus der hierarchischen Autorität (S. 116f.). Bei Guardini, der in psychodynamischen Polaritäten denkt (S. 48), steht die sakrale Aura der Gnade in einem strukturalen Relationsgefüge (S. 117, S. 127 zum Schenken; S. 128 zur Welt ohne Gnade, die gnadenhafte Welt abgegrenzt zu puritanisch-fanatische, autoritär-bürokratische, nüchtern-rechnerische, hoffnungslos-rationalisierte Welten: S. 129): Schöpfung : Gnade = Arbeit : Rechtssprechung.

Kästner reflektiert hier (und an anderen Stellen: Kästner 1974c, S. 60f.) Heideggers existenzphilosophische Kategorie der Sorge215. Diese ist aufgestellt im Strom der Zeit – also nach vorne. Er verbindet dies mit einer Perspektive auf das subjektive (»gelebte«216: Kästner 1990, S. 13) Zeitgefühl217: Die Zeit beschleunigt sich im Alter (Kästner 1990, S.  11), dies ein bekannter entwicklungspsychologischer Befund. »Dass das Leben kurz sei, ist eine Klage der Alten« (Kästner 1990, S. 11). Wichtig sei es aber, »dem Alter einen Sinn zu geben« (Kästner 1990, S. 24), neuere gerontologische, auch geragogische Diskurse218 vorwegnehmend.219

Pröbsting 1988, S. 24). Es ist die Geburt eines gewissen Individualismus, der sich angesichts des umweltlichen Schicksals des Wandels selbstreferentiell umorientiert. Berühmt der Ausspruch von Diogenes Laertius: »Der Weise ist sich selbst genug«. Autarkie wird als Selbstbehauptung ausgelegt (Niehues-Pröbsting 1988, S. 193, S. 367ff.). 215 | Ruffing 2011. 216 | Bollnow 1973. 217 | Eine grundlegende Perspektive auf die Zeit, wie in der Zeitpathologie der Daseinsanalytischen Psychiatrie des »Wengener Kreises« (Passie 1995): Ludwig Binswanger, Viktor Emil von Gebsattel, Eugéne Minkowski; Erwin Straus. Dazu auch in Schulz-Nieswandt 2015a. 218 | Auer 1995. 219 | Auch hier hat Guardini (1965) eine fundierte und entwicklungspsychologisch aufgeklärte Daseinsanalyse des Lebenslaufes vorgelegt.

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Zwei Kräfterichtungen sind beobachtbar: Einerseits Heidegger und das Sein zum Tode220. Die Entschlossenheit zum Entwurf des Selbst im Dasein bleibt hier zunächst immanent. Doch diese humanistische Immanenz – vor allem wohl im Modus von Sartre221 – reicht Kästner nicht. Andererseits daher und also die Sinnauffüllung der von der Leere bedrohten Zeit durch christliche Orientierung (Kästner 1990, S. 20): »Über die Zeit kann man nur als Christ nachdenken oder anders: man wird zum potentiellen Christen, wenn man über die Zeit nachdenkt.« (vgl. auch Kästner 1974, S. 305f.) So wird die Zeit gesegnet: Eine Einsicht, »die tausend Jahre Theologie in sich« trägt (Kästner 1970, S. 21). Aber der Rückzug in die sozialräumlich selbst-ausgegrenzte Innerlichkeit mag etwa an das Phänomen der Anachoreten (des »Alleinseins mit Gott«: Kästner 1974, S. 175) erinnern (Kästner 1973a, S. 59; Kästner 1974, S. 175; Kästner 1974a, S. 69ff.; Busch 2000, S. 157 mit Bezug auf Kästners Verweis auf die Anachoresis). Gilt aber wirklich: »Dem Leben fern bin ich dem Leben näher.« (Kästner 1974a, S. 74)? Boehm (2004, S.  64) sieht im Eremiten und im Mönchswesen älteste kulturstiftende Handlungsformen verbürgt. Interessant ist hierbei – und dies soll nicht in eine Fußnote verbannt werden – eine neuere terminologische Transformation: Meint Inklusion (Schulz-Nieswandt 2016b) heute rechtsphilosophisch die Überwindung der sozialen Exklusion222, so verweist der Begriff Inklusorium im vorliegenden Themenkreis und Bedeutungsfeld auf einen Raum, in den sich ein weitgehend gläubiger Mensch zur religiösen Einkehr – genau umgekehrt – einmauern ließ. Anachoresis ist daher dergestalt als monadologische Einklammerung zu verstehen. Dies gilt räumlich (Kloster, Wüste) wie geistig (meditativ). Insofern bekommt der weiter oben bereits zitierte Satz von Kästner einen Sinn, der auf seine De-Konstruktion verweist. Er schrieb: »Nicht daß wir die Wahl hätten, von der modernen Wissenschaft abzulassen, kaum der Einzelne, auswandernd, sicher nicht Alle.« Eben: nicht Alle. Den »Luxus« des Aussteigens223 – des Ausstiegs aus der Zivilisation 224, die »Abgeschiedenheit, die Ekkehart als den Grund des richtigen Lebens preist« (Kästner 1974a, S. 224) – (der Spinner, Streuner, Gammler: Kästner 1990, S. 16) können nur wenige Menschen erleben. Täten es alle Menschen, würde für alle die gemeinsam geteilte Grundlage der Existenzführung zusammenbrechen. Aussteigen als anachoretisches Loslassen von der Welt ist nicht demokratisierbar zur Massenbewegung und bedeutet Verzicht auf Gestaltung der Welt. Die Problematik erinnert an Albert Hirschman’s Perspektive der Sozialkritik (exit oder voice 225). 220 | Dazu insgesamt Schulz-Nieswandt 2010a, S. 361ff. 221 | Cohen-Solal 1991. 222 | Schulz-Nieswandt 2013; 2013a; 2014d. 223 | »aus dem Weg gehen«, Kästner 1974c, S. 90. Der Künstler als »Wüstengänger« (ebenda, S. 245). 224 | Greverus/Haindl 1983. 225 | Hirschman 1974. Dazu auch Pies/Leschke 2006.

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Nicht nur fragt es sich, ob es in dieser einen Welt Inseln226 der Seelenruhe gibt 227. Ruhe erlangt man im Zuge der Flucht (Kästner 1973a, S. 11): »Auswanderer aus der Neuzeit.« (S. 104) Kunst wandert aus, ins Exil (Kästner 1990, S. 144f.). Es stellt sich auch psychodynamisch die Frage, ob ein solches einseitig übersteigertes Fallenlassen der Verantwortung angesichts der Misere der Welt ein angemessenes Gleichgewicht in der Bi-Polarität von Nähe und Distanz, von Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und Freiheit als Selbstverbergung vor der Welt228 ist. Damit gelingt m.E. – Fehler in der Stärkeakzentuierung eingeschlossen – Kästner kein psychodynamisch equilibrativer Entwurf zwischen innerlicher Selbstbezogenheit und Weltbezogenheit im Modus der Reziprozität der Menschen in der Rolle des Mitmenschen229. Doch Kästner neigt eher zur Absonderung. Kästner selbst erkennt hierbei allerdings auch die Gefahr: Das Umkippen der Melancholie in Erdrückendes (Kästner 1974a, S. 91), »wie ein Weiher mit Teichlinsen zuwächst.«230 Dies ist ein Aspekt, den Kästner (1990, S. 51) als »Haß« zwischen Gesetzen einerseits und Freiheit andererseits an anderer Stelle streift. Und es stellt sich die alte Frage231, was denn hier nun unter Humanismus232 (den als unbeirrt Hiller von Gaertringen [2006] Kästner zuschreibt) zu verstehen sei!? Die Einschätzung von Hiller von Gaertringen ist allein deshalb problematisch, weil Kästner immer wieder humanistische Haltungen angegriffen hat. Dies ist exemplarisch in seiner Würdigung von Ludwig Curtius233 (auf den ich in dieser Arbeit am Rande streifend eingehe). Curtius war explizit sozialpolitisch interessiert und engagiert.234 Aus seinen Lebenserinnerungen (Curtius 1952) wird dies überaus deutlich, vor allem der Einfluss von Lujo Brentano235 sowie Curtius‹ Orientierung im Naumann-Kreis (wobei gerade Friedrich Naumann neuerdings 226 | Volk 1934. Zum Motiv der Insel vgl. auch Frenzel 1988, S. 381ff. 227 | Vgl. dazu die Kurzgeschichte »Kalünz ist keine Insel« von Schnurre (1988, S. 197ff.). Zu Schnurre: Bauer 1996; Schwardt 1999. 228 | Wie es Plessner (2002) dargelegt hat. 229 | Löwith 2013. 230 | Nicht unproblematisch ist daher auch sein Verständnis von Melancholie (ohnehin ein typisches Thema der Moderne: Heidbrink 1994): Kästner 2004, S. 191, Kästner 1990, S. 148. Dagegen Tellenbach 1983 sowie Starobinski 2011. Auch Kupke 2009. Weniger ergiebig: Derveaux 2002. Natürlich liegt in der Melancholie auch etwas Schöpferisches als Potenzial. Die psychiatrische Forschung hat dies im Zusammenhang mit der Kunst aufzeigen können. Aber daraus kann kein Lob der seelischen Erkrankung folgen. 231 | Cancik 2012. 232 | Zur Humanismus-Problematik auch Gieselmann/Straub 2012 sowie Kallweit 2014. 233 | Vgl. das Gedenkwort von Karl Reinhardt und die Erinnerungen von Otto J. Brendel sowie das Nachwort von Joachim Moras und des Verlages in Curtius 1957. 234 | Na 2003, S. 54; Wagner-Hasel 2011, S. 44 FN 38. 235 | Seewald 2010; Tiefelstorf 1973.

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einer kontroversen Re-Lektüre unterzogen wurde). In »Was die Seele braucht« (Kästner 1994, S.  87ff.) findet sich eine Besprechung aus dem Jahre 1950 zu »Deutsche und antike Welt« von Ludwig Curtius. Mit dem Untertitel »Ludwig Curtius – ein Humanistenleben« setzt zunächst eine Huldigung an. Doch dann schlägt die Kritik zu: Alles sei auf »den Glauben an die Selbstherrlichkeit des Menschen gegründet.« (S.  90) Und dann wird Kästner mit Blick auf Curtius‹ Auseinandersetzung mit dem »Einbruch der barbarischen Welt in Gestalt des Nationalsozialismus« noch deutlicher: Diese Analyse würde mehr die Symptome als die Ursache sehen: »daß der Mensch, den die Philosophen zum absoluten Maß aller Dinge erheben, keineswegs, wie sie behaupten, eine Welt der Gesittung und des Friedens heraufzuführen vermag, vielmehr eine des Terrors und der Vernichtung, und selbst darin endet.« (S. 91) Soll diese einfach gestrickte Kritik der Aufklärung die besagte Tiefe der Ursachenanalyse darstellen? Es ist im Grunde doch nur wieder der Vorwurf der Gottlosigkeit, gemünzt z.B. implizit gegen den Existenzialismus. Es ist die Theologie als Kritik an das Prometheushafte des modernen Titanismus und somit wieder totale Totalitarismuskritik. Kästner, der wie sein Leitstern Heidegger immer nur zur eigenen Geschichte der Verstrickungen geschwiegen hat, fällt es hier allzu leicht, große Kritik an Sozialreformer humanistischer Tradition zu formulieren. So war Kästner 1949 von einem Satz bei Albrecht Fabri236 – den Kästner 1959 für den Bremer Literaturpreis vorschlagen sollte – angetan: »Der Soldat baut kein Getreide; gäbe es auf der Welt nur Soldaten, sie gliche einer Wüste.« (Kästner 1994, S. 76f.) Die Affinität von Kästner zu Fabri (vgl. auch Kästner237 in Kugelmann 2004) mag angesichts der kulturkritischen Haltung von Fabri plausibel sein; dies weniger, wenn diese Kulturkritik an Adorno erinnern soll, da hier eher Marie Luise Kaschnitz als Kästner angesiedelt ist. Zumal Fabri die Kunst zum Unpolitischen aufrief. Ich vermag schon verstehen, was Marie Luise Kaschnitz meint, als sie in Bezug auf ein abendliches Treffen bei Peter Huchel meinte, Kästner kam und schwang das große Wort. Aber hier ist gar keine persönliche Kritik an Kästner primär oder als dominante Strategie des Argumentierens gemeint; es geht um die trans-personale Haltung, die im Umkreis der konservativen Revolution typisch ist: eine gewisse arrogante Abwertung der hoffenden Reformer in dieser Welt, die nicht verstehen wollen, wie es weltweit angesichts der weltweiten Variationen des 236 | Vgl. auch Egyptien 2011. 237 | Dort (S. 10) auch mit Bezug auf die »Strahlungen« von Ernst Jünger. Überhaupt sind die Bemerkungen von Kästner als Redakteur des Literaturblattes der in Augsburg erscheinenden Schwäbischen Landeszeitung von Interesse: Bezugspersonen sind Heidegger, Jünger, Nebel und Carl Schmitt, auch Holthusen. Die gespaltene Beziehung zum Existenzialismus von Kästner wird wieder deutlich: gegen Sartre, aber für Saint-Exupéry. Die Blechtrommel ist ein »kaschubische(s) Durcheinander« (S. 29). Und: »Der Blechtrommler wird eh schon genügend betrommelt« (S. 31).

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Totalitarismus steht. Das Heldentum der Sozialreformer erscheint naiv, romantisch. Heldenhaft ist der vermeintlich analytisch scharfe Blick auf eine Welt, die nicht zu retten ist und in der der zynisch anmutende Konservative in passiver Aggression Haltung bewahrt: Das Revolutionäre epiphaniert im Modus eines post-zivilisatorischen Habitus.

Kästner sei, so Hiller von Gaertringen (2006), ein »leiser« Schriftsteller gewesen. Im Schreiben käme – zitiert wird eine Stelle aus »Ölberge, Weinberge« von 1953 – Kästner, also er selbst ins Reine, hätte so Momente des Glücks (dazu mit Blick auf das Eremiticum: Zimmermann 2004, S. 9). Zimmermann 238 spricht davon, dass für Kästner der »Austritt aus der Zeit« bestimmend war. Stimmt es dann aber (vgl. auch Gander 2004, S. 35f.), und wenn ja, dann wie: »Erhart Kästner war ein aufmerksamer Beobachter des Weltgeschehens, das er in seinen Texten kritisch und wohltuend unaufgeregt reflektiert.«? »Wahrheit ist zeitlich und örtlich.« – so wird Kästner aus »Aufstand der Dinge« von 1973 zitiert. Genau das Gegenteil hatte ich bei Kästner konstatiert.239 Welche Antwort auf den Anblick der Medusa240 des unentrinnbaren Verhängnisses des 20. Jahrhunderts gab Kästner? Bei Medusa hilft nur: Weg-Schauen. Innerhalb einer – m.E. sicherlich problematischen – »Realitätsverweigerung«, also inmitten der Barbarei, soll die überzeitliche Humanität durch Prosadichtung zu bergen sein!? Dies kommt einem literarischen Eskapismus gleich. Nach 1945 galt ihm weiterhin die – »theologisch versierte« – Kritik an dem Moloch241 von Bürokratie, Technokratie, Massengesellschaft und Szientismus in Ost und West als die große Herausforderung: Kästner spricht von dem »Moloch, welcher Fortschritt und Technik, Komfort und Atombombe, Rüstung, Konjunktur, Arbeitslosigkeit und Vollbeschäftigung heißt, herrscht im Westen und Osten.«242 Und Literatur ist hier »Psyches iatron: Heiltrank der Seele.«243 Oder: »Kunst, eine Überwindung der Krankheit des Lebens.« (Kästner 1990, S. 148)244

238 | Zimmermann 2004, S. 12 mit Bezug auf Kästners Reflexion zum Epimenides-Mythos, dabei implizit an Goethe anknüpfend. 239 | Nochmals: In seiner frühen Onto-Theologie des Landschaftserlebens galt dies so. In der späteren konservativen Zivilisationskritik tritt Kästner in eine reine Negativität ein. 240 | Vgl. das Gorgo-Bild bei Buschor 1954, S. 14. Vgl. auch Kästner 1994, S. 84. 241 | Dazu in Bellinger 2012, S. 334f. Ferner in Glowinski 2005, S. 204ff.; Frenzel 1988, S. 667ff. 242 | Zitiert nach Hiller von Gaertringen/Nitzschke 1994, S. 220. 243 | Hiller von Gaertringen/Nitzschke 1994, S. 218. 244 | Zum Zusammenhang von Melancholie und der Poesie als Therapeutikum vgl. Völker 1978.

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Oder (an die expressionistische Großstadtlyrik 245 und Literatur sowie Malerei erinnernd 247, diese aber sicherlich von Kästner nicht als Bezugsnorm nehmend, wenngleich Kästner die »Sehnsucht der Großstädter« [Kästner 1973a, S. 45f., S. 311 248] mit Blick auf den Verlust von Heimat 249 [Kästner 1990, S. 42] thematisiert): »Nicht mehr bewohnbar die Städte, wo sie wie die Raupen übereinander kriechen, ihre Absonderungen zechen, sich mit Lärm foltern, sich unausstehlich vorkommen. Also bezieht man die Vorstadt; nach einer Weile erfährt man, sie ist erst recht nicht bewohnbar. Aufs Land, wer kann das; Land, es gibt bloß noch Vorstädte.« (Kästner 2004, S. 7; vgl. auch Kästner 1990, S. 44)250 Man spürt auch den Ekel vor den zu vielen Menschen in der Dichte (Roskamm 2011) der Stadt (Kästner 1973a, S. 308). Kästner (1974a, S. 91): »Das Lebensrecht an einem Mindestmaß Raum auf der Erde ist noch nicht geklärt.« Oder: »Die Weltstädte mögen das Kennenlernen wohl fördern, flüchtige Anknüpfung, erwünschte Wiederbegegnung erleichtern und so das Leben interessanter gestalten: für die feuerbeständige Form der Geselligkeit leisten sie nichts.« (Kästner 1974a, S. 163) Heimat ist bei Kästner nicht als Kitsch falsch zu verstehen: Gemeint sind nicht »die bayerischen Trachtenhäuser mit den Hirschhorn-Hosenträger-Balkonen, als das verräterische, verlogene Salon- und Komfort-Bayern, das es in tausend Variationen überall in der Welt gibt.« (Kästner 1990, S. 42f.) Auch (in der Prosadichtung) bei Rilke – wie bei Kafka oder Joyce und unter Einfluss von Baudelaire – findet sich eine mitunter brutale Beobachtung des Stadtlebens (durchaus als Moloch), und dieser Blick deckt die Grunderfahrungen des modernen Existierens auf: »So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier.« (Rilke 2014, S. 7251) Und Technisierung als Korrelat der Entindividualisierung, Masse und Maschinen sind bei Rilke ein zentrales Thema. Doch Rilke kämpft sich frei in der Hinwendung zum Leben 246

245 | Gemeint sind Georg Trakl (Basil 1965; Spoerri 1954; Klessinger 2007; Csuri 2009), Georg Heym (Mautz 1987; Korte 1982), Gottfried Benn (Dyck 2009; Emmerich 2006a; Lennig 1962; Böhme/Hoffmann 2008). Vgl. auch Wende 1999. Die Stadt ist aber auch ein Thema bei Broch: Lützeler 2011; Pissarek 2009. 246 | An George Grosz wäre zu erinnern: Kranzfelder 2013; Fischer 1976. 247 | Horst-Janssen-Museum Oldenburg 2008; vgl. auch in Delabar 2010. 248 | Vgl. auch in Meckseper/Schraut 1983. 249 | Vgl. grundsätzlich Gebhard/Geisler/Schröter 2007. 250 | Zum urbanen Gefühl der Dichte siehe Roskamm 2011. Kästner (1974a, S. 60): »nichts trennt mehr, als die großen Städte es tun.« Dass das Reisen aus einer inneren Dialektik zu ambivalenten Großstadterfahrungen zu verstehen ist, gilt etwa auch für Wolfgang Koeppen (vgl. dazu Brink-Friederici 1990, S. 30). Zur Reiseliteratur von Koeppen: Basker 1995. Haas 1998 kann die Frage einer inneren Beziehung zwischen Koeppen und dem Denken der konservativen Revolution differenziert erörtern. Einige Aspekte der Konvergenz sind nicht zu übersehen. 251 | Dazu Lauterbach 2004.

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und entwickelt einen Daseinsentwurf, und dies ohne Gott. Rilke kommt in Malte zum Sehen. Rilkes Auffassung von der Seinsart entspricht der Erkenntnis der modernen Psychodynamik, wonach der Mensch »zwischen Verschlossenheit und Offenheit, Verlorenheit und Erfüllung« (Janke 2002, S. 232) existiert. Auf diese Differenz zu Kästner wird noch eigens weiter einzugehen sein. Die theologische Versiertheit bei Kästner ist klar zu bestimmen: Immanenter Humanismus (Schulz-Nieswandt 2017) als Selbsterlösung des Menschen in dieser »gottverlassenen« Welt ist dämonisch. »Gott ist die Wahrheit« (Kästner 2004, S. 11). Alles andere ist »faustische Wissenschaft« (S. 12), also »Zeit der Engel- und Musenlosen«. Zeit des »faustische(n) Menschen«, die des Teufels (Kästner 1990, S. 37) sind (S. 18): Nun, das Göttliche der Musen252 hat Otto (1971) nochmals anders verstanden.253 Und hier fragt sich wiederum im Lichte von Bultmann, wie märchenhaft die Menschen heute mit der Figur der Engel254 ernsthaft umgehen wollen. Nur in der Öffnung zum Glauben, indem »von oben« empfangen wird, überschreitet der Mensch sich selbst. Kästner (1994, S. 104) kann alles »nur noch von der Theologie her in Angriff« nehmen. Ich frage mich daher, wieso sich Kästner eigentlich von seinem Freund Gerhard Nebel entfremdet hat. Kästner argumentiert zugunsten der im »Lauf des 19. Jahrhunderts« »enthrohnten Fakultät« der Theologie (ebenda). Nun kann man Theologie schätzen; aber Entthronung dürfte hier nun im Zeitalter der Demokratie wirklich nicht ein Problem sein. * Ich halte nochmals als Zwischenfazit fest: Diese Haltung255 der Ehrfurcht angesichts der ORDO-Autorität habe ich an anderer Stelle problematisiert.256 So war der »frühe« Kästner zwar der Welt abgewandt, aber dem Zirpen der Zikaden im Olivenhain (Kästner 1973a, S.  141) nahe257. Kästner (1973a, S.  141): »Tiefe Stille. Grillen-Gezirp, dieser geniale Einfall der Stille, sich hörbar zu machen.« Wobei Pans Flöte hörbar wird. Und so bleibt der »späte« Kästner immer noch der Welt abgewandt, nun aber im Modus des etablierten hierarchischen OffenbarungsEmpfängnis-Habitus des Christlichen als Modus einer vorderasiatischen Erlösungsreligion im synkretistischen Kontext der orientalisierten römischen Kaiser252 | Rittelmeyer/Klünker 2005, S. 88ff. 253 | Otto 1962, S. 371: »Der Muse wird es gedankt, daß es eine Musik gibt, in deren Lauten das Sein zur Sprache kommen kann.« 254 | Rösch 2009; Krauss 2001; Dürr 2009, insb. S. 16ff.: Engel und Dämonen. 255 | Trotz weitgehend gelungener Darlegung der personalistischen Dialogizität als conditio humana und ebenso gelungener psychodynamischer Krankheitslehre kommt auch bei Michel (1951) die Wahrheit der Existenz erst in der Beziehung zu Gott zum Ausdruck. 256 | Schulz-Nieswandt 2015. 257 | Gemeint ist: der Welt zugewandt-abgewandt, eben eintauchend zu sein.

Zwischen Dionysos und ORDO

zeit, in dem – Christus ist Pharao258 – die Menschen voller Demut die Gnade empfangen, die ihn über diese Moloch-artige Welt hinweg leben lässt. Leben? Ohne gestaltende Teilnahme, den seinsimmanenten Transaktionalismus von Person und Welt unterbrechend?259 So bleibt die Frage nach dem berechtigten Ort einer apollinischen Sozialreform und Gesellschaftsgestaltung als »Transzendenz in der Immanenz« (Schulz-Nieswandt 2017)260 angesichts der Fokussierung auf eine Selbst-Übersteigung hin zur (externen: Kästner 1973a, S. 20) Transzendenz bei Kästner unbeantwortet. »Hier waltet etwas, das in der Welt ist, doch offenbar nicht aus ihr stammt. Numen, der Wink, die Nachricht, deren Absender man nicht kennt.« (Kästner 1973a, S. 20)

258 | Dazu auch Kügler 1997; Kügler 1999. 259 | Die soziale und kulturelle Photosynthese hat Kästner nie völlig abgebrochen. Im Privaten gesellig und im Kultur-Kunst-Betrieb unterwegs, war der soziale Austausch nie abgebrochen. Aber eine auf Gesellschaftsordnung als politische Photosynthese abstellbare Haltung wurde abgelehnt. 260 | Schulz-Nieswandt 2015a.

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E. Inter-Textualitäten

Ich stelle nun auf ausgewählte, zentrale Inter-Textualitäten des Werkes von Erhart Kästner ab. Methodologisch möchte ich zur Inter-Textualität nicht weiter ausholen. Es handelt sich zugleich um Inter-Diskurse. Denn bestimmte Diskursthemen – wie etwa u.a. die Vermassung und die Technik – prägen die Landschaft dieser Inter-Textualitäten der Akteure, die hier eine Figuration ergeben.

X. »G riechischer F rühling « von G erhart H aup tmann Meine Ausgangsfrage lautet: ist »Griechischer Frühling« von Gerhart Hauptmann1 eine Blaupause2 für Kästners frühe pagane synkretistische Naturreligion?3 Man muss selbst »Griechischer Frühling« von Gerhart Hauptmann (1908)4 gelesen haben, um die ganze Fragestellung des Kapitels verstehen zu können.5 1 | Dazu auch in Will 1962, S. 151ff. 2 | Hauptmann strebte eine Synthese heidnischer Antike und Christentum an: dazu instruktiv Meinert 1964. 3 | Ich darf nochmals wiederholen: Die angeführte Dissertation von Hurtig (1956) zeigt auf, wie Hauptmanns Werk durchgängig lichtmetaphysisch geprägt ist und insgesamt der Allzusammenhangs-Onto-Theologie des frühen Kästner blaupausenartig entspricht. Die frühe pagane Landschafts-Onto-Theologie synthetisiert sich zu einem Interpretationskomplex {Dionysos : Christos}. Alles kommt hier zusammen: Mystisches Naturerleben, Heiligung der Natur, Sehnsucht als Grundgefühl, anti-kirchliches theopathisches Christentum, Rückkehr zum Mythos, Synthesestreben, Betonung des Irrationalen etc. Dies ist mir gerade auch nach der Lektüre von Tank 2003 überaus deutlich geworden. 4 | Dazu u.a. Meid 2012, S. 34ff. 5 | Viele Anhaltspunkte sind der Dissertation von Wagner (1968) zu entnehmen. Hauptmann hielt sich früh schon für »hyperiensüchtig« (S. 82). Er phantasierte von »Ikarusflügel« (S. 85). Insgesamt kommt bei ihm eine dionysische Haltung zum Ausdruck. Passend zu den Eigenschaften dieses Gottes war für ihn Frühling eine Art von Pubertät: Es geht um Wachstumsschübe im Leben. Von Goethe entnimmt er den Spruch »Stirb und Werde!«. Alles

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Erhart Kästner (1904-1974)

Das Thema ist in der Biographie von Sprengel (2012, S. 403ff.) durchaus behandelt, aber theoretisch nicht auf den Punkt gebracht (treffsicher: Bechtle 1959, S. 169ff.). Die Sekundärliteratur hebt zwar verschiedene Aspekte unterschiedlich pointiert heraus, fundiert dabei aber durchaus meine Nachfrage nach der (kulturwie psychogrammatischen) inneren Tiefenstruktur des Textes.6 Ich lasse einige wichtige Interpretationsdimensionen (anti-semitische Aspekte, die in ihrer Signifikanz undeutlich bleiben 7; Orient-Debatte etc.8) zur Seite. Man spürt zunächst den Ekel, wenn Hauptmann sich in Sphären der widersprüchlichen Modernisierung (in der Stadt, in Straßen, Zügen, auf dem Schiff, im Hafen) bewegt. Dann geht es um Schmutz (vgl. auch in Schneider 1930). Seelisch blüht er auf, wenn er sich davon weit abseits in der Landschaft bewegt: »Wir sehnen uns in das Unmoderne.« (Hauptmann 1919, S. 81). Die Wissenschaftskritik fehlt bei ihm nicht (S. 138) und nimmt Kästner vorweg: »Wir haben heute eine Wissenschaft von der Natur, die leider nicht von einem heiligen Tempelbezirk umschlossen ist.« (S. 138) Das ist – später – bei Kästner zu finden. Dann kommt er – das hat Meinert (S. 169) schön darlegen können – zur paganen Seinsfrömmigkeit im Naturerleben, wo alles beseelt ist von Dämonen, Nymphen, Najaden (u.a. Hauptmann 1919, S. 50, S. 58, S. 76). Da ist er nahe an Walter F. Otto, wie ich meine; eben auch nah am frühen Kästner, besser: dieser an jenem. Dasein wird zur Weihe, zum Zustand des Staunens. Da ist Hauptmann auch weit entfernt von Nebel. Für diesen, wie noch zu zeigen sein wird, ist das frühe onto-theologische Griechenland der Landschaftsfrömmigkeit endgültig vorbei, ihre Re-Imagination romantische Idylle9. beginnt mit dem archetypischen Ur-Drama (S. 81) als Weltdrama. Das Leben ist eine Qual und daher wird Ekstase ein Thema und zum Paradigma der Kunst bei Hauptmann. Unter Einwirkung von Erwin Rohde stehend thematisiert Hauptmann die griechische Tragödie. Aischylos steht bei ihm für eine Tragödie, die das Sein als Sein betont, Sophokles bringt dagegen das Werden zum Ausdruck. Vor diesem dynamischen Hintergrund wird das Reisen mit Blick auf die Landschaft eine Selbstentdeckung, eine Offenbarung (S. 113). Der »Hirtentraum« (S. 101) produziert ein zielloses Loslösen, die als Musik empfunden wird. Alles wurzelt in einem »metaphysischen Hang der menschlichen Seele« (S. 104). Eingebettet in die Natur und ihre Fruchtbarkeit (S. 103) wird eine tiefe Urmütterlichkeit gespürt, die mehr Tiefe habe als Maria im Christentum (S. 109). Hier mag eine Einwirkung von Bachofen gegeben sein. 6 | Horn 2008, S. 120ff.; Huller 2007, S. 29ff.; Ipsen in Kambas/Mitsou 2010, S. 3ff.; Oberempt 1999, S. 224ff.; Sprengel 1982. 7 | Zum Teil deuten sich hier Diskurse des Indogermanischen (Haarmann 2012) an. 8 | Vgl. zum ethischen Individualismus und zum Obrigkeitssinn bei Hauptmann: Uvanovic 1998. 9 | Der Begriff der Idylle ist terminologisch und phänomenologisch nur schwer zu fassen. Als Gattung der Epik antiker Herkunft war zivilisationskritisch, ironisch, parodistisch, im 18.-20. Jahrhundert sodann Bezugspunkt der Kritik der Entfremdung vom eigentlichen Dasein. Idylle wird zur Idee. Vgl. auch Birkner/Mix 2015.

Inter-Textualitäten

* Relevant ist ein Vergleich mit dem Reisetagebuch von Eva Jantzen (1996) zu beobachten. So fallen ihre Reiseberichte aus den Jahren 1973/1976 (Jantzen 1977) auch modernisierungs- und tourismuskritisch aus, obwohl die Analysen, selbst als zunehmend soziologisiert beschrieben, überraschend gelassen und unaufgeregt ausfallen. Die Beschreibungen im Kapitel »Das Dorf« (S. 131f.) tun doch aber auch weh. Ansonsten findet Jantzen auch im ambivalent-modernisierten Griechenland oftmals noch unberührte Stellen. In »Die Leute von Erythräa« (Jantzen 1971) beschreibt Jantzen, mit Humor, die Menschen eines Dorfes, einst Flüchtlingsgründungsdorf von vertriebenen Griechen aus der Türkei, das, einige Kilometer außerhalb von Athen, im Zuge der Ausdehnung des wuchernden Athens in den damit verbundenen sozialen Wandel gerät. Auch hier fehlt weitgehend die Schwermut einer romantischen Modernisierungskritik. Interessant ist, wie hier, quasi implizit, der Antigone-Mythos fortgeschrieben wird, da sich das Leben im Dorf um die Familien in ihrer Nachbarschaftlichkeit dreht und der Staat, egal welcher Staatsform, den Bewohnern egal ist, solang die Abgaben sich in Grenzen halten. Die nervenden Ämter interessieren nicht, ausgenommen, es geht um die Rente. Diese Polarisierung von Familie versus Staat findet sich bei F. G. Jünger; und bei G. Nebel und bei Erhart Kästner wird dies gesteigert zu einem Eskapismus der Privatheit, die eine Daseinsführung jenseits zivilisatorischer Entfremdung nur im Kleinen, unter Freunden oder gar allein, für möglich halten. Faszinierend ist schließlich die Beschreibung des Tanzens im Rahmen einer familialen Feier bei Jantzen (1971): »Dionysos ist unter sie getreten, und sie wissen es.« (S. 99) Nicht betrunken vom, sondern »trunken natürlich auch vom Wein, aber wie mehr vom Tanz!« (S. 100) Gastfreundschaft ist ein explizites Thema bei Jantzen (1999, S. 10). * Kästner folgte zunächst noch ganz dem seinsfrömmigen Habitus von Hauptmann: »Hier schien alles von der Gegenwart eines Gottes beseelt. Hier wohnen wirklich Dryaden; der rauschende Bach schien wirklich von einer Nymphe bewohnt. Zikaden schrillten besessen.« (Kästner 1974b, S.  170). »Verzauberung«: »war das nicht wirklich Apollons Tal?« Doch: »Die alten Götter sind tot.« (S. 170): »… hier wohnte ein Gott, aber er wohnt nicht mehr hier.« Und dennoch: »Zikadengeschrill« als »Tausendfach kleine Freundschaft« (S. 173). In arkadischen Bergen wandelnd im Licht … (S. 176): »Pan ist nicht tot.« (S. 183) Kästner weiß um den genealogischen Zusammenhang (Kästner 1974b, S. 227f.): »Wer Leser des ›Griechischen Frühlings‹ ist …«. Hauptmann war »auf der richtigen Spur«. Unklar bleibt, wie Kästner mit Bezug auf Hauptman nun Christus gestaltwerdend so ins

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Zentrum rücken kann.10 Hier sei »ein Ort des Bekennens«. Ja, aber Hauptman war da deutlich naturreligiös-pagan11. Bild und Magie werden nun die Themen, die Kästner bewegen. Wie er das in Einklang bringt zum Christologischen bleibt schleierhaft. Kästner fehlversteht hier Hauptmann eklatant. Dies aber zwingend, weil es Kästner um Bezugnahme als Evidenzsuche für die eigene Position geht. Hauptmann ist aber nur begrenzt als christianisiert zu deuten. Ein Wort zur Magie: »Es handelt sich nicht darum, die Natur zu erforschen, um sie dann besser überlisten zu können. Es handelt sich immer darum, durch sie zum Schöpfer zu dringen.« (Kästner 1974b, S. 237f.): »Das Licht der Natur.« (Ebenda) Auch die apollinische Lichtung in der spirituellen Herberge ist Hauptmann, wie später Kästner, nicht fremd. Die Mobilität des Reisens in die ersehnte Fremde führt Hauptmann in die tiefere Innerlichkeit. Das ist oftmals naturkultisch und heidnisch. Die Arbeit am Text macht all dies evident. »Ich lege mich nieder auf die Steine, und eine unsägliche Wollust des Daseins kommt über mich. Ein feines, glückliches Staunen erfüllt mich ganz, zunächst fast noch ungläubig, vor diesem Ereignis gewordenen Traum.« (Hauptmann 1919, S. 40) Das Staunen angesichts der Seinserfahrung wird noch mehrfach signifikant auftreten (vgl. etwa S. 67). »Deshalb pflücke ich Blumen, werfe sie in das Becken der Quelle, zu den Najaden und Nymphen flehend, den lieblichen Töchtern des Zeus.« (S.  42) Das »Frühlingsempfinden« (S. 46; auch S. 51) wird Hauptmann zum »Naturkult« (S. 46), zum »Gottesdienst«. Erneut wird deutlich, dass Hauptmann nur sehr begrenzt christlich auszulegen ist. Die Macht, die er hier spürt, muss einfach verehrt werden. So »umgibt mich das Rauschen, das allgemeine tiefe Getöse.« (S. 49) Oder: »Schemenhaft flüstern die Ölzweige. Weithin geht und weither kommt ewiges, sanftes, fruchtbares Rauschen.« (S. 60) »Hier aber haben Götter und Halbgötter, mit jedem weißen Berggipfel, jedem Tal und Tälchen, jedem Baum und Bäumchen, jedem Fluß und Quelle vermählt, alles geheiligt.« (S. 84) Analog Kästner (1974b, S.  28): Landschaft hat »Offenbarungskraft«. »Grillen zirpen. Ein märchenhaftes Leuchten ist in der Luft.« (S.  242) (Man vergleiche analog: Kästner 1974b, S.  28.) Und in der Folge: »In dieses Heiligtum gehört keine Orgel noch Bachsche Fuge hinein« (Hauptmann 1919, S. 253), sondern nur das »Summen der Bienen« und die »zahllosen Blüten«. »Zweifellos ist dies Gottesdienst« (S. 260). Eingefügt bleibt in dieser Natur-Onto-Theologie die Erfahrung profaner Gastfreundschaft (S. 256). Dionysische Ekstase ist im Lichte dieser personalen Erlebnisgeschehensordnung bei Hauptmann ein durchgängiges Thema (S. 88, S. 106f., S. 120f., S. 151). Ebenso die Lichtmetaphysik (»Licht-Äther«: S.  126), dieses attische Licht, diese 10 | Bei Hauptmann geht es vor allem um den tragischen Menschen, was wenig im Kern mit einer christlichen Weltsicht zu tun hat. Vielmehr geht es um den leidenden Menschen angesichts des Schicksals. Dazu auch Tettenborn 1950; Rosenberg 1959; Bauer 1950. 11 | Vgl. auch Gladigow 1990.

Inter-Textualitäten

»attische Luft« (S.  90): »Ich gewinne den Eindruck, der apollinisch strahlende Glanz strömt in das Tal, das der Berg beherrscht.« (S. 202) Auch der Ton der Stille (S. 113) verweist auf den »apollinischen Klang« (S. 191): »Ich horche minutenlang in die wundervolle Stille hinunter, die durch das Geplätscher eines lebendigen Brunnens nur noch tiefer und friedlicher wird.« (S. 197). Und nochmals (Kästner 1974b, S. 96): »Ach dieses Licht! Das attische Licht ist der erlösteste Grad des griechischen Lichts.« Und (ebenda): »Dieses Licht geht nicht durchs Auge ein, es ist eine Flut, die den ganzen Körper durchrinnt.« Es passt zur Bewegung des Steigens, den Berg hoch.12 Vieles erinnert mich an Walter F. Otto13, so auch die kirchenkritischen14 Bemerkungen bei Hauptmann (S.  96f.)15. Und Stück für Stück baut Hauptmann hier (in der Tradition von Hölderlin und Nietzsche) den Synkretismus {Christos : Dionysos} auf (S. 116). Brot, Wein und Blut gehen hier eine kultische Synthese ein (S.  121, S.  170ff.).16 Hauptmann gelangt zu einer Gleichzeitigkeit des einen, transzendenten Gottes und der vielen archetypischen Götter und Heros des vorchristlichen Altertums (S. 141ff.). Das ist weit weg von Kästners nunmehr anti-heidnischer Christologie des Monotheismus des transzendenten personalen Gottes. Stattdessen Hauptmann (wie auch Otto): Pan ist nicht tot, trotz »jahrtausendelangen Verfluchungen einer christlichen Kleresei.« (S. 164; vgl. auch S. 189) In diesem Sinne ist Hauptmann tief verwurzelt in einer Naturkultfrömmigkeit: »Religiöses Empfinden hat seine tiefsten Wurzeln in der Natur« (S. 147). Und in diesem Sinne taucht Hauptmann ins Bukolische ein (S. 149, S. 153). Dazu gehört die stille Musik als Musik der Stille (S.  151, S.  182), das »magische Leuchten in der Natur« (S. 151): So sind ihm »die Steine nicht stumm gewesen.« (S. 183) Auch hier die Analogie bei Kästner: »Wie ewig dieses Tälchen Urmusik war.« (Kästner 1974b, S. 81) Und dann wird auch Kästner bukolisch (ebenda, auch etwa S. 134f.). Und: »Da war Pan« über und im »Tal.« (S. 81; vgl. auch S. 92) Auch Hauptmann konstatierte ja: Pan sei (siehe soeben weiter oben) gar nicht tot. Und wiederum bricht bei Kästner die apollinische Lichtmetaphysik aus und durch (S. 83, auch S. 89). »Das ist Attika, flötenzart.« (S. 85) Der Hirtenstab, wie er in alter altorientalischer (sakralköniglicher17) Gottesmetaphorik von Hirt und Herde18 ebenso eine Rolle spielt wie in der späteren

12 | Instruktiv ist Le Breton 2015 zum Gehen. 13 | Schulz-Nieswandt 2014a. 14 | Die sich auch bei Kästner (1974c, S. 189) finden lassen. 15 | In der neueren Reiseliteratur von Demski (1995) ist diese Kirchenkritik ausgeprägt, bleibt aber dennoch eher flach. 16 | Angenendt 2011. Vgl. ferner Ertz/Schlie/Weidner 2012. 17 | Jungbluth 2011. 18 | Hunziker-Rodewald 2001.

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Christologie, wird bei Hauptmann geradezu archetypisch19 bukolisch genealogisiert (S.  156). Entscheidend für die sinnliche Religiosität ist die Einsamkeit des Hirtenlebens (S.  161). Hauptmann spricht vom »Hirtenursprung der Götter« (S. 174). Es ist ein metaphysisches Grundbedürfnis im Hirn des Menschen (S.  166), der ihn zum homo religiosus macht.20

XI. G erhard N ebel : C hristliche A ntikerezep tion Gerhard Nebel und Kästner gingen eine tiefe Inter-Textualität ein. Es stellt sich die Frage nach möglichen Parallelitäten kulturkritischer Art, die sich als Frage nach der gemeinsam geteilten Blaupause in der christlichen Antikerezeption formulieren lässt. Gerhard Nebel erfreut sich einer neueren Rezeptionsgeschichte21. Nebel, nicht nur durch seine altphilologische Ausbildung fachlich fundiert, war in seiner politischen Biographie ausgeprägt wechselhaft, insgesamt schwer zu greifen, störrisch, für Kästner sicherlich im Zuge seiner konservativen Kulturkritik ein interessanter und lange Zeit (s.u.) befreundeter Gesprächspartner, zumal er (wie auch Kästner) die Grenzen der rein wissenschaftlichen Aufarbeitung der Erbschaft des alten Griechenlands sehr kritisch betrachtete (Nebel 1948, S. 5ff.). Für Nebel ist der »Griechische Ursprung« des heutigen Menschen nur im Modus einer inneren Öffnung als erlebende Begegnung angemessen zu erfassen. Liest man nur die ersten Seiten von »Platon und die Polis« (Nebel 1948, S. 11ff.), so wird hier eine Hintergrundfolie von Kästners geistigen Migrationen struktural geschrieben: Onto-Theologie des Landschaftsmythos → hellenistisch-christliche Synthese → Mystik christlicher Orthodoxie,

wie topographische Migrationen, struktural geschrieben: Kreta – Wüste – Berg Athos,

deutlich, auch z.B. die Betonung der Sonnenhelle als Licht 22 (ebenda, S. 13, S. 24ff.). Mythische Tiefe ist hier immanente Transzendenz im Sein: also der Kontrast zur christlichen Gottesvorstellung des zur Innerlichkeit neigenden Individuums, 19 | Psychoanalyse ist Hauptmann hier nicht ganz fremd: S. 213. Vgl. zur Kulturtheorie Freuds (Köhler 2014) in Variationen auch Bickel/Hierdeis 2009. 20 | So auch Leroi-Gourhan 1995. 21 | Poncet 2013. Sehr instruktiv und quasi auf jeder Seite zitationsfähig: Lehnert 2004. 22 | Schön ist die Formulierung des »Leben(s) im Licht der Sonne« bei Buschor 1959, S. 60.

Inter-Textualitäten

Subjekt einer Welt, in der beide Pole bei Nebel an dieser Stelle im Vergleich zum mythischen Griechenland schlecht wegkommen (S. 27): als Welt der Leere, des Ekels, der Langeweile, der Nervosität und der Melancholie, des Überdrusses. Hier wurzelt die moderne Despotie, die Technokratie und Bürokratie und die »mechanischen Dämonen der Rüstung« (S. 30). Die alte Ordnung ist seinsursprünglich und nicht doxisch. In der Technikkritik grenzt sich Nebel, wie dann auch Kästner, griechisch ab vom römischen Imperium (S.  31). Ich sehe hier, wie bei anderen »Vergleichen« in der vorliegenden Studie (zu Hauptmann, zu Camus) keine linearen Abhängigkeiten (im Modus: wer von wem abschreibt) wirksam, sondern »Wahlverwandtschaften«, zumal ich, das muss betont werden, das Material in seiner Werkgenese wie in seiner Publikationszeitordnung nicht systematisch darlege. Aber sicherlich liegen auch Inter-Textualitäten vor. Die Epoche des 20. Jahrhunderts hat eben ähnliches Denken in poly-individueller Landschaft generiert. Der moderne Staat wird als Zwangseinrichtung definiert (S. 32). Mit erheblichen Analogien zu Textstellen bei Kästner lautet es bei Nebel: Der moderne Staat sei ein dem Menschen »mit Beamten und Kasernen, Polizisten und Steuern, Gerichten und Gefängnissen, Gewalttätigkeiten und Drohungen einschüchternd entgegentretendes […] Ungeheuer« (S. 37). Dagegen waren die alten Griechen (S. 38) als von »Apollon begnadetes Volk« »Wesen der Sonnenhelle«. Dieser Gestaltqualität der alten Griechen wird auch Musik und Dichtung als Elemente ontologischer Wahrheit zugeordnet (S. 44). Bürokratie und Gesundheit werden polarisiert (S. 38). Das Ende der alten Ordnung kam mit dem »Fürsichsein des Individuums« (S. 47). Mit der Individualität und der dazugehörigen Agape taucht das Christentum auf (S.  80f.). Gerechtigkeit wird zum Angelpunkte einer neuen Ordnung. Mit Gott taucht eine Sphäre der Idee als Chiffre des verborgenen Seins auf (S. 88). Die Lichtmetaphysik bleibt bestehen (S. 93), wandelt sich jedoch, wie ich es lese (vgl. auch S. 121), ansatzweise hin zu einer Transformation des Mythos zur Theologie. Daher folgt bei Nebel (1948) auch die Abhandlung »Platon und die Unsterblichkeit der Seele« (S. 111ff.). Hier kritisiert Nebel »den« Existenzialismus (S. 115; S. 119) sowie die moderne Psychologie der Angst (S. 122f.) als Rationalismus, auch hier dazu Kästner parallelisierbar. (Aber hier ist Guardini23 viel differenzierter, sorgsamer, ausgeglichener, offener.) Transzendenz übersteigt den Verlust metaphysischer Lagen und überwindet das Nichts und vermeidet den Nihilismus (eine allerdings in der Begriffsbildungs- und Nutzungsgeschichte sehr schillernde Begrifflichkeit), der sonst »den Thron Gottes besteigt.« (S. 115) Nebel rezipiert Platon christlich. Das ist nicht mehr jene Kontroverse um den Hades24, an der sich Rohde (den Nebel positiv aufgreift: S. 147f.) und Walter F. Otto (der Rohde, auch wenn dieser wichtig bleibt, in der Sache überholt hat) gerieben haben. Es ist auch nicht mehr die Akzeptanz des endgültigen Todes, von der Schadewaldt philologisch 23 | Auch Bargheer, der mit W. H. Auden befreundet war, und der sich den Ängsten der Menschen im Leben existenziell öffnete. Vgl. dazu in Fehlemann 2005, S. 8, S. 10, S. 155. 24 | Dazu auch instruktiv: Görner 2014.

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abgesichert gehandelt hat. Auch hier kann Kästner in seinen eigenen topographisch-mentalen Migrationen parallelisiert werden. Wer diese (christliche: S. 121) Sicht aufgibt, endet, unter Bezugnahme auf die Analyse des »Arbeiters« bei Jünger, in »Bestialität« (S. 121). Und wie Kästner wendet sich Nebel ab vom »Materialismus der mechanischen Naturwissenschaften« (S.  132). Natürlich: Platon und Apollon’s Licht sind noch nicht christlich (S. 138f.), sondern Elemente der Welt des Mythos. Und dennoch: Über die Praxis des homo ludens 25 kommt das Transzendieren ins Spiel (S. 142) und beginnt so, den Mythos zu überwinden (S. 146). Es ist der Beginn der Religion. Und hier werden Wilamomitz, Nilsson u.a. verworfen und stattdessen Walter F. Otto26 und Kerenyi betont (S. 146f.). So lässt Nebel dem Apollinischen auch die dionysisch-orphische Tradition zur Seite stehen und gelten sowie dem alten Mutterrecht Gerechtigkeit erfahren (S. 148). Platon gerät in den Sog der Orphik und der Mysterienkulte27 (S. 148f.). Es geht nicht darum, ob Nebel, fachwissenschaftlich gesehen, Recht hat. Nebel bahnt einen Pfad, der die Folie abgibt für ein Verständnis für Kästners Migrationen. Kästners Hinwendung zur christlich-orthodoxen Mystik wendet sich von der Onto-Theologie der Landschaftswahrheitsontologie ab, so wie Platon bei Nebel zum Grenzgänger in Richtung auf eine nachhomerische Theologie wird (S. 149). Dieser christlichen Antikerezeption geht eine bereits angedeutete Kulturkritik einher: als Kritik des Fortschrittsglaubens (S. 149) als »verruchte(r) Optimismus der Massen-Weltanschauungen« (S.  151). Wenngleich mitunter vom Christlichen mittransportiert, muss das Zeitgefühl wieder dem mythischen Denkens des Kreises (in der Bildsprache der jahreszeitlichen Naturrhythmen), eine originäre Figur bei F. G. Jünger (u.a. 1957, S. 109ff.), weichen (S. 152). Die Eschatologie ersetzt so den Hades bei Homer. Das dionysische Fest bleibt hier eine homerische Annäherung an die Wahrheit, aber nicht diese selbst. Abgegrenzt vom modernen Rationalismus erinnert sich Nebel noch an die innere, wenn auch spannungsreiche Verbindung von Mythos und Logos (S. 154f.). Hiermit verknüpfen sich Transformationen (S. 156). Das Diesseits wird zum liminalen Raum zwischen Himmel und Erde, zwischen dem Oben und dem Unten (S. 156ff.). (Nebel praktiziert hier m.E. durchaus eine an eine strukturale Psychodynamik 28 erinnernde Analysegrammatik.) Und der Hades wird transformiert, weil die Transzendenz zum Himmel hin erschlossen wird. Mit dem Mythos (hin zur Theologie) wird gebrochen; aber, wie ich es verstehe, nicht einfach zum Logos hin, sondern zur Theologie des Transzendenten hin. Ich möchte hier diese Textparaphrase zu »Griechischer Ursprung« von Nebel (1948) zunächst abbrechen. Mein Anliegen der Skizzierung der Parallelitäten 25 | Wahrscheinlich ist ein Bezug zu Huizinga (1938) gegeben. 26 | Bestätigt bei Fröschle/Haase 2001, S. 164. 27 | Die religionswissenschaftliche Forschungslage hierzu ist komplex und soll nicht weiter thematisiert werden. 28 | Schulz-Nieswandt 2015.

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zwischen Nebel und Kästner, die nicht zu eng, aber auch nicht zu weit, auch nicht frei von Divergenzen, aber positiv auch von Konvergenzen gezeichnet sind, ist umgesetzt. Gehe ich weiter. Dieser Befund über Nähe und Differenz verstärkt sich auch nach der Lektüre von Nebels »Meergeborenes Land. Griechische Reisen« (Nebel 1968). Hier finden sich viele Parallelen, seien es die Landschaftserlebnisbeschreibungen, die Lichtmetaphysik, seien es die Ausführungen zur Gastfreundschaft, sei es die Einschätzung des Retsina. Dennoch zeichnet sich hier eine Differenz zu Kästner ab, die es gleich noch stärker im Lichte ausgewählter Briefe (Kästner 1994, S. 69ff., S. 103ff. i. V. m. S. 203f.; Raabe 1984, S. 105ff., S. 111ff., vor allem S. 122ff., S. 198, S. 226ff.; auch in Sinn und Form 2004) zu beleuchten gilt. Dabei ist die ganze Art der Reisebeschreibung bei Nebel anders zu klassifizieren als die Prosadichtung von Kästner. In mancher Hinsicht ist die Darstellung, vor allem in historisch-archäologischer Hinsicht, den Reiseberichten von Göran Schildt etwas ähnlicher, auf den ich ja an verschiedenen Stellen verweise. Schildt ist aber wiederum vorsichtiger in der Kulturkritik, etwa des Massentourismus. Auch fehlt bei Schildt jede theologische Andeutung. Es zeichnet sich nämlich in dieser Reisebeschreibung bei Nebel eine schleichende Unterwanderung der Reisereflexionen durch eine doxische christliche Theologie ab, die Kästner, was gleich Thema sein muss, eher kritisch sah, da seine orthodoxe Kloster- und Wüsten-Mystik ausgeprägt anti-doxisch und individualistisch angelegt ist. (Hier hat sich, im Vergleich wiederum gesehen, Guardini letztendlich immer der Kirche eingefügt und der Autorität untergeordnet, obwohl gerade diese Kirche ihm viel Leid angetan hat.) Kästners meditative Spiritualität, durchaus zutiefst christlich, bedarf weniger der doxischen Ordnung, die letztlich doch nur in Kirchenordnungstheologie (wobei Nebel durchaus kritisch eingestellt ist gegenüber dem etablierten [musealen: S. 104] Christentum) mündet. Und so trennen sich die Wege von Nebel und Kästner in einer radikalen Weise. Die angeführten Briefe geben davon Zeugnis ab. Die Freundschaft hielt über viele Jahre; sodann kam es ebenfalls für viele Jahre zu Entfremdung und Entzweiung. Erst kurz vor dem Tod beider Ex-Freunde kam es zur Versöhnung29. Jetzt zu »Die Reise nach Tuggurt« von Nebel (1952): Eine wichtige Schaltstelle in diesem Drama war die gemeinsame Reise, von der Nebel in einem Buch (Nebel 1952) berichtete. In Kleinigkeiten kommt Kästner dort nicht gut weg; deutlicher wird jedoch Kästner als zu wenig radikal in seiner konservativen Zivilisationskritik bezeichnet (S. 55ff.). Kästners Zivilisations-, insbesondere Stadt- und Technikkritik ist der Zivilisationskritik von Nebel eigentlich zunächst sehr ähnlich. Auch die übliche Beamtenkritik und Ironie auf den Besteuerungs-Leviathan (S. 83, S. 102: »Steuerterror«) z.B. finden sich wie bei Kästner auch bei Nebel (S. 8). Wie Kästner polemisiert Nebel (anti-demokratisch: S. 38; und gegen die Erbschaft des Rationalismus und 29 | Zurückhaltener dazu: Lehnert 2004, S. 24f.

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der französischen Revolution [S. 20]) gegen die Illusion der sozialen Gerechtigkeit (S. 19). Der Leviathan (S. 44, S. 133) der Moderne (auch hier Kästner ähnlich) hat den Menschen seiner metaphysischen Habe (S. 19) beraubt. Doch Nebel ist in der Tat noch viel radikaler. Dies gilt nicht nur für seine Massentourismuskritik (S. 23) und hinsichtlich seines Wohlstands-Ekels (S.  24ff., S.  47). Ausgeprägt ist auch sein Anti-Amerikanismus (u.a. S. 38, S. 69, S. 83, S. 98f., S. 104). Und hier wird Nebels Nähe zu Ernst Jünger (Nebel 1949a) verständlich. Die Apparate-Kritik im Sinne einer Verdinglichungstheorie ist überaus deutlich (S. 33). F. G. Jünger thematisiert in seiner Studie zu Maschine und Eigentum (1949a) als Ausgangspunkt die Entfremdung des Menschen, die aus der Apparateherrschaft resultiert und die Angst produziert (S. 154), und der wiederum das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis korreliert (S. 177f.). Diese Kritik des Denkens in Sicherheit prägt ja auch das Denken von Nebel und Kästner. Nebels Reisebericht beginnt mit dem Ausdruck von unendlichem Ekel; Ekel angesichts der Welt, die auch bei Kästner deutlich zu finden ist. Und dennoch: Nebels Ekel ist radikaler ausgeprägt (Nebel 1952, S. 7). Ähnlich wie Kästner sieht Nebel den Kontrast der Wüste als von Reinheit (S.  52) geprägter Erlebnisraum einerseits und dem urbanen Verdichtungsraum andererseits. Aber auch hier drückt sich Nebel radikaler aus. Nebel folgt struktural binären Codes: Stadt : Wüste = Schmutz (Kot) : Reinheit.

Doch auch innerhalb der botanischen Natur sieht er noch die Reinheit abgestuft und bipolar angeordnet (S. 36): Palme : Olivenbaum = Mathematik : durable Unordnung = ungeschichtliche Leere : stämmige, wenn auch quälende Macht.

Nicht die Palme (als Pflanze der Provinz), sondern der Olivenbaum drückt in seiner verkrüppelten Art das Leiden – und somit Christus (S. 75, S. 20) – aus, dass von der Moderne nicht mehr ernstgenommen wird. Der Leere korrespondiert die Langeweile (S. 41); in der Wüste spürt man die Angst angesichts dieser reinen Natur. In einer anthropologisch anmutenden Darlegung der Haut als Limes zwischen Innen und Außen (S. 53ff.) entwickelt Nebel eine Vorstellung von dionysischer Ekstase als Überstieg (S. 54), auch in der Form der »bakchischen Freundschaftsfeste« (S. 31). Hier liegt ein Einfluss von Ernst Jünger vor. Dies geschieht aber alles außerhalb der Welt der technischen Zivilisation und der ekeligen Kon-

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sumgesellschaft. Bei Kästner findet sich die Ablehnung des Reisens im Auto30 (als Auto-Rundfahrt); aber bei Nebel ist der Ekel vor dem Auto fundamental (S. 55ff., S. 65, S. 105).31 Zunehmend theologisiert Nebel seine Sicht auf die Dinge: Er berichtet von seiner erfüllten Zeit im Staunen (S. 58). Die Entzweiung von Nebel und Kästner ist in diesem Kontext schwer, aber wohl dennoch durchaus zu verstehen. Oberflächlich gesehen liegt eine überaus signifikante Wahlverwandtschaft und Inter-Textualität konservativen Denkens vor. Diese ist nicht immer reaktionär. Mag sich Nebel auch konservativ zum Kolonialismus bekennen; er hält die totale Modernisierung für das größere Übel. Dennoch kritisiert er Kinderprostitution, Sklaverei und anderen Formen rassenbezogener Ausbeutung. Seine Hitler-Kritik ist überaus deutlich. Aber die Radikalität seiner Ekel-gesteuerten Zivilisationsablehnung überragt Kästners Position deutlich. Und hier fühlt sich Kästner wohl angegriffen. Er selbst versteht sich ja als Kritiker der modernen technischen Kultur. Er selbst diagnostiziert die ganze Welt, im Osten wie im Westen als totalitär, als Raum des Leviathans. Er selbst hat ja zunächst in der Seinsfrömmigkeit im griechischen Landschaftserleben (die Nebel allerdings immer schon als endgültig verloren ansah), dann eben in der Wüste und sodann im byzantinisch-orthodoxen Kloster seine innere Ruhe angesichts dieser elenden Welt gefunden. Wie Nebel hat sich Kästner zum Christentum geöffnet. Aber Kästner ist wohl individualisierter und in diesem Rahmen der Mystik zugewandt. Nebel festigt seine Zeitkritik zunehmend fundiert durch eine dogmatische Theologie. Kästner geht es um Glauben, nicht um Kirche und Theologie. Und dennoch ist ja schon bei Kästner die Dogmatik als Habitus ausgeprägt, erkennbar in seiner Positionierung auf der Seite von Barth gegen die von Barth konstatierte »Häresie« der Bultmann’schen Ent-Mythologisierung, da diese ketzerisch die Suspendierung des Glaubens durch Rationalismus und Wissenschaft sei. Die Radikalität von Nebel mag seiner oftmals (öffentlich wie im Freundeskreis konstatierten) ungehobelten, zur fehlenden Selbstkontrolle neigenden und daher auf brausenden, übertreibenden und letztendlich entzweienden Mentalität geschuldet sein. Doch ist hier wohl alles nicht nur eine Frage von Charakterneurosen. Die geistige Wahlverwandtschaft zwischen Nebel und Kästner bricht dort auseinander, wo die Radikalität der vorgetragenen Kulturkritik die Positionen entzweit. Hier ist Kästner, der durchaus auch sehr scharf ausgrenzen konnte, relativ offener, etwas freundlicher akzentuiert. Ich komme nochmals auf die »Reise nach Tuggurt« (Kästner 1952) zurück, und zwar zur zweiten Hälfte.

30 | Zum Themenkreis Auto und Reisen ist eine einschlägige Kracauer-Rezeption (Koch 1996) relevant: Wetterauer 2007; Band 1999. 31 | Abgeklärter wird die ganze Ambivalenz erfasst bei Wolfgang Koeppen: Koeppen 2008, dort die Vorbemerkungen des Herausgebers Walter Erhart, S. 533ff.

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Nebel (1952, S. 75) wendet sich von der Welt dadurch ab, dass er fordert, man solle diese im Leiden (und »uns in ihm auf Christus« beziehen: vgl. auch prägnant S. 84) annehmen (S. 75): Dies ist – wenngleich auch Kästner das Leiden positiv konnotierte – ganz im Sinne von Ernst Jünger (Nebel 1939, S. 210ff.) gedacht. Nicht, dass, wie schon angedeutet, Nebel nicht kritisch gegenüber der sozialen Realität eingestellt ist: Er konstatiert die Proletarisierung der unglücklichen Masse (Nebel 1952, S. 79), ist zutiefst erschüttert vom Anblick der Kinderarbeit (S. 80). Doch, wie bei Kästner: von Sozialreform keine Spur, nur: »das Leid eines Kindes ist überhaupt die große Probe. Wer es kalt ansehen kann, ist kein Mensch mehr, und wer es warmen Herzens fühlt, und dennoch nicht an Gott verzweifelt, hat den Frieden des Glaubens gefunden.« (S. 80)32 Das Christliche findet Nebel aber nicht in der Sozialreform, sondern im Glauben allein; und diesen Modus des Glaubens topologisiert Nebel im Modus der Wüste: »Die Wüste schweigt und die Wüste ist rein« (S. 84). Alles andere – und hier erinnert mich Nebel an Foucault und dessen Theorie der gouvernementalen Regime epochaler Dispositiva – sind »Mobilisierungsprozesse der Moderne« (S. 94; u.a. auch S. 104, S. 111, S. 113, S. 118, S. 146, S. 148). Der 3. Weltkrieg ist ohnehin schon ausgemacht (S. 101). Der Eskapismus ist daher bei Nebel m.E. noch expliziter als bei Kästner: »Ich glaube an das himmlische und nicht an das irdische Paradies, an die Erbsünde und nicht an die Güte des Menschen und weiß, daß Wirtschaft und Macht notwendig ungerecht und ausbeuterisch sind.« (S. 102) Die Differenz zur Kulturtheorie der systematischen Theologie von Paul Tillich33 – aber auch zu Romano Guardini – kann gar nicht eklatanter sein. Und erneut gegen die Ideen der »Sattelzeit« von 1789: alles nur »Schein von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit« (S. 102). Letztendlich (S. 198ff.) reflektiert Nebel diese Reise als Enttäuschung, aber in diesem Rahmen eben auch als Gewinn (S. 141). Er entlarvt die ganze Illusion des Reisens als Sehnsucht nach einer authentischen Heimat (die eben nie zu finden ist) und entfaltet dies in einer gewissen psychodynamischen Analyseart, an der sich Bollnow (1958)34 als Bestätigung seiner überaus instruktiven Sicht der Dinge über Unruhe und Geborgenheit in der Literatur erfreuen könnte. Vor diesem Hintergrund trägt Nebel eine extreme Dekadenztheorie des Tourismus vor (S. 110ff.). So sieht Nebel die Suche nach dem wahren Glücksort in der Immanenz dieser elenden Welt als sinnlos an. Den Schmerz und das Leiden sind dagegen vielmehr heldenhaft anzunehmen; hier ist Nebel ganz bei Ernst Jünger (Nebel 1939). Im Jargon von Heidegger gesprochen: Das Glück kann nur uneigentlich in der Immanenz gefunden werden. Eigentlich ist das Dasein nur im christlichen Glauben; der geeignete Ort ist die Wüste. Ist die uneigentliche Existenz pathologisch leer im Sinne von Langeweile und Nihilismus (eine allerdings in der Begriffsbildungs32 | Vgl. die Metaphysik der Kindheit bei Siewerth 1957. 33 | Dessen theonome Kulturphilosophie ist in einem gewissen Sinne dem alt-griechischen Pan-Theismus nahe stehend, den Kästner wie Nebel ja als überwunden meinen. 34 | Dazu Schulz-Nieswandt 2015.

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und Nutzungsgeschichte sehr schillernde Begrifflichkeit), so ist die Wüste leer, aber klinisch leer im Sinne der Abwesenheit allen ekeligen Übels dieser uneigentlichen Welt. Den (hier impliziten) Bezug zu Jünger (vgl. Nebel 1939) will ich für ihn nicht falsch verstanden wissen: Es geht gar nicht um den Schmerz in Kaserne und Krieg, sondern um die Erinnerung an Adam (Nebel 1952, S. 110) und damit um den Verweis auf die einzige Wahrheit, die nur in der Transzendenz ist. So wie der Krieg alles etablierte Normale sprengt, geht es um die radikale Überwindung der Welt. Das erinnert durchaus an Bataille (vgl. auch Nebel 1939, S. 223f., S. 228, S. 240f.). Die Binärik von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit dekliniert Nebel subtil durch (Nebel 1952, S. 114): Wanderer : Tourismus = Zeitenthebung : modische Hast = Weintrinker : Cocktailschlucker = Soldat : Partisan = Wahrheit : Wissenschaft = Staat : Leviathan = das Schöne : museales Ding.

Dem zivilisatorischen Abbau hält Nebel die christliche Eschatologie entgegen (S. 115). Auch hier ist die Differenz zu Guardini (verstehbar im Kontext der Römerbrief-Exegese) signifikant. Geht es um die eschatologische Endzeit in der Zukunft oder um die bereits messianisch aufgeladene Jetzt-Zeit? Nebel rechnet hier mit sich selbst als »ehemalige(r) Linke(r)« ab (S. 117). Und vielleicht ist es die folgende Abwertung jeglichen Versuches, noch ein zumindest begrenzt eigentliches Glück in der profanen Welt zu finden, die Kästner und Nebel entzweit: »Der Mensch ist wesenhaft der nicht vergessen könnende Vertriebene des Paradieses – darum die immer neuen Unternehmen, den Garten Eden wiederzugewinnen, durch Wein und Liebe, Kunst und Rauschgift, Meditation und Freundesdialog, um von den kollektiven Märschen zu diesem unerreichbaren Ziel zu schweigen.« (S. 117) Da ist die Position seines Freundes Kästner massiv mit getroffen. Zum Mythos geht, so Nebel, kein Weg zurück. Nur zu Christus (S. 118) hin steht eine Zukunft offen. Freundschaftsdialog hilft (ebenda) nur dann, wenn er einen auf Christus bezogenen Gemeindecharakter annimmt. Das klingt einerseits nach einer konkreten Utopie der Agape, andererseits aber extrem entrückt und die realen Chancen im sozialen Diesseits entwertend.

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In der Wüste findet man, so Nebel (S. 119), nicht irgendeine Einheit von Form und Inhalt, sondern Leere, da jeder empirische Bezug zur sozialen Welt auf ein Minimum reduziert wird. Daher auch die Abneigung gegen »Weinberge« (S. 120) als Orte der Wahrheit: Die Landschafts-Seins-Frömmigkeit des alten Griechenland hatte diese Wahrheit, ja (S. 121); aber diese Zeit ist durch die Zivilisation endgültig vorbei und nicht wieder zugänglich oder herstellbar. Vielmehr: »Vielleicht ist sogar die Sahara noch dichteres Sein als die dämonisch belebten Landschaften der Griechen. Es ist nicht Leben, sondern Tod in ihr zu fühlen, nicht gegliederter, sinnvoller Mythos, sondern das Nichts.« (S. 121) Denn das Wahrheitserleben des Elementaren35 ist durch die Zivilisation vorbei (S. 122ff.). Es gab sie, diese Seinswahrheit; aber sie heute zu suchen, ist sinnlos. Der Wald36 ist, auch dies struktural angeordnet, dem Park, das Weib dem Mann, der Mythos der Vernunft, das Archaische dem Klassischen gewichen (S.  123). Aber das Christliche rettet hinüber zu einem neuen Pfad: »Auch die Gnade Gottes bedient sich, und zwar in der Taufe, des Wassers als eines elementaren Zeichens. Weil das Wasser einst schrecklich war (als Meer37: S.-N.), kann es jetzt zum Trost werden und Sünden abwaschen.« (S. 124) So geht es nicht mehr um Musik und Melodie (S.  125) wie einst im Kontext des Zirpens der Zikaden im Olivenhain, wo Pans Flöte zur Mittagsstunde die Theophanie des Dionysos ankündigte. Diese vorchristliche Welt ist vorbei. Eine neue Welt tut sich auf, die aber nicht die einer sozialen Wirklichkeit ist: Nebel (S.  126): »und so ist nichts präziser als die Kategorien der Theologie, nichts verwaschener als die Begriffe einer atheistischen Wissenschaft wie die der Soziologie.« »Wirkliche Existenz« ist gebunden an der »Absage an den Zeitgeist« (S. 133). Nur in Christus, nicht in der »Maske des Mythos und des Schönen« (S. 133), ist eigentliche Existenz möglich. Dies meint totalen Verzicht (S. 134); auf »Auto, Großstadt, Telefon, Radio, Reise, […] Sport«, »Kino«, »Massen-Dasein«, »Wahlen« (wo es nur um die Abwägung zwischen kleineren und größeren Übel geht), »Konzerten, Kunstausstellungen, Theaterdarbietungen«. Dies trifft Kästner, auch gerade die Forderung nach Verzicht auf »Diät in der Lektüre« (S. 134), sah Kästner doch in der Literatur die Chance auf ein seelisches Heil. Die völlige Leere der Wüste generiert, so Nebel, ein apollinisches (wobei Apollon = Christus) Licht, »im Vergleich zu dem das berühmte griechische Licht wie ein leichter Nebel« (S.  137) erscheint. Auch das trifft Kästner, hatte er doch anfangs im Landschaftserleben eine Seinsfrömmigkeit gefunden. Sicherlich, auch bei ihm fand eine mentale wie topologische Transformation statt, die über die 35 | Was durchaus auch verknüpft ist mit dem Walten der Elemente: Böhme/Böhme 2004. 36 | Auch diese Positionierung von Ernst Jünger ist kultur-und mentalitätsgeschichtlich nicht unbedingt originell. Vgl. etwa auch Termeer 2005. Vgl. ferner zum Deutschen Wald als Sehnsuchtsmetapher seit der Romantik: Lehmann/Schriewer 2000. 37 | Vgl. auch Baader/Wolf 2010.

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Wüste im Klosterwesen auf dem Berg Athos ausmündete. Auch Kästner überwand seine von ihm selbst als jugendlich entwertete Griechenlandsehnsucht im Christlichen. Aber doch nochmals anders als Nebel. Nebel geht es um die »Gnade des Glaubens« (S.  143). Dies – als »spiritualistische Verkrustung« (S.  143) – sei im Mönchtum nicht zu haben; auch das mag Kästner treffen. Die Sahara ist für Nebel eine geographische Kategorie, die zur geistesgeschichtlichen Größe wird (S. 146). Es macht keinen Sinn mehr, Malerei zu betreiben (S. 147). Das gilt auch für die »künstlich hermetischen Lyrik(en) unserer Tage«, die »Tiefe erschwindeln will.« (S. 100) Das wertet Kästners Aktivitäten im Literatur- und Kunstbetrieb ab. »Weltlosigkeit« ist angesagt: »Die Sahara ist der Advent unter den Landschaften und ihre Stimme ist die Ankündigung dessen, der da kommen wird.« (S. 150) Jede Schwermut (S. 137ff.), von der auch Kästner als Melancholie positiver handelte, die sich nicht von der Welt löst und sich eschatologisch transformiert, ist nihilistisch (allerdings, wie gesagt: eine sehr vieldeutige Kategorie). Nun zu »Feuer und Wasser« von Nebel (1939): Nebels (keineswegs undifferenzierte) Begeisterung für Ernst Jünger (Nebel 1949) rührt also daher, dass die Zivilisation jeglichen Rückgriff auf das archaische Griechenland unmöglich macht. Dies, wie umstritten auch die Rezeptionsweisen von Jünger sein mögen, kann Nebel allerdings in einer luziden Darlegung dieser vergangenen Epoche des menschlichen Geistes als Lehre vom Elementaren darlegen (Nebel 1939, S. 151ff.). Die Kulturgrammatik dieser Epoche wird bei Nebel im Rahmen eines Systems psychodynamischer Landschaftskategorien metaphorisch erschlossen. Diese Welt war eine solche der Transzendenz in der Immanenz (dem Wein des Dionysos-Kultes geschuldet [S. 167] und später im »Brot und Wein« des christlichen Abendmahles in die Zukunft gerettet) und fand so – genial entfaltet bei Hölderlin (S.  166; dazu auch in Schulz-Nieswandt 2015) – noch zu einer einmaligen Daseinswahrheit: »und so kommt es, daß die Weintrinker einander brüderlich verbunden sind.« (S. 168) Die »furchtbaren« Städte38 der »Zivilisation« (Nebel 1939, S. 164) haben dann alles zerstört. Nebel (1939) thematisiert im Lichte seiner Rezeption von Jünger das Leiden als Annahme eines Wagnis, statt der Suche nach Sicherheit (S. 232). Seine transzendierende Zeitkritik findet Nebel figuriert bei Jünger im Modus des Kriegers (S. 245). Wissenschaft, Utopie, Kritik, leere Freiheit (S. 179) – das sind Kategorien einer Haltung zur Welt, die nicht helfen kann. Es geht nicht um Heideggers Sorge (S. 232, S. 246). Das ist alles noch verhaftet der sinnlosen Idee der Gestaltung der Welt. Jetzt zu »Weltangst und Götterzorn. Eine Deutung der griechischen Tragödie« von Nebel (1951): Das ganze Argumentationsgebäude von Nebel lässt sich in dieser Studie nachzeichnen. Dabei sieht er den Aufstieg der Tragödie als Element des Übergangs zur Klassik, die die archaische Seinsgebundenheit (S.  24) end38 | Vgl. dagegen den Typus der »südlichen Stadt« bei Bargheer (in Fehlemann 2005, S. 16), die dieser im »orphisch-kristallinen Stil« (ebenda, S. 15) gemalt hat.

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gültig verloren gibt. Götter und Menschen entfernen sich voneinander (S. 21). Die Seinsgeborgenheit geht verloren; der tragische Mensch tritt auf die Weltbühne, muss sich mit dem Schicksal auseinandersetzen, indem er sich als demiurgisch verstehen lernt und vor Entscheidungen gestellt wird (S. 31). Der Übergang wird als Wandel von Aischylos zu Sophokles deutlich (S.  13ff.). Implizit bedient sich Nebel der Binärik des Dionysischen und des Apollinischen (S. 15), denn Aischylos wird definiert über Reisen (S.  26), Sprünge, Auf bruch, Werden, Wildnis39 und Elementarität; Sophokles wird charakterisiert über die Stille der Erfüllung. Mit Blick auf die archaische Seinsgeborgenheit wird die Reife des Sophokles als Verlust verstanden (S. 13). Einerseits. Andererseits ist Sophokles eben auch zu wenig in Richtung auf die transzendente Gottesordnung des dialogischen absoluten Christus. Die Tragödie ist somit Höhepunkt einer vor-christlichen Weisheit. Gebunden ist diese Transformation zur Tragödie an der Politik der polis. Diese wird von Nebel der modernen Obrigkeitsstaatlichkeit entgegen gestellt. Die moderne liberale Gesellschaft der Massenbürokratie sperrt die Privatwelt aus, was nicht zu verwechseln sei mit der christlichen Innerlichkeit, denn diese sei an die heilige Gemeinschaft gebunden (S. 14). Mit der Geburt der vorchristlichen (S. 36) Tragödie des Sophokles verknüpft ist der beginnende Trend zur Ablösung des Mythos durch die Philosophie (S. 115, S. 302). Psychologie ersetzt im weiteren geistesgeschichtlichen Prozess die echte Theologie. Der Aufstieg des Rationalismus ist zu verzeichnen. Das ist Verlust (S. 27) der archaischen Wahrheit der mythischen Seinsgeborgenheit; Wahrheit ist im kalten, blutleeren (S.  27) Rationalismus der Wissenschaften (S.  35) nicht zu haben, erst wieder und nur in Christus. Der Humanismus (S. 23) ist an der Angst des Existenzialismus (S. 24) gebunden, an eine Angst, die mit dem Verlust der göttlichen Seinsgeborgenheit aufkam. Dieses aus der Angst heraus getriebene existenzielle Denken der Sorge ist eine Theologie des Absurden (S. 35). Immerhin steht die Tragödie (S.  17) über der modernen Sucht nach Idylle (S. 22), wie – als kunstgeschichtliche Anspielung bei Nebel – die Reise nach Tahiti. Die Tragödie verkörpert noch eine Wahrheit, die nicht die der Wissenschaft ist (S. 17, S. 19, S. 20). Doch ist die Tragödie zugleich Übergang zu jenem Aufstieg der Philosophie, in die – als Asyl (S. 20) – sich dann der verlorene Mensch als Subjekt flüchtet: »Mit dem Zerfall der epischen Einheit wird zunächst das Ich gegenüber der Welt frei, es entsteht das trotzig sich behauptende und leidvoll scheiternde lyrische Selbst, das die Seinspotenzen vernachlässigt, weil es sich im Widerstand verzehrt, den das Außen dem Innen bietet.« (S. 28) Es folgen (S. 29f.) Passagen, die binäre Codes im Modus einer psychodynamischen und kulturgrammatischen Dramatik zum Ausdruck bringen. Und, mit Blick auf Kästners »Aufstand der Dinge«, eine nicht irrelevante Textstelle: Die Dinge verlieren ihren sakralen Charakter, den sie im mythischen Zeitalter noch hatten (S. 29). Es folgt sodann eine Entleerung der Welt (ebenda). Die Dinge verloren ihre Würde (S. 30). 39 | Zur Binärik von Wildnis und der polis-Zivilisation vgl. auch Winkler-Horacek 2015.

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Die Tragödie ist eine Figur des Übergangs (S. 110). Einerseits wird die Sünde der christlichen Theologie zum Teil vorweggenommen (S. 31), andererseits sind die Schicksalsgötter40 nie nahe an der Idee des personalen Du-Charakters des christlichen Gottes (S.  34f.). So trägt die Tragödie »das Schicksal der menschlichen Endlichkeit in bitterer Strenge aus, als letztes und eigentliches Wort der vorchristlichen Welt.« (S. 36) Bei Nebel wird eine Stufenlehre der Tragödie von Aischylos über Sophokles hin zum Abstieg bei Euripides entfaltet. Diese Stufenlehre ist nur möglich im Lichte von Nebels Christologie. Schuld und Schicksal werden bei Aischylos noch gar nicht getrennt (S. 43): Überhaupt ist dort das Individuum noch kein Subjekt, sondern ein »ephemerer Knoten im Sein« (S. 36; vgl. auch S. 40f.). Die Psychologie wird später erst aufsteigen, wenn die Welt der Götter versinkt. Derartige Formulierungen finden sich auch bei Kästner. Eine christliche Tragödie sei unmöglich (S. 38): Erst mit dem göttlichen Du und seinem Sieg über den Hades, also erst in Christus (S. 45) steigt das weltüberspannende absolute Du auf und über den im Kosmos immanenten Gott hinweg (S. 45, S. 59). Christus ist aber – das trifft Kästner – nicht zu haben im Modus des »Eremiten des stillen Kämmerleins« (S. 48). Es fehlt an zentraler Stelle daher bei Nebel auch nicht der Mythos des Prometheus (S.  54) als Beginn des Siegeszuges der technischen Zivilisation. Der Mensch wagt sich dabei weit über seine ihm zustehenden Grenzen hinaus (S. 69) und verliert so seine Götter (S. 68). Der Mensch strebt nach Autonomie und begeht so die Sünde (S. 60). Der Stufenlehre der Tragödie korrespondiert die Stufenlehre der Götterlehre bei Nebel (S. 65). Die Titanen (Jünger 1944) wirken dumpf im »Es«; die Olympier überwinden (nicht vollständig) die (eben nicht zerstörbaren) Titanen und verweisen auf den dialogischen Gott in Christus, erreichen diesen aber nicht (S. 108f., S. 114). Die Olympier und dabei die Tragödie im Übergang von Aischylos zu Sophokles, mag dieser auch bereits auf das absolute Du hinweisen, um dann aber mit Euripides endgültig den Weg zu Christus und zur Personalität zu verlieren. Die Tragödie der polis ist somit positioniert zwischen dem alten Pantheismus der 40 | Der homerische Schicksalsbegriff ist näher zu de-chiffrieren. Der homerische Mensch verstand sich als Individuum, doch seine Freiheit war durch die Schicksalskräfte begrenzt. Es war das Wirken der Götter, ein Einwirken. Nun hatten die Olympier bekanntlich durch und durch menschliche Züge und liebten entsprechende Interaktionen mit den Menschen. Auch der Heros war ein hybrider Grenzgänger. Die Götter teilten die Merkmale der menschlichen Charakterkunde. Daher sind die Götter, wenn sie Schicksal sind, Spiegelungen der menschlichen Ordnung {Natur : Kultur}. Wenn dies stimmt, ist das Schicksal eben genau diese Aufstellung des Menschen. Damit ist die Freiheit des Menschen durch seine eigene Beschaffenheit begrenzt. Er selbst ist über Autonomie und Heteronomie definiert; beides liegt endogen in seiner Selbstaufstellung individuell wie kollektiv begründet. Der Mensch ist sich selbst sein Schicksal. In diesem Sinne erscheint die Diesseitigkeit der Göttlichkeit und der altgriechische Glauben an diese Götterkräftewelt nochmals in einem besonderen Licht.

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Natur einerseits und dem transzendenten Gott des Christentums andererseits (S. 66, S. 68). Nebel gelingt es, diese alte Welt der kosmischen Seinsgeborgenheit wundervoll zu re-konstruieren. Aber sie zerfiel und die tragische polis ist höchster Ausdruck dieser Zerfallsselbstreflexion des griechischen Menschen. Nun ist diese alte Welt vorbei, endgültig. Aufgestiegen sind die Wissenschaft und die Technik. Retten kann nur noch Christus, nicht als billige Philosophie des Trostes, sondern als Erlösung. Aufgestiegen ist (S. 69) eine künstliche Welt der Kohle und Elektrizität, des Eisens und des Erdöls. Das ist das heutige titanische Zeitalter des Prometheus. Es geht aber (erst) in Christus unter. Der Mensch sei ein Grenzgänger zwischen dem elementaren Primitivität und der technischen Zivilisation. In beide Richtungen – weder in der Romantik noch im Fortschritt – findet er seine Lösung. Das »Wagnis der Existenz«41 kann er nur in Richtung auf Christus durchstehen (S. 69). Die ganze weitere Abhandlung entfaltet diese ganze Sicht von Aischylos über Sophokles zu Euripides hin. Es dürfte bereits jetzt überaus deutlich geworden sein, wie sich Nebel im Sinne einer Inter-Textualität als Fundament der Zivilisationskritik von Kästner verstehen lassen kann. Bei Nebel findet sich die gezielt in seinen Texten positionierte, insgesamt aber damit auch fragmentarische Zivilisationskritik von Kästner breit entfaltet und geschlossen fundiert. In der beginnenden modernen – ich würde sagen neo-titanischen – Welt im Ausgang des klassischen Zeitalters der aristokratischen (S. 73, S. 123) Antike der tragischen polis erfährt der Mensch seine anthropologische Verfassung als gekennzeichnet von Kontingenz und der Gnade der Hoffnung. Nahe an dem transzendenten Übergang (S.  78) scheitert die Tragödie an der notwendigen Transformation. Der transzendente Gott sei nur als trans-sinnliche Wahrheit zu haben (S. 79). Im technischen Zeitalter des Prometheus gibt es diesen Weg nicht. Dort herrscht ein die Götter stürzender Titanismus. Findet (fand) Kästner hier seine Blaupause für seine Zivilisationskritik? Allerdings verstand er sich als konservativer Humanist. Und da zieht Nebel wohl an ihm vorbei. Humanismus sei eine Selbsttäuschung des Menschen (S. 95). Und die Ästhetik sei nur »die Vollzugsform der gebildeten Humanität« (S. 92). Echte Theologie sei anders, tiefer. Allerdings könnte man Kästners Abwendung von seiner frühen landschaftsund seinsfrömmigen Griechenlandsehnsucht auch im Lichte der Charakterisierung der Tragödie als hybrides Übergangsgebilde (S.  99) bei Nebel verstehen. Diese alte Welt endet mit Sophokles, positioniert zwischen Aischylos und Euripides. Sie ist endgültig vorbei, also auch nicht mehr im romantischen Reisen zu finden. Kästner sucht über die Wüste im Kloster von Athos den neuen Weg in Überwindung seiner frühen pantheistischen Landschaftsfrömmigkeit. Nebel ra-

41 | Dazu auch in Schulz-Nieswandt 2015.

Inter-Textualitäten

dikalisiert diese Überwindung der Naturfrömmigkeit in Richtung auf eine radikale Christologie der Erlösung. Die Tragödie (S. 97) beendet auf höchstem, aber eben vor-christlichem Niveau das mythische Zeitalter. Die Tragödie sieht Nebel als Gottesdienst der polis an (S. 93). Diese tragische polis erinnert soziologisch eher, so Nebel (S. 93), an eine Kirche als an den modernen Staat. Die Tiefe des Seins (S. 96) drückt sich im Fest aus (S. 94). Hier wird auf dionysischer Grundlage im Modus der Maske (S. 95) und im Zuge der Verwandlung (S. 95, S. 98, S. 104) die Epiphanie des Göttlichen inszeniert. Auf dieser höchsten vor-christlichen Stufe (S.  116, S.  303) kommt der alten griechischen Religiosität Wahrheit des Seins zu (S. 109, S. 113). Nebel spricht von der ewigen (S. 106) »Wahrheit des Mythos«42 als eine an dieser Stufe gebundene, und damit relativ zum Christentum versagende (S.  116) Entwicklungsform der Weisheit (S. 118).43 Erst das Christentum bringt mit dem Erbarmen (S. 108, S. 114) die Erlösung statt des Leidens (S. 118), das, erinnernd an Ernst Jünger, den tragischen griechischen Menschen eigen ist. Die nach-klassische Zeit ist aber den titanischen Weg der Macht des Prometheus gegangen. Macht führe aber immer nur zu Machtmissbrauch (S. 127). Gerade hier habe ich die Differenz von Kästner etwa zur Ontologie von Liebe, Gerechtigkeit und Macht bei Tillich, aber auch bei Guardini ausgemacht44. Vor diesem ganzen Hintergrund einer Entwicklungsstufenlehre wird Euripides (S.  257ff.) als Ende der alten Welt verstanden. Statt Glaubenswirklichkeit (S.  257) steigt die Metaphysik auf (S.  258). Aischylos wird erst wieder mit den Evangelien leben (S. 260). Zugleich ist dies das Ende der polis. Die Götter sind tot (S. 260). Die Differenz zwischen dem Oben und dem Unten ist aufgehoben (S. 274). Ein nach-dionysisches Zeitalter ist angebrochen; die Olympier werden zu Gespenstern (S. 274). Es ist das Ende des Mythos (S. 282). Die sodann bei Nebel angeführten Parallelen zwischen der tragischen polis und der protestantische Theologie des Kerygmas (S.  282) sind nicht leicht zu deuten. Mit dem Verhältnis von Mythos und Kerygma spielt, wie Kästner, auch Nebel wohl auf Bultmann an. Denn es geht um das Kerygma ohne Wunderwelt (S. 288f.). Es steigt ein soziologischer Realismus auf – bei Euripidis wie bei Bultmann. So lese ich das, um auch hier Parallelen zwischen Nebel und Kästner zu entdecken. Denn wie bei Kästner wird auch bei Nebel die Moderne zur entleerten Welt des Alltags, der Routine, der Langeweile, des »stumpfen Weitermachens« (S. 290, S. 297), zur Heideggerianischen Welt des Man, des »Es«. Es bildet sich 42 | Diese Seinswahrheit war weiblich (S. 104f.). Hier erinnert mich Nebel an Bachofen. Auch er sang das hohe Lied des Mutterrechts, sah aber im Christentum die wahre Überwindung dieser dunklen, vor-christlichen Seinswahrheit. 43 | Anders Walter (1991, S. 165): Mythen seien ein »unerschöpflicher Brunnen, aus dem kein Krug zurückkehrt, ohne mit Lebenswahrheit gefüllt zu sein.« 44 | Schulz-Nieswandt 2015.

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die »Gegenwart ohne Sein« (S. 290) heraus. Es kommt – auch hier sind Parallelen zu Kästner überaus evident – zum Aufstieg der Psychologie als Säkularisierung des tragischen Bewussteins (S. 302). Verkörperten Aischylos und Sophokles noch die, wenn auch vor-christliche ewige Wahrheit des Mythos, so ist Euripides ohne Wahrheit. Den Menschen gibt ist nunmehr nur noch abstrakt (S. 303). Ich beende dieses Kapitel zu Nebel, das viel länger wurde als zunächst geplant. Ich nehme nicht Stellung zur Richtigkeit bzw. Angemessenheit der Tragödienrezeption, wenngleich meine Kenntnisse etwa der Studien von Wolfgang Schadewaldt oder Max Reinhardt dazu Anlass geben. Auch das Problem der Wahlverwandtschaft oder doch der wirkungsgeschichtlichen Wechselwirkung zwischen Nebel und Kästner, auf die die herausgestellten Parallelitäten hindeuten, soll werkgeschichtlich offen bleiben. Mir reicht es, dass im Lichte der Ausführungen zu Nebel die frühe Form und die weitere Entwicklungsgeschichte von Kästner – also seine doppelte topographische wie mentale Migration von Kreta über die Wüste zum Berg Athos – besser verständlich werden. Allerdings habe ich – nicht nur – mit dem Bezug auf Nebel Kästner zunehmend und dergestalt in breitere wahrscheinliche Inter-Textualitäten gestellt, dass ich mich an diesem Punkt gefragt habe, ob ein auf Kästner fokussierter Buchtitel noch angemessen ist.45 Ich belasse es aber bei dieser zunehmend kontextualisierten Analyse im Sinne einer wissenssoziologisch abgesicherten, quasi objektivierten Hermeneutik, in der der Fall Kästner, um wissenschaftslogisch an Max Weber anzuknüpfen, im Kontext sinnhaft verstanden werden soll, um ihn dadurch erklärbar zumachen.

XII. S puren eines K onservatismus in R eiseberichten bei E rnst und F riedrich G eorg J ünger Nebel pflegte eine enge Beziehung zu Ernst Jünger. Daher ergibt sich mit Blick auf die erfragte Inter-Textualität eine erste komplexe Netzwerkbildung im Umkreis von Erhart Kästner. Ernst und Friedrich Georg Jünger haben auch Reiseberichte vorlegt. Diese sind hier hermeneutisch in Verbindung zu explikativ bedeutsamen anderen Texten und somit mit Blick auf weitere Inter-Diskurse zu erschließen. Zum Teil handelt es sich um gemeinsame Reisen. Hierbei erweisen sich die kleinen Berichte 45 | Bereits während der Produktionszeit wechselte ich den Titel. Ursprünglich lautete der Titel in der Zeit 2014/2015 noch: Et in Arcadia ego: Onto-Theologie bei Erhart Kästner (19041974). Inter-textuelle Studien zur Daseinsthematisierung zwischen Anthropologie der Gabe und Theologie der Offenbarung in der »Prosadichtung« als »Psyches iatron«. Aber mit dem Wachstum der inter-textuellen Analysen und der Berücksichtigung des Gesamtwerkes von Kästner wurde dieser Titel zu eng. Später wählte ich dann, was sich auch nur als Zwischenlösung erwies, den Titel »Erhart Kästner (1904-1974). Seine Prosadichtung im Kontext seines Gesamtwerkes und im Lichte inter-textueller Figurationen der ›konservativen Revolution‹«.

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von F. G. Jünger über Rhodos (1943a), eine Reise zusammen mit Ernst Jünger, auch über Mondello (1953b) weitgehend als angenehm lesbare Stücke, die aber kaum Tiefenmomente reflexiver Art aufweisen. Dies ist im Rhodos-Bericht noch etwas stärker gegeben als in den Mondello-Briefen.46 Natürlich kommen hier nymphische Orte (Jünger 1943a, S. 54) vor. Und man entnimmt die Bemerkung, solche Erfahrungen fehlen der Moderne (S.  58). In der Briefen aus Mondello (Jünger 1943b) wird das Bukolische der Welt der Technik gegenüber gestellt (S. 11, S. 14). Mit Anspielungen auf Ernst Jünger wird das Sammeln als (wissenschaftliche) Ordnungsleistung des Mannes reflektiert (S. 23f.). Post-strukturale Psychodynamik (S.  31) wird deutlich, wenn die eigene Haut als Käfig verstanden wird (S. 32). Die Konfrontation mit dem Fremden wird als Identitätsproblematisierung begriffen. Sein beliebtes dionysisches Thema (des Mythos47) der ewigen Wiederkehr – eine zentrale Figur bei Nietzsche und breit bekannt aus der Ethnologie zyklischen Zeitverständnisses48 einerseits und andererseits verankert im Kreislauf von Geburt, Tod und Auferstehung in der Osiris-Dionysos-Orpheus-Jesus-Linie49 – taucht auch hier auf, im Kontext von Frühling, Totenklagen und Adonis-Kult (S. 36). Dies wird wieder verknüpft mit Wechsel und Wandlung und dem Tanz (S. 52). * Der Einfluss von Oswald Spengler dürfte evident sein. Um Spengler hier angemessen zu positionieren, bedarf es allerdings einer Einklammerung allzu schablonenhafter Rezeptionsfilter. Bekanntlich war Spengler national-konservativ, aber explizit dem Hitler-Regime abgeneigt. Man muss auch nicht der Konstruktion seiner kulturvergleichenden Universalgeschichte folgen. Aber zumindest sollte man sein Werk halbwegs authentisch nachvollziehen. Und da spielt in seiner wohl von Goethe geprägten Kulturmorphologie ein ewig sich abzeichnender Kreislauf des Lebens in der Geschichte der Hochkulturen die zentrale Rolle. Es geht nicht einfach um den Niedergang der abendländischen Hochkultur als Katastrophe, sondern um das Ende im Zuge der Reifung und des Alterns. Dieser Zyklus dürfte etwa für F. G. Jünger in seiner ethnologischen Anleihe in Bezug auf die Figur der ewigen Wiederkehr ebenso von Interesse gewesen sein, wie Spenglers Darlegung des faustischen Menschentyps der abendländischen Spätepoche. Dies vor allem, wenn man bei den inter-textuell verkoppelten Akteuren das kollektiv geteilte Erlebnis des 1. Weltkrieges voraussetzt. Wobei Spengler einen 2. Weltkrieg bereits kommen sah. Auch bot sich Spenglers Diagnose der Gesellschaft an, die er am 46 | In dieses Bild passen auch die Dalmatinischen Nächte von Jünger (1990). Dazu instruktiv auch das Nachwort von Erhard Schwabe. 47 | Dazu Eliade 2007. 48 | Dazu Dux 1992, S. 223ff.; Gloy 2006, S. 139ff. 49 | Auch an den Opfertod der Könige bei Frazer (1989) ist zu erinnern.

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Ausgang des zyklischen Endes der abendländischen Hochkultur kommen sah: eine Fellachen-Kultur der Masse unter totalitär anmutenden Herrschaft. Hier dürfte neben F. G. Jünger auch Ernst Jünger in seiner Zukunftssicht der Arbeiterwelt im Maschinenzeitalter geprägt worden sein. * Bei Kästner findet sich ein solches Denken zumindest im »Kalender für alle Zeit« (ursprünglich 1931) (Kästner 1979). Der Kreislauf der vier Jahreszeiten wird am Beispiel der flämischen Malerei des 15. Jahrhunderts entfaltet. Bei Ernst Jünger sind die zivilisationsapotropäischen Momente stärker eingestrickt. In »Ein Inselfrühling. Myrdun« (Jünger 1965), in der auch die erste Rhodosreise abgedruckt ist, wird überaus deutlich konstatiert (S. 16): Steigt das Sicherheitsbedürfnis des Menschen, so sinkt seine Freiheit. Das ist explizit auch bei Kästner so formuliert. * An dieser Stelle lassen sich Klärungsversuche zur Begriffsbestimmung des Konservativen einflechten. Die Positionen dieser (»jungkonservativen«, wie es in der Literatur z.T. lautet, und die hier aufgegriffen wird, aber für meine Analyse nicht konstitutiv ist, weil sich die Einordnung der Personen des hier analysierten Netzwerkes solchen Teilmengen der Strömung [Ishida 1988; Petzinna 2000] der konservativen Revolution nicht leicht zuordnen lassen, wie ich in meiner Habitus-Bestimmung ja zeigen kann) Teilströmung der konservativen Revolution ist aber keineswegs in toto neo-konservativ. Meine älteren Studien (vgl., dort weitere Verweise, Schulz-Nieswandt 1985) haben darlegen können, dass der Neo-Konservatismus marktliberale Lehre mit einem starken Staat mischt, der aber nicht als Sozialstaat materialisiert wird. Nun sind die hier zu behandelnden Akteure aber sowohl markt- als auch staatskritisch, vor allem gegenüber dem Wohlfahrtsstaat. Dies ist ein neo-konservatives Element, macht aber die Autoren nicht zu Neo-Konservativen. Die Zusammenhänge sind verwickelt. Gegenüber dem starken Staat, der im deutschen ORDO-Liberalismus primärkonstitutiver und regulativer Wettbewerbshüter ist, betont der US-amerikanische Neo-Konservatismus neben dem liberalen Markt die Familie und – oftmals fundamental – die Religion. Dies ist dort wiederum abzugrenzen von den verschiedenen (neo-aristotelischen, hegelianischen und dialogisch-personalistischen) Strömungen des Kommunitarismus (vgl. in Schulz-Nieswandt/Köstler 2011), der soziale Lösungen jenseits von Markt und Staat betont. Natürlich finden sich Familie und Religion auch in soziologischen Varianten des ORDO-Liberalismus (Röpke, Rüstow) wieder, aber anders. Dort geht es auch um eine kulturelle Einbettung des Marktes. Das ist in den markt-konformen Richtungen der Wirtschaftsethik in der Buchanan-HomannPies-Richtung anders; dort bleibt der Markt frei von Moral; Moral wird konzipiert

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als externe anreiz-kompatible Rahmensetzung. Konservatismus, wenn er nicht einfach reaktionäre Restauration des Ancient Regime (Spaemann 1998) ist, ist insgesamt fortschrittsfeindlich. Und dies gegen alle Phänomene der Moderne, auch gegen den ungezügelten Markt und entgegen sozialemanzipativer Sozialpolitik. Dies wiederum nicht im Fall des Sozialkonservatismus (dazu in Schulz-Nieswandt 1999 mit weiteren Verweisen; zu Lorenz von Stein z.B.: Schulz-Nieswandt 1989; 1992). Diese Fortschrittsfeindlichkeit findet sich nun im Konservatismus unserer Autoren, die hier im Vordergrund stehen. Die Kritik gilt der modernen Ökonomie wie dem Wohlfahrtsstaat, dem Konsum und der Technik, der Massengesellschaft insgesamt. Damit ist dieser Konservatismus sowohl anti-liberal wie anti-demokratisch. Klassischer Konservatismus betont neben Familie und Stand auch die Kirche und die göttliche Ordnung. (Im ORDO-Liberalismus wird der Markt als Naturordnung theologisiert.) Die Kritik gilt dem Sozialismus ebenso, dem Staatssozialismus, aber auch dem freiheitlichen Sozialismus (Schulz-Nieswandt 2014c), der auf die Vielfalt gemischter Wirtschaft (Erwerbswirtschaft und Gemeinwirtschaft, öffentliche Wirtschaft und Genossenschaft) setzt. Aber auch hier ist der Jungkonservatismus schwierig einzuordnen. Onto-theologische Daseinsanalysen ziehen nicht unbedingt Begeisterung für die Kirche nach sich; die Abneigung gegen jede Sozialreform führt dazu, dass auch alt-konservative Ideen (Ständestaat z.B.) als Makulatur angesichts der radikal-fundamentalen Zivilisationskritik erscheinen. Die göttliche Ordnung wird eher offenbarungstheologisch bis hin zur Mystik ins Spiel gebracht; die dazu notwendige Innerlichkeit mag ein Erbe des Christentums wie des Liberalismus sein; aber sie wird als eskapistische Gegenposition zur Wirklichkeitsordnung verstanden. In dieser a-politischen Haltung ist der Jungkonservatismus politisch. Fortschritt wird als lineare Entwicklungsideologie abgelehnt. Dem Christentum – und hier ist Spengler keine Quelle für F. G. Jünger und Nebel – wird nachgesagt, analog zum Marxismus eine solche Prometheus-Idee zu fundieren. Dies ist nicht unproblematisch, kennen beide Strömungen der Geistesgeschichte, Judentum und Christentum einerseits und der Marxismus andererseits, die geschichtliche Zeit als Fortschritt doch eingebettet in eine eschatologische Geschichtsphilosophie des Zyklus von Paradies, Sünde und gattungsgeschichtlicher Erlösung. Von Spengler mag die Zeit der ewigen Wiederkehr entnommen sein; aber die christliche Orientierung bei Nebel und Kästner passt hier nicht; die Jünger-Brüder sind da nicht so eindeutig aufgestellt, F. G. Jünger noch weniger als Ernst Jünger. Kurios mag sein, dass die Idee des Kommunismus als nach-staatliche freie Assoziation der Menschen der Herrschaftskritik der Jungkonservativen entgegenkommt; einerseits, und hier zeigt sich gerade in der Kritik der Entfremdung eine eigentümliche Wahlverwandtschaft von Jungkonservatismus, Marxismus und Kritischer Theorie. Andererseits: Die Idee der Einfachheit der Lebensführung innerhalb dieser entfremdeten Welt wird als elitäre Ausnahmechance gesehen; für die Masse gilt dies nicht. Es gibt keine eigentliche Existenz in der Immanenz der uneigentlichen Welt; eher taucht die Figur des Antigone-Mythos auf: In der Familie und in der

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Freundschaft, also nur im kleinen Kreis, und dies gegen den Staat positioniert, ist ein eigentliches Leben vielleicht noch möglich, aber nicht als Ordnungsmodell der ganzen Gesellschaft. Dies ist die Position bei Nebel und Kästner. Deswegen ist dieser Neukonservatismus in einem philosophischen Sinne keineswegs anarchistisch: Denn dieser war orientiert an den herrschaftskritischen Ideen einer freien Assoziation des homo cooperativus allein aus der sittlichen Reife des personalisierten Menschen heraus. Ein neo-konservativer Topos findet sich, wie an verschiedenen Stellen dieser Abhandlung dargelegt, auch bei F. G. Jünger, bei Nebel und bei Kästner. Ebenso die Massentourismuskritik (Jünger 1965, S. 26), der mit Ekel begegnet wird.50 * Der Geist möge so beruhigt werden, aber das Leben stirbt ab. Es folgen die in dieser Abhandlung an vielen Stellen erschlossenen Komplex-Analysen von Macht und Ordnung, Staat und Organisationen (Jünger 1965, S. 50ff.). Hier kristallisiert sich mitunter als archaische Gegenmacht die Familie, die alte Sitte: Dies erinnert, wie bei F. G. Jünger, an den Antigone-Mythos51. Die Gesellschaft wird als System von Mauern und Zwingburgen beschrieben (S. 125). Vor diesem Hintergrund wird noch Kästners Rezeption von Gilles-Fensterbilder52 relevant: Fenster: Ausblicke aus dem Käfig heraus in die Freiheit, wenngleich auch dort wieder die Öde zu erblicken ist. Anarchistisch lehnt sich vielleicht eine Minderheit heroischer Menschen auf, die neue Willensfreiheit einfordern und ausdrücken und den Staat als Räuber bekämpfen (S. 73, S. 123). (Dies ist finanzsoziologisch eine uralte Debatte: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Zu Steuerstaat-Kritik vgl. auch S. 68f.) Ernst Jünger polarisiert (S. 58f.) sodann die organische und die anorganische Welt: organische Welt : anorganische Welt = Symmetrie : Asymmetrie = Notwendigkeit : Freiheit = Macht der Technik : Veränderungskraft im Modus des Tanzen.

Das Tanzen (S. 75), wie auch bei Walter F. Otto und F. G. Jünger (vgl. aber auch Vietta 1938; 1948), taucht hier immer wieder im Sinnkontext der dionysischen Ekstase der Überschreitung von Grenzen und der ewigen Wiederkehr auf. In die50 | Zur Tourismuskritik vgl. auch in Hennig 1997, S. 13ff. 51 | Dazu Steiner 2014a. 52 | Dazu auch Abbildungen mit Kommentar in Roters/Schulz 1987, S. 346ff.

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sem Zusammenhang steht auch das in vorliegender Abhandlung aufgegriffene Thema der Funktion der Maske. Die Wissenschaftskritik fügt sich diesen binären Strukturalismen. Die arme Vernunft scheitert an ihrer Identitätslogik (S. 67). Denn die dionysische Dynamik passt nicht in die apollinische Statik der Ordnung: Was ist, das ist. Ferner fügt sich die Medizin(system)kritik ein (S. 98ff.). Ärzte werden zu Angestellten der Kassen und zu Arbeitern des Staates (101f.), das Versicherungswesen finanziere eine »kärgliche Welt« (S. 102). Post-struktural anmutend (wie auch bei F. G. Kästner) sind jene Passagen, wo sich Ernst Jünger mit den Ablagerungen von Erfahrungen um Subjekt (wie Schutt) beschäftigt (S. 118). Diesem ganzen Zivilisationsprozess ist die »blaue Tiefe des metaphysischen Raumes« (S. 116) entgegen zu halten. Blau ist auch hier wieder eine signifikante Farbe, die das ganze Andere als Ziel der Sehnsucht als Flucht aus den Zivilisationsburgen der Moderne markiert. Über alle drei Rhodos-Reisen hinweg werden die Verlusterfahrungen deutlich (Jünger 2010). Verloren ging jede unberührte Natürlichkeit der Landschafts- und Seinserfahrungen im Zuge der touristischen Modernisierung (S. 95). Auch diese Kulturkritik ist nicht besonders originell. Das apotropäische Ekelgefühl gegenüber diesem Zerfallsprozess ist überaus deutlich (S.  84). Hier wird, wie an anderer Stelle der Abhandlung dargelegt, Ernst Jünger zum »Waldgänger«. (F. G. Jünger ist dagegen, wie auch in den Dalmatinischen Nächten, vom Wasser angezogen.) So suchen beide Jünger das Außerordentliche in einer entzauberten Welt (S. 86). Sie finden diese Relikte unzerstörten Seinserleben in Flora, Fauna und insgesamt im Frühlingserleben. Politik, das ist bei Fermor und Schildt ganz anders, ist profan und interessiert hier nicht (S. 87). Analog zum Satz, Nicht-Kommunizieren ist auch Kommunikation, gilt allerdings hier: un-politisch zu sein, ist höchst politisch. Wie bei Kästner wird die Landschaft existenziell aufgeladen. Frieden und Wiederkehr (S. 89) geben als Erfahrungen dem Dasein Momente der Ruhe und der Harmonie (S. 101). Einsamkeit ist kein Leiden, es sei ein Kapital (S. 101). Der ganze Eskapismus bei Kästner ist hier analog angelegt und ausgebreitet.

XIII. D istanz zur »A rbeit am M y thos « bei F. G. J ünger Ich möchte in diesem Kapitel einige Vermutungen zur relativen inter-textuellen Ausgrenzung von Friedrich Georg Jünger anstellen. Ich knüpfe dazu nochmals an bereits angesprochene Aspekte an. Dort formulierte ich: Schwer zu erklären sei die relative Marginalisierung der inter-textuellen Relevanz von Friedrich Georg Jünger. Denn bei beiden Brüdern finden sich viele inter-textuelle Relationen zu Kästner, vielleicht direkt und oder vermittelt über Nebel.

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Einige ausgewählte Aspekte seien genannt (hier immer mit Belegbezug zu Magenau 2012). Beide Brüder verstanden sich als osmotisch aufeinander bezogen (S. 12, S. 56, S.  271f.). Beide mögen zum Kreis der konservativen Revolution zählen, deren Hauptkommentator Mohler von den Jünger-Brüdern gar nicht so geschätzt wurde (S. 237f., S. 270; vgl. auch in Fröschle/Neumann 2003, S. 821, S. 827). Beide sind Vertreter einer konservativen Variante der »Dialektik der Aufklärung« (S. 175), da Technik und Wissenschaft in Magie münden (S. 15). Wahrheit findet sich nur in der Idylle der Heimat, als Stiftung des Lebens (S. 23). Vor allem F. G. Jünger stand Heidegger sehr nahe, geistig wie freundschaftlich (S. 30, S. 187, S. 254, S. 255). Heidegger war in seiner Kehre-Theorie der Technik von F. G. Jünger geprägt; Heidegger prägte über seine ontologische Sprachtheorie F. G. Jünger. F. G. Jünger war mit seiner Ontologie der Wiederkehr dionysisch am Adonis-Fest (dazu auch Detienne 2000) orientiert und sah hier den Frühling verbürgt (S. 60, S. 119, S.  172, S.  32). Ernst Jünger sah im Krieg (S.  48) einen grandiosen Modus von Rausch und Ekstase (S. 77, S. 78). Das Werden transformiert das Leben (S. 200). Das dynamische Leben beruhe daher auf Zerstörung (S. 47, S. 200, S. 311). Diese Dionysos-Rezeption versteht sich als konservative, anti-bürgerliche Moderne-Kritik. Das Ferne wird somit als Gegenwart gezeigt (bei F. G. Jünger: S. 69, S.  116, S.  177f.). Daher werden auch die Ausführungen zur Maske verständlich (S. 232ff., S. 240). Die Maske (vgl. auch u.a. Hüls 2013; Weihe 2004) gehört zur dionysischen Dynamik (S. 238): Biographisch ist in der Nachkriegszeit daher auch das Tummeln im Fasching plausibel. Zu dieser konservativ-revolutionären Haltung (S. 258ff.) gehört die anti-bürgerliche Kritik der Demokratie (S. 71f., S. 79, S. 114, S. 122, S. 88f., S. 228, S. 291f.). Von Spengler (vgl. auch Sieferle 1995, S. 106 ff; Felken 1988; Naeher 1984) geprägt (S. 78), wird die Wertestruktur der französischen Revolution abgelehnt. Gegen Sozialismus wie gegen Kapitalismus (vor allem bei F. G. Jünger) gemünzt, stellt sich hier eine Kritik des Totalitarismus insgesamt vor (S.  176). Alles (auch S.  87, S.  98ff.) ist Fabrik und Ausdruck von Technik (F. G. Jünger geht hier über E. Jüngers »Arbeiter« [vor allem ökologisch orientiert: S. 174, S. 284f.] hinaus: S. 139). Wie stark vor allem F. G. Jünger nahe an hybride (links-rechts-gemischte) ökologische Positionen heranreicht und damit vorwegnehmend von signifikant diagnostischer Bedeutung ist, erkennt man erst, wenn man sich globale forschungsdiagnostische Überblicke wie die von Harari (2015) verschafft. Instruktiv ist hier auch ein Blick in Sloterdijks (2015) Essay über »Die schrecklichen Kinder der Neuzeit«. Die Figur der dämonischen Moderne ist also keineswegs nur ein Topos der konservativen Revolution.53 Die Nazi-Ordnung wurde zunächst unkritisch begrüßt, später mit radikaler Ironie versehen (Magenau 2012, S. 106f.). Die Einschätzung von Magenau ist wohl treffend (S. 137), wenn diese Haltung als faschistisch, aber nicht als nationalsozialistisch eingeschätzt wird. Die Haltung war generell anti-organisatorisch, spä53 | Vgl. auch Großheim 1995.

Inter-Textualitäten

ter, hier Nebel und Kästner ähnlich, weitgehend un-politisch (S. 104). Der frühe (junge) F. G. Jünger war extrem nationalistisch, später dies, verdrängend (S. 310), nicht mehr. Anti-jüdisch waren beide Brüder nicht (S.  138, S.  171, S.  191). Eine (ideologisch anders gelagerte) Parallele mag sich in Fritz Langs Film über Metropolis (Gehler/Kasten 1990; Elsaesser 2000; Jacobsen/Sudendorf 2000; Vana 2001) finden. Man war auch nicht proletarisch eingestellt, eher soldatisch und in diesem Heldentum prometheusierend (S. 166). Der mechanische Arbeiter bei Ernst Jünger wurde nicht als Rasse verstanden. Jetzt wird deutlich, wieso der Krieg notwendig, wenn auch nicht gut ist: Vollendung findet die Entwicklung erst im Tod, in der Zerstörung der elenden Zustände, der Dekadenz der bürgerlichen Epoche. Deshalb war den Brüdern wie auch für Nebel, zum Teil auch für Kästner, Thomas Mann eher Teil dieser bürgerlichen Epoche (S. 123f.). Der ganzen mechanischen Welt (des homo faber) wird der Glauben an einer dynamischen Urkraft entgegengesetzt (S. 112), vor allem in den Mythen-Re-Konstruktionen von F. G. Jünger fundiert, hier den Bruder Ernst ohnehin wissenschaftlich (im Sinne einer gelehrten Mythopeoetik) immer übertreffend. Aber auch bei Ernst musste Wissenschaft sich mischen mit Poesie (als zwei Modi des Seins: S. 128), wenn sie akzeptabel sein sollte. Die Wissenschaftsfeindlichkeit bei Nebel (als Freund bei Magenau erwähnt: S. 271) und sodann bei Kästner ist hier ausformuliert. Kästners und Nebels Abneigungen gegenüber Soziologie und Psychologie (wenngleich mythenrezeptiv selbst reine Psychodynamik thematisierend) sowie Ökonomie finden hier ihre Wurzeln (S. 293). Stattdessen forderten die Brüder neue Metaphysik (Mythologie statt Psychologie: S. 284 und Soziologie: S. 293) ein (S. 138). Die beiden Brüder sind hier deutlich elitär aufgestellt und bekunden ebenso überaus deutlich ihre metaphysischen Grundbedürfnisse (S.  178f.) Der künstlerische Autor solle da – wie bei Kästner – neben der Gesellschaft stehen (S. 105, S. 141). Kunst müsse in diesem Sinne eine unsoziale Position einnehmen. Nur eine solche externe Kunst kann abhelfen in dieser Zeit (S. 268): Dies ist nun ganz Kästners Position. Zu dieser Sozialkritik gehört die geradezu schon ubiquitäre Stadtkritik (S. 109), mitunter an die Soziologie von Georg Simmel erinnernd. Es zeichnet sich ein Eskapismus (S.  175) ab (S.  201, S.  293). Nach 1950 mäßigte sich die Kritik bei Ernst Jünger etwas (S. 248f.): Ernst Jünger zog sich in den Wald zurück. Dorthin, was für Kästner die Wüste war (S. 249). So lässt sich der Eskapismus struktural schreiben als: Ernst Jünger : Kästner = Wald : Wüste.

So wurde für F. G. Jünger Wasser – eine kultur- und religionsgeschichtlich wenig originelle Idee (Wolf 2004; Selbmann 1995; Woschitz 2003) – heilig (S. 285). Was bei Ernst Jünger der Wald war, war bei F. G. Jünger das Wasser (S. 286, S. 244): Ernst : Friedrich Georg = Wald : Wasser (See).

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Die Kritik galt der Umweltzerstörung: Dies komme eben davon, wenn die Natur zur Naturwissenschaft werde. Naturwissenschaft ist des Teufels (S. 285). So findet sich vieles von Kästner bei den Brüdern Jünger fundiert. Die Kritik der Beamten (S. 266) ebenso wie die Theorie der Sprache in Bildern (als »Strahlungen« bei Jünger [1949] thematisiert). Auch die vertikale Theologie ist dort angedeutet: »Das Auge sieht den Himmel oben.« (S.  182) Die konservative Position sieht die Geschichte als Lehr- und Wanderjahre in die Barbarei hinein (S. 184). Technikkrieg habe das Rittertum abgelöst (S.  185); Töten wird zum Vernichten von menschlichem Ungeziefer. (Hier sind die Brüder Jünger eindeutig nicht anti-jüdisch.) Was für Kästner Dresden war, ist für Ernst Jünger die allgemeine Verwüstung der Städte als Tod der Seelen (S. 198). Nach 1945 forderte Ernst Jünger eine »neue Theologie« als »erste Wissenschaft«. Glaube sei ontologisch höher anzusiedeln als Wissen. Hier dürfte Kästner zustimmen, eine ganze Theologie wollte Kästner (entgegen Nebel) aber nicht betreiben. Mit der Technik der modernen verwerteten Wissenschaft sterben die Götter (S. 291, S. 297ff.); die Titanen kehren zurück: im Modus des totalen titanischen Menschen. Es handelt sich hier um eine Psychopathologie als Kehrseite einer Sozialpathologie kultureller Grammatik. Aber (S. 312): Die Götter können durchaus (in Zukunft) wiederkehren. Die (vor allem bei Ernst Jünger) sich abzeichnende tiefe Hingezogenheit zur Käferkunde (u.ä.) im Sinne einer Gattungssystematik repliziert sich in der bi-polar strukturierten Analyse des Sozialen (S. 300): aktiv : passiv = Krieger : Künstler.

Es gehört zu den tiefen Paradoxien der Jünger-Brüder (aber auch von Nebel und Kästner), dass die Psychologie und eine Soziologie verteufelt wurden, man selbst aber eine Psychodynamik (also Psychologie) und eine sozialpathologische Kulturdiagnostik (also Soziologie) – unbewusst – vortrug und entfaltete. Genau deshalb war vor allem F. G. Jünger wahlverwandter Gründungspotentator der GrünenRevolution, weniger der Jugendrevolution der 1968er Zeit (dazu S. 295, S. 297f., S. 300f.). Vielleicht hat sich aus Sicht von Kästner Friedrich Georg Jünger zu wenig vom Nachfühlen des ur-griechischen Glaubens entfernt, also zu wenig christlich orientiert? In diesem Punkt wie mit Blick auf die unorthodoxe Mischung aus Poetik und akademischer Disziplin ähnelt der Bruder von Ernst Jünger m.E. Walter F. Otto. Und hatte sich Nebel durchaus positiv auf Otto bezogen, da ihm dieser eben nicht der Methode kalter Altphilologie verpflichtet war, so war wohl auch für Nebel der pagane Theologe Otto nur zitationsfähig, wenn es um die Hermeneutik des altgriechischen Glaubens ging. Diese Epoche menschlicher Seinsfrömmigkeit ist nun aber für Nebel wie auch für Kästner abgeschlossen, vergangen, verloren. Die post-antike technische Zivilisation hat diesen Götterglauben getötet. Die augenblickliche Epoche des Hyper-Prometheus der totalitären Regime in West wie

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Ost ist nur noch in der weltabgewandten Öffnung nach oben, zum Himmel des einen, transzendenten Gottes zu überwinden. Diesen theologischen Eskapismus hat Friedrich Georg Jünger wohl nicht hinreichend vollzogen. Damit wird er, so meine Hypothese, für die Zivilisationskritik von Kästner unbedeutsam. Seine Mythos-Hermeneutik vermag die Antike zu aktualisieren. Auch hier sei angemerkt: Genau dies war das kerygmatische Anliegen der Bultmann’schen Entmythologisierung. Drei ontologische Konstellationen unterscheide ich in der Folge dieser Kontroversen. a. Die konservative Revolution trennte die Triade Gott – Mensch – Welt zu einer hierarchisch-diastatischen Dyade Gott – Mensch.54 b. Die Tillich-Guardini-Linie betont die Triade. Dabei verlängert sich die vertikale Achse der Dyade Gott – Mensch in die horizontale Ebene hinein in Bezug auf die Relation Mensch – Welt. c. Ich selbst bevorzuge die gottlose Theologie eines existenzialen Humanismus (dazu tiefer und mehr in Schulz-Nieswandt 2017). Dieser verkürzt die Triade um die Figur Gott und reduziert die ganze Ontologie auf die Dyade Mensch – Welt. Die Abhandlung über Apollon, Pan und Dionysos (Jünger 1943) erinnert in signifikanter Weise an Walter F. Otto, sich immer auch mit dem Fremd(artig)en auseinandersetzend (Jünger 1948).55 Vor allem die Einleitung bei Jünger (1948) deutet methodologische Parallelen an. Es geht um eine Hermeneutik, die einerseits aus akademischer Gelehrtheit resultiert, andererseits aber nicht, wie ich es formulieren würde, analytisch-cartesianisch, den fremden Gegenstand des altgriechischen Glaubens aus der exogenen Distanz zerlegt und re-konstruiert, sondern daseinspersonal nachempfindet, eintauchend versteht, nachlebt, auch aus Gründen des Respekts, ja der staunenden Haltung heraus.56 Offensichtlich kann diese alte Welt dem modernen Menschen doch noch etwas mitteilen, mitgeben. Es ist ein Eintauchen, das heute noch wirksam sein kann, also dem Wachstum des rezipierenden Menschen doch noch Eindrücke der Seinswahrheit vermitteln kann. Oder lese ich alles zu sehr im Filter einer epigonenhaften Otto-Exegese? Auch hier kann ich nicht das Gesamtwerk von Friedrich Georg Jünger zur Analyse heranziehen. Das gilt auch für die beträchtliche Forschungsliteratur. 54 | Ein für mich krasses Beispiel dieser Haltung ist ferner Guy de Larigaudie 1964. 55 | In diesem Kontext stehen auch die Satyrfiguren und –spiele. Dazu auch Walter 1993 sowie Brommer 1944. 56 | In seiner Arbeit zur Sprache und zum Rhythmus im deutschen Gedicht schreibt F. G. Jünger (1952, S. 7ff.), Wissenschaft könne nur re-konstruieren, was die in der Praxis genutzten Regeln der Metrik des Dichters seien. Diese Regeln werden nicht von der Wissenschaft entworfen, sie stammen aus der angewandten Praxis des Dichters.

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Dennoch fragt sich, ob sich diese Sicht der Dinge durch Erweiterung der Materialanalyse validieren lässt. Friedrich Georg Jünger gilt nach wie vor als ein vergessener Autor. Dennoch liegt seit 15 Jahren eine gute biographisch wie fachlich-thematisch fokussierende Forschungsliteratur vor.57 Sie bestärkt mich in der kritischen Nachfrage, warum F. G. Jünger so ausgegrenzt ist bei Kästner. Die gemeinte Sekundärliteratur führt Kästner auch nicht im Register auf. Nebel wird am Rande erwähnt. Auch möchte ich Jünger gar nicht im Lichte der Forschungsliteratur zur »konservativen Revolution« (etwa Mohler [2005] einerseits, Breuer [1990] andererseits)58 politikwissenschaftlich diskutieren. Jüngers frühe Schriften sind bekanntlich problematisch; seine authentische Wende gegen den Faschismus aber ebenso. Die mir vorliegende Sekundärliteratur motiviert mich, nicht umfassend, aber doch deutlich zu Friedrich Georg Jünger Stellung zu nehmen. Aber ich ahne: Das ufert sehr schnell aus, denn Jünger ist eine echte intellektuelle Fundgrube.59 Auch ist wohl der eher biographisch tiefer schürfenden Literatur zu entnehmen, dass F. G. Jünger gegenüber seinem Bruder wohl unterschätzt wird. Umso mehr fragt sich, warum Kästner und Nebel und Kästner über Nebel so auf Ernst Jünger und nicht auf F. G. Jünger fixiert waren. Viele Aspekte wären nun auszubreiten. Bei Trakl findet sich die Metaphysik der Farbe Blau60, auf die Kästner verweist; das klingt exotisch-marginal. Aber so eng ist vielleicht die Inter-Textualität, denn F. G. Jünger rezipiert intensiv Trakl (dazu Jünger 1966, S.  354ff.). Ob F. G. Jünger Trakl insgesamt angemessen rezipiert hat61, steht auf einem anderen Blatt. Aber es geht um viel mehr. Neben seiner von mir schwer einschätzbaren Lyrik und Prosa hat F. G. Jünger mitunter heideggerianisch orientierte phänomenologische Studien essayistisch vorgelegt. (Auf einige Themen werde ich noch eingehen müssen.) War dies Kästner schon zu akademisch, angesichts seiner Ablehnung von Wissenschaft? Dies könnte evident sein, wenn man für sich Essays von Jünger heranzieht (etwa Jünger 1952 über Rhythmus und Sprache im deutschen Gedicht oder 1957 über Gedächtnis und Erinnerung).62 57 | Slanitz 2000; Fröschle 2008; Geyer 2007; Heyer 2000. 58 | Ferner Bussche 1998. 59 | Es erweist sich, wie auch im Fall von Botho Strauß (Arend 2014), wie schwierig es ist, sich mit der intellektuellen Rechten auseinander zu setzen. Vgl. auch Assheuer 2014. 60 | Steinkamp 1988, S. 164ff. Zur Farbe Blau vgl. auch Schuth 1995; Overath 1987; Pastoureau 2013. 61 | Geyer 2007, S. 58. 62 | Oder auch Jünger »Sprache und Denken« (Jünger 1962) und »Über das Komische« (Jünger 1936, hier die 3. Aufl. von 1948a). Das Komische wird als Gegenkraft gegenüber den Zeitproblemen der Langeweile, Leere, Schwermut, gegenüber dem »lähmenden Druck der Gewohnheit« (S. 70f.) verstanden. Vor allem im städtischen Kontext benötigt die Individualität den Humor (S. 83ff.).

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F. G. Jünger hat mythologiehermeneutische Analysen vorgelegt, und dies auch methodisch sehr reflektiert. Es ist hier, wie auch die Sekundärliteratur zumindest am Rande bestätigt, nahe an der Methodologie von Sprache (Jünger 1957; 1962) und Mythos bei Walter F. Otto63, auf den F. G. Jünger eingegangen ist. Dies gilt für die ganze Dionysos-Hermeneutik (im Kontext der Nietzsche-Interpretation von F. G. Jünger: Jünger 1949): Erst der Übergang der titanischen Chaos-Bewältiger, die Jünger als das Elementare (auch hier Inter-Textualitäten zu Ernst Jünger und zu Nebel vorliegend) begreift, zu den Göttern des Zeus transportiert den Menschen auf den Pfad der Reifung voran; Ordnung wird geschaffen im dynamischen Spiel zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischen. Und die Ordnung des Sozialen und sogar des Wirtschaftens wird im Paradigma nachhaltiger Pflege thematisiert als Logik der Reziprozität, der bewirtenden Gastfreundschaft und der Gesittung. Die Studie von F. G. Jünger von 1949 gehört in die Dionysos-Rezeptionsforschung eingeordnet. Es geht ihm (S. 4) um das dichterische, nicht wissenschaftliche Reich des Dionysischen. Die Bezüge sind klar. Es geht um Wahn, Wille und Wehe als »Mütter des Seins« (S. 4), um den Tanz (Vietta 1938; 1948) als passende Ausdrucksform (S. 7), um den Kontext der Transformationen der Mythe in Epos und Tragödie, wo die Musik eine Rolle spielt (S. 8). Das sei nicht Rom (S. 10f.), sondern ausschließlich Griechenland. Angesichts des Todes Gottes werde der Mensch zum Übermenschen werden müssen, der im Modus des Dionysos definiert wird (S.  11): »Der Übermensch ist der dionysische Mensch, der Mensch als Seil, Brücke, Pfeil der Sehnsucht, tanzender Stern, der Mensch des Werdens und seiner Fülle.« Das Denken müsse durch das Tanzen ersetzt werden (S. 16); Zarathustra ist da nur eine Übergangsfigur (S. 11). Die Ordnung des Staates ist dagegen nicht-dionysisch (S. 16f.), womit sich wiederum die konservative Revolution andeutet, die politisch die Anwendungskontexte dieser Mythenrezeption fundiert. So müssten Oasen statt Wüsten gesucht werden (S. 23). Hier bei F. G. Jünger ist der Wüstenbegriff also negativ besetzt, während er bei Nebel und Kästner ambivalenter genutzt wird. Im Leiden erkennt Jünger den Kern des Lebens (S. 43), S. 44: »Nur wo gelitten wird, wird gelebt.« Die Erlösung folgt im Modus der dionysischen Wiederkehr (S. 44, S. 51). Fortschritt, Technik etc. (S. 53, S. 108) führen nur zur Entfremdung, zum Ekel des Menschen vor dem Menschen (S. 58). Langeweile, Leere etc. folgen (siehe auch S. 92). Nur im Werden liegt die Wahrheit (S. 124). Die Realität darf als Faktizität nicht hingenommen werden (S. 73, S. 95), sie muss imaginiert werden. Als Wissenschaft ist diese Wahrheitsauffassung nicht möglich (S.  75). All dies steht im Gegensatz zur bürgerlichen Welt (S. 79). Der Antagonismus (S. 84) des Dionysischen und des Apollinischen wird so gesehen, dass sich die dionysische Wiederkehr einmischen muss in die lichte Ordnung des Apollinischen (S. 13). In diesem Sinne war Nietzsche ein homo religiosus (S. 90). Frömmigkeit ist hier keineswegs identisch mit Kirche und Religion 63 | Slanitz 2000, S. 205.

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insgesamt (S. 97, S. 170). Gott ist tot; der Mensch muss jetzt in diese Lücke sich einrichten. Damit kehrt Dionysos zurück und Pan ist nicht tot. In diesem Sinne ist Liebe, nicht Moral gefordert. Diese Liebe sei Religion (S. 98). Damit ist auch nicht der Asket gefragt (S. 104). Asketentum ist ein Weltverhältnis im Sinne des aus dem Haus heraus. Dionysos bedarf keiner Asketen (S. 106). An diesen Fragmenten seiner Argumentation erkennt man schon die Konvergenzen, aber eben auch die Differenzen zu Nebel und gerade auch zu Kästner. So wird der wissenschaftliche Mensch des linearen Fortschritts als von den Musen verlassen definiert (S. 109); der Tanz sollte den Verstand ersetzen. Der Übermensch steht der Masse gegenüber (S. 133, auch S. 150ff.). Der Übermensch hält die simultane Welt aus (S. 140). Diese Welt der Masse ist die der Zwangsordnungen, der Roboter, der Technik, der Kaufleute, der Werkstätten etc. Sie ist ohne Sinn (S. 137). Solche Konvergenzen und Divergenzen zwischen F. G. Jünger und Kästner zeigen sich auch bei der Lektüre von »Orient und Okzident« (Jünger 1966). Dort handelt er (S. 271ff.) von der dynamischen Kraft der Dichtung, von dem »Musizieren der Sphären« und der »Lichtmusik«. Dazu gehören Empfindungen ohne Zeremoniell (S. 269); eine neue Innerlichkeit (S. 273). Diese Haltung muss zur Anschauung kommen (S.  274). Z.B. im Modus der Mythe, in Bildern (S.  276). Dies steht alles dem Alltag des Fortschritts entgegen, der nur Wände darstellt (S. 255). Dagegen sei zu setzen das wahre – wirkliche – Sehen (S. 354). Es geht um ein Staunen, das ein Neues ermöglicht, ein Werden der Wandlung (S. 355). Der Mensch wird fremd, die Welt zur Fremdheit (S. 356). Wie bei Trakl geht es um Heimatlosigkeit und Vereinsamung (S. 357). Der Stadtkontext wird kritisch gesehen (S. 358f.). Es ist eine Kritik bürgerlich-städtischer Ordnung (S. 360), Kritik der Maschinerie (S. 330f.). Dem wird das Bukolische und Heroische entgegengehalten (S. 361). Wie Trakl sieht er keine Verbesserung als möglich an (S. 361). Es geht um die Hinwendung zu der anderen Seite als Wandern ins eigene Innere. Das ist ganz Kästner. Hat Kästner F. G. Jünger nie richtig rezipiert? Oder die vollzogene Rezeption unbewusst unterdrückt? Das eigene Innere wird als Raum ohne Eingriffe verstanden. Das Wandern ist hier mehr als eine Nutzung der Landschaft. (Naturwissenschaft sei nur Ausbeutung der Natur: Auch dies ist die Position von Nebel und Kästner.) Hirte ist kein Beruf (S. 362). Im eigenen Inneren verweilt das Dasein (S. 362). Es geht um die Hirten-Ruhe. Dazu passt: Schwermut (seelische Signatur dieser Epoche), die zur Gelassenheit führt, ist männlich (S.  367). Die entfremdete Welt wird also durch männliches Heldentum der Distanz zu dieser Welt errungen: Nietzsches Übermensch taucht hier erneut auf (Jünger 1949). Das Unheil (Jünger 1966, S. 368) der Epoche führt zum Verwesen; die Ursachen liegen im Staat, in der Arbeit, im Beruf etc. Aus dem Opfer (S. 371) des Verwesens taucht so in ewiger Wiederkehr dionysisch das blaue (S. 373) Licht wieder. Die Langeweile, als leere Zeit die Krankheit der Moderne (S. 331), und die daraus resultierende Angst (S. 332) und der Ekel (S. 332) im Kontext der Enge der Masse der Großstadt (S.  333), also das ganze Böse (S.  335), werden nun überwindbar. Skeptisch gegenüber dem Christentum bleibend (S. 336), betont Jünger nochmals

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den Nutzen des Schmerzes (S. 336); denn dieser Schmerz steht der Fortschrittsideologie entgegen, der darin bestünde, dass dem Menschen eingetrichtert wird, der Mensch könne ohne Schmerzerlebnis leben. Das dionysische Leben der Lyrik sei die Lösung: Ein Leben außerhalb innerhalb dieser Welt, ohne Instrumentalisierung, zwecklos, geradezu pneumatisch, spirituell. Wie nahe ist dies Kästner! Dennoch fehlt – umgekehrt – der enge Bezug auf F. G. Jünger bei Kästner. * Viele tiefere Parallelen zu Heidegger und Gadamer (im Metakontext einer Reflexion ontologischer Wahrheitsqualität) lassen sich aufdecken. F. G. Jünger war nie ausgeprägt christlich orientiert. Vielmehr war er zutiefst angesprochen durch ein Nacherleben altgriechischer Religiosität. Und jetzt ahnt man: Das ist zu sehr weit ab vom Christentum von Kästner und noch mehr von Nebel. Vor allem haben Heidegger und F. G. Jünger fachphilosophisch eine derartige Nähe entdeckt64, die dem Suchen der Nähe zu Heidegger durch Kästner eben diesem verwehrt blieb. Einer Besprechung von Kästners »Man reist, um die Welt bewohnbar zu finden« (»Souveräner Begleiter auf dem schmalen Weg der wenigen«, in: FAZ vom 13. März 2004, Nr. 62, S.  44) ist die Bemerkung zu entnehmen, Heidegger hätte Kästners »Aufstand der Dinge« so kommentiert, über die dort vorgetragene Kritik der modernen Wissenschaften sei von ihm, von Heidegger selbst also, »tiefer nachgedacht worden«. Inter-Textualiäten zwischen vielen von mir angeführten Figuren weist auch Jüngers Ausführung zur Langeweile65 auf. Auch gibt es eine gravierende Textstelle66, die es mir ermöglicht, anzunehmen, F. G. Jünger sei den gesellschaftlichen Gestaltungsfragen viel offener zugewandt als es im Framing des Eskapismus von Kästner (und noch mehr bei Nebel) möglich war. Im Zentrum ist F. G. Jünger ein fundamentaler Kritiker der Herrschaft der Technik und des maschinellen Zeitalters (»Die Perfektion der Technik«: Jünger 1993; vgl. auch Jünger 1949a). Es steht noch eine Forschungsleistung aus, die die in der Sekundärliteratur durchaus herausgestellte Reflexion von Jünger über die Wirtschaft stärker herauszuarbeiten hätte. Er hat hier prägnante spannende Überlegungen zu einer sittlich eingeordneten Wirtschaftslogik »pflegeontologisch«, wie ich es im Sinne einer Phänomenologie der Wirtschaftshaltung und – gesinnung nennen möchte, vorgelegt (vgl. auch Jünger 1948 67). Das ist eine ganz andere Sphäre als es die eskapistische Haltung bei Kästner und mehr noch bei Nebel nahelegt. Im Rahmen seiner (an Huizinga und Gadamer erinnernden) 64 | Geyer 2007, S. 112, S. 229. 65 | Geyer 2007, S. 259, zur Entfremdung S. 60. 66 | Dazu Slanitz 2000, S. 201. 67 | Bedeutsam auch als Utopieentwurf gegen die technisch dominierte Zivilisation der maschinellen Apparate.

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Theorie des Spieles entwirft Jünger sogar eine eigene trans-utilitaristische Theorie des Sozialen als Kultur. Das berührt daseinsthematische Fragen, die bei Kästner als irrelevant betrachtet und »makulaturideologisch« geradezu abgetan werden. F. G. Jünger war ein fundierter Zivilisationstheoretiker und Kulturkritiker, aber offensichtlich kein christologisch fokussierter transzendenter Eskapist. Jüngers Art, mit dem Utilitarismus abzurechnen, ist sozialtheoretisch anspruchsvoller als bei Kästner und Nebel. Die Gabe und die Gegenseitigkeit werden bei Jünger immanenzbezogen aktualisiert. Er entwickelt im Ansatz eine eigene Ontologie des Wirtschaftens, die dialogisch und mutualistisch angelegt ist. Doch das wäre alles noch in ausstehender Forschung stärker zu validieren. An Walter F. Otto erinnern auch die überaus kultphänomenologisch anmutenden Darlegungen zum Zusammenhang von Spiel, Fest, Tanz und Musik 68, aber auch zu Wasser und Wein. Auch die Hermeneutik des Urlaubs und eine psychodynamisch anmutende Diagnostik der Reisen des Odysseus fehlen nicht.69 Auch mit eigener Reiseberichtsliteratur (zu Sizilien [Jünger 1943a] und zu Rhodos [Jünger 1943b]) hat er beigetragen.70 Hier steckt insgesamt viel Potenzial drin, das erst von der Forschung näher zu erschließen ist. Jüngers Rekonstuktionen zu Apollon, Pan und Dionysos, so sehr auch alles an Nietzsche (Jünger 1949) hängt, ist überaus fruchtbar, nahe an Walter F. Otto. Nebel ahnte diese Nähe zu Otto; bei Kästner herrscht hier Stille. Aber Kästner galt als sehr belesen. Was waren seine framenden Rezeptionsfilter? Das ist gar nicht kognitionspsychologisch zu individualisieren. Es geht um in sozialen Segmenten kollektiv geteilte Deutungsmuster und Positionierungen in der intellektuellen Geschichte Deutschlands. Nicht Kästner hat hier seine Wahrnehmung. Vielmehr gilt: Die Wahrnehmung hat ihn. In seiner Phänomenologie des Spieles (Jünger 1948)71 ist für F. G. Jünger kein Platz für die Zweckrationalität des Nutzens; es ist bemerkenswert, welche InterTextualitäten fiktiv erstellbar wären, etwa zu Gadamer, Huizinga oder Bataille. praxis wird von techne (u.a.: Castoriadis72 folgend 73) getrennt. Die Welt des homo faber wird kritisiert 74; eine durchaus alternative Wirtschaftstheorie wird angedeutet.75 Die Welt des Mythos wird charakterisiert als Sphären des Künstlerischen, des Musischen, von Musik und Dichtung. Dies mag noch der frühen Prosadichtung von Kästner entsprechen. In der Christologisierung der Lichtmetaphysik ist diese Frömmigkeit bei Kästner aber verflogen. Bei Nebel ist das alte Griechenland 68 | Geyer 2007, S. 186, S. 212. 69 | Geyer 2007, S. 16, S. 282. 70 | Geyer 2007, S. 113f. 71 | Auch Geyer 2007, S. 194f., S. 211ff. 72 | Costoriadis 1983, S. 195ff. 73 | Slanitz 2000, S. 50f. 74 | Slanitz 2000, S. 186. 75 | Slanitz 2000, S. 38ff. i. V. m. S. 50f.

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ohnehin endgültig vorbei. Friedrich G. Jünger glaubt aber daran, dass diese alte Ontologie im Alltag auch des modernen Menschen noch Bedeutungsgehalt hat. Bemerkenswert ist noch ein anderer Aspekt: Die entfremdete Ordnung der Dinge bei Kästner ist bereits anspruchsvoll bei F. G. Jünger diskutiert.76 All das wäre hier genau an den Originaltexten zu demonstrieren. Bei der Durchsicht der Quellen validiert sich dies. Dennoch soll dies hier nicht explizit geleistet werden. Nach wie vor soll meine Abhandlung eine solche über Kästner sein, nicht über fruchtbare Entdeckungen im Kontext der Inter-Textualitäten. Das um Kästner herum fokussierte Thema entgleitet zunehmend in den Spurensuchen des komplexen Gewebes der epochalen Inter-Textualitäten, die die epistemische Gemeinschaft dieser Gleichgesinnten aus ihrem dispositiven Habitus heraus generiert.

76 | Slanitz 2000, S. 203.

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U.a. auf der Basis der skizzierten Inter-Textualitäten und der diskursiven, mitunter epochalen Themenverschachtelungen kann nun mittels der Aufschlüsselungen mehrerer Beziehungen versucht werden, Kästner habituell besser zu verstehen und auch einen ersten fundierten Schritt zu einer Habitus-Bestimmung der geistig-seelischen Gruppe gleichgesinnter Wahlverwandtschaften innerhalb der konservativen Revolution zu gehen bzw. zu wagen. Dabei kommt eine solche Habitushermeneutik nicht ohne psychodynamische Diagnostik aus. Hierbei ist dieses Kapitel gar nicht so einfach abzugrenzen von den vorausgegangenen Re-Konstruktionen der Inter-Textualitäten und Inter-Diskursen. Denn Kästner geht identitätsrelevante Interaktionen mit Werken von Malern, Dichtern und Malerdichtern ein. Auch kunsttheoretische Dimensionen sind hierbei wirksam. Relevante Beziehungen sind ferner gerade auch solche, die eben nicht intensiviert worden sind, obwohl diese mit Blick auf die übergreifende Kulturkritik in Verbindung mit theologischen und religiösen Perspektiven nicht nur möglich gewesen wären, sondern m.E. sich geradezu aufdrängten. Es wird daher auch danach zu fragen sein, was hier bewirkte, dass Kästner auf Distanz blieb. Konservative Revolution ist ein begriffsgeschichtlich bereits älterer Sammelbegriff, der von Armin Mohler stark zur wissenschaftlichen Nutzung gebracht worden ist. Er ist umstritten, aber als Spielart des Konservatismus trotz aller Kritik nicht ersetzt worden, letztendlich auch nicht durch die kritischen Studien von Stefan Breuer. Einige Eigenschaften wurden bislang bereits deutlich: AntiDemokratismus, Anti-Liberalismus, Anti-Egalitarismus. Gegenpol waren also die Eckwerte der französischen Revolution. Die Kritik galt der dort impliziten Idee der prinzipiellen Veränderbarkeit des Menschen. (Bei Kästner wird dies immer wieder durchscheinen.) Die Kritik galt insgesamt der Tradition der Aufklärung, somit der Idee der Durchschaubarkeit der Welt auf der Basis von Verstand und Vernunft. Die Kritik galt ferner der Zweckrationalität. Damit war oftmals eine religiöse (nicht immer christliche, mitunter eine stärker mythische), zumindest numinose Dimension im Weltbild der konservativen Revolution prägend. Das personalistische Denken in der Theologie und Philosophie des 20. Jahrhunderts macht die Differenzen zu relevanten theologischen Strömungen deutlich und

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induziert, wie ich darlege, so eher Ab- und Ausgrenzungen. Das Beispiel von Romano Guardini oder Paul Tillich macht dies überaus deutlich. Die Affinitäten zur sozialen Frage und zu sozialen Gestaltungsbemühungen fallen daher in Bezug auf einzelne Untergruppen dieses Gesamtnetzwerkes ebenso sehr differenziert aus. Schnittflächen zum Faschismus gab es, aber nicht zwingend. Diese prä-faschistische Funktionalität bleibt kontrovers. Die eindeutige Zuordnung einzelner Personen ist oftmals nicht unproblematisch. Passend zur Analyse der Inter-Textualität von Kästner zeigt die Forschung, dass es sich weniger um eine Gruppe als um ein publizistisches Netzwerk handelte. Strukturkonservativ ist die konservative Revolution nicht; daher passt der Begriff der Restauration nicht. Wertkonservativ, ja, aber in Bezug auf welche Werte? Es sind nicht die Werte der französischen Revolution. So gesehen wäre der freiheitliche Sozialismus heute wertkonservativ. Der Begriff, der Konservatismus und Revolutionierung vermischt, ist ein Oxymoron, aber in dieser Eigenschaft gerade passend. Am AntiLiberalismus und Anti-Individualismus, auch z.T. Anti-Kapitalismus wird jedoch zugleich deutlich, wie schwierig die Zuordnung des Denkens zur Strömung ist. Gerade bei Autoren wie die Jünger-Brüder, Nebel und Kästner werden die Idiosynkratien der Subjekte – eine gewisse Bohème-Attitüde, wie die Literatur betont – deutlich, die unterschiedliche Haltung zu Kirche und Religion sowie zum Staat und der narzisstische Subjektivismus dieses elitären Massenekels. Auch Rassismus und Anti-Semitismus sind nicht eindeutige Kriterien der Netzwerkbestimmung. Insofern resultiert aus dem Anti-Individualismus nicht automatisch ein bestimmtes Gemeinschaftsdenken. Der Ekel galt auch dem primitiven Nationalsozialismus. Es ekelte also der Primitivismus, den dieser Elitarismus spürte. Damit bleibt das Verhältnis zum Faschismus zumindest ambivalent, weil sich eine Spannung zwischen Idee und empirischer Inszenierung abzeichnet: Drehbuch gut, Schauspieler und Bühneninszenierung schlecht? Vor diesem Hintergrund werden Haltungen wie die der inneren Emigration und des Rückzugs ins Private verständlich. Ich neige dazu, eine gewisse psychodynamische Diagnostik zur Basis der Habitus-Bestimmung vorzunehmen. Die charakterneurotische Nähe zum manisch-depressiven Formenkreis endogener Psychosen (vgl. kurz auch in Lorenz 1973, S. 312ff.) mag als Fluchtpunkt dieser Diagnostik fungieren. Manisch wirkt die heroische Haltungsidee, melancholisch die Grundgestimmtheit des Post-Zivilisationismus als radikale Variation post-modernen Denkens. Daher spielen auch heterodoxe Ökonomien und ökonomische Reformideen keine Rolle. Man war eben der Zivilisation und der Aufklärung insgesamt müde. Stattdessen tat sich eine Sehnsucht nach Schicksal und Tiefe auf. Daher passt in einem gewissen Sinn auch der Begriff der »modernen Antimoderne« (Weiß 2012).

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XIV. U npolitisch - politische H altung : Paul K lee , W erner G illes , W erner H eldt Paul Klee1 ist als Reflexionsbezug bei Kästner weiter oben bereits angesprochen worden2 . Im Fall von Klee sieht Kästner (1974a, S. 42ff.) die schöpferische Kraft abstrakter Wirklichkeitsverarbeitung. Kästner spricht (S.  43) vom »Zauberflötenreich dieser Kunst«. Und: »Sicher, auf das Wirkliche zielten sie nicht, diese Bilder.« Versteht Kästner Wirklichkeit zunächst an der Norm des Naturalismus definiert? S. 46 spricht Kästner vom »dichtenden Maler«. Aber er selbst erkennt: »Aber was war gewiß auf dieser Welt?« (S. 49) Die Fundstellen sind die Aufzeichnungen im »Zeltbuch von Tumilat« (Kästner 1974a, S. 42 ff; gekürzt nochmals editiert in Kästner 2004, S. 71ff., wobei die nachgeordneten Assoziationen von Arnold Stadler hilfreich sind). Hier zeigt sich in der Abstraktion ein »Verwandlungswunsch«. Im Bild kommt die verborgene Wahrheit der Wirklichkeit zum Ausdruck (S. 71). Boehm (2004) zeigt in diesem Zusammenhang, wie dionysisch-ekstatisch Kästner sein kann (S. 75): Auf dieser Wandlung begleitet uns Hermes, oder stellvertretend nun die Kunst, die die Augen dafür öffnet (Boehm 2004, S. 67). Auch im Fall von Klee sieht Kästner (1974a, S.  42ff.) die schöpferische Kraft abstrakter Wirklichkeitsverarbeitung. Kästner spricht (S. 43) vom »Zauberflötenreich dieser Kunst«. Und: »Sicher, auf das Wirkliche zielten sie nicht, diese Bilder.« Versteht Kästner Wirklichkeit zunächst an der Norm des Naturalismus definiert? Auf S. 46 spricht Kästner vom »dichtenden Maler«. Aber er selbst erkennt: »Aber was war gewiß auf dieser Welt?« (S. 49) So sucht Kästner mit Klee die Dinge hinter den Dingen. Dabei klingt jetzt schon der drohende »Aufstand der Dinge« bei Kästner an (S. 45), denn zweckdienlich sollen die so versklavten Dinge für den Menschen sein. Das Bild wird zum Fenster – dazu gleich noch mehr mit Bezug auf Gilles3 – und ermöglicht den Über- oder Durchgang nach Drüben (S. 50). Es geht nicht um Abbildung von Etwas, sondern um etwas Anderes: »Durchlaß zu sein war sein Traum.« (S. 50) Die Metapher des Fensters wird existenziell gedacht: angesichts der Mauern, der Käfige, der Einsperrung durch die Zeit (S. 52). Einsperrung der Zeit: Das ist ein – ontologisch – ganz anders gelagertes Argument als der Bezug auf die Bildsprache von Mauern und Käfigen. Diese ist ontisch, nicht ontologischer Natur. Ich komme in diesem Kapitel gleich nochmals darauf zurück. Das Wandlungsmotiv ist durch die Forschungsliteratur zu Klee gedeckt. Im Nachwort zu Kästner (2004) hebt Stadler Kästner in den dynamischen Status des homo viator; deshalb das ganze Reise-, Wege- und Wandermotiv dort. Dazu gehört – ein explizites Theologem – auch die Metaphysik des Staunens als Haltung. Auch 1 | Kupper 2011; Düchting 2008; Partsch 2011; Rümelin 2004. 2 | Vgl. auch Nauhaus 2003, S. 215ff. 3 | Schwengers 1985.

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erkennt Klee, was ebenso die Forschungsliteratur zu Klee herausgearbeitet hat: die musikalische Eigenheit der Bilder (Kästner 1974a, S. 48). Klee hat seine transgressive Neigung im Modus der Abstraktion auch in seinen kunsttheoretischen Stellungsnahmen dargelegt: Berühmt ist seine Formulierung: »Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar.« (Klee 1920). Auch – vgl. w.u. in Bezug auf Gilles – die Engel (Friedewald 2011) sind bei Klee (wie auch bei Rilke) nicht christlich gemeint, sondern als hybride Gebilde, die wegen dieser transgressiven Hybridizität von herausragender Exemplarität sind. Die Sekundärliteratur formuliert dies als »Balancieren im Zwischen: Zwischenbereiche bei Paul Klee«.4 Deswegen werden auch die impliziten Melodien und Rhythmen in den Bildern von Klee verwiesen.5 Sollte hier das gemeinsame zwischen Klee und Kästner begründet sein: seiend im »Klang der Dinge«6? Auch Marx wollte den sozialen Verhältnissen ihre eigene Melodie vorspielen und die Dinge so zum Tanzen bringen – doch diese sozialtheoretische Sichtung der Dinge hinter den Dingen ist im scheinbar unpolitischen Konservatismus nicht gemeint. Allerdings kristallisiert sich dort zum Teil eine politische Ökologie heraus. Kästner hat sich also positiv zur abstrakten Kunst positioniert. Dies ist gar nicht unplausibel, folge ich Lützeler (1961). Lützeler kann – ohne sein Werk hier nun in seiner ganzen komplexen Beweisführung zu paraphrasieren 7 – überzeugend entfalten, wie es der Abstraktion gelingt, die metaphysische Tiefe der menschlichen Daseinsproblematik zu thematisieren8. Es ist gerade die Abstraktion von der konkreten Figürlichkeit, die dazu dient. Lützeler scheint daher einen wahlverwandten Blick zu haben, ist er doch auch zugleich nicht ohne theologische Brille in seiner Kunstgeschichte. Aktiv publizierend in der katholischen Monatszeitschrift Hochland, zählt er zur Renouveau catholique. Im Fall von Klee wird von Kästner konstatiert, es würde zwar nicht die unmittelbare Wirklichkeit gemalt, aber diese Kunst sei beeindruckend. Kästner hat sich ähnlich positiv positioniert in Bezug auf die hermetische Lyrik. Das mag in einem gewissen Sinne überraschen9: Denn der konservative Kritiker der Moderne huldigt hier die Höhepunkte der Moderne, wie sie gerade auch Klee – werkgeschichtlich auf Augenhöhe mit Picasso – verkörpert. Wie passt das zusammen? Grundsätzlich ist gegen diese Frage einzuwenden, die Vertreter der konservativen Revolution müssen nicht in jederlei Hinsicht eine totale Kohärenz aufweisen. 4 | Marx 2007. 5 | Baumgartner/Crameri/Hopfengart 2006. 6 | Tolksdorf 2005. 7 | Bei ihm findet sich in aller Klarheit die Differenz zwischen epistemologischer und ontologischer Wahrheit gezogen (Lützeler 1967 u.a. S. 259ff.) in der Behandlung des Formproblems dargelegt. 8 | Vgl. auch in Lützeler 1966, S. 798ff. 9 | Dazu auch in Reuter 2002.

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Aber dennoch wäre zu fragen, ob in dieser Einstellung von Kästner nicht eine andere, weiterreichend, verborgene Problematik steckt. Paul Klee wird in der Forschungsliteratur als unpolitisch definiert. Und dies scheint der abstrakten Kunst insofern eigen zu sein, da im Rahmen der Abstraktion (folge ich Lützeler 1961) zwar anthropologische Existenziale thematisiert werden können, aber nie das Konkret-Historische. Begründet dies die Affinität von Kästner zu Klee? Denn Kästner (wie Gilles: siehe w.u.) hält ja nichts von Politik – jedes Reformieren der sozialen Wirklichkeit sei Makulatur. Vom reformerischen Sozialkonservatismus ist Kästner weit entfernt. Er verkörpert ein TotalitarismusTheorem, wonach alles egal ist: »West« und »Ost«, Kapitalismus und Kommunismus – alles austauschbare Formen der geist- und seelenlosen Massengesellschaft, in der nur der Elite des Kulturadels eskapistisch Orte und Räume privaten Überlebens zufallen. In einem dialektischen Sinne ist Kästner damit eben nicht unpolitisch, sondern unpolitisch-politisch. Denn so, wie der Mensch bekanntlich10 eben nicht nicht kommunizieren kann, ist die unpolitische Haltung politisch. So ist auch Apathie – ohne hier in die Forschung zur politischen Sozialisation einzutauchen – eine politische Haltung. Und elitärer Eskapismus ist eine politische Position in Bezug auf den Anmutungsgehalt sozialer Wirklichkeit, der mit Schulterzucken kommentiert wird. Angeekelt (wie Heldt: siehe w.u.) sich abzuwenden und in der Transzendenz die Wahrheit zu suchen, während die Immanenz des Sozialen der ewigen Nicht-Reformierbarkeit freigegeben wird, ist politische Theologie (vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2017). Aber diese Affinität zum scheinbar Unpolitischen (in der Figur von Klee) ist eventuell auch tiefer verankert in der psychodynamischen Aufstellung des Menschen Kästner. Ich greife nochmals Worringers Theorem der Geburt der Abstraktion aus der Angst des Menschen in der Moderne, die von Anfang an eine Dialektik von Fortschritt und Zerstörung war (Frank 1979, S. 15: »Fortschrittsglaube und Aufklärungskritik sind gleichursprünglich.«), auf: In der Abstraktion wird die Wirklichkeit in der künstlichen Welt der Kunst einerseits gebändigt, andererseits wird so von der unmittelbaren Erfahrung des Elends der Welt abstrahiert, und die Seele mag nunmehr – quasi-wahrnehmungspsychologisch – entlastet werden: Bekanntlich lautet es: Aus den Augen, aus dem Sinn. Was – im Alltag als »Lebensweisheit« sehr bekannt – man nicht mehr sieht, erregt auch nicht mehr. Also liegt dergestalt eine Verdrängungsleistung durch eine spezifische Wahrnehmungsfilterung vor. Ein gewisses Maß an Verdrängung ist psychohygienisch auch sinnvoll, weil das Subjekt sich in der nicht beliebig veränderbaren Realität behaupten muss, gar nach Glück strebt. Im Fall der hermetischen Lyrik kommt hinzu, dass ihre schwere Verständlichkeit, gar Unverständlichkeit (»Nicht immer wurde einem der Zutritt gewährt.« – so Kästner 1974a, S. 43), der eskapistischen Haltung viele Möglichkeiten der Entfaltung bietet. Denn leichte Kost kann von der dummen Masse verdaut werden. 10 | Watzlawick 2011; Watzlawick/Beavon/Jackson 2007.

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Hier habe ich eine signifikante Differenz zur Haltung von Peterich, auf den ich bereits weiter oben eingegangen bin, entdeckt. Ich beziehe mich wiederum auf das Griechenland-Buch von Peterich (1956). Und zwar auf das Nachwort (S. 411ff.). Seine tiefe Liebe zu Griechenland sei durch die Brille von Hölderlin, Goethe und Däubler (betont wird [S. 401] u.a. der gemeinsame Aufenthalt auf Santorini) neu erzählt worden. Wenngleich dabei die christliche Signatur der Erzählung deutlich wird, so doch nur auf der Basis einer unabhängigen Wertschätzung des alten Griechenlands, in dem das ganze – auch das christliche – Abendland wurzelt. (Auch – wie Kästner und Walter Jens – Delos wird bei Peterich zur Analogie zu Jerusalem: S. 401.) Hier wird nichts als heidnisch abgetan; aber darum geht es mir gar nicht primär. Peterich widmet sich sodann über ca. eine Seite hinweg der Frage der Zielgruppe seiner Führung durch Griechenland. Es sei ja keine gelehrte Abhandlung, aber auch kein trivialer Reiseführer. Etwas dazwischen. Es sei geschrieben für die Masse – vor der ihm offensichtlich nicht apotropäisch ekelt – der Touristen, die dem Arbeitsleben entfliehen, aber eben durch dieses Arbeitsleben so gefangen sind, dass sie sich nicht tief vergraben können in der gelehrten Durchdringung unserer abendländischen Verwurzelungsgeschichte: »Für diese Art von Menschen, sozusagen ausschließlich für sie, ist aber dieser Führer geschrieben worden. Denn von je her ist es mir als eine der wichtigsten Aufgaben derer erschienen, die den Beruf und vielleicht der Berufung haben, dadurch die Zeit und die Mittel sich beschaffen können, um tiefer in die Kenntnis von Ländern, Völkern, deren Religion, Dichtung, Kunst, Geschichte einzudringen, all denen zu dienen, die dazu aus den genannten Gründen nicht in der Lage sind, zu dienen im wahren Sinne des Wortes.« (S. 412) Für die Gelehrten mag die Abhandlung wenig tief sein. Aber für diese sei es auch nicht geschrieben. Deren Aufgabe ist eben die Tiefe, die wiederum aber auch nicht für die Masse gedacht ist: »Aber zwischen dieser Art von Forschern und den Menschen, die der Belehrung durch sie bedürfen, stehn andere, die einem wie dem andern Bereich angehören.« (S. 412) Peterich sei daher (S. 412) den Forschern gegenüber ein Lernender, den »sogenannten Laien« ein Lehrender. Und all dies aus der »Liebe zu Hellas« (S. 413) heraus. Die Differenz zu Kästners Haltung wird signifikant. Auch schätzt Peterich Archäologie (Peterich 1958, S. 17; vgl. auch Peterich 1954) und die Welt der Museen, ebenso die Religionswissenschaft. Ganz anders Erhart Kästner. Und dennoch wurzelt Peterich’s Liebe zu Hellas in einem tiefen Eindringen und Nachvollziehen des alten Glaubens, die – Bachofen anführend – eingebettet ist in der Seinserfahrung angesichts von Natur und Landschaft (Peterich 1956, S. 332), nochmals an Hölderlin anknüpfend, der dichterisch es schafft, Griechenland zu imaginieren (S. 351). Allerdings – anders als bei Kästner – wird Italien als Mutterland Europas dem Vaterland Griechenland beigestellt (vgl. in Peterich 1958, S. 12. Nicht ganz so aussagekräftig: Peterich 1974). *

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Den Luxus der hermetischen Lyrik leistet sich die konservative Elite, die sich mit Ekel der naturalistischen Abbildung des Elends abwendet. Ist es das, was Kästner antreibt? Dann ist wiederum verständlich, warum das Werk von Marie Luise Kaschnitz nicht so attraktiv für Kästner war: Nicht nur, weil sie noch Hoffnung hatte, sondern weil sie, hier in Freundschaft Adorno nahe, in der Hässlichkeit bereits ein Stück Aufklärung verkörpert sah. Falls dies die psychodynamische Ursache für die Haltung zur besagten Kunst bei Kästner ist, bleibt die ganze Haltung höchst problematisch. Schon im Fall von Ernst Jünger wurde in der Forschung eine gewisse borderline Haltung (benpahm –Phänomen) konstatiert.11 Der Realität nur im Modus distanzierter Teilnahmslosigkeit und zynischer Abwendung begegnen zu können, ist keine verantwortungsethische Position, die Distanz und Engagement zur Synthese bringt, sondern eine Haltung, die eine kalte Distanz dort zelebriert, wo der Mensch als homo politicus doch vielmehr kreativ gefragt ist. In der systematischen Theologie des religiösen Sozialismus von Paul Tillich wird dies evident: Aus der Kraftquelle der Liebe heraus demokratische Macht im Lichte sozialer Gerechtigkeit auszuüben, das ist die Tugend des »Mut(es) zum Sein«, nämlich das Wagnis der geschichtlichen Existenz des Menschen als Daseinsaufgabe der Sorge anzunehmen. Alles vergeblich? Vergebliche Liebesmühe? Letztendlich Makulatur? Auch dies ist politische Theologie, aber nicht Herrschaftstheologie, sondern Theologie der Wertschätzung der Immanenz im Sinne einer theonomen Kultur. Orthodox-mystische Offenbarungstheologie »schenkt« sich diese Aufgabe, die Welt etwas besser zu machen – alles ist doch nur Makulatur. Auch katholische Positionen der theologischen Anthropologie – wie bei Romano Guardini – gehen dagegen ein gutes Stück diesen Weg der politischen Weltgestaltung analog zur Tillich’schen Ontologie des kategorialen Dreigestirns von Liebe, Gerechtigkeit und Macht. Aber ich hatte ja schon angedeutet, dass Guardinis Denken bei Kästner keine positive Rolle spielt. Kästner kannte Guardinis Positionen zur Krise der modernen Gesellschaft. Erneut wird die abwertende Haltung von Kästner gegenüber Bultmann und die Huldigungsneigung gegenüber Barth – wie er auch in Heidegger eine Vaterfigur sah (Kästner 2004, S.  225f.) – verständlich: die sog. 11 | Zur Ekstase des Krieges in einem kulturrevolutionstheoretischen Blick: Ehrenreich 1999. Im neuen Ernst Jünger-Handbuch (Schöning 2014) finden sich kaum tiefergehende Anmerkungen zum seelischen Haltungstyp von Jünger. In gewissen Grenzen gibt es einzelne Studien, die den Blick zur Analyse des psychischen Arbeitsapparates von Ernst Jünger und damit den Blick auf den Habitus von Vertretern der konservativen Revolution zumindest ansatzweise öffnen. Ich verweise etwa auf Martinsen 1990, S. 69ff. und besonders auf Holm 2003. Einige Aspekte lassen sich auch bei Eickhoff/Korotin 1997 fundieren. Schwer nachzuvollziehen ist eher die Aufsatzsammlung von Arzt u.a. 1999, die nicht Jünger im Rückgriff auf Jung analytisch deuten, sondern Parallelen zwischen Jünger und Jung zu bestimmen suchen, also Jünger – mit Blick auf die konservative Haltung völlig unreflektiert und daher unkritisch – zum Analytiker erheben.

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(weil eigentlich krude-dualistische12 und nicht synthetisierend vermittelnde) dialektische Theologie von Barth will explizit unpolitisch sein. Diese begriffliche Kritik – sie ist oben im Lichte der Begrifflichkeit des Diastatischen bereits reflektiert worden – mag problematisch sein. Im Glauben kommen auch bei Barth der sich offenbarende Gott und der hörende Mensch, also These und Anti-These zur Synthese zusammen. Also doch Dialektik statt Dualismus. Aber auf die Feinheiten der Synthese kommt es an. Tillich sprach eher von Korrelation und drückt eine stärkere und nicht zwingend vertikal gedachte Symmetrie in dem kommunikativen Austausch- und Interpenetrationsgeschehen aus. Tillich legt auch die Problematik dar, dass der Mensch Gott immer nur im Modus eines Symbols hat: Gott selbst ist unverfügbar; er ist auch bei Tillich das Unbedingte, das uns angeht. Dennoch ist, anders als bei Barth, die Verklammerung von Gott und Mensch als Spiel von Ruf und Antwort umgekehrt gedacht als das Spiel von göttlicher Anrufung und menschlicher Antwort bei Barth. Expressionistisch (wie im »Schrei« von Munch) schreit bei Tillich der Mensch aus seiner Existenz heraus und die Antworten Gottes korrelieren den aufgeworfenen Sinnfragen in diesem Dialog. Erst kommt der Schrei der bedrängten Kreatur und dann das Hören auf die anrufende Antwort. Es kommt also auf die variable Geometrie dieser topographischen Anordnung der Pole der Dialogizität der Existenz des Menschen in durchaus konkurrierenden Offenbarungstheologien an. Mag der Archetypus der universalen Liebe von Gott kommen; es ist der Mensch, der sich hinauf steigert über die Libido, über Eros und Philia zur Agape. Gott ist nur im Zuge eines solchen Humanismus symbolisch vermittelbar. In diesem Sinne der Vermittlung habe ich auch das existenzialhermeneutische Programm der Ent-Mythologisierung von Rudolf Bultmann verstanden, allerdings, um die kerygmatische Dimension im kollektiven Gedächtnis der kulturellen Vererbung von Generation zu Generation in daseinsgestaltender Relevanz weiter zu geben, kritisch neu-gelesen im Sinne des die Ent-Mythologisierung einbettenden Programms der ewigen »Arbeit am Mythos« (Hans Blumenberg). Mag Barth privat politisch auch sozialdemokratisch orientiert sein; Theologie handelt bei ihm – neu-kantianisch als Differenz von Sein und Sollen anmutend – vom unverfügbaren Gott und nicht von der Sozialreform. Da ist Tillich deutlich pantheistischer. Auch bei ihm ist Gott unverfügbar, Gott hinter dem dem Menschen (kognitiv) zugänglichen Symbol Gott, das Liebe in dieser einen Welt meint. Vielleicht sollte man den Beitrag von Mühling (2013), Gott schlicht als kommunikative Liebesgeschichte, als ein relational-prozedierendes narratives Sein zu verstehen, nur weiter denken. Gottes Sein ist selbst nichts anderes als narratives Sein des Menschen, der seine sinnhafte Identität im gelingenden liebenden Miteinander aus tiefer Sehnsucht und somit aus Hoffnung heraus sucht. 12 | Die Begrifflichkeit einer Dialektik in der sog. Dialektischen Theologie von Barth ist Gegenstand einer eigenen Debatte. Vgl. auch Beintker 1987. Dabei dürfte auch die Frage nach einem neu-kantianischen Einfluss von Bedeutung sein. Vgl. hierzu Lohmann 1995.

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Auch ich fasse (Schulz-Nieswandt 2017) Gott nur als Symbol. Dieses »nur« ist ambivalent: Für den christlichen Glauben ist es Immanenzliebesethik und daher entscheidend zu wenig; gemessen an der bisherigen Geschichte der Menschheit wäre eine Welt dieser Immanenzliebesethik sehr viel, vielleicht schon Alles.13 Analog folge ich hier der humanistischen Lesart der Botschaft des Alten Testaments bei Fromm: »Ihr werdet sein wie Gott« (Fromm 1980): Aus erlernter innerer Souveränität heraus eine friedvolle Welt zu erschaffen. In dieser psychologisch-kulturgeschichtlichen Lesart bleibt das Telos der Weltgeschichte eine Personalisierung, die in einer bi-polaren Spannung zwischen Mensch und mitmenschlicher Welt angesiedelt ist. In Guardinis Theologie wird die dyadische Figuration zur triadischen Ordnung, denn es geht um die Korrelation von seelischer Innerlichkeit, konkretes weltliches Geschehen und göttlichem Sinn. Erst durch diesen Übertritt zum Einbezug des göttlichen Sinns würde das Geheimnis der Liebe in seiner Unauslotbarkeit zugänglich. So gesehen sei der Friede nicht von dieser Welt, zwar für jede Jetztzeit als Diesseitigkeit möglich, aber nur durch den Bezug auf das Jenseitige zugänglich. Vgl. auch Guardini 1982. Für den vorgetragenen radikalen Humanismus der Immanenzliebesethik kann diese tiefere Herleitung der Liebe wiederum psychologisch als Kraftquelle eines mutigen Öffnens zum Wagnis des Seins berücksichtigt werden; es bleibt aber bei der Vorstellung Gottes als symbolische Idee der Telos-Werdung der Weltgeschichte in der jeweiligen Jetzt-Zeit. Bekanntlich gibt es angesichts der eindeutigen Unmöglichkeit wissenschaftlicher Gottesbeweise in einem logischen Umkehrsinne auch nicht die Möglichkeit des wissenschaftlichen Beweises der Nicht-Existenz. Da das Problem so nicht lösbar ist, erscheint es aber eine tiefe humanistische Haltung, den homo religiosus im Rahmen einer Ontologie des metaphysischen Ur-Bedürfnisses des Menschen zu verstehen. Neurotisch wäre demnach nicht das Ur-Bedürfnis, sondern bestimmte Formen psychodynamischer Übersteigerungen zur iatrogenen Religiosität, die die Personalisierung des Menschen hemmen statt zu fördern. Eine tiefere Diskussion – insbesondere mit Bezug auf den Beitrag von Paul Ricoeur – muss hier unterbleiben. Das ganze ontologische Drama des Menschen schlechthin wird nur begriffen, wenn verstanden wird, wie das Kräftefeld der kulturellen Tiefengrammatik einer jeden Gesellschaft von konstitutiven Kategorien in ihrer figurativen Verschachtelung rekonstruiert wird und als in der Psychodynamik gespiegelt erschlossen wird. Diese Grundkategorien sind Gabe und Schuld, Reue, Vergeltung, Dank und Vergebung, Hoffnung, Gerechtigkeit und Liebe, also ein Spiel von Frage (Herausforderung) und Antwort (Reaktion), von Tat und Regulierung der Folgen des Geschehens. All das ist immer ein Prozessgeschehen, eine Bewegung des gelingenden Werdens und Wachstums zur Reife, aber auch des Scheiterns, der Stagnation und der Regression. Das Ganze ist also eine Frage der trans-statischen Ökonomik des Gleichgewichts in der Figuration 13 | Zur Symboltheorie vgl. Goldbrunner 1949 (auch Goldbrunner 1954) sowie Baudouin 1962.

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der Kräftefelder menschlichen Tuns und Ergehens. Im Rahmen einer Immanenzliebesethik wäre das dynamische Gleichgewicht möglich durch das Gelingen personaler transgressiver Ekstase in der von Dialogizität geprägten schöpferischen Kommunität, die in der Erfahrung des MICH die Reziprozität von ICH und DU so stiftet, dass ein UNS und ein WIR generiert wird, die die Erlebnisgeschehensordnung des jemeinigen Ich als Personalität konstituiert. All diese Überlegungen machen letztendlich jeden Eskapismus als Uneigentlichkeit ontologisch unwahr. Der sich abzeichnende Dritte Weg ist nicht rechnerisch die horizontale Mitte zwischen den neurotischen Polen von Individualismus und Kollektivismus, er ist ein Weg eigener Art, ein heterotoper Überstieg (Schulz-Nieswandt 2017a) im Rahmen einer dreidimensionalen Geometrie der Gestaltwahrheitsentfaltung des menschlichen Daseins. Ein neuer, trans-horizontaler Raum wird erschlossen. So gesehen ist die neue – ganz andere – Welt nicht von dieser Welt; sie ist aber ein in schizoider Kreativität erschlossener metamorphotischer Modus eben dieser einen Welt in ihrem messianischen Jetzt-Zeit-Charakter. Gott ist, symboltheoretisch gesehen, eine Idee, um dies Alles in seinem Allzusammenhang – quasi onto-theologisch – überhaupt normativ-motivational denken zu können. * So soll bei Tillich die soziale Welt in der Geschichte bereits Ort von machtvoller Liebe und effektiver sozialer Gerechtigkeit sein – eben nicht nur Makulatur, sondern Telos personalistischer Weltauffassung. In der bis auf Platon zurückreichenden Differenzierung zwischen Libido, Eros, Philia und Agape geht es dem religiösen Sozialismus m.E. um die Verschachtelung dieser Entwicklungsstufen der Liebe – ein Thema der Onto- wie der Phylogenese und die achsenzeitliche14 Genese der goldenen Regel15 reflektierend – des Menschen, auch die Stufenlehre kognitiver Entwicklung und moralischen Argumentierens (in der Piaget16 -Kohlberg17-Tradition18) aufgreifend. Bei Kästner gibt es die philia, aber nur privatistisch als Erleben im kleinen Club eskapistischer Freunde, die dem Wein sehr zugeneigt sind. Bei Tillich ist philia eine Kategorie sowohl im privaten Leben wie im öffentlichen Raum des Politischen. In der genossenschaftlichen Verfassung der frühchristlichen Gemeindeordnung ist die agape eine Ethik in einem heterotopen Raum (Foucault: dazu Schulz-Nieswandt 2017a), wo die duale Differenz des Privaten und Öffentlichen – und die moderne Differenz von Bourgeois und Citoyen – so nicht wirksam ist, weil die Menschen in ihrer ontologischen Verfassung in der reziproken Rolle des Mitmenschen (Löwith) im Modus der Dialogizität (Buber) 14 | Armstrong 2006; Joas 2014. 15 | Dihle 1962; Bellebaum/Niederschlag 1999. 16 | Scharlau 2007. 17 | Garz 2015. 18 | Oesterdiekhoff 2015.

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sich überhaupt erst im vom DU angerufenen MICH-Status (der Wahrnehmung19) als ICH emergieren. Diese soziale Grammatik ist in Bezug auf das ICH demnach generativ.20 Das personalistische Telos in der Gemeindebildung ist somit zutiefst relationiert auf die Partizipation des Menschen an und in dieser Welt. Diese Dialogizität ist jedoch bereits jüdisch, bevor sie christlich transformiert wird durch Vertiefung der innerlichen Verankerung im Subjekt. Doch auch die pneumatische Ankerfunktionalität des heiligen Geistes verweist als Prozess religiöser Sozialisation auf die platonische Metapher des Menschen als Wachstafel, in die sich – post-strukturalistisches Denken der Inskription und der De-Zentrierung des Subjekts vorwegnehmend – die Gesellschaft einschreibt. Der charismatische Wanderprediger Jesu, wie ihn die historische Psychologie und Soziologie versteht, erweist sich hier historisch erneut nicht als Christ, sondern als vorderasiatischer, auf Erlösung abstellender intra-jüdischer Sektengründer, auf den sich christianisierend die paulinische Gemeinde beruft. Der unpolitische konservative Kästner erscheint so eher als Kleinbürger21, der in den Nischen privater Freundschaft in einem totalitären Staats-, Wirtschaftsund Massenkulturumfeld sein Glück sucht – und die Seele baumeln lässt, erst in der griechischen Landschaft, dann in der Wüste, sodann im Kloster. Das erinnert an die Nischenstrategien der DDR-BürgerInnen. Das Thema Kästner-AltenbourgHuchel – nun als verborgene Psychodynamik der Inter-Textualität – taucht an diesem Punkt somit (dazu weiter unten) prägnant und vor allem plausibel auf. Eine Bestätigung dieser habitushermeneutischen Einschätzung wird möglich, wenn man Kästner in Beziehung setzt zu den von ihm sehr geschätzten Werner Gilles und Werner Heldt. *

19 | Wiesing 2009. 20 | Ein methodologischer Individualismus ist nur als Abstraktion von dieser generativen Grammatik möglich, aber deswegen auch von nur begrenzter Relevanz. Wegen seiner oftmals ausgeprägten Neigung zur Allianz mit dem normativen Individualismus wird ersichtlich, wie eine Relevanz des Irrelevanten entstehen kann. 21 | Dies ist nicht abwertend gemeint, sondern der Begriff wird als soziologische Kategorie im Rahmen einer habituellen Sozialstrukturhermeneutik verstanden.

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Kästner hat sich für Werner Heldt begeistert (Kästner 1973b). Diese bezieht sich vor allem auf das Fensterbild 22 von Heldt, in der die tote Krähe zu sehen ist.23 Der Fensterblick ist eine traditionsreiche Figuration in der Kunst.24 Warum begeistert sich Kästner für Werner Gilles?25 Es gibt wohl viele Anknüpfungspunkte für Kästner.26 So das Mittelmeer, als Arkadien, allerdings als Freiheit vom Sein schlechthin. Also keine Hinwendung, sondern als Abwendung. Auch die Hinwendung zu den Dingen sowie die Verbindung von Wort und Bild finden sich bei Heldt als »Malerpoet«. Während bei Klee dessen unpolitische Haltung jedoch die Affinität bei Kästner begründete, mag Heldt für die frühe, wenngleich später nicht völlig verblasste Landschafts-Metaphysik von Kästner bedeutsam sein, sei es lichtmetaphysisch, sei es mit Blick auf die Farbe Blau und somit hinsichtlich der Erfahrung der Meeresansicht. Heldt bereiste ja vielfach Italien, auch Frankreich, landete dann bei seinem Freund Gilles auf der Insel Ischia, wobei er hier eine ambivalente Haltung angesichts des aufgekommenen Massentourismus27 einnahm.28 Es war das Ziel seiner eigenen Lebensodyssee, diese Landschaften des Südens zu erleben. Insofern mögen gerade die Zeichnungen von Heldt Kästner erinnert haben an die Zeichnungen in seinen frühen Griechenlandreisebüchern. Gemeint sind die Zeichnungen von Helmut Kaulbach (1908-1049) in »Weinberge, Ölberge« (zuvor in »Griechenland« von 1942) oder von Hugo Peschel (1905-1980) in Kreta von 1943. Vor allem aber: Heldt betonte die Zeitlosigkeit als Erfahrung und Ausdrucksmodus in der Kunst. Man findet diese Metaphysik der stillstehenden Zeit im Kontext des Erlebens der Mittelmeerlandschaft als halb versteckte Tiefengrammatik auch in den »Sizilianische(n) Notizen« (1959) von Gerd Gaiser (1980 u.a. S. 46, S. 37, S. 34, S. 68, S. 80). Gaiser lässt die Stille der Kontinuität zwischen der Welt der Mythen und der aktuellen Zeitgeschichte als ruhend erscheinen. Interessant auch: Die Abwertung des Römischen zugunsten des Griechischen – reflektiert auch bei Kaschnitz (1975, S. 80f.) – erinnert an Kästner, auch an Nebel.29 22 | Dies ist ein malerisches Motiv auch bei Bargheer (vgl. in Fehlemann 2005, S. 8). 23 | Wenngleich die Bildinterpretation zu »Tote Krähe im Fenster« entstehungsgeschichtlich (mit Blick auf die Kriegsgefangenschaft von Heldt) wohl falsch ist (Deuter 2011), drückt sich bei Kästners Interpretation dessen Erinnerung an das Erleben der eigenen Kriegsgefangenschaft aus. 24 | Rasche 2003. Vgl. auch Selbmann 2010. Spezieller Müller-Schareck 2012. 25 | Das Nachwort zu »Werner Gilles. Mythische Landschaften« widmet Erhard Göpel 1962 wiederum Erhart Kästner. 26 | Dazu in Gladbacher Bank 1995. 27 | Dies ist ein Grundproblem der Ischia-Maler: vgl. in Fröhlich 2002. 28 | Auch Heldt rezipierte die klassische Soziologie und Sozialpsychologie der Vermassung wie etwa bei Ortega y Gasset. 29 | In der Schönheit der Erzählung versteckte Kulturkritik findet sich bei Gaiser 1980 auch in der subtilen Differenzierung zwischen Rang und Reichtum (S. 69, S. 71), die an Max

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Genau diese Zeitlosigkeit betonte ja auch Kästner: Heldt wollte – wie Kästner – aus der Zeit aussteigen, denn der Zeitstrom ist der der Geschichte, und diese ist hoffnungslos. In der Geschichte würde der Mensch automatisch schuldig; wenn man jedoch daran nicht teilnimmt, bleibt man bereinigt von dieser Tatteilnahme. Der scheinbar unpolitische Eskapismus scheint wieder auf und erklärt die Affinität von Kästner zu Heldt. Wie sollte man sich also Aufstellen in Zeiten der Düsternis? Diese Frage ist eine Frage nach dem Habitus, nach der hexis. Deshalb ist eine Charakterneurosenlehre so relevant. Guardini thematisierte in tiefer anthropologischer Wende und unter Nutzung der Potenziale einer auf Bi-Polaritäten abstellenden Tiefenpsychologie die Partizipation des Menschen in der Daseinsbejahung als Prozess des Gestalt-Gebens und des Werdens der Person. Im Lichte der Römerbrief-Exegesen neigt diese Sicht zur Haltung, die messianische Zeit sei seit Jesu in der Geschichte anwesend und diese erfüllend. Es geht immer um die jeweilige Jetzt-Zeit, nicht um die kommende Zeit eschatologisch definierter Zukunft. Deshalb kann Guardinis Bejahung der Askese nicht eskapistisch sein, sondern – auch Gilles weist entsprechend einen melancholischen Grundzug auf – dem Sein liebend zugewandt und dem Dasein gegenüber offen. Auch Guardini war zutiefst melancholisch veranlagt, zog daraus aber überwindend die Kraft zur Weltoffenheit. Guardinis liebende Offenheit zum Dasein findet sich beim lebenslang zur Depression neigenden Werner Heldt nicht.30 Wie Schmied (1976) überzeugend zeigen konnte, war Heldts dominante Gestimmtheit als Disposition zum Dasein der Ekel31 gegenüber der Welt. Heldt nahm die herorische Haltung des Alleinseins an; er begeisterte sich für Studien zur schöpferischen Kraft schizophrener Menschen. Er identifizierte sich zutiefst mit der einsamen Außenseiterposition. Sein bei Schmied abgedruckter Aufsatz »Einige Beobachtungen über die Masse«32 aus dem Jahre 1935 macht in bemerkenswerter Weise die Wahlverwandtschaft zu Kästners Eskapismus erkennbar.33 Anders wiederum – nämlich weltoffen – ging Guardini (Guardini 1949) mit seiner lebenslangen Schwermütigkeit um. Diese ist Ausdruck eines kritischen Punktes der menschlichen Existenz überhaupt (S. 24). Der Mensch läuft Gefahr, sein Leben nicht mehr zu meistern (S. 25). Der entscheidende anthropologische Punkt – die Formung der Person als Werden – ist gehemmt, geblockt … von einem Dämon. Der Mensch kann nicht mehr tanzen (S. 25). Leichtigkeit, das Schweben, das Steigen (S. 25) gehen verloren oder verkümmern zumindest. Eine »metaphyWebers (und später bei Pierre Bourdieu aufgegriffene) Unterscheidung zwischen Stand (symbolischer Lebensstil) und Klasse (Marktlage) erinnert. 30 | Vgl. insb. Heldts Kampf mit seinen Dämonen. Dazu der Brief von Eberhard Seel an Kästner, zitiert in: Fröhlich 2012, S. 115, dort FN 14. 31 | Dazu u.a. Menninghaus 2012. 32 | Schmied 1976, S. 71ff. 33 | Vgl. Kästners Kritik (FAZ vom 4.4.1961, S. 24) an der »treibenden Menge«, zitiert in: Fröhlich 2012, S. 45.

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sische Leere« (S. 26) stellt sich ein, zumindest eine Langeweile (S. 26). Die grundsätzliche Vulnerabilität des Menschen kommt zum Tragen (S.  27). Die Person (S. 58) als lebendiger Sprung bleibt aus (S. 20). Genial kommt es bei Guardini zu einer Synthese einer Theologie der Schwermütigkeit und einer Psychodynamik bi-polarer Gleichgewichte (S. 30). Zur Selbstbehauptung gehört der Umgang mit dem Schreck.34 Auch die Verlockung gehört zur Umwelt des Menschen, die zum Verlust des Selbst führen kann. Allein in einem Gleichgewicht kann es zu einem höheren Werden kommen. Der Mensch kann sich im Titanismus verlieren (S. 57), er kann sich aber auch verlieren in der überzogenen Hingabe am Heiligen (S. 33, S. 56). Nur im Gleichgewicht erlangt das eigene Leben seine Daseinsmöglichkeit im eigentlichen statt uneigentlichen Sinne. Die Psychoanalyse (S. 34f.) hat geholfen, die Ungleichgewichte zwischen Trieb-Übertreibungen einerseits und dem Drang zur Geborgenheit als Überstieg zur Verborgenheit (S. 43) andererseits zu verstehen. Sonst steht der Mensch in der Verzweiflung (S. 34). Integriert werden muss die Begierde und die Seele in dem geistigen Leben (S. 52, S. 35), eine Position der Suche und dem Mut zur Suche nach dem Sinn, wie es später Viktor Frankl35 entfaltet hat. Das Gleichgewicht ist zu suchen zwischen der Flucht in die Geborgenheit (S. 39) einerseits und andererseits dem Titanismus. Das Gleichgewicht besteht im offenen Wachstum des Selbst. So kommt es zur Lichtung (S.  41, S.  44). Und Dostojewskis36 Dämonen (S. 41) werden gebändigt. Es geht darum, die personale Erosion in der Verkettung von Tiefe – Nacht – Stille – Mutter (S. 44) zu vermeiden. Diese Neigung, in diese Verkettung einzutauchen, sei die »Furcht vor dem Zusammentreffen mit der verwundenen Wirklichkeit« (S. 43). Diese Kraft fehlte z.B. Werner Heldt; und zu dieser Haltung konnte sich auch nicht Kästner durchringen, ebenso wie seine borderlinen Gleichgesinnten Nebel und Ernst Jünger, letzterer mit einem ausgeprägten benpahm – Phänomen. Guardini kennt auch das Oszillieren zwischen Depression und Manie. Der ewige Kampf zwischen dem Dunkel und dem Licht {Dunkel : Licht}

ist normal, gehört zum Eigentlichen. Uneigentlich ist dagegen die Finsternis (S. 44): {Dunkel : Licht} ≠ Finsternis.

34 | Vgl. auch am Beispiel des Werkes von Markus Werner: Haack 2015. 35 | Auf Frankl bin ich eingegangen in Schulz-Nieswandt 2010a. 36 | Dostojewski (Lavrin 1995) ist ein zentrales Thema bei Guardini. Doch diese Linie will ich hier nicht verfolgen. Verwiesen sei auf die faszinierende Studie von Guardini 1951. Vgl. zu Dostojewski aber Riester 2012.

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Das Dionysische als manische Steigerung (S. 45) ist nicht das Böse. Es ist eine Form der Sehnsucht nach der Liebe (S. 46). Guardini entfaltet hier ein Verständnis eines gelingenden Seins an der Grenze zwischen reiner Immanenz (als Pol I) und einem – ebenso uneigentlichen – reinen Drüben (Pol II). Ein Weiterdenken führt Guardini zum christlichen Glauben. Für meine Zwecke reicht es aber, an dieser Grenzlinie zu verharren. Zurückreichend bis auf die platonische Tradition (S. 47), Libido – Eros – Philia – Agape als Linie der Steigerung zur Wahrheit des Seins zu entfalten, geht es um die liminale Existenz der Liebe und der Schönheit (S. 48), ein Grenzerlebnis, das dabei ist, dem Absoluten zu begegnen. Guardini geht sodann den Schritt weiter zu Gott hin (S. 50ff.). Erneut wird die Differenz spürbar, eine Differenz, die sich als Differenz zwischen der liebenden zugehenden Daseinsoffenheit einerseits und einer eskapistischen Kulturkritik andererseits abzeichnet. Gewiss, die erste Haltung kann in naive Sozialreformpolitik münden. Gerade dieser Eskapismus läuft aber, viel problematischer, Gefahr, in borderlinem Zynismus oder im elitären Anachorentum auszumünden. Gemeinsam ist beiden nahe aneinander liegenden Formen der uneigentlichen Haltungen zur Welt eine neurotische Ekelerfahrung. Es fehlt das durch Liebe geweckte Urvertrauen, um mit der in der Ur-Angst angelegten je eigenen Angst angesichts der Kontingenz des Lebens umzugehen.37 Komme ich zu Werner Gilles als Bezugspunkt von Kästners Reflexionen. Werner Gilles38 war von Klee beeinflusst. Dies mag Kästner angesprochen haben. Gilles interessierte sich nicht für sozial- und gesellschaftspolitische Themen. Utopische Weltsichten bleiben ihm fremd.39 Das war ganz im Sinne von Kästner. Auch dass sich Gilles definieren lies als anspruchslos, einsam und heimatlos 40, ist hier passungsfähig. Die Welt war für Gilles dennoch ein Thema, war sie doch voller böser Dämonen. Vor diesem Hintergrund ist die Ischia-Sehnsucht von Gilles signifikant eng verwoben mit der Haltung der Eskapisten und Aussteiger heutiger Zeit. Die Kritik des Massentourismus, der auch in Ischia ausbrach, war daher ein Thema im Ischia-Maler-Kreis41. Und dies wurde immer im Erinnerungskontrast zur stillen Musik dieser mythischen Landschaft empfunden.

37 | Diese Haltung eines zivilisationskritischen Eskapismus gibt es auch in anderen Varianten. Vgl. auch Strodthoff 1976 zum George-Kreis. 38 | Instruktiv zu Gilles: Pollack/Siebenhaar 1992. 39 | Dazu Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr 2011, S. 10. 40 | Dazu ebenso in Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr 2011. 41 | Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr 2015, S. 15. Dazu habe ich mir vor allem Gilles und Heldt angeschaut, auch Bargheer. Zu nennen wären noch andere, etwa Hans Purrmann (Lenz 2006) sowie Lisel Oppel (Krause 2010; Richter 2005).

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So war auch Werner Gilles ein Einzelgänger; auch beim ihm42 war das Lichterleben auf Ischia konstitutiv. Farben, Licht und Meer verwoben sich zu einem »metaphysischen Gewebe« im Erlebnisgeschehen. Hier emergieren Erfahrungen analog zur onto-theologisch fassbaren Wahrheitsgestaltqualität, da sich ein Schöpfungswille abzeichnet, der als Drang zum Sein aufscheint.43 Wie bei Kästner geht es um die Bildsprache des Seins. Hier mag Klee wiederum im Hintergrund wirksam sein. Für Gilles musste das Geheimnis der Natur erst de-chiffriert werden.44

XV. G erhard A ltenbourg , P e ter H uchel : anachoretische H altung innerer E migr ation Die Ausführungen zu Gerhard Nebel, aber auch zu den Jünger-Brüdern, haben viele Fragen aufgeworfen. Eine resultiert aus der Überraschung, wie viele Passagen der Kulturkritik von Kästner in großer Breite und Tiefe bei Nebel ausformuliert ist (und sich bereits bei den beiden Jünger-Brüder findet). Dies ist nicht falsch zu verstehen. Ich gehe nicht der Frage nach, ob Kästner hier in seiner Werkproduktion deutlich nachbildend wirkt. Dazu müsste ein Kausalitätstest durchgeführt werden, der unter Annahme eines Zeitabstandes die jeweiligen Werke von Kästner und Nebel (und Anderen) in der Sequenzlogik des Zuerst und sodann des Danach, also produktionsgeschichtlich, anordnet und in der Logik von Vorlage und Nachbildung interpretiert. Das gilt analog für Gerhard Nebel. Ich sprach stattdessen von (eben kongenialen) Parallelitäten im Sinne einer Wahlverwandtschaft (als »historische Gleichzeitigkeit«: »Das dritte Auge« 1992, S. 45), eine Figur, die schon in der Wissenschaftslogik der vergleichenden historischen Soziologie von Max Weber keine lineare Kausalität X → Y zum Ausdruck bringt. Der Kausalitätstest müsste ohnehin nicht nur die Publikationsdaten in eine Zeitreihenkorrelation bringen, es müssten Korrelationen bereits in der reziproken inter-personellen Rezeptionsgeschichte während der längeren Produktionszeit als Vor- und Entwicklungsgeschichte beider Korrelate re-konstruiert nachgewiesen werden. Dazu bräuchte die Analyse vielmehr Kommunikationsdokumente, etwa den vollständigen Briefwechsel45 u.v.a.m. Die angedeutete Parallelität wirft eher die Frage auf, die ich weiter oben an entsprechender Stelle bereits angedeutet habe: Warum haben sich Nebel und Kästner entfremdet, wenn die konservative zivilisationskritische Diagnostik der42 | Wie dies auch ebenso tief verankert ist in der Malerei von Bargheer: vgl. in Fehlemann 2015, S. 6f. 43 | Bei Bargheer (vgl. in Fehlemann 2015, S. 15f.) als metaphysisches »Gewebe« verstanden: als kosmische Erfahrungseinheit. 44 | Dazu Kusenberg 1953, S. 6, S. 11. 45 | Vgl. auch mit Blick auf Nebel die Dokumente in »Sinn und Form. Beiträge zur Literatur« 56 (4) 2004, S. 170ff.

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art ähnlich ausfällt? Mag sein, dies sei in der in der Literatur konstatierten ungehobelten Charakteraufstellung von Nebel46 begründet, und, da bekanntlich immer zwei Seiten dazugehören, in der sensiblen Art von Kästner. Dieser wiederum konnte auch gut austeilen. Oder liegt die Ursache nur in der Radikalität/Totalität der eskapistischen Kulturkritik von Nebel? Warf ich Kästner sehr undifferenzierte Ablehnungen der sozialen Wirklichkeit und ihrer Sozialreformierbarkeit vor, so könnte hier Nebel (Nebel 1949, S. 30) sogar Kästner zu weit gegangen sein? Also: Turbo-Eskapismus trifft auf Eskapismus? Beide, Nebel wie Kästner, wendeten sich der romantischen Antikerezeption ab, und dies zugunsten der christlichen Perspektive. Hier zeichnet sich bei beiden die Differenz zu Hauptmann47 und auch zu F. G. Jünger ab. Auch hier mag Nebel einfach nur radikaler als Kästner sein. Ist es das? Oder lag es an der orthodoxen Variante der Mystik, die Kästner wählte? War Nebel dem selbst theologisierenden Kästner zu doxisch in der Art des Theologisierens? Beide waren nahe an Barth, wenn es um die Offenbarungstheologie ging und beide waren dergestalt »Anti-Bultmänner«48. Nebel hielt die landschaftsfrömmige Onto-Theologie des vorklassischen Griechentums, obwohl die höchste vor-christliche Kulturleistung, für endgültig verloren. Jede Rückkehr in die alte Welt hält Nebel für unmöglich (Fröschle/Haase 2001, S. 171f.). Und die Überwindung der Entfremdung in dieser Welt sei auch unmöglich. Man müsse, wie Nebel selbst, radikaler Anarchist sein und dieser Welt den Rücken kehren (S. 172): »Ich halte die allgemeine Lage für hoffnungslos und es ist auch für vergleichsweise unerheblich, ob der Untergang kapitalistisch oder dirigistisch, demokratisch oder faschistisch geschieht. Aber da der Mensch seit Sokrates und erst recht seit Jesus ein einzelner ist, braucht er sich dem Ablauf nicht zu unterwerfen.« (Nebel 1970, S.  5f.) Das Abspringen ist jedoch (ebenda) aber nicht für die Masse möglich, immer nur für einzelne Menschen oder im kleinen Freundeskreis. Kästner legte diese seine ebenso onto-theologische Griechenlandsehnsucht als Jugendromantik explizit ab. Beide sahen in der nach-griechischen, sich sodann globalisierenden Zivilisationsgeschichte nur Verlust, der immanent nicht zu kompensieren ist, sondern nur in Christus. Nebels Sticheleien gegen Eremiten und Mystik treffen aber Kästner. Es sind zwei Punkte, die wohl eine Differenz zwischen Nebel und Kästner ausmachen. Kästner hat trotz seines Eskapismus und seiner Idee der Literatur als Heilstrunk der Seele (Psyches iatron) angesichts des Leidens an dieser Welt in dieser Welt im Modus des zeitgenössischen Kritikers und Kommentators teilgenommen. Sein Eskapismus war demnach relativ, schloss kontinuierliche Partizipation nicht aus. Kästner widmete sich ausgiebig der Kunst der Moderne, auch der Male46 | Lehnert 2004, S. 23ff. 47 | Nochmals Meinert 1969. 48 | In Bezug auf Nebel bestätigt bei Lehnert 2004, S. 13, zu Barth: S. 45.

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rei und der Plastik. Bei Nebel finden sich viele pauschale despektierliche Abwertungen der künstlerischen Produktion der Moderne. Beide, Nebel (Nebel 1949, S. 31, S. 34) wie Kästner, teilten die Radikalkritik von Wissenschaft und Technik. Beide sahen Politik immer nur im Modus despotistischer Machtmißbräuche. Bürokratie war hier eine Dimension des Leviathan, Konsum und Reklame ebenso. Bei Nebel war der Journalismus Zuhältertum des Leviathan (Nebel 1949, S. 10). In Westen wie im Osten der gleiche titanische Wahn des ewigen Prometheus. Wo der Mensch seine natürlichen Grenzen überschreitet, sind die Götter tot. Insgesamt betrachtet repliziert Nebel hier wiederum das Werk von Ernst Jünger. Das Werk von F. G. Jünger hatte eine eigene Komplexität, die sich jedoch weder bei Nebel noch bei Kästner abbildet. Dennoch partizipierte Kästner in einer Sphäre an der Realität: in der Welt der Kunst. Vor allem blieb Kästner ein reisender Mensch. Nebel schrieb das Reisen als idyllische Illusion ab. Ferner mag es sein, dass Kästner zwar explizit seine ätherische Onto-Theologie griechischen Landschaftsempfindens – definiert als »fugierte Musik« (»Das dritte Auge« 1992, S. 45) – als jugendliche Romantik abgelegt hat. Implizit – eher in der Sphäre des Unbewussten – bleiben Erinnerungs- und in der Folge auch Ausdrucksspuren dieser Episode wirksam. Das Verhältnis zu Gerhard Altenbourg und zu Peter Huchel ist nun nach diesen vielen Verweiszusammenhängen etwas intensiver zu erörtern. * Pan war also nie ganz tot für Kästner. Kästner spürt (sogar in der Thüringischen Landschaft) Musik, Gedichte, »religiöse Unruhe« (»Das dritte Auge« 1992, S. 45). (Hölderlin schon sah Stuttgart und Athen und letztendlich Arkadien wahlverwandt.49) Dies ist seiner langen Austauschgeschichte mit Gerhard Altenbourg (Das dritte Auge 1992) zu entnehmen. Im »Geleitwort« von Eduard Beaucamp heißt es: Altenbourg »war der innere Emigrant schlechthin« (S. 5).50 Das mag Kästner angesprochen haben, war er doch selbst draußen tiefer drinnen. Und wie Kästner führte Altenbourg »Zwiesprachen mit der Landschaft« (S. 6). Kästner verlor offensichtlich trotz seines eigenen Abgesangs auf die Antikenhuldigung nie das Landschaftserleben aus dem Blick; für ihn waren, wie ich bereits ansprach, Worte erst im Transport über Bilder wahr. »Planflötenton« mag beide verbunden haben. Kästner, »ein sportlicher Mönch«, wie ihn Altenbourg nannte (»Das dritte Auge« 1992, S. 12), war eben doch in spreizender Weise beides; in (als Sportler: als Wanderer) der Welt und, ganz anders, draußen: als Mönch (S. 13): »Ein Mys49 | Vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2015. 50 | Das Phänomen der inneren Emigration in der Nazi-Zeit, aber auch in der DDR ist ein eigenes Forschungsthema. Vgl. etwa Kroll/Voss 2012; vgl. zu den hier interessierenden Inter-Textualitäten auch Morat 2004.

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terien=Kundiger im Sakko, wissend um das Geheimnis des Grundes und unter diesem Wissen Rat suchend im abgründigen Rätsel«, was (ebenda) im »Wüstenlager« wohl fundiert worden sei. Auch hier ist die Spannung zwischen natürlicher ätherischer Onto-Theologie griechischer Inseln einerseits und der Christologie der Wüste andererseits spürbar: Nicht in Kreta (mehr); in der Wüste und sodann auf dem Berg Athos, trotz der Wanzen51. Es gibt aber eine interessante Differenz im Klostererleben bei Kästner einerseits und Patrick Leigh Fermor andererseits. Diese schilderte den Verzicht des Konsums von Alkohol in seinen Erlebnissen als Differenz zu dem orthodoxen Alltag im Leben der Klöster. Der Rückzug ins orthodoxe Kloster grenzt also eine gewisse Lebenslust nicht aus: »Sie hatten Raki eingeschenkt und Walnüsse geknackt, Hirtenlieder gesungen und Pistolen gereinigt«.52 (Das wird mit Bezug auf den Konsum des Masticha bei Kästner [1975a, S. 158] validiert.) So lässt sich das Klosterleben durchaus genießen, als Mischung zwischen meditativen Rückzugsräumen und griechischer Tavernenatmosphäre, die für das Kästner-Nebel-JüngerNetzwerk konstitutiv war. Freiwerden ist bei Kästner Anderswerden (ebenda); ich ergänze: Mönch werden. * Als Schlüsseltext dient das Kapitel Patmos aus »Griechische Inseln« (Kästner 1975a, S. 151ff.). Auf Patmos führt Kästner im Kloster ein langes Gespräch mit dem Abt und den Vätern von Patmos. Es sollte als Ganzes gelesen werden. Es ist nicht relevant, ob Kästner das Gespräch je so geführt hat. Der Gesprächsverlauf zeigt, dass Kästner ein rhetorisches Spiel inszeniert: Er spricht mit seinem eigenen inneren Alter Ego. Er lässt den Abt sagen, was er selbst sich sagen möchte: Die Welt des Tuns bringt nur Verderben: Nicht nur der Gelderwerb, auch der Geist auf seinen Abwägen (S. 155): »Da fängt erst die tiefe Unruhe an.« »Da endet der einfache Glauben.« Es geht um die innere Ruhe als Haltung: »Wir verzichten auf Denken und ewiges Fragen.« (S. 156) Kästner stellt die erstaunte Nachfrage: auch auf Philosophie? »Ja« antwortet der Abt: »Wir wünschen die Ruhe der Seele.« (S. 157) Tun und Taten im Leben sind – wenn auch freundlicher – Wahn: »Es ist alles kindlicher Eifer, und Spiel, der Mühe nicht wert.« (S. 158) Und: »Wir bauen nichts, so stürzt uns nichts ein. Wir verleugnen das Leben, wir verleugnen die Zeit.« (S. 159) Bei den Vertretern konservativer Revolution – in Äußerungen von Nebel wie von Kästner zu sozialpolitischen Fragen – wird diese Haltung überaus deutlich: Alles nur Makulatur. Ich halte diese allgemeine Abwertung des Politischen für typisch für den post-zivilisatorischen, kulturkritischen Habitus. Diese Kulturkri51 | Bei Fermor, Bachofen und Schildt sind Wanzen durchaus ein Thema; aber nur bei Kästner werden sie zu einer existenzialen Erfahrungen stilisiert. 52 | Fermor 2010, S. 27.

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tik gilt ja auch der europäischen Gesellschaft nach 1945. Im Gespräch mit dem Abt wird der generative Kontext der eskapistischen Haltung allerdings deutlich. Es ist der Krieg, der gerade tobt: »Wie sahen es immer vor Augen. Jetzt ist es da. Gewiß nicht zum ersten Mal in der Welt und gewiß nicht zum letzten, aber doch wie niemals zuvor.« (S. 160) Was jener Johannes einst sah, »reicht nicht an das, was jetzt geschah in der Welt.« (S. 160) So ist es der Krieg, in dessen Geschichten Kästner unvermeidlich als Soldat verstrickt ist, der ihn über das Griechenlanderleben zur Zivilisationsabkehr bewegt: Da sah auch er selber, »daß das Schlimmste dem Menschen vom Bruder geschieht.« (S. 160) Es geht nicht mehr um die Naturgewalten und den Hunger, sondern um die »Flugmaschinen« (S.  16). Das Schlimmste kommt von »dem Menschen in menschlicher Maske«: »Mord heißt Tugend.« (S. 161) Sind dies wirklich Reflexionen von Kästner schon während des Krieges? Oder sinnsuchende Re-Konstruktionen als Aufarbeitungen: als deutende Erinnerung als erlebte und bedeutsam erfahrene Ereignisse unter rückblickendem Kohärenzerlebniszwang? Also eine (in der Sozialforschung normale) biographisch-narrative Arbeit – u.a. unter Kohärenzzwang – am eigenen Selbstbild? Das ist die psychologische Sicht. Es bleibt auch die philosophische Nachfrage. Wie soll der Eskapismus denn möglich sein? Der Mensch als Gattung kann ja nicht seine anthropologische Verfassung eliminieren. Und diese besteht aus praxis. Diese wiederum schlüsselt sich in verschiedene Formen auf. Dazu gehört das technische Tun ebenso wie die ökonomische Arbeit und das politische sowie das moralische Handeln. Alles ist eingebettet in die Sorgestruktur des Menschen und daher in das Apriori der polis als Kommunikationsgemeinschaft. Verschiedene Textstellen bei Kästner, auch ausgeprägt bei Nebel, machen deutlich, wie die Antwort ausfallen muss: Nicht für Alle ist Eskapismus möglich, nur für Wenige. Kästner (1975a, S. 156) lässt den Abt für sich vom »Kreis der Wenigen« sprechen. Klar wird dabei, wer hier zum Kreis der Auserwählten gehört: Ernst Jünger und seine Jünger. Der Ekel vor der Masse ist hier die konstitutive generative Grammatik. Und das anti-demokratische Element ist als zentrale Signatur in diese Grammatik tief eingeschrieben. * Die Bibliothek des Klosters verweist Kästner auf die Funktionalität der Bücher: »Psyches iatron« »stand über dem Eingang: Heiltrunk der Seele« (S. 151) zu sein. Aber dann doch partizipieren …in der Kunstszene. Denn dort findet man Trost der Seele: Psyches iatron. Hier zeichnet sich die besagte Differenz zu Nebel ab. Denn für Nebel ist dieser Trost sinnlos. Da ist die Apokalypse abzuwarten. Bis dahin: Kein Trost sei zu suchen, sondern, wie bei Ernst Jünger, heldisches (soldatisches) Leiden in Hinnahme, fast wie Christus (Nebel 1949). *

Habitushermeneutik und Psychodynamik

Aufschlussreich kann auch das noch nicht vertieft analysierte Verhältnis von Erhart Kästner zu Peter Huchel sein. Nach der Übersiedlung von Peter Huchel53 in die Bundesrepublik 1971 kamen Huchel und Kästner zusammen und verbrachten dann wenige Jahre bis zum Tod von Kästner in Freundschaft zusammen am gemeinsamen Wohnort Staufen. Viel wissen wir hierzu nicht. Noch in dem Insel-Band »Peter Huchel. Leben und Werk in Texten und Bildern« (Walther 1996) wird ein Treffen zwischen Huchel und Kästner mit einem Foto nur kurz und relativ kommentararm eher am Rande erwähnt (S. 296f.). Einiges ist aus Briefen bekannt (Raabe 1984, S. 213, S. 218ff., S. 228). Infolge einer literarischen Dauerausstellung »Peter Huchel und Erhart Kästner in Staufen« im dortigen Stubenhaus am Marktplatz ist etwas mehr über diese Beziehung bekannt. Die Presse berichtete darüber, mehr oder weniger unkritisch.54 Die Unterschiedlichkeit beider Figuren überrascht. Kästner war in jüngeren Jahren (das ist ja Gegenstand der Kritik seiner frühen Kreta-Kriegszeit-Reisebeschreibung) deutlich pro-nationalsozialistisch ausgerichtet; Huchel war zunächst begeisterter Anhänger der sozialistischen Versuche in der DDR. Beide wurden Systemkritiker. Aber Kästner hat nie ein Wort zu seiner frühen Verblendung verloren. Hier ähnelt er dem von ihm gehuldigten Martin Heidegger, der ebenso dazu immer schwieg. Mit Heidegger und dem oben angesprochenen Altenbourg ist damit ein Charakterzug von Kästner angesprochen, der nun auch in Bezug auf Huchel, den Reich-Ranicki (1999, S. 343) als unpolitisch bezeichnet hat, deutlich wird. Kästner bewunderte Huchel. Insgesamt trieb es Kästner immer wohl dazu, Freundschaft zu von ihm verehrten herausragenden Köpfen zu suchen. Ähnlich wie bei Altenbourg55 begeisterte er sich auch bei Huchel für dessen inneren Rückzug, für dessen Systemverweigerung, die mit einer Privatisierung des Lebensvollzuges einherging. Nur war bei Altenbourg und Huchel diese Rückzugsposition ins eigene Innere strukturell erzwungen. Der Eskapismus von Kästner ist angesiedelt im Kontext der bundesdeutschen Wirklichkeit, die zu diesem Rückzug in die – eskapistische, nicht ekstatische – Transzendenz in der Immanenz, um es theologisiert auszudrücken, nur zwingt, wenn man einer radikalen Zivilisationskritik des totalitarismustheoretischen56 Typus zuneigt, die keine Sozialreform als sinnvoll erachtet. Mag auch sein, dass Kästner (»Das dritte Auge« 1992) deshalb oszillierte, weil er angesichts des Elends der Welt, aber im Bedürfnis nach Partizipation gegen die Melancholie ankämpfte. Jeden Berg zu erwandern ist da eine Kraftquelle gegen 53 | Vgl. auch Mayer 1973. Vgl. auch Braun 2004, S. 13ff. 54 | 1) http://www.literaturland-bw.de/museum/info/124/;  2) http://www.badischezeitung.de/literatur-1/peter-huchel-und-erhar t-kästner-in-staufen-schwermut-und-hei terkeit--71372684.html; 3)  http://www.swr.de/kultur-info/huchel-kaestner-in-staufenausstellung/id=9597116/did=11353880/nid=9597116/1kbpgr2/index.html 55 | Vgl. auch Altenbourg 1997 sowie das dortige Nachwort von Dieter Brusberg. 56 | Wippermann 1997; Schlangen 1976; Rensmann 2004.

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die Melancholie (ebenda, S.  14). Und dennoch: »Dem Leben fern, bin ich dem Leben näher« (S. 14): also das Heraustreten aus der Zeit: Das ist eine Haltung, die Protest und Geduld zugleich meint. Das ist sicherlich christologisch; aber nicht so total eskapistisch wie bei Nebel. Doch (S. 14f.): Obwohl nicht mehr griechenlandsüchtig im Onto-Pantheismus gefangen, sah er (wie Hauptmann) in allen Dingen Gott durchscheinend. Wie Nebel wollte er leer von der Welt sein, aber nur, um in der Leere sich neu mit eigentlichem, wahren Sein voll zu saugen (S. 14f.). Die Leere ist also nicht das Nichts. Es gibt eigentliche und uneigentliche Leere. Eine doppelte Semantik von Leere, wie auch der Wüste, liegt vor. In der Kulturkritik der uneigentlichen Leere waren sich Nebel und Kästner einig. Kästner sah aber wohl Nischen der Eigentlichkeit in dieser Welt, auf dem Berg Athos, als begrenzt bebauter Wüste, und in der Kunstszene. Deshalb begeisterte sich Kästner (nicht nur wie auch Nebel, sondern auch schon Trakl) für die Farbe Blau: Wärme des Lichts ist hier auszumachen.57 Und dann doch wieder all die Hybridizitäten: Pan als Ausgetriebener (S. 15), also zwar nicht tot, aber auch nicht wirklich lebendig. Im Refugium. Wie die Künstler. So ist die Partizipation im Modus der Kultur- und Kunstszene doch nicht echt. Manches ist hierbei grotesk, so der Vorwurf an Celan, keinen Dank zu kennen. Welt (S. 16) ist Wohnung, aus der man aber versucht, auszuziehen. Hier liegt eine enge Formulierungsverwandtschaft zu Textstellen bei Nebel (1949, S. 28) vor. Der Mensch ohne Heimat sei ausgetrieben aus Haus und Wohnung, auf die Straße hin. Also doch Eskapismus. Und so verdunkelt sich wieder alles: »Vergessen, Vergessen« (S. 16). Das Problem von Kästner ist und bleibt psychodynamischer Art. Dieter Brusberg (ebenda in »Das dritte Auge« 1992, S. 18) re-formuliert es nochmals: »Nah, aber fern.« Oder: Nähe und Distanz. Oder: Kritik und Partizipation. Die Partizipationsbedürftigkeit sitzt eben tief: »Gastfreundschaft, Tischgespräche.« (S. 19) Also Philia, sogar Agape. Und immer auf der Suche im Modus der Metaphysik (wie Nebel auch von Ernst Jünger behauptete: Nebel 1949): Suchen, »was hinter den Dingen liegt« (S.  23). Auch in Form des Krassen und Platten, etwa als Kritik des »Sexualismus unserer barbarischen Tage« (S. 25). Dann könnte man aber auch die Vasenmalerei der griechischen Antike anführen: alles Phallus. Und dann wieder Politik: DDR und die Gestapo (S. 31ff.). Das ist ja nicht falsch; aber ist das die ganze weltweite Wirklichkeit? War nicht auch von Philia und Agape die Ahnung? Ist die Diagnostik nicht eine Art von konservativer Variante der eindimensionalen Gesellschaft? Herbert Marcuse, dessen Theorem der eindimensionalen Gesellschaft heute wieder aus der Sicht einer post-strukturalen Sicht auf den unternommenen Menschen aktualisiert wird 58, vom konservativen Nirwana aus re-formuliert?

57 | Zur Farbe Blau vgl. auch Schuth 1995; Overath 1987; Pastoureau 2013. 58 | Freytag 2008.

Habitushermeneutik und Psychodynamik

* Hatte ich an verschiedenen Stellen noch die relative Weltzugewandtheit von Kästner entgegen meines eigenen Eskapismus-Vorwurfs ins Spiel der abwägenden Interpretation gebracht, so kippt nun alles wieder. * Auch in Relationen, die ich gar nicht alle nacharbeiten konnte59, zeigt sich die Relativität der psychodynamischen Offenheit von Kästner. Oftmals ist das Thema die Werke von Werner Heldt (1904-1954)60, von Werner Gilles (1894-1961)61 – Heldt und Gilles waren befreundet – und von Julius Bissier (1893-1964)62 . Aber in jedem dieser Fälle sucht Kästner die Seelenverwandtschaft. Bei Bissier mag es die metaphysische Weltsicht und die Rückkehr zur Mystik sein, die Spiritualität in Richtung auf die ostasiatische geistige Kontemplation; die Sicht der Wahlverwandtschaft deutscher Mystik zu japanischer Zen-Philosophie; überraschend, aber passend auch die Rezeption von Bachofen63 (auch im Dialog zwischen Altenbourg und Kästner ein Thema: »Das dritte Auge« 1992, S. 94) und die Aufnahme strukturaler Binärismen. Insgesamt von Interesse ist die Vergeistigung der Materie. Bei Kästner analog ist das Thema der Dinge – auch noch ein Relikt unbewusster Pan-theistischer Landschaftsontologie? Paul Tillichs theonome Kultur ist da sicherlich anders gelagert. Bei Gilles ist das Spannungsfeld zwischen heidnischer Antike und christlicher Kultur bestimmend. Auch hier besteht eine Nähe zu Kästner, mag bei Gilles auch nicht die griechischen Inseln generierend wirksam gewesen sein für diese Offenbarungen, sondern die Insel Ischia.

59 | Dazu Hinweise in Nauhaus 2003. 60 | Nauhaus 2003, S. 358ff. 61 | Nauhaus 2003, S. 315ff. 62 | Nauhaus 2003, S. 240ff. 63 | Zu Bachofen auch Cesana 1983. Das Werk von Bachofen kann, das zeigt Cesana, keineswegs auf das »Mutterrecht« reduziert werden. Das Werk ist viel komplexer und auch kompliziert in seinen inneren polaren Spannungen, als dass Autoren wie Kästner problemlos auf Bachofen zurückgreifen können. Die konservative, anti-aufklärerische Zeitkritik ist auch schon Bachofen eigen; auch eine universalgeschichtliche Hochbewertung des Christlichen. Aber das tiefe nachempfindende deutende Verstehen des vor-christlichen Altertums bleibt bei Bachofen eine tiefe Sehnsucht, die Nebel und Kästner zugunsten ihrer eskapistischen Haltung überwinden und sich Barthianischen, anti-Bultmännischen Offenbarungshaltungen jenseits der realistischen Gesellschaftsgestaltungsoption zuwenden.

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Bei Heldt ist es wohl die Grenzerfahrung des Exils bzw. der liminale Raum zwischen Exil und innerer Emigration, die Kästner fasziniert. Was für Kästner Dresden (Kästner 1994a) war, war für Heldt Berlin: Menschenleere.64 Kästners Weltoffenheit erweist sich somit beim zweiten Blick als Suche nach Gemeinschaft in einer Welt, in der Kästner eben nicht einwohnend seine Heimat finden kann. Die Höhle verloren, findet er auch in der Weite der Savanne keine Heimat. Da tut es gut, mitleidende – besser: gleich leidende – Mitmenschen zu finden. Innerhalb der Seins-Nische der Kunst sucht und findet Kästner SubNischen, in denen er überleben kann. In der Welt außerhalb eben dieser Welt. »Fröhlichkeit« im Dasein kommt da nicht auf (»Das dritte Auge« 1992, S.  43). Und wieder reihen sich im Rahmen der Großstadtkritik aneinander: die Kritik der Soziologie, der Ökonomie, der Physik (S. 43). Alles nur Diktaturen. Analog auch hier Nebel (1949), dessen Definition des Menschen geradezu post-strukturalistisch anmutet: nicht als Tod des Subjekts, aber als dessen gouvernementale Zurichtung: »Der Mensch ist das, was ihm befohlen oder wozu er verlockt wird, er ist eine Rumpelkammer, in der die Zivilisation ihren Maskenplunder ablagert.« (S. 34) Bi-polarisiert wird der »Optimismus der Wissenschaft« und der »Pessimismus der Künstler«. Also eine »Schlucht« dazwischen. Und im Geschehen wirksam: Amt, Ehrgeiz, Erfolg, Lauf bahn, Machthunger. Davon befreit kann man nur privatistisch leben: befreit von der Öffentlichkeit (S. 44). Auch hier eine nahe Textstelle bei Nebel (1949, S. 34): »Das, was er (der Massenmensch – S.-N.) ist, quillt ihm nicht aus dem Kern seiner Individualität, sondern wird ihm von den Mächten der Öffentlichkeit eingegossen.« Der binäre Code privat versus öffentlich repliziert hier die Dichotomie von negativer Welt und positiver Wüste. Die Welt wird zur negativen Wüste der uneigentlichen Leere, die Wüste zur positiven Welt der Eigentlichkeit. Wüste hat bei Kästner, wie bei Nebel, also eine doppelte Semantik. Positiv ist die Wüste als Ort der Meditation. Negativ meint Wüste auch die uneigentliche Leere des entfremdeten Menschen der modernen urbanen Zivilisation. In diesem Sinne ist von »Weltwüste« die Rede (»Das dritte Auge« 1992, S. 45). Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Seitenangaben zu Kästner nunmehr immer auf diese Quelle. Und in dieser Binärik von eigentlicher und uneigentlicher Existenz bleibt Landschaft onto-theologisch bei Kästner im geistigen Austausch mit Altenbourg, durchaus auch an Guardini und dessen Sichtung der Landschaft bei Hölderlin erinnernd (hier wunderschön am Beispiel von Thüringen zum Ausdruck gebracht: S. 92, wenngleich auch eine Erinnerung an Kreta nicht fehlt: S. 95), positiv be64 | Aber man vergleiche Kästners Darlegung der Erfahrung des zerstörten Dresden (Kästner 1994a) mit »Menschen und Dinge« von Marie Louise Kaschnitz, die Kaschnitz 1944/45 (Kaschnitz 1985) geschrieben habe, und man merkt eine krasse Differenz in der Tiefe der Reflexion, und auch eine unendliche Hinwendung zum Leben danach aus der Kraft der Hoffnung bei Kaschnitz. Verbindungen zu Kästner gibt es im sozialen Dreieck zu Peter Huchel.

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setzt. Von der »Entdeckung des Unterbewußten der Landschaft« ist die Rede (S. 60, auch S. 47). Auch dann, wenn abstrakte moderne Kunst in Geheimschrift auftritt und erst zu entziffern ist (S. 48). In der Zivilisation dagegen sind die Dinge entfremdet. Von der Fremdheit der Dinge wird im Dialog der Freunde gesprochen (S. 49). In einem Brief von Altenbourg an Kästner (S. 49f.) wird man überrascht von einer ganzen Liste strukturaler Gegensätze, die kultur- wie psychogrammatisch auszulegen sind: Innen : Draußen Glück : Schmerz strahlen : schaudern nah : fern.

Insbesondere die apollinische (Nebel 1949, S. 72) Strahlung findet sich bei Nebel schon in seiner Rezeption von Ernst Jünger (Nebel 1949, S. 275ff., S. 282). Diese kommt wie Pneuma (S. 298) von Gott (S. 298). Und diese Strahlungen seien mehr, als in griechischer Ontologie zu finden sei (S. 297). Sodann werden die liminalen Dynamiken thematisiert: Denn zwischen den binären Polen geht es um Verwandlung und Übergänge. Hier wird die Ambivalenz des Numinosen ebenso thematisiert wie die Verzauberung, die das – wohl lichtmetaphysisch gemeinte – reine Strahlen und die Verwandlungen begleitet. Diese Dynamik der Weite und Ferne findet sich strukturgleich bei Nebel (1949). Mit Blick auf das Strahlen und das Wunder sind, wie schon soeben angedeutet, die fast identischen Textpassagen bei Nebel (1949, S. 29, S. 34) überraschend. Der Titanismus treibt bei Nebel die Wunder aus. Das bedeutet Verlust des echten Seins. Kästners Kritik der Archäologie als Wissenschaft findet sich hier bei Nebel ebenso (S. 34) wie die Ablehnung von Sartre und dem Existenzialismus (S. 32, S. 35). Denn der Mensch wird dort zum seelischen Nichts (S. 34). Auch die Figur der Wandlungen finden sich eindringlich bei Nebel (1949, S. 28). Hier ist von »Seinshunger«, von »Gottessehnsucht« dort die Rede, wo der Gegensatz zur Gottesferne (S. 27, S. 35) des heutigen Massenmenschen aufgebaut wird. Wandlung meint auch bei Nebel Suche, denn das Wagnis des Glaubens ist nur als Abenteuer zu haben. Alles andere ist Nihilismus (S. 31). Bei Nebel geht es um die Suche nach dem Glauben. So deutet sich dieser Seinshunger schon in der Wahrheit des Mythos an (S.  39). Und dazu benötige der Mensch, dies erinnert nun etwas an Tillich, Mut, und dieser käme von Gott (S. 70). Aus dem Optimismus der Wissenschaften (S. 69) ist dieser Mut nicht zu schöpfen. Der Mut wurzelt in dem (theologisch begreif baren) »Staunen« (S. 75, S. 78). Staunen ist der Technik entgegen gesetzt (S.  77, S.  97). Staunen erinnert eher an die Weisheit der (wahren) Kinder (S. 44, S. 75). Es geht um das Entdecken der Wunder (S. 76). Eine Welt ohne Wunder ist eine Öde (S. 51), die nur innerlich überwunden werden kann (S. 44), nur im innersten Privaten (S. 89), nie im öffentlichen Raum. Es gibt kein irdisches Paradies (S. 44, S. 52, S. 288). Deswegen – und hier zeichnet sich

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ein Delta zu Kästner und Altenbourg ab – ist Landschaftserleben weitgehend unbedeutend (S.  44), nicht vollständig, weil Landschaftserleben helfen, aber eben nicht abhelfen kann. Und nochmals: Tahiti (S. 38) ist ein Ort der Sehnsucht, aber Illusion. Das mag menschlich, allzu menschlich sein, wie schon bei Odysseus. Innen und Außen müssen unterschieden bleiben (S. 53), sonst sei die Chance auf eine nicht diesseitsimmanente Offenbarung verloren. Das Glück im Außen des Inneren ist Täuschung (S.  44). Hatte ich Kästner Eskapismus vorgeworden, so findet er bei Nebel65 eine Radikalisierung. Das Träumen in der Immanenz ist Exotismus, definiert als Sentimentalität auf der Grundlage des Unglaubens (S. 40). So ist Nebel schwer zu klassifizieren. In diesen Passagen ist Nebel mit Blick auf den Tourismus (Krempien 2000) konservativ-kritisch, nicht kritisch im Sinne einer Kritischen Theorie, denn die erkennt im falschen Träumen den berechtigten Kern der Sicht auf das Erträumen einer erinnerten Zukunft. Einerseits also kritischer Konservatismus. Daher andererseits Kritik der Obrigkeit, des Leviathan (Nebel 1949, S.  56f., S.  88), mitunter post-strukturalistisch anmutend. Denn das entzauberte Dasein (S. 51) sei bürgerliches Dasein (S. 42) der Masse in der Maske des Nichts (S. 56, S. 87). Hatte nicht Adorno ebenfalls argumentiert, in dieser Welt gebe es kein wahres Leben?! Wie Kästner neigt Nebel zur Freiheit von aller Herrschaft (S. 52ff.) des leviathanischen Systems (S. 56f., S. 88), und er zieht, wie Kästner, die Freiheit der sozialen Sicherheit vor (S. 43). Deshalb die Erinnerung an dem in der Antike verlorenen Elementaren (S. 41), da dergestalt der Gegensatz zur technischen Zivilisation formulierbar wird (S. 41f.). Nebel bezeichnet sich selbst als Anarchist, als anarchischen Feind aller Mächte (S. 57). Und so hält er dem falschen Träumen der Immanenzontologie die wahre Christologie des Träumens als Abenteuer (S. 40) entgegen. Da wird das Leben in Wahrheit zum Wagnis (S. 97), aus der Kraftquelle des strahlenden Gottes, kräftiger als das vorchristliche Apollinische, und sich nicht in der griechischen Immanenzontologie verwirklichend, sondern im Inneren des dem Außen abgekehrten Menschen, der nicht zur bürgerlichen Masse gehört. Und letztendlich gibt Nebel an einer Stelle eine Definition von historischer Wahlverwandtschaft (S. 139), die vielleicht die Antwort auf die Beziehungsmuster zwischen Positionen wie von Nebel und Kästner ist. So wird wohl die Diskrepanz im Duktus, wenn ich stilistisch argumentiere, zwischen Nebel einerseits und Kästner-Altenbourg andererseits evident. Nebel überwindet, zunächst eigentlich wie auch der spätere nach-kretische Kästner, die Landschafts-Onto-Theologie des heidnischen Griechenland. Nebel überwindet das, was als Äther (Aither) die göttliche Allgegenwart in der entsprechend theonomen Landschaft66 war und die trotz der Abkehr von der griechischen Landschaftssehnsucht bei Kästner dennoch nicht in dieser Radikalität verloren geht.

65 | Vgl. auch Streim 2008, S. 166. 66 | Roscher 1894, S. 376.

Habitushermeneutik und Psychodynamik

* Hier kommt bei Kästner jedoch der Kunst eine refugiale Rolle zu. Denn dem Optimismus der Wissenschaften wird der Pessimismus der Kunst gegenüber gestellt (»Das dritte Auge« 1992, S. 56). Hier ist Kästner Altenbourg eher näher als Nebel. Dieses Refugium ist wohl gemeint, wenn der Satz gepflanzt wird: »Dem Leben fern, bin ich dem Leben näher.« (S.  91) Entfernt sich der weise Mensch dem uneigentlichen Leben, kommt er dem eigentlichen Leben näher. Das Leben im ersten und im zweiten Teil des Satzes, also links und rechts vom Komma, ist ontologisch-ontisch nicht identisch. Hier zeigt sich die psychodynamische Dramatik im Seelenleben von Kästner: Er kommt eben nicht ins Gleichgewicht in dieser einen Welt insgesamt, sondern nur in einem transgressiven Teilraum der Kunst: als Psyches iatron. Bildlich wird dies als »Pendelausschlag« zum Ausdruck gebracht. Durch die und in der Kunst könne man »ins Wunderliche auswandern« (S. 101). Und an dieser Stelle taucht also wieder die Kategorie der Wunder auf. Nun wird verständlich, wieso Kästner (und, wie ich indiziert sah, auch Nebel) gegen die (allerdings falsch rezipierte) Entmythologisierung bei Bultmann gewettert haben: Bultmann wird unterstellt, die Theologie dem Terror des wissenschaftlichen Rationalismus zu unterwerfen. Dergestalt wird die Zivilisationsabneigung von Kästner auch hier wirksam. In der Welt von Wissenschaft und Technik ist kein Platz mehr für Wunder. Die Götter sterben ja ab. Und damit geht mit dem Wunder auch das Refugium für Kästner verloren. Die Neuzeit ist Weltausrechnung, eine Un-Kultur des Herstellens (S. 101). Da möchten die beiden Freunde sicherlich lieber ins Fremde auswandern. Das politische Emigranten-Dasein von Altenbourg in der DDR-Diktatur war es wohl auch, die den anti-kommunistischen (S.  138) Kästner ansprach. So ist man dem entfremdeten Leben fern und dem eigentlichen Leben nah: das »Wunderliche führt die Dinge zu sich zurück, in die Heimat.« (S. 103) Man muss dem Wohnen in der uneigentlichen Welt entfliehen (S. 126), jener Wüste (S. 128) entfliehen, die sich Welt nennt (S. 126), womit erneut an die oben angeführte doppelte Semantik der Wüste angeknüpft wird. Diese Wüste ist Chaos (S. 128; vgl. genau so auch Nebel 1949, S. 34). Entfernung davon führt nicht zur Einsamkeit. Damit kommt die andere Wüste ins Spiel: »Jedermann braucht etwas Wüste.« (»Das dritte Auge« 1992, S. 133), aber nicht die wüste Stadt. Insgesamt werden die Kongenialitäten (S. 136) zwischen Altenbourg und Kästner, zum Teil zu Nebel deutlich. Diese positive Wüste ist bei Kästner Meditation, Mystik im Setting des Klosters; und die Sphäre der Kunst, also transgressiver Eros, hier Hauptmann verwandt67. Eben auch die Philia. Genau hier zeichnet sich die Differenz zu Nebel ab: Dieser wertete auch Kunst und Freundschaft ab; nur in Christus ist man eigentlich. Bei Hauptmann geht es dagegen um die Caritas der christlichen Nächsten67 | Meinert 1969.

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liebe, jedoch im Modus des Dionysos-Kultes68. Aber auch das onto-theologische Landschaftserleben hat Kästner nie ganz abgelegt. Auch hier lässt Nebel alles radikaler hinter sich. Kästner ist Nebel wohl immer noch zu idyllisch. Richtig ist, dass das Landschaftserleben bei Kästner nicht mehr nur die Welt der griechischen Inseln sein muss. Es kann auch Thüringen sein, wie für Hölderlin sein Stuttgart. Bei Gilles war es Ischia.

XVI. H offnung und I mmanenz : D istanz zu M arie L uise K aschnit z Es geht in diesem ganzen Abschnitt F ja um die Fundierung einer habitushermeneutischen Annäherung an einen Kreis Wahlverwandt-Gleichgesinnter im Feld des revolutionären Konservatismus. Der Kreis hat sich aus den geistigen Netzwerken ergeben. Aus den Beziehungen etwa zu Gilles und Heldt, aber auch zu Huchel und Altenbourg haben sich einige habituelle Muster ergeben. Relevant sind aber auch die nicht tiefer realisierten Beziehungen, obwohl diese nahe lagen. Wieso kam es eher zur Distanz? So soll auch hier nicht frei von psychodynamischer Sichtweisen über die Differenz zu Marie Luise Kaschnitz reflektiert werden. Im Rahmen einer imaginierten Relation soll ferner über die Ausklammerung von Rainer Maria Rilke spekuliert werden.69 Womit ich bereits zur Frage nach dem nicht realisierten Verhältnis zu Romano Guardini im nächsten Kapitel überleite. Was hat hier getrennt statt eine tiefere Beziehung zu eröffnen? Die möglichen Antworten helfen, die Habitushermeneutik voran zu treiben. Gehe ich im Lichte eines dialogischen Personalismus70, den ich in über viele Schriften hinweg wachsend entfaltet habe, anthropologisch davon aus, dass der Mensch bi-polar über Selbstbezogenheit und Weltbezogenheit (zuletzt so auch Andreas Kruse 71) definiert ist, so muss er hier die Balance finden. Einerseits benötigt er den Spielraum der Maske zur Selbst-Verbergung angesichts des sozialen Normdrucks des Systems; andererseits lebt er davon, am Sozialen zu partizipieren, sucht also die Geborgenheit in der Teilnahme am (im) sozialen Leben. Gerade dieser Punkt hat rechtsphilosophisch im Lichte der Inklusionsidee (SchulzNieswandt 2016b) die etablierten normativen Axiome der Selbstbestimmung und der Selbständigkeit der Person in seiner Daseinsführung ergänzt. Korrelat dieser Teilhabe-Idee ist damit auch die soziale Mitverantwortlichkeit.

68 | Nochmals Meinert 1969. 69 | Gilles hat sich dagegen mitunter wohl von Hölderlin inspirieren lassen. 70 | Vgl. u.a. Langemeyer 1963; Heinze 2011; Wojcieszuk 2010. 71 | Kruse 2013.

Habitushermeneutik und Psychodynamik

Im Sinne der daseinsanthropologischen Psychiatrie 72 wird man jetzt ein Gespür für neurotische »Verstiegenheiten« 73 bekommen. Das Motiv der Selbst-Verbergung übersteigert sich zur reinen Innerlichkeit und führt zum Verlust der Mitte der Mit-Welt. Das Motiv der Partizipation am Gemeinwesen übersteigert sich zum Eintauchen und Aufgehen im Kollektivgeist und führt zum Selbst-Verlust. Beide charakterneurotischen Verstiegenheiten sind Erscheinungsformen einer De-Personalisierung, phänomenologisch angesiedelt noch weit im vor-klinischen Bereich auf dem Weg zu endogenen Psychosen. Temporär sind Überstiege als rauschhafte Episoden existenziell notwendig. Das74 erinnert an Bataille 75. Eine zweifache Art von Urlaub-Bedürfnis kristallisiert sich heraus. Einerseits der »Urlaub vom imperativen System«, definiert als episodische Re-Generation seelischer Kräfte im Sinne resilienter Flexibilität.76 Andererseits der »Urlaub vom Subjektivitäts-Dispositiv«. Hier partizipiert der Mensch in der Gesellung am Fest. Dort taucht er in die Landschaft ein und träumt sich in zeitloses Aufgehen in der Licht-Ton-Komposition der Stille hinein. Beide episodischen Transgressionen sind in der Prosadichtung bei Kästner daseinsthematisch entfaltet. Einerseits die Erfahrung der Gabe und der Gastfreundschaft, andererseits die pagane, naturreligiöse Seinsfrömmigkeit, in der man Pans Flöte hört. Ich will hier nicht pathologisieren77.78 Es geht um Charakterneurosen der Haltung im Gefüge von Identität und Alterität, im Gefüge einer (achtsamen 79) Verantwortungsethik zwischen Selbstbehauptung und Mitverantwortung in der sozialen Wirklichkeit. Meine Kritik bestand darin, dass sich der Weltbezug bei Kästner zunehmend verflüchtigt. Der Bezug zur Welt neurotisiert sich zu Orakeln80 der Zivilisationskritik; der Selbstbezug übersteigert sich zur eskapistischen Mystik einer klösterlichen Innerlichkeit einer christlichen Offenbarungsfrömmigkeit. Mag diese auch von hoher Kulturbedeutung sein. Es kann nicht die Haltung für die Masse sein. *

72 | Binswanger 1993. Mehr zum Wengener Kreis u.a. in Schulz-Nieswandt 2013; 2015. 73 | Ludwig Binswanger 1956. Schulz-Nieswandt 2013, S. 87, S. 96, S. 177, S. 184. 74 | Bäuerl 2011; Kilian 2013. 75 | Aus der Fülle der Sekundärliteratur: Mattheus 1984/1988. 76 | Sedmak 2013. 77 | Käser/Schappach 2014. 78 | Umfassend und anthropologisch tiefgreifend zum Begriff psychischer Krankheit: Heinz 2014. 79 | Schulz-Nieswandt 2010c. 80 | Zur Funktion des Orakel vgl. auch Rosenberger 2001.

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Zunächst soll hier nun die Distanz zu Marie Luise Kaschnitz81 interessieren. Die Haltung Kästners zur Realität wird deutlich, wenn der Unterschied zur Poetik von Marie Luise Kaschnitz, mit der Kästner ja nachbarschaftlich gut bekannt war, in Betracht kommt. * Zuvor seien aber noch einige weitere verschlungene Pfade möglicher Inter-Textualitäten angesprochen. Leider sind auch viele weitere mögliche Inter-Textualitäten nicht angemessen zu re-konstruieren, da es an biographischen Details fehlt. So bin ich nur als Andeutung auf den Zusammenhang von Heidegger, Guido Kaschnitz von Weinberg (vgl. Kaschnitz von Weinberg 1961; vgl. Hofter 1995; Matz 1959) und Eckart Peterich, der wohl mit Kästner befreundet war (vgl. in Kocziszky 2011), gestoßen. Interessant wäre es, über die Beziehung zu Peterich mehr zu erfahren. Im Rahmen biographischer Studien zu Däubler (Rietzschel 1988) wird angezeigt, dass Däubler und Peterich eng verbunden waren. Dies ist vor allem auch den Publikationen von Peterich zu entnehmen. Insofern wäre allein hier schon die Frage, wie es um die Beziehung von Kästner zu Däubler stand. Dies ist einerseits wegen der überragenden Bedeutung Däublers für die Lichtmetaphysik evident, aber auch mit Bezug speziell zu Däublers Griechenlandbuch. Peterich verdanken wir eine schöne Neu-Erzählung alter griechischer Mythen und Mythengestalten (Peterich 1957), ansonsten interessante Reiseführer, die eher erzählerisch sind, so zu Paris (Peterich 1959) und zu Griechenland. Peterich (dazu Werner 2010, auch zu Peterich über Däubler; und [eindrucksvoll] Peterich 1965) hat sich gleich zu Beginn seines Paris-Buches auf Däubler bezogen (Peterich 1959, S. 10); und in seinem Griechenland-Buch widmet er vorne das Werk (Peterich 1956), eigens mit einem eigenen Kapitelchen, Däubler (1956, S. 15ff.). Speziell zu Däubler, aber auch mit Blick auf das eigenständige Thema der Insel Capri als Ort der KünstlerZuflucht ist das Capri-Buch (erstmals 1960) von Werner Helwig von Interesse (Helwig 1979). Einerseits finden sich hier neben der Begeisterung für das Inselerleben auch Themen wie die der Kritik primitiven Massentourismus (S. 221: Verschandelung von Capri durch »Menschentermite[n]«) und der Kritik von Technik und Umweltzerstörung (S.  147ff.) insgesamt. Däubler selbst wird in seiner idiosynkratischen Charakterart herausgestellt. Allerdings sind Helwigs Darlegungen strittig, da sie ein Stück weit als Selbstinszenieriung gelten und auch wohl fiktionale Dimensionen haben. Auch die Rolle Faustens (S.  105) erinnert an Passagen von Kästner. Ebenso die Andeutungen zum öffentlichen Raum des Staates und des Todes, wogegen das Private der Raum des Magischen sei (S. 109). Dichtung – mit Bezug auf Hölderlin und Däubler – hätte Strukturen der Offenbarung (S. 113). Dies wird als Ent-Politisierung der Kunst diskutiert und letztendlich 81 | Durchaus aufschlussreich dazu auch Strack-Richter 1979, die auf die Fragen nach dem privaten und öffentlichen Engagement von Kaschnitz eingeht.

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akzeptiert (S. 157f.). Es geht um eine »Kunstarche« (S. 160). Erwähnt wird auch Freund Franz Spunda (S. 176ff.). Darauf komme ich w.u. nochmals zu sprechen. Man kann jedoch gegenüber den affinen Momenten der konservativen Revolution zur faschistischen Ideologie bei Werner Helwig eher eine anti-faschistische Fortschrittskritik erkennen. Die im Ersten Weltkrieg kumulierende Krise der Moderne generierte eine Kritik der Masse in verschiedenen Variationen zivilisationskritischer Intellektualität, die sich auch als psychische Dispositionen ablagerten. Die konservative Revolution war hierbei mitunter post-zivilisatorisch. Helwig kann aber nicht als anti-demokratisch gelten. Da finden wir bei Gerhard Nebel in seinen »Phäakische(n) Inseln« (Nebel 1965) eine ganz andere Bemerkung (S. 60), wo »unter den verschiedenen Weltanschauungen der schwarze Faschismus für uns noch am ehesten als Bundesgenosse« erscheint. Nochmals zurück zu Peterich. Sein Stil – hier rekurriere ich auf sein Griechenland-Buch (Peterich 1956) – erinnert mich eher an Göran Schildt, weniger an eine Prosadichtung wie bei Kästner. Z.B. mit Blick auf den aufkommenden Tourismus ist Peterich kritisch, aber gelassen und verständnisvoll (S. 35). Zwar werden Reisenende im »Rudel« kritisiert (S. 220), aber der Ton ist nie so kulturkritisch wie bei Kästner oder Nebel. Der Duktus, der mich eher an Schildt erinnert, findet sich z.B. in den Abschnitten »Das moderne Athen« (S. 164ff.), »Neugriechischer Alltag« (S. 167ff.) oder »Vom Umgang mit Neugriechen« (S. 175ff.). Dennoch finden sich einige typische Kästner-Elemente schon bei Peterich. Dies betrifft den täglichen Harzwein, den auch Peterich vermisst, wenn er nicht in Griechenland ist (S. 174). Auch die Frage, ob der langsam anwachsende wirtschaftliche Wohlstand glücklicher macht, wird fragend wie bei Kästner beantwortet: »Vielleicht nicht, denn mit den Mitteln wachsen auch die Ansprüche, und die machen selten glücklich.« (S. 199) Aber schon die Herausstellung der Einfachheit des griechischen Lebens bei Peterich ist nicht so streng anachoretisch (S. 201) wie bei Kästner. Dennoch ist auch bei Peterich davon die Rede; und die Einfachheit sei eine »heilige Einfachheit«. Onto-theologische Passagen gibt es bei Peterich, fundierter Kenner der Altertumsforschung (S. 60), durchaus (S. 37, S. 56f.). Auch Peterich kennt die wilde Landschaft des Dionysos (S. 261). Und auch bei ihm fehlt nicht das »himmliche Licht« (S. 58). Es ist die griechische Ruhe und Stille, nach denen sich der nördliche Europäer des Atomzeitalters sehnt (S. 201). Dennoch kommt Archäologie besser weg als es bei Kästner in dessen vernichtenden Urteilen der Fall ist. Zwar kann auch bei Peterich Wissenschaft den Glauben nicht ersetzen; aber über den Krach der Zikaden äußert er sich weniger romantisch als Kästner, auch Rom kommt im Vergleich zu Hellas besser weg als bei Kästner (S. 144ff.). * Ich imaginiere hier nun mit Blick auf Marie Luise Kaschnitz die Relation, wobei mir unklar bleibt, wie die Beziehung in Wirklichkeit aussah, nicht abstrakt,

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sondern persönlich. Man kannte sich, auch gerade über die Beziehung zu Peter Huchel.82 Das 1943er Vorwort zu »Griechische Mythen« (Kaschnitz 1979) erinnert sehr an die Mythendeutung von F. G. Jünger. Nun zum Konkreten. Die freundschaftliche Nähe von Kaschnitz und Adorno – in der Literatur über Adorno gut belegt 83 – überrascht nach der Lektüre nicht. Kaschnitz‹ »Wohin denn ich« (Kaschnitz 1984) sind Erinnerungsreflexionen, die das Bemühen zeigen, nach 1945 wieder einen weltoffenen Platz in der Welt zu finden. Dabei kommen die grauenhaften Erinnerungen aus der Nazi-Zeit immer wieder hoch, und dies in der Vorahnung eines neuen Weltkrieges, im Lichte der Atombombe. Kaschnitz steht so einer Zivilisationskritik der Jünger, von Nebel oder Kästner kaum nach. Auch die Konsum- und Tourismuskritik findet sich durchgängig, leise, aber deutlich. Interessant ist Kaschnitz‹ Psychodynamik des Reisens. Es wird langsam erlernt, verbleibt aber in Kaschnitz‹ Abendland; Überseereisen bleiben eher ein Albtraum. Heimat wurzelt für Kaschnitz im fremden, aber vertrauten Europa. Überall, im Norden wie im Süden, findet sie Landschaften als Seelenbilder ihrer Heimatsuche.84 Es ist hierzu passend, in die »Römische(n) Betrachtungen« mit dem Titel »Engelsbrücke« von 1955 reinzuschauen (Kaschnitz 1975). Ca. im zweiten Teil der Tagebuchaufzeichnungen findet sich, hoch verdichtet, eine Fülle psychodynamisch verstehbarer Bewegungen. Dort, wo von Panik erzählt wird (S. 110f.), findet der Mensch am Ende wieder zurück »in die liebevolle Wirklichkeit« (S. 111): ein »Mitgerissenwerden«. Haus- und Wohnungstür sind die symbolischen Tore zum »Eingelassenwerden« (S. 111). Die Wege dazu sind wieder frei. Geträumt wird vom »Davonsteigen durch die Baumwipfel« (S. 112), für das eine Flugreise keine Alternative sei. Im Kontext der Frage nach »Himmlische und irdische Liebe« lautet es dann: »Eine Überredung zur Liebe im antiken Sinne mag also doch gemeint sein, ein inneres Gesicht der eigenen Möglichkeiten, eine Begegnung mit der eigenen Zukunft, in der Starres sich lösen, Verschlossenes sich wunderbar auftun wird. Ein Augenblick in der Schwebe, in dem die Erfüllung, schon vorweggenommen, doch noch in das Reich der Träume gehört und die Erscheinungen der Außenwelt sich lautlos einfügen in die geheimnisvolle Harmonie.« (S.  117) Und dann fällt auch der Begriff der Ekstase (S. 119).

82 | Dies ist einer nur kurzen Bemerkung zu einem Treffen zwischen Kaschnitz, Huchel und Kästner bei Gersdorff (1997, S. 316) zu entnehmen, wobei Kästner nicht gut sympathisch dargestellt wird, da er das große Wort führte. Vgl. auch in Kästner 2004, S. 227. 83 | Müller-Doohm 2003, dort die Fundstellen im Register, insb. S. 615ff. Andere Biographien erwähnen nicht einmal Kaschnitz: vgl. etwa Scheible 1989 oder auch in Klein/ Kreuzer/Müller-Doohm 2011. 84 | Vgl. zur Bildsprache des Gartens: Wolting 2009.

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Diese trans-depressive Ekstase muss im Kontext der poetischen Reflexionen von Kaschnitz über das Elend menschlichen Daseins verstanden werden. Der der Kirche entfremdete Mensch ist von tiefer Unruhe (S. 120): ein existenzialer Befund. Fremdheit und Furcht sind Themen (S.  134f.). Hier fügen sich Texte wie »Begegnung mit Irren« (S. 142f.) oder »Heimweh nach der Gnade« (S. 143f.) ein. Kulturkritik wie »Cocktailparties« (S.  145f.) als Geschehen »flüchtige(r) Berührung« (S.  146; vgl. auch S.  123) erinnern an Analoges bei Kästner und Nebel. Kaschnitz spricht von »Liebes- und Opferunfähigkeit« (S. 146). In der »Massenform der Gesellung« verschwand das Brot; die Häppchen, vom Zahnstocher gehalten, ersetzen die Tiefe des Mahles durch die Oberfläche des Flüchtigen. Und dennoch wird die Ekstase geahnt. So darf eine Reflexion über Salvador Dali nicht fehlen (S. 150ff.). Und weitere phänomenologische Kategorien zur Beschreibung der kollektiven Befindlichkeit sind (S.  152ff.) Stille, Flucht, Ferne. Ähnlich wie Kästner reflektiert Kaschnitz die Heimkehrerproblematik (S. 159ff.). Wie bei Kästner, Nebel u.a. wird »Fortschritt« problematisiert (S.  165). Und wieder wird Psychodynamisches im Modus der Prosadichtung gefasst: Es geht um »Gepflegte Wildnis« (S. 172), um »Fesselung« (S. 173), »Urlandschaft« (S. 175), »die Macht des Gesanges« (S. 179) – alles dreht sich im Rhythmus von Diastole und Systole, von De-Territorialisierung und Re-Territorialisierung. Welche Rolle kommt der Kunst zu (S. 193)? Auch diese Frage wird aufgeworfen. Und dies angesichts der »Gläsernde(n) Welt« (S. 194). Der kulturkritische Befund ist bei Kaschnitz ähnlich dem bei Kästner und Nebel. Nur ist das Thema der Liebe und der Hoffnung bei Kaschnitz psychodynamisch dominanter. Kaschnitz widmet sich der »Würde der Armen« (S. 201f.), der Humanität und der Caritas (S. 203), der Freundschaft und dem Symposium (S. 212f.). Was ist ihr Fazit? Kaschnitz verdichtet alles auf das Bild von dem »schönen grausamen Tier Leben« und der »schönen grausamen Stadt« (S. 214). Und: »Ferien von der Zeit gibt es nicht mehr« (ebenda): »Es gibt keinen Urlaub von der Auseinandersetzung mit den Mächten des Zerstörerischen« – Kaschnitz hat (S.  147) vom Krieg der Wehrmacht und der SS erzählt (in einer Weise, die Kästner völlig abgeht; und: Es scheint in diesen Erzählungen differenziert Hoffnung auf: S. 148) – und daher kristallisiert sich die Aufgabe der »Zeichensprache des Gedichts« heraus (S. 215). * Was Kaschnitz von den Zivilisationskritikern der Jünger-Brüder, von Nebel und von Kästner unterscheidet, das ist die tiefe Hoffnung auf die Hoffnung, die ihr nicht verloren geht, trotz des ABC des Lebens, das ein Leiden ist. Trotz ihrer tiefen Transzendenzneigung sieht Kaschnitz Licht in der Immanenz. Dies ist auch der weitgehend werkimmanent bleibenden, aber die vorausgegangene Sekundärliteratur berücksichtigenden Dissertation von Huber-Sauter (2003) zu entnehmen. Wichtig ist es, dass nun Huber-Sauter die Theologisierung des Werkes entgegen der Studie von Suhr (1992) relativieren kann.

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* Weitere inter-textuelle Aspekte sind sicher gegeben. Auch der enge Freund von Kaschnitz, Dolf Sternberger85, unterhielt einen Briefverkehr mit Ernst Jünger86, dort u.a. auch auf Nebel verweisend. Aufschlussreich ist natürlich der von Fröschle und Neumann editierte und dabei kommentierte Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und Nebel, wobei Kästner zwar mehrfach, aber nicht bedeutsam angesprochen ist.87 Der Bezugskreis schließt sich also. Kästner stand auch mit Ernst Jünger in Kontakt.88 Jünger las auch Kästner.89 Einige Kontaktstrukturen überraschen und sind von mir nicht näher darlegbar, so zu Hans Jonas und T. Parsons.90 Andere Konstellationen finden wir analog zu Kästner, so eine nicht immer transparente Differenzierung in der Rezeption des französischen Existenzialismus. Sartre kommt auch bei Ernst Jünger nicht gut weg91; Saint-Exupéry bei Nebel schon eher92 . Einen – mehrjährigen – Bruch gab es auch zwischen Ernst Jünger und Nebel.93 * Außerordentlich aufschlussreich ist die Analyse von Pulver (1984a) zum Motiv des Tanzens und Springens im Werk von Kaschnitz. Manche Teile des Gesamtwerkes von Kaschnitz mögen an die eskapistische Kunstrollenauffassung bei Kästner erinnern, nämlich dort, wo angesichts der verwalteten Welt – die Nähe zu Adorno94 spürend – eine »Rettung durch die Phantasie« gedacht wird.

85 | Von Sternberger kenne ich nur einige speziellere Studien. Hier führe ich an: Sternberger 1977; 1981; 1985; 1986. Vgl. systematisch zu Sternberger auch Kinkela 2001. 86 | Sinn und Form 63 (4) (2011). 87 | Fröschle/Neumann 2003. Zu Kästner vgl. dort die Registerangaben. Kästner kommt dort bei Nebel 1966 schon nicht mehr gut weg, wenn er als altjüngferlichen Feuilletonisten bezeichnet wird (S. 426, S. 887). Hier liegt schon das Zerwürfnis zwischen Nebel und Kästner von 1950/51 zugrunde (S. 835; 1950 war Nebel noch großer Freund von Kästner: S. 368). 88 | Fröschle/Neumann 2003, S. 762. 89 | Fröschle/Neumann 2003, S. 331. 90 | Fröschle/Neumann 2003, S. 927. 91 | Fröschle/Neumann 2003, S. 269. 92 | Fröschle/Neumann 2003, S. 278. 93 | Fröschle/Neumann 2003, S. 933. 94 | Geklärt werden müsste auch das Verhältnis zum Freund Dolf Sternberger, einem Hauptvertreter des normativ-ontologischen Ansatzes der Politikwissenschaft in Deutschland. Dessen Bestimmung des Friedens als Kern jeder Politik dürfte für Kaschnitz ansprechend gewesen sein.

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Kaschnitz war m.E. für Kästner wie für Nebel viel zu weltaufgeschlossen, um in den Kreis der konservativen Revolution aufgenommen zu werden. Aufschlussreich ist hierbei die Studie von Hahn (2001). Die Formel von der Rettung durch Phantasie (dort S.  55) sei dennoch nicht eskapistisch gemeint, also anders als bei Kästner. Als Bekenntnis zu Poesie drückt es eine transzendentale Freiheit trotz des Zeitalters der Technisierung aus (S.  67), womit Kaschnitz nahe an ihrem Freund Adorno positioniert ist, also an der Phantasie der Utopie (S.  66). Hier ist die Idee der Verwandlung nicht konservativ gedacht, sondern kritisch. Und Kaschnitz sah diese Chance auf Freiheit durch Poesie keinesfalls elitär (S. 74), so wie Kästner die große Ausnahme vom kollektiven Wahn nur für wenige auserwählte Freunde möglich sah. Auch Kaschnitz war von Bi-Polaritäten bedrängt. So steht das Bedrohungserleben im Kontrast zur Wunscherfüllung der Bedürfnisse; aber Imagination bleibt möglich (S. 55). Die Welt (S. 60) bleibt eingebunden in das Spannungsfeld zwischen Gewalt/Zerstörung und der Macht der Rettung. Empathie ermöglicht bei Kaschnitz eine Offenheit zur Welt, während photographische Distanz entfremdet. Hier sei ein sensibles Gleichgewicht zu schaffen (S.  53). Dies ist nicht Kästners Monade zur Welt, aus der ansonsten verschlossenen Innerlichkeit des Eskapisten heraus. Kaschnitz hat, folgen wir hier Hahn (2001, S.  29), die eskapistische Position abgelehnt. Daher dürfte sie für Kästner als gleichgesinnte Dialogpartnerin ausgefallen sein. Die relative Weltoffenheit bei Kaschnitz (S. 53) drückt eine reife Psychodynamik aus, die Kästner eher fremd bleibt: Kaschnitz sah die Ambivalenzen der Welt, nahm sie aber an und verarbeitete sie. Mit Flucht hat dies nichts zu tun. Diese charakterliche Haltung wird in der Literatur bestätigt.95 Bei Kästner fällt nicht nur die Neigung auf, bei herausragenden konservativen Persönlichkeiten im Modus persönlicher Freundschaftssuche anzuknüpfen und (wie bei Altenbourg, Huchel oder Nebel96 und wie im Fall des weiter oben kurz angesprochenen Albrecht Farbi, der ebenfalls eine Außenseiter-Rolle spielte) den Sozialtypus des inneren Emigranten zu favorisieren. Dies mag eine Lösung der nie ausdiskutierten eigenen Verfangenheit zu sein, Martin Heidegger ähnlich. Hier passt es, dass Kaschnitz von dieser inneren Emigrantenidee nichts hielt, auch hier Adorno nahe. Die Radikalität der Weltablehnung sollte nun wohl diese von einem Mangel geprägte Haltung der inneren Emigration kompensieren. Daher die überspitzte Bi-Polarität bei Nebel97, die er analog zur Differenz von Ontologischem und Ontischem bei Heidegger hielt. *

95 | Vgl. etwa Pulver 1984, S. 148ff. 96 | Fröschle/Neumann 2003, S. 929. 97 | Vgl. bei Fröschle/Neumann 2003, S. 930ff.

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Die Frage nach der distanzierten Ausblendung möglicher Dialoge, wie sie sich für Kästner im Fall von Kaschnitz abzeichnet, kann durch eine Reflexion über die Ausklammerung von Rainer Maria Rilke nochmals erhellt werden. Ich habe in einigen Passagen ja schon Stellung genommen zu Rilke und zu der diesbezüglichen Interpretation von Guardini. Dabei habe ich mit Heraushebung gewisser Ähnlichkeiten in der politischen Weltoffenheit zwischen Guardini und Tillich betonen können, dass sich diese theologischen Positionen doch sehr weitreichend der Welt hin mit Gestaltungswillen zuwenden, sicherlich Tillich (vor allem politisch denkend) dann doch noch stärker als Guardini (insbesondere pädagogisch wirkend). Analysiert man Rilkes Stellung zur Religion, so wird ja nicht nur die radikale Ablehnung der Form der Kirche deutlich. Rilke erkämpft sich im Verlauf seines Lebens eine auf die Immanenz der Welt bezogene Auffassung vom Göttlichen98, das sich in eben dieser Welt ausbreitet im Modus der nicht instrumentalisierten Liebe. Rilke geht es demnach ontologisch um das göttlich anmutende Gelingen der Daseinsqualität des Menschen, der liebende Gestalt annimmt. Das war schon Guardini letztendlich nicht genug. Für Kästners eskapistischer Konservatismus ist eine solche positive Hinwendung zur Welt nur im eigenen Gesinnungskreis angesiedelt. Mit seiner Ding-Metaphysik und seiner Verflüssigung der Welt im Modus der Musik konvergieren Rilke und der noch griechenlandsehnsüchtige Kästner in seiner natur-onto-theologischen Phase, die er später als romantische Sünde verwarf. In seiner Seinswerdung des Göttlichen in allen Dingen zieht Rilke die Bilder in die Dichtung ein; auch dies konvergiert zu Kästners Auffassung. Aber die Differenzen zwischen Rilke und Kästner sind zu groß. Rilke entfaltete eine Ontologie der Liebe, die sich nicht – so auch Gadamer (1999, S. 271ff.), auch entgegen Guardini – theologisieren lässt, schon gar nicht im Kontext einer konservativen Revolution. Mögliche Berührungen zwischen Kästner und Rilke finden sich auch in Rilkes Abhandlung über Rodin (Rilke 1984), z.B. dort, wo Rilke auf Rodins Lichtmetaphysik anspielt (Rilke 1984, S. 82ff.). Rilke findet bei Rodin eine Metaphysik der Bewegung, wie sie an Guardinis psychodynamische theologische Anthropologie erinnert (Guardini 1998a). Es geht um ein »Hinausschauen und Mitallemsein und Verstehen« (Rilke 1984, S. 97). Das Innere als Formen »fliesst« (S. 103). Und so wird die Obdachlosigkeit (S. 105) überwindbar. Das Innere kommt durch die Oberfläche hindurch. So entfaltet sich eine gnadenhafte Ding-Metaphysik bei Rilke. Doch diese liebende, ja hoffende Hinwendung zur Immanenz ist für Kästner – wie überhaupt für die anti-bürgerliche Haltung und angesichts des Zivilisationsekels der konservativen Revolution99 – undenkbar. Damit werden Rilke wie auch Kaschnitz zu Outsidern eines möglichen Freundeskreises der Gleichgesinnten. 98 | Dazu auch Schiwy 2006, obwohl man ihm nicht in allen Auslegungen hermeneutisch folgen kann. 99 | Ferner Meuter/Otten 1999.

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* Diese Haltung steht nicht im Widerspruch zu Kästners Teilnahme am höheren Kulturgeschehen. Psychodynamisch gesehen bleibt auch in der idiosynkratischen Subjektivität des eskapistischen Konservativen100 ein tiefes Bedürfnis nach sozialer Bedeutung/Geltung und sozialer Anerkennung verborgen wirksam. In der generösen Lobung der hermetischen Lyrik und der abstrakt-surrealen Kunst kommt Kästner im Lichte seiner großen, dominanten Gleichgesinnten (Ernst Jünger, Martin Heidegger) selbst in die Rolle des geistigen Mäzens. Uwe Johnson: diesem Jungen musste geholfen werden. Das sich diese lobende Haltung oftmals paart mit demutsvoller Huldigung der großen abstrakt-surrealen Malerei der späten Moderne ist psychodynamisch kein Widerspruch. Es ist Ausdruck unbewusster Kämpfe zwischen Anerkennung, Teilnahme und Abgrenzung, ja Selbstausgrenzung, zwischen Selbstgeltung und Unsicherheit des eigenen Selbstbildes. Die auf Huldigung angelegte Hinwendung von Kästner – er konnte bewundern – zu den herausragenden Vertretern des Konservatismus und zu Heidegger wirft also demnach eine eigentümliche Psychodynamik auf. Sie löst im Verlauf der Zeit vertikal Konkurrenzeffekte zwischen Lehrer und Schüler und auch horizontal zwischen den Schülern (z.B. zwischen Mohler101 und Nebel102) auf.103 Insofern sind auch die vielen inter-personalen Zerwürfnisse nicht mehr so überraschend.104 Im Kreis der konservativen Revolution gab es eine ausgeprägte Sehnsucht nach Autorität. Doch die Suche nach derart subordinierter Nähe schlägt angesichts der Sehnsucht nach dem eigenen Selbstwertgefühl in Kritik um. Auch aus dem ganzen George-Kreis sind solche Dynamiken bekannt. Es handelt sich dort um einen charismatisch inszenierten habituellen Raum, zentriert um einen sakral-auratischen Dichterfürsten. Epochal – insgesamt die Krise der Moderne – trieb vieles dorthin: Die Niederlage des 1. Weltkrieges, die psychodynamisch durch die Idee der eigenen geistigen Überlegenheit bewältigt wird; die Idee des Heldentums, die maskuline philia, erfahrene Einsamkeit, der Ekel vor der Welt im Modus der Bi-Polarität von Elite und Masse; die Sehnsucht nach bergender Nähe. 100 | Vgl. zum Doppelcharakter der hier betrachteten Akteure als Solitäre und Netzwerker: Schütz/Hogendahl 2009. 101 | Einige Hinweise finden sich auch bei Lehnert 2016 (Briefe von Mohler an Ernst Jünger). 102 | Fröschle/Neumann 2003, S. 934. 103 | Von 1949 bis 1953 war Mohler Privatsekretär von Ernst Jünger. Als Jünger seine frühen Schriften modifizierte und nationalrevolutionäre Radikalität abbaute, kam es zum Zerwürfnis zwischen Mohler und Jünger. Ein Briefverkehr gab es auch zwischen Mohler und Kästner. Vgl. auch in Mohler 2001, S. 174, FN 22 im dortigen Nachwort von Tobias Wimbauer. 104 | Fröschle/Neumann 2003, S. 936, auch S. 944.

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* Diese psychodynamische Diagnostik trifft auch voll auf Kästner zu. So bildet sich im konservativen inter-textuellen Spinngewebe zunächst ein Zentrum-Peripherie-Muster heraus, dem bald aber Brüche folgen. Der ehemalige Schüler des Meisters neigt dazu, selbst Lehrer von jungen Schülern zu werden: So der Habitus von Kästner gegenüber den jungen Literaten. Aus der Sehnsucht nach Autorität, zu der man aufschauen kann, folgt Konkurrenz und Zerrüttung und die freischwimmende Lösung aus der eintauchenden Bindung an den Orientierungsfiguren. Insofern gehen hier Gruppendynamik und Psychodynamik parallel. Die eigene Position gelingt aber nur im Modus eines undialektischen Dualismus, zu der die ontologische Differenz getrieben wird. Die innere Emigration des eskapistischen elitären Konservatismus gegen die verwesende Masse ist eine solche mangelnde Lösung in der auch im inter-textuellen Gruppengeschehen sich ausdrückenden Psychodynamik einer unausgereiften Loslösung vom Autoritätsbedürfnis. In der völligen Distanz zur Welt verliert sich der sich selbst suchende Mensch im Nichts des Eskapismus, der nur mitunter gönnerhaft in der Kunstszene seine monadologische Position aufgibt. Schreiben wird egologisch eine Manier der isolierten Seele, die nicht mehr humanistisch der Welt zugewandt ist. Das Thema der Liebe, der Gabe und der Gastfreundschaft verflüchtigt sich bei Kästner zur mystischen Offenbarungstheologie, aber im höchst individuellen Stil, so dass ihm Nebels akademische Theologie zu weit geht. Dem meditierenden Innenleben bei Kästner korrespondiert so struktural der Rückzug ins Kloster als bebaute Wüste. Psychodynamisch gesehen zeichnet sich eine neurotisierte Sehnsucht nach einer von der profanen, schmutzigen Welt unbefleckten Reinheit ab. Verdrängt der Konservatismus hier seine eigene fehlende radikale Kritik an dem Schmutz des 20. Jahrhunderts105, auch wenn Nebel, die Jünger, auch Carl Schmitt106 u.v.a. dem braunen Stiefelgetrampel mit Ekel abwendend begegneten? Mit Ekel, weil es den geistigen Eliten zu primitiv war. Ist das eine hinreichende Basis für Kritik?

XVII. L iebende W eltoffenheit : D istanz zu R omano G uardini Nun will ich über die Nähe und Differenz zwischen Kästner und Guardini reflektieren. Kästner kannte die Kulturkritik von Guardini. Die Antwort zu der Frage nach der Distanzbildung in der Haltung von Kästner gegenüber Guardini erklärt sich aus der Sonderstellung der Kulturkritik von Romano Guardini, die sich dem Umkreis der konservativen Revolution kaum zurechnen lässt. Vielmehr ist sie zentral für die Wende in der katholischen konservativen anti-modernen und anti105 | Dazu auch Luckner 2008, S. 66. 106 | Differenziert: Noack 1993.

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kapitalistischen Kulturkritik, in der die Technikkritik, die die Kritik einbettet in eine achtsame Öffnung zum sozialen Wandel und vermittelnd aus der Gegenwartsanalyse heraus einen personalistischen Weg in die Zukunft sucht (Guardini 1982).107 * Ich beginne aber mit kurzen Bemerkungen zu Spengler. Denn auch hier zeichnet sich eher Distanz als Nähe ab. Daher ist die Distanzbildung nicht zufälliger Art: Vielmehr nimmt die konservative Revolution als eigenständige Strömung eine Sonderstellung im konservativen Feld ein. Zunächst sei jedoch auf eine Gemeinsamkeit verwiesen. Im Lichte der Abneigung gegenüber einer linear verstandenen Idee des Fortschritts haben die hier inter-textuell zu verhandelnden Autoren die Idee der zyklischen Zeit – in der Figur der ewigen Wiederkehr, kulturmorphologisch-komparativ dargelegt in seinem monumentalen Werk »Der Untergang des Abendlandes« (Spengler 1980) – sicherlich von Nietzsche, aber sicherlich auch über Oswald Spengler vermittelt bekommen. Dies gilt insbesondere für F. G. Jünger und für G. Nebel. Auch108 die Technikkritik von Spengler mag sich wiederfinden bei den Jünger-Brüdern, auch bei Nebel und letztendlich bei Kästner. Die Kritik der Massengesellschaft und der Demokratie109 ist allen Autoren eigen. Dennoch gibt es Differenzen110. Spengler war nicht christlich orientiert, also ganz anders als es bei Nebel und bei Kästner der Fall war. Bei F. G. Jünger findet sich die christliche Haltung ohnehin kaum ausgeprägt; bei E. Jünger bleibt dieses Thema ambivalent. Und die Idee eines Preußischen Sozialismus als »Dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Staatssozialismus war den Eskapisten sicherlich viel zu wirklichkeitsbezogen: Als könne man die Wirklichkeit gesellschaftsgestalterisch wirklich verbessern. Dieser Eskapismus setzt eben Grenzen in der Inter-Textualität. Auch konservative Theorien wie die von Arnold Gehlen bis hin zu Hans Blumenberg bleiben der Realität verpflichtet. Hinsichtlich der evolutionär notwendigen institutionellen Ordnungsbildung bei Gehlen111 (als Überwindung des Absolutismus der Wirklichkeit bei Blumenberg) bleibt Technik immer auch ein Phänomen, dass die Objektivationen in Entfremdungserleben (wie als Kehre bei Heidegger) umkippen lässt. Technik zieht eine instrumentelle Herrschaft (etwa der Sachzwänge) nach 107 | Dazu Günther 2015, S. 411ff. vor dem Hintergrund von 393ff. angesichts von »Vermassung und Entwurzelung« (S. 124ff.). 108 | Die Stadtkritik wird bei Guelf 2009 behandelt, wobei Spengler, wie so oft, zu vorschnell wieder im Kontext der Faschismusvorbereitung verortet wird. Differenziert zu Spengler: Naeher 1984. 109 | Umfassend dargelegt in Munk 2011. 110 | Orientierend hierzu Maaß 2013. 111 | Thies 2007.

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sich. Die verschiedensten Theorierichtungen drehen sich sozialphilosophisch und soziologisch, letztlich auch massensozialpsychologisch112 um die Probleme der Verdinglichung und Veräußerlichung. Aber es kommt in der Traditionslinie einer philosophischen Anthropologie auf (kulturerschaffenden) biologischen Grundlagen – die Theorietraditionszusammenhänge sind ja alle breit erschlossen und fachlich bekannt – nicht zu einem elitären Eskapismus. Um das (Ein-)Wohnen (in die Umwelt hinein, die als dingliche Es-Welt und soziale Mit-Welt konstituiert und angeeignet wird) zentriert, geht es um ontologische Fragen der – architektonisch-siedlungsstrukturellen, politischen, sozialen, religiös-kulturellen, rechtlichen, wirtschaftlichen, moralischen, inter-generationellen, geschlechtlichen, ästhetischen etc. – Bauordnungen des sozialen Lebens113. * Dennoch steht die Kulturkritik von Spengler dem Ideenfeld der konservativen Revolution – und somit auch Kästner – näher als etwa die Kulturkritik von Guardini.114 Erneut zeigt sich die Differenz zwischen Guardini und Kästner als Differenz zwischen weltzugewandter Kritik115 und weltabgewandtem Ekel. Romano Guardini (Schulz-Nieswandt 2015), der im Verlauf der Arbeit immer wieder angeführt wurde und noch wird, kommt eine Sonderstellung in der Kulturkritik zu116. Er ist nicht der konservativen Revolution zuzurechnen. Ekel mag, psychodynamisch gesehen, zu einer Antriebskraft der konstruktiven – gestaltgebenden – Kritik werden. Aber dies kann nicht mehr wirksam werden, wenn der Affekt des Ekels sich neurotisch verselbständigt und – wohl wie bei Ernst Jünger – zu borderlinem Zynismus elitärer Dekadenzdiagnostik wird, die sich selbst als dekadent entpuppt, wenn man bedenkt, wieviel De-Personalisierung in dieser Haltung des Nicht-mehr-an-der-Welt-partizipieren-Wollens steckt. Wo bleibt hier die Liebe als Liebe zur Welt, zum Allzusammenhang als Seinsgrund der menschlichen Person und damit immer auch die Selbstliebe? Knoll (1994) hat die anthropologische Wende auch im personalistisch fundierten und auf Begegnung abstellenden Werk von Guardini117, der zugleich eine 112 | Auch dazu in Munk 2011, S. 59ff. 113 | Dazu auch u.a. in Schulz-Nieswandt 2012; 2013. 114 | Dazu auch in Gagel 2005. 115 | Dazu auch Guardini 1957. 116 | Dazu instruktiv: Schlette 1984. 117 | Hier dürfte die Beziehung zu Max Scheler (Mader 1980), ohne auf ihn hier nun näher eingehen zu wollen, bedeutsam sein. Dazu u.a. Park 2010, S. 59ff. Zum Verhältnis SchelerGuardini vgl. die Arbeit von Reger 1999. In diesem Lichte wird wiederum die Nähe, aber auch die Distanz zum Supranaturalismus von Karl Barth (S. 121f., S. 163) verständlicher (Reger 1999, S. 151): »Guardini leitet diese existenziell notwendige Wirklichkeit der Reli-

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gewisse Tiefe in seiner psychologischen118 Analytik, die auch Knoll als eigentlich bipolar-struktural darlegt119, entwickelte, herausstellen können. Das sichert eine Theologie der Kultur, eine bleibende und bejahende Hinwendung zum geschichtlichen Dasein des Menschen. Guardini ist in seiner Kulturkritik der Moderne (der Neuzeit überhaupt), somit in seinem Blick auf die personale Daseinsnot des zerrissenen Menschen, nie eskapistisch. Reine Innerlichkeit genügte ihm nie; »Achsenpunkt« personaler Daseinsführung war bei ihm immer das DU120. Guardini hat dies in seiner kleinen Schrift »Die Annahme seiner selbst« (Guardini 1960) sehr anschaulich entfaltet. Die weltoffene Personalität und die Betonung der Dialogizität als personalistisches121 Strukturprinzip der menschlichen Existenz sicherten Guardini eine größere Daseinsoffenheit seiner Theologie als es bei Barth der Fall sein konnte. Auch Tillich schrieb: »der Akt des Glaubens bedarf wie jede geistige Äußerung des Menschen der Sprache und daher auch der Gemeinschaft.« (Tillich 1961, S. 34) Und so auch bei Guardini: Gott offenbart sich durch das Sein der Welt hindurch; deshalb bleibt eben dieses Sein bedeutsam für das Gelingen der Personalität. Guardini kennt, wie Knoll betonen kann, nicht nur die »Weltjenseitigkeit«, sondern eben auch die »Weltbezogenheit«. Man schaue sich einmal die Abhandgion, ganz phänomenologisch, aus dem ›Erlebnisstrom‹ der Welt ab.« Und (S. 163): »Guardini sucht mit seinem Offenbarungsbegriff eine Vermittlung zwischen dem Relativismus und Supranaturalismus seiner Zeit.« Sosehr Gott unverfügbar ist; er ist konkret in der geschöpflichen Ordnung (S. 168). So lebensweltlich versteht Guardini die Daseinswahrheit der Analogia entis (S. 172): »Guardini ist zu sehr phänomenologisch geprägt, um der Faszination einer Spurensuche der göttlichen Wirklichkeit in der geschaffenenen Ordnung nicht zu erliegen.« Erliegen? Positiv: diesen Zugang zur erlebbaren Wahrheitsqualität des Seinszusammenhang zu finden! Dies korrigiert Barths Supranaturalismus (S. 173). Wie Otto und der frühe Kästner entdeckt Guardini eine theonome Natur (S. 221; dazu auch Wechsler 1973, S. 68: »Gott-Natur«). Insgesamt gibt es m.E. daher eine Nähe zur Korrelationsidee bei Tillich und zu dessen theonomer Kulturtheorie. 118 | Zur Psychologie hatte er eine sehr reflektierte Haltung im Vergleich zu Kästner: vgl. auch Guardini 1958, S. 9f.; vgl. auch Guardini 1946a, S. 56f. Ferner Guardini 1989, S. 85ff. (zu Freud). 119 | Oskar Weininger mit seiner Schrift »Geschlecht und Charakter« von 1903 (Weininger 1907) scheint hier eine Bezugsquelle dieses Denkens zu sein. Guardini entnahm hier wohl ein gewisses Denken in strukturaler Bi-Polarität. Es mag wiederum nicht überraschen, dass das – heftig umstrittene – Werk des im Suizid sterbenden Weininger positiv bei Spengler und bei F. G. Jünger aufgenommen worden ist. Der Fall Weininger wurde mitunter posthum psychiatrisch diagnostiziert; zum Teil wurde er als exemplarisch für das dämonische Zeitalter der pathologisch endenden klassischen Moderne eingeschätzt. Vgl. u.a. Le Rider/ Leser 1984; Hirsch 1997. 120 | Dazu auch Mahr 1976, S. 47 121 | Vgl. auch Börsig-Hover 1987.

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lung »Mensch und Mitmensch« von Barth (1967), als Teil seiner kirchlichen Dogmatik, an. Die Abhandlung, Duktus und Stil können kaum stärker verschieden sein zur flüssigen, offenen, gewinnenden, um Verständnis der Menschen suchenden, einfühlenden und nachvollziehenden Prosa der hermeneutischen Phänomenologie von Romano Guardini. Barth beginnt apodiktisch mit dem Satz: Anthropologie folgt aus Christologie, die den Anfang ausmacht. Die Ausführungen zum dialogischen »Ich bin« – an keiner Stelle so tiefschürfend wie die Dialogphilosophien und Personalismen, die den Diskurs im 20. Jahrhundert anführten – werden in diesem vorgängigen christologischen Kontext entfaltet. Barths Deduktionen sind eben kirchliche Dogmatik. Guardini findet dagegen den Weg zu seinem Gott über eine meisterliche Phänomenologie. Seine Abhandlung »Die Lebensalter« (Guardini 1965) ist eine ebenso dichte wie lebensweltlich gehaltvoll verankerte, anthropologisch integrative Psychologie der Entwicklung der Person in der Lebensspanne. Erst von dort her erschließt Guardini sein letztendlich theologisches Thema des christlichen Glaubens. Bevor – pneumatisch konzipiert – sich Gott von oben zum Inneren des Menschen hin offenbart, entwickelt Guardini die großen personalen Daseinsthemen von unten als dynamische Prozesse des Werdens und Wachsens hin zur GestaltBildung. Dort geht es um das Werden des Menschen, sodann – man blicke in »Von heiligen Zeichen« (Guardini 1922)122 – das Schreiten, das Steigen, um Übergänge. Die strukturalen Codes sind aufschlüsselnd. Es geht um Brot und Wein, und daher – tiefer – um das Apollinische und das Dionysische. Das Verhältnis von Tag zu Nacht ist das von Lichthelle und Dunkelheit, also von Geburt/Leben und Tod. * Damit gab Guardini eine konstruktive Antwort auf die metaphysische Heimatlosigkeit, von der Mahr (1976, S. 20, S. 61) im Kontext der Moderne in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als Aufkommen eines Zeitalters der Angst (Mahr 1976 [S. 85] in Anlehnung an W. H. Audens »The Age of Anxiety« von 1947) spricht. Kästners Thema der Bilder und der Bildsprache findet sich auch bei Guardini, immer aber geknüpft an Fragen der Bildung der Person und somit im Rahmen seiner personalen Pädagogik. An Guardinis Bedeutung innerhalb der Jugendbewegung123 ist zu erinnern. Dieses Wollen um die Gestalt-Werdung des Menschen als Person kennzeichnet den tiefen Humanismus von Guardini. Guardini hatte sich durchaus mit Mystik beschäftigt; aber er verflüchtigte sich nicht dorthin. Er war als Theologe immer auch Anthropologe des Konkreten, damit der faktischen Daseinsbemühungen der Menschen im Lichte der Hoffnung. Was ihn – entgegen den Gegnern einer anthropologischen Wende in der evangelischen 122 | Oder auch in Guardinis (1948a) »In Spiegel und Gleichnis. Bilder und Gedanken«. 123 | Vgl. in Stambolis 2015, S. 268f.

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wie katholischen Theologie – mit Tillich verband, das war bei beiden die Selbstannahme124 (Selbstakzeptanz) des Menschen. Erst von dieser personalen Wertigkeit aus entwickelt sich das Reden von Gott. De-personalisierende Vermassung im technischen Zeitalter der Moderne als Stufe der Neuzeit war bei ihm – auch in der Rezeption von Kafka – ein zentrales Thema; aber er war Theologe der Weltoffenheit angesichts und trotz der Entfremdung, der Daseinsnot der Realfiktionen der Figuren bei Dostojewski. Auch Guardini überschreitet das Weltbild des griechischen Götterapparates im Lichte des christlichen Glaubens. Aber er schafft es authentisch, die antike Religionsphilosophie als eine erste Form anthropologischer Selbstreflexion im Mythos zu schätzen125 und sieht die Rolle des wahren Christentums auch nicht in der arroganten Negation, sondern in einer aufhebend-bewahrenden und erst in diesem Modus auch überschreitenden Kritik. Ich will dies explizieren an der schönen Textzusammenstellung »Italienische Reisen. Meditationen zu Landschaften« (Guardini 2000). Die Textzusammenstellung ist in gewisser Weise sehr geschickt gemacht; es werden einerseits Reiseerlebnisse von onto-theologischer Prägnanz zusammen gestellt, andererseits Teile der »Briefe vom Comer See«, in denen – in die Landschaftserlebnisse eingebaut – eine Kulturkritik der maschinellen Technikwelt entfaltet wird. Hier möchte ich nicht nochmals auf diese Technik- und Neuzeitkritik eingehen (dazu in Schulz-Nieswandt 2015). Die »Sorge um den Menschen« (Guardini 1967) bietet einen guten Zugang zu Guardinis Kulturkritik. Sie ist radikal, bleibt aber offen für Pfade der Gestalt-Werdung und der Überwindung der Daseinsverfehlungen zugunsten des Seins-Gelingens. In seiner »Grundlegung der Bildungslehre« hat Guardini (1928) die Grenzen der antiken (griechischen) humanistischen Anthropologie im Lichte der christlichen Lehre angesprochen. Griechisch sei der »Titanismus der Endlichkeit« (S. 38). Die antike Erziehung (S. 35ff.) betone die Bewährung angesichts der Endlichkeit und generiere die »Hybris des Halbgotts« (S. 37). Dies wäre eine Selbstzentrierung der Pädagogik (S. 41) und daher nur Immanenzpädagogik (S. 43). Bis dahin jedoch kann Guardini in aufhebender Wertschätzung die Landschaftsfrömmigkeit der antik-griechischen Religiosität als faszinierend einschätzen. Denn bis dahin geht das Denken den gleichen Weg wie das Christentum. Bildung wird als Form-Werdung der Person (S. 32) verstanden. Es ist eine »Hingabe-Bewegung« (S.  13) im Austausch mit der Erfahrung der Welt (S.  12, S.  28). Im christlichen Glauben wird sodann jedoch eine tiefe innere Haltung aufgebaut, die die Selbigkeit des Selbst (S. 12) nicht auslöscht (S. 23, S. 44). Dieses tiefe empfangene Innere des personalen Ich (S. 18, S. 33) überwindet die Angst (S. 19). Das Selbst ist daher Bewegung (S. 11), nicht ein Haben, eben ein Werden des Selbst (S. 8). Das Selbst ist ein Gegenpol zur Welt (S.  6), aber beide Pole kommen zur Begegnung; das Selbst wird zum Selbst im Empfangen der Gnade (S. 11), wird somit angesichts 124 | Guardini 1960. 125 | Hinweise dazu auch in Kuhn 1987, u.a. S. 49.

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und durch das Du (S. 22, S. 44) aus Liebe heraus zum Menschen (S. 21). Damit dient es wiederum dem Ganzen (S. 42). Aus der Bi-Polarität wird so ein Gleichgewicht (S. 46f.). Die Bewegung lässt das Selbst wachsen, dient dem Du, empfängt sodann vom Du die Liebe (Gott) und wird zum Menschen. In solche Arbeiten von Guardini blicke man lesend rein und entdeckt die Differenz zu Kästner. Die Mythen dieses Scheiterns (Ikarus126) und der Gefährdungen der menschlichen Kultur (durch Prometheus als Prinzip) – auch mit Bezug auf Gen 1,26 – werden hier thematisch. Viele kulturkritische Topoi bei Kästner lassen sich auch hier finden. Sie werden aber anders angeordnet und sortiert – die Diskursordnung127 ist demnach ganz anders – und fügen sich in ein anderes Bild vom Menschen in seiner Welt. Bei aller Kritik bleibt Guardini der Welt zuneigend. Es geht um deren Gestaltung, was eine Bändigung der Fehlentwicklungen bedeutet. Dies macht die Differenz aus zu Haltungen von Nebel oder Kästner. Diese wenden sich ab. Aus Guardinis Sorge um den Menschen resultiert die Gesinnung, dem Dasein zu dienen. Auch in diesen Studien entfaltet Guardini seine Sicht der Dinge immer wieder in einer psychodynamischen Art und Weise, die beeindruckt. Sie lässt dergestalt Gleichgewichtspfade erkennbar werden. Der Mensch muss sich in seiner Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit in Freiheit auf die Reise machen. Ohne Weltoffenheit des Reisens und der Weltzugewandtheit des Gestalt-Werden-Wollens geht es nicht. * Auch Walter Dirks konnte in einem kurzen Nachwort zu einer Textedition der »Briefe vom Comer See« in Zusammenstellung mit dem Beitrag »Die Maschine und der Mensch« unter dem Buchtitel »Die Technik und der Mensch« (Guardini 1990; dort S. 113) Guardini als Vordenker der ökologischen Kritik definieren: Was für Kästner konstatiert wird, ist bei Guardini in breiter Weise fundiert zu finden. Aber dies soll hier nicht weiter interessieren. Es geht nun vielmehr um Guardinis theologische Verarbeitung von Landschaftserlebnissen. * In seinen Italienreisen erlebt Guardini Griechenland (Guardini 2000, S. 16, auch S. 54, S. 64) und damit eine Landschafts-Lichtmetaphysik, die an die onto-theologische Landschafts-Seinsreligiosität von Walter F. Otto (Schulz-Nieswandt 2014a) erinnert bzw. an deren Qualität heranreicht. Damit eskamotiert Guardini diese seine ontologisch tiefen Erfahrungseinsichten nicht einfach als romantische Jugendsünde, wie es Kästner als Haltung der christlichen Reifung durch bereini126 | Vgl. auch Bernhart 1931, S. 132ff. 127 | Also die Anordnung der Aspekte, die Selektion der Relevanzen und die Hierarchisierung der Diskurse.

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gende Negativität expliziert. Aber lassen wir den Text selber sprechen. Es wird deutlich, wie souverän Guardini die geistige Leistung der antiken griechischen Religion bewahrt. Die ganze Reiseberichterstattung ist eine Ausdrucksleistung erlebter Lichtmetaphysik (Guardini 2000, S. 10, S. 21, S. 54). Die Landschaft ist für den zur Gestaltwahrheit suchend sich bewegenden Menschen nicht ein krudes Da-Draußen: Es ist die Sphäre der wahren Wirklichkeit selbst (S. 22ff.): »Vielleicht muß man in den Süden gehen, um das zu verstehen. Man muß das Licht des Südens und die Gegenwärtigkeit seiner Gestalten sehen, um zu spüren, wie sich da Übermenschliches in menschlich umrissener Bildung ausdrückt, und um zu denken, daß ein Weg hinaufführen könnte.« (S.  48) Natürlich: Das reicht Guardini nicht: Alles wird nochmals übertrumpft im Modus des christlichen Pneuma (S. 49). Aber es kommt, ich deutete dies schon an, nicht einfach zur negierenden Abwertung der heidnischen Religion. Hier schreibt kein katholischer Barthianer. Dazu steckt in der griechischen Weisheit zu viel Wahrheit, die dort Gestaltqualität annimmt: »man tut dem Christentum keinen Dienst, wenn man diese Dinge nur als Torheit oder Überhebung wegwirft!« (S.  50) Den Heroen muss eine gewisse Gestaltwahrheit zugebilligt werden. Oder: Guardini poetisiert seine Landschaftserfahrung und schreibt: »Überall webt die Sage. Der Mythos ist nicht fern. Man fühlt sein Walten.« (S. 54) Hymnisch – Hölderlin verstehend – »Homerisches Land!« (S.  57): Strahlende Weite, schimmernde Küsten, zaubervolle Berge. Homerisch: »Überall fühlt man sich bereit, dem Heroen zu begegnen oder Nymphen ihren Reigen schlingen zu sehen. Und manchmal kommt wohl ein Augenblick, da man auf ›die Götter‹ wartet.« (S. 58)128 So fühlt der Mensch »freies Dasein« (S. 58). Durch die Dinge – etwa den »Oliven mit ihrem zarten Silbergrün« (S. 60) – hindurch (S. 61) kommt alles in Bewegung, zu »Suche und Schicksal« (S. 61). »Alles war voll vom Laut der Zikaden.« (S. 62) Imaginiert wird so, wie »Satyrn laufen und Heroen ihres Weges gehen« (S. 62). »Da verstand ich die Palme und ihre heilige Schönheit.« (S. 63) Oder: »man ahnt, was in Wahrheit ›Welt‹ heißt.« (S.  64): »ein Ungeheures an Dasein, an Werk, an Erlebnis, an Möglichkeit der Größe.« (S. 64) Und dann kommt zum Ausdruck, in welcher Weise es Guardini gelingt, in großer Souveränität mit den Fehlentwicklungen des Christentums umzugehen: »Wie klein hat eine gewisse Art des christlichen Denkens diese Welt gemacht, sie geschwächt und erniedrigt, um ihr nicht zu erliegen! Aber ist damit, daß die Überwindung erleichtert wurde, nicht auch der Sieg arm und das christliche Dasein klein geworden?« (S. 64f.) Es geht Guardini m.E. um das Bewahren der LichtMetaphysik der silbernen Oliven und des strahlendes Meeres (S. 65). Im Grunde ist dies eine Variante der Auslegung des paulinischen Römerbriefes: Die Erlösung ist bereits geschehen; es geht darum, sie zu leben, hier und jetzt. 128 | Zum Reigen vgl. Tölle 1964; Weege 1976.

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Bleibt Walter F. Otto hier in tiefer Überzeugung pagan-heidnisch und antichristlich, womit die letztendlich doch tiefe und unüberbrückbare Differenz zu Guardini deutlich wird, so wird zugleich wiederum die Differenz zu Kästner evident. Kästner hat sich selbst in seiner Überwindung der romantischen Frühphase inszeniert. Er konvertiert zur asketisch-anachoretischen Innerlichkeit byzantinisch definierter Frömmigkeit und weist hier der Kunst ihre Funktion zu, »Heiltrunk der Seele« zu sein angesichts einer Welt, die aus Sicht der konservativen Revolution seines sozialen Bezugskreises längst abgeschrieben129 ist. Bei Guardini bleibt es dagegen bei der Haltung einer liebenden Öffnung hin zum Sein sozialer Wirklichkeit im geschichtlichen Zeitstrom. Das ist auch bei der Nachbarin von Kästner, Marie Luise Kaschnitz, so: Die Hoffnung stirbt nie. Sie ist mit aus der Büchse der Pandora geschlüpft. Aus ihr generiert sich ewig die Kraftquelle zum liebenden Gestalten im Gestalt-WerdenWollen des homo viators, es generiert sich Tillichs Mut zum Sein, das als Wagnis – alles existenziell gedacht – anzunehmen ist. Das Messianische ist bereits geschehen. Die Ontologie des Noch-Nicht ist Teil der Jetzt-Zeit in ihrer immanenten Selbsttransformation. Ich lese Guardini hier natürlich nicht-barthianisch, ja: anti-barthianisch. Guardini folgte Barth bis zu einem gewissen Punkt. Die Grenze war die Diastase, die fehlende Offenheit der Hinwendung zum wirklichen Menschen vom Menschen her. Eine gewisse Nähe zur theonomen Kultur bei Tillich wird evident. Guardini bewahrt hier einen gewissen Pantheismus. Daher waren die Vergleiche zu Walter F. Otto angebracht. Für mich ist das theologisch keine Schwäche, sondern eine ontologische Stärke: »es war ein Labsal, zu sehen, wie die Blätter der Ölbäume im Lichte flimmerten, wie das Laub der Zitronenbäume dunklen Glanz hatte, und die Wiesen von unzählig darüber gestreuten goldenen Blumen leuchteten. Dazwischen standen ganz schwarz die Zypressen, und immer wieder schimmerte die Weite des Meeres.« (Guardini 2000, S. 69). Ob und wie man hier zum christlichen Monotheismus kommen muss/kann, sei dahin gestellt: Jedenfalls ist diese Seinserfahrung Erfahrung des Göttlichen (vgl. auch S. 76). Man könnte – Guardini war bekanntlich extrem liturgisch orientiert – auch folgern: Treibt die Menschen nicht ins Kirchengebäude, treibt sie in die Landschaft, ins tiefe Landschaftserleben. Das ganze Sein ist göttlich, auch ohne Gott. Das ist eine Differenz. Damit bin ich nicht mehr bei Guardini oder Tillich, wohl aber bei Walter F. Otto, auch beim frühen Kästner, der sodann meinte, hier reifen zu müssen im Modus des Hinter-sich-Lassens der frühen Unreife. Dies hat ihn dann aber, indem er sich in die epistemische Gemeinschaft – hiermit von mir auf die Wissenssoziologie von Ludwig Fleck aus dem Jahre 1935130 anspielend – der konservativen Revolution begab, im Modus des elitären Ekels von der Welt 129 | Diese Abschreibung ist Teil des Habitus der konservativen Revolution. 130 | Fleck 1980.

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entfremdet. Dagegen kannte Guardini in aller Tiefe »die Sehnsucht«, die »schon in der Gegenwart selbst lag« (Guardini 2000, S. 72). Und mit Bezug auf Dionysos: »Es ist wohl wahr, etwas Tiefes in diesem Haupte gemahnt an Christus.« (S. 72) Und Guardini erwähnt hier Hölderlin und Nietzsche, verteufelt sie nicht, sondern lässt ihren Beitrag zur Wahrheit zu Wort kommen. Es ist eben genau so: »Zwei Dinge rühren einem ganz nah ans Herz: Das Griechische und das Altchristliche.« (S. 73) Bei beiden geht es um Heimat und Sehnsucht (S. 75). * Und ich beende meine Texthermeneutik mit einem Aspekt: Für Kästner und seinen Gleichgesinnten war Kunst das ganz Andere der profanen Massen; Guardini sah das nicht so: »Ich habe mich dagegen gewehrt, und sehe nun noch klarer, was an dem Wort unrichtig war.« (Guardini 2000, S. 87) Auch Guardini kennt explizit die »Verwüstung« (S. 97). Aber er bleibt ein Theologe der Hoffnung in der JetztZeit, ein Theologe der Liebe, die zur profanen sozialen Wirklichkeit hin geöffnet ist. Ohne es selbst zu ahnen, ist er eigentlich freiheitlich-religiöser Sozialist. In der Schleiermacher-Dilthey-Spruchüberlieferung – die Guardini (1957, S.  98ff.) selbst kannte – gilt: Man kann den Autor besser verstehen als er sich selbst. Ich vermute, Kästner hätte wenig sagen können zur Idee eines freiheitlichen religiösen Sozialismus: wohl nur: alles Makulatur. Er war eben konservativ, nicht borderlin wie vielleicht Ernst Jünger, und im privaten Leben wohl gesellungsfähiger als der Nebel. Aber da findet er seine Grenze. Die – typisch deutsche – privatistische Innerlichkeit (Plessner 2003a) einer »verspäteten Nation« ist Teil dieser elitärkonservativen Haltung.131 * Dennoch versteht sich natürlich Guardini als Christ als transgressiv gegenüber der Wahrheit des mythischen Griechenland. Dies wird überaus deutlich in Guardinis kleiner, aber genialer Schrift »Vision und Dichtung. Der Charakter von Dantes göttlicher Komödie« (Guardini 1946a). Guardini startet seine Analyse zunächst mit einer Hymne auf die Licht-Werdung der Olympier (S. 14); der Tod sei überwunden worden, das diesseitige Leben sei zum Ort aller Wahrheit konstituiert worden. Eine riesige kulturelle Leistung. Doch – und das ist implizit eine Auseinandersetzung mit Erwin Rohdes berühmter Abhandlung zur Psyche bei Homer – sei die christliche Lösung höherwertig. Bei Homer ist die Seele eine unlebendige Schattenform des ehemalig lebendigen Menschen; alles ist aus und vorbei. Immerhin: Die Toten herrschen nicht über die lebenden Menschen (mehr). Das Leben selbst wird zum Ort und zur Zeit des wahren Geschehens. Die 131 | Das Thema ist komplex und verweist auf komplizierte Diskursgeschichten, die mitunter in die Traditionslinien der deutschen Romantik verstrickt sind. Vgl. auch Spitta 2012.

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Lichtmetaphysik der alten Griechen wird nun getoppt durch die Lichtmetaphysik des Christlichen (S. 34). Der Hades ist weder Hölle noch Raum der kommenden Wieder-Auferstehung der Seelen in neuer Leiblichkeit. Und hier breche ich die Analyse ab. Für das Verständnis einer eben nicht-postzivilisatorischen Haltung der Weltbejahung ist jede weitere theologische Subtilität nicht mehr von Bedeutung. Ob die Auferstehung kommt oder nicht – es geht um die geschichtliche Jetzt-Zeit. Das Jetzt ist kein aktualistischer Zeitpunkt; es geht um den historischen Zeitstrom, in dem die Kulturentwicklung eingebettet ist. Und diese Jetzt-Zeit ist bereits die erfüllte Zeit. Ab hier folge ich nun sodann nicht mehr Guardini. Hier werden die Grenzen einer guardinischen theonomischen Kultur deutlich. Trotzdem ist Guardini im Kontext der theologischen Modernisierung des Katholizismus132 ungemein innovativ; und seine kirchliche Heimat hat ihm viel Leid angetan. Analoges kann mit Bezug auf Chardin de Teilhard angesprochen werden. Ein »Lobgesang des Alls« erbrachte auch Teilhard de Chardin (1961), der das Grauen des Ersten Weltkrieges ebenso kannte wie die Erfahrung der Wüste. Hier kommen der ganze Kosmos, der Mensch und die Kulmination in Christus zusammen (Viallet 1963). Warum konnte Teilhard de Chardin (vgl. auch Magloire/Cuypers 1961) kein Referenzpunkt für Kästner sein? Guardini rezipierte ihn dagegen sehr explizit (Guardini 1982). Allen Tendenzen der Weltflucht, der resignierenden Askese und des sich Herausziehens aus irdischer Aktivität setzt Teilhard de Chardin seinen Glauben – mit der Liebe als Energie (Chardin 1983, S. 271ff.; Chauchard/ Cuypers 1963, S. 37ff.) des Prozesses – an das sinnerfüllte Werden der Welt, der Erde, der Menschheit, entgegen (Hemleden 1991, S.  49). Das wäre für Kästner zu sehr der Realität zugewandt, zumal Teilhard de Cardin ein großer Naturwissenschaftler war. Zur archaisch-griechischen Phase von Kästner hätte der pantheistische Zug bei Teilhard gepasst, wo kosmische Kraft und personale Liebe zusammen kommen. Aber von dieser altgriechischen Sehnsuchtsromantik hat sich Kästner ja emanzipiert. Wie die Kirche und ihre Verwalter hat auch Kästner nicht wirklich einen Sinn dafür, wo und was das wahre Leben ist. Daher gibt es einen tieferen Grund der Differenz zu Kästner, der durch Rekurs auf Wildiers (1966) gut herausgearbeitet werden kann: Die technische Welt der Moderne ist bei Teilhard de Chardin eben nicht der Untergang der personalen Individualität im Maschinencharakter der anonymen Masse. Eine solche Sozialkritikromantik findet sich bei Teilhard nicht. Vielmehr zeichnet sich die in der Noosphäre eingelassene Psychogenese als Geistesreifung (Noogenese) durch weiteres Wachstum der Sozialisationsgeschichte des Menschen ab. Nicht, dass Teilhard de Chardin nicht die Gefahren der Moderne erkannte. Er hat Verdun als Priester miterlebt und kennt die weitere Verlaufsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Aber sein neuhumanistischer Optimismus ist unbegrenzt. Dabei ist der Mensch ein homo viator. Er

132 | Dazu auch Schoof 1969.

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ist dabei getragen von Sympathie und Liebe.133 Noch Rahner aber sah die Notwendigkeit, die Gefahren bei Teilhard de Chardin (Rahner 1966, S. 22) zu betonen. * Wer dem Diesseits lustvoll (im Modus von Libido, Eros, Philia und Agape) zugewandt ist, wird schnell zum Häretiker und Ketzer. Ich erinnere an Bultmann. Ich erinnere an Tillich, der als Philosoph und somit als unechter Theologe negierend ausgewiesen wurde. Auch Guardini war vielen Kritikern zu sehr Religionsphilosoph und weniger der Theologe. Das ist Teil des Spieles der Ausgrenzung. * Eine letzte Anmerkung. Und was Kästner meinte, ist auch Erlebnisgut von Guardini: Alles lebt im Bild (S. 68). Es geht nicht nur um Hören, es geht auch um das Schauen (S. 69). So wichtig das Hören ist; das Schauen sei den Menschen verloren gegangen.

XVIII. B orderliner H abitus der konservativen R e volution In diesem ganzen Abschnitt F der Arbeit ging es ja darum, auf der Grundlage der inter-textuell verbürgten Diskursnetzwerke einen Habitus approximativ zu bestimmen, der im Kern kollektiv geteilte Dimensionen aufweist. In diesem Sinne soll nun über die Möglichkeit einer Habitusbestimmung der angeführten gleichgesinnt-wahlverwandten Akteure der konservativen Revolution insgesamt gesprochen werden. Beginne ich nochmals mit der Dimension der paradoxen Haltung des Unpolitisch-Politischen. Auch Assheuer (1995) hat diese nur scheinbare unpolitische Haltung bei Ernst Jünger de-konstruiert. Der Rückzug ins Private ist die Chimäre einer psychodynamisch hoch problematischen Haltung gegenüber der elitär entwerteten Welt. Man muss nun nicht jedem Akzent in dieser Analyse von Assheuer folgen wollen. Doch die Verachtung der Politik, die hier bei Ernst Jünger zum Ausdruck kommt, wirkt sich als Dehumanisierung aus, denn ontologisch ist der Mensch auf eben diese Notwendigkeit der politischen Ordnung existenziell angewiesen. Doch Ernst Jünger ist an der eigenen Prognose des apokalyptischen Untergangs der Menschheit – fast schon erotisch – interessiert.134

133 | Vgl. auch insgesamt Cuénot 1966 sowie (überzogen) Nauim 1964. 134 | Aus der klassischen Studie von Huch 1924 zur Romantik können wir Elemente einer habituellen Charakterlehre entnehmen. Ansatzweise finden wir hier die Darlegung des Unpolitischen als Haltung eines heroischen Zynismus. Eine solche Haltung habe ich auch an

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* Ich möchte die Habitusfrage in psychodynamischer Theorietradition aufgreifen. Was ist Psychodynamik? Ich möchte dies nicht im Modus aktueller Lehrbuchentfaltung (Mentzos 2009) replizieren. Bezugnahmen auf neuere erzählanalytische Diagnostiken135 wären durchaus möglich. Attraktiv erscheint mir eine Konkretisierung über die Idee einer dispositiven Gestimmtheit als Haltungsgenerierung des psychischen Arbeitsapparates. Bei Zutt (1963) ist die innere Haltung »Repräsentanz der lebensgeschichtlich gewordenen Persönlichkeit« (S.  6). Sie drückt sich in der Motorik (Psychomotorik: S.  365) gegenüber den (sozialen) Dingen der Umwelt aus. Das Ich nimmt durch den Zusammenhang von Haltung und Handlung Gestalt an. Der Sinn des Menschen kommt so zum Ausdruck. Im Verhältnis zum mitmenschlichen Du kann die Haltung in den »Habitualhaltungen« (S. 30) zum Pol der Aneignung oder auch zum Pol der Ablehnung neigen. Vor diesem Hintergrund thematisiert Zutt das heideggerianische »Gestimmtsein« (S. 262), auf das ich gleich noch in Rekurs auf Tellenbach zurückkommen werde. Polar ist das Spektrum der Möglichkeiten: einerseits das Offen für […], damit zum Hellen; andererseits die Langeweile, Müdigkeit, Trauer als ein VerschlossenSein. Das Interesse an etwas geht verloren. Verkümmert hin zur melancholischen Haltung. Das psychodynamische Gleichgewicht als Optimum (S.  264, S.  277) liegt in der Mitte der ausgeglichenen, besonnenen, abwägenden Haltung. Derartige Seinsweisen des Subjekts (S.  265) (zwischen Enge und Weite des personalen Horizonts) korrespondieren Erscheinungsweisen der Welt (S.  265). Alles wird hier bei Zutt dargelegt, was ich an anderer Stelle im Theorem der apotropäischen Hygieneangst konstatiert habe136: die Ordnung des Subjekts mit Bezug auf Freiheit und Geborgenheit, die Innen-Außen-Dichotomie, die Angst/ Furcht an der Grenz-Situation, die Metaphern des Bauens, Wohnens, der Türe, Tore und der Brücken und des (Lebens-)Weges (S. 354f.). Es geht um das Ich und das Andere (S.  345). Bis in die phänomenologische Umkehrung der Wahrnehmungstheorie hinein gehen die Überlegungen bei Zutt: Das Ich sieht das Andere, indem das Andere mich sehen lässt (S. 349). Es handelt sich um eine Ordnung (S. 372) des Subjekts (die an das erinnert, was gleich noch angesprochen werden muss: nämlich Tellenbachs ontologische Kategorie der Endokosmogenität), wobei das Subjekt (über eine reine Selbstbezogenheit einer Humanistischen Psychologie [Straub 2012] hinaus) mit seinem Leib im Weltbezug (ähnlich wie V. v. Weizsäckers »Gestaltkreis«: Zybowski 2013) steht (S. 368) und so Gestalt-Werdung (S. 370) erfährt. In dem Bewegen des Menschen einer signifikanten Textestelle bei Wehner 1930, S. 125 gefunden, der stark in den Nationalsozialismus verstrickt war. 135 | Arboleda/Zschokke 2014. 136 | Vgl. u.a. in Schulz-Nieswandt 2012; 2012c; 2013; 2013a.

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als Einheit von Ziel, Entscheidung und Ausdruck kann es Daseinsstörungen geben (S.  373), dann, wenn das Entwerfen, Vorwegnehmen und Vollziehen nicht mehr gelingt, und ihm (hier rekurriert Zutt auf Guardini: S.  379137) das nicht mehr gelingt, was von Plessner als Fähigkeit des Menschen zur exzentrischen Positionalität bezeichnet worden ist. Die innere Haltung ist bei Zutt demnach eine Haltung zur Welt, in der aber das Subjekt zugleich steht. Implizit ist dies ein transaktionales Denken. Und obwohl Zutt (ebenso wie Tellenbach) Bezug nehmen auf Buytendijk, so fehlt hier (etwas überraschend) der Bezug zu Jakob von Uexküll (auf dessen Werk ich in fast allen meinen Arbeiten immer wieder rekurriere), wenngleich Buytndijk (1958, insb. S. 39ff.) auf Uexküll (1956, insb. S. 65ff.) Bezug nimmt. Dieser Bezug liegt auch bei Portmann (1956, S. 65ff.) vor. Portmann verdanken wir hier (Portmann 1956, S. 49) die Interpretation des Menschen: »Ein hilfloser Nestflüchter – so erscheint der neugeborene Mensch dem Zoologen.« * Fundamental klärend ist Tellenbachs Kategorie des Endon (Tellenbach 1983, S. 16ff.). Das Endon bezeichnet (ganz im Sinne der Kategorienbildung im Kontext von Heideggers ontologischer Differenz) eine aller Empirie vorgängige »Einheit der Grundgestalt in allen Lebensgeschehen« (S.  37; kursiv auch im Original). Das Endon ist »eine die Einheit der Grundgestalt individuelle Lebensgeschehens bewirkende und entfaltende Instanz, das je anzutreffende ontische Derivat der Geworfenheit des Daseins.« (S. 49; kursiv auch im Original). Heideggers ontologisches Existenzial der Geworfenheit bestimmt somit die Region, in der das Endon angesiedelt ist (S. 50). Wie oben bei Zutt, so ist die Existenz des Menschen bei Tellenbach sodann vor dem Hintergrund des Endon als immer eingelassen in Situationen (S. 20ff.) verstanden. Insofern geht es, transaktional, immer um die Endo-Kosmo-Genität. Denn die Gestaltwerdung in die empirischen Derivationen des Endon hinein erfolgt als »Gestaltkreis«, wobei sich Tellenbach hierbei auf Jaspers (1932; 1946) und eben nicht auf Jakob von Uexküll beruft. Das Subjekt verhält sich zur Welt nur im Modus des In der Welt-Seins, wodurch diese Seins-Gebundenheit die Entfaltung des Endons ermöglicht, bahnt und zur Ausdrucksgestaltqualität bringt. Die damit angesprochenen sozialcharakterlichen (um an die Ich-Psychologie von Alfred Adler anzuknüpfen) Voraussetzungen definieren die hinreichenden Bedingungen des Wandels, die nun wiederum auf die psychodynamische Tiefe der kulturellen Grammatik des sozialdramatischen Geschehens verweisen. Es bedarf der Phantasie, die psychodynamisch als schizoide Kreativität anzusprechen ist. Es bedarf also der schöpferischen Offenheit, die im Modus phobischer Angst nicht zu generieren ist. 137 | Zur Form-Inhalts-Hyhlemorphik bei Guardini vgl. auch Wechsler 1973, S. 137.

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* Indirekt entnimmt man dieser Analyse der Zur-Welt-Positionierung von Jünger auch Haltungen von Kästner. Wiederum wird die Differenz von Kästner zu Kaschnitz, nun über deren Freundschaft zu Sternberger plastisch. Denn Sternberger arbeitete lebenslang an einer humanisierenden Re-Vitalisierung des homo politicus antiker bürgerlicher Politikontologie. Dies ist eine Position, die im borderlinen Ekel von Jünger und in der Sozialreform ist Makulatur-These von Kästner als sinnlos ausrangiert ist. In diesem Lichte betrachtet ist es nahe an einer Entproblematisierung, wenn Hiller von Gaertringen (2008) mit Bezug auf Kästner charakterisierend von einer »reflektiert-distanzierten Lebenshaltung« spricht. Das ist typisch für eine gewisse Art von Kästner-philer Sekundärliteratur, die kaum Inter-Textualitäten erkundet und die Kontextualisierung in dem Strom der konservativen Revolution – soweit erkannt – eher eskamotiert. Die Rezeption Kästners läuft unter der Signatur der Christianisierung seines Denkens. Doch das muss als oberflächlich und letztendlich kaschierend begriffen werden. Denn ganz so harmlos ist eine solche eskapistische Haltung nicht. * Hier macht eine Analogie zu Bodo Strauß Sinn. Es ist auch verharmlosend, wenn Schauberger (2000, S.  239) Bodo Strauß zugesteht, ein »Gegenüber zur Welt« ist die Voraussetzung für ein Schreiben »in der Welt« (kursiv auch im Original). Damit wird eine politische Haltung zum methodischen Prinzip poetischer Epistemologie gemacht. Da könnte man sich eher an die Anlehnungen an Lacan und Foucault bei Berka (1991, S. 206f.) halten, wonach sich im Autor das Subjekt und das Objekt umkehrt und nicht in der Tradition von Freud, das Ich Herr im Hause wird, sondern das Es das Ich treibt und sprechen lässt. Schauberger rezipiert Bodo Strauß apologetisch mit einer These, wonach Strauß mittels seiner mythischen und theologischen Kenntnisse mit den LeserInnen spielt; hier nun stellt sich die Frage, wer oder was spielt mit Strauß? Ist er von einem habitualisierten – bei Ernst Jünger im Sinne des benpahm–Phänomens bereits borderlinen – Dispositiv der konservativen Revolution getrieben? Wie ließe sich dieser habituelle Dispositiv der konservativen Revolution fassen? Ist es dies: Genugtuende Freude an der prophezeiten Apokalypse der primitiven Welt der totalitären Vermassung aus der egalitär-adeligen Haltung des eskapierenden Ekels? * Herzinger (1997) spricht vom melancholischen Heroismus der konservativen Revolution. Zerstörung als Lebensdynamik: Das ist der Haltungstyp maskuliner Allmachtsphantasie. Gewalt wird – melancholisch generiert – zur Identitätsfindung. Politik wird verachtet; der Faschismus von Hitler ist viel zu plebejisch. Herzinger

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(S.  201) spricht von einem apokalyptischen Attentismus, »dessen chiliastische Rhetorik die Unfähigkeit verbarg, habbare ethische und politische Maßstäbe zu entwickeln.« Im Zentrum steht die unbewältigte Bewältigung des Ekels an der Welt. Die multi-disziplinäre Ekel-Forschung138 gibt hierzu Hinweise. Das Problem könnte etwas präzisiert werden, wenn auf die Studien zu den »Grenzwerten des Ästhetischen«139 rekurriert wird. Es geht dabei nicht um topologisierbare Grenzphänomene, sondern um Grenzwerte. Zu diesen kann das Ästhetische treiben, geht aber nicht in diese Grenzwerte über, da sie sonst ihre Identität verliert, zugleich ihre Identität aber gerade an diesen Grenzwerten gewinnt. Zu diesen Grenzwerten gehört der Ekel. Aber eben nicht nur. Aus der Konfiguration zu den anderen Grenzwerten wie Liebe, Magie, Schmerz, Trauma, Wahnsinn etc. entwickelt sich erst das Problemverständnis besser. Nicht allein der Ekel ist hier im Kontext der konservativen Revolution Habitus-bildend, sondern die Neurotisierung des Weltekels in Verbindung mit einer mangelnden liebenden Offenheit zur Welt. * Deswegen habe ich Romano Guardini als habituelles Alternativmodell aufgebaut. Es fehlt das kulturell erlernte Gleichgewicht zwischen Ekel und Liebe. Psychodynamisch betrachtet ist dies struktural eine Sekundärbildung zur fehlenden Gleichgewichtsbildung von Nähe und Distanz, von Offenheit und Geborgenheit, von Ur-Angst und Ur-Vertrauen. Nicht der Grund des Ekels wird hier kritisiert: In der Welt des Bösen als böse Welt gibt es – traumatisierende – Anlässe genug. Es geht um das Muster der unbewältigten Bewältigung. Dies treibt eventuell zu spezifischen maskulinen Haltungen, von denen gleich noch die Rede sein wird: Heroismus als Variation der Magie? Die Analysen zum Geheimnis in der Forschung zu den Grenzwerten des Ästhetischen sind hier aufschlussreich und positionieren Kästner noch diesseits der benpahm–Haltung von Ernst Jünger. Denn bei Kästner herrscht mystisches Schweigen. Bei Ernst Jünger kristallisiert sich das ironische Erzählen als Variante des ignoranten Zynismus heraus. Bei Kästner mag das Schweigen als Haltung des Staunens infolge seiner religiösen Sozialisation vor der elitären Arroganz des borderlinen Zynismus gegenüber der Masse, dem Pöbel, dem Mob – dem uneigentlichen Man der ganzen Zivilisation, vor dem es ekelt – noch bewahren. * Entfremdung ist hierbei kein Phänomen einer immanenten Hoffnung auf Überwindung und Aufhebung zum Eigentlichen hin mehr. Die Welt hat nicht das Böse; 138 | Vgl. Penning 1984, u.a. S. 126ff. 139 | Stockhammer 2002.

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die Welt ist Böse. In der Frühphase der Habitusbildung von Ernst Jünger, also im Kontext des Ersten Weltkrieges, wurde der traumatisierende Ekel noch im Modus der transgressiven Ekstase in der Zerstörung gesucht. Die transgressive Ekstase des frühen Kästner war religiöser Art: ein Staunen im Seinserleben angesichts der Musik des Landschaftserlebens aller Sinne. Im Zuge der Metamorphosen der religiösen Haltung wuchs sich diese Onto-Theologie aus zu einer meditativen Innerlichkeit des anachoretischen Heilsucher der Seele. Trotzdem muss auch Kästner als gefährdet eingeschätzt werden: Sein Ekel an der schlechten Welt von Wissenschaft und Technik, Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Naturvergessenheit führt auch ihn zur diastatischen Zivilisationskritik. Gründlich ist diese ganze habituelle Haltung bei Morat (2007) untersucht worden. Dabei wird auf den Wandel der heroischen Tatbereitschaft vor dem 2. Weltkrieg über die innere Emigration zur Innerlichkeit und zur Haltung der Gelassenheit nach 1945 fokussiert. Doch es ist nicht Gelassenheit hier: Über den Trend hinweg bleibt es bei einem eskapistischen anti-bürgerlichen, anti-modernen aristokratischen Elitedenken, das anti-demokratisch auf die ekeligen Masse schaut. Nach 1945 kam es nicht zur Demokratisierung dieser Haltung140, doch arrangierte man sich im bürgerlichen Milieu – etwa in dem Kunst- und Literarbetrieb. Diese Haltungsanalyse wird man als Blaupause auch zur Diagnostik von Kästners Werk nutzen können. Der Rückzug in das eigene Private als Ort priviligierter Gemeinschaften von Gleichgesinnten141 ist dann eine Selbstempfehlung angesichts der Verachtung der Welt. »Kunst ist nicht für alle da.« – so der Titel der Studie von Kaussen (1991) zur »Ästhetik der Verweigerung« (im Werk von Botho Strauss142). Sollte sich die konservative Revolution der »Zurichtung durch die Konsumgesellschaft zu entziehen« (S. 340) versuchen, so ist dies eben nur scheinbar analog zur Kritischen Theorie, die in »Minima Moralia« (Adorno 1962) »Reflexionen aus dem beschädigten Leben« berichtet und reflektiert. Denn Kritische Theorie sucht den öffentlichen Raum, die konservative Revolution distinguiert sich vom Pöbel und von den Massen der entseelten uneigentlichen Daseinsfristung. In der Gesellschaft heimatlos wird das Glück in der Hermetik des Privaten gesucht. Was hier in Bezug auf Botho Strauß diagnostiziert wird143, trifft allgemein die konservative Revolution. Sie ist kein Konservatismus als eine mögliche Strömung der Gesellschaftsgestaltung angesichts der ontologischen Notwendigkeiten des Politischen im Kontext der ontologischen Differenz des Politischen und der Politik, auch wenn Kaussen (1991) hier Botho Strauß zum wahren Kulturkritiker angesichts des totalen Verblendungszusammenhangs der massenmedialen Verwertungskonsumkultur stilisiert: Hermetik als eigentliche Kritik mit aggressiver 140 | Instruktiv: Seferens 1998 sowie Nowak 2006. 141 | Dazu auch Zils 2009. 142 | Orientierend auch Willer 2000. 143 | Instruktiv dazu auch Thomas 2004.

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Potenz. Hat sich Kästner in diesem Sinne für die junge hermetische Kunst ausgesprochen? Alternative Positionen sind möglich: Diesem eskapistischen Konservatismus ist eine Anthropologie entgegen zu setzen, die – etwa mit Gernot Böhme – die Zeit als Form lebendiger Existenz versteht. Nur in dieser Form kann der Mensch als Person selbst existieren. Diese Anthropologie ist nicht cartesianisch, sondern thematisiert den hybriden Zwischenraum zwischen Subjekt und Umwelt (Böhme 2013)144 tugendethisch. Auf dieser Grundlage ist durchaus Wissenschafts-, Technik- und Naturkritik möglich (Böhme 1980). Aber dies in der Immanenz einer Welt, die im Lichte von etwas Gewolltem gestaltet werden will. Dazu muss, und das leistet Böhme (2001), die platonische Wachstafeleigenschaft des Menschen im Zuge von dessen zweiter, sozio-kultureller Geburt (Claessens) erkannt und reflektiert werden. Böhme handelt dies durchaus in einer Weise ab, die neben Foucault und Lacan gestellt werden kann145. Aber es ist eine Anthropologie in pragmatischer Absicht (Böhme 2010) und eine Ethik der leiblichen Existenz (Böhme 2008). Diese Gestaltung kann die Strukturen der Immanenz grenzüberschreitend transzendieren innerhalb des Seinsbereichs der Immanenz. Dagegen ist die Theologie des Staunens bei Kästner die Suche nach einem – nur – inneren seelischen Gleichgewicht. Als Korrelat einer entsprechenden Gleichgewichtsfindung in der kulturellen Grammatik des sozialen Miteinanders146 ist dieses seelische Gleichgewicht transzendental notwendig; aber isoliert als reiner Innenraum des Menschen ist es elitärer Eskapismus als Spaß auf Kosten der Anderen, die exkludiert werden. Daher ist das Staunen auch different zum antiken Staunen als Ursprung des Philosophierens. Es ist autoritäre Bewunderung der eigenen habitualisierten elitären Haltung. Auch bei Gernot Böhme kann Humanität in der technisch gewordenen Welt nur durch Widerstand gewahrt werden, aber durch Widerstand, die letztendlich liebend sich der sozialen Wirklichkeit im Gesamthaushalt der Dinge zuwendet, nicht der profanen Welt den Rücken kehrt. Die konservative Revolution legt die antike Vorstellung der Apatheia147 verengt aus; Gelassenheit wird nun als Seelenfrieden im Modus eines borderlinen Eskapismus vertreten. Damit sortiert sich die konservative Revolution selbst im modernen medizin-pathologischen Verständnis von Apathie als Teilnahmslosigkeit als Krankeitssymptom ein, als Ausdruck eines melancholischen Leidens (wie auch bei Heldt und auch bei Gilles), dass sich im Ekel an der Welt paart mit heroisch-aggressiven Gewaltphantasien über die Reinigungsfunktion von Opfer und Zerstörung148: Ich erinnere an 144 | Einige instruktive Anleihen können auch in der Metaphernbildung der Sphären bei Sloterdijk (1998-2004) gemacht werden. 145 | Böhme 2012. 146 | Vgl. auch Guardini 1985, S. 27: »psychologischen Typen« entsprechen »Grundstrukturen des kulturellen Lebens«. 147 | Reiner/Engelmeier 1971. 148 | Vollmer 2009 sowie Braun/Wulf 2007.

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die breiten – z.T., wie von mir rekonstruiert, Gabe-anthropologischen – Debatten um Walter Burkerts homo necans, aber auch um Girard, Bataille etc. Und an die französische Soziologie des Sakralen in der Durkheim-Mauss-Tradition149 ist zu erinnern. Kästner hätte sich seine Gleichgesinnten oftmals näher anschauen müssen und deren Werk in ihrer Tiefengrammatik komplexer aneignen müssen. In der Antike war Apathie eine Haltung, die die polis ermöglicht, nicht, um sich von ihr abzuwenden. Hier wird deutlich, wie der Begriff des Habitus auf die altgriechische hexis zurückreicht. Nicht eine Einzeltugend darstellend, sondern eine übergreifende, quasi transzendentale Disposition darstellend, ist Apathie die Grundlage für das Tugendleben der polis-Bürger. Wollte Kaschnitz‹ Freund Dolf Sternberger diese politische Philosophie als bürgerliche Gesellschaft erneuern, so bleibt der Haß der revolutionären Konservativen auf die bürgerliche Welt und deren Demokratie bestehen. Das edukative Denken der Paideia in der polis-Anthropologie der antiken Philosophie geht dem revolutionären Konservatismus verloren. Gelassenheit im Sinne der modernen psychodynamischen Entwicklungspsychologie ist eine souveräne Position der reifen Person in der gelingenden Partizipation am und im Gemeinwesen als Raum der Reziprozität der Menschen in der Rolle des Mitmenschen (Karl Löwith). Der benpahm–Konservatismus bricht aber die Brücken zur Dialogizität als ontischer Zwischenraum der Menschen extrem-distinguiert – indigniert – ab. Daher ist für die borderline Derivation der altgriechischen Apatheia im Sinne des benpahm–Phänomens das christliche Klosterwesen der Mönche als Eremiten ambivalent. Aus diesem Kontext stammt eine Fortführung christlicher sozialer Arbeit, aber eben auch der elitär-exotische Eskapismus. Welch ein peinliches Elend zeichnet sich für die konservative Revolutionäre ab: Sie wenden sich einer Aussteigermentalität150 zu, die bei Ihnen doch selbst Gegenstand des Spottes des modernen Modernismus – auch als Typus des Tourismus, der bleibt – ist.

149 | Moebius 2006; Hollier 2012. 150 | Zum Phänomen des Aussteigens Bachmann 2015.

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Als Ergebnisdarstellung differenziere ich ein allgemeineres Fazit meiner Überlegungen als Teil einer eher insgesamt, aber gerade auch mit Blick auf die InterTextualitäten spärlichen Kästner-Forschung einerseits und ein spezielleres Fazit, das Kästner und sein Werk andererseits im Rahmen einer psychodynamischen Betrachtung positioniert. Ich möchte zunächst in aller Dichte wichtige Erkenntnisse und Einschätzungen zusammenfassen: Erhart Kästner wurde im Lichte seiner Lebensverlaufsgeschichte in einem Haltungswandel re-konstruiert. Dieser Wandel wird verortet durch seine frühe onto-theologisch, aber noch nicht explizit christlich motivierte Griechenlandsehnsucht einerseits und seiner geistigen Wahlverwandtschaft zu Vertretern der konservativen Revolution und deren Kulturkritik andererseits. Letztere ist primär vermittelt über seine Freundschaft zu Gerhard Nebel, die Beziehungen zu Ernst und Friedrich Georg Jünger aufschlüsselt. Die Beziehung zu Heidegger ist ebenso konstitutiv wie seine Freundschaften zu Künstlern wie Huchel und Altenbourg, zu denen er über den Modus der inneren Emigration wohl eine Seelenverwandtschaft empfunden hat. Einige andere Beziehungsgeflechte konnten aufgrund knapper Textfunde im Werk von Kästner nur angedeutet werden. Die christliche Orientierung von Kästner findet sich nicht durchgängig, und wenn, dann auch nicht ohne Ambivalenzen im Kreis der konservativen Revolution. Der elitäre Eskapismus, der sich aus Kästners totalisierender Kulturkritik ergibt, lässt die scheinbare Irrelevanz anderer – möglicher – Begegnungsvertiefungen verstehbar werden. Etwa zur Kulturkritik von Guardini, die Kästner kannte, etwa zum Werk von Kaschnitz, mit der er nachbarschaftlich bekannt war. Aber über Guardini hätte sich Kästner einer anderen theologischen Orientierung öffnen müssen, einer Orientierung, die weltzugewandt-engagierter sein müsste. Doch seine privatistische Offenbarungsfrömmigkeit hat keinen Platz für eine Ontologie des Noch-Nicht. Auch war Kästner im Rahmen seiner Wissenschafts- und in der Folge Technikfeindlichkeit gegen jede Form wissenschaftlicher Systematik, auch in der Theologie.

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In diesem Lichte bleibt es ein Widerspruch, wenn er die von ihm geleitete große historische Bibliothek stolz der wissenschaftlichen Forschung anbietet (vgl. Kästner in Schmidt-Glintzer 2015). Seine barthianische und gegen das Entmythologisierungsprogramm von Bultmann gerichtete Haltung bleibt daher letztendlich problematisch. Denn Barth war ein großer Systematiker. Kästner rezipiert die dialektische Theologie von Barth eben aus seinem eigenen Bedürfnis der Weltabgewandtheit und Weltabwertung heraus. So konnte Kästner natürlich auch nie zu einer Position gelangen, wie sie im religiösen Sozialismus in der Theologie der Kultur von Paul Tillich verkörpert wurde. All das musste ihm viel zu sehr pantheistisch vorkommen und erinnerte ihn an seine eigene frühe onto-theologische Landschafts-ErfahrungsSehnsucht in Griechenland, die sich archetypisch am Dionysischen festmacht und im Pan-Erleben in der musikalischen Stille der griechischen Landschaft und ihrer Lichtmetaphysik eingebunden war. Diese Lichtmetaphysik konnte Kästner auch in vergleichbaren Reiseerlebnissen u.a. bei Hofmannsthal oder Hauptmann bestätigt finden. Dieses mythische Erleben hat F. G. Jünger nie ganz aufgegeben; und so war auch dieser nicht ein echter Gesinnungsfreund für Kästner. Nebel gab ebenso seine Griechenlandsehnsuchtreisen auf. Aber, in seinem persönlichen Strickmuster ohnehin höchst kompliziert, war er immer zugleich akademisch aufgestellt: in seiner Mythologie wie in seiner Theologie. Auch das entfremdet Kästner von ihm. Insgesamt dürften die Entfremdungsprozesse im Kreis – nutze ich hier einmal die Methode einer Ego-zentrierten Netzwerk-Analyse – von Gleichgesinnten um Kästner herum wohl besser als komplizierte Wechselwirkungen zu verstehen sein. In der Nachkriegszeit entfaltete sich Kästner dann aber im Zuge eines Haltungswandels. Der Weg führte ihn im Überschreiten des Endes des 2. Weltkrieges von den griechischen Inseln über die Wüste zum Berg Athos. Seine Haltung wurde anachoretisch. Entsprechend entwickelte er innerhalb der Kunstverständniskontroverse eine eskapistische Haltung: Kunst als »Heiltrunk der Seele« (Psyches iatron). Diese reine Innerlichkeit hat z.B. Guardini nicht vollzogen. Und deshalb war ihm die Position von Guardini im Sinne der Liebe zur Welt und im Sinne des gewollten Wagnis zum Gestalt-Werden der Kulturkritik wohl auch kein Gesprächsangebot: Im Rahmen seiner Totalitarismus-Kritik fand die Idee der Sozialreform im Denken von Kästner keinen Platz. So aktuell Kästner mit einem Theorem der Aufstand der Dinge auch sein mag – gewisse Parallelen u.a. etwa zum Denken von Bruno Latour konnten erwähnt werden –, zu einer Sozial- und Gesellschaftspolitik aus dem Geiste sozialer Gerechtigkeit aus der Kraftquelle der Liebe heraus im Modus der legitimen Macht eines Rechtsstaates – wie bei Paul Tillich – hatte Kästner keine weltoffene Neigung. Solche quasi-apotropäischen Haltungen finden sich auch bei Ernst Jünger und Gerhard Nebel. Der Eskapismus nimmt hier

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zynische Formen an und grenzt an borderlinen Charakterneurosen. Ich explizierte dies als benpahm–Phänomen. Kästner wächst daher in einen paradox anmutenden Modus des UnpolitischPolitischen hinein, der analogisiert werden kann zur anthropologischen Einsicht, dass der Mensch in seiner transaktionalen Haltung zur Welt, in der er – geworfen – steht, nie nicht kommunizieren kann. Vor diesem Hintergrund nahm Kästner in typischer Weise für Camus und gegen Sartre Stellung. Dennoch partizipierte Kästner im Kunstbetrieb nach 1945. Psychodynamisch ist dies nicht überraschend: Der kulturkritische Eskapismus kann die anthropologische Verfassung des Menschen nicht eskamotieren. Diese kommt aus der Tiefe immer wieder bedürftig an die Oberfläche. Der Mensch muss und will partizipieren am Gemeinwesen; anachoretische Haltungen sind ein Außerhalb-innerhalbder-Welt. Der Mensch bedarf der Anerkennung und der Wertschätzung, er will aufgabenorientiert Rollen spielen, sonst ist er im Sinne der Ethnologie sozial tot. Er kann nicht wirklich dauerhaft privatisieren; es drängt ihn immer auch in den öffentlichen Raum. Insofern Kästner allerdings seinen elitären Eskapismus nicht ablegen konnte, waren seine Stellungnahmen zum Zeitgeschehen eben typisch: Etwas väterlich-gönnerhaft gegenüber der nachrückenden Jugend in der Kunst, huldigungsorientiert im Fall von geist- und seelenverwandten Vertretern der akademischen Berghöhen, wie im Fall von Heidegger, undifferenziert-pauschal im Kontext der Sozialreformidee: alles nur Makulatur. Anders formuliert: Eskapistische Gesinnungsethik statt partizipative Verantwortungsethik, letztere motiviert aus einer Liebe zur Welt im anthropologischen Modus der Weltoffenheit heraus, realistisch, aber dennoch transgressiv auf dem Weg zu einer Ontologie des NochNicht als Dialektik von Identität und Alterität, durchaus ja vorstellbar als Theologie der Hoffnung, deren messianische Zeit aber immer die Jetzt-Zeit ist, nicht die eschatologische Zeit einer apokalyptischen Zukunft als Ende der Geschichte. In der frühen Onto-Theologie des lichtmetaphysischen Landschaftserlebens im Aither des göttlichen Allzusammenhangs des menschlichen Erlebens – dazu dienten meine mehrfach angeführten Parallelen zur pagan-pantheistischen OntoTheologie von Walter F. Otto – fand Kästner noch Zugang zum Gabe-Erlebnis und zur Erfahrung der Gastfreundschaft. Im privatesten Kreis der Gleichgesinnten mag Kästner im Kult des Weines diese Daseinstiefe innerhalb des profan-geselligen, in der Tiefenstruktur doch sakralen, weil liebenden Seins fortgelebt haben. Als kulturelle, aus der Psychodynamik des Menschen resultierende Grammatik einer besseren sozialen Welt wurde diese Theologie der Liebe und der Hoffnung von Kästner nicht fortgeführt. * Es mag sein, dass Kästner in seinen Literaturbesprechungen und Kunstanalysen deutlicher ein Kommentator der Zeitgeschichte ist. In seiner eigenen Prosadichtung kommt dieser Realismus jedoch nicht zum Ausdruck. Und Kästner hat

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das in seiner Ansprache im Rahmen der Verleihung des Kölner Literaturpreises (Kästner 1994, S. 183ff.) von sich selbst explizit behauptet. Er sei nie modern gewesen (vgl. auch Kästner 2004, S. 98f.). Seine (durchaus wertschätzende) SelbstAbgrenzung lässt da kaum etwas aus, weder den Surrealismus noch Franz Kafka (Kästner 1973, S. 97) oder James Joyce1, T. S. Eliot 2 und Ezra Pound3. Wie immer er auch diese – jeweils andersartigen – Positionen einschätzt: Seine eigene Prosadichtung möchte »die Welt zuweilen wohnlich« (Kästner 1994, S. 190) machen. Aber wohl eine Wohnlichkeit außerhalb des etabliert Normalen der Masse, der gelenkten Gewohnheit der Routine, des Systems. Ohne innere Widersprüche ist diese Haltung daher nicht. Im Gegenteil. Ich will einige fragwürdige Figurationen der Argumentation und Positionierung Kästners nachzeichnen. Wie schon in seiner Celan- und in der Johnson-Ansprache, aber auch an anderen Stellen hob Kästner die Verschlüsselung4 der Welt (als Verschlüsselung, die jedoch aufschließt: Kästner 1990, S. 105) als Leistung der Kunst im 20. Jahrhundert – anders als Gerhard Nebel – hervor. Kunst wird quasi zur Ethnologie der Selbstverständlichkeiten: Was andere Mitmenschen für durchschaubar und erklärbar halten, wird der Kunst zum Rätsel (Kästner 1990, S. 141; Gander 2004, S. 39). So denke die moderne Kunst die Welt über die Umwege des Labyrinths6 (Kästner 1973, S. 87). Und seine positive Einstellung zum Surrealismus steht im Widerspruch zu einigen Stellen, in denen er das Psychologische – ganz analog und ebenso nicht ohne Ambivalenzen zu Karl Barth – insgesamt als Holzweg bezeichnet (Kästner 1973, S. 146f.). Insofern zeichnet sich eine gewisse Weltoffenheit von Kästner ab. Eine Wertschätzung, keine Identifikation. Andererseits die radikalen Abgrenzungen. Im Nachwort zur Sammlung »Was die Seele braucht« wird deutlich, wie Hiller von Gaertringen und Nitzschke in Bezug auf Kästner – insofern dieser selbst und/oder Hiller von Gaertringen und Nitzschke in verwickelter Inter-Textualität 7 – um ein falsches (zumindest: höchst problematisierbares) Verständnis von Existenzialismus herum kreisen. Dies, obwohl Kästner selbst wusste (Kästner 1973, S.  99), dass wir uns Bilder von den Gegenständen/Themen, über die wir handeln, (mit den – gesellschaftlich geliehenen – Filtern [Kästner 1973a, S. 39] von Augen und Ohren) machen. Einerseits wird implizit die anthropologische Figur des homo abyssus konstatiert, wonach 1 | Burgess 1984; Ellmann 1999. Spezieller: Jäger 2009. 2 | Ackroyd 1988. Schulz-Nieswandt 2013, S. 35. Zu Eliot’s »Wüstes Land«, wobei es primär um die Einsamkeit des Menschen geht, vgl. auch Hesse 1973. Hier ist Wüste wirklich die Metapher für ein ödes (verfehltes, entfremdetes) Leben. 3 | Schmidthorst 2004. 4 | Dazu auch Teubner 2014. 5 | Gander 2004, S. 39. 6 | Vgl. zum Labyrinth Kern 1982 sowie Koerner 1983; Schulz-Nieswandt 2013, S. 87, S. 190. 7 | Berndt/Tonger-Erk 2013.

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die »Welt immer wieder wegrutscht, entgleitet, daß immerwährend Entzug ist und daß es nicht mehr gelingt, sich auf der Welt zu Hause zu fühlen« 8: Dies war die Grundgestimmtheit von Kästner, mitunter das Naturrecht falsch als Naturzustand, wobei dieser wiederum an das Drama des homo sacer9 erinnert (vgl. kritisch Schulz-Nieswandt 2017), auslegend (Kästner 1973a, S. 102, S. 160). Dies sei zu verstehen als »Grunderfahrung der Moderne« (ebenda). Literatur müsse daher »Heilstrank der Seele« sein. Und an diesem Punkt kristallisiert sich ein Andererseits: »Folglich erschien ihm eine ganze Literaturrichtung der Moderne wie der literarische Existenzialismus als ungenügend, als eine Literatur, die das genaue Gegenteil leistet: nämlich aushöhlt, entleert, Lebensmut anzapft, und also nur eine vorübergehende Erscheinung sein kann vor dem Horizont der uralten und zeitlosen Aufgabe der Kunst: dem Leben zu dienen.«10 Dichtung dient doch, so Kästners eigene Selbsteinschätzung, der »Lebensstärkung« (Kästner 1994, S. 8). Insofern kippt die Wertschätzung gegenüber vielen modernen Strömungen letztendlich um in eine Abwertung, weil kaum eine dieser Strömungen dem Eskapismus von Kästner folgt. Den besagten Strömungen geht es im Rahmen der Kritik der Wirklichkeit um eine Veränderung eben dieser Wirklichkeit. Sozialreform ist aber Kästner eine belanglose Chimäre. Jetzt könnte ich selbstzynisch-böse werden: Die prekären Sozialmilieus – gemeint ist11 der Pöbel und der Mob – werden ironisch Danke sagen? Aber das ist ideologische Oberflächenkritik, als ob Kästner Agent herrschender Klassen sei. Es geht vielmehr um verwickelte Selbstpositionierungen in der sozialen Geometrie von Mensch und Welt und daher um Haltungen in Bezug auf die sozialreformkreative Transzendenz in der Immanenz des Sozio-Kulturellen der geschichtlichen Wirklichkeit einerseits und in Bezug auf die Tranzendenz dieser immanenten Transzendenz zugunsten der weltflüchtigen Hinwendung zur wahren supranaturalen Transzendenz andererseits. Kästners Kunsttheorie ist daher eindeutig: Lyrik12 ist »Lebenskampf« (Kästner 1994, S. 159). Nicht Kampf um eine andere soziale Wirklichkeit. Das sei Makulatur. Es geht um das innere Seelenheil, um die Seele, die innerhalb dieser Welt (in der Wüste und auf dem Berg Athos) zur Ruhe kommen mag. Und Kästner, das kann ich eben nicht validieren, ist hier nicht Theoretiker episodischer Rehabilitation. Nicht Theoretiker des Auftankens der Batterie des Alltagsmenschen im System. Er scheint wirklich eher Prediger des Aussteigens zu sein. Nicht allen, aber einigen Menschen scheint dies vergönnt zu sein. Und Kästner ist einer von diesen. Aber was ist mit dem Rest?

8 | Hiller von Gaertringen/Nitzschke 1994, S. 217. 9 | Agamben 2011. 10 | Hiller von Gaertringen/Nitzschke 1994, S. 218. 11 | Dazu in Munk 2011, S. 35ff. 12 | Lamping 2011; Petersdorff 2008.

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* Ontologische Wahrheit gegen die Epistemologie der wissenschaftlichen Methode stellend (ebenda, S. 169), schreibt Kästner (1994, S. 159f.): »Gedicht, das ist Kampf um eine Wirklichkeit, um die Gewinnung von Wirklichkeit: jedes Bild eine Breite gewonnener Heimat, jedes Gedicht eine Hufe zurückgewonnenen Lands, jeder Satz, der diesen Namen verdient, eine erschlossene, wiedererschlossene Fremde.« Bislang hatte ich die Formel von der Kunst als Gegenwelt nur andiskutiert. Nun wird die ganze Problematik eines literarischen Eskapismus deutlich. Kunst dient quasi als Psychotherapie: Was die Seele braucht! Erarbeitet Kunst so aber tatsächlich »die innere Bereitschaft« (Kästner 1994, S. 22) der Menschen, damit »Krieg in Zukunft verhindert werden könne«13? Scheinbar muss gute – also seelisch heilsame – Literatur bei Kästner von Theologie geführt sein. Wurde Thomas Mann14 in seinem Spätwerk aus Sicht von Kästner zu säkularisierend15, so ist Kafka16 für Kästner faszinierend (Kästner 1994, S. 109), wenn man ihn theologisch lese. Hier liegen ziemlich verwinkelte Rezeptionsprozesse vor, die man nur würdigen könnte im Zug einer Aufarbeitung der komplexen Forschungsliteratur zu Mann17 und Kafka18. Natürlich kann Literatur letztendlich onto-theologisch fundiert sein, aber dennoch auch in praktischer – also auf Gestaltung der praxis hin angelegter – Weise dem Leben dienen. Dies ist bei Tillich der »Mut zum Sein«.19 Erneut ist auch Guardini anzuführen. Natürlich hat dies innere Kraftquellen: bei Tillich 13 | Hiller von Gaertringen/Nitzschke 1994, S. 220. 14 | Harpprecht 1995; Karst 2006; Koopmann 2001; Kurzke 2006. Speziell: Peter/Sprecher 2012; Marx 2002; Dierks 2003. 15 | Was passt Kästner an Mann (nicht) mehr? War es die Kritik an der Innerlichkeit als deutscher Habitus, der auch Kästner treffen mag? Die konservative Revolution war immer anti-demokratisch. Mann diagnostizierte nun, wie auch Plessner, die Probleme immer auch als ein Mentalitätsproblem, die die richtige – demokratiekonforme – Komposition von Privatheit und öffentlichem Raum verhindere. Das bedeutet nicht, dass Manns Abhandlungen »Rede über Deutschland und die Deutschen« (1947) nicht vor dem Hintergrund der je eigenen Ambivalenzen zu sehen ist. In seinen »Betrachtungen eines Unpolitischen« gehörte Mann (Mann 1956) noch – bis zu seiner Rede über die Republik – dem Kreis der konservativen Revolution an. War Mann für Kästner ein Abweichler? In der Tat: Manns eigene Entwicklung war einer Transformation gleichkommend: Die anfangs positivierte deutsche Innerlichkeit und der deutsche habituelle Hang zu Mystik und Musik als Basismentalität wurden nun für die Genese des Nationalsozialismus mitverantwortlich gemacht. Vgl. dazu auch Lörke 2010. 16 | Friedländer 2014. 17 | Blödorn/Marx 2015; Kurzke 2010; Ridley/Vogt 2009. 18 | Engele/Auerochs 2010. 19 | Tillich 1990.

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die Liebe.20 Aber sie bleibt ex definitione nicht intra-seelisch (und daher räumlich eskamotiert), da sie (immer auch topographisch und relationslogisch) auf das soziale Miteinander der Menschen hin angelegt ist. Aber wie schon dann letztendlich auch für Guardini21, so ist – aber vorschnell – auch für Kästner ein solches Stehenbleiben (wie – angeblich – bei Rilke22) in solchen profanen »Sphären des Sozialen« zu wenig. Auch bei Tillich ist die Ur-Quelle der Liebe in Gott verbürgt. Und auch Tillich ist deutlich christologisch aufgestellt 23 und argumentiert keineswegs, wie ihm Gegner immer wieder unterstellen, rein oder doch weitgehend nur kultur- oder religionsphilosophisch. Aber bei ihm macht das Ganze nur Sinn, wenn die Kultur des Zusammenlebens davon durchtränkt ist. Mit reiner Geistigkeit des innerlichen Menschen hat dies wenig zu tun. Der Mensch ist ein geistiges Wesen, aber leiblich nur als Knotenpunkt seiner sozialen Beziehungen, als de-zentriertes Subjekt seiner sozialen Rollenkreise, als Subjekt des Vollzuges eines habitualisierten objektiven Sinns, kreativ gefangen im Netz machtvoller Dispositiva, da Gesellschaft insgesamt letztendlich nichts anderes ist als permanente Akt-Performativität kultureller Selbst-Inszenierungen. Erving Goffman ist hier Begriff: »Wir alle spielen Theater«! Und Rolle ist eben nicht nur Ausdruck der »ärgerlichen Tatsache« der Gesellschaft (wie Ralf Dahrendorf in epistemischer Selbstgefangenschaft konstatierte); im Lichte der sozialontologischen Beiträge von Simmel und Plessner sind Rollen die unvermeidlich-einzigen Orte der Personalisierungen. Wo sonst? Wo sonst kann sich der Mensch individualisieren? Dass man nun weiter differenzieren muss in Richtung auf (Inter- und Intra-)Rollenkonflikte, mit Blick auf role-taking und role-making – das ist alles eher trivial. Rollentheorie, Soziologie sozialer Konflikte und Soziologie sozialen Wandels sind hierbei keineswegs unvereinbar. Eine authentisch-redliche und daher immer sehr differenzierende Theoriegeschichte der Rollentheorie steht nach wie vor aus. In typisch deutsch-romantischer Tradition dominierte bislang eher die Frage nach dem »Problem der Freiheit in der (eben deutschen) Rollensoziologie«. Die existenziale Haltung von Tillich und seine dazu korrespondierende Neigung zur expressionistischen Kunst resultiert – dagegen – aus seiner Fähigkeit, von der Fundamental-Onto-Theologie24 der Kategorien von Liebe, Gerechtigkeit, Macht (Tillich 1991a) über die Tugend des Mutes (Tillich 1991) angesichts des Wagnis des Seins zwischen Struktur und Sinn zu vermitteln und den Weg in die 20 | Tillich 1991a. 21 | Guardini 1985, S. 46: Zu Rilke, Hölderlin u.a. schreibt Guardini letztendlich: »Bei diesen […] war ich besonders bemüht, die christlichen Sinngehalte aus all den Verwässerungen und Vermengungen zu lösen, in die der neuzeitliche Relativismus sie gebracht hat.« 22 | Engel/Lauterbach 2004 und Martens/Post-Martens 2008. 23 | Baumert 2014; Neugebauer 2007. 24 | Tillich 1987.

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Rechtsphilosophie und in die politische Philosophie zu finden. Religiöser Sozialismus25 nimmt anders Stellung zur Welt 26 als inneres Offenbarungsgeschehen im klösterlichen Setting. Innere Sammlung ist wichtig. Das sei nicht hinterfragt. Aber Sammlung in Bezug auf welches Tun? Wenn Kästner »Verzweiflung im Zaume halten« wollte27, so darf nicht vergessen werden, dass Verzweiflung28 eine zentrale Kategorie der existenzialen Philosophie ist. Kästner selbst (1994, S.  50) will Angst überwinden durch »offene Herzen«. Ist ihm – eigentlich – klar, dass er damit nahe am Existenzialismus von Antoine de Saint-Exupéry29 ist!? Dies vor allem dann, wenn ich an die Kategorie der Wüste denke.30 Allerdings liegt in der Kategorie der Wüste eine Differenz und auf der Basis dieser Differenz wiederum auch eine Konvergenz in der existenzanalytischen Diagnostik vor. Folge ich der Rezeptionslinie von Bollnow, dessen hermeneutische Anthropologie ich im Kontext meiner strukturalen psychodynamischen Analyse der apotropäischen Hygieneangst 31 der Gemeindemitglieder vor dem Fremdartigen im umweltlichen Dadraußen32 an anderer Stelle skizziert habe33, so ist Wüste die Metapher für die Gefährdung des Menschen, der sich im Bauen wohnend in dieser ihn in seiner Selbstbehauptung bedrohenden Welt einrichten muss.34 Wüste ist im Lichte der existenzialen Angstanalyse des Existenzialismus also eine Gefährdung des Menschen, die er aber, zumindest bei Saint-Exupéry (ähnlich bei Tillich, Wust, Marcel etc.) als Daseinsaufgabe35 aktiv annimmt. Bei Kästner ist Wüste auch zuerst fremd und leer, dann aber (sich wiederum Gerhard Nebel annähernd) der generative Ort der Selbstbesinnung, so gesehen nicht leer, sondern fruchtbar. Bei Saint-Exupéry nimmt der Mensch die Wüste an, indem er sich in Schutzbauten innerhalb der Wüste von eben dieser absetzt. Er zieht hier ordnungsschaffend im Modus der Institutionen – der anthropologischen Analyse-

25 | Katterle/Rich 1984. Auch Schulz-Nieswandt 2013, S. 7f. 26 | Dazu bereits Schulz-Nieswandt 1991, auch in Schulz-Nieswandt 1990. 27 | Hiller von Gaertingen/Nitzschke 1994, S. 225. 28 | Die Kästner 1994, S. 19 in der Metapher der Nacht (Reimbold 1970; Friese 2011) transportiert. 29 | Biermann 2012. 30 | Dazu auch Bollnow 1961. 31 | Schulz-Nieswandt 2012c. Dann ausführlicher in Schulz-Nieswandt 2013; 2013a. 32 | Dazu ausführlich in Schulz-Nieswandt 2013; knapper in Schulz-Nieswandt 2013a, kürzere Aufsätze von mir zum Thema dort jeweils zitierend. Ferner Jüngst 2000. 33 | Vgl. den Schluss in Schulz-Nieswandt 2012, S. 148ff. 34 | Nochmals Bollnow 1961. 35 | Schulz-Nieswandt 2015; 2015a.

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architektur bei Gehlen bis zu Blumenberg und der transaktionalen Biologie in der Tradition von Jakob von Uexküll (1956) u.a.36 ähnlich – Mauern ein. Bei Kästner dagegen geht es nicht um den Bau von Institutionen eines sich dergestalt wohnenden Einrichtens des Menschen in dieser gefährdenden Umwelt. Bei Gerhard Nebel überhaupt nicht. Es geht bei Kästner um die Geistigkeit des Inneren des Menschen. Einzige Abgrenzung wäre die Haut der eigenen Körperlichkeit, die den Grenzraum zwischen Innen und Außen darstellt. Die Konvergenz besteht darin, dass sich der Mensch in der Wüste eingerichtet hat, aber die beiden Formen sind von Differenz geprägt: Einerseits die anthropologische Analyse, die zu einer Theorie der Institutionen führt, andererseits die eskapistische Innerlichkeit. * Die vorliegende Werkbetrachtung Erhart Kästners legitimiert sich m.E. trotz der Verdienste von Kästner in der Prosadichtung weniger durch die poetische Qualität; die ist sicherlich handwerklich gut, ordnet sich aber wohl kaum im führenden Segment der modernen Literatur ein. Kästner ist vielmehr für mich kulturwissenschaftlich von Interesse. Er verkörpert einen seelischen Modus des Copings der Krise des gesellschaftlichen – existenziell begriffenen – Fortschritts im 20. Jahrhunderts. Kästner verkörpert – hierbei nicht nur Gerhard Nebel doch sehr ähnlich – ein Leiden am Verlust einer imaginierten theistischen ORDO-Welt eines kosmischen Gleichgewichts, in der das ganze Weltgefüge noch demutsvolle Stille angesichts des offenbarten Seins erheischt. All das sei im Zuge der Zivilisation als Kulturverfall verloren gegangen. Das sah auch Guardini so. Dennoch waren die geschlussfolgerten Wege aus der seelischen Daseinskrise des Menschen signifikant anders. Kästner kehrt nun diesem irreversiblen Verfallsprozess den Rücken und sucht postzivilisatorische Nischen erinnerter seelischer Ruhe und meditativer Stille. Im Rahmen dieses Konservatismus ist diese Haltung zeit- und epochenkritisch, aber nicht dialektisch, sondern dualistisch. Das Elend des Ist-Wertes trifft auf erinnernd imaginierte Soll-Werte einer verlorenen Welt. Eine dialektische Versöhnung auf dem Niveau eines weiteren Kulturwachstums scheint unmöglich zu sein. Das Ende konkreter Utopien ist gekommen. Hier liegt ein undialektiches »Rechnungswesen« von Soll und Ist vor. Es bleibt – und hier positioniert sich, was aufzugreifen war, Marie Luise Kaschnitz anders: »indes steigen Gedanken der Hoffnung auf« (Linpinsel 1971, S. 19) – beim Leiden ohne Hoffnung, auch wenn sich hier Gerhard Nebel noch radikaler aufstellt. Deshalb begleitet die unerfüllte Sehnsucht den homo patiens der abendländischen Zivilisation als Kulturchimäre.

36 | Buytendijk 1958; Portmann 1956.

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Als interdisziplinärer Sozialwissenschaftler, der an der Idee der Sozialreform37 hängt, auch wenn ich mir diese nicht als Politik trivialer Maschinen in der Tradition des social engineering 38 vorstelle, kann ich diese Haltung nicht akzeptieren. Sie mag episodisch sinnvoll und verstehbar sein. Die seelische Batterie muss immer neu aufgeladen werden. Viele Menschen haben das auf den griechischen Inseln gesucht, manche mitunter auch gefunden. Die Wüsten wie der Berg Athos (für Kästner das Jerusalem der »hochgebauten Stadt«: Kästner 1974, S. 155) sind dagegen schon extremere Rückzüge aus dem Leben, natürlich Modi der Alterität, also doch nicht aus dem Leben, sondern Formen innerhalb des Spektrums menschlicher Möglichkeiten. Ob das Klosterwesen wirklich definierbar ist als herrschaftslose polis (Kästner 1974, S. 40, S. 316), mag dahin gestellt bleiben. Einerseits. Andererseits meint Kästner dies wohl kirchenkritisch (S. 164). Es geht ihm ums Christentum, nicht um Theologie (S. 316): »Endlich Christentum; endlich einmal keine Theologie.« (S. 167) Das hindert Kästner nicht, alternative Theologien zu bekämpfen und Christentum vom Heidentum zu unterscheiden. Der Berg Athos ist für Kästner »der eigentlich anti-faustische Ort« (Kästner 1974, S.  226). An dieser Stelle (S.  226f.) wiederholt Kästner seine anti-wissenschaftliche Haltung, die sein ganzes (nach-kretisches) Denken und Dichten beherrscht. Wissenschaft – »Aberglauben«, »Riesengötze«: Und »Faust, der Forscher als Werkzeug und Beute des Teufels.« (S. 227; kursiv auch im Original) Natürlich meint er die Verselbständigung der Wissenschaft, er spricht vom »Selbstzweck« (S. 228) und erneut von des Teufels »Leere«. Ein Hauch von Differenzierung tut sich auf. Aber letztendlich schwingt Kästner den moralischen Totschlaghammer. Und dann folgt wohl ein Paukenschlag gegen das Matriarchat 39. Im Berg Athos gehe es nicht um das seichte Ewig-Mütterliche, um die soziale Geborgenheit, den Schoß der Harmonie, um das Zuhause und die Heimat, um die »Gluckenwärme« (Kästner 1997, S. 267). Stattdessen schwingt er das »Flammenwort Christi«: Die Werke des Weiblichen seien aufzulösen. Nun wird die Psychodynamik der Liebe als Geborgenheit des auf das Ur-Vertrauen angewiesenen Menschen der Ur-Angst verhöhnt. Aber mit Psychologie (ist ja Wissenschaft) hat Kästner im Rahmen seiner eigenen Weisheitsphilosophie wenig am Hut. Auch hier ist Guardini trotz seiner Kulturkritik von Wissenschaft und Technik differenzierter.40 Soll ich hier die dramatischen Erträge der Bindungsforschung41 aufführen und diese in die Befundelandschaft der Kinder- und Jugendhilfe gemäß SGB VIII42 positionieren? Aber das ist wohl profan. Damit 37 | Rodgers 2010. 38 | Etzemüller 2009; 2010. 39 | Klassisch: Bachofen 1975. Zu Bachofen auch in Schulz-Nieswandt 2013. Klärend: Röder/Hummel/Kunz 1996. 40 | Vgl. Guardini (1989a, S. 85ff.) zu Freud. 41 | Hopf 2005. Siehe dazu auch orientierend: Lengning/Lüpschen 2012. 42 | Dazu i. V. Schulz-Nieswandt/Hollenberg 2017.

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aber auch Hohn auf das auf Kindheit bezogene moderne Völkerrecht (vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2017). Hatte Nebel nicht gelitten angesichts des Elends der Kinder? Ja, aber auch er meint: Da kann man nichts tun. So ist der Mensch, so ist die Welt, immer schon. Oder karikiert Kästner – er kannte das »Mutterrecht« von Bachofen – nur Varianten feministischen Mutterrechts? Das ist kaum zu validieren. * Nicht alles ist dem Diskussionsstand von Kästners Werke im Kontext ihrer Entstehungs- und Entwicklungsphasen geschuldet. Geborgenheit ist wichtig. Darüber sind wir in der Tat von der Forschung aufgeklärt. Und die soziale Welt der Kinder wird durch die Eremiten kaum besser. Die soziale Welt selbst wird man gestalten müssen – aber kaum von der Kinderschutzzentrale auf dem Berg Athos ausgehend. Das fällt mir noch eine Frage ein: Gibt es eigentlich Studien über erzwungene Homosexualität in solchen heiligen Wüsten? Und zugleich wird eine Selbstbesinnung der Kritik notwendig. Es geht nicht darum, dass der Mensch Orte der Reinigung der Seele braucht. Aber doch nur, um die Welt sodann politisch zu humanisieren – oder? Und demnach ist diese Kritik der (z.T. epochenübergreifenden) Zeitgeschichte aus der Wüste heraus nicht wirklich eine, die in den Gegenstand der Kritik eindringt. Das habe ich immer anders empfunden, wenn ich (schon seit meiner Abiturzeit) die Malerei der »Brücke«43 und »Der Blaue Reiter«44 oder schließlich die »Neue Sachlichkeit«45 rezipiert habe. Doch in der meditativen Welt des Berges Athos dreht sich die Welt um ganz andere Dinge (Kästner 1974, S. 271). Und Kästner erzählt eine altindische Geschichte von einem Einsiedler als »Geschichte der Gelassenheit«46 (ebenda, S. 276; kursiv auch im Original). Natürlich, dass ist auch eine notwendige Haltung im Sozialstaat: Krankheit, Übel, Abschied, Scheitern, Alter(n) und Tod sind Kategorien der philosophischen Anthropologie und können nur von der Sozialpolitik (immerhin) verlaufsgestaltet, aber nicht eliminiert werden. Es geht um die conditio humana. Natürlich ist es richtig, und aus der kognitiven Psychologie der Stressbewältigung bekannt: »Wenn man unglücklich ist, hat man zwei Wege, seine Lage zu ändern: entweder man verbessert die Lage oder man verbessert seine Auffassung davon. Das erste kann man nicht immer, das zweite steht immer in unserer Macht.« (Kästner 1974a, S. 64) Es ist eine Einsicht in die Pfade der Akkomodation und Assimilation als Modi der Adaptionen in einem transaktionalen Zusammenspiel von Person und Umwelt (Uexküll 1956)47. 43 | Lorenz 2013; Presler 2007. 44 | Göttler 2008; Zeise (o.J.). 45 | Presler 1992. 46 | Zur Tugend der Gelassenheit vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2014a, S. 9f. 47 | Vgl. in Schulz-Nieswandt 2006.

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Aber die Weisheit darf nicht in Zynismus umkippen: Armut – kein Problem, es kommt auf die Einstellung an. Was die Gesellschaft dann einstellt, das ist die Grundsicherung als Gewährleistungsstaatsaufgabe, die die Grundrechtstheorie der Teilhabechancen (dazu Schulz-Nieswandt 2017) definiert hat.48 Kästner überzieht und würde heute von konservativen Neo-Liberalen49 Applaus erheischen: »Wer in Wohlstand lebt, kann die heftigen Ausschläge zwischen Glück und Unglück nicht kennen; dennoch, Existenz wird nur in der Schleuder erfahren.« (Kästner 1974a, S.  179)50 Natürlich muss wohlstandsorientierte Sozialstaatspolitik und –theorie im konstituierenden Rahmen der conditio humana ihren anthropologischen und ethischen Sinn erhalten. Aber Kästners Argumentation ist gefährlich. Sie gefährdet ungewollt die Humanisierung des sozialen Lebens in dieser Karikierung des Wohlstandsstrebens. Kästner ist klassisch konservativ51: »nichts gegen soziale Gerechtigkeit«, »nur viel gegen die Menschen« (Kästner 1974a, S. 191). Aber was eben dem Wesen des Menschen nicht entspricht, ist sodann ohnehin erledigt. Typisches Argument ist: »Wer es gut hat, wills besser haben; so fängts immer an.« (S. 227) Diese Haltung ist auch von Nebel bekannt. In der Besprechung zum editierten Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und Nebel schreibt Elke Schmitter: »Eine Rente hat Nebel vom Staat genommen, was er aber über den sozialen Wohnungsbau dachte, das möchte man lieber nicht wissen.« (Der Spiegel 15/2004). * Und es gibt für den homo patiens auch andere unlösbare Probleme. Als Reaktion auf den Tod Hauptmanns reagiert Kästner (1974a, S. 121) in Bezug auf die Trauer: »Die Zeit wird sie nicht heilen, die Zeit trägt sie aus.« Warum (siehe soeben oben) eigentlich ein altindisches Märchen? Nicht, dass dieser trans-eurozentrische Rekurs nicht wichtig sei. Aber Odysseus selbst ist

48 | Dazu auch Schulz-Nieswandt 2006a. 49 | Schulz-Nieswandt 1985. 50 | Vgl. auch Schulz-Nieswandt 1987. 51 | Beyme 2013.

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Sinnbild dieser Akzeptanz52 der leidenden Endlichkeit. Der 5. Gesang53 ist der Schlüsseltext. Odysseus verzichtet auf die Unsterblichkeit bei der erotischen54 Kalypso55 und will zurück zu Penelope.56 Damit willigt er in seine Endlichkeit ein. Die Odyssee ist somit selbst eine erste Form der philosophischen Anthropologie in der Gestalt des klassischen Mythos: Sinnhaft wird das menschliche Leben eben erst im Lichte der Endlichkeit. Das Sterben und somit der Tod konstituieren (quasi-transzendental: vgl. dazu in Schulz-Nieswandt 2015, S. 61f.) erst das Abenteuer des Lebens in der dort eingelassenen Sinnsuche und Gestaltwerdung der Daseinsqualität. Die Odyssee nimmt den Kern moderner Existenzialanalysen des Todes vorweg. Aber Kästner führt indische Ideentradition an, nicht Odysseus; er will ja seine altgriechische Sozialisationsepisode hinter sich lassen. Der Weg hat ihn von der Lichtmetaphysik der heidnischen altgriechischen Landschaft über die Wüste zum Berg Athos geführt. Die altgriechische Seins-Lichtung wird nun christologisch und dies im Modus der Orthodoxie getoppt. Dennoch taucht das alte Griechenland immer wieder aus dem Un-, Tief-, Halb-, Vorbewussten auf: so die Wahrnehmung einer Amphore als Ausdruck »einer erfüllten, alles ordnenden Welt« (Kästner 1974a, S. 152). Ist diese Analyse von mir zu ironisch? Nur schmerzt es im wissenschaftlichen Herz eines Sozialpolitikforschers (Schulz-Nieswandt 2015a), der sich – sehr um kritische Selbst-Reflexion zentriert 57 – durchaus um eine Fundierung im 52 | Otto 1987, S. 164ff. Zur Überwindung des Todes durch dessen Anerkennung: S. 186 sowie S. 191, auch tiefgreifend: S. 339ff. zum Weichen der Götter angesichts der Macht der Moira. Mit den Göttern schwindet auch das Leben und der Tod als der tiefe Sinn des Ganzen wirkt endgültig (S. 367). Das Leben ist Begegnung; der Tod einfach das Ende davon (S. 368). Was bleibt, das ist die Möglichkeit, alles Gewesene im Gedächtnis zu bewahren (S. 368). Der Tod ist »lebendige Wirklichkeit, die sich selbst bezeugt.« (S. 368) Oder (S. 369): »Wie kalt und bitter auch die Notwendigkeit sein mag, die Größe des Todes bleibt als letztes Vermächtnis des Lebensglanzes und seiner Götter.« Zur philosophischen Anthropologie der Endlichkeit bei den alten Griechen: Otto 1987, S. 310: »Der Mensch ist ein widerspruchsvolles Wesen, das an vielen Gestalten des Daseins teilhat. Tag und Nacht, Glut und Kälte, Klarheit und Sturm nehmen ihn in Anspruch. Diese Vielfältigkeit, die seine Lust und seine Qual ist, macht ihn zum beschränkten und vergänglichen Wesen.« So ist die altgriechische Religion von Tiefe und Reichtum des Daseins geprägt, nicht, wie die Erlösungsreligionen, von Sorge und Sehnsucht (S. 372). Und gerade deshalb konnte aus dem »unauflösbaren Widerstreit des Lebens« »die majestätische Gestalt der Tragödie« empfangen werden (S. 372). 53 | Tillich 2004, S. 15f.; Gagnebin 2001, S. 11f. 54 | Feldbusch 2003, S. 104ff. 55 | Güntert 1919. 56 | Vgl. auch Schulz-Nieswandt 2010a, S. 69. 57 | Vgl. dazu auch Schulz-Nieswandt 2012b und Schulz-Nieswandt 2014e.

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Geiste von Fundamentalontologie und philosophischer Anthropologie ernsthaft bemüht, wenn die Abkehr von der sozialen Wirklichkeit empfohlen wird. Nicht, dass SozialreformerInnen nicht als Sisyphos58-Typen Supervision und Coaching bräuchten (dazu ist die fachlich seriöse Literatur Legende59). Aber ihr »Geschäft« ist die praktische Arbeit an der Kultur des Sozialen. Und diese findet nicht auf dem Berg Athos statt. Doch Kästner (1974, S. 313): »Soll man sich einrichten in der Zeit und in der Welt? Ist es besser, die Welt zu verlassen und aufs Ende der Zeiten zu warten? Das war es ja eben.« »Weltflucht oder Weltklugheit?« (S. 315) Kein Gegensatz, sagt Kästner. Aber wie löst er ihn auf? Zugunsten der Eremiten! Denn: »die Mönche sind Griechen und so verstehen sie, was so schwer zu verstehen ist. Evangelische Freiheit.« (Kästner 1974, S. 315) Ob manche Geisteshaltung von dort – aus den Klöstern heraus – hier sinnvoll gepflanzt sei, ist eine durchaus andere Frage. Ich bin nur skeptisch, ob Kästner so gedacht hat. Es folgen bei ihm nämlich extrem dualisierte Binärismen, die keine komplementäre Binnenspannung der Pole thematisieren, wenn er den Sonntag dem »Ewig-Werktägliche(n)« entgegensetzt (Kästner 1974, S. 282). Der Sonntag, das Fest60 überhaupt, macht als Ausnahme doch nur wirklich Sinn, wenn es zur Veredelung des Alltages beiträgt. Wo liegt der sozialpolitische Beitrag des Athos? Ich meine nicht die seelische Batterie-Auflade-Station. Ich thematisiere auch nicht den kulturbildungspolitischen Beitrag der Eremiten. Ich frage nach dem primären Ort für die »Masse« der Existenzerhellung. Unbezweifelt sei, dass diese existenzerhellende praktische Sozialpolitik, in der Philosophie und Alltag überbrückt werden, geistige Eliten mit Charakter brauchen. Aber sie müssen von den lichten Höhen des Berges in die Niederungen des menschlichen Alltags eindringen, um hier den (Gerhard) Nebel zu lichten, das Dasein zu erheben helfen, am Glück der Mitmenschen zu arbeiten. Ja, zu arbeiten, Werk-tätig zu sein, soziale Arbeit zu leisten, mit und durch und für den Mitmenschen der profanen Masse, um deren Seelen es geht. Natürlich – so Paul Tillich – braucht das Wagnis zum Sein einen Mut zum Sein. Die Kraftquelle dazu ist die Liebe. Aber diese Aufgabe wird nicht am Athos als Governance-Zentrum gesteuert. Im Lichte sozialer Gerechtigkeit bedarf es der legitimen Macht des sozialen Rechtsstaates (sowie, wo immer möglich, die subsidiär vorzugswürdige Form des Genossenschaftlichen61), um die Liebe gattungsgeschichtlich in den ontologisch gesetzten Grenzen wirksam werden zu lassen (Schulz-Nieswandt 2017). Soviel profaner Realismus muss sein. Vielleicht tue ich dem (ganzen) Menschen Erhart Kästner Unrecht. Aber ich habe nur seine literarische Ausdrucksform, an der ich hermeneutisch auch noch 58 | Schulz-Nieswandt 2010a, S. 28f., S. 119, S. 139. 59 | Vgl. etwa Schmidt-Lellek/Schreyögg 2011; Graf u.a. 2011; Kühl 2008. 60 | Maurer 2004. 61 | Dazu Schulz-Nieswandt 2015c.

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zu scheitern vermag. Vielleicht meine ich einen Typus des thematisch generalisierten Dritten und treffe ihn persönlich stattdessen? Zumindest eine tiefengrammatische Ambivalenz dürfte evident geworden sein. * Kästner meint, die Neuzeit glaube, das Schicksal und den Tod zu überwinden62; und so käme es zum Tod Gottes: Damit stirbt ab, was in der »Altzeit« so sinnstiftend war: »Geduld und Demut, Gehorsam, Glaube und Hoffnung.« (Kästner 1990, S. 58) Wenn wir – hier führe ich nicht die einschlägige Literaturlandschaft an – Palliativmedizin und –pflege vorantreiben, eine Humanisierung der Demenzbetreuung im Akutkrankenhaus anstreben, wenn wir die Ent-Stigmatisierung der Hauptschul-Loser begehren, wenn man die Frühen Hilfen im SGB VIII ausbreiten möchte (die Themenliste ist lang) – ist das alles Makulatur angesichts der dämonischen Neuzeit? Stattdessen: Der Gottesdienst sei leer. Die nachfolgenden Zeilen an Nietzsche flachen dann aber, ihn (den Philosophen der »Hetze«: Kästner 1990, S. 139) ohnehin nicht angemessen verstehend, ab. Der Mensch – dessen Wissenschaft – würde Gott ersetzen. Kästner verweist, obwohl er eingesteht, darauf sei Menschenelend aufgebaut gewesen, auf die Mächte der Begabung, des Todes, des Schicksals und des Zufalls (vgl. auch Kästner 1990, S. 63). In welche ORDO-Welt will da Kästner eigentlich zurück? Kästners Reflexion über die Möglichkeiten des rechten Gebrauchs der Macht fallen63 weit hinter Überlegungen von Tillich und Guardini zurück. Interessant: Denn christlich (jedenfalls mit Blick auf philosophisch anspruchsvollere Positionen christlicher Theologie) ist das eben nicht mehr. Dort stellen der homo donans der philia und agape im »Mut zum Sein« einerseits und der homo abyssus als am Wagnis des Seins scheiternder homo viator64 (wie bei Peter Wust und Gabriel Marcel) andererseits ein Spannungsbogen dar. Ist hier angesichts der »Dialektik der Aufklärung«, der Kästners Diagnostik in flacherer Form ähnelt (Kästner 1990, S. 60f.), wirklich und ernsthaft nur die »Weisheit aus der Mönchszelle« (S. 61) anzubieten? Kästner wird so zum Denker einer Kritik eines ubiquitären Totalitarismus. Und diese totalisierende Kritik findet sich auch bei Gleichgesinnten wie Jünger65. Alles und dies überall wird als totalitär verstanden. Gute Theorie ist das sicherlich nicht. Und dennoch fällt völlig unvermittelt der Satz vom Himmel: »Guter Stil 62 | Dazu insgesamt Schulz-Nieswandt 2010a, S. 361ff. 63 | Zur nachfolgenden Thematik: Schulz-Nieswandt 2015. 64 | Schulz-Nieswandt 2013, S. 79. 65 | Dazu Müller 2014, S. 145. Hier geht der homo faber dem homo oeconomicus voraus (S. 254).

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hat etwas mit Nächstenliebe zu tun.« (Kästner 1990, S. 75) Das wiederum erinnert an jene Passagen, in denen Kästner, bevor die theologische (byzantinische66) Mystik die Haltung Kästners zur Welt dominieren sollte, über Gabe und Gastfreundschaft sprach. Dort geht es um die polis – und dabei um die Gemeindeordnung im Übergang zu einer Ontologie, die in Rechtsphilosophie und politische Philosophie ausmündet. Doch die Passagen sind im Lauf des Werkwachstums von Kästner verkümmert. * Ist diese Perspektive aber nicht wieder zu lichten? Kästner schwebt eine geistige Autarkie neben der Profanität der »totalen Barbarei« vor: Alles »wird davon abhängen, ob wir die Wirtschaft zwar annehmen, uns einrichten, sie aber auf ihr Feld beschränken.« (S. 12) Die Alternative hält Kästner wohl für unmöglich: Die Sphäre der Wirtschaft sittlich einzubinden (Theorem des cultural embeddedness), kulturell einzubetten, zu humanisieren. Gabe und Gastfreundschaft nur im Kloster, nicht in der profanen Welt? Es geht nicht darum, dass die soziale Welt nicht einer herrschaftskritischen Kulturkritik bedarf. Das Walten instrumenteller Vernunft – an das Kategoriengebäude der Kritischen Theorie67 und z.B. an Habermas` »Technik und Wissenschaft als ›Ideologie‹«68 erinnernd anknüpfend – ist ungebrochen ein Thema. An anderer Stelle habe ich die Brüsseler Regulationsmaschinerie der EU-Kommission in einer religionsphänomenologischen Sprache kritisch de-konstruiert69, aber dies in praktischer Absicht, schlechter Politik wieder das Wesen des Politischen (wonach die politische Differenz [neuerer französischer Politiktheorie folgend 70] struktural der ontologischen Differenz bei Heidegger nachbildend zu verstehen ist) nahebringend. Es geht nicht um geistige Freiheit im Modus der innerlichen Weltflucht, die in dieser Innerlichkeit die offenbarungstheologischen Pfade zur Transzendenz findet, sondern um eine Anthropologie der Transzendenz in der Immanenz (Schulz-Nieswandt 2015a), die unweigerlich in einer Rechtsphilosophie des gelingenden sozialen Miteinanders und somit in einer politischen Philosophie des institutionellen Ordnens dieser Welt der Dialogizität, der Gabe und der Gegen-Gaben ausmünden muss. Ist bei Kästner (stärker anfangs in seiner Werkwachstumsgeschichte) davon (noch ausgeprägter) die Rede, so verflüchtigt sich diese humanistische Reflexion in einer Barthianischen Theologie des transzendenten Gottes, seiner Engel und der demütigen Öffnung des Menschen »nach

66 | Dazu Blum 2009. 67 | Wiggershaus 2010. 68 | Habermas 1968. 69 | Schulz-Nieswandt 2013b. 70 | Marchart 2011; 2013; Bedorf/Röttgers 2010.

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oben« zum Himmel hin. Wo einst, so Kästner, noch Himmel war, ist nun der Düsenjäger (Kästner 1974c, S. 7). Es ist mir nicht klar, ob meine Wertschätzung von Kästner angesichts meiner de-konstruktiven Lesarten immer präsent bleibt. Ich würde mich nicht mit Kästner beschäftigen, wenn er zur Daseinsproblematik des Menschen (immer und auch heute) nichts zu sagen hätte. Die Frage der Werkrelevanz ist nicht gestellt. Aber gerade an dieser Stelle: Die Faszination des Himmels71 ist weg, die der Flieger im Aufwind. Sorry – aber das ist Songlyrik der 1980er Jahre: »99 Luftbalons« von Nena und die Kritik der Generäle. * Psychodynamisch hat dies Kästner trotz seines Freiheitdrangs komplettiert durch »seine Neigung, Größe zu verehren und mit ihr in Kontakt zu treten« 72 . Damit komme ich zum letzten Abschnitt der vorliegenden Studie.

71 | In der Religionsphänomenologie – man Blicke in die einschlägigen Werke von Mircea Eliade (z.B. Eliade 1998) – ist die kosmische Raumordnung von Himmel (oben) und Erde (unten) konstitutiv und wird auch im Kontext des neueren spatial turn in der Theologie (Wüthrich 2015; vgl. auch Beuttler 2010, auch mit Bezug auf Tillich [S. 27f.] und Barth [S. 29f.] diskutiert). Zugleich spielen daher hohe Berge – als Orte der Gottesbegegnung – eine entsprechende Rolle. Vgl. auch Deidenbach 1994, S. 13 zur (Psychologie der) Bergpredigt im AT. Das Phänomen der heiligen Berge lässt sich religionsphänomenologisch (Braun 1993, S. 60f.) verallgemeinern. Auf den Klassiker van der Leeuw 1933, S. 35f. ist ebenso zurückzugreifen wie auf Heiler 1979, S. 37f. Vgl. auch in Schröder/Weymann/Widmann 2011, S. 40f. 72 | Albert von Schirnding im Vorwort zu Hiller von Gaertringen 2004a, S. 12.

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H. Inter-Textualität und Originalität. Eine Entzauberung

Wie ist nun der originale Beitrag von Kästner zur Literatur-, insbesondere zur Reiseliteraturgeschichte einzuschätzen? Die inter-textuellen Bezugssysteme sind von mir deutlich herausgearbeitet worden. Sie sind derart stark konturiert, dass sich mitunter fragen lässt, wie es um die Originalität steht. Damit stehen bei mir gar nicht Duktus und Stil im Vordergrund. Es geht eher um die daseinsthematischen Konturen, dabei nicht nur um die Topoi der Zivilisationskritik, vor allem in Bezug auf Stadtleben und Technik, auf Staat und Bürokratie sowie Wirtschaft und Konsum. Auch in metaphorologischer Hinsicht liegen die Inter-Textualitäten offen: Das gilt für die Wüste, für das Licht, für Wasser und Wein, für das ganze Landschaftserleben, für die Musik der Stille, für die theologische Geometrie von Oben und Unten etc. Auch z.B. für die Farbe Blau. Und so sehr Kästner der Beachtung wissenschaftlicher Befunde abgeneigt ist, manche Ausführungen zu Tanz und Ekstase, zu Maske, zur Gabe und zur Gastfreundschaft, auch zur Melancholie etc. erinnern an die vielen einschlägigen Forschungen aus Religionswissenschaft, Ethnologie und Altertumskunde. * Viele weitere mögliche Inter-Textualitäten haben sich mir erschlossen. Diese seien hier zum Ende der Studie kurz angeführt. Sie aufzugreifen, würde auf mehrere eigenständige Kapitel hinaus laufen. Aber dazu wären mehr Recherchearbeiten zur jeweiligen Entstehungsgeschichte der Texte und ihre mögliche Rezeptionssequenz notwendig gewesen. Einige Andeutungen seien dennoch gemacht. Alfons Paquets »Delphische Wanderung« von 1922 ist weniger von Interesse. Weder sein Stil noch seine dominante Thematisierung der militärisch-politischen Konflikte seiner Reisezeit legen hier Zusammenhänge nahe. Faszinierend ist dagegen »Griechenland als Erlebnis. Ein Reise-und Erinnerungsbuch« von Franz Carl Endres von 1929. Sein archimedischer Sattelpunkt ist der vorangestellte Spruch von Goethe

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Erhart Kästner (1904-1974) »Und an dem Ufer steh‹ ich lange Tage, das Land der Griechen mit der Seele suchend« (Iphigenie, 1. Akt, 1. Szene).

Er entfaltet eine eigene Wahrnehmungsauffassung, die Wahrheit des Erlebens von positivistischer Richtigkeit unterscheidet. Er generiert – es erinnert vielleicht etwas an Buschors Typologie der modernen Akropolis-Pilger (Buschor 1960, S. 5ff.) – in quasi-mystischer Weise eine elementare Magie von Hellas (S. 39). So liegt hier jenes – auch bei Peterich tief angelegtes1 – Staunen angelegt, von dem Kästner immer wieder sprechen wird, auch gerade mit Blick auf die Entseelung der Moderne: »Die alten Götter sind tot, sagt ihr Rationalisten einer entgötterten und sehr traurig gewordenen Welt« (S. 81). Und: »Ich sage euch, sie leben.« (S. 81) Sie sind der »geöffneten Seele fühlbar!« (S. 82)2 Die Ästhetik der Zikadenmusik erschließt sich hier, nicht als Krach (S. 82), sondern als Offenbarung. Dass man Griechenland nicht per Auto erfahren kann, wie von Kästner bis Koeppen konstatiert wird, ist auch bei Endres so angelegt (S. 83): »Und so fühlt diese Seele mit einem Male, wie gottesnah sie in Wirklichkeit ist, und wie gottesferne sie durch zivilisatorische Sklavenarbeit am materiellen Zweck geworden ist.« (S. 85) Esoterik und Mysterium sind hier für Endres konstitutiv. Man merkt allerdings auch, wie weit Endres von einer Betonung der Überhöhung des AltGriechischen durch das Christentum – im Gegensatz zu Kästner – entfernt ist: »Im griechischen lichten, hainartigen Wald, den überall die Sonne durchdringt, leben nur heiter und fröhliche Wesen des Zwischenreiches.« (S. 92) Das mag hier genügen. Es gibt tiefere Affinitäten in anderen Quellen. Kästners Offenbarungsglauben, der die Zeitlosigkeit beschwört, findet sich bei vielen Autoren, die zum Teil am Rande bereits angeführt worden sind: bei Helwig, bei Peterich, bei Rudolf Bach. Es handelt sich um eine literarische Strömung, die die antike mittelmeerische – nicht nur griechische (wobei auch bei Carossa [1947, S. 138] Italien3 als historischer Ort der Ausstrahlung Griechenlands, geographisch vorgelagert, galt) – Kultur als zeitlose Idealität darstellt. In der Abkehr vom modernen Zeitgeist wird eine überzeitliche Elementarstruktur der Humanität beschworen.4 Hier gehört auch Egon Vietta’s »Zauberland Kreta« (1952) hin. Vietta beschwört – wie Nebel und Kästner – in Abgrenzung zu den Wissenschaften (S. 15,

1 | Dazu Hösle 1969. 2 | Vgl. auch Peterich 1953. 3 | Zu Italien hat auch Edschmid (Schlösser 2007) ein mehrbändiges Reiseberichte-Werk vorgelegt. Ich habe hier nur selektiv in die sechs Bände Einblick genommen, so in Edschmid 1954 und Edschmid 1955. Anzuführen ist natürlich auch das monumentale Werk von Gergorovius 1953. Auch Peterich hat (1958-1963) einen dreibändigen Italien-Führer (München: Prestel) publiziert. 4 | Kritisch zu Vietta: Streim 2008, S. 261ff.

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S.  33) eine andere Erfahrung5. Gemeint ist ein Wunder, dass dem modernen neurotischen Menschen des Maschinenzeitalters (S. 62) wohl verschlossen bleibt (S. 42f.). Stattdessen wird an Hölderlin angeknüpft: »Wir Spätgeborenen genießen die Früchte des Feldes, als sei diese Erde der Lieferant und nicht die schenkende Gottheit.« (S. 63) Von einer christlichen Überhöhung dieser alt-griechischen Erfahrungswahrheit des Daseins ist, wie auch bei Franz Spunda (1926), jedoch – anders als bei Nebel und Kästner – nichts zu merken. Fortschritt erweist sich als fraglich (S. 131). Analog aber wiederum: Der Mensch mag vorangeschritten sein: Der Ölbaum ist unverändert geblieben (S. 131). Durchgängig im Sinne einer feinen Tiefengrammatik thematisiert Vietta die Musik dieser Ontologie: Frieden, Stille, Dauer. Zugleich Leben als Bewegung, aber im Strom dieser Ewigkeit: Musik der Stille im Hain. * Enger sind vielleicht noch die Bezugsmöglichkeiten zu Richard Seewald (dadurch wiederum auch den ganzen Kreis von Däubler, Peterich6, der das Stauen in der Seinsoffenbarung des Landschaftserlebens so prägnant betont hat [Hösle 1969], und Helwig ansprechend). Ich greife auf »Das Griechische Inselbuch« (2. Aufl. von 1966) und auf »Im Anfang war Griechenland« (1961) zurück. Auch auf »Frutti di Mare. Eine Reise durch Häfen und Inseln« (Seewald 1933) kann verwiesen werden. Man mag auch die Differenzen sehen. Seewalds durchgängige Spur der Thematisierung der Erotik, auch im Lichte der eigenen Alternsreflexion, ist Kästner fremd. Auch ist Seewald deutlich zum Katholizismus konvertiert. So ist auch bei ihm die griechische Wurzel Europas christlich überhöht, aber nicht so streng wie bei Kästner. Die vielen eigenen Zeichnungen – wie sie Seewald auch zum kleinen Bändchen »Ägäischer Sommer« von Rudolf Hagelstange (Neuausgabe von 1968) beigeliefert hat – müssten jedoch Kästner sehr angesprochen haben. Tiefe und Erinnerung als tiefes Eindringen in das Innere prägen den Erlebnismodus von Seewald (1962, S. 22f.). Das Motiv des Fensters taucht auch bei ihm auf (S. 24f.). Psychodynamische Motive von Verhüllen und Offenbarmachen, von Draußen und Drinnen tauchen auf (S. 26). Es geht um Helle, um Licht und Farbe (S. 124, S. 130) und somit um Auferstehung; die diesbezügliche Magie kommt der Kunst zu. Es geht um das Erkennen. »Schwimmen, metaphysisches Vergnügen: Schweben, getragen sein, sinken, kraftvolles Rudern, Spiel und Mühe, Selbstbe5 | Seine faszinierende Ontologie und Anthropologie des Tanzes (Vietta 1938; Vietta 1948, S. 107, Vietta 1948) erinnert sehr an Studien von Walter F. Otto (Schulz-Nieswandt 2014a). 6 | Oftmals mit engen Bezügen zu Ernst Buschor und Guido Kaschnitz von Weinberg. Zum Stil der gelehrten Abhandlung bei Kaschnitz-Weinberg vgl. z.B. Kaschnitz von Weinberg 1958.

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hauptung und Wissen um Untergang.« (S. 103) Insofern taucht hier die Katholizität (S. 107) der Transzendenz-Ahnung auf (S. 129, S. 142). Hier ist Seewald die katholische Analogie zu Kästner, auch mit Blick auf die Bild-Auffassung: »Es gibt nichts auf der Welt, was nicht Bild ist.« (S. 148, S. 123) Kulturkritik (z.B. S. 104, S. 120), so die des modernen oberflächlichen Tourismus, ist auch bei Seewald ein Thema (S. 153), aber alles leichter und wenig hart als im barthianischen Stil von Kästner. Auch bei Seewald steht im Kloster die Zeit still (S. 198). Und auch Seewald rekurriert auf Goethe mit Blick auf die Seele als Modus der Erfahrung Griechenlands (S. 203f.). Das alles sind nur relativ lose Aspekte der vergleichenden Analyse. In Seewald (1961) werden die Formungswurzeln des christlichen Europas im alten Griechenland deutlicher nachgezeichnet, gerade auch angesichts des Zeitalters der Massenmenschen unter Hitler (S. 14). Frieden und die Idee der vereinigten Staaten von Europa spielen hier die Rolle einer gewissen tiefengrammtischen Signatur (u.a. S. 25, S. 46, S. 139). Aber wie Kästner kennt auch Seewald die Theologie des demütigen Dienens (S. 49). Es ist dies eine andere Modalität der Wahrheitserfahrung, eine Modalität, die in Museums-Bildungs-Reisen nicht erreichbar ist (S. 73). Stattdessen: »Staunen setzt aber Frommsein voraus.« (S. 86) Und dann entfaltet Seewald (S. 93ff.) seine Ablehnung der gottlosen Theo-Philosophie. Und sodann öffnet sich die katholische Seele Seewalds sogar dem Byzantinischen (S. 140ff.). Die (nicht geographisch fassbare) Identität Europas an den Grenzen des Abendlandes ist bei Seewald ein durchgängiges Thema (u.a. insbesondere in Seewald 1955). * Tieferes Verständnis zum europäischen Synkretismus bietet der bereits angeführte Spunda (1926). Die dort dargelegten persönlichen Beziehungen zu Däubler überraschen nicht (S. 57, S. 123, S. 127, S. 135f., S. 139, S. 260). Griechenland, Christentum, Byzanz – das ist auch hier, wie bei Kästner, eine Entwicklungslinie synthetisierender Art. Spunda beginnt mit einer typischen Disposition, die Topographie, Mentalität und Kulturgeschichte verknüpft: Italien sei schön, aber »Griechenland ist unendlich stiller, tiefer und geistiger.« (Spunda 1926, S. 7) Griechenland sei der Urquell, der Italien befruchtet hat. Und Stille meint hier Kontrast zur modernen »Hast Europas« (S. 7). Spunda findet so – auf Goethes Spuren – Griechenland »mit der Seele« (S.  7; vgl. auch S.  211). Dennoch ist Spunda für die Psychodynamik der griechischen religionsgeschichtlichen Transformationen offen. Das uralte Dunkle – das gorgonisch-medusische Grauen (S. 17) – sei griechisch (S. 16), taucht dann aber (vgl. vor allem überaus deutlich S.  130) ein und geht (den heute üblichen Stand der religionswissenschaftlichen Forschung zur Dialektik von Dionysos und Apollon früh vorwegnehmend) über ins apollinische Licht – nach der der Mensch

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giert (S. 117) – der Ordnungsbildung (S. 100). (Vgl. dazu auch überaus prägnant bei Kazantzakis 1988, dessen [S. 13] Bi-Polaritäten [Gott : Mensch = Mann : Frau = Oben : Unten = Geben : Empfangen]

u.a. sehr an Bachofen erinnert.) Licht sei Reinigung und sodann Erlösung (Spunda 1926, S. 118). Dies klingt analog zur christlichen Überhöhung der urgriechischen Seinserfahrung bei Kästner, bleibt bei Spunda aber apollinisch. »Klingt hier nicht schon die Christusidee an?« (S. 119) Aber »Delphi blieb unberührt von […] Christen« (S. 119). Und dennoch: Apollon lebt in byzantinischer Verkleidung weiter (S. 124). Also doch eine analogfundierte Nähe zu Kästner?! Oder: »Das russische Christentum ist Apollonismus in seiner reinsten Form.« (S. 125) Insofern reflektiert Spunda (vgl. auch S. 272ff.) – u.a. auf Hofmannsthal Bezug nehmend – Erfahrungen im Klosterwesen (S. 138f., S.  141f., zum Teil den soziologischen Einsichten der zitierten Erzählungen von Fermor ähnelnd [S. 284] und das Thema der Anachoreten bei Kästner bereits aufrufend: S. 284). Zugleich ist bei Spunda eine Binärik Europa versus Asien – eine Binärik, die auch im Fall von Gregorivius überprüft werden müsste – durchgängig wirksam (vgl. u.a. S. 193f., S. 256). Dennoch hebt Spunda die dunklen Wurzeln der apollinischen Lichtreligion hervor: »Pan, die immer rätselhafte, wilde Natur.« (S. 215) »Und auf einmal erkenne ich, welche Bedeutung Griechenland für die Entstehung des Christentums hat.« (S. 215) Hier liegt eine Differenz zu Kästner vor. Kästner überwindet das Griechische im Christlichen. Spunda erkennt die bleibende Bedeutung des Griechischen. Im Apollinischen stehen das Christliche und die olympischen Götter »friedlich nebeneinander« (S. 216) wie (S. 288) {Bock : Lamm}.

Hier denkt Spunda die Entwicklung also nicht im Modus einer linearen Aufhebung. Daher: »Und das ist nicht mehr Athen, das ist schon Byzanz. Und dieses ist die letzte Vollendung des griechischen Geistes: die heilige Wahrheit, die alles Irdische ins Himmliche verklärt, die Hagia Sophia.« (S. 229) Das Christliche ist nicht die Steigerung des Altgriechischen, eher eine Variante. Das Altgriechische bietet demnach einen tiefen »Blick hinter die Mysterien des Christentums« (S.  236). Schon Demeter stiftete einen Bund mit den Menschen (S.  237). Und dies alles ist durchaus – nur nicht so penetrant wie bei Kästner – vor dem Hintergrund der Verlusteigenheit der modernen Technikwelt gedacht. *

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Es gibt noch weitere interessante mögliche Bezugsquellen. Befreundet mit Thomas Mann war Josef Ponten, jedoch nur bis 1933. Das Verhältnis zum Nationalsozialismus von Ponten war kompliziert, ambivalent, opportunistisch, letztendlich in ideosynkratischer Weise oppositionell7. Herangezogen werden kann von Ponten »Heilige Berge Griechenlands« (Ponten 1936). Dieses Büchlein ist eine leidenschaftliche Landschaftshuldigung, aber ohne übertriebene Theologisierung. Zwar scheint die Götterwelt immer wieder hindurch, aber eher sanft und zurückhaltend. Pontens Reisebericht ist daher hinsichtlich des Landschaftserlebens ganz typisch für die Griechenlandsehnsucht. Ganz typisch ist auch der Hauch der anwesenden alten Götterwelt. Doch dominiert das Landschaftserleben. So ist Nähe zu Kästner konstruierbar, aber mit Blick auf die Offenbarungsreligiosität von Kästner eher Distanz und große Differenz. Zuvor hatte Ponten bereits einen künstlerischen Versuch des Erdbeschreibens zu den griechischen Landschaften vorgelegt (Ponten 1924). Erst recht hier findet sich keine religiöse Überhöhung. So bestauend alles sein mag, Ponten bietet – nur – eine unterhaltsame Erdkunde. * Von Interesse ist auch Hans Börgers »Griechische Reisetage« (Börger 1925): Erinnernd an die erste Ankunftserfahrung von Kästner (Kästner 1975a, S. 114) lautet es auch bei Börger (S. 13): »Wie im Traume umkreise ich das schweigende Land, nach dem ich mich sehnte, solange ich denken kann, und das zu betreten nun ein sicher winkendes Glück ist.« (vgl. auch S. 44). Insgesamt ist der Reisebericht bei aller Begeisterung (ähnlich wie bei Orrie Müller 1928) jedoch unaufgeregt 8. Landschaft, Archäologie und Beschreibungen sozialer Realität mischen sich zu einer nicht übermäßig tiefen, aber unterhaltsamen Reiseliteratur (vgl. etwa S. 41f.). Allerdings zeichnet sich eine gewisse Tiefenspur ab: das Gefühl einer Zeitlosigkeit (S. 41, S. 45), wie sie auch noch in neuerer Griechenlandliteratur betont wird (wie bei Fehr 1985, S.  57). Von »Weltvergessenheit« ist die Rede. Erfahrbar wird so »Delos und die Märchenwelt der Kykladen« (S.  51). Unaufgeregt sind auch die Darstellungen bei Mühlberger (1969), etwa zu »Brot, Wein und Olive« (S. 97ff.). * Das sind Vorkriegsautorenschaften. Daher könnten hier Bezugsspuren bestehen. Dies ist anders bei neueren Autoren. In der neueren Zeit könnte auf das Werk von Johannes Poethen eingegangen werden. Ich denke hier an »Urland Hellas. Reisen in Griechenland« (Poethen 1987) sowie »Der Atem Griechenlands« (Poethen 1977). Die 1987er Publikation geht auf Rundfunkbeiträgen aus den Jahren 1977 7 | Siehe insgesamt auch Parau 2012. 8 | Eher realistisch-soziologisch anmutend: Guttmann 1924.

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bis 1983 zurück, konnten Kästner also nicht bekannt sein. Die 1977er Publikation basiert jedoch auf Rundfunkbeiträgen der Jahre 1964-1976. In beiden Publikationen rekurriert Poethen positiv auf die Arbeiten von Walter F. Otto. Im 1987er Band insbesondere mit Bezug auf die Rohde-Otto-Kontroverse. Relevanter ist der Bezug auf Otto im 1977er Band (S. 9ff.). Denn dort geht es um die Art und Weise des Erlebens der griechischen Landschaft: entgegen Goethe eben nicht mit der Seele oder auch nicht mit dem Geist, sondern mit den Sinnen wie Hören, Sehen, Fühlen (S. 68f.). Insgesamt gesehen sind die Erlebnisse der griechischen Landschaft Reflexionen, akademisch gelehrte Reflexionen. Dies auch dort, wo Poethen auf Giorgos Seferis (1990; 2006) zurück greift (1987, S. 22ff.). * 1963 hat Rolf Bongs »Die grossen Augen Griechenlands« vorgelegt (Bongs 1963). Folgt man der Sekundärliteratur9, so mag er nicht nur wegen des angeführten Griechenlandbezuges von Interesse sein, sondern weil ihm eine gewisse Dissoziation infolge seiner Positionierung zwischen Selbstinstilisierung einerseits und Anpassung andererseits zugeschrieben wird.10 Die Griechenlandreise von Bongs beginnt – wie (fast) immer in allen Reiseberichten – über Venedig, aber insgesamt drückt Bongs keine tief-emotionalen Erwartungen angesichts seiner ersten Griechenlandreise, die er mit 50 Jahren startet, aus. Seine Beobachtungen sind leicht sozialkritisch getönt. Das Erleben Griechenlands wird nüchtern und realistisch geschildert, wie eine Sozialreportage (in der Tradition der qualitativen Sozialforschung) über Schmutz und Verwahrlosung. Der zentrale Eindruck ist (zunächst) kaum die einer Offenbarung von Daseinswahrheit, vielmehr: »Die Götter, die hier verehrt worden sind, finden keine Anbetung mehr, sie sind tot.« (S. 53; vgl. auch S. 159) Doch dann kippt das Erleben: »Mit einem Male war ich in Griechenland. Wie ein Blinder war ich umhergegangen« (S.  54). Aber im weiteren Gang der Erzählungen wird deutlich: Das sind nur Momente. Doch Momente von Wahrheit, Einsamkeit und Stille (vgl. etwa S.  313) treten nun immer wieder auf (vgl. S. 117: »Ich bin angekommen.«). Aber dies nicht in der harmonischen Klassik der Idealisierung (S. 200f.), sondern in der normalen Ambivalenz des Alltäglichen. Eher flach sind die Aufzeichnungen von Rudolf G. Binding (1953), wobei ich hier mehr erwartet hatte angesichts des Befundes, dass gerade Binding zum engeren Kreis der konservativen Revolution gezählt wird. * Ich gehe davon aus, dass Kästner diese frühe Griechenlandreiseliteratur kannte. Die fehlenden expliziten Inter-Textualitäten mögen genau in diesen Differenzen 9 | Vgl. auch Meid 2015. 10 | Rajewska-Perzynska 2009.

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begründet liegen. Aber dies sind alles nur – nicht unplausible – Spekulationen. Mehr wissen wir nicht. * Nochmals zu Spunda (1926). In der konstatierten Bewegung der altgriechischen Religiosität sei Bewegung ureigen dem Griechischen (S. 12). Das Ganze sei eben Griechenland: Gorgo und zugleich die Wonne (S.  22). Und in einem Kästnerschen Duktus: »So war es, so wird es immer sein.« (S. 28) Und dennoch scheint das alte Griechenland für immer verloren (S. 68). Und dennoch: Die Luft ist wie Musik (S. 97). Diese Erfahrung ist nur möglich, wenn Geist und Körper eins werden, wenn innere Erschütterungen angesichts des Schicksals dazu führen, dass der Mensch sein Maß findet (vgl. auch S. 126). * Ich bleibe noch bei Spunda (1926). Erneut wird ein tiefer Humanismus bei Spunda deutlich, dem Kästner wohl nicht folgen konnte angesichts seiner Transzendenztheologie: »Und immer bleibt eines: das Erhabene, das menschlich ist und doch schon das Göttliche berührt.« (S. 217) Und so gilt für Spunda (S. 220): »Aber sie leben noch, die Götter der Griechen, wenn auch durch unser Nichtverstehen unwirksam und gebannt.« (S. 220) Spunda erinnert mich hier sehr an Walter F. Otto. Wie bei Seewald meint Helligkeit und Durchsichtigkeit: »das ist der Sinn von Hellas!« (S. 247) Und: »Das eben trennt den Nordländer so vollständig von den Menschen des Südens, daß der kulturelle Gegensatz unüberbrückbar scheint.« (S.  248) Denn der dortige Himmelsflug sei »anders als in der gotischen Kathedrale« (S. 248). Altgriechisch bleibt die Landschafts-Onto-Theologie (durchaus an Guardini und somit an Hölderlin erinnernd): »Die herrliche Musikalität der Landschaft tönt weiter in mir mit verhallenden Tönen.« (S. 250) Und nochmals sei daran erinnernd, dass dies beim frühen Kästner der paganen, pantheistischen Landschafts-Ontologie auch noch so der Fall war. Spunda: »Wie in astraler Verzückung ergreift es mich, und ich liebkose den warmen Marmor wie den Leib der Geliebten.« (S. 251) Spundas Gott ist nicht der christlich-kirchliche Gott (vgl. auch S. 254): »so sind wir glücklich, trunken von Sonne und Meer.« (S. 258) Findet sich deshalb bei Kästner keine Spur der Signatur von Spunda? Kaum denkbar für Kästner der Satz: »Buddha, Christus und Homer, welch ein Dreigestirn!« (S. 280) * Ich ziehe nun nicht eine weitere Quelle von Spunda heran: »Griechenland. Fahrten zu den alten Göttern« von 1938. Denn hier handelt es sich um eine erweiterte Fassung zu Spunda (1926). Neue Aspekte treten hierbei nicht auf.

Inter-Textualität und Originalität. Eine Ent zauberung

* Was nun also? Inter-Textualitäten? Gar Abhängigkeiten? Epochenabhängige Wahlverwandtschaften (angesichts der [marxistisch-wissenssoziologischen] Seins- bzw. Standortgebundenheit jeglichen Denkens) und Aggregierungen zu einer milieuspezifischen literarischen Strömung ohne geplante Gruppenidentität? Nun ist die Vorstellung der nicht kopierbaren (also nur scheinbar technisch reproduzierbaren) Originalität Teil des modernen Mythos vom schöpferischen Künstler, der in der Einsamkeit seiner idiosynkratischen Individualität heldenhaft an der Ausdruckswahrheit seiner Genialität arbeitet. Keine Subjektivität ist jenseits des Zeitstromes der Traditionslinien angesiedelt. Diese Einsicht ist in Gadamers Hermeneutik auf den Punkt gebracht worden. Der Entwurf des Selbst ist immer nur als geworfener Entwurf zu haben. Diese Differenz zwischen Sartre und Heidegger macht auch in der Literaturgeschichte deutlich, dass Texte – egal welcher Textsorte – nie außerhalb mehr oder weniger komplexer Inter-Textualitäten denkbar sind.11 Immer steht die schöpferische Ausdrucksarbeit nicht nur in Raum und Zeit, sondern in der langen Dauer kultureller Vererbung und kollektiven Gedächtnisses.12 Diese Kontinuitätsströme schreiben sich tief in das Subjekt ein und gerade dieses Subjekt ist immer nur in dieser Art der Subjektivierungsform durch Einschreibung des Sozialen möglich. Dennoch ist das Subjekt schöpferisch veranlagt zur Umschrift der Einschreibung. Inter-Textualität ist also nicht Einschreibung in das passive Subjekt, sondern Praxis der schöpferischen Umschrift als abwandelnde Aneignung. Mag dies auch nicht intentional und geplant oder unbewusst geschehen. Produktion und Rezeption sind also uno actu tief miteinander verschränkt, eben Umschrift der Einschreibung. Die dargelegten Inter-Textualitäten verweisen daher eher auf plausible gemeinsame Schnittflächen aus einer geteilten Traditionslinie, die in der Literatur zum Teil der konservativen Revolution zugeschrieben wird. Konservatismus wird dabei weniger im Parteienspektrum positioniert, sondern (wissenssoziologisch) als mentale Haltung, als Habitus, verstanden. * Es ist nun eine Schlussreflexion anzufügen und ein Fazit zu ziehen. Das Fazit ist nicht als Zusammenfassung zu verstehen, wenngleich einige wichtige Befunde der Analyse festgehalten werden. Nochmals wird der innere Wandel im Werdegang der Studie – der Textwachstumsprozess – deutlich. Diese Textwachstums11 | Methodologisch dazu auch in Munk 2011, S. 6ff. 12 | Zur ikonologischen Methode in der wissenssoziologischen Hermeneutik auch in Schulz-Nieswandt 2006a.

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dynamik merkt man dem Text selbst an. Die Arbeit hätte an irgendeinem Punkt des Wandels auch neu-strukturiert nochmals neu geschrieben werden können. Müssen? Ich habe aber die geringere Kohärenz beibehalten, um dafür jedoch die Veränderungsdynamik meiner eigenen Auseinandersetzung mit dem Werk von Kästner nachvollziehbar zu machen. Hypothesen haben sich dabei gewandelt, und die ganze Einstellung als Zugangshaltung veränderte sich. All dies ist einem qualitativen Sozialforschungsdesign in der Tradition einer Grounded Theory mit Betonung der abduktiven Elemente nicht überraschend. Die Analyse ist ständig kritischer geworden. Mir wurde wieder einmal bewusst, wie sich die Rezeption eines Werkes mit der Tiefe der Analyse wandeln kann, vor allem dann, wenn, wie geschehen, die Inter-Textualitäten nachvollziehbar werden. Sicherlich hat sich das Werk für Kästner für mich, damit eine eigene kleine Psychodynamik zum Ausdruck bringend, entzaubert. Ich bin auf Distanz gegangen, habe aber auch lernen müssen, wie schwer es ist, sich angesichts der tiefschichtigen Ambivalenzen mit der konservativen Revolution auseinander zu setzen. * Ich gestehe: Ich war angetreten, eine sympathistische Hymne auf Kästners Werk zu singen. Allein vom Umfang war an eine Analogie zu meiner Abhandlung über Walter F. Otto gedacht.13 Je tiefer ich in der Erarbeitung war und mir die Texte gerade nicht in der kleinen Taverne wenige Meter vom Wasser entfernt wiederholt eindringlich vornahm und mir vor allem auch seine Griechenlandsehnsucht im Lichte seines Gesamtwerkes ansah, so wurden mir die tiefengrammatischen Ambivalenzen deutlicher. Natürlich, Kästner war konservativ. Das ist zunächst kein Problem. Lieber Sozialkonservatismus als Neo-Liberalismus. Doch Kästner ist auch in diesem Schema nicht einfach und eindeutig zu lokalisieren. * Also Arbeit an der eigenen Psychodynamik. Ja. Auch an der eigenen Mythopoetik der Daseinsführung an dieser geliebten, elenden14 Welt. Was bleibt ist eben Ambivalenz. Wahrscheinlich lese ich dennoch Kästner nochmals mit Blick auf die blauen Wasserbuchten des ostkretischen Paleokastro 13 | Dabei stehen diese Analysen, ähnlich wie meine Abhandlung zur verborgenen Psychodynamik in theologischer Anthropologie, zugleich im Kontext der universitären Lehre, insbesondere im Kontext der gemeinsamen inter-disziplinären Vorlesung mit Wolfgang Leidhold, Martina Fuchs und Detlef Fetchenhauer zum Themenkomplex »Religion im Streit der Wissenschaften«. 14 | Bourdieu 2008.

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im grau-grünen und silbernen Lichtglitzern der talweiten Olivenhaine, den billigen, einfachen, aber so bekömmlichen Weisswein der Region Sitias trinkend. Vielleicht stellt sich aber auch ein Bruch ein. Abwarten – und Wein trinken, um an den Nebel der Briefe von Nebel an und mit Gleichgesinnten anzuspielen. Die Sehnsucht (sie, die Hoffnung ist, stirbt nicht zuletzt, sondern nie) nach der Seelenruhe der griechischen Landschaft bleibt. Adorno und die Frage nach der Möglichkeit eines eigentlichen Daseins im uneigentlichen Gesellschaftszusammenhang hin oder her. Ist es nicht Kästner, der in diesem ubiquitären Sehnsuchtswillen in Erinnerung bleibt, wird es ein Anderer sein. Aber gerade am Beispiel von Kästner wird deutlich, wie problematisierbar die genauen Präpositionen des Weltganzen gegenüber dem Subjekt sind: Kommt die Wahrheit exogen »von oben« auf den Menschen oder endogen »von unten« aus der Existenzführung des um sein Dasein ringenden Menschen? Geht die Wahrheitsfindung durch und mit ihm oder über ihn? Findet sich wahre Wahrheit in der Immanenz des geschichtlichen Seins, das damit selbst messianisch ist, oder verweist das Problem auf die Transzendenz, die sich apokalyptisch in der – im Kreis der hier zur Inszenierung gelangten Teilströmungen einer konservativen Revolution: post-zivilisatorischen – Zukunft einstellt? Nie ging es um die Ausrottung der Sehnsucht, Gott bewahre! Et in Arcadia ego!

Ja: »Jedermann (auch Frau – S.-N.) braucht etwas Wüste.« (Kästner) Aber das Leben selbst soll so nicht sein – oder? Aber es ist gut, das Herz – auch, wenn man, Antoine (!), nur mit dem Herzen gut sieht – nicht dauerhaft in jene Höhen der hohen Berge zu entführen, wo nur die Geier noch wissen, was Sache ist. Ob das nun ein befriedigendes Ergebnis der verschlungenen Wege der Darstellung ist? Muss es denn ein solches Ergebnis geben? »Unser Trost ist: besser etwas als gar nichts.«15 Kästners Haltung, den Heiltrunk, den die Literatur (die Kunst insgesamt) spenden mag16, in einer an sich unmöglichen, aber als Möglichkeit geglaubten Außer-der-Welt-sein-Position zu finden, ist extrem privatistisch, gesinnungselitär und ein Modus anachoretischer Einfachheit, die sich als schlechte Ideologie entpuppt. Sie läuft Gefahr, existenzialsouveräne Gelassenheit mit schleichender Ignoranz zu verwechseln. *

15 | Reinhardt 1960, S. 360. 16 | Dazu auch Gerk 2015.

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Am Ende meiner Reflexionen verstehe ich Kästner als geistiges und seelisches Mitglied eines »(elitär-)eskapistischen Konservatismus ›eigentlicher – m.E. uneigentlicher – Existenz‹«. Kästner ist17, ich vereinfache hier die Erträge der Studie, in seiner Eigenheit einer eskapistischen Zivilisationskritik re-konstruierbar. Anfangs ging es mir um das Thema der (seit der Romantik traditionsreichen) Griechenlandsehnsucht18 (Et in Arcadia ego) in der Reiseliteratur, hier meiner Studie zur Landschafts-OntoTheologie von Walter F. Otto folgend. Tiefere Kontextanalysen seines Werkes decken – entgegen der bisherigen, eher spärlichen und im Lichte meiner eigenen auf Inter-Textualitäten und figurativen Einbettungen abstellenden Bohrungen auch eher oberflächlichen Sekundärliteratur – jedoch reichhaltige Inter-Textualitäten mit Positionen der konservativen Revolution im 20. Jahrhundert auf. Dabei spielen – abgesehen von anders gelagerten Inter-Textualitäten mit Gerhart Hauptmann und Hugo von Hofmannsthal – der konservative Kreis von Gerhart Nebel und Ernst Jünger sowie (weniger ausgeprägt) Friedrich Georg Jünger, ferner Martin Heidegger zentrale Rollen. Natürlich ist auch z.B. Spengler von Bedeutung. Theologisch wird die Position von Karl Barth (gegen Rudolf Bultmann gerichtet) rezipiert. Hier geht es um die Rezeption einer präpositionalen Gottesvorstellung19, die offenbarungsfrömmig die anachoretische und eskapistische Einfachheit des byzantinisierenden Erhart Kästner zu fundieren hat. Einfachheit täuscht hier, ist sie doch zugleich elitär. Die inszenierte Bescheidenheit entpuppt sich beim zweiten Blick als Selbstüberhöhung über die Massengesellschaft und somit als antidemokratischer Habitus post-zivilisatorischer Gesinnungsethik. Auf die Darlegung der Feinheiten des Netzwerkes inter-textueller Verweise ist hier im Fazit zu verzichten, auch meine psychodynamischen Einschätzungen zu Kästner und zum borderlinen Ernst Jünger sollen hier nicht ausführlich zusammengeführt werden. Kästners Neigung zur Selbstpositionierung im Typus der inneren Emigration spiegelt sich in seinen Hinwendungen zu Peter Huchel und Gerhard Altenbourg. Daher auch seine Selbsttopologisierung in Wüste und byzantinischem Kloster; die Parallele zu einer Philosophie der Einfachheit bei Camus resultiert eher aus dessen Entzweiung mit Sartre, wobei sich Kästner auf die Seite des unpolitischen Künstlers schlägt. Entsprechend ist Kästners Huldigung von Klee zu verstehen. Analoges ist in Bezug auf die Malerei von Gilles und Heldt zu konstatieren. Literatur wird bei Kästner zum Heiltrank der Seele (Psyches iatron). Dagegen war Marie Luise Kaschnitz (im Geflecht zu Dolf Sternberger und Theodor W. Adorno) dann doch noch zu sehr von der Hoffnung als Korrelat einer Liebe zur Welt geprägt. In diesem Lichte war die Liebe zur Wahrheit der Seinsimmanenz bei Rainer Maria Rilke für Kästner eine zu negierende Haltungsmöglichkeit. Und 17 | Vgl. auch am Schluss von Schulz-Nieswandt 2016. 18 | Vgl. ferner Rehm 1951. 19 | Dazu auch Schüßler 1997, S. 55.

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genau in diesem Abgrenzungsbemühen im Kontext von Kästners offenbarungstheologischer Position ist eine Bezugnahme etwa auf Paul Tillich ebenso nicht möglich wie eine intensivere und positive Auseinandersetzung mit Romano Guardini, da beide den Zusammenhang von Macht, Gerechtigkeit und Liebe zum Dasein tiefgreifend reflektierten. Von Interesse ist ferner das Phänomen, wie sich hier der bekanntlich in der Kritik der entfremdeten Welt der (nicht selten, aber keineswegs zwingend gegenüber der rechten Seite des politischen Denkspektrums gefährdete) Konservatismus anderen Positionen – von Marx bis zur »Dialektik der Aufklärung« – partiell angleicht, die sonst kaum vereinbar sind. Der Konservatismus, der hier um Kästners Werk kreisend re-konstruiert wird, erweist sich als Totalitarismuskritik der gesamten zivilisierten Moderne als Unkultur der Masse, des homo faber/man, der Maschinen und Automaten, des Konsum(kapitalismu)s, der Medien und des Massentourismus etc. etc. In dem Moment, wo die Kritik gegen »Ost« und »West«, gegen den Arbeitsfetischismus des Staatssozialismus ebenso wie gegen den mentalen Kapitalismus – an Walter Benjamins Blick auf die Kathedralen des Konsums erinnernd – geht, ist dieser Konservatismus schwer festzustellen. Die Sozialpolitik der Moderne ist ebenso radikal herausgefordert, weil sie hier dem Wohlstandsund Fortschritts- sowie Sicherheitsfetischismus subsummiert wird. * Die mir schwerfallende Akzeptanz dieser post-zivilisatorischen Kulturkritik wurde mir im letzten Aufenthalt in Paleokastro in Ost-Kreta vor Drucklegung der vorliegenden Studie nochmals überaus deutlich, als ich mir bereits bekannte, alternative Zivilisationsfuturologien erneut gelesen habe: die von Bertaux (1979) aus dem Jahre 1963 und von Mumford (1960) aus dem Jahre 1956. Beide beziehen sich u.a. auch auf Teilhard de Chardin (Mumford 1960, S. 211; Bertaux 1979, S. 206). Beide sind in der Diagnostik radikal; beide kennen die Schuld, die aus dem prometheischen Kurs der Menschheitsgeschichte aufgestapelt wurde, aber beide sind Philosophien der Hoffnung. Vor allem die von Mumford, die eine Philosophie der Liebe ist. Bertaux ist dort interessant, wo sein Apparate-Begriff stark an das Paradigma von Foucault erinnert und wo er den technizistischen Produktivismus in Kapitalismus und Sowjetkommunismus verwirft und jedoch zugleich zum Ausdruck bringt, dass eine sozialpolitische Transferökonomik für größere arbeitslose Bevölkerungsteile durchaus tragbar ist, wenn zugleich Räume sinnhafter Daseinsführung entfaltet werden. Auch Mumford will das Zeitalter des technischen Menschen überwinden und entfaltet eine Philosophie der Liebe (Mumford 1960, S. 210ff.), die er auch als Reise versteht (S. 220), und die man einfach gelesen haben sollte. Entsprechend verwirft Mumford jeglichen »post-historischen Nihilismus«. Diese beiden Studien sind eine Auswahl von alternativen Referenzsystemen, die deutlich machen, dass sich die Kulturkritik der Zivilisation des prometheischen homo faber auch im Lichte einer Philosophie der Hoffnung formulieren lassen

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kann. Hier erinnere ich nochmals an Kaschnitz im Kontext ihrer Freundschaft zu Adorno. Kritische Theorie bleibt hierbei eine alternative Referenz, aber auch andere Varianten konservativen – so bezieht sich auch Mumford (1960, S.  217) auf die Paideia von Werner Jaeger (vgl. auch Schildt 1975a, S. 39f.), also auf ein Gedankengut im Umkreis des Dritten Humanismus–Denkens, etwa (ebenfalls im freundschaftlichen Umkreis von Kaschnitz) bei Dolf Sternberger in der Idee der Rückeroberung der polis, die ich im Kontext ontologischer Theorie des Politischen rezipiere und die deutlich macht, wie sehr es notwendig ist, die Welt in politische Ordnungen bauend zu gestalten. Auch hier ist diese Gestalt-Gebung nicht Makulatur, nicht zwecklos angesichts der prometheischen Schuldanhäufung der bisherigen Zivilisationsgeschichte des Menschen, sondern bleibende Aufgabe. Auch dann, wenn ich zu einer ablehnenden Haltung gegenüber diesem Postzivilisationismus komme, weil ich die kerygmatischen Chancen eines freiheitlichen religiösen Sozialismus nicht für ausgeschöpft erachte, so bleibt doch eine gewisse tiefe Respekthaltung gegenüber diesem Konservatismus bestehen, denn: Heute stellen sich jene dramatischen Fragen, die dort aufgeworfen sind. Wie ist die heutige »soziale Frage« in ihrem Verhältnis zur Zivilisationsgeschichte zu verstehen? Löst die Lösung der sozialen Frage auch die Zivilisationskrise? Oder muss die Zivilisationskrise gelöst werden, um dadurch zugleich die soziale Frage zu bewältigen? Aber auch hier setzen meine Überlegungen zum Flug der Eule der Minerva wieder an. Max Webers Ahnung einer generalisierten Fellachenkultur zeigt bereits Konturen; aber schon bei Homer steht das Schicksal (der Götter) in einer gewissen Wechselwirkung zu den bedingten Freiheiten des erwachenden Subjekts. Dieser mag heute zum manischen Prometheus aufgestiegen sein, wie der Konservatismus diagnostiziert, aber das muss nicht das Ende der Geschichte und die Zukunft unserer Kinder sein. Dagegen ist mir die Alternativlosigkeit im Denken von Kästner aufgefallen. Ich darf ihn nochmals zitieren (Kästner 1974c, S.  191: »Ein Schiff aus Brot«): »Nicht daß wir die Wahl hätten, von der modernen Wissenschaft abzulassen, kaum der Einzelne, auswandernd, sicher nicht Alle. Das meinen, hieße ihren totalen Charakter, den Charakter einer Schreckensherrschaft also, verkennen. Das Schiff ist nun einmal bestiegen, einzig mögliche Rettung. Indessen, ein Schiff aus Brot ists, auf dem wir da fahren. Eine andere Wahl ists, die uns nur bleibt: auf der hohen See treibend in diesem Schiff zu verhungern oder vom Schiffe zu essen. Nach und nach aufzuessen, was uns über den furchtbaren See hält.« * Zum Ende noch Anmerkungen im Rahmen eines Forschungsausblickes, der sich – neben der allgemeinen Erwartung, dass meine mitunter ideologiekritische Hermeneutik des Gesamtwerkes von Kästner in der Rezeption einer differenzierenden Kritik unterworfen wird – ebenfalls aus dem soeben angesprochenen letzten

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Aufenthalt in Paleokastro im Juli/August 2016 ergeben hat, da ich ausgewählte Schriften von Seewald, Vietta u.a. nochmals lesen konnte. In Absetzung zu Kästners Werk sind mythenrezeptiv durchaus dichte Reisebeschreibungen wie von Hajo Jappe (1973; vgl. auch Jappe 1975)20 oder von Rudolf Hagelstange (1968), aber auch von (dem lichtmetaphysisch dominierten) Theodor Däubler (1964) trotz ihrer theoriegeschichtlich nicht unüblichen Ideenlinie {[Osiris/(Dionysos) → Apollon] → Christos}

hinsichtlich einer christlichen Theologisierung auffallend unaufgeregt. Wie dargelegt hat sicherlich Nebel Kästner hier noch übertrumpft. Nochmals wäre es interessant, genauere Abgleiche zu Hugo von Hofmannsthal und Friedrich Georg Jünger vorzunehmen. Dies wäre eine eigene Dissertation wert. Ebenso wäre es ein relevantes Dissertationsthema, Vietta’s Werk – vgl. allein nochmals Vietta (1948, S. 11ff. sowie S. 189f.) – systematisch darzulegen. Es hat sich weiter oben die Hypothese bilden lassen, innerhalb seiner Reiseberichte dominiert als hermeneutische Tiefenstruktur eine anthropopologisch interessierte Mythenrezeption mit Blick auf eine moderne Existenzsicht. Fasziniert hat mich bei Vietta u.a. auch seine Anthropologie des Tanzes, die mich u.a. an Walter F. Otto erinnert hat. Und bei aller Griechenlandzentriertheit der vorliegenden Studie hat sich weiter oben an verschiedenen Quellen die Frage – ein drittes mögliches Dissertationsthema – abgezeichnet, wie es um die Relation des (u.a. lichtmetaphysischen) Reiseerlebens in Italien und Sizilien (dazu auch Zern 2014) im Verhältnis zu Griechenland steht. Auch bei Kästner (1975a, S. 133) verhält sich alles nach einem einfachen strukturalen Code: Italien : Griechenland = Garten : Wildnis.

Die wiederholte Lektüre der Arbeiten von Richard Seewald (hier 1960; 1961) bekräftigen meine Absicht, im Rahmen einer eigenen kleinen Monographie die sich weiter oben herausgebildete (ebenso Dissertations-würdige) These zu überprüfen, Seewald sei der »katholische Kästner«. Seewald theologisiert nicht so stark wie Nebel, aber seine christliche Aufhebung der antiken griechischen Tradition ist die Signatur dieser Schriften von ihm. In einem Buch aus der Vorkriegszeit (Seewald 1933) zeichnete sich dies noch nicht ab. Es war wohl das erneute Weltkriegserleben, das Seewald zum radikalen Umdenken führte. Gegen die Technikwelt, wie Kästner, sich wendend, verbindet Seewald mit Kästner die Theologie des Stauens und das Anschauen der Bilder. Hinsichtlich des letzten Punktes gibt 20 | Zu Arkadien und Pan vgl. auch S. 63f. Psychodynamische Gedanken und solche der politischen Ordnung in ontologischer Richtung finden sich auf den S. 65f. Vgl. auch S. 19, S. 23, S. 118. Kästerianisch klingen einige Passagen auf S. 14. Zur Aufhebung des Dionysos im Apollon vgl. S. 106, zur Dionysos-Apollon-Christos-Linie: S. 107f.

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es eine bemerkenswerte Fundstelle. Bei dem Besuch des Kloster Athos berichtet Seewald (1961, S. 38) von der Lektüre einer neueren Buchpublikation. Nicht namentlich angeführt handelt es sich um das Athos-Buch von Kästner. Seewald sei erstaunt, welche Bildschwärmerei von einem Protestanten ausgeht, sei es dieses Bildverständnis doch, das den Katholiken kritisch vorgeworfen werde. Seewald fragt selbst kritisch in einem anderen Punkt nach. Warum begeistert sich – gegen Rom und somit gegen die priesterliche Kirche gerichtet? – Kästner für das mönchische Klosterwesen als »›nichtpapale‹ Organisation«? Auch in weiteren Aspekte ähneln sich die beiden Autoren. Von Sartre halten beide nichts; Tourismus und Masse überhaupt kommen – traditionsreich – schlecht weg. Doch dann auch scharfe Signaturen der Differenz. Seewald ist deutlich politisch. Dagegen habe ich die Position von Kästner in einer paradoxen Form zu fassen versucht, die als unpolitisch-politisch bezeichnet worden ist. Ich habe »Griechische Inseln« (Kästner 1975a) im besagten Paleokastro-Aufenthalt im Juli/August 2016 ebenfalls nochmals gelesen. Das Buch war bis 1975 unveröffentlicht und stammte aus der Kriegszeit. So wie die starke christliche Färbung des Reiseerlebens bei Seewald auch eine Folge der jemeinigen Kriegsverarbeitung war, gilt dies wohl auch für die Kulturkritik von Kästner nach 1945, die sich zur Zivilisationskritik steigerte. In »Griechische Inseln« erwies sich die onto-theologisch anmutende – man schaue einmal auf die Seiten 52f. und 55 – Beschreibung des Landschaftserlebens von Kästner bereits als seelische Strategie der Kriegsverarbeitung als Kriegsausblendung. »Vergessen« (Kästner 1975a, S. 63). Damals war die Kulturkritik noch nicht so ausgeprägt. Selbst die Archäologie kam noch gut weg: »Archäologie, heldenmütige Wissenschaft!« (S. 60) Es lassen sich auch einige Fundstellen einer Kritik an der Kriegszeit ausmachen (S. 16, S. 37, S. 38, S. 49). Der Ölzweig sei Sinnbild des Friedens (S. 16; vgl. auch S. 68) in der »graue(n) Welt« (S. 37) in »Europa, das bedacht war, sich seinen Untergang zu bereiten« (S. 38). Auch dann, wenn es sich um spätere Überarbeitungen nach 1947 handeln sollte, zeichnet sich eine erste Form der seelischen Verarbeitung des Weltkrieges ab, »denn wir, die wir weiterleben, sind es, die nachsitzen müssen.« (S.  49) Und bereits hier zeichnet sich der klösterliche Weg ab: »ins Freie hinaus« (S. 50). * Der Text steigert sich weiterhin zur eskapistischen Haltung hin. In der vorliegenden Arbeit (vgl. in Kapitel XV. Gerhard Altenbourg, Peter Huchel: anachoretische Haltung innerer Emigration) habe ich bereits als Schlüsseltext das Kapitel Patmos aus »Griechische Inseln« (Kästner 175a, S. 151ff.) analysiert: Zur Ruhe kommende Innerlichkeit als vollständige Abkehr vom Tun, denn Tun führt immer ins Verderben. Kästner ist hier im Gespräch mit dem Kloster-Abt nur in inszeniert künstlicher Rhetorik ein herausfordernder Gesprächspartner. Der Älteste im Kloster ist

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sein eigenes Alter Ego. Auf die Frage, ob Nichts-Tun nicht auch Schuld bedeute, lässt Kästner sich die Antwort geben: »Wir alle sind schuldig.« (S. 163) Das Schuldproblem war in der Nachkriegsliteratur ein großes Thema, auch die Verdrängung desselben. Das Schuldproblem von Kästner war in der normalen, millionenfachen Form gegeben: als teilnehmender Soldat wie auch das der konformistischen BürgerInnen. Die Problematik darf daher hier nicht völlig überzogen aufgebläht werden. Kästner hatte das Glück geschickt genutzt, um in eine Position zu kommen, sich dem aktiven Kampfgeschehen zu entziehen und den Krieg im Zuge seiner seelischen Strategie der Onto-Theologisierung des Landschaftserlebens auszublenden, um sich damit dem Ganzen selbst zu entziehen. Ob das im Rahmen seiner offiziellen Rolle der Reiseberichterstattung immer in Reinkultur gelungen ist, ist hier nicht von grundlegendem Interesse. Von einem allgemeinem, für die deutsche Mentalitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts von allgemeinem und daher auch wissenschaftlichem Interesse ist jedoch die Form der seelischen Verarbeitung, die sich bei Kästner abzeichnet (vgl. auch S.  72) Einerseits ist, früh schon, zu beobachten die Verlagerung in die stille, innere geistige Verarbeitung, andererseits die nach Außen gerichtete radikale Totalitarismuskritik-orientierte Kulturverwerfung, die ein post-zivilisatorisches Wesen annahm. Innerer und äußerer Eskapismus nehmen eine komplementäre Figuration bei Kästner an. Es war diese, Kästner seelisch wie auch in seiner Welthaltung habituell durchdringende eskapistische Grammatik, die ihn in den sozialen Kreis von Vertretern der konservativen Revolution trieb. Die Wurzeln liegen aber bereits vor dem Weltkrieg verankert, denn Kästner nahm an der Zeit der geistigen Formierung der verwickelten konservativen Strömungen der Weimarer Zeit als Zeitgenosse teil. Diese Identitätsfindung im sozialen Netzwerk von Teilen der konservativen Revolution nach 1945 nahm sodann die besagte Form der unpolitisch-politischen Zivilisationskritik an. Dass es – mitunter wechselnde – Muster von Nähe und Distanz, Suche, Bindung und Loslösung und Verwerfung gab, gehört zur Normalität des Netzwerkes, das ja aus höchst komplizierten und ideosynkratischen Persönlichkeiten bestand. Die Art der präferierten Religiosität und der Rolle der Theologie und der Frage nach der kirchlichen Orientierung variierten beträchtlich und konnten entzweien; der Abstand vom Mythos war unterschiedlich und differenzierte das Netzwerk und marginalisierte auch wohl Teile des Netzwerkes. Kästner nahm eine sehr individualistische Position ein. Und zugleich suchte er die Geborgenheit durch persönliche Annäherung an intellektuelle bzw. künstlerische Außenseiter. So hingen wohl Psychogramm und Soziogramm des ganzen Entwicklungsgeschehens zusammen. Die Differenzen zu Seewald werden daher verständlicher. Nach dem weiteren Weltkrieg ist bei Seewald die Abneigung gegen jeden Nationalismus ausgeprägt. Er träumt – durchgängig in seinen Werken – vom vereinten Europa. Das Unpolitisch-Politische war bei Kästner (1975a, S.  67) dagegen nur im Modus der chiffrierten Prosadichtung zu finden: »unsere Zeit restauriert gerne und gut, sie übt

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es fast ebenso fleißig wie das Zerstören«. Daher die Flucht in »Zeit ohne Zeit.« (Kästner 1975a, S. 63) Und auch schon in diesem frühen, aber spät editierten Buch lassen sich die ersten Fundstellen einer Kulturkritik ausmachen, die im Lichte christlicher Griechenlandrezeption anklingen. Der alte Götterglauben – auch der von Winkelmann und der Goethezeit (Kästner 1975a, S. 79) – ist ja verloren, wenngleich er (als Flötenlied: S. 88, S. 93) mitunter noch im Landschaftserleben (als ein Weilen und Bleiben, nicht nur als ein Sehen: S. 88, S. 91) der apollinischen Lichtverhältnisse (S. 84) verborgen ist. Und in diesem Kontext des Verlorenen kristallisiert sich christliche Einfachheit (himmlische Spärlichkeit: S.  94) heraus: Nicht das Üppige enthebe der Welt (S. 94). Kästner möchte also der Welt enthoben werden. Er sucht die Wahrheit außerhalb der Zeit. Es ist diese Geschichtslosigkeit, die er sucht und somit die soziale Realität verdrängt: »Man hat nicht gehört, daß in Ländern der Fülle die Menschen Menschliches schufen.« (S. 94) Es fehle die Verheißung, die »ritzt wie ein kleiner Schmerz. Wenn noch Durst mit dabei ist.« (S. 94) Amerika gewähre zwar (das Erwerben von) Geld (S. 96); aber es gebe dort nicht einmal Zeit (S. 99), in der man zeitlos leben kann: »wie arm müssen die sein.« (S. 99) Hier, im Urland Kreta (S. 117) – wo die Etesien wehen (S. 107f.) – finden sich dagegen: Licht und Frieden. Heimkehren meint: »der großen Welt, dem Erfolg, dem Gewinn, dem Ehrgeiz Lebewohl zu sagen« (S. 138). »Arbeit war gut für eine Zeit des Lebens, nun aber nicht mehr.« (S. 139) Das ist Weisheit (S. 139). * Von Rudolf Steiner oder Heidegger und anderen philosophischen Pseudo-Theologen hält Seewald nichts (Seewald 1961, S. 93). Da bevorzugt er lieber echte kirchliche Priester. Bei Seewald findet sich ein klares Bekenntnis zur kirchlichen ORDO-Welt. Bei Kästner verhält es sich anders. Hier geht es um seine jemeinige Frömmigkeit angesichts seines Erlebens göttlicher Offenbarung. Eine weitere – signifikante – Differenz ist sehr ausgeprägt: Seewald vertritt, auch in seiner eigenen Kunst, eine realistisch-figürliche Darstellungsweise. Von abstrakter Kunst hält er nicht viel. Dies ist bei Kästner, wie gezeigt, ganz anders. Seewald ist ferner sehr beschäftigt mit der Dialektik von Europa und Asien/ Orient. Und, wie bereits angedeutet, bei Seewald mischen sich andere Dimensionen in das Werk hinein, die Kästner weitgehend fremd sind: Reflexionen über Alter(n), Erotik und Sexualität. Zuletzt sei angedeutet, wie sich bei Seewald Fundstellen eines Prosastils finden lassen, die an Kästner erinnern, oder umgekehrt. Z.B.: »Säulenstümpfe allein sind magere Knochen.« (Seewald 1961, S. 45) Und S. 46: »Wann endlich endet diese Krankheit?« Oder S. 55: »Ich schaute nicht einmal hin.« Es sind dichte, z.T. apodiktisch anmutende Positionierungen, bewusst seins-orientiert (S. 88, S. 93, S.  130), a-historisch (S.  78), formuliert im weisheitlichen (S.  143; Kästner 1975a, S. 72) Duktus des elitären Wissens gegenüber den Zuständen (vgl. auch in See-

Inter-Textualität und Originalität. Eine Ent zauberung

wald 1961, S. 70, S. 73, S. 76, S. 89, S. 94, S. 134, S. 136, S. 141, S. 143). Oder: »In Freiheit leben, ist schwierig.« (S. 82) Wie Kästner: »Stauen setzt aber Frömmigkeit voraus.« (Seewald 1961, S. 86) S. 119: »Uns andere lockt der Genius des Orts.« »Ich liebe ja die Anfänge.« (S. 129) Kästnerianisch: »Schönheit, zu mühelos genossen!« (S. 132) S. 142: »Viele Naive glauben das heute.« S. 145: »Ewig wird Zeugung sein und Geburt!« Solche Formulierungen sind nicht zu verstehen, wenn sie aus dem Kontext der Texte gerissen werden. Isoliert wirken sie billig; im Kontext treten sie mit besagtem weisheitlichen Duktus auf. Auch dies ist gewöhnungsbedürftig, resultiert aber aus den onto-theologischen Oppositionen der Kulturkritik der Moderne und ihren prometheischen Verwerfungen. In Seewald (1960) lassen sich ähnliche Strukturen aufdecken. Aber all dies seien nur Andeutungen. Seewald muss einer eigenen Untersuchung erst noch näher unterzogen werden. * »Wer den Harzwein nicht mag, weiß nicht, was Attika ist. Mögen die ersten fünfzig Liter auch ein bißchen fremd schmecken, wie bald gibt sich das.« (Kästner 1974b, S. 152)

Wissenschaftlich nicht evident ist allerdings das Postulat von Kästner (1974b, S. 152): »Vom Harzwein berauscht sieht man die Dinge geordnet; vieles Unklare wird klar.«

Da macht man doch andere Erfahrungen.

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Stefan Hajduk Poetologie der Stimmung Ein ästhetisches Phänomen der frühen Goethezeit Juli 2016, 516 Seiten, kart., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-3433-4

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Lettre Linda Maeding, Marisa Siguan (Hg.) Utopie im Exil Literarische Figurationen des Imaginären

Shinichi Furuya Masse, Macht und Medium Elias Canetti gelesen mit Marshall McLuhan

Mai 2017, ca. 256 Seiten, kart., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3749-6

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Alexandra Millner, Katalin Teller (Hg.) Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns

Svenja Frank, Julia Ilgner (Hg.) Ehrliche Erfindungen Felicitas Hoppe als Erzählerin zwischen Tradition und Transmoderne

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Frauke Nowak Nanotechnologie als Kollektivsymbol Versuch über die Raumsemantik einer Schlüsseltechnologie

Raluca Radulescu, Christel Baltes-Löhr (Hg.) Pluralität als Existenzmuster Interdisziplinäre Perspektiven auf die deutschsprachige Migrationsliteratur

März 2017, ca. 460 Seiten, kart., ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3803-5

November 2016, 234 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-3445-7

Johanna Richter Literatur in Serie Transformationen des Romans im Zeitalter der Presse, 1836-1881

Gustav Landgren Rauswühlen, rauskratzen aus einer Masse von Schutt Zum Verhältnis von Stadt und Erinnerung im Werk von Peter Weiss

März 2017, ca. 240 Seiten, kart., ca. 32,99 €, ISBN 978-3-8376-3166-1

Kerstin Böhm Archaisierung und Pinkifizierung Mythen von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Kinder- und Jugendliteratur Februar 2017, 198 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3727-4

Sebastian Thede Hasard-Schicksale Der literarische Zufall und das Glücksspiel im 19. Jahrhundert Januar 2017, 408 Seiten, kart., Abb., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-3521-8

August 2016, 400 Seiten, kart., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-3618-5

Thorsten Carstensen, Marcel Schmid (Hg.) Die Literatur der Lebensreform Kulturkritik und Aufbruchstimmung um 1900 Juli 2016, 352 Seiten, kart., Abb., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3334-4

Metin Genç Ereigniszeit und Eigenzeit Zur literarischen Ästhetik operativer Zeitlichkeit Juli 2016, 318 Seiten, kart., 44,99 €, ISBN 978-3-8376-3372-6

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Zeitschrif t für Kultur wissenschaf ten Dorothee Kimmich, Schamma Schahadat (Hg.)

Diskriminierungen Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2016

November 2016, 160 S., kart., 14,99 €, ISBN 978-3-8376-3578-2 E-Book: 14,99 € Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften dient als kritisches Medium für Diskussionen über »Kultur«, die Kulturwissenschaften und deren methodische Verfahren. Ausgehend vom internationalen Stand der Forschung sollen kulturelle Phänomene gleichermaßen empirisch konzis wie theoretisch avanciert betrachtet werden. Auch jüngste Wechselwirkungen von Human- und Naturwissenschaften werden reflektiert. Diese Ausgabe untersucht das soziale Phänomen der Diskriminierung. Was bedeutet Diskriminierung? Worauf basiert sie? Wie werden diskriminierende Merkmale identifiziert? Die Untersuchungen verbinden verschiedene Perspektiven, solche aus der Literatur- und Kulturwissenschaft, der Psychologie, der Medizin und der Sportwissenschaft. Lust auf mehr? Die ZfK erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen 20 Ausgaben vor. Die ZfK kann – als print oder E-Journal – auch im Jahresabonnement für den Preis von 20,00 € bezogen werden. Der Preis für ein Jahresabonnement des Bundles (inkl. Versand) beträgt 25,00 €. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]

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Zeitschrif t für interkulturelle Germanistik Dieter Heimböckel, Gesine Lenore Schiewer, Georg Mein, Heinz Sieburg (Hg.)

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 6. Jahrgang, 2015, Heft 2

Dezember 2015, 204 S., kart., 12,80 €, ISBN 978-3-8376-3212-5 E-Book: 12,80 €, ISBN 978-3-8394-3212-9 Die Zeitschrift für interkulturelle Germanistik (ZiG) trägt dem Umstand Rechnung, dass sich in der nationalen und internationalen Germanistik Interkulturalität als eine leitende und innovative Forschungskategorie etabliert hat. Sie greift aktuelle Fragestellungen im Bereich der germanistischen Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaft auf und versammelt aktuelle Beiträge, die das zentrale Konzept der Interkulturalität weiterdenken. Die Zeitschrift versteht sich bewusst als ein interdisziplinär und komparatistisch offenes Organ, das sich im internationalen Wissenschaftskontext verortet sieht. Lust auf mehr? Die ZiG erscheint zweimal jährlich. Bisher liegen 12 Ausgaben vor. Die ZiG - als print oder E-Journal - kann auch im Jahresabonnement für den Preis von 22,00 € bezogen werden. Der Preis für ein Jahresabonnement des Bundles (inkl. Versand) beträgt 27,00 €. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]

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