Erfüllungspflicht und Leistungshindernis: Die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Primärpflichten nach §§ 275 Abs. 1 und 2, 313 BGB [1 ed.] 9783428523375, 9783428123377

Markus Finn befasst sich mit den Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten im Falle materieller Leistungshindernisse. Es

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Erfüllungspflicht und Leistungshindernis: Die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Primärpflichten nach §§ 275 Abs. 1 und 2, 313 BGB [1 ed.]
 9783428523375, 9783428123377

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 361

Erfüllungspflicht und Leistungshindernis Die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Primärpflichten nach §§ 275 Abs. 1 und 2, 313 BGB

Von Markus Finn

Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS FINN

Erfüllungspflicht und Leistungshindernis

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 361

Erfüllungspflicht und Leistungshindernis Die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Primärpflichten nach §§ 275 Abs. 1 und 2, 313 BGB

Von Markus Finn

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-12337-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Sie wurde von Herrn Prof. Dr. Peter W. Heermann, LL.M., betreut. Ihm danke ich herzlich für die größtmögliche Freiheit, die er mir bei der Anfertigung der Dissertation einräumte, sowie für das große Vertrauen, das er mir während meiner mehrjährigen Tätigkeit an seinem Lehrstuhl an der Universität Bayreuth wie auch bereits zuvor an der Ludwig-MaximiliansUniversität in München entgegenbrachte. Für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens bin ich Herrn Prof. Dr. Lutz Michalski dankbar. Für fruchtbare Diskussionen bin ich meinen ehemaligen Kollegen an der Universität Bayreuth Herrn Rechtsanwalt Dr. Rupert Doehner und Herrn Privatdozenten Dr. Christian Fischer sehr verbunden. Besonders erwähnt sei auch mein ehemaliger Lehrstuhlkollege Herr Dr. Jochen Lux, der das Manuskript kritisch durchgesehen hat. Herrn Dirk Steffens, M. A., möchte ich für das mühevolle und äußerst gewissenhafte Korrekturlesen des Manuskripts meinen herzlichen Dank aussprechen. Der Verwertungsgesellschaft Wort in München danke ich für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses durch den Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft. Das Manuskript wurde im Juni 2005 fertig gestellt. Später erschienene Literatur und Rechtsprechung fand bis Juli 2006 Berücksichtigung. Berlin, im Dezember 2006

Markus Finn

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Unvermögen zur Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung (Rechtsmissbrauchsverbot, § 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 D. „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“ (Geschäftsgrundlagenlehre, § 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 E. Bewertung der früheren Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Historischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Regelungsvorschläge der einzelnen Reformentwürfe zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten . . . . . . . C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 105

§ 4 Die neue Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verhältnis der einzelnen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 128 174 475 513

§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verhältnis der einzelnen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Bewertung der Neuregelung im Lichte der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . .

522 522 525 537 540 541

116 125

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 A. Relevante Normen und Texte: Vom ersten Entwurf des alten BGB (1888) bis zum SMG vom 26. 11. 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 B. Gesetzesmaterialien: BT-Drucks. 14/6040 vom 14. 5. 2001 (Auszüge) 555 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff der Leistung und der Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkliche Unmöglichkeit und „faktische Unmöglichkeit“ . . . . . II. Die Regelung nach altem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfängliche Unmöglichkeit, § 306 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vom Schuldner nicht zu vertretende Unmöglichkeit, § 275 Abs. 1 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . (1) Prozessuale Lösung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . (2) Materiell-rechtliche Lösungen im Schrifttum . . . . . . . . . . (a) Befreiung von der Erfüllungspflicht (Herrschende Meinung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Fortbestand der Erfüllungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschleunigung des Leistungsprozesses, Kostenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorteile einer rechtskräftigen Verurteilung zur Naturalleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vorteile eines auf Naturalleistung lautenden Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vermittelnde Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. In Sonderheit: Zeitweilige Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unvermögen zur Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff des Unvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Nachträgliches Unvermögen (§ 275 Abs. 2 BGB a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weiter Unvermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Enger Unvermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfängliches Unvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 34 35 35 37 38 38 41 41 42 42 45 46 50 51 52 55 57 59 60 62 62 62 63 64 65

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Inhaltsverzeichnis II. Die Regelung nach altem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Nachträgliches Unvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachträgliches vom Schuldner nicht zu vertretendes Unvermögen, § 275 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Weiter Unvermögensbegriff – Relevanz des Nichtvertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Enger Unvermögensbegriff – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens (Herrschende Meinung) . . . . . (3) Standpunkt der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachträgliches vom Schuldner zu vertretendes Unvermögen (1) Mindermeinung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Weitere Grenzen der Erfüllungspflicht außerhalb von § 275 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Annex: Der Übergang auf die Sekundärebene . . . . . . (2) Überwiegende Meinung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Beispiele aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Dogmatische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Annex: Der Übergang auf die Sekundärebene . . . . . . 2. Anfängliches Unvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre . . . . . . . . . . . b) Andere Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. In Sonderheit: Zeitweiliges Unvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung (Rechtsmissbrauchsverbot, § 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolge: Ausschluss des Erfüllungsverlangens wegen Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“ (Geschäftsgrundlagenlehre, § 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolge: Anpassung/Auflösung des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Bewertung der früheren Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 65 66 66 67 71 71 72 72 73 74 74 75 75 77 80 81 82 86 87 88 91 92 93 94 94 94 98 99 100 100

§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 A. Historischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Die Gutachten (1981/1983) und der im Abschlussbericht von 1991 veröffentlichte Entwurf der Schuldrechtskommission . . . . 105

Inhaltsverzeichnis II. Der Streit um die „große“ Lösung in Gestalt des (konsolidierten) Diskussionsentwurfs (2000/2001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der weitere gesetzgeberische Weg bis zum In-Kraft-Treten des „Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“ . . . . . . . . . . . . B. Die Regelungsvorschläge der einzelnen Reformentwürfe zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten . . . . . . . I. Kommissions- und Diskussionsentwurf (1991 bis August 2000) . . 1. Der Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Von der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (März 2001 bis 1. 1. 2002) . . . C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Die neue Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage und Interessenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die erfassten Fallgruppen der Unmöglichkeit . . 2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Für jedermann“ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Für den Schuldner“ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Enges Verständnis subjektiver Unmöglichkeit – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wertungsfreiheit des Begriffs – Unmöglichkeit im wirklichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Zeitmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Endgültige Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitweilige Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsfolge des § 275 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss des Erfüllungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Zeitmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweiserhebung über die Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Übertragung der früheren Rechtsprechung auf das neue Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Annex: Indizierung der subjektiven Unmöglichkeit . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Das Zeitmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Endgültige Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitweilige Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse . . . . . . . . . V. Unterschiede zum früheren Recht und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neuerungen bei den Begriffen sowie deren Verständnis . . . . . . . . 2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erfassung weiterer Fallgruppen der Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . 4. Veränderte prozessuale Behandlung der Unmöglichkeit . . . . . . . . B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage und Interessenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwurfsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenbewertung durch die Entwurfsbegründung . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die „zwei unterschiedlichen Fallgruppen“ und das Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei „Kriterien“ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Parallele zu dem „allgemeinen Rechtsgedanken“ . . . (4) Die unterschiedlichen Hinweise zum relevanten Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) In Sonderheit: Die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen in Drittveräußerungsfällen . . . . . . . . (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der durch die Rechtsprechung entwickelte „allgemeine Rechtsgedanke“ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB? . . . . . . . . . . . a) Analyse anhand repräsentativer Entscheidungen des BGH . . . (1) Vertraglicher Erfüllungsanspruch – Entwicklung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 393 f.) – Kfz-Stellplätze . . . . . . . . a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 390 f.) – Tiefgarage . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987 (= BGH, NJW 1988, 699) – „33fach“ . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 165 167 168 168 171 171 173 174 175 175 175 178 179

181 186 186 188 190 190 190 191 191 192 193 195 195 196 198 198 199

Inhaltsverzeichnis (d) In Sonderheit: BGH-Urteil vom 26. 9. 1990 (= BGH, NJW-RR 1991, 204) – Muldenkipper . . . . . a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Werkrechtlicher Anspruch auf Mängelbeseitigung (§ 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) BGH-Urteil vom 10. 10. 1985 (= BGHZ 96, 111) – K-Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zu neueren Entscheidungen des BGH . . . . . . . . . . . . . (3) (Außervertraglicher) Anspruch auf Naturalrestitution (§ 251 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) BGH-Urteil vom 24. 4. 1970 (= BGH, NJW 1970, 1180) – Bauverbot . . . . . . . . . . . a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kfz-Schäden: BGH-Urteile vom 15. 10. 1991 (= BGHZ 115, 364 und 375) – Integritätszuschlag („130%“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eignung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Dogmatische Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . (3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB . . . . (4) „Innerer Antagonismus“ des § 275 Abs. 2 BGB? . . . . . . (5) Unterschiedliche Interessenlagen in den beiden Grundkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Fälle vorliegenden schuldnerischen Vertretenmüssens („Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“) . . . . a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) In Sonderheit: Immaterielles Leistungsinteresse . . . .

13

201 202 202 205 205 206 207 209 212 212 214 214 215

215 216 218 220 221 222 224 227 229

229 230 230 232 233 234

14

Inhaltsverzeichnis (6) Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung und den weiteren Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Gedanke der Unverhältnismäßigkeit in der Literatur . . . . . . . a) Einrede aus „entgegenstehendem gewichtigem, eigenem Interesse“ (Krückmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unverhältnismäßigkeit bei H. H. Jakobs und U. Huber . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB 2. Der Inhalt des Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die geschuldete Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Schuldverhältnis als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vertragliche Risikoübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gebote von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Leistungsaufwand des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Begriffe des Aufwands und der Anstrengungen . . . . (2) Distinktion „Normalaufwand“ und „Mehraufwand“ . . . . . b) Umfang und Bestimmung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßgeblicher Bestimmungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesamtaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erforderlichkeit des Aufwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Geldaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Konkret-individuelle Aufwandsbestimmung am Beispiel der Planungskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Behandlung eines Wertverlusts beim Leistungsgegenstand . . . (1) Vom Schuldverhältnis abstrahierende Bestimmungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigener Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) In Sonderheit: Eigentumsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonderfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einstehenmüssen für die finanzielle Leistungsfähigkeit – Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz immaterieller Interessen des Schuldners . . . . . . . . (3) Gewinneinbußen und Opportunitätskosten . . . . . . . . . . . . . (a) Einbuße von Gewinn aus Geschäften mit Dritten . . . (b) Opportunitätskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 237 237 237 239 241 242 243 243 246 246 247 251 252 254 254 254 254 256 257 257 257 259 260 261 262 265 266 267 272 275

275 276 282 282 285

Inhaltsverzeichnis e) Weitere Modalitäten der Aufwandsbestimmung . . . . . . . . . . . . (1) Abzug der Gegenleistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Berücksichtigung eines hypothetischen Anspruchs des Gläubigers auf Schadensersatz statt der Leistung? . . 5. Leistungsinteresse des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung . . . . . . . b) Besondere Leistungsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die gläubigerseitige Verwendungsplanung . . . . . . . . . . . . . (2) In Sonderheit: Spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Dissonanz zwischen „Erfüllungshaftung“ und Schadensersatzhaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einbeziehung „besonderer“ Interessen in den Vertrag als Ausweg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Eigener Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) In Sonderheit: Immaterielle Interessen . . . . . . . . . . . . c) Weitere Modalitäten der Interessebestimmung . . . . . . . . . . . . . 6. Vertretenmüssen (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens und dessen Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Leistungshindernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Nachträgliche Leistungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vom Schuldner zu vertretende vertragsanfängliche Leistungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sonderproblem: Verschulden bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen? . . . . . . . . . . . b) Rückbeziehung leistungsgegenstandsbezogener Sorgfaltspflichten (Arp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Eigener Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Annex: Die Sekundärhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bei Vertragsschluss bestehendes Leistungshindernis a) Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zu vertretende Unkenntnis: Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bei Vertragsschluss feststehender späterer Eintritt eines Leistungshindernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB . . . .

15 286 286 290 292 293 294 294 296 297 297 303 305 306 307 308 308 310 310 310 312 312 314 317 320 324 325 325 327 331 331 332

16

Inhaltsverzeichnis (c) Bei Vertragsschluss möglicher späterer Eintritt eines Leistungshindernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB? . . . (d) Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Annex: Die Sekundärhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Ausmaß („Wie“) des Vertretenmüssens: Der Verschuldensgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzesmaterialien und Literaturstimmen . . . . . . . . . . . . . (2) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zweiteilung des Anwendungsfelds von § 275 Abs. 2 BGB als mittelbare Primärwirkung schuldnerischen Vertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung . . . . . . . . . . 7. Grobes Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Streitstand im Schrifttum: Darstellung und Kritik . . . . . . . . . . (1) Dichotome Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Zufallshindernisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnung einer „Mehraufwandspflicht“ (Lobinger, E. Picker, J. Wilhelm) . . . . . . . . . . . . . . b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Kaufpreises (Ackermann, U. Huber) . . . . . . . . g) Die Ansicht von Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse a) Geltung des Maßstabs von § 251 Abs. 2 BGB (Lobinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einheitskonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Obergrenze für Aufwand „relativ knapp“ über Leistungsinteresse – Konkretisierung mittels gestaffelter Prozentangaben (Faust) . . . . . . . . . (b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/Sutschet) – Zugleich zum „Schwellenproblem“ des § 275 Abs. 2 BGB . . . (c) Beschränkung des § 275 Abs. 2 BGB auf Extremfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Weitere Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

332 333 335 337 338 339 341 341 344

344 344 348 348 349 349 350 356 360 362 362 363 363

364

367 372 373 375

Inhaltsverzeichnis b) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangspunkt: Unterscheidung zweier Regelungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortsinn und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geltungsbereich der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung von Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . g) Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL (e) Der Vergleich mit europäischen Regelwerken: PECL und PICC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle) . . . (4) Das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Moderater Zuschlag“ auf das gegenständliche Naturalleistungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Folgenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Vertragliche Risikoübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Beschaffungsrisiko beim Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Herstellungsrisiko beim Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . (6) Fallbeispiele zum Sachkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Besitzverlust („Ringfall“, Diebstahlsfälle) . . . . . . . . . a) Regelungsproblem: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsproblem: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Eigentumsmangel (Verkauf von dem wahren Eigentümer gestohlenen Sachen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Drittveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsproblem: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsproblem: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Übernahme eines Beschaffungsrisikos . . . . . . . . . . . . . (7) Exkurs zu anderen Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Nicht-synallagmatische Stückschulden . . . . . . . . . . . . (c) Schenkungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 377 377 378 378 379 381 382 383 385 391 395 399 400 402 402 403 407 408 409 412 412 412 413 414 415 417 417 419 420 421 422 428 429

18

Inhaltsverzeichnis

III.

IV.

V.

VI.

8. Das Zeitmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitweiliges Missverhältnis i. S. des § 275 Abs. 2 BGB . . . . . b) Endgültiges Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sonderprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfolglose Leistungsbemühungen – Behandlung des Misserfolgsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ex ante ungewisser Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Vorschlag von Maier-Reimer . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Vorschlag von Faust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Auseinandersetzung und eigene Begründung . . . . . . . (2) Nichteintritt eines ex ante gewissen Erfolgs . . . . . . . . . . . . b) Unverhältnismäßigkeit zwischen Normalaufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse . . . . . . . . . . . . Die Rechtsfolge des § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einredecharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Zeitmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Zeitmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzen und Bedeutung des Erfüllungsanspruchs für den Gläubiger 1. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Naturalrestitution durch den Gläubiger bei durchsetzbarem Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Naturalrestitution als Inhalt des Schadensersatzes statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 251 Abs. 2 S. 1 BGB als maßgebliche Grenzbestimmungsnorm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiede zum früheren Recht und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuordnung der aus dem früheren Recht bekannten Kategorien a) „Faktische Unmöglichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsmissbrauchsfälle („allgemeiner Rechtsgedanke“) . . . . . c) „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“ als Fall des § 313 BGB . . . 2. Neuerungen und Klarstellungen im Falle von „Zufallshindernissen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schaffung eines einheitlichen Tatbestands für das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestand und Reichweite der (Wieder-)Beschaffungspflicht beim Stückkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

432 432 437 438 438 438 439 440 442 443 447 448 449 449 453 455 455 456 456 457 458 460 460 463 467 467 467 468 468 469

469 470

Inhaltsverzeichnis c) Gemeinsamkeiten und verbleibende Unterschiede zwischen anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen . . . . . 3. Funktion und Bedeutung von § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage und Interessenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung des § 313 BGB für die Behandlung von Leistungshindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kodifizierung des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlagenlehre 3. Beispiele aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . a) Äquivalenzstörung im Kontext von Leistungshindernissen . . (1) BGH-Urteil vom 8. 2. 1978 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) BGH-Urteil vom 21. 11. 1968 (= BGH, NJW 1969, 233) – Baumehrkosten . . . . . . . . . . . (a) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Standpunkt der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Tatbestand des § 313 Abs. 1 und 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlen und Wegfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hypothetisches Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erheblichkeit der Störung (Unzumutbarkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwere Äquivalenzstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Mischfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten beim Stückkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsfolge des § 313 Abs. 1 und 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unzumutbarkeit der Anpassung, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Erhöhung der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aktivlegitimation und Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rücktritts- beziehungsweise Kündigungsrecht aus § 313 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Unterschiede zum früheren Recht und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kodifizierung des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlagenlehre 2. Prozessuale Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verhältnis der einzelnen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhältnis von § 275 Abs. 1 BGB und §§ 275 Abs. 2, 313 BGB

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472 473 475 476 476 479 479 479 479 480 482 482 483 483 484 485 485 486 490 491 491 493 496 498 500 500 501 505 507 508 508 510 510 513 513 513

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Inhaltsverzeichnis II. Verhältnis von § 275 Abs. 2 zu § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überschneidungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorrang des § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wahlrecht des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vorrang der Geschäftsgrundlagenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Unterschiede zwischen § 275 Abs. 2 und § 313 BGB . . . b) Bestehen eines Überschneidungsbereichs? . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erfassung von „Mischfällen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Interessenberücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

514 514 514 516 516 516 517 518 518 520 520 521 521

§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verhältnis der einzelnen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Bewertung der Neuregelung im Lichte der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

522 522 525 537 540 541

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Relevante Normen und Texte: Vom ersten Entwurf des alten BGB (1888) bis zum SMG vom 26. 11. 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erster Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches (E I), 1888 . . . . . . . II. BGB vor der Schuldrechtsreform (BGB a. F.), in Kraft von 1. 1. 1900 bis 31. 12. 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kommissionsentwurf der Schuldrechtskommission (KommE), 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (DiskE), August 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs des Bundesjustizministeriums, erarbeitet von der Kommission Leistungsstörungsrecht (KonsF), März 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gesetzentwurf der Bundesregierung (RegE), Mai 2001 . . . . . . . . . . . VII. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BGB), in Kraft seit 1. 1. 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetzesmaterialien: BT-Drucks. 14/6040 vom 14. 5. 2001 (Auszüge)

545 545 545 545 547 548

549 550 552 555

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616

Abkürzungsverzeichnis a. A. aaO. abgedr. abl. ABl. EG Abs. abw. AcP a. D. a. E. a. F./aF AG AGB AGB-Gesetz ähnl. allg. allg. M. ALR AltKomm Anh. Anm. AnwBl ArchBürgR Art. Artt. AT Aufl. ausf. Az. BAG BAGE BauR BB Bd.

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz/Absätze abweichend Archiv für civilistische Praxis (Band, Erscheinungsjahr und Seite) außer Dienst am Ende alte Fassung Amtsgericht(s)/Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ähnlich allgemein allgemeine Meinung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alternativkommentar zum BGB Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Archiv für bürgerliches Recht (Band, Erscheinungsjahr und Seite) Artikel/article Artikel/articles Allgemeiner Teil Auflage ausführlich Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band und Seite) Baurecht Betriebs-Berater Band

22 bearb. begr. Beil. bestr. BGB BGBl. BGH BGHZ BMJ BReg BR-Drucks. bspw. BT BT-Drucks. bzw. CISG D. DAR DAV DB DDR dens. ders. d.h. dies. DiskE DJT DJZ DM DNotZ Dr. DStR EI EG EGBGB EGInsO EKG etc. EU EuGH

Abkürzungsverzeichnis bearbeitet begründet Beilage bestritten Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof(s) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band und Seite) Bundesministerium(s) der Justiz Bundesregierung Bundesratsdrucksache beispielsweise Bundestag Bundestagsdrucksache(n) beziehungsweise Convention on Contracts for the International Sale of Goods Digesten(stelle) Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik denselben derselbe das heißt dieselbe(n) Diskussionsentwurf(s) Deutscher Juristentag Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Doktor(in) Deutsches Steuerrecht Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Erste Lesung 1888 Europäische Gemeinschaft(en)/EG-Vertrag Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Einheitliches Kaufgesetz et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

Abkürzungsverzeichnis EWiR f./ff. FG Fn. FS gem. Ges. Aufs. GG grdl. Grds./grds. Halbs. HandKomm h. L. h. M. Hervorheb. hrsg. Hrsg. i. d. F. i. d. S. i. e. S. insb. InsO i.Erg. i. R. i. S. des/der/von i. V. mit i. w. S. JA Jb. J. ZivRWiss. jew. JherJb JR JURA JuS JW JZ Kfz KommE KonsDiskE KonsF krit.

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende (Randnummer(n), Seite(n) usw.) Festgabe Fußnote(n) Festschrift gemäß Gesammelte Aufsätze Grundgesetz grundlegend Grundsatz/grundsätzlich Halbsatz Handkommentar zum BGB herrschende Lehre herrschende Meinung Hervorhebung(en) herausgegeben Herausgeber(in) in der Fassung in diesem Sinne im engeren Sinne insbesondere Insolvenzordnung im Ergebnis in Rente im Sinne des/der/von in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler jeweils/jeweilig Jherings Jahrbücher für Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Band, Erscheinungsjahr und Seite) Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kraftfahrzeug Kommissionsentwurf Konsolidierter Diskussionsentwurf Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs kritisch

23

24 LG li. Sp. lit. LM

Abkürzungsverzeichnis

Landgericht(s) linke Spalte Litera Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs LZ Leipziger Zeitung für Deutsches Recht m. a. W. mit anderen Worten MDR Monatsschrift für Deutsches Recht m. E. meines Erachtens m. Nachw. mit Nachweis(en) Mot. Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (Band und Seite) MünchKomm Münchener Kommentar zum BGB MünchKomm-ZPO Münchener Kommentar zur ZPO m. weit. Nachw. mit weiteren Nachweisen Nachw. Nachweis(e, en) n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nr. Nummer(n) NZA Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZM Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht OLG Oberlandesgericht(s) OPEC Organization of Petroleum Exporting Countries (deutsch: Organisation der Erdöl exportierenden Länder) PECL Principles of European Contract Law PICC Principles of International Commercial Contracts Pkw Personenkraftwagen Prof. Professor(in) Prot. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches RabelsZ Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr. von Rabel re. Sp. rechte Spalte RegE Regierungsentwurf(s) RG Reichsgericht(s) RGBl. Reichsgesetzblatt RGRK Kommentar zum BGB, hrsg. von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band und Seite) RheinZ Rheinische Zeitung für Zivil- und Prozessrecht (Band, Erscheinungsjahr und Seite)

Abkürzungsverzeichnis RIW RL Rn. Rs. Rspr. s. S. SAT SBT sc. SeuffA

Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer(n) Rechtssache Rechtsprechung siehe Satz/Seite(n) Schuldrecht, Allgemeiner Teil Schuldrecht, Besonderer Teil scilicet Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Band, Jahr, Nummer und Seite) SJZ Süddeutsche Juristenzeitung Slg. Sammlung (der Rechtsprechung des EuGH) SMG Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts stellv. stellvertretend StGB Strafgesetzbuch str. streitig StuKo Studienkommentar Teilb. Teilband Uabs. Unterabsatz umstr. umstritten UN United Nations (deutsch: Vereinte Nationen) UNIDROIT International Institute for the Unification of Private Law US United States (deutsch: Vereinigte Staaten) usw. und so weiter u. U. unter Umständen v. von/vom VerbrGüterkauf-RL Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter vgl. vergleiche VOB Verdingungsordnung für Bauleistungen VuR Verbraucher und Recht VVG Versicherungsvertragsgesetz WEG Wohnungseigentumsgesetz WM Wertpapier-Mitteilungen WuM Zeitschrift für Wohnungswirtschaft und Mietrecht z. B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht ZfS Zeitschrift für Schadensrecht

25

26 ZGS ZIP zit. ZMR ZPO ZRP ZS z. T. zust. ZZP

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat zum Teil zustimmend Zeitschrift für Zivilprozess (Band, Jahr und Seite)

§ 1 Einleitung Am 1. 1. 2002 ist das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts1 in Kraft getreten. Das allgemeine Leistungsstörungsrecht des BGB hat dadurch ein vollkommen neues Gesicht bekommen. Zum Teil beschränken sich die reformbedingten Änderungen darauf, das Gesetz in seiner Systematik und Handhabbarkeit zu „modernisieren“, ohne im Ergebnis substantielle Veränderungen zu zeitigen. Andererseits wurden jedoch auch handfeste Änderungen in der Sache vorgenommen: Während etwa die anfängliche objektive Unmöglichkeit der Leistung nach altem Recht gemäß § 306 BGB a. F. zur Vertragsnichtigkeit führte, bleibt die Wirksamkeit des Vertrags nunmehr hiervon unberührt, siehe § 311a Abs. 1 BGB.

A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten in Fällen materieller2 Leistungshindernisse3. Den Gegenstand der Untersuchung bilden dementsprechend Fälle der schlichten Nichtleistung; die mangelhafte Leistung, die eine Nacherfüllungspflicht auszulösen vermag, wird unter systematischen Gesichtspunkten anzusprechen sein.4 Ein gewisser Schwerpunkt wird auf die Erfüllungspflicht des Verkäufers, insbesondere des Stückverkäufers, gelegt. Fernerhin werden neben den materiell-rechtlichen Problemen, deren Lösung fortan mithilfe der §§ 275 Abs. 1 und 2, (311a Abs. 1) sowie § 313 BGB zu finden ist, auch die zivilprozessualen und die zwangvollstreckungsrechtlichen Aspekte der behandelten Thematik beleuchtet. 1

Vom 26. 11. 2001 (BGBl. I S. 3138). Vgl. zur Neuregelung in § 275 Abs. 3 BGB sowie allgemein zur ideellen Unzumutbarkeit (bzw. „ideellen Leistungshindernissen“) jüngst ausf. Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit passim. 3 Insoweit würde sich anbieten, vom „Recht der Leistungshindernisse“ zu sprechen (s. für anfängliche Hindernisse Schapp, FS Kollhosser Bd. II S. 619, 625 und 631). Weitaus enger hingegen ist die Bezeichnung „Unmöglichkeitsrecht“ (s. auch Arnold, JZ 2002, 866), die streng genommen nur Fälle der wirklichen Unmöglichkeit im Sinne unüberwindbarer Leistungshindernisse umfasst (§ 275 Abs. 1 BGB). Leistungshindernisse sind jedoch häufig nicht unüberwindbar, können aber gleichwohl zu einer Primärpflichtbefreiung führen. 4 s. insb. die Vorschriften der §§ 439 Abs. 3, 635 Abs. 3 BGB. 2

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§ 1 Einleitung

Es bedarf keiner besonderen Begründung für den Umstand, dass die Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten eminente Bedeutung besitzen, hängt von ihnen doch ab, ob der Vertragsgläubiger ungeachtet von Leistungshindernissen die vertraglich vereinbarte Leistung fordern kann oder nicht. Das Hauptziel der Untersuchung ist es, auf Grundlage der neuen Gesetzesvorschriften ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, das die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten ermöglicht. Besonderes Augenmerk gilt dabei überwindbaren Leistungshindernissen, bei denen sich – anders als bei unüberwindbaren Leistungshindernissen – schwierige Wertungsfragen stellen. Im Fokus der Untersuchung steht insoweit der neue § 275 Abs. 2 BGB. Da sich die Neuregelung weithin nur erfassen lässt, wenn die frühere Regelung bekannt ist, wird diese – zumindest in ihren Grundzügen – zunächst analysiert, bewertet und später auch der neuen Regelung gegenübergestellt. Das neue Recht baut nämlich in vielen Hinsichten auf dem alten Recht und den dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen auf. Indes bestehen auch grundlegende Veränderungen. Der Rekurs auf die frühere Rechtspraxis und einstige Lehrmeinungen muss deshalb mit Bedacht erfolgen.5

B. Terminologie Der Begriff der Erfüllungspflicht (oder Leistungspflicht) bezeichnet die Pflicht des Schuldners zur Erbringung der Leistung in natura. In Abgrenzung zu vertraglichen Sekundärpflichten (z. B. Schadensersatz statt der Leistung) wird die Erfüllungspflicht nicht selten auch als Primärpflicht6 bezeichnet. Der Erfüllungspflicht des Schuldners korrespondiert auf Seiten des Gläubigers der Erfüllungsanspruch (oder Leistungsanspruch/Primäranspruch).7 Erfüllungsanspruch und Erfüllungspflicht teilen dasselbe Schicksal. Die verschiedenen in Frage kommenden Gegenrechte (sc. § 275 Abs. 1 und 2 sowie § 313 Abs. 1 und 3 BGB) unterscheiden sich in ihrer technischen Ausgestaltung zum Teil sehr stark.8 Gleichwohl ist allen gemein, dass derjenige Schuldner, dem sie zur Seite stehen, die ursprüngliche Leis5

Ähnl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 4 a. E. Für ein rein zeitliches Verständnis der Begriffe „primär“ und „sekundär“ demgegenüber jüngst Hadding, FS Konzen S. 193, 199 f., 204. 7 s. hierzu auch jüngst Hadding, FS Konzen S. 193, 204. Vgl. zur Kritik eines „Denken[s] primär in Pflichten“ Braun, AcP 205 (2005), 127, 132 f. (und 147). 8 In der genannten Reihenfolge: rechtsvernichtende Einwendung, rechtshemmende Einrede, Zurückbehaltungsrecht aufgrund eines Anpassungsanspruchs und Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht. 6

B. Terminologie

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tung nicht mehr oder zumindest nicht unter unveränderten Vertragsbedingungen erbringen muss. Für alle Fälle wird daher im Folgenden der Begriff Primärpflichtbefreiung verwendet. Der Begriff Leistungshindernis lässt sich definieren als ein Umstand tatsächlicher oder rechtlicher Natur, der die Erbringung der geschuldeten Leistung verhindert oder zumindest (materiell) aufwendiger als geplant macht. Im Vordergrund stehen dabei die hier behandelten materiellen Leistungshindernisse; Sonderfälle ideeller Hindernisse spielen in aller Regel nur bei persönlich zu erbringenden Leistungen eine Rolle (vergleiche hierzu § 275 Abs. 3 BGB). In zeitlicher Hinsicht lassen sich anfängliche (oder ursprüngliche) und nachträgliche (oder nachfolgende) Leistungshindernisse unterscheiden, je nachdem, ob sie vor oder nach Vertragsschluss9 eintreten. Neben dem Eintrittszeitpunkt kann ferner auch für die Dauer des Bestands von Leistungshindernissen differenziert werden, namentlich zwischen zeitweiligen (oder vorübergehenden) und endgültigen (oder dauernden) Leistungshindernissen. Von entscheidender Bedeutung ist die Distinktion überwindbarer und unüberwindbarer Leistungshindernisse.10 Wie noch zu zeigen sein wird,11 begründen nur Letztere Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 BGB. Die schon früher gebrauchten Begriffe der „faktischen“ oder „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ werden in der juristischen Diskussion weiterhin verwendet, obgleich sie geeignet erscheinen, Begriffsverwirrung zu stiften,12 handelt es sich insoweit doch gerade nicht um wirkliche Unmöglichkeit im Sinne eines unüberwindbaren Leistungshindernisses.13 Um drohenden Missverständnissen vorzubeugen, werden die Begriffe vorliegend stets in Anführungszeichen gesetzt. Weiterhin empfiehlt es sich nicht, in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB von „Unzumutbarkeit“ zu sprechen, da der tragende Befreiungsgrund 9 Vgl. hierzu stellv. MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 32, 34 m. weit. Nachw., im Kontext des früheren Rechts näher unten sub „1. Anfängliche Unmöglichkeit, § 306 BGB a. F.“, S. 38 mit Fn. 44 (S. 38). 10 Anders Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 80, die meint, der Begriff Leistungshindernis bedeute seinem Wortsinn nach, dass die Leistung des Schuldners „gehindert“ sei – mithin wirklich unmöglich sei – und die demzufolge den Wortlaut des Gesetzestextes (s. etwa § 275 Abs. 2 S. 2 BGB) für missglückt halten muss. 11 Insb. sub „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff. sowie „b) Wertungsfreiheit des Begriffs – Unmöglichkeit im wirklichen Sinne“, S. 142 ff. 12 Gegen eine Aufrechterhaltung dieser Begriffe Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 62 f., 176. 13 So für die „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ bereits Erman10 /Battes, § 275 aF Rn. 10, 27 („führt in die Irre und sollte aufgegeben werden“); K. Schreiber, JURA 1995, 529, 530 („strenggenommen verfehlt“).

30

§ 1 Einleitung

dort in erster Linie14 in dem „groben Missverhältnis“ zwischen schuldnerischem Leistungsaufwand und gläubigerseitigem Leistungsinteresse liegt. Auf der anderen Seite behandelt § 275 Abs. 2 BGB auch keine Fälle wirklicher Unmöglichkeit im Sinne unüberwindbarer Leistungshindernisse, demzufolge die Norm nicht der Kategorie der Unmöglichkeit zuzuordnen ist. Im früheren Recht wurden Begriffe gebraucht, die im reformierten BGB nicht mehr existieren beziehungsweise fortan Abweichendes beinhalten. So kennt das neue BGB kein „Unvermögen“ mehr.15 § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB spricht von „Unmöglichkeit für den Schuldner“ (subjektive Unmöglichkeit) und meint damit – abhängig davon, für welchen Unvermögensbegriff man nach früherer Rechtslage eintrat – bald das Gleiche, bald Unterschiedliches. Um den problembehafteten Unvermögensbegriff endgültig ad acta zu legen, ist er im Kontext des neuen Rechts nicht zu verwenden.16 Der Begriff der Unmöglichkeit im Sinne des früheren BGB (siehe insbesondere § 275 Abs. 1 BGB a. F.) findet sich zwar im neuen § 275 Abs. 1 BGB wieder, entspricht aber nicht unbedingt dem alten Unmöglichkeitsbegriff. Denn die früher von der herrschenden Meinung als Unmöglichkeit angesehene beziehungsweise als solche behandelte „faktische (oder praktische) Unmöglichkeit“ unterfällt fortan dem Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB, wird mithin weder als Unmöglichkeit angesehen noch als solche behandelt. Wird der Begriff Unmöglichkeit vorliegend verwendet, ist immer der Kontext – altes oder neues Recht – maßgeblich für dessen Bedeutung; zur Verdeutlichung wird im neuen Recht (als notwendige Abgrenzung zur subjektiven Unmöglichkeit) das Adjektiv „objektiv“ verwendet, während dieses im Kontext des früheren Rechts aufgrund seiner dort nur klarstellenden Funktion mit Klammern versehen wird. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Kontext des alten Rechts die Begriffe Unvermögen und (objektive) Unmöglichkeit verwendet werden, in Bezug auf das neue Recht hingegen die Begriffe subjektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Fall 1 BGB) sowie objektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB).

14 Vgl. nämlich § 275 Abs. 2 S. 2 BGB, wo von „dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen“ die Rede ist. 15 Anders noch §§ 275 Abs. 2, 279 BGB a. F. 16 Anders jedoch das überwiegende Schrifttum, vgl. z. B. J. Kaiser, MDR 2004, 311 ff.; Pfeiffer, ZGS 2002, 23, 28, 32, die in Hinsicht auf § 275 Abs. 1 BGB den Begriff „Unvermögen“ verwenden, wohingegen etwa Schlechtriem, FS Sonnenberger S. 125, 127 und passim in Bezug auf § 275 Abs. 2 „vereinfacht“ (aaO., S. 126) sowohl von „Unvermögen“ als auch von „subjektiver Unzumutbarkeit“ spricht.

C. Gang der Untersuchung

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C. Gang der Untersuchung Im Folgenden werden die Grundzüge der früheren Rechtslage vor InKraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes skizziert und einer kritischen Würdigung unterzogen (§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage). Daran schließen sich Ausführungen zu den im Jahre 1978 einsetzenden Reformbestrebungen an (§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform): Zunächst wird ein kurzer geschichtlicher Überblick über das Projekt der Schuldrechtsreform von dessen Aufnahme bis zum In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. 1. 2002 gegeben. Sodann werden die einschlägigen Regelungsentwürfe, wie sie die einzelnen Reformentwürfe vorsahen, erörtert. Hernach wendet sich die Arbeit der Neuregelung auf Grundlage des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu (§ 4 Die neue Rechtslage). Die neuen Bestimmungen der §§ 275 Abs. 1 und 2, 313 BGB sowie deren Verhältnis zueinander werden eingehend untersucht. Den Schwerpunkt bildet insoweit die Neuschöpfung des § 275 Abs. 2 BGB. Im Anschluss an die Analyse der einzelnen Vorschriften werden jeweils deren wesentliche Unterschiede zur früheren Regelung herausgearbeitet und im Lichte dieser Veränderungen bewertet. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse (§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse).

§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage Das Unmöglichkeitsrecht des BGB vom 18. 8. 18961 in seiner Fassung vom 1. 1. 1900 war zum Teil stark geprägt von römisch-rechtlichen Einflüssen. So lässt sich etwa die Norm des § 306 BGB a. F. auf den CelsusSatz „impossibilium nulla obligatio est“2 (eine auf eine unmögliche Leistung gerichtete Verbindlichkeit ist nichtig)3 zurückführen,4 wenngleich die in jener Vorschrift normierte Vertragsnichtigkeit über den Celsus-Satz insoweit hinausgeht, als der ganze Vertrag, das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, für nichtig erklärt wird und nicht nur die einzelne Leistungspflicht, das Schuldverhältnis im engeren Sinne, wegen Unmöglichkeit nicht besteht.5 Andererseits wurden im BGB auch Regeln aus dem gemeinen Recht übernommen. Dies wird zumeist für § 275 BGB a. F. behauptet, wenngleich diese Vorschrift dogmengeschichtlich auf die aus den Digesten überlieferte Regel des Ulpian („casus a nullo praestantur“6 – für Zufall wird nicht gehaftet)7 zurückgehen soll.8 Den Anwendungsbereich der Regel „casus a nullo praestantur“ erweiterte Friedrich Mommsen9, indem er den Begriff „casus“ durch den Begriff der vom Schuldner nicht verschuldeten nachträglichen Unmöglichkeit ersetzte.10 Zwar ist diese Begriffsersetzung bereits im 1

RGBl. S. 195. D. 50, 17, 185. 3 s. U. Huber, LS I § 3 I 6 (S. 74). 4 Vgl. auch Otte, in: Gedenkkolloquium für Christian Wollschläger S. 5, 6 („römisch-rechtliches Vorbild“). 5 s. zu Nachw. unten Fn. 46 (S. 39). Zur Herkunft der Regel des § 306 BGB a. F. ausf. Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 60 ff. 6 Vgl. D. 50, 17, 23. 7 s. U. Huber, LS I § 3 I 6 (S. 74). 8 So U. Huber, LS I § 3 I 6 (S. 74 ff.) mit dem vollständigen Wortlaut der Ulpian-Regel (aaO. mit Fn. 58), ebenso H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 119; Wahl, Schuldnerverzug S. 100 f., 113. 9 Grdl. Fr. Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht I: „Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluß auf obligatorische Verhältnisse“ von 1853 sowie ders., Beiträge zum Obligationenrecht III: „Die Lehre von der mora, nebst Beiträgen zur Lehre von der culpa“ von 1855. Vgl. zu seiner Unmöglichkeitslehre auch die Arbeit von Würthwein, Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen S. 79 ff.; Hinweise zur Vita Friedrich Mommsens liefert U. Huber, LS I § 3 I 6 mit Fn. 65 (S. 75). 10 Fr. Mommsen, Unmöglichkeit S. 231 ff. 2

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preußischen Allgemeinen Landrecht zu finden,11 gleichwohl gilt Friedrich Mommsen weithin als geistiger Vater des § 275 BGB a. F.12 Ihm wird auch zugeschrieben, der Kategorie der Unmöglichkeit zu ihrem „Durchbruch“13 verholfen zu haben. Seine Unmöglichkeitslehre, insbesondere deren Ursprung und Vereinbarkeit mit den römischen Quellen, war bis zuletzt umstritten.14 Bedeutenden Einfluss auf das Unmöglichkeitsrecht hatten auch Friedrich Carl von Savigny15 sowie Bernhard Windscheid16, Schüler Friedrich Mommsens, der in seinem Pandektenlehrbuch dessen Lehren weitgehend übernahm.17 In Hinsicht auf die so genannte „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ gilt es noch auf die Arbeit von Paul Oertmann zur Lehre von der Geschäftsgrundlage hinzuweisen, die unmittelbar im Anschluss an ihre Veröffentlichung im Jahre 1921 auch in der Rechtsprechung des RG rezipiert wurde. Im Folgenden kann freilich weder die Entwicklung vom römischen Recht bis zum BGB von 1896 nachgezeichnet werden,18 noch sind die bis zuletzt heftig diskutierten Streitfragen der früheren Regelung in all ihren Verästelungen aufzuarbeiten. Die Darstellung des früheren Rechts kann sich vielmehr auf dessen Grundzüge beschränken. Die Skizzierung dient zum einen dazu, die wesentlichen durch die Schuldrechtsreform herbeigeführten Rechtsänderungen aufzuzeigen. Vor allem aber wird mit der Darstellung das Ziel verfolgt, Grundlagen für das Verständnis und die Auslegung der 11

s. zum ALR U. Huber, LS I § 3 I 6 mit Fn. 66 (S. 75). Vgl. J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 225; ausf. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 112 ff. Das BGB hat sich die Lehre Friedrich Mommsens, praktisch unverändert zu Eigen gemacht, s. U. Huber, LS I § 3 I 6 (S. 77). 13 So Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § 1 II 1 (S. 5). 14 Krit. vor allem Hartmann, Die Obligation S. 166 ff. und passim; ders., JherJb 22 (1884), 417 ff.; Wollschläger, Unmöglichkeitslehre S. 159 ff. Vgl. auch Würthwein, Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen S. 136 ff. 15 v. Savigny, Obligationenrecht I/II, 1851/1853; ders., System des heutigen römischen Rechts, 1840/1841. 16 s. Windscheid, Pandektenrecht II § 264 (S. 50 ff.), § 315 (S. 184 ff.); s. auch ders./Kipp, Pandektenrecht II § 264 (S. 91 ff.), § 315 (S. 289 ff.). 17 Hierzu und zu Ursprüngen im römischen Recht insb. Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 60 ff. (zu § 306 BGB a. F.); H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 112 ff. (zu § 275 BGB a. F.); Wollschläger, Unmöglichkeitslehre S. 38 ff.; vgl. auch Rabel, FS Bekker S. 171 ff., insb. 193 ff. (= Ges. Aufs. I S. 1 ff., insb. 18 ff.); ders., RheinZ 3 (1911), S. 467 ff. (= Ges. Aufs. I S. 56 ff.); ders., Mélanges Gérardin S. 473 ff. (= Ges. Aufs. IV S. 105 ff.). s. auch Blaurock, in: Schlechtriem/Leser, S. 51 ff.; Zimmermann, The Law of Obligations S. 686 ff.; Harke, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 29 ff.; Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 71 ff. 18 Vgl. insoweit die Nachw. in der vorigen Fn. sowie Otte, in: Gedenkkolloquium für Christian Wollschläger S. 5 ff. 12

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

Neuregelung nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu legen. Denn manche Vorschriften im neuen Recht lassen sich erst oder zumindest weitaus leichter erschließen,19 wenn man sich die entsprechenden Probleme und Schwächen der früheren Regelung vor Augen führt. Sofern indessen spezifische Streitfragen des alten Rechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zur Makulatur wurden, darf insoweit ein Hinweis auf den einstigen Streit ausreichen. Andererseits lassen sich Sachargumente, die in der Diskussion zu früheren Streitfragen ausgetauscht wurden, im neuen Recht – wenngleich zum Teil auf anderer Ebene – fruchtbar machen.20 Soweit dies der Fall ist, findet im Rahmen der Darstellung der früheren Rechtslage eine tiefer gehende Betrachtung statt.21 Der Rekurs auf das alte Recht, das gilt es besonders hervorzuheben, darf indessen nicht dazu führen, dass dessen Ergebnisse ins neue Recht hineingetragen werden, indem die neuen Normen – bewusst oder unbewusst – in unzulässigerweise dahingehend „ausgelegt“ oder „fortgebildet“ werden. Neben der Achtung des Willens der normsetzenden Instanz muss auch stets die Kompatibilität der Argumentationen mit dem neuen Recht geprüft werden. Soweit die Schuldrechtsmodernisierung zu keinen (oder nur unwesentlichen) Änderungen der früheren Rechtslage geführt hat, wird die entsprechende Problemdarstellung vornehmlich bei der Untersuchung der Neuregelung verortet.

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung Das Schicksal der schuldnerischen Leistungspflicht in Fällen objektiver Unmöglichkeit wurde im früheren BGB von zwei Normen geregelt: § 306 und § 275 Abs. 1. Während erstere Norm die anfängliche Unmöglichkeit der Leistung erfasste, unterlagen § 275 Abs. 1 BGB a. F. die Fälle nachträglicher Unmöglichkeit.

19 Noch weiter gehend in Hinsicht auf das im DiskE vorgeschlagene allgemeine Leistungsstörungsrecht Magnus, in: Schulze/Schulte-Nölke S. 67, 79. 20 Zu sehen ist insoweit, dass das Unmöglichkeitsrecht des alten BGB sicherlich zu den am intensivsten untersuchten Bereichen in der mehr als hundert Jahre währenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung zählen dürfte. 21 Rechtsgeschichtliche Auseinandersetzungen um die Mot. und Prot. zum BGB in seiner Fassung vom 1. 1. 1990 dürften jedoch insoweit kaum hilfreiche Aufschlüsse geben.

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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I. Der Begriff der Leistung und der Unmöglichkeit 1. Leistungsbegriff Bevor man den Begriff der Unmöglichkeit untersucht, muss zunächst deren Bezugspunkt geklärt werden. Denn: „Die Antwort auf die Frage, ob etwas möglich oder unmöglich ist, hängt von dem ab, was möglich oder unmöglich sein soll.“22 Demnach ist zunächst die vorgelagerte Frage zu beantworten, wie Leistung definiert wurde. Eine ältere Meinung, die aber auch in jüngerer Zeit vereinzelt Anhänger fand, verstand den Begriff der Leistung weit-modal.23 Die geschuldete Leistung sollte sich mit dem gesamten, dem jeweiligen Schuldverhältnis entsprechenden Verhalten des Schuldners (eingeschlossen sonstiger Modalitäten wie Raum, Zeit und Qualität) decken.24 Hintergrund dieses weiten Begriffsverständnisses war der Versuch, jedwede Vertragsverletzung des 22 So treffend Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 282; vgl. auch Scherner, JZ 1971, 533; Westhelle, Nichterfüllung und positive Vertragsverletzung S. 46. 23 Hierzu MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 7; ders., Leistungsstörungsrecht4 § 1 III (S. 7), IV (S. 8 f.), § 2 III 1 (S. 18 f.), § 2 III 7 (S. 25), § 20 III (S. 224 f.) der unter Berufung auf die Vorstellungen des BGB-Gesetzgebers für den weiten, modalen Leistungs- und damit auch Unmöglichkeitsbegriff eintrat, und keine Lücke im Gesetz sah, die es durch die positive Vertragsverletzung auszufüllen bedurfte (s. MünchKomm/Emmerich (2001), Vor § 275 aF Rn. 204–206; ders., AG 1987, 134, 135; ders., NZM 2002, 362, 364 f.), vielmehr sollten diese Fälle über Teilunmöglichkeit gelöst werden, anders aber noch Emmerich, in: Grundlagen § 10 II (S. 355), § 16 I (S. 433). Grdl. zum weiten Leistungsbegriff Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 281, 284 ff., insb. 295 ff.; ders., AcP 158 (1959/60), 273, 284 ff., insb. 288 ff. unter Berufung auf Fr. Mommsen (insb. Fr. Mommsen, Unmöglichkeit S. 9/153 ff.; ders., Interesse S. 9; ders., Mora S. 13) und die Gesetzesmaterialien; zur Lehre Fr. Mommsens Würthwein, Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen S. 126 ff. Vgl. zum weiten Leistungsbegriff auch Kisch, Unmöglichkeit S. 167 f., 193 ff.; Kleineidam, Unmöglichkeit S. 14 f., 24 f., 94 ff.; Siber, JherJb 50 (1906), 55, 180 ff. sowie aus jüngerer Zeit Motzer, JZ 1983, 884 ff.; Schünemann, JuS 1987, 1 ff.; Westhelle, Nichterfüllung und positive Vertragsverletzung S. 46 ff.; Wollschläger, Unmöglichkeitslehre S. 179 f., 188. Grds. abl. gegenüber einer derartigen Ausweitung des Leistungs- bzw. Unmöglichkeitsbegriffs U. Huber, LS I § 3 II 3 c (S. 85 f.); Brehm, JuS 1989, 544 f.; Staub, Positive Vertragsverletzungen S. 8 ff.; Heinrich Stoll, AcP 136 (1936), 257, 268 ff., insb. 274 ff., vgl. zu geschichtlichen Hintergründen U. Krüger, JuS 1999, 514 f. 24 Den Leistungsbegriff noch weiter ausdehnend, namentlich auf andere Modalitäten wie Sorgfaltspflichtverletzungen Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 286 f. und passim (vgl. hierzu Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), 85, 138 f.); zur Konstruktion über Unterlassungspflichten insb. Siber, JherJb 50 (1906), 55, 180 ff. Dies lehnte wohl auch Emmerich (MünchKomm/Emmerich (2001), Vor § 275 aF Rn. 204 ff.; ders., Leistungsstörungsrecht4 § 1 III [S. 7 f.], § 20 III [S. 224 ff.]) ab, der insoweit von einer allgemeinen culpa-Haftung ausging.

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Schuldners als (Teil-)Unmöglichkeitsfall zu betrachten, um auf diesem Wege stets zur Anwendung des gesetzlich geregelten Unmöglichkeitsrechts zu kommen.25 Die ganz herrschende Meinung verstand die Leistung hingegen eng-gegenständlich. Unmöglichkeit der Leistung lag danach nur vor, wenn der gegenständlich verstandene Leistungserfolg26 weder vom Schuldner noch von einem Dritten herbeigeführt werden konnte.27 (Objektive) Unmöglichkeit war damit identisch mit der Unerbringlichkeit der Leistung dem Gegenstand nach für jedermann.28 Für die Vielzahl der Fälle, die dementsprechend nicht den Kategorien Unmöglichkeit und Verzug unterfielen, wurde zumeist eine „riesengroße“ Lücke im Gesetz angenommen. Diese zuvorderst von Samuel Hermann Staub behauptete Lücke wollte dieser mit seiner kurz nach In-Kraft-Treten des BGB aus der Taufe gehobenen Lehre von den positiven Vertragsverletzungen29 ausfüllen.30 Andere Vertreter eines gegenständlichen Leistungs- und Unmöglichkeitsbegriffs wollten einen Teil der nicht unter Verzug oder Unmöglichkeit subsumierbaren Fälle mithilfe einer allgemeinen culpa-Haftung erfassen,31 die oftmals aus § 276 BGB a. F. hergeleitet wurde32. 25 Dieses Unterfangen, das man als gescheitert ansehen kann, diente auch dem Zweck, den Gesetzesvätern den Vorwurf einer „riesengroßen“ Gesetzeslücke zu ersparen, dazu sogleich im Text. Krit. Wiedemann, FS Universität Köln 600 Jahre S. 367, 388, dem zufolge ein gewaltsames Einschmelzen des anerkannten Rechtsinstituts der positiven Vertragsverletzung in die Unmöglichkeit keinen sachlichen oder methodischen Ertrag versprochen hätte. 26 Für den Leistungserfolg als Bezugspunkt der objektiven Unmöglichkeit vgl. nur Wieacker, FS Nipperdey (1965) Bd. I S. 783, 794 und passim. 27 s. MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 8. 28 Vgl. MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 8. 29 Grdl. Staub, Positive Vertragsverletzungen S. 34, 39 ff. (erstmals im Jahre 1902 veröffentlicht). 30 Später galt die positive Vertragsverletzung als gewohnheitsrechtlich anerkannt, vgl. nur Palandt61 /Heinrichs, § 276 aF Rn. 105; Wertheimer/Eschbach, JuS 1997, 605, 606; genauer war die Bezeichnung positive Forderungsverletzung, insoweit krit. bereits Zitelmann, FG Paul Krüger S. 265, der die Staub’sche Lehre im Übrigen auch für überflüssig hielt, s. aaO., S. 272. 31 So im früheren Recht MünchKomm/Emmerich (2001), Vor § 275 aF Rn. 204 ff.; ders., Leistungsstörungsrecht4 § 1 III (S. 7 f.), § 20 III (S. 224 ff.); U. Huber, FS v. Caemmerer, S. 837, 840 ff.; ders., LS I § 3 II 2 und 3 (S. 79 ff.); H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 34, 59 ff. und passim; Heinrich Stoll, AcP 136 (1936), 257, 279 ff., insb. 282 ff. Ebenso RGZ 106, 22, 25 f. (dort Auseinandersetzung mit der Lehre von Staub) m. weit. Nachw.; Krückmann, DJZ Bd. 10 Nr. 4 (1904), Sp. 205 ff., wo jew. § 276 BGB a. F. herangezogen wurde. 32 Hierzu Emmerich, aaO. (Nachw. vorige Fn.) und ausf. U. Huber, LS I § 3 II 3 d (S. 89 ff.); ders., FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 293 f.; vgl. auch § 224 Abs. 1 S. 1 und 2 E I (Erster Entwurf zum BGB, Text im Anh. sub A. I. und bei

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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2. Wirkliche Unmöglichkeit und „faktische Unmöglichkeit“ In den Fällen wirklicher Unmöglichkeit schied eine Leistungserbringung schlechthin aus. Die Feststellung der Unmöglichkeit der Leistung erfolgte dabei ohne Rückgriff auf Wertungskriterien. Die Unmöglichkeit beruhte vielmehr auf Hindernissen im logisch-naturwissenschaftlichen Sinne oder auf Hindernissen im rechtlichen Bereich.33 Freilich sind die Fälle in der Praxis durch die Fortschritte der Technik seltener geworden,34 nichtsdestotrotz gibt es sie, vor allem bei Speziesschulden. So kann etwa ein totes Pferd trotz aller technischen Möglichkeiten nicht wieder lebendig gemacht, ein verbrannter „alter Meister“ nicht wiederhergestellt werden oder auch die Eigenschaft eines Kraftfahrzeugs als „Unfallwagen“35 nicht mehr behoben werden. Bei (marktbezogenen) Gattungsschulden allerdings kam (objektive) Unmöglichkeit vor Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) äußerst selten vor, da dazu die gesamte Gattung hätte untergehen müssen, bei einer Vorratsschuld entsprechend der gesamte Vorrat. Logisch ausgeschlossen war (und ist) bei wirklicher Unmöglichkeit die Erbringung der Leistung, nicht hingegen zwingend eine dahingehende Pflicht. Als Erscheinungsformen lassen sich dabei die naturgesetzliche, die juristische und die zeitliche Unmöglichkeit feststellen.36 Der Unmöglichkeit der Leistung wurden im alten Recht neben der wirklichen Unmöglichkeit auch Fälle zugeschlagen, in denen „die Erbringung der Leistung zwar nicht schlechthin für jedermann unmöglich war, aber doch jedem Menschen so erhebliche und im Grunde unüberwindliche Schwierigkeiten bereitete, daß kein vernünftiger Mensch ohne besonderen Anlaß auch nur auf die Idee käme, den Versuch einer Leistungserbringung zu wagen“.37 Die dafür angeführten „klassischen“ Beispiele waren meist der Ring, den der Verkäufer nur nach vorheriger Bergung vom Meeresboden hätte leisten können, sowie der Münzschatz, den der Verkäufer zur Leistungserbringung zuvor unter dem Fundament eines Hochhauses hätte Mugdan, II, S. V). Gegen eine Herleitung aus § 276 BGB a. F. Rabel, RheinZ 3 (1911), 467, 487 (= Ges. Aufs. I S. 56, 75); H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 17 ff.; Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht S. 67; Evans-von Krbek, AcP 179 (1979), 85, 105: § 276 BGB a. F. sollte nicht (allein) eine eigenständige Haftungsgrundlage darstellen können, abl. auch bereits Zitelmann, FG Paul Krüger S. 265, 266 ff., 277 („schwer begreifliche Nachlässigkeit“). 33 Vgl. Berghoff, Unmöglichkeit S. 7. 34 Darauf verweist auch der Abschlußbericht S. 118. 35 Ebenso für den Fall der Unfallfreiheit eines Gebrauchtwagens LG Saarbrücken, ZfS 2004, 562, 563. 36 Dazu Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 5–7. 37 s. statt aller Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § 2 III 5 (S. 24), im Anschluss daran BGH, NJW 1983, 2873, 2874.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

heben müssen. Diese Fälle so genannter „faktischer oder praktischer Unmöglichkeit“38 wurden als wirkliche Unmöglichkeit angesehen oder zumindest als solche behandelt.39 Diese Ausdehnung des Unmöglichkeitsbegriffs beziehungsweise die Gleichstellung der „faktischen Unmöglichkeit“ mit (wirklicher) Unmöglichkeit wurde indes lediglich bei Leistungshindernissen vorgenommen, die sich für jedermann (gleichsam objektiv) als nahezu unüberwindbar darstellten. War die Leistungserbringung hingegen nur für den Schuldner mit extremem Aufwand zu bewerkstelligen, während ein Dritter den Leistungserfolg unproblematisch hätte herbeiführen können, wurde kein „faktisches Unvermögen“ erwogen.40 Vielmehr behalf man sich zur etwaigen Schuldnerbefreiung im Einzelfall mit anderen Mitteln: der Annahme befreienden Unvermögens wegen Unzumutbarkeit41, dem Verbot des Rechtsmissbrauchs42 oder der Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre (so genannte „wirtschaftliche Unmöglichkeit“43). II. Die Regelung nach altem Recht 1. Anfängliche Unmöglichkeit, § 306 BGB a. F. Bestand die (objektive) Unmöglichkeit bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses44, so ordnete § 306 BGB a. F. die Nichtigkeit des Vertrags an. Diese Regel führte damit nicht nur zum Ausschluss des auf die Primär38 Da es sich dabei nicht um wirkliche Unmöglichkeit handelte, wird der Begriff hier – trotz der praktizierten Gleichstellung mit der wirklichen Unmöglichkeit – in Anführungszeichen gesetzt. 39 Ganz h. M., s. nur die Nachw. in Fn. 37 (S. 37), a. A.: Berghoff, Unmöglichkeit S. 10 f.; Demmer, Haftung für ursprüngliches Unvermögen S. 71 f. 40 I. d. S. auch BGH, NJW 1983, 2873, 2874 („Voraussetzung ist aber stets die dauernde Unausführbarkeit nicht nur für den Schuldner, sondern für jeden Dritten.“), ebenso Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § 2 III 5 [S. 24] („jedem Menschen so erhebliche [. . .] Schwierigkeiten bereitete“), Hervorheb. jew. nicht im Original. 41 Hierzu unten „b) Enger Unvermögensbegriff“, S. 64 f. 42 Hierzu unten „C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung (Rechtsmissbrauchsverbot, § 242 BGB)“, S. 91 ff. 43 Hierzu unten „D. ‚Wirtschaftliche Unmöglichkeit‘ (Geschäftsgrundlagenlehre, § 242 BGB)“, S. 94 ff. 44 Nach früher h. M. (s. z. B. BGHZ 47, 48, 50; 60, 14, 16; vgl. im Schrifttum statt vieler Palandt61 /Heinrichs, § 306 aF Rn. 3, § 275 aF Rn. 16; Staudinger/ Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 41 f.) war der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich für die Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit, dagegen wollten manche Autoren auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistung abstellen, vgl. RGRK/Ballhaus, § 306 aF Rn. 3 m. weit. Nachw.; s. auch Nastelski, JuS 1962, 289, 297 f. (weit. Nachw. zur älteren Literatur bei Demmer,

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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erfüllung gerichteten Anspruchs, sondern entzog im Wege der Nichtigkeitsanordnung einem möglichen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung45 die (vertragliche) Grundlage.46 Der Gläubiger der anfänglich unmöglichen Leistung hatte nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. allenfalls Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses.47 Gegenüber der Vertragsnichtigkeit nach § 306 BGB a. F. waren gesetzlich angeordnete Garantiehaftungen vorrangig. Zu erwähnen ist insoweit in erster Linie die Sachmängelgewährleistung nach §§ 459, 463 BGB a. F., die für die Fälle anfänglicher, nicht behebbarer Sachmängel bei einer Speziesschuld § 306 BGB a. F. vorgingen. Denn der Verkäufer sollte sich der gesetzlich angeordneten Garantiehaftung nicht durch Berufung auf § 306 BGB a. F. i. V. mit § 139 BGB entziehen können; dies galt im Grundsatz auch für andere Vertragstypen wie Werk-, Miet- und Reisevertrag.48 Eine Sonderregelung bestand ferner auch für den Rechtskauf (siehe § 437 BGB a. F.).49 Daneben kam in der Praxis vor allem der Annahme von (weniger ausdrücklichen denn) konkludenten Garantieübernahmen große Bedeutung zu. So behalfen sich die Gerichte mit der „Krücke“50 der stillschweigenden GaHaftung für ursprüngliches Unvermögen S. 77 mit Fn. 2). Zu möglichen Unterschieden zwischen den Ansichten vgl. Staudinger/Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 42. 45 So die Terminologie im früheren Recht für den Ersatz des Erfüllungsinteresses; fortan verwendet das BGB den Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung, was in der Sache keine Veränderungen zeitigen soll, s. hierzu die Begründung des „Entwurf[s] eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“ (im Folgenden: Entwurfsbegründung oder Gesetzesbegründung), BT-Drucks. 14/6040, S. 137 li. Sp., krit. demgegenüber jüngst Hellwege, Die §§ 280 ff. BGB S. 30 ff., 100 f. 46 Vor diesem Hintergrund geht § 306 BGB a. F. über eine Positivierung des römisch-rechtlichen Satzes „impossibilium nulla obligatio est“ (Celsus, D. 50, 17, 185) hinaus, dazu auch Hartmann, Die Obligation S. 173; Rabel, RheinZ 3 (1911), 467, 470 (= Ges. Aufs. I S. 56, 59); Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung S. 142 f. Ähnl. auch N. Fischer, Unmöglichkeit S. 291 („bis zur Vertragsnichtigkeit zugespitzt“). 47 Der Höhe nach beschränkt auf das Erfüllungsinteresse, § 307 Abs. 1 S. 1 letzter Halbs. BGB a. F., hierzu Freudling, JuS 1984, 193, 194 ff. 48 Vgl. Palandt61 /Heinrichs, § 306 aF Rn. 14. 49 Die in § 437 BGB a. F. angeordnete Garantiehaftung in Hinsicht auf den Bestand (Verität) des Rechts oder der Forderung wurde überwiegend als Ausnahme zu § 306 BGB a. F. aufgefasst, sofern die Entstehung oder die Übertragung eines Rechts des vertraglichen Inhalts nicht bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen war (Beispiele bei Staudinger/Köhler (1995), § 437 aF Rn. 7 f.), vgl. statt vieler Palandt61 /Putzo, § 437 aF Rn. 1, gegen einen Ausnahmecharakter aber Staudinger/ Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 9. 50 s. Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 42. Rabel (FS Bekker S. 171, 235 [= Ges. Aufs. I S. 1, 54]) sprach von der „Fiktion einer Garantie“, die „als Notbehelf zulässig“ sei. Krit. auch Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 22 III (S. 10), der insoweit von einer verdeckten Restriktion sprach.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

rantieübernahme, um das ungewollte Nichtigkeitsverdikt des § 306 BGB a. F. mit der Konsequenz einer Haftung lediglich auf das negative Interesse (§ 307 BGB a. F.) abzuwehren.51 Man gelangte auf diesem Weg zu der favorisierten Haftung auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (so genanntes positives Interesse). Diese Haftung wurde von manchen Stimmen auf ein selbständiges Garantieversprechen, das durch Auslegung gewonnen wurde, gestützt. Die überwiegende Meinung folgerte sie hingegen aus dem eigentlichen Vertrag, der aufgrund der angenommenen Garantieübernahme nicht nach § 306 BGB a. F. nichtig sein sollte. Der ersten Ansicht zufolge sollte ein selbständiges Garantieversprechen neben dem eigentlichen Vertrag bestehen. Es war selbst nicht dem Nichtigkeitsverdikt des § 306 BGB a. F. unterworfen und teilte auch nicht das Schicksal der Nichtigkeit mit dem „Hauptvertrag“.52 Die Verpflichtung aus dem selbständigen Garantieversprechen beschränkte sich darauf, dem Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten.53 Der Anspruch auf die unmögliche Leistung bestand damit wegen Nichtigkeit des eigentlichen Vertrags nicht (§ 306 BGB a. F.). Soweit man die Haftung auf das positive Interesse jedoch, wie zumeist postuliert, aus dem eigentlichen Vertrag herzuleiten suchte, sollte die angenommene Garantiehaftung dessen Nichtigkeit verhindern: Denn der dispositive § 306 BGB a. F. sollte insoweit abbedungen sein54 beziehungsweise keine Anwendung finden55. Dann aber war ein nicht aus § 306 BGB a. F. herrührender Grund für den Ausschluss des Erfüllungsanspruchs erforderlich, wenn man nicht einer partiellen Anwendung der Vorschrift das Wort redete. Als Erlöschensgrund blieb eine Analogie zu § 275 Abs. 1 BGB a. F.56 oder der Rückgriff auf den Grundsatz „impossibilium nulla obligatio est“.57 51 Nach Pick stellte die „sich allgemein als unpraktisch erwiesen[e]“ Vorschrift des § 306 BGB a. F. „im Wesentlichen totes Recht dar“, s. dens., ZIP 2001, 1173, 1175. 52 Vgl. Erman10 /Battes, § 306 aF Rn. 10 („Nicht berührt werden durch § 306 [. . .] Die Gültigkeit eines Garantieversprechens [. . .]“); Planck/Siber, § 306 aF Anm. 2a (S. 322); Zweigert, SJZ 1949, Sp. 415, 416 f.; ähnl. wohl Heck, Grundriß des Schuldrechts § 46, 8 (S. 140 f.). Ebenso die Auslegung des Urteils vom Hanseatischen Oberlandesgericht SeuffertA 65 (1910) Nr. 160, S. 309 f. durch Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 169. 53 s. Erman10 /Battes, § 306 aF Rn. 10. 54 So MünchKomm/Thode (2001), § 306 aF Rn. 13. 55 So BGHZ 93, 142, 145; Soergel/U. Huber, § 433 aF Rn. 106 (Verkauf schwimmender und rollender Ware); Soergel/M. Wolf, § 306 aF Rn. 24; Palandt61 / Heinrichs, § 306 aF Rn. 11. 56 Vgl. Zweigert, SJZ 1949, Sp. 415, 417 (für anfängliches Unvermögen), freilich ohne Rücksicht auf das Erfordernis des Nichtvertretenmüssens in § 275 BGB a. F., insoweit sehr krit. U. Huber, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 275 mit Fn. 108.

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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Im Ergebnis bestand demnach der auf die unmögliche Leistung gerichtete Primäranspruch nach beiden Ansichten nicht. Zum gleichen Ergebnis kam auch Arp, der zwar eine tatbestandsimmanente Einschränkung des § 306 BGB a. F. vorschlug.58 Seine insoweit verfolgte Intention war jedoch die Begründung einer Schadensersatzhaftung auf das positive Interesse, nicht hingegen die Statuierung klagbarer Erfüllungspflichten bei anfänglicher (objektiver) Unmöglichkeit.59 2. Nachträgliche Unmöglichkeit Vollständig verschieden wurde im alten Recht die nachträgliche Unmöglichkeit behandelt. Eine Befreiung von der Erfüllungspflicht sah der ausdrückliche Wortlaut des § 275 Abs. 1 BGB a. F. nur vor, wenn der Schuldner den zur Unmöglichkeit führenden Umstand nicht zu vertreten hatte. a) Vom Schuldner nicht zu vertretende Unmöglichkeit, § 275 Abs. 1 BGB a. F. Weitgehende Einigkeit bestand im früheren Recht jedenfalls für die Fälle der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit. Der Primäranspruch sollte nach § 275 Abs. 1 BGB a. F. erlöschen.60 Manche wollten aus § 275 Abs. 1 BGB a. F. darüber hinaus das Freiwerden von der Pflicht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung herauslesen,61 obgleich eine solche zu keinem Zeitpunkt zur Entstehung gelangt war. Eine Befreiung war daher schwer vorstellbar.62 Vereinzelt wurde ein Rückgriff auf § 275 Abs. 1 BGB a. F. nicht für erforderlich gehalten, da die Vorschrift redundant sei63 beziehungsweise nur 57

Für einen Entfall des Erfüllungsanspruchs unabhängig vom Vertretenmüssen Schlechtriem, SBT5 Rn. 57. 58 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 155 ff., 243 und passim mit entsprechender historischer Begründung (aaO., S. 157 f. unter Berufung auf Mot. II S. 176 [= Mugdan, II S. 97]). 59 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 165. 60 Vgl. etwa MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 1; Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 1; Larenz, SAT § 21 I a und b (S. 305 und 308). 61 U. Huber, FS Gaul S. 217, 224 f.; Wieling, Mélanges Fritz Sturm S. 1135, 1142 f., wohl auch N. Fischer, Unmöglichkeit S. 137; Larenz, SAT § 21 I b) (S. 308); Motsch, JZ 2001, 428, 430; s. ferner Chr. Knütel, JR 2001, 353 (Befreiung von der Pflicht zur Leistung in Natur und der Pflicht, ein Geldäquivalent zu entrichten); R. Knütel, NJW 2001, 2519, 2520, vgl. zu einer ganzheitlichen Betrachtung des § 275 BGB a. F. – Erfüllung (Schuld) und Schadensersatz (Haftung) seien erfasst – auch Weber-Will/Kern, JZ 1981, 257, 259, 262. 62 I. d. S. auch J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 225.

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von der Sekundärhaftung befreien könne64. Gleichwohl wurde ein Ausschluss des Erfüllungsanspruchs angenommen, der sich in diesen Fällen von selbst65 beziehungsweise daraus ergeben sollte, dass niemand zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet werden könne66. Im Prozess wurde der Schuldner mit dem Einwand der von ihm nicht zu vertretenden nachträglichen Unmöglichkeit gehört. b) Vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit Die Behandlung der nachträglichen, vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit war hingegen heftig umstritten. Das BGB in seiner Fassung vom 1. 1. 1900 regelte das Schicksal des Erfüllungsanspruchs für diesen Fall nicht ausdrücklich, denn § 275 Abs. 1 BGB a. F. war nicht (direkt) anwendbar, da er ausdrücklich nur die vom Schuldner nicht zu vertretende Unmöglichkeit regelte. Zur Problemlösung wurden gänzlich verschiedene Wege beschritten. (1) Prozessuale Lösung der Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat sich der dogmatischen Bewältigung des bezeichneten Problems nicht angenommen,67 sondern sich vielmehr mit einer prozessualen Lösung beholfen.68 Insoweit lassen sich folgende Grundsätze feststellen, die in ständiger Rechtsprechung zur Anwendung kamen: 63 So etwa aus jüngerer Zeit Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 49 f. („in doppelter Hinsicht eine ‚Tautologie‘“), S. 68 ff. („keine eigene Bedeutung“ in Hinsicht auf die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung, „keinerlei Aussagekraft“ der „verwirrend formulierte[n] Vorschrift“) unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zum früheren BGB. 64 Vgl. Musielak, Grundkurs6 Rn. 400 f. (unklar hingegen aaO., Rn. 407). 65 Vgl. Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 49; Vgl. Musielak, Grundkurs6 Rn. 400 („Selbstverständlichkeit [. . .], die nicht ausdrücklich im Gesetz angeordnet werden muß“). s. hierzu auch Prot. I S. 314 f. (= Mugdan, II S. 528), H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 77 mit Fn. 28. 66 s. Musielak, Grundkurs6 Rn. 400. 67 Vgl. aber z. B. noch RGZ 54, 28, 32 („allseitig anerkannten Erwägung, daß bei dem nachträglichen Eintritt einer von dem Schuldner zu verantwortenden Unmöglichkeit der Leistung das ursprüngliche Schuldverhältnis unverändert bestehen bleibt, sowie aus den oben erwähnten Bestimmungen.“), wo aber gleichzeitig anerkannt wird, dass „ein Urteil auf eine Leistung, deren Unmöglichkeit bereits feststeht, nicht zu erlassen ist.“ (aaO., S. 33). Ungeachtet des materiell-rechtlichen Schicksals eine Verurteilung abl. Kohler, JR 2000, 63. 68 Vgl. auch Rüfner, JZ 2001, 768, 769.

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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1. Eine Verurteilung des Schuldners zur Naturalleistung fand nicht statt, wenn die nachträgliche Unmöglichkeit feststand69, das heißt unbestritten, zugestanden, offenkundig70 oder erwiesen71 war. Denn der Leistungsklage sollte das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, demzufolge sie als unzulässig abzuweisen war.72 2. Stand die Unmöglichkeit der Leistung hingegen nicht fest, war sie mithin streitig, konnte der Schuldner ohne Beweiserhebung über die Unmöglichkeit zur Naturalleistung dann verurteilt werden, wenn feststand, dass er die Unmöglichkeit – so sie vorlag – zu vertreten gehabt hätte.73 Eine Beweiserhebung über die Unmöglichkeit fand also nur statt, wenn der Schuldner neben der Unmöglichkeit gleichzeitig sein mangelndes Vertretenmüssen vortrug.74 Eine Beweisaufnahme über die zu vertretende Unmöglichkeit wurde als unzulässig erachtet, da sie die Entscheidung unnötig verzögere75 und dem Schuldner, der die Unmöglichkeit zu vertreten hatte, keinen Nachteil erbringen sollte, da ohnedies sicher gewesen sei, dass er entweder zur Erfüllung oder zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verurteilt wird.76 Für den Gläubiger sollte die Leistungsverurteilung auch Sinn machen: Er konnte sich im Zwangsvollstreckungsverfahren von der Unmöglichkeit der Leistung überzeugen (so genannte „Detektivkompetenz“). Stellte sich dabei die Unmöglichkeit heraus, konnte der Gläubiger mithilfe des Leistungsurteils 69

So bereits das RG: RGZ 54, 28, 33, ferner RGZ 88, 76, 77 f.; RG, JW 1919, 188, 189 (mit Anm. R. Schulz, aaO.); RGZ 107, 15, 17 (dagegen Jacobi, JW 1919, 826, 827); RG, JW 1937, 3226; RGZ 160, 257, 263; später auch der BGH: z. B. BGH, NJW 1972, 152; 1974, 943, 944; BGHZ 62, 388, 393; 68, 372, 377; 97, 178, 181; 141, 179, 181 (zust. Kohler, JR 2000, 63). 70 So lag es im Falle von RGZ 88, 76: Der Kläger begehrte Lieferung von täglich drei Litern Milch (auch) für einen bereits vergangenen Zeitraum. Hierzu ausf. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 249 f. 71 Vgl. RGZ 107, 15, 18 f.; Grunsky, Die Veräußerung der streitbefangenen Sache S. 205; U. Huber, LS II § 58 I 2 b (S. 777 f.); K. Schmidt, ZZP 87 (1974), 49, 62, a. A. aber H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 245. 72 Z. B. BGHZ 97, 178, 181 (anders Heraeus, JW 1925, 1364, 1365; Jacobi, JW 1919, 826, 827). RGZ 107, 15, 17 hatte noch auf darauf verwiesen, dass die Verurteilung mangels Vollstreckbarkeit „widersinnig“ sei. 73 Grdl. RGZ 54, 28, 33, s. ferner RG, SeuffA 67 (1912) Nr. 74 (S. 131 f.) [= JW 1911, 807]; RGZ 109, 234, 235; BGH, DB 1976, 573; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 268, 269; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 137, 138; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 1761. 74 s. bereits RGZ 54, 28, 33. 75 RG, SeuffArch 67 (1912) Nr. 74 (S. 131, 132). 76 Anders wohl bei Inkongruenz der Schadensbemessungskriterien wie etwa bei §§ 306 f. BGB a. F., wo nur der Vertrauensschaden zu ersetzen ist, s. Kohler, JuS 1991, 943, 946.

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nach § 283 BGB a. F. in einfacher Weise zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung übergehen. Der Kläger konnte nach § 255 ZPO im Erstprozess einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Erfüllungsfrist (vergleiche § 283 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.) stellen, nach deren fruchtlosem Verstreichen die Erfüllung abgelehnt werde.77 Im Wege der Klagehäufung (§ 260 ZPO) konnte der Kläger Erst- und Zweitprozess verbinden, das heißt er konnte bereits in dem auf Naturalleistung gerichteten Erstprozess eine bedingte Schadensersatzklage erheben;78 beim amtsgerichtlichen Verfahren stand ihm daneben79 der Weg des § 510b ZPO offen. Ein Streitpunkt dieser Lösung war die Frage der Beweisaufnahme über die Unmöglichkeit. Der Schuldner wurde gemäß der aufgezeigten Gerichtspraxis nur mit dem Vortrag einer von ihm nicht zu vertretenden Unmöglichkeit gehört. Wurde für diesen allein relevanten Vortrag ein Zeuge vernommen, so konnte die vom Zufall abhängige Äußerung zur Unmöglichkeit einerseits und zum mangelnden Vertretenmüssen der Unmöglichkeit andererseits streitentscheidend sein: Berichtete der Zeuge etwa zuerst, dass er gesehen habe, wie die geschuldete Sache zerstört worden sei, so musste die Klage abgewiesen werden, wenn der Kläger diese nicht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung umstellte (§ 268 Nr. 3 ZPO).80 Bezeugte er hingegen zuerst ein Vertretenmüssen des Schuldners, so wäre gemäß der Vorgehensweise der Rechtsprechung zur Primärleistung zu verurteilen gewesen, ohne Beweis über die Unmöglichkeit zu erheben.81 Wie allerdings der Zeuge über das Vertretenmüssen Aussagen treffen können soll, ohne den dazu notwendigen Bezugspunkt, die Unmöglichkeit, darzustellen, vermag dabei nicht recht einzuleuchten.82 Denn unmittelbarer Bezugspunkt des Vertreten77 s. im Einzelnen Kohler, JuS 1992, 58, 60 und 62; ders., JR 2000, 63. So konnte der Kläger einem erneuten Prozess über die Angemessenheit der Frist vorbeugen, vgl. Kohler, JuS 1992, 58, 60; K. Schmidt, ZZP 87 (1974), 49, 53 m. weit. Nachw. 78 s. BGH, NJW 1999, 954, 955 („Sie [sc. die für zulässig erachtete Klagehäufung] entspricht dem Gläubigerbedürfnis, eine doppelte Prozeßführung zu vermeiden, und damit zugleich dem Gebot der Prozeßwirtschaftlichkeit“) mit weit. reichhaltigen Nachw. zur h. M. Eine Besorgnis der Nichterfüllung i. S. des § 259 ZPO sei regelmäßig schon dann begründet, wenn der Schuldner den Anspruch ernstlich bestreitet (BGH, aaO., m. weit. Nachw.). 79 Neben der soeben aufgezeigten Vorgehensweise, s. Kohler, JuS 1992, 58, 62. 80 s. Brehm, JZ 1974, 573, 575. 81 Zur an sich notwendigen Vorgehensweise bei Kollegialgerichten Brehm, JZ 1974, 573, 575. 82 Denkbar ist freilich, dass der Zeuge das vom Schuldner behauptete „Nicht-zuvertreten-haben“ nicht bestätigt (s. Brehm, JZ 1974, 573, 575). Aber auch in diesem Fall bestätigt der Zeuge damit gleichzeitig auch die Unmöglichkeit, da seine Nicht-

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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müssens ist der Umstand, der zur Unmöglichkeit führte. Wenn insoweit überhaupt Zufälligkeiten auftreten konnten, wurde auch vorgeschlagen, dass das Gericht seine Beweisbeschlüsse differenziert: Feststellungen über eine Unmöglichkeit sollten verbunden werden mit Schlüssen über das „Nicht-zuvertreten-haben“.83 Die letztere Prüfung sollte dabei in den Vordergrund gestellt werden. Darüber hinaus wurde in der Literatur84 angeregt, dass etwaige Zufälligkeiten hätten verhindert werden können, indem abweichend von obiger Gerichtspraxis stets Beweis über die Unmöglichkeit erhoben worden wäre, namentlich auch in Fällen eines schuldnerischen Vertretenmüssens. (2) Materiell-rechtliche Lösungen im Schrifttum Die skizzierte Lösung der Rechtsprechung wurde im älteren85 wie jüngeren86 Schrifttum weitgehend gebilligt, nicht zuletzt, weil sie weitgehend für praktikabel gehalten wurde. Wirft man jedoch einen Blick auf die in der Literatur vertretenen Stellungnahmen zur materiell-rechtlichen Behandlung der nachträglichen, vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit, so muss diese Billigung überraschen. Denn es tritt ein Widerspruch zwischen formellem und materiellem Recht auf.87 bestätigung bezüglich des Klägervortrags nicht losgelöst von der Unmöglichkeit angesehen werden kann. Damit ist auch die Unmöglichkeit erwiesen, die eine Leistungsverurteilung ausschließen sollte. 83 So J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 226 auf Grundlage der Mindermeinung, wonach die Erfüllungspflicht ungeachtet zu vertretender nachträglicher Unmöglichkeit fortbestehen sollte. 84 Vgl. stellv. Brehm, JZ 1974, 573, 575, 577. 85 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse § 50 I 5 (S. 207); Götzmann, JR 1931, 43, 45; Rabel, FS Bekker S. 171, 184 (= Ges. Aufs. I S. 1, 11) – der aber für einen Fortbestand der Leistungspflicht trotz Unmöglichkeit eintrat (vgl. auch dens., RheinZ 3 (1911), 467, 472 f. [= Ges. Aufs. I S. 56, 61]); s. auch dens., Warenkauf I S. 381. Abl. hingegen: Oertmann, § 275 aF Anm. 4a (S. 149); Planck/Siber, § 280 aF Anm. 2b (S. 240 ff.); E. Wolf, NJW 1954, 708, 709 mit Fn. 15. Blomeyer, SAT § 28 I 5 b (S. 150) billigte zwar das Ergebnis der Praxis, hielt es indes für „monströs“, dem Schuldner den Beweis für eine zur Klageabweisung erhebliche Tatsache abzuschneiden. 86 Erman10 /Battes, § 280 aF Rn. 5, 5a; Fikentscher, Schuldrecht Rn. 340; U. Huber, FS Gaul S. 217, 239 f.; ders., LS II § 58 I 2 a (S. 775); Soergel/ders., § 433 aF Rn. 276b/276c; Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 25; Staudinger/ Löwisch (2001), § 275 aF Rn. 61 f., § 283 aF Rn. 3; Jauernig9 /Vollkommer, § 275 aF Rn. 8. Abl. Brehm, JZ 1974, 573, 575; Ehmann/Kley, JuS 1998, 481, 490; Soergel/Wiedemann, § 275 aF Rn. 86, § 280 aF Rn. 30; Wittig, NJW 1993, 635, 637 f.; Staudinger/Hj. Otto (2001), § 320 Rn. 20. 87 Hierzu H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 234 f., 237 f.; Rabel, FS Bekker S. 171, 184 (= Ges. Aufs. I S. 1, 11); ders., RheinZ 3 (1911),

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(a) Befreiung von der Erfüllungspflicht (Herrschende Meinung) Nahm man nämlich wie die im Schrifttum weit überwiegende Auffassung an, dass den Schuldner auch die von ihm zu vertretende (nachträgliche) Unmöglichkeit materiell-rechtlich von der Erfüllungspflicht befreie (zumeist wurde eine Umwandlung der Erfüllungspflicht in eine Pflicht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung vertreten),88 so war die Frage der Unmöglichkeit für den Bestand des Erfüllungsanspruchs im Verfahren entscheidungserheblich. Konsequenterweise wäre bei streitiger Unmöglichkeit Beweis über deren Vorliegen zu erheben gewesen.89 Dieser nahe liegende Schluss wurde jedoch kaum gezogen, vielmehr hielt man mit der Rechtsprechung eine Beweiserhebung für entbehrlich. Der sich so ergebende Widerspruch zwischen formellem und materiellem Recht wurde entweder nicht angesprochen oder in Kauf genommen.90 Zur Begründung der von der herrschenden Meinung vertretenen Befreiung des Schuldners vom Erfüllungsanspruch nach § 275 Abs. 1 BGB a. F. wurden in methodischer Hinsicht verschiedene Wege beschritten: Meist wurde § 275 Abs. 1 BGB a. F. dahingehend korrigiert, dass man ihn um das Merkmal des „Nichtvertretenmüssens“ reduzierte.91 Manche warfen den Gesetzesverfassern ein Redaktionsversehen vor, indem sie auf die angeblich „missverständliche“ Formulierung des § 275 BGB a. F. verwiesen.92 Allent467, 472 f. (= Ges. Aufs. I S. 56, 60); Soergel/Wiedemann, § 275 aF Rn. 86, § 280 aF Rn. 30. Vgl. auch G. H. Roth, JuS 1968, 101 mit Fn. 3: die aufgezeigte Rspr. sei „rechtssystematisch kaum vertretbar“. Vgl. aus jüngerer Zeit auch Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 183, 195. 88 Vgl. etwa RGRK/Alff, § 280 aF Rn. 1; Braun, JA 1983, 488, 491; Brehm, JZ 1974, 573, 575 f. (der Anspruch habe für den Gläubiger keinen Wert); Gillig, Nichterfüllung und Sachmängelgewährleistung S. 96; Grunsky, Die Veräußerung der streitbefangenen Sache S. 205; Kreß, SAT S. 417; Lopau, AcP 174 (1974), 78, 80; v. Wallenberg, ZRP 1994, 306, 307; Walter, Kaufrecht § 6 I 1 mit Fn. 1 (S. 264); E. Wolf, NJW 1953, 164; ders., NJW 1954, 708, 709. s. zur „Verwandlung“ auch Mot. II S. 50 (= Mugdan, II S. 27). 89 So Brehm, JZ 1974, 573, 575; O. Fischer, Unmöglichkeit als Nichtigkeitsgrund S. 74 f.; Heck, Grundriß des Schuldrechts § 33, 9 (S. 102); Jacobi, JW 1923, 826 (Anm. zu RGZ 107, 15 ff.); Planck/Siber, § 280 aF Anm. 2 b a (S. 242); Soergel/ Wiedemann, § 280 aF Rn. 30; E. Wolf, NJW 1954, 708, 709 mit Fn. 15. Ebenso Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 40 f. (vorbehaltlich einer abweichenden Beurteilung aufgrund von § 283 BGB a. F., dazu aaO., S. 41 ff., insb. 60). 90 Krit. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 234 f. 91 Vgl. statt vieler Fikentscher, Schuldrecht Rn. 337: „Strenggenommen müßte man in § 275 I [BGB a. F.] die Worte ‚den er nicht zu vertreten hat‘ streichen.“. 92 Schlechtriem, SAT4 Rn. 293; Staudinger/Löwisch (2001), § 275 aF Rn. 58; Medicus, AcP 188 (1988), 489, 491 mit Fn. 2 („ungenau formuliert“); Ehmann/ Kley, JuS 1998, 481, 482 („irreführenden Wortlauts des § 275 I [aF]“; Walter, Kaufrecht § 6 I 1 mit Fn. 1 (S. 264). Hiergegen aber U. Huber [LS II § 58 I 1

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halben wurde § 275 BGB als „missglückt“ bezeichnet, da er „die Frage nach der Befreiung des Schuldners mit dem Vertretenmüssen verknüpft“93. Andere ersannen auch ohne Rückgriff auf § 275 BGB a. F. Konstruktionen94, um die ungewollte Pflicht zur unmöglichen Leistung ablehnen zu können: Namentlich Meincke95 postulierte, den Anspruchsbegriff mit der Voraussetzung seiner Erfüllbarkeit anzureichern. Infolgedessen sollte es bei Unmöglichkeit der Leistung bereits an einem Anspruch mangeln.96 Teilweise wurde eine Erfüllungspflicht auch unter Rekurs auf den Celsus-Satz97 – der jedoch seinem Ursprung nach ausschließlich für die anfängliche Unmöglichkeit gelten sollte –98 abgelehnt.99 Im Vordergrund der Sachdiskussion zum vorliegenden Problem standen drei Themen: neben der Logik und dem Verhältnis von Primär- und Sekundäranspruch hauptsächlich prozessuale Aspekte, insbesondere die Frage nach dem Nutzen eines auf Erfüllung lautenden Leistungsurteils beziehungsweise eines entsprechenden Vollstreckungstitels für den Gläubiger. (S. 771 ff.)], der darin den Versuch sieht, dem nahe liegenden Umkehrschluss zu entgehen. 93 s. Abschlußbericht S. 118; ferner Rolland, NJW 1992, 2377, 2381. Auf die Untersuchung der Gesetzesmaterialien kann hier verzichtet werden, da insoweit nichts für den Gegenstand der Arbeit zu gewinnen ist; im Einzelnen war dies bis zuletzt umstr. Wegen der intensiven Auseinandersetzung mit dieser Frage sei verwiesen auf: U. Huber, LS II § 58 I 1 (S. 772 f.); H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 145 ff.; Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 49 f., 68 ff., 96 ff.; Wahl, Schuldnerverzug S. 113 ff.; Wieling, Mélanges Fritz Sturm S. 1135 ff. 94 Wenn man nicht mit Heck, Grundriß des Schuldrechts § 33, 6 (S. 101) den Wegfall der Pflicht zur Primärleistung schlicht für „selbstverständlich“ hielt. 95 Meincke, AcP 171 (1971), 19, 25. 96 So Meincke, AcP 171 (1971), 19, 25, im Anschluss daran ebenso Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 21; Coester-Waltjen, AcP 183 (1983), 279, 285 (für subjektive Unmöglichkeit). 97 Impossibilium nulla obligatio est, s. D. 50, 17, 185. 98 So bereits in der gemeinrechtlichen Literatur Fr. Mommsen, Unmöglichkeit S. 1 f., 102 ff., insb. 106, 228 – „sogleich vorhandene Unmöglichkeit“; Windscheid, Pandektenrecht II § 264, 1 (S. 51 bei und mit Fn. 2), § 315 (S. 184 f. bei und mit Fn. 4); hierzu auch Würthwein, Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen S. 91 m. weit. Nachw.; zur Entstehungsgeschichte der Celsus-Regel: Rabel, Mélanges Gérardin S. 473 ff. (= Ges. Aufs. IV S. 105 ff.). Generell war die nachträgliche Unmöglichkeit kein Thema des römischen Rechts, s. Otte, in: Gedenkkolloquium für Christian Wollschläger S. 5, 6; Wollschläger, Unmöglichkeitslehre S. 36; wesentlich war die Unmöglichkeit vor allem für die streng-rechtlichen Klagen im Falle der Stipulation (hierzu sowie zur Abgrenzung zu den bonae fidei iudicia allgemein Bürge, Römisches Privatrecht S. 115 ff.; Honsell, Römisches Recht S. 106 ff.; Kaser, Römisches Privatrecht S. 156 ff.), zum Kunstgriff der perpetuatio obligationis Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 74 ff. m. weit. Nachw. 99 So etwa Ehmann/Kley, JuS 1998, 481, 482/491.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

Es wurde behauptet, die Annahme einer Pflicht zu einer unmöglichen Leistung widerspreche den Gesetzen der Logik.100 Indes war (und ist) aus logischen Gründen lediglich die Erbringung einer unmöglichen Leistung ausgeschlossen, nicht aber eine auf die Erbringung einer solchen Leistung gerichtete Pflicht. Man darf insoweit nicht Sein und Sollen verwechseln.101 Die (etwaige) Zwecklosigkeit der Pflicht führt eben nicht dazu, dass ihr Bestand den Gesetzen der Logik widerstreitet. Manche verwiesen auch auf den Satz „Sollen impliziert Können“102, dem zufolge der Schuldner entpflichtet werde, wenn das Geschuldete unerbringlich wird. Dieser Satz enthält jedoch lediglich eine Behauptung dessen, was es zu begründen gilt: Dass die Pflicht die Möglichkeit der Leistung voraussetzt, also – anders gewendet – nicht unmöglich sein darf. Er vermag daher kein Argument zu liefern. Bei Lichte besehen stand (und steht) die Logik der Annahme einer Pflicht zu einer unmöglichen Leistung damit nicht entgegen. Hatte der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten, konnte der Gläubiger nach §§ 280, 325 BGB a. F. Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Der gleichzeitige Fortbestand des Erfüllungsanspruchs in diesen Fällen hätte eine Koexistenz von Erfüllungsanspruch und sekundärem Ersatzanspruch103 zur Folge gehabt. Eine solche Koexistenz wurde aber zumeist dem (früheren) BGB als fremd erachtet104 und daher auch weithin 100

So Hartmann, S. 172 f., 175; Kleineidam, Unmöglichkeit S. 35, 126; ders., JherJb 43 (1901), 105, 113; Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 59 f. Kreß meinte, dass die Vorstellung eines fortbestehenden Anspruchs auf die unmögliche Leistung „wohl die Grenzen, welche schließlich auch der juristischen Gestaltungskraft durch die Vernunft gezogen sind[, übersteigt]“, s. dens., SAT S. 417. Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung S. 67, (143) hielt eine Pflicht zumindest für widersinnig. Vgl. auch bereits Brinz, Pandekten II § 245 (S. 121), der eine Verbindlichkeit zu Unmöglichem für vernunftwidrig hielt. 101 So zutreffend Brehm, JZ 1974, 573. s. auch Rabel (FS Bekker S. 171, 178 [= Ges. Aufs. I S. 1, 6]), der aus dem Nichtleistenkönnen folgerte, dass der Schuldner nicht leisten werde („Sein“); daraus folge aber mitnichten, dass es nicht geschuldet sein kann („Soll“). „Die Obligation enthält ein Soll, und Sollen ist nicht Müssen.“; vgl. auch dens., RheinZ 3 (1911), 467, 470 f. (= Ges. Aufs. I S. 56, 59 f.); dens., JW 1924, 292, 293. 102 AltKomm/Dubischar, § 275 aF Rn. 1; so auch der Titel eines Beitrags von L.-C. Wolff, in: JZ 1995, 280 ff. 103 Schwierigkeiten begegnete die sogleich zu behandelnde „Umwandlungstheorie“ auch wegen des aus § 325 BGB a. F. resultierenden ius variandi (Stichwort: Schwebelage), dazu Rabel, FS Bekker S. 171, 185 ff. (= Ges. Aufs. I S. 1, 11 ff.), aus jüngerer Zeit auch Kuhlmann, Leistungspflichten und Schutzpflichten S. 181 ff. 104 Meincke, AcP 171 (1971), 19, 24 unter Verweis auf gesetzliche Ablehnungsrechte sowie den ausdrücklichen Ausschluss des Erfüllungsanspruchs in §§ 283, 326 BGB a. F. – anders im neuen Recht für die Zeit zwischen Fristablauf und Schadensersatzverlangen (§ 281 Abs. 4 BGB), s. dazu und den daraus resultierenden Problemen Finn, ZGS 2004, 32 ff., insb. 35 f., vgl. auch MünchKomm/Ernst (2003),

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abgelehnt.105 Infolgedessen wurde auch meist in Anlehnung an eine Art Metamorphosegedanken106 eine Umwandlung107 des Erfüllungsanspruchs in den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung angenommen; andere meinten, der Schadensersatzanspruch trete an die Stelle des Erfüllungsanspruchs108.109 Der praktische Vorteil einer Umwandlung wurde darin gesehen, dass sich akzessorische Sicherungsrechte so am Schadensersatzanspruch fortsetzten, der auch derselben Verjährung wie der des Erfüllungsanspruchs unterworfen sein sollte.110 Nahm man (meist unter Verweis auf §§ 280, 325 BGB a. F.) eine solche Inhaltsänderung des Erfüllungsanspruchs an, folgte daraus gleichzeitig die Befreiung von der Primärpflicht.111 Vor dem Hintergrund des Verhältnisses von Erfüllungs- und Sekundäranspruch wurde die Unmöglichkeit auch als Umschalttatbestand verstanden beziehungsweise der Unmöglichkeit eine Umschaltfunktion beigemessen:112 Wegen der Gewährung eines Erfüllungsanspruchs im deutschen Recht müsse ein Zeitpunkt festgelegt werden, ab dem der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangen könne; dieses „Umschalten“ auf die Sekundärebene sei (jedenfalls) mit Eintritt der Unmöglichkeit gegeben. § 281 Rn. 67 („Doppelberechtigung“) und Rn. 68 („Es handelt sich um einen Anspruch, der mit veränderlichem Inhalt besteht“, Hervorheb. im Original). 105 Meincke, AcP 171 (1971), 19, 24; ebenso Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 30 f.; Soergel/Wiedemann, § 280 aF Rn. 30, hiergegen U. Huber, LS II § 58 I 1 (S. 770 f.). 106 Vgl. bereits Windscheid/Kipp, Pandektenrecht II § 264 mit Fn. 7 (S. 94 f.). Krit. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 230 f. („Mythologie“). 107 Vgl. bereits Leonhard, SAT § 244 (S. 474); s. auch Brehm, JZ 1974, 573, 575; Brox, SAT27 Rn. 248; Fikentscher, Schuldrecht Rn. 337; Götzmann, JR 1931, 43, 45; K. Schreiber, JURA 1995, 529, 534; Schopp, JuS 1984, 281 f. 108 s. Blomeyer, SAT § 28 I 3 (S. 148); Larenz, SAT § 22 I (S. 333); Staudinger/ Löwisch (2001), § 280 aF Rn. 10; s. auch Heck, Grundriß des Schuldrechts § 33, 1 (S. 99), der indes an anderer Stelle von Umwandlung spricht, s. § 33, 10 (S. 102); vgl. auch Chr. Knütel, JR 2001, 353, 354 (an die Stelle des Erfüllungsanspruchs trete ein Ersatzanspruch, der mindestens auf den Ersatz des Sachwerts gehe). 109 Dagegen mit Recht U. Huber, FS Gaul S. 217, 247, der bei feststehender Unmöglichkeit für ein Entfallen des Erfüllungsanspruchs und ein (Neu-)Entstehen des Schadensersatzanspruchs eintrat, ebenso Meincke, AcP 171 (1971), 19, 30 (der eine Koexistenz ablehnte); Kuhlmann, Leistungspflichten und Schutzpflichten S. 182 f. 110 Wieling, Mélanges Fritz Sturm S. 1135, 1142, insb. mit Fn. 13 a. E. (die Forderung sei als „Einheit“ anzusehen), anders Meincke, AcP 171 (1971), 19, 27 ff., insb. 29. 111 So ausdrücklich Medicus, SAT12 Rn. 388, dem zufolge die Befreiung des Schuldners von der ursprünglichen Leistungspflicht daraus folgen sollte, „daß § 280 I [aF] der Pflicht des Schuldners einen anderen Inhalt (nämlich Schadensersatz) gibt“. 112 Vgl. Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 67; Rödl, Die Spannung der Schuld S. 64 f., 99; Rust, Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht S. 52; Sutschet, Schutzanspruch zugunsten Dritter S. 69 f.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

Ging man mit der früher herrschenden Meinung auch bei der vom Schuldner zu vertretenden, nachträglichen (objektiven) Unmöglichkeit von einem materiell-rechtlichen Ausschluss des Erfüllungsanspruchs aus, so vermochte die Unmöglichkeit einen erheblichen Einwand gegen die Erfüllungsklage zu begründen. Damit hätte über die Unmöglichkeit – unabhängig von der Frage des schuldnerischen Vertretenmüssens – Beweis erhoben werden müssen, falls sich der Schuldner im Prozess auf die Unmöglichkeit der Leistung berief.113 Bei deren Feststellung wäre die Erfüllungsklage abzuweisen gewesen. Der Gläubiger hätte demnach auf Grundlage der herrschenden Meinung kein auf Erfüllung lautendes Leistungsurteil und damit auch keinen entsprechenden Vollstreckungstitel114 erlangt. Die möglichen Vorteile eines solchen Urteils beziehungsweise Vollstreckungstitels für den Gläubiger konnte die herrschende Meinung daher bei Lichte besehen nicht für sich reklamieren.115 Denn nur unter Inkaufnahme des bereits aufgezeigten Widerspruchs zwischen materiellem und formellem Recht war es der herrschenden Meinung überhaupt möglich, die von der Rechtsprechung praktizierte Behandlung der Unmöglichkeit zu billigen. Mit Fug und Recht vermochten die noch genauer zu untersuchenden Vorteile nur diejenigen für sich in Anspruch zu nehmen, die den Erfüllungsanspruch nach materiellem Recht ungeachtet einer nachträglichen, zu vertretenden Unmöglichkeit fortbestehen ließen und hierauf gründend eine Verurteilung des Schuldners zur Erfüllung propagierten. (b) Fortbestand der Erfüllungspflicht Nur wenige Autoren, meist aus dem älteren Schrifttum, vertraten die Ansicht, die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit lasse den Erfüllungsanspruch generell unberührt116 (vergleiche zu Einschränkungen sogleich sub „(c) Vermittelnde Ansichten“, S. 57 f.). 113 s. Brehm, JZ 1974, 573, 575; ders., JuS 1988, 957, 958; Jacobi, JW 1923, 826 (Anm. zu RGZ 107, 15 ff.) – es sei denn, man versuchte, eine unterbleibende Beweiserhebung mit überwiegenden prozessrechtlichen Gründen zu rechtfertigen, vgl. Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 41 ff., insb. 60. 114 s. §§ 704 Abs. 1, 300 Abs. 1 ZPO. 115 Gleiches gilt für den aus der Unerheblichkeit des Unmöglichkeitseinwands resultierenden Vorteil, dem zufolge der Gläubiger keine Prozessverschleppung durch den Schuldner zu befürchten hat. 116 So etwa J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 225 f.; Wahl, Schuldnerverzug S. 100 ff., insb. 113 ff.; aus der älteren Literatur: Cosack/Mitteis, BürgR I § 156 II 1 a (S. 420 f.); O. Fischer, Unmöglichkeit als Nichtigkeitsgrund S. 76; Rabel, FS Bekker S. 171, 178 ff. (= Ges. Aufs. I S. 1, 5 ff.); ders., RheinZ 3 (1911), 467, 472 (= Ges. Aufs. I S. 56, 61) und bereits Fr. Mommsen, Unmöglichkeit S. 1, 228 ff. (zum gemeinen Recht; die Klage auf Naturalleistung sollte mög-

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Methodologisch wurde oft ein argumentum e contrario aus § 275 Abs. 1 BGB a. F. angeführt: Wenn das Gesetz den Schuldner im Falle nachträglicher Unmöglichkeit nur bei mangelndem Vertretenmüssen von seiner Erfüllungspflicht befreite, so sollte bei zu vertretender nachträglicher Unmöglichkeit gerade keine Befreiung eintreten.117 Betont wurde von den Vertretern dieser Mindermeinung auch, dass sich der Schuldner nicht selbst willkürlich von der ihm obliegenden Leistungspflicht befreien können sollte.118 Die Gebote der Logik standen – wie bereits ausgeführt – nicht im Widerstreit zu einem Fortbestand der Erfüllungspflicht. Für ihre Ansicht wollten die Autoren vor allem den praktischen Nutzen eines fortbestehenden Erfüllungsanspruchs119 ins Feld führen. Die Unbeachtlichkeit des Unmöglichkeitseinwands im Prozess brachte für den Gläubiger handfeste Vorteile mit sich, denen auf Seiten des Schuldners indes auch nicht unerhebliche Nachteile gegenüberstanden. Konsequent angewendet hätte der Schuldner auch zur Primärleistung verurteilt werden müssen, wenn deren Unmöglichkeit im Prozess festgestanden hätte.120 a) Beschleunigung des Leistungsprozesses, Kostenrisiko Zunächst brachte dem Gläubiger die materiell-rechtliche Unbeachtlichkeit der zu vertretenden Unmöglichkeit den prozessualen Vorteil, dass der schuldnerische Einwand einer zu vertretenden Unmöglichkeit unbeachtet bleiben konnte.121 Dies ersparte dem Gläubiger eine unter Umständen langwierige Beweisaufnahme122 und wirkte zugleich der Gefahr einer schuldnerischen Prozessverschleppung123 entgegen. lich sein, der schuldnerische Einwand zu vertretender Unmöglichkeit unerheblich; erst zum Zeitpunkt der Erfüllung sollte die zu vertretende nachträgliche Unmöglichkeit eine Umwandlung des ursprünglichen Gegenstands der Obligation in ein Äquivalent (das Interesse) bewirken, aaO., S. 230). 117 s. U. Huber, FS Gaul S. 217, 238; ders., LS II § 58 I 1 [S. 771 ff.] (der einen materiell-rechtlichen Ausschluss des Erfüllungsanspruchs annahm, wenn die Unmöglichkeit der Leistung endgültig feststand, s. dens., LS II § 58 I 1 [S. 771], was sich jedoch nicht aus § 275 Abs. 1 BGB a. F. ergeben sollte, s. Soergel/dens., § 433 aF Rn. 276b); Wahl, Schuldnerverzug S. 100. 118 Vgl. J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 225, so bereits Fr. Mommsen, Unmöglichkeit S. 228. 119 Vgl. auch Brehm, JZ 1974, 573, 574. 120 s. noch O. Fischer, Unmöglichkeit als Nichtigkeitsgrund S. 76; Heraeus, JW 1925, 1364 f.; Jacobi, JW 1919, 826, 827; Rabel, FS Bekker S. 171, 179 ff. (= Ges. Aufs. I S. 1, 6 ff.), anders aber die Praxis der Gerichte (s. oben unter „(1) Prozessuale Lösung der Rechtsprechung“, S. 42 ff.). 121 Gleiches galt auf Grundlage der prozessualen Lösung der Rechtsprechung, s. oben bei Fn. 73 f. (S. 43).

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Verschwiegen werden darf hierbei jedoch nicht der korrespondierende Nachteil des Schuldners, der mit seinem Unmöglichkeitseinwand nicht gehört wurde124 und selbst bei tatsächlich vorliegender Unmöglichkeit einer Leistungsverurteilung nicht entgehen konnte. Er wurde dann mit den Prozesskosten125 und den Kosten für einen etwaigen Zwangsvollstreckungsversuch126 belastet.127 Um diese Konsequenz abzuwenden, wurde erwogen, § 93 ZPO zulasten des Klägers anzuwenden, wenn der Schuldner angesichts bestehender Unmöglichkeit keinen Anlass zur Klage gab.128 Darüber hinaus wird der Gläubiger in aller Regel nicht aus Willkür auf Erfüllung beharrt haben – im Allgemeinen hatte er auch kein Interesse an einem nicht realisierbaren Titel –129, sondern weil die Darlegung des Beklagten den Kläger nicht überzeugt hat.130 Dies hätte sich aber möglicherweise nach einer Beweisaufnahme ändern können. Ferner wurde angenommen, dass durch die für den Schuldner ungünstige Kostenfolge zugleich dessen unzureichende Darlegung der Unmöglichkeit, wenn er dem Gläubiger einen „entscheidungsbildenden Einblick in seine Sphäre nicht eröffnet“, „angemessen sanktioniert“ wird.131 Demgegenüber erachteten andere Autoren die Kostentragung als dem Schuldner trotzdem nicht zumutbar.132 b) Vorteile einer rechtskräftigen Verurteilung zur Naturalleistung Die Unbeachtlichkeit zu vertretender Unmöglichkeit für die Erfüllungspflicht ermöglichte in diesen Fällen eine Verurteilung des Schuldners zur Primärleistung. Auf Grundlage des rechtskräftigen Urteils konnte der Gläu122

Vgl. insoweit RG, SeuffA 67 (1912) Nr. 74 (S. 131, 132). Hierzu bereits Rabel, JW 1924, 292, 293. 124 Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 58 ff. hielt dies für vereinbar mit dem Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör. 125 Nach § 91 ZPO. 126 § 788 ZPO. 127 Dagegen wendete H. H. Jakobs ein, dass der Schuldner dafür die Kosten einer Beweisaufnahme über die Unmöglichkeit im Prozess ersparte, vgl. dens., Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 240 mit Fn. 29 a. E. Diese hätte das Gericht jedoch gem. § 96 ZPO dem Gläubiger auferlegen können, der sich mit dem Bestreiten der Unmöglichkeit verteidigte (s. dazu ausf. für das neue Recht Gsell, JZ 2004, 110, 120); eine „Einsparung“ von Kosten auf Seiten des Schuldners kam dann a priori überhaupt nicht in Betracht. 128 s. Brehm, JZ 1974, 573, 575: Wegen der Kosten wäre dann doch Beweis über die Unmöglichkeit zu erheben gewesen. 129 So zutreffend Kohler, JuS 1991, 943, 944. 130 s. Kohler, JuS 1991, 943, 944. 131 I. d. S. Kohler, JuS 1991, 943, 944. 132 Lopau, AcP 174 (1974), 78, 80 f.; vgl. auch Brehm, JZ 1974, 573, 575, 577 und Ehmann/Kley, JuS 1998, 481, 490. 123

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biger – und darauf wurde in Literatur und Rechtsprechung133 nicht selten verwiesen – via § 283 BGB a. F. „einfach“ zum Schadensersatz übergehen. Indes konnte der Gläubiger – so der Schuldner im Prozess Unmöglichkeit einwendete134 – durch Umstellung seiner Klage nach § 264 Nr. 3 ZPO135 bereits im Erstprozess zum Schadensersatz136 gelangen.137 Die Leistungsverurteilung war demnach keine notwendige Voraussetzung eines „einfachen“ Übergangs auf den Schadensersatz, da dieser auch durch Umstellung der Klage ohne weiteres zu bewerkstelligen war. Sicherlich konnte man bei dieser Klageumstellung nach § 264 Nr. 3 ZPO einen Nachteil darin sehen, dass der Gläubiger bereits früher (sc. im Erstprozess und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt danach138) auf seinen Primäranspruch verzichten musste. Jedoch standen dem Gläubiger, der an einem längeren Erhalt seines Erfüllungsanspruchs interessiert war, andere Wege zum (späteren) Übergang auf den Schadensersatz offen, die eine rechtskräftige Leistungsverurteilung nicht voraussetzten, (siehe dazu §§ 326, 286 Abs. 2139 BGB a. F.). Folglich war er insoweit nicht gezwungen, bereits im Erstprozess auf seinen Erfüllungsanspruch zu verzichten; er konnte vielmehr auch zunächst nicht auf Erfüllung klagen140 und später nach §§ 326, 286 Abs. 2 BGB a. F. zum Schadensersatz gelangen. Soweit der Übergang zum Schadensersatz betroffen war, konnte in der Verurteilung zur Primärleistung kein nennenswerter Vorteil für den Gläubiger festgestellt werden. Das Vorgehen nach § 283 BGB a. F. auf Grundlage der rechtskräftigen Leistungsverurteilung sollte dem Gläubiger nach Ansicht des RG einen „be133

So bereits RGZ 54, 28, 32 f.; 88, 76, 77. Der Gläubiger konnte diese dann unstreitig stellen. 135 Diese Umstellung war nicht als Klageänderung im Sinne der ZPO anzusehen, s. § 264 ZPO Einleitungssatz. 136 Auf Grundlage von § 280 bzw. § 325 BGB a. F.; möglich war auch der Übergang zur Surrogatherausgabe nach § 281 BGB a. F. 137 Der Zweck des § 283 BGB a. F. wurde daher vielfach auch darin gesehen, dem Gläubiger für den Fall, dass der Schuldner die Unmöglichkeit nicht einwendete, den Nachweis der Unmöglichkeit bzw. die Feststellung der Unmöglichkeit in der Zwangsvollstreckung zu ersparen, und durch bloße Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zum Schadensersatz zu gelangen, s. Brehm, JZ 1974, 573, 574; vgl. auch Wittig, NJW 1993, 635, 637. Ebenso die Gesetzesmaterialien Mot. II S. 53 f. (= Mugdan, II S. 29 f.). 138 Das Erlöschen des Erfüllungsanspruchs trat bei § 283 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB a. F. mit Ablauf der Nachfrist ein. 139 Bei § 286 Abs. 2 BGB a. F., der für nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungspflichten galt, hatte der Gläubiger jedoch einen Interessefortfall nachzuweisen, vgl. ausf. hierzu aus jüngerer Zeit Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt S. 183, 185, 187 ff. 140 Vgl. aber zum Erfüllungsdruck einer Verurteilung noch unten bei Fn. 149 (S. 55). 134

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sonderen [Beweis-]Vorteil“ bringen:141 Er sollte nach Verurteilung des Schuldners zur Leistung und nach Fristablauf ohne weitere Darlegung eines Schadens den Geldbetrag fordern können, der dem Wert der ausgebliebenen Leistung entsprach; der Nachweis eines etwaigen geringeren Schadens sollte dem Schuldner obliegen. Indes handelte es sich hierbei nicht um einen spezifischen Vorteil der Vorgehensweise nach § 283 BGB a. F. Vielmehr war die Vermutung eines Mindestschadens in Höhe des Werts des Leistungsgegenstands unabhängig von § 283 BGB a. F. anerkannt.142 Zumindest aber hatte der Gläubiger bei einem Vorgehen nach § 283 BGB a. F. den Vorteil, Zeit zur Bezifferung seines Schadens zu gewinnen.143 Das auf Erfüllung gerichtete Leistungsurteil umfasste die Feststellung, dass die Erfüllungspflicht bestand, mithin nicht wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen war.144 Vorteilhaft für den Gläubiger war die darin liegende Präjudiz- beziehungsweise Präklusionswirkung des Urteils: Das im nachfolgenden Schadensersatzprozess entscheidende Gericht war an die Feststellung der Erfüllungspflicht zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch das erste Gericht gebunden. Damit war dem Schuldner im Schadensersatzprozess der Einwand verwehrt, ihm sei die Leistung aus nicht zu vertretenden Gründen bereits vor Ende der letzten Verhandlung im Erstprozess unmöglich geworden; mit diesem Einwand war der Schuldner präkludiert.145 Des Weiteren konnte der Schuldner auch eine nach diesem Zeitpunkt eingetretene zufällige Unmöglichkeit kaum einwenden, da er diese Unmöglichkeit auf Grund des mit Klagerhebung stets vorliegenden Verzugs in aller Regel zu vertreten hatte, § 287 S. 2 BGB.146 Namentlich Brehm wendete gegen diesen vermeintlichen Vorteil der rechtskräftigen Entscheidung über die Erfüllungspflicht ein, dass der Gläubiger auch nach einer Klageumstellung auf Schadensersatz (§ 264 Nr. 3 ZPO) durch ein Feststel141

So schon RGZ 54, 28, 33 (hierzu U. Huber, LS II § 50 V 2 b [S. 554 f.]); vgl. auch RGZ 88, 76, 77; 109, 234, 236. Abl. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 235; Kohler, JuS 1991, 943 f. 142 Vgl. jew. m. weit. Nachw. U. Huber, LS II § 58 I 2 a (S. 776), § 50 V 2 b (S. 554 f.); Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 42 ff. (zur abstrakten Schadensberechnung). 143 Darauf verwies Rabel, FS Bekker S. 171, 182, 184 mit Fn. 1 a. E. (= Ges. Aufs. I S. 1, 9, 11 mit Fn. 26 a. E.); vgl. auch Jacobi, JW 1923, 826, 827 (Anm. zu RGZ 107, 15 ff.). 144 Vgl. bereits O. Fischer, Unmöglichkeit S. 31 f. 145 Dies folgte unmittelbar aus der materiellen Rechtskraft des auf Erfüllung lautenden Ersturteils und zeigt sich auch in § 767 Abs. 2 ZPO – eines Rekurses auf § 283 BGB a. F. bedurfte es insoweit nicht, so auch Gsell, JZ 2004, 110, 114/117 (bei Fn. 71) m. weit. Nachw., wohl auch Schur, NJW 2002, 2518, 2519 bei Fn. 9. 146 Zu den Sonderproblemen vorübergehender Leistungshindernisse s. ausf. Gsell, JZ 2004, 110, 114 f.

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lungsurteil zumindest das Bestehen des Rechtsverhältnisses feststellen lassen konnte.147 Bei dieser Vorgehensweise musste der Gläubiger indes seinen Erfüllungsanspruch frühzeitig preisgeben.148 Letzteres war in manchen Fällen nachteilig für den Gläubiger, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit nur vorgab. Um in solchen Fällen einen gewissen Erfüllungsdruck zu erzeugen, war die auf Naturalerfüllung gerichtete Verurteilung des Schuldners, der sich seiner Erfüllungspflicht zu entziehen suchte, durchaus geeignet.149 Denn unter dem Eindruck des Urteils konnte der leistungsunwillige, aber leistungsfähige Schuldner oftmals doch noch zu einer Leistungserbringung bewegt werden.150 g) Vorteile eines auf Naturalleistung lautenden Vollstreckungstitels Auf einer ähnlichen Linie liegt das wohl gewichtigste Argument der Befürworter eines fortbestehenden Erfüllungsanspruchs trotz zu vertretender Unmöglichkeit: Der Gläubiger könne mithilfe des Vollstreckungstitels151 im Zwangsvollstreckungsverfahren überprüfen, ob Unmöglichkeit der Leistung tatsächlich vorlag. Meincke152 prägte insoweit den Begriff der „Detektivkompetenz“. Unstreitig ist, dass das Erkenntnisgericht zur Überzeugung gelangen konnte (und kann), dass die eingeklagte Leistung unmöglich ist, obschon dies tatsächlich nicht der Fall ist. Dies konnte (und kann) auf verschiedenen Gründen beruhen, etwa weil die angebotenen Beweismittel falsch waren oder aber deren Würdigung durch das Gericht153. Der Gläubiger kann demnach ein Interesse haben, sich durch die Zwangsvollstreckung von der Leistungsunmöglichkeit zu überzeugen. Indes wurde die Tauglichkeit der in der Zwangsvollstreckung ihm zu Gebote stehenden Mittel inso147 Brehm, JZ 1974, 573, 574, zust. Kohler, JuS 1991, 943, 945 mit Fn. 24, der den Brehm’schen Einwand aber offenbar missverstanden hatte, denn mit dem „weiteren Prozeß“, für den die Feststellung von Bedeutung sein könnte, meinte Brehm, gerade nicht die Schadensersatzklage, so aber Kohler, JuS 1991, 943, 945: „wegen ihrer Präjudizialität für einen Zweitprozeß über das Interesse“ (Hervorheb. nicht im Original). 148 Vgl. hierzu Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 258 f. 149 Insoweit wurde von Gsell (JZ 2004, 110, 117) erwogen, von der „Erfüllungswirkung“ des § 283 BGB a. F. zu sprechen, was jedoch dessen Wirkung nur unscharf zu bezeichnen vermag. 150 Dass er – wie manchmal gesagt wurde – „Mittel und Wege“ finden werde, das Leistungshindernis zu beheben, galt freilich nur, wenn nicht tatsächlich ein unüberwindbares Leistungshindernis bestand. 151 Den er auf Grundlage der Verurteilung des Schuldners zur Naturalerfüllung erlangte. 152 Meincke, AcP 171 (1971), 19, 24. 153 Wogegen der Kläger mit Rechtsmitteln vorgehen konnte (und kann), s. Brehm, JZ 1974, 573, 575.

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weit unterschiedlich beurteilt: Teils wurde angenommen, die Leistungsfähigkeit des Schuldners lasse sich im Zwangsvollstreckungsverfahren kaum besser beurteilen als im Erkenntnisverfahren154, und dementsprechend eine gläubigerseitige „Detektivkompetenz“ abgelehnt155, während andere156 dem Gläubiger diese Möglichkeit nicht absprechen wollten. So sollte der Gläubiger berechtigt sein, den Schuldner „bis zum Offenbarungseid zu treiben“157, womit die Pflicht des Schuldners zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung i. S. des § 883 Abs. 2 ZPO gemeint war. Gegen eine solche Prüfmöglichkeit wurde eingewendet, dass das Gericht dem „Eigensinn des Gläubigers, durch den Gerichtsvollzieher die Vollstreckung zu versuchen und das Offenbarungseidsverfahren durchzusetzen, nicht Vorschub leisten d[ürfe]“, wenn die Unmöglichkeit der Leistung ohnehin erwiesen sei.158 Indes wird der Gläubiger einen Zwangsvollstreckungsversuch zur Überprüfung der Leistungsunmöglichkeit in der Regel nur veranlasst haben, wenn er diese Überzeugung durch den Vortrag des Klägers im Erkenntnisverfahren nicht erlangt hat; er hat in der Regel an einem nicht realisierbaren Titel kein Interesse.159 Einzelnen Missbrauchsfällen wäre mit dem Verbot des Rechtsmissbrauchs beizukommen gewesen. Ferner wurde gegen die „Detektivkompetenz“ vorgebracht, dass dem Gläubiger in Fällen nicht zu vertretender Unmöglichkeit eine solche Möglichkeit nicht eingeräumt wurde, obgleich sein Bedürfnis insoweit weitaus größer gewesen sei.160 Denn bei Ab154 Statt vieler Brehm, JZ 1974, 573, 574 f., 576: Wenn sich der beklagte Schuldner falscher Beweise bediene (z. B. bei unwahren Zeugenaussagen), fände er auch in der Zwangsvollstreckung Mittel und Wege, die geschuldete Sache dem Gerichtsvollzieher zu entziehen, zumal dieser nur prüfen könne, ob sich die Sache noch im Gewahrsam des Schuldners befinde; hierzu könne der Gläubiger auch einen Augenschein beantragen, bei dessen Nichtduldung durch den Schuldner das klägerische Vorbringen als bewiesen angesehen werde. 155 So Brehm (s. vorige Fn.); Lopau, AcP 174 (1974), 78, 80, ebenso bei durch Beweiserhebung feststehender Unmöglichkeit RGZ 107, 15, 18 f. 156 Z. B. Rabel, FS Bekker S. 171, 180 f. (= Ges. Aufs. I S. 1, 8), s. auch Chr. Knütel, JR 2001, 353, 355; für die nach Überzeugung des Gerichts erwiesene Unmöglichkeit ebenso H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 245 und passim (zu Ausnahmen unten bei Fn. 171 (S. 58), s. ferner Kohler, JuS 1991, 943, 944 (unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsnot des Klägers), vgl. auch J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 226. 157 So H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 244 (bei Verpflichtungen zu einem dare), dagegen U. Huber, LS II § 58 I 2 b mit Fn. 40 (S. 778). Brehm nahm hingegen an, eine eidesstattliche Versicherung dürfe nicht überbewertet werden, s. dens., JZ 1974, 573, 575. 158 So RGZ 107, 15, 18 f. 159 Kohler, JuS 1991, 943, 944. 160 So Meincke, AcP 171 (1971), 19, 24, im Anschluss daran ebenso CoesterWaltjen, AcP 183 (1983), 279, 285 f. (für Unvermögen).

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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weisung der Leistungsklage im Falle des Nachweises einer nicht zu vertretenden Unmöglichkeit ging der Gläubiger völlig leer aus: Er konnte nämlich mangels schuldnerischen Vertretenmüssens nicht – anders aber bei zu vertretender Unmöglichkeit – durch Klageumstellung (§ 264 Nr. 3 ZPO) zumindest zu einer Verurteilung zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung gelangen. (c) Vermittelnde Ansichten Andere Literaturstimmen gingen im Ansatzpunkt von einem Fortbestand des Erfüllungsanspruchs aus, nahmen aber im Falle feststehender Unmöglichkeit dessen materiell-rechtliches Erlöschen an.161 Denn dann hätte der Gläubiger kein schützenswertes Interesse an der Erfüllung und deshalb keinen Anspruch auf Erfüllung.162 Letzteres und nicht die Bestimmung des § 275 Abs. 1 BGB sollte den Grund für den Ausschluss des Erfüllungsanspruchs darstellen.163 Feststehen sollte die Unmöglichkeit, wenn die Leistung offensichtlich nicht erbracht werden konnte164, bei Nichtbestreiten beziehungsweise Zugestehen oder eigenem Vortrag der Unmöglichkeit durch den Gläubiger sowie bei Überzeugung des Gerichts von der Unmöglichkeit aufgrund einer Beweisaufnahme über die nicht zu vertretende Unmöglichkeit, die zwar die Unmöglichkeit aber auch ein Vertretenmüssen des Schuldners ergeben hat165.166 Damit konnte auch die Vorgehensweise des Gerichts bei der Beweisaufnahme167 darüber entscheiden, ob die Unmöglichkeit feststand und damit gleichzeitig der Erfüllungsanspruch materiell-rechtlich erlosch. Wenn die Unmöglichkeit nicht feststand, also streitig war, blieb der Erfüllungsanspruch bestehen; der Gläubiger sollte dann ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung besitzen.168 161 So U. Huber, LS II § 58 I 5 (S. 784 f.), i. d. S. auch K. Schmidt, ZZP 87 (1974), 49, 62 („[. . .] folgt, daß die Unmöglichkeit der Leistung auch materiellrechtlich unterschiedliche Wirkungen hat, je nachdem, ob sie feststeht oder nicht“); Kohler, JuS 1991, 943, 945. Ähnl. bereits Blomeyer, SAT § 28 I 5 b (S. 150), vgl. auch Rabel, Warenkauf I S. 381; dagegen J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 226. 162 s. U. Huber, LS II § 58 I 5 (S. 785). 163 Deutlich U. Huber, FS Gaul S. 217, 238; Soergel/ders., § 433 aF Rn. 276b. 164 Angeführt wurde dafür meist RGZ 88, 76: Der Kläger begehrte Lieferung von täglich drei Litern Milch (auch) für einen bereits vergangenen Zeitraum. J. Wilhelm/ Deeg, JZ 2001, 223, 226 (bei und mit Fn. 35) hielten hier bereits den vom Gläubiger erstrebten Titel für unsinnig. 165 Hiergegen aber J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 226. Vgl. zu Problemen der Beweisaufnahme über die Unmöglichkeit oben „(1) Prozessuale Lösung der Rechtsprechung“, S. 42 ff. 166 Dazu U. Huber, LS II § 58 I 2 b (S. 777 ff.), § 58 I 5 (S. 784). 167 Zu dieser Problematik bereits oben bei Fn. 80 bis 83 (S. 44 f.).

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

Für eine differenzierende Lösung trat auch H. H. Jakobs ein. Er verstand die Unmöglichkeit nicht als Befreiungsgrund für den Schuldner, sondern für den Gläubiger, den die Unmöglichkeit aus dessen Beschränkung auf den Erfüllungsanspruch befreien sollte.169 Im Falle der Unmöglichkeit sollte der Gläubiger – über §§ 283, 286 Abs. 2, 326 BGB a. F. hinaus – die Möglichkeit haben, auf die Sekundäransprüche überzugehen. Der Schuldner sollte aber von der Erfüllungspflicht (grundsätzlich) nur befreit werden, wenn er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hatte. Dennoch nahm auch H. H. Jakobs in bestimmten Fällen vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit eine materiell-rechtliche Befreiung von der Erfüllungspflicht an. Unter Berufung auf das Prinzip der Realexekution wollte er die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung trotz Unmöglichkeit anerkennen, wenn die Verpflichtung einen Sinn, eine prozessuale Funktion, für den Gläubiger hatte; diese Frage sei allein vom Interesse des Gläubigers her zu entscheiden gewesen.170 Ihren Sinn sollte die Leistungspflicht immer nur dann verlieren, wenn es keinen Sinn mehr hatte, die Realisierbarkeit der Leistung durch Zwangsvollstreckung festzustellen; insoweit sollte das Prinzip der Realexekution eine Begrenzung erfahren.171 Bei Verbindlichkeiten, die auf ein im weitesten Sinne zu verstehendes dare (Übereignung oder Herausgabe von Sachen, Übertragung von Rechten) gerichtet waren, sollte die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung trotz Unmöglichkeit der Leistung bestehen bleiben.172 Dem Gläubiger sollte die Befugnis bewahrt werden, das Ausbleiben dessen, was ihm geschuldet ist, festzustellen; er sollte den Schuldner „bis zum Offenbarungseid treiben“ können.173 Bei Verpflichtungen zu einem facere – sei es eine vertretbare oder unvertretbare Handlung – sollte die Unmöglichkeit hingegen, sofern insoweit überhaupt Unmöglichkeit vorlag, im Erkenntnisverfahren festgestellt werden.174 Eine Perpetuierung der Leistungspflicht käme nicht in Betracht; insoweit sei der Fortbestand der auf ein unmögliches facere gerichteten Leistungspflicht deshalb abzulehnen gewesen, weil der Gläubiger an dem Fortbestehen kein Interesse mehr gehabt habe.175 168

Vgl. U. Huber, LS II § 58 I 2 a (S. 777). H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 72 ff., 225 f. und passim, hierzu Soergel/Wiedemann, § 275 aF Rn. 6. 170 H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 240, 252 f. Krit. Brehm, JZ 1974, 573, 575 unter Verweis auf die unausweichliche Kostenfolge für den Schuldner. 171 So H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 242. 172 s. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 242, 244, 252. 173 So H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 244 f., hiergegen U. Huber, LS II § 58 I 2 b mit Fn. 40 (S. 778). 174 s. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 242 ff. 169

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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3. In Sonderheit: Zeitweilige Unmöglichkeit Zumindest im Ergebnis bestand im früheren Recht weitgehend Einigkeit über das Schicksal der Erfüllungspflicht, wenn die (objektive) Unmöglichkeit nur zeitweilig gegeben war. Meist wurde eine direkte Anwendung von § 275 Abs. 1 BGB a. F. beziehungsweise § 306 BGB a. F. abgelehnt.176 Für die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit wurde Verzug mit der fortbestehenden Primärleistungspflicht angenommen; gleichwohl wurde der Schuldner nicht zur (sofortigen)177 Leistung in Natur verurteilt, denn der Anspruch sollte zeitweilig gerichtlich nicht durchsetzbar, eine Verurteilung mithin vorübergehend unzulässig sein.178 Für die vom Schuldner nicht zu vertretende zeitweilige Unmöglichkeit hingegen wurde der Schuldner nach materiellem Recht zeitweilig befreit179; die Klage auf Leistung in Natur war als zurzeit unbegründet abzuweisen. Fiel das Leistungshindernis später weg, sollte die Erfüllungspflicht automatisch wiederaufleben.180 Das skizzierte Sonderproblem zeitweiliger Unmöglichkeit trat nicht allzu häufig auf. Grund dafür waren im Wesentlichen zwei Aspekte. Zum einen wurde endgültige Unmöglichkeit bereits angenommen, wenn die bestehende Unmöglichkeit eine „praktisch unbehebbare“ war; maßgeblich sollte insoweit die „vernünftige Einschätzung“ zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungshindernisses sein.181 Leistungshindernisse konnten damit unter Rückgriff auf Wertungsgesichtspunkte als endgültig qualifiziert werden. Bedeutender war jedoch, dass die Gerichte182 mit Zustimmung der Literatur183 175

s. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 252 f. Krit. gegenüber dieser Differenzierung Brehm, JZ 1974, 573, 575 f.; Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 29 f. 176 Vgl. z. B. Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 17, § 306 aF Rn. 5; MünchKomm/Thode (2001), § 306 aF Rn. 7; Jauernig9 /Vollkommer, § 275 aF Rn. 6, § 306 aF Rn. 4, Soergel/M. Wolf, § 306 aF Rn. 20, a. A. U. Huber, FS Gaul S. 217, 221; ders., LS II § 58 II 4 (S. 791) m. weit. Nachw. unter Berufung auf den Wortlaut („soweit“), ebenso Erman10 /Battes, § 275 aF Rn. 10, § 306 aF Rn. 5. 177 Möglich war die Verurteilung zu künftiger Leistung, s. Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 17. 178 U. Huber, FS Gaul S. 217, 221 m. weit. Nachw. zu Rechtsprechung und Literatur (aaO., S. 218 ff.); ders., LS II § 58 II 4 (S. 791), krit. Soergel/Wiedemann, § 280 aF Rn. 13. 179 Zumeist in Analogie zu § 275 BGB a. F.: s. etwa Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 17 („nach dem Rechtsgedanken des § 275 ausgeschlossen“); vgl. zur anfänglichen Unmöglichkeit Staudinger/Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 33. Für einen Fortbestand trat (soweit ersichtlich) nur Coester-Waltjen, AcP 183 (1983), 279, 281 f. ein. 180 Vgl. statt vieler Staudinger/Löwisch (2001), § 275 aF Rn. 33, § 306 aF Rn. 38, krit. Coester-Waltjen, AcP 183 (1983), 279, 281. 181 Stellv. U. Huber, LS I § 4 II 2 a (S. 108). 182 Zusammenfassend BGHZ 83, 197, 200 – Tierkörperverwertungsanlage/Iran.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

zeitweilige Leistungshindernisse endgültigen gleich achteten, wenn die Erreichung des Vertragszwecks durch die vorübergehende Unmöglichkeit in Frage gestellt war und deshalb dem Vertragsgegner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter billiger Abwägung der Belange beider Vertragsteile die Einhaltung des Vertrags nicht zugemutet werden konnte. Insoweit war der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungshindernisses maßgeblich.184 Bei Geschäften des Warenhandels, wo man kurzfristig zu disponieren pflegt(e), wurde ein Festhalten am Vertrag im Falle zeitweiliger Unmöglichkeit relativ schnell für unzumutbar gehalten.185 III. Zusammenfassung Den Bezugspunkt der Unmöglichkeit bildete die Leistung. Der Leistungsbegriff wurde von einer Mindermeinung weit-modal verstanden, womit gleichsam sämtliche Vertragsverletzungen als (Teil-)Unmöglichkeit verstanden werden konnten und so dem Unmöglichkeitsrecht stets zur Anwendung verholfen wurde. Dagegen vertrat die ganz herrschende Meinung einen enggegenständlichen Leistungsbegriff: (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung in diesem Sinne lag nur dann vor, wenn die Leistung ihrem Gegenstand nach für jedermann unerbringlich war. Seltene Extremfälle theoretisch überwindbarer Leistungshindernisse, aber praktisch gleichsam unüberwindbarer Hindernisse (so genannte „faktische Unmöglichkeit“) wurden als (wirkliche) Unmöglichkeit angesehen beziehungsweise als solche behandelt. Insoweit erfuhr der Unmöglichkeitsbegriff eine gewisse Normativierung. In Fällen anfänglicher (objektiver) Unmöglichkeit war nicht nur die auf die unmögliche Leistung gerichtete Schuldnerpflicht ausgeschlossen, vielmehr ordnete § 306 BGB a. F. in Überdehnung des Celsus-Satzes „impossibilium nulla obligatio est“ die Nichtigkeit des Vertrags an. War eine Speziessache verkauft (Stückkauf), deren Lieferung bereits vor Vertragsschluss wegen objektiver Unmöglichkeit ausgeschlossen war, z. B. war das verkaufte Gemälde bereits vor Vertragsschluss verbrannt, begründete § 306 BGB a. F. eine rechtshindernde Einwendung: Der Kaufvertrag war nichtig. Primäransprüche gelangten daher nie zur Entstehung. Die Praxis griff zur Ausschaltung der Folgen der §§ 306, 307 BGB a. F. (Vertragsnichtigkeit und ungewollte Haftung auf das negative Interesse) oftmals auf eine konkludente Garantieübernahme des Verkäufers (Schuldners) zurück. Dadurch Vgl. statt vieler Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 18 f. m. weit. Nachw. So schon RGZ 158, 321, 331, s. ferner BGH, BB 1953, 1028; BGHZ 83, 197, 200 m. weit. Nachw., etwas modifizierend BGH, NJW-RR 1994, 1356, 1357. Vgl. auch Nastelski, JuS 1962, 289, 293. 185 Vgl. z. B. BGHZ 83, 197, 200 m. weit. Nachw. 183 184

A. (Objektive) Unmöglichkeit der Leistung

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gelangte man zwar zu der weitgehend favorisierten Schadensersatzhaftung wegen Nichterfüllung (positives Interesse), Erfüllungsansprüche wurden dadurch aber nicht begründet. Führte ein vom Schuldner nicht zu vertretender Umstand nach Vertragsschluss zur Unmöglichkeit der Leistung, so wurde der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB a. F. von der Verpflichtung zur Leistung frei; daneben schuldete er auch keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung.186 Verbrannte etwa das verkaufte Gemälde erst nach Vertragsschluss, erlosch der auf die damit unmöglich gewordene Leistung gerichtete Anspruch gemäß § 275 Abs. 1 BGB a. F., wenn der Schuldner die zur Unmöglichkeit führenden Umstände nicht zu vertreten hatte, wenn der Brand beispielsweise durch einen Blitzschlag hervorgerufen wurde. Auch wenn der Schuldner die zur nachträglichen Unmöglichkeit führenden Umstände zu vertreten hatte, ging die herrschende Literaturmeinung von einem Erlöschen des Erfüllungsanspruchs aus; nur eine Mindermeinung nahm den Fortbestand des Primäranspruchs an, Teile davon nur bei feststehender Unmöglichkeit. Die Rechtsprechung zog sich insoweit auf eine prozessuale Lösung zurück: Der Schuldner wurde zum Beweis der Unmöglichkeit nicht zugelassen187 und zur Erfüllung verurteilt, sofern nur feststand, dass er eine etwaige Unmöglichkeit zu vertreten hätte. Eine Verurteilung zur Primärleistung sollte nur ausscheiden, wenn die Unmöglichkeit feststand, das heißt vom Kläger zugestanden wurde, offenkundig oder nachgewiesen war. Für den marktbezogenen Gattungskauf spielte die Unmöglichkeit keine praktische Rolle, da insoweit der Untergang der gesamten Gattung188 notwendig gewesen wäre. Bei zeitweiliger Unmöglichkeit blieb der Schuldner zur Primärleistung verpflichtet und geriet in Verzug, wenn er die Unmöglichkeit zu vertreten hatte; eine Verurteilung zur sofortigen Leistung in Natur war gleichwohl ausgeschlossen. Hatte der Schuldner die zeitweilige Unmöglichkeit nicht zu vertreten, war er für die Dauer der Unmöglichkeit von seiner Erfüllungspflicht befreit; bei Wegfall des Hindernisses lebte die Pflicht automatisch wieder auf. Oftmals wurde jedoch bei an sich nur vorübergehender Unmög186 §§ 325, 280 BGB a. F. Dem Gläubiger stand auch kein Rücktrittsrecht zu, indes war er auch nicht zur Erbringung der Gegenleistung verpflichtet (§ 323 Abs. 1 BGB a. F.), sofern er nicht das Surrogat nach § 285 BGB a. F. verlangte (§ 323 Abs. 2 BGB a. F.). 187 Die Billigung gerade dieser Gerichtspraxis durch Vertreter der h. L. musste Verwunderung auslösen, maßen diese doch der Unmöglichkeit – unabhängig vom Vertretenmüssen – Befreiungswirkung bei. 188 Bei einer Vorratsschuld der gesamte Vorrat des Schuldners.

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lichkeit eine endgültige Befreiung angenommen, wenn die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt war und deshalb dem Vertragsgegner nach § 242 BGB unter billiger Abwägung der Belange beider Vertragsteile die Einhaltung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden konnte.

B. Unvermögen zur Leistung Unter der Geltung des früheren Rechts waren sowohl der Begriff des Unvermögens (hierzu im Folgenden sub I.) als auch die Bedeutung von Unvermögen für das Schicksal der schuldnerischen Primärpflicht (dazu sub II.) stark umstritten. I. Der Begriff des Unvermögens Der Streit um den Unvermögensbegriff währte im alten Recht bis zuletzt.189 Er entbrannte an der Bestimmung des § 275 Abs. 2 (und 1) BGB a. F., die das nachträgliche Unvermögen regelte. Das nachträgliche Unvermögen soll daher den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden. 1. Ausgangspunkt: Nachträgliches Unvermögen (§ 275 Abs. 2 BGB a. F.) Definitionsgemäß war Unvermögen gegeben, wenn zwar nicht der Schuldner, aber ein beliebiger Dritter in der Lage war, die geschuldete Leistung zu erbringen.190 Soweit, kann man sagen, bestand Einigkeit. Es fragte sich 189

Vgl. zuletzt eingehend J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 226 ff. Die Abgrenzung zur (objektiven) Unmöglichkeit als eine Unerbringlichkeit für jedermann war in aller Regel unproblematisch. Lediglich bei Unerbringlichkeit einer höchstpersönlichen Leistung, die aufgrund besonderer persönlicher Fähigkeiten des Schuldners ausschließlich von diesem erbracht werden konnte, war umstr., ob dies als Unmöglichkeit oder Unvermögen zu qualifizieren sei: Einerseits wurde Unmöglichkeit angenommen (Erman10 /Battes, Vor § 275 aF Rn. 30; Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 22 II (S. 6); Wieacker, FS Nipperdey (1965) Bd. I S. 783, 805; Soergel/M. Wolf, § 306 aF Rn. 6, aus der Rspr.: RGZ 5, 278, 279) und andererseits Unvermögen (MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 71; Staudinger/ Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 21 f.; § 275 aF Rn. 48). Anzumerken ist, dass die Kontroverse letztlich in der Schadensersatzhaftung für anfängliche Leistungshindernisse (Sekundärebene) ihren eigentlichen Grund hatte (so auch Braun, JA 1983, 571, 577; für nachträgliche Leistungshindernisse galt die Gleichstellungsnorm des § 275 Abs. 2 BGB a. F.): Nahm man Unvermögen an, unterlag der Schuldner der früher überwiegend vertretenen Garantiehaftung auf das Erfüllungsinteresse, während bei objektiver Unmöglichkeit allenfalls bei fahrlässiger Unkenntnis eine Haftung auf den Vertrauensschaden gegeben sein konnte (anders aber Koller, Risikozurechnung S. 104, 277, 280: für Restriktion des § 306 BGB a. F. und Haftung auf das positive Interesse). 190

B. Unvermögen zur Leistung

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aber, wie der Umstand zu beurteilen war, dass der leistungsfähige Dritte bereit war, sich in die Dienste des Schuldners zu stellen. Anders gewendet: Ein Unvermögen des Schuldners könnte nur vorgelegen haben, wenn der Dritte entweder überhaupt nicht oder nur unter dem Schuldner nicht zumutbaren Bedingungen bereit gewesen wäre, sich in die Dienste des Schuldners zu stellen. Abweichend davon hätte man den Umstand, ob der Dritte zur Mitwirkung bereit war oder nicht, für die Frage des Unvermögens für irrelevant erachten können. Unvermögen hätte dann freilich weitaus häufiger vorgelegen. a) Weiter Unvermögensbegriff Teile des Schrifttums verstanden das Unvermögen in einem weiten Sinne. Unvermögen i. S. von § 275 Abs. 2 BGB a. F. sollte bedeuten, dass der Schuldner seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit eingebüßt hat und deshalb zum Fälligkeitszeitpunkt an einer Leistungserbringung gehindert war, die einem Dritten möglich war. Beim Stückverkäufer sollte Unvermögen demnach vorliegen, wenn diesem zum vorgesehenen Erfüllungszeitpunkt der Leistungsgegenstand fehlte, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Leistungsgegenstand an sich vorhanden war, kurzum: bei mangelnder Dispositionsfähigkeit über den Leistungsgegenstand.191 Ob und unter welchen Voraussetzungen die Wiederbeschaffung des Leistungsgegenstands beim Dritten192 für den Schuldner möglich gewesen wäre, war nach dieser Ansicht unerheblich für das Vorliegen von Unvermögen. Es spielte lediglich auf der Sekundärebene für die Frage, ob das (vorliegende) Unvermögen nur vorübergehender oder dauernder Natur war, eine Rolle. Der Schuldner konnte gegen die Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§§ 280, 325 BGB a. F.) einwenden, dass er willens und in der Lage sei, das Unvermögen zu 191 Brehm, JZ 1987, 1089 f.; Erman10 /Battes, Vor § 275 Rn. 28 f.; Brox, SAT27 Rn. 234; Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht S. 38 f., 122 ff.; dies., JZ 2004, 110, 118 mit Fn. 74; U. Huber, FS Gaul S. 217, 228/232; ders., LS I § 4 II 1 b (S. 105); ders., LS II § 60 I (S. 833 f.), § 60 III (S. 837/839); ders., ZIP 2000, 2141, 2143; ders., in: Ernst/Zimmermann S. 31, 57; ders., FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 253 f.; G. Wagner, JZ 1998, 482, 488, 490; J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 227. Vgl. auch H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 126 ff., 161 f., 267 (hierzu U. Huber, FS Gaul S. 217, 232 mit Fn. 80 a. E.; ders., LS I § 4 III 4 c [S. 121]); s. auch Heck, Grundriß des Schuldrechts § 28, 3 (S. 86), § 32, 1 (S. 97), § 32, 4 (S. 98) und § 33, 10 (S. 102). Im älteren Schrifttum: Fr. Mommsen, Unmöglichkeit S. 5 f., 27 ff., insb. 32; Windscheid, Pandektenrecht II § 264, 1 mit Fn. 1 (S. 51). Der Begriff soll auf die Digesten zurückgehen, das Fehlen der „facultas dandi“ (die Fähigkeit zu geben), vgl. D. 45, 1, 137, 4 (Venuleius), s. U. Huber, FS Gaul S. 217, 231 f., vgl. auch v. Savigny, Obligationenrecht I § 37 (S. 384 ff.). 192 Allgemeiner ausgedrückt: die (Wieder-)Herstellung der (ursprünglich bestehenden) Leistungsfähigkeit.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

beseitigen, indem er etwa den Leistungsgegenstand wiederbeschafft.193 Wendete er dies ein, war die Schadensersatzklage mangels erforderlichen dauernden Unvermögens als unbegründet abzuweisen. b) Enger Unvermögensbegriff Die herrschende Lehre194 wie auch zumeist der BGH195 gingen demgegenüber von einem eng gefassten Unvermögensbegriff aus. Unvermögen sollte nicht bereits vorliegen, wenn der Schuldner zum Fälligkeitszeitpunkt zur Leistungserbringung außerstande war, während ein Dritter zur Leistung imstande gewesen wäre.196 Zusätzlich wurde gefordert, dass dem Schuldner die Beseitigung des Leistungshindernisses entweder unmöglich (hier: enger Unvermögensbegriff im wirklichen Sinne)197 beziehungsweise – wie in der Literatur bisweilen postuliert wurde – zumindest unzumutbar (hier: enger Unvermögensbegriff im normativen Sinne)198 war.199 Verstand man Unvermögen im normativen Sinne, waren für das Wertungsmoment der Unzumutbarkeit, mit dem der Unvermögensbegriff angereichert wurde, entsprechen193

Vgl. Brehm, JZ 1987, 1089. s. vor allem G. H. Roth, JuS 1968, 101, 103 (bei Gattungsschulden), 106 ff. (bei individualisiertem Leistungsgegenstand), ebenso MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 70, 73 und 77 ff.; ders., Leistungsstörungsrecht4 § 6 VII (S. 91 ff.); Esser/E. Schmidt, SAT7 Teilb. 2 § 22 II (S. 6) – einschränkend aber offenbar die nachfolgende 8. Aufl.: Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 22 II (S. 6 f.); Palandt61 / Heinrichs, § 275 aF Rn. 13/15; Staudinger/Löwisch, (2001), § 275 aF Rn. 52, 54; Medicus, JuS 1968, 297, 298; Jauernig9 /Vollkommer, vor §§ 275–292 aF Rn. 15/7; Soergel/Wiedemann, § 275 aF Rn. 49, 53 f.; wohl auch Kreß, SAT S. 403 f. Aus der älteren Literatur bereits Dernburg, Schuldverhältnisse § 60 I (S. 128); Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 64 ff.; wohl auch H. A. Fischer, Unmöglichkeitslehre S. 32. 195 Vgl. die Nachw. zur Rechtsprechung unten sub „(b) Dogmatische Grundlage“, S. 77 ff. 196 Beim Stückkauf also bereits, wenn dem Verkäufer die Dispositionsfähigkeit über den geschuldeten Leistungsgegenstand fehlte. 197 So G. H. Roth, JuS 1968, 101, 103, 107; Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 13/15; Staudinger/Löwisch (2001), § 275 aF Rn. 52, 54; Jauernig9 /Vollkommer, vor §§ 275–292 aF Rn. 15/7. 198 So MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 70, 73 und 77 ff. (mit dem Hinweis darauf, dass „in einer marktwirtschaftlichen Ordnung letztlich (fast) jede Leistung ihren Preis hat“, die Mitwirkung des leistungsfähigen Dritten daher in aller Regel zu erreichen wäre, aaO., Rn. 77); ders., Leistungsstörungsrecht4 § 6 VII (S. 91 ff.); Esser/E. Schmidt, SAT7 Teilb. 2 § 22 II (S. 6) – einschränkend aber offenbar die nachfolgende 8. Aufl.: Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 22 II (S. 6 f.); Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 37; Soergel/Wiedemann, § 275 aF Rn. 53 f.; wohl auch Ehmann/Kley, JuS 1998, 481, 482. Anders die in der vorigen Fn. genannten Autoren sowie auch zumeist die Rechtsprechung, vgl. z. B. BGH, NJW 1988, 699, 700. Generell abl. gegenüber einer Einengung des Unvermögensbegriffs U. Huber, LS II § 59 II 4 (S. 817 f.). 194

B. Unvermögen zur Leistung

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de Kriterien erforderlich: In Ermangelung konkreter Verabredungen200 wurde neben der vertraglichen Risikoverteilung – so sich eine solche für ein konkretes Leistungshindernis finden ließ – maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt. Teilweise behalf man sich auch mit dem Rekurs auf die Gebote von Treu und Glauben oder auf den den §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. zugrunde liegenden Rechtsgedanken201. Demgemäß erforderte Unvermögen des Stückverkäufers zur Leistung, dass eine Wiederbeschaffung der Kaufsache von dem leistungsfähigen Dritten unmöglich beziehungsweise unzumutbar war. 2. Anfängliches Unvermögen Während in der Literatur teils ein enges Unvermögensverständnis befürwortet wurde,202 schienen die Gerichte Unvermögen, wenn es sich um anfängliches handelte, offenbar – anders als nachträglich eintretendes Unvermögen – in einem weiten Sinne zu begreifen.203 II. Die Regelung nach altem Recht 1. Ausgangspunkt: Nachträgliches Unvermögen Nach § 275 Abs. 2 i. V. mit Abs. 1 BGB a. F. sollte der Schuldner von der Verpflichtung zur Leistung frei werden, soweit er infolge eines nach Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstands, den er nicht zu vertreten hatte, unvermögend wurde. Dem Wortlaut der Bestimmungen zufolge kam es für die Befreiung von der Erfüllungspflicht auf zwei Dinge an: das (nachträgliche)204 Unvermögen und das mangelnde Vertretenmüssen („Nichtvertretenmüssen“) des Umstands, auf den das Unvermögen zurückzuführen war. 199 In der älteren Literatur wurde insoweit von „Aufwandstheorie“ gesprochen, s. Heck, Grundriß des Schuldrechts § 32, 2 (S. 97), der sich indessen gegen diese wendete. 200 Für deren Maßgeblichkeit plädierte offenbar Esser/E. Schmidt, SAT7 Teilb. 2 § 22 I (S. 3), § 22 II (S. 7). 201 Darauf verwies auch Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 22 II (S. 8). 202 So bereits G. H. Roth, JuS 1968, 101, 108; die Auswirkung anfänglichen Unvermögens auf der Primärebene wurde in der Literatur insgesamt nur sehr stiefmütterlich behandelt (vgl. auch den Hinweis von G. Wagner, JZ 1998, 482, 483 mit Fn. 15), während die Haftungsfrage in extenso thematisiert wurde. 203 s. zu Nachw. unten sub „a) Ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre“, S. 82 ff. 204 „[N]achträglich eintretende Unvermögen“.

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Entsprechend der Vorgabe des § 275 BGB a. F. trennt die Darstellung zwischen dem vom Schuldner nicht zu vertretenden (sub a) und zu vertretenden (sub b) Unvermögen. a) Nachträgliches vom Schuldner nicht zu vertretendes Unvermögen, § 275 BGB a. F. Die nachfolgende Erörterung soll den Zusammenhang zwischen dem Unvermögensverständnis und dem Tatbestandsmerkmal des Nichtvertretenmüssens erhellen sowie die erheblich divergierenden Ergebnisse der verschiedenen Ansichten aufzeigen. (1) Weiter Unvermögensbegriff – Relevanz des Nichtvertretenmüssens Auf Grundlage des weiten Unvermögensbegriffs205 trat eine Befreiung des Schuldners von der Erfüllungspflicht ein, wenn er seine Dispositionsfähigkeit über den Leistungsgegenstand nach Vertragsschluss einbüßte (Unvermögen i. w. S.) und er dies nicht zu vertreten hatte.206 Dann musste der Schuldner keine Aufwendungen zur Überwindung des Leistungshindernisses machen.207 Beispielsweise war der Stückschuldner bei einem von ihm nicht zu vertretenden Diebstahl des Leistungsgegenstands nicht verpflichtet, Bemühungen zur Wiederbeschaffung der Sache zu machen. Manche wollten dem Schuldner im Falle der nicht zu vertretenden Veräußerung der geschuldeten Sache an einen Dritten zumindest ansinnen, diese vom Dritten wiederzubeschaffen, sofern dieser zur kostenneutralen Rückgängigmachung des Erwerbs bereit war.208 Jedoch hatte derjenige Schuldner, der eine bereits verkaufte Sache an einen Dritten veräußerte, sein Unvermögen nur dann 205

Zu Nachw. oben sub „a) Weiter Unvermögensbegriff“, S. 63 f. Hierfür kamen z. B. die hoheitliche Beschlagnahme oder Enteignung des Leistungsgegenstands sowie dessen unfreiwilliger und nicht zu vertretender Verlust in Betracht. 207 Vgl. bereits Heck, Grundriß des Schuldrechts § 28, 3 (S. 86 f.), § 32, 3 und 5 (S. 97 f.). Ebenso Brehm, JZ 1987, 1089, 1090; U. Huber, FS Gaul S. 217, 233 f.; ders., LS I § 4 III 4 c (S. 120); ders., LS II § 59 II 1 (S. 806 f.), § 60 III (S. 837); ders., FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 254. Vermittelnd Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht S. 38 f., 120 (vgl. hierzu die folgende Fn.). 208 Nach U. Huber, LS I § 3 I 3 a (S. 70) sollte für diesen Fall kein befreiendes Unvermögen vorliegen (ähnl. auch ders., LS II § 59 II 1 (S. 806) unter Hinweis auf Treu und Glauben); Gsell wollte dem Verkäufer eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB a. F. versagen, wenn er die Speziessache „ersichtlich ohne nennenswerte Anstrengung zurückbeschaffen könnte“ (dies., Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht S. 39, 120); anders Brehm, JZ 1987, 1089, 1090, dem zufolge der Verkäufer offenbar wegen dauernden Unvermögens nach § 275 BGB a. F. selbst dann 206

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nicht zu vertreten, wenn er bei Abschluss und Erfüllung des zweiten Kaufvertrags vom ersten weder wusste noch von ihm wissen musste.209 In aller Regel hatte der Verkäufer sein Unvermögen in derartigen Fällen jedoch zu vertreten, insbesondere auch, wenn er die Rechtslage falsch einschätzte, was ihn regelmäßig nicht entlastete.210 Der Gattungsschuldner hatte sein Unvermögen nach § 279 BGB a. F. zu vertreten, demzufolge eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB a. F. ausschied. (2) Enger Unvermögensbegriff – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens (Herrschende Meinung) Entgegen dem Wortlaut des § 275 BGB Abs. 2 i. V. mit Abs. 1 BGB a. F., der eine Leistungsbefreiung des Schuldners nur vorsah, wenn dieser sein nachträgliches Unvermögen nicht zu vertreten hatte, nahm die herrschende Meinung an, die Befreiung trete auch bei zu vertretendem (nachträglichem) Unvermögen ein. Exakt diese Annahme zwang zur Einengung des Unvermögensbegriffs. Hielt man nämlich das Tatbestandsmerkmal „Nichtvertretenmüssen“ für entbehrlich, hätte bei gleichzeitiger Zugrundelegung eines weiten Unvermögensbegriffs eine uferlose Befreiung des Schuldners von seiner Erfüllungspflicht gedroht.211 Um diese freilich untragbare Konsequenz zu verhindern – der Grundsatz pacta sunt servanda wäre völlig aus den Angeln gehoben worden –, musste das „zweite“ Tatbestandsmerkmal „Unvermögen“ entsprechend stark eingeengt werden. Das per se befreiende Unvermögen sollte daher nur vorliegen, wenn dem Schuldner die Überwindung des Leistungshindernisses durch Erlangung der Kooperation des leistungsfähigen Dritten entweder unmöglich (enges Unvermögen im wirklichen Sinne) oder zumindest unzumutbar (enges Unvermögen im normativen Sinne) war.212 Leistungsbefreiendes Unvermögen kam demzufolge praktisch nicht oder erst bei Erreichen der Grenze der Unzumutbarkeit in Betracht. Gegen das enge Unvermögensverständnis wurden gewichtige Einwände erhoben. Soweit vertreten wurde, dass Unvermögen ausschließlich vorläge, wenn dem Schuldner die Wiederherstellung seiner Leistungsfähigkeit unmöglich war, der Stückverkäufer also die verkaufte Sache nicht wiederbeschaffen konnte,213 verblieb für ein Unvermögen (fast) kein Anwendungsfrei werden sollte, wenn er den Leistungsgegenstand vom Dritten zu einem „Spottpreis“ hätte zurückkaufen können (zweifelhaft). 209 So etwa in RGZ 67, 233, hierzu U. Huber, LS II § 59 II 1 (S. 806 f.). 210 s. U. Huber, LS II § 59 II 1 mit Fn. 57 (S. 807). 211 Vgl. dazu U. Huber, LS II § 59 II 1 mit Fn. 80 a. E. (S. 810). 212 Vgl. die Nachw. oben sub „b) Enger Unvermögensbegriff“, S. 64 f. 213 So etwa G. H. Roth, JuS 1968, 101, 106 ff.

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bereich. Die Kategorie des Unvermögens wäre praktisch aufgelöst gewesen. Denn die Kooperationsbereitschaft des leistungsfähigen Dritten dürfte sich in der Praxis – anders als in Lehrbuchbeispielen – in aller Regel erkaufen lassen.214 Der Schuldner musste dem leistungsfähigen Dritten nur genug Geld bieten – wozu er grundsätzlich215 verpflichtet sein sollte. Vor diesem Hintergrund wurde das enge Unvermögensverständnis bereits von H. H. Jakobs216 kritisiert, der § 275 Abs. 2 BGB a. F. in Ermangelung eines Anwendungsbereichs für eine „närrische Vorschrift“ halten musste. Dem gleichen Vorwurf ist – dies sei bereits an dieser Stelle angemerkt – im Grundsatz auch § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB (n. F.) ausgesetzt,217 wenngleich im neuen Recht insoweit lediglich eine von zwei Tatbestandsalternativen innerhalb eines Absatzes betroffen ist.218 Um die Kategorie des Unvermögens und damit den Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB a. F. nicht (nahezu) auf Null zu reduzieren, bezogen einige Vertreter eines engen Unvermögensverständnisses daher meist auch Zumutbarkeitserwägungen in den Unvermögensbegriff mit ein. Unvermögen sollte dementsprechend auch vorliegen, wenn dem Schuldner die Wiederherstellung seiner Leistungsfähigkeit zwar nicht unmöglich, aber zumindest unzumutbar war. In Ermangelung vertraglicher Vereinbarungen über die von den Parteien regelmäßig nicht vorhergesehenen und vorhersehbaren Leistungshindernisse mussten letztlich oftmals Kriterien der ergänzenden Vertragsauslegung herangezogen werden, wie etwa die Verweisung auf die Gebote von Treu und Glauben, die Zumutbarkeit beziehungsweise die vertragliche Risikoverteilung. Vor diesem Hintergrund wurde die Einbeziehung von Zumutbarkeitserwägungen in den Unvermögensbegriff als Verweis auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung gewertet. Brehm kritisierte den herrschenden Unvermögensbegriff daher als Beispiel verfehlter Dogmatik: Die definitorische Verweisung auf die Grundsätze der ergänzen214 Vgl. Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 65 f., 68: „Vor dem goldenen Regen gibt es nahezu gar keine Schwierigkeiten, geschweige denn Unvermögen.“; MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 77, denen zufolge (fast) alle Leistungen für Geld zu haben seien. Singulär dürfte der Fall von RGZ 69, 355 geblieben sein, hierzu U. Huber, LS II § 59 II 2 (S. 812). 215 Vorbehaltlich anderweitiger Grenzen, namentlich in Fällen der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ oder des Rechtsmissbrauchs. 216 H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 160 mit Fn. 109 a. E. 217 Denn „Unmöglichkeit für den Schuldner“ (hier als subjektive Unmöglichkeit bezeichnet) soll nur vorliegen, wenn dem Schuldner die Beseitigung des Leistungshindernisses unmöglich ist; gleichzeitig werden Fälle der „Unzumutbarkeit“ im weitesten Sinne aus § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB ausgewiesen (und § 275 Abs. 2 bzw. § 313 BGB zugeschlagen), vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 129 f. 218 Während im alten Recht der gesamte Abs. 2 von § 275 BGB a. F. ohne (praktischen) Anwendungsbereich gewesen wäre.

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den Vertragsauslegung nehme der dispositiven Gesetzesnorm (sc. § 275 BGB a. F.) jeglichen eigenständigen Gehalt.219 Diese Anreicherung des Unvermögensbegriffs mit Wertungskriterien hatte allerdings – im früheren Recht weithin unerkannt220 – zur Folge, dass damit Anwendungsfälle der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ (nach herrschender Meinung eigentlich der Geschäftsgrundlagenlehre zugeordnet) sowie Fälle unverhältnismäßigen Leistungsaufwands (üblicherweise dem Rechtsmissbrauchsverbot unterfallend) bereits in den Unvermögensbegriff einbezogen und auf diesem Wege der Vorschrift des § 275 Abs. 2 und 1 BGB a. F. unterworfen wurden.221 Schließlich erschien ein enges Unvermögensverständnis auch aus systematischen Gründen, namentlich im Hinblick auf § 279 BGB a. F., bedenklich. Diesbezüglich handelt es sich um ein spezifisches Problem der alten Regelung, das vor allem in der bis zuletzt umstrittenen Beurteilung der Entstehungsgeschichte222 der §§ 275 Abs. 2, 279 BGB a. F. seine Ursache 219 Brehm, JZ 1987, 1089, 1092; ders., JuS 1988, 706, 709 („weil so entschieden wird, als ob es diese Normen gar nicht gäbe“). 220 Vgl. aber Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 22 II (S. 7 f.); G. Wagner, JZ 1998, 482, 488 f. 221 Ähnl. auch G. Wagner, JZ 1998, 482, 488 f. („letztere [sc. die Lehre von der wirtschaftlichen Unmöglichkeit bzw. der überobligationsmäßigen Schwierigkeit] lediglich in eine unmöglichkeitsrechtlich gefärbte Semantik umgießt, um zu denselben Resultaten zu gelangen [. . .]“). Propagiert wurde diese Vorgehensweise vor allem von Emmerich, der auch eine Zuordnung der Leistungserschwerung zur Geschäftsgrundlagenlehre explizit ablehnte, s. MünchKomm/Emmerich (2001), Vor § 275 aF Rn. 26, § 275 aF Rn. 28. 222 Ausf. hierzu H. H. Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB S. 209 ff.; H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 145 ff.; U. Huber, FS Gaul S. 217, 230 ff.; Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht S. 122 ff.; Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 200 ff.; Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht S. 43 ff.; Weber-Will/Kern, JZ 1981, 257 ff.; Evans-von Krbek, AcP 177 (1977), 35, 41 ff., 50 f. Vgl. hierzu insb. § 237 Abs. 1 des Ersten Entwurfs zum BGB, der Vorgängerregelung der §§ 275, 279 BGB a. F., im Anh. sowie Mot. II S. 45 (= Mugdan, II S. 25): „Ein solches subjektives Unvermögen ist weder als ein bei der Entstehung des Schuldverhältnisses vorhandenes noch als ein nachträglich eintretendes von Einfluß auf die Verbindlichkeit des Schuldners“. Es herrschte seit jeher Streit darüber, ob die Redaktionskommission – sei es irrtumsbedingt oder eigenmächtig – eine sachliche Änderung der dem ersten Entwurf zugrunde liegenden Regelung vornahm (so die Beurteilung von H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 148 ff. [„Irrtum“]; ders., NJW 1972, 624, 625 [„offensichtlichen Versehen“]; ebenso Beinert, Wesentliche Vertragsverletzung S. 204 ff. [„Irrtum“]; MünchKomm/Emmerich (1994), § 275 aF Rn. 93 [„Eingriffen der Redaktionskommission“]) oder nicht (so vor allem U. Huber, FS Gaul S. 217, 230 f., dem zufolge die Formulierung der Redaktionskommission den Vorzug verdiente vor der des ersten Entwurfs). Namentlich wurde kontrovers diskutiert, ob das

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hatte und daher nur unter rechtsgeschichtlichen Gesichtspunkten von Interesse ist.223 Die referierte Auffassung führte schließlich zu einer Pflicht des schuldlos Unvermögenden, seine Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Namentlich bewirkte die Einengung des Unvermögensbegriffs die Statuierung einer Beschaffungspflicht des Stückverkäufers bis zur Grenze der Unzumutbarkeit224 auch in Fällen, in denen er den Verlust des Besitzes und/oder Eigentums an der verkauften Sache nicht zu vertreten hatte. Der Verkäufer einer Speziessache musste also zur Wiederbeschaffung auch im Falle nicht zu vertretenden Sachverlusts bis zur Grenze der Unzumutbarkeit Aufwand betreiben. Diese „verschuldensunabhängige“ Beschaffungspflicht des Stückverkäufers blieb in der Literatur nicht unbeanstandet. Denn der Schuldner habe vertraglich nur versprochen, eine bestimmte Sache aus seinem Vermögen zu übereignen; zur Befriedigung der angenommenen Beschaffungspflicht war in §§ 275, 279 BGB a. F. zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis überhaupt dem gesetzgeberischen Willen entspräche oder nicht vielmehr durch die Änderung der Redaktionskommission „auf den Kopf gestellt“ worden sei. 223 Die Verfechter eines weiten Unvermögensverständnisses argumentierten gerade mit § 279 BGB a. F. für ihre Ansicht, da die Bestimmung bei einem engen Verständnis keinen Sinn ergebe, s. eingehend Brehm, JZ 1987, 1089, 1092; U. Huber, LS II § 60 II (S. 836); J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 227. Auf Grundlage des weiten Unvermögensbegriffs ließ sich § 279 BGB a. F. zwanglos in die Dogmatik der Leistungshindernisse einfügen: Hatte der Gattungsschuldner zum Fälligkeitszeitpunkt keine geeigneten (§ 243 Abs. 2 BGB) Stücke aus der geschuldeten Gattung zur Verfügung, so lag Unvermögen vor. Sein Unvermögen hatte er gem. § 279 BGB a. F. unabhängig von einem Verschulden zu vertreten, so dass keine Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 2 i. V. mit Abs. 1 BGB a. F. eintrat, s. hierzu J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 227. Gleichzeitig war der Schuldner (Verkäufer) vor einem vorschnellen Übergehen des Gläubigers auf die Sekundärrechte geschützt. So wurde für den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§§ 325, 280 BGB a. F.) dauerndes Unvermögen verlangt. Ein solches sollte in aller Regel ausgeschlossen sein, weil der Schuldner am Markt Ware beziehen könne (s. U. Huber, LS II § 59 I 3 c [S. 803 f.]). Daher war der Gläubiger bei der Gattungsschuld (regelmäßig) auf den Weg des § 326 BGB a. F. (bzw. § 286 Abs. 2 oder 283 BGB a. F.) verwiesen, i. Erg. ähnl. G. Wagner, JZ 1998, 482, 491 f., 494; J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 228 f. (für das nachträgliche Unvermögen). Auf Grundlage des herrschenden engen Unvermögensverständnisses wurde § 279 BGB a. F. hingegen oftmals für „überflüssig“ oder „bedeutungslos“ gehalten, s. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 150; Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht S. 118, krit. auch Ballerstedt, FS Nipperdey (1955) S. 261, 267 ff., 271 ff. Nach Palandt61 /Heinrichs, § 279 aF Rn. 1 sollte der Bestimmung im Wesentlichen „nur klarstellende Bedeutung“ zukommen. Meist wurde aus § 279 BGB a. F. eine verschuldensunabhängige Beschaffungspflicht des Gattungsschuldners abgeleitet. 224 Erst bei deren Erreichen eine Schuldnerbefreiung nach § 275 BGB a. F. eintreten sollte; Vertreter des engen Unvermögensbegriffs im wirklichen Sinne halfen dem Schuldner dann mit dem Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

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er indes gezwungen, unter Umständen sein gesamtes Vermögen einzusetzen.225 Zudem fragte sich, ob nicht die Unterschiede zwischen Stückkauf und Gattungskauf verwischt wurden, da an sich nur den Gattungsschuldner eine Beschaffungspflicht traf. Es wurde auch gesagt, die Wiederbeschaffung der Speziessache beim Stückkauf habe (leistungs-)vorbereitenden Charakter226 – soweit nicht ausnahmsweise vertraglich gerade die Beschaffung einer spezifischen Sache geschuldet war –, während die geschuldete Leistung in der Übereignung (und Übergabe) der Sache bestünde. Freilich handelte es sich bei der kritisierten verschuldensunabhängigen Beschaffungspflicht nicht um eine selbständige Beschaffungspflicht, deren Befriedigung auch in der Zwangsvollstreckung in der Weise hätte erwirkt werden können, dass die Übernahme der für die Wiederbeschaffung erforderlichen Kosten zu erreichen gewesen wäre. Vielmehr bestand eine aus der Einengung des Unvermögensbegriffs resultierende Beschaffungspflicht, die dem Käufer im Ergebnis ein Leistungsurteil erbrachte, das er indes nur nach Maßgabe des § 883 ZPO vollstrecken konnte (siehe § 887 Abs. 3 ZPO). (3) Standpunkt der Rechtsprechung Der BGH verstand Unvermögen überwiegend eng;227 für ihn spielte die Frage, ob der Schuldner sein Unvermögen zu vertreten hatte, für die Befreiung von der Primärpflicht keine Rolle. Gerichtliche Entscheidungen, die explizit von einem nicht zu vertretenden Unvermögen des Schuldners handelten, existieren indes kaum.228 Die Spruchpraxis wird daher vorliegend im Rahmen des zu vertretenden Unvermögens näher behandelt (sub „(3) Rechtsprechung“, S. 75 ff.). b) Nachträgliches vom Schuldner zu vertretendes Unvermögen Nachträgliches Unvermögen, das der Schuldner zu vertreten hatte, war vom Wortlaut des § 275 BGB a. F. nicht umfasst. Über die Wirkung dieses Unvermögens auf die Erfüllungspflicht des Vertragsschuldners bestand erheblicher Streit. 225 Vgl. Brehm, JZ 1987, 1089, 1091; dens., JuS 1988, 706, 709, grds. zust. Schur, Leistung und Sorgfalt S. 151. 226 s. Brehm, JuS 1988, 706, 707, vgl. auch Schur, Leistung und Sorgfalt S. 152 f. 227 Vgl. die Nachw. zur Rechtsprechung unten sub. „(b) Dogmatische Grundlage“, S. 77 ff. 228 Hierzu U. Huber, FS Gaul S. 217, 229 f.; Soergel/ders., § 433 aF Rn. 303b jew. m. Nachw., der die Spruchpraxis indes anders deutet als hier.

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(1) Mindermeinung im Schrifttum Wie oben bereits ausgeführt, vertrat eine beachtliche Mindermeinung im Schrifttum im früheren Recht einen weiten Unvermögensbegriff229, die dem Schuldner die Leistungsbefreiung nur zugute kommen ließ, wenn er in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 275 BGB a. F. sein Unvermögen i. w. S. nicht zu vertreten hatte.230 Die Behebbarkeit des Unvermögens entschied nur über die für die Sekundärhaftung bedeutsame Frage, ob das Unvermögen von dauernder Natur war. (a) Argumentation Zur Begründung des Fortbestands des Erfüllungsanspruchs in diesen Fällen wurde zum einen der Wortlaut des § 275 BGB a. F. unter Bezugnahme auf dessen Entstehungsgeschichte231 angeführt. Daneben konnte – wie bereits oben bei objektiver Unmöglichkeit dargelegt – das Argument der Prozessbeschleunigung vorgebracht werden. Schließlich wurde für diese Ansicht auch der Nutzen, den ein auf Erfüllung lautendes Leistungsurteil beziehungsweise ein entsprechender Vollstreckungstitel für den Schuldner haben konnte, betont. Während der Nutzen einer Vollstreckungsmöglichkeit bei nachträglicher (objektiver) Unmöglichkeit teils verneint oder zumindest als gering eingeschätzt232 und demzufolge dort eine Leistungsbefreiung bejaht wurde, sahen manche bei nachträglichem Unvermögen einen erheblichen Vorteil und traten deshalb für einen Fortbestand des Erfüllungsanspruchs ein: Namentlich die Möglichkeit des Klägers zur Herausgabevollstreckung wurde beim Unvermögen positiv bewertet. Denn der Gläubiger konnte sich gegebenenfalls den Herausgabeanspruch des Schuldners gegen einen Dritten, in dessen Gewahrsam sich die geschuldete Sache befand, überweisen lassen und sodann gegen den Dritten vorgehen.233 In Fällen vertretbarer Handlungen stand dem Gläubiger in der Zwangsvollstreckung 229

s. oben „a) Weiter Unvermögensbegriff“, S. 63 f. Vgl. Brehm, JZ 1987, 1089, 1090; ders., JuS 1988, 706, 709; U. Huber, LS § 59 II 1 (S. 807); Soergel/ders., § 433 aF Rn. 276b/276e; G. Wagner, JZ 1998, 482, 490 (bei Fn. 95); s. auch H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 254. Siber, der zwar für die zu vertretende (objektive) Unmöglichkeit mit der h. M. eine Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in eine Schadensersatzpflicht annahm, wollte diese Konsequenz nicht für zu vertretendes Unvermögen ziehen, s. Planck/Siber, § 280 aF Anm. 2 b b (S. 242). 231 Vgl. U. Huber, FS Gaul S. 217, 230 f./234; ders., LS II § 59 II 1 (S. 810); J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 226 f. (zum römischen Recht). 232 Hierzu ausf. oben „g) Vorteile eines auf Naturalleistung lautenden Vollstreckungstitels“, S. 55 ff. 233 Ausf. Brehm, JZ 1974, 573, 576. 230

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§ 887 Abs. 2 ZPO zur Seite, wonach er die Kosten der Ersatzvornahme verlangen konnte, ohne einen unter Umständen beschwerlichen Schadensnachweis führen zu müssen.234 Daneben sollte der Fortbestand des Erfüllungsanspruchs eine denkbare Leistung des leistungsfähigen Dritten dem Gläubiger kondiktionsfest zuweisen.235 (b) Weitere Grenzen der Erfüllungspflicht außerhalb von § 275 BGB a. F. Die Anhänger dieser Doktrin sahen für den grundsätzlich fortbestehenden Erfüllungsanspruch freilich andere Grenzen als die des § 275 BGB a. F. vor. So machte U. Huber vom Grundsatz des Fortbestands für Fälle der „offensichtlichen Unbehebbarkeit des Unvermögens“ eine Ausnahme: War offensichtlich oder stand unstreitig fest, dass das Unvermögen des Schuldners praktisch unbehebbar war, das Unvermögen also praktisch der dauernden objektiven Unmöglichkeit gleichstand, so sollte der Erfüllungsanspruch materiell-rechtlich erlöschen, da es sinnlos gewesen wäre, dem Gläubiger diesen weiterhin zu gewähren.236 Einen Anwendungsfall dieser Ausnahme sollte etwa das (vom Schuldner zu vertretende) nachträgliche Abhandenkommen des Leistungsgegenstands darstellen, wenn dies dazu führte, dass dessen Verbleib und Existenz unbekannt waren.237 In seltenen Fällen sollte eine solche Ausnahme auch in Betracht kommen, wenn der leistungsfähige Dritte zwar bekannt, aber sich dessen Kooperationsbereitschaft aus besonderen Gründen definitiv nicht erkaufen ließ, der Gegenstand der Verpflichtung gleichsam zu einer „res extra commercium“ geworden war.238 Zum anderen erfolgte die Bestimmung der Grenzen der Erfüllungspflicht unter Rekurs auf das aus § 242 BGB folgende Rechtsmissbrauchsverbot (im Falle unverhältnismäßiger Aufwendungen zur Beseitigung des schuldnerischen Unvermögens)239 sowie in Einzelfällen auch unter dem Gesichtspunkt der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ mittels Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre (§ 242 BGB).240 234

s. Brehm, JZ 1974, 573, 576. Brehm, JZ 1974, 573, 576, anders aber offenbar Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung S. 68 (mit Fn. 323), S. 137 (mit Fn. 16): nur relative Befreiung, die Leistung durch Dritte weiterhin erlauben sollte (§ 267 BGB). 236 Vgl. U. Huber, LS II § 59 II 2 (S. 811): Auch sollte einer entsprechenden Erfüllungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. 237 U. Huber, LS II § 54 I 3 d mit Fn. 30 (S. 651), § 56 I 3 (S. 703 f.), § 59 II 2 (S. 811 ff.) mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung. 238 So nach U. Huber, LS II § 59 II 2 (S. 812) im Falle von RGZ 69, 355. 239 Hierzu unten sub „C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung (Rechtsmissbrauchsverbot, § 242 BGB)“, S. 91 ff. 240 Dazu unten sub „D. ‚Wirtschaftliche Unmöglichkeit‘ (Geschäftsgrundlagenlehre, § 242 BGB)“, S. 94 ff. 235

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(c) Annex: Der Übergang auf die Sekundärebene Auf Sekundärebene drohte bei Zugrundelegung des weiten Unvermögensbegriffs die Gefahr eines vorschnellen Übergangs des Gläubigers auf die Haftungsansprüche: Denn nach §§ 280, 325 i. V. mit § 275 Abs. 2 BGB a. F. konnte der Gläubiger bei Unvermögen unmittelbar (ohne vorherige Fristsetzung) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Dieser Gefahr begegneten die Verfechter eines weiten Unvermögensverständnisses, indem sie auf haftungsbegründender Ebene dauerndes Unvermögen verlangten: Der auf Schadensersatz verklagte Schuldner konnte einer Verurteilung entgehen, wenn er darlegte und gegebenenfalls bewies, dass er zur Leistungserbringung (mittels Behebung des Leistungshindernisses) willens und in der Lage sei.241 Der Gläubiger erlangte bei zu vertretendem nachträglichem Unvermögen ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung242.243 (2) Überwiegende Meinung im Schrifttum Die überwiegende Meinung im Schrifttum zum früheren Recht vertrat indes eine abweichende Position. Entsprechend der Behandlung der vom Schuldner zu vertretenden (objektiven) Unmöglichkeit war Ausgangspunkt der Überlegungen, dass die Befreiung des Schuldners von der Primärpflicht unabhängig von der Frage des Vertretenmüssens eintreten sollte. Denn was der Schuldner nicht leisten konnte, das sollte er auch nicht schulden.244 Als Folge der in § 275 Abs. 2 BGB a. F. angeordneten Gleichstellung des nachträglichen Unvermögens mit der nachträglichen Unmöglichkeit wurde die Regel aufgestellt, auch nachträgliches Unvermögen befreie den Schuldner unabhängig vom Vertretenmüssen; oftmals wurde wie bei (objektiver) Unmöglichkeit insoweit eine Umwandlung des Leistungsgegenstands von Erfüllung zu Schadensersatz wegen Nichterfüllung angenommen.245 Um eine uferlose Befreiung des Schuldners zu verhindern, engten die Verfechter dieser Doktrin den Unvermögensbegriffs erheblich ein,246 demzufolge eine Leistungsbefreiung gemäß § 275 BGB a. F. praktisch nicht (so nach dem 241 Vgl. Brehm, JZ 1987, 1089; U. Huber, FS Gaul S. 217, 245; dens., LS II § 59 II 4 (S. 815); dens., FS v. Caemmerer, S. 837, 856. 242 Neben den weiteren in §§ 280, 325 BGB a. F. genannten Rechten. 243 s. hierzu U. Huber, FS Gaul S. 217, 245; dens., LS II § 59 II 4 (S. 815); Planck/Siber, § 280 aF Anm. 2 b b (S. 242). 244 Vgl. den Abschlußbericht S. 118; L.-C. Wolff, JZ 1995, 280, 282. 245 s. z. B. Kisch, Unmöglichkeit S. 126; Oertmann, § 275 aF Anm. 4 b (S. 150); Schnorr v. Carolsfeld, FS Reinhardt S. 151, 159 ff.; Schopp, JuS 1984, 281. Gegen einen Anspruch auf eine dem Schuldner subjektiv unmögliche Leistung auch Coester-Waltjen, AcP 183 (1983), 279, 285 (unter Berufung auf Meincke).

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engen Unvermögensverständnis im wirklichen Sinne) oder nur im Falle einer unzumutbaren Leistungserschwerung (so die Verfechter eines engen Unvermögensbegriffs im normativen Sinne) in Betracht kam. Vornehmlich der zuerst genannten Ansicht blieb zur Bestimmung der Grenzen von Erfüllungspflichten freilich der Rekurs auf das Rechtsmissbrauchsverbot (§ 242 BGB) beziehungsweise die Geschäftsgrundlagenlehre („wirtschaftliche Unmöglichkeit“)247. (3) Rechtsprechung Wendete der Beklagte im Prozess ein, er persönlich sei zur Leistungserbringung außerstande, während ein leistungsfähiger Dritter existierte, verurteilten die Gerichte in aller Regel gleichwohl zur Primärleistung. Der Schuldner sollte dessen ungeachtet regelmäßig weiterhin verpflichtet sein. (a) Beispiele aus der Rechtsprechung So wurde etwa der Verkäufer trotz Veräußerung der geschuldeten Sache an einen Dritten zur Leistung verurteilt.248 Der Mieter wurde zur Rückgabe der Mietsache (aus § 556 BGB a. F.) verurteilt, auch wenn er den Besitz an der Mietsache bereits einem Dritten überlassen249 oder durch Räumung der Mietwohnung aufgegeben hatte250. Die Besitzeinräumungspflicht des Vermieters, der sich zur Bereitstellung eines Mietobjekts verpflichtet hatte, wurde als fortbestehend angesehen, obgleich der Vermieter das Grundstück nachträglich an einen Dritten veräußert hatte, der es bebaute und anderweitig vermietete.251 Auch blieb der Bauträger zur Beseitigung eines vertragswidrig angelegten Parkplatzes aus dem Bauträgervertrag verpflichtet, selbst wenn er den Parkplatz bereits langfristig an einen Dritten verpachtet hat246 s. oben „(2) Enger Unvermögensbegriff – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens (Herrschende Meinung)“, S. 67 ff. 247 Beim engen Unvermögensverständnis im normativen Sinne („Unzumutbarkeit“) waren Anwendungsfälle der Geschäftsgrundlagenlehre bereits von § 275 BGB a. F. erfasst. 248 BGH, NJW 1989, 166, 167 (kein nachträgliches Unvermögen (§ 275 Abs. 2 BGB a. F.), das Leistungsverurteilung entgegenstehen könnte); vgl. auch RGZ 54, 219, 224; RG, JW 1911, 36, 37 (zur Rückgewähr eines Grundstücks bzw. Ritterguts bei Wandelung). 249 BGHZ 56, 308, 311 (mit Anm. H. H. Jakobs, NJW 1972, 624 f.); 119, 300, 304 (Pachtverhältnis). 250 BGHZ 131, 176, 183 (Anmietung einer Wohnung durch mehrere Mitmieter), anders OLG Schleswig, NJW 1982, 2672 f., das „Unmöglichkeit der [. . .] Erfüllungshandlung“ annahm und daher das Rechtsschutzbedürfnis der Klage ablehnte. 251 BGHZ 154, 171, 181.

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te.252 Ein Treuhänder wurde zur Übereignung von Grundstücken verurteilt, obgleich er diese vertragswidrig an einen Dritten veräußert hatte.253 Grundsätzlich bestand in solchen Fällen nämlich die Möglichkeit, dass der Schuldner das Leistungshindernis behob und mithin die Leistung erbrachte. Hing die schuldnerische Leistungserbringung davon ab, ob ein Dritter zur Mitwirkung gewillt war, so verurteilten die Gerichte – vorbehaltlich einer extraordinären Grenze der Erfüllungspflicht nach § 242 BGB254 – trotz des Hindernisses (fast)255 immer zur Naturalleistung: Hierzu war weder erforderlich, dass der Schuldner einen Anspruch auf Mitwirkung gegen den Dritten hatte256, noch musste er eine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit etwa aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dritten vom Schuldner haben257. Vielmehr bestand praktisch immer die Möglichkeit, den Dritten durch ein entsprechend hohes Zahlungsangebot zur Kooperation zu bewegen.258 Selbst wenn der Dritte seine Mitwirkung bereits ausdrücklich verweigert hatte,259 sah sich der BGH an einer Leistungsverurteilung nicht gehindert. Für ein der Leistungsverurteilung entgegenstehendes nachträgliches Leistungshindernis hätte es der Feststellung bedurft, dass der Dritte „unter keinen Umständen (auch nicht z. B. bei Angebot entsprechender finanzieller Vorteile [. . .]) auf [seine] Rechte verzichten würde“260. Insoweit sollte der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig sein.261 252 BGHZ 62, 388, 393 f., hierzu ausf. unten sub „(a) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 393 f.) – Kfz-Stellplätze“, S. 191 ff. 253 BGH, NJW 1982, 881, 883 (insoweit nicht abgedr. in BGHZ 82, 292 ff.), auch BGH, NJW 1988, 699, 700 hat im Falle auftragswidriger Bewilligung einer Auflassungsvormerkung zugunsten eines Dritten eine Befreiung nach § 275 BGB a. F. abgelehnt, hierzu ausf. unten „(c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987 (= BGH, NJW 1988, 699) – ‚33fach‘“, S. 198 ff. 254 In Fällen des Rechtsmissbrauchs oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 255 Einen singulären Ausnahmefall könnte insoweit möglicherweise der Sachverhalt von RGZ 69, 355 gebildet haben, hierzu U. Huber, LS II § 59 II 2 (S. 812). 256 So im Falle von BGHZ 131, 1176, 183 f. (gegen OLG Schleswig, NJW 1982, 2672). 257 Vgl. hierzu z. B. BGH, NJW 1982, 2552, 2553, in eine ähnliche Richtung tendierend RGZ 99, 232, 234 f. 258 Vgl. etwa BGHZ 56, 308, 311; 62, 388, 393 f.; BGH, NJW 1974, 2317. 259 Vgl. insb. BGH, NJW 1989, 166, 167; RG, JW 1924, 292, 294, s. auch BGH, NJW 1982, 2252, 2253. 260 BGH, NJW 1989, 166, 167. Rechtswidrige (oder gar strafbare) Handlungen, die zur Behebung des Leistungshindernisses geeignet waren, mussten insoweit freilich außer Betracht bleiben, vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, NJW 1983, 2873 – Pilothemden: Die (etwaige) Möglichkeit des Schuldners, Ware „unter Umgehung der Einfuhrvorschriften wie anderes Schmuggelgut in das Inland“ verbringen zu können, wurde vom BGH (anders das Berufungsgericht!) nicht als geeignet angesehen, die (anfängliche) Leistungsunmöglichkeit auszuräumen. Vgl. hierzu auch U. Huber, LS II § 56 I 4 (S. 707) m. weit. Nachw.

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War der Dritte, dessen Mitwirkung zur Leistungserbringung notwendig war, hingegen nicht bekannt, hat der BGH im Einzelfall etwa eine Herausgabeklage aus § 985 BGB als unbegründet abgewiesen, wenn im Prozess „völlige Ungewißheit darüber herrscht[e], ob und wann das Leistungshindernis behoben werden kann“.262 Eine Verurteilung wurde auch für den Fall abgelehnt, dass das vom Schuldner herauszugebende Kfz diesem während des Rechtsstreits gestohlen wurde und dessen Verbleib bis zur letzten mündlichen Verhandlung nicht ermittelt werden konnte, obwohl seit dem Diebstahl über sieben Monate vergangen waren.263 (b) Dogmatische Grundlage Wenngleich sich die Obergerichte entsprechend der Vorgehensweise bei objektiver Unmöglichkeit264 auch in den vorstehend dargelegten Fällen nicht selten einer prozessualen Lösung bedienten,265 finden sich indessen auch Entscheidungen, die zum materiell-rechtlichen Schicksal der Erfüllungspflicht Stellung bezogen haben266. Dessen ungeachtet bestand die Notwendigkeit, Unvermögen zu definieren. Das Unvermögensverständnis war nicht immer einheitlich, erfuhr in der Rechtsprechung des BGH aber durchaus eine Festigung. Im Folgenden soll das Unvermögensverständnis der Gerichte dargelegt werden, soweit es der Schuldner vorbrachte, um seine Befreiung von der Primärleistungspflicht zu begründen. Soweit Unvermögen den Übergang auf die Sekundärebene ermöglichen sollte, wird es anschließend behandelt (siehe unter „(c) Annex: Der Übergang auf die Sekundärebene“, S. 80 f.). Das RG ging meist von dem oben267 dargelegten weiten Unvermögensbegriff (Unvermögen i. w. S.) aus und nahm dementsprechend eine Leis261

BGH, NJW 1989, 166, 167. s. BGH, DB 1976, 573. Vgl. bereits RGZ 107, 15, 17 (Klage auf Herausgabe von Tabakballen), wo die Voraussetzungen indes unklar blieben. 263 BGH, DB 1976, 573. Vgl. auch BGH, NJW 1972, 152 (Ablehnung einer Verurteilung zur Herausgabe von Häuten, die „nicht mehr vorhanden“ waren – ob insoweit nicht bereits objektive Unmöglichkeit vorgelegen hatte, war unklar). 264 Dargestellt oben sub „(1) Prozessuale Lösung der Rechtsprechung“, S. 42 ff. 265 Beispielhaft RG, JW 1937, 3226; BGH, DB 1976, 573; NJW 1984, 479, vgl. auch Blomeyer, SAT § 28 I 5 c (S. 150). 266 s. etwa BGH, NJW 1982, 2552, 2553 („würde diese Verpflichtung nicht wegen rechtlichen Unvermögens entfallen“); NJW 1988, 699, 700 („Erfüllungsanspruch insoweit nicht wegen Unmöglichkeit der Leistung untergegangen (§ 275 BGB [a. F.]) oder in einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung übergegangen (§ 280 BGB [a. F.])“); BGHZ 131, 176, 183 („Rückgabepflicht erlischt [. . .] nicht gemäß § 275 BGB [a. F.]“). 267 Unter „a) Weiter Unvermögensbegriff“, S. 63 f. 262

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tungsbefreiung nur in Fällen mangelnden Vertretenmüssens an.268 Dies war jedoch nicht immer der Fall. So schien mancher Entscheidung des RG – bei Irrelevanz des (Nicht-)Vertretenmüssens – ein enger Unvermögensbegriff (Unvermögen i. e. S.) zugrunde gelegen zu haben.269 Der BGH hat sich für § 275 Abs. 2 BGB a. F. (weitgehend) dem in der Literatur vorherrschenden engen Unvermögensverständnis angeschlossen.270 Eine ganze Reihe von Entscheidungen, die nachträgliche271 Leistungshin268

Beispielhaft seien folgende Entscheidungen genannt: RGZ 32, 131, 132 f. (zum Gemeinen Recht), wo wegen einer auf der Beklagtenseite „bestehende[n] Unmöglichkeit“ weder der Erfüllungsanspruch erlöschen („Verpflichtung noch nicht aufgehoben“, „fortdauernde Verbindlichkeit“), noch die Leistungsklage unzulässig sein sollte, wenn die Unmöglichkeit nicht auf einem „zufälligen Ereignisse“ (so genannter casus) beruhte, mithin vom Schuldner zu vertreten war. RGZ 60, 160, 162 f.: Die Beklagte hatte die bereits verkauften Kuxe (börsenmäßig gehandelte Bergwerksanteile) einem Dritten, einer Gewerkschaft, zur Verfügung gestellt. Daher stand fest, dass diese nicht mehr geliefert werden können, ein nachträgliches Unvermögen i. S. von § 275 Abs. 2 BGB a. F. wurde bejaht. Die Befreiung nach § 275 BGB a. F. machte das RG davon abhängig, dass die Beklagte den Umstand, der zum Unvermögen führte „nicht zu vertreten braucht[e]“. 269 s. etwa RG, JW 1911, 36, 37: Einer Verurteilung zur Rückgabe des dort vom Beklagten geschuldeten Ritterguts sollte der Verkauf bzw. die Veräußerung desselben durch den Beklagten nicht entgegenstehen, denn „[e]s muß trotz des Verkaufs mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß der Beklagte sich [. . .] das Gut wiederbeschafft“, die Rückgabe durch den Beklagten sei „überhaupt nicht unmöglich“ gewesen. RG, JW 1924, 292, 293 f. (m. Anm. Rabel): Das RG ließ offen, ob durch die Übereignung des Leistungsgegenstands (es lag nicht nur ein „anderweite[r] Verkauf“ vor, sondern auch eine Übereignung, s. aaO., S. 294, wo der Dritte als „gegenwärtige[r] Eigentümer“ bezeichnet wurde) an einen Dritten Unmöglichkeit oder Unvermögen i. S. von § 275 Abs. 2 BGB a. F. eingetreten war, s. die Formulierungen „sofern [. . .] dadurch die Übertragung des Eigentums unmöglich geworden ist“ und „etwa eingetretene Unmöglichkeit oder [. . .] Unvermögen“, aaO., S. 293, Hervorheb. jew. nicht im Original. Verstand man Unvermögen weit, hätte ein solches aber bejaht werden müssen. Für die Verfolgung eines weiten Unvermögensbegriffs sprach hingegen, dass das RG der Frage des Vertretenmüssens Relevanz für die Leistungsbefreiung beimaß, s. aaO., S. 293. 270 Vgl. etwa BGHZ 56, 308, 311; BGH, NJW 1974, 2317; 1982, 2552, 2553; 1984, 479; 1988, 699, 700; 1989, 166, 167; BGHZ 119, 300, 304; 131, 176, 182 f.; 141, 179, 181 f.; wohl auch BGHZ 62, 388, 393 f.; 154, 171, 181 f.; vgl. auch jüngst BGH, WM 2005, 1232, 1233 (dort jedoch mit stark wertenden Erwägungen). 271 Entscheidungen, die anfängliches Unvermögen betreffen (wie z. B. RGZ 80, 247), sind im vorliegenden Zusammenhang wenig aussagekräftig. Denn die Rechtsprechung scheint anfängliches Unvermögen anders (sc. weiter) verstanden zu haben als nachträgliches, hierzu unten „2. Anfängliches Unvermögen“, S. 81 ff., verkannt von N. Fischer, Unmöglichkeit S. 289 (bei und mit Fn. 719); vgl. auch U. Huber, LS II § 59 II 1 mit Fn. 74 (S. 809), der die hier angenommene Divergenz nicht thematisiert.

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dernisse zum Gegenstand hatten, legen davon Zeugnis ab:272 Unvermögen wurde abgelehnt, wenn nicht ausgeschlossen war, dass der Schuldner seine Leistungsfähigkeit wiederherstellen konnte. So heißt es etwa in BGH, NJW 1982, 2552, 2253: „Bei einer solchen Erfüllungsmöglichkeit durch Einwirkung [des Schuldners] auf abhängige Dritte liegt kein Unvermögen vor.“273 Diese Erkenntnis findet eine gewisse Bestätigung darin, dass sich Feststellungen zum Vertretenmüssen beziehungsweise Nichtvertretenmüssen des Unvermögens durch den Schuldner in den Urteilsgründen praktisch nicht finden lassen.274 Bei Zugrundelegung des herrschenden engen Unvermögensverständnisses sind solche im Unterschied zum weiten Unvermögensverständnis gerade entbehrlich, da die Leistungsbefreiung ungeachtet eines Vertretenmüssens eintreten sollte. Der BGH verstand den zugrunde gelegten engen Unvermögensbegriff nicht – wie manche Stimmen in der Literatur – normativ, sondern im wirklichen Sinne.275 Es wurden mithin keine Wertungskriterien in den Unvermögensbegriff aufgenommen.276 So hat der V. Zivilsenat des BGH im Jahre 1987277 selbst dann ein schuldnerisches Unvermögen278 abgelehnt, als der leistungsfähige Dritte seine Stellung maßlos auszunutzen versuchte, indem er sich seine Mitwirkung fürstlich, in concreto mit einer Summe, die dem 33fachen (!) des Werts seiner Leistung entsprach, entlohnen lassen wollte. Da der leistungsfähige Dritte – wenngleich nur gegen Zahlung einer exorbitanten Summe – bereit war, sich in die Dienste des Schuldners zu stellen, verneinte der BGH ein leistungsbefreiendes Unvermögen. Der Erfüllungsanspruch auf Beibringung der Löschungsbewilligung sollte „nicht wegen Unmöglichkeit279 der Leistung untergegangen (§ 275 BGB)“ sein, weil der Dritte „gegen eine Abfindung bereit [war], die Löschungsbewilligung zu er272

Anders offenbar die Interpretation von U. Huber, LS II § 59 II 2 (S. 808 f.), weiter gehend noch N. Fischer (Unmöglichkeit S. 136 bei Fn. 39, 289 f.), die eine Übereinstimmung der Rechtsprechung zum früheren Recht mit dem in der Literatur vertretenen weiten Unvermögensverständnis feststellen wollte. Indes sprach sich eine ganze Reihe von Entscheidungen dezidiert für den engen Unvermögensbegriff aus, hierzu sogleich noch im Text. 273 Hervorheb. nicht im Original. 274 Dies gilt eingedenk der in § 282 BGB a. F. getroffenen Beweislastumkehr. In manchen Entscheidungen des RG, vgl. etwa RGZ 60, 160, 162; RG, JW 1924, 292, 293, fanden sich hingegen noch Feststellungen zum „Nichtvertretenmüssen“. 275 Zu dieser Differenzierung bereits oben „b) Enger Unvermögensbegriff“, S. 64 f. 276 Vgl. aber noch früher z. B. RG, JW 1911, 36, 37 (unter Hinweis auf RGZ 54, 225). 277 BGH, NJW 1988, 699. 278 Aao. allerdings unpräzise als „Unmöglichkeit“ bezeichnet. 279 Vgl. vorige Fn.

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teilen“.280 Solche Fälle wurden also bewusst nicht mittels Anreicherung des Unvermögensbegriffs mit Wertungskriterien („Unzumutbarkeit“, „Unverhältnismäßigkeit“) gelöst, sondern vielmehr unter Rekurs auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs (so in der genannten Entscheidung)281 oder dem des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (so genannte „wirtschaftliche Unmöglichkeit“) einer Lösung zugeführt. (c) Annex: Der Übergang auf die Sekundärebene Die Einengung der Kategorie des Unvermögens auf einen praktisch nicht vorhandenen Anwendungsbereich konnte zwar eine uferlose Leistungsbefreiung verhindern, die bei Außerachtlassen des Tatbestandsmerkmals „Nichtvertretenmüssen“ (§ 275 Abs. 1 BGB a. F.) freilich drohte. Soweit jedoch das Unvermögen zum Übergang auf die Sekundärrechte fungierte, bereitete dessen enge Interpretation Schwierigkeiten282: Wollte der Gläubiger unmittelbar Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder zurücktreten, setzten §§ 280, 325 i. V. mit § 275 Abs. 2 BGB a. F. dafür Unvermögen des Schuldners voraus. Um den Gläubiger aber nicht stets auf den Weg des § 326 beziehungsweise § 283 BGB a. F. zu verweisen, behalf sich der BGH insoweit mit einer entsprechenden prozessualen Darlegungs- und Beweislastverteilung. Für den praktisch häufigen Fall der Veräußerung des geschuldeten Leistungsgegenstands hat BGHZ 141, 179283 insoweit zusammenfassend folgende Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast aufgestellt: 1. Machte der Gläubiger seinen Erfüllungsanspruch geltend und wendete der Schuldner ein, die Sache veräußert zu haben, musste der Schuldner grundsätzlich darlegen und beweisen, dass ihm die Erfüllung rechtlich oder tatsächlich nicht (mehr) möglich war. Die fehlende Verfügungsmacht des verklagten Schuldners indizierte noch nicht sein Unvermögen.284 2. War das Unvermögen285 hingegen – wie etwa bei Schadensersatzansprüchen aus §§ 280, 325 BGB a. F.286 – anspruchsbegründende Voraus280

s. BGH, NJW 1988, 699, 700. s. unten „(c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987 (= BGH, NJW 1988, 699) – ‚33fach‘“, S. 198 ff. 282 I. d. S. auch U. Huber, LS II § 59 II 4 (S. 818), § 60 III (S. 839). 283 M. Anm. Kohler, JR 2000, 63; Löwisch, LM § 275 BGB [aF] Nr. 27. 284 s. BGHZ 141, 179, 183 (wo es unpräzise „Unmöglichkeit“ heißt, an anderer Stelle (aaO., S. 182) aber auch „Unvermögen“), zuvor bereits BGHZ 131, 176, 183. 285 Vgl. zur Ungenauigkeit in terminologischer Hinsicht bereits die vorige Fn. 286 Zu Unrecht wird von BGHZ 141, 179, 182 auch § 326 BGB a. F. aufgeführt, denn der darauf zu stützende Anspruch setzt weder Unmöglichkeit noch Unvermögen voraus. 281

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setzung, sollte die Weiterveräußerung Unvermögen287 indizieren, sofern der Schuldner nicht darlegte, dass er zur Erfüllung willens und in der Lage war.288 Grund für eine solche Indikation sollte sein, dass „es dem Gläubiger häufig nicht möglich sein [wird], Umstände vorzutragen, aus denen sich ergibt, daß ein Rückerwerb des geschuldeten Gegenstands durch den Schuldner ausgeschlossen ist. Die für diese Beurteilung maßgeblichen Tatsachen beruhen weitgehend auf den rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen des Schuldners zum Erwerber [dem Dritten], die dem darlegungsbelasteten Gläubiger regelmäßig nicht oder nicht ausreichend bekannt sind, während der Schuldner hierzu aus eigener Kenntnis ohne weiteres näher vortragen kann“.289 Die Unvermögenskategorie konnte so die ihr beigemessenen Funktionen erfüllen: die Befreiung von der Primärpflicht (§ 275 BGB a. F.) und den Übergang auf die Sekundärrechte beziehungsweise die Haftungsbegründung (§§ 280, 325 BGB a. F.).290 2. Anfängliches Unvermögen Die Auswirkung des bereits bei Vertragsschluss bestehenden (anfänglichen) Unvermögens auf den Erfüllungsanspruch war im alten BGB nicht ausdrücklich geregelt. Ausweislich ihres Wortlauts galt die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB a. F. ausschließlich für nachträgliches Unvermögen, nicht also für anfängliches Unvermögen. Daneben wurde anfängliches Unvermögen auch nicht von § 306 BGB a. F. erfasst: Das frühere Recht unterschied grundsätzlich zwischen Unmöglichkeit und Unvermögen. § 275 Abs. 2 BGB a. F. stellte nur nachträgliches Unvermögen der nachträglichen Unmöglichkeit gleich. In Ermangelung einer § 275 Abs. 2 BGB a. F. entsprechenden Gleichstellungsnorm für den Bereich anfänglicher Unmöglichkeit wurde nach allgemeiner Meinung angenommen, dass die Nichtigkeitsnorm des § 306 BGB a. F. ausschließlich anfängliche objektive Unmöglichkeit erfasste.291 Daraus wurde allgemein geschlossen, dass im Falle anfänglichen Unvermögens der Vertrag wirksam sein sollte.292 287

Im Original heißt es unpräzise „Unmöglichkeit“. s. BGHZ 141, 179, 182, ebenso BGH, NJW 1992, 3224, 3225; BGH, NJW-RR 1993, 626, 627; BGH, WM 1973, 1202, ähnl. bereits RGZ 31, 184, 186 f. (zum Gemeinen Recht). Zu Besonderheiten in den Sonderfällen einer isolierten Auflassungsklage, die bei Rechtsstreitigkeiten im Bereich der Bodenreform durch Art. 233 § 11 III, § 12 EGBGB vorgezeichnet ist, vgl. Löwisch, LM § 275 BGB [a. F.] Nr. 27; Kohler, JR 2000, 63 f. sowie ausf. U. Huber, LS II § 59 II 6 (S. 821 ff.). 289 So überzeugend BGHZ 141, 179, 182. 290 Vgl. in diesem Zusammenhang auch G. Wagner, JZ 1998, 482, 490. 288

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Das Schicksal des Erfüllungsanspruchs bei anfänglichem Unvermögen wurde in Schrifttum und Rechtsprechung relativ selten thematisiert. Die Behandlung anfänglichen Unvermögens beschränkte sich zumeist auf die Sekundärebene, namentlich auf die Frage der Schadensersatzhaftung.293 a) Ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre Überwiegend wurde im Schrifttum – sofern überhaupt Stellungnahmen zum Schicksal des Erfüllungsanspruchs getroffen wurden294 – angenommen, der Gläubiger könne trotz anfänglichen Unvermögens Erfüllung verlangen,295 insbesondere der Käufer lastenfreie Verschaffung des Eigentumsrechts und Übergabe296. Auch die Gerichte verurteilten den Schuldner ungeachtet seines anfänglichen Unvermögens zur Primärleistung.297 Der BGH schien den Unvermögensbegriff nicht wie im Falle nachträglichen Unvermögens einzuengen, sondern einen weiten Unvermögensbegriff zu verfolgen.298 291 So die allg. M., vgl. statt vieler MünchKomm/Thode (2001), § 306 aF Rn. 2; Palandt61 /Heinrichs, § 306 aF Rn. 3/9; Soergel/M. Wolf, § 306 aF Rn. 1 f. A. A. Eckstein, ArchBürgR 37 (1912), 390, 418; Stammler, Schuldverhältnisse S. 107. 292 Vgl. auch Mot. II S. 45 f. (= Mugdan, II S. 25). 293 s. aber die Beiträge von G. Wagner (in: JZ 1998, 482 ff., insb. dessen Hinweis in Fn. 15, aaO., S. 483) und L.-C. Wolff (in: JZ 1995, 280 ff.). 294 s. aber die in der vorigen Fn. genannten Beiträge. 295 RGRK/Ballhaus, § 306 aF Rn. 13; Erman10 /Battes, § 306 aF Rn. 22; Biermann, AcP 91 (1901), 73, 94 f.; G. Boehmer, JZ 1952, 521, 522; Eckardt, JR 1996, 397, 398; Eichenhofer, JuS 1989, 777, 778 mit Fn. 7; Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § 3 IV 1 b (S. 32); MünchKomm/Emmerich (2001), Vor § 275 aF Rn. 12; Palandt61 /Heinrichs, § 306 aF Rn. 9; U. Huber, FS Gaul S. 217, 235; ders., LS I § 23 I 1 b (S. 545); ders., LS II § 59 III (S. 826 f.); Kreß, SAT S. 114; Larenz, SAT § 8 II (S. 100); ders., SBT 1 § 40 II b [S. 30] (bei Rechtsmängeln); Staudinger/Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 51; Oertmann, AcP 140 (1935), 129, 142 f. (auch wenn Endgültigkeit des Unvermögens feststand, aaO., S. 143 f.); G. Schmitz, JuS 1973, 161, 163; Jauernig9 /Vollkommer, § 306 aF Rn. 9; Wieacker, FS Nipperdey (1965) Bd. I S. 783, 795, 803 f.; J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 228; Soergel/ M. Wolf, § 306 aF Rn. 25; wohl auch Planck/Siber, § 306 aF Anm. 3 a (S. 323): „anders als bei objektiver Unmöglichkeit [ist] eine Klage auf die Primärleistung nicht ipso iure ausgeschlossen“ und J. Wilhelm, FG Flume 1998 S. 301, 303 mit Fn. 9 (vgl. aber zur Schadensersatzhaftung dens., aaO., S. 338 ff.). 296 Vgl. §§ 433 Abs. 1 S. 1, 434 f. BGB a. F.: So etwa Erman10 /Grunewald, § 440 aF Rn. 3; U. Huber, LS I § 23 I 1 b (S. 545); Soergel/ders., § 440 aF Rn. 18/24; Staudinger/Köhler (1995), § 440 aF Rn. 9 f., 26; MünchKomm/H. P. Westermann (1995), § 440 aF Rn. 4. 297 Grdl. RGZ 80, 247, 249 f.; 99, 232, 234; 117, 335, 336, später auch BGHZ 47, 266, 269 f.; BGH, NJW 1997, 938, 939, für den Rechtskauf auch BGHZ 8, 222, 234.

B. Unvermögen zur Leistung

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Davon schien der V. Zivilsenat des BGH in einer jüngeren Entscheidung vom 20. 12. 1996299 ausgegangen zu sein: Es wurde anfängliches Unvermögen einer Verkäuferin zur Verschaffung des Eigentums an einem Grabengrundstück, das einem Dritten – der Stadt B. – gehörte, ohne weiteres bejaht. Auf Grundlage des engen Unvermögensverständnisses hätte es aber zusätzlich der Feststellung bedurft, dass die Verkäuferin nicht in der Lage war, das Eigentum von der Stadt B. zu beschaffen, um ihrer Pflicht zur Eigentumsverschaffung nachzukommen. Die Kooperationsbereitschaft der Stadt B. dürfte ohne weiteres gegeben gewesen sein, da der Käufer später selbst besagtes Eigentum von der Stadt B. erwarb. Da in Bezug auf die Beschaffungsmöglichkeit keine Feststellungen im Urteil zu finden sind, schien es dem BGH darauf nicht angekommen zu sein, schien er mithin ein weites Unvermögensverständnis zugrunde gelegt zu haben. Ein weites Verständnis anfänglichen Unvermögens war insoweit unschädlich, als dieses für den Bestand des Erfüllungsanspruchs unbeachtlich sein sollte. Damit drohte keine uferlose Befreiung von der Erfüllungspflicht. Der BGH entschied in dem zuvor zitierten Urteil sogar, dass dem Käufer in Fällen anfänglichen Unvermögens sein Erfüllungsanspruch verbliebe, „solange die objektive Unmöglichkeit der Erfüllung nicht feststeht“300. Meist blieben die Befürworter dieser Ansicht eine Begründung schuldig und verwiesen schlicht auf die ständige Rechtsprechung. Nach U. Huber sollte daraus, dass nach § 275 Abs. 2 i. V. mit Abs. 1 BGB a. F. „nur das nachträgliche Unvermögen die Haftung des Schuldners auf Erfüllung und Schadensersatz ausschließt, wenn es durch einen Umstand herbeigeführt ist, den der Schuldner nicht zu vertreten hat“, „ohne weiteres“ folgen, dass anfängliches Unvermögen den Schuldner nicht befreien sollte.301 Mithin sollte ein Umkehrschluss zu § 275 Abs. 2 BGB a. F. die Nichtbefreiung des Schuldners bei anfänglichem Unvermögen begründen. Auf Grundlage einer Verurteilung zur Naturalerfüllung konnte der Gläubiger anschließend den Weg des § 283 BGB a. F. beschreiten.302 Battes gab als Grund für den Bestand des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers an, dass das Unvermögen entfallen könnte, schien jedoch auch bei dauerndem Unvermögen einen Erfüllungsanspruch angenommen zu haben.303 298 Z. B. RGZ 80, 247, 249 f.; 81, 59, 63 (anfängliches „Unvermögen des Untervermieters zur Erfüllung des Untermietvertrags [. . .] wenn die erforderliche Erlaubnis des Vermieters nicht bereits erteilt ist“) sowie BGH, NJW 1997, 938, 939, hierzu näher im Text. 299 BGH, NJW 1997, 938. 300 BGH, NJW 1997, 938, 939 (Hervorheb. nicht im Original), wo es „Käufer“ statt „Verkäufer“ heißen muss. 301 s. U. Huber, LS I § 22 II (S. 531). 302 Soergel/M. Wolf, § 306 aF Rn. 25, vgl. auch Kreß, SAT S. 114 f.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

Auffallend war auch eine gewisse Inkonsequenz zwischen der Behandlung anfänglichen und nachträglichen Unvermögens: Während der Schuldner im Falle nachträglichen Unvermögens – so ein solches überhaupt jemals vorlag – unabhängig vom Vertretenmüssen befreit wurde, weil der Schuldner nicht etwas schulden sollte, was er nicht leisten konnte, wendete man diesen Satz304 offenbar im Falle anfänglichen Unvermögens nicht an. Konsequenterweise hätte der Schuldner aber auch bei anfänglichem Unvermögen von der Erfüllungspflicht befreit werden müssen („Sollen impliziert Können“305). Anders als bei nachträglichem Unvermögen stand jedoch im Falle anfänglichen Unvermögens eine Haftung des Schuldners nach herrschender Ansicht stets fest. Denn nach ständiger Rechtsprechung306 und herrschender Lehre307 oblag dem Schuldner eine Garantie für seine eigene Erman10 /Battes, § 306 aF Rn. 22: „Falls dauerndes Unvermögen vorliegt, kann er [der Gläubiger] auch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen“ (Hervorheb. nicht im Original). 304 L.-C. Wolff verwies insoweit auf den Celsus-Satz (impossibilium nulla obligatio est), s. dens., JZ 1995, 280, 285. 305 s. AltKomm/Dubischar, § 275 aF Rn. 1; L.-C. Wolff, JZ 1995, 280. 306 Grdl. RGZ 69, 355, 357, s. auch BGHZ 8, 222, 231; BGH, NJW 1997, 938, 939, vgl. zu reichhaltigen Nachw. U. Huber, LS I § 23 I 1 mit Fn. 1 (S. 543). 307 Ballerstedt, FS Nipperdey (1955) S. 261, 270 f.; RGRK/Ballhaus, § 306 aF Rn. 13; Erman10 /Battes, § 306 aF Rn. 22 (mit gewissen Einschränkungen); Brecht, JherJb 53 (1908), 213, 276, 284 ff.; Brehm, JuS 1988, 706, 708 (unklar, ob mit Einschränkung auf Machtbereich, s. aaO., S. 707); Brox, SAT27 Rn. 243 f.; Brox/ Walker, SBT26 Rn. 30; Ernst, Rechtsmängelhaftung S. 128 (für die Rechtsmängelhaftung); Fikentscher, Schuldrecht Rn. 330; N. Fischer, Unmöglichkeit S. 241, 244 (allgemein), 339 f. (speziell zur Rechtsmängelhaftung); Palandt61 /Heinrichs, § 306 aF Rn. 9 f.; Hetzel, NJW 1958, 1172, 1173 (für „anfängliches rechtliches Unvermögen“ – Rechtsmängelhaftung, anders für tatsächliches Unvermögen – z. B. bei Abhandenkommen der Kaufsache); U. Huber, FS Gaul S. 217, 235; ders., LS I § 22 II (S. 530 ff.); § 23 I 1 (S. 543 ff.); ders., ZIP 2000, 2137, 2141 f.; ders., in: Ernst/Zimmermann S. 31, 52 f., 55, und 64 f.; ders., FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 268 f.; Soergel/ders., § 433 aF Rn. 288 ff. (Rechtsverschaffungspflicht beim Kauf), Rn. 311 ff. (Übergabepflicht beim Kauf); Staudinger/Köhler (1995), § 440 aF Rn. 24 ff. (für die Rechtsmängelhaftung des Verkäufers); Kreß, SAT S. 113 f.; Staudinger/Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 50; Lüderitz/Mittenzwei, JuS 1970, 182, 183 f.; Nastelski, JuS 1962, 289, 298; Staudinger/Hj. Otto (2001), § 325 aF Rn. 15 f.; Palandt61 /Putzo, §§ 440, 441 aF Rn. 4; Schlechtriem, SAT4 Rn. 278; Timme, JuS 1999, L 1, 3 f. (für Kaufvertrag); Jauernig9 /Vollkommer, § 306 aF Rn. 10; Walter, Kaufrecht § 4 III 1 [S. 124] (Ausnahme: Fälle höherer Gewalt); Soergel/M. Wolf, § 306 aF Rn. 26; L.-C. Wolff, JZ 1995, 280 f. Die meisten Autoren wollten die Garantiehaftung indessen mit gewissen Beschränkungen versehen: So etwa auf die „Zulänglichkeit des eigenen Geschäftskreises“, s. im Anschluss an Oertmann, AcP (1935), 140, 148 f.; dens., § 306 aF Anm. 1 b (S. 228) vor allem Larenz, SAT § 8 II [S. 102 f.] (ihm folgend Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht6 Rn. 232 f.; K. Schreiber, JURA 1995, 529, 531; wohl auch Medicus, SBT10 Rn. 24) oder (i. Erg. wohl ähnl.) auf die Risikosphäre des Schuldners, s. etwa 303

B. Unvermögen zur Leistung

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Leistungsfähigkeit (Garantiehaftung).308 Vor diesem Hintergrund war eine Verurteilung des Schuldners zur Primärleistung – auf Grundlage des bestehenden Erfüllungsanspruchs – insoweit unbedenklich, als eine Haftung auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ohnedies feststand.309 Soweit der Übergang von der Primär- auf die Sekundärebene bei anfänglichem Unvermögen betroffen war, führten die divergierenden Ansichten zumindest zu relativ einheitlichen Ergebnissen. Entscheidend war einerseits, den Schuldner nicht durch einen vorschnellen Übergang auf die Sekundärebene der Möglichkeit einer Behebung des anfänglichen Unvermögens zu berauben (Prinzip des Vorrangs der Leistung in Natur). Andererseits sollte dem Gläubiger der Übergang auf die Sekundärrechte nicht unnötig erschwert werden. Zu diesem Zwecke wollten manche Stimmen in der Literatur den Gläubiger grundsätzlich auf den Weg des § 326 BGB a. F.310, 311 verweisen, hielten die danach erforderliche Fristsetzung aber in Einzelfällen (z. B. bei endgültiger und ernsthafter Erfüllungsverweigerung des Schuldners, offensichtlicher Zwecklosigkeit und Überflüssigkeit312) für entbehrlich.313 Teils wurde hingegen zwischen behebbarem (dann § 326 BGB a. F.) und unbehebbarem Unvermögen (dann § 325 BGB a. F.) zu differenzieren versucht.314 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung S. 136 ff., 145; ähnl. Blomeyer, SAT § 28 I 2 (S. 148); mit gewissen Einschränkungen auch Koller, Risikozurechnung S. 269 ff., nach Fallgruppen differenzierend Eichenhofer, JuS 1989, 777, 781 ff. Gegen die Annahme einer generellen Garantieübernahme: Canaris, JZ 2001, 499, 506 („glatte petitio principii“); Gudian, NJW 1971, 1239, 1240 („durch nichts bewiesene petitio principii“); krit. auch Hetzel, NJW 1958, 1172, 1173 („unhaltbare Fiktion“); Oertmann, AcP 140 (1935), 129, 147 („Aber es enthält eine bare, wissenschaftlich völlig wertlose Fiktion, es [sc. das Garantieversprechen] ohne weiteres als abgegeben unterstellen zu wollen“; Siber, JherJb 50 (1906), 55, 270 („völlig haltlose Fiktion“); Weitnauer, in: Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung S. 87, 90, 109 f.; Wilburg, Elemente des Schadensrechts S. 139; Schwarze, JuS 1998, 13, 14, ebenso auch G. Boehmer, JZ 1953, 392 f. und P. Gebauer, Naturalrestitution S. 120 ff. (und 71). Krit., aber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes dennoch bejahend Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse § 29 II 2 [S. 127 f.] („Unterstellung, die auf eine sachliche Rechtfertigung aus der Interessenlage verzichtet“). 308 So auch die Gesetzesmaterialien: Mot. II S. 45 f., 216, 220 (= Mugdan, II S. 25, 119, 121 f.). 309 Ähnl. wie die Gerichte bei streitiger Unmöglichkeit den Schuldner zur Primärleistung verurteilten, wenn das Vertretenmüssen feststand. 310 Worauf sich im Kaufrecht die Verweisung in § 440 Abs. 1 BGB a. F. allein beziehen sollte. 311 Bzw. § 283 BGB a. F. 312 Vgl. bereits RGZ 69, 355, 357, bestätigt von BGH, NJW 1991, 2700, 2701. 313 Vgl. U. Huber, LS I § 22 II (S. 537), § 23 I 1 b (S. 545 ff.) [der anfängliches Unvermögen nicht als Tatbestand einer Leistungsstörung ansah], i. Erg. ähnl. G. Wagner, JZ 1998, 482, 491 f., 494.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

b) Andere Auffassungen im Schrifttum Nur wenige Stimmen im Schrifttum vertraten die Ansicht, der Gläubiger habe im Falle anfänglichen Unvermögens keinen Erfüllungsanspruch.315 Denn eine Erfüllung durch den Schuldner scheide in diesen Fällen bereits ex definitione aus316; andere verwiesen auf den Satz „impossibilium nulla obligatio est“317. In methodischer Hinsicht wurde vereinzelt eine analoge Anwendung (des seinem Wortlaut nach nur für nachträgliches Unvermögen geltenden) § 275 Abs. 2 BGB a. F. auf das anfängliche Unvermögen postuliert.318 Denn das Gesetz sollte eine ungewollte Lücke enthalten haben; die Sachverhalte bei anfänglichem und nachträglichem Unvermögen seien auch vergleichbar gewesen.319 Vorgebracht wurde gegen den Bestand des Erfüllungsanspruchs, dass der Gläubiger die Möglichkeit zur Perpetuierung des Verzugs gehabt hätte, der unvermögende Schuldner dann „zur ewig sprudelnden Geldquelle des Gläubigers [zu] degenerieren“320 drohte. Indes bestand diese Gefahr bei Lichte besehen nicht, konnte sie doch mithilfe des allgemeinen rechtlichen Instrumentariums (wie etwa § 254 Abs. 2 S. 1 BGB) gebannt werden.321 Für manche Vertreter322 einer Leistungsbefreiung in Analogie zu § 275 BGB a. F. stand – anders bei Annahme einer Garantiehaftung – eine Schadensersatzhaftung des Schuldners auch keineswegs fest. Denn sie lehnten eine generelle Garantiehaftung ab und plädierten für eine Anwendung der Vorschriften über das nachträgliche Unvermögen auf die Schadensersatzhaftung des anfänglich Unvermögenden (so genannte Gleichstellungstheorie), 314 Vgl. z. B. BGH, NJW 1991, 2700, 2701; 1992, 905, 906 (jew. Anwendung von § 326 BGB a. F. in Fällen grds. behebbarer Rechtsmängel, gleichzeitig war Nachfristsetzung entbehrlich); BGH, NJW 1992, 3224, 3225 (Anwendung von § 325 BGB a. F. im Falle der Weiterveräußerung von Kaufsachen). 315 Medicus, BürgR18 Rn. 285 a. E.; ders., SAT12 Rn. 384; Schlechtriem, SAT4 Rn. 278; L.-C. Wolff, JZ 1995, 280, 283 f. Ebenso wohl Fikentscher, Schuldrecht Rn. 329; Heck, Grundriß des Schuldrechts § 47 (S. 141 f.); Titze, Unmöglichkeit S. 251 f., insb. mit Fn. 8 (S. 253); Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung S. 137 (bei und mit Fn. 16). s. auch G. Wagner (JZ 1998, 482, 490, 494), der einen Erfüllungsanspruch für den Fall bejahte, dass der Schuldner die Leistungsstörung zu vertreten hatte. 316 So Fikentscher, Schuldrecht Rn. 329. 317 L.-C. Wolff, JZ 1995, 280, 284. 318 So namentlich von L.-C. Wolff, JZ 1995, 280, 283 f., ebenso Medicus, BürgR18 Rn. 285 a. E. s. bereits Titze, Unmöglichkeit S. 251 f., insb. mit Fn. 8 (S. 253); Zweigert, SJZ 1949, Sp. 415, 417. 319 L.-C. Wolff, JZ 1995, 280, 283 f. 320 L.-C. Wolff, JZ 1995, 280, 283. 321 Hierzu G. Wagner, JZ 1998, 482, 490. 322 So etwa Titze, Zweigert (Nachw. oben in Fn. 318 [S. 86]).

B. Unvermögen zur Leistung

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mithin für eine Haftung auf das positive Interesse nur bei vorliegendem schuldnerischem Vertretenmüssen (Verschuldenshaftung).323 Bezugspunkt des Vertretenmüssens des Schuldners sollte dessen Nichtkenntnis bezüglich seiner mangelnden Leistungsfähigkeit sein. Auf die schadensdogmatischen Probleme einer Erfüllungshaftung soll hier nicht weiter eingegangen werden.324 3. In Sonderheit: Zeitweiliges Unvermögen Für nachträgliches Unvermögen kann auf die Ausführungen zur (objektiven) Unmöglichkeit verwiesen werden (siehe oben sub „3. In Sonderheit: Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 59 f.). Für anfängliches zeitweiliges Unver323 s. Braun, JA 1983, 571, 576; Esser,/E. Schmidt, SAT7 Teilb. 2 § 22 III 2 (S. 11), ähnl. in der nachfolgenden 8. Aufl.: Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 22 III 2 (S. 12); Evans-von Krbek, AcP 177 (1977), 35 ff., insb. 43 ff.; Harder, Die Leistung an Erfüllungs Statt S. 46; Hetzel, NJW 1958, 1172, 1173 (für anfängliches tatsächliches Unvermögen – z. B. bei Abhandenkommen der Kaufsache); U. Huber, JZ 1974, 433, 436 (der diesen Standpunkt später aufgegeben hat, vgl. dens., LS I § 22 II mit Fn. 29 a. E. [S. 533]); Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 127 ff.; G. H. Roth, JuS 1968, 101, 108 (indes nur für die „selteneren Fälle eines echten Unvermögens“, womit eng verstandenes Unvermögen gemeint war); Siber, JherJb 50 (1906), 55, 268 ff.; Titze, Unmöglichkeit S. 247 ff., insb. 251 ff.; vgl. auch J. Wilhelm, FG Flume 1998 S. 301, 338 ff. Ähnl. mit Annahme einer – offenbar auf den Ersatz des negativen Interesses gerichteten – Normalgarantie Heck, Grundriß des Schuldrechts § 47 (S. 141 f.), § 86, 5 und 6 (S. 266), s. auch Gillig, Nichterfüllung und Sachmängelgewährleistung S. 303 ff., insb. 306 (bei Fn. 202), 308 f., einschränkend: Beinert, Wesentliche Vertragsverletzung S. 211 f. (Haftung beschränkt auf Risiken, die der Schuldner bei Vertragsschluss erkennbar übernehmen wollte); ähnl. MünchKomm/Emmerich (2001), Vor § 275 aF Rn. 17, noch stärker einschränkend offenbar Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § 3 IV 2 c (S. 33 f.): Verschuldenshaftung nur für den Fall der kurz vor Vertragsschluss gestohlenen Sache, im Übrigen hingegen („Mehrzahl der [. . .] Fälle“) Haftung ohne Verschulden; vgl. auch Zweigert, SJZ 1949, Sp. 415, 416 (im Anschluss an Titze). Differenzierend: Gudian, NJW 1971, 1239, 1240 ff., der bei vorvertraglichem Verschulden „gegen sich selbst“ analog §§ 280, 325 BGB a. F. eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse annahm und bei schuldnerischer Kenntnis der eigenen Leistungsunfähigkeit oder deren fahrlässigen Nichtkenntnis eine Haftung auf den Vertrauensschaden annehmen wollte, differenzierend insb. für die Rechtsmängelhaftung MünchKomm/H. P. Westermann (1995), § 440 aF Rn. 8. 324 Die vorvertragliche Pflichtverletzung des Schuldners, die darin lag, dass er sich über seine eigene Leistungsfähigkeit nicht (richtig) informiert und daher seinen prospektiven Vertragspartner nicht aufgeklärt hatte, konnte nach Kausalitätsgesichtspunkten nur eine Haftung auf das negative Interesse begründen, nicht jedoch eine solche auf das positive Interesse (wie in aller Regel vertreten wurde), s. Freudling, JuS 1984, 193, 194; Wilburg, Elemente des Schadensrechts S. 139, anders – indes wenig überzeugend – Hetzel, NJW 1958, 1172, 1173 mit Fn. 16; unklar Grunewald, JZ 2001, 433, 435. Dieses Problem wurde zumeist mit Stilllschweigen übergangen, zutreffend U. Huber, LS I § 22 II mit Fn. 34 a. E. (S. 534).

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mögen hingegen kam eine Leistungsbefreiung nicht in Betracht. Denn selbst dauerndes anfängliches Unvermögen sollte den Schuldner nach herrschender Ansicht nicht von seiner Erfüllungspflicht befreien; zudem hatte er nach herrschender Ansicht sein anfängliches Unvermögen ohnehin regelmäßig zu vertreten (Garantiehaftung). III. Zusammenfassung 1. Ausgehend von der zentralen Befreiungsnorm des § 275 BGB a. F. wurde nachträgliches Unvermögen sehr unterschiedlich verstanden: Entsprechend dem Wortlaut des § 275 Abs. 2 BGB a. F. und der Gesetzessystematik verstand eine gewichtige Mindermeinung in der Literatur unter Unvermögen das Fehlen der Dispositionsfähigkeit des Schuldners über den Leistungsgegenstand zum Fälligkeitszeitpunkt, obgleich ein Dritter existierte, der leistungsfähig war; ob die Dispositionsfähigkeit wiederhergestellt werden konnte, war für das Vorliegen von Unvermögen i. S. von § 275 Abs. 2 BGB a. F. irrelevant (weites Unvermögensverständnis). Herrschende Lehre und der BGH gingen hingegen von einem engen Unvermögensverständnis aus. Sie wollten ein Unvermögen verneinen, wenn der Schuldner seine Leistungsfähigkeit wiederherstellen konnte, der Stückverkäufer beispielsweise die Kaufsache wiederbeschaffen konnte. Überwiegend wurde Unvermögen nur angenommen, wenn dem Schuldner die Ausräumung des Leistungshindernisses, also die Wiederbeschaffung unmöglich war (enges Unvermögen im wirklichen Sinne). Ein so verstandenes Unvermögen kam praktisch nicht vor. Manche Stimmen in der Literatur wollten daher insoweit bereits die bloße Unzumutbarkeit der Wiederbeschaffung für den Schuldner ausreichen lassen (enges Unvermögen im normativen Sinne). Die Einengung der Unvermögenskategorie durch die herrschende Meinung lässt sich damit erklären, dass in direktem Widerspruch zum Wortlaut des § 275 BGB a. F. eine Befreiungswirkung auch angenommen wurde, wenn der Schuldner sein Unvermögen zu vertreten hatte. Ließ man aber ein Tatbestandsmerkmal (sc. „Nicht-zu-vertreten-haben“) für die Befreiung entfallen, war klar, dass das zweite Tatbestandsmerkmal (sc. „Unvermögen“) entsprechend eng verstanden werden musste, wenn man nicht eine uferlose Befreiung von der Erfüllungspflicht zulassen und damit den Grundsatz pacta sunt servanda preisgeben wollte. Anders als nach Vertragsschluss eingetretenes Unvermögen verstand die Rechtsprechung anfängliches Unvermögen offenbar im weiten Sinne, maß diesem indes keine befreiende Wirkung zu. 2. Die gravierenden Unterschiede im Verständnis des Unvermögensbegriffs führten in Fällen von nachträglichen Leistungshindernissen, die der Schuldner nicht zu vertreten hatte, zu sehr unterschiedlichen Ergebnis-

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sen: Nur nach der dargelegten Mindermeinung trat eine Befreiung des Schuldners von der Primärpflicht ein, und dieser musste damit keinerlei Aufwand zur Überwindung des Leistungshindernisses betreiben, wenn er die Dispositionsfähigkeit über den Leistungsgegenstand in nicht zu vertretender Weise nachträglich verlor (Unvermögen i. w. S.); der Verkäufer einer Sache, deren nachträgliches Abhandenkommen er nicht zu vertreten hatte, musste zur Wiederbeschaffung der Kaufsache überhaupt keinen Aufwand betreiben. Auf Grundlage der herrschenden Meinung kam man zu einer Befreiung nach § 275 BGB a. F. nur, wenn die Behebung des Leistungshindernisses durch den Schuldner – beim Stückkauf die Wiederbeschaffung der Kaufsache – unmöglich war; Fälle der Unüberwindbarkeit des Leistungshindernisses und damit Unvermögen waren in der Praxis in aller Regel ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung vom Willen eines Dritten abhing. Selbst wenn der leistungsfähige Dritte eine exorbitante Summe forderte, sollte in Ermangelung eines unüberwindbaren Leistungshindernisses kein leistungsbefreiendes Unvermögen vorliegen.325 Das Erfüllungsverlangen des Gläubigers konnte sich in solchen Fällen abhängig von der Höhe des Aufwands allenfalls als rechtsmissbräuchlich („Unverhältnismäßigkeit“) und damit einwendungsbehaftet darstellen oder dem schuldnerischen Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausgesetzt sein („Unzumutbarkeit“). Manche Vertreter eines engen Unvermögensverständnisses wollten hingegen auch Fälle der Unzumutbarkeit über § 275 BGB a. F. lösen, indem sie auch eine unzumutbare Leistungsschwierigkeit als befreiendes Unvermögen begriffen (enges Unvermögen im normativen Sinne). Im Ergebnis traf den Stückverkäufer nach herrschender Meinung somit bis zur Grenze der Unzumutbarkeit beziehungsweise der Unverhältnismäßigkeit (Rechtsmissbrauchsverbot) eine Wiederbeschaffungspflicht, selbst wenn er den behebbaren Verlust des Leistungsgegenstands nicht zu vertreten hatte. 3. Waren vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse betroffen, brachten die divergierenden Unvermögensbegriffe keine unterschiedlichen Ergebnisse hervor. Zwar begründeten nachträgliche Leistungshindernisse – gleich ob überwindbar oder nicht – nach dem weiten Unvermögensverständnis in aller Regel ein Unvermögen in diesem Sinne, doch entpflichtete dieses den Schuldner nicht nach § 275 BGB a. F., wenn er die für das Hindernis ursächlichen Umstände zu vertreten hatte. Der Schuldner konnte sich nur in Ausnahmefällen auf das Verbot des Rechtsmissbrauchs beziehungsweise den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. 325 So jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH und manchen Literaturstimmen, hierzu oben bei Fn. 275 ff. (S. 79).

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Nach herrschender Ansicht lag bei überwindbaren Hindernissen schon kein Unvermögen i. S. von § 275 Abs. 2 BGB a. F. vor. Grenzen vermochten sich daher – wie nach der Mindermeinung – nur durch das Rechtsmissbrauchsverbot oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu ergeben; Anwendungsfälle der Geschäftsgrundlagenlehre wollten manche Vertreter des engen Unvermögensbegriffs im normativen Sinne als befreiendes Unvermögen ansehen. Bei unüberwindbaren Leistungshindernissen ging die herrschende Meinung zwar von einem befreienden Unvermögen aus („impossibilium nulla obligatio est“), doch wurde im Prozess in aller Regel kein Unvermögen bejaht, wenn die Leistungserbringung vom Willen eines Dritten abhing. Denn der Schuldner hätte ja stets auf den Dritten einwirken können, notfalls durch Anbieten einer entsprechenden Geldleistung. 4. Die Auswirkung anfänglichen Unvermögens auf das Schicksal der Erfüllungspflicht war gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Weder § 306 BGB a. F. noch § 275 BGB a. F. erfassten das anfängliche Unvermögen. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sollte anfängliches Unvermögen unbeachtlich für den Bestand der Erfüllungspflicht sein, der Gläubiger mithin Erfüllung verlangen können. Insbesondere die Rechtsprechung schien dabei ein weites Unvermögensverständnis zugrunde gelegt zu haben. War etwa eine Speziessache verkauft, die bereits vor Vertragsschluss einem Dritten übereignet worden beziehungsweise dem späteren Verkäufer abhanden gekommen war, so sollte der Verkäufer anfänglich unvermögend sein und zwar unabhängig von einer etwaigen Wiederbeschaffungsmöglichkeit (weites Unvermögensverständnis). Trotz bestehenden Unvermögens gewährten sie dem Käufer den Anspruch auf die Leistung. Eine Mindermeinung im Schrifttum lehnte den Erfüllungsanspruch dagegen bei anfänglichem Unvermögen ab, wenn der Schuldner auch bei Berücksichtigung einer Wiederbeschaffungsmöglichkeit (enges Unvermögensverständnis) zur Leistung außerstande war; zum Teil wurde zu diesem Zwecke § 275 BGB a. F. analog angewendet. 5. Der Kategorie des Unvermögens kam neben der von der herrschenden Meinung angenommenen Befreiungsfunktion auch die Funktion zu, dem Gläubiger den Übergang auf die Sekundärebene zu ermöglichen (haftungsbegründende Funktion). Beim weiten Unvermögensverständnis bestand das Problem eines vorschnellen Übergangs des Gläubigers auf die Sekundärebene in Fällen zu vertretenden Unvermögens (§§ 280, 325 i. V. mit § 275 Abs. 2 BGB a. F.), dem dadurch beigekommen wurde, dass zur Haftungsbegründung ein dauerndes Unvermögen gefordert wurde. Der Schuldner konnte ein solches im Schadensersatzprozess ausräumen, indem er vortrug und gegebenenfalls bewies, dass er zur Leistungs-

C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung

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erbringung willens und imstande war. Beim engen Unvermögensverständnis bestand hingegen das umgekehrte Problem. Aufgrund der erheblichen Einengung des Unvermögens war dieses an sich untauglich, seine haftungsbegründende Funktion zu erfüllen. Der BGH ermöglichte dies jedoch dadurch, dass er sein enges Unvermögensverständnis insoweit im Wege einer entsprechenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (wieder) „ausweitete“: Im Schadensersatzprozess sollte bereits die Weiterveräußerung des Leistungsgegenstands Unvermögen indizieren; der Schuldner musste dann nachweisen, dass er ungeachtet der Weiterveräußerung zur Leistungserbringung willens und in der Lage war. 6. Für nachträgliches zeitweiliges Unvermögen, so ein solches nach herrschender Ansicht überhaupt in Betracht kam, galten die für die (objektive) Unmöglichkeit dargelegten Grundsätze entsprechend. Anfängliches zeitweiliges Unvermögen führte hingegen nach herrschender Ansicht generell nicht zu einer Befreiung des Schuldners.

C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung (Rechtsmissbrauchsverbot, § 242 BGB)326 Die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten nach §§ 275, 306 BGB a. F. wurde im früheren Recht für überwindbare Leistungshindernisse durch das Rechtsmissbrauchsverbot ergänzt: Nach der Rechtsprechung sollte sich das Verlangen eines vertraglich geschuldeten Zustands im Falle unverhältnismäßigen, dem Schuldner nicht mehr zuzumutenden Leistungsaufwands als rechtsmissbräuchlich darstellen. Dieser exzeptionelle Einwand kam in Betracht, wenn das eng verstandene Unvermögen im wirklichen Sinne wie in aller Regel nicht gegeben war und den Schuldner folglich nicht befreien konnte. Daneben war eine Anwendung des Rechtsmissbrauchsverbots auch denkbar, wenn die Leistung für jedermann enormen Aufwand bedeutete und die Schwelle zur „faktischen Unmöglichkeit“ (§§ 275, 306 BGB a. F.) noch nicht erreicht war.327 Vertrat man hingegen ein weites Unvermögensverständnis, lag ein solches freilich in aller Regel vor und vermochte den Schuldner bereits nach § 275 BGB a. F. zu befreien, sofern er es nicht zu vertreten hatte; diese Lehre bedurfte des Rückgriffs auf das Rechtsmissbrauchsverbot deshalb praktisch nur in Fällen zu vertretenden Unvermögens, für das § 275 BGB a. F. nicht Platz griff. 326 Eingehend zu dieser Grenze unten sub „(1) Vertraglicher Erfüllungsanspruch – Entwicklung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘“, S. 191 ff. 327 So lag es etwa in BGHZ 62, 388 ff. in Hinsicht auf die Verlegung der Tiefgarage; indes handelte es sich (nach Ansicht des BGH) insoweit nicht um einen vertraglichen, sondern gesetzlichen (sc. § 1004 BGB) Anspruch.

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I. Voraussetzungen Vorliegend sind zwei Entscheidungen328 des BGH wesentlich, in denen das Gericht einem Schuldner, der die vertraglich geschuldete Primärleistung vollumfänglich – und nicht lediglich in Hinsicht auf eine Mängelbeseitigung (als gewissermaßen qualitative Nichtleistung) – verweigerte329, die Berufung auf den exzeptionellen Behelf des Rechtsmissbrauchsverbots gestattete. Auch in der Literatur war eine solche Grenze der Erfüllungspflicht anerkannt.330 Insoweit war erforderlich, dass der Schuldner dem gläubigerseitigen Leistungsverlangen nur unter „unverhältnismäßigen, ihm billigerweise nicht zuzumutenden Aufwendungen“331 entsprechen konnte, wobei auch die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen waren.332 Für die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen sollten auch andere Umstände als das reine Wertverhältnis zwischen Leistungsaufwand des Schuldners und Leistungsinteresse des Gläubigers333, namentlich der Grad des Verschuldens, zu berücksichtigen sein.334 Als gesetzlicher Anhaltspunkt für eine solche „Opfergrenze“ wurden die §§ 633 Abs. 2 S. 3, 251 Abs. 2 BGB a. F. herangezogen,335 denen ein „allgemeiner Rechtsgedanke“336 zugrunde liegen sollte. Während der BGH Unzumutbarkeit und Unverhältnismäßigkeit 328 BGHZ 62, 388 ff. und BGH, NJW 1988, 699 f., hierzu ausf. unten „(1) Vertraglicher Erfüllungsanspruch – Entwicklung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘“, S. 191 ff. 329 Im Bereich werkrechtlicher Mängelbeseitigung gibt es jedoch eine ganze Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen, s. hierzu ausf. unten sub „(2) Werkrechtlicher Anspruch auf Mängelbeseitigung (§ 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.)“. S. 205 ff. 330 s. U. Huber, FS Gaul S. 217, 243 f.; dens., LS II § 59 II 3 (S. 813 ff.); s. auch bereits Heck, Grundriß des Schuldrechts § 28, 8 (S. 89) – dort als „Unerschwinglichkeit der Leistung“ bezeichnet. 331 BGHZ 62, 388, 394, hierzu ausf. unten „(a) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 393 f.) – Kfz-Stellplätze“, S. 191 ff., wo auch von „vernünftigerweise“ nicht zumutbaren Aufwendungen die Rede ist, aaO., S. 391. 332 Vgl. BGHZ 62, 388, 394/390 f. 333 Bei der Mängelbeseitigung ist insoweit meist von dem „Vorteil“ des Bestellers (Gläubiger) durch eine Nachbesserung die Rede, s. z. B. BGHZ 96, 111, 123; BGH, NJW 1995, 1836, 1837. 334 Vgl. BGHZ 62, 388, 394 („bewußt vertragswidrig“); BGH, NJW 1988, 699, 700 („Pflicht [. . .] vorsätzlich verletzt“); vgl. auch BGHZ 59, 365, 368; BGH, NJW 1996, 3269, 3270 (jew. Werkmängel betreffend). 335 BGH, NJW 1988, 699, 700 (unzutreffenderweise hieß es dort § 633 Abs. 2 S. 2 – bereits durch das AGB-Gesetz v. 9. 12. 1976 war Satz 2 zu Satz 3 geworden). 336 So BGHZ 62, 388, 391.

C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung

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nebeneinander nannte, wollte U. Huber337 den maßgeblichen Befreiungsgrund ausschließlich in der Unverhältnismäßigkeit sehen. II. Rechtsfolge: Ausschluss des Erfüllungsverlangens wegen Rechtsmissbrauchs Das Verlangen nach Primärleistung sollte in den Fällen eines dem Schuldner wegen Unverhältnismäßigkeit unzumutbaren Leistungsaufwands nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein,338 da es sich als rechtsmissbräuchlich erwies. Der Gläubiger musste sich in diesen Fällen mit Schadensersatz abfinden lassen: Geschuldet war insoweit freilich nicht der Betrag, der zur Behebung des Leistungshindernisses erforderlich gewesen wäre, sondern Schadensersatz in Höhe der durch die Nichterfüllung bedingten Vermögenseinbuße beim Gläubiger.339 Nicht ausdrücklich wurde entschieden, ob sich der Schuldner auf die Unverhältnismäßigkeit berufen musste oder diese von Amts wegen zu berücksichtigen war: Während die vom BGH jeweils in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 633 Abs. 2 S. 3 beziehungsweise § 251 Abs. 2 BGB a. F. eine Einrede („kann verweigern“) beziehungsweise Ersetzungsbefugnis340 („kann [. . .] entschädigen“) statuierten, auf die sich der Schuldner jeweils berufen musste,341 wird ein Verstoß gegen Treu und Glauben, namentlich im Falle eines als rechtsmissbräuchlich zu qualifizierenden Leistungsverlangens, worauf der BGH jeweils auch verwies, von Amts wegen berücksichtigt342.343 Jedenfalls für den neuen § 275 Abs. 2 BGB, der nach Vorstellung der Gesetzesverfasser den hier behandelten „allgemeinen Rechtsgedanken“344 zur Geltung bringt, dürfte klar sein,345 dass es sich um eine Einrede handelt, die der Schuldner im Prozess geltend machen muss. 337

U. Huber, FS Gaul S. 217, 243 f.; ders., LS II § 59 II 3 (S. 815). Vgl. BGH, NJW 1988, 699, 700. 339 s. BGH, NJW 1988, 699, 700 (Entschädigung in Geld nach §§ 251, 252 BGB). 340 So genannte facultas alternativa des Schädigers. 341 Vgl. für § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. Palandt61 /Sprau, § 633 aF Rn. 7 m. weit. Nachw., für § 251 Abs. 2 BGB Palandt61 /Heinrichs, § 251 Rn. 6, § 262 Rn. 8. 342 Vgl. allgemein zu Verstößen gegen die Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 15 m. weit. Nachw. 343 Für die Annahme einer Einrede, deren Erheben den Erfüllungsanspruch mit ex tunc-Wirkung (ab dem Zeitpunkt des Unvermögenseintritts) entfallen lassen sollte: U. Huber, LS II § 59 II 6 (S. 820 f.). Ebenso für eine Einredelösung (und gegen eine Ersetzungsbefugnis) G. Wagner, JZ 1998, 482, 491, 494. 344 Hierzu bereits oben bei Fn. 335 f. (S. 92). 345 Dazu m. Nachw. unten sub „1. Einredecharakter“, S. 449 ff. 338

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III. Dogmatische Einordnung Der Ausschluss des Erfüllungsverlangens gründete im Verbot des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB).346 Der BGH sprach daneben auch von einem „allgemeinen Rechtsgedanken“347, der in §§ 633 Abs. 2 S. 3, 251 Abs. 2 BGB a. F. ausgedrückt sein sollte. Es handelte sich in den einschlägigen Sonderfällen um eine Schuldnerbefreiung in einer weiteren „Spur“ neben §§ 275, 306 BGB a. F.

D. „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“ (Geschäftsgrundlagenlehre, § 242 BGB) Neben den bislang dargelegten Grenzen der Erfüllungspflicht (oben A. bis C.) war nach altem Recht eine weitere Grenzbestimmung vorgesehen. In Fällen so genannter „wirtschaftlicher Unmöglichkeit“348 halfen die Gerichte – mit weitgehender Zustimmung der Literatur – dem Schuldner in Einzelfällen und unter besonderen Voraussetzungen mit dem Einwand des Wegfalls beziehungsweise Fehlens der Geschäftsgrundlage. Diese Grenze der Erfüllungspflicht verlief unterhalb der Grenze wirklicher Unmöglichkeit, hatte mithin überwindbare Leistungshindernisse zum Gegenstand. I. Historische Entwicklung Es war noch unter der Regie des RG, da diese Grenze der Erfüllungspflicht entwickelt wurde.349 Während des ersten Weltkriegs sowie in den Jahren nach dessen Ende sah sich das RG mit zahlreichen Klagen konfrontiert, die im Zusammenhang mit spezifischen Kriegsfolgen (wie Verknappung von Ressourcen, Geldentwertung etc.)350 standen. Diese Kriegsfolgen bedingten eine teils ungemein starke Erhöhung des schuldnerischen Leistungsaufwands, im Besonderen der Gestehungskosten von Warenlieferanten. 346

Vgl. U. Huber, FS Gaul S. 217, 243; ders., LS II § 59 II 3 (S. 813). s. BGHZ 62, 388, 391. 348 Da es sich dabei nicht um wirkliche Unmöglichkeit handelte, wird der Begriff hier mit Anführungszeichen versehen. 349 Sehr ausf. zur Entwicklung der Judikatur des RG mit reichhaltigen Nachw. und Entscheidungsbesprechungen Kegel, in: Kegel/Rupp/Zweigert, Einwirkung des Krieges auf Verträge S. 71 ff. sowie aus jüngerer Zeit die Arbeit von Emmert: Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten – Die Rechtsprechung des Reichsgerichts 1914–1923, S. 245 ff., s. ferner Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht S. 91 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung S. 15 ff. 350 Nach der Novemberrevolution 1918 zudem erhebliche Steigerungen der Arbeitskosten sowie extrem häufige Arbeiterstreiks, hierzu ausf. Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 325 ff. 347

D. „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“

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Nach anfänglicher Zurückhaltung351 – zunächst wurde der Satz pacta sunt servanda hochgehalten –352 trug das RG später den kriegsbedingt veränderten Umständen Rechnung, indem es eine Befreiung des Schuldners annahm beziehungsweise eine Vertragsanpassung vornahm. Weniger bedeutend sind vorliegend Entscheidungen, in denen das RG aufgrund des unabsehbaren Endes des Kriegs und dessen wirtschaftlichen Folgen Fälle vorübergehender Leistungshindernisse der endgültigen Unmöglichkeit gleichstellte, wenn die Lieferung nach Kriegsende wirtschaftlich353 gesehen eine ganz andere sein würde als die vertraglich vereinbarte (Gedanke der Identitätsänderung).354 Auch die so genannte Ruinrechtsprechung war ein Spezifikum der kriegsbedingten (Hyper-)Inflation: In einzelnen Entscheidungen entpflichtete das RG den Schuldner, dem durch eine Erfüllung sämtlicher355 Verträge zu unveränderten Bedingungen der Ruin, also die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz, drohte.356 In wenigen Entscheidungen in der Zeit nach Kriegsende half das RG Lieferanten, deren Gestehungskosten unvorhergesehen und exorbitant angestiegen waren, in der Weise, dass es die Fälle unzumutbarer Leistungserschwerung unter § 275 BGB a. F. subsumierte, mithin der wirklichen Unmöglichkeit gleichstellte.357 Nachdem das RG zunächst den Grundsatz der Unbeachtlichkeit von Kostensteigerungen aufgestellt hatte,358 entpflichtete 351 Diese „erste Phase“ wird von Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 247 ff. gekennzeichnet mit dem Stichwort „Die Rechtsprechung hält sich zurück“. 352 So die Einschätzung von U. Huber, LS I § 24 II 2 (S. 590) im vorliegenden Kontext. 353 Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise durch das RG vgl. Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 289 ff., 305. 354 Grdl. RGZ 42, 114, 115 f. – Roggenmehl Roland (zum Gemeinen Recht); ferner z. B. RGZ 88, 71, 74 ff.; 94, 45, 47 ff.; RG, JW 1919, 188, 189; RG, SeuffArch 78 Nr. 68 S. 116, 118; RGZ 107, 156, 157 ff., (zu weiteren Rechtsprechungsnachweisen s. Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 288 ff.); krit. Krückmann, LZ 1918, Sp. 961, 970 ff. 355 In Betracht gezogen wurde dabei nicht nur der einzelne, im jeweiligen Prozess zu entscheidende Vertrag, der für sich genommen keine ruinöse Wirkung zu entfalten vermochte, sondern es wurden auch die anderweitigen Verträge des Schuldners miteinbezogen, so z. B. RGZ 100, 134, 137 f.; 102, 272, 275. 356 Vgl. etwa RGZ 100, 134, 136 ff.; 102, 98, 99 ff.; 102, 272, 273/275; abl. RGZ 101, 74, 75 f.; 103, 177, 178 ff., ferner auch Locher, AcP 121 (1923), 1, 93; s. zur Kritik auch Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung S. 27 ff. Näheres auch bei Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 336 ff. 357 Grdl. bereits RGZ 57, 116, 118 ff. – Baumwollsaatmehl Marke „Eichenlaub“ – keine Kriegsentscheidung (hierzu Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht S. 62 f.; krit. Wiedemann, FS Universität Köln 600 Jahre S. 367, 381); vgl. im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg: RGZ 100, 129, 131; 101, 79, 83 („kommen daher im Wege der Gesetzesanalogie die §§ 323 flg. BGB. in Betracht“)

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es den Schuldner später gleichwohl in Einzelfällen unter Rekurs auf die Rechtsfigur der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ und im Einklang mit der damaligen herrschenden Lehre359.360 „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“ sollte vorliegen, wenn die Leistung zwar an sich möglich war – es handelte sich gerade nicht um einen Fall wirklicher Unmöglichkeit –, ihr aber solche Schwierigkeiten entgegenstanden, dass sie dem Schuldner nicht zugemutet werden konnte; nicht selten wurde insoweit von einer Überschreitung der „Opfergrenze“ gesprochen. Die Gleichstellung der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ mit der wirklichen Unmöglichkeit wurde indes schnell wieder aufgegeben.361 In der weiteren Entwicklung der RG-Rechtsprechung wurde das Kriterium der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung in den Vordergrund gestellt, womit sich die Rechtsprechung insoweit von einem Leistungsstörungsrecht zu einem Vertragsstörungsrecht hinbewegte.362 Das RG knüpfte zunächst zum Teil noch an die clausula rebus sic stantibus363 wie auch die Windscheid’sche Lehre von der Voraussetzung364 an.365 Später, nach Erscheinen sowie noch RGZ 107, 156 ff. (hierzu U. Huber, LS I § 24 II 2 mit Fn. 65 [S. 591]); krit. Brecht, JherJb 53 (1908), 213, 222 f. 358 s. etwa RGZ 88, 172, 174 f. – Lammzinn, hierzu krit. Krückmann, LZ 1918, Sp. 961 ff.; RGZ 101, 74, 76; im Einzelnen dazu Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 270 ff., 304. 359 Vgl. Kisch, Unmöglichkeit S. 12 ff.; Kleineidam, Unmöglichkeit S. 14 ff.; ders., JherJb 43 (1901), 105, 110 ff.; Heinrich Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen S. 8 f., 17 ff., 36 ff., 121; Titze, Unmöglichkeit S. 2 ff., insb. 5 ff., 9 (krit. aber ders., Schuldverhältnisse § 31 mit Fn. 2 [S. 78]), vgl. zu weiteren Nachw. auch Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht S. 62 mit Fn. 23 sowie Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 2 mit Fn. 2. Krit. H. A. Fischer, Unmöglichkeitslehre S. 17 mit Fn. 23. Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse § 29 I 2 (S. 123 f.), § 46 I 2 (S. 192 f.) wollte dem Schuldner (unter Ablehnung einer ipso iure-Befreiung) im Falle einer „unerschwingliche[n] Leistung“ (aaO., S. 193) eine Berufung auf die „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ (aaO., S. 124) zubilligen. Abl. gegenüber einer Behandlung als Unmöglichkeit hingegen Heck, Grundriß des Schuldrechts § 31 (S. 94 ff.); Leonhard, SAT § 135 (S. 295 ff.), § 245 (S. 474 ff.); Kreß, SAT S. 180; Oertmann, Vorbem. zu §§ 275–283 a.F Anm. 3 a g (S. 140); Planck/Siber, Vorbem zu §§ 275–292 aF Anm. III 1 b b (S. 204). 360 s. die Nachw. in Fn. 357 (S. 95). 361 Demzufolge nach U. Huber (gegen Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht S. 91 ff.) die älteren RG-Entscheidungen (bis zum 102. Band der amtlichen Sammlung, s. U. Huber, LS I § 24 II 2 [S. 591]) „nur noch überflüssiges totes Gewicht in den Kommentaren“ bildeten, vgl. dens., ZIP 2000, 2137, 2142. 362 Vgl. Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 312 f., 355 f. 363 Deren Aufnahme ins BGB die Gesetzesväter grds. ablehnten, vgl. Mot. II S. 199, 315, 843 (= Mugdan, II S. 109, 175, 471), vgl. hierzu auch RGZ 100, 129, 130 f. 364 Vgl. Windscheid, Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung, 1850; dens., AcP 78 (1892), 161 ff.: auch diese Doktrin wurde nicht ins BGB aufgenommen, vgl. Prot. II S. 690 (= Mugdan, II S. 1174).

D. „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“

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der Arbeit von Paul Oertmann über die Geschäftsgrundlage im Jahre 1921366, bediente sich das RG dann bereits 1922 in der VigognespinnereiEntscheidung367 der neu entworfenen Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Damit war der Weg dafür geebnet, für bestimmte Sonderfälle fortan nicht mehr das Unmöglichkeitsrecht bemühen zu müssen, sondern diese mithilfe der Geschäftsgrundlagenlehre, die in ihren Rechtsfolgen als flexibler angesehen wurde,368 namentlich eine Vertragsanpassung zuließ,369 einer Lösung zuzuführen. Diese Rechtsprechung, die die Lösung im Rechtsinstitut des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ erblickte, wurde vom BGH fortgeführt370 und auch von der herrschenden Lehre371 gebilligt. Als „Ausreißer“ kann in diesem Zusammenhang die Entscheidungspraxis zur Wiederherstellungspflicht des Vermieters gewertet werden: Exemplarisch sei hier die Muldenkipper-Entscheidung372 genannt, in welcher der BGH dem Vermieter eines Muldenkippers dessen technisch mögliche, aber enorme Kosten verursachende Reparatur nicht zugemutet hatte, da „die Verpflichtung des Vermieters zur Wiederherstellung der Mietsache dort endet, wo der dazu erforderliche Aufwand die ‚Opfergrenze‘ übersteigt“. Obgleich die Leistung (sc. die Wiederherstellung des Muldenkippers) unbestritten möglich war, nahm der BGH wirkliche Unmöglichkeit an und befreite den Vermieter demzufolge gemäß § 275 Abs. 1 BGB a. F. von seiner Pflicht. Abweichend von der ständigen Rechtsprechung des BGH wurden diese 365

s. RGZ 100, 129, 130 ff., wo bereits eine Anpassung vorgenommen wurde. Titel: „Die Geschäftsgrundlage – Ein neuer Rechtsbegriff“. 367 RGZ 103, 328 ff. (hierzu aus neuerer Zeit Eidenmüller, JURA 2001, 824 ff.). 368 Hierzu auch Braun, JA 1983, 571, 577. 369 s. aber bereits zuvor RGZ 100, 129, 130 ff. 370 Vgl. etwa BGH, NJW 1954, 1323, 1324 m. weit. Nachw. 371 Vgl. Erman10 /Battes, Vor § 275 aF Rn. 10, 27; Eidenmüller, JURA 2001, 824, 827; Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 12; U. Huber, LS I § 4 III 4 a (S. 118 f.), § 24 II 2 (S. 588 ff.); dens., ZIP 2000, 2137, 2142; Larenz, SAT § 21 I e (S. 319 f.), anders MünchKomm/Emmerich (2001), Vor § 275 aF Rn. 26, § 275 aF Rn. 28 (unter Berufung auf Krückmann), tendenziell ebenso Soergel/Wiedemann, § 275 aF Rn. 38; Wiedemann, FS Universität Köln 600 Jahre S. 367, 373, 383 (der vorschlug, unzumutbare Leistungen bei mangelndem Vertretenmüssen unter § 275 BGB a. F. zu fassen); K. Schmidt, ZZP 87 (1974), 49, 57 f., 63. Gegen eine Lösung mit der Geschäftsgrundlagenlehre auch Rödl, Die Spannung der Schuld S. 85, 99, 132; vgl. auch Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht S. 69 f. 372 BGH, NJW-RR 1991, 204 (vgl. hierzu die Besprechung unten „(d) In Sonderheit: BGH-Urteil vom 26. 9. 1990 (= BGH, NJW-RR 1991, 204) – Muldenkipper“, S. 201 ff.); ebenso OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995, 849, 850. Vgl. hierzu auch Staudinger/Emmerich (1995), Vorbem zu § 537 aF Rn. 10 f.; Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 8, der im Muldenkipper-Fall für die Annahme praktischer Unmöglichkeit plädierte. 366

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

Fälle ausnahmsweise nicht dem Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beziehungsweise dem Rechtsmissbrauchsverbot zugeordnet. Neben dem Wegfall der Geschäftsgrundlage war auch das (anfängliche) Fehlen der Geschäftsgrundlage anerkannt, wenn sich beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss über das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen bestimmter Umstände im Irrtum befanden. II. Voraussetzungen373 Die Geschäftsgrundlage musste aufgrund eines beidseitigen Irrtums bei Vertragsschluss gefehlt haben374 oder nachträglich weggefallen sein beziehungsweise sich wesentlich geändert375 haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sollte die Geschäftsgrundlage in Anlehnung an die Oertmann’sche Formel gebildet werden durch „die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut“.376 Eine Anpassung beziehungsweise Auflösung des Vertrags setzte weiterhin voraus, dass das Fehlen oder die wesentliche Änderung der Grundlage dazu führte, dass der betroffenen Partei (hier: dem Sachleistungsschuldner) das Festhalten an der vereinbarten Regelung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zuzumuten war;377 eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde zumeist nur für zulässig erachtet, wenn das zur „Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich erscheint“378. Insoweit galt es die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung zu berücksichtigen: Es wurde angenommen, der Sachleistungsschuldner trage grundsätzlich das Risiko von Leistungserschwerungen beziehungsweise 373 Nachfolgend sollen die Voraussetzungen lediglich grob skizziert werden, Einzelheiten werden im Rahmen der Neuregelung (§ 313 BGB) darzulegen sein (sub „C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB“, S. 475 ff.), die sich die Ergebnisse der früheren Rechtsprechung im Wesentlichen zu Eigen gemacht hat. 374 Vgl. z. B. BGHZ 25, 390, 392 f. (zum beiderseitigen Rechtsirrtum); BGH, NJW 1986, 1348, 1349 (zum Vergleich nach § 779 BGB). 375 Vgl. BGH, NJW 1989, 289. 376 s. BGH, NJW 2001, 1204, 1205 m. weit. Nachw., vgl. ferner BGHZ 135, 333, 338; 129, 236, 252. 377 Vgl. z. B. BGH, NJW 2001, 1204, 1205 m. weit. Nachw. 378 Beispielhaft BGH, JZ 1978, 235, 236 – Ölkrise, hierzu und zu weit. Nachw. unten sub „(1) BGH-Urteil vom 8. 2. 1978 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise“, S. 479 ff. und „4. Erheblichkeit der Störung (Unzumutbarkeit)“, S. 491 ff.

D. „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“

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Aufwandserhöhungen.379 Daher war die Rechtsprechung sehr zurückhaltend und griff nur in ausgesprochenen Extremfällen helfend ein. Bei der Zumutbarkeit spielte insbesondere die Erkennbarkeit beziehungsweise Vorhersehbarkeit auf Seiten des Schuldners eine wesentliche Rolle. III. Rechtsfolge: Anpassung/Auflösung des Vertrags380 Als Rechtsfolge des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kam nach herrschender Ansicht381 im früheren Recht in erster Linie eine Anpassung des Vertrags an die veränderten Verhältnisse in Betracht; hingegen wurde die Auflösung des Vertrags als ultima ratio oder zumindest nachrangig angesehen.382 Während die Anpassung nach herrschender Auffassung kraft Gesetzes eintreten sollte, der Richter insoweit mithin nur rechtsfeststellend und nicht rechtsgestaltend tätig wurde,383 war zur Auflösung des Vertrags eine rechtsgestaltende Erklärung384 der hierzu berechtigten Partei erforderlich. Für den Fall einer möglichen Vertragsanpassung wurde zum Teil angenommen, die Parteien seien zu Neuverhandlungen verpflichtet.385 Das maßgebliche Kriterium für die Anpassung bildete die Zumutbarkeit. Es galt, einen optimalen Interessenausgleich der Parteien386 unter Berücksichtigung deren Vertragswillen387 anzustreben. Als Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung kam für die Fälle von Äquivalenzstörungen in erster Linie in Betracht, die Gegenleistung zu erhöhen. Vgl. etwa Emmerich, in: Grundlagen § 17 II 2 a (S. 456); Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 140 („Leistungserschwerungen“); Willoweit, JuS 1980, 833 und 840 („Aufwandsrisiko“). 380 Vgl. auch insoweit den Hinweis in Fn. 373 (S. 98). 381 Nach Medicus, BGB AT7 Rn. 878 die „ganz h. M.“ im alten Recht. 382 Grdl. RGZ 103, 328, 333 f. – Vigognespinnerei, ferner z. B. BGH, NJW 1976, 565, 567; 1984, 1746, 1747; aus der Literatur stellv. Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 130; MünchKomm/G. H. Roth (2001), § 242 Rn. 644, 646; Erman10 /Werner, § 242 Rn. 179 jew. m. weit. Nachw. 383 Vgl. etwa BGHZ 133, 281, 296 – Klimbim; BGH, NJW 1972, 152, 153; ebenso die überwiegende Literatur: RGRK/Alff, § 242 Rn. 88 („Akt der Rechtsfindung“); Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 130; Larenz/Wolf, BGB AT8 § 38 Rn. 44; MünchKomm/G. H. Roth (2001), § 242 Rn. 651, für eine richterliche Gestaltung hingegen z. B. Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 24 III (S. 49), ebenso bereits die 7. Aufl.: § 24 III (S. 45 f.) und auch noch BGH, NJW 1952, 137 f. 384 s. BGHZ 133, 316, 327 f. (keine ipso iure-Auflösung des Vertrags); BGH, DNotZ 1996, 636, 639. 385 Hierfür Horn, AcP 181 (1981), 255, 276 ff. (und 282 ff.); Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 ff., insb. 1068 ff.; abl. Martinek, AcP 198 (1998), 329, 332 f., 363 ff., 398 ff. 386 s. Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 131. 387 s. Jauernig9 /Vollkommer, § 242 Rn. 91 m. weit. Nachw. 379

100

§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

Das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde von Amts wegen berücksichtigt.388 IV. Dogmatische Einordnung Während das RG kurzzeitig die Fälle unzumutbarer Leistungserschwerung als „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ der wirklichen Unmöglichkeit (§ 275 BGB a. F.) gleichstellte, zum Teil auch auf die clausula rebus sic stantibus wie auch die Windscheid’sche Lehre von der Voraussetzung rekurrierte, gelangte das RG bereits 1922 zur Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre (§ 242 BGB). Diese Praxis wurde mit Billigung der herrschenden Lehre389 vom BGH in ständiger Rechtsprechung fortgeführt.390 Beim Fehlen beziehungsweise Wegfall der Geschäftsgrundlage handelte es sich um ein Rechtsinstitut für exzeptionelle Fallkonstellationen. Seine gesetzliche Grundlage fand es in den Geboten von Treu und Glauben, § 242 BGB.391

E. Bewertung der früheren Regelung Auf Grundlage der vorstehenden Darstellung, mit der bereits kritische Stellungnahmen einhergingen, kann nunmehr eine zusammenfassende Bewertung der früheren Regelung vorgenommen werden. Negativ fiel bei der früheren Regelung zunächst auf, dass für mehrere Streitfragen bis zuletzt, das heißt bis zur Verabschiedung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, kein einheitlicher Standpunkt gefunden werden konnte. Schwer wog, dass diese Kontroversen zu stark divergierenden Ergebnissen in der Sache führten und nicht lediglich Gegenstand akademischer Streitigkeiten waren. Beispielhaft seien insoweit die Diskussionen um das Verständnis des Unvermögensbegriffs (§ 275 Abs. 2 BGB a. F.) sowie das materiell-rechtliche Schicksal des Primäranspruchs im Falle der vom Schuldner zu vertretenden nachträglichen Unmöglichkeit genannt. Eine Ursache für diesen Befund könnte sein, dass die einschlägigen Regelungen im früheren BGB nicht mit der notwendigen Klarheit getroffen wurden.392 Wie ließe es sich sonst erklären, dass kein geringerer als Ulrich Huber einst vertretene Positionen nach Jahrzehnten aufgab, seine durch FehlinterpretatioZ. B. BGHZ 54, 145, 155, zu Einzelheiten Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 134. Vgl. die Nachw. in Fn. 371 (S. 97). 390 Auf die mietrechtliche Sonderbehandlung, hierzu z. B. BGH, NJW-RR 1991, 204 – Muldenkipper, wurde bereits oben hingewiesen, s. „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff. 391 Z. T. wurde angenommen, die Lehre von der Geschäftsgrundlage sei Gewohnheitsrecht, hierzu m. Nachw. Staudinger/J. Schmidt (1995), § 242 Rn. 957. 392 So bereits Rabel, RheinZ 3 (1911), 467, 470 (= Ges. Aufs. I S. 56, 59). 388 389

E. Bewertung der früheren Regelung

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nen bedingten Irrtümer ausdrücklich einräumte und fortan das kontradiktorische Gegenteil für richtig befand?393 Die in § 306 BGB a. F. angeordnete Vertragsnichtigkeit für Fälle anfänglicher (objektiver) Unmöglichkeit394 war seit jeher rechtspolitisch heftig umstritten.395 Es mangelte insoweit auch nicht an Versuchen, die ungewollte Konsequenz der Vertragsnichtigkeit beziehungsweise der für unzureichend gehaltenen Haftung auf das negative Interesse (§ 307 BGB a. F.) auszuhebeln. Hierzu wurden weit reichende Garantien des Schuldners angenommen, die nicht selten eher einer Fiktion nahe kamen als dem (vorgegebenen) Resultat einer Vertragsauslegung nach §§ 133, 157, 242 BGB. Negativ hervorgehoben werden muss darüber hinaus die frühere Tendenz, den Unmöglichkeitsbegriff mit Wertungskriterien anzureichern.396 Nicht nur die objektive Unerbringlichkeit, die sich nach den Naturgesetzen und der Logik feststellen ließ, sondern auch die so genannte „faktische Unmöglichkeit“, die der Sache nach eine Wertungsfrage aufwarf, wurde als (wirkliche) Unmöglichkeit angesehen beziehungsweise dieser gleichbehandelt. Vorzugswürdig wäre insoweit jedoch eine strikte Trennung zwischen der Behandlung wirklicher Unmöglichkeit einerseits und überwindbaren Leistungshindernissen andererseits, weil sich einerseits eine tatsächliche Frage und andererseits eine Wertungsfrage stellt.397 Wenig erfreulich war insoweit auch die Schwierigkeit einer Abgrenzung von „faktischer“ und „wirtschaftlicher Unmöglichkeit“,398 insbesondere da beide Fälle zu vollständig unterschiedlichen Rechtsfolgen führten: auf der einen Seite zu einer ipso iure-Befreiung von der Primärpflicht, auf der anderen Seite zur Anpassung des Ver393 Hierzu U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2140: „Zur Überheblichkeit habe ich umso weniger Anlass, als ich zwei von diesen Irrtümern [. . .] früher selbst geteilt und auch die Konsequenzen nicht voll durchschaut habe; und auch die Kritik, die ich früher an den gesetzlichen Regeln über die Unmöglichkeit geübt habe, hatte deshalb eher meine eigene Fehlinterpretation des Gesetzes zum Gegenstand als das Gesetz selbst.“; ders., in: Ernst/Zimmermann S. 31, 50 f., vgl. zu seinen früheren Standpunkten U. Huber, in: Gutachten I (1981), S. 647 ff., insb. 699 f., 757 f. und JZ 1974, 433 ff. Die Unklarheit der Regelung kann auch nicht ausgeräumt werden, wenn U. Huber später (in Bezug auf das BGB in seiner alten Fassung) meinte, „man erblickt eine vollkommen klare, im Rahmen des Möglichen präzise, widerspruchsfreie [. . .] Regelung“ (s. ZIP 2000, 2137, 2143), ähnl. auch Stürner, DNotZ 1993, Sonderheft, S. 105*; 112*, 113*; 115*. 394 Sowie die in § 307 BGB a. F. angeordnete Haftung auf das negative Interesse. 395 s. z. B. v. Wallenberg, ZRP 1994, 306, 307 ff. („verunglückt“, „Fremdkörper im Gesetz“), vgl. auch Schlechtriem, SBT5 Rn. 57, die durch das Gesetz getroffenen Differenzierungen hingegen rechtfertigend Stürner, DNotZ 1993, Sonderheft, S. 105*, 106*. 396 Hierzu oben „2. Wirkliche Unmöglichkeit und ‚faktische Unmöglichkeit‘“, S. 37 f. 397 Vgl. auch N. Fischer, Unmöglichkeit S. 132 f.

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

trags. Der Vorwurf einer mangelnden Unterscheidung von unüberwindbaren und überwindbaren Leistungshindernissen traf auch den in der Literatur postulierten engen Unvermögensbegriff im normativen Sinne, dem zufolge Unvermögen als unzumutbare Leistungsschwierigkeit verstanden wurde. Die insoweit praktizierte Normativierung des Unvermögensbegriffs vermochte auch deshalb kaum zu überzeugen, da dadurch Anwendungsfälle der Geschäftsgrundlagenlehre sowie Fälle unverhältnismäßigen Leistungsaufwands (Rechtsmissbrauchsfälle) in den Unvermögensbegriff inkorporiert wurden.399 Der von der herrschenden Meinung angenommene enge Unvermögensbegriff führte zu dem befremdlichen Ergebnis, dass der Vertragsschuldner überwindbare Leistungshindernisse bis zur Grenze der Unzumutbarkeit stets ausräumen musste, selbst wenn er diese nicht zu vertreten hatte. Für den Stückverkäufer bedeutete dies eine verschuldensunabhängige Beschaffungspflicht bis zur Grenze der Unzumutbarkeit,400 die zu Recht auf erhebliche Kritik stieß. Die im alten Recht praktizierte starke Differenzierung verschiedener Unmöglichkeitsarten (anfänglich – nachträglich, objektiv – subjektiv (Unvermögen), zu vertreten – nicht zu vertreten) war verbunden mit zum Teil schwerlich zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen: So hing die Wirksamkeit des Vertrags maßgeblich vom Zeitpunkt des Eintritts des Leistungshindernisses ab, namentlich davon, ob (objektive) Unmöglichkeit kurz vor oder nach Vertragsschluss eintrat: Verendete das verkaufte Pferd kurz nach Abschluss des Kaufvertrags durch einen Brand, so bestand ein wirksamer Kaufvertrag ohne Leistungsanspruch (§ 275 Abs. 1 BGB a. F.) und der Verkäufer war, wenn er den Brand zu vertreten hatte, zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung (positives Interesse) nach § 325 Abs. 1 BGB a. F. verpflichtet. Passierte der Brand hingegen kurz vor Abschluss des Vertrags, so war dieser nach § 306 BGB a. F. nichtig und der Verkäufer, wenn er von dem Brand wusste oder wissen musste401, gemäß § 307 Abs. 1 BGB a. F. zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet. Im Falle des Unvermögens hingen Bestand des Erfüllungsanspruchs sowie Voraussetzungen einer Schadensersatzhaftung ebenso vom zeitlichen Eintritt ab: Bei anfänglichem Unvermögen sollte der Erfüllungsanspruch nach herr398 Oftmals wurde insoweit nicht ohne eine gewisse Resignation festgestellt, dass letztlich nur eine graduelle Unterscheidung möglich sei, vgl. Demmer, Haftung für ursprüngliches Unvermögen S. 71, zum Quantitätsaspekt Medicus, SAT12 Rn. 370. 399 Hierzu oben bei und mit Fn. 221 (S. 69). 400 Hierzu oben „(2) Enger Unvermögensbegriff – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens (Herrschende Meinung)“, S. 67 ff. 401 Wenn er von dem Brand infolge Fahrlässigkeit nichts wusste, vgl. § 122 Abs. 2 BGB.

E. Bewertung der früheren Regelung

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schender Ansicht ungeachtet des Unvermögens grundsätzlich bestehen402 und der Verkäufer einer Garantiehaftung auf das positive Interesse unterliegen. Im Falle nachträglichen Unvermögens hingegen erlosch der Erfüllungsanspruch (§ 275 BGB a. F.), eine Haftung auf das positive Interesse war nach §§ 325 Abs. 1, 275 Abs. 2 BGB a. F. überdies nur für das vom Schuldner zu vertretende Unvermögen vorgesehen. Damit hingen das „ob“ und das „wie“ der Schadensersatzhaftung vom Zufall ab, nämlich davon, ob das Leistungshindernis kurz vor oder kurz nach Vertragsschluss eintrat; Zweifel wurden auch hinsichtlich der Beweisbarkeit des Eintrittszeitpunkts geäußert. Wenig zu überzeugen vermochte auch die Unterscheidung zwischen anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglichem Unvermögen: Verbrannte beispielsweise das Gemälde des Verkäufers vor Vertragsschluss, war der Kaufvertrag wegen anfänglicher (objektiver) Unmöglichkeit nichtig (§ 306 BGB a. F.) und es kam lediglich eine Schadensersatzhaftung auf das negative Interesse in Betracht. Wurde dem Verkäufer das Gemälde hingegen vor Vertragsschluss gestohlen und war nicht mehr auffindbar (anfängliches Unvermögen), so war der Kaufvertrag wirksam. Nach herrschender Ansicht konnte der Käufer Erfüllung und unabhängig von einem Verkäuferverschulden auch Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses verlangen. Voraussetzungen und Inhalt der Schadensersatzhaftung unterschieden sich damit grundlegend, je nachdem, ob die Leistung vor Vertragsschluss (objektiv) unmöglich war oder nur Unvermögen des Schuldners vorlag. Diese Unterscheidung stieß weitgehend auf Unverständnis.403 Selbst wenn man von dem unerfreulichen Umstand absieht, dass der Unvermögensbegriff bis zur Verabschiedung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes heftig umstritten war, schien selbst innerhalb der Rechtsprechung kein einheitliches Begriffsverständnis vorzuherrschen. So wurde nachträgliches Unvermögen eng verstanden, um bei angenommener Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens eine uferlose Schuldnerbefreiung zu verhindern, während anfängliches Unvermögen weit verstanden wurde, aber nach Mei402

s. oben „Ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre“, S. 82 ff. Die sich daraus an sich ergebende Konsequenz wollten manche Autoren zumindest im Diebstahlsfalle verhindern (statt vieler U. Huber, LS I § 22 II mit Fn. 36 (S. 534); ders., LS II § 59 III (S. 829) m. weit. Nachw.; ausf. ders., FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 272 ff.; Staudinger/Löwisch (2001), § 306 aF Rn. 32; a. A. BGHZ 8, 222, 231), indem sie den vorliegenden Unvermögensfall (Der Dieb hätte die Sache zurückgewähren können, der Schuldner also unter Mitwirkung des Dritten leisten können; für Unvermögen bereits Biermann, AcP 91 (191), 73, 85, a. A. H. A. Fischer, Unmöglichkeitslehre S. 19.) der objektiven Unmöglichkeit gleichstellten, wenn nicht gar objektive Unmöglichkeit bejahten, um dadurch die für diesen Fall als unangemessen empfundene Garantiehaftung für anfängliches Unvermögen mittels Anwendung der §§ 306, 307 BGB a. F. abzuwenden. 403

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§ 2 Grundzüge der alten Rechtslage

nung des BGH für den Bestand des Erfüllungsanspruchs unbeachtlich war.404 Um gleichzeitig aber den beiden Funktionen des Unvermögens, einerseits der Befreiungsfunktion (§ 275 BGB a. F.) und andererseits der haftungsbegründenden405 Funktion (§§ 280, 325, 275 Abs. 2 BGB a. F.) gerecht zu werden, weitete die Rechtsprechung ihren (auf Erfüllungsebene) eng verstandenen Begriff nachträglichen Unvermögens mittels entsprechender Vermutungsregeln im Prozess faktisch wieder aus: Bereits die Weiterveräußerung des Leistungsgegenstands durch den Schuldner sollte dessen Unvermögen indizieren, soweit es um seine Pflicht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung ging, während diese Indikation im Falle der Erfüllungsklage nicht angenommen wurde. Die gesetzlich ausdrücklich geregelten Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten in §§ 275, 306 BGB a. F. bedurften im früheren Recht der Ergänzung durch zwei weitere Grenzen: dem Rechtsmissbrauchsverbot und der Geschäftsgrundlagenlehre. Ein Ausschluss des Erfüllungsverlangens bei unverhältnismäßigen, dem Schuldner unzumutbaren Aufwendungen wegen dann vorliegenden Rechtsmissbrauchs kam nur in ausgesprochenen Extremfällen in Betracht. Auch das früher nicht kodifizierte Rechtsinstitut des Fehlens beziehungsweise Wegfalls der Geschäftsgrundlage wurde von der Rechtsprechung nur in sehr seltenen Fällen (so genannte „wirtschaftliche Unmöglichkeit“) zur Anwendung gebracht; in aller Regel wurde dem Sachleistungsschuldner das von ihm zu tragende Risiko von Leistungserschwerungen nicht abgenommen. Nur in Ausnahmefällen griffen die Gerichte durch Vertragsanpassung beziehungsweise Gewährung eines außerordentlichen Rücktrittsrechts (das zur Vertragsauflösung führte) helfend ein. In der Praxis spielten die außerhalb von §§ 275, 306 BGB a. F. bestehenden Pflichtgrenzen keine erhebliche Rolle; damit sollte dem Richter nur in Extremfällen die Möglichkeit geboten werden, den Schuldner von der Primärleistungspflicht befreien zu können. Als Fazit zum früheren Recht kann festgehalten werden, dass der Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten eine sehr komplexe und teils überdifferenzierte Regelung zugrunde lag, die zudem erheblichen Auslegungsschwierigkeiten unterlag. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Regelung aufgrund der herrschenden Meinung zum Teil erhebliche Unstimmigkeiten aufwies, in mancherlei Hinsicht befremdliche Ergebnisse hervorbrachte und daher zu Recht heftiger Kritik aus dem Schrifttum ausgesetzt war. 404

Gleichzeitig konnte damit die Sekundärhaftung (Schadensersatz wegen Nichterfüllung) auf das weit verstandene Unvermögen gestützt werden. 405 Vgl. demgegenüber zur Annahme einer Umschaltfunktion des Unvermögens Rödl, Die Spannung der Schuld S. 64 f., 99.

§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform Im Folgenden werden die Reformbestrebungen, die Ende der 1970er Jahre ihren Anfang nahmen, insoweit behandelt, als sie im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. In einem ersten Schritt erfolgt ein historischer Abriss der Schuldrechtsreform, die ihren Schlusspunkt in dem „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ vom 26. 11. 2001 gefunden hat (sub A.). Anschließend werden die in den einzelnen Reformentwürfen vorgeschlagenen Regelungen zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten kurz untersucht und gewürdigt (sub B.).

A. Historischer Abriss1 I. Die Gutachten (1981/1983) und der im Abschlussbericht von 1991 veröffentlichte Entwurf der Schuldrechtskommission Die Ursprünge des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes reichen weit zurück. Das Projekt einer Schuldrechtsreform wurde bereits am 25. 1. 1978 vom damaligen Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel im Deutschen Bundestag2 angesprochen und dann auf dem 52. Deutschen Juristentag in Wiesbaden vom 19. bis 22. 9. 1978 vorgestellt. Unter der Federführung des Bundesjustizministeriums wurden in der Folgezeit wissenschaftliche Gutachten namhafter Rechtswissenschaftler eingeholt, die 1981 und 1983 veröffentlicht wurden.3 Besonders zu erwähnen sind dabei die Gutachten zum Leistungs1 Vgl. hierzu vor allem Canaris, Schuldrechtsreform S. IX–XI; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring Einführung S. 1–5; Eckert, in: Eckert/Delbrück S. 9 ff.; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 1 ff.; ausf. MünchKomm/ Ernst (2003), Vor § 275 Rn. 2–7; Heinrichs, FS Schlechtriem S. 503 ff.; Palandt63 / Heinrichs, Einleitung Rn. 13–19; S. Lorenz, Einführung BGB 2002, S. IX–XI. Haas/ Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Rolland, Kap. 1 Rn. 1 ff.; Zimmermann, JZ 2001, 171, 176 ff.; ders., in: Ernst/Zimmermann S. 1, 13 ff.; vgl. auch Abschlußbericht S. 13–16. 2 Vgl. Plenarprotokoll der 68. Sitzung des Bundestags am 25. 1. 1978, Protokoll BT 8/68, S. 5390 (D). Zu der dort erklärten Absicht, die zahlreichen Sondergesetze wieder ins BGB „zurückzuholen“, vgl. auch Schmude, NJW 1982, 2017 ff., insb. 2019 f.; Schwark, JZ 1980, 741 ff., insb. 744 f. 3 Es handelte sich um 24 Gutachten, die (nahezu) das gesamte Schuldrecht behandelten und in drei Bänden erschienen sind: Band I und II (1981) sowie Band III (1983), herausgegeben vom Bundesminister der Justiz (Jürgen Schmude), vgl. zu

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§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform

störungs- und Kaufrecht von Ulrich Huber.4 Im Anschluss an die Veröffentlichung der Gutachten hat der damalige Bundesjustizminister Hans A. Engelhard die Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts (im Folgenden: Schuldrechtskommission) einberufen, die sich am 2. 2. 1984 konstituiert hat.5 Die Schuldrechtskommission, ausgestattet mit einem gegenüber dem ursprünglichen Reformvorhaben stark eingeschränkten Auftrag,6 hat in der Folge einen Gesetzesvorschlag entwickelt (im Folgenden: Kommissionsentwurf )7 den einzelnen Themen auch Zimmermann, in: Ernst/Zimmermann S. 1, 13 mit Fn. 92. Die Gutachten wurden auf zwei Tagungen der Zivilrechtslehrervereinigung, 1981 in Bamberg (hierzu die in AcP 182 (1982), 80–100 (A. Wolf ) und 101–125 (Diederichsen) wiedergegebenen Referate) und 1983 in Stuttgart (hierzu AcP 183 (1983), 327–366 (Lieb); 369–520 (E. Picker); 525–561 (Vollkommer); 568–602 (Leser); 608–720 (Hopt) nebst Diskussionsberichten), besprochen, vgl. zum Leistungsstörungsrecht Vollkommer, AcP 183 (1983), 525 ff., insb. 542 f. Vgl. darüber hinaus die Beiträge von Schmude, Heinrichs, W. B. Schünemann, Lieb, U. Hübner und Denck, in Heft 37/1982 der NJW (S. 2017–2056). 4 U. Huber, in: Gutachten I, S. 647–909 (Leistungsstörungen) und S. 911–949 (Kaufrecht). Vgl. zur Kritik Diederichsen, AcP 182 (1982), 101 ff., insb. 117 ff. (zur Unmöglichkeit und zur Kategorie der „Nichterfüllung“); H. H. Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, 1985 (s. zum vorliegend interessierenden Kontext S. 38–45), hierzu die Rezensionen von Medicus (AcP 186 (1986), 268 ff., insb. 278 f.) und Emmerich (NJW 1986, 2303 f.). Daneben sei noch das Gutachten von Horn erwähnt, das sich unter anderem mit der Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre befasste, in: Gutachten I S. 551, 576 ff., 626 ff.; hierzu Diederichsen, AcP 182 (1982), 101, 107 ff. Krit. und teils abl. gegenüber einer Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre hingegen U. Huber, in: Gutachten I, S. 747 ff., insb. 751. 5 s. Abschlußbericht S. 14. Mitglieder der Schuldrechtskommission waren die Folgenden (s. Abschlußbericht S. 14 f.): Ministerialdirektor Dr. Günther SchmidtRäntsch (als Vorsitzender bis zur 9. Sitzung), Ministerialdirektor Dr. Walter Rolland (als Vorsitzender ab der 10. Sitzung), Notar Prof. Dr. Günter Brambring, Prof. Dr. Uwe Diederichsen, Ministerialrat Dr. Lothar Haas, Präsident des Oberlandesgerichts Prof. Dr. Helmut Heinrichs, Richter am Oberlandesgericht Dr. Wolfgang Henrich, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Horst-Diether Hensen, Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts Dr. Gerhard Herbst, Leitender Ministerialrat a. D. Dr. Jürgen Jürgensen, Prof. Dr. Hein Kötz, Präsident des Landgerichts a. D. Rudolf Kuck, Prof. Dr. Dieter Medicus, Ministerialdirigent Dr. Rolf Meyer ter Vehn, Rechtsanwalt Dr. Dieter Rabe, Prof. Dr. Peter Schlechtriem, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Alfred Walchshöfer (bis zur 19. Sitzung). Vgl. zu den Aufgaben der Kommission Abschlußbericht S. 15 f. sowie Engelhard, NJW 1984, 1201 ff., dort auch zur Notwendigkeit der Reform; dezidiert gegen ein Neuordnung des Schuldrechts E. Wolf, ZRP 1982, 1 ff. 6 Vgl. zu dem ursprünglich erheblich ehrgeizigeren Reformziel Gutachten I S. XI ff. und Heinrichs, Abschied vom BGB S. 4 f. So sahen die Gutachten von 1981/1983 z. B. noch die Reform des Rechts der gesetzlichen Schuldverhältnisse vor, anders aber dann der Auftrag der Schuldrechtskommission von 1984, s. Abschlußbericht S. 15 und Heinrichs, Abschied vom BGB S. 5 f. 7 Im Folgenden in Verbindung mit Paragrafenangaben KommE. Abgedr. im Abschlußbericht ( passim) sowie in Auszügen unten im Anh. sub A. III.

A. Historischer Abriss

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und 1991 einen Abschlussbericht vorgelegt. Der „Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts“ wurde von dem zu dieser Zeit amtierenden Bundesjustizminister Klaus Kinkel 1992 veröffentlicht (im Folgenden: Abschlussbericht). Auf dem 60. Deutschen Juristentag in Münster vom 20. bis 23. 9. 1994 wurde der Kommissionsentwurf von der zivilrechtlichen Abteilung beraten.8 Die Resonanz auf diesen Entwurf war geteilt: Teils wurde er positiv gewertet,9 teils stieß er auf harte Kritik und mitunter auch kategorische Ablehnung.10 Das Projekt wurde nicht weiter verfolgt, es versank rechtspolitisch in eine Art „Dornröschenschlaf“.11 II. Der Streit um die „große“ Lösung in Gestalt des (konsolidierten) Diskussionsentwurfs (2000/2001) Erst mehrere Jahre später, im August 2000, wurde die Idee einer Schuldrechtsreform durch die Bundesregierung wieder aufgenommen. Das Bundesjustizministerium präsentierte am 4. 8. 2000 relativ überraschend12 den „Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes“ (im Folgenden: Diskussionsentwurf )13. Der Entwurf gründete im Bereich des LeisVgl. zum Kommissionsentwurf die Beiträge der Mitglieder der Schuldrechtskommission Rolland, Medicus, Haas, Rabe in Heft 38/1992 der NJW (S. 2377 bis 2400); Brambring, DNotZ 1992, 691 ff.; ders., DNotZ 1993, Sonderheft, S. 77* ff.; Heinrichs, Abschied vom BGB und Schlechtriem, ZEuP 1993, 217 ff. 8 Hierzu die Referate (mit Thesen) von Kötz, Brüggemeier, Joussen, 60. DJT (1994), S. K. 9–28; K 29–46; K 47–102. Vgl. zum Tagungsverlauf auch NJW 1994, 3069 f. 9 So von der Mehrheit der Teilnehmer des 60. DJT (s. NJW 1994, 3069, 3070), s. hierzu den vom 60. DJT gefassten Beschluss I. 1., dem zufolge die geplante Schuldrechtsreform grds. wünschenswert sei (angenommen mit 101 : 10 : 3 Stimmen, abgedr. in: DJT 1994, S. K 103 und NJW 1994, 3075). Vgl. auch Heinrichs, Abschied vom BGB S. 3, 35, der vor diesem Hintergrund die Beurteilung Emmerichs (s. NJW 1986, 2303, 2304), der zufolge H. H. Jakobs „[m]it seiner scharfen Ablehnung aller Vorschläge zu einer Änderung des BGB [. . .] sicher auf nahezu einhellige Zustimmung in der juristischen Öffentlichkeit stoßen“ wird, als Irrtum einstufte, s. Heinrichs, Abschied vom BGB S. 3. 10 s. etwa Schapp, JZ 1993, 637, 638 ff.; Ernst, NJW 1994, 2177 ff.; ders., JZ 1994, 801 ff.; Flume, ZIP 1994, 1497 ff.; Stürner, NJW 1994, Beil. zu Heft 25, S. 2* ff. Vgl. auch Kriechbaum, JZ 1993, 642 ff., zur Kritik im Kontext der Umsetzung der VerbrGüterkauf-RL Ehmann/Rust, JZ 1999, 853 ff. 11 So die Formulierung von S. Lorenz, Einführung BGB 2002, S. X. Zu Hintergründen s. Ernst, in: Das ABGB auf dem Weg in das 3. Jahrtausend S. 85, 87 und sogleich noch im Text. 12 Zimmermann (JZ 2001, 171, 177; ders., in: Ernst/Zimmermann S. 1, 16) sprach von einem „Paukenschlag“. 13 In Verbindung mit Paragrafenangaben im Folgenden DiskE. Abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 3–347; s. zu den relevanten Regelungsvorschlägen auch unten im Anh. sub A. IV. s. zum Diskussionsentwurf Krebs, DB 2000, Beil. zu

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tungsstörungsrechts auf den Vorschlägen der Schuldrechtskommission und enthielt nahezu wortgleich deren Begründungen. Anlass dieser Wiederbelebung des ins Stocken geratenen Reformprozesses war die Notwendigkeit der bevorstehenden Umsetzung von EU-Richtlinien, namentlich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie14, der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr („E-Commerce“-Richtlinie)15 sowie der Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr16. Während Verfechter der so genannten „kleinen“ Lösung17 eine Transformation der benannten Richtlinien ins nationale Recht durch punktuelle Änderungen im BGB18 favorisierten, wollten die Vertreter der so genannten „großen“ Lösung19 die Notwendigkeit der rechtzeitigen Richtlinienumsetzung zum Anlass20 nehmen, das BGB durch eine grundlegende Reform zu „modernisieren“. Heft 48, S. 1 ff.; Pick, in: Schulze/Schulte-Nölke S. 25 ff.; Wieser, NJW 2001, 121 ff.; Willingmann/Hirse, VuR 2001, 99 ff. 14 RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 5. 1999 (ABl. EG L 171/12 vom 7. 7. 1999), die bis zum 1. 1. 2002 umzusetzen war. 15 RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. 6. 2000 (ABl. EG L 178/1 vom 17. 7. 2000), die bis zum 16. 1. 2002 umgesetzt werden musste. 16 RL 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 6. 2000 (ABl. EG L 200/35 vom 8. 8. 2000), die es bis zum 7. 8. 2002 umzusetzen galt. Bereits zuvor (am 1. 5. 2000) trat das „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ mit seinem wenig geglückten § 284 Abs. 3 BGB a. F. in Kraft, hierzu z. B. Ernst, ZEuP 2000, 767 ff.; Gsell, ZIP 2000, 1861, 1862 ff.; Pahlow, JuS 2001, 236 ff. jew. m. weit. Nachw. 17 So etwa Altmeppen, DB 2001, 1131 ff.; 1399 ff.; 1821 ff.; Dauner-Lieb, JZ 2001, 8, 15 ff., insb. 18; dies., DStR 2001, 1572, 1574 ff.; Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410 ff. – mit einem Gesetzentwurf für eine „kleine“ Lösung zur Umsetzung der VerbrGüterkauf-RL (dagegen J. Schmidt-Räntsch, ZIP 2000, 1639 ff., zur Erwiderung von Ernst/Gsell, s. dies., ZIP 2000, 1812 ff.); Gsell, JZ 2001, 65, 75; Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 553 und 556, 558; Staudinger/Hj. Otto (2001), Vorbem zu §§ 323–327 aF Rn. 46; J. Wilhelm, JZ 2001, 861 ff.; Zimmer, in: Ernst/Zimmermann S. 191, 204. Vgl. auch bereits U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2146 ff./2150 f.; ders., ZIP 2000, 2273, 2282 ff. 18 Welche sich indes nicht auf eine Minimalumsetzung („Eins-zu-eins-Umsetzung“) beschränkten, vgl. dazu Zimmer, in: Ernst/Zimmermann S. 191, 204 sowie Schlechtriem, in: Ernst/Zimmermann S. 205 (Erlass eines Verbrauchsgüterkaufsgesetzes außerhalb des BGB als „kleinste“ Lösung). 19 Für sie vor allem die damalige Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, s. dies., NJW 2001, 2281 ff., insb. 2286 ff. Aus dem Schrifttum vgl. statt vieler Canaris, JZ 2001, 499, 524; ders., DB 2001, 1815, 1821; Heldrich, NJW 2001, 2521, 2523; ferner Willingmann/Hirse, VuR 2001, 99, 107; vgl. auch H. P. Westermann, JZ 2001, 530, 539. 20 Gegner der „großen“ Lösung könnten es auch als Vorwand bezeichnen. Einigkeit bestand jedenfalls darüber, dass der vorgeschlagene DiskE bei weitem über die

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In der Rechtswissenschaft wurde der Diskussionsentwurf kontrovers diskutiert.21 Auf einem von den Professoren Wolfgang Ernst und Reinhard Zimmermann veranstalteten Symposium22 in Regensburg im November 2000 hat der Entwurf zum Teil heftige Kritik erfahren.23 Namentlich Ulrich Huber24 kritisierte in seinem Referat das im Diskussionsentwurf vorgeschlagene Leistungsstörungsrecht auf das Schärfste. Er hielt die Bestimmungen des Entwurfs, die die Regeln des alten BGB über die Unmöglichkeit ersetzen sollten, für „undurchdacht, unausgereift und uneuropäisch in einem Ausmaß, daß sie als Grundlage eines Gesetzgebungsverfahrens ungeeignet sind“.25 Auf einer weiteren Tagung, die in Münster im Januar 2001 stattfand und von den Professoren Reiner Schulze und Hans Schulte-Nölke initiiert wurde,26 begegnete der Diskussionsentwurf abermals Kritik. Notwendigkeiten der Richtlinienumsetzung hinausging, vgl. Krebs, DB 2000, Beil. zu Heft 48, S. 1, 27; Wetzel, ZRP 2001, 117, 118 f.; Zimmer, in: Ernst/Zimmermann S. 191, 192 f. 21 Krit. J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 230 ff.; Ernst, ZRP 2001, 1 ff., insb. 8 ff., positiv bewertend hingegen Anders, ZIP 2001, 184 ff. Vgl. zur Auseinandersetzung mit dem Kommissionsentwurf und Diskussionsentwurf auch die von Horst Ehmann betreuten Dissertationen (hierzu den Genannten in: Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 7 mit Fn. 38): Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung, 2001, § 6 (S. 163–201); Rödl, Die Spannung der Schuld, 2002, § 4 (S. 100–131) und § 5 (S. 133 f.); Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung im Schuldverhältnis, 2001, § 5 (S. 86–120), § 6 (S. 120–155), § 13 (S. 263–311) und passim. Ferner auch Wahl, Schuldnerverzug, 1998, passim. 22 Titel: „Schuldrechtsmodernisierung 2001“, s. Vorwort in: Ernst/Zimmermann S. V. 23 Vgl. hierzu die auf dem Symposium gehaltenen Vorträge nebst Diskussionsberichten in Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, sowie die Tagungsberichte von Gsell/Rüfner (in: NJW 2001, 424–426), H. H. Jakobs (in: JZ 2001, 27–30), M. Schwab (in: JuS 2001, 311 f.) und Vogenauer (in: ZEuP 2001, 409–411). 24 Hierzu der Beitrag von U. Huber (in: Ernst/Zimmermann S. 31–183), (der die Unmöglichkeit behandelnde Teil ist in gekürzter Form auch in ZIP 2000, 2137–2151 erschienen). Vgl. zum Referat von Ulrich Huber den Diskussionsbericht von S. Meier, in: Ernst/Zimmermann, S. 185–189. Vgl. zur Kodifikation der Geschäftsgrundlagenlehre Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, S. 305 ff., insb. 321 ff. 25 U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, S. 31, 90; ders., ZIP 2000, 2137, 2151, versöhnlicher – nach den „im letzten Stadium der Beratungen doch noch [erfolgten] erhebliche[n] Verbesserungen“ – in jüngster Zeit ders. in der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2005, s. Karlsruher Forum 2005, S. 204. 26 Hierzu die Referate in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, namentlich diejenigen von Canaris („Zur Bedeutung der Kategorie der ‚Unmöglichkeit‘ für das Recht der Leistungsstörungen“, S. 43–66) und H. P. Westermann („Kaufrecht im Wandel“, S. 109–129). Einen Tagungsbericht erstatteten Markus Artz, in NJW 2001, 1703 f. und Mathias Link, in JZ 2001, 453 f.

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Wohl auch angesichts der heftigen Angriffe aus dem Lager der Rechtswissenschaftler setzte die damalige Bundesjustizministerin Herta DäublerGmelin Ende Dezember 2000 eine Kommission zur Überarbeitung des Leistungsstörungsrechts (kurz: Kommission Leistungsstörungsrecht)27 ein,28 die ihre konstituierende Sitzung am 17. 1. 2001 hatte. Bereits am 2. und 3. 3. 2001 fasste sie ihre abschließenden Beschlüsse.29 Der Auftrag an diese Kommission lautete auf die Überarbeitung der im Diskussionsentwurf enthaltenen Vorschriften des Leistungsstörungsrechts.30 Detaillierte Informationen über die Arbeit der Kommission Leistungsstörungsrecht existieren bislang leider nicht.31 Dies ist gerade deshalb misslich und nicht gerade förderlich für die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens,32 da die hier zu untersuchende Materie durch die Konsolidierung des Diskussionsentwurfs so grundlegend geändert wurde, dass man zumindest insoweit von einem Neubeginn der Reform sprechen kann.33 Parallel zur Kommission Leistungsstörungsrecht wurde das Reformprojekt in einer „Bund-Länder-Arbeitsgruppe“ diskutiert, die am 15./16. 1. 2001 erstmals zusammentrat und de27

Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), Vor § 275 Rn. 5. Mitglieder der Kommission Leistungsstörungsrecht waren (s. hierzu Canaris, JZ 2001, 499 mit Fn. 1; ders., Schuldrechtsreform S. X mit Fn. 8): Ministerialdirektor a. D. Prof. Dr. Walter Rolland (Vorsitzender), Prof. Dr. Günter Brambring, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. ClausWilhelm Canaris, Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Prof. Dr. Wolfgang Ernst, Prof. Dr. Barbara Grunewald, Leitender Ministerialrat Dr. Lothar Haas, Präsident des OLG Bremen a. D. Prof. Dr. h.c. Helmut Heinrichs, Prof. Dr. Andreas Heldrich, Prof. Dr. Horst Konzen, Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Medicus, Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Schlechtriem, Prof. Dr. Arndt Teichmann, Prof Dr. Harm Peter Westermann. 28 Vgl. auch Eckert, in: Eckert/Delbrück S. 9, 12; Heinrichs, FS Schlechtriem S. 503, 504. 29 s. Canaris, JZ 2001, 499. Die Abschlusssitzung fand am 29. 8. 2001 statt (s. Canaris, Schuldrechtsreform S. IX). 30 s. Canaris, JZ 2001, 499. 31 So wurde ich anlässlich einer diesbezüglichen Anfrage beim BMJ vom 24. 9. 2003 mit Antwort vom 16. 10. 2003 auf die im Internet abrufbaren Gesetzesmaterialien (insb. die einschlägigen BT-Drucks.) sowie den Beitrag von Canaris, in: ZRP 2001, 329–336 verwiesen; weitere Informationen wurden mir nicht erteilt. 32 Ähnl. Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 35 bei Fn. 91 hinsichtlich der Arbeit der Schuldrechtskommission (vgl. hierzu Schlechtriem, Schuldrechtsreform S. 19 mit Fn. 21). s. auch die Kritik an den „Kurzanmerkungen“ zu einigen Vorschriften des KonsDiskE Ernst, WM 2001, 728. Krit. auch jüngst E. Picker, FS Konzen S. 687, 693 mit Fn. 14. 33 Zumindest wurde in den späteren Gesetzentwurf eine ausführliche Begründung zum neu geschaffenen § 275 aufgenommen, s. die Begründung des „Entwurf[s] eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“ (im Folgenden: Entwurfsbegründung oder Gesetzesbegründung), BT-Drucks. 14/6040, S. 126–131 (auszugsweise abgedr. im Anh. sub B.), die inhaltlich z. T. übereinstimmt mit den Ausführungen von Canaris (in: JZ 2001, 499 bis 505), der der Kommission Leistungsstörungsrecht angehörte.

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ren Abschlusssitzung am 11. 9. 2001 stattfand.34 Im Wesentlichen auf die Arbeiten der Kommission Leistungsstörungsrecht ging die vom Bundesjustizministerium vorgelegte „Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes“35 (im Folgenden: der konsolidierte Diskussionsentwurf, kurz: KonsDiskE)36 vom 6. 3. 2001 zurück. Das Bundesjustizministerium machte sich die von der Kommission Leistungsstörungsrecht am 2./3. 3. 2001 verabschiedeten Vorschläge ausdrücklich zu Eigen.37 Im Hinblick auf das Verjährungsrecht veröffentlichte das Bundesjustizministerium eine Neufassung des DiskE.38 Wenig später, am 30./31. 3. 2001, war der KonsDiskE Gegenstand der Berliner Sondertagung „Schuldrechtsmodernisierung“ der Zivilrechtslehrervereinigung,39 auf der der Entwurf heftig diskutiert wurde.40 Auch in der Folgezeit waren der KonsDiskE (wie auch der spätere Gesetzentwurf) star34 An deren Sitzungen nahmen neben Vertretern des Bundesjustizministeriums Fachbeamte anderer betroffener Ministerien und der Landesjustizministerien sowie Richter und Rechtswissenschaftler teil (s. Canaris, Schuldrechtsreform S. X mit Fn. 9 und 10). 35 Weiter heißt der Titel: „auf der Grundlage des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, der hierzu vorliegenden Stellungnahmen und der Ergebnisse der Beratungen der Arbeitsgemeinschaften zu den einzelnen Komplexen und der Kommission Leistungsstörungsrecht“, in Auszügen abgedr. bei: Canaris, Schuldrechtsreform S. 349–419. 36 In Verbindung mit Paragrafenangaben im Folgenden KonsF, s. die vorliegend relevanten Texte des KonsDiskE unten im Anh. sub A. V. 37 Vgl. die erste Seite des KonsDiskE (dort letzter Satz des ersten Absatzes, der mit „Grundlage“ überschrieben ist), abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 349. 38 Diese Neufassung ging im Wesentlichen auf die Beratungen der vornehmlich mit dem Verjährungsrecht befassten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zurück (dazu bereits oben in Fn. 34 [S. 111]), sie datiert vom 22. 3. 2001, abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 421–426. 39 Vgl. die Beiträge von Wulf-Henning Roth, Peter Ulmer, Claus-Wilhelm Canaris, Harm Peter Westermann, Herbert Roth und Detlef Leenen, in Heft 10/2001 der JZ (S. 473–561 mit Diskussionsberichten) und den kurzen Bericht zur Tagung von Heinrich Honsell, dem damaligen Vorsitzenden der Zivilrechtslehrervereinigung, in: JZ 2001, 473. Im hier interessierenden Kontext ist der mehrstündige Vortrag von Canaris hervorzuheben (in schriftlicher Fassung: „Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen“, in: JZ 2001, 499 bis 524), dessen anschließende nicht ohne Vehemenz geführte Diskussion von Langenbucher (JZ 2001, 528–530) dokumentiert ist. Vgl. zu der Berliner Tagung auch den Artikel „Umbau eines Heiligtums – Professoren warnen vor Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches“ von Dr. Heribert Prantl, in: Süddeutsche Zeitung vom 2. 4. 2001, Titelseite. 40 Vgl. Heldrich, NJW 2001, 2521, 2522: „Die mitunter sehr emotional geführte Auseinandersetzung erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt auf der Berliner Sondertagung [. . .] Ganz offensichtlich verspürten einige Redner das Bedürfnis, ihrem Ärger Luft zu machen.“.

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ker Kritik aus der Wissenschaft ausgesetzt.41 Teils wurde von den Kritikern beinahe eine Art juristische Weltuntergangsstimmung heraufbeschworen,42 wenn etwa Holger Altmeppen einen leichtfertigen Bruch „mit den auf alter Rechtsweisheit beruhenden Grundregeln“ beklagte und auf den „seit Jahrtausenden“ herangezogenen Garantiegedanken für die Haftung des Schuldners bei anfänglichem Unvermögen verwies43. Die Diskussion wurde in Einzelfällen auch mit persönlichen Angriffen geführt: So formulierte Altmeppen im Kontext des § 311a Abs. 2 RegE den Vorwurf: „Offensichtlich wurden die Probleme geistig nicht durchdrungen“44. Die Passauer Professoren Holger Altmeppen und Jan Wilhelm, entschiedene Gegner einer großen Reform, initiierten eine „Gemeinsame Erklärung der Zivilrechtslehrer“45, in der sich zeitweilig 258 Zivilrechtslehrer gegen eine „große“ Lösung aussprachen.46 Vielfach wurde angesichts des enormen Zeitdrucks eindringlich vor der großen Reform gewarnt und inständig für eine „kleine“ Lösung geworben.47 Der entstandene Zeitdruck ergab sich dabei allein aus einer politischen Ent41

Vgl. z. B. Altmeppen, DB 2001, 1131 ff.; 1399 ff.; 1821 ff. (in Auseinandersetzung mit Canaris, DB 2001, 1815 ff.); Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz, Anmerkungen zum KonsDiskE (Internetpublikation); Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 ff.; Hammen, WM 2001, 1357 ff.; R. Knütel, NJW 2001, 2519 ff.; Wetzel, ZRP 2001, 117 ff.; Schapp, JZ 2001, 583 ff. Für den Entwurf traten hingegen ein: Canaris, JZ 2001, 499, 524; ders., DB 2001, 1815, 1821; ders., ZRP 2001, 329 ff., insb. 334; Heldrich, NJW 2001, 2521 ff.; S. Lorenz, JZ 2001, 742 ff.; A. Teichmann, BB 2001, 1485, 1492, speziell für das Werkvertragsrecht H. Roth, JZ 2001, 543, 545, 551. 42 Eckert (in: Eckert/Delbrück S. 9, 14) sah sich beim Streit um die „große“ Lösung stellenweise an einen „Glauben[s]krieg zwischen ‚Modernisierern‘ und ‚Verweigerern‘“ erinnert. 43 Altmeppen, DB 2001, 1399, 1402. 44 s. Altmeppen, DB 2001, 1399, 1400, dagegen Canaris, DB 2001, 1815, 1818 bei Fn. 29. 45 Vgl. hierzu auch das von Dr. Heribert Prantl für die Süddeutsche Zeitung geführte Interview mit Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, in: Süddeutsche Zeitung vom 18. 5. 2001, S. 2. 46 Vgl. die im Internet publizierte Liste (Stand: 20. 11. 2001, 10.00 Uhr; letztmalig abgerufen am 12. 3. 2004) auf der Homepage von Prof. Dr. Holger Altmeppen: unter „Die Liste der Unterzeichner“; ferner Altmeppen, DB 2001, 1399, 1405 mit Fn. 53. Vgl. insoweit auch Heinrichs, FS Schlechtriem S. 503, 505. 47 Altmeppen, DB 2001, 1131, 1133; 1399, 1405; Dauner-Lieb, Die Schuldrechtsreform – Das große juristische Abenteuer in: DStR 2001, 1572, 1574 ff.; dies., Die geplante Schuldrechtsmodernisierung – Durchbruch oder Schnellschuß? in: JZ 2001, 8, 15 ff., insb. 18. s. auch bereits Ernst, in: Ernst/Zimmermann S. 559, 603 ff.; U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, S. 31, 111 ff.; ders., ZIP 2000, 2273, 2282 ff. – beide noch vor dem KonsDiskE. Vgl. zum Problem des Zeitdrucks auch Schulze/ Schulte-Nölke, in: dies. S. 3, 23 f.

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scheidung, wonach die Richtlinienumsetzung mit einer groß angelegten Reform verbunden werden sollte. Es sollte die Gunst der Stunde genutzt werden,48 wobei die Richtlinienumsetzung gleichsam als Vehikel49 zur großen Schuldrechtsreform fungierte.50 Die Aussicht auf eine große Reform zu späterer Zeit wurde weithin düster eingeschätzt.51 Nachteil des künstlich erzeugten Zeitdrucks war freilich, dass eine breite wissenschaftliche Diskussion über die Reform nicht stattfinden konnte.52 Ferner machte es ein mehrjähriges Hinausschieben des In-Kraft-Tretens des Gesetzes nach dessen Verkündung – so praktiziert beim ursprünglichen BGB vom 18. 9. 1896, das erst am 1. 1. 1900 in Kraft trat, und auch in jüngerer Zeit bei der Reform des Insolvenzrechts53 – unmöglich, obgleich dies im Interesse des Rechtsverkehrs geboten gewesen wäre.54 Gegen den Vorwurf einer Übereilung, den die Reformkritiker erhoben, kann auch schwerlich auf die wissenschaftliche Vorarbeit seit den 1980er Jahren verwiesen werden.55 Denn in der Reformentwicklung lässt sich für den hier behandelten Bereich eine tiefe Zäsur feststellen: Während der Diskussionsentwurf noch weithin auf dem Entwurf der Schuldrechtskommission und damit auch deren langjährigen Vorarbeiten gründete, kann dies für die konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs schlechterdings nicht behauptet werden. Er hat im Bereich der Behandlung von Leistungshindernissen zu derart gravierenden Änderungen geführt, dass der Kommissionsent48 Vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 524, der zudem auf den zweifachen Kostenanfall hinwies, der drohte, wenn nach der schlichten Richtlinienumsetzung später in einem zweiten Schritt das Leistungsstörungsrecht reformiert würde; Heldrich, NJW 2001, 2521, 2523. 49 s. U. Huber, in Ernst/Zimmermann S. 31, 108: „Vehikel, um nicht zu sagen [. . .] Trojanisches Pferd“, ferner auch H. H. Jakobs, JZ 2001, 27. 50 Hierzu auch Ernst, in: Das ABGB auf dem Weg in das 3. Jahrtausend S. 85, 87 f.; ders., ZRP 2001, 1, 11. 51 Vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 524 („die Tür steht vermutlich nur jetzt offen“); Heldrich, NJW 2001, 2521, 2522 („Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag“), anders die Einschätzung von Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 553, 557. 52 Hierzu auch Ernst, WM 2001, 728; Kupisch, NJW 2002, 1401, 1402. Flume (ZIP 2000, 1427, 1429 f.) bezeichnete das BGB gar als „Kulturdenkmal“ und forderte im Hinblick auf Änderungen „Respekt“ vor dem BGB ein (im Kontext der Änderungen durch das Fernabsatzgesetz). 53 Die Insolvenzordnung vom 5. 10. 1994 trat erst am 1. 1. 1999 in Kraft, § 359 InsO i. V. mit Art. 110 EGInsO. 54 Hierzu Ernst, in: Ernst/Zimmermann S. 559, 605; ders., ZRP 2001, 1, 11. Sehr krit. U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, S. 31, 113 („Mißachtung der Praxis“), ebenso ders., ZIP 2000, 2273, 2283; Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 553, 556 und 558. 55 Anders dagegen Canaris, JZ 2001, 499, 524, dem zufolge die Reform des Leistungsstörungsrechts auf wissenschaftlichen Vorarbeiten, die das BMJ vor mehr als zwanzig Jahren in Auftrag gegeben hat, fuße.

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§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform

wurf von 1992 schwerlich als das Fundament des KonsDiskE vom März 2001 bezeichnet werden kann. Es darf zumindest für den hier untersuchten Bereich des Leistungsstörungsrechts vielmehr von einem Neubeginn der Reform gesprochen werden.56 Die Kommission Leistungsstörungsrecht, die den KonsDiskE im Wesentlichen erarbeitete, hatte jedoch lediglich sechs Wochen (!) Zeit bis zum Abschluss ihrer Tätigkeit.57 Nach Fertigstellung und Veröffentlichung dieses Entwurfs verblieben weniger als zehn Monate bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes! Vor diesem Hintergrund kann also durchaus von einer enormen zeitlichen Drängung gesprochen werden. Die Kritiker konnten sich indes letzten Endes mit ihren Argumenten gegen eine „große“ Lösung nicht durchsetzen. III. Der weitere gesetzgeberische Weg bis zum In-Kraft-Treten des „Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“58 Am 9. 5. 2001 wurde denn auch der Regierungsentwurf (kurz: RegE)59 vom Bundeskabinett verabschiedet.60 Zur Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens wurde der „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“ wort- und begründungsgleich sowohl als Gesetzentwurf der Bundesregierung in den Bundesrat61 als auch als Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drucksache 56 So – für das gesamte Leistungsstörungsrecht – auch jüngst Hadding, FS Konzen S. 193, 194 mit Fn. 7, zurückhaltender Schlechtriem, FS Sonnenberger S. 125, 126. Zu den grundlegenden Änderungen im Einzelnen unten „II. Von der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (März 2001 bis 1. 1. 2002)“, S. 123 ff. 57 s. Canaris, JZ 2001, 499, 523 f., der überdies auf die sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen der Kommissionsmitglieder verweist. 58 Vgl. zur Behandlung der Schuldrechtsreform im Deutschen Bundestag aus rechtshistorischer Perspektive die humorvolle Kommentierung von R. Schröder/ Thiessen (JZ 2002, 325 ff.). 59 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drucks. 338/01 vom 11. 5. 2001, S. 3 ff., BT-Drucks. 14/6857 vom 31. 8. 2001, S. 5 [nur Verweis auf den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen]) ist textidentisch mit dem Entwurf der Regierungsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 14/6040 vom 14. 5. 2001). Zitiert wird vorliegend stets die BT-Drucks. 14/6040 (hier als Entwurfsbegründung oder Gesetzesbegründung bezeichnet). Der Text des Gesetzentwurfs und dessen Begründung sind auszugsweise auch abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 429–565 (Text des Gesetzentwurfs mit den Beschlüssen des Rechtsausschusses) und S. 569–934 (Begründung), s. ferner auch unten im Anh. sub A. VI. (relevante Texte) sowie sub B. (relevante Teile der Gesetzesbegründung). 60 Vgl. zum Regierungsentwurf allgemein Pick, ZIP 2001, 1173 ff.; speziell zu § 275 RegE: M. Fischer, DB 2001, 1923 ff.; Micklitz/Pfeiffer/Tonner/Willingmann/Willingmann/Hirse, S. 45, 67 ff. 61 Vgl. Art. 76 Abs. 2 GG.

A. Historischer Abriss

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14/6040)62 in den Deutschen Bundestag63 eingebracht.64 Dort fand am 18. 5. 2001 die erste Beratung des Fraktionsentwurfs statt.65 Parallel zum Gesetzgebungsverfahren wurde die Diskussion in der Rechtswissenschaft freilich fortgeführt. So war etwa der Gesetzentwurf Gegenstand der 12. Tagung der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler, die vom 5. bis 8. 9. 2001 in Freiburg/Breisgau unter dem Generalthema „Das neue Schuldrecht“ stattfand.66 Die Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf war zunehmend von der Einsicht geprägt, dass die Reform kommen wird. Die Beiträge in juristischen Zeitschriften waren daher tendenziell auch eher durch konstruktive denn durch destruktive Kritik gekennzeichnet. Nach der Stellungnahme des Bundesrats67 vom 13. 7. 2001 und der Gegenäußerung der Bundesregierung68 wurde das Gesetz in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 25. 9. 200169 am 11. 10. 2001 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet.70 In dieser Sitzung wurde der von der Bundesregierung in den Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf vom Bundestag für erledigt erklärt.71 62 Vom 14. 5. 2001. Zu Fundstellen vgl. die Hinweise zum wortgleichen Regierungsentwurf, oben Fn. 59 (S. 114). 63 Vgl. Art. 76 Abs. 1 GG. 64 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), Vor § 275 Rn. 6 m. Nachw. zur Zulässigkeit einer derartigen Vorgehensweise im Gesetzgebungsverfahrens ebenda mit Fn. 21. 65 Hierzu Stenographischer Bericht der 171. Sitzung am 18. 5. 2001, Plenarprotokoll 14/171, S. 16719–16734 (A). 66 Vgl. hierzu den Tagungsband „Das neue Schuldrecht“, 2001. Für die vorliegend interessierende Materie vgl. vor allem die Referate von Jan Dirk Harke, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 29–59, Beate Gsell, Der Schadensersatz statt der Leistung nach neuem Schuldrecht S. 105–131, Gundula Maria Peer, Die Rechtsfolgen von Störungen der Geschäftsgrundlage S. 61–83; Eleanor CashinRitaine, Imprévision, Hardship und Störung der Geschäftsgrundlage: Pacta sunt servanda und die Wege zur Anpassung des Vertrages im deutsch-französischen Rechtsverkehr S. 85–103 sowie das Einführungsreferat von Peter Schlechtriem mit dem Titel „Entwicklung des deutschen Schuldrechts und europäische Rechtsangleichung“ (S. 9–28). Einen Tagungsbericht erstattete Sudabeh Kamanabrou (in: JZ 2001, 1178–1180). 67 s. BT-Drucks. 14/6857, S. 6–41 (Anlage 2) [= BR-Drucks. 338/01 (Beschluss) vom 13. 7. 2001]. Abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 935–993. 68 s. BT-Drucks. 14/6857, S. 42–72 (Anlage 3). Auszugsweise abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 995–1049. 69 s. BT-Drucks. 14/7052 vom 9. 10. 2001, S. 3–169 (Beschlussempfehlung) und S. 170–213 (Bericht). Abgedr. in Auszügen bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 1051–1127 (Bericht), S. 429–565 (Beschlüsse des Rechtsausschusses). Zuvor hatte am 2. und 4. 7. 2001 in der 92. Sitzung des Rechtsausschusses eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen stattgefunden. 70 Hierzu Stenographischer Bericht der 192. Sitzung am 11. 10. 2001, Plenarprotokoll 14/192, S. 18744 (C)–18765 (A).

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§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform

Der Bundesrat hat am 9. 11. 2001 abgestimmt, den Vermittlungssausschuss nicht anzurufen.72 Das Gesetz wurde am 26. 11. 2001 ausgefertigt und am 29. 11. 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet.73 Am 1. 1. 2002 ist es in Kraft getreten.74

B. Die Regelungsvorschläge der einzelnen Reformentwürfe zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten I. Kommissions- und Diskussionsentwurf (1991 bis August 2000) 1. Der Regelungsvorschlag Dem Abschlussbericht zufolge stand der Begriff der „Unmöglichkeit der Leistung“ im alten BGB zu Unrecht im Mittelpunkt des Leistungsstörungsrechts.75 Um diesen im Abschlussbericht als „Hauptmangel“ des früheren BGB bezeichneten Zustand zu beheben, wurde der Begriff „Unmöglichkeit“ im Kommissionsentwurf76 wie auch im Diskussionsentwurf nicht mehr gebraucht. Die angeregte Nachfolgevorschrift der Befreiungsnorm des § 275 BGB a. F. knüpfte für die Befreiung daher nicht an die Unmöglichkeit, sondern an die „nach dem Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses geschuldeten Anstrengungen“ an.77 Das Vertretenmüssen des Schuldners sollte für die 71 Stenographischer Bericht der 192. Sitzung am 11. 10. 2001, Plenarprotokoll 14/192, S. 18765 (A). Die Erledigterklärung erfolgte entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (s. BT-Drucks. 14/7100 vom 10. 10. 2001, S. 3). 72 Stenographischer Bericht der 769. Sitzung am 9. 11. 2001, Plenarprotokoll 769, S. 599 (D). 73 BGBl. I S. 3138. Zur Neubekanntmachung des Textes des BGB am 2. 1. 2002 s. BGBl. I S. 42. 74 Hierzu Art. 9 Abs. 1 S. 3 SMG. 75 Abschlußbericht S. 16, 118 („Der Hauptmangel [. . .] besteht in der Heraushebung der Unmöglichkeit [. . .]“), ebenso die Begründung des DiskE (abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 154 f.), s. auch bereits Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 282 („geradezu dominierende Stellung“). Vgl. auch Ahrens, ZRP 1995, 417, 420; Blaurock, in: Schlechtriem/Leser S. 51, 52; Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281, 2283; Honsell, JZ 2001, 18, 19; Pick, in: Schulze/Schulte-Nölke S. 25, 27; Schlechtriem, Schuldrechtsreform S. 22; ders., ZEuP 1993, 217, 223. 76 Die Befreiungsnorm des § 275 KommE (= § 275 DiskE) hatte keine Grundlage in den vorbereitenden Gutachten von U. Huber, vgl. dens., ZIP 2000, 2137, 2146 mit Fn. 69. Vgl. zu dem von ihm unterbreiteten Gesetzesvorschlag U. Huber, in: Gutachten I S. 647, 671 ff. 77 Kommissions- und Diskussionsentwurf lauteten insoweit gleichermaßen: § 275 Grenzen der Leistungspflicht Besteht die Schuld nicht in einer Geldschuld, kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit und solange er diese nicht mit denjenigen Anstrengungen zu er-

B. Die Regelungsvorschläge der einzelnen Reformentwürfe

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Frage der Befreiung ohne Bedeutung sein, denn – so die Begründungen der Entwürfe – „Was der Schuldner nicht leisten kann, das schuldet er auch nicht, und zwar unabhängig von dem Grund seiner Unfähigkeit“78. Auch wenn der Tatbestand des § 275 S. 1 KommE/DiskE nicht mehr an die Unmöglichkeit anknüpfte, sollte der neue Befreiungstatbestand nach Aussage der Entwurfsbegründungen auch Fälle der „echten Unmöglichkeit“ erfassen.79 Der Vorschrift sollten daneben bestimmte Fälle der Leistungserschwernis unterfallen.80 Neben dem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 KommE/DiskE konnten Leistungserschwernisse ferner auch eine Störung der Geschäftsgrundlage i. S. von § 306 KommE (= § 307 DiskE) hervorrufen, wenn dem Schuldner ein Festhalten am unveränderten Vertrag insoweit nicht zugemutet werden konnte.81 Für diesen Fall wurde dem Schuldner ein Anspruch auf Vertragsanpassung gewährt.82 Erhebliche Bedeutung gewann insoweit das Verhältnis von § 275 KommE/DiskE einerseits und § 306 KommE/§ 307 DiskE andererseits. Der Abschlussbericht suchte die dort bereits erkannten Abgrenzungsschwierigkeiten mit dem Hinweis auf eine terminologische Abgrenzung beider Vorschriften auszuräumen, konzedierte indes gleichzeitig, dass „diese terminologische Trennung Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung nicht wird verhindern können“.83 „Immerhin“ – so der Abschlussbericht84 – „unterscheiden sich aber bei ‚Inbringen vermag, zu denen er nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist. [. . .]. 78 Abschlußbericht S. 118 (s. auch 151 f.), gleich lautend die Begründung des DiskE, abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 154 (s. auch 187). 79 So ausdrücklich der Abschlußbericht S. 120 f., insoweit wörtlich übernommen in die Begründung des DiskE, abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 156. 80 Wie vorige Fn. (aaO. bezeichnet als „weitere Tatbestände“). Ebenso das Kommissionsmitglied Schlechtriem, ZEuP 1993, 217, 224/228. 81 s. Abschlußbericht S. 148 sub 2. Auf die Tatbestandsvoraussetzungen wird noch zurückzukommen sein, da § 313 BGB insoweit (bis auf vernachlässigbare Änderungen) mit § 306 KommE bzw. § 307 DiskE übereinstimmt. 82 § 306 Abs. 1 KommE (= § 307 Abs. 1 DiskE). Nur wenn eine Anpassung unmöglich oder einem Teil unzumutbar ist, wurde dem Schuldner statt des Anpassungsanspruchs ein Rücktrittsrecht eingeräumt, s. § 306 Abs. 3 S. 1 KommE (= § 307 Abs. 3 S. 1 DiskE). 83 Abschlußbericht S. 120. Die Begründung des DiskE (abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 155 f.) erscheint etwas „selbstbewusster“ und macht die vorgenannte Konzession nicht. 84 Abschlußbericht S. 120. Die Begründung des DiskE (abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 156) leitet den gleich lautenden Satz wiederum „selbstbewusster“ nicht mit dem bereits Zugeständnisse einräumenden „immerhin“, sondern mit einem neutralen „Dabei“ ein. Es darf vermutet werden, dass diese Änderungen bei sonst wortgleicher Übernahme der Begründung auf die harsche Kritik von Ernst am KommE zurückgehen, s. Ernst, JZ 1994, 801, 803: Dass die Kommission die zukünftigen Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung bereits deutlich vo-

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§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform

halt und Natur des Schuldverhältnisses‘ und bei ‚Unzumutbarkeit‘ wenigstens die Beurteilungskriterien im Ansatzpunkt recht deutlich: Die erste Formulierung geht vom Schuldverhältnis aus, die zweite dagegen von der Person des Schuldners“85.86 In Anbetracht der Abgrenzungsschwierigkeiten sollte ausweislich der Begründungen der Reformentwürfe im vertraglichen Bereich § 306 KommE/§ 307 DiskE als Spezialregelung dem § 275 KommE/DiskE grundsätzlich vorgehen.87 Nur wenn die Vertragsanpassung ausschied, kam ein Leistungsverweigerungsrecht in Betracht. 2. Auseinandersetzung Der referierte Regelungsvorschlag war bereits nach seiner Veröffentlichung im Abschlussbericht der Schuldrechtskommission im Jahre 1992 und auch später nach der Bekanntmachung des insoweit übereinstimmenden Diskussionsentwurfs88 im August 2000 scharfer Kritik ausgesetzt. Regelungstechnisch wenig geglückt war zunächst die Vermengung überwindbarer und unüberwindbarer Leistungshindernisse insofern, als sie durch ein und dieselbe Vorschrift geregelt werden sollten, obgleich sich jeweils gänzlich unterschiedliche Fragen stellten (und auch immer noch stellen). Ferner vermochte die Ausgestaltung als Einrede in Hinsicht auf die von § 275 KommE/DiskE auch erfassten Fälle der wirklichen Unmöglichkeit nicht zu überzeugen:89 Insofern macht(e) es weder Sinn, dem Schuldner raussah, jedoch keinen Lösungsversuch unternommen hat, sei „für einen Reformentwurf ein Armutszeugnis“! 85 Abschlußbericht S. 120. 86 Abl. Brüggemeier, Referat DJT 1994 S. K 63 f. Vgl. insoweit auch den Beschluss II. 5. c) des 60. DJT (abgedr. in: DJT 1994, S. K 103 und NJW 1994, 3075): Der Antrag, dem zufolge das Beschaffungsvermögen nicht im Leistungsbefreiungstatbestand, sondern beim Wegfall der Geschäftsgrundlage geregelt werden sollte, wurde abgelehnt. 87 Vgl. bezüglich des KommE Abschlußbericht S. 120 und 151 sowie im Hinblick auf den DiskE dessen Begründung, abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 156 und 186. Bezeichnend ist auch, dass der Abschlußbericht (S. 120) noch von Abgrenzungsschwierigkeiten gesprochen hatte, während in der Begründung des DiskE euphemistischer nur noch von Abgrenzungsfragen die Rede war (abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 156). 88 Hierzu die unten im Anh. auszugsweise abgedruckten Texte von KommE (Anh. sub A. III.) und DiskE (Anh. sub A. IV.). 89 So auch Brüggemeier, Referat DJT 1994 S. K 61 f., der für die objektive Unmöglichkeit eine „rechtsbeendende Einwendung“ propagierte (Näheres aaO., mit Fn. 74), zust. Anders, Pflichtverletzung S. 350 f.; Heinrichs, Abschied vom BGB S. 17; Schapp, JZ 1993, 637, 639. Auch der 60. DJT sprach sich für eine Ausgestaltung des § 275 KommE als Einwendung aus, s. Beschluss II. 5. b) (abgedr. in: DJT 1994, S. K 103 und NJW 1994, 3075), ferner auch Canaris, in: Schulze/Schulte-

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eine Berufung auf die Unmöglichkeit abzuverlangen,90 noch ihm die Möglichkeit zur Leistung und damit zur Sicherung der Gegenleistung einzuräumen – wie etwa bei überwindbaren Leistungshindernissen –, da in den Fällen wirklicher Unmöglichkeit ein Entscheidungsspielraum des Schuldners über das Ob der Leistungserbringung ohnehin ausgeschlossen war91 (und ist). Dies wurde bereits im Abschlussbericht erkannt, nichtsdestotrotz in Kauf genommen.92 Damit in Zusammenhang stehend, wurde der Schuldrechtskommission vorgeworfen, sie baue „eklektisch auf eine von ihr nicht bewältigte Streitlage aus inkompatiblen Schulrichtungen auf“93: Denn einerseits sollte den Entwurfsbegründungen zufolge das schuldnerische Vertretenmüssen für den Fortbestand der Primärleistungspflicht ohne Bedeutung sein. Die dies zugrunde legende Schulrichtung bejaht eine Schuldnerbefreiung dann aber nur in Fällen wirklicher (oder echter) Unmöglichkeit. Der Abschlussbericht enthält diese Beschränkung auf Fälle echter Unmöglichkeit nicht, lässt vielmehr auch Leistungserschwernisse (überwindbare Leistungshindernisse) zur Schuldnerbefreiung ausreichen. Bloße Leistungserschwernisse können jedoch – entsprechend der anderen Schulrichtung94 – nur unter der Voraussetzung zu einer Schuldnerbefreiung führen, dass sie der Schuldner nicht zu vertreten hat. Gerade diese Voraussetzung wird vom Entwurf aber für entbehrlich gehalten. Daher drohte mit § 275 KommE/ DiskE eine viel zu weit reichende Schuldnerbefreiung, mithin eine Aushöhlung des Prinzips der Naturalerfüllung, eine Entwertung des Gläubigerrechts auf Leistung in Natur („specific performance“).95 Zur Abhilfe wurde vereinzelt96 versucht, das begrenzende Tatbestandsmerkmal „Nichtvertretenmüssen“ gewissermaßen durch die Hintertür in Nölke S. 43, 48. Vgl. weiterhin die Kritik von Stürner, DNotZ 1993, Sonderheft, S. 105*, 106*. 90 Man denke etwa an den Fall der Säumnis des beklagten Schuldners im Verhandlungstermin. 91 Treffend Schapp, JZ 1993, 637, 639, aus jüngerer Zeit auch Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 365 und passim 92 Hierzu die wenig überzeugenden Rechtfertigungsversuche und Abhilfemöglichkeiten im Abschlußbericht S. 121. 93 Ernst, JZ 1994, 801, 805. Vgl. dazu auch Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 266 ff. (in Auseinandersetzung mit Ahrens, ZRP 1995, 417, 420, s. Nauen, aaO., S. 268 mit Fn. 529). 94 Grdl. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, s. insb. zum Unvermögen oben sub „(1) Weiter Unvermögensbegriff – Relevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 66 f. 95 Vgl. hierzu Ernst, JZ 1994, 801, 804; Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 279 ff. 96 So Rödl, Die Spannung der Schuld S. 125 f., 130 und 88 ff. (zu § 275 KommE); vgl. hierzu auch Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 170 f./123 f. sowie Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 277 und passim.

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§ 275 KommE/DiskE einzuführen: Der im Tatbestand enthaltene Verweis auf „Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses“ umfasse auch die Schutzpflichten, denen zufolge der Schuldner zur Überwindung einer Leistungserschwernis verpflichtet sein kann. Innerhalb der Schutzpflichten werde aber wiederum auf den Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB (a. F.) abgestellt. Diese Konzeption steht jedoch im Widerspruch zu den Ausführungen im Abschlussbericht sowie der Begründung des Diskussionsentwurfs. Auch ein Blick auf den neuen § 275 Abs. 2 BGB bestätigt die Bedenklichkeit der Argumentation: Obgleich in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB bereits auf den „Inhalt des Schuldverhältnisses“97 rekurriert wird, ordnet die Norm in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich die Erheblichkeit des Vertretenmüssens an. Dies wäre entbehrlich, könnte man die Frage des Vertretenmüssens bereits über die Schutzpflichten, die sich aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB) ergeben, berücksichtigen. Schwer wog vor allem die Befürchtung, bei § 275 DiskE handele es sich um einen unklaren Tatbestand, der leistungsunwillige Schuldner geradezu einlade, sich von ihrer Leistungspflicht loszusagen.98 Denn der Tatbestand machte nicht klar, wie gravierend Leistungshindernisse sein mussten, um ein Leistungsverweigerungsrecht zu begründen. Die für die Schuldnerbefreiung maßgebliche „Schwelle“ wurde nicht festgelegt, obgleich es sich dabei gleichsam um die „[C]rux jeder Befreiungsregel“ handelte (und immer noch handelt);99 der Verweis auf „Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses“ half insoweit nicht weiter. Denn aus Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses ergaben (und ergeben) sich in aller Regel keine brauchbaren Anhaltspunkte zur Problemlösung,100 manche sprachen sogar von einer Leerformel101. Die Vorschrift wurde daher als Quelle „endlose[r] Streitereien“102 angesehen. Daneben wurde die in § 275 KommE/DiskE getroffene Begriffswahl „Anstrengungen“ für verfehlt gehalten, denn es handele sich stets um Auf97 Im KommE/DiskE ist zusätzlich von der „Natur“ des Schuldverhältnisses die Rede; indes ergeben sich die Schutzpflichten aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses. 98 Vgl. J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 231; U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2148 (mit Fn. 82); s. ferner Anders, Pflichtverletzung S. 345, 350 ff., 469; ähnl. Flume, ZIP 1994, 1497, 1498 in Hinsicht auf § 306 KommE. s. auch die Kritik von Ahrens, ZRP 1995, 417, 421: „Tatbestandlich bleibt letztlich vollkommen offen, wo die Leistungsgrenze verläuft.“ 99 s. Ernst, JZ 1994, 801, 804. 100 Vgl. Motsch, JZ 2001, 428, 431. 101 s. U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2146; krit. auch J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 230, ferner auch Krebs, DB 2000, Beil. zu Heft 48, S. 1, 10 („unklar“). Positiv wertend aber Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 170 f./123 f.; Rödl, Die Spannung der Schuld S. 125 f., 130, s. zu ihr bereits oben bei Fn. 96 (S. 119 f.). 102 J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 231.

B. Die Regelungsvorschläge der einzelnen Reformentwürfe

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wendungen, also die Frage des Einsatzes von Geldmitteln.103 Ebenso für verfehlt hielt der Vorgutachter Ulrich Huber die vorgeschlagene Novellierung des § 279 BGB a. F.104 Weiterhin war die in den Entwürfen umgesetzte Intention, den Unmöglichkeitsbegriff aus dem Gesetz zu verbannen, kein Positivum.105 Als Ursache dieses Unterfangens machte Ulrich Huber106 eine Idiosynkrasie gegen den Unmöglichkeitsbegriff aus, Werner Flume107 sprach von dessen Perhorreszierung. Ungeachtet der Kontroverse, ob die Unmöglichkeit im alten BGB zu Unrecht eine hervorgehobene Stellung einnahm,108 konnte und kann nicht geleugnet werden, dass es diese Kategorie gibt. Den Tatbestand der Unmöglichkeit gab es nicht deshalb nicht, weil die Entwürfe nichts von ihm wissen wollten.109 Die Tilgung der Vokabel Unmöglichkeit machte die Entwürfe daher auch unklarer, denn die Rechtslage konnte zum Teil nur unter Zuhilfenahme der Entwurfsbegründungen eindeutig ermittelt werden. Dies traf, wie bereits erläutert, auf den Befreiungstatbestand (§ 275 KommE/DiskE) zu,110 und es galt auch für die Berechtigung, bei Unmöglichkeit hic et nunc auf den Sekundäranspruch übergehen zu können: Für den Schadensersatzanspruch des Gläubigers einer unmöglichen Leistung war nach den Entwürfen grundsätzlich eine Fristsetzung erforderlich.111 Diese sollte jedoch dann entbehrlich sein, wenn sie offensichtlich keinen 103

U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2146 (bezüglich § 275 DiskE). Näheres U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2148 f. (bezüglich § 279 DiskE). Den Begründungen von KommE und DiskE zufolge (s. Abschlußbericht S. 127 f. sowie die Begründung zum DiskE abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 157 f.) sollte § 279 KommE/DiskE nur die Schadensersatzpflicht und nicht die Leistungspflicht regeln, so Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 272; Krebs, DB 2000, Beil. zu Heft 48, S. 1, 10. 105 So auch Flume, ZIP 1994, 1497, 1500 (zum KommE); Willingmann/Hirse, VuR 2001, 99, 101. Auch der Zivilrechtsausschuss des DAV schlug vor, die Unmöglichkeit in den Tatbestand des § 275 DiskE aufzunehmen, s. Maier-Reimer, AnwBl 2001, 25, 26, auch Remien (in: Schulze/Schulte-Nölke S. 101, 103) sprach sich gegen ein „gänzliches Überbordwerfen der ‚Unmöglichkeit‘“ aus. 106 U. Huber, in: Ernst/Zimmermann S. 31, 93. 107 Flume, ZIP 1994, 1497. Vgl. hierzu auch Rabe, ZIP 1996, 1652, 1654. 108 So Abschlußbericht S. 16, 118, ebenso die Begründung des DiskE (abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 154 f.), dagegen zuvorderst U. Huber, der deshalb bei der intendierten Vermeidung des Unmöglichkeitsbegriffs von einem „Versuch am untauglichen Objekt“ sprach, s. ZIP 2000, 2137, 2140 (anders noch ders., in: Gutachten I S. 647, 757); ferner auch Flume, ZIP 1994, 1497, 1500. 109 So treffend Flume, ZIP 1994, 1497, 1500. 110 Ähnl. Anders, Pflichtverletzung S. 187. 111 § 283 Abs. 1 S. 1 KommE bzw. § 282 Abs. 1 S. 1 DiskE. Umständlicherweise war bei gegenseitigen Verträgen daneben noch der Rücktritt vom Vertrag erforderlich (§ 327 Abs. 1 KommE = § 325 Abs. 1 DiskE). 104

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§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform

Erfolg hätte.112 Wie sich aus dem Abschlussbericht113 beziehungsweise der Begründung des Diskussionsentwurfs114 ergab, sollten davon auch Fälle der Unmöglichkeit erfasst werden. Klarer war demgegenüber noch die Regelung im alten BGB: Im Falle von Unmöglichkeit beziehungsweise Unvermögen115 ergaben sich die dem Gläubiger ohne Fristsetzungserfordernis zustehenden Sekundärrechtsbehelfe unmittelbar aus §§ 280, 325 BGB a. F. Die im Kommissions- und Diskussionsentwurf vorgeschlagene Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre116 stimmt mit der am 1. 1. 2002 in Kraft getretenen Vorschrift des § 313 BGB überein.117 Dazu wird im Rahmen der Untersuchung der Neuregelung Stellung zu nehmen sein.118 Indes muss kurz auf das problematische Verhältnis des § 275 KommE/DiskE zu § 306 KommE/§ 307 DiskE eingegangen werden. Die in den Begründungen vorgebrachte terminologische Abgrenzung der beiden Vorschriften voneinander (einerseits „Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses“ und andererseits „Person des Schuldners“) wurde zumindest im Abschlussbericht für praktisch schwer durchführbar erachtet. Vor diesem Hintergrund wurde in beiden Entwürfen119 gleichermaßen die Behauptung eines Vorrangs der richterlichen Vertragsanpassung vor dem Leistungsverweigerungsrecht aufgestellt.120 Hiergegen erhob Wolfgang Ernst zu Recht Einwände:121 Er verwies auf das unserer Rechtsordnung eigene Prinzip, dass in Achtung der Privatautonomie grundsätzlich nicht an die Stelle der privatautonomen die richterliche Gestaltung tritt,122 und bemängelte ferner die nicht einmal erfolgte Aufstellung von Verfahrenskautelen für die richterliche Vertragsanpassung123. Insoweit sei die Regelung zu unbestimmt und berücksichtige auch nicht das Erfordernis der Rechtssicherheit.124 112

§ 283 Abs. 2 KommE bzw. § 282 Abs. 2 DiskE. Abschlußbericht S. 135. 114 Abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 165. 115 s. § 275 Abs. 2 BGB a. F. 116 s. § 306 KommE bzw. § 307 DiskE. 117 Vgl. zu unwesentlichen Veränderungen die Texte im Anh. 118 Ausf. unten sub. „II. Der Tatbestand des § 313 Abs. 1 und 2 BGB“, S. 485 ff. U. Huber machte insofern eine Abmilderung der Kriterien aus, s. ZIP 2000, 2137, 2148 mit Fn. 81. 119 s. oben bei Fn. 87 (S. 118). 120 Dem Vorrang zust. Motsch, JZ 2001, 428, 432, völlig anders hingegen wurde in dieser Beziehung der Abschlussbericht von Wahl, Schuldnerverzug S. 53 gedeutet. 121 Krit. gegenüber dem DiskE auch Wetzel, ZRP 2001, 117, 121 ff. 122 Ernst, JZ 1994, 801, 802 unter Bezugnahme auf Flume. 123 s. Ernst, JZ 1994, 801, 802. 124 Vgl. Ernst, JZ 1994, 801, 802 f. 113

B. Die Regelungsvorschläge der einzelnen Reformentwürfe

123

Als Fazit kann festgehalten werden, dass Kommissions- und Diskussionsentwurf eine völlig unzureichende Regelung zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten vorsahen.125 Die Entwürfe sind damit zu Recht weitgehend auf Ablehnung gestoßen. Unverständnis muss die Tatsache erwecken, dass der Diskussionsentwurf die Regelungsvorschläge des früheren Kommissionsentwurfs samt Begründungen nahezu unverändert übernahm, obgleich dieser in den 1990er Jahren ganz erhebliche Kritik in der juristischen Öffentlichkeit erfahren musste.126 Nicht einmal eine Auseinandersetzung mit der Kritik fand auf den immerhin 630 Seiten, die der vom Bundesjustizministerium veröffentlichte Diskussionsentwurf umfasst, statt. II. Von der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (März 2001 bis 1. 1. 2002) Die maßgeblich von der Kommission Leistungsstörungsrecht erarbeitete konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs vom März 2001 markiert, wie bereits dargelegt, im hier behandelten Kontext eine solchermaßen tiefe Zäsur, dass gleichsam von einem Neubeginn der Reform des Rechts der Leistungshindernisse gesprochen werden kann.127 Die wesentlichen Änderungen seien hier nur stichwortartig genannt: Die ursprüngliche Intention einer Vermeidung des Unmöglichkeitsbegriffs wurde richtigerweise aufgegeben.128 Die Kategorie der Unmöglichkeit erfuhr im Gegenteil eine signifikante Aufwertung gegenüber dem alten BGB: Der als Einwendung ausgestaltete § 275 Abs. 1 KonsF sollte nicht – wie noch § 275 BGB a. F. – auf Fälle nachträglicher Unmöglichkeit beschränkt sein, sondern auch für die anfängliche Unmöglichkeit der Leistung gelten; die Wirksamkeit des Vertrags trotz anfänglicher Leistungshindernisse wurde angesichts der früheren Vertragsnichtigkeit nach § 306 BGB a. F. in § 311a Abs. 1 KonsF klargestellt. Darüber hinaus sollte es nicht nur wie bis vor der Reform die Unmöglichkeit der Leistung als solcher geben, sondern nun auch die so genannte qualitative Unmöglichkeit,129 das heißt die Unmög125 Auf weitere Mängel, etwa im Hinblick auf die Regelungsvorschläge zur Haftung wegen anfänglicher Leistungshindernisse, sei hier nur hingewiesen, vgl. Flume, ZIP 1994, 1497, 1498 ff.; U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, S. 31, 87 ff. 126 Vgl. U. Huber, ZIP 2000, 2137 mit Fn. 1 a. E.; ders., in: Ernst/Zimmermann, S. 31, 35 mit Fn. 1 a. E., jew. m. Nachw. zur Kritik; vgl. auch Zimmermann, JZ 2001, 171, 180 bei Fn. 145. 127 Ganz ähnl. Westermann/Bydlinski/Weber, SAT § 7 Rn. 2. 128 Vgl. hierzu etwa Micklitz/Pfeiffer/Tonner/Willingmann/Willingmann/Hirse, S. 45, 67/69. 129 Die Verwendung dieses Begriffs im Kontext der Schuldrechtsreform dürfte auf S. Lorenz, JZ 2001, 742, 743 zurückgehen, s. auch S. Lorenz/Riehm, Rn. 302.

124

§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform

lichkeit der Beseitigung von Sach- und Rechtsmängeln im Kauf- und Werkvertragsrecht. Dies hängt mit der Verzahnung von allgemeinem Leistungsstörungsrecht und besonderem Schuldvertragsrecht sowie der Kodifizierung der so genannten Erfüllungstheorie130 im reformierten BGB zusammen. Die Befreiung von der Erfüllungspflicht durch Einwendung sollte entsprechend der herrschenden Meinung zum alten § 275 BGB unabhängig vom Vertretenmüssen des Schuldners geregelt werden. Letzteres galt indes nur in den Fällen der wirklichen (oder echten) Unmöglichkeit (unüberwindbare Leistungshindernisse). Für Fälle überwindbarer Leistungshindernisse war (und ist) die Frage, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hatte, hingegen durchaus von Relevanz für die Schuldnerbefreiung. Dies zeigt sich an dem als Einrede ausgestalteten Leistungsverweigerungsrecht des § 275 Abs. 2 KonsF, das von der Kommission Leistungsstörungsrecht aus der Taufe gehoben wurde:131 Der Schuldner soll die Leistungserbringung verweigern können, wenn die Leistung einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat und ob er dem Gläubiger einen angemessenen Ausgleich anbietet132 (§ 275 Abs. 2 S. 2 KonsF). Ferner wurden die Sonderfälle des früheren § 279 BGB a. F. in § 276 Abs. 1 S. 1 KonsF aufgenommen, § 279 BGB a. F. infolgedessen aufgehoben. Für die Folgen anfänglicher Unmöglichkeit133 auf Sekundärebene wurde mit § 311a Abs. 2 KonsF eine Sonderregelung vorgeschlagen. Einer Haftung auf das Erfüllungsinteresse (Schadensersatz statt der Leistung)134 sollte der Schuldner entgehen können, indem er behauptet und gegebenenfalls nachweist, dass er die Unmöglichkeit nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. Im späteren Regierungsentwurf wurde darüber hinaus noch eine Sonderregelung für den Fall einer Leistung, die in der Person des Schuldners zu 130 s. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 633 Abs. 1 BGB: Die Mangelfreiheit ist Teil der geschuldeten Leistung. Vgl. zur Gewährschaftstheorie (auch Gewährleistungstheorie) im früheren Recht statt aller Larenz, SBT 1 § 41 II e (S. 66 ff.) m. weit. Nachw. 131 Zur Neuschöpfung des § 275 Abs. 2 KonsF ausf. Canaris, JZ 2001, 499, 501 ff. (äußerst krit. gegenüber der Regelung J. Wilhelm, JZ 2001, 861, 866: „Missgeburt“), entgegen Dauner-Lieb/Thiessen, DStR 2002, 809, 814 stammt § 275 Abs. 2 BGB mitnichten „schon aus dem DiskE“. 132 Hierzu Canaris, JZ 2001, 499, 503 f. 133 Im späteren RegE wurden auch Fälle des § 275 Abs. 2 mit umfasst (bzw. im SMG Fälle des § 275 Abs. 2 und 3 BGB), weshalb später in § 311a RegE/BGB allgemein von „Leistungshindernissen“ gesprochen wurde. 134 Oder alternativ Ersatz vergeblicher Aufwendungen i. S. des § 284 KonsF.

C. Resümee

125

erbringen ist, eingeführt (im alten Recht zumeist unter den Stichwörtern „sittliche“ oder „moralische“ Unmöglichkeit diskutiert, man kann insoweit von ideeller Unzumutbarkeit sprechen).135 Daneben wurde das noch im KonsDiskE für berücksichtigungsfähig erachtete schuldnerische Angebot eines angemessenen Ausgleichs (in § 275 Abs. 2) wieder aus dem Tatbestand herausgenommen. § 311a RegE wurde auf alle Tatbestände des § 275 RegE erweitert. Das am 1. 1. 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz führte noch zu kleineren Änderungen im Bereich des § 275: Neben redaktionellen Änderungen136 sollte die Frage des Vertretenmüssens des Leistungshindernisses für die Leistungsbefreiung im Falle ideeller Unzumutbarkeit nicht mehr relevant sein.137 Auf Vorschlag des Rechtsausschusses wurde daher den Fällen ideeller Leistungshindernisse ein eigener Absatz gewidmet (siehe nunmehr § 275 Abs. 3 BGB).138 Ferner wurde die tatbestandliche Erfassung der zeitweiligen Unmöglichkeit sowie eines zeitweiligen groben Missverhältnisses, wie noch im KonsDiskE und Regierungsentwurf geregelt („soweit und solange“), aufgegeben und der Rechtsprechung139 und Wissenschaft überantwortet.140

C. Resümee Die Vorarbeiten zur Schuldrechtsreform begannen über zwanzig Jahre vor In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes: Auf Grundlage der Gutachten, die von namhaften Rechtswissenschaftlern 1981/83 er135

s. § 275 Abs. 2 S. 2 RegE, hierzu BT-Drucks. 14/6040, S. 130. Statt „wenn die Leistung in der Person des Schuldners zu erbringen ist“ (so der RegE) heißt es im SMG „wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat“, hierzu Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drucks. 14/6857, S. 11 (Nr. 20) [= BRDrucks. 338/01 (Beschluss), S. 13 f. (Nr. 20)]) sowie die Zustimmung in der Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/6857, S. 47). 137 Hierzu die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6857, S. 47 und den Beschluss Nr. 6 des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 14/7052, S. 12) und dessen Bericht (BT-Drucks. 14/7052, S. 183). 138 s. den Beschluss und Bericht des Rechtsausschusses, Nachweise wie vorige Fn. 139 Dahingehend beschränkt, ohne die Wissenschaft einzuschließen, der Vorschlag des Bundesrats (s. den Nachw. in der folgenden Fn.). 140 Vgl. insoweit den Vorschlag Nr. 19 des Bundesrats (BT-Drucks. 14/6857, S. 11 [= BR-Drucks. 338/01 (Beschluss), S. 13]), hierzu die Gegenäußerung der Bundesregierung: BT-Drucks. 14/6857, S. 47 sowie der Beschluss Nr. 6 des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 14/7052, S. 12) und dessen Bericht (BT-Drucks. 14/7052, S. 183); für eine Streichung der Wörter „und solange“ aus § 275 RegE Heß, Vorübergehende Unmöglichkeit und Schuldnerverzug nach altem und neuem Leistungsstörungsrecht S. 1, 14 (ehemals im Internet abrufbar). Vgl. ferner auch Canaris, JZ 2001, 499, 510, 515 f. und 523. 136

126

§ 3 Entwicklungslinien der Schuldrechtsreform

stattet wurden, erarbeitete die Schuldrechtskommission den so genannten Kommissionsentwurf, der 1992 im Abschlussbericht des Bundesministeriums der Justiz veröffentlicht wurde. Die vorgeschlagene Regelung zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten (§§ 275, 307 KommE) wurde im Schrifttum heftig kritisiert und weithin abgelehnt. Ohne eine Rezeption dieser Kritik übernahm das Bundesjustizministerium im späteren Diskussionsentwurf vom August 2000 die bereits 1992 vorgeschlagenen Regelungen; auch die gelieferten Begründungen stimmten nahezu vollständig überein. Es nimmt kaum Wunder, dass der Diskussionsentwurf auch deshalb abermals auf Kritik stoßen musste. Zu den größten Gegnern dürfte Ulrich Huber gezählt haben, der Urheber zweier vorbereitender Gutachten zum Leistungsstörungs- und Kaufrecht war. Der Regelungsvorschlag zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten vermochte nicht zu überzeugen: Die Verbannung des Begriffs der Unmöglichkeit aus dem Leistungsstörungsrecht,141 die Gewährung einer bloßen Einrede in Fällen wirklicher Unmöglichkeit, die Unbestimmtheit der zentralen Befreiungsvorschrift des § 275 DiskE – insbesondere der Mangel eines Maßstabs („Schwelle“) für die Schuldnerbefreiung – und die daraus resultierende Einbuße an Rechtssicherheit sowie der in der Begründung des Entwurfs postulierte Vorrang der Vertragsanpassung in Fällen überwindbarer Leistungshindernisse legen davon Zeugnis ab. Unter dem Druck der enormen Kritik setzte das Bundesministerium der Justiz schließlich die Kommission Leistungsstörungsrecht ein, die mit der Überarbeitung des Diskussionsentwurfs betraut wurde. Für den hier behandelten Bereich bedeutete dies eine Kehrtwende. Der im DiskE noch beflissentlich vermiedene Begriff der Unmöglichkeit tauchte im KonsDiskE plötzlich wieder auf, und man kehrte für diese Fälle wieder zu einer Einwendung zurück (§ 275 Abs. 1 KonsF). Die Unmöglichkeitskategorie erfuhr mit der Einführung der so genannten qualitativen Unmöglichkeit, den Fällen unbehebbarer Mängel, sogar noch eine starke Aufwertung.142 Hinzu kam die Neuschöpfung des § 275 Abs. 2 KonsF, wonach der Schuldner in bestimmten Fällen überwindbarer Leistungshindernisse die Leistung verweigern können sollte, sowie des § 311a KonsF, einer speziellen Vorschrift für anfängliche Leistungshindernisse. Umgekehrt wurde später auch das Verhältnis zur Vertragsanpassung, § 275 RegE/BGB sollte Vorrang vor einer Vertragsanpassung (bei Störung der Geschäftsgrundlage) haben. Der skiz141

Manche sprachen gar von Idiosynkrasie, s. U. Huber, in: Ernst/Zimmermann S. 31, 93. 142 Dauner-Lieb spricht insoweit von „Funktionszuwachs“ (in: Dauner-Lieb/ Konzen/K. Schmidt S. 3, 15), vgl. auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 24; AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 4, 65, s. auch S. Lorenz, JZ 2001, 742 f., insb. mit Fn. 8, und jüngst Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 460.

C. Resümee

127

zierte Regelungsvorschlag der Kommission Leistungsstörungsrecht wurde mit nur geringfügigen Änderungen in den Gesetzentwurf übernommen und kurze Zeit danach mit In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu geltendem Recht. Die dargelegte Kehrtwende, die durch die „Konsolidierung“ des DiskE vollzogen wurde, markiert eine tiefe Zäsur in dem Vorhaben, die Regelungen zur Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten zu reformieren. Man kann fast sagen, die Reform hat für diesen Bereich neu begonnen. Die Vorarbeiten in den Jahren zuvor können daher schlechterdings nicht als Grundlage der Gesetz gewordenen Regelungen angesehen werden.143 Der „Neuanfang“ der Reform für das hier behandelte Thema begann mit den Arbeiten der Kommission Leistungsstörungsrecht Januar 2001. Binnen sechs Wochen (!) wurde eine völlig neue Regelung kreiert, die (mit nur geringfügigen Änderungen) bereits am 1. 1. 2002 in Kraft trat. Eine enorme zeitliche Drängung der Reform kann insoweit kaum bestritten werden. Der erhebliche Zeitdruck wurde von den Anhängern der so genannten „großen“ Lösung künstlich erzeugt, indem die zeitlich drängende Umsetzung verschiedener Richtlinien, insbesondere der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, mit dem Projekt der Schuldrechtsreform verknüpft wurde. Man sah darin die Chance, die große Reform durchzusetzen, nahm dafür freilich in Kauf, dass für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung kaum Zeit war.

143 Für das hier behandelte Thema daher unzutreffend Geiger, damaliger Staatssekretär im BMJ, der in Bezug auf die Schuldrechtsreform von dem „am gründlichsten vorbereitet[en]“ zivilrechtlichen Vorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sprach und den konsolidierten DiskE insoweit als auf eine „solide Grundlage“ gestützt ansah, vgl. dens., JZ 2001, 473, 474.

§ 4 Die neue Rechtslage Die Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten werden im neuen Recht mithilfe von § 275 Abs. 1 und 21 BGB (Ausschluss der Leistungspflicht) sowie § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) bestimmt. Daneben besagt § 311a Abs. 1 BGB, dass vertragsanfängliche (befreiende) Leistungshindernisse der Wirksamkeit eines Vertrags nicht entgegenstehen. Damit soll insbesondere die Abkehr von § 306 BGB a. F., der bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit Vertragsnichtigkeit anordnete, klargestellt werden.2 Fortan bleibt der Vertrag – das Schuldverhältnis im weiteren Sinne – in diesen Fällen gemäß § 311a Abs. 1 BGB wirksam,3 lediglich der Anspruch auf die anfänglich unmögliche Leistung (das Schuldverhältnis im engeren Sinne)4 ist nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen5.

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch des Gläubigers auf die Leistung und damit zugleich die Erfüllungspflicht des Schuldners ausgeschlossen, wenn diese („die Leistung“)6 unmöglich ist. Im Kauf- und Werkvertragsrecht ist die Rechts- und Sachmangelfreiheit Bestandteil der Leistungspflicht, siehe §§ 433 Abs. 1 S. 2, 633 Abs. 1 BGB.

1

s. außerdem § 275 Abs. 3 BGB. BT-Drucks. 14/6040, S. 164 re. Sp., krit. Hammen, WM 2001, 1357, 1359 („wirkt lehrbuchhaft“, „in einer Kodifikation fehl am Platz“); Heldrich, NJW 2001, 2521, 2523 („überflüssig“), anders Micklitz/Pfeiffer/Tonner/Willingmann/Willingmann/Hirse, S. 45, 78. 3 Dies gilt unbeschadet der Bestrebungen, in bestimmten Fällen Verträgen weiterhin ihre Wirksamkeit abzusprechen, hierzu Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 71 f., 246 f., 277 f.; zurückhaltend Windel, ZGS 2003, 466 ff. 4 Vgl. zu diesem Begriff jüngst Hadding, FS Konzen S. 193, 196. 5 Oder in Fällen des § 275 Abs. 2 BGB nunmehr einredebehaftet. 6 Vgl. zum Leistungsbegriff nach früheren Recht ausf. oben sub „1. Leistungsbegriff“, S. 35 f., s. zum neuen Recht etwa Fliegner, JR 2002, 314, 317 mit Fn. 42, 321 mit Fn. 82; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 47, 50 f., 63, 176. 2

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB

129

I. Ausgangslage und Interessenbewertung Legt man die Prämisse zugrunde, dass § 275 Abs. 1 BGB ausschließlich Fälle der wirklichen Unmöglichkeit im Sinne unüberwindbarer Leistungshindernisse erfasst, so scheidet insoweit eine Leistungserbringung schlechthin aus. Für diesen Fall kann der Gläubiger kein Interesse mehr am Fortbestand seines Erfüllungsanspruchs haben. Denn sein Ziel, die vertragliche Leistung zu bekommen, kann nicht erreicht werden. Auf der anderen Seite hat der Schuldner einer im benannten Sinne unmöglichen Leistung ein Interesse daran, von einer Pflicht zur Primärleistung befreit zu werden, die er nicht erfüllen kann. Vor dem Hintergrund der eingangs genannten Prämisse kann man sagen, dass § 275 Abs. 1 BGB Ausdruck des Celsus-Satzes „impossibilium nulla obligatio est“7 ist. Die einzig denkbare Ausnahme zum Gesagten könnte für Fälle in Betracht kommen, in denen Zweifel bestehen, ob wirkliche Unmöglichkeit auch tatsächlich vorliegt. In praxi kann diese Frage – anders als zumeist im juristischen Lehrbetrieb, wo regelmäßig feststehende („starre“) Sachverhalte vorgegeben sind –8 oftmals Probleme aufwerfen. Ein Fortbestand der Erfüllungspflicht – zumindest in Fällen zu vertretender Unmöglichkeit – könnte bei bestehenden Zweifeln damit begründet werden, dass dem Gläubiger so ermöglicht würde, zu einer Verurteilung des Schuldners zur Primärleistung und einem entsprechenden Vollstreckungstitel zu gelangen. Der Vorteil für den Gläubiger könnte darin zu sehen sein, dass ihm die Mittel der Zwangsvollstreckung zu Gebote stünden, um sich vom tatsächlichen Vorliegen wirklicher Unmöglichkeit überzeugen zu können (so genannte „Detektivkompetenz“9). Da jedoch, wie noch zu zeigen sein wird, die Unmöglichkeit nunmehr nach § 275 Abs. 1 BGB per se von der Erfüllungspflicht befreien soll, vermag man einen materiell-rechtlichen Fortbestand schwerlich zu begründen. Ob das genannte Interesse des Gläubigers an einer „Detektivkompetenz“ möglicherweise im Wege einer entsprechenden prozessualen Behandlung der Unmöglichkeit geschützt werden kann, indem man dem Schuldner wie nach altem Recht eine Beweiserhebung über eine zu vertretende Unmöglichkeit verwehrt,10 wird zu untersuchen sein (hierzu „1. Beweisfragen“, S. 158 ff.).

7

D. 50, 17, 185. Hierzu auch J. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 225 f., für das neue Recht ebenso Kohler, AcP 205 (2005), 93, 102. 9 Hierzu bereits oben sub „g) Vorteile eines auf Naturalleistung lautenden Vollstreckungstitels“, S. 55 ff. 10 s. oben sub „(1) Prozessuale Lösung der Rechtsprechung“, S. 42 ff. 8

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§ 4 Die neue Rechtslage

II. Der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB 1. Überblick über die erfassten Fallgruppen der Unmöglichkeit Von § 275 Abs. 1 BGB werden sowohl die Unmöglichkeit „für den Schuldner“ (subjektive Unmöglichkeit)11 als auch die Unmöglichkeit „für jedermann“ (objektive Unmöglichkeit)12 erfasst.13 Im Hinblick auf den zeitlichen Eintritt eines Leistungshindernisses unterfällt der neuen Vorschrift neben der nachträglichen nunmehr auch die vertragsanfängliche14 Unmöglichkeit. Dies belegt der Wortlaut („ [. . .] unmöglich ist“)15 und findet Bestätigung in den Gesetzesmaterialien16. Der gegenüber der Vorgängernorm erweiterte Anwendungsbereich lässt sich mit der eingangs angesprochenen Aufhebung des § 306 BGB a. F. erklären: Wenn der Vertrag in diesen Fällen fortan wirksam bleiben soll (klarstellend: § 311a Abs. 1 BGB), bedarf es eines Erlöschenstatbestands für den auf die anfänglich unmögliche Leistung gerichteten Primäranspruch: Er findet sich nunmehr in § 275 Abs. 1 Fall 2 BGB. Ferner erfasst § 275 Abs. 1 BGB fortan sowohl die vom Schuldner nicht zu vertretende als auch die zu vertretende Unmöglichkeit; bei vertragsanfänglicher Unmöglichkeit gilt dies auch für den Fall, dass der Schuldner das unüberwindbare Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat. Auf das Sonderproblem der zeitlichen Dauer der Unmöglichkeit wird noch ausführlich einzugehen sein (siehe unten sub „5. Das Zeitmoment“, S. 145 ff.). Daneben lässt sich noch zwischen der in der vorliegenden Arbeit behandelten vollständigen Unmöglichkeit und der Teilunmöglichkeit beziehungsweise qualitativen Unmöglichkeit17 (bei unbehebbaren Mängeln) differenzieren. 11

§ 275 Abs. 1 Fall 1. § 275 Abs. 1 Fall 2. 13 Ohne Bedeutung ist es, wenn die Entwurfsbegründung insoweit einer Gleichstellung (besser: Gleichbehandlung) von objektiver und subjektiver Unmöglichkeit das Wort redet, s. BT-Drucks. 14/6040, S. 128 li. Sp. 14 Zur anfänglichen Unmöglichkeit nach österreichischem Recht jüngst Joeinig, Die anfängliche Unmöglichkeit, jedoch ohne nähere Behandlung „bloße[r] Leistungsschwierigkeiten“, s. aaO., S. 112 bei Fn. 386, 279 (unter 8.). 15 Anders noch § 275 BGB a. F., der nur nachträgliche Leistungshindernisse erfassen sollte („nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes [. . .] unmöglich wird“, „nachträglich eintretende Unvermögen“), Hervorheb. jew. nicht im Original. 16 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 128. 12

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB

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Abschließend sei noch auf weitere Erscheinungsformen der Unmöglichkeit hingewiesen, namentlich die naturgesetzliche (physische), zeitliche und juristische Unmöglichkeit. 2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens Eine entscheidende Änderung gegenüber § 275 BGB a. F. besteht darin, dass die Neuregelung in § 275 Abs. 1 BGB nicht mehr18 das Erfordernis mangelnden Vertretenmüssens aufstellt. Der Schuldner wird demnach auch bei zu vertretender Unmöglichkeit19 beziehungsweise bei Kenntnis oder zu vertretender Unkenntnis vertragsanfänglicher Unmöglichkeit20 befreit. Wortlaut und Systematik des neuen § 275 BGB zeigen, dass die Frage des Vertretenmüssens insoweit unerheblich ist: In Absatz 1 der Vorschrift ist – anders als noch in § 275 Abs. 1 BGB a. F. – von (Nicht-)Vertretenmüssen keine Rede mehr, während es in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich erwähnt und dort zu einem maßgeblichen Kriterium für die dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen erhoben wird.21 Ferner hat sich auch die Entwurfsbegründung klar für eine Gleichstellung der nicht zu vertretenden und 17 Vgl. S. Lorenz/Riehm, Rn. 302 und passim; S. Lorenz, JZ 2001, 742, 743, ferner auch dens., NJW 2003, 3097 ff. 18 In § 275 Abs. 1 BGB a. F. hieß es noch: „den er [sc. der Schuldner] nicht zu vertreten hat“, (Hervorheb. nicht im Original), zu dieser Kontroverse unter Geltung des früheren Rechts bereits ausf. oben sub „b) Vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit“, S. 42 ff. 19 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 128 re. Sp. Ganz h. L., vgl. etwa Brox/Walker, SAT31 § 22 Rn. 15; Canaris, Schuldrechtsreform S. XI f.; ders., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 18; ders., JZ 2001, 499, 500; Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt S. 183, 195 f.; MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 56; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 30 f.; Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 595; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 35; Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 5; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 46 f. mit Fn. 114, 54, 58 f., 99; Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 38, 42; Mattheus, in: M. Schwab/ Witt, Examenswissen S. 50, 63 f.; dies., JuS 2002, 209, 212; Haas/Medicus/ Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 42 f.; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis Rn. 238; M. Schwab, in: M. Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht S. 1, 4; ders., JuS 2002, 1, 2; Westermann/Bydlinski/Weber, SAT § 7 Rn. 11; Zimmer, NJW 2002, 1, 2. 20 Vgl. den § 311a Abs. 2 S. 2 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken. Entscheidend ist insoweit, dass die Kenntnis bzw. zu vertretende Unkenntnis des Schuldners für seine Befreiung irrelevant ist, unpräzise daher jüngst Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht Rn. 375, die die Irrelevanz in Beziehung zum „Begriff der Unmöglichkeit“ setzen. 21 Zwingend ist dieses systematische Argument, das einem Umkehrschluss ähnelt (vgl. zum argumentum e contrario Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 209 f.), nicht, da das Vertretenmüssen in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB speziell für die Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen Berücksichtigung finden soll, mithin

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§ 4 Die neue Rechtslage

zu vertretenden Unmöglichkeit ausgesprochen,22 denn es sei „sinnlos, dem Gläubiger einen Anspruch zu geben, den der Schuldner nicht erfüllen kann“23. Dieses Argument ist im Unterschied zu der früher zum Teil herangezogenen Begründung, der zufolge die Annahme einer Pflicht zu Unmöglichem den Geboten der Logik widerstreite, tragfähig. Wenn nun namentlich von Lobinger der Versuch unternommen wird, das „Vertretenmüssen“ (genauer: das Nichtvertretenmüssen) in § 275 Abs. 1 BGB zu „integrieren“24, kann dem nicht gefolgt werden. Es wäre mit dem geltenden BGB nicht vereinbar, es steht – wie von Lobinger selbst eingeräumt – „in direktem Widerspruch zu Normtext und Verfasserabsicht“25. Die für eine Gesetzeskorrektur („teleologische Reduktion“26) erforderlichen Voraussetzungen sind nicht gegeben. Denkbar wäre allenfalls, das Vertretenmüssen bei der prozessualen Behandlung der Unmöglichkeit zu berücksichtigen (hierzu unten sub „1. Beweisfragen“, S. 158 ff.). Das von Lobinger27 insoweit angeführte „geradezu zwingende“ Argument eines „andernfalls klaffenden Widerspruch[s] zwischen den Abs. 1 und Abs. 2“ des § 275 BGB trägt nicht: Denn seine Prämisse, der zufolge in den Fällen des § 275 Abs. 1 BGB „eine Leistung in Natur – etwa durch Rückgriff auf einen anderen Gegenstand aus der Gattung – noch in Betracht kommt“, ist bereits unzutreffend. Lobinger28 meint, von einem unüberwindbaren Leistungshindernis könne im Falle der Zerstörung des Leistungsgegenstands beim Gattungskauf nach Konkretisierung nicht die Rede sein, solange die Gattung noch bestünde. Es stelle sich die Frage, welchen Leiszumindest nicht ausgeschlossen ist, dass es für § 275 Abs. 1 BGB eine Rolle spielen könnte. 22 BT-Drucks. 14/6040, S. 128 re. Sp., genauer wäre, von Gleichbehandlung zu sprechen. 23 BT-Drucks. 14/6040, S. 128 re. Sp., s. dort auch S. 127 li. Sp.; ebenso DäublerGmelin, NJW 2001, 2281, 2287. 24 So der Vorschlag von Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 251, 361; ganz ähnl. für die bestrittene subjektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Fall 1 BGB) auch Kohler, AcP 205 (2005), 93, 104, 112, 118 f., 122 f., 125 f. der jedoch das (Nicht-)Vertretenmüssen „als normatives Element mit restriktiver Wirkung“ (aaO., S. 118) bereits in den Unmöglichkeitsbegriff „integrieren“ möchte (besonders deutlich aaO., S. 125), vgl. auch jüngst wieder dens., JURA 2006, 241, 249 f., 252 f., abl. jüngst Staudinger/Löwisch (2005), § 311a Rn. 1a. 25 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 251. 26 s. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 252; vgl. ferner Kohler, AcP 205 (2005), 93, 126 (und 124), der die von ihm vertretene „norm- und systemimmanente Interpretation des neuen § 275 Abs. 1, 1. Alt. BGB [. . .] als Weiterbildung des Rechts [für] methodisch und rechtsstaatlich zulässig“ (aaO., S. 126) erachtet. 27 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 251. 28 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 56 f., 83 (und 93).

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tungsaufwand der Schuldner betreiben müsse, um die Erfüllung der Verpflichtung zu bewirken, namentlich sei es keineswegs auch schon grundsätzlich unsinnig, ihm einen Rückgriff auf einen anderen Gattungsgegenstand abzuverlangen.29 Indes: Durch die Konkretisierung der Gattungsschuld konzentriert sich das Schuldverhältnis auf die vom Schuldner aus der Gattung ausgewählte bestimmte Sache. Damit ist Gegenstand der kaufvertraglichen Leistungspflicht diese bestimmte Sache geworden. Wird sie zerstört, tritt Unmöglichkeit eben dieser Leistung ein. Der Fall liegt wie bei der Stückschuld. Es stellt sich überhaupt nicht die Frage, ob der Schuldner in zumutbarer Weise mit einer anderen Sache aus der Gattung erfüllen könnte. Seine Pflicht ist bereits wegen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) erloschen.30 Die Argumentation von Lobinger unter Verweis auf einen vermeintlichen Widerspruch zwischen Abs. 1 und 2 von § 275 BGB vermag nicht zu überzeugen. Es kann nicht geleugnet werden, dass es Fälle gibt, in denen sich die Frage nach dem zumutbaren Aufwand nicht stellt, da das Leistungshindernis schlicht unüberwindbar ist (zu diesen Fällen in Abgrenzung zu überwindbaren Hindernissen sogleich). 3. „Für jedermann“ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) Unmöglichkeit „für jedermann“ (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) bedeutet, dass niemand in der Lage ist, die geschuldete Leistung zu erbringen. Vorliegend wird sie als objektive Unmöglichkeit bezeichnet.31 Als Fallgruppen lassen sich insoweit die naturgesetzliche, zeitliche und juristische Unmöglichkeit sowie die der Unmöglichkeit gleichgestellten Fälle der Zweckerreichung und des Zweckfortfalls unterscheiden.32 Beim Stückkauf liegt bei Zerstörung33 der Kaufsache naturgesetzliche Unmöglichkeit vor. Beim Gat29 Das von Lobinger (Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 83 mit Fn. 15) angeführte Zitat – U. Huber, LS II § 55 II 2 c [S. 689 f.] – vermag seine Ansicht nicht zu stützen: Die Ausführungen von U. Huber beziehen sich auf den Sonderfall, dass dem Gattungsschuldner eine Berufung auf die Konkretisierung wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) verwehrt wird, wenn er „die Unmöglichkeit der Leistung“ (!) verschuldet hat (etwa weil die Ware infolge mangelhafter Verpackung durch den Verkäufer auf dem Transport zugrunde geht) und die ursprüngliche Gattungsschuld wieder auflebt. So man dem Gattungsschuldner ein Recht zur einseitigen „Entkonkretisierung“ zubilligt, räumt U. Huber (aaO., S. 689) dem Käufer (wahlweise) einen Anspruch aus § 325 BGB a. F. ein, der Unmöglichkeit (!) voraussetzt. 30 Vgl. nur – wenngleich noch zum alten Recht – BGH, NJW 2003, 3341 f. (betraf einen Fall der Unauffindbarkeit). 31 Ebenso z. B. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 35; Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 13. 32 Vgl. Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 14–19. 33 Vgl. zur Behandlung von Verschlechterungen Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 8, 51. Vorzugswürdig erscheint, solche Fälle unter zwei zu trennenden

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tungskauf hingegen kommt dies vor Konkretisierung34 nur in Betracht, falls ausnahmsweise die gesamte Gattung, bei einer Vorratsschuld der gesamte Vorrat, untergeht. Nach altem Recht wurden von der herrschenden Meinung die Fälle der so genannten „faktischen (oder praktischen) Unmöglichkeit“35 als wirkliche Unmöglichkeit angesehen beziehungsweise als solche behandelt. Zu fragen ist, ob sich dies ins neue Recht übertragen lässt, ob mit anderen Worten der Fall vom Ring auf dem Meeresboden beziehungsweise dem Münzschatz unter dem Fundament eines Hochhauses36 unter § 275 Abs. 1 BGB zu subsumieren ist. Dies ist indessen abzulehnen. Fälle „faktischer Unmöglichkeit“ fallen unter § 275 Abs. 2 BGB.37 Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, die angesprochenen Extremfälle unter den Begriff der Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 BGB zu subsumieren, doch liegt eine Subsumtion unter den unmittelbar benachbarten Absatz 2 näher: Der Wortlaut des § 275 Abs. 2 BGB (grobes Missverhältnis zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse) deutet zumindest daraufhin, dass ihm die benannten Fallkonstellationen unterfallen sollen. Darüber hinaus spricht sich die Entwurfsbegründung explizit dafür aus, dass Abs. 238 Fälle „faktischer Unmöglichkeit“ erfassen soll, und nennt insoweit das Schulbeispiel (nach Philipp Heck) vom Ring auf dem Grund des Sees.39 Wertungsgesichtspunkten zu bewältigen, einerseits der Identitätsfrage, andererseits der Kostenfrage (§ 275 Abs. 2 BGB), s. hierzu noch unten sub „(a) Mietvertrag“, S. 422 ff. 34 s. §§ 243 Abs. 2, (300 Abs. 2) BGB. 35 Hierzu oben „2. Wirkliche Unmöglichkeit und ‚faktische Unmöglichkeit‘“, S. 37 f., vgl. aus der Literatur statt aller Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § 2 III 5 (S. 24). 36 So die klassischen Beispiele „faktischer Unmöglichkeit“ im alten Recht, entgegen Grunewald, BürgR § 12 Rn. 18 ist insoweit nicht von „wirtschaftlicher Unmöglichkeit“ zu sprechen. 37 H. M.: Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 11; ders., JZ 2001, 499, 501 (zu § 275 Abs. 2 KonsF); Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 17, 37; Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 22; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 62; HandKomm/Schulze, § 275 Rn. 1 f., 19; Jauernig10 /Vollkommer, § 275 Rn. 24, ferner auch jurisPK-BGB/Alpmann, § 275 Rn. 5, 13, i. Erg. auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 560 mit Fn. 105. A. A.: M. Fischer, DB 2001, 1923, 1925 f.; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 19, 84 a. E.; Hj. Otto, JURA 2002, 1, 3; Staudinger/ders. (2004), § 283 Rn. 21, ebenso jüngst Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 663; wohl auch v. Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 3*, 7*; i. Erg. auch für die Anwendung von § 275 Abs. 1 BGB: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/ Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 40, ähnl. – wenngleich offenbar nur für absolute Extremfälle – auch Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 3 Rn. 50 („Beschaffung eines bestimmten Mars- oder Mondgesteins“). 38 Von § 275 RegE.

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Daneben aber spricht noch der Gesichtspunkt strikter Trennung der Behandlung überwindbarer und unüberwindbarer Leistungshindernisse gegen eine Subsumtion der Fälle „faktischer Unmöglichkeit“ unter § 275 Abs. 1 BGB.40 Bei diesen Fällen handelt es sich um Leistungshindernisse, deren Überwindung zwar exorbitanten Aufwand erfordern würde, die aber gleichwohl unter Einsatz entsprechender technischer Mittel überwindbar sind. Es stellt sich in diesen Fällen stets die rechtliche Wertungsfrage, ob der Schuldner den erforderlichen Aufwand betreiben muss oder nicht. Die überwindbaren Hindernisse unterscheiden sich damit entscheidend von unüberwindbaren Leistungshindernissen, bei welchen sich eine Wertungsfrage a priori gar nicht stellt: Denn es macht schlicht keinen Sinn zu fragen, wie viel Aufwand dem Schuldner zur Leistungserbringung angesonnen werden kann, wenn die Leistungserbringung ohnehin ausgeschlossen ist. Die entscheidende Frage ist nicht eine rechtliche Wertungsfrage, sondern vielmehr eine tatsächliche Frage, ob nämlich mit technischen Mitteln das Hindernis beseitigt werden kann oder nicht. Ist eine Beseitigung des Hindernisses nicht möglich, führt dies zum Ausschluss der Erfüllungspflicht (§ 275 Abs. 1 BGB). Nur wenn man diese tatsächliche Frage positiv beantworten kann, das Leistungshindernis mithin überwindbar ist, kommt man zu der (gewissermaßen nachgelagerten) Wertungsfrage, ob der erforderliche Aufwand dem Schuldner abverlangt werden kann oder nicht. Zugegebenermaßen lässt sich die Antwort auf die angesprochene Wertungsfrage in Fällen „faktischer Unmöglichkeit“ rasch finden. Regelmäßig wird in den ausgesprochenen Extremfällen nämlich eine Erfüllungspflicht abzulehnen sein. Indes legen die vom hier vertretenen Standpunkt abweichenden Meinungen Zeugnis davon ab, dass sie diffizile Abgrenzungsprobleme neuer Art heraufbeschwören: Beispielhaft seien die Ausführungen von Hansjörg Otto41 genannt. Er möchte im Falle des Rings auf dem Meeresboden42 „bei entsprechender Wassertiefe“ weiterhin objektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) annehmen. Soll nun aber tatsächlich die 39

BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp., 130 li Sp. Ähnl. wohl Schwarze, JURA 2002, 73, 75, der den Unmöglichkeitsbegriff „in einem strengen, formalen Sinn“ verstehen möchte, s. auch aaO., S. 76, wo insoweit von einer „formale[n], begrifflich fassbare[n] Grenze“ die Rede ist. Vgl. auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 53 (und 84), der zwar gleichfalls nur unüberwindbare Leistungshindernisse von der Unmöglichkeit erfasst sieht, dem jedoch abw. vom hier vertretenen Standpunkt einer strikten Trennung die Unmöglichkeit als Sonderfall der Unzumutbarkeit erscheint. Einen ähnlichen Ansatz wie hier vertritt neuerdings auch Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 366 ff., 371, 382 f., 406 ff., z. T. ähnl. jüngst Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 644 f. (einerseits) und 658 (andererseits), der zudem dafür plädiert, die „faktische Unmöglichkeit“ § 275 Abs. 1 BGB zuzuordnen (aaO., S. 663). 41 Hj. Otto, JURA 2002, 1, 3. 40

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Wassertiefe dafür maßgeblich sein, ob ein Fall unter § 275 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zu subsumieren ist, wenn sich die Frage auch weitaus sicherer nach dem Kriterium der Überwindbarkeit beantworten lässt? Insoweit erschiene noch die Ansicht von anderen Autoren43 vorzugswürdig, die, ausgehend von den unterschiedlichen Rechtsfolgen, danach differenzieren möchte,44 ob „damit zu rechnen [sei], dass ein vernünftiger Schuldner die Überwindung des Hindernisses erwägen könnte“. Denn nur dann könne es Sinn machen, dem Schuldner die Wahl zu lassen,45 ob er sich auf § 275 Abs. 2 BGB beruft oder doch die aufwendige Leistung erbringt, um sich die Gegenleistung zu sichern (siehe § 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB).46 In der Tat lässt sich damit die Gewährung einer bloßen Einrede in Fällen „faktischer Unmöglichkeit“ anzweifeln, wäre dem Schuldner insoweit mit einer ipso iure-Befreiung möglicherweise besser gedient.47 Es wird auch gesagt, die Befreiung kraft Gesetzes erspare dem Schuldner etwaige Widrigkeiten einer unterlassenen Einredeerhebung im Prozess, namentlich den Erlass eines Versäumnisurteils gegen ihn. Indes liegt es ohnehin beim Schuldner, die Tatsachen zur Begründung einer „faktischen Unmöglichkeit“ vor Gericht vorzutragen. Oft wird von einer konkludenten Einredeerhebung ausgegangen werden können. Überdies macht die in Fällen „faktischer Unmög42 Im Beispiel von Heck, Grundriß des Schuldrechts § 28, 8 (S. 89) ging es noch um einen See, im mutmaßlichen Ursprungsfall um den Tiber, hierzu U. Huber, in: Ernst/Zimmermann S. 31, 70 f. mit Fn. 140. 43 Insb. Medicus (in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland Kap. 3 Rn. 40/38; ders., SAT17 Rn. 376), sympathisierend auch Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 21, auch Hj. Otto, JURA 2002, 1, 3 redet einer „zweckorientierten Auslegung“ das Wort. 44 Im Ansatzpunkt auch von der Rechtsfolgenseite ausgehend P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 12 („Schlüssel für die Abgrenzung“), i. Erg. jedoch wohl wie hier, s. aaO., Rn. 13. 45 Gänzlich ausgeschlossen ist ein Entscheidungsspielraum und damit eine Wahl des Schuldners jedoch nur in Fällen wirklicher Unmöglichkeit, treffend Schapp, JZ 1993, 637, 639 (im Kontext der Einrede des § 275 S. 1 KommE). 46 s. Medicus, BürgR20 Rn. 158, vgl. zu diesem Gedanken bereits dens., SAT12 Rn. 370. Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 3 Rn. 50 indes will offenbar nur in ganz außerordentlichen Extremfällen (Beschaffung eines bestimmten Mars- oder Mondgesteins) keinen Raum für ein schuldnerisches Wahlrecht sehen. 47 Auch Canaris hatte sich gegen eine Ausformung als Einrede ausgesprochen, wurde jedoch in der Kommssion Leistungsstörungsrecht überstimmt, s. dens., JZ 2001, 499, 504 sowie den Diskussionsbericht von Langenbucher, JZ 2001, 528, 529. Krit. gegenüber der Ausgestaltung als Einrede ferner AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 7; AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 16, 38; dies., in: DaunerLieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 64; M. Fischer, DB 2001, 1923, 1925 f.; Schwarze, JURA 2002, 73, 75 f. Für „dogmatisch überflüssig“ hält jüngst Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 651 f., 661 f. ein Leistungsverweigerungsrecht in Fällen „faktischer Unmöglichkeit“.

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lichkeit“ als unpassend empfundene Einredekonstruktion ohnedies nur einen geringen Anwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB aus. Dass sich der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB nicht auf die Extremfälle der „faktischen Unmöglichkeit“ beschränkt, wird bei der Untersuchung von § 275 Abs. 2 BGB noch zu zeigen sein.48 Vor diesem Hintergrund erscheint es vorzugswürdig, an der trennscharfen Unterscheidung zwischen unüberwindbaren Leistungshindernissen (§ 275 Abs. 1 BGB – Fälle der wirklichen49 Unmöglichkeit)50 und überwindbaren (gegebenenfalls § 275 Abs. 2 BGB) festzuhalten.51 Insoweit kann auf die Naturgesetze, die Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik, die Logik sowie die geltende Rechtsordnung zurückgegriffen werden. Soweit die Rechtsordnung zur Beurteilung von Leistungsunmöglichkeit herangezogen wird, etwa in Fällen juristischer Unmöglichkeit (Beispiele: Verzicht auf ein nicht existierendes Recht; Bestehen eines ausländischen Importverbots, das die Lieferung von Hemden untersagt und daher zur Leistungsunmöglichkeit führt52), kommt man freilich auch bei wirklicher Unmöglichkeit nicht ganz ohne rechtliche Wertungen aus. Doch handelt es sich in solchen Einzelfällen nicht um Zumutbarkeitserwägungen, Fragen der Unverhältnismäßigkeit oder dergleichen. Gleichwohl empfiehlt es sich zur Verhinderung von Begriffsverwirrung nicht, zwar nicht im berühmten Ringfall, so doch im Falle eines Importverbots von „‚praktischer‘ Unmöglichkeit“ zu sprechen.53 Die vorliegend vertretene Ansicht macht schwierige Unterscheidungen, ob etwa ein vernünftiger Mensch eine Überwindung des Hindernisses erwägen würde (so Medicus) beziehungsweise ob ein vernünftiger Mensch auch 48

s. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp.: „Tatbestandlich werden mit Absatz 2 zwei unterschiedliche Fallgruppen erfasst.“, nur eine von zwei ist die der „faktischen Unmöglichkeit“. 49 Ebenso Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291 f., andere wollen von „echter“ Unmöglichkeit reden, s. etwa StuKo/Kropholler, Vor § 275 Rn. 8 (in Abgrenzung zur „unechten Unmöglichkeit“ nach § 275 Abs. 2 BGB), ferner auch Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 66. 50 Dies scheint dem von P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 11 angesprochenen „naturalistisch[en]“ Verständnis des Unmöglichkeitsbegriffs zu entsprechen; indes dürfte der Begriff „naturalistisch“ in diesem Zusammenhang das Richtige nicht exakt bezeichnen. 51 So jetzt auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 52, 55 ff., 60, 62 f., 176 f., s. demgegenüber dens., aaO., S. 64, 169, 173 (systematische Zuordnung des § 275 Abs. 2 BGB zur Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 BGB). 52 s. BGH, NJW 1983, 2873 – Pilothemden, zust. Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 6; abw. Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 369 f. 53 So aber ausdrücklich U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 560 mit Fn. 105 und 558 mit Fn. 98 a. E.

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nur auf die Idee käme, Leistungsbemühungen anzustrengen (so früher Emmerich für die „faktische Unmöglichkeit“), entbehrlich. Gleichzeitig hat diese Ansicht den Vorteil, den Unmöglichkeitsbegriff nicht mit Wertungskriterien anzureichern.54 Versteht man Unmöglichkeit im vorgenannten Sinne, so kann man in der Tat sagen, dass § 275 Abs. 1 BGB Ausdruck des Celsus-Satzes „impossibilium nulla obligatio est“55 ist. Canaris56 spricht in Hinsicht auf die wirkliche Unmöglichkeit „von einer geradezu a-priorischen Überzeugungskraft“ der Befreiung von der Erfüllungspflicht.57 Rödl 58 hingegen ging abweichend vom hier vertretenen Ansatz im Ausgangspunkt davon aus, dass „es sich bei Unmöglichkeit und Leistungserschwerungen um den gleichen Problemkreis“59 handele, „Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit [. . .] nichts gänzlich Verschiedenes“60 seien; insoweit lägen nur „graduelle Unterschiede“ vor, wobei im Falle naturgesetzlicher Unmöglichkeit der „Punkt der maximalen Leistungserschwerung“61 erreicht sei. Grundsätzlich forderte sie (im früheren Recht) zur Befreiung des Schuldners von seiner Erfüllungspflicht neben Unmöglichkeit oder Unvermögen zusätzlich ein Wertungsmoment,62 „wobei die Wertung bei objektiver naturgesetzlicher Unmöglichkeit keinerlei Spielraum mehr [lasse]“63, es entfalle „ein aufwendiges Werten, weil es denkgesetzlich ausgeschlossen [sei], jemanden zur Leistung von Unmöglichem zu verpflichten“64. Nicht 54

Die richterliche Würdigung der Tatsachen im Prozess (vgl. § 286 ZPO) bleibt hiervon freilich unberührt, in materiell-rechtlicher Hinsicht wird man die Unmöglichkeitskategorie – wie gesehen – weitestgehend wertungsfrei erfassen können. 55 D. 50, 17, 185. 56 Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke S. 43, 49 f. 57 Für Fälle bloßer Leistungserschwerung gelte die benannte Überzeugskraft nicht („schmückt diese [sc. die bloße Leistungserschwerung] mit geborgtem und trügerischem Glanz“, aaO., S. 50). Gleichwohl möchte Canaris, § 275 Abs. 2 BGB dogmatisch in die Lehre von der Unmöglichkeit einordnen, s. Canaris, JZ 2001, 499, 505 (und 504) für § 275 Abs. 2 RegE, in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB ders., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 25 f.; ders., JZ 2004, 214, 220. 58 Zwar beschäftigt sich ihre Untersuchung („Die Spannung der Schuld“) mit dem alten Recht (sowie dem KommE), doch dürften die vorliegend herangezogenen Ausführungen auch losgelöst vom benannten Kontext als Lösungsansatz verstanden werden. 59 Rödl, Spannung der Schuld S. 61. 60 Rödl, Spannung der Schuld S. 37, ähnl. S. 21, 132; S. 62: „Unmöglichkeit ist dabei nichts von Unvermögen und Leistungsschwierigkeit gänzlich zu Unterscheidendes“. 61 Rödl, Spannung der Schuld S. 21 („wobei die Unmöglichkeit das Maximum markiert“), 61, 132. 62 Rödl, Spannung der Schuld S. 98. 63 Rödl, Spannung der Schuld S. 98, offenbar auch die objektive juristische Unmöglichkeit in Bezug nehmend, aaO., S. 90.

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ganz klar wird, ob nun die objektive naturgesetzliche Unmöglichkeit per se befreiend wirken soll65 oder doch „die Wertung, die die Unmöglichkeit zur totalen Unzumutbarkeit erklärt“66. Zumindest im Ergebnis scheint die Ansicht von Rödl mit der hier verfochtenen Meinung insofern überein zu stimmen, dass es Fälle gibt, in denen sich bei der Frage nach der Befreiung des Schuldners von der Erfüllungspflicht eine rechtliche Wertung erübrigt,67 weil die Leistung schlechthin unmöglich ist. Indes wird dies vorliegend nicht wie bei Rödl auf die objektive naturgesetzliche und offenbar auch die juristische Unmöglichkeit68 beschränkt,69 sondern auch für die zeitliche Unmöglichkeit wie auch subjektive Unmöglichkeit70 angenommen, mithin generell bei unüberwindbaren Leistungshindernissen. Die behandelte Unterscheidung, ob im Falle „faktischer Unmöglichkeit“ § 275 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB eingreift, hat praktisch hauptsächlich71 Bedeutung für die Frage der verfahrensrechtlichen Geltendmachung, namentlich, ob eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung gewährt wird (Abs. 1) oder eine vom Schuldner vor Gericht geltend zu machende Einrede (Abs. 2). Ungleich wichtiger ist freilich die Unterscheidung innerhalb der überwindbaren Leistungshindernisse in solche, die unter den Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB fallen, und jene, die die Erfüllungspflicht unberührt lassen und vom Schuldner zu überwinden sind. 4. „Für den Schuldner“ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 1 BGB) Neben der objektiven Unmöglichkeit erfasst § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB auch die Unmöglichkeit „für den Schuldner“.72 Insoweit ist der Begriff der subjektiven Unmöglichkeit zu verwenden, den im Kontext der alten Rege64 Rödl, Spannung der Schuld S. 88 f. An anderer Stelle soll indes nicht nur ein aufwendiges Werten entfallen, sondern vielmehr eine Lösung „gänzlich ohne Wertung“ möglich sein, aaO., S. 132. 65 So Rödl, Spannung der Schuld S. 64: „Genauer gesagt wirkt die Unmöglichkeit als objektive naturgesetzliche Unmöglichkeit durchaus befreiend, weil es keinen Wertungsgesichtspunkt gibt, der einen Schuldner trotz der absoluten Unmöglichkeit zur Leistung verpflichten kann.“. 66 So Rödl, Spannung der Schuld S. 65, anders wiederum S. 132: „gänzlich ohne Wertung“. 67 So auch deutlich Rödl, Spannung der Schuld S. 132: „gänzlich ohne Wertung“. 68 Hierzu Rödl, Spannung der Schuld S. 90. 69 Rödl, Spannung der Schuld S. 62, 64, 98. 70 Hierzu sogleich im Text. 71 s. zu akzessorischen Sicherungsrechten unten sub „1. Einredecharakter“, S. 449 ff. 72 Ungenau erscheint, eine Gleichstellung (im Sinne der Regelungstechnik des früheren § 275 BGB) von objektiver und subjektiver Unmöglichkeit anzunehmen

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lung gebrauchten Begriff des Unvermögens (siehe §§ 275 Abs. 2, 279 BGB a. F.) gilt es dagegen im neuen Recht strikt zu vermeiden.73 a) Enges Verständnis subjektiver Unmöglichkeit – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens Was versteht das Gesetz unter dem neuen Terminus der „Unmöglichkeit für den Schuldner“? Wie bereits oben74 ausführlich dargelegt, verstand eine beachtliche Mindermeinung das frühere Unvermögen sehr weit, befreite den Schuldner von seiner Leistungspflicht aber nur, wenn er sein (nachträgliches) Unvermögen nicht zu vertreten hatte. Demgegenüber hielt die herrschende Meinung das Tatbestandsmerkmal „Nicht-zu-vertreten-haben“ (siehe § 275 Abs. 1 BGB a. F.) für überflüssig und war daher gezwungen, das Unvermögen erheblich einzuschränken, da andernfalls eine uferlose Leistungsbefreiung gedroht hätte. Dieser herrschenden Meinung gleichsam Gefolgschaft leistend, wurde im neuen § 275 Abs. 1 BGB das „Nicht-zuvertreten-haben“ der Unmöglichkeit „für den Schuldner“ aus dem Tatbestand hinausgewiesen.75 Vor diesem Hintergrund76 kann subjektive Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB nicht weit im Sinne des bloßen Fehlens der faktischen Dispositionsfähigkeit über den Leistungsgegenstand verstanden werden,77 denn andernfalls drohte in der Tat eine uferlose Befreiung von der Primärleistungspflicht, mithin eine weitgehende Aushöhlung des Rechts auf Leistung in Natur. Vielmehr muss subjektive Unmöglichkeit, die per se von der Erfüllungspflicht befreit, eng verstanden werden. Die Möglichkeit des Schuldners, ein bestehendes Leistungshindernis zu beseitigen, muss daher schon in die Beurteilung, ob subjektive Unmöglichkeit vorliegt oder nicht, einbezogen werden. Anders gewendet: Subjek(so BT-Drucks. 14/6040, S. 128 li. Sp.), vielmehr handelt es sich um eine Gleichbehandlung, zutreffend Oechsler, SBT § 2 Rn. 61: „einheitliche Behandlung“. 73 Anders jedoch die meisten Autoren, vgl. beispielhaft Canaris, FS Heldrich S. 11, 17 („Unvermögen“), s. im Übrigen nur Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 23: „Rspr und Lehre werden ihn [sc. den Terminus ‚Unvermögen‘] aber weiter verwenden.“. 74 Sub „a) Weiter Unvermögensbegriff“, S. 63 f. sowie „b) Enger Unvermögensbegriff“, S. 64 f. jew. m. Nachw. 75 Hierzu oben sub „2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 131 ff. 76 M. Fischer, DB 2001, 1923, 1924, 1926 verweist daneben auf die Systematik der Abs. 1 und 2 von § 275 (RegE). 77 Im Ergebnis ebenso Schwarze, JURA 2002, 73, 76, ferner auch Mattheus, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 50, 64 f.; dies., JuS 2002, 209, 212; Schulze/ Ebers, JuS 2004, 265, 266; M. Schwab, in: M. Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht S. 1, 5; ders., JuS 2002, 1, 2 f., s. auch S. Meier, JURA 2002, 118, 129; Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 15.

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tive Unmöglichkeit liegt nicht vor, wenn der Schuldner ein bestehendes Leistungshindernis beheben und damit seine Leistungsfähigkeit herstellen beziehungsweise wiederherstellen kann. Beim Verkäufer liegt dementsprechend in Einklang mit den Gesetzesmaterialien78 subjektive Unmöglichkeit nicht vor, wenn er die Kaufsache (wieder-)beschaffen kann. In Abgrenzung zur objektiven Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) versteht man unter subjektiver Unmöglichkeit, dass der Schuldner die Leistung nicht erbringen kann, während (mindestens) ein Dritter existiert, der zur Leistung imstande ist. Weiterhin wird hierzu der Fall gerechnet, dass der Schuldner die Leistung nur unter Mitwirkung eines Dritten erbringen könnte,79 die jedoch nicht zu erreichen ist, etwa weil der Dritte die notwendige Mitwirkung definitiv verweigert. Für den Fall einer vom Schuldner persönlich zu erbringenden Leistung (z. B. schuldet ein bestimmter Maler die Porträtierung einer Person) liegt objektive Unmöglichkeit vor, wenn der Schuldner (etwa wegen Krankheit) nicht leisten kann,80 da in diesem Fall niemand die geschuldete Leistung zu erbringen vermag. Kann der Schuldner ein überwindbares Leistungshindernis nur deshalb nicht ausräumen, weil ihm dazu die finanziellen Mittel fehlen, führt dies freilich nicht zur Annahme subjektiver Unmöglichkeit.81 Geldmangel wird dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung82 zufolge bei der Beurteilung, ob der Schuldner ein Hindernis potentiell überwinden kann, schlicht nicht zur Kenntnis genommen.83 78

BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp. Vgl. statt vieler AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 12; AnwKomm/ dies. (2005), § 275 Rn. 34; MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 51; Palandt65 / Heinrichs, § 275 Rn. 23. 80 Hierzu oben mit Fn. 190 (S. 62). 81 Dies dürfte von Kohler, AcP 205 (2005), 93, 111, 121 z. T. nicht hinreichend berücksichtigt werden; entgegen der Ansicht von Kohler droht auch in den von ihm ins Feld geführten Fällen mangelnder finanzieller Vertrauenswürdigkeit des Schuldners (aaO., S. 121 bei und mit Fn. 75) nicht die dort zu Recht als nicht überzeugend beschriebene Konsequenz eines Anspruchsausschlusses gem. § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB: Auch wenn der Schuldner im Ruf steht, sich in einer Finanzkrise zu befinden, lassen sich dessen ungeachtet „bereite Subunternehmer“ finden. Der Schuldner müsste dazu nur in Vorleistung treten, Sicherheit leisten oder etwa einen Strohmann einschalten. Subjektive Unmöglichkeit lässt sich damit unschwer ablehnen. Dies gilt i. Erg. auch für den in jüngster Zeit von Kohler gebildeten Fall, s. JURA 2006, 241, 244 sub III. 6., 252 f.: Bietet der Schuldner nur genügend Geld, wird sich zumindest ein Subunternehmer finden lassen, selbst wenn andere Unternehmen ihm (zunächst) verübeln sollten, dass „er [der Schuldner] den Auftrag zu – angeblich – unfairen Preisen erlangt hat“ (aaO., S. 244); überdies könnte der Schuldner auch in anderen Regionen nach einem leistungsbereiten Dritten suchen. 82 s. Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 63 m. weit. Nachw.; Medicus, AcP 188 (1988), 489 ff. (zum Grundsatz „Geld muß man haben“). 79

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b) Wertungsfreiheit des Begriffs – Unmöglichkeit im wirklichen Sinne Ist die Behebung eines Hindernisses zwar theoretisch möglich, erfordert sie aber enormen Aufwand des Schuldners, liegt gleichwohl kein unüberwindbares Leistungshindernis vor. Wie schon für den Fall der objektiven Unmöglichkeit gezeigt wurde, sind die Begriffe in § 275 Abs. 1 BGB unter (weitgehendem) Verzicht auf Wertungskriterien zu definieren, das heißt es wird nur die wirkliche Unmöglichkeit im Sinne eines unüberwindbaren Leistungshindernisses erfasst.84 Sobald die Beurteilung eines Falls normative Überlegungen erfordert – also eine rechtliche Wertungsfrage aufwirft –, ist der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1 BGB verlassen; es bleibt dann nur der Rückgriff auf § 275 Abs. 2 BGB beziehungsweise § 313 BGB. Auch in den Gesetzesmaterialien wird subjektive Unmöglichkeit im wirklichen Sinne85 verstanden.86 Dieses Verständnis sei an zwei Beispielen verdeutlicht: Beispiel 1: V verkauft an K ein Gemälde zum Preis von 1.000 e. Vor der Übereignung an K trifft V auf den Dritten X, der ihm für das Gemälde 1.500 e bietet. V wird mit X handelseinig und übereignet ihm das Gemälde. Nun verlangt K von V Lieferung des Gemäldes. X wäre nur gegen Zahlung von 2.000 e bereit, das Gemälde an V zurückzugewähren.

Die Lieferung des Gemäldes ist für V nicht subjektiv unmöglich, da er das Leistungshindernis, das Fehlen von Besitz und Eigentum an der Kaufsache, beheben kann, indem er das Gemälde von X zurückerwirbt. Selbst wenn X nicht nur 2.000 e, sondern eine horrende Summe von beispielsweise 50.000 e für die Rückgewähr des Gemäldes verlangte, läge kein unüberwindbares Leistungshindernis, mithin keine subjektive Unmöglichkeit vor. In derartigen Fällen wird sich der Schuldner freilich erfolgreich auf § 275 Abs. 2 BGB berufen können. Fälle dieser Art treten – wenngleich selten in dieser Dimension – nicht nur in Lehrbüchern in Erscheinung, sondern durchaus auch vor den Gerichten, so etwa in einem vom BGH entschiedenen Fall87, in dem der Dritte das 33fache (!) des Werts der Sache für seine Kooperationsbereitschaft verlangte. Nur wenn X seine Kooperation definitiv verweigerte, mithin zu keinem Preis bereit wäre, die Sache an Vgl. auch Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 15 (und 2). Ähnl. wohl Schwarze, JURA 2002, 73, 76, der den Begriff subjektiver Unmöglichkeit (dort wird der zu vermeidende Begriff „Unvermögen“ verwendet) „in einem strengen, formalen Sinn“ verstehen möchte, wie hier auch M. Fischer, DB 2001, 1923, 1924, 1926 (zu § 275 RegE), anders E. Picker, JZ 2003, 1035, 1042, der bei „Unvermögen“ immer eine wertungsabhängige Frage aufgeworfen sieht. 85 Vgl. zu dieser Charakterisierung bereits beim engen Unvermögensverständnis nach altem Recht oben bei Fn. 197 (S. 64). 86 BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp. 87 BGH, NJW 1988, 699, hierzu ausf. sub „(c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987 (= BGH, NJW 1988, 699) – ‚33fach‘“, S. 198 ff. 83 84

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V zurückzugewähren, läge subjektive Unmöglichkeit vor. Dieser Fall wird praktisch kaum eintreten, denn – so bereits die metaphorische Begründung Krückmanns88: „Vor dem goldenen Regen gibt es nahezu gar keine Schwierigkeiten, geschweige denn Unvermögen“, womit er ausdrücken wollte, dass praktisch alle Sachen „feil“89 seien. Völlig ausgeschlossen ist der Fall aber dennoch nicht,90 wenngleich beim Dritten dazu ganz besondere Gründe vorliegen werden müssen (wie etwa eine emotionale Verbundenheit mit einem Erbstück). Beim Gattungskauf käme subjektive Unmöglichkeit des Verkäufers nur für den praktisch schwerlich denkbaren Fall in Betracht, dass sämtliche Dritten, die Ware der geschuldeten Gattung veräußern könnten, zu keinem Preis bereit wären, den Verkäufer zu beliefern. Für die Beurteilung, ob der Schuldner ein Leistungshindernis beseitigen kann, indem er die Kooperationsbereitschaft des Dritten erreicht, kann regelmäßig nur das Anbieten finanzieller Mittel (Geldzahlung an den Dritten, Freistellung von etwaigen Schadensersatzverpflichtungen des Dritten gegenüber anderen Personen) berücksichtigt werden.91 Nicht hingegen sind „unmoralische“ Angebote oder die Möglichkeit rechtswidriger oder gar strafbarer Handlungen gegenüber dem Dritten (wie Nötigung, Erpressung etc.) berücksichtigungsfähig.92 Soweit die vom Dritten dem Schuldner abverlangten Handlungen gegen die Rechtsordnung verstoßen würden, versteht sich dies von selbst.93 Darüber hinaus können aber auch sonstige („legale“) Handlungen, die sich nicht im Anbieten finanzieller Mittel erschöpfen, in aller Regel keine Berücksichtigung finden. Lässt sich der Dritte seine Ko88

Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 68. Veraltet für „verkäuflich“, „zu verkaufen sein“, s. Deutsches Universalwörterbuch S. 528. 90 Vgl. RGZ 69, 355, hierzu U. Huber, LS II § 59 II 2 (S. 812), abw. aber E. Picker, JZ 2003, 1035, 1042. 91 Steht dem Schuldner hingegen bereits ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch gegen den Dritten zu Gebote, kommt es auf eine Einwirkung mittels Geldzahlung freilich nicht an. So hat das BAG jüngst (BAGE 111, 191, 198) Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 (Fall 1) BGB zutreffend schon deshalb abgelehnt, weil nicht mit Gewissheit auszuschließen war, dass der vom Gesamtbetriebsrat auf Auskunftserteilung in Anspruch genommene Arbeitgeber die zur Leistung (Auskunftserteilung) notwendigen Informationen durch Inanspruchnahme Dritter auf dem Rechtswege erlangen kann. 92 Anders M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 26 und 39: „wenn der Dritte durch keine Reize dieser Welt zu bewegen ist, den Gegenstand wieder zurückzugeben“ (aaO., S. 26) unter unrichtigem Verweis auf M. Fischer. Weiter gehend als hier offenbar auch Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 („auf irgendeine zulässige Weise überwindbar“). 93 So zutreffend BGH, NJW 1983, 2873 – Pilothemden für objektive Unmöglichkeit (zust. Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 6), hierzu bereits oben mit Fn. 260 (S. 76). 89

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operationsbereitschaft nicht mit Geldmitteln abkaufen, liegt daher subjektive Unmöglichkeit vor, auf § 275 Abs. 2 BGB kommt es demzufolge nicht mehr an.94 Kaum denkbar erscheint der Fall, dass sich der Dritte zwar nicht gegen Zahlung jeder Geldsumme, wohl aber gegen Erbringung bestimmter Handlungen durch den Schuldner seine Kooperationsbereitschaft abkaufen lässt. Es wird dann meist um Schikane und auch gegen die Rechtsordnung verstoßende Handlungen gehen. Soweit ein Rechtsverstoß ausnahmsweise nicht gegeben sein sollte und der Schuldner – aus welchen Gründen auch immer –95 die vom Dritten begehrte Handlung erbringen möchte, um die nach § 275 Abs. 1 BGB nicht geschuldete Leistung zu bewirken, kann ihm insoweit mit § 242 BGB geholfen werden. Im Prozess wird er sich schlicht nicht auf Unmöglichkeit berufen beziehungsweise diese widerlegen, wenn sie vom Gläubiger zur Begründung von Sekundärrechten vorgetragen wird. Abschließend sei noch auf den Streitfall eingegangen, wenn der Leistungsgegenstand abhanden gekommen ist. Beispiel 2: Wiederum sei ein Gemälde von V an K zum Preis von 1.000 e verkauft. Bevor es zur Übereignung an K kommt, wird das Gemälde vom Dieb D gestohlen. Nun setzt sich D mit dem Gemälde ins Ausland ab. K besteht auf der Lieferung des Gemäldes.

Es stellt sich die Frage, ob hier ein unüberwindbares Leistungshindernis96 vorliegt, das die Anwendung von § 275 Abs. 1 BGB zur Folge hätte. Davon geht die Entwurfsbegründung für den Fall aus, dass „die Suche nach dem Dieb aussichtslos ist“97. Indes wird bei den heutzutage bestehenden (Such-)Möglichkeiten unter Einsatz verschiedenster Mittel (Beauftragung von Detektiven oder entsprechender Agenturen, Anzeigen in allen Medien der Welt, Suche über Internet, Aussetzen einer hohen Belohnung etc.)98 eine Suche nach dem besitzenden Dritten (z. B. einem Dieb) kaum jemals 94 Anders M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 26, 39, der in Fällen, in denen der Dritte Handlungen verlangt, die die „Ehre [des Schuldners] verletzen oder die wettbewerbswidrig sind oder gar Straftaten darstellen“ (aaO., S. 39), (offenbar) nur § 275 Abs. 2 BGB, nicht aber § 275 Abs. 1 BGB bejahen möchte. In diesen Fällen müsse das Leistungsinteresse des Gläubigers „schweigen“ (aaO., S. 39). 95 Etwa um sich die Gegenleistung zu sichern und sich vor etwaigen Schadensersatzverpflichtungen zu bewahren. 96 Dieses besteht vorliegend im mangelnden Besitz des Schuldners; zu übereignen vermag V das Gemälde an K durchaus, s. §§ 929 S. 1, 931 BGB, mindestens unpräzise daher Reischl, JuS 2003, 250, 255. 97 BT-Drucks. 14/6040, S. 128 li. Sp., anders jüngst Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 372, insb. mit Fn. 33 a. E., zweifelnd bereits S. Meier, JURA 2002, 118, 130 mit Fn. 55; im Falle des Diebstahls von Gepäckstücken aus einem Pkw hält das OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, 1610, 1611 ohne nähere Begründung die Rückgabe für subjektiv unmöglich. 98 Vgl. zum Ganzen auch Schlechtriem, SAT5 Rn. 287; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 484.

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„aussichtslos“ sein. Zumal bei dieser Beurteilung stets davon auszugehen ist, dass Geld keine Rolle spielt, mithin so zu tun ist, als ob für die Suche jeder Geldbetrag eingesetzt wird. Anders wird dies offenbar von Ernst99 für den Fall gesehen, „wenn der Dritte als schlechthin unauffindbar gelten muss“.100 Sei der Dritte hingegen nicht schlechthin unauffindbar, gäbe es vielmehr „vernünftig erscheinende Möglichkeiten seiner Ermittlung“, will Ernst § 275 Abs. 1 BGB ablehnen. Das dürfte im Umkehrschluss bedeuten, dass in Ermangelung „vernünftig erscheinende[r] Möglichkeiten“ ein Fall von § 275 Abs. 1 BGB zu bejahen wäre. Wann aber Ermittlungsmöglichkeiten „unvernünftig“ erscheinen mögen, kann nicht frei von Wertungselementen beurteilt werden. Demzufolge ist diese Auffassung ebenso abzulehnen wie diejenige, die die Zuordnung der „faktischen Unmöglichkeit“ zu § 275 Abs. 1 BGB in dem Fall vom Ring auf dem Meeresgrund von der Wassertiefe abhängig machen möchte.101 c) Ergebnis Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass subjektive Unmöglichkeit zur Leistung vorliegt, wenn der Schuldner zur Leistung außerstande ist, sie aber von einem Dritten oder unter Mitwirkung eines Dritten erbracht werden könnte. Der Umfang des Aufwands – etwa die Höhe der vom Dritten begehrten Geldsumme oder der Umfang der zur Suche nach dem Dritten (z. B. dem Dieb) erforderlichen Aufwendungen – spielt insoweit keine Rolle, denn subjektive Unmöglichkeit ist nicht im normativen, sondern im wirklichen Sinne zu verstehen. Vor diesem Hintergrund ist der Anwendungsbereich von § 275 Abs. 1 Fall 2 BGB äußerst klein.102 5. Das Zeitmoment Die Untersuchungen haben ergeben, dass eine Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist, wenn ihrer Erbringung ein unüberwindbares Hindernis 99

MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 52, vgl. auch dens., FS Heldrich S. 113, 135 für den Fall der Drittveräußerung („Rückerwerb [. . .] nicht mehr zu erwarten ist“). 100 Ähnl. wohl jetzt auch T. Härle, Inhalt und Grenzen der Leistungspflicht S. 178/187. 101 Hiergegen bereits oben bei Fn. 41 f. (S. 135). 102 Vgl. jüngst AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 35 („extrem schmal“), ähnl. dies., in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 67 („eng begrenzt“); Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 18, jüngst auch Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 475 („Für § 275 I Alt. 1 verbleiben daher kaum noch Anwendungsfälle.“), vgl. auch Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 46.

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entgegensteht, wobei die Unüberwindbarkeit (praktisch)103 frei von rechtlichen Wertungen zu bestimmen ist. Im Folgenden soll die zeitliche Komponente der Unmöglichkeit näher beleuchtet werden. Ein Leistungshindernis beziehungsweise dessen Unüberwindbarkeit besteht entweder nur zeitweilig (vorübergehend) oder endgültig (dauernd). Verbrennt etwa das geschuldete Gemälde, so besteht das Hindernis, die Nichtexistenz infolge des Verbrennens, endgültig, da es mangels Irreversibilität des Geschehens für immer unüberwindbar bleibt. Ebenso ist im Falle eines absoluten Fixgeschäfts104, wenn nicht zur vereinbarten Leistungszeit beziehungsweise innerhalb des Erfüllungszeitraums geleistet wurde, zeitliche Unmöglichkeit eingetreten, die endgültig ist. Denn es ist für immer unmöglich, die Leistung zu dem fix vereinbarten und in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt beziehungsweise in einem entsprechenden Zeitraum zu bewirken. Bei juristischer Unmöglichkeit liegt hingegen oftmals keine endgültige Unmöglichkeit vor: Kann der Schuldner dem Gläubiger beispielsweise ein Patent an einer nicht patentierfähigen Erfindung nicht verschaffen (juristische Unmöglichkeit),105 so entfällt das einst unüberwindbare Leistungshindernis, wenn die Patentierfähigkeit qua Gesetzesänderung eingeführt wird.106 In anderen Fällen dagegen entfällt lediglich die Unüberwindbarkeit, zunächst aber nicht das Leistungshindernis selbst: Wurden etwa neue technische oder wissenschaftliche Methoden entwickelt (z. B. haben Wissenschaftler ein neues U-Boot zur Bergung von Gegenständen in tiefen Gewässern entwickelt), mit deren Hilfe das Hindernis überwindbar ist, so besteht das Hindernis ungeachtet der technischen Neuentwicklung zunächst weiter (Beispiel: der geschuldete Ring liegt noch im Marianengraben). Doch kann das nunmehr überwindbar gewordene Leistungshindernis beseitigt werden, demzufolge die Unmöglichkeit der Leistung entfällt. Ähnlich liegen die Dinge auch im Falle der Drittveräußerung:107 Dort besteht das Leistungshindernis darin, dass dem Schuldner wegen der Übereignung der Kaufsache an einen Dritten Eigentum und Besitz fehlen; unüberwindbar ist es, wenn sich der Dritte definitiv weigert, die Sache zurückzugewähren. Gibt dieser seine Verweigerungshaltung auf, so entfällt zunächst nur die Unüberwindbarkeit des Hindernisses, nicht jedoch das Hindernis (Mangel an Besitz und Eigen103

Vgl. oben bei Fn. 52 f. (S. 137) sowie Fn. 92 ff. (S. 143 f.). Das vorliegt, wenn die Parteien die Leistungszeit zum Inhalt der Leistungspflicht gemacht haben, die Leistungserbringung nach einem bestimmten Zeitpunkt (bzw. eines bestimmten Erfüllungszeitraums) für den Gläubiger ohne Sinn wäre. 105 Beispiele bei U. Huber, LS I § 4 II 2 a (S. 108). 106 Anders etwa Däubler, FS Heldrich S. 55, 57 für den Fall, dass „Stockwerkseigentum“ geleistet werden soll. 107 Hierzu auch noch ausf. unten sub „(c) Drittveräußerung“, S. 417 ff. 104

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tum) selbst. Der Schuldner muss das überwindbar gewordene Hindernis erst noch ausräumen, indem er den Leistungsgegenstand vom Dritten gegen Zahlung einer Ablösesumme erwirbt; er kann die Beseitigung des Hindernisses auch mit der eigentlichen Leistungserbringung verbinden, indem er auf abgekürztem Leistungsweg gegen Zahlung einer Ablösesumme den Gegenstand direkt von dem Dritten auf den Gläubiger übertragen lässt beziehungsweise den Dritten zur Einwilligung oder Genehmigung seiner Verfügung an den Gläubiger bewegt. a) Endgültige Unmöglichkeit Zwar treten bisweilen unüberwindbare Leistungshindernisse auf, deren Endgültigkeit sich mit Sicherheit feststellen lässt,108 da sie zu keinem Zeitpunkt in der Zukunft entfallen beziehungsweise überwindbar werden. Doch sind solche Fälle eher selten. Nach den Gesetzen der Logik kann dies etwa für den genannten Fall der zeitlichen Unmöglichkeit zutreffen, denn es wird – zumindest diesseits des in manchem Kinofilm Möglichen – niemals möglich sein, eine Leistung für einen Zeitraum in der Vergangenheit zu erbringen. Bei naturgesetzlicher Unmöglichkeit dürfte im Falle des vollständig verbrannten Gemäldes die Leistung endgültig unmöglich sein. Doch wird man dies in vielen Fällen nicht sagen können. Man denke nur an die enormen Fortschritte von Wissenschaft und Technik, deren Stand einer fortwährenden Entwicklung unterliegt. Im Besonderen für die subjektive Unmöglichkeit kann eine Leistungsmöglichkeit nicht mit Sicherheit endgültig ausgeschlossen werden: Es besteht im Gegenteil sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Dritte irgendwann kooperationsbereit zeigen wird. Oftmals werden zumindest Zweifel bestehen, ob sich ein gegenwärtig unüberwindbares Hindernis irgendwann in der Zukunft beseitigen lässt beziehungsweise entfällt. Möglich ist insoweit lediglich eine Prognose, auf deren Grundlage sich die Endgültigkeit aber gerade nicht mit Sicherheit feststellen lässt. Die Endgültigkeit ist jedoch – wie die Unüberwindbarkeit – ohne rechtliche Wertungen zu bestimmen. So sollte insbesondere nicht auf eine „vernünftige Einschätzung“ abgestellt werden.109 Vielmehr empfiehlt es sich, Endgültigkeit nur anzunehmen, wenn mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Unmöglichkeit jemals entfallen wird. 108

Vgl. U. Huber, LS I § 4 II 2 a (S. 107 f.), der insoweit von „absolut unbehebbare[r] Unmöglichkeit“ spricht. 109 So aber im früheren Recht U. Huber, LS I § 4 II 2 a (S. 108); ders., LS II § 54 I 3 a (S. 648), § 56 I 3 (S. 704), für das neue Recht in eine ähnliche Richtung gehend Arnold, JZ 2002, 866 („Überwindung [. . .] von vornherein unwahrscheinlich“, „realistisch ist damit nicht zu rechnen“); Däubler, FS Heldrich S. 55, 57 („bei vernünftiger Betrachtung“, Anführungszeichen im Original); P. Huber/Faust, Kap. 8 Rn. 1 („vernünftige Einschätzung“).

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Freilich ist die Endgültigkeit bestehender Unmöglichkeit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Denn der Schuldner kann auch bei bloß zeitweiliger Unmöglichkeit für die Dauer ihres Vorliegens jedenfalls nicht zur Primärleistung verurteilt werden. Hinzu kommt, dass in den genannten Grenzfällen oftmals zumindest § 275 Abs. 2 BGB vorliegen wird. b) Zeitweilige Unmöglichkeit110 Die vorliegend befürwortete restriktive Handhabung des Endgültigkeitskriteriums ist aus einem weiteren Grund unbedenklich: Kann die Endgültigkeit einer gegenwärtig bestehenden Unmöglichkeit nicht mit Sicherheit festgestellt werden, handelt es sich mithin um eine gegenwärtig unmögliche Leistung, die künftig möglich werden kann, so liegt zumindest zeitweilige (oder vorübergehende) Unmöglichkeit111 vor. Mit anderen Worten ist eine gegenwärtige Unmöglichkeit gegeben, deren Endgültigkeit Zweifeln unterworfen ist. Diese zeitweilige Unmöglichkeit kann nun aber unter bestimmten Voraussetzungen der endgültigen Unmöglichkeit gleichgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH zum früheren Recht war ein zeitweiliges Erfüllungshindernis einem dauernden gleich zu achten, wenn „die Erreichung des Vertragszwecks durch die vorübergehende Unmöglichkeit in Frage gestellt [wurde] und deshalb dem Vertragsgegner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unter billiger Abwägung der Belange beider Vertragsteile die Einhaltung des Vertrags nicht zugemutet werden [konnte]“112. Insofern sollte der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungshindernisses maßgeblich sein.113 Bei Geschäften des Warenhandels, wo man kurzfristig zu disponieren pflege, wurde ein Festhalten am Vertrag im Falle zeitweiliger Unmöglichkeit ohne viel Federlesens für unzumutbar gehalten.114 Diese Rechtsprechung soll nach herrschender Lehre im neuen Recht fortgeführt werden.115 Im Ergebnis 110

s. zu Terminologischem Medicus, FS Heldrich S. 347. s. zu ihr Medicus, FS Heldrich S. 347, der jedoch die Ungewissheit der Dauer voraussetzt („Leistungshindernisse von ungewisser Dauer“), wie hier Arnold, JZ 2002, 866; AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 67; Wieser, MDR 2002, 858, 861, jüngst auch Canaris, FS U. Huber S. 143, 145. 112 BGHZ 83, 197, 200 – Tierkörperverwertungsanlage/Iran, wonach die durchzuführende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragspartner stets zu erfolgen habe (aaO.). 113 So schon RGZ 158, 321, 331, s. ferner BGH, BB 1953, 1028; BGHZ 83, 197, 200 m. weit. Nachw., etwas modifizierend BGH, NJW-RR 1994, 1356, 1357. Vgl. auch Nastelski, JuS 1962, 289, 293. 114 Vgl. BGHZ 83, 197, 200 m. weit. Nachw. 115 Vgl. statt vieler Canaris, JZ 2001, 499, 500 zu § 275 Abs. 1 KonsF (anders aber jetzt ders., FS U. Huber S. 143, 158 f.); MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 139; Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 11; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 111

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kommt man demnach auch bei restriktiver (wertungsfreier) Bestimmung des Endgültigkeitsmerkmals zur Annahme endgültiger Unmöglichkeit. Jedoch geschieht dies auf einem anderen Weg: Dazu wird nicht der Begriff der Endgültigkeit mit Wertungskriterien („vernünftige Einschätzung“, „praktisch unbehebbar“) angereichert, vielmehr wird eine wertende Gleichstellung vorgenommen. Der Begriff der Endgültigkeit – wie auch der Begriff der Unmöglichkeit selbst – bleibt damit praktisch frei von Wertungen. Hat das erkennende Gericht ausgehend vom Zeitpunkt des Eintritts des zeitweiligen Leistungshindernisses dieses einem endgültigen Hindernis gleichgestellt, so ist die Erfüllungspflicht endgültig erloschen. Entfällt das Hindernis wider Erwarten doch, so lehnt die herrschende Meinung116 ein Wiederaufleben des Erfüllungsanspruchs ab; zumeist wird jedoch eine Pflicht zum Neuabschluss aus § 242 BGB117 erwogen. Liegt hingegen in Ermangelung einer Gleichstellung mit der endgültigen Unmöglichkeit nur zeitweilige Unmöglichkeit vor, so fragt sich, ob diese unter § 275 Abs. 1 BGB zu subsumieren ist. Im Regierungsentwurf war eine Erfassung noch ausdrücklich im Gesetz vorgesehen (§ 275 Abs. 1 RegE: „soweit und solange“), wurde später jedoch aufgegeben; eine Lösung überantwortete man Rechtsprechung und Wissenschaft.118 Das Sonderproblem der zeitweiligen Unmöglichkeit soll vorliegend nicht weiter vertieft werden. Es geht insoweit nämlich weniger um die Erfüllungspflicht betreffende Probleme als vielmehr um Fragen der Sekundärrechtsbehelfe:119 So besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Schuldner bei zeitweiliger Unmöglichkeit unabhängig vom Vertretenmüssen für die Dauer ihres Vorliegens jedenfalls nicht zur Leistung in Natur verurteilt werden kann.120 Dazu wird teils eine zeitweilige Befreiung des Schuldners von seiner LeistungsRn. 43; Staudinger/ders. (2005), § 311a Rn. 37; Staudinger/Hj. Otto (2004), § 283 Rn. 27, ausf. zum Problem Medicus, FS Heldrich S. 347, 354 ff., a. A. Arnold, JZ 2002, 866, 870 f. (für die Anwendung von § 313 BGB), zust. AnwKomm/DaunerLieb (2005), § 275 Rn. 68; Wertenbruch, ZGS 2003, 52, 59. s. auch P. Huber/Faust, Kap. 8 Rn. 9 (für eine Gleichstellung der vorübergehenden Nichtleistung mit der Teilleistung, vgl. hierzu § 323 Abs. 5 S. 1 BGB, hiergegen bereits Canaris, JZ 2001, 499, 510 mit Fn. 111; ders., ZRP 2001, 329, 334). 116 Dazu stellv. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 140 sowie die Nachw. in nachstehender Fn. 117 So bereits RGZ 158, 321, 331 f., vgl. ferner Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 24; Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 12; HandKomm/ Schulze, § 275 Rn. 7. 118 Zur erfolgten Streichung im weiteren Gesetzgebungsverfahren s. oben bei und mit Fn. 139 f. (S. 125). 119 Dezidiert Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 298, ähnl. jüngst Canaris, FS U. Huber S. 143, 151. 120 Nach Medicus, FS Heldrich S. 347, 349 mit Fn. 14 entspricht dies der ganz h. M., s. aber Fn. 123 (S. 150).

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§ 4 Die neue Rechtslage

pflicht angenommen („Suspendierung“);121 andere befürworten dagegen eine bloße „Hemmung“ des latent fortbestehenden Erfüllungsanspruchs122.123 Letztere Ansicht erscheint im Hinblick auf etwaig bestehende akzessorische Sicherungsrechte vorzugswürdig, zumal sich für den Fall, dass das Leistungshindernis wegfällt, die Notwendigkeit eines Wiederauflebens der Leistungspflicht124 erübrigt.125 Die eigentlichen Probleme bestehen – wie gesagt – auf der Sekundärebene beziehungsweise beim Übergang auf die Sekundärebene:126 Nimmt man an, dass der Erfüllungsanspruch zeitweilig ausgeschlossen beziehungsweise gehemmt ist, fehlt es für §§ 281, 323 BGB 121

s. z. B. Arnold, JZ 2002, 866, 869; Däubler, FS Heldrich S. 55, 65 (s. aber auch S. 59, wo von „Hemmung“ die Rede ist); Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 42; Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 308 f. (indes mit eigenem Ansatz); Staudinger/Hj. Otto (2004), § 283 Rn. 25; Wieser, MDR 2002, 858, 861 f., wohl auch Kohler, AcP 205 (2005), 93, 119 mit Fn. 71; Erman11 / H. P. Westermann, § 275 Rn. 12, ähnl. wohl auch Medicus, FS Heldrich S. 347, 349 (das Bestehen des Erfüllungsanspruchs bleibe materiell-rechtlich in der Schwebe, s. aber auch aaO., S. 357: „gehemmte“). Ob Verfechter einer „Verzugslösung“ gleichfalls für einen zeitweiligen Ausschluss bzw. eine zeitweilige Hemmung des Erfüllungsanspruchs eintreten wird nicht immer klar herausgestellt, vgl. etwa Henssler/ v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 6; HandKomm/Schulze, § 275 Rn. 7; Schulze/ Ebers, JuS 2004, 265, 267 f., im früherem Recht auch Soergel/Wiedemann, § 280 aF Rn. 13. Nach MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 134 ist die „einzelne Befugnis zur Erzwingung der Leistung in Natur“ zeitweilig ausgeschlossen (so auch Schlechtriem, SAT5 Rn. 280/282; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 477 f.), hierzu noch näher unten sub „1. Ausschluss des Erfüllungsanspruchs“, S. 153 ff. 122 So BT-Drucks. 14/6040, S. 129 li. Sp., aus der Literatur Brox/Walker, SAT31 § 22 Rn. 16, jetzt auch Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 377, ferner bereits Canaris, JZ 2001, 499, 500, 508, 510 zu § 275 Abs. 1 KonsF, vgl. jüngst auch dens., FS U. Huber S. 143, 147 (analoge Anwendung von § 275 Abs. 1 BGB): „nicht ‚ausgeschlossen‘ [. . .], sondern lediglich ‚suspendiert‘ ist und also als ‚ruhender‘ oder ‚verhaltener‘ Anspruch fortbesteht“), der indes im gleichen Kontext auch von dem „Ausschluß des Anspruchs auf Leistung“ (JZ 2001, 499, 510, Hervorheb. nicht im Original) spricht, ähnl. auch Däubler, FS Heldrich S. 55, 59/65. Präzise die prozessuale Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs hielt U. Huber (LS II § 58 II 4 [S. 791]) im alten Recht in Fällen feststehender zeitweiliger und vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit für einstweilen aufgeschoben, vgl. für das neue Recht insoweit auch Wieser, MDR 2002, 858, 862. 123 Dezidiert anderer Ansicht jedoch D. Kaiser, FS Hadding S. 121, 134, 143, die auch für eine Verurteilung zu sofortiger Leistung eintritt (aaO., S. 143, zur Frage der Zwangsvollstreckung vgl. S. 130 f.), so möglicherweise auch Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 56. Gegen eine zeitweilige Befreiung jüngst auch Haberzettl, Verschulden und Versprechen S. 124, 126 ff., insb. 129, 137. 124 Insoweit krit. Schlechtriem, SAT5 Rn. 282 und ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 479 („Unterstellung einer dogmatisch wundersamen Wiederauferstehung der Pflicht mit Wegfall [. . .] des Leistungshindernisses“). 125 I. Erg. übereinstimmend Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 210 f., 217. 126 Vgl. zum Meinungsstand etwa Staudinger/Hj. Otto (2004), § 283 Rn. 25 f.

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB

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genau genommen an der danach erforderlichen durchsetzbaren Leistungspflicht. Indes ist das dort vorgesehene Fristsetzungserfordernis im Interesse des Schuldners geboten: Er soll die Möglichkeit haben, die Leistung vielleicht doch noch innerhalb einer angemessenen Frist bewerkstelligen zu können. Manche Autoren verhelfen den benannten Normen dadurch zur Anwendung, dass insoweit schlicht „die Suspendierung der Leistungspflicht nach § 275 BGB außer Betracht [ge]lassen“127 oder dem Gläubiger in Analogie zu §§ 281, 323 BGB grundsätzlich eine Fristsetzung abverlangt wird128. Ähnliches müsste dann auch für die Annahme von Schuldnerverzug gelten, namentlich für den Ersatz eines etwaigen Verzögerungsschadens (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB)129 und die Zufallshaftung im Schuldnerverzug (§ 287 S. 2 BGB). Faust dagegen will die vorübergehende Unmöglichkeit wie eine Teilunmöglichkeit behandelt wissen, wodurch der in § 323 Abs. 5 S. 1 BGB angelegte Rechtsgedanke zum Tragen käme.130 c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse Ist ein Leistungshindernis überwindbar, so liegt kein Fall von Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 BGB vor. Der Schuldner ist beziehungsweise bleibt – vorbehaltlich eines Eingreifens von §§ 275 Abs. 2, 313 BGB – zur Leistung in Natur verpflichtet. Dies gilt auch für die Zeit, die die Leistungserbringung eingedenk der notwendigen Überwindung des Hindernisses in Anspruch nimmt. Es liegt für die Dauer der Leistungszeit keine zeitweilige Unmöglichkeit vor, die eine zeitweilige Suspendierung oder Hemmung der Leistungspflicht nach sich zöge. Der Unterschied zur zeitweiligen Unmöglichkeit besteht darin, dass bei dieser bereits die Möglichkeit einer Überwindung des bestehenden Hindernisses für einen gewissen (meist unbestimmten) Zeitraum ausgeschlossen ist. Der Schuldner vermag zur Überwindung des Hindernisses zeitweilig nichts zu unternehmen. Wurde beispielsweise ein Embargo gegen ein bestimmtes Land verhängt, in das der Verkäufer Ware liefern soll, so sind ihm für die Zeit des Embargos schlicht die Hände gebunden. Dagegen kann der Verkäu127

Arnold, JZ 2002, 866, 869, ähnl. Canaris, JZ 2001, 499, 508, 510, 515 f., der offenbar nur für das Rücktrittsrecht, nicht aber für den Schadensersatz statt der Leistung, eine Fristsetzung fordert (insoweit krit. Wieser, MDR 2002, 858, 862), anders jetzt auch Canaris, FS U. Huber S. 143, 160. Kritisch demgegenüber D. Kaiser, FS Hadding S. 121, 137 („Kunstgriff“, „So biegt man sich das Gesetz zurecht, bis die gewünschte Norm paßt“), 141, 143 („nicht mit dem Gesetz vereinbar“). 128 So z. B. Staudinger/Hj. Otto (2004), § 283 Rn. 26. 129 Ausf. zu den denkbaren Haftungsgrundlagen D. Kaiser, FS Hadding S. 121, 137 ff., vgl. auch Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 61 ff., in jüngster Zeit Canaris, FS U. Huber S. 143, 161 ff. 130 P. Huber/Faust, Kap. 8 Rn. 9, krit. Wieser, MDR 2002, 858, 862.

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§ 4 Die neue Rechtslage

fer des Rings hic et nunc mit der Bergung desselben aus dem See beginnen, also das Leistungshindernis (den Besitzverlust) auszuräumen beginnen. Etwas befremdlich erscheint freilich, dass nicht ausgeschlossen ist, dass die Überwindung im Ringfall mehr Zeit in Anspruch nehmen kann als die Dauer eines zeitweilig unüberwindbaren Hindernisses (wenn etwa das Embargo überraschend rasch aufgehoben wird). Hinzu kommt, dass bei zeitweiliger Unmöglichkeit bereits genau feststehen kann, wann die Unmöglichkeit entfällt131 (Beispiel: Ein Gesetz, das die vertragliche Leistung zukünftig erlaubt, ist bereits verabschiedet.). Indes wird in solchen Fällen eine Verurteilung zu künftiger Leistung erfolgen.132 Zudem werden solche Fälle zeitweiliger Unmöglichkeit eher die Ausnahme bilden, denn in der Regel ist die Dauer ungewiss und auch länger.133 131

Ebenso jüngst Canaris, FS U. Huber S. 143, 145. Hierzu näher im Kontext der prozessualen Behandlung der Unmöglichkeit sub „2. Das Zeitmoment“, S. 164 ff. 133 Will man die Frage nach der (Un-)Möglichkeit einer bestimmten Leistung beantworten, erfolgt dies stets für einen bestimmten Zeitpunkt (Beurteilungszeitpunkt – im Prozess am Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung). Nun gebietet die Logik, dass die Leistung, deren Un-/Möglichkeit untersucht wird, im Beurteilungszeitpunkt noch nicht erbracht ist; wäre sie aktuell schon erbracht, stellte sich die Frage nicht, da bereits Erfüllung eingetreten wäre. Folglich kann die tatsächliche Leistungserbringung denknotwendig zeitlich immer erst nach dem Beurteilungszeitpunkt stattfinden. Ergibt die Beurteilung, dass die Leistung unproblematisch möglich ist, weil kein Leistungshindernis besteht, muss die Leistung gleichwohl noch erbracht werden. Zeitlich findet diese Leistungserbringung (z. B. der Versand der gekauften Sache) nach dem Beurteilungszeitpunkt statt. Niemand käme auf die Idee, die Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt als unmöglich ansehen zu wollen, weil der Schuldner sie noch tatsächlich erbringen muss. Andernfalls wäre die Leistung nach Fälligkeit stets solange unmöglich, bis sie tatsächlich erbracht wäre; mit tatsächlicher Erbringung indes würde die Pflicht wegen Erfüllung erlöschen. Es gäbe m. a. W. keine möglichen Leistungen, mithin wegen § 275 Abs. 1 BGB keine Leistungspflichten. Die Absurdität dieser Konsequenz zeigt, dass für die Bestimmung der Un-/Möglichkeit stets die potentielle, notwendigerweise in der Zukunft liegende Leistungserbringung entscheidend sein muss, nicht hingegen die tatsächliche, aktuell schon vollzogene Leistungserbringung. Die Dauer der sich an den Beurteilungszeitpunkt anschließenden Leistungszeit hängt dabei vom Einzelfall ab. Im Grundsatz muss dies auch gelten, wenn der Leistungserbringung ein überwindbares Hindernis entgegensteht. Die Besonderheit ist nur, dass sich wegen des zu überwindenden Hindernisses die Leistungszeit gegenüber dem Fall der unproblematischen Leistungserbringung (ohne Leistungshindernis) erhöht. Diese Erhöhung rechtfertigt jedoch nicht, deshalb von (zeitweiliger) Unmöglichkeit auszugehen. In beiden Fällen ist die Leistung geschuldet und muss noch erbracht werden. Soweit nicht ausnahmsweise ein Fixgeschäft vereinbart wurde, führen überwindbare Leistungshindernisse lediglich zu einer Leistungsverzögerung. Sollte die Leistungszeit im Einzelfall ganz erheblich verlängert sein (z. B. lässt sich das Hindernis nur mit zeitintensiven Maßnahmen beheben), so kann der Gläubiger via §§ 281, 323 BGB auf die Sekundärrechte übergehen, falls er eine Beseitigung des Hindernisses nicht 132

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB

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6. Ergebnis Die vorstehenden Untersuchungen haben die folgende Definition von Unmöglichkeit zu Tage gefördert: Unmöglichkeit der Leistung i. S. von § 275 Abs. 1 BGB bedeutet, dass der Leistungserbringung ein unüberwindbares Hindernis entgegensteht, das entweder niemand (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB – objektive Unmöglichkeit) oder zumindest der Schuldner (§ 275 Abs. 1 Fall 1 BGB – subjektive Unmöglichkeit) nicht auszuräumen vermag. Die Unüberwindbarkeit ist unter Rekurs auf die Naturgesetze, die Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik, die Logik sowie die geltende Rechtsordnung134 zu bestimmen. Die Beurteilung hat frei von rechtlichen Wertungen zu erfolgen.135 Das heißt insbesondere, dass die Höhe des zur Überwindung des Hindernisses erforderlichen Aufwands unerheblich ist. Die Unmöglichkeit ist endgültig, wenn das Hindernis beziehungsweise dessen Unüberwindbarkeit mit Sicherheit für immer feststeht. Lässt sich diese ebenfalls wertungsfrei zu beantwortende Frage nicht mit Sicherheit bejahen, liegt nur zeitweilige Unmöglichkeit vor, die indes nach Wertungsgesichtspunkten einer endgültigen gleichgestellt werden kann. Liegt ein überwindbares Leistungshindernis vor, ist die Leistung auch für den Zeitraum, der zur Leistungserbringung notwendig ist, nicht unmöglich. Denn allein die potentielle Leistungserbringung unmittelbar im Anschluss an den Beurteilungszeitpunkt schließt eine aktuelle Unmöglichkeit aus. III. Die Rechtsfolge des § 275 Abs. 1 BGB 1. Ausschluss des Erfüllungsanspruchs Soweit136 die Leistung objektiv oder subjektiv unmöglich ist, ordnet § 275 Abs. 1 BGB den Ausschluss des „Anspruch[s] auf Leistung“ an. Es erlischt der Erfüllungsanspruch und damit zugleich137 die Erfüllungspflicht abwarten möchte. Besteht er jedoch im Prozess auf Leistung in Natur, muss die zur Überwindung des Hindernisses notwendige Zeit bei der Angemessenheit der Frist i. S. der §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB Berücksichtigung finden: Die Frist muss so bemessen sein, dass die Leistung eingedenk des noch zu überwindenden Hindernisses innerhalb ihrer Dauer noch erbracht werden kann. 134 So im Besonderen für die juristische Unmöglichkeit. 135 Vgl. jedoch zu einer gewissen Einschränkung vornehmlich bei Einbeziehung der geltenden Rechtsordnung oben bei und mit Fn. 52 f. (S. 137) sowie Fn. 92 ff. (S. 143 f.). Unberührt hiervon bleiben die „Wertungen“, die in die Beweiswürdigung des Gerichts einfließen können (vgl. § 286 ZPO). 136 Mit dem Wort „soweit“ in § 275 Abs. 1 BGB werden die nur teilweise unmögliche Leistung sowie auch die Schlechtleistung (als teilweise Nichtleistung in qualitativer Hinsicht) erfasst.

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§ 4 Die neue Rechtslage

des Schuldners. Die Befreiung des Schuldners tritt insoweit ipso iure ein, das heißt dieser muss sich im Prozess nicht darauf berufen. Freilich entbindet ihn die Gewährung einer solchen Einwendung nicht davon, im Prozess Tatsachen vorzutragen (und gegebenenfalls zu beweisen), die die Leistungsunmöglichkeit zu begründen vermögen. Die Wirkung des § 275 Abs. 1 BGB beschränkt sich ausschließlich auf den primären Erfüllungsanspruch. Daher sollte im Falle schuldnerischen Vertretenmüssens auch nicht von einer Umwandlung138 oder Verwandlung des Leistungsanspruchs in einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gesprochen werden. Diese, dem alten Recht entlehnte Vorstellung einer Metamorphose war dort bereits nicht ohne Zweifel139 und sollte nicht ohne Not ins neue Recht hineingetragen werden. Es erlischt vielmehr der Erfüllungsanspruch, und es entsteht ein neuer Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, sofern der Schuldner die Pflichtverletzung (Nichtleistung)140 zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis141 zu vertreten hat. Im Falle nachträglicher Unmöglichkeit erlischt der mit Vertragsschluss entstandene Erfüllungsanspruch des Gläubigers im Zeitpunkt des Unmöglichkeitseintritts (rechtsvernichtende Einwendung). Ist die Unmöglichkeit bereits vor Vertragsschluss eingetreten, bleibt die Wirksamkeit des Vertrags hiervon zwar unberührt (§ 311a Abs. 1 BGB). Gleichwohl ist der Erfüllungsanspruch nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Allgemein wird angenommen, dass der Erfüllungsanspruch erst gar nicht zur Entstehung gelangt,142 mithin ein Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten143 137

s. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 67. So aber etwa Christoph Hirsch, Jura 2003, 289; Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 51, 258 und 282. 139 Vgl. hierzu oben bei Fn. 106 (S. 49), zur Kritik Fn. 106 und 109 (S. 49). 140 §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB. 141 § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 142 Vgl. neben BT-Drucks. 14/6040, S. 164 re. Sp., 165 re. Sp. statt vieler Canaris, FS Heldrich S. 11, 34 und passim; ders., ZRP 2001, 329, 332 (zum RegE); ders., JZ 2001, 499, 506 (zur KonsF); (s. bereits dens., in: Schulze/Schulte-Nölke S. 43, 59 mit Fn. 58 zum DiskE); Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 223 [s. aber auch aaO., S. 138 sub aa)]; Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 580; Hammen, FS Hadding S. 41, 44, 51, 53 und 56; Staudinger-Eckpfeiler/D. Kaiser (2005), S. 310; Katzenstein, JR 2003, 447, 450 und 452; Kindl, WM 2002, 1313, 1317; Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 159 (und 193, 196); S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500; ders., in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 23, 39 und 81; Medicus, JuS 2003, 521, 522; Reischl, JuS 2003, 250, 255; v. Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, 3*, 8*, dezidiert jetzt auch Mattheus, in: M. Schwab/ Witt, Examenswissen S. 50, 75 (und 76); anders noch dies., in: M. Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht S. 67, 88 f.; dies., JuS 2002, 209, 214, gleichfalls anders wohl Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit S. 34 (insb. mit 138

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB

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entsteht. Danach wäre § 275 Abs. 1 BGB insoweit rechtshindernde Einwendung. Zwingend ist diese Annahme jedoch nicht: Man könnte auch annehmen, der Anspruch entsteht für eine juristische Sekunde und kommt unmittelbar danach zum Erlöschen. Der Streit hierüber kann an dieser Stelle (noch) dahinstehen, da er nur für die Frage der Schadensersatzhaftung (namentlich der Pflichtverletzung i. S. von §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB) relevant wird.144 Wie neben anderen Autoren vornehmlich Schlechtriem145 vertritt, soll nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht die „Schuldnerpflicht“ erlöschen, vielmehr könne der Schuldner lediglich die „Durchsetzung des Anspruchs auf Naturalerfüllung“146 abwehren. Schlechtriem wendet sich gegen eine Gleichsetzung von Obligation und Erfüllungsanspruch, die „durch die Reform entkoppelt“ werden sollten.147 Der Erfüllungsanspruch sei im Kern stets nur ein Rechtbehelf unter anderen148 (insoweit werden freilich Bestrebungen einer Rechtsvereinheitlichung deutlich)149. Gegenstand einer Befreiung könne „nur der dem Anspruch des Gläubigers auf Naturalerfüllung korrespondierende Teilaspekt der Pflicht des Schuldners“150 sein, „als Auslöser und Bezugspunkt anderer Rechtsbehelfe“151 bliebe die Pflicht des Schuldners wirksam. Schlechtriem begründet seine These unter anderem damit, dass der Fortbestand der Schuldnerpflicht Voraussetzung für den Anspruch auf das Surrogat (§ 285 BGB) sei.152 Die Hilfskonstruktion eines SekundärFn. 163), 37 und 85. Nicht eindeutig jüngst der BGH (NJW 2005, 2852, 2854), dem zufolge der Verkäufer im Falle eines Mangels, dessen Beseitigung von Anfang an unmöglich war, „von seiner Leistungspflicht aus § 433 I 2 BGB frei geworden [ist] (§ 275 I BGB)“ (Hervorheb. nicht im Original). 143 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 164 re. Sp., die Gegenleistungspflicht erlischt nach § 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB. 144 Hierzu noch näher sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 145 Schlechtriem, SAT5 Rn. 282 (und 277); ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 478 (und 473), vgl. auch Schlechtriem, FS Sonnenberger S. 125, 129 f., ebenso bereits ders., in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 9, 19, ähnl. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 67 f., 134; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 68. 146 Schlechtriem, SAT5 Rn. 277, ebenso ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 473. 147 Schlechtriem, SAT5 Rn. 282, jetzt auch ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 478. 148 Schlechtriem, SAT5 Rn. 273 (insb. mit Fn. 10), 282 (letzter Absatz); ders./ Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 465 f., 479 (letzter Absatz), abw. etwa Heinrichs, FS Schlechtriem S. 503, 509. 149 s. Schlechtriem, SAT5 Rn. 282 (letzter Absatz); ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 479 (letzter Absatz). 150 Schlechtriem, SAT5 Rn. 282; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 478. 151 Schlechtriem, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 9, 19. 152 Schlechtriem, SAT5 Rn. 282; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 479, vgl. hierzu im Kontext anfänglicher Unmöglichkeit auch Hammen, FS Hadding S. 41, 51 ff.; R. Knütel, NJW 2001, 2519, 2520.

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§ 4 Die neue Rechtslage

anspruchs sei unnötig, da der Schuldner mit dem Surrogat seine vertragliche Verpflichtung erfülle.153 Demgegenüber gilt es zu überlegen, ob es nicht vielmehr – gerade umgekehrt – nicht der Hilfskonstruktion einer trotz Unmöglichkeit fortbestehenden „Schuldnerpflicht“, die offenbar auf verschiedene Arten zu erfüllen sein soll – durch Leistung in Natur, durch Schadensersatz statt der Leistung und/oder154 Surrogatherausgabe –, bedarf. Denn zum einen sind im Gesetz zur Begründung der Rechte des Gläubigers vollwertige Anspruchsgrundlagen155 vorhanden,156 die eine fortbestehende „Schuldnerpflicht“ nicht voraussetzen157 und deshalb entbehrlich erscheinen lassen.158 Vor allem aber ist der behauptete Fortbestand einer „Schuldnerpflicht“ trotz Unmöglichkeit auch nicht hinreichend, wie das Beispiel der Gewährung von Schadensersatz statt der Leistung bei vertragsanfänglicher Unmöglichkeit (§ 311a Abs. 2 BGB) zeigt. Ohne die Annahme einer (zumindest eingeschränkten) Garantiehaftung ließe sich allein aus der fortbestehenden „Schuldnerpflicht“ kein Anspruch auf das positive Interesse begründen, da vor Vertragsschluss (grundsätzlich) keine „Schuldnerpflicht“ besteht, die der nachmalige Schuldner fahrlässig oder vorsätzlich verletzen könnte. Es bliebe mithin – entgegen § 311a Abs. 2 BGB – beim bloßen Ersatz des negativen Interesses: Wäre die vorvertragliche Pflicht zur Vergewisserung über die eigene Leistungsfähigkeit nicht verletzt worden, wäre ein Vertragsschluss nämlich unterblieben. Für eine Haftung auf das positive Interesse ist die gesetzliche Anordnung in § 311a Abs. 2 BGB demnach unabdingbare Voraussetzung. Schlechtriem159 dagegen will durch die Pflicht zur Vergewisserung über die eigene Leistungsfähigkeit auch das Erfüllungs153 Ebenso, wenn der Schuldner statt der Erfüllung in Natur Schadensersatz leiste, Schlechtriem, SAT5 Rn. 282 a. E.; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 479 a. E. 154 Vgl. § 285 Abs. 2 BGB. 155 Bzw. die Rechtsnorm des § 323 BGB. s. für die Surrogatherausgabe § 285 BGB; der weitgehend gleich lautende § 281 BGB a. F. gewährte ebenso die Herausgabe des Surrogats, obgleich bei nicht zu vertretender nachträglicher Unmöglichkeit nach altem Recht gem. § 275 Abs. 1 BGB a. F. „überhaupt keine Pflicht des Schuldners“ (Schlechtriem, SAT5 Rn. 282 bei Fn. 19; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 478 bei Fn. 15) mehr bestand. 156 Vgl. auch Hammen, FS Hadding S. 41, 48 f., der die sekundären Rechte als nicht rechtsgeschäftlich begründet ansieht und sie als gesetzliche Rechte bezeichnet, für den Surrogationsanspruch aaO., S. 53. 157 s. insb. den Verweis in § 275 Abs. 4 auf § 283 BGB: Hier wird eine Pflichtverletzung konstruiert, obgleich eine Leistungspflicht gar nicht besteht. 158 Auch dürfte das Sonderproblem vorübergehender Leistungshindernisse einer akzeptablen Lösung zugeführt werden können, s. hierzu m. Nachw. oben sub „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff., krit. jedoch Schlechtriem, SAT5 Rn. 282; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 479. 159 Schlechtriem, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 9, 21 f., ferner auch ders., FS Sonnenberger S. 125, 132.

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interesse geschützt wissen. Zur Begründung führt er aus, dass die benannte Pflicht den Gläubiger „wohl auch davor schützen [soll], den falschen Vertragspartner zu wählen, m. a. W. sich mit einem leistungsunfähigen Schuldner einzulassen, statt mit einem anderen Partner zu kontrahieren oder überhaupt ein anderes Geschäft zu machen.“ Zwar kann Letzteres im Einzelfall zutreffen, doch muss der Gläubiger dazu darlegen und gegebenenfalls den Beweis führen, im Vertrauen auf den Vertrag mit dem leistungsunfähigen Schuldner ein mögliches Alternativgeschäft unterlassen zu haben.160 Man kann dies jedoch nicht generell unterstellen. Die Haftung auf das positive Interesse lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass man qua Unterstellung das Erfüllungsinteresse stets von dem originär geschützten negativen Interesse mitumfasst ansieht.161 Im Ergebnis vermag daher die in § 311a Abs. 2 BGB angeordnete Haftung auf das positive Interesse mit der fortbestehenden „Schuldnerpflicht“ nicht begründet zu werden. Folglich ist der behauptete Fortbestand der „Schuldnerpflicht“ trotz Unmöglichkeit weder notwendig zur Begründung der Sekundärrechte des Gläubigers, noch ist er hinreichend, um im Falle vertragsanfänglicher Unmöglichkeit eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse zu begründen. Der Ausschluss nach § 275 Abs. 1 BGB muss daher nicht auf einen Teilaspekt einer mehr umfassenden „Schuldnerpflicht“ beschränkt werden.162 2. Das Zeitmoment163 Ist die Leistung endgültig unmöglich, wird der Schuldner endgültig von der Erfüllungspflicht befreit. Gleiches gilt, wenn ein nur vorübergehendes unüberwindbares Leistungshindernis aus Wertungsgesichtspunkten einem dauerhaften gleichgestellt wird. Falls ein solches wider Erwarten später doch entfällt beziehungsweise behoben werden kann, lebt die Erfüllungspflicht nicht automatisch wieder auf. Im Einzelfall kann indes eine Pflicht zum Neuabschluss gegeben sein (§ 242 BGB). Im Falle nur zeitweiliger Unmöglichkeit, die nicht der endgültigen gleichgestellt werden kann, ist der Erfüllungsanspruch für die Zeit der Unmöglichkeit gehemmt, das heißt nicht durchsetzbar. 160

Zutreffend bereits Ernst, JZ 1994, 801, 809 mit Fn. 123. s. zur Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB ausf. nunmehr Canaris, FS Heldrich S. 11 ff., insb. 23 ff. 162 Es dürfte sich bei alledem in der Tat nur um ein „theoretisch-dogmatisches Problem“ handeln, so die Einschätzung von Schlechtriem (SAT5 Rn. 282 letzter Absatz, ebenso ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 479 letzter Absatz). 163 Vgl. zur Tatbestandseite bereits oben m. Nachw. „5. Das Zeitmoment“, S. 145 ff. 161

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§ 4 Die neue Rechtslage

Ist ein Leistungshindernis überwindbar, so liegt auch für die notwendige Dauer der Leistungszeit keine (zeitweilige) Unmöglichkeit vor. Die Erfüllungspflicht besteht demnach ungeachtet der noch erforderlichen Leistungserbringung. IV. Prozessuales Die Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 BGB ist als Einwendung ausgestaltet; sie ist im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen. 1. Beweisfragen a) Beweiserhebung über die Unmöglichkeit Nach materiellem Recht schließt die Unmöglichkeit den Erfüllungsanspruch aus (§ 275 Abs. 1 BGB). Klagt der Gläubiger den Erfüllungsanspruch gerichtlich ein, ist die Unmöglichkeit damit ein anspruchsvernichtender Einwand. Die Beweislast für Einredetatsachen – hier die materiellrechtliche Einwendung der Unmöglichkeit – liegt bei der Partei, die sich auf sie beruft.164 Der Schuldner ist demnach für das Vorliegen der Leistungsunmöglichkeit darlegungs- und beweisbelastet.165 Er muss insbesondere im Falle behaupteter subjektiver Unmöglichkeit darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Dritte unter keinen Bedingungen zur Kooperation bereit wäre. Da die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB per se, das heißt unabhängig vom (Nicht-)Vertretenmüssen, befreiend wirkt, gebietet bereits das Recht auf rechtliches Gehör, dass der Schuldner im Prozess mit dem Unmöglichkeitseinwand unabhängig von der Frage des Vertretenmüssens gehört und gegebenenfalls zum Beweis zugelassen wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es sehr zweifelhaft, die frühere Rechtsprechung, der zufolge über die Unmöglichkeit nicht Beweis erhoben und zur Primärleistung verurteilt wurde, wenn feststand, dass der Schuldner die Unmöglichkeit – so sie vorlag – zu vertreten hatte,166 im neuen Recht fortzuführen. Darüber hinaus würde ohne Not der bereits im früheren Recht bestehende Widerspruch zwischen materiellem und formellem Recht ins neue Recht transponiert.167 Der Widerspruch wäre sogar noch evidenter: Während im frühe164

Hierzu allg. Jauernig, Zivilprozessrecht § 50 IV 1 d (S. 209). Vgl. z. B. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 162; Kohler, AcP 205 (2005), 93, 95; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 102. 166 Hierzu bereits oben m. Nachw. sub „(1) Prozessuale Lösung der Rechtsprechung“, S. 42 ff. 167 Zum früheren Recht oben bei Fn. 90 (S. 46). 165

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ren § 275 Abs. 1 die Befreiung des Schuldners von der Erfüllungspflicht zumindest dem Wortlaut168 zufolge nur für den Fall vorgesehen war, dass der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hatte, was einen Erklärungsansatz für die Ablehnung der Beweiserhebung durch die Gerichte im Falle zu vertretender Unmöglichkeit bot,169 ist die Primärschuldbefreiung im neuen § 275 Abs. 1 BGB hingegen losgelöst von der Frage des (Nicht-)Vertretenmüssens geregelt. Dies belegen neben Wortlaut und Systematik auch die Gesetzesmaterialien.170 Überwiegend wird im neuen Recht daher auch ein Abschied von der früheren Gerichtspraxis befürwortet.171 Soweit von manchen Stimmen in der Literatur erwogen wird, gleichwohl an der früheren Rechtsprechung festzuhalten,172 liegt die Argumentationslast freilich auf deren Seite. Es müssten gewichtige prozessuale Gründe angeführt werden können, die es rechtfertigen könnten, den Schuldner im Widerspruch zum materiellen Recht mit dem Einwand der zu vertretenden Unmöglichkeit173 nicht zu hören (vergleiche in diesem Zusammenhang Art. 103 Abs. 1 GG)174. 168

s. § 275 Abs. 1 BGB a. F. („den er nicht zu vertreten hat“) i. V. mit § 282 BGB. Anders freilich die h. L., s. zur Korrektur des § 275 Abs. 1 BGB a. F. oben „(a) Befreiung von der Erfüllungspflicht (Herrschende Meinung)“, S. 46 ff. 169 Dafür Schur, NJW 2002, 2518, s. auch Schwarze, JURA 2002, 73, 76 (bei Fn. 33). 170 Hierzu bereits oben sub „2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 131 ff. 171 Vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 500 (zur KonsF); Dedek, in: Dauner-Lieb/ Konzen/K. Schmidt S. 183, 196; Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 39; MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 165; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 83; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 50; Gsell, JZ 2004, 110, 118; Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 5 und 34; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 14, 135; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 101; HandKomm/Schulze, § 275 Rn. 26; Schur, NJW 2002, 2518 ff.; Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 33; Jauernig10 /Vollkommer, § 275 Rn. 33; Zimmer, NJW 2002, 1, 2, s. auch bereits Rüfner, JZ 2001, 768, 769. 172 Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 310 (unter Hinweis auf prozessökonomische Gründe); Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 181 f. mit Ausnahme nicht vertretbarer Handlungen (§ 888 Abs. 1 ZPO); Kluth/Grün, NZM 2002, 473, 478 (indes mit verfehltem Verständnis subjektiver Unmöglichkeit); J. Kaiser, MDR 2004, 311, 313 f. für den „Einwand des Unvermögens“, wo indes zum Verständnis des „Unvermögens“ nicht Stellung genommen wird; es dürfte nur die subjektive (nicht auch objektive) Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB gemeint sein. 173 Für die nunmehr auch von § 275 Abs. 1 BGB erfasste vertragsanfängliche Unmöglichkeit bezöge sich das Vertretenmüssen indessen nicht auf die Unmöglichkeit selbst; entscheidend wäre vielmehr, ob der Schuldner die anfängliche Unmöglichkeit bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, vgl. hierzu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 174 Gürtler hielt die Unerheblichkeit des schuldnerischen Einwands zu vertretender Unmöglichkeit für vereinbar mit dem Anspruch des Schuldners auf rechtliches

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(1) Übertragung der früheren Rechtsprechung auf das neue Recht? Wird der Schuldner im Prozess fortan auch mit zu vertretender Unmöglichkeit gehört, kann eine insoweit notwendig werdende Beweiserhebung die Dauer des Prozesses nicht unerheblich verlängern. Diese an sich natürliche Folge jedes Einwands des Beklagten im Prozess wurde im alten Recht vermieden, indem der Schuldner mit dem Einwand zu vertretender Unmöglichkeit nicht gehört wurde. Indes wurde dieser Vorteil für den Kläger in Gestalt einer Prozessbeschleunigung175 mit einem entsprechenden Nachteil für den Beklagten erkauft. Der Beklagte konnte trotz vorliegender Unmöglichkeit einer Verurteilung zur Primärleistung nicht entgehen. Ihm drohte eine Belastung mit den Prozesskosten sowie den Kosten eines (vergeblichen) Zwangsvollstreckungsversuchs,176 wenngleich früher zumindest eine Anwendung von § 93 ZPO zulasten eines „eigensinnigen“ Klägers in Betracht zu ziehen war.177 Wird fortan bereits im Erkenntnisverfahren Beweis über die Unmöglichkeit erhoben, kann das Gericht die dadurch entstehenden Kosten nach § 96 ZPO dem Kläger auferlegen, wenn und soweit dieser sich durch Bestreiten der vom Beklagten behaupteten Unmöglichkeit verteidigt178.179 Maßgeblich für die vom Gericht danach zu treffende Ermessensentscheidung ist, ob einer Seite ein prozessuales Verschulden vorzuwerfen ist.180 Das Gericht wird in erster Linie darauf abstellen, ob der Schuldner das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um Zweifel des Gläubigers auszuräumen, und ob der Ausgang der Beweisaufnahme ex ante unsicher erscheinen musste.181 Vor diesem Hintergrund wird der Gläubiger nach neuem Recht abzuwägen haben, ob er statt der Beweiserhebung nicht besser unter Preisgabe seines Erfüllungsanspruchs die Klage unmittelbar auf SchaGehör: § 283 BGB a. F., der nunmehr gestrichen wurde, sollte Art. 103 Abs. 1 GG insoweit konkretisieren und zulässig einschränken, s. Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe S. 58 ff., 41 ff. 175 Dazu bereits oben „a) Beschleunigung des Leistungsprozesses, Kostenrisiko“, S. 51 f. 176 Zu den hiergegen erhobenen Einwänden bereits oben bei und mit Fn. 127 f. (S. 52). 177 Hierzu Brehm, JZ 1974, 573, 575. 178 Im Bestreiten wird überwiegend ein Verteidigungsmittel (i. S. von § 96 ZPO) gesehen, s. z. B. BGHZ 12, 49, 50 f.; MünchKomm-ZPO/Belz, § 96 Rn. 3; Gsell, JZ 2004, 110, 120; Zöller-ZPO/Herget, § 96 Rn. 1. 179 Hierzu Gsell, JZ 2004, 110, 120, ferner bereits Rüfner, JZ 2001, 768, 769. 180 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-ZPO/Hartmann, § 96 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Belz, § 96 Rn. 4. 181 s. Gsell, JZ 2004, 110, 120. Bei der Ermessensausübung kann auch ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch berücksichtigt werden, dessen Bestand parallel zum Nichtvorliegen eines prozessualen Verschuldens des Schuldners beurteilt wird, ausf. Gsell, aaO., [sub 1. b) bb)].

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densersatz statt der Leistung umstellt (§ 264 Nr. 3 ZPO), indem er die Unmöglichkeit zugesteht. Stellt er die Klage hingegen erst auf Schadensersatz um, nachdem die Beweiserhebung eine Leistungsunmöglichkeit ergeben hat, können ihm ungeachtet seiner erfolgreichen Schadensersatzklage die Kosten der Beweiserhebung auferlegt werden (§ 96 ZPO). Man kann insoweit eine gewisse Schlechterstellung des Gläubigers gegenüber der alten Rechtslage konstatieren.182 Jedoch besteht zum einen der Vergleichsmaßstab in einer nicht gerade unkomfortablen Stellung im alten Recht. Zum anderen wird nunmehr im Prozessrecht nur das konsequent umgesetzt, was im materiellen Recht gilt und nach früher herrschender Lehre bereits nach altem Recht galt: Die Unabhängigkeit der Befreiung des Schuldners von seiner Erfüllungspflicht vom Vertretenmüssen bei wirklicher Unmöglichkeit.183 Weiterhin könnte der Gläubiger ein schützenswertes Interesse haben, in Fällen zu vertretender Unmöglichkeit eine Verurteilung des Schuldners zur Primärleistung zu erlangen. Zunächst ermöglichte – und darauf wurde in Rechtsprechung und Lehre nicht selten verwiesen – die rechtskräftige Verurteilung zur Primärleistung dem Gläubiger ein Vorgehen nach § 283 BGB a. F., mithin einen (späteren) einfachen Übergang auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Dieser Argumentation ist jedoch mit der Abschaffung des § 283 BGB a. F. fortan der Boden entzogen.184 Der Übergang auf die Sekundärrechte ist nach neuem Recht generell, das heißt auch für nicht-synallagmatische Pflichten, durch bloße Fristsetzung möglich, vergleiche § 281 Abs. 1 S. 1 BGB. Hierzu bedarf es jedoch keiner rechtskräftigen Verurteilung zur Primärleistung mehr. Gleichzeitig entfällt mit der Aufhebung von § 283 BGB a. F. auch die (ohnehin zweifelbehaftete) Argumentation des RG mit dem angeblichen „besonderen Beweisvorteil“ eines Vorgehens nach besagter Vorschrift.185 Darüber hinaus konnte und kann der Kläger die oben186 bereits thematisierte Präjudiz- beziehungsweise Präklusionswirkung eines auf Leistung in Natur lautenden Urteils187 auch nach Umstellung seiner Klage auf Schadensersatz statt der Leistung mittels einer inzidenten Zwischenfeststellungs182 Deutlich Kohler, AcP 205 (2005), 93, 97, 107, s. ferner Hans Stoll, JZ 2001, 589, 590; vgl. auch Rüfner, JZ 2001, 768, 769. 183 I. d. S. auch Gsell, JZ 2004, 110, 120. 184 Deshalb abl. Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 101, s. auch Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 18; Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 183, 197, a. A. J. Kaiser, MDR 2004, 311, 313 (für „Unvermögen“). 185 Hierzu oben bei Fn. 141 ff. (S. 54 f.). 186 Sub „b) Vorteile einer rechtskräftigen Verurteilung zur Naturalleistung“, S. 52 ff. 187 Hierzu musste nach altem Recht nicht auf § 283 BGB a. F. zurückgegriffen werden, s. oben bei und mit Fn. 145 (S. 54), im neuen Recht auf den Rechtsgedan-

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klage (§ 256 Abs. 2 ZPO) erreichen. Eine Verurteilung zur Primärleistung ist insoweit keine notwendige Voraussetzung. Aus dem Gesagten folgt, dass der Gläubiger nunmehr gehalten sein kann, bereits im Erstprozess auf die Schadensersatzebene überzugehen.188 Dadurch geht ihm die noch nach altem Recht ermöglichte Ausübung eines gewissen Erfüllungsdrucks verloren, den ein Erfüllungsurteil auf denjenigen Schuldner, der eine Leistungsunmöglichkeit lediglich vorgab, auszuüben vermochte. Zwar darf dieser Vorteil nicht unterschätzt werden, gleichwohl wird er dem Gläubiger nach materiellem Recht nicht eingeräumt. Diese Entscheidung zu Ungunsten des Gläubigers kann nicht durch eine dem materiellen Recht widersprechende prozessuale Behandlung der Unmöglichkeit unterlaufen werden. Neben dem Begründungsansatz im Zusammenhang mit § 283 BGB a. F. war das wohl gewichtigste Argument, das früher für die Nichtzulassung des Beklagten zum Beweis der zu vertretenden Unmöglichkeit ins Feld geführt wurde, die Möglichkeit des Schuldners, einen Vollstreckungsversuch zu unternehmen („Detektivkompetenz“189). Die Gewährung einer solchen Prüfmöglichkeit mit den Mitteln des Zwangsvollstreckungsrechts war jedoch bereits im alten Recht nicht frei von Zweifeln:190 Teilweise wurden die dem Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren insoweit zu Gebote stehenden Mittel nicht als tauglicher angesehen als jene im Erkenntnisverfahren.191 Insbesondere für Fälle, in denen der Stückschuldner die verkaufte Sache nicht im Besitz beziehungsweise kein Eigentum daran hatte, brachte und bringt dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung keine entscheidenden Vorteile.192 Einzig die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Schuldner (§§ 883 Abs. 2, 889 f. ZPO; „Offenbarungseid“) sowie die damit verbundene Strafandrohung nach § 156 StGB193 erscheinen geeignet, zumindest manchen Schuldner davor zurückschrecken zu lassen, ken des § 767 Abs. 2 ZPO rekurrierend Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 183, 192. 188 Vgl. insoweit auch Kohler, AcP 205 (2005), 93, 97 f., 107. 189 Meincke, AcP 171 (1971), 19, 24, darauf beruft sich für das neue Recht Kohler, AcP 205 (2005), 93, 101 f. (und 115). 190 s. im Einzelnen bereits oben sub „g) Vorteile eines auf Naturalleistung lautenden Vollstreckungstitels“, S. 55 ff., im Kontext des Unvermögens „(a) Argumentation“, S. 72 f. 191 Vgl. hierzu H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 242 ff.; Rabel, FS Bekker S. 171, 180 f. (= Ges. Aufs. I S. 1, 8), bei Brehm, JZ 1974, 573, 574 f., 576 mit Beschränkung auf objektive Unmöglichkeit, anders ders., JZ 1974, 573, 576 für das frühere Unvermögen. 192 s. zur Möglichkeit des Gläubigers, eine Augenscheinnahme zu beantragen, Brehm, JZ 1974, 573, 574 f., 576 und oben mit Fn. 154 (S. 56), s. zum Ganzen auch noch unten sub „1. Zwangsvollstreckung“, S. 458 ff.

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dem Gläubiger die geschuldete Sache seiner Verpflichtung zuwider vorzuenthalten.194 Indes besteht auch im Erkenntnisverfahren zumindest die Möglichkeit, den Schuldner als Partei des Prozesses zu vernehmen: Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des § 448 ZPO seine Vernehmung von Amts wegen anordnen195. Insoweit bestünde sogar eine Strafandrohung nach § 153 Abs. 1 StGB beziehungsweise § 154 Abs. 1 StGB.196 Schwer zu erklären bliebe wie schon nach altem Recht zudem, warum der Gläubiger die aufgezeigte Prüfmöglichkeit nur bei zu vertretender Unmöglichkeit erhalten sollte, während sein Bedürfnis bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit doch ungleich größer ist, bekäme er insoweit doch nicht einmal Schadensersatz, ginge mithin gänzlich leer aus. Darüber hinaus vermag ein möglicher Vorteil für den Gläubiger nicht zu rechtfertigen, dass der Schuldner in offenem Widerspruch zum materiellen Recht mit einem Nachteil belastet wird, namentlich mit dem erheblichen Einwand zu vertretender Unmöglichkeit nicht gehört wird. (2) Ergebnis Es bestehen keine zureichenden Gründe, den Schuldner im Prozess mit dem Einwand zu vertretender Unmöglichkeit nicht zu hören. Vielmehr würde der Gläubiger in Widerspruch zum materiellen Recht (§ 275 Abs. 1 BGB) mit einem ungerechtfertigten Vorteil bedacht. Ob Unmöglichkeit vorliegt oder nicht, ist daher durch Beweisaufnahme im Erkenntnisverfahren festzustellen. Die frühere Rechtsprechung ist nicht auf das neue Recht übertragbar. Nach neuem Recht ist damit über die (objektive wie subjektive) Unmöglichkeit unabhängig von der Frage, ob der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat, eine vertragsanfängliche Unmöglichkeit kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, stets Beweis zu erheben. b) Annex: Indizierung der subjektiven Unmöglichkeit Klagt der Gläubiger hingegen nicht auf Erfüllung, sondern auf Schadensersatz statt der Leistung, gehört die Unmöglichkeit zum anspruchsbegrün193 Falsche Versicherung an Eides Statt mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. 194 Darauf verweist für das neue Recht Kohler, AcP 205 (2005), 93, 102 (und 115). 195 Durch Beweisbeschluss (§ 450 ZPO). 196 Falsche uneidliche Aussage (Strafrahmen: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahre) bzw. Meineid (Strafrahmen: Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bis 15 Jahre, s. § 38 Abs. 2 StGB).

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denden Vortrag (vergleiche §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB). Als solche für den Gläubiger günstige Tatsache ist dieser darlegungs- und beweisbelastet. Insoweit wird insbesondere der Beweis der subjektiven Unmöglichkeit für den Gläubiger schwer zu führen sein. Denn vielfach wird es dem Gläubiger an einem Einblick in die Sphäre des Schuldners mangeln, er also schwerlich in der Lage sein zu beweisen, dass der Schuldner die geschuldete Sache nicht mehr beschaffen könnte. Daher sollte zugunsten des Gläubigers die Rechtsprechung zum früheren Unvermögen übertragen werden: Im Schadensersatzprozess wird die subjektive Unmöglichkeit der Leistung bereits durch die Veräußerung des geschuldeten Leistungsgegenstands indiziert.197 Gleiches gilt, wenn der Verkäufer eine ihm nicht gehörende, gestohlene Sache veräußert hat. Zwar vermag der Verkäufer seinem Käufer wegen § 935 Abs. 1 S. 1 BGB kein Eigentum zu verschaffen, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der Verkäufer die Kooperationsbereitschaft des Eigentümers erlangen kann, um die Leistung zu erbringen. In einem solchen Fall indiziert die Eigentümerstellung des Bestohlenen die subjektive Unmöglichkeit des Verkäufers. Dem Verkäufer bleibt es unbenommen, die Unmöglichkeit zu widerlegen, indem er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass er willens und in der Lage ist, das Eigentum vom wahren Berechtigten zu beschaffen.198 Anzuraten ist dem Gläubiger gleichwohl, zur Sicherheit Frist zu setzen (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). 2. Das Zeitmoment199 a) Endgültige Unmöglichkeit Stellt sich im Prozess eine endgültige Unmöglichkeit der eingeklagten Leistung heraus, so ist die auf Erfüllung gerichtete Leistungsklage (Erfüllungsklage) als unbegründet abzuweisen. Der maßgebliche Beurteilungszeit197 Vgl. hierzu BGHZ 141, 179, 182, ausf. oben sub „(c) Annex: Der Übergang auf die Sekundärebene“, S. 80 f. 198 Unpräzise daher OLG Karlsruhe, ZGS 2004, 477 ff. (m. Anm. Sutschet, NJW 2005, 1404), wo ohne weiteres eine zeitweilige (anfängliche) Unmöglichkeit der Eigentumsverschaffung angenommen wurde, die dort einer dauernden gleichgestellt wurde (aaO., S. 478 f.), obgleich nach Ansicht des Gerichts „prinzipiell die Möglichkeit bestanden [hätte], dass der Beklagte [Verkäufer] den verkauften Pkw vom Eigentümer M. bzw. dessen Versicherung hätte erwerben und dem Kläger [Käufer] erneut [zwischenzeitlich war der Pkw an den ursprünglichen Eigentümer bzw. dessen Versicherung zurück gelangt] übergeben und übereignen können“ (aaO., S. 478). Wegen dieser Möglichkeit bestand gerade keine subjektive Unmöglichkeit (insoweit wie hier Sutschet, NJW 2005, 1404, 1405), deren Vorliegen indessen aufgrund des Umstands, dass der Pkw gestohlen war (§ 935 Abs. 1 S. 1 BGB), indiziert wird. 199 s. hierzu bereits die Ausführungen zur Tatbestandsseite (sub „5. Das Zeitmoment“, S. 145 ff.) sowie zur Rechtsfolge (sub „2. Das Zeitmoment“, S. 157 f.).

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punkt für das Vorliegen endgültiger Unmöglichkeit wird im Prozess durch das Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung markiert. Erwägt das Gericht, eine nur zeitweilige Unmöglichkeit einer endgültigen Unmöglichkeit gleichzustellen, hat es für diese nach materiellem Recht zu treffende Wertungsentscheidung auf den Zeitpunkt des Eintritts des Leistungshindernisses abzustellen.200 b) Zeitweilige Unmöglichkeit Im Prozess kann die Beweiserhebung über die Unmöglichkeit ergeben, dass diese nur zeitweiliger Natur ist. Das ist der Fall, wenn am Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zwar gegenwärtige Unmöglichkeit feststeht, nicht aber deren Endgültigkeit. Die Partei, die die Unmöglichkeit einwendet, ist auch hinsichtlich der Endgültigkeit beweisbelastet. Zwar kann zur Klärung der Frage, ob die Unmöglichkeit endgültiger Natur ist, ein Sachverständiger gehört oder ein entsprechendes Gutachten eingeholt werden, doch würde dies in vielen Fällen nur eine Prognose ergeben. Die Endgültigkeit läge nach der hier vertretenen Ansicht201 in Ermangelung einer mit Sicherheit getroffenen Feststellung nicht vor. Doch ist bei nur zeitweiliger Unmöglichkeit zumindest der Antrag auf sofortige Leistung unbegründet, da es infolge der Hemmung des Erfüllungsanspruchs an der materiell-rechtlichen Grundlage fehlt.202 Wird die Klage als zurzeit unbegründet abgewiesen, tritt nur eine entsprechend begrenzte Rechtskraftwirkung des Urteils ein:203 Das Urteil ist „nur insoweit“ der Rechtskraft fähig, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden ist, § 322 Abs. 1 ZPO. Der „erhobene Anspruch“204 ist bei zeitweiliger Unmöglichkeit nur zurzeit nicht gegeben. Entfällt das Leistungshindernis beziehungsweise dessen Unüberwindbarkeit später, kann der Gläubiger erneut klagen, ohne dass dieser Klage die Rechtskraft des Ersturteils entgegenstünde. Um eine Abweisung der Klage als derzeit unbegründet abzuwenden, kann und muss der Kläger, der weiterhin an der Leistung festhalten will, seinen 200

s. BGHZ 83, 197, 200 f. sowie oben „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. s. oben sub „a) Endgültige Unmöglichkeit“, S. 147 f. 202 Bestr., s. zur Diskussion oben sub „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. 203 s. Canaris, JZ 2001, 499, 500 (zur KonsF); Zöller-ZPO/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 31 a. E., 56. Das Gericht muss mindestens in den Entscheidungsgründen sagen, dass es den Anspruch als (nur) zurzeit unbegründet abweist, s. BGH, NJW 2000, 653, 656; Zöller-ZPO/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 56 m. weit. Nachw. 204 Insoweit handelt es sich um den prozessualen Anspruch, den Streitgegenstand, vgl. statt vieler MünchKomm-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 104; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-ZPO/Hartmann, § 322 Rn. 15, ebenso etwa BGHZ 117, 1, 5 m. weit. Nachw. 201

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Antrag auch auf künftige Leistung umstellen205 (§ 264 Nr. 2 ZPO)206, sofern dies nach Maßgabe des § 259 ZPO zulässig ist.207 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Kontext von § 259 ZPO muss hierfür zunächst der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach entstanden sein; er darf aber von einer Gegenleistung abhängen oder bedingt sein.208 Der Anspruch bei zeitweiliger Unmöglichkeit kann insoweit mit einem bedingten Anspruch verglichen werden. Dieser fällt nach Ansicht des BGH unter § 259 ZPO, sofern „die Verpflichtung zur künftigen Leistung – abgesehen von einer in das Urteil aufzunehmenden Bedingung – in ihrem Bestande gewiß ist“209. Die bereits vertraglich bestimmte Erfüllungspflicht des Schuldners ist bei zeitweiliger Unmöglichkeit abgesehen von dem späteren Entfall der Unmöglichkeit, was gleichsam als Bedingung angesehen werden kann, gewiss.210 Weiterhin ist gemäß § 259 ZPO erforderlich, dass den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Eine derartige Besorgnis soll nach dem BGH in der Regel bereits durch ernsthaftes Bestreiten der behaupteten Forderung begründet sein.211 Regelmäßig werden die Parteien darüber streiten, ob der Vertrag nach Wegfall des Hindernisses (etwa eines Embargos) noch durchzuführen ist. Behauptet der Schuldner dabei, eine Leistung nach Wegfall der Unmöglichkeit sei ihm nicht zumutbar, läge darin bereits ein ernsthaftes Bestreiten der behaupteten Forderung.212 Der Gläubiger könnte 205 Anders Canaris, FS U. Huber S. 143, 147, (148 mit Fn. 18), der – ohne (ausdrückliche) Umstellung – zu einer Klage auf zukünftige Leistung „grundsätzlich im Wege der Auslegung oder Umdeutung“ gelangen möchte, wenn der Gläubiger erst während des Prozesses von dem Leistungshindernis erfährt. 206 Diese Umstellung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen, denn es wird gleichsam ein Weniger gefordert, vgl. z. B. Zöller-ZPO/ Greger, § 264 Rn. 3b; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-ZPO/Hartmann, § 264 Rn. 14. 207 Nur für Ausnahmefälle Canaris, JZ 2001, 499, 500 (zur KonsF), dagegen nunmehr offenbar generell und wahlweise („und/oder“) neben einer „Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO“ Canaris, FS U. Huber S. 143, 147, bejahend für den Fall, dass die Erfüllung von einer behördlichen Genehmigung abhängt Bamberger/Roth/ Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 51, viel weiter gehend offenbar Wieser, MDR 2002, 858, 861. 208 s. Zöller-ZPO/Greger, § 259 Rn. 1; Thomas/Putzo-ZPO/Reichold, § 259 Rn. 2 f., vgl. auch BGHZ 43, 28, 31; 147, 225, 231. 209 BGHZ 43, 28, 31; so bereits RGZ 168, 321, 325. 210 Irrelevant sollte im vorliegenden Zusammenhang sein, ob man den Erfüllungsanspruch bei zeitweiliger Unmöglichkeit als vorübergehend ausgeschlossen oder nur als einstweilen gehemmt ansieht. 211 So BGHZ 147, 225, 231 m. weit. Nachw. 212 Anders jedoch für den Fall, dass der Schuldner zu einer Leistungserbringung nach Wegfall des Hindernisses bereit ist, s. nur D. Kaiser, FS Hadding S. 121, 128 f.

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auf künftige Leistung klagen (§ 259 ZPO). Stellt das Gericht jedoch das zeitweilige Hindernis einem endgültigen gleich, demzufolge der Schuldner endgültig befreit wird, dringt der Gläubiger auch mit einer Klage auf künftige Leistung nicht durch, seine Klage würde als endgültig unbegründet abgewiesen. Droht die Klage auf sofortige Leistung wegen zeitweiliger Unmöglichkeit als zurzeit unbegründet abgewiesen zu werden, dürfte das Gericht nach § 139 ZPO gehalten sein, den Kläger auf die Möglichkeit einer Klageumstellung auf künftige Leistung hinzuweisen, sofern diese nach § 259 ZPO zulässig ist. c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse Stellt sich im Prozess heraus, dass zwar ein Leistungshindernis besteht, dieses aber überwindbar und mangels Eingreifens der §§ 275 Abs. 2, 313 BGB auch vom Schuldner zu überwinden ist, wird der Schuldner zur Primärleistung verurteilt. Auch wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung) feststeht, dass die Leistungserbringung gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird (z. B. für die Bergung des Rings aus dem See, sofern kein Fall des § 275 Abs. 2 BGB vorliegt oder der Schuldner die Einrede nicht erhoben hat), findet eine Verurteilung zur sofortigen Leistung statt. Wegen der zunächst erforderlichen Leistungszeit ist nicht (nur) zu künftiger Leistung zu verurteilen (vergleiche § 259 ZPO), denn die Leistung ist wegen Überwindbarkeit des Hindernisses nicht unmöglich und sofort geschuldet.213 Generell liegen die Dinge bei einer Verurteilung zur (sofortigen) Leistung so, dass der Schuldner die Leistung nach dem Urteil noch bewirken muss; hier besteht nur die Besonderheit, dass die Leistungserbringung die Überwindung des Hindernisses einschließt, wozu der Schuldner – wie gerichtlich festgestellt – verpflichtet ist. Besteht der Gläubiger jedoch im Prozess auf Leistung in Natur, muss die zur Überwindung des Hindernisses notwendige Zeit bei der Angemessenheit der Frist i. S. von §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB Berücksichtigung finden, so sich der Gläubiger nach dem Urteil zum Übergang auf die Sekundärebene entschließen sollte. Die Angemessenheit der Frist wäre nicht wie üblich zu bemessen – sie braucht nach herrschender Meinung nicht so lange zu sein, dass der Schuldner die Möglichkeit erhält, überhaupt erst mit der Bewirkung der Leistung zu beginnen –214, sondern dürfte jedenfalls nicht kürzer sein als die unbedingt notwendige Zeitspanne, die eine Leistungserbringung unter Berücksichtigung der notwendigen Überwindung des 213 Zur materiell-rechtlichen Seite bereits ausf. oben sub „c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse“, S. 151 f. 214 Vgl. statt aller MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 40/§ 323 Rn. 71.

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Leistungshindernisses erfordert. Diese Erschwerung des Übergangs auf die Sekundärrechte für den Gläubiger findet ihre Rechtfertigung darin, dass dieser auf Leistung in Natur insistiert und eine entsprechende Verurteilung begehrt. Er hat Kenntnis davon, dass der Schuldner die Leistung erst noch erbringen muss. Dann hat er dem Schuldner auch zu ermöglichen, die geschuldete Leistung tatsächlich zu bewirken. Aus diesem Grund wäre ebenso das verfrühte Betreiben von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch den Gläubiger unzulässig. V. Unterschiede zum früheren Recht und Bewertung 1. Neuerungen bei den Begriffen sowie deren Verständnis Der Begriff der Unmöglichkeit der Leistung verzichtet nach neuem Recht anders als früher auf rechtliche Wertungskriterien: Soweit objektive Unmöglichkeit (Unmöglichkeit „für jedermann“, siehe § 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) betroffen ist, wird die „faktische Unmöglichkeit“ fortan nicht mehr als wirkliche Unmöglichkeit angesehen beziehungsweise als solche behandelt. Denn charakteristisch für diese Fälle ist gerade, dass das bestehende Leistungshindernis überwindbar ist, wenngleich mit enormem Aufwand. Zwar lässt sich die insoweit aufgeworfene rechtliche Wertungsfrage sehr rasch zugunsten des Schuldners beantworten – angesichts des enormen Aufwands wird ihm in aller Regel ein Einrederecht aus § 275 Abs. 2 BGB zukommen –, gleichwohl stellt sich im Gegensatz zu unüberwindbaren Leistungshindernissen eine Wertungsfrage.215 Darüber hinaus wurde der Begriff des Unvermögens aufgegeben. § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB spricht nunmehr von Unmöglichkeit „für den Schuldner“ (subjektive Unmöglichkeit). Subjektiv unmöglich ist nur eine solche Leistung, die der Schuldner auch potentiell nicht erbringen könnte. Die Möglichkeit des Schuldners, das Hindernis durch Einsatz von Geld zu beseitigen oder durch Dritte beseitigen zu lassen, schließt subjektive Unmöglichkeit aus. Damit wurde Abschied von dem früher von Teilen der Literatur verfochtenen weiten Unvermögensbegriff genommen, wonach bereits das Fehlen der Dispositionsfähigkeit des Schuldners über den Leistungsgegenstand Unvermögen begründete, mithin nicht auf die potentielle, sondern die aktuelle Leistungsunfähigkeit des Schuldners abgestellt wurde. Untrennbar mit diesen Begriffsfragen hängt die Frage zusammen, ob der Schuldner nur befreit wird, wenn er das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat. Befürwortete man nach altem Recht im Anschluss an eine gewichtige Mindermeinung den weiten Unvermögensbegriff, trat eine Schuldnerbe215

Vgl. zu einer unwesentlichen Einschränkung oben bei Fn. 52 f. (S. 137).

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freiung freilich nur unter der weiteren Voraussetzung ein, dass der Schuldner sein (nachträgliches) Unvermögen nicht zu vertreten hatte (siehe § 275 Abs. 1 BGB a. F.: „den er nicht zu vertreten hat“). Nach neuem Recht ist – in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung im alten Recht – für die Frage der Befreiung des Schuldners von seiner Primärleistungspflicht die Frage des Vertretenmüssens irrelevant. Um eine uferlose Befreiung, mithin eine Aushöhlung des Rechts auf Leistung in Natur, zu verhindern, war man früher gezwungen, die Kategorie des Unvermögens ganz erheblich einzuschränken (enger Unvermögensbegriff). Diesen Weg ist auch die Neuregelung gegangen. Der Begriff der subjektiven Unmöglichkeit ist (praktisch)216 frei von Wertungen. Während nach altem Recht manche Stimmen bereits eine unzumutbare Leistungsschwierigkeit als Unvermögen (normatives Verständnis) begriffen, liegt in solchen Fällen nach neuer Rechtslage keine subjektive Unmöglichkeit vor, denn das Leistungshindernis ist für den Schuldner nicht unüberwindbar; die Höhe des Aufwands ist insoweit – Abweichendes gilt freilich für §§ 275 Abs. 2, 313 BGB – ohne Relevanz. Der Begriff der subjektiven Unmöglichkeit entspricht damit dem früheren engen Unvermögensbegriff im wirklichen Sinne. Im Hinblick auf die aufgezeigten Neuerungen sowie die durch die Reform getroffenen Klarstellungen kann man für § 275 Abs. 1 BGB durchaus von einer gelungenen Konzeption sprechen. In erster Linie kann die strikte Unterscheidung überwindbarer und unüberwindbarer Leistungshindernisse als Positivum gewertet werden, da auf diesem Weg unterschiedliche Fragen auseinander gehalten werden. Bei § 275 Abs. 1 BGB stellt sich die tatsächliche Frage der Unüberwindbarkeit, die keine rechtliche Wertungsfrage darstellt, sondern vielmehr unter Rekurs auf die Naturgesetze, die Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik, die Logik sowie die geltende Rechtsordnung zu beantworten ist. Nur wenn zunächst die Unüberwindbarkeit abgelehnt wird, mithin ein überwindbares Leistungshindernis gegeben ist, kann sich die (nachgelagerte) Frage stellen, ob dem Schuldner aus Wertungsgesichtspunkten im Einzelfall nicht abverlangt werden kann, dieses Hindernis auszuräumen. Nur insoweit handelt es sich um eine rechtliche Wertungsfrage. Dem Adjektiv „wirklich“ kommt nur klarstellende Bedeutung zu, da Unmöglichkeit als Terminus technicus bereits das Merkmal der Unüberwindbarkeit im wirklichen und nicht im normativen Sinne in sich trägt. Überwindbare Hindernisse begründen daher nicht „unwirkliche“ Unmöglichkeit, sondern überhaupt keine Unmöglichkeit. Sinnvoll ist der klarstellende Zu216 Vgl. zu unwesentlichen Einschränkungen oben bei Fn. 92 ff. (S. 143 f.) sowie auch bei Fn. 52 f. (S. 137).

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satz allemal,217 wenn man sieht, dass der Unmöglichkeitsbegriff nicht immer im technischen Sinne verwendet wurde und immer noch wird, wie die Bezeichnungen „faktische Unmöglichkeit“218 und „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ zeigen. Vor dem Hintergrund dieser notwendigen und erfreulicherweise fortan praktizierten Trennung kann der Meinung von Canaris, § 275 Abs. 2 BGB sei „dogmatisch in die Lehre von der Unmöglichkeit einzuordnen“219, nicht gefolgt werden,220 zumal auch die Gesetzesmaterialien davon nicht durchgängig auszugehen scheinen, wenn es dort heißt, dass „§ 275 RegE nunmehr auch weitere Befreiungsgründe [neben der Unmöglichkeit!] umfasst“221. Eine solche Einordnung des § 275 Abs. 2 BGB mag zwar im Hinblick auf etwaige Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nützlich erscheinen,222 ist jedoch unter dogmatischen Gesichtspunkten abzulehnen. 217 Die rein klarstellende Funktion lässt sich mit dem Zusatz „im engeren Sinne“ – so Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 369: „Unmöglichkeit i. e. S.“ – nicht (treffend) zum Ausdruck bringen, zumal es die Genannten auch unentschieden lassen, ob ausschließlich § 275 Abs. 1 BGB einen Fall der „Unmöglichkeit i. e. S.“ darstellt oder auch § 275 Abs. 2 BGB, s. aaO., Rn. 402: „allenfalls noch bei Abs. 2“. Entgegen Amann/Brambring/Hertel/Hertel, S. 15 sollte man auch nicht von „‚wirkliche[r]‘ Unmöglichkeit i. e. S.“ sprechen. 218 Insoweit zu Recht krit. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 569 mit Fn. 105: „verfehlt und irreführend“. 219 So bereits in Hinsicht auf § 275 Abs. 2 KonsF explizit Canaris, JZ 2001, 499, 505 (ebenso 504), in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB ders., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 25 f.; ders., JZ 2004, 214, 220, zust. Choi, Mangelschaden S. 130 mit Fn. 32, ebenso ferner S. Lorenz/Riehm, Rn. 310; S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 23, 26, 120 und 135 (wo auch von „Fälle[n] ‚normativer Unmöglichkeit‘“ die Rede ist); Mückl, JURA 2005, 809, 814; Petersen, SAT2 Rn. 261, ferner auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 56. Die Befreiungswirkung der Unmöglichkeit (wozu Canaris – wie gesagt – auch § 275 Abs. 2 BGB rechnen möchte) beruhe auf dem Rechtsgedanken, dass in der Person des Gläubigers kein schützenswertes Eigeninteresse an der Erbringung der Leistung vorliege, s. dens., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 25 f. (ähnl. aaO., S. 18, 28). 220 Gleichfalls für eine Vermeidung des Unmöglichkeitsbegriffs im Kontext des § 275 Abs. 2 BGB Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 55, krit. gegenüber der Einordnung von § 275 Abs. 2 BGB als Unmöglichkeitsfall auch Kohler, AcP 205 (2005), 93, 94 mit Fn. 4, 100 mit Fn. 21, 117 f. mit Fn. 66 (in jüngster Zeit spricht ders., JURA 2006, 241 von „so genannter anfänglicher Unmöglichkeit im weiten Sinne von § 275 Abs. 1 bis 3 BGB“), vgl. auch Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 47, 55. 221 BT-Drucks. 14/6040, S. 144 re. Sp. (Einzelbegründung zu § 285 Abs. 1 RegE), anders freilich aaO., S. 130 sowie 232 li. Sp.: zweifelhaft erscheint der dortige Hinweis, die Fälle des § 275 Abs. 2 RegE kämen „wertungsmäßig der Unmöglichkeit in § 275 Abs. 1 RE [RegE] nahe“, da die Unmöglichkeit gerade keine Wertungsfrage aufwirft. 222 Näher dazu unten sub „g) Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL“, S. 391 ff.

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2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens Vorstehend wurde bereits auf den Zusammenhang des Verständnisses subjektiver Unmöglichkeit mit der Frage des Vertretenmüssens hingewiesen. Im Unterschied zum Wortlaut des § 275 Abs. 1 BGB a. F. verzichtet die Neuregelung bewusst auf das Erfordernis mangelnden Vertretenmüssens für die Primärschuldbefreiung. Denn was der Schuldner nicht leisten kann, das solle er auch nicht schulden („impossibilium nulla obligatio est“). Dieser Satz des Celsus ist zwar kein Gebot der Logik – aus logischen Gründen ist nur die tatsächliche Erbringung der Leistung, nicht eine darauf gerichtete Pflicht ausgeschlossen –, gleichwohl ist seine Kodifizierung in § 275 Abs. 1 BGB unschädlich, wenn und soweit die per se befreiende Unmöglichkeit im wirklichen Sinne verstanden wird. Ausschließlich für diesen Fall ist der Ausschluss des Erfüllungsanspruchs unabhängig vom Vertretenmüssen – allgemeiner gesprochen: unabhängig von sonstigen Wertungskriterien – unproblematisch. Sobald aber der Bereich wirklicher Unmöglichkeit verlassen ist, steht eine Wertungsentscheidung an. Die hierfür maßgeblichen Wertungskriterien müssen dann offen gelegt werden. Wenig transparent musste es erscheinen, wenn nach altem Recht die Begriffe Unmöglichkeit beziehungsweise Unvermögen mit Wertungskriterien angereichert wurden, wie dies für den Fall der „faktischen Unmöglichkeit“ sowie das normative Unvermögensverständnis (Unvermögen als „unzumutbare Leistungsschwierigkeit“) praktiziert wurde. Nach der Neukonzeption ist die Antwort auf die bei überwindbaren Leistungshindernissen stets aufgeworfene Wertungsfrage in § 275 Abs. 2223 sowie § 313 BGB zu suchen, jedoch nicht in § 275 Abs. 1 BGB. 3. Erfassung weiterer Fallgruppen der Unmöglichkeit Mit § 275 Abs. 1 BGB wurde ein Befreiungstatbestand geschaffen, der bislang teils überhaupt nicht, unterschiedlich oder andersartig geregelte Unmöglichkeitsformen in einer Norm zusammenfassend einer gesetzlichen Regelung zuführt. Die Norm gilt für vertragsanfängliche und nachträgliche, subjektive und objektive, daneben auch für teilweise und insbesondere qualitative Unmöglichkeit; erfasst ist weiterhin auch die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit sowie die vertragsanfängliche Unmöglichkeit, die dem Schuldner bei Vertragsschluss bekannt beziehungsweise in zu vertretender Weise unbekannt war. Die vertragsanfängliche objektive Unmöglichkeit führt nicht mehr zur Vertragsnichtigkeit (siehe § 311a Abs. 1 BGB), wie dies nach § 306 BGB a. F. grundsätzlich der Fall war. Damit entfällt auch die Notwendigkeit kon223

Vgl. für persönlich zu erbringende Leistungen insb. § 275 Abs. 3 BGB.

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kludenter Garantieübernahmen224, die sich im alten Recht nicht selten als Umgehung des rechtspolitisch ungewollten Ergebnisses der §§ 306, 307 BGB a. F. entlarven ließen. Auch bei anfänglicher subjektiver Unmöglichkeit wird der Erfüllungsanspruch nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, während nach altem Recht225 für anfängliches Unvermögen ganz überwiegend ein Fortbestand des Erfüllungsanspruchs postuliert wurde. Letzteres war vor dem Hintergrund der früher ganz überwiegend angenommenen Garantiehaftung des Schuldners für sein anfängliches Leistungsvermögen unschädlich. Von dieser Garantiehaftung wurde im Grundsatz Abschied genommen. Die in § 311a Abs. 2 BGB angeordnete Haftung auf das positive Interesse scheidet fortan aus, wenn der Schuldner das vertragsanfängliche Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte beziehungsweise seine Unkenntnis nicht zu vertreten hat, siehe § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. Damit wurde zumindest auf die bedenkliche Annahme eines generellen Garantieversprechens, das nicht selten als „unhaltbare Fiktion“ kritisiert wurde, verzichtet. Die mit der Reform intendierte „Gleichstellung“226 anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit konnte für den Bereich des § 275 Abs. 1 BGB erfolgreich gelingen. Denn in der Tat kann es für den Bestand des Erfüllungsanspruchs keinen Unterschied machen, ob ein unüberwindbares Leistungshindernis (kurz) vor oder nach Vertragsschluss eintritt. Positiv kann insoweit bewertet werden, dass die oben227 aufgezeigten Ungleichbehandlungen, die mitunter einer Rechtfertigung entbehrten, nunmehr ausgeräumt wurden. Indes kann dieser Befund nicht darüber hinwegtäuschen, dass § 275 Abs. 1 BGB der einzige Bereich ist, für den das Ziel einer Gleichbehandlung von anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit erreichbar ist. Bereits für die Sekundärhaftung gibt der zeitliche Eintritt eines Leistungshindernisses die grundsätzliche Weichenstellung in der Neuregelung vor: Für nachträgliche Leistungshindernisse gelten §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB, für vertragsanfängliche Leistungshindernisse hingegen gilt (grundsätzlich) § 311a Abs. 2 BGB. Obschon die Rechtsfolgen (Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen) angeglichen wurden, unterscheiden sich die tatbestandlichen Voraussetzungen sehr deutlich. Wegen der Unterschiede im Pflichtenprogramm ist der Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens im Falle vertragsanfänglicher Leistungshindernisse ein ganz anderer (sc. die Unkenntnis des Hindernisses) als 224

Hierzu „1. Anfängliche Unmöglichkeit, § 306 BGB a. F.“, S. 38 ff. s. zur Kontroverse im früheren Recht „2. Anfängliches Unvermögen“, S. 81 ff. 226 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 128: Treffender dürfte insoweit der Begriff Gleichbehandlung sein. 227 Sub „E. Bewertung der früheren Regelung“, S. 100 ff. 225

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bei nachträglichen Leistungshindernissen (sc. die Nichtleistung und damit mittelbar das Leistungshindernis selbst).228 Diese Unterschiede kommen nicht nur in Bezug auf Sekundärrechtsbehelfe zum Tragen, sondern bei überwindbaren Leistungshindernissen auch auf Primärebene, siehe § 275 Abs. 2 S. 2 BGB; darauf deutet auch die Regelung in § 313 Abs. 2 BGB hin. Anfängliche und nachträgliche Leistungshindernisse weisen Unterschiede auf, die entsprechende Differenzierungen unabdingbar machen. Im Einzelnen wird darauf noch zurückzukommen sein. 4. Veränderte prozessuale Behandlung der Unmöglichkeit Wendet der zur Primärleistung verklagte Schuldner im Prozess die Unmöglichkeit der Leistung ein, ist er im Falle des Bestreitens durch den Kläger generell zum Beweis der Unmöglichkeit zuzulassen. Dies gilt im Unterschied zur früheren Gerichtspraxis nunmehr auch für den Fall, dass der Schuldner nicht gleichzeitig vorträgt, die Unmöglichkeit (beziehungsweise bei deren vertragsanfänglichen Eintritt seine mangelnde Kenntnis beziehungsweise seine nicht zu vertretende Unkenntnis)229 nicht zu vertreten zu haben. Die frühere Rechtsprechung, der zufolge der Schuldner zum Beweis der Unmöglichkeit nicht zugelassen wurde und zur Primärleistung verurteilt wurde, wenn feststand, dass er die Unmöglichkeit – so sie vorgelegen haben sollte – jedenfalls zu vertreten hätte, kann nicht ins neue Recht übertragen werden. Es finden sich keine gewichtigen Gründe, die es rechtfertigen könnten, dem Schuldner in direktem Widerspruch zum materiellen Recht einen entscheidungserheblichen Einwand im Prozess abzuschneiden. Daher wird das Vorliegen von Unmöglichkeit generell im Erkenntnisverfahren durch Beweiserhebung festgestellt. Anders als früher wird die Feststellung der zu vertretenden Unmöglichkeit nicht mehr ins Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert. Der Kläger kann sich somit in diesen Fällen fortan nicht mehr in der Zwangsvollstreckung vom tatsächlichen Vorliegen der Unmöglichkeit überzeugen, büßt mithin die ihm nach altem Recht gewährte „Detektivkompetenz“ ein. Weiterhin hat der Gläubiger jedoch nach § 264 Nr. 3 ZPO die Möglichkeit, seine Klage auf Schadensersatz statt der Leistung umzustellen, wenn der Beklagte die Unmöglichkeit einwendet. Tut er dies erst, nachdem das Gericht die Unmöglichkeit durch Beweiserhebung positiv festgestellt hat, kann er – ungeachtet seines Obsiegens mit dem Schadensersatzantrag – nach Maßgabe des § 96 ZPO mit den Kosten der Beweiserhebung über die Unmöglichkeit belastet werden.230 Vor dem Hintergrund dieses Kostenrisi228 229

Hierzu noch näher sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. Vgl. hierzu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB.

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kos muss der Gläubiger genau abwägen, ob er statt der Beweiserhebung nicht besser unter Preisgabe seines Erfüllungsanspruchs die Klage unmittelbar auf Schadensersatz statt der Leistung umstellt (§ 264 Nr. 3 ZPO).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts wurde eine vollkommen neue Vorschrift ins BGB eingeführt. Die Rede ist von § 275 Abs. 2 BGB, als deren „geistigen Vater“ man Canaris ansehen darf.231 Wie bereits oben dargelegt, begründen ausschließlich unüberwindbare Leistungshindernisse Unmöglichkeit. § 275 Abs. 2 BGB hat demgegenüber allein überwindbare Leistungshindernisse zum Gegenstand. Daher sollte § 275 Abs. 2 BGB dogmatisch nicht in die Lehre der Unmöglichkeit eingeordnet werden,232 noch empfiehlt es sich, in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB von einer „milderen“ Form der Unmöglichkeit233 zu sprechen. Diese Vorschrift, dies sei vorweggenommen, lässt dem Rechtsanwender ausweislich ihres Wortlauts („grobes Missverhältnis“, „zuzumutenden Anstrengungen“) viel Entscheidungsspielraum. Jedoch ist dies nicht etwa als Makel der Vorschrift zu werten,234 sondern vielmehr als die natürliche Konsequenz der zu regelnden Problematik. Es existiert nämlich eine Vielzahl von Kriterien, die für die Frage der Befreiung des Schuldners von seiner vertraglichen Erfüllungspflicht von Relevanz sind.235 Aufgabe einer gesetzlichen Regelung müsste sein, diese Vielfalt an relevanten Kriterien in zumindest ansatzweise „geordnete Bahnen“ zu lenken. Ob dies mithilfe von § 275 Abs. 2 BGB gelungen ist, wird in der weiteren Untersuchung herauszufinden sein. Aufgabe der vorliegenden Arbeit kann es freilich nicht sein, anhand der gesetzlichen Vorschrift für alle denkbaren Fallkonstellationen einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten – ein ohnehin unmögliches Unterfangen. Vielmehr muss vorliegend der Versuch unternommen werden, die für § 275 Abs. 2 BGB erheblichen Kriterien weitestgehend zu präzisieren, ihre Wirkungsweise zu klären und etwas Licht in ihr Zusammenspiel zu bringen. Wenn dadurch die nach § 275 Abs. 2 BGB ins Verhältnis zu set230

Näheres hierzu oben bei Fn. 178 ff. (S. 160). s. nur Canaris, JZ 2001, 499, 501 mit Fn. 27. 232 So jedoch vor allem Canaris, s. die Nachw. oben in Fn. 219 (S. 170). 233 So aber Medicus, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 61, 64; ferner handelt es sich bei § 275 Abs. 2 BGB nicht um einen der Unmöglichkeit „gleichgestellten“ Fall, dafür aber etwa Christoph Hirsch, SAT Rn. 645 (sub III.). 234 Mängel des neuen § 275 Abs. 2 BGB liegen, wie noch zu zeigen sein wird, in anderen Bereichen. 235 s. hierzu aus jüngerer Zeit bei Rödl, Spannung der Schuld S. 89 ff. (dort freilich mit abweichender Konzeption). 231

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zenden Größen sowie die weiteren Kriterien sicherer handhabbar werden, dürfte schon viel gewonnen sein. Letztlich hängt die Reichweite der Erfüllungspflicht maßgeblich davon ab, ob das erkennende Gericht ein „grobes Missverhältnis“ annimmt oder nicht. Insoweit können keine schematischen Prozentzahlen weiterhelfen, wenngleich sich in der Spruchpraxis für typische Fälle durchaus Richtwerte herausbilden können, wie dies z. B. bei der Beschädigung von gebrauchten Kraftfahrzeugen (Stichwort „130%-Rechtsprechung“)236 der Fall ist. I. Ausgangslage und Interessenbewertung Bevor Tatbestand und Rechtsfolge des § 275 Abs. 2 BGB eingehend analysiert werden, wird zunächst untersucht, wie sich die Interessenbewertung für das vorliegende Regelungsproblem darstellt. Im ersten Schritt werden die einschlägigen Gesetzesmaterialien kritisch gewürdigt (sub 1.). Hernach wird der Gesichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit in Rechtsprechung und Lehre sowie insbesondere der von den Gesetzesverfassern ins Spiel gebrachte „allgemeine Rechtsgedanke“237, der durch die Rechtsprechung entwickelt wurde, dargestellt und analysiert (sub 2.). Vor diesem Hintergrund wird geprüft, ob und inwiefern die Anleihe bei dem „allgemeinen Rechtsgedanken“ beziehungsweise den Normen, aus denen der BGH jenen Rechtsgedanken ableitete, möglich ist und sich für die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB fruchtbar machen lässt. 1. Entwurfsbegründung a) Interessenbewertung durch die Entwurfsbegründung Die Entwurfsbegründung sieht in § 275 Abs. 2 BGB238 „tatbestandlich und funktionell [. . .] zwei unterschiedliche Fallgruppen“239 geregelt. Die erste Fallgruppe soll die bisher der (objektiven) Unmöglichkeit zugeordneten Fälle der „faktischen oder praktischen Unmöglichkeit“ beinhalten, wofür die Entwurfsbegründung das Beispiel vom Ring auf dem Seegrund 236

Hierzu ausf. sub „(c) Kfz-Schäden: BGH-Urteile vom 15. 10. 1991 (= BGHZ 115, 364 und 375) – Integritätszuschlag (‚130%‘)“, S. 215 ff. 237 Die Entwurfsbegründung meint, § 275 Abs. 2 S. 1 RegE bringe diesen „allgemeinen Rechtsgedanken“ zur Geltung, BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 238 Zur Vereinfachung wird § 275 Abs. 2 im Folgenden i. d. F. des geltenden BGB zitiert, obgleich sich die Gesetzesmaterialien freilich auf die im vorliegenden Zusammenhang weitgehend wortgleiche Fassung des RegE beziehen. Soweit Unterschiede relevant werden, wird darauf hingewiesen. 239 BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp.

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(nach Philipp Heck)240 anführt. Demgegenüber sollen von § 275 Abs. 2 BGB die Fälle der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ oder der „Unerschwinglichkeit“ im Sinne der bloßen Leistungserschwerung nicht erfasst werden. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die zweite Fallgruppe findet sich in der Entwurfsbegründung nicht. Man darf aber davon ausgehen, dass sich neben der ersten mit zwei Sätzen abgehandelten Fallgruppe der „faktischen Unmöglichkeit“241 Ausführungen zur zweiten Fallgruppe in dem dritten und vierten Absatz der Begründung zu § 275 Abs. 2 S. 1 RegE (nahezu wortgleich § 275 Abs. 2 S. 1 BGB)242 sowie in der Begründung zu § 275 Abs. 2 S. 3 RegE (= § 275 Abs. 2 S. 2 BGB)243 finden. Das Mitglied der Kommission Leistungsstörungsrecht Heinrichs scheint unter der zweiten Fallgruppe lediglich Fälle zu verstehen, in denen der Schuldner nur unter Mitwirkung eines Dritten leisten kann.244 Nach Canaris, der als Kommissionsmitglied die Neuschaffung des § 275 Abs. 2 BGB initiiert hat,245 umfasst die zweite Fallgruppe „die Fälle, in denen rechtlich zweifelhaft ist, ob sie als Unvermögen zu qualifizieren sind oder nicht“246; insoweit führt er Fälle an, in denen fraglich ist, wie viel der Schuldner aufwenden muss, um den Leistungsgegenstand (wieder) zu erlangen. Richtigerweise ist es in solchen Fällen nicht zweifelhaft, ob Unvermögen beziehungsweise subjektive Unmöglichkeit vorliegt, da dies – wie oben dargelegt – wertungsfrei festzustellen ist. Zweifelhaft – im Sinne von „rechtlich schwer einzuschätzen“ – ist insoweit nur, ob der Schuldner den zur Beseitigung des Hindernisses notwendigen Aufwand aufbringen muss oder nicht, wo also die Befreiungsschwelle anzusiedeln ist. Offenbar scheint es um Fälle zu gehen, die dahingehend charakterisiert werden können, dass der Schuldner die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss, um leisten zu können. Dafür sprechen die angeführten Rechtsprechungszitate247 240

s. Heck, Grundriß des Schuldrechts § 28, 8 (S. 89). s. BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp./130 li. Sp. 242 BT-Drucks. 14/6040, S. 129 li. Sp./130 re. Sp. 243 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 244 s. Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 26 (und 25). 245 Vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 501 mit Fn. 27. 246 Canaris, JZ 2001, 499, 501 (zu § 275 Abs. 2 KonsF, Hervorheb. im Original). Vgl. auch dens., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 17: Die Funktion des § 275 Abs. 2 BGB ist „auch für die Lösung der Frage einschlägig, ob und wann ein Leistungshindernis den Tatbestand der subjektiven Unmöglichkeit erfüllt“ unter Verweis auf das zuvor angeführte Zitat (dort war jedoch noch von Unvermögen die Rede). 247 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp.: BGH, NJW 1988, 699, 700 [hierzu unten sub „(c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987 (= BGH, NJW 1988, 699) – ‚33fach‘“, S. 198 ff.] sowie BGHZ 62, 388, 393 f. – Kfz-Stellplätze [hierzu unten sub „(a) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 393 f.) – Kfz-Stellplätze“, S. 191 ff.] – entgegen Canaris (JZ 2004, 214, 224 mit Fn. 109), der ebenda BGHZ 241

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sowie auch das dort gewählte Beispiel248 der schuldnerischen Übereignung des Vertragsgegenstands an einen Dritten. Der Schuldner soll die Primärleistung verweigern dürfen, wenn deren Erbringung „einen unverhältnismäßigen“249 Aufwand verlangt. Unter Aufwand sollen dabei neben Geldaufwendungen auch Tätigkeiten sowie ähnliche persönliche Anstrengungen fallen.250 Der Aufwand sei allein an dem Leistungsinteresse des Gläubigers zu messen, nicht am Verhältnis zu den „eigenen Interessen des Schuldners, also etwa zu dem Vertragspreis oder eben auch zu persönlichen Belangen wie Gewissensbedenken, familiäre Belastungen usw.“251. § 275 Abs. 2 S. 1 RegE stelle allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers ab und nehme die „eigenen Interessen des Schuldners [. . .] nicht in den Blick“252.253 Ferner bringe § 275 Abs. 2 S. 1 RegE den „allgemeinen Rechtsgedanken“, der nach der Rechtsprechung den §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 S. 3, 651c Abs. 2 S. 2 BGB (a. F.) zugrunde liege, zur Geltung.254 Insoweit sei eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, für die die Vorschrift die beiden ausschlaggebenden Kriterien benenne: das Leistungsinteresse des Gläubigers und den Maßstab in Gestalt des groben Missverhältnisses. In Hinsicht auf den Maßstab, der im Wortlaut als „grobes Missverhältnis“ bezeichnet wird, liefert die Entwurfsbegründung mehrere Hinweise: Es ist 62, 388, 391 zitiert, bezieht sich das in der Entwurfsbegründung angeführte Zitat eben nicht auf den Teil der Entscheidung, die die Verlegung der Tiefgarage zum Gegenstand hat, dazu unten sub „(b) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 390 f.) – Tiefgarage“, S. 195 ff. 248 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 249 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 250 Wie vorherige Fn. 251 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 252 Wie vorherige Fn. 253 Vgl. hierzu auch BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp.: „In diesen Fällen [von Leistungen, die in der Person des Schuldners zu erbringen sind] sollen nicht nur objektive, sondern auch auf die Leistung bezogene persönliche Umstände des Schuldners berücksichtigt werden und zur Unmöglichkeit führen können. [. . .] Solche Umstände sind also, anders als in Fällen des Absatz 2 Satz 1, nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen, sondern schon unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Primärleistungspflicht nach § 275 RegE“ (Hervorheb. jew. nicht im Original). Es gehe dabei (z. B. in dem aaO. angeführten Sängerin-Fall) „um die Rücksichtnahme auf das Schuldnerinteresse, das in Absatz 2 Satz 2 in bewusster Abgrenzung zu Absatz 1 Satz 1 [muss richtigerweise Absatz 2 Satz 1 heißen] und zu § 313 [RegE] gerade auch maßgeblich sein soll.“ (Hervorheb. nicht im Original). 254 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp., weiter gehend aaO., S. 232 li Sp., wo offenbar bereits § 275 Abs. 2 RegE als der „allgemeine Rechtsgedanke“ verstanden wird, dessen besondere Ausprägung im Kaufrecht § 439 Abs. 3 S. 1 RegE darstelle.

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von „unverhältnismäßige[m] Aufwand“255 die Rede, dann von einem groben Missverhältnis256, später von einem „besonders krasse[n], nach Treu und Glauben untragbare[n] Ausmaß“257. Schließlich geht die Entwurfsbegründung auch auf die Bedeutung der Frage des Vertretenmüssens für den Befreiungsmaßstab ein. Ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten habe, sei „bei der Konkretisierung des Missverhältnisses zu berücksichtigen“258. Habe der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten, so habe er erhöhte Anstrengungen zur Überwindung zu unternehmen;259 habe er es nicht zu vertreten, so soll sich daraus nicht die Folge ergeben, er bräuchte überhaupt keine Anstrengungen zu unternehmen, vielmehr sei der Inhalt des Schuldverhältnisses maßgeblich.260 Sodann gibt die Entwurfsbegründung in Abhängigkeit von der Frage des Vertretenmüssens anhand des Beispielsfalls der schuldnerischen Übereignung des geschuldeten Leistungsgegenstands an einen Dritten verschiedene Befreiungsschwellen an:261 Habe der Schuldner den Leistungsgegenstand auf Grund eines schuldhaften Irrtums oder in Kenntnis der Rechtslage an einen Dritten übereignet, so müsse er diesem für dessen Rückerwerb „in aller Regel wesentlich mehr als den Marktpreis“ bieten, während er dem Dritten bei mangelndem Verschulden „zumindest den Marktpreis, u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis“ bieten müsse.262 Zur Begründung wird darauf verwiesen, der Schuldner habe trotz des unverschuldeten Irrtums „objektiv seine Pflicht aus dem Schuldverhältnis nicht erfüllt, so dass das Leistungshindernis auf einem in seiner Sphäre liegenden Mangel beruht“263. Sodann wird festgestellt, die vom Schuldner zu erwartenden Bemühungen und Aufwendungen seien „grundsätzlich geringer, als wenn er das Leistungshindernis zu vertreten ha[be]“264. b) Stellungnahme Die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen der Entwurfsbegründung müssen bereits an dieser Stelle einer ersten kritischen Würdigung unterzogen werden. Im Verlaufe der Untersuchung wird bei den jeweiligen Detail255

BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. Wie vorherige Fn. 257 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 258 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 259 Es ist explizit von einer „Verschärfung des Maßstabs“ die Rede, BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. (in Bezug auf § 275 Abs. 2 S. 3 RegE = § 275 Abs. 2 S. 2 BGB). 260 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 261 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 262 So BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 263 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 264 Wie vorherige Fn. 256

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problemen freilich noch eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Gesetzesmaterialien notwendig werden. (1) Die „zwei unterschiedlichen Fallgruppen“ und das Gleichbehandlungsgebot Die von den Gesetzesverfassern vorgenommene Unterscheidung zwischen Fällen „faktischer Unmöglichkeit“ (erste Fallgruppe) und Fällen, in denen sich der Schuldner die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss (zweite Fallgruppe),265 mag zwar in Anlehnung an die entsprechende Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit eine gewisse Berechtigung haben.266 Doch ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb die beiden Fallgruppen verschieden behandelt werden sollten.267 Wenngleich es sich bei (wirklicher) Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB um eine andere Frage handelt, zeigt § 275 Abs. 1 BGB, dass das Gesetz zwischen objektiven (für jedermann bestehenden) und subjektiven (für den Schuldner bestehenden) Hindernissen gerade nicht unterscheidet. Maßgeblicher Befreiungsgesichtspunkt für § 275 Abs. 2 BGB ist, dass der Leistungserbringung ein Hindernis entgegensteht, dessen Überwindung einen 265 Stark verkürzt wird die Gesetzesbegründung in der Literatur oftmals wiedergegeben, wenn behauptet wird, § 275 Abs. 2 BGB erfasse nur die Fälle „faktischer Unmöglichkeit“, so z. B. Staudinger/Emmerich (2003), Vorbem zu § 536 Rn. 7; Gieseler, JR 2004, 133; S. Lorenz/Riehm, Rn. 304; Rösler, JuS 2004, 1058, 1060, ähnl. auch Kindl, WM 2002, 1313, 1315. Abzulehnen ist auch der Vorschlag von M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 39, sämtliche Fälle des § 275 Abs. 2 BGB als „praktische Unmöglichkeit“ zu kennzeichnen. 266 Selbst der „geistige Vater“ des § 275 BGB, Canaris, scheint die Fälle nicht trennscharf auseinander zu halten, wenn er die Ansicht von Heinrichs, dem zufolge § 275 Abs. 2 BGB auf Ansprüche aus § 1004 BGB nicht anwendbar sei, mit dem Argument für „nicht vertretbar“ hält, dessen Meinung widerspreche der „klar dokumentierten Entstehungsgeschichte, da die zu § 1004 BGB ergangene Entscheidung BGHZ 62, 388, 391 gerade Modell für die Schaffung von § 275 Abs. 2 BGB war“ (mit Verweis auf die Entwurfsbegründung). Indes: Die Entwurfsbegründung hat explizit auf BGHZ 62, 388, 393 f. verwiesen, wo es um einen Anwendungsfall der zweiten Fallgruppe (Erkaufen der Kooperationsbereitschaft eines Dritten) ging, während es bei der von Canaris angegebenen Urteilsstelle um einen Anwendungsfall der ersten Fallgruppe ging (Fälle von Hindernissen, die für jedermann – „objektiv“ – nur mit enormem Aufwand überwindbar sind), hierzu bereits oben mit Fn. 247 (S. 176 f.), s. dort auch die Verweise auf die spätere Auseinandersetzung mit den beiden unterschiedlichen Gegenständen des Urteils. Weiterhin sieht Canaris einen geradezu paradigmatischen Anwendungsfall der zweiten Fallgruppe, nämlich den Fall von BGH, NJW 1988, 699, als Beispiel für die „praktische Unmöglichkeit“, s. dens., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 14 a. E. sowie S. 12 bei Fn. 16 f. 267 Ob dies zugleich für die Frage der Sekundärhaftung gilt, ist eine andere Frage, s. hierzu etwa Canaris, FS Heldrich S. 11, 17 f. im Kontext der Unmöglichkeit, der insoweit grds. für eine Gleichbehandlung eintritt.

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Aufwand erfordert, der in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Ob das Hindernis für jedermann nur unter Aufbringung hohen Aufwands zu beseitigen ist (so in Fällen „faktischer Unmöglichkeit“) oder nur gerade für den Schuldner (so, wenn der Schuldner die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss), ist gleichgültig. Entscheidend ist, das gilt es hervorzuheben, dass der Schuldner den Aufwand betreiben muss. Exemplarisch kann insoweit das Urteil BGHZ 62, 388 angeführt werden: Für die dort entschiedenen zwei Gegenstände, die sich der ersten und zweiten Fallgruppe im vorliegenden Sinne zuordnen lassen, wurden die gleichen Maßstäbe zugrunde gelegt. Zu diesem Zwecke wurde sogar innerhalb des Urteils ein Verweis vorgenommen, offenbar um die bereits gemachten Ausführungen nicht nochmals vollständig wiederholen zu müssen.268 Auch gibt der Wortlaut des § 275 Abs. 2 BGB keinen Hinweis auf eine unterschiedliche Behandlung. Vor diesem Hintergrund erscheint der Hinweis in den Gesetzesmaterialien, dem zufolge § 275 Abs. 2 BGB „[t]atbestandlich und funktionell“ zwei unterschiedliche Fallgruppen erfasse, nicht ganz zweifelsfrei. Vor allem aber fehlt jede Rechtfertigung dafür, insoweit unterschiedliche Maßstäbe aufstellen zu wollen. Die Ausführungen der Entwurfsbegründung scheinen hingegen in eben diese Richtung zu weisen: Einerseits soll die erste Fallgruppe ausschließlich Fälle „faktischer Unmöglichkeit“ beinhalten, die gerade durch ihren extremen Charakter geprägt sind, und andererseits trifft die Entwurfsbegründung hinsichtlich der zweiten Fallgruppe Wertungsentscheidungen,269 die nicht im Ansatz dem extremen Charakter der „faktischen Unmöglichkeit“ entsprechen. So die Entwurfsbegründung tatsächlich gänzlich verschiedene Maßstäbe aufstellen wollte, kann dem nicht gefolgt werden. Ferner müsste den Gesetzesmaterialien zumindest insoweit eine Bindungswirkung abgesprochen werden.270 Eine solche Differenzierung, für die keine sachliche Rechtfertigung besteht, würde dem Gebot, Gleiches nicht ungleich zu behandeln, widersprechen. Es kann im vorliegenden Zusammenhang (grundsätzlich) keinen Unterschied machen, ob der Schuldner den verkauften Ring fahrlässig in einen See fallen lässt oder fahrlässig an einen Dritten veräußert.271 Die Befreiungsschwelle kann im ersten Fall nicht höher angelegt werden als im zweiten. 268 s. BGHZ 62, 388, 394 wo auf die Ausführungen unter a) [aaO., S. 390 f.] verwiesen wurde, näher hierzu noch sub „b) Analyse“, S. 193 f. 269 Hierzu oben bei Fn. 261 f. (S. 178). 270 s. hierzu – wenngleich zu weitgehend – U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 564 f. m. weit. Nachw. zur Rspr. 271 Vgl. jedoch zu einem zusätzlichen Wertungsgesichtspunkt im erstgenannten Fall unten sub „c) Behandlung eines Wertverlusts beim Leistungsgegenstand“, S. 265 ff.

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(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei „Kriterien“ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands Ausgehend von der Annahme, § 275 Abs. 2 BGB nehme die „eigenen Interessen des Schuldners“ nicht in den Blick,272 möchte die Entwurfsbegründung offenbar eine Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei „Kriterien“, die „bei jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung von ausschlaggebender Bedeutung“ seien, die „Bezugsgröße zum ersten, die hier im Interesse des Gläubigers an der Leistung besteht, und de[m] Grad des Missverhältnisses zum zweiten, das ‚grob‘ sein muss“, durchführen. Indes ist es eine bare Selbstverständlichkeit, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung neben dem relevanten Maßstab immer zweier Größen bedarf.273 Die zweite Größe (gewissermaßen das dritte „Kriterium“), nämlich der Leistungsaufwand des Schuldners, wird in der Gesetzesbegründung gleichsam zu eskamotieren versucht. Es wird kein Zufall sein, dass die Entwurfsbegründung an dieser Stelle – vorsichtig ausgedrückt – unpräzise ist. Der Grund hierfür dürfte in der eingangs angesprochenen Prämisse der Gesetzesverfasser (sowie Mitgliedern der Kommission Leistungsstörungsrecht) zu suchen sein, § 275 Abs. 2 nehme „die eigenen Interessen des Schuldners [. . .] nicht in den Blick“ und stelle „allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers“274 ab. Diese An272

BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. (hierzu im nächsten Absatz des Textes). Vgl. vor allem Zimmer, NJW 2002, 1, 4; s. auch Medicus, JuS 1969, 449, 453; ders., AcP 192 (1992), 35, 37 f. Canaris (in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 12 mit Fn. 18) hält dies zwar für eine „Trivialität, die besonderer Hervorhebung nicht bed[ürfe], weil eine Abwägung logischerweise immer mindestens zwei Größen erforder[e]“, spricht indes eine Verkörperung von Schuldnerinteressen in der Größe des Leistungsaufwands nicht explizit an (dazu sogleich im Text) – vgl. aber zu dessen Diskussionsbeitrag anlässlich des Karlsruher Forums 2002 die nachstehende Fn.; bezeichnend ist auch die Änderung in den Ausführungen von Canaris im Kontext der PICC bzw. PECL einerseits in: JZ 2001, 499, 505 sub 4. (Gläubigerinteresse als der maßgebliche Bezugspunkt, ähnl. Canaris, Schuldrechtsreform S. XII) und andererseits ders., in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 17 (Bezugspunkt der Unverhältnismäßigkeit sei die Relation zwischen Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse). 274 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp., so auch die Stellungnahmen mancher Mitglieder der Kommission Leistungsstörungsrecht: Palandt64, 65 /Heinrichs, § 275 Rn. 27 und Palandt62, 63 /ders., § 275 Rn. 29, ähnl. auch Canaris, JZ 2001, 499, 501 f. (und 505); ders., ZRP 2001, 329, 330 („alleiniger Bezugspunkt“); ders., Schuldrechtsreform S. XII (wo von einer „pointierten Dominanz des Gläubigerinteresses“ die Rede ist), vgl. aber demgegenüber auch Canaris, JZ 2001, 499, 504 („Abwägung der beiderseitigen Interessen“, Hervorheb. nicht im Original) sowie dessen Diskussionsbetrag im Rahmen des Karlsruher Forums 2002, s. Karlsruher Forum 2002, S. 178: „Es ist selbstverständlich, dass im Rahmen des § 275 Abs. 2 [BGB] auch das Interesse des Schuldners mitzuberücksichtigen ist. Um seinen Aufwand geht es ja.“; s. auch A. Teichmann, BB 2001, 1485, 1487 („Maßgebender Gesichtspunkt ist das Leistungsinteresse des Gläubigers [. . .]“). Im Anschluss an 273

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nahme lässt sich nur halten, wenn man bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wider jede Logik so tut, als ob es die zweite Größe, den schuldnerischen Leistungsaufwand, nicht gäbe. Denn der Leistungsaufwand des Schuldners, den die Gesetzesmaterialien an dieser Stelle unerwähnt lassen, verkörpert augenscheinlich das Hauptinteresse des Schuldners.275 Es besteht darin, einen geringstmöglichen Aufwand zur Beseitigung des Hindernisses tätigen Canaris jüngst auch BAGE 111, 191, 199: „Bezugspunkt für die Feststellung eines groben Missverhältnisses ist ausschließlich das Gläubigerinteresse und nicht das wirtschaftliche oder sonstige Interesse des Schuldners daran, für die Erfüllung der Leistungsschuld keinen ‚unerschwinglichen‘ Aufwand betreiben zu müssen“. Dezidiert anderer Auffassung jedoch Medicus, in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/ Wendtland Kap. 3 Rn. 44 mit Fn. 31 („ungenau“) sowie Rn. 185: „Aber schon das ‚grobe Missverhältnis‘ von § 275 Abs. 2 S. 1 lässt sich ohne Berücksichtigung auch der Schuldnerinteressen gar nicht feststellen.“; zumindest skeptisch Erman11 / H. P. Westermann, § 275 Rn. 22 a. E., 23. 275 s. vor allem P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 40 mit Fn. 34 a. E., der die Gesetzesbegründung für missverständlich hält und dem zufolge der Schuldnerschutz auch ein Anliegen des § 275 Abs. 2 BGB ist, was sich namentlich aus der Relevanz schuldnerischen Vertretenmüssens gem. § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ergebe, aaO., Rn. 44 (mit Fn. 35), 65; ferner für eine Berücksichtigung der Schuldnerinteressen (oder jedenfalls gegen die Annahme deren völliger Ausblendung) auch jurisPK-BGB/ Alpmann, § 275 Rn. 34; Arnold, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 3 Rn. 64; Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 28; Eckert, SAT Rn. 313; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 368, 372, 375 mit Fn. 55; M. Fischer, DB 2001, 1923, 1924 (bei Fn. 14), 1925 mit Fn. 26; Christian Hirsch, Kündigung S. 107 f., 173; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 44 mit Fn. 31, 185; Kandelhard, WuM 2003, 3, 9; Keilmann, Dem Gefälligen zur Last S. 131; AnwKomm/Krebs (2002), § 313 Rn. 15 [anders nunmehr AnwKomm/ders. (2005), § 313 Rn. 18 f.]; Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 665 (und 666 f.), i. Erg. auch Oechsler, SBT § 2 Rn. 65; ähnl. Schwarze, JURA 2002, 73, 77 (Belastung des Schuldners sei „mitentscheidender Aspekt“) und Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/ Dötsch, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 24, S. 52 (wo aber offenbar gerade die Bestimmung des Aufwands ohne Berücksichtigung von Schuldnerinteressen für problematisch gehalten wird), wohl auch Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. mit Fn. 40 (S. 53): „Im Unterschied zu § 275 II 1 BGB n. F. sind hier [sc. bei § 275 Abs. 3 BGB] nicht nur der Aufwand des Schuldners, sondern sämtliche Interessen des Schuldners zu berücksichtigen“, Hervorheb. nicht im Original. Auch Canaris, gleichsam der „geistige Vater“ von § 275 Abs. 2 BGB, spricht von einer Abwägung der beiderseitigen Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 275 Abs. 2 BGB, s. JZ 2001, 499, 504. Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 44 zufolge können die Interessen des Schuldners „wesentlich davon beeinflusst werden, ob sich der erforderliche Leistungsaufwand durch äußere Umstände verändert“. Diese „Veränderung“ – damit ist offenbar die Erhöhung des Leistungsaufwands gemeint – sei „aber nicht über § 275 Abs. 2 BGB, sondern im Rahmen des § 313 BGB zu berücksichtigen, der demzufolge im Gegensatz zu § 275 Abs. 2 BGB vermehrt auf die Interessen des Schuldners abstell[e]“. Indes: Entscheidend ist, dass der für § 275 Abs. 2 BGB relevante Leistungsaufwand die angesprochene „Veränderung“ jedenfalls mitumfasst, da dort nämlich auf den Gesamtaufwand abzustellen ist (so auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 41 f.).

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zu müssen.276 Dieses Interesse steigt parallel zum Leistungsaufwand an: Je höher der schuldnerische Leistungsaufwand ist, desto größer ist seine Belastung und damit sein Interesse an einer Befreiung von seiner Erfüllungspflicht. Dem entspricht die Funktionsweise des § 275 Abs. 2 BGB: Umso höher nämlich der Leistungsaufwand ist, desto eher liegt ein grobes Missverhältnis i. S. des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB vor, erhöht sich mithin die Chance des Schuldners, sich nach § 275 Abs. 2 BGB befreien zu können. Demgegenüber scheint die Entwurfsbegründung die unzutreffende Vorstellung zu vertreten, die Interessen des Schuldners würden nur dann berücksichtigt, wenn man den Aufwand ins Verhältnis zum Vertragspreis, zu persönlichen Belangen oder Ähnlichem setze. Dabei wird jedoch übersehen, dass – wie ausgeführt – bereits der Leistungsaufwand das schuldnerische Hauptinteresse widerspiegelt.277 In Übereinstimmung mit der in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB fixierten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist der das wesentliche Schuldnerinteresse verkörpernde Leistungsaufwand ins Verhältnis zum Leistungsinteresse zu setzen. Der eingangs zitierte Hinweis in den Gesetzesmaterialien, dem zufolge Schuldnerinteressen keine Berücksichtigung finden sollen, kann vor diesem Hintergrund nur überraschen. Darüber hinaus ist das von den Gesetzesverfassern angesprochene Verhältnis zwischen Aufwand und Vertragspreis auch nicht für § 313 BGB relevant. Dort wird maßgeblich darauf abgestellt, dass sich das Verhältnis des Werts der Leistung zum Wert der Gegenleistung, mithin das Äquivalenzverhältnis, erheblich zu Ungunsten des Sachleistungsschuldners verschiebt („schwere Äquivalenzstörung“). Wenngleich damit andere Größen als bei § 275 Abs. 2 BGB ins Verhältnis zueinander gesetzt werden, finden Interessen von Schuldner und Gläubiger Berücksichtigung. Allenfalls die Akzentuierung könnte geringfügige Unterschiede aufweisen. Wesentlich ist jedoch, dass beiden Vorschriften ganz unterschiedliche Blickwinkel zugrunde liegen.278 Weder lässt sich die angesprochene Prämisse der Gesetzesverfasser, Schuldnerinteressen würden durch § 275 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt, 276

s. – wenngleich im Kontext von § 251 Abs. 2 BGB – A. Roth, JZ 1994, 1091,

1094. 277

Nicht bzw. nicht hinreichend berücksichtigt wird dies etwa von Musielak, Grundkurs8 Rn. 396 (anders jetzt ders., Grundkurs9 Rn. 396a, 396b); Rösler, JuS 2004, 1058, 1060 f., ferner auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 63 ff., 68, 110, 159 ff. (Gläubigerinteresse als maßgeblicher Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung), s. demgegenüber auch dens., aaO., S. 136 bzw. 145, wo betont wird, § 275 Abs. 2 BGB solle die Interessen des Schuldners schützen bzw. intendiere den Schutz des Schuldners. 278 Dies wird ausf. im Kontext von § 313 BGB behandelt, s. „1. Bedeutung des § 313 BGB für die Behandlung von Leistungshindernissen“, S. 476 ff. und insb. „b) ‚Mischfälle‘“, S. 496 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

halten, noch ist der schuldnerische Leistungsaufwand als zweite Größe der anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung abdingbar. Sieht man von der pleonastischen Formulierung279 in der Entwurfsbegründung ab, der zufolge die „eigenen Interessen des Schuldners“280 „nicht in den Blick“ zu nehmen seien, so belegt der Wortlaut der Vorschrift das glatte Gegenteil, nämlich die Erheblichkeit von Schuldnerinteressen. § 275 Abs. 2 S. 1 BGB zeigt, dass der Leistungsaufwand eine von zwei relevanten Größen darstellt. Überdies spricht § 275 Abs. 2 S. 2 BGB281 gar von dem Schuldner „zuzumutenden Anstrengungen“.282 Die Frage der Zumutbarkeit von Anstrengungen für den Schuldner kann freilich nicht beurteilt werden, ohne dessen Interessen zu berücksichtigen – oder, mit den Worten der Gesetzesverfasser, in den Blick zu nehmen.283 Die Wesentlichkeit des Leistungsaufwands sowie die Berücksichtigung schuldnerischer Interessen belegt nicht nur der Wortlaut von § 275 Abs. 2 BGB, vielmehr dürfte diese Vorstellung „insgeheim“ auch den Gesetzesverfassern vorgeschwebt haben, wie sich an anderer Stelle der Gesetzesbegründung zeigt. Dies machen die Ausführungen der Gesetzesverfasser im Kontext des Beispielsfalls der Übereignung des geschuldeten Leistungsgegenstands an einen Dritten (Drittveräußerungsfall) deutlich. Wenn die Entwurfsbegründung insoweit maßgeblich auf den Betrag, den der Schuldner dem Dritten zu bieten hat (bei mangelndem Vertretenmüssen den Marktpreis, unter Umständen mehr, bei Vertretenmüssen wesentlich mehr als den Marktpreis), abstellt, so spielt der sich in diesem Betrag ausdrückende Leistungsaufwand eine signifikante Rolle. Hinzu kommt, dass die Höhe des vom Schuldner aufzubringenden Betrags nach den Gesetzesverfassern (in Übereinstimmung mit § 275 Abs. 2 S. 2 BGB) davon abhängt, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat oder nicht. Erhebt man den Gesichtspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens zum wesentlichen Kriterium für eine Befreiung des Schuldners, werden damit wiederum seine Interessen „in den Blick genommen“. 279

Zitat sogleich im Text. Hervorheb. nicht im Original. 281 Wortgleich § 275 Abs. 2 S. 3 RegE. 282 Darauf weist mit Recht hin Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 65; unzutreffend dagegen jüngst Mückl, JURA 2005, 809, 812 mit Fn. 56, der behauptet, „man [dürfe] sich nicht vom Wortlaut des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB irreführen [!] lassen“. 283 Vgl. hierzu auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 8; AnwKomm/ dies. (2005), § 275 Rn. 17; Eckert, SAT Rn. 313. Vgl. jüngst auch den BGH (NJW 2005, 2852, 2855), der ausdrücklich auf die Zumutbarkeit für den Schuldner abstellt: „den für den Bekl. [sc. den Schuldner] noch zumutbaren Aufwand“, „Dabei fällt bei der Frage der Zumutbarkeit zu Gunsten des Bekl. auch ins Gewicht, dass dieser die anlagebedingte Fehlentwicklung [. . .] nicht zu vertreten hatte (§ 275 II 2 BGB)“. 280

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Fragt man nach den Ursachen, wie es gleichwohl zu der haltlosen Behauptung, durch § 275 Abs. 2 BGB würden Interessen des Schuldners nicht berücksichtigt, in den referierten Passagen der Gesetzesmaterialien kam, wird man vermuten dürfen, dass dies mit der Abgrenzungsproblematik zu § 313 BGB zusammenhängt. Ein ähnliches Abgrenzungsproblem bestand nämlich bereits zwischen § 275 KommE/DiskE und § 306 KommE/§ 307 DiskE, das in der damaligen Reformdiskussion als ein schwerwiegender Mangel des Reformvorschlags angeprangert wurde.284 Einen Ausweg aus diesem Streit, der bei §§ 275 Abs. 2, 313 KonsF beziehungsweise RegE erneut zu entbrennen drohte und entbrannte,285 bot dabei freilich die Annahme, § 275 Abs. 2 BGB schütze nur die Interessen des Gläubigers, nicht die des Schuldners, während § 313 BGB nur die Interessen des Schuldners und nicht die des Gläubigers schütze.286 Damit wäre an sich eine klare Abgrenzung der beiden Vorschriften möglich gewesen; für im Einzelfall etwaig doch bestehende Überschneidungen287 wurde – im Gegensatz zum DiskE –288 der Vorrang von § 275 BGB postuliert.289 Indes trifft die dargelegte Annahme in beiden Hinsichten nicht zu. Denn es werden durch § 275 Abs. 2 BGB, wie aufgezeigt, durchaus Interessen des Schuldners geschützt, zudem können auch bei Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre nach § 313 BGB die Interessen des Gläubigers keinesfalls vollständig außer Betracht gelassen werden.290 284

Stellv. Ernst, JZ 1994, 801, 803 sowie oben bei Fn. 121 ff. (S. 122). Vgl. zur Kritik der für § 275 Abs. 2 und 313 BGB vorgeschlagenen Abgrenzung Hans Stoll, JZ 2001, 589, 591 mit Fn. 15 (noch zur KonsF), ferner Erich Steffen (Vorsitzender Richter am BGH i. R.) im Rahmen der Diskussion des Karlsruher Forums 2002, s. Karlsruher Forum 2002, S. 160 f. 286 In diese Richtung Canaris, JZ 2001, 499, 501 f., 505; ders., ZRP 2001, 329, 330, vgl. auch dessen Diskussionsbetrag anlässlich des Karlsruher Forums 2002, s. Karlsruher Forum 2002, S. 178; ähnl. Looschelders, SAT Rn. 479; dagegen Hans Stoll, JZ 2001, 589, 591 mit Fn. 15, ebenso Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 28 und Oechsler, SBT § 2 Rn. 65. 287 Beschwichtigend Canaris, JZ 2001, 499, 505 („Deshalb dürften sich insoweit auch keine gravierenden Abgrenzungsprobleme oder gar Überschneidungen ergeben. Daß es gewisse Berührungspunkte mit der Lehre von der Geschäftsgrundlage gibt, ist allerdings nicht zu leugnen, doch ist das wohl unvermeidlich und jedenfalls auch nach der derzeitigen Rechtslage der Fall“). 288 Hierzu oben bei Fn. 87 (S. 118) und bei Fn. 120 (S. 122). 289 BT-Drucks. 14/6040, S. 176 re. Sp. 290 Vgl. zur Berücksichtigung von Interessen des Gläubigers bei 313 BGB auch Hans Stoll, JZ 2001, 589, 591 mit Fn. 15, s. etwa auch Fikentscher, Schuldrecht Rn. 315, der im Kontext der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ (jetzt § 313 BGB) für die Prüfung der Gläubigerinteressen eintritt, hingegen von einer Ausblendung des Leistungsinteresses des Gläubigers ausgehend P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 78; ähnl. wohl Canaris, JZ 2001, 499, 501; ders., ZRP 2001, 329, 330. 285

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§ 4 Die neue Rechtslage

(3) Die Parallele zu dem „allgemeinen Rechtsgedanken“ Für die Berücksichtigungsfähigkeit schuldnerischer Interessen spricht auch der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich bemühte „allgemeine Rechtsgedanke“,291 der durch § 275 Abs. 2 BGB zur Geltung gebracht werden sollte. Die in den Gesetzesmaterialien angeführte Entscheidung BGHZ 62, 388, 393 f. stellte nämlich auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen ab;292 zudem wurde in den zitierten Entscheidungen neben der Unverhältnismäßigkeit gerade auch die Unzumutbarkeit293 für den Schuldner betont. Inwiefern der „allgemeine Rechtsgedanke“ Vorbildcharakter für die Norm des § 275 Abs. 2 BGB besitzt, wird im Anschluss an die Auseinandersetzung mit den Gesetzesmaterialien noch näher zu untersuchen sein (ausführlich hierzu sub „2. Der durch die Rechtsprechung entwickelte ‚allgemeine Rechtsgedanke‘ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB?“, S. 190 ff.). (4) Die unterschiedlichen Hinweise zum relevanten Maßstab Wenig überzeugend, um nicht zu sagen verwirrend und widersprüchlich, muten die Hinweise in den Gesetzesmaterialien zur Charakterisierung des für § 275 Abs. 2 BGB erheblichen Maßstabs an. Die Spannbreite der Hinweise ist äußerst weit, sie reicht von „unverhältnismäßig“294 – mithin eine gegenüber dem Wortlaut niedrigere Schwelle ausdrückend – bis zum Erfordernis eines „besonders krasse[n], nach Treu und Glauben untragbare[n] Ausmaß[es]“295. Soweit die Entwurfsbegründung die Fälle „faktischer Unmöglichkeit“ anspricht, handelt es sich insoweit um ausgesprochene Extremfälle.296 Stellt man diese Extremfälle – die klassischen Beispiele des 291

BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp., 131 li. Sp. s. z. B. BGHZ 62, 388, 394, dort Verweis auf Ausführungen unter a), wo der BGH die durch das Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen ausdrücklich billigte, s. BGHZ 62, 388, 391 f., ebenso der erste Leitsatz der Entscheidung. I. d. S. auch Canaris, JZ 2001, 499, 504: „Abwägung der beiderseitigen Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung“. Zuletzt stellt auch Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 657 f., 666 f. zu Recht heraus, dass sich den in der Entwurfsbegründung zitierten Entscheidungen eine Ausblendung der Schuldnerinteressen bzw. ein einseitiges Abstellen auf das Gläubigerinteresse nicht entnehmen lässt. 293 Vgl. etwa BGHZ 62, 388, 394; BGH, NJW 1988, 699, 700, anders jedoch U. Huber, LS II § 59 II 3 mit Fn. 102 (S. 815), der ausschließlich auf die Unverhältnismäßigkeit abstellen wollte. 294 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 295 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 296 Zu diesen Fällen ausf. oben sub „2. Wirkliche Unmöglichkeit und ‚faktische Unmöglichkeit‘“, S. 37 f. 292

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Rings auf dem Meeresgrund oder des Münzschatzes unter dem Fundament eines Hochhauses seien an dieser Stelle nochmals in Erinnerung gerufen – den Maßstäben gegenüber, die die Gesetzesverfasser etwa für die Drittveräußerungsfälle aufstellten, ergeben sich Unterschiede ganz enormen Ausmaßes. Übereignet der Schuldner nämlich den geschuldeten Leistungsgegenstand in schuldlosem Irrtum an einen Dritten, soll er ausweislich der Gesetzesbegründung297 dem Dritten zumindest den Marktpreis, unter Umständen aber auch einen darüber liegenden Preis bieten. Geht man davon aus, dass die Gesetzesverfasser insoweit den Fall vor Augen hatten, dass der Schuldner dem Dritten den Gegenstand – wie üblich – entgeltlich zuwendete, erscheint die Grenze des Markpreises relativ niedrig, da dem Schuldner damit zumeist nur abverlangt würde, das Geschäft mit dem Dritten kostenneutral rückgängig zu machen. Setzt man diese Befreiungsschwelle mit den gleichfalls durch § 275 Abs. 2 BGB geregelten Fällen „faktischer Unmöglichkeit“ in Beziehung, erhellt, dass jene Schwelle mit den Extremkonstellationen „faktischer Unmöglichkeit“ oder auch Charakterisierungen wie „krasses Ausmaß“ und dergleichen nicht im Ansatz zu vergleichen ist.298 Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe der vorliegenden Arbeit auch darin, den relevanten Befreiungsmaßstab herauszuarbeiten. Nach Meinung der Gesetzesverfasser soll der Befreiungsmaßstab einerseits verschärft sein, wenn der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.299 Andererseits soll sich das Erfordernis einer besonders hohen Befreiungsschwelle vor allem daraus legitimieren, dass der Gläubiger bei vom Schuldner nicht zu vertretender Unmöglichkeit seinen Anspruch ersatzlos verliere.300 Später wird demgegenüber konstatiert, die vom Schuldner zu erwartenden Bemühungen und Aufwendungen seien in Ermangelung eines Verschuldens „grundsätzlich geringer, als wenn er das Leistungshindernis zu vertreten ha[be]“301. Gegen den vorletzten Hinweis lässt sich einwenden, dass es kaum sachgerecht erscheinen kann, ein „Missverhältnis“ gerade in den Fällen nicht zu vertretender Leistungshindernisse von besonders hohen Voraussetzungen abhängig zu machen.302 297

BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. I. d. S. – wenngleich weitaus vorsichtiger formuliert – Schwarze, JURA 2002, 73, 76 (mit Fn. 37), 77 (mit Fn. 48 a. E.). 299 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. („Verschärfung des Maßstabs“), 131 li. Sp. („erhöhte Anstrengungen“). 300 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 301 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 302 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72 f., 101 ff. plädiert demgegenüber zu Recht für eine Absenkung des Maßstabs in Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens, eingehend zur notwendigen Distinktion zweier Regelungsprobleme 298

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§ 4 Die neue Rechtslage

(5) In Sonderheit: Die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen in Drittveräußerungsfällen Die Gesetzesverfasser siedeln die Befreiungsschwelle – wie soeben aufgezeigt – in den Drittveräußerungsfällen auf relativ niedrigem Niveau an. Wenngleich die exemplarisch angegebenen Befreiungsschwellen303 in ihrer moderaten Tendenz zu begrüßen sind, könnte insoweit ein Konflikt zum Wortlaut der Norm bestehen. Will man die Grenze bereits in der angegebenen Höhe ziehen, erscheint dies schwer vereinbar mit dem tatbestandlichen Erfordernis eines „groben Missverhältnisses“. Soweit der in § 275 Abs. 2 BGB angegebene Befreiungsmaßstab zu hohe Voraussetzungen aufstellen sollte, kann und muss für bestimmte Fälle erwogen werden, die Anforderungen abzuschwächen.304 Bedenken muss auch die Tatsache erwecken, dass auf den Marktpreis305 abgestellt wird. Problematisch ist daran insbesondere, dass es zumindest in den typischen Fällen der nachträglichen Drittveräußerung, der entgeltlichen Zuwendung an einen Dritten, richtigerweise nicht um den Marktpreis gehen kann, den der Schuldner dem Dritten mindestens bieten muss, sondern den vom Dritten erhaltenen Kaufpreis.306 Denn diesen wird der Dritte mindestens bekommen wollen, um sich zur Rückgängigmachung des Geschäfts bereit zu finden. Dieser Gesichtspunkt spielt vor allem dann eine erhebliche Rolle, wenn der vom Dritten gezahlte Kaufpreis weit über dem „Marktpreis“ (besser: objektiven Sachwert) liegt. Dies ist in solchen Fällen insbesondere deshalb der Fall, da sich derjenige, der eine Sache bereits verkauft hat, gerade durch die Höhe des vom Dritten offerierten Kaufpreises überhaupt erst gewogen zeigen wird, den Gegenstand in Widerspruch zu seiner bereits bestehenden vertraglichen Bindung an den Dritten zu übereignen. bei § 275 Abs. 2 BGB sub „2. Der durch die Rechtsprechung entwickelte ‚allgemeine Rechtsgedanke‘ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB?“, S. 190 ff., insb. „(2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 222 ff. und „(3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 224 ff. 303 Zu ihnen oben bei Fn. 261 f. (S. 178), s. BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. Die Bedeutung eben dieser Ausführungen wird von Canaris, Mitglied der einstigen Kommission Leistungsstörungsrecht, besonders betont: „[. . .] indem das Bundesjustizministerium sich diese Position zu Eigen gemacht hat, hat sie ihr somit weitaus mehr Gewicht gegeben und sie in den Rang eines relevanten Auslegungselements erhoben.“ (s. dens., in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 26 mit Fn. 67 a. E., s. auch aaO., S. 15). 304 Vgl. zu den methodischen Fragen noch ausf. unten sub „(b) Methodik“, S. 403 ff. 305 Vgl. insoweit auch die Kritik von U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 563 f. 306 Hierzu näher unten sub „(a) Einbuße von Gewinn aus Geschäften mit Dritten“, S. 282 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Noch schwerer wiegt indes ein weiteres Bedenken. Wenn die Gesetzesverfasser maßgeblich auf den „Marktpreis“ abstellen, könnte damit ein Ausbrechen aus dem für § 275 Abs. 2 S. 1 BGB maßgeblichen Verhältnis von Leistungsaufwand und gläubigerseitigem Leistungsinteresse einhergehen. Denn der Marktpreis beziehungsweise Marktwert muss nicht das gesamte Leistungsinteresse des Gläubigers beinhalten. Der Gläubiger mag weitere Interessen an der Leistung besitzen, wie etwa die Erzielung eines Weiterveräußerungsgewinns. Da das individuelle Gläubigerinteresse jedoch die zweite maßgebliche Größe der Verhältnismäßigkeitsprüfung darstellt – deren Bedeutung in der Gesetzesbegründung zumal besonders in den Vordergrund gestellt wird – vermag nicht recht einzuleuchten, warum in den wesentlichen Wertungsentscheidungen gleichsam auf einen absoluten, also vom Leistungsinteresse „losgelösten“ Wert abgestellt wird. Richtiger und präziser wäre es gewesen, wenn man dem Schuldner abverlangt hätte, zum Rückerwerb mindestens denjenigen Betrag aufzuwenden, der dem Leistungsinteresse des Gläubigers entspricht.307 Möglicherweise hatten die Gesetzesverfasser bei dem angefügten Zusatz „u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis“308 vor Augen, dass das Leistungsinteresse des Gläubigers über dem „Marktpreis“ liegen kann. Die für Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens angeführte Begründung, der Schuldner habe trotz des unverschuldeten Irrtums „objektiv seine Pflicht aus dem Schuldverhältnis nicht erfüllt, so dass das Leistungshindernis auf einem in seiner Sphäre liegenden Mangel beruht“309, wurde in der Literatur310 angegriffen. Dieser Gesichtspunkt mag eine Rolle dafür spielen, dass sich der Schuldner nicht ohne weiteres von seiner Erfüllungspflicht befreien können soll, wenn ein solches Hindernis die Leistung aufwendiger macht. Indes vermag man damit nicht eine – im Widerspruch zur insoweit bestehenden Interessenlage311 stehende – übermäßige Ausdehnung der Erfüllungspflicht zu begründen. Die Gesetzesbegründung scheint dies – gerade an der zitierten Stelle, wo auf den Sphärengedanken rekurriert wird – angesichts der dort angeführten relativ niedrig angesiedelten Befreiungsschwelle auch nicht zu beabsichtigen. 307 Hierzu im Einzelnen unten sub „5. Leistungsinteresse des Gläubigers“, S. 292 ff. 308 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 309 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp., ebenso Canaris, JZ 2001, 499, 503; ders., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 27. 310 Abl. gegenüber dem Rekurs auf den Sphärengedanken Ackermann, JZ 2002, 378, 384; U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 564. 311 Hierzu noch eingehend sub „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230 ff. sowie „(3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen“, S. 297 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

(6) Ergebnis Die erste Analyse der einschlägigen Gesetzesmaterialien macht deutlich, dass die Gesetzesbegründung verschiedene Unstimmigkeiten und Widersprüche aufweist. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die aufgezeigten Widersprüche aufzulösen und im Wege der Auslegung – in Teilbereichen auch durch Rechtsfortbildung – zu einer weitgehend konsistenten Regelung zu gelangen. Dazu ist im Folgenden zunächst der bereits angesprochene „allgemeine Rechtsgedanke“ zu untersuchen. 2. Der durch die Rechtsprechung entwickelte „allgemeine Rechtsgedanke“ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB? In der Gesetzesbegründung zu § 275 Abs. 2 BGB wird auf eine Parallele von § 275 Abs. 2 BGB zu einem „allgemeinen Rechtsgedanken“ sowie verschiedenen Normen des BGB verwiesen, die Fälle der Unverhältnismäßigkeit betreffen. Daher sollen im Folgenden zunächst anhand repräsentativer Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowohl der „allgemeine Rechtsgedanke“312 als auch die Normen, aus denen der BGH diesen Rechtsgedanken abgeleitet hat, näher analysiert werden. In einem zweiten Schritt wird dann untersucht, ob und inwieweit der „allgemeine Rechtsgedanke“ Vorbildcharakter für die neu geschaffene Norm des § 275 Abs. 2 BGB haben kann. a) Analyse anhand repräsentativer Entscheidungen des BGH Den Gegenstand der folgenden Analyse bilden zunächst die Urteile, in denen der BGH den „allgemeinen Rechtsgedanken“ entwickelt hat, sub (1). Sodann wird der Fall unverhältnismäßiger Aufwendungen im Zusammenhang mit der werkrechtlichen Mängelbeseitigung (§ 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.) erörtert, sub (2). Unter (3) wird schließlich die Verweigerung der Naturalrestitution durch den Schädiger wegen unverhältnismäßiger Aufwendungen nach § 251 Abs. 2 BGB untersucht.313 Der Darstellung der Gerichtsentscheidungen schließt sich jeweils eine Analyse an, die darauf abzielt, Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Aus312 Hierzu auch bereits oben sub „C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung (Rechtsmissbrauchsverbot, § 242 BGB)“, S. 91 ff. 313 Vgl. auch die Äußerung von Reinhard Gaier, stellvertretendes Mitglied der einstigen Bund-Länder-Arbeitsgruppe Schuldrechtsmodernisierung, der zufolge unter anderem die bekannte Rechtsprechung zu § 251 Abs. 2 BGB in die Regelung des § 275 Abs. 2 RegE eingegangen sei (Podiumsdiskussion am 7. 9. 2001 in Freiburg/ Breisgau, s. den Bericht von Kleinschmidt, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 341, 342).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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legung und das dogmatische Fundament von § 275 Abs. 2 BGB von essentieller Bedeutung sind. (1) Vertraglicher Erfüllungsanspruch – Entwicklung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ (a) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974314 (= BGHZ 62, 388, 393 f.) – Kfz-Stellplätze Die Entwurfsbegründung315 zitiert für die zweite Fallgruppe (Erkaufen der Kooperationsbereitschaft eines Dritten) des § 275 Abs. 2 BGB die Entscheidung BGHZ 62, 388, 393 f. Insoweit ist Gegenstand der Entscheidung die Beseitigung vertragswidrig errichteter Kfz-Stellplätze316. Nicht hingegen wurde der den Tiefgaragen-Überbau betreffende Teil derselben Entscheidung zitiert, hierzu unten sub „(b) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 390 f.) – Tiefgarage“, S. 195 ff.317 Dies gilt es vorliegend hervorzuheben, da insoweit die von der Gesetzesbegründung praktizierte Unterscheidung in zwei Fallgruppen zum Tragen kommt.318 Soweit ersichtlich, hat der BGH im benannten Urteil den „allgemeinen Rechtsgedanken“ entwickelt und erstmalig zur Anwendung gebracht. Der Entscheidung lag (vereinfacht) der folgende Sachverhalt zu Grunde: Der spätere Beklagte plante auf seinem Grundstück die Errichtung mehrerer Wohngebäude, von denen er die mittleren mit Eigentumswohnungen auf einem durch Vermessung neu zu bildenden Grundstück erstellen wollte. Nachdem er eine entsprechende Teilungserklärung (vergleiche § 8 WEG) abgegeben hatte, ließ er die ursprüngliche Grundfläche in der Weise neu vermessen, dass drei selbständige Grundstücke entstanden; das mittlere Grundstück teilte er in Miteigentumsanteile auf, wobei mit jedem Anteil das Sondereigentum an einer Wohnung verbunden war. Noch vor der Vermessung und der Grundbucheintragung der Neubildung des Grundstücks sowie der Aufteilung des mittleren Grundstücks schloss der nachmalige Beklagte mit den Klägern notariell beurkundete Kaufverträge über einen Miteigentumsanteil an dem später gebildeten mittleren Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einer dort zu errichtenden Wohnung. Ebenfalls noch vor der Neuvermessung errichtete der Beklagte auf einem der flankierenden Grundstücke eine Tiefgarage (hierzu später sub „(b) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 390 f.) – Tiefgarage“, S. 195 ff.), die mit einer 20 m2 großen Teilfläche in das mittlere Grundstück hineinragte. Später, nach Auf314

Az. V ZR 164/72; BGHZ 62, 388 (= BGH, NJW 1974, 1552). BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 316 Ebenda sub 3. b) und insb. c). 317 Unrichtig daher Canaris, JZ 2004, 214, 224 mit Fn. 109. 318 Vgl. oben sub „(1) Die ‚zwei unterschiedlichen Fallgruppen‘ und das Gleichbehandlungsgebot“, S. 179 f. 315

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§ 4 Die neue Rechtslage

lassung und Eintragung der Kläger ins Grundbuch, legte der Beklagte auf dem mittleren Grundstück mehrere Kfz-Stellplätze an, die er nach seiner Behauptung „auf lange Jahre unkündbar“ an eine Brauerei319 verpachtete. Die Kläger begehrten Beseitigung eben dieser Stellplätze.

a) Entscheidung Zunächst erörterte der BGH Rechtsprobleme im Kontext der Wohnungseigentümergemeinschaft, die vorliegend ohne Belang sind. Als mögliche Anspruchsgrundlage kam im vorliegenden Fall (neben den §§ 1004 Abs. 1, 1011 BGB)320 ein vertraglicher Beseitigungsanspruch in Betracht. Insoweit stand einer Leistungsverurteilung nach dem BGH keine (unstreitige) Leistungsunmöglichkeit entgegen, da nicht ausgeschlossen gewesen sei, dass sich der Beklagte mit der Brauerei gütlich einigt und sie – erforderlichenfalls unter finanziellen Opfern, die ihm bei den gegebenen Umständen zuzumuten gewesen seien – zu einer vorzeitigen Lösung des Pachtverhältnisses veranlasst.321 Jedoch erwog der BGH den Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen den Beseitigungsanspruch des Klägers. Er entnahm den Vorschriften der §§ 251 Abs. 2322, 633 Abs. 2 S. 2323 BGB a. F. einen „allgemeinen Rechtsgedanken“: „Danach erweist sich das Verlangen nach Herstellung eines an sich gebotenen Zustands dann als rechtsmißbräuchlich, wenn ihm der in Anspruch Genommene nur unter unverhältnismäßigen, vernünftigerweise nicht zumutbaren Aufwendungen entsprechen könnte“.324 In den leicht abgewandelten Formeln im Urteil stützt sich der BGH auch explizit auf die Billigkeit: „billigerweise nicht zuzumutenden Aufwand“.325 Es seien dabei „die beiderseitigen Interessen gegeneinander ab[zuwägen]“326. Die Frage der Zumutbarkeit sei dabei unter Würdigung aller Umstände zu prüfen.327 319 So in der Originalfassung des Urteils (ebenda S. 17), ebenso BGH, NJW 1974, 1552, 1554, anders aber BGHZ 62, 388, 393, wo von „Dritten“ die Rede ist. 320 Der daraus folgende Beseitigungsanspruch soll hier nicht weiter problematisiert werden. 321 Vgl. BGH, NJW 1974, 1552, 1554 m. weit. Nachw. (= BGHZ 62, 388, 393 f. m. weit. Nachw., s. aber oben bei und mit Fn. 319 [S. 192]). 322 Nach der späteren Einfügung von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB durch das am 1. 10. 1990 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20. 8. 1990 (BGBl. I S. 1762) wurde daraus § 251 Abs. 2 S. 1. 323 § 633 Abs. 2 S. 2 wurde durch das AGB-Gesetz vom 9. 12. 1976 (BGBl. I S. 3317) zu § 633 Abs. 2 S. 3 und galt bis zum In-Kraft-Treten des SMG. Die Vorschrift lautete: Der Unternehmer ist berechtigt, die Beseitigung [des Mangels] zu verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. 324 Vgl. BGHZ 62, 388, 391 [sub 3. a)], worauf BGHZ 62, 388, 394 [sub 3. c)] verweist, Hervorheb. nicht im Original. 325 BGHZ 62, 388, 390 und 394.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Soweit die folgenden Ausführungen diesen Gedanken des BGH in Bezug nehmen, wird dieser als „allgemeiner Rechtgedanke“ bezeichnet. Nur von Unverhältnismäßigkeit zu sprechen, entspräche einer zu engen Sichtweise, hob der BGH doch auch die Unzumutbarkeit für den Schuldner hervor. Die Sache wurde zur weiteren Aufklärung328 an das Berufungsgericht zurückverwiesen.329 Hierbei, so der BGH, sei insbesondere zu berücksichtigen, dass „der Beklagte die Stellplätze bewußt vertragswidrig und – anders als bei der Tiefgarage – erst zu einem Zeitpunkt angelegt hat, als er nicht mehr Eigentümer des mittleren Grundstücks war“330. Dabei verweist der BGH331 auf ein früheres Urteil332, in dem vorsätzliches Handeln des Schuldners zu einem maßgeblichen Kriterium erhoben wurde. b) Analyse Zunächst lässt sich der die Kfz-Stellplätze betreffende Teil des Urteils entsprechend der Einteilung durch die Gesetzesverfasser der zweiten Fallgruppe zuordnen. Es geht darum, dass sich der Schuldner die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss. Der dazu333 notwendige Aufwand – „finanzielle Opfer“ (BGH) – kann unverhältnismäßig beziehungsweise unzumutbar334 hoch sein, wenn der Dritte eine entsprechend hohe Ablösesumme verlangt. In Ermangelung der zur Entscheidung erforderlichen Feststellungen konnte der BGH in seiner Entscheidung keinen Maßstab für die Unverhältnismäßigkeit aufstellen. Dies war Aufgabe des Berufungsgerichts, an das die Rechtssache vom BGH zurückverwiesen wurde. 326 Vgl. BGHZ 62, 388, 390 f. (Hervorheb. nicht im Original): Der BGH billigte ausdrücklich diese vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen. 327 BGHZ 62, 388, 394. 328 „[N]ach der Richtung, ob die Beseitigung für den Beklagten etwa mit unverhältnismäßigen, ihm billigerweise nicht zuzumutenden Aufwendungen verbunden wäre“, s. BGHZ 62, 388, 394. 329 Vgl. BGHZ 62, 388, 394. 330 Vgl. BGHZ 62, 388, 394 (Hervorheb. nicht im Original). 331 BGHZ 62, 388, 394. 332 BGH, NJW 1970, 1180, hierzu ausf. unten sub „(b) BGH-Urteil vom 24. 4. 1970 (= BGH, NJW 1970, 1180) – Bauverbot“, S. 214 f. 333 Ein etwaiger Aufwand für eine mögliche Entfernung der Teerfläche (der KfzStellplätze) stand insoweit offenbar nicht im Vordergrund, anders hingegen für die Verlegung des Tiefgaragen-Überbaus. 334 Gegen einen Rekurs auf die Unzumutbarkeit jedoch U. Huber, LS II § 59 II 3 mit Fn. 102 (S. 815), der ausschließlich auf die Unverhältnismäßigkeit abstellen wollte. Anders jedoch die Rechtsprechung sowie auch § 275 Abs. 2 S. 2 BGB („zuzumutenden Anstrengungen“).

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§ 4 Die neue Rechtslage

Indem die Gesetzesbegründung zu § 275 Abs. 2 BGB explizit die hier besprochene Entscheidung des BGH anführt, begibt sie sich in direkten Widerspruch zu ihrer Behauptung, § 275 Abs. 2 BGB nehme die „eigenen Interessen des Schuldners“ nicht in den Blick. Denn der BGH hat in dem zitierten Urteil die Abwägung der beiderseitigen Interessen, wie vom Berufungsgericht durchgeführt, ausdrücklich gebilligt;335 zudem wird der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit für den Schuldner für relevant erklärt, der zwingend mit der Berücksichtigung seiner Interessen einhergeht. Dieser Widerspruch lässt sich nur auflösen, indem man die (unzutreffende) Behauptung, § 275 Abs. 2 BGB schütze die Interessen des Schuldners nicht, aufgibt. Gleichzeitig wird damit der Widerspruch dieser Behauptung zum Wortlaut der Norm sowie auch zu weiteren Ausführungen der Gesetzesbegründung an anderer Stelle ausgeräumt.336 Der im Urteil in Erwägung gezogene Rechtsmissbrauchsgedanke bezieht sich zunächst ausschließlich auf den vertraglichen Erfüllungsanspruch des Gläubigers. Insoweit besteht Übereinstimmung mit der Wirkung von § 275 Abs. 2 BGB. Doch hatte der Schuldner im vorliegenden Streitfall das Leistungshindernis (die Errichtung vertragswidriger Kfz-Stellplätze sowie deren Gebrauchsüberlassung an einen Dritten) zu vertreten. Sofern der primäre Anspruch auf Beseitigung der Stellplätze wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen worden wäre, hätte der Gläubiger zumindest noch einen Schadensersatzanspruch gehabt.337 Es ging im Streitfall demnach für den Gläubiger darum, ob er Erfüllung oder an deren Stelle zumindest Schadensersatz verlangen konnte.338 Fest stand jedoch, dass sein in Richtung auf die vertragswidrig angelegten und Dritten überlassenen Kfz-Stellplätze bestehendes Interesse grundsätzlich befriedigt werden wird – sei es durch Erfüllung oder sei es im Wege des Schadensersatzes.339 Freilich ist der Fall auch dergestalt denkbar, dass der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat, womit die Befriedigung des Gläubigerinteresses nicht feststehen würde. So lag der vorliegend diskutierte Fall – wie auch die weiteren im Kontext des „allgemeinen Rechtsgedankens“ höchstrichterlich entschiedenen Fälle –340 jedoch gerade nicht. 335 BGHZ 62, 388, 394 verweist auf die gleichfalls im Urteil enthaltenen Ausführungen unter 3. a). 336 Vgl. hierzu bereits oben sub „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff. 337 Darauf wurde auch in BGH, NJW 1976, 235, 236 ausdrücklich hingewiesen. 338 Alternativ hätte er auch Wandelung oder Minderung verlangen können. 339 Vgl. auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 120 ff., im Vordergrund dessen Kritik jedoch der Rückgriff auf die in der Gesetzesbegründung genannten Normen steht, nicht hingegen der aus diesen Normen abgeleitete „allgemeine Rechtsgedanke“.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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(b) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 390 f.) – Tiefgarage Die vorstehend diskutierte Entscheidung hatte noch einen zweiten Gegenstand, der – so muss man die Gesetzesbegründung verstehen – in dieser nicht zitiert wurde,341 für die vorliegende Arbeit gleichwohl von großem Interesse ist. Der Sachverhalt, der dem Urteil in Hinsicht auf den Tiefgaragen-Überbau zugrunde lag, wurde bereits oben342 wiedergegeben. a) Entscheidung Der BGH behandelte den Tiefgaragen-Überbau in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des (außervertraglichen) Beseitigungsanspruchs aus § 1004 BGB343. Der oben dargelegte „allgemeine Rechtsgedanke“ gilt nach dem BGH auch für den negatorischen Anspruch aus § 1004 BGB.344 Die Beseitigung des Tiefgaragen-Überbaus wäre dem BGH zufolge für den Beklagten „mit einem unverhältnismäßig großen, ihm billigerweise nicht zuzumutenden Aufwand verbunden“345 gewesen. Dies stellte das Berufungsgericht mit Billigung des BGH „unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse“ rechtfehlerfrei fest, „wobei es auch die beiderseitigen Interessen gegeneinander ab[wog]“.346 Daher war der Beklagte nicht aus § 1004 BGB zur Beseitigung des Überbaus verpflichtet. Der BGH hielt den Beklagten weiterhin auch nicht für vertraglich verpflichtet, den Tiefgaragen-Überbau zu beseitigen.347 Ein vertraglicher Beseitigungsanspruch des Klägers scheiterte offenbar gleichermaßen infolge der Anwendung des „allgemeinen Rechtsgedankens“. Im Urteil wurde indes nicht ausdrücklich klargestellt, welche Rechtsnatur der im Ergebnis abgelehnte Vertragsanspruch hatte. Während das Berufungsgericht einen werkrechtlichen Mängelbeseitigungsanspruch aus den Vorschriften über den Werklieferungsvertrag herleitete, den es sodann in (direkter) Anwendung von § 633 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. ablehnte,348 schien der BGH einen primären Erfüllungsanspruch außerhalb des Sachmängelgewährleistungsrechts in Betracht gezogen zu haben. Der Fall lag nämlich zumindest in Bezug auf 340

BGHZ 62, 388, 390 f. – Tiefgarage sowie BGH, NJW 1988, 688, 700. s. oben bei und mit Fn. 247 (S. 176 f.). 342 s. oben sub „(a) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 393 f.) – Kfz-Stellplätze“, S. 191 f. 343 Im Streitfall i. V. mit § 1011 BGB. 344 BGHZ 62, 388, 391 m. weit. Nachw. 345 BGHZ 62, 388, 390. 346 Vgl. BGHZ 62, 388, 390 f. 347 BGHZ 62, 388, 391. 348 s. BGHZ 62, 388, 391. 341

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die Wahl der vertraglichen Anspruchsgrundlage für die Kfz-Stellplätze und die Tiefgarage gleich. Wenn der BGH aber hinsichtlich der Kfz-Stellplätze einen vertraglichen Beseitigungsanspruch jenseits des Gewährleistungsrechts in Erwägung zog,349 spricht vieles dafür, dass er Gleiches auch in Bezug auf den Tiefgaragen-Überbau getan hat. Dieser vertragliche Erfüllungsanspruch scheiterte jedoch, wie eingangs gesagt, am Einwand des Rechtsmissbrauchs. Aus dem Ausgeführten folgt, dass der BGH für die Beseitigung sowohl der Kfz-Stellplätze als auch des Tiefgaragen-Überbaus als vertragliche Grundlage einen Erfüllungsanspruch außerhalb des Mängelgewährleistungsrechts in Erwägung zog. Für diese Beseitigungsansprüche kam als mögliche Grenze nicht § 633 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. in Betracht, vielmehr rekurrierte der BGH zur Grenzbestimmung für beide Gegenstände gleichermaßen auf den „allgemeinen Rechtsgedanken“. Die Voraussetzungen eines solchen Einwands waren für beide Beseitigungsansprüche die gleichen. Dies wird in dem Urteil dadurch besonders deutlich, dass der BGH nach einer kurzen Wiedergabe seiner Formel („mit unverhältnismäßigen, ihm [dem Schuldner] billigerweise nicht zuzumutenden Aufwendungen verbunden wäre“) für die Beseitigung der Kfz-Stellplätze schlicht auf seine entsprechenden Ausführungen im Kontext des Tiefgaragen-Überbaus verwies [„vgl. oben zu a)“].350 b) Analyse Aus dem letzteren Gesichtspunkt lässt sich ein Hinweis gewinnen, der für den vorliegenden Zusammenhang von großer Bedeutung ist: die Anwendung des gleichen Maßstabs für Anwendungsfälle der beiden in der Gesetzesbegründung genannten Fallgruppen. Die Bestimmung der Grenze der beiden Beseitigungsansprüche (Kfz-Stellplätze/Tiefgaragen-Überbau) unter der nämlichen Voraussetzung „unverhältnismäßiger, dem Schuldner billigerweise nicht zuzumutender Aufwendungen“ vermag die hier verfochtene These zu stützen, der zufolge für die beiden in der Gesetzesbegründung angeführten Fallgruppen grundsätzlich der gleiche Befreiungsmaßstab gilt. Denn die beiden Gegenstände des Urteils betreffen jeweils eine der in der Gesetzesbegründung angeführten Fallgruppen: Während es – wie gesehen – bei der Beseitigung der Kfz-Stellplätze um das für den Schuldner teure Erkaufen der Kooperationsbereitschaft eines Dritten (des Pächters der Stell349

Dies zeigt sich daran, dass der BGH als Grenze gerade nicht § 633 Abs. 2 S. 2 BGB a. F., sondern vielmehr den „allgemeinen Rechtsgedanken“ ins Kalkül zog, zumal die diesbezügliche Pflichtverletzung später erfolgte als bei dem TiefgaragenÜberbau, s. BGHZ 62, 388, 394 (letzter Satz). 350 s. BGHZ 62, 388, 394 sub 3. c), wo auf die Ausführungen unter 3. a) [aaO., S. 390 f.] verwiesen wurde.

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plätze) im Sinne der zweiten Fallgruppe ging, betraf die Beseitigung des Tiefgaragen-Überbaus ein Hindernis im Sinne der ersten Fallgruppe, bei der die zur Leistungserbringung notwendige Hindernisbeseitigung für jedermann einen gleichermaßen hohen Aufwand erfordern würde. Es macht für den Befreiungsmaßstab keinen Unterschied, ob die Überwindung eines bestehenden Leistungshindernisses gerade für den Schuldner („subjektiv“) besonderen Aufwand erfordert, wenn und weil er sich die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss (im Urteil: Kfz-Stellplätze), oder ob sich ein Hindernis für jedermann („objektiv“) nur mit besonderem Aufwand ausräumen lässt (im Urteil: Tiefgarage). Die gebotene Gleichbehandlung ist der Gleichbehandlung der subjektiven und objektiven Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 BGB vergleichbar, obschon § 275 Abs. 1 und 2 freilich strikt zu trennende Tatbestände darstellen. Das Urteil, das für die Entwicklung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ eine – wenn nicht sogar die – Leitentscheidung darstellt, legt den Schluss nahe, dass die Grenze einer Erfüllungspflicht für die beiden Fallgruppen grundsätzlich nicht unterschiedlich zu ziehen ist. Die Entscheidung erweist sich möglicherweise noch in einer weiteren Hinsicht als bedeutsam für die vorliegende Untersuchung. Die erste Fallgruppe im Sinne der Entwurfsbegründung erschöpft sich nämlich nicht in der „faktischen Unmöglichkeit“. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann vielmehr bereits bei weit weniger krassen Fallkonstellationen Platz greifen. Der verkaufte Ring muss mithin – plastisch ausgedrückt – nicht stets in den See oder gar Ozean gefallen sein, um eine Unverhältnismäßigkeit (beziehungsweise ein grobes Missverhältnis) zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse begründen zu können. Dafür reichte im vorliegenden Urteil bereits aus, dass der Gläubiger zur Erreichung des Vorteils, der ihm durch eine Verlegung der Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage erwachsen würde,351 dem Schuldner einen sehr hohen Kostenaufwand abverlangen würde. Allerdings drohte dem Kläger lediglich das Ausbleiben eines Teils der geschuldeten Leistung, nicht hingegen – wie bei den vorliegend für § 275 Abs. 2 BGB untersuchten Fällen – das Ausbleiben der gesamten Leistung. Wenn die Beeinträchtigung durch den Überbau tatsächlich nur unerheblich gewesen sein sollte, hätte möglicherweise doch eine extreme Fall351 Der Umfang dieses Vorteils wurde im Urteil nicht näher spezifiziert; gering (oder zumindest geringer als hinsichtlich der Kfz-Stellplätze) wird er offenbar von U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 27 f. eingeschätzt. Auch Canaris scheint den durch den Überbau bedingten Nachteil bzw. den entsprechenden Vorteil bei dessen Beseitigung eher gering einzuschätzen, s. dens., in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 11 f. („ragte eine Tiefgarage mit einer nur 20 m2 großen Teilfläche in den Untergrund des Nachbargrundstücks“, Hervorheb. nicht im Original), s. auch dens., JZ 2001, 499, 502.

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konstellation vorgelegen;352 indes muss insoweit wiederum die besondere Risikostruktur des Werkvertrags in Rechnung gestellt werden. Betrachtet man den hier behandelten Gegenstand des Urteils (Tiefgarage) im Lichte der Anlehnung des neuen § 275 Abs. 2 BGB an den im Urteil formulierten „allgemeinen Rechtsgedanken“, so stellt sich wiederum die oben353 aufgezeigte Problematik: Da im Streitfall eine Schadensersatzhaftung des Schuldners wegen vorliegenden Verschuldens feststand, ging es bei der Entscheidung der Sache nach darum, ob der Gläubiger Erfüllung oder stattdessen zumindest Schadensersatz bekam. Völlig rechtlos hätte der Kläger demnach auch bei Annahme von Unverhältnismäßigkeit nicht gestanden. (c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987354 (= BGH, NJW 1988, 699) – „33fach“ Auf den in BGHZ 62, 388 entwickelten „allgemeinen Rechtsgedanken“ griff der BGH in seinem Urteil vom 2. 10. 1987 wieder zurück. Diese Entscheidung wird in der Gesetzesbegründung zu § 275 Abs. 2 BGB im Kontext der zweiten Fallgruppe zitiert. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der (spätere) Beklagte hatte im Rahmen eines Auftragsverhältnisses (unechte Treuhand) als mittelbarer Vertreter im Interesse sowie auf Rechnung des (nachmaligen) Klägers ein Grundstück erworben. Der Auftragnehmer, der spätere Beklagte, verkaufte dieses Grundstück mit notariell beurkundetem Vertrag an einen Dritten (S), zu dessen Gunsten er eine Auflassungsvormerkung bewilligte, die im Grundbuch eingetragen wurde. Der Auftraggeber (Kläger) setzte den ihm nach § 667 BGB gegenüber dem Auftragnehmer zustehenden Übereignungsanspruch gerichtlich durch und wurde im Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks eingetragen. Der Kläger begehrte vom Beklagten weiterhin Beibringung der Löschungsbewilligung für die zugunsten des S eingetragene Auflassungsvormerkung. S war bereit, die Löschungsbewilligung zu erteilen, jedoch nur gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe des (ungefähr) 33fachen des Verkehrswerts des Grundstücks. Der BGH wies die Klage als unbegründet ab, da der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Löschungsbewilligung ausgeschlossen sei.

a) Entscheidung Das Verlangen des Klägers nach Beseitigung der Vormerkung stellte sich nach Ansicht des BGH angesichts der Höhe der vom Dritten geforderten Abfindung als rechtsmissbräuchlich dar. Denn der Beklagte hätte diesem Verlangen nur unter unverhältnismäßigen, ihm billigerweise nicht zumut352 353 354

So Canaris, JZ 2001, 499, 502 („offenkundig“). Ausf. oben bei Fn. 338 ff. (S. 194). Az. V ZR 140/86; BGH, NJW 1988, 699.

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baren Aufwendungen entsprechen können. Der BGH berief sich dabei auf den im zuvor untersuchten Urteil (BGHZ 62, 388) entwickelten „allgemeinen Rechtsgedanken“. Den gesetzlichen Anhaltspunkt für eine solche Opfergrenze böten die §§ 633 Abs. 2 S. 2, 251 Abs. 2 BGB (a. F.).355 Bei der Frage der Unverhältnismäßigkeit im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung berücksichtigte der BGH neben dem reinen Wertverhältnis auch andere Umstände: zum Nachteil des Beklagten dessen Verschulden hier in Form von Vorsatz sowie zugunsten des Beklagten, dass der Kläger das Grundstück ohnehin nicht behalten, sondern an S übereignen wollte356. Im Ergebnis sei dem Beklagen trotz vorsätzlicher Vertragsverletzung „billigerweise jedenfalls nicht zumutbar, das 33fache des Grundstückswerts aufzuwenden“357. b) Analyse Die Entscheidung behandelt einen für § 275 Abs. 2 BGB paradigmatischen Fall. Der Dritte, dessen Mitwirkung zur schuldnerischen Leistungserbringung notwendig ist,358 verweigert seine Kooperationsbereitschaft nicht schlechthin – dann läge subjektive Unmöglichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB vor –, sondern macht seine Mitwirkung vielmehr von der Zahlung eines völlig unverhältnismäßigen Geldbetrags abhängig. Es handelt sich dabei um einen typischen Anwendungsfall der zweiten Fallgruppe im Sinne der Gesetzesbegründung (Erkaufen der Kooperationsbereitschaft eines Dritten), wofür die Entscheidung in den Gesetzesmaterialien359 auch zitiert wird. Nach der Entscheidung sind bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit neben dem reinen Wertverhältnis weitere Kriterien („andere Umstände“)360 relevant, insbesondere ein schuldnerisches Vertretenmüssen. Insoweit wird es gerade auch auf den Grad 361 des Verschuldens ankommen. Der 355

BGH, NJW 1988, 699, 700. Der Kläger besaß mithin kein spezifisches Interesse am Erhalt gerade des streitbefangenen Grundstücks. 357 BGH, NJW 1988, 699, 700. 358 Das wird jüngst von Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 656 verkannt, der meint, die Forderung des Dritten (S) sei unberechtigt: In BGH, NJW 1988, 699, 700 heißt es: „demgegenüber wäre das Interesse des S an einer Konsolidierung seines (relativ unwirksamen) Eigentumserwerbs wohl eher geringer als der einfache Verkehrswert“ – gemeint war freilich nicht das in diesem Zusammenhang irrelevante Interesse des Dritten S, sondern tatsächlich das Interesse des Klägers. Dieser – nicht S – hatte Eigentum erworben und wollte diesen Erwerb „konsolidieren“, also in seinem Bestand festigen, indem er die Löschung der zugunsten des S eingetragenen Auflassungsvormerkung erwirkt. 359 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 360 BGH, NJW 1988, 699, 700. 356

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BGH scheint das Kriterium des schuldnerischen Vertretenmüssens gleichsam in eine Zumutbarkeitsprüfung einbetten zu wollen. In eine ähnliche Richtung deutet auch die Neuregelung in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB, wenn dort im Zusammenhang mit der Frage des Vertretenmüssens von „dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen“ die Rede ist. Zuzugeben ist zwar, dass die Berücksichtigung des schuldnerischen Vertretenmüssens mit Zumutbarkeitsfragen zusammenhängt; hierin manifestiert sich überdies erneut die Berücksichtigung von Interessen des Schuldners bei § 275 Abs. 2 BGB. Gleichwohl ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass wegen des Vertretenmüssens bereits die Unverhältnismäßigkeit (beziehungsweise das grobe Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB) ausscheidet, auch wenn man dem Kriterium des Vertretenmüssens den Mantel der (Un-)Zumutbarkeit überstreift. So hat auch der BGH in seinem vorliegend behandelten Urteil entscheidend auf die Unverhältnismäßigkeit abgehoben, indem er ausführte, dass „bei vorsätzlichen Vertragsverletzungen [. . .] oder sonstigem schweren Verschulden [. . .] dem Schuldner sonst unverhältnismäßige Aufwendungen zuzumuten sein“362 könnten. Obschon die vom BGH gewählte Formulierung („dem Schuldner [. . .] unverhältnismäßige Aufwendungen“) sprachlich nicht ganz gelungen erscheint, lässt sich daraus auf eine unmittelbare Auswirkung des Kriteriums des Vertretenmüssens auf die Frage der Unverhältnismäßigkeit schließen: Wegen des schweren Verschuldens sind die Aufwendungen gerade nicht unverhältnismäßig, was sie „sonst“ – also in Ermangelung eines schweren Verschuldens – wären. Mindestens unpräzise ist vor diesem Hintergrund der amtliche Leitsatz von BGH, NJW 1970, 1180363, einem Fall vorsätzlichen Schuldnerhandelns: Die Beseitigung eines Bauwerks könne auch dann verlangt werden, „wenn sie [sc. die Beseitigung] nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist“. Indes sind nicht (ausnahmsweise) unverhältnismäßige Aufwendungen geschuldet, sondern die Aufwendungen sind wegen des dort vorsätzlichen Handelns des Schuldners bereits nicht unverhältnismäßig. Mangels unverhältnismäßiger Aufwendungen war daher im Streitfall der Tatbestand des § 251 Abs. 2 BGB nicht erfüllt.364 Unergiebig ist die Entscheidung BGH, NJW 1988, 699 indessen für die Frage des Maßstabs einer Befreiung. Es handelt sich um einen ausgesprochenen Extremfall. Es dürfte auf der Hand liegen, dass die Befreiungs361 In BGH, NJW 1988, 699, 700 nicht expliziert, s. aber für § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. BGH, NJW 1995, 1836, 1837; 1996, 3269, 3270; aus jüngerer Zeit BGH, NJW-RR 2002, 661, 663; 2006, 304, 305 (noch zum alten Recht). 362 BGH, NJW 1988, 699, 700 (Hervorheb. nicht im Original). 363 Hierzu unten sub „(b) BGH-Urteil vom 24. 4. 1970 (= BGH, NJW 1970, 1180) – Bauverbot“, S. 214 f. 364 So i. Erg. auch die Urteilsbegründung, s. BGH, NJW 1970, 1180, 1181.

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schwelle auch im Falle vorsätzlichen Vertragsverstoßes des Schuldners nicht erst dann erreicht wird, wenn der Dritte das 33fache des Grundstückswerts verlangt. Man wird weiterhin kaum annehmen können, dass § 275 Abs. 2 BGB den Zweck haben soll, nur derartige Extremfälle einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Dafür hätte es der Ausformulierung eines ausdifferenzierten und umfangreichen Tatbestands wie dem des § 275 Abs. 2 BGB nicht bedurft.365 Andernfalls hätte man viele Worte um nichts oder zumindest äußerst wenig gemacht. Wie bei der vorherigen Entscheidung stand auch im vorliegenden Fall eine sekundäre Schadensersatzhaftung des Beklagten fest. Für den Fall der Befreiung von der Primärpflicht stand dem Kläger damit zumindest Schadensersatz zu. Den vom Dritten geforderten Geldbetrag konnte der Kläger freilich nicht als Schadensersatz fordern. Ihm blieb nur eine (etwaige) Entschädigung in Geld gemäß § 251 Abs. 1 BGB.366 (d) In Sonderheit: BGH-Urteil vom 26. 9. 1990367 (= BGH, NJW-RR 1991, 204) – Muldenkipper Das im Folgenden zu untersuchende Muldenkipper-Urteil ist – wenngleich es in den einschlägigen Gesetzesmaterialien nicht genannt wird – für den vorliegenden Zusammenhang von Interesse. Für den Bereich entgeltlicher Gebrauchsüberlassung beschritt der BGH im früheren Recht einen Sonderweg. Die Pflicht des Vermieters368 zur Gebrauchsüberlassung beziehungsweise Wiederherstellung der beschädigten Mietsache sollte nach § 275 Abs. 1 BGB a. F. ausgeschlossen sein, wenn der erforderliche Reparaturaufwand die „Opfergrenze“ übersteige.369 Repräsentativ ist insoweit die Muldenkipper-Entscheidung des XIII. Zivilsenats des BGH aus dem Jahre 1990. Dem Urteil lag folgender (in gekürzter Form wiedergegebener) Sachverhalt zu Grunde: Die (spätere) Klägerin vermietete der (nachmaligen) Beklagten einen Muldenkipper auf unbestimmte Zeit unter gleichzeitiger Vereinbarung einer Mindestmietzeit zu einem Mietzins von monatlich 10.830 DM. Der Muldenkipper erlitt bei der Benutzung durch die Beklagte einen Bruch der Vorderachse und war seitdem nicht mehr einsatzfähig. Weder der Mieter noch der Vermieter hatten dies zu vertreten. Der Reparaturaufwand belief sich auf 167.580 DM inklusive Mehrwert365

Man hätte für diese Fälle ohne Not auf § 242 BGB zurückgreifen können. s. BGH, NJW 1988, 699, 700, wo zusätzlich § 252 BGB zitiert wurde. 367 Az. VIII ZR 205/89; BGH, NJW-RR 1991, 204. 368 Gleiches gilt für den Verpächter. 369 BGH, NJW-RR 1991, 204, 205, ähnl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995, 849, 850. s. demgegenüber OLG Hamburg, NZM 2002, 343, 344, das i. Erg. nicht auf § 275 Abs. 1 BGB a. F., sondern auf § 242 BGB abstellte. 366

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steuer370. Die Reparatur wurde nicht durchgeführt und der Muldenkipper später zur Vermieterin zurücktransportiert. Zu klären war, ob die beklagte Mieterin nach dem Zeitpunkt des Achsbruchs zur Mietzinszahlung verpflichtet war. Der BGH lehnte einen Anspruch der Klägerin auf Mietzinszahlung (wie auch einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung) ab.

a) Entscheidung Der BGH diskutierte zunächst, ob der Mietzinsanspruch wegen Fehlerhaftigkeit der Mietsache nach § 537 BGB a. F. entfallen war. Nach dem vom BGH zugrunde gelegten Fehlerbegriff hätte dies vorausgesetzt, dass der Vermieter die Gebrauchsgewährung des Muldenkippers ohne Achsschaden schuldete, mithin zur Beseitigung des Achsschadens verpflichtet gewesen wäre.371 Eine solche Verpflichtung lehnte der BGH jedoch ab. Die Reparatur des Muldenkippers sei „zwar technisch möglich, dem Vermieter jedoch nicht zuzumuten“372 gewesen, da die Reparaturkosten den Wert des Fahrzeugs so erheblich überstiegen, „daß ein wirtschaftlicher Totalschaden anzunehmen“373 gewesen sei. Es habe der damaligen ständigen Rechtsprechung des Senats entsprochen, dass „die Verpflichtung des Vermieters zur Wiederherstellung der Mietsache dort endet[e], wo der dazu erforderliche Aufwand die ‚Opfergrenze‘ über[stieg]“.374 Der BGH ging dabei von einem Fall der Unmöglichkeit aus, der den Vermieter gemäß § 275 Abs. 1 BGB a. F. von seiner Pflicht habe frei werden lassen, wenn dieser die zur Unmöglichkeit führenden Umstände – wie im Streitfall – nicht zu vertreten hatte.375 Nachdem der BGH die Unmöglichkeit der Reparatur- beziehungsweise Gebrauchsüberlassung i. S. von § 275 Abs. 1 BGB a. F. bejahte, gelangte er (folgerichtig) zum Entfall der Verpflichtung zur Mietzinszahlung nach § 323 Abs. 1 BGB a. F. b) Analyse Die Muldenkipper-Entscheidung ließ sich nicht in die im alten Recht herrschende Dogmatik einfügen. Zwar hatte das RG in wenigen Entscheidungen Fälle unzumutbarer Leistungserschwerung der wirklichen Unmög370 Berechnet nach dem im Urteil angegebenen Nettobetrag von 147.000 DM zuzüglich der Mehrwertsteuer von damals 14%. 371 s. BGH, NJW-RR 1991, 204. 372 BGH, NJW-RR 1991, 204, 205. 373 So die Auffassung des Berufungsgerichts, vgl. BGH, NJW-RR 1991, 204, 205. 374 So BGH, NJW-RR 1991, 204, 205 m. weit. Nachw. zur Rspr. 375 s. BGH, NJW-RR 1991, 204, 205 unter Verweis auf RGZ 89, 203, 207.

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lichkeit i. S. von § 275 Abs. 1 BGB a. F. gleichgestellt,376 gab diese Rechtsprechung jedoch schnell wieder auf und löste solche Fälle mithilfe der Geschäftsgrundlagenlehre377. Auch der BGH sowie die ganz herrschende Meinung in der Literatur378 ordneten Fälle der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ gemeinhin der Geschäftsgrundlagenlehre zu. Es verwundert daher, dass der BGH in seinem Muldenkipper-Urteil auf eine bereits zu dieser Zeit seit mehreren Jahrzehnten überholte Entscheidung – nämlich RGZ 89, 203, 207 – verwies. Für den Bereich der Gebrauchsüberlassung scheint es damit so, als habe der BGH die bereits längst überholte Rechtsprechung des RG gleichsam wiederbeleben wollen. Eine Besonderheit wies der Fall insofern auf, als er im Unterschied zu den beiden zuvor besprochenen BGH-Urteilen einen Gebrauchsüberlassungsvertrag zum Gegenstand hatte. Wenn man die in jenen Urteilen untersuchte Unverhältnismäßigkeit zwischen schuldnerischem Leistungsaufwand und gläubigerseitigem Leistungsinteresse im Muldenkipper-Fall prüfen wollte, hätte man den Aufwand des Vermieters (Schuldner) zum Interesse des Mieters (Gläubiger) an der weiteren Gebrauchsüberlassung ins Verhältnis setzen müssen. Dies hätte indes schwierige Fragen aufgeworfen – und tut es nunmehr tatsächlich bei der Anwendung des neuen § 275 Abs. 2 BGB. Einerseits fragt sich nämlich, ob der Leistungsaufwand ohne weiteres dem Reparaturaufwand entspricht, andererseits hängt das Interesse des Gläubigers (Mieters) bei der zeitgebundenen Gebrauchsüberlassung entscheidend vom Zeitfaktor ab. Soll man den Wert einer Gebrauchsüberlassung für einen Monat, die Mindestlaufzeit oder vielleicht den nächstmöglichen Kündigungstermin (des Mieters oder auch des Vermieters) für maßgeblich halten? Der BGH unternahm in dieser Richtung erst gar keinen Lösungsversuch,379 billigte vielmehr die Vorgehensweise des Berufungsgerichts, das den Reparaturaufwand ins Verhältnis zum Wert des Fahrzeugs stellte. Diese Vorgehensweise mag zwar praktikabel sein, doch drückt der 376 Hierzu oben ausf. sub „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff. m. weit. Nachw. zur Rechtsprechung. 377 Wie vorherige Fn. 378 Vgl. statt vieler Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 12 (der den MuldenkipperFall im alten Recht indes als „praktische Unmöglichkeit“ behandeln wollte, aaO., Rn. 8, ebenso Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 87); U. Huber, LS I § 4 III 4 a (S. 118 f.), § 24 II 2 (S. 588 ff.); dens., ZIP 2000, 2137, 2142. 379 Vgl. in diesem Zusammenhang die Überlegungen des OLG Hamburg (NZM 2002, 343, 344), wo jedoch bereits nicht klar wird, welche Größen ins Verhältnis zueinander gesetzt werden sollen, s. die fast schon verwirrend anmutenden Ausführungen aaO., sub 3. a): „krasses Missverhältnis zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits“ – ebenso jüngst BGH, NJW 2005, 3284.

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Fahrzeugwert nicht das Interesse des Mieters an der Leistung, sein Gebrauchsinteresse, aus.380 Betrachtet man den Muldenkipper-Fall im Lichte der Neuregelung, so scheidet eine Zuordnung zu § 275 Abs. 1 BGB381 aus, da eine Reparatur des Muldenkippers im Fall technisch möglich gewesen wäre.382 Es bliebe demnach nur die Anwendung von § 275 Abs. 2383 beziehungsweise § 313 BGB384. Das Hindernis, das im Muldenkipper-Fall in der Beschädigung des Fahrzeugs (Achsbruch) bestand, lässt sich der ersten Fallgruppe des § 275 Abs. 2 BGB im Sinne der Entwurfsbegründung zuordnen. Die Reparatur stellte sich nämlich nicht nur für den Schuldner (Vermieter), sondern für jedermann aufwendig dar. Ferner wirft der Fall augenscheinlich eine Frage der Unverhältnismäßigkeit auf, deren Beantwortung § 275 Abs. 2 BGB im Auge hat. Gleichwohl bereitet die Anwendung der Vorschrift auf Gebrauchsüberlassungsverträge – wie bereits angedeutet – erhebliche Probleme,385 die indessen in den Gesetzesmaterialien nicht thematisiert wurden. Offenbar wurde § 275 Abs. 2 BGB in erster Linie auf solche Verträge zugeschnitten, deren Zweck in einer endgültigen Übertragung des Leistungsgegenstands vom Schuldner auf den Gläubiger besteht.386 Im Muldenkipper-Fall hatte der Vermieter die Beschädigung des Leistungsgegenstands nicht zu vertreten. Daher schied eine sekundäre Schadensersatzhaftung aus. Im Unterschied zu den zuvor untersuchten Konstellationen, für die der BGH den „allgemeinen Rechtsgedanken“ entwickelte, blieb dem Gläubiger (Mieter des Muldenkippers) vorliegend nicht die Alternative, jedenfalls Schadensersatz verlangen zu können. Demnach war nicht die Entscheidung zu fällen, ob der Gläubiger statt der Erfüllung zumindest Schadensersatz bekommt („entweder . . . oder“), sondern vielmehr, ob der Gläubiger (Mieter) weiterhin Erfüllung (Gebrauchsüberlassung) verlangen konnte oder – so dieser Anspruch abzulehnen war – überhaupt nichts be380 Vgl. zu einem eigenen Lösungsansatz auf Basis von § 275 Abs. 2 BGB unten sub „(a) Mietvertrag“, S. 422 ff. 381 Fall 2: objektive Unmöglichkeit. 382 So auch Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, Fall 34 Rn. 12; vgl. auch Christian Hirsch, Kündigung S. 172. 383 Dafür jetzt offenbar Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 28; Schwarze, JURA 2002, 73, 77. 384 Hierfür Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 89, fortan wohl auch Staudinger/Emmerich (2003), Vorbem zu § 536 Rn. 7 f.; ders., NZM 2002, 362, 365. 385 Einen Lösungsversuch unternehmen H. Köhler/Fritzsche, Fälle zum neuen Schuldrecht, Fall 2 Rn. 10 ff. bzw. Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, Fall 34 Rn. 13 ff., s. auch Schwarze, JURA 2002, 73, 77, der ein Missverhältnis zwischen Mietzins und (Reparatur-)Aufwand erwägt, zu einem eigenen Lösungsansatz s. noch unten sub „(a) Mietvertrag“, S. 422 ff. 386 Vgl. in größerem Kontext auch die Kritik von Emmerich, NZM 2002, 362.

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kommen sollte („Alles-oder-Nichts“).387 Eben dieses Regelungsproblem stellt sich typischerweise bei vom Schuldner nicht zu vertretenden Hindernissen, bei denen eine sekundäre Haftung ausscheidet. Obschon vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse zweifellos in den Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB fallen,388 wird das in diesem Zusammenhang durchaus repräsentative und nicht unprominent gebliebene Muldenkipper-Urteil in den Gesetzesmaterialien zu § 275 Abs. 2 BGB bezeichnenderweise nicht erwähnt. (2) Werkrechtlicher Anspruch auf Mängelbeseitigung (§ 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.) Eine der Vorschriften, aus denen der BGH den „allgemeinen Rechtsgedanken“ ableitete, war § 633 Abs. 2 S. 3389 BGB a. F. Danach war der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung gegenüber dem Besteller zu verweigern, wenn diese einen unverhältnismäßigen Aufwand erforderte. Diese Norm war Gegenstand einer ganzen Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen, wovon drei auch explizit in der Gesetzesbegründung zitiert werden.390 Im Folgenden soll zunächst die Grundkonstellation anhand einer wichtigen Entscheidung aus dem Jahre 1985 geklärt werden [sub (a)], bevor neuere Tendenzen in der damaligen Rechtsprechung zu § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. bis in die jüngere Zeit391 dargelegt werden [sub (b)]. (a) BGH-Urteil vom 10. 10. 1985392 (= BGHZ 96, 111) – K-Wert Der Sachverhalt von BGHZ 96, 111 lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der (spätere) Kläger beauftragte die (nachmalige) Beklagte, in seinem Haus gegen eine Vergütung von 21.607,04 DM Fenster und Türen mit Aluminiumrahmen 387 Ebenso im Fall des OLG Hamburg, NZM 2002, 343, 344, das die verschiedenen Fallkonstellationen und unterschiedlichen Befreiungsansätze durcheinander zu bringen scheint. Vor diesem Hintergrund kann diese Entscheidung schwerlich als eine „Illustration zu § 275 Abs. 2 BGB“ bezeichnet werden, so aber Canaris, JZ 2004, 214, 217 mit Fn. 24. 388 § 275 Abs. 2 S. 2 BGB argumentum e contrario. 389 Vor In-Kraft-Treten des AGB-Gesetzes v. 9. 12. 1976 § 633 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. 390 BGH, NJW 1995, 1836; 1996, 3269; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1450 (in Bezug auf dieses Urteil wird in der Entwurfsbegründung – nebenbei bemerkt – der unrichtige Eindruck erweckt, es handele sich auch insoweit um eine Entscheidung des BGH). 391 Zuletzt BGH, NJW-RR 2006, 304 (noch zum alten Recht); NJW-RR 2002, 661. 392 Az. VII ZR 303/84; BGHZ 96, 111 (= BGH, NJW 1986, 711).

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einzubauen. Für die Rahmen wurde eine Konstruktion mit einem Wärmedurchlasswert (K-Wert) von 2,4 bis 2,6 vereinbart. Erst nach Abnahme der erbrachten Leistungen durch den Unternehmer stellte sich heraus, dass der tatsächliche K-Wert 3,8 betrug und damit sehr viel schlechter war als vereinbart. Infolge der schlechteren Wärmedämmung entstand zusätzlicher Wärmebedarf und es trat Schwitzwasser auf, das zur Schimmelbildung an Tapeten und Putz führte. Der Besteller verlangte daher Nachbesserung in Form des Austauschs aller Rahmen und Flügel der Fenster und Türen gegen neue mit einem K-Wert von 2,4 bis 2,6. Der geforderte Austausch hätte der Beklagten Selbstkosten von rund 22.000 DM verursacht. Der Klage des Bestellers wurde vom BGH stattgegeben.

a) Entscheidung Zunächst ist unerheblich, dass der Fall der VOB/B unterfiel, da § 13 Nr. 6 S. 1 VOB/B (a. F.) wortgleich mit § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. war und die Rechtsprechung beide Normen weitgehend in gleicher Weise auslegte.393 Unschädlich ist zudem für den vorliegenden Zusammenhang, dass der Unternehmer dem Besteller den K-Wert von 2,4 bis 2,6 zugesichert hatte; auch ohne Zusicherung hätte es sich um einen vom Unternehmer grundsätzlich zu beseitigenden Mangel gehandelt (§ 633 Abs. 1 BGB a. F.). Der BGH entschied, dass dem Kläger ein Anspruch auf Neuherstellung des Werks zustand. Er erkannte in dieser (zum alten Recht ergangenen) Entscheidung erstmals einen auf Neuherstellung gerichteten Mängelbeseitigungsanspruch an,394 was für den vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht von Interesse ist. Nach dem BGH konnte die Beklagte die Nachbesserung (Neuherstellung) nur verweigern, wenn „der Aufwand für die Mängelbeseitigung bei Abwägung aller Umstände in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem mit der Beseitigung der Mängel erzielbaren Erfolg stehen würde“395. Dabei sollte „es nicht allein auf die Höhe der entstehenden Kosten an[kommen],396 sondern darauf, in welchem Verhältnis diese Aufwendungen zu 393 s. z. B. BGH, NJW 1996, 3269, wo beide Vorschriften in einem Atemzug genannt werden. 394 Die Entscheidung ist von der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechtsprechung abgewichen, s. BGHZ 96, 111, 117 f. mit ausführlicher Begründung, vgl. aaO, S. 116 ff. 395 BGHZ 96, 111, 123 unter Verweis auf BGHZ 59, 365, 367 f., dort jedoch in Bezug auf eine (entsprechende) Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB a. F. auf den Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB a. F., s. auch aus jüngerer Zeit BGH, NJW 1996, 3269 f.; NJW-RR 2002, 661, 663. Ähnl. bereits Korintenberg, Der Mängelbeseitigungsanspruch S. 27 (s. auch Fn. 51) („Unverhältnismäßig ist der Aufwand, wenn er in keinem Verhältnisse zu der Geringfügigkeit des daraus sich ergebenden Vorteils für den Besteller steht.“). 396 BGHZ 96, 111, 123, ebenso OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1450, 1451: „Nicht entscheidend ist der absolute Betrag der Mängelbeseitigungskosten“.

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dem Vorteil st[anden], den der Auftraggeber durch die Mängelbeseitigung erlangt[e]“.397 Die durch den Austausch zu erzielende Verbesserung des K-Werts bedeutete für den Kläger einen erheblichen Vorteil (hohe Wärmedämmung, kein Risiko von Schwitzwasserbildung, keine Heizungsmehrkosten). Die Neuherstellung stand daher nach dem BGH unter Berücksichtigung aller Umstände „in keinem unvernünftigen Verhältnis“ zu dem von der Beklagten mit Selbstkosten in Höhe von rund 22.000 DM bezifferten Aufwand.398 Auf die Höhe des Werklohnanspruchs (21.607,04 DM) sollte es für die Frage der Unverhältnismäßigkeit nicht ankommen.399 b) Analyse Wenngleich die besondere Risikostruktur des Werkvertrags, der zufolge der Unternehmer grundsätzlich das Herstellungsrisiko für die versprochene Werkleistung trägt,400 im Auge behalten werden muss, kann das Verständnis von § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. für die Auslegung des neuen § 275 Abs. 2 BGB hilfreiche Hinweise liefern; soweit Unterschiede bestehen, kann sich auch eine Gegenüberstellung als fruchtbar erweisen. In der Rechtsprechung zu § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. wurden vor allem die ins Verhältnis zu setzenden Größen benannt: der Aufwand des Schuldners (Unternehmers) und das Interesse („Vorteil“) des Gläubigers (Bestellers). Ferner enthält die Entscheidung eine weitere wichtige Aussage: Es kommt für die Unverhältnismäßigkeit nicht auf das Verhältnis des Aufwands zur Höhe des Werklohns (allgemeiner gesprochen: der Gegenleistung401) an. Diese Vorgaben stimmen mit denen von § 275 Abs. 2 BGB überein, wie sie auch in den einschlägigen Gesetzesmaterialien dokumentiert wurden.402 Soweit § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. im alten Recht Platz griff, konnte der Unternehmer die Mängelbeseitigung verweigern, der Besteller verlor 397

BGHZ 96, 111, 123. BGHZ 96, 111, 124. 399 Vgl. BGHZ 96, 111, 124 unter Verweis auf BGHZ 59, 365, 368 f. Damit sollte ausgedrückt werden, dass das Verhältnis des Mängelbeseitigungsaufwands zum Werklohn irrelevant sei; dies zeigt der Verweis von BGHZ 96, 111, 124 auf BGHZ 59, 365, 368 f., wo die Vorgehensweise des Berufungsgerichts, den Herstellungsaufwand in Beziehung zum Werklohnanspruch zu setzen, vom BGH als verfehlt gerügt wurde. Letzteres Verhältnis halten insoweit ebenso für unerheblich BGH, NJW 1995, 1836, 1837; 1996, 3269, 3270; BGH, NJW-RR 1997, 1106; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1450, 1451; zuletzt BGH, NJW-RR 2002, 661, 663; 2006, 304, 305 (noch zum alten Recht). 400 Vgl. zuletzt BGH, NJW-RR 2002, 661, 663 sub IV. 2. a) (4), dort als „Erfüllungsrisiko“ bezeichnet. 401 Dem „Vertragspreis“, so die Gesetzesverfasser in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB, vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 402 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 398

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seinen Mängelbeseitigungsanspruch, der dogmatisch zumeist403 als modifizierter Erfüllungsanspruch eingeordnet wurde. Nur wenn der Unternehmer den Mangel zu vertreten hatte, konnte der Besteller Schadensersatz nach § 635 BGB a. F. fordern. Eine sekundäre Schadensersatzhaftung des Unternehmers stand damit nicht von vornherein fest.404 Gleichwohl stand der Besteller in diesem Fall nicht mit leeren Händen da. Zwar drohte Letzteres, so sich der Besteller für die früher nach § 634 Abs. 1 BGB a. F. mögliche Wandelung entschied, bei deren Ausübung der Vertrag hinfällig wurde.405 Doch stand dem Besteller im Falle erfolgreicher Verweigerung der Mängelbeseitigung durch den Unternehmer noch das Recht auf Minderung zu.406 Er konnte das mangelhafte Werk behalten und Rückzahlung des Werklohns in Höhe des Minderungsbetrags verlangen. Der Minderungsbetrag entsprach dabei oftmals407 der durch den Mangel bedingten Wertminderung des Werks408 und damit betragsmäßig dem Schadensersatz in Form der Geldentschädigung. Hinzu kam, dass § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. nur in Fällen eingreifen konnte, in denen ein nur geringfügiger Mangel409 gegeben war, so dass das Gläubigerinteresse an einer mangelfreien Werkleistung – eingedenk des Minderungsrechts – in aller Regel nahezu vollständig befriedigt war.410 Im Ergebnis stand der Besteller damit keineswegs mit leeren Händen da. Nach dem vorliegend untersuchten Urteil wurde eine Unverhältnismäßigkeit i. S. des § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. abgelehnt. Ein präziser Maßstab lässt sich aus dem Urteil nicht gewinnen, da nur die Kosten (circa 22.000 DM), nicht aber das Interesse des Bestellers an einer MängelbeseitiVgl. statt vieler Palandt61 /Sprau, Vorb v § 633 aF Rn. 4 m. weit. Nachw. Unpräzise daher m. E. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 121 f. (bei Fn. 167) und J. Wilhelm, JZ 2001, 861, 866 f. (bei Fn. 46), 867 mit Fn. 48. Die Schadensersatzhaftung unterlag ihrerseits der Grenze der Unverhältnismäßigkeit nach § 251 Abs. 2 BGB a. F., hierzu BGHZ 59, 365, 366 ff. 405 Im Ergebnis entspräche dies der Situation bei § 275 Abs. 2, wenn sich der Schuldner erfolgreich auf ein von ihm nicht zu vertretendes Leistungshindernis berufen kann, s. für den Entfall der Gegenleistungspflicht nunmehr § 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB. 406 § 634 Abs. 1 S. 3, Halbs. 1 BGB a. F. 407 Zur Aufrechterhaltung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses s. § 634 Abs. 4 i. V. mit § 472 Abs. 1 BGB a. F. 408 Die Mängelbeseitigungskosten konnten in Fällen des § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. für den Minderungsbetrag nicht maßgeblich sein, s. im Einzelnen statt vieler MünchKomm/Soergel (1997), § 634 aF Rn. 32 m. weit. Nachw., vgl. auch Jagenburg, Teil D Rn. 189 ff. m. weit. Nachw. 409 Hierzu näher sogleich im Text [bei Fn. 416 ff. (S. 210)]. 410 Die Geringfügigkeit des Mangels stand der Minderung (wie auch im neuen Recht; s. §§ 638 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB) nicht entgegen, s. § 634 Abs. 3 BGB a. F. argumentum e contrario. 403 404

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gung beziffert wurden. Die Ausführungen lassen aber auf ein erhebliches Bestellerinteresse schließen,411 so dass es nicht verwundern muss, dass der BGH keine nähere Begründung lieferte, um die Unverhältnismäßigkeit abzulehnen. (b) Zu neueren Entscheidungen des BGH In seiner Entscheidung vom 23. 2. 1995 (= BGH, NJW 1995, 1836) schien der VII. Zivilsenat des BGH die bislang im Vordergrund stehende Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten einer „Gesamtbewertung der Situation, bei der erst die Gesamtschau der Umstände er[gäbe], ob die Nachbesserung für den Unternehmer als Verstoß gegen Treu und Glauben unzumutbar [sei]“412, aufgeben zu wollen. Es träfe nicht zu, dass „im wesentlichen“ nur der Vorteil gegenüber dem Kostenaufwand der Nachbesserung heranzuziehen und abzuwägen sei.413 Indes war gerade dieses Verhältnis – freilich unter Berücksichtigung weiterer Umstände – zuvor stets der Ausgangspunkt bei § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. Wenn man diese bis dato im Vordergrund stehende Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten einer „Gesamtbewertung der Situation“ aufgeben wollte, hätte man damit auch die erreichte Konturierung des Tatbestands preisgegeben. Man würde damit genau genommen wieder zu § 242 BGB zurückkehren. Das Ziel, durch die Schaffung eines eigenständigen Tatbestands die Gebote von Treu und Glauben für einen bestimmten Einzelfall zu konkretisieren, drohte verfehlt zu werden. Diese Entwicklung wurde auch nicht in allen weiteren zu § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. ergangenen Entscheidungen bestätigt.414 Darüber hinaus hat sie sich richtigerweise auch nicht im neuen § 275 Abs. 2 S. 1 BGB niedergeschlagen.415 Weiterhin wurde das Erfordernis der „Unverhältnismäßigkeit“, der Befreiungsmaßstab, durch den BGH präzisiert, wenn nicht sogar verschärft. So wird in einem Urteil des BGH vom 4. 7. 1996 (= BGH, NJW 1996, 3269) ausgeführt, „Unverhältnismäßigkeit [wird] in aller Regel nur anzunehmen 411 Die Vorteile des Bestellers bestanden in einer hohen Wärmedämmung sowie der Vermeidung von Heizungsmehrkosten und des Risikos von Schwitzwasserbildung. 412 BGH, NJW 1995, 1836, 1837; ähnl. BGH, NJW 1996, 3269, 3270 („ebensowenig allein“); zust. Busche, DB 1999, 1250, 1252 (bei und mit Fn. 30). 413 So BGH, NJW 1995, 1836, 1837 gegen die Vorgehensweise des Berufungsgerichts. 414 Bestätigt zwar in BGH, NJW 1996, 3269, 3270, anders hingegen wohl BGH, NJW-RR 1997, 1106; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1450, 1451; BGH, NJW-RR 2002, 661, 663. 415 Wenngleich die referierte Entscheidung von den Gesetzesverfassern (freilich in anderer Hinsicht) zitiert wurde, s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp., 131 li. Sp.

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sein, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht“.416 Habe der Besteller hingegen objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags, was vor allem anzunehmen sei, wenn die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt sei, so kann ihm regelmäßig nicht wegen hoher Kosten die Nachbesserung verweigert werden.417 Die Unverhältnismäßigkeit konnte sich bei § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. in erster Linie daraus ergeben, dass das Interesse des Gläubigers (Bestellers) an einer Mängelbeseitigung sehr gering einzustufen war, etwa weil es sich nur um geringfügige optische Werkmängel handelte.418 Ein solches geringes Interesse419 kommt für Fälle der Nichtleistung i. S. von § 275 Abs. 2 BGB jedoch nicht in Betracht, da die Leistung insoweit nicht nur qualitativ und noch dazu lediglich geringfügig hinter der vertraglich versprochenen Leistung zurückbleibt, sondern die Leistung schlechthin ausbliebe. Die Alternative für den Gläubiger wäre demnach nicht der Erhalt eines nur geringfügig mangelhaften Werks (verbunden mit einem Minderungsrecht), sondern vielmehr, dass er – bei Verweigerung der gesamten Leistung – überhaupt nichts bekäme. Natürlich hat der Besteller am Erhalt der Leistung schlechthin stets ein objektiv berechtigtes Interesse. Wenn daher nach dem BGH bereits bei einer mangelbedingten „spürbaren Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit“ eines Werks eine Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein sollte, liegt auf der Hand, dass beim gänzlichen Ausbleiben der Werkleistung eine Unverhältnismäßigkeit erst recht ausscheiden müsste. In noch stärkerem Maße gilt dieser Schluss für § 275 Abs. 2 BGB, da dort mit dem Erfordernis eines groben Missverhältnisses ein gegenüber der Unverhältnismäßigkeit noch höherer Befreiungsmaßstab statuiert wurde. Es ist daher (praktisch) kein Fall ersichtlich, in dem der Unternehmer die Erbringung der gesamten Leistung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB verweigern könnte, soweit das Leistungshindernis in den Bereich des von ihm übernommenen Herstellungsrisikos fällt. Eben diese besondere Risikostruktur des Werkvertrags, der zufolge der Unternehmer grundsätzlich das Herstellungsrisiko (oder Erfüllungsrisiko) trägt, darf jedoch in diesem Zusammenhang nicht aus den Augen verloren werden. 416 BGH, NJW 1996, 3269, 3270, zuletzt wieder BGH, NJW-RR 2006, 304, 305 (noch zum alten Recht). Für eine restriktive Auslegung auch Quack, FS Vygen S. 368, 373. 417 s. BGH, NJW 1996, 3269, 3270, ebenso BGH, NJW-RR 1997, 1106; zuletzt auch BGH, NJW-RR 2002, 661, 663; 2006, 304, 305. 418 s. hierzu Kamphausen, BauR 1995, 343 ff. 419 Gering konnte das Interesse im Einzelfall auch deshalb sein, weil die Nachbesserung nicht zur vollständigen Beseitigung des Mangels führte, mithin nur ein „Teilerfolg“ erzielbar war, vgl. hierzu etwa BGH, NJW 1995, 1836, 1837 unter Berufung auf BGHZ 59, 365, 367 [f.].

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Für Vertragstypen mit einer davon verschiedenen Risikostruktur – wie etwa dem Stückkauf oder dem Mietvertrag – gilt freilich anderes. Für § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. waren der Aufwand der Nachbesserung und der dadurch zu erzielende Vorteil für den Gläubiger ins Verhältnis zueinander zu setzen. Zum Teil hat der BGH in diesem Zusammenhang später noch Präzisierungen beziehungsweise Ergänzungen vorgenommen. Die Abwägung hat nach dem BGH nichts mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis des Vertrags zu tun.420 Ohne Relevanz sei ferner das Verhältnis des Nachbesserungsaufwands zu den zugehörigen Vertragspreisen;421 unerheblich sei dem BGH422 zufolge insbesondere, wenn die erforderlichen Aufwendungen „wesentlich höher“ seien als die für die ursprünglich zu erbringende Leistung. Im Rahmen der Abwägung wurde zulasten des Unternehmers auch berücksichtigt, ob und in welchem Ausmaß („wie“) der Unternehmer den Mangel verschuldet habe.423 Daneben konnte auch die Schwere der Vertragsverletzung424 eine Rolle spielen. Im Hinblick auf die Bestimmung des Aufwands ist noch von Interesse, dass der BGH aus der dem Werkvertrag eigentümlichen Risikostruktur ableitete, dass Kostensteigerungen, die nach dem Zeitpunkt, in dem die vertragsmäßige Erfüllung geschuldet war, eintraten, nicht zu berücksichtigen seien;425 der Werkunternehmer sollte keine Besserstellung erfahren, wenn er nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung, vertragsgemäß leistete.426 Nicht ohne Zweifel war jedoch die Aussage, aus der Risikoverteilung beim Werkvertrag folge auch, dass im Regelfall weder die für die Beseitigung der mangelhaften Leistung aufzuwendenden Kosten 420 s. BGH, NJW 1996, 3269, 3270; NJW-RR 1997, 1106; zuletzt BGH, NJW-RR 2002, 661, 663; 2006, 304, 305. 421 s. bereits oben bei und mit Fn. 399 (S. 207). 422 s. BGH, NJW 1995, 1836, 1837; BGH, NJW-RR 2002, 661, 663. 423 s. BGH, NJW 1995, 1836, 1837; 1996, 3269, 3270; zuletzt BGH, NJW-RR 2002, 661, 663; 2006, 304, 305. Nicht vertretbar erscheint es, wenn das OLG Düsseldorf (NJW-RR 1987, 1167 unter Verweis auf OLG Hamburg, MDR 1974, 489) § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. allein deswegen ablehnte, weil der Unternehmer den Mangel grob fahrlässig verursacht hatte, dagegen auch Staudinger/Peters (2000), § 633 aF Rn. 193 sub ee); Soergel/Teichmann, § 633 aF Rn. 10. 424 So wurde etwa in BGHZ 59, 365, 368 (dort allerdings in Bezug auf eine [entsprechende] Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB a. F. auf den Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB a. F.) gewürdigt, „in welch schwerwiegender Weise der Beklagte [Unternehmer] durch das falsche Zuschneiden der Balken gegen einfachste und grundlegende Regeln seines Bauhandwerks verstoßen hat. Die planentsprechende Abmessung der für den Dachstuhl bereitgestellten Balken und Sparren bildet die selbstverständliche Grundlage einer jeden Zimmermannsarbeit“. 425 s. BGH, NJW 1995, 1836, 1837; 1996, 3269, 3270; BGH, NJW-RR 1997, 1106. 426 So zutreffend BGH, NJW 1995, 1836, 1837.

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§ 4 Die neue Rechtslage

noch die Mehrkosten für die Erbringung außerhalb des normalen Leistungszusammenhangs eine Rolle spielen konnten.427 Ferner erscheint auch der Hinweis, dass Nachbesserungskosten nicht zu Marktpreisen bewertet werden können, wenn die zugehörigen Vertragspreise für die Werkleistung niedriger gewesen sein sollten,428 nicht ohne Bedenken. Der Nachbesserungsaufwand muss richtigerweise nach den tatsächlichen Kosten berechnet werden. Die incidenter für relevant erklärten Marktpreise inkludieren jedoch einen Gewinnanteil, auf den sich der Werkunternehmer im Rahmen des § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. kaum berufen können sollte. Dieser Gedanke trifft – wie noch zu sehen sein wird –429 im Grundsatz auch für die Aufwandsbestimmung bei § 275 Abs. 2 S. 1 BGB zu. (3) (Außervertraglicher) Anspruch auf Naturalrestitution (§ 251 Abs. 2 BGB) (a) Vorbemerkung Bei § 251 Abs. 2430 BGB handelt es sich um eine der Normen, aus denen der BGH den „allgemeinen Rechtsgedanken“ ableitete. Die Grundkonstellation bei § 251 Abs. 2 BGB unterscheidet sich dabei grundlegend von der des § 275 Abs. 2 BGB.431 Dogmatisch begründet § 251 Abs. 2 BGB eine Ersetzungsbefugnis ( facultas alternativa) des Schadensersatzpflichtigen.432 Der Schädiger kann danach die ihm obliegende Schadensersatzpflicht durch Geldentschädigung (Kompensation)433 erfüllen, wenn deren Erfüllung im Wege der Naturalrestitution434 mit unverhältnismäßigen Aufwendungen ver427

So – soweit ersichtlich – auch nur BGH, NJW 1996, 3269, 3270, zust. Jagenburg, Teil D Rn. 177, a. A. noch Ganten/Jagenburg/Motzke/Ganten, § 13 Nr. 6 VOB/B aF Rn. 47, anders wohl auch Kleine-Möller/Merl/Oelmaier/Merl (1997), § 12 Rn. 354 a. E.; Ingenstau/Korbion/Wirth, § 13 Nr. 6 VOB/B Rn. 624 bei und mit Fn. 2 sowie § 13 Nr. 5 VOB/B Rn. 484, offen gelassen bei Quack, FS Vygen S. 368, 369 mit Fn. 8. 428 So BGH, NJW 1995, 1836, 1837. 429 s. hierzu unten sub „(5) Tätigkeiten“, S. 261. 430 Zu Vereinfachungszwecken wird vorliegend generell § 251 Abs. 2 BGB zitiert; für Fälle die nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20. 8. 1990 (BGBl. I S. 1762) am 1. 10. 1990, mit dem § 251 Abs. 2 S. 2 BGB eingefügt wurde, spielen, ist damit § 251 Abs. 2 S. 1 BGB gemeint. 431 Vgl. auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 121 f. 432 Vgl. statt vieler MünchKomm/Oetker (2003), § 251 Rn. 35 m. weit. Nachw., anders (noch für § 249 S. 2 BGB a. F.) Jochem, JR 1975, 329, 330 („schuldänderndes Gestaltungsrecht“). 433 Vgl. § 251 Abs. 1 BGB. 434 Vgl. § 249 S. 1 bzw. 2 BGB a. F.; § 249 Abs. 1 bzw. 2 BGB.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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bunden ist. Es geht daher im Unterschied zu § 275 Abs. 2 BGB nicht um den Bestand einer Leistungspflicht (das „ob“) – die Verpflichtung zum Schadensersatz steht in Fällen des § 251 Abs. 2 BGB bereits fest –, sondern nur um die Art und Weise der Erfüllung einer bestehenden (Schadensersatz-)Pflicht, das „wie“: Naturalrestitution oder Geldentschädigung. Daher werden bei der Frage der Unverhältnismäßigkeit nach § 251 Abs. 2 BGB auch nicht wie sonst die Größen „schuldnerischer Leistungsaufwand“ und „gläubigerseitiges Leistungsinteresse“ ins Verhältnis zueinander gesetzt, sondern vielmehr der Aufwand zweier verschiedener Formen des Schadensausgleichs: der Restitutionsaufwand (i. S. von § 249 Abs. 1 BGB) einerseits und die Geldentschädigung (§ 251 Abs. 1 BGB) andererseits.435 In der Sache geht es zudem bei § 251 Abs. 2 BGB darum, den schadensrechtlich gewährten Schutz des Integritätsinteresses sinnvoll zu begrenzen, während mithilfe von § 275 Abs. 2 BGB (zumeist) die Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten ausgelotet werden. Im Falle der Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB blieb (beziehungsweise bleibt) dem Geschädigten zumindest die Schadensersatzleistung nach Maßgabe des § 251 Abs. 1 BGB. Er wird dabei vom Haftenden in Geld entschädigt, wodurch – wenngleich nicht sein Integritätsinteresse, so doch – sein Wertinteresse befriedigt wird. Es kann daher grundsätzlich nicht zu der Konsequenz kommen, dass der Gläubiger, der Geschädigte, gänzlich leer ausgeht.436 Für einen Sonderfall hingegen droht auch bei § 251 Abs. 2 BGB die Konsequenz, dass der Gläubiger vollkommen leer ausgeht. Erleidet der Geschädigte nur einen immateriellen Schaden, der zudem nicht nach § 253 Abs. 2 BGB ersatzfähig ist, wird sein Interesse an sich überhaupt nicht befriedigt, wenn § 251 Abs. 2 BGB Platz greift:437 Er kann nämlich für einen rein immateriellen Schaden keine Geldentschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB verlangen. In einem solchen Fall, es ging um die Versagung der Operationskosten für die Entfernung einer Narbe des Geschädigten, wendete der BGH die ausnahmsweise drohende Konsequenz, dass der Geschädigte überhaupt keinen Ersatz bekommen würde, ab, indem er das vom Schädiger 435 Vgl. statt vieler Palandt61 /Heinrichs, § 251 Rn. 7, etwas unklar MünchKomm/ Oetker (2003), § 251 Rn. 37 (krasses Missverhältnis zwischen Aufwand und „Erfolg“) und 38 (Verhältnis zwischen Herstellungsaufwand und „Wert des geschädigten Rechtsgutes“). 436 s. auch Koller, DAR 1979, 289, 294. 437 Dabei war und ist die unmittelbare wie auch analoge Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB auf solche Fälle sehr umstr., abl. Koller, DAR 1979, 289, 295 (dort auch zur so genannten „Soziabilitätsschranke“), vgl. zum Streitstand MünchKomm/ Oetker (2003), § 251 Rn. 48; MünchKomm/Grunsky (1994), § 251 Rn. 17 jew. m. weit. Nachw.; s. zum Problem auch Medicus, JuS 1969, 449, 452 f.

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§ 4 Die neue Rechtslage

zu zahlende Schmerzensgeld (damals § 847 BGB a. F.) erhöhte.438 Die völlige Rechtlosstellung des Gläubigers drohte etwa auch bei der Zerstörung von Unikaten, wo der BGH händeringend einen zu ersetzenden Vermögenswert suchte und fand.439 (b) BGH-Urteil vom 24. 4. 1970440 (= BGH, NJW 1970, 1180) – Bauverbot Im seinem Urteil vom 24. 4. 1970 nahm der BGH Stellung zur ratio legis des § 251 Abs. 2 BGB. Der Entscheidung lag vereinfacht folgender Sachverhalt zu Grunde: Einem Grundstückseigentümer, dem späteren Beklagten, war die bei der Baubehörde beantragte Baugenehmigung versagt worden, gleichwohl begann er, ein Bauwerk zu errichten. Trotz des Erlasses zweier Bauverbote, der Festsetzung eines Zwangsgelds sowie der endgültigen Versagung der Baugenehmigung errichtete der Grundstückseigentümer unter Nichteinhaltung des Grenzabstands das Bauwerk beziehungsweise stellte die Errichtung fertig. Der BGH sah den Grundstückseigentümer gegenüber dem klagenden Nachbarn als verpflichtet an, das Bauwerk zu beseitigen.

a) Entscheidung Der erkennende Senat bejahte einen Anspruch des Klägers auf Beseitigung des Bauwerks aus § 823 Abs. 2 BGB.441 Das Gericht prüfte die Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift, so der BGH, sei „Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben“, demzufolge „die Frage der Unverhältnismäßigkeit eine solche der Zumutbarkeit auf beiden Seiten“ sei.442 Die Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB lehnte der BGH jedoch im Streitfall mit der Begründung ab, dass der beklagte Schuldner vorsätzlich (wegen der Errichtung unter Verstoß gegen das Bauverbot und die Versagung der Baugenehmigung) die Bebauungsgrenzen überschritten hatte. Dies spreche, so der BGH, „gegen die Anwendung des § 251 Abs. 2 BGB“443. Die Kläger handelten bei dieser Sachlage „nicht gegen Treu und Glauben“, wenn sie die Beseitigung der Baulichkeiten verlangten.444 438

s. BGHZ 63, 295, 301. Vgl. BGHZ 92, 85 – Modellboot, hierzu E. Schmidt, JuS 1986, 517 ff.; vgl. insb. auch Medicus, JZ 1985, 42, 43 f. sub 10. 440 Az. V ZR 97/67; BGH, NJW 1970, 1180. 441 I. V. m. § 25 der Hessischen Bauordnung als Schutzgesetz. 442 BGH, NJW 1970, 1180, 1181, Hervorheb. nicht im Original, für einen Vergleich der Interessen von Geschädigtem und Schädiger auch etwa Benicke, JuS 1994, 1004, 1006. 443 BGH, NJW 1970, 1180, 1181. 439

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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b) Analyse Soweit der BGH ausführt, § 251 Abs. 2 BGB werfe die Frage der Zumutbarkeit auf beiden Seiten auf, wird deutlich, dass sowohl die Interessen des Geschädigten als auch diejenigen des Schädigers Berücksichtigung finden. Da die Gesetzesverfasser zwischen dem neuen § 275 Abs. 2 BGB und § 251 Abs. 2 BGB „eine gewisse Parallele“445 sehen, lässt sich die von ihnen gleichzeitig aufgestellte These, die Interessen des Schuldners würden von § 275 Abs. 2 BGB nicht in den Blick genommen, auch vor diesem Hintergrund nicht halten. Gegen die Anwendung des § 251 Abs. 2 BGB sprach nach dem BGH, dass der Beklagte die Bebauungsgrenzen vorsätzlich überschritten hatte. Damit wurde das Verschulden zum relevanten Gesichtspunkt für die Frage der Unverhältnismäßigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit erhoben. Diese Auffassung dürfte der überwiegenden Lehre446 entsprechen und hat auch explizit in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB Niederschlag gefunden. Auf die Ungenauigkeit des amtlichen Leitsatzes der Entscheidung wurde bereits früher hingewiesen:447 Genau betrachtet waren die Aufwendungen wegen des vorsätzlichen Handelns im Streitfall nicht unverhältnismäßig, warum § 251 Abs. 2 BGB dort nicht Platz griff.448 (c) Kfz-Schäden: BGH-Urteile vom 15. 10. 1991449 (= BGHZ 115, 364 und 375) – Integritätszuschlag („130%“) Zwei Leitentscheidungen des BGH zur Frage, wann im Falle von KfzSchäden ein unverhältnismäßiger Herstellungsaufwand vorliegt, ergingen 444

Wie vorherige Fn. BT-Drucks. 14/6040, 130 li. Sp. 446 Vgl. Palandt61, 65 /Heinrichs, § 251 Rn. 7; Lange, Schadensersatz2 § 5 VII 1 (S. 237); ders./Schiemann, Schadensersatz3 § 5 VII 3 (S. 238 f.); Jauernig9 /Teichmann, § 251 Rn. 9; s. auch BGH, NJW 1988, 699, 700 (für die Anwendung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ des Rechtsmissbrauchs auf einen Erfüllungsanspruch); a. A. MünchKomm/Grunsky (1994), § 251 Rn. 15; Staudinger/Medicus (1983), § 251 Rn. 22; ders., JuS 1969, 449 (mit Fn. 10), 453; Soergel/Mertens, § 251 Rn. 10; MünchKomm/Oetker (2001), § 251 Rn. 38; AltKomm/Rüßmann, § 251 Rn. 3. 447 Hierzu bereits oben bei Fn. 363 f. (S. 200). 448 Anders MünchKomm/Oetker (2003), § 251 Rn. 69, der nur die Ausübung der Ersetzungsbefugnis wegen Verstoßes gegen § 242 BGB für ausgeschlossen hält; diese Ansicht muss jedoch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Oetker von der Prämisse ausgeht, das Verschulden spiele für die Frage der Unverhältnismäßigkeit keine Rolle, aaO., Rn. 38, 65. 449 Az. VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 (= BGH, NJW 1992, 302) und VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375 (= BGH, NJW 1992, 305). 445

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§ 4 Die neue Rechtslage

am 15. 10. 1991. Dem ersten Urteil lag der folgende Fall zugrunde; (von der Sachverhaltswiedergabe des am gleichen Tag ergangenen Urteils450 kann vorliegend abgesehen werden). Der Geschädigte, der nachmalige Kläger, stieß mit seinem Porsche 911 Turbo Coupé mit dem Opel Manta des Schädigers, des späteren Beklagten, zusammen, als dieser aus einer untergeordneten Straße in die vom späteren Kläger befahrene Straße einbog. Bei dem Unfall wurde der Pkw des (späteren) Klägers erheblich beschädigt. Dieser ließ den beschädigten Wagen in seinem Betrieb wieder instand setzen. Die Reparaturkosten beliefen sich nach einem Sachverständigengutachten auf 93.396,30 DM; als Wertminderung machte er 5.000 DM geltend. Daneben verlangte er Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Mercedes 300 E vom 4. 8. bis 22. 9. 1988 in Höhe von 20.495,70 DM und zusätzlich Nutzungsausfall von 1.680 DM. Der BGH gab der Klage des Geschädigten statt.

a) Entscheidungen Der BGH entschied im Streitfall, dass der Geschädigte die Reparaturkosten zuzüglich der Wertminderung451 verlangen konnte. Der sich ergebende Aufwand halte, gemessen an den Kosten für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs, einer Wirtschaftlichkeitsprüfung stand. Nach dem BGH ging es insoweit dogmatisch nicht um die Schnittlinie zwischen Naturalrestitution und Kompensation452, sondern um die Frage der Erforderlichkeit des Geldbetrags für eine Restitution i. S. von § 249 S. 2 BGB a. F. (jetzt: § 249 Abs. 2 S. 1 BGB). Denn auch die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs, so die Auffassung des BGH, sei neben der Reparatur eine (weitere) Form der Naturalrestitution.453 Da eine Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs nach dem BGH dessen Integritätsinteresse regelmäßig in stärkerem Maße zu befriedigen vermag als eine Ersatzbeschaffung, dürften die Kosten der Instandsetzung den Aufwand für eine Ersatzbeschaffung „in Grenzen“ überschreiten, sofern der Geschädigte die Reparatur nachweislich durchführe.454 Streitentscheidend war, ob der üblicherweise in Höhe von 30% gewährte „Integritätszuschlag“ auf den Wiederbeschaffungswert (volle Kosten einer Ersatzbeschaffung) oder den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des beschädigten Fahrzeugs) zu beziehen war.455 Im Allgemeinen, so der BGH weiter, könnte eine Kürzung des Wie450

BGHZ 115, 375. So genannter merkantiler Minderwert eines Unfallfahrzeugs. 452 Geldentschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB. 453 BGHZ 115, 364, 369 m. weit. Nachw. zur ständigen Rspr., ebenso BGHZ 115, 375, 378. 454 BGHZ 115, 364, 371, bestätigt in BGH, NJW 1999, 500, 501. 455 BGHZ 115, 364, 371. 451

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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derbeschaffungswerts um den verbleibenden Restwert des beschädigten Fahrzeugs unterbleiben.456 Denn dem Kostenfaktor Restwert würde bereits in einer entsprechenden Bemessung des prozentualen Zuschlags von 30% Rechnung getragen.457 „Das [ließe] es vertretbar erscheinen, bei dem Massenphänomen der Kraftfahrzeugunfälle im Interesse einer einfachen und praktikablen Handhabung der Schadensregulierung auf eine Einstellung des häufig nur schwer zu ermittelnden und mit vielen Unsicherheiten behafteten Restwerts als besonders ausgewiesenen Rechnungsposten zu verzichten und für den prozentualen Zuschlag zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeitsgrenze einer Reparatur allein auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs abzustellen.“458

Die mit dieser Praxis einhergehende „Anhebung der Opfergrenze“ rechtfertigte der BGH mit der Vereinfachung der Schadensabwicklung sowie dem besseren Schutz des Integritätsinteresses.459 Ferner sollte es sich bei dem Integritätszuschlag von 30% nicht um eine „starre Grenze“ handeln, sondern um einen „Richtwert“, der aber im Einzelfall sowohl über- als auch unterschritten werden könne.460 In Hinsicht auf die Mietwagenkosten stellte der BGH fest, dass der Vergleich zwischen Reparaturkosten und Wiederbeschaffungswert „seine Aussagekraft für die Berechtigung der Reparatur verlieren [könnte]“, wenn die Ausfallzeiten der Reparatur und bei Wiederbeschaffung „in einem krassen Mißverhältnis zueinander st[ünden]“.461 Jedoch betrugen die voraussichtlichen Ausfalltage bei einer Reparatur in casu 42 Arbeitstage, bei einer Wiederbeschaffung 25 Tage. Da der Integritätszuschlag ohnehin „bei weitem nicht ausgeschöpft“ war, sollte sich die Zeit von 42 Arbeitstagen „noch nicht als völlig unverhältnismäßig“ darstellen.462 In dem zweiten Urteil des BGH vom selben Tag (= BGHZ 115, 375)463 entschied der VI. Zivilsenat über einen Fall, in dem die 130%-Grenze überschritten wurde, der Geschädigte eine Reparatur aber gleichwohl durchführen ließ. Ein Sachverständiger stellte vor Durchführung der Reparatur fest, dass deren Kosten 44% über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen würden. Dessen ungeachtet ließ der Geschädigte das Fahrzeug reparieren; tatsächlich überstieg der Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungs456 BGHZ 115, 364, 371 f., bestätigt in BGH, NJW 1999, 500, 501; BGHZ 154, 395, 400. 457 BGHZ 115, 364, 372. 458 BGHZ 115, 364, 373. 459 Wie vorherige Fn. 460 BGHZ 115, 364, 374 m. weit. Nachw. 461 BGHZ 115, 364, 374. 462 Wie vorherige Fn. 463 s. zum Sachverhalt BGHZ 115, 375 f.

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§ 4 Die neue Rechtslage

aufwand später sogar um 62%. Der Geschädigte begehrte Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 130% des Wiederbeschaffungswerts. Der BGH erteilte diesem Ansinnen jedoch eine Absage. Denn, so der BGH, ein Integritätszuschlag werde nur gewährt, wenn die veranlasste Reparatur „wirtschaftlich sinnvoll“ sei.464 Die Reparaturkosten könnten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (130% des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden.465 Andernfalls, so die Begründung des BGH, „würde ein Anreiz zu wirtschaftlich unsinnigen Reparaturen geschaffen, an deren Kosten sich der Schädiger zu beteiligen hätte, was zu einer dem Gebot der wirtschaftlichen Vernunft zuwiderlaufenden Aufblähung von Ersatzleistungen bei der Schadensregulierung im Kraftfahrzeugbereich und zu einer vom Zweck des Schadensausgleichs nicht gebotenen Belastung des Schädigers führen würde“.466 Dem dürfe durch die Rechtsprechung nicht Vorschub geleistet werden.467 Demnach konnte der Geschädigte lediglich in Höhe der Wiederbeschaffungskosten Ersatz der Reparaturkosten vom Schädiger verlangen.468 b) Analyse Im Fokus des ersten Urteils469 stand die Bestimmung der Grenze, bis zu der das Integritätsinteresse des Geschädigten im Schadensrecht geschützt werden soll. Mit Integritätsinteresse ist das Interesse des Geschädigten am Erhalt seines Vermögens in dessen gegenständlicher Zusammensetzung470 gemeint. Für die sich insoweit stellende Wertungsfrage dürfte die dogmatische Verortung ohne (große) Relevanz sein:471 Da der BGH in ständiger Rechtsprechung auf dem Standpunkt steht, auch die Ersatzbeschaffung eines gleichartigen Kfz sei eine Form der Naturalrestitution,472 beantwortete er die Wertungsfrage anhand der „Erforderlichkeit“ des Geldbetrags i. S. von § 249 S. 2 BGB a. F.473. Vom Boden der (bislang) herrschenden Lehre, 464

BGHZ 115, 375, 380. BGHZ 115, 375, 380 m. weit. Nachw. 466 BGHZ 115, 375, 380. 467 Wie vorherige Fn. 468 BGHZ 115, 375, 381. 469 Bestätigt durch BGH, NJW 1999, 500 f.; BGHZ 154, 395, 400; 155, 1, 3. 470 BGHZ 115, 364, 369. 471 Vgl. MünchKomm/Oetker (2003), § 251 Rn. 42; vgl. auch Staudinger/Schiemann (1998, 2005), § 251 Rn. 32 („Für das Ergebnis ist freilich die Einordnung meist nicht entscheidend“), s. aber A. Roth, JZ 1994, 1091, 1093 f. 472 So für den Fall der Sachbeschädigung, nicht jedoch der Sachzerstörung, krit. hierzu jüngst U. Picker, FS U. Huber S. 539, 540 ff. (mit reichhaltigen Nachw., aaO., S. 540 mit Fn. 5). 465

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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die die Ersatzbeschaffung nicht als Naturalrestitution ansah,474 wurde die vergleichbare Wertungsfrage im Rahmen von § 251 Abs. 2 S. 1 BGB beantwortet. Näher beleuchtet wurden die Hintergründe des Integritätszuschlags (auch als „Integritätsspitze“ bezeichnet) in einem Urteil des BGH aus dem Jahre 1998 (= BGH, NJW 1999, 500)475: Der Integritätszuschlag werde nicht zum Schutze eines irgendwie gearteten Affektionsinteresses, etwa aufgrund einer emotionalen Bindung des Geschädigten an einen technischen Gegenstand, geschützt, vielmehr lägen der Zuschlagsgewährung wirtschaftliche Erwägungen zugrunde.476 Der Geschädigte habe ein wirtschaftliches Interesse an der Reparatur, da er als Eigentümer des Fahrzeugs wisse, „wie dieses einund weitergefahren, gewartet und sonst behandelt worden [sei], ob und welche Mängel dabei aufgetreten [seien] und auf welche Weise sie behoben [worden seien]“477. Diesem Interesse komme auch ein wirtschaftlicher Wert zu.478 Stellt man dieses durch das Schadensrecht geschützte Integritätsinteresse den im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB anzustellenden Erwägungen gegenüber, so zeigt sich deutlich, dass gänzlich verschiedene Interessen und Problemlagen zur Diskussion stehen. Während es bei den §§ 249 ff. BGB darum geht, zu ermitteln, wie weit das Interesse des Geschädigten am Erhalt seines Vermögens in dessen konkreter Zusammensetzung zu schützen ist, soll mit § 275 Abs. 2 BGB die Frage beantwortet werden, bis zu welcher Grenze das Interesse des (Vertrags-)Gläubigers an einer Erfüllung in Natur, die zur zukünftigen Mehrung seines Vermögens dient, Schutz erfahren soll. Augenscheinlich stehen völlig verschiedene rechtliche Wertungsfragen im Raum. Daraus folgt zugleich, dass der Befreiungsmaßstab des § 275 Abs. 2 BGB nicht an der dargelegten 130%-Rechtsprechung des BGH für Kfz-Schäden ausgerichtet werden kann. Überdies dürfte insoweit auch nicht übersehen 473 s. nunmehr § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (n. F.), abl. gegenüber dem Kriterium objektiver Wirtschaftlichkeit („Wirtschaftlichkeitspostulat“) A. Roth, JZ 1994, 1091, 1093 f. 474 Stellv. MünchKomm/Oetker (2003), § 251 Rn. 10, 42; A. Roth, JZ 1994, 1091, 1092 jew. m. weit. Nachw., anders jedoch nach dem Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Normen v. 19. 7. 2002 (BGBl. I S. 2674) etwa Palandt65 /Heinrichs, § 249 Rn. 15, 20, vgl. auch BT-Drucks. 14/7752, 13, 23. 475 Zur Frage, ob der Integritätszuschlag auch bei Beschädigung eines gewerblich genutzten Kfz zu gewähren sei, dort grds. bejaht. 476 BGH, NJW 1999, 500, 501. 477 Wie vorherige Fn. 478 BGH, NJW 1999, 500, 501, abw. – offenbar jedoch noch vor BGH, NJW 1999, 500 – O. Jakob, Ersatz fiktiver Kosten S. 164 ff.; vgl. zum Schutz eines Affektionsinteresses des Geschädigten im Rahmen der Naturalrestitution Oetker, NJW 1985, 345 ff., insb. 347 f. m. weit. Nachw.

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§ 4 Die neue Rechtslage

werden, dass die Grenze in den Kfz-Fällen effektiv zumeist deutlich höher als bei 130% liegt. Indem der BGH nämlich – wie gesehen – die Reparaturkosten ins Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert setzte, den Restwert mithin außer Betracht ließ, hob er die „Opfergrenze“ – wie auch ausdrücklich konzediert – an. Diese Vorgehensweise wurde gerade auch zu dem Zwecke gewählt, dem Schutz des Integritätsinteresses besser Rechnung zu tragen. Je nach Höhe des Restwerts liegt die Grenze damit effektiv – zum Teil erheblich – über dem gemeinhin angeführten Prozentsatz von 130%. Tenor der zweiten BGH-Entscheidung vom 15. 10. 1991 war, dass der Geschädigte überhaupt keinen Integritätszuschlag verlangen kann, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs um mehr als 130% übersteigen.479 Wird die Grenze der Unverhältnismäßigkeit – und darum handelte es sich im Streitfall der Sache nach – überschritten, so kann der Geschädigte nicht den noch verhältnismäßigen Betrag verlangen und den Restbetrag selbst aufbringen. Würde man diesen Gedanken – trotz der grundlegenden Verschiedenartigkeit beider Fallkonstellationen – auf § 275 Abs. 2 BGB übertragen, hätte dies zur Konsequenz, dass demjenigen Gläubiger, der an einer Leistung in Natur festhalten möchte, nicht gestattet würde, einen Teil des (Mehr-)Aufwands zu übernehmen, um den vom Schuldner zu tragenden Aufwand unterhalb der Schwelle eines groben Missverhältnisses zu halten. Wenngleich diese Problematik von § 275 Abs. 2 BGB noch an späterer Stelle zu erörtern sein wird,480 zeigt bereits die vom BGH gelieferte Begründung481, dass sich dieser spezifisch für das Schadensrecht entwickelte Gedanke nicht482 (oder zumindest nicht ohne weiteres) auf § 275 Abs. 2 BGB transponieren lässt. b) Eignung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB? Die Gesetzesverfasser waren der Meinung, § 275 Abs. 2 BGB bringe den „allgemeinen Rechtsgedanken“, den der BGH aus §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 S. 3, 651c Abs. 2 S. 2 BGB (a. F.) abgeleitet hat, „zur Geltung“ beziehungsweise finde in den genannten Normen „eine gewisse Parallele“.483 479

Dagegen etwa A. Roth, JZ 1994, 1091, 1094. s. hierzu unten sub „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff. 481 Zu ihr oben bei Fn. 466 (S. 218). 482 Im Ergebnis auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 39, 68 mit Fn. 57. 483 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp.; Canaris (in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 12) meint im Kontext des „allgemeinen Rechtsgedankens“, § 275 Abs. 2 BGB stelle „eine organische Fortentwicklung des bisherigen – richterrechtlich geprägten – Zustandes dar“; vgl. auch dens., Schuldrechtsreform S. XII. 480

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, der „allgemeine Rechtsgedanke“ beziehungsweise die dazu bemühten Normen waren den Gesetzesverfassern Vorbild für die Neuschöpfung von § 275 Abs. 2 BGB.484 Auf Grundlage der aus der Rechtsprechungsanalyse gewonnenen Erkenntnisse wird nachfolgend untersucht, ob sich der „allgemeine Rechtsgedanke“ tatsächlich als Vorbild eignet. Es wird sich erweisen, dass ein Vorbildcharakter nur für einen Teil des Anwendungsfelds von § 275 Abs. 2 BGB besteht. (1) Dogmatische Unterschiede Zwar werden – bei isolierter Betrachtung des Schicksals der Leistungspflicht – sowohl nach § 275 Abs. 2 BGB als auch im Falle des „allgemeinen Rechtsgedankens“ die Grenzen von Erfüllungspflichten bestimmt. Gleichwohl handelte es sich in der rechtstechnischen Umsetzung im letzteren Fall um eine rechtsvernichtende Einwendung wegen Rechtsmissbrauchs,485 bei § 275 Abs. 2 BGB demgegenüber nur um eine vom Schuldner zu erhebende Einrede486. Vergleicht man § 275 Abs. 2 BGB mit den Normen, aus denen der „allgemeine Rechtsgedanke“ abgeleitet wurde, zeigen sich zum Teil erhebliche Unterschiede. Nach § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. konnte der Schuldner lediglich die Mängelbeseitigung,487 nicht wie bei § 275 Abs. 2 BGB (auch)488 die gesamte Leistung verweigern. Ferner geht es bei dem gleichfalls bemühten § 251 Abs. 2 BGB nicht um die Bestimmung der Grenze einer Erfüllungspflicht, sondern vielmehr um eine Befugnis des Schädigers, eine dem Grunde nach bestehende Schadensersatzpflicht inhaltlich zu ändern, genauer: durch eine andere Form des Schadensausgleichs zu ersetzen ( facultas alternativa). Übt der Schädiger seine Ersetzungsbefugnis aus, vermag er die Schadensersatzpflicht nicht in ihrem Bestand, sondern nur in ihrem Inhalt zu ändern – statt den ursprünglichen Zustand in natura wieder484 Ebenso Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 119 ff., insb. 125, 127, nur ähnl. U. Huber in der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2005 (Karlsruher Forum 2005, S. 202 und 216), dem zufolge § 275 Abs. 2 BGB nach dem Vorbild von Entscheidungen entwickelt worden ist, die zum Werkvertragsrecht ergangen sind (dies gilt indes nicht ausnahmslos, erging doch die in der Entwurfsbegründung zitierte Entscheidung BGH, NJW 1988, 699 [zu ihr ausf. „(c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987 (= BGH, NJW 1988, 699) – ‚33fach‘“, S. 198 ff.] zum Auftragsrecht). 485 s. zur Frage der Geltendmachung oben nach Fn. 339 (S. 93). 486 Zu den Gründen noch näher im Rahmen der Rechtsfolge sub „1. Einredecharakter“, S. 449 ff. 487 Bei § 651c Abs. 2 S. 2 BGB die Abhilfe. 488 Daneben findet § 275 Abs. 2 BGB auch auf kauf- und werkrechtliche Nacherfüllungsansprüche Anwendung, s. §§ 439 Abs. 3 S. 1, 635 Abs. 3 BGB.

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§ 4 Die neue Rechtslage

herstellen zu müssen (Naturalrestitution), darf er den Schadensersatzgläubiger in Geld entschädigen (Kompensation). (2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB Nunmehr rückt die vergleichende Betrachtung der Grundkonstellationen in den Fokus. Sofern der BGH den Primäranspruch nach dem „allgemeinen Rechtsgedanken“ ausgeschlossen hat, blieb dem Gläubiger zumindest ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung.489 Derart liegen die Dinge im Falle des § 275 Abs. 2 BGB unter der Voraussetzung, dass der Schuldner den Eintritt des Leistungshindernisses490 zu vertreten hat, ein 489 s. insb. BGH, NJW 1988, 699, 700, wo der Kläger ausdrücklich auf eine Entschädigung in Geld verwiesen wurde. 490 Entscheidend für die Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB ist, dass der Schuldner das Leistungshindernis oder genauer: die Umstände, die ein solches begründen, zu vertreten hat, s. nur Brox/Walker, SAT31 § 22 Rn. 53; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 47; Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 12 Rn. 1; MünchKomm/Ernst (2003), § 283 Rn. 6; Fest, JURA 2005, 734 und 737; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 424; Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 580 („Ereignis“); Kindl, WM 2002, 1313, 1318; S. Lorenz, NJW 2005, 1889, 1890; Reischl, JuS 2003, 250, 256; M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 74; Schur, JA 2006, 223, 226 (zur Nacherfüllung), offenbar auch Braun, AcP 205 (2005), 127, 144, zum alten Recht etwa Schur, Leistung und Sorgfalt S. 69. Damit hat er dann gleichsam mittelbar die haftungsbegründende Pflichtverletzung i. S. der §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 283 S. 1 BGB, nämlich schlicht die Nichtleistung bzw. Nichterbringung der Leistung zu vertreten, i. d. S. auch Medicus, JuS 2003, 521, 527; wohl auch Wieser, MDR 2002, 858, 860. Streitig ist, ob die Pflichtverletzung, wie beschrieben, schlicht in der Nichtleistung liegt (dafür vor allem BT-Drucks. 14/6040, S. 92 re. Sp., 135 re. Sp./136 li. Sp., 142, aus der Literatur statt vieler MünchKomm/Ernst (2003), § 283 Rn. 4; Christoph Hirsch, JURA 2003, 289, 295; S. Lorenz, NJW 2005, 1889, 1890; ders., in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 37 f.; Mückl, JA 2004, 928 ff., insb. 932; Schulze/Ebers, JuS 2004, 265, 271 und 269; J. Wilhelm, JZ 2004, 1055, 1057, 1060, s. aber noch dens., JZ 2001, 861, 867 mit Fn. 54; früher bereits Anders, Pflichtverletzung S. 238, 240) oder § 280 Abs. 1 S. 1 BGB vielmehr ein verhaltensbezogenes Konzept zugrunde zu legen ist, s. hierfür vor allem Harke, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001, 29, 58; dens., ZGS 2006, 9, 10 f.; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 48 f., 63, 176; Katzenstein, JURA 2005, 217, 219; Kohler, ZZP 118 (2005), 25, 34 ff. (insb. 38), 45; Reichenbach, JURA 2003, 512, 515; Wältermann, Mängelhaftung S. 178, 197, 294; v. Wilmowsky, JuS 2002, Beil. zu Heft 1, S. 3*, 14*, vgl. zur Kritik am Begriff der Pflichtverletzung im Kontext der Unmöglichkeit stellv. Schapp, JZ 2001, 583, 586 f.; ders., JZ 1993, 637, 638 ff.; Schur, Leistung und Sorgfalt S. 75 ff., insb. 86 f., 93 f.; Hans Stoll, JZ 2001, 589, 593, jüngst auch Haberzettl, Verschulden und Versprechen S. 77 f., 92, 140, 146. Verfechter letzterer Ansicht verweisen insb. darauf, dass eine Pflicht nicht (rechtswidrig bzw. schuldhaft) verletzt werden könne, die nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. s. zum Ganzen auch Brox/Walker, SAT31 § 22 Rn. 51; P. Huber/Faust, Kap. 3 Rn. 118 ff.; Fehre, Un-

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis491 zu vertreten hat.492 Nur für diesen Fall steht dem Gläubiger, wenn sich der Schuldner erfolgreich auf § 275 Abs. 2 BGB beruft, ein sekundärer Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu, siehe § 280 Abs. 1 S. 2 beziehungsweise § 311a Abs. 2 S. 2 BGB.493 Für diesen Bereich einer hypothetisch begründeten sekundären Schadensersatzhaftung hat der Rekurs auf den „allgemeinen Rechtsgedanken“ für § 275 Abs. 2 BGB durchaus seine Berechtigung. Denn es geht in beiden Konstellationen um die Frage, ob der Gläubiger weiterhin Erfüllung verlangen können soll oder sich wegen des dafür vom Schuldner aufzubringenden hohen Aufwands nicht vielmehr mit Schadensersatz in Form der Geldkompensation zufrieden gegen muss, kurzum: die Frage, ob entweder Leistung in Natur oder Schadensersatz statt der Leistung geschuldet sein soll. Entscheidend ist dabei, dass ein alternativer Rechtsbehelf existiert, der den Interessen des Gläubigers zumindest weitgehend Rechnung zu tragen vermag: Zwar scheidet Naturalrestitution im Falle der Primärpflichtbefreiung aus, gleichwohl bleibt zumindest Schadenskompensation. Nach Maßgabe des § 284 BGB hat der Gläubiger unter denselben Voraussetzungen, wie sie für den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung erfüllt sein müssen (siehe § 284 BGB: „Anstelle“), Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Dadurch wird das Leistungsinteresse des Gläubigers indessen nicht „positiv“ geschützt, vielmehr handelt es sich insoweit um einen dem Vertrauensschadensersatz (Ersatz des negativen Interesses) verwandten Rechtsbehelf, der auch nur in Betracht zu ziehen ist, wenn der Gläubiger im Einzelfall tatsächlich Aufwendungen getätigt hat, die bei Ausbleiben der Leistung frustriert würden. Droht dem Gläubiger im Nichtleistungsfalle kein (materieller) Erfüllungsschaden, geht der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ins Leere. möglichkeit und Unzumutbarkeit S. 91 ff.; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 48 ff.; Keilmann, Dem Gefälligen zur Last S. 171 ff., insb. 179 f., 187 f.; dies., in: Jb. J. ZivRWiss. 2005 S. 209, 212 ff.; Medicus, JuS 2003, 521, 527; ausf. Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 29 ff., insb. 47 ff., 196, besonders zum prozessualen Kontext – sc. der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast – Kohler, ZZP 118 (2005), 25, 38 ff., 45 f., dazu jüngst auch Keilmann, Dem Gefälligen zur Last passim; dies., in: Jb. J. ZivRWiss. 2005 S. 209 ff. 491 Zum Verhältnis von Mitteilungspflichtverletzung und Fahrlässigkeit Schapp, FS Kollhosser Bd. II S. 619, 626 f. 492 Vgl. jew. die zugunsten des Gläubigers angeordnete Beweislastumkehr hinsichtlich des Vertretenmüssens, § 280 Abs. 1 S. 2 („Dies gilt nicht, wenn [. . .] nicht zu vertreten hat“), 311a Abs. 2 S. 2 BGB („Dies gilt nicht, wenn [. . .] nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat“). 493 Gleiches gilt für den Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen aus § 284 BGB, s. § 284 BGB: „Anstelle“ bzw. § 311a Abs. 2 S. 1 Fall 2 und S. 2.

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§ 4 Die neue Rechtslage

In aller Regel wird der Gläubiger dann deshalb auf der Leistungserbringung insistieren, da er ein immaterielles Interesse an der Leistung besitzt.494 Die Besonderheit immaterieller Nachteile liegt darin, dass sie für den Fall der Primärpflichtbefreiung im Rahmen des Schadensersatzes wegen § 253 BGB nicht ausgeglichen werden. Insoweit kann den Interessen des Gläubigers daher ausschließlich durch Leistung in Natur Rechnung getragen werden. Auf diese Besonderheit wird noch zurückzukommen sein.495 (3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB § 275 Abs. 2 BGB erfasst indessen auch solche Leistungshindernisse, die der Schuldner nicht zu vertreten hat;496 ebenso gilt die Norm für vertragsanfängliche Leistungshindernisse, die der Schuldner bei Vertragsschluss nicht kannte und die diesem in nicht zu vertretender Weise unbekannt blieben. Das benannte Anwendungsfeld von § 275 Abs. 2 BGB weist die Besonderheit auf, dass für den Fall der Befreiung des Schuldners von der Primärpflicht in Ermangelung schuldnerischen Vertretenmüssens eine Sekundärhaftung gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2 BGB497 ausschei494 Falls der Gläubiger im Nichtleistungsfalle weder einen Erfüllungsschaden (wie etwa einen entgangenen Gewinn oder den Mehraufwand für einen Deckungskauf) noch eine Frustrierung von Aufwendungen erleidet, noch immaterielle Interessen mit der Leistung verbinden sollte, geht sein Interesse zumindest dahin, die Leistung von „seinem“ Schuldner zu erhalten und sich diese nicht – wenngleich ohne Mehraufwand – von einem Dritten beschaffen zu müssen. Dieses Interesse ist allein deshalb erheblich, da es naturgemäß nur auf Primärebene durch Naturalleistung befriedigt werden kann, beim Übergang auf die Sekundärebene mithin keinen Schutz erführe. Dem Gläubiger in solchen Fällen den Erfüllungsanspruch abzusprechen (so i. Erg. Ehmann/Sutschet, hierzu m. Nachw. „(b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/Sutschet) – Zugleich zum ‚Schwellenproblem‘ des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 367 ff.), hieße, dem Schuldner zu ermöglichen, sich ohne Nachteile dem Erfüllungsanspruch sogar vorsätzlich entziehen zu können; den Gläubiger könnte dieses Schicksal ferner auch beim nächsten Schuldner ereilen. Dem vermag durch den Fortbestand des Primäranspruchs vorgebeugt zu werden, da dem Schuldner so zumindest droht, den auf die Primärleistung gerichteten Prozess zu verlieren und dessen Kosten sowie die einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme tragen zu müssen. 495 Hierzu unten sub „(c) In Sonderheit: Immaterielles Leistungsinteresse“, S. 234 f. 496 s. nur § 275 Abs. 2 S. 2 BGB. 497 Außer Betracht bleiben soll insoweit eine garantiemäßige Haftung auf das negative Interesses analog § 122 Abs. 1 BGB, wie sie von Canaris (in: Schulze/ Schulte-Nölke S. 43, 64 f.; ders., JZ 2001, 499, 507 f.; ders., DB 2001, 1815, 1819, s. hierzu auch die wohlwollende Einschätzung in der Gesetzesbegründung, BTDrucks. 14/6040, S. 166 li. Sp.) befürwortet, von der h. M. jedoch abgelehnt wird, s. statt vieler AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 311a Rn. 18; AnwKomm/dies.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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den würde. Insoweit droht dem Gläubiger mithin ein ersatzloser Verlust seines Erfüllungsanspruchs. Für dieses Anwendungsfeld von § 275 Abs. 2 BGB offenbaren sich weitgehende Diskrepanzen zum „allgemeinen Rechtsgedanken“. Denn die hierzu in der Gesetzesbegründung ausdrücklich zitierten BGH-Entscheidungen handeln von Fallkonstellationen, in denen der Schuldner das Leistungshindernis stets zu vertreten hatte,498 dem Gläubiger mithin alternativ auch Schadensersatz (wegen Nichterfüllung) zustand. Bei der direkten Anwendung der Normen, aus denen der BGH den „allgemeinen Rechtsgedanken“ ableitete, war zwar ein Vertretenmüssen nicht zwingend erforderlich, gleichwohl stand dem Gläubiger alternativ stets noch ein seine Interessen weitgehend wahrender Rechtsbehelf zur Verfügung.499 Diesen Konstellationen war daher gemein, dass die zu klärende Frage im Grunde nicht war, ob, sondern nur wie das Interesse des Gläubigers befriedigt wird, im Kontext des „allgemeinen Rechtsgedankens“ nämlich entweder durch primäre Erfüllung oder alternativ im Wege des Schadensersatzes.500 Demgegenüber geht es für den vorliegend diskutierten Teilanwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB, den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens, im praktischen Ergebnis nicht um die Frage, ob entweder Erfüllung oder stattdessen Schadensersatz geschuldet wird.501 Vielmehr geht es um „Alles-oder-Nichts“, ob der Gläubiger nämlich Erfüllung bekommt oder aber überhaupt nichts502, also weder Erfüllung noch Schadensersatz statt der Leistung.503 Kann sich der Schuldner in diesen Fällen erfolgreich auf § 275 Abs. 2 BGB berufen, wird er vollständig frei, zugleich (2005), § 311a Rn. 30; dies./Dötsch, DB 2001, 2535, 2538 f.; MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 41; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 417; Palandt65 / Heinrichs, § 311a Rn. 15; Löhnig, JA 2003, 516, 519; Staudinger/Löwisch (2005), § 311a Rn. 48; Musielak, Grundkurs9 Rn. 426; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 580; Jauernig11 /Stadler, § 311a Rn. 12; Jauernig10 /Vollkommer, § 311a Rn. 12 jew. m. weit. Nachw., a. A. etwa HandKomm/Schulze, § 311a Rn. 9. 498 Unrichtig daher die Bezugnahme von OLG Hamburg, NZM 2002, 343, 344 auf den „allgemeinen Rechtsgedanken“, zutreffend demgegenüber U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 544 f. 499 Hierzu ausf. oben für § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. sub „b) Analyse“, S. 207 ff., für § 251 Abs. 2 BGB sub „(a) Vorbemerkung“, S. 212 ff. 500 Zum Ganzen auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 120 ff. (und 62). 501 Vgl. auch J. Wilhelm, JZ 2001, 861, 867 mit Fn. 48 („von Primärleistung oder Naturalherstellung auf Geld überzugehen“). 502 Vgl. zur Surrogatherausgabe gem. § 285 BGB unten sub „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230. 503 Vgl. in diesem Kontext auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 122 f. mit freilich anderem Ansatz als hier.

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§ 4 Die neue Rechtslage

steht der Gläubiger mit leeren Händen da. Diese Konsequenz ist ein Spezifikum des § 275 Abs. 2 BGB: Sie konnte, wie anhand der Rechtsprechungsanalyse gezeigt wurde, grundsätzlich weder beim „allgemeinen Rechtsgedanken“ noch bei den diesem Rechtsgrundsatz zugrunde liegenden Normen eintreten und musste im Rahmen des jeweiligen Abwägungsprozesses dort auch nicht ins Kalkül gezogen werden. Abstrakt ausgedrückt bedeutet dies, dass in der Grundkonstellation des „allgemeinen Rechtsgedankens“ darüber entschieden wurde, ob der Gläubiger auf A (Erfüllung) bestehen durfte oder sich vielmehr mit B (Schadensersatz wegen Nichterfüllung) zufrieden gegen musste. Erforderte A für den Schuldner einen unverhältnismäßigen, ihm unzumutbaren Aufwand, so handelte der Gläubiger rechtsmissbräuchlich, wenn er auf A bestand, obwohl seinen Interessen auch mit B jedenfalls großteils hätte Genüge getan werden können.504 Bei § 275 Abs. 2 BGB geht es für den Bereich, dass eine alternative Schadensersatzhaftung ausscheiden würde, hingegen darum, ob der Gläubiger A (Erfüllung) oder – alternativ – überhaupt nichts erhält; ein B existiert insoweit nicht. Es erscheint vor diesem Hintergrund kaum vertretbar, für diese Fälle des § 275 Abs. 2 BGB von Rechtsmissbrauch zu sprechen.505 Denn beim Rechtsmissbrauch ist ja bekanntermaßen der entscheidende Gesichtspunkt, dass der Gläubiger für sich einen nur geringen Vorteil erstrebt, dem ein unverhältnismäßig hoher Aufwand des Schuldners gegenüberstünde.506 Das Interesse des Gläubigers am Primäranspruch war in der Konstellation des „allgemeinen Rechtsgedankens“ aber vor allem deshalb nicht sehr hoch einzuschätzen, weil dieser alternativ immer noch Schadensersatz verlangen konnte.507 Wenngleich sein Interesse nicht nach der Differenz zwischen der (Vermögens-)Lage bei Leistung in Natur und derjenigen bei einer Schadensersatzleistung bestimmt wurde,508 dürfte dieser Gesichtspunkt bei der Fallentscheidung – obschon nicht immer ausdrücklich angesprochen –509 stets eine signifikante Rolle gespielt haben. Steht dem Gläubiger in Fällen des § 275 Abs. 2 BGB demgegenüber kein alternativer Rechtsbehelf zu Gebote, 504 Im Grundsatz gilt dies – wie gezeigt – auch im unmittelbaren Anwendungsbereich der zitierten Normen. 505 Diese Differenzierung innerhalb des § 275 Abs. 2 BGB scheint zumindest i. Erg. jüngst auch Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 78 anzudeuten („jedenfalls“), unzutreffend demgegenüber AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 38 („allein“). 506 Vgl. allg. hierzu MünchKomm/Roth (2003), § 242 Rn. 385 ff., 408 ff. 507 Vgl. für § 251 Abs. 2 BGB Medicus, AcP 192 (1992), 35, 38 f.: „Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß auch der Geldersatz einen – freilich nach dem BGB erst in zweiter Linie in Betracht zu ziehenden – Ausgleich bedeutet“. 508 So aber U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 561 für § 275 Abs. 2 BGB, hierzu unten sub „(2) Gesamtaufwand“, S. 257 ff. 509 s. aber BGH, NJW 1988, 699, 700 wie auch BGH, NJW 1976, 235, 236.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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ginge er mithin bei einer Verwehrung des Primäranspruchs völlig leer aus, ist sein Interesse an dem Primäranspruch schon per se so erheblich, dass Rechtsmissbrauch grundsätzlich nicht in Betracht kommen kann. § 275 Abs. 2 BGB regelt insoweit ein völlig anderes Rechtsproblem, das mit Rechtsmissbrauch grundsätzlich nichts zu tun hat. Es lässt sich an dieser Stelle folgender Befund festhalten: Für ein wesentliches Anwendungsgebiet von § 275 Abs. 2 BGB vermögen weder der „allgemeine Rechtsgedanke“ noch die zu seiner Herleitung angeführten Normen510 Vorbild511 für § 275 Abs. 2 BGB zu sein.512 Das ist der Fall, wenn bei einer Befreiung von der Primärpflicht eine sekundäre Schadensersatzhaftung des Schuldners nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 beziehungsweise § 311a Abs. 2 S. 1 BGB nicht in Betracht käme, da es am schuldnerischen Vertretenmüssen mangelt. Denn insoweit führte die Befreiung des Schuldners von seiner Erfüllungspflicht nach § 275 Abs. 2 BGB (gleichzeitig) dazu, dass der Schuldner vollständig frei würde und der Gläubiger seinen Erfüllungsanspruch ersatzlos verlöre. Das hierdurch aufgeworfene Regelungsproblem bedarf gesonderter Behandlung. (4) „Innerer Antagonismus“ des § 275 Abs. 2 BGB? Vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen kann man von einer Dichotomie des Anwendungsfelds von § 275 Abs. 2 BGB sprechen. Dem steht ein Konzept entgegen, das einen „innere[n] Antagonismus“513 des Lösungsmodells von § 275 Abs. 2 BGB feststellen möchte: Bei nicht zu vertretenden Leistungshindernissen treffe die Befreiung des Schuldners den Gläubiger insofern besonders hart, als er seinen Anspruch ersatzlos verlöre, was in einem besonders paradoxen Gegensatz zu den Fällen der zu vertretenden Unmöglichkeit514 stehe, in denen das finanzielle Interesse des 510

Nicht ohne Bedenken daher der Hinweis von MünchKomm/Oetker (2003), § 251 Rn. 35, § 251 Abs. 2 BGB sei „Parallelnorm des § 275 Abs. 2 BGB“. 511 Ebenso wenig kann insoweit von einer „organische[n] Fortentwicklung des bisherigen – richterrechtlich geprägten – Zustandes“ (Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 12, ähnl. – jedoch in der Formulierung unpräzise – wohl DäublerGmelin, NJW 2001, 2281, 2287) die Rede sein. Undifferenziert ferner Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 64, 71, 82 mit Fn. 236, 92, 94, 109, 111, 114, 129 f., 163, der § 275 Abs. 2 BGB in toto in Parallelität zu §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 S. 3, 651c Abs. 2 S. 2 BGB (a. F.) bzw. dem Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens sieht. 512 Im Ergebnis – wenngleich mit teils unterschiedlicher Begründung – ebenso Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 120 f., 127 und passim. Ähnl. auch Hans Stoll, JZ 2001, 589, 592, dem zufolge § 275 Abs. 2 KonsF „Verschiedenes miteinander vermengt“. 513 Canaris, JZ 2001, 499, 503 – dort noch zu § 275 Abs. 2 KonsF.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Gläubigers durch den Anspruch auf Schadensersatz515 aus §§ 280, 283 BGB trotz Wegfalls516 des primären Leistungsanspruchs voll gewahrt bleibe – und das, obwohl gerade in diesen Fällen die Schwelle für eine Befreiung von der primären Leistungspflicht grundsätzlich höher anzusetzen sei als in den Fällen der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit.517 Für die Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gläubiger durch den Verlust des primären Leistungsanspruchs zugleich sein finanzielles Interesse voll einbüße und also besonders hart getroffen werde, so dass unter diesem Gesichtspunkt erhöhte Anforderungen an eine Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht zu stellen seien.518 Letzterer Gesichtspunkt hat auch Niederschlag in der Gesetzesbegründung gefunden, wird doch dort ausgeführt, die besonders hohen Anforderungen („besonders krasses, nach Treu und Glauben untragbares Ausmaß“) an eine Befreiung des Schuldners nach § 275 Abs. 2 BGB legitimierten sich vor allem daraus, dass der Gläubiger für den Fall der Leistungsbefreiung seinen Erfüllungsanspruch ersatzlos verliere.519 Gleichzeitig halten die Gesetzesverfasser jedoch den Schluss für paradox, den Schuldner in dem Fall, dass dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zur Verfügung steht, „leichter“ vom Erfüllungsanspruch zu befreien.520 Einen Ausweg aus dem „inneren Antagonismus“ sah Canaris im Rahmen des KonsDiskE darin, dass der Schuldner dem Gläubiger einen angemessenen Ausgleich anbietet, siehe § 275 Abs. 2 S. 2, Halbs. 2 KonsF. Diesen Ausweg eröffnet indes der Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB nicht, da das Anbieten eines angemessenen Ausgleichs durch den Schuldner mit dem RegE wieder aus der Vorschrift herausgenommen wurde. Selbst wenn man ein schuldnerisches Ausgleichsangebot bei der Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB gleichwohl berücksichtigen wollte,521 könnte das Problem damit allenfalls in Einzelfällen entschärft werden. 514 Vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 503: Damit dürfte auch ein Leistungshindernis gemeint sein, das zu einem „groben Missverhältnis“ i. S. von § 275 Abs. 2 BGB führt. Nicht angesprochen wird indes die zu vertretende Unkenntnis der Unmöglichkeit (genauer: des Leistungshindernisses) bei deren (bzw. dessen) anfänglichem Eintritt, s. § 311a BGB. 515 Statt der Leistung. 516 Für den Fall des § 275 Abs. 2 BGB die mangelnde Durchsetzbarkeit. 517 So Canaris, JZ 2001, 499, 503. 518 s. Canaris, JZ 2001, 499, 503. 519 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp., s. bereits zuvor Canaris, JZ 2001, 499, 502 für § 275 Abs. 2 KonsF. 520 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 521 Canaris (JZ 2001, 499, 504) meint, ein Gericht habe auch ohne einen tatbestandlichen Hinweis ein Ausgleichsangebot bzw. dessen Ablehnung bei der Ab-

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Eine Gegenüberstellung der beiden von § 275 Abs. 2 BGB geregelten Konstellationen erscheint im Übrigen wenig fruchtbar. Denn es handelt sich, wie oben aufgezeigt,522 um zwei strikt zu unterscheidende Regelungsprobleme. In den Mittelpunkt der Überlegungen sollte daher nicht der Antagonismus, der sich zwischen den beiden Konstellationen ergeben kann, gerückt werden, sondern vielmehr der Antagonismus zwischen den Interessen von Schuldner und Gläubiger, wie er für die jeweilige Konstellation besteht. (5) Unterschiedliche Interessenlagen in den beiden Grundkonstellationen (a) Fälle vorliegenden schuldnerischen Vertretenmüssens („Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“) Hat der Schuldner ein (nachträgliches) Leistungshindernis zu vertreten, kannte er ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss oder hat er seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten, unterläge er für den Fall einer Befreiung von seiner Erfüllungspflicht einer Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung. Der Gläubiger verlöre den Erfüllungsanspruch damit nicht ersatzlos, seine Interessen blieben mithin zumindest weitgehend durch den Sekundäranspruch gewahrt, indem nämlich seine finanziellen Interessen im Wege der Geldkompensation befriedigt würden. Gleichwohl besitzt er ein berechtigtes Interesse daran, Leistung in Natur verlangen zu können und wegen des auf Schuldnerseite notwendig gewordenen Mehraufwands nicht ohne weiteres auf den potentiellen Sekundäranspruch verwiesen zu werden, da seinem Interesse eben nur durch die Naturalleistung vollumfänglich Rechnung getragen wird. Diesem Interesse vermag der Schuldner keine gewichtigen Interessen entgegenzuhalten. Aufgrund des ihm vorzuwerfenden Vertretenmüssens erscheint ihm das Betreiben von Mehraufwand durchaus zumutbar. Hinzu kommt, dass er im Falle der Befreiung von der Erfüllungspflicht ohnehin zumindest Schadensersatz leisten müsste.

wägung nach § 275 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, im Anschluss daran Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 101 (insb. bei und mit Fn. 285), ähnl. – wenngleich etwas zurückhaltender – M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 42; Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 26 („Berücksichtigung [. . .] nicht ausgeschlossen“). 522 Hierzu ausf. oben sub „(2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 222 ff. und „(3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 224 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“) Soweit § 275 Abs. 2 BGB das Anwendungsfeld mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens regelt, hat der Gläubiger gerade deshalb ein besonders starkes Interesse an dem Erfüllungsanspruch, da ihm ersatzweise keine alternativen Rechtsbehelfe – insbesondere kein Schadensersatz statt der Leistung – zu Gebote stünden. Das Rücktrittsrecht (§§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 1 BGB) trägt seinem Leistungsinteresse nicht Rechnung; es ist überdies weitgehend überflüssig, da der Gegenleistungsanspruch und damit zugleich die Gegenleistungspflicht des Gläubigers im Falle der erfolgreichen Berufung auf § 275 Abs. 2 BGB ohnehin bereits ex lege entfällt, § 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB. Im Einzelfall bleibt ihm zwar unabhängig vom Vertretenmüssen ein Anspruch auf Surrogatherausgabe (§ 285 BGB), dessen Geltendmachung indes mit einem Fortbestand seiner Gegenleistungsverpflichtung einhergeht, siehe § 326 Abs. 3 BGB. Zudem kann ein Surrogationsanspruch praktisch nur dann von Vorteil sein, wenn das Surrogat einen höheren Wert als die ursprünglich geschuldete Leistung aufweist. Diesem starken Gläubigerinteresse stehen indessen sehr gewichtige Interessen des Schuldners an einer Befreiung von der Erfüllungspflicht entgegen.523 Diese sind, wie nachgewiesen wurde,524 auch bei § 275 Abs. 2 BGB berücksichtigungsfähig. Zum einen ist der Schuldner insoweit schutzwürdig, als ihm ein Vertretenmüssen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.525 Zum anderen kommt ein weiterer eminent wichtiger Gesichtspunkt hinzu, den es im Folgenden darzulegen gilt. a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB Hält man den Schuldner trotz eines bestehenden Leistungshindernisses weiterhin zur Erfüllung verpflichtet, kann der Gläubiger in diesen Fällen nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB mittels Fristsetzung526 stets auch zum Schadensersatz statt der Leistung gelangen. Diese Schadensersatzhaftung ist jedoch unabhängig davon, ob der Schuldner ein (nachträgliches) Leistungs523 Zu einseitig daher BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. oben; Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121 bei Fn. 70 ff. (dort im Kontext von § 439 Abs. 3 BGB); Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 24. 524 Sub „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff. und passim. 525 s. § 275 Abs. 2 S. 2 BGB, wo explizit auf die Zumutbarkeit abgestellt wird. 526 So diese nicht wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung des Schuldners entbehrlich ist, § 281 Abs. 2 Fall 1 BGB.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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hindernis zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat. Für sie genügt vielmehr nach herrschender und zutreffender Ansicht, dass der Schuldner die Nichterbringung der geschuldeten Leistung527 innerhalb der Frist zu vertreten hat.528 Der Schuldner wird die Nichterbringung529 einer von ihm geschuldeten, (möglichen) Leistung jedoch praktisch 527 Darin soll allgemein die Pflichtverletzung bei Leistungspflichten zu sehen sein, s. BT-Drucks. 14/6040, S. 92 re. Sp., 135 re. Sp./136 li. Sp., aus der Literatur vgl. statt vieler Canaris, JZ 2001, 499, 512 (noch zum KonsDiskE); MünchKomm/ Ernst (2003), § 280 Rn. 17 jew. m. weit. Nachw., stellv. zur neuen Terminologie Heinrichs, FS Schlechtriem S. 503, 515 f. 528 Nach U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 530 (ebenso Brömmelmeyer, JZ 2006, 493, 497; Fest, JURA 2005, 734, 737; Christoph Hirsch, JURA 2006, 120, 124; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht7 Rn. 538, 542, 550, 564; Tiedtke/Schmitt, BB 2005, 615, 622 ff., i. Erg. auch Braun, ZGS 2004, 423, 426) genügt für die Schadensersatzhaftung des Verkäufers wegen eines Mangels, „soweit es um das ‚Vertretenmüssen‘ geht, das eine oder das andere – entweder dass er den Mangel als solchen oder dass er seine Nichtbeseitigung zu vertreten hat“, so allgemein offenbar auch S. Lorenz, NJW 2005, 1889, 1892, vgl. nunmehr dens., FS U. Huber S. 423, 426 f., 434: das Vertretenmüssen muss zum Zeitpunkt des Vorliegens aller objektiven Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung gegeben sein, ebenso bereits ders., in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 49 f., ausdrücklich offen gelassen von BGH, NJW 2005, 2852, 2853 (zur Nacherfüllung). Vgl. zum Problem weiterhin MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 47, § 280 Rn. 52; Katzenstein, JURA 2005, 217, 221 f.; Schubel/Koch, DB 2004, 119 und 121 f. (für Mängel); J. Wilhelm, JZ 2004, 1055, 1058, vgl. zum Parallelproblem bei §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB Kohler, JZ 2004, 961 ff. (insoweit für eine doppelte Prüfung des Vertretenmüssens eintretend, aaO., S. 964 f.). Manche Literaturstimmen lassen es ausreichen, dass der Schuldner die Pflichtverletzung (Nichtleistung) im Zeitpunkt der Fälligkeit zu vertreten hat, vgl. Staudinger/Hj. Otto (2004), § 281 Rn. B 98, ebenso Staudinger-Eckpfeiler/D. Kaiser (2005), S. 336, a. A. P. Huber/Faust, Kap. 3 Rn. 153; Heinrichs, FS Schlechtriem S. 503, 511; Reichenbach, JURA 2003, 512, 517; Schur, JA 2006, 223, 225 ff., insb. 228 (zur Nacherfüllung): der maßgebliche Zeitpunkt für die Verschuldensprüfung sei der Fristablauf (ebenso im Grundsatz jetzt Haberzettl, Verschulden und Versprechen S. 134, 138, 141 f., 144 f., 146 f., 166, 222, 224, ähnl. wohl auch bereits Münch, JURA 2002, 361, 368); freilich wird das bei Fälligkeit und Fristsetzung (die die verzugsbegründende Mahnung enthält) vorliegende Vertretenmüssen in der Regel bis zum Fristablauf anhalten, vgl. § 287 S. 2 BGB, s. hierzu P. Huber/Faust, Kap. 3 Rn. 153; Christoph Hirsch, JURA 2003, 289, 293; S. Lorenz, NJW 2005, 1889, 1891, jüngst ders., FS U. Huber S. 423, 426, ausf. jetzt Haberzettl, Verschulden und Versprechen S. 141 ff. (zur Anknüpfung an früheres schuldhaftes Verhalten aaO., S. 138 ff.). Anders Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 46, insb. mit Fn. 20, die auf ein Verschuldenserfordernis verzichten, s. Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 64 f.; dies., Modernisiertes Schuldrecht S. 51, 54, 90 f., 97, hiergegen unten sub „(b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/ Sutschet) – Zugleich zum ‚Schwellenproblem‘ des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 367 ff. 529 Unmittelbarer Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens ist dabei der Umstand, der zur Nichtleistung führte, s. M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 73.

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§ 4 Die neue Rechtslage

immer530 zu vertreten haben,531 womit eine Schadensersatzhaftung zwangsläufig eintreten wird. Den (potentiellen) Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung kann der Schuldner nur abwenden, indem er die Leistung erbringt.532 b) Die Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB Damit wird in den behandelten Fällen durch die Bestimmung der Grenze der Erfüllungspflicht nach § 275 Abs. 2 BGB zugleich auch über die Haftungsfrage entschieden.533 Je weiter man also die Erfüllungspflicht ausdehnt, desto stärker dehnt man den Bereich aus, in dem der Schuldner Schadensersatz statt der Leistung schuldet (sc. nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB), obgleich er den Eintritt des (nachträglichen) Leistungshindernisses nicht zu vertreten hat beziehungsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis weder kannte noch seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat.534 Dieser „Querverbindung“ (U. Huber)535 muss im Rahmen der Auslegung des § 275 Abs. 2 BGB entscheidende Bedeutung zukommen.536 Hierin liegt ein weiterer signifikanter Unterschied zu den Konstellationen, die dem „allgemeinen Rechtsgedanken“, wie er vom BGH entwickelt 530 s. nur U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 34 („unfehlbar“), ähnl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 10 a. E. („nur selten“); jüngst auch Canaris, FS Wiegand S. 179, 237, 250 f.; ders., im Rahmen der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2005 (s. Karlsruher Forum 2005, S. 210 f.); AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 20; dies., FS Konzen S. 63, 77 (zur Nacherfüllung; für ein Modell der Angleichung von Nichtleistung und qualitativer Nichtleistung aaO., S. 82); S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 76 („außerordentlich selten“); deutlich jetzt auch Haberzettl, Verschulden und Versprechen S. 161, 166 (und 165). Im seltenen Ausnahmefall könnte ein entschuldigender Rechtsirrtum beim Schuldner vorliegen, ausf. hierzu jetzt – auch zum Tatsachenirrtum – Haberzettl, Verschulden und Versprechen S. 163 ff. 531 Vgl. U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 33 f., der insoweit schlagwortartig von „Umwandlungsprinzip“ sprechen möchte (s. auch dens., FS Schlechtriem S. 521, 565; dens., ZIP 2000, 2137, 2147), ders., bereits in einem am 26. April 2002 in Kiel gehaltenen Vortrag; im Anschluss daran Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 52 (und 145, 283). 532 s. U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 34. 533 Ähnl. wie hier jüngst AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 20 („Ausstrahlungen auf die Ebene der Sekundärleistungspflichten auf Geldersatz“), dezidiert a. A. demgegenüber Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 51 (und 46, insb. mit Fn. 20). 534 Näheres hierzu noch unten sub „(3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen“, S. 297 ff. 535 U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 34 f. 536 Sehr deutlich U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 35 (insb. bei und mit Fn. 26).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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wurde, zugrunde lagen. Dort war schuldnerisches Vertretenmüssen bereits hinsichtlich der ursprünglichen Nicht- beziehungsweise Schlechtleistung gegeben, so dass für den Fall der Verwehrung des Primäranspruchs eine sekundäre Schadensersatzhaftung (Schadenskompensation) von vornherein feststand. Bei der Entscheidung über die Grenze des Primäranspruchs wurde damit im Unterschied zum vorstehend behandelten Anwendungsfeld von § 275 Abs. 2 BGB nicht gleichzeitig über das „ob“ einer sekundären Haftung mitentschieden, da diese dort für den Fall der Primärpflichtbefreiung – wenngleich nur in Gestalt der Schadenskompensation – bereits feststand. Vor dem Hintergrund dieses bedeutsamen Unterschieds erhellt, dass eine Anlehnung des § 275 Abs. 2 BGB an den „allgemeinen Rechtsgedanken“ insoweit ausgeschlossen ist. Das maßgebliche Differenzierungsmoment ist nach dem Gesagten der Umstand, ob für den hypothetischen Fall der Befreiung des Schuldners von der Primärpflicht eine sekundäre Haftung begründet wäre oder nicht; diese Frage hängt wiederum davon ab, ob der Schuldner den Eintritt eines (nachträglichen) Leistungshindernisses und damit die Pflichtverletzung (Nichtleistung, siehe §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 283 S. 1 BGB) zu vertreten hat beziehungsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB). Dieser durch das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen schuldnerischen Vertretenmüssens bedingte fundamentale Unterschied,537 dies sei bereits hier betont, wird durch § 275 Abs. 2 S. 2 BGB nur unpräzise („auch zu berücksichtigen“) und unvollständig (als Bezugspunkt des Vertretenmüssens wird lediglich „das Leistungshindernis“ genannt) zum Ausdruck gebracht. g) Zwischenergebnis Im Ergebnis lässt sich für die untersuchten Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens folgende Interessenlage konstatieren: Einerseits besitzt der Gläubiger ein besonderes Interesse an der Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs. Denn er würde die Möglichkeit, seinen Erfüllungsanspruch durchzusetzen, ersatzlos verlieren; mangels schuldnerischen Vertretenmüssens bestünde nämlich alternativ kein sekundärer Schadensersatzanspruch (Regelungsproblem: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“). Dem stehen unter zwei Gesichtspunkten gewichtige Interessen des Schuldners gegenüber. Zum einen ist der Schuldner insoweit schutzwürdig, als ihm ein Vertretenmüssen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Zum 537 Weitaus geringere Bedeutung möchte diesem Gesichtspunkt demgegenüber Canaris beimessen, s. dens., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 18 („lediglich die Funktion eines bloßen Abwägungsgesichtspunkts“) und 21, ähnl. Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 73, 86, 108, 118, 124, 179.

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§ 4 Die neue Rechtslage

anderen dehnt man mit der Ausweitung der Erfüllungspflicht gleichzeitig den Bereich aus, in dem der Schuldner auf Schadensersatz statt der Leistung – zumal in Form der Naturalrestitution –538 haftet,539 obgleich er das (nachträgliche) Leistungshindernis nicht zu vertreten hat beziehungsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis weder kannte noch seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat. In Anbetracht dieser Interessenlage spricht vieles dafür, die Grenze der Erfüllungspflicht insofern nicht zu weit zu ziehen. (c) In Sonderheit: Immaterielles Leistungsinteresse Der Gläubiger kann ein immaterielles Interesse am Erhalt der Leistung besitzen, das im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB auch grundsätzlich Schutz erfährt.540 Einem solchen immateriellen Interesse kann ausschließlich durch Naturalleistung Rechnung getragen werden. Denn ein etwaig bestehender sekundärer Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung sieht keinen Ausgleich immaterieller Nachteile vor.541 § 253 BGB schließt eine Kompensation immaterieller Schäden in den vorliegend diskutierten Fällen aus. In Bezug auf immaterielle Leistungsinteressen ist daher der Sache nach generell die Grundkonstellation gegeben, die vorstehend mit dem Schlagwort der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ gekennzeichnet wird. Kann der Schuldner den Primäranspruch mit der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB erfolgreich abwehren, steht dem Gläubiger nämlich in Bezug auf seine immateriellen Leistungsinteressen kein alternativer Rechtsbehelf zu Gebote, insoweit verliert er seinen Primäranspruch ersatzlos. Das Interesse des Gläubigers am Erhalt der Leistung ist vor diesem Hintergrund hoch einzuschätzen, so dass die Annahme von Rechtsmissbrauch in Bezug auf ein immaterielles Interesse im Grunde ausscheidet. Im Kontext immaterieller Interessen lässt sich anders als bei materiellen Leistungsinteressen nicht die Überlegung ins Feld führen, der Schuldner unterläge im Falle der Primärpflichtbefreiung ohnehin beziehungsweise gerade 538

Zur Begründung noch ausf. sub „2. Naturalrestitution durch den Gläubiger bei durchsetzbarem Erfüllungsanspruch“, S. 460 ff. 539 Nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1, (Abs. 2 Fall 1) BGB. 540 Zu Einzelheiten unten sub „(2) In Sonderheit: Spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand“, S. 296 f. 541 Zwar vermag der Gläubiger nach § 284 BGB auch bei Nichterreichung eines mit der Leistung verfolgten ideellen Zwecks Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen (s. etwa Palandt65 /Heinrichs, § 284 Rn. 3; StuKo/Kropholler, § 284 Rn. 2), doch wird sein immaterielles Interesse damit zumindest nicht positiv geschützt, vgl. hierzu bereits oben sub „(2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 222 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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nicht einer sekundären Schadensersatzhaftung, da diese einen Ausgleich immaterieller Nachteile generell nicht vorsieht. Zu bedenken ist indes, dass der Fortbestand des Erfüllungsanspruchs nach gläubigerseitiger Fristsetzung unfehlbar zu einer Schadensersatzhaftung nach §§ 280, 281 BGB führt, die – das sei an dieser Stelle vorweggenommen – gerade nicht auf Schadenskompensation beschränkt ist, sondern dem Gläubiger den Ersatz der Kosten einer Naturalrestitution ermöglicht.542 Im Falle des Schadensersatzes statt der Leistung unterliegen diese Kosten nach vorzugswürdiger Ansicht auch nicht der Grenze nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB, so dass der Schuldner auf Schadensersatzebene mit den immateriellen Nachteilen voll belastet wird.543 Hervorgehobene Bedeutung für die Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB gewinnt vor allem der Wertungsgesichtspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens. Im vorliegenden Zusammenhang entscheidet der Umstand schuldnerischen Vertretenmüssens nicht wie in den zuvor behandelten Konstellationen über die Frage, ob der Schuldner für den Fall der Primärpflichtbefreiung einer entsprechenden Schadensersatzhaftung unterläge, denn diese scheidet bei immateriellen Interessen generell aus (§ 253 BGB). Doch rückt bei immateriellen Interessen der Aspekt der Zumutbarkeit für den Schuldner in den Vordergrund, der maßgeblich durch den Umstand bestimmt wird, ob der Schuldner ein (nachträgliches) Leistungshindernis zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat. Hiervon hängt insoweit die Strenge des anzulegenden Befreiungsmaßstabs entscheidend ab. (6) Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung und den weiteren Kriterien Sowohl die Anwendung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ als auch die Handhabung der Vorschrift des § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. durch die Rechtsprechung haben gezeigt, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung den Ausgangspunkt aller Überlegungen bildet. Dabei wird der Leistungsaufwand des Schuldners zum Leistungsinteresse des Gläubigers ins Verhältnis gesetzt.544 Ob insoweit Unverhältnismäßigkeit (beziehungsweise bei § 275 Abs. 2 BGB ein grobes Missverhältnis) gegeben ist, hängt noch von weiteren Kriterien ab, wie insbesondere dem Verschuldensgrad oder der Schwere der Vertragsverletzung. Tendenzen zu einer stark verallgemeinernden Be542 Im Einzelnen noch sub „2. Naturalrestitution durch den Gläubiger bei durchsetzbarem Erfüllungsanspruch“, S. 460 ff. 543 Wie vorherige Fn. 544 Abweichendes gilt für § 251 Abs. 2 BGB, der ein zu unterscheidendes Problem regelt; zu Besonderheiten bei Gebrauchsüberlassungsverträgen (Stichwort: Muldenkipper-Entscheidung) vgl. noch unten sub „(a) Mietvertrag“, S. 422 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

trachtung (Stichwort: „Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls“) waren in einzelnen der jüngeren Gerichtsentscheidungen zu § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. festzustellen. Eine solche Vorgehensweise eröffnete den Gerichten zwar einen noch weiteren Entscheidungsspielraum, erkaufte diesen Vorteil indes mit einem Verlust der Konturierung des Tatbestands545 und letztlich auch mit einer Einbuße an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen. Aufgabe und Ziel des § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. wie auch des neuen § 275 Abs. 2 BGB sind jedoch gerade die Konkretisierung der Gebote von Treu und Glauben für eine bestimmte Fallkonstellation. Diese Konkretisierung gäbe man jedoch (wieder) preis, kehrte man zu einer Gesamtschau beziehungsweise -abwägung i. S. von § 242 BGB zurück. Daher ist es zu begrüßen, dass in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitprüfung gesetzlich fixiert wurde. Versucht man den Entscheidungen des BGH zum „allgemeinen Rechtsgedanken“ beziehungsweise den Normen, aus denen jener Rechtsgedanke abgeleitet wurde, Hinweise auf den Befreiungsmaßstab zu entnehmen, erweist sich dieses Unterfangen als wenig fruchtbar. Das Rechtsprechungsmaterial zum „allgemeinen Rechtsgedanken“ erschöpft sich genau genommen in zwei Entscheidungen. Dass der Schuldner aber, wie in BGH, NJW 1988, 699, 700 entschieden, auch bei vorsätzlicher Herbeiführung eines Hindernisses nicht das 33fache (des Grundstückswerts) aufzuwenden hat, stellt keinen großen Erkenntnisgewinn dar. Es dürfte auf der Hand liegen, dass die „Befreiungsschwelle“ selbst bei Vorsatz bereits deutlich früher erreicht ist. Aus der zweiten in diesem Zusammenhang wichtigen Entscheidung, BGHZ 62, 388, lässt sich insoweit gleichfalls wenig Aufschlussreiches gewinnen, da dort nicht annäherungsweise Beträge genannt wurden, die auf den relevanten Befreiungsmaßstab schließen ließen. Die Betrachtung der durchaus reichhaltigen Entscheidungspraxis zu § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. hat gezeigt, dass Mängelbeseitigungsaufwand lediglich im Falle nur sehr geringfügiger Werkmängel unverhältnismäßig sein kann; bereits wenn der Besteller ein objektives Interesse an einer Mängelbeseitigung besaß beziehungsweise die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt war, wurde § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. abgelehnt. Würde man diese Grundsätze auf § 275 Abs. 2 BGB übertragen wollen, käme praktisch in keinem Fall eine Befreiung in Betracht. Denn der Gläubiger hat immer ein objektives Interesse daran, dass die Leistung nicht gänzlich ausbleibt – darum aber geht es im hier untersuchten Anwendungsbereich546 von § 275 Abs. 2 BGB. Freilich muss in diesem Zusammenhang die besondere Risikostruktur 545 Wagner, JZ 1998, 482, 489 bei Fn. 87 wollte nur auf das objektive Wertverhältnis abstellen. 546 s. aber auch §§ 439 Abs. 3 S. 1, 635 Abs. 3 BGB.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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des Werkvertrags, wie sie bei der Anwendung von § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. zum Tragen kam, berücksichtigt werden. Transponieren lassen sich die Grundsätze nur auf die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB bei Werkverträgen: Eine Berufung auf § 275 Abs. 2 scheidet im Rahmen des vom Werkunternehmer übernommenen Herstellungsrisikos in aller Regel aus. Die Vorschrift des § 251 Abs. 2 BGB, die gleichfalls für den „allgemeinen Rechtsgedanken“ bemüht wurde, behandelt bereits in ihrer Grundkonstellation ein grundverschiedenes Regelungsproblem. Daher sind dort auch völlig andere Größen zueinander ins Verhältnis zu setzen. (7) Ergebnis Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Grundkonstellationen, die dem „allgemeinen Rechtsgedanken“ einerseits und § 275 Abs. 2 BGB andererseits zugrunde liegen, lediglich partiell vergleichbar sind. Nur soweit der Schuldner für den Fall seiner Befreiung von der Primärpflicht einer Schadensersatzhaftung unterläge, stellt sich in den beiden Konstellationen das gleiche Regelungsproblem (hier gekennzeichnet als „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“). Würde demgegenüber für den Fall der Befreiung von der Primärpflicht eine sekundäre Schadensersatzhaftung ausscheiden, da der Schuldner das (nachträgliche) Leistungshindernis nicht zu vertreten hat beziehungsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss weder kannte noch seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, stellt sich ein grundverschiedenes Regelungsproblem (Stichwort: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“), das mit dem „allgemeinen Rechtsgedanken“ beziehungsweise Rechtsmissbrauch nichts gemein hat und folglich gesonderter Behandlung bedarf. 3. Der Gedanke der Unverhältnismäßigkeit in der Literatur a) Einrede aus „entgegenstehendem gewichtigem, eigenem Interesse“ (Krückmann) Für die vorliegende Untersuchung ist auch der Ansatz von Paul Krückmann von Interesse, den dieser in einem Aufsatz aus dem Jahre 1907 dargelegt hat.547 Krückmann wollte dem Schuldner in bestimmten Fällen eine so genannte „Einrede aus entgegenstehendem eigenem, gewichtigem Inte547 Krückmann, AcP 101 (1907), 1 ff. Wichtig ist unter den dort (aaO., S. 2 f.) gegebenen neun Fallbeispielen insb. das erste Beispiel: Es geht darum, dass der Dritte eine Handlung, deren Erbringung vom Schuldner versprochen wurde, nur gegen Entrichtung eines Entgelts, dessen Höhe mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers „in keinem Verhältnis steht“, vorzunehmen bereit ist.

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§ 4 Die neue Rechtslage

resse“548 gewähren, die er gegenüber der von der damaligen herrschenden Meinung549 favorisierten Lösung mithilfe der Ausweitung der Unmöglichkeitskategorie (und einer daraus resultierenden ipso iure-Befreiung) für überlegen hielt. Denn durch die Gewährung einer Einrede konnte dem Schuldner die Entscheidung überlassen werden, ob er leisten wollte – etwa zur Erhaltung seines geschäftlichen Rufs –550 oder nicht.551 Berücksichtigt wurden bei der Frage, ob dem Schuldner die benannte Einrede gewährt werden sollte, die Interessen von Schuldner und Gläubiger. Dabei konnte dem gewichtigen Interesse des Schuldners, dass ihm eine „nicht erschwinglich[e]“ Leistung nicht angesonnen wurde, „ein ebenso gewichtiges Interesse des Gläubigers entgegenstehen, das erst entsteh[en sollte], wenn das Interesse des Schuldners geltend gemacht w[urde]“.552 Dabei sollte „dem Schuldner auf keinen Fall gestattet werden, dem Gläubiger einen größeren Schaden zuzufügen, um sich vor einem kleineren zu bewahren“; in diesem Fall sollte die schuldnerische Einrede „an der Gegeneinrede des Gläubigers“ scheitern.553 Weitere Voraussetzung war, dass sich der Schuldner auf die unverhältnismäßige Erschwerung nicht eingerichtet hatte und nach Treu und Glauben sich auch nicht darauf einzurichten brauchte; gleichgültig sollte sein, ob die unverhältnismäßige Erschwerung erst später eintrat oder schon von Anfang an vorhanden war, nur dem Schuldner ohne Verschulden nicht bekannt war; bei anfänglicher Leistungserschwerung indes sollte man nicht so leicht geneigt gewesen sein, den Schuldner von dem Vorwurf der Fahrlässigkeit (Kennenmüssen) freizusprechen.554 Genauere Maßstäbe und Kriterien wurden dem Rechtsanwender nicht an die Hand gegeben. Es wurde lediglich klargestellt, dass dem Schuldner die Einrede dann nicht gewährt werden sollte, wenn der zur Überwindung des Leistungshindernisses erforderliche Aufwand (sein „Schaden“) geringer war als der dem Gläubiger infolge Nichtleistung drohende Schaden.555 Ferner sollte die Einrede ausgeschlossen sein, wenn der Schuldner die Leistungserschwerung fahrlässig nicht kannte. 548 So Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 30 (oder „Einrede aus wichtigem Grunde“), zum Einredecharakter aaO., S. 7 ff., gegen eine ipso iure-Befreiung aaO., S. 10 f. 549 Hierzu die Nachw. bei Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 2 mit Fn. 2. 550 Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 10. 551 So Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 11, 28, 54, 55. 552 Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 18 f. 553 Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 19. 554 Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 55 f. mit Fn. 45 a. E. 555 Vgl. Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 19, wo dies anhand eines Beispiels (Sachkauf: Lieferung von Kohle) exemplifiziert wird. Nicht thematisiert wurde dort der Fall des beiderseits gleich hohen „Schadens“.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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b) Unverhältnismäßigkeit bei H. H. Jakobs und U. Huber Auf Grundlage des alten Rechts wurde bereits im Jahre 1969 von Horst Heinrich Jakobs in dessen Habilitationsschrift die Auffassung vertreten, dass der dem Gläubiger durch die Nichterfüllung entstehende Schaden das Maß der vom Schuldner zum Zwecke der Leistung aufzuwendenden Mittel begrenze.556 H. H. Jakobs sah nämlich hinter § 275 BGB a. F. das Prinzip stehen, dass der Schuldner von seiner Verpflichtung zur Leistung unter den Umständen frei sein soll, unter denen er wegen Nichterfüllung nicht ersatzpflichtig wäre:557 Dann sollte der Schuldner – auch für den Fall, dass die Ersatzpflicht (Sekundärverpflichtung) feststand – von seiner Leistungspflicht frei sein und nicht zur Leistung verurteilt werden dürfen, wenn ihn die Naturalerfüllung mehr gekostet hätte als eine ersatzweise Befriedigung des Gläubigerinteresses an der Leistung.558 In dem Fall, dass ein bereits verkauftes Grundstück an einen Dritten aufgelassen wurde, der „zu normalen Bedingungen“ zur Herausgabe des Grundstücks nicht bereit war,559 sollte der Verkäufer in der Regel zur Überwindung des Leistungshindernisses den Betrag aufwenden müssen, für den der Dritte die Sache herauszugeben bereit sei, da dieser Betrag den Nichterfüllungsschaden des Gläubigers darstelle. Der Gläubiger hätte nämlich diesen Betrag aufbringen müssen, um sein Leistungsinteresse zu befriedigen.560 Dies konnte nach Ansicht von H. H. Jakobs indes nur als Regel gelten: Verlangte der Dritte einen horrenden Preis und hätte der Gläubiger sein Interesse durch einen Deckungskauf (eines anderen gleichwertigen und billigeren Grundstücks) befriedigen können, so sollte der Gläubiger vom Verkäufer nicht die nur zu jenem horrenden Preis zu beschaffende Naturalleistung verlangen können, sondern lediglich Schadensersatz auf Grundlage des erforderlichen Deckungskaufs. Ein Affektionsinteresse des Gläubigers sei schadensersatzrechtlich nicht zu ersetzen,561 werde daher auch nicht auf 556

H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 259. Vgl. H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 258 f., zur Herleitung S. 76 ff., später auch ders., in: Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 40, 43. 558 So H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 258 f. 559 Dieser vereinfacht dargestellte Sachverhalt lag der Entscheidung des RG vom 7. 3. 1923 (abgedr. in JW 1924, 292) zu Grunde, vgl. dazu H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 255 ff. 560 H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 259, der damit ohne weiteres davon auszugehen schien, dass der Gläubiger als Schadensersatz wegen Nichterfüllung den Betrag, der zur Befriedigung seines ursprünglichen Erfüllungsinteresses erforderlich ist, verlangen kann. 561 Naturalresititution kann der Geschädigte – anders als im Grundsatz bei einer Geldentschädigung – auch bei immateriellen Schäden verlangen, s. stellv. Münch557

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§ 4 Die neue Rechtslage

Erfüllungsebene geschützt,562 denn, so die Prämisse von H. H. Jakobs, der Bestand und der Umfang des Erfüllungsanspruchs seien unter den gleichen Voraussetzungen abzulehnen wie der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung.563 Ohne vorgreifen zu wollen, kann bereits hier angemerkt werden, dass nach neuem Recht (§ 275 Abs. 2 BGB) auf Erfüllungsebene durchaus immaterielle Interessen des Gläubigers Berücksichtung finden können.564 Für den Fall schuldlosen Abhandenkommens einer verkauften Sache sah H. H. Jakobs eine Befreiung des Verkäufers wegen einer dann gegebenen nicht zu vertretenden „Leistungsschwierigkeit“ vor, es sei denn, aus dem Vertrag ergab sich eine Pflicht zur Überwindung der Schwierigkeit oder deren Überwindung kostete so wenig Mühe, dass ihre Nichtüberwindung Treu und Glauben widersprochen hätte.565 Soweit dem Verkäufer die Kaufsache hingegen schuldhaft abhanden kam, zog H. H. Jakobs die Grenze der Leistungspflicht folgendermaßen:566 Die Grenze dessen, was zum Zwecke der Leistung vom Schuldner verlangt werden konnte, sollte durch den Betrag markiert werden, der dem in Geld zu ersetzenden Interesse des Gläubigers an der Leistung entsprach. Letzteres Interesse berechnete er indes nach der Differenztheorie. War also eine Sache im Wert von 9.000 zu einem Kaufpreis von 9.000 verkauft und hatte der Käufer kein anderweitiges Erfüllungsinteresse (wie etwa einen entgangenen Gewinn), entsprach mithin das Interesse des Käufers an der Erfüllung dem Vertragspreis, so war sein „in Geld zu ersetzendes Interesse an der Leistung“ gleich null. Folglich hätte der Verkäufer im Falle des von ihm verschuldeten (!) Abhandenkommens der Kaufsache zu deren Wiederbeschaffung überhaupt nichts aufwenden müssen, er wäre von der Leistungspflicht frei geworden.567 Nach U. Huber sollte der Erfüllungsanspruch nach § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs unter der Voraussetzung ausgeschlossen sein, dass die zur Überwindung eines vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernisses erforderlichen Aufwendungen des Schuldners unverhältnismäßig im Vergleich zum Erfüllungsinteresse des Gläubigers waren, also höher als der Schaden, der dem Gläubiger durch das Ausbleiben der Erfüllung entKomm/Oetker (2001), § 249 aF Rn. 22, 308 mit reichhaltigen Nachw., speziell zu Affektionsinteressen Medicus, JuS 1969, 449, 452, krit. gegenüber H. H. Jakobs daher Neufang, Erfüllungszwang S. 305 f., insb. mit Fn. 145. 562 H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 259. 563 Hierzu bereits eingangs bei Fn. 556 f. (S. 239). 564 Hierzu noch sub „(2) In Sonderheit: Spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand“, S. 296 f. 565 H. H. Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 43. 566 H. H. Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 43 f. 567 So in der Tat H. H. Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 44.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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stand;568 der Schaden sollte dabei offenbar nach der Surrogationstheorie berechnet werden. Im Unterschied zum „allgemeinen Rechtsgedanken“ wollte U. Huber ausschließlich auf den Gedanken der Unverhältnismäßigkeit, nicht wie die Rechtsprechung zusätzlich auf den der Unzumutbarkeit abstellen.569 Darüber hinaus wollte U. Huber zugunsten des Gläubigers insoweit einen gewissen „Zuschlag“ gewähren, indem er Unverhältnismäßigkeit erst annahm, wenn die Aufwendungen den berechenbaren Schaden „erheblich“ überstiegen.570 Denn den Unwägbarkeiten bei der Bezifferung des Gläubigerinteresses in Geld sei bei der Haftung auf Erfüllung in Natur besser Rechnung zu tragen;571 U. Huber wollte dabei auch immaterielle Interessen berücksichtigt wissen, hielt damit anders als H. H. Jakobs Affektionsinteressen durchaus für schutzwürdig.572 Bei der Frage, ob die Aufwendungen das Gläubigerinteresse erheblich überstiegen, sollte dann auch die Zumutbarkeit eine Rolle spielen, namentlich die Schwere des Verschuldens. c) Ergebnis In der Literatur zum frühren Recht wurden für Fälle, in denen der Schuldner zur Leistungserbringung einen im Verhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers unverhältnismäßigen Aufwand betreiben musste, verschiedene Befreiungskonstruktionen erwogen. Während manche dem Schuldner für solche Fälle die Wahl lassen wollten, indem sie die Gewährung einer Einrede befürworteten, gingen andere von einer ipso iure-Befreiung des Schuldners aus. Darüber hinaus wichen die vertretenen Ansichten insbesondere in Hinsicht auf den relevanten Befreiungsmaßstab erheblich ab. 568 Vgl. U. Huber, LS II § 59 II 3 (S. 815), § 59 III bei und mit Fn. 147 (S. 829), wo für Fälle des anfänglichen Unvermögens auf die Ausführungen zum nachträglichen zu vertretenden Unvermögen verwiesen wird. Nicht ganz klar ist, warum U. Huber bei zu vertretenden Leistungserschwerungen, der „unerwartete[n] Kostspieligkeit“ (hierzu U. Huber, LS I § 4 III 4 b [S. 119 f.]), ein „nicht zu rechtfertigende[s] Mißverhältnis“ forderte, dabei aber jew. den gleichen „Fall vom Ring“ (auf dem Seeboden) besprach und auch auf die Ausführungen zum nachträglichen Unvermögen verwies (s. aaO. mit Fn. 72 und 73). Es erschiene wenig überzeugend, dass bei zu vertretendem Unvermögen bzw. zu vertretender Leistungserschwerung jew. verschiedene Maßstäbe (einerseits bloße „Unverhältnismäßigkeit“ und andererseits ein „nicht zu rechtfertigende[s] Mißverhältnis“) gelten sollten. 569 Vgl. U. Huber, LS II § 59 II 3 mit Fn. 102 (S. 815). 570 Vgl. U. Huber, LS II § 59 II 3 (S. 815). Diese m. E. wesentliche Ergänzung U. Hubers wurde von Ehmann/Sutschet (Modernisiertes Schuldrecht S. 54 mit Fn. 53) weggelassen, obgleich dies. die Ausführungen von U. Huber im Übrigen wörtlich zitieren und den gleichen Unverhältnismäßigkeitsbegriff unterstellen. 571 Dies klang bereits bei Biermann, AcP 91 (1901), 73, 94 an. 572 Vgl. U. Huber, LS II § 59 II 3 (S. 815), ähnl. bereits Oertmann, AcP 140 (1935), 129, 143, anders H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung S. 259.

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4. Zusammenfassung Die Gesetzesmaterialien zu § 275 Abs. 2 BGB weisen zum Teil Unstimmigkeiten und Widersprüche auf. Die in der Gesetzesbegründung aufgestellte These, § 275 Abs. 2 BGB nehme die Interessen des Schuldners nicht „in den Blick“, lässt sich nicht halten. Vielmehr trifft das Gegenteil zu: Das Hauptinteresse des Schuldners, möglichst wenig Aufwand betreiben zu müssen, wird durch die in die Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB) einzustellende Größe des schuldnerischen Leistungsaufwands verkörpert. Man mag zwar mit den Gesetzesverfassern davon ausgehen, § 275 Abs. 2 BGB erfasse zwei Fallgruppen. Es handelt sich dabei einerseits um Leistungshindernisse, deren Überwindung jedermann hohen Aufwand bereiten würde („objektiv“ aufwendig zu beseitigende Hindernisse), andererseits um Leistungshindernisse, deren Beseitigung gerade dem Schuldner einen hohen Aufwand abverlangt („subjektiv“ aufwendig zu beseitigende Hindernisse), da sich dieser zur Leistungserbringung zunächst die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss. Gleichwohl gebietet der Gleichheitssatz, für beide Fallgruppen keine unterschiedlichen Befreiungsmaßstäbe festzulegen. Die in der Entwurfsbegründung gelieferten Hinweise zum relevanten Befreiungsmaßstab schwanken sehr stark.573 In Relation zum Gesetzeswortlaut relativ niedrig angesiedelt scheinen die Befreiungsschwellen zu sein, die in der Gesetzesbegründung für Fälle genannt sind, in denen der Schuldner einen bereits verkauften Leistungsgegenstand an einen Dritten übereignet und nun zurückerwerben müsste. Inwiefern die dort getroffenen Wertungsentscheidungen mit dem Wortlaut des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB, der auf sehr hohe Anforderungen hindeutet („grobes Missverhältnis“), in Einklang zu bringen sind, wird noch zu klären sein. Die von den Gesetzesverfassern gezogene Parallele von § 275 Abs. 2 BGB zu dem von der höchstrichterlichen Rechsprechung entwickelten „allgemeinen Rechtsgedanken“ trägt lediglich für einen Teilbereich der von § 275 Abs. 2 BGB erfassten Leistungshindernisse. Nur soweit für den Fall der Befreiung des Schuldners von seiner Primärpflicht eine sekundäre Schadensersatzhaftung begründet wäre, weil der Schuldner ein (nachträgliches) Leistungshindernis zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, stellt sich in beiden Konstellationen das gleiche Regelungs573 Die Spannbreite reicht von „unverhältnismäßig“ (BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp.) bis zum Erfordernis eines „besonders krasse[n], nach Treu und Glauben untragbare[n] Ausmaß[es]“ (aaO., S. 130 re. Sp.).

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problem (Stichwort „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“). Unterläge der Schuldner einer solchen sekundären Schadensersatzhaftung demgegenüber hypothetisch nicht, stellt sich ein grundverschiedenes Regelungsproblem (Stichwort „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“), das – im Unterschied zu der zuvor genannten Konstellation – nicht von Rechtsmissbrauch handelt. Dieses Regelungsproblem, das gleichfalls § 275 Abs. 2 BGB überantwortet wurde, bedarf indes gesonderter Behandlung. Eine Parallele zum „allgemeinen Rechtsgedanken“ besteht insoweit nicht. II. Der Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB Bei der Prüfung, ob der Schuldner die Leistung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB verweigern kann, muss im ersten Schritt anhand des Inhalts des Schuldverhältnisses574 herausgefunden werden, worin exakt die geschuldete Leistung besteht. In einem zweiten Schritt sind der für den Schuldner zu eben dieser Leistung erforderliche Aufwand (sub 4)575 und das Interesse des Gläubigers (sub 5)576 an der Leistung zu ermitteln. Die festgestellten Größen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse müssen sodann ins Verhältnis zueinander gesetzt werden. Die durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung hat unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses, den Geboten von Treu und Glauben (sub 3)577 sowie nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB auch unter Berücksichtigung schuldnerischen Vertretenmüssens (sub 6)578 zu erfolgen und muss ein grobes Missverhältnis (sub 7)579 zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse ergeben. 1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB § 275 Abs. 2 BGB regelt – wie bereits aufgezeigt – keinen Fall der Unmöglichkeit im Sinne unüberwindbarer Leistungshindernisse. Die Vorschrift erfasst vielmehr ausschließlich überwindbare Leistungshindernisse, die in Bezug auf die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten stets eine rechtliche Wertungsfrage aufwerfen. Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass der Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB nur partiell Ausdruck des Verbots des Rechtsmissbrauchs ist. Soweit dies der Fall ist, wird durch die neue Vorschrift 574 575 576 577 578 579

Unten sub „2. Der Inhalt des Schuldverhältnisses“, S. 246 ff. S. 254 ff. S. 292 ff. S. 254. S. 308 ff. S. 348 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

eine begrüßenswerte Konkretisierung580 des Rechtsmissbrauchsverbots, das seinen Ursprung in den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hat, bewirkt. Denn es werden in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB die beiden ins Verhältnis zu setzenden Größen benannt sowie auch der relevante Befreiungsmaßstab in Gestalt eines groben Missverhältnisses – gleichsam die Crux jeder Befreiungsregel –581 festgelegt. Für den von den Rechtsmissbrauchsfällen zu unterscheidenden Anwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB, dem Regelungsproblem einer „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“, nimmt die Norm hingegen eine andere Funktion wahr. Da der Schuldner für den Fall der Befreiung von der Primärpflicht keiner Schadensersatzhaftung unterläge, wird nach § 275 Abs. 2 BGB über die vollständige Befreiung des Schuldners entschieden. Indem die Vorschrift als Ausgangspunkt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse fixiert, wurde der für jeden Einzelfall durchzuführenden Interessenabwägung ein relativ enges „Korsett“ gegeben. In diesem Zusammenhang spricht Ernst582 von einer durch den Gesetzgeber vorgegebenen „thematische[n] Beschränkung“, die er als „recht gekünstelt“ kritisiert. Der Inhalt des Schuldverhältnisses, sonstige Umstände des Einzelfalls sowie auch die Gebote von Treu und Glauben seien nur insoweit von Relevanz, als sie für die in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellenden Größen beziehungsweise den Befreiungsmaßstab aufschlussreich seien; einziger „externer“ Umstand sei kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung das schuldnerische Vertretenmüssen (siehe § 275 Abs. 2 S. 2 BGB).583 Indem jedoch auch der zuletzt genannte „externe“ Umstand im Ergebnis auf den Befreiungsmaßstab einwirkt,584 hält auch er sich im Rahmen der „thematischen Beschränkung“, könnte daher gleichfalls als „interner“ Umstand bezeichnet werden. Die Kritik an der durch den Gesetzgeber festgelegten „thematische[n] Beschränkung“ vermag nicht recht zu überzeugen. Denn zum einen ist es gerade die Aufgabe des Gesetzgebers, für die schwierige Frage der Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten eine gewisse Konkretisierung herbeizuführen.585 Mit einer allgemeinen Unzumutbarkeitsregel wäre 580 Hierzu auch A. Teichmann, BB 2001, 1485, 1487, insb. mit Fn. 39 zur „Durchgangsfunktion“ des § 242 BGB, vgl. jetzt auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 60. Zu pessimistisch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 123: „Aussagegehalt dieser Normen [sc. § 275 Abs. 2 und 3] letztlich nicht viel größer als der des § 242 BGB“. 581 So die Formulierung von Ernst (in: JZ 1994, 801, 804) im Kontext des KommE. 582 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 69 (und 85). 583 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 69. 584 So auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72 f.

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dieses Ziel freilich nicht erreicht worden. Daher lenkt die in § 275 Abs. 2 BGB fixierte Verhältnismäßigkeitsprüfung die Überlegungen durchaus in geordnete Bahnen. Die beiden relevanten Größen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse, die ins Verhältnis zueinander zu setzen sind, spiegeln hierbei die zentralen Interessen von Schuldner und Gläubiger wider. Weitere Interessen können Berücksichtigung finden, wenn man die in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB verwendeten Begriffe („zuzumutenden“, „Anstrengungen“) mit in den Blick nimmt. Daneben lässt die Norm bei der Rechtsanwendung ausreichend Entscheidungsspielraum. Dafür garantiert zum einen die Wahl des unbestimmten Rechtsbegriffs „grobes Missverhältnis“ wie auch der tatbestandliche Verweis auf die Gebote von Treu und Glauben. Maßgebliche Bedeutung gewinnt auch der in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB angeführte Inhalt des Schuldverhältnisses. Ein weiterer Vorteil der angeordneten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist, dass mit dieser Festlegung gleichzeitig eine Ausschlussfunktion einhergeht. Es wird damit klargestellt, dass andere denkbare (Wert-)Verhältnisse für § 275 Abs. 2 BGB ohne Relevanz sind. Dies gilt im Besonderen für das Verhältnis von geplantem und tatsächlichem Leistungsaufwand586 wie auch für das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung587, das jedoch für § 313 BGB maßgeblich ist (Fallgruppe: schwere Äquivalenzstörung). Weiterhin ist ausweislich der Gesetzesmaterialien das Verhältnis des Leistungsaufwands zum „Vertragspreis“ (der Gegenleistung) nicht maßgeblich.588 Für das von § 275 Abs. 2 BGB erfasste Regelungsproblem des Rechtsmissbrauchs stimmt dies auch mit dem für § 275 Abs. 2 BGB bemühten „allgemeinen Rechtsgedanken“ überein.589 Hieraus folgt zugleich eine tatbestandliche Abgrenzung zwischen § 275 Abs. 2 und § 313 BGB: Das Interesse des Schuldners an einem äquivalenten Leistungsaustausch wird durch § 275 Abs. 2 BGB nicht geschützt.

585 Hierzu sogleich noch näher sub „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff. 586 Hierzu Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 44. 587 s. z. B. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 75, 105. 588 Explizit BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. Ebenso die Literatur, s. z. B. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 93; Kindl, WM 2002, 1313, 1316. Koller/ Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 52) m. weit. Nachw. sieht durch § 275 Abs. 2 BGB den „Opfergrenzen“-Theorien, die den erhöhten Aufwand des Schuldners mit dessen Eigeninteresse oder mit dem Gedanken der Schuldnerschonung abwägen, den Boden entzogen. 589 Gleichfalls mit dem dafür bemühten § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. in seiner Anwendung durch die ständige Rechtsprechung.

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§ 4 Die neue Rechtslage

2. Der Inhalt des Schuldverhältnisses a) Die geschuldete Leistung Nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen die Leistung590 verweigern. Die Verpflichtung des Schuldners zur Erbringung eben dieser Leistung ergibt sich – für den vorliegend untersuchten Bereich – aus einem vertraglichen Schuldverhältnis, namentlich dem zwischen den Parteien vereinbarten Vertrag. Die so begründete Erfüllungspflicht des Schuldners weist für den Fall überwindbarer Leistungshindernisse Grenzen auf, deren Bestimmung mithilfe von § 275 Abs. 2 BGB591 erfolgt. Voraussetzung einer solchen Grenzbestimmung ist freilich, dass zunächst eine Pflicht besteht. Logisch betrachtet ist es nicht vorstellbar, die Grenze einer Pflicht zu bestimmen, wenn eine solche überhaupt nicht existiert. In einem ersten Schritt muss demnach die vorgelagerte Frage beantwortet werden, ob und worin die geschuldete Leistung besteht.592 Ist danach die vom Gläubiger begehrte Leistung a priori gar nicht geschuldet, gibt es keine Pflicht, deren Grenze ermittelt werden könnte. So liegen die Dinge etwa in dem Fall, dass ein Patient trotz lege artis erbrachter Bemühungen des behandelnden Arztes Heilung seiner Krankheit verlangt. Der Heilungserfolg ist nach dem Behandlungsvertrag (Dienstvertrag) nicht geschuldet, womit sich eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB in Ermangelung einer entsprechenden Erfüllungspflicht von vornherein erübrigt. Eine in der Literatur vertretene Ansicht lehnt eine jenseits privatautonomer und der durch sie gedeckten gesetzlichen Gefahrenverteilung bestehende „Mehraufwandspflicht“ des Schuldners dezidiert ab, wenn ein zufallsbedingtes Hindernis die schuldnerische Leistungserbringung erschwert.593 Die Anhänger dieser Lehre ziehen jedoch nicht die nahe liegende Konsequenz, dass in Ermangelung einer „Mehraufwandspflicht“ somit auch die Erfüllungspflicht nicht (mehr) besteht,594 wenn ein entsprechendes Zufalls590

Genauer: deren Erbringung. Daneben auch § 313 BGB. 592 I. d. S. auch jüngst S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 134; ders., Neues Leistungsstörungsrecht S. 10, zust. Mückl, JURA 2005, 809, 810; vgl. jetzt auch Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 397. 593 Stellv. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1048 (zust. J. Wilhelm, DB 2004, 1599 ff.), zuletzt wieder E. Picker, FS Konzen S. 687 ff., insb. 694 ff., ganz ähnl. auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 258 f., 261, 362 und passim, dagegen Canaris, JZ 2004, 214 ff. Vgl. zu dieser Lehre im Einzelnen unten sub „a) Ablehnung einer ‚Mehraufwandspflicht‘ (Lobinger, E. Picker, J. Wilhelm)“, S. 350 ff. 591

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hindernis eintritt.595 Vielmehr wird vorgeschlagen, dem Schuldner in diesen Fällen ein Recht zur Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 2 BGB zu gewähren596 oder es wird eine Anwendung von § 275 Abs. 1 BGB597 erwogen. Namentlich Lobinger möchte ein „grobes Missverhältnis“ annehmen, sobald die zur Leistungserbringung notwendigen Anstrengungen über den obligationsmäßigen Aufwand hinausgehen.598 Wenngleich diese Lehrmeinung im Grundsatz abzulehnen ist (vergleiche zu den Gründen sogleich im Text sowie im Kontext des „groben Missverhältnisses“ sub „a) Ablehnung einer ‚Mehraufwandspflicht‘ (Lobinger, E. Picker, J. Wilhelm)“, S. 350 ff.), kann man im Einzelfall durch erläuternde Auslegung des Vertrags zu dem Ergebnis gelangen, dass die vom Gläubiger begehrte Leistung vertraglich überhaupt nicht geschuldet ist. b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung Indes lässt sich in den meisten Fällen aus dem Vertrag keine Klarheit gewinnen, ob der Schuldner beim Bestehen beziehungsweise Eintritt von überwindbaren Leistungshindernissen weiterhin zur Naturalleistung verpflichtet sein soll, etwa der Stückverkäufer die Kaufsache angesichts bestehender Hindernisse (wieder-)beschaffen muss.599 Grund hierfür ist, dass sich die Vertragsparteien bei Vertragsschluss über derartige Fragen keine Gedanken machen.600 Sie ziehen – anders etwa als mancher Jurist – „patho594 Was indes dann folgerichtig erscheinen muss, wenn man wie Picker darauf verweist, dass einer Leistungsverpflichtung die „causa“ fehle, so E. Picker, JZ 2003, 1035, 1044 [sub 3. a)], jüngst wieder ders., FS Konzen S. 687, 695 f. 595 Hingegen möchte P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 64 bei Leistungshindernissen, die nach dem Inhalt des Vertrags in die Risikosphäre des Gläubigers fallen, eine Schuldnerbefreiung nicht aus § 275 Abs. 2 BGB, sondern unmittelbar aus dem Vertrag ableiten. 596 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 258, 362 und öfter, auch Picker verweist auf die „systemkonformen Lösungen“ seines Schülers Lobinger (E. Picker, JZ 2003, 1035, 1048 mit Fn. 70). 597 So offenbar E. Picker, JZ 2003, 1035, 1040 [li. Sp., sub (2)], dem zufolge dies ein „einfacher Schluss a maiore ad minus“ ergebe, vgl. demgegenüber aber auch die vorige Fn. 598 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 258, 261, 362. 599 Ähnl. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 20 f. („keine hinreichende Klarheit“); Harke, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 29, 57 bei und mit Fn. 125; dezidiert a. A. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 179 f., 196, 204, 362 mit Fn. 7, hierzu noch unten sub „a) Ablehnung einer ‚Mehraufwandspflicht‘ (Lobinger, E. Picker, J. Wilhelm)“, S. 350 ff. 600 Zutreffend Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 76 f., s. auch bereits Wetzel, ZRP 2001, 117, 121.

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§ 4 Die neue Rechtslage

logische Fälle“ grundsätzlich nicht ins Kalkül und treffen daher für solche Fälle keine Vereinbarungen. Dies zeigt auch der von E. Picker in diesem Kontext gebildete Beispielsfall („Cabrio in Murmansk“),601 bei dem ein Cabrio für 10.000 e von V an K verkauft war, das in der Nacht vor der am Ort der Garage des V vereinbarten Übergabe trotz bester Sicherung durch V aus dessen Garage ohne dessen Verschulden gestohlen wurde und später in Murmansk wieder auftauchte. Die Rückführungskosten sollten 10.000 e betragen.602 Unklar bleibt die weitere Vorgabe, K habe den Wagen sogleich nach dem Vertragsschluss mit V an X für 20.000 e weiterverkauft.603 Möglicherweise hat das Cabrio diesen Wert, dann könnte der Kaufvertrag zwischen V und K wegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein (so genanntes wucherähnliches Geschäft); möglicherweise handelt es sich bei den 20.000 e aber um einen Liebhaberpreis, den X bereit ist zu bezahlen. Jedenfalls müsste es realitätsfremd anmuten, wenn K im Gebrauchtwagenhandel eine Gewinnspanne von 100% erzielen würde.

Picker meint, dem „Willen, den sie [sc. die beiden Vertragsparteien] im Zweifel gebildet und erklärt haben würden, hätten sie eine solche Entwicklung vorher bedacht“, entnehmen zu können, dass der Verkäufer von seiner Verpflichtung zur Leistung des Cabrios frei werde; der Verkäufer habe den nach dem Diebstahl erforderlichen Mehraufwand nicht vertraglich versprochen.604 Indes dürfte es nicht dem allein in Frage kommenden hypothetischen Willen der Vertragsparteien – und auf ihn stellt Picker ab, ohne jedoch die dabei praktizierte ergänzende Vertragsauslegung605 offen zu legen –606 entsprechen, diese hätten jegliche Beschaffungspflicht607 ausgeschlossen. Wäre der Pkw etwa nicht nach Murmansk, sondern in den nur 601 s. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036, zuletzt wieder ders., FS Konzen S. 687, 696 f., 700 f. 602 Vgl. zum Sonderproblem eines möglichen Fehlschlagens der Rückführung ausf. unten sub „(1) Ex ante ungewisser Erfolg“, S. 439 ff. 603 s. hierzu auch Canaris, JZ 2004, 214, 219 mit Fn. 52. 604 s. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036 (Hervorheb. nicht im Original). 605 s. zur Maßgeblichkeit des hypothetischen Parteiwillens für die ergänzende Vertragsauslegung stellv. H. Köhler, BGB AT § 9 Rn. 19; Rüthers/Stadler, BGB AT § 18 Rn. 28. 606 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036 spricht schlicht von „Auslegung“, unklar jüngst ders., FS Konzen S. 687, 697 mit Fn. 23: Löwisch stelle „dann“ zu Recht auf eine ergänzende Vertragsauslegung ab. 607 Damit ist nicht eine selbständige, einklagbare und vollstreckbare Beschaffungspflicht des Verkäufers gemeint; die Beschaffung ist nicht Gegenstand der Erfüllungspflicht des Verkäufers, dieser kann jedoch ungeachtet der notwendig gewordenen Beschaffung zur Übergabe und Übereignung verpflichtet bleiben, vgl. hierzu – wenngleich im Kontext des Gattungskaufs – vor allem Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht S. 12 ff. m. weit. Nachw. und jüngst zum neuen Recht Canaris, FS Wiegand S. 179, 190, 228, s. zur Frage der Zwangsvollstreckung noch unten sub „1. Zwangsvollstreckung“, S. 458 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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wenige Kilometer vom Wohnsitz des V entfernten Nachbarort verbracht worden,608 würde man dem hypothetischen Willen der Parteien durchaus entnehmen können, dass V das im Nachbarort aufgefundene Fahrzeug abzuholen hat, um es sodann an K zu übergeben.609 Damit führte eine ergänzende Vertragsauslegung nicht zur Ablehnung jedweder Beschaffungspflicht, vielmehr ginge es nur um die Ermittlung der Reichweite der Beschaffungspflicht, die bei „Platz- oder Übergabegeschäften“610 zugegebenermaßen nicht besonders weit reichen dürfte. Eben diese Frage der Reichweite der Beschaffungspflicht, im Beispiel also bis zu welcher Entfernung611 vom Wohnort des V dieser das gestohlene Fahrzeug zurückzuholen hat, wird durch die dispositive Norm des § 275 Abs. 2 BGB beantwortet. In Ermangelung von den Parteien getroffener Vereinbarungen sowie im Regelfall auch der Möglichkeit, im Wege (erläuternder)612 Auslegung eine Regelung zu gewinnen, bliebe nur der Rückgriff auf die ergänzende Vertragsauslegung613, um die Grenze der Erfüllungspflicht im Einzelfall zu ermitteln. Diese Vorgehensweise wäre durch große (Rechts-)Unsicherheiten gekennzeichnet, da das Ergebnis von einer am hypothetischen Parteiwillen, Treu und Glauben und der Verkehrssitte (§ 157 BGB) ausgerichteten Entscheidung abhinge, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hätte, keinen engen strukturellen Vorgaben unterläge sowie einer Überprüfbarkeit weitgehend entzogen wäre.614 Daher erscheint es durchaus begrüßenswert, dass die schwierige Grenzbestimmung der Erfüllungspflicht einer dispositiven615 Gesetzesnorm (sc. § 275 Abs. 2 BGB) überantwortet wurde, die der zu treffenden Entscheidung gewisse Strukturen vorgibt und die gleichzeitig aber auch die nötige Flexibilität aufweist. Der Privatautonomie, die Picker durch § 275 Abs. 2 BGB nicht respektiert sieht,616 wird dadurch 608 So die instruktive Abwandlung des Beispiels Pickers durch Löwisch, in: Staudinger (2004) § 275 Rn. 72. 609 Zutreffend Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 72. 610 s. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036; J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1600. 611 Maßgeblich ist freilich der entsprechende Kostenaufwand. 612 s. hierzu in Abgrenzung zur ergänzenden Vertragsauslegung Rüthers/Stadler, BGB AT § 18 Rn. 25 f. 613 Deren Rechtsgrundlage wird zumeist in den §§ 157, 242 BGB gesehen (str.), vgl. die Nachw. zum Streitstand bei Larenz/Wolf, AT9 § 28 Rn. 113; MünchKomm/ Mayer-Maly/Busche (2001), § 157 Rn. 26 a. E. jew. mit abweichender Auffassung. 614 Hierzu noch näher sub „a) Ablehnung einer ‚Mehraufwandspflicht‘ (Lobinger, E. Picker, J. Wilhelm)“, S. 350 ff. 615 Soweit Sachmängel im direkten Anwendungsbereich der VerbrGüterkauf-RL betroffen sind, ist § 275 Abs. 2 BGB hingegen (halb-)zwingendes Recht. 616 Vgl. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036 und passim, der auch meint, die privatautonome Gefahrenverteilung werde verdrängt (aaO., S. 1036, Überschrift B.), vgl. jüngst dens., FS Konzen S. 687, 688, 690, 695 und 702.

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§ 4 Die neue Rechtslage

hinreichend Rechnung getragen, dass § 275 Abs. 2 BGB im Tatbestand ausdrücklich auf die Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses verweist.617 Der Vertragsinhalt gewinnt insoweit zentrale Bedeutung für die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB. Dies führt im Ergebnis jedoch nicht dazu, dass die Vorschrift nur die „Merkmale“ einer ergänzenden Vertragsauslegung vorgibt,618 denn tatsächlich wird eine dispositive Gesetzesnorm angewendet und nicht eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen. Gleichwohl erfährt die Norm gewissermaßen eine „rechtsgeschäftliche Fundierung“, indem der Inhalt des Schuldverhältnisses für ihre Anwendung von zentraler Bedeutung ist. Die gesetzliche Formulierung („unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses“) nimmt sich vor diesem Hintergrund zugegebenermaßen zu zurückhaltend aus.619 Aufgrund der Existenz der dispositiven Norm des § 275 Abs. 2 BGB ist für eine ergänzende Vertragsauslegung kein Raum.620 Dies gilt auch für Versuche, die ergänzende Vertragsauslegung gleichsam „durch die Hintertür“ wieder einzuführen. Darauf dürfte indes die Überlegung621 hinauslaufen, ein grobes Missverhältnis damit zu begründen, dass sich „aus dem ‚Inhalt des Schuldverhältnisses‘ im konkreten Einzelfall [. . .] die Annahme weitgehender Beschaffungspflichten verneinen“622 lässt. Man darf nämlich nicht die als zu hoch empfundene Befreiungsschwelle durch eine inzidente ergänzende Vertragsauslegung absenken. Die Methodenehrlichkeit gebietet, besondere Umstände bei der Anwendung der Norm – soweit möglich – ins 617 Hierzu auch Canaris, JZ 2004, 214, 218 [re. Sp., sub 3. b)], 220 [re. Sp., sub III. 1.] und 224 [li. Sp.]. 618 So könnte man die Ausführungen von Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 72 (zust. jüngst T. Härle, Inhalt und Grenzen der Leistungspflicht S. 182 bei und mit Fn. 694, 184 f.) deuten. 619 Insoweit zu Recht krit. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1037 (li. Sp., sub II.): „lediglich ein Entscheidungskriterium“, zuletzt ders., FS Konzen S. 687, 688: „nur einen der Gesichtspunkte“, Hervorheb. jew. im Original; s. auch J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1604. 620 Im Kontext von § 275 Abs. 2 BGB Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 77 und 79, s. allgemein BGHZ 137, 153, 157; 90, 69, 75; 40, 91, 103; Ehricke, RabelsZ 60 (1996), 661, 679 f.; Flume, BGB AT II § 16, 4 b) (S. 325); H. Köhler, BGB AT § 9 Rn. 17 f., differenzierend Larenz/Wolf, AT9 § 28 Rn. 109 ff.; a. A. für § 275 BGB Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 3. Streitig ist weiterhin, ob es sich bei „ergänzender Vertragsauslegung“ nicht tatsächlich um (Vertrags-)Rechtsfortbildung handelt, dafür etwa Ehricke, RabelsZ 60 (1996), 661, 669 (und 690); MünchKomm/Mayer-Maly/Busche (2001), § 157 Rn. 26 jew. m. weit. Nachw. zum Streitstand. 621 I. d. S. wohl Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/Dötsch, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 25, S. 58. 622 Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/Dötsch, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 25, S. 58.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Gewicht fallen zu lassen oder die Vorschrift gegebenenfalls für bestimmte Fälle (namentlich solche mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens) erweiternd auszulegen oder einer Rechtsfortbildung zu unterziehen. Dafür bedarf es jedoch der Erfüllung der notwendigen Erfordernisse, die zu begründen wären. Nur wenn sich aus dem Vertrag ohne Rekurs auf die ergänzende Vertragsauslegung Vereinbarungen ergeben,623 genießen diese Vorrang vor dem dispositiven Gesetzesrecht. Vereinbaren die Parteien etwa, der Schuldner sei bei Eintritt eines befürchteten Hindernisses zu keinerlei Mehraufwand verpflichtet, ist die Leistung beim Eintritt dieses Leistungshindernisses von vornherein nicht geschuldet, eine Berufung auf ein Leistungsverweigerungsrecht wäre entbehrlich.624 Sollten im Einzelfall konkrete Grenzen eines möglichen Mehraufwands im Vertrag festgelegt worden sein, gilt Entsprechendes, sobald der Mehraufwand die vereinbarte Grenze überschreitet. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass den Schuldner grundsätzlich die Pflicht zur Überwindung bei Vertragsschluss bestehender oder später eintretender Leistungshindernisse trifft, der (Stück-)Verkäufer mithin die Kaufsache (wieder-)beschaffen muss. Die Reichweite dieser Beschaffungspflicht bestimmt sich nach der dispositiven Gesetzesnorm des § 275 Abs. 2 BGB625, für deren Anwendung der Vertragsinhalt von zentraler Bedeutung ist. Für eine ergänzende Vertragsauslegung ist neben § 275 Abs. 2 BGB kein Raum. Nur wenn die Vertragsparteien ausnahmsweise konkrete Vereinbarungen für Leistungshindernisse getroffen haben, genießen diese Vorrang im Verhältnis zum dispositiven Gesetzesrecht. c) Das Schuldverhältnis als Ausgangspunkt Der Inhalt des Schuldverhältnisses hat für die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB zentrale Bedeutung.626 So können die für § 275 Abs. 2 S. 1 623 Brehm, JZ 1987, 1089, 1092 zog – wenngleich im früheren Recht unter umgekehrten Vorzeichen – eine ergänzende Vertragsauslegung neben dispositiven Normen zumindest bei einer „atypischen Interessenlage“ in Betracht. 624 Daher muss auch das Ergebnis von Lobinger (Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 258, 362) etwas inkonsequent erscheinen, der auf der einen Seite eine „Mehraufwandspflicht“ desavouiert, andererseits jedoch eine Berufung des Schuldners auf § 275 Abs. 2 BGB verlangt – möglicherweise wurde diese Inkonsequenz aber zur Erreichung einer „systemkonformen Lösung“ in Kauf genommen. 625 Daneben auch § 313 BGB, (§ 275 Abs. 3 BGB analog). 626 Besonders betont wird die Bedeutung des konkreten Inhalts des Schuldverhältnisses zu Recht von U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 563. Vgl. auch Canaris, JZ 2004, 214, 218 [re. Sp., sub 3. b)]: „darf keinesfalls als Leerformel abgetan werden“; ders., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 20, vgl. zum Parteiwillen auch dens.,

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§ 4 Die neue Rechtslage

BGB relevanten Größen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse nicht ohne Rückgriff auf das zugrunde liegende Schuldverhältnis bestimmt werden. Weiterhin müssen der Inhalt des Schuldverhältnisses und die sich daraus ergebenden Pflichten bekannt sein, um die Frage beantworten zu können, ob dem Schuldner ein Vertretenmüssen zum Vorwurf gemacht werden kann, sei es, dass er ein (nachträgliches) Leistungshindernis zu vertreten hat, oder sei es, dass er seine Unkenntnis von einem vertragsanfänglichen Hindernis zu vertreten hat. Dabei setzt etwa ein Verschulden voraus, dass der Schuldner im Widerspruch zu seinen Vertragspflichten fahrlässig oder vorsätzlich handelt. Im Einzelfall kann bei dieser Prüfung auch relevant werden, dass die Parteien vertraglich einen milderen oder strengeren Haftungsmaßstab vereinbart haben. Darüber hinaus hat nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB auch die Feststellung des groben Missverhältnisses „unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses“ zu erfolgen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs („grobes Missverhältnis“) für den konkreten Einzelfall hängt damit auch wesentlich627 vom Vertragsinhalt ab.628 d) Vertragliche Risikoübernahmen Weiterhin kann der Schuldner nach dem Inhalt des Vertrags ein bestimmtes Risiko übernommen haben. In der Praxis häufig ist die Übernahme eines Beschaffungsrisikos. Beim (marktbezogenen) Gattungskauf, bei dem sich der Verkäufer zur Lieferung eines beliebigen Stücks mittlerer Art und Güte aus der vereinbarten Gattung (§ 243 Abs. 1 BGB) verpflichtet, übernimmt der Verkäufer das Risiko für unerwartete und unverschuldete Beschaffungshindernisse;629 denkbar – wenngleich eher selten –630 ist eine Risikoübernahme auch beim Stückkauf. Soweit ein erhöhter Leistungsaufwand durch ein Hindernis bedingt ist, das in den Bereich des vom Schuldner übernommenen Risikos fällt, sich mithin ein typisches Beschaffungsrisiko realisiert, JZ 2004, 214, 220 [re. Sp., sub III. 1.] und 224 [li. Sp.]; s. bereits dens., JZ 2001, 499, 502 f., anders MünchKomm/Busche (2005), § 635 Rn. 32 a. E. („nur ergänzende Gesichtspunkte untergeordneter Art“). 627 Konträrer Auffassung jedoch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 59, ähnl. wie hier Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 53). 628 s. hierzu auch sogleich noch im Text. 629 Dies ergibt sich genau genommen unabhängig von § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 2 BGB schon aus dem Inhalt der Leistungspflicht, s. Palandt65 /Heinrichs, § 276 Rn. 31 und bereits Larenz, SAT § 21 I d (S. 316) zu § 279 BGB a. F., vgl. jüngst auch Canaris, FS Wiegand S. 179, 181, 190, nach dem die Übernahme eines Beschaffungsrisikos i. S. von § 276 Abs. 1 BGB allein für die Sekundäransprüche – vor allem auf Schadensersatz (statt der Leistung) – von Bedeutung sein soll (aaO., S. 190 f., 219 f.). 630 Vgl. etwa das Beispiel von Medicus, SAT12 Rn. 348.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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wird ein grobes Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB in aller Regel abzulehnen sein.631 Entsprechendes gilt für das vom Werkunternehmer übernommene Herstellungs- beziehungsweise Erfüllungsrisiko632.633 Einzug erhält die Übernahme eines Beschaffungs- oder Herstellungsrisikos in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB über den gemäß § 275 Abs. 2 S. 1 BGB für erheblich erklärten Inhalt des Schuldverhältnisses.634 Diese „Einbruchstelle“ ist vorzugswürdig gegenüber der für Beschaffungsrisiken denkbaren Überlegung, der Schuldner habe das Leistungshindernis zu vertreten, § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 2 i. V. mit § 275 Abs. 2 S. 2 BGB635. Letzterer Umstand gewinnt jedoch für Sonderfälle, in denen eine Befreiung von der Primärpflicht aufgrund eines innerhalb des übernommenen Risikos liegenden Leistungshindernisses ausnahmsweise in Betracht zu ziehen ist, insofern Bedeutung, als damit jedenfalls eine alternative Sekundärhaftung begründet wäre, es mithin um das Regelungsproblem einer „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ geht.636 Derartige Sonderfälle sind indes überhaupt nur denkbar, wenn das Interesse des Gläubigers nicht parallel zum Aufwand ansteigt (so aber etwa typischerweise in Fällen von Preissteigerungen); für diese Fälle bliebe allenfalls ein Rückgriff auf § 313 BGB.637 Nur wenn gerade dem Schuldner die Beschaffung enorme Kosten verursachte, etwa weil er einen erschwerten Zugang zu den Beschaffungsmärkten hat, könnte eine Ausnahme erwogen werden,638 doch ist angesichts der Risikoübernahme insoweit starke Zurückhaltung geboten. 631

s. zu Nachw. unten sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff. So oftmals die Bezeichnung der Rechtsprechung, s. z. B. BGH, NJW 1996, 3269, 3270; BGH, NJW-RR 2002, 661, 663 sub IV. 2. a) (4). 633 s. zu Nachw. unten sub „(b) Herstellungsrisiko beim Werkvertrag“, S. 412 f. 634 So etwa P. Huber, in: Mainzer Runde 2001 S. 11; Kindl, WM 2002, 1313, 1316; vgl. auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 97, 108, 114, dem zufolge „die in § 275 II S. 2 [BGB] zur Klarstellung ausdrücklich erwähnte Bedeutung des Vertretenmüssens ein Teilaspekt des ‚Inhalts des Schuldverhältnis[ses]‘ ist“ (aaO., S. 97), s. aber auch dens., aaO., S. 100 und 113, wo § 275 Abs. 2 S. 1 BGB unerwähnt bleibt und wo sich zudem der parenthetische Hinweis findet, ein vom Schuldner übernommenes Beschaffungsrisikos lasse sich „auch“ (Hervorheb. nicht im Original) beim Tatbestandsmerkmal „Inhalt des Schuldverhältnisses“ verorten (aaO., S. 113). 635 So aber S. Lorenz/Riehm, Rn. 313; Looschelders, SAT Rn. 478; S. Meier, JURA 2002, 187, 193, Reischl, JuS 2003, 453, 454. 636 Dazu noch näher sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff. Zusätzlich kann zu Ungunsten des Schuldners Berücksichtigung finden, dass ihn ein Verschulden (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) trifft, hierzu aaO. 637 Hierzu unten sub „(5) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 408 ff. sowie „C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB“, S. 475 ff. 632

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§ 4 Die neue Rechtslage

3. Die Gebote von Treu und Glauben Soweit § 275 Abs. 2 BGB zur näheren Konkretisierung des Rechtsmissbrauchsverbots dient, kommt der tatbestandlichen Erwähnung der Gebote von Treu und Glauben in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB keine besondere Bedeutung zu. Für den von § 275 Abs. 2 BGB erfassten Anwendungsbereich jenseits des Rechtsmissbrauchs erweist sich der Verweis auf die Gebote von Treu und Glauben als nützlich, wenngleich sich deren Erheblichkeit auch insoweit ohne eine explizite Nennung von selbst verstehen dürfte. Zur Lösung bestimmter Sonderfälle lässt sich an die im Tatbestand angeführten Gebote von Treu und Glauben anknüpfen. Denkbar ist der Rückgriff auf die Gebote von Treu und Glauben etwa für den Fall, dass der Gläubiger ein Leistungshindernis (mit-)verursacht hat.639 4. Leistungsaufwand des Schuldners a) Grundsätzliches (1) Die Begriffe des Aufwands und der Anstrengungen Der „Aufwand, den die Leistung erfordert“ (im Folgenden: Leistungsaufwand), bildet die eine der beiden für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB relevanten Größen. Im anschließenden Satz 2 spricht das Gesetz dann von „dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen“. Darin sehen die Gesetzesverfasser offenbar lediglich eine Klarstellung: Die bewusste Wahl des Begriffs „Anstrengungen“ mache deutlich, dass „Aufwand“ neben Aufwendungen in Geld auch „Tätigkeiten und ähnliche persönliche Anstrengungen“ erfasse.640 Soweit vermögenswerte Tätig638 Vgl. hierzu Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 52) sowie Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 15 f. 639 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 88; P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 50 ff., ferner Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 153 ff., insb. 156: bei allein oder weit überwiegend vom Gläubiger verursachten Leistungshindernissen sei der Schuldner zu keinerlei Aufwendungen zur Überwindung des Hindernisses verpflichtet; jüngst auch Löhnig, ZGS 2005, 459, 462. Vgl. zur von beiden Seiten zu vertretenden Unmöglichkeit vor allem Canaris, FS E. Lorenz S. 147 ff.; Gruber, JuS 2002, 1066 ff.; Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 226 ff.; Rauscher, ZGS 2002, 333 ff.; Rüßmann, FS E. Schmidt S. 279 ff.; Stoppel, JURA 2003, 224 ff., s. zum alten Recht Faust, JuS 2001, 133 ff.; U. Huber, LS II § 57 (S. 738 ff.), insb. § 57 II (S. 740 ff.); Looschelders, JuS 1999, 949 ff.; ausf. Reinhard, Die beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit im Synallagma (dort auch zum KommE, aaO., S. 211 ff.). 640 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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keiten betroffen sind, hätte es einer Klarstellung indessen nur dann bedurft, wenn der Tatbestand – wie in §§ 439 Abs. 3, 635 Abs. 3 BGB – auf die „Kosten“ der Leistungserbringung abgestellt hätte. Da jedoch der Begriff Aufwand gewählt wurde, versteht sich die Erfassung von Tätigkeiten bereits ohne „Klarstellung“ von selbst. Unter dem Begriff Aufwendungen641, der dem Begriff Aufwand entsprechen dürfte,642 verstehen nämlich Rechtsprechung und Lehre die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten für die Interessen eines anderen,643 worunter grundsätzlich auch Arbeitsleistungen fallen sollen, soweit diesen – wie regelmäßig – ein Vermögenswert beizumessen ist. Dem Begriff „Anstrengungen“ haftet im Unterschied644 zu dem objektiv geprägten Aufwandsbegriff etwas Subjektives an, das gerade auch die individuelle Lage des konkreten Schuldners in den Blick zu nehmen scheint. Es ist möglich, unter den Begriff der Anstrengungen individuelle Belange des Schuldners zu subsumieren, wodurch seiner persönlichen Situation wie möglicherweise auch immateriellen Nachteilen Rechnung getragen werden könnte. Dies stünde auch in Einklang mit dem Hinweis der Gesetzesverfasser, die explizit die Erfassung „anderer persönlicher Anstrengungen“ befürworten. Zur Vermeidung begrifflicher Unstimmigkeiten erscheint es indes vorzugswürdig, Aufwand und Anstrengungen zu trennen. Persönliche Anstrengungen sollten daher, jedenfalls soweit ihnen kein Vermögenswert zukommt, nicht dem Aufwand zugeschlagen werden.645 Zum Zwecke der Vereinfachung wird im Folgenden der Begriff Leistungsaufwand verwendet. Damit ist in erster Linie Aufwand (Geldaufwand und vermögenswerte Tätigkeiten) gemeint, daneben werden aber auch etwaige „Anstrengungen“ des Schuldners erfasst. 641 s. vor allem §§ 251 Abs. 2, 651c Abs. 2 S. 2 BGB (früher zudem § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.), daneben auch § 2170 Abs. 2 S. 2 BGB. §§ 439 Abs. 3 S. 1, 635 Abs. 3 BGB verwenden in Anlehnung an Art. 3 Abs. 3 Uabs. 2, Abs. 4 der VerbrGüterkauf-RL den Begriff „Kosten“ (hierzu im Kontext von § 439 Abs. 2 RegE bereits Jorden/Lehmann, JZ 2001, 952, 959 mit Fn. 68). Unter Aufwendungen sollen im Unterschied zum Begriff Kosten etwa auch „zeitlicher Aufwand“ (so Krebs, DB 2000, Beil. zu Heft 48, S. 1, 19) bzw. „zeitliche Unzuträglichkeiten“ (so H. P. Westermann, in: Schulze/Schulte-Nölke S. 109, 125) subsumierbar sein, beide noch zu § 439 Abs. 3 S. 1 DiskE. 642 So auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 82. Löwisch, NZA 2001, 465 geht davon wie selbstverständlich aus. 643 s. z. B. BGH, NJW 1989, 2816, 2818; BGHZ, 59, 328, 329 f.; Palandt65 /Heinrichs, § 256 Rn. 1; MünchKomm/Krüger (2003), § 256 Rn. 2. 644 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 543 mit Fn. 48 sieht dagegen keine Unterschiede („Gemeint ist immer das Gleiche“). 645 Anders scheint es jedoch in den Gesetzesmaterialien unterschwellig anzuklingen, ebenso etwa Looschelders, SAT Rn. 475.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Für den hier im Vordergrund stehenden Sachkauf kommen als Aufwand etwa in Betracht: Kosten für die (Wieder-)Beschaffung der Kaufsache (z. B. Bergungskosten, Kosten für die Suche nach dem Dieb, Zahlung einer „Ablösesumme“ an einen verfügungsberechtigten und -willigen Dritten, eigene Aufwendungen zur Beschaffung wie das Tauchen nach dem Ring oder die Suche nach dem Dieb); die Kosten eines Transports der Kaufsache zum Käufer auf Umwegen (wie etwa bei Sperrung des ursprünglich geplanten Transportwegs). (2) Distinktion „Normalaufwand“ und „Mehraufwand“ Der Leistungsaufwand i. S. von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB bemisst sich, wie sogleich646 zu zeigen sein wird, nach dem Gesamtaufwand, der zur Erbringung der vertraglichen Leistung erforderlich ist. Dieser Gesamtaufwand lässt sich aufspalten in den Normalaufwand 647 – das ist derjenige Aufwand, der ohne Eintritt eines Leistungshindernisses zur Erbringung der Vertragsleistung durch den Schuldner erforderlich ist beziehungsweise wäre – und den durch ein Leistungshindernis bedingten zusätzlichen Aufwand (kurz: Mehraufwand). Bei der Abgrenzung von Normal- und Mehraufwand treten in manchen Fällen Schwierigkeiten auf. So kann die Erbringung der Vertragsleistung durch ein Leistungshindernis aufwendiger werden, ohne dass dabei der leistungshindernisbedingte Mehraufwand offen zu Tage träte.648 Dann muss – so dies für die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB ausschlaggebend ist – eine Abgrenzung erfolgen, indem anhand der Parteivorstellungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der ursprünglich geplante Aufwand (Normalaufwand) ermittelt wird;649 der Mehraufwand besteht dann in der Differenz aus dem Gesamtaufwand und dem Normalaufwand. Relevant wird diese Unterscheidung jedoch erst bei der Gewichtung einzelner Aufwandsposten, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage des Vertretenmüssens (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB),650 aber auch im Kontext vertraglicher Risikoübernahmen. 646

Sub „(2) Gesamtaufwand“, S. 257 ff. Auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 spricht diesbezüglich von „de[m] ‚normalen‘ zur Leistungserbringung erforderlichen Aufwand“. 648 Beispielsweise steigen die Gestehungskosten des Schuldners: Das Leistungshindernis liegt dann darin, dass die Leistungserbringung teurer wird als bei Vertragsschluss vorausgesetzt. 649 So P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44, der indes ein solches Vorgehen angesichts der von ihm befürchteten ganz erheblichen Erschwerung der Rechtsanwendung ablehnt. 650 Dazu ausf. unten sub „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff. 647

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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b) Umfang und Bestimmung im Einzelnen (1) Maßgeblicher Bestimmungszeitpunkt Für die Bestimmung des Leistungsaufwands ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess maßgeblich.651 Denn es geht darum, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung der bis dahin eingetretenen Leistungshindernisse noch zur Leistung verpflichtet ist.652 Hinsichtlich des zukünftig noch zu erbringenden Aufwands hat die Aufwandsbestimmung prognostischen Charakter. (2) Gesamtaufwand § 275 Abs. 2 S. 1 BGB spricht von dem Aufwand, den die Leistung erfordert. Damit ist der gesamte Aufwand, der zur schuldnerischen Leistungserbringung erforderlich ist, gemeint.653 Der relevante Leistungsaufwand erschöpft sich demnach nicht im hindernisbedingten Mehraufwand. Dafür spricht zunächst der Wortlaut von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB, der eine wie auch immer geartete Einschränkung des Leistungsaufwands nicht erkennen lässt. Den gesamten Leistungsaufwand zugrunde zu legen, gebietet ferner auch die zweite in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB angeführte Größe, namentlich das Interesse des Gläubigers an der Leistung. Wenn auf Seiten des Gläubigers dessen gesamtes Interesse an der Leistung in die Waagschale geworfen wird,654 kann im Interesse einer Gleichbehandlung beider Seiten („Spiegelbildgedanke“) auf Schuldnerseite nichts anderes gelten. Eine davon erheblich abweichende Verhältnismäßigkeitsprüfung führt U. Huber durch. Er setzt nämlich bei vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen nur den über den „Schadensersatz wegen Nichterfüllung [. . .] hinausgehende[n] Mehraufwand [. . .] mit dem Vorteil, den der Gläubiger zu erwarten hat, wenn er nicht in Geld entschädigt wird, sondern wenn er die Leistung ‚in Natur‘ erhält“, ins Verhältnis.655 Diese Vorgehensweise erscheint 651 Vgl. Emmerich, Leistungsstörungsrecht5 § 3 III 3 b bb (S. 40); MünchKomm/ Ernst (2003), § 275 Rn. 84; P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 33; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 41; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 87, 89, 122, 178. 652 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 33. 653 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 34; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 86, 89, 121, 178; Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 57; Erman11 / H. P. Westermann, § 275 Rn. 25, nur im Grundsatz gleich MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 83 (zu den in Rn. 84 gemachten Einschränkungen sogleich im Text), anders U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 561, auch dazu sogleich im Text. 654 Hierzu mit Begründung unten sub „5. Leistungsinteresse des Gläubigers“, S. 292 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

– abgesehen von Zweifeln an ihrer Praktikabilität – jedoch mit dem Gesetz kaum vereinbar: Der Leistungsaufwand soll nicht auf die Differenz zwischen dem eigentlichen gesamten Leistungsaufwand und dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung (fortan: Schadensersatz statt der Leistung)656 beschränkt werden; gleichzeitig soll sich auch das Leistungsinteresse nicht in der Differenz zwischen der Lage bei Erfüllung und derjenigen bei „bloßer“ Schadensersatzleistung erschöpfen. Sie dürfte überdies nicht mit der Praxis der Rechtsprechung zum „allgemeinen Rechtsgedanken“ (ebenso wenig derjenigen Praxis zu den diesem Rechtsgedanken zugrunde liegenden Normen, insbesondere § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.) überstimmen, die für einen Teilbereich des § 275 Abs. 2 BGB Pate stand. Nicht zuletzt würde U. Huber von seiner eigenen Handhabung zum früheren Recht abweichen.657 Weiterhin ist der Leistungsaufwand i. S. von § 275 Abs. 2 BGB auch nicht auf die zukünftigen, das heißt die nach dem maßgeblichen Bestimmungszeitpunkt im Prozess658 noch zu tätigenden Aufwendungen zu beschränken.659 Dafür spricht unter anderem, dass die Vorschrift auch für vertragsanfängliche Leistungshindernisse gilt. Bei diesen aber wird es oftmals so sein, dass der Schuldner unter dem Eindruck des bestehenden Hindernisses vor dem maßgeblichen Bestimmungszeitpunkt im Prozess noch keine Leistungsbemühungen angestrengt hat, so dass noch der gesamte Aufwand nach dem benannten Zeitpunkt zu leisten und damit auch zu veranschlagen wäre. Bei nachträglichen Leistungshindernissen hingegen hat der Schuldner oftmals bereits vor dem Bestimmungszeitpunkt Aufwendungen getätigt, so dass für § 275 Abs. 2 BGB nur noch die Restaufwendungen in Ansatz zu bringen wären. Für die dabei zu befürchtende Ungleichbehandlung zwischen anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen fehlt es an einer Rechtfertigung. Darüber hinaus wird durch Veranschlagung des Gesamtaufwands auch die drohende Gefahr für den Schuldner, dass er bei Eintritt weiterer Leistungshindernisse immer weiter „nachschießen“ müsste, abgewendet.660 655

U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 561 (Hervorheb. nicht im Original), anders aber wohl ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 39. Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 16 geht von einer „Abwägung des Zusatzaufwands gegen das Leistungsinteresse des Gläubigers“ aus. 656 Hierzu BT-Drucks. 14/6040, S. 136 f., gegen eine Identität der Wendungen Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Schadensersatz statt der Leistung, mithin gegen eine lediglich begriffliche Präzisierung jedoch Hellwege, Die §§ 280 ff. BGB S. 30 ff., 100 f. 657 s. etwa U. Huber, LS II § 59 II 3 (S. 815); dens., FS Gaul S. 217, 243, zum Ganzen auch oben sub „b) Unverhältnismäßigkeit bei H. H. Jakobs und U. Huber“, S. 239 ff., insb. bei Fn. 568 (S. 241 f.). 658 Der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. 659 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 36 mit eingehender Begründung. 660 Hierzu mit Beispielen P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 36.

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Eine gewisse Einschränkung wird in diesem Zusammenhang von Ernst661 vorgeschlagen: Die vor dem maßgeblichen Bestimmungszeitpunkt bereits getätigten Aufwendungen sollen in der Regel zum Leistungsaufwand zu rechnen sein, soweit diese für sich genommen werthaltig sind (1) und entweder für die Leistungserbringung bestimmt bleiben (2a) oder aber zurückbehalten und anderweitig verwertet werden können (2b); dieser Restwert gehöre zum erforderlichen Aufwand, wenn und soweit der Schuldner ihn zur Leistungsbewirkung einsetzen müsse (3). Soweit zurückliegende Aufwendungen nicht mehr werthaltig vorhanden seien, sollen deren Kosten keine Rolle mehr spielen.662 Eine solche Einschränkung ist jedoch vom Wortlaut der Vorschrift nicht angezeigt. § 275 Abs. 2 S. 1 BGB spricht von dem Aufwand, den die Leistung erfordert. Dieser Begriff ist nicht rein objektiv zu verstehen. Vielmehr können Aufwendungen selbst dann als erforderlich in diesem Sinne gelten, wenn sie zwar nicht mehr werthaltig sind, aber dem Schuldner zur Zeit ihrer Vornahme als erforderlich erscheinen durften.663 Gegen das Bestreben, (zeitlich) zurückliegende Aufwendungen unter Umständen nicht oder nur eingeschränkt zu berücksichtigen, spricht zudem der damit bewirkte negative Anreiz: Muss der Schuldner nämlich fürchten, dass seine Aufwendungen, die er vor der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess tätigt, nicht zur Begründung eines groben Missverhältnisses herangezogen werden, so wird er im Zweifel bis zum maßgeblichen Bestimmungszeitpunkt eher keine Leistungsbemühungen unternehmen. Dies dürfte jedoch nicht im Interesse des Gläubigers liegen, der Naturalleistung begehrt. (3) Erforderlichkeit des Aufwands Nach § 275 Abs. 2 BGB wird derjenige Aufwand in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingestellt, den die Leistung „erfordert“. In erster Linie ist dies der tatsächlich erforderliche Aufwand. Soweit der Schuldner einen zur Leistungserbringung ex post betrachtet nicht erforderlichen Aufwand betreibt,664 kann dieser nur dann als „erforderlich“ gelten und damit dem Schuldner im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB zugute kommen, wenn der Schuldner den Aufwand aus ex ante-Sicht für erforderlich halten durfte.665 661 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 84, vgl. zu rechtsökonomischen Überlegungen – Nichtberücksichtigung so genannter „sunk costs“ – Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 132, i. Erg. jedoch abl. 662 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 84. 663 Hierzu sogleich sub (3). 664 Beispielsweise lässt der Schiffsverkäufer nach einem untergegangenen Schiff in der Nordsee tauchen, obgleich das Schiff in der Ostsee gesunken ist.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Die dabei an den Schuldner zu stellenden Sorgfaltsanforderungen ergeben sich aus dem jeweiligen zugrunde liegenden Schuldverhältnis; insoweit ist ein objektivierter Maßstab maßgeblich. Fehlt dem Schuldner die notwendige Fachkenntnis, muss er gegebenenfalls sachkundige Dritte heranziehen beziehungsweise Experten zur Überwindung des Leistungshindernisses einsetzen, um das Betreiben unnützen Aufwands zu vermeiden. Letzteres ähnelt einer Obliegenheit des Schuldners, bei deren Zuwiderhandlung er insofern einen Rechtsverlust erleidet, als er unnützen Aufwand zur Begründung eines groben Missverhältnisses nicht geltend machen kann. Nur den objektiv erforderlichen Aufwand einzubeziehen, wäre nicht sachgerecht. Soweit die mangelnde Erforderlichkeit beziehungsweise Nutzlosigkeit des Aufwands für den Schuldner bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war, muss er sich auf den betriebenen Aufwand berufen können. Darüber hinaus hat sich der Gläubiger den Schuldner als Vertragspartner ausgewählt und muss daher auch dessen etwaiges Fehlverhalten, das nicht bereits eine Obliegenheitsverletzung im eben beschriebenen Sinne darstellt, in Kauf nehmen. Hinzuweisen ist hierbei noch auf eine im ersten Moment etwas seltsam anmutende Verschiedenbehandlung: Führt der Schuldner ein Leistungshindernis fahrlässig oder gar vorsätzlich herbei, so kann er sich – wenngleich im letzteren Fall nur in ganz erheblich reduziertem Maße – bei § 275 Abs. 2 BGB auf den zur Beseitigung dieses Hindernisses erforderlichen Aufwand berufen. Betreibt er hingegen zur Überwindung eines bestehenden Hindernisses lediglich „fahrlässig“ nicht erforderlichen (unnützen) Aufwand, kann er sich auf diesen überhaupt nicht berufen. Der Grund liegt darin, dass es einerseits um die schuldhafte Herbeiführung eines Leistungshindernisses geht, während andererseits die „schuldhafte“ Betreibung unnützen Aufwands zur Beseitigung eines bestehenden Hindernisses inmitten steht. (4) Geldaufwand Zumeist hat der Schuldner Geld aufzuwenden, um Leistungshindernisse zu überwinden beziehungsweise die Leistung erbringen zu können. So muss er etwa zur Beschaffung des Kaufgegenstands den geforderten Kaufpreis bezahlen oder – wenn er den geschuldeten Leistungsgegenstand an einen Dritten veräußert hat –, diesem zum Zwecke des Rückerwerbs eine Geldzahlung anbieten. Dem Schuldner können ferner dadurch Kosten entstehen, dass er Dritte einschalten muss, um bestimmte Leistungen zu erbringen, z. B. die Transportkosten für eine erschwerte Anlieferung des Leistungs665 s. auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 35, anders offenbar – jedoch ohne Begründung – Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 41.

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gegenstands wegen Sperrung eines Kanals und dergleichen. Soweit die Leistung hingegen nach dem Vertrag durch den Schuldner selbst beziehungsweise dessen Personal sowie unter Rückgriff auf eigene Sachmittel zu erbringen war, kann er nicht die (meist höheren) Kosten für die Einschaltung Dritter in Ansatz bringen, sondern nur seine Selbstkosten. (5) Tätigkeiten Soweit der Schuldner zur Leistungserbringung notwendige Tätigkeiten durch Dritte vorzunehmen berechtigt und verpflichtet ist, kann er die dabei entstehenden Kosten als Geldaufwand in Ansatz bringen. Erbringt er Tätigkeiten hingegen selbst oder zumindest mit eigenen Mitteln (Personal, Sachmittel etc.), darf er nur die Selbstkosten geltend machen. Er ist nicht befugt, den üblicherweise zu erzielenden Gewinn einzubeziehen.666 Der Gewinn gehört nicht zum Aufwand i. S. von § 275 Abs. 2 BGB. Dies steht im Einklang mit der Bestimmung des Beschaffungsaufwands: Dabei ist auch nur der vom Schuldner aufzubringende Einkaufspreis anzusetzen, nicht hingegen der einen Gewinn einschließende Weiterverkaufspreis. Für die Wertbestimmung der eigenen Arbeitsleistungen des Schuldners zur Überwindung eines Leistungshindernisses bietet das Entgelt (Lohn oder Gehalt), das ein in beruflich abhängiger Stellung Tätiger für die betreffende Tätigkeit zu beanspruchen hätte, einen Anhaltspunkt;667 der Wert wäre gegebenenfalls nach § 287 ZPO zu schätzen.668 Die Art und Höhe des Lohns oder Gehalts hinge davon ab, worin die Tätigkeit besteht und welche Kenntnisse sie im Einzelnen erfordert. Beim Einsatz betrieblicher Mittel wäre der Aufwand nach den tatsächlichen Personalkosten (Löhne und Gehälter für Arbeitnehmer) des Schuldners sowie Sachaufwand (wie etwa Materialkosten) zuzüglich eines Gemeinkostenzuschlags669 zu bemessen. Soweit sich ein Vermögenswert für Tätigkeiten oder dergleichen nicht ermitteln lassen sollte, können sie gleichwohl als Anstrengungen (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB) in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einbezogen werden. 666 So wohl auch Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 81. Im Kontext von § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. stellte BGHZ 96, 111, 112 und 124 auf die Selbstkosten des Unternehmers ab, anders offenbar BGH, NJW 1995, 1836, 1837 sub III. 3., dem – soweit die Marktpreise einen Gewinn beinhalten – nicht zu folgen ist. 667 Ob der Arbeitskraft des Schuldners als solcher ein Wert beizumessen ist (sehr umstr. im Schadensrecht), ist hierbei irrelevant, da die Wertbestimmung bei § 275 Abs. 2 BGB nicht ausfallbezogen, d. h. nicht unter Zugrundelegung des schadensrechtlichen Gesichtspunkts des Ausfalls der Arbeitskraft, erfolgt. 668 Vgl. im Zusammenhang mit § 637 BGB Palandt65 /Sprau, § 637 Rn. 7 m. weit. Nachw. 669 Vgl. hierzu – wenngleich im Kontext von § 637 BGB – MünchKomm/Busche (2005), § 637 Rn. 10 m. weit. Nachw.

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§ 4 Die neue Rechtslage

(6) Konkret-individuelle Aufwandsbestimmung am Beispiel der Planungskonformität Ein schwieriges Problem stellt sich, wenn die Leistungserbringung zwar unter Einsatz von Eigenmitteln des Schuldners vorgesehen ist, er jedoch in Ermangelung freier (zumeist) betrieblicher Kapazitäten diese nicht oder zumindest nicht ohne weiteres einzusetzen vermag. Einerseits könnte man für diesen Fall den Mangel an Kapazitäten unberücksichtigt lassen und seine üblichen Selbstkosten ansetzen (abstrahierende objektive Betrachtungsweise)670. Alternativ bestünde die Möglichkeit, den beim Schuldner bestehenden Mangel an Kapazitäten zu berücksichtigen (konkret-individuelle Betrachtungsweise). Ist der Schuldner nach dem Vertrag verpflichtet, auch Dritte heranzuziehen,671 wären die (regelmäßig über den Selbstkosten liegenden) Marktpreise als Aufwand anzusetzen. Andernfalls, wenn der Schuldner also nicht zur Einschaltung Dritter verpflichtet ist, könnten Zusatzkosten wie etwa höhere Personalkosten (infolge notwendiger Überstundenzuschläge oder kurzzeitige Beschäftigung einer Zeitarbeitskraft) zu seinen Gunsten in den Leistungsaufwand einbezogen werden. So die Leistungserbringung durch den Schuldner beziehungsweise sein Personal zeitweilig vollständig ausgeschlossen ist, müsste man erwägen, auch eine etwaige Belastung des Schuldners mit einem Verzögerungsschaden zu berücksichtigen.672 Nach dieser Auffassung wäre ein grobes Missverhältnis eher erreicht, da der Leistungsaufwand höher läge. Im Kern handelt es sich bei dieser Problematik nicht um eine Frage der Wertbestimmung, sondern vielmehr um die (Wertungs-)Frage, ob man bei der Wertbestimmung zugunsten des Schuldners berücksichtigt, dass die erschwerte Leistungserbringung mit seiner persönlichen beziehungsweise betrieblichen Planung in Einklang steht, kurzum: die Frage der Planungskonformität. Das aufgeworfene Problem wird sich in erster Linie bei Tätigkeiten in Form von Werkleistungen stellen. Es kann indes auch bei der wertmäßigen Erfassung von einzusetzendem Materialaufwand oder sonstigen zur Leistungserbringung notwendigen Einrichtungen auftreten. Denn deren vermögensmäßige Erfassung wird oftmals auch von der Person des Schuldners beziehungsweise dessen Unternehmen abhängig sein.673 Beim 670 Vgl. Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/Dötsch, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 24, S. 52, ebenso Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 43, ferner auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 85. Vgl. auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 125 f., dem zufolge Tätigkeiten höchstens mit dem Marktwert anzusetzen sind. 671 Hierzu ausf. Wertenbruch, ZGS 2003, 52 ff. m. weit. Nachw. 672 Für § 251 Abs. 2 BGB wurde Vergleichbares von BGHZ 115, 364, 374 getan, s. oben bei Fn. 461 f. (S. 217).

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Sachkauf gewinnt die Frage besondere Bedeutung im Hinblick auf die Ermittlung des Normalaufwands.674 Für eine Berücksichtigung der individuellen Lage des Schuldners (konkret-individuelle Betrachtung) sprechen die besseren Gründe als für deren Nichtberücksichtigung (abstrahierende objektive Betrachtung). Zwar wäre es nicht ausgeschlossen, der Formulierung in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB „soweit diese [sc. die Leistung] einen Aufwand erfordert“ auch eine objektive Bestimmungsweise zu entnehmen.675 Dagegen zeichnet der Wortlaut von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB („dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen“) ein konträres Bild. Die dort für wesentlich erklärte Zumutbarkeit für den Schuldner muss nämlich an dessen konkreter, individueller Situation ansetzen. Zudem hat die Aufwandsbestimmung vom Inhalt des Schuldverhältnisses, wie es die Parteien vereinbart haben, auszugehen (siehe § 275 Abs. 2 S. 1 BGB). Die grammatikalische Auslegungsmethode spricht daher deutlich gegen eine objektive, vom Schuldverhältnis und der konkreten Situation des Schuldners abstrahierende Betrachtungsweise. Bei der Anwendung von § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. ging die Literatur676 davon aus, dass es unerheblich sei, ob der Werkunternehmer die Nachbesserung mit seiner betrieblichen Planung vereinbaren konnte. Daraus lässt sich jedoch kein Argument gegen die hier für § 275 Abs. 2 BGB verfochtene konkret-individuelle Aufwandsbestimmung ableiten. Zunächst besteht nach richtiger Ansicht ohnehin nur für einen Teilbereich des § 275 Abs. 2 BGB eine Parallele zu § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.677 Zudem darf nicht der Kontext übersehen werden, in dem die zitierte Regelung stand. § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. betraf nämlich ausschließlich Werkverträge, 673 So geht auch Canaris (in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 15 f.) davon aus, dass ein schlechter(er) Marktzugang gerade für den Schuldner zu entsprechend höherem Leistungsaufwand i. S. des § 275 Abs. 2 BGB führen kann, auch Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 52) will dies „im Lichte des Wortlauts“ annehmen. 674 Hierzu näher sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff. nach Fn. 689 (S. 267 f.). 675 Dagegen möglicherweise H. P. Westermann, in: Schulze/Schulte-Nölke S. 109, 125, dem zufolge „zeitliche Unzuträglichkeiten“ berücksichtigungsfähig sind, wenn man statt auf „Kosten“ auf den Begriff der Aufwendungen (statt „Anforderungen“ müsste es aaO. wohl „Aufwendungen“ heißen) abstellt, vgl. auch Krebs, DB 2000, Beil. zu Heft 48, S. 1, 19, beide noch zu § 439 Abs. 3 S. 1 DiskE. 676 Vgl. zu § 13 Nr. 6 VOB/B etwa Heiermann/Riedl/Rusam/Riedl, § 13 Nr. 6 VOB/B Rn. 163; Ingenstau/Korbion/Wirth, § 13 Nr. 6 VOB/B Rn. 624; G. Kaiser, Mängelhaftungsrecht § 13 Nr. 6 VOB/B aF Rn. 88. Höchstrichterliche Entscheidungen liegen – soweit ersichtlich – insoweit nicht vor. 677 Eingehend bereits oben sub „b) Analyse“, S. 207 ff. sowie „(3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 224 ff.

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nach deren spezifischer Risikostruktur der Werkunternehmer das Herstellungsrisiko trägt.678 Es wäre nicht sachgerecht, legte man diese spezifische Risikostruktur pauschal – sc. für alle Schuldverträge – der Aufwandsbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB zugrunde. Darüber hinaus ging die von § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. behandelte Nachbesserung inhaltlich zumeist nicht über den ursprünglich vom Schuldner ins Auge gefassten Leistungsumfang, der eine mangelfreie Werkherstellung mit umfasst (vergleiche § 633 Abs. 1 BGB a. F./n. F.), hinaus; zumindest aber wäre ein Mehraufwand durch eine von Anfang an mangelfreie Leistung zu verhindern gewesen. Anders liegen die Dinge hingegen bei § 275 Abs. 2 BGB. Dort bedingt das eingetretene Leistungshindernis, dass der zur Leistungserbringung erforderliche Aufwand über den üblichen, bei Vertragsschluss vom Schuldner vorgesehenen Leistungsaufwand zumeist erheblich hinausgeht. Vor allem ermöglicht die konkret-individuelle Bestimmung des Leistungsaufwands eine differenziertere Handhabung von § 275 Abs. 2 BGB, als es eine objektive Bestimmungsweise zuließe. So ist zwar zunächst der konkrete Aufwand des individuellen Schuldners in Ansatz zu bringen, der – wie gesagt – den objektiven Aufwand übersteigen kann, doch wird bei der durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Ungunsten des Schuldners berücksichtigt, dass er etwa das Herstellungsrisiko zu tragen oder möglicherweise den Mehraufwand selbst verschuldet hat. In Ermangelung einer Risikoübernahme oder eines schuldnerischen Vertretenmüssens ist der individuelle Mehraufwand dagegen voll zu berücksichtigen. Solcher Differenzierungen würde man sich im Hinblick auf den Mehraufwand insoweit begeben, als der individuelle Leistungsaufwand den objektiven Aufwand übersteigt, bestimmte man den Aufwand von vornherein objektiv. Die Gesetzesmaterialien nehmen zur diskutierten Frage der Planungskonformität nicht ausdrücklich Stellung.679 Zumindest findet sich dort680 der 678 Hierzu m. Nachw. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 553 ff.; mit Recht wird auch im Kontext der §§ 439 Abs. 3, 635 Abs. 3 BGB auf den Unterschied zwischen Werkvertrag und Kaufvertrag hingewiesen, vgl. etwa Haas/Medicus/Rolland/ Schäfer/Wendtland/Haas, Kap. 5 Rn. 164 („beim Kauf beweglicher Sachen ist eine solche Strenge [sc. wie sie der BGH-Rechtsprechung zu § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. zugrunde lag] nicht geboten“); P. Huber, NJW 2002, 1004, 1008, ebenso Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 194. 679 Wenig aussagekräftig sind insoweit die in den Gesetzesmaterialien zu § 439 Abs. 3 BGB gegebenen Hinweise zu der Frage, ob ein Verkäufer eine eigene Werkstatt besitzt oder nicht (s. BT-Drucks. 14/6040, S. 232): Der Entwurfsbegründung zufolge kann die Nacherfüllung „im Einzelfall den Verkäufer unangemessen belasten“, was „insbesondere für den nichtgewerblichen oder den Händler ohne Reparaturwerkstatt“ gelten soll, s. BT-Drucks. 14/6040, S. 232 li. Sp. Dem vermag entgegen Gruber, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 187, 196 nicht entnommen zu werden, dass auf die Kosten des Verkäufers in seiner konkreten Position abzustellen ist; un-

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Hinweis, dass der Begriff „Anstrengungen“ bewusst gewählt wurde, um deutlich zu machen, dass auch „Tätigkeiten und ähnliche persönliche Anstrengungen“ erfasst werden. Gerade diese Formulierungen legen aber eine Berücksichtigung der individuellen Situation des Schuldners nahe. Für die Bestimmung aus der Perspektive des individuellen Schuldners und dessen Situation, liefert auch der Umstand eine gewisse Rechtfertigung, dass sich der Gläubiger den konkreten Schuldner freiwillig ausgewählt hat. So muss er im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB etwa gegen sich gelten lassen, dass der Leistungsaufwand über dem eines anderen Schuldners liegt, der rationeller arbeitet.681 Insoweit kann gleichsam ein „Spiegelbildgedanke“ fruchtbar gemacht werden: Auf Seiten des Gläubigers werden nämlich gleichfalls individuelle Gesichtspunkte berücksichtigt, wie etwa ein spezifisches Interesse am Erhalt der individuellen Speziessache.682 Die vorliegend vertretene These einer konkret-individuellen Aufwandsbestimmung führt auch nicht zu der Konsequenz, dass Fälle der (drohenden) Existenzgefährdung von § 275 Abs. 2 BGB erfasst werden.683 c) Behandlung eines Wertverlusts beim Leistungsgegenstand Kommt der Leistungsgegenstand dem Schuldner abhanden, wird er (reparabel) beschädigt oder (in behebbarer Weise) enteignet, liegt in dem Besitzverlust, der Beschädigung oder der Enteignung ein Leistungshindernis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB.684 Zugleich tritt infolge des Besitzverlusts beim beachtet bliebe insoweit, dass die Unverhältnismäßigkeit bereits aus dem Mangel an eigenen Reparaturmöglichkeiten des Verkäufers gefolgert wird. Kritisch gegenüber dem Hinweis in der Gesetzesbegründung U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 529 mit Fn. 14, ferner auch Haas, BB 2001, 1313, 1316; Haas/Medicus/Rolland/ Schäfer/Wendtland/Haas, Kap. 5 Rn. 162. 680 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 681 Dies zeigt auch die Überlegung, dass der Gläubiger bei § 275 Abs. 2 BGB möglicherweise deshalb schlechter steht, da der Schuldner nicht lediglich Selbstkosten, sondern darüber liegende Kosten für die Einschaltung von Dritten ansetzen kann, wenn nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses eine Erbringung der Leistung durch Dritte vorgesehen war. 682 Vgl. im Einzelnen noch unten sub „(2) In Sonderheit: Spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand“ S. 296 f. 683 So aber von MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 85 befürchtet, dem zufolge dies nicht der gesetzlichen Konzeption entspräche. Vgl. zu diesem Sonderfall noch näher sub „(1) Einstehenmüssen für die finanzielle Leistungsfähigkeit – Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners“, S. 275 f. 684 Im Folgenden soll der Fall des Besitzverlusts im Vordergrund stehen; die Ausführungen gelten jedoch auch für (reparable) Beschädigungen bzw. behebbare Enteignungen des Leistungsgegenstands.

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Leistungsgegenstand ein teilweiser oder vollständiger Wertverlust ein. Denn der Wert einer Sache hängt maßgeblich davon ab, ob sie genutzt werden kann, etwa indem der Besitz an derselben auf eine andere Person übertragen wird. Besonders an einem solchen Leistungshindernis ist, dass bereits durch seinen nachträglichen685 Eintritt ein Wertverlust verursacht wird und sich damit nicht erst dessen Beseitigung zum Zwecke der Leistungserbringung als für den Schuldner nachteilhaft erweist. (1) Vom Schuldverhältnis abstrahierende Bestimmungsweise In den beschriebenen Fällen sieht Faust686 den schuldnerischen Aufwand aus zwei Komponenten zusammengesetzt: dem Wert der Sache, den der Schuldner durch die Leistung an den Gläubiger verliert, und dem Wiederbeschaffungsaufwand, in dem von Faust gegebenen Beispiel die Kosten einer Bergung des auf den Grund eines Teichs gefallenen Rings. Der Sachwert entspreche in solchen Fällen jedoch nicht (mehr) dem Marktwert, da die Sache aufgrund ihres Abhandenkommens für den Schuldner nicht mehr genutzt werden könne, so, wenn der Ring auf dem Grund des Teichs liege. Vielmehr bestehe der Wert in der Differenz aus dem Marktwert der Sache nach der Bergung und den Bergungskosten. Beispiel: Soweit die Sache durch ihr Abhandenkommen nicht verschlechtert werde, betrage der Wert des ursprünglich 10.000 e wertvollen Rings bei Bergungskosten von 3.000 e nur noch 7.000 e, denn nachdem der Schuldner 3.000 e aufgewendet habe, habe er den Ring im Wert von 10.000 e. Betrügen die Bergungskosten mehr als der ursprüngliche Wert von 10.000 e, sei der Ring wertlos, da sich seine Bergung dann nicht lohne.

Für den Leistungsaufwand folgert Faust sodann Folgendes: Sofern die Bergungskosten geringer als der ursprüngliche Wert seien, bilde die Summe aus den Bergungskosten und dem Wert des Rings im Teich den Leistungsaufwand, im Beispielsfall mithin 10.000 e. Lägen die Bergungskosten demgegenüber höher als der ursprüngliche Sachwert, entspräche der Leistungsaufwand den Bergungskosten, da der Ring dann wertlos sei. Im Ergebnis wird danach der durch das Leistungshindernis (Besitzverlust) verursachte Aufwand, im Beispiel die Bergungskosten, erst dann effektiv als Mehraufwand berücksichtigt, wenn er den objektiven Sachwert übersteigt. Nur dann kommt es infolge der Bergungskosten zum Anstieg des gesamten Leistungsaufwands. 685

Zu Besonderheiten vertragsanfänglicher Leistungshindernisse noch später im

Text. 686 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 73 anhand eines Beispiels, im Folgenden z. T. verallgemeinernd dargestellt.

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(2) Eigener Lösungsvorschlag Diese Berechnungsweise mag zugrunde gelegt werden, wenn der Sachwert, der durch den Besitzverlust teilweise oder vollständig verloren geht, von vornherein nicht zum Leistungsaufwand zu rechnen ist. Dies gilt indessen nur unter der Voraussetzung, dass der Besitzverlust bereits vor Vertragsschluss eingetreten ist und der (nachmalige) Schuldner die Sache nicht eigens für das konkrete Geschäft mit dem (späteren) Gläubiger beschafft hat. Für die im Folgenden zu behandelnden Fälle wird jedoch eine abweichende Bestimmungsmethode entwickelt, in deren Zusammenhang eine zwischen den Parteien vereinbarte Gegenleistung ausnahmsweise eine Rolle spielen wird. Wollte man wie Faust den Wert des im Teich befindlichen Rings für den konkreten Verkäufer ermitteln, müsste man im Übrigen auch erwägen, ob der Wert nicht in der Differenz aus dem Kaufpreis und dem Wiederbeschaffungsaufwand (Bergungskosten) bestehen müsste, statt in der Differenz aus Marktwert und Wiederbeschaffungsaufwand. Wendet der Schuldner die Bergungskosten nämlich auf, versetzt er sich in die Lage, an den Gläubiger zu leisten und damit die ausbedungene Gegenleistung zu sichern, die er im Falle einer Nichtleistung demgegenüber verlöre. Zwar kann der Kaufpreis mit dem Marktwert überstimmen, er muss es aber nicht; häufig wird er über dem Marktwert liegen (Überwertverkauf), bisweilen auch darunter (Unterwertverkauf). Richtigerweise sollte jedoch die Bestimmung des Werts, den der im Teich liegende Ring für den konkreten Schuldner besitzt, in den hier behandelten Fällen nicht in den Vordergrund der Problemlösung gerückt werden. Den Ausgangspunkt der Aufwandsbestimmung bildet vielmehr die Überlegung, dass für § 275 Abs. 2 BGB der Gesamtaufwand anzusetzen ist.687 Dieser setzt sich in den behandelten Fallkonstellationen grundsätzlich aus den vom Schuldner für die Sache ursprünglich aufgewendeten Kosten beziehungsweise dem objektiven Wert (Normalaufwand)688 sowie dem Wiederbeschaffungsaufwand (im „Ring“-Fall die Bergungskosten, im Falle eines Diebstahls etwa die Kosten für Suche und/oder Rückholung von einem anderen Ort689) zusammen. Der Normalaufwand kann dabei im objektiven Wert der Sache liegen, muss es jedoch nicht. Hat der Schuldner die Sache zum Zwecke der Leistungserbringung etwa zu einem unter dem Marktwert liegenden Preis beschaffen können, ist nur diese Geldsumme als Normalauf687

Hierzu bereits oben sub „(2) Gesamtaufwand“, S. 257 ff. Dieser Aufwand hat zwar durch den Besitzverlust seine Werthaltigkeit teilweise oder vollständig eingebüßt, ist gleichwohl zum Leistungsaufwand zu rechnen, s. oben sub „(3) Erforderlichkeit des Aufwands“, S. 259 f. 689 Insoweit könnte eine Schadensersatzzahlung, die der Schuldner vom Dieb erhalten hat, in Abzug zu bringen sein. 688

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§ 4 Die neue Rechtslage

wand anzusetzen, nicht der darüber liegende Marktwert. Damit wirkt sich eine günstige Beschaffungsmöglichkeit690 des Schuldners im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB „zu seinen Lasten“ aus; denn ein grobes Missverhältnis wird freilich weniger leicht erreicht, wenn der Schuldner nur einen hinter dem Marktwert zurückbleibenden Normalaufwand geltend machen kann.691 Man mag dies als wenig sachgerecht empfinden. Die Konsequenz kann nämlich sein, dass der planmäßige Gewinn des Verkäufers, der in der Differenz zwischen Kaufpreis692 und Normalaufwand besteht, durch die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB partiell oder vollständig „aufgezehrt“ wird. Indes ist dies als Folge der in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB angeordneten Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Aufwand und Interesse jedenfalls in Kauf zu nehmen. Von dem Wiederbeschaffungsaufwand (Bergungskosten) ist jedoch in bestimmten Fällen der vorliegenden Art ein Abzug vorzunehmen. Grund hierfür ist, dass der Verkäufer auch völlig unabhängig vom Schuldverhältnis durch den Sachverlust eine Vermögenseinbuße erleidet; diese entsteht insoweit bereits durch den Eintritt des Leistungshindernisses, nicht erst durch die ihm möglicherweise durch § 275 Abs. 2 BGB auferlegte Beseitigung desselben. Hinsichtlich des eingetretenen Sachverlusts müssen jedoch zwei unterschiedliche Vermögenslagen auseinander gehalten werden: einerseits der Zustand, dass zunächst durch den Besitzverlust „nur“ die Vermögenseinbuße eingetreten ist, andererseits die Lage, die besteht, wenn die Sache wiederbeschafft wurde, der Besitzverlust mithin behoben wurde, wofür – und dies gilt es hervorzuheben – jedoch finanzielle Mittel aufgebracht werden mussten. Das Vermögen kann zwar in beiden Situationen per Saldo äquivalent sein. Das ist der Fall, wenn die Aufbringung des Wiederbeschaffungsaufwands (etwa die Bergungskosten) zu einem Wertzuwachs der Sache führt, der jenem Aufwand entspricht; konkret träfe dies zu, wenn der verlorene Ring durch die Bergung keinen weiteren Wertverlust (etwa infolge einer Beschädigung) erleidet und die Bergungskosten nicht unrentabel sind. Dennoch macht es für die Person, die den Besitzverlust erlitten hat, einen 690 Der gegenüber dem Marktwert niedrigere konkrete Beschaffungsaufwand ist indes nur unter der Voraussetzung anzusetzen, dass der Schuldner die Sache gerade für die Erfüllung des konkreten Vertrags beschafft hat oder jener ohne weiteres in der Lage wäre, eine gleichwertige- und artige Sache zu gleichen Konditionen erneut zu beschaffen. 691 So stehen Normalaufwand und Leistungsinteresse etwa in einem Verhältnis von nur 0,8 : 1, wenn der Verkäufer die Kaufsache für 80 e besorgt hat, diese aber einen Marktwert von 100 e besitzt. Vgl. zum umgekehrten (Ausnahme-)Fall eines über dem gegenständlichen Naturalleistungsinteresse des Gläubigers liegenden Normalaufwands unten sub „b) Unverhältnismäßigkeit zwischen Normalaufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse“, S. 448 f. 692 Den der Gläubiger regelmäßig als Leistungsinteresse ansetzen kann.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Unterschied, ob sie die Vermögenseinbuße hinnimmt oder aber zum Zwecke der Bergung tatsächlich Kosten aufwendet, um die Einbuße zu beheben. Der Geschädigte kann – so man die Vermögenslage losgelöst vom Schuldverhältnis betrachtet – autonom entscheiden, ob er für die Wiederbeschaffung tatsächlich Kosten aufwenden möchte oder davon absieht, etwa weil er zu diesem Zweck keine finanziellen Mittel aufzubringen gewillt ist. Sobald man dem Schuldner ansinnt, die Sache zu bergen, oktroyierte man ihm die Entscheidung auf, für die Bergung finanzielle Mittel aufzuwenden, die er möglicherweise zu diesem Zweck nicht ausgeben wollte. Der Wiederbeschaffungsaufwand wäre dann auf ein Gebot des § 275 Abs. 2 BGB zurückzuführen, so dass die Kosten demgemäß auch zum Leistungsaufwand zu rechnen wären. Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich die ihm angesonnene Entscheidung als vermögensmäßig neutral („indifferent“) darstellt. An dieser Stelle kommt nun die Gegenleistung ins Spiel, deren Berücksichtigung in diesem Zusammenhang die entscheidende argumentative Hürde nehmen lässt.693 Denn es entsteht dem Schuldner infolge der Aufbringung des Wiederbeschaffungsaufwands zumindest kein Nachteil, wenn er dadurch die Gegenleistung erlangen kann.694 Diese verlöre er jedoch, unterließe er die Wiederbeschaffung.695 Der Grundsatz „ohne Leistung keine Gegenleistung“ zeigt sich etwa in §§ 320 Abs. 1 S. 1, 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB.696 Der Verkäufer muss die zur Wiederbeschaffung er693 Der Umstand, dass der Käufer die Möglichkeit hat, sich die Kaufsache nach §§ 929 S. 1, 931 BGB vom Verkäufer übereignen zu lassen, sie sodann selbst wiederbeschafft und anschließend den dazu von ihm aufgewendeten Betrag im Wege der Minderung vom Kaufpreis abzieht, so dass dieser 0 e beträgt (hierzu Canaris, JZ 2004, 214, 215), ist für die vorliegend zu entwickelnde Argumentation letztlich nicht hinreichend, da der Verkäufer damit zwar sowohl die Sache als auch den Kaufpreis verlöre, dazu indessen untätig bleiben könnte, mithin selbst gerade keine Aufwendungen tätigen (bzw. „vorschießen“, dazu sogleich im Text) müsste. 694 Hiergegen wendet E. Picker, JZ 2003, 1035, 1043 (ebenso J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1601) ein, der Verkäufer müsse die zur Wiederbeschaffung erforderlichen Mittel zunächst aus seinem eigenen Vermögen einsetzen; scheiterten seine Bemühungen, verliere er neben dem Leistungsobjekt auch noch die entstandenen Mehraufwendungen. Indes handelt es sich bei der Frage begrenzter Erfolgswahrscheinlichkeit einer Maßnahme um ein Sonderproblem, das einer eigenen Lösung zuzuführen ist, hierzu ausf. unten sub „(1) Ex ante ungewisser Erfolg“, S. 439 ff., zu dem weiteren Einwand sogleich im Text. 695 Ein ähnlicher Gedanke findet sich – wenngleich nicht in die vorstehend entwickelte Überlegung eingebettet – bei Canaris, JZ 2004, 214, 215: „Richtig ist vielmehr, daß V [sc. der Verkäufer] den Kaufpreis schon durch den Diebstahl verloren hat, wenn er das Cabrio [sc. die Kaufsache] nicht zurückholt“ und „V [hat] den Kaufpreis von 10.000.– e bei Unterlassen der Rückholung schon dadurch eingebüßt, daß der Wagen bei ihm gestohlen worden ist“. 696 Vgl. für das Kaufrecht Wertenbruch, JuS 2003, 625. Zur Argumentation sollte man indes – zumal dazu keine Notwendigkeit besteht – nicht unmittelbar auf die

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forderlichen finanziellen Mittel (die Bergungskosten) nur kurzfristig „vorschießen“, da er diese bereits bei Leistungserbringung durch die Kaufpreiszahlung wieder ausgeglichen bekommt. Ein solcher Ausgleich unterbliebe nur für den Fall, dass der Käufer zahlungsunfähig wird; insoweit kann dem Verkäufer mit einer analogen Anwendung von § 321 BGB geholfen werden. Aus den dargelegten Überlegungen ergibt sich zugleich die Grenze des postulierten Abzugs: Höchstens kann von dem Wiederbeschaffungsaufwand (Bergungskosten) ein Wertverlust in Höhe der Gegenleistung abgezogen werden. Nur soweit der Schuldner den Wiederbeschaffungsaufwand mit der Gegenleistung abdecken kann, ist die ihm abverlangte Wiederbeschaffung vermögensmäßig neutral, wird ihm mithin nichts abverlangt, was er nicht schon unabhängig vom Schuldverhältnis eingebüßt hätte. Handelt es sich bei dem Schuldner etwa um einen Schenker, wird in Ermangelung einer Gegenleistung ein Abzug gänzlich unterbleiben müssen, womit ein grobes Missverhältnis – in der Sache richtig – weitaus früher erreicht wird als beim gegenseitigen Kaufvertrag.697 Eine weitere Grenze der Abzugsfähigkeit wird durch den Normalaufwand (Sachwert beziehungsweise tatsächlicher Beschaffungsaufwand) markiert, den der Schuldner – unabhängig vom Schuldverhältnis – durch einen Besitzverlust höchstens verlieren kann. Für vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse wurde von Picker698 und Lobinger699 in diesem Kontext eingewendet, ökonomisch werde für den Verkäufer aus dem privatautonom vereinbarten Kauf eine heteronom verordnete Schenkung, denn der Verkäufer verliere außer der Kaufsache auch noch die Gegenleistung, wenn Letztere durch den Mehraufwand „aufgezehrt“ werde. Demgegenüber hat die vorstehende Argumentation gezeigt, dass die für den Schuldner eintretende Konsequenz, sowohl die Sache als auch die Gegenleistung zu verlieren, nicht die Folge eines Gebots des § 275 Abs. 2 BGB darstellt, sondern vielmehr auf den Sachverlust zurückzuführen ist, der – wenn er vom Schuldner nicht behoben wird – bei synallagmatischen Verträgen unfehlbar zum Verlust der Gegenleistung führt.700 Damit besteht der Leistungsaufwand zum einen in dem Normalaufwand, das ist der Marktwert des Leistungsgegenstands beziehungsweise ein darunter liegender Beschaffungsaufwand des Schuldners. Darüber hinaus ist bei vom Verkäufer nach § 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB zu tragende Gegenleistungsbzw. Preisgefahr rekurrieren (s. aber Canaris, JZ 2004, 214, 215), denn in den zur Diskussion stehenden Fällen hat der Verkäufer die Preisgefahr nach der zitierten Vorschrift nur unter der Voraussetzung zu tragen, dass er nach § 275 Abs. 2 BGB „nicht zu leisten braucht“ – eben dies soll jedoch erst noch bewiesen werden. 697 Vgl. zur Illustration das Fallbeispiel sub „(c) Schenkungsvertrag“, S. 429 ff. 698 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1044. 699 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten Grenzen S. 164 f. 700 Ähnl. wohl Canaris, JZ 2004, 214, 215 f.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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synallagmatischen Verträgen der Aufwand, den die Wiederbeschaffung der abhanden gekommenen Sache erfordert, nur in der Höhe anzusetzen, in der er betragsmäßig den Normalaufwand übersteigt. Effektiv wird der Wiederbeschaffungsaufwand damit nur insoweit als Mehraufwand berücksichtigt, als er den Normalaufwand übersteigt. Wurde demgegenüber zwischen den Parteien keine Gegenleistung vereinbart (etwa im Schenkungsfalle), setzt sich der Leistungsaufwand aus dem Normalaufwand und dem vollen Wiederbeschaffungsaufwand701 zusammen. Ausgehend von der Prämisse, dass der Verkäufer zur Beschaffung der Kaufsache den Marktwert aufgewendet hat, der Normalaufwand mithin dem Marktwert entspricht, sei die vorgeschlagene Bestimmungsweise an dem Fallbeispiel vom Ring auf dem Teichgrund (siehe zu ihm bereits oben sub „(1) Vom Schuldverhältnis abstrahierende Bestimmungsweise“, S. 266) verdeutlicht. Beispiel: Soweit die Bergungskosten im Beispiel unter dem Normalaufwand (= Markwert des Rings) von 10.000 e liegen, sind sie nicht als Leistungsaufwand zu werten; dieser erschöpft sich vielmehr im Normalaufwand (hier: Marktwert) von 10.000 e. Übersteigt der Bergungsaufwand hingegen den Normalaufwand (hier: Marktwert), ist er in der darüber liegenden Höhe als Mehraufwand bei § 275 Abs. 2 BGB zu werten, wenn sich der Schuldner damit zugleich eine Gegenleistung sichern kann. Kostete die Bergung etwa 12.000 e, beliefe sich der gesamte Leistungsaufwand des Verkäufers auf 12.000 e, nämlich 10.000 e Normalaufwand zuzüglich 2.000 e Mehraufwand, der Differenz aus Bergungskosten und Normalaufwand (= Markwert), also 12.000 e abzüglich 10.000 e. Bei Leistungspflichten außerhalb synallagmatischer Verträge beliefe sich der Gesamtaufwand auf 22.000 e (10.000 e Normalaufwand zuzüglich 12.000 e Mehraufwand).702 701 Von dem indessen eine etwaige Schadensersatzzahlung, die der Schenker vom Dieb erhalten hat, in Abzug zu bringen wäre. 702 Die Ergebnisse seien abschließend noch in mathematischen Gleichungen wiedergegeben: Nach Faust setzt sich der Leistungsaufwand (LA) zusammen aus dem Wert des im Teich befindlichen Rings, vorliegend als „Restwert“ (RW) bezeichnet, und den Bergungskosten (BK, der Wiederbeschaffungsaufwand), also gilt LA = RW + BK; den „Restwert“ wiederum berechnet Faust nach der Differenz aus dem Marktwert (MW) und den Bergungskosten (BK), es gilt demzufolge RW = MW – BK. Dieser Restwert beträgt stets mindestens null. Solange die Bergungskosten nicht den Marktwert übersteigen (BK £ MW), bleibt der Restwert größer oder gleich null (RW ‡ 0), dann kann die Gleichung LA = RW + BK umgeformt werden in LA = MW – BK + BK = MW, d. h. der Leistungsaufwand erschöpft sich im Marktwert. Liegen die Bergungskosten jedoch über dem Marktwert (BK > MW), ist also der RW = 0, die Sache nach Faust wertlos, gilt LA = 0 e + BK = BK, d. h. der Leistungsaufwand besteht in dem Betrag der Bergungskosten. Davon abweichend gilt nach der hier vorgeschlagenen Lösung für den Fall, dass die Bergungskosten unter dem Normalaufwand (NA) liegen: LA = NA (nach Faust: LA = MW). Übersteigen die Bergungskosten demgegenüber den Normalaufwand

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§ 4 Die neue Rechtslage

Abschließend sei noch auf die eingangs angesprochenen Fälle eingegangen, in denen das Leistungshindernis bereits vor Vertragsschluss eingetreten ist. Soweit der Schuldner den (nachmaligen) Leistungsgegenstand (vor Vertragsschluss) gerade wegen des geplanten Geschäfts mit dem Gläubiger beschafft hat,703 wird man den getätigten Kostenaufwand704 auch dann zum „erforderlichen“ Leistungsaufwand rechnen können, wenn er durch den später – aber noch vor Vertragsschluss – eintretenden Besitzverlust entwertet wird;705 die Aufwandsbestimmung erfolgt dann gemäß der zuvor beschriebenen Methode. Liegt dagegen keine derartige zweckgerichtete Beschaffung eines spezifischen Gegenstands vor, fehlt es mithin an einem Bezug des konkreten Kostenaufwands zum späteren Geschäft zwischen Gläubiger und Schuldner, wird man den Kostenaufwand insoweit nicht zum relevanten Leistungsaufwand i. S. von § 275 Abs. 2 BGB rechnen können, als er durch den vor Vertragsschluss eintretenden Besitzverlust bereits „entwertet“ wurde. In solchen Fällen vermag nur ein zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses etwaig verbleibender „Restwert“, der sich nach der Differenz aus dem Sachwert und dem Wiederbeschaffungsaufwand (z. B. Bergungskosten) berechnet, in Ansatz gebracht zu werden; der Wiederbeschaffungsaufwand wäre dann freilich ungekürzt berücksichtigungsfähig, da der eingetretene Wertverlust im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB von vornherein außer Betracht bleibt.706 Im Ergebnis bestehen zumindest für synallagmatische Verträge keine Unterschiede zu der oben für nachträgliche Leistungshindernisse entwickelten Berechnungsmethode.707 (3) In Sonderheit: Eigentumsmangel Die vorstehend zu Tage geförderten Überlegungen lassen sich für einen in der Praxis bedeutsamen Fall708 fruchtbar machen: Jemand verkauft eine (BK > NA), gilt für synallagmatische Verträge: LA = NA + (BK – NA). Bei Bergungskosten von 12.000 e gilt also: LA = 10.000 e + (12.000 e – 10.000 e) = 12.000 e. Für synallagmatische Verträge gilt damit allgemein LA = NA + (BK – NA), wobei BK – NA ‡ 0, d. h. der Mehraufwand darf nicht negativ sein. Bei nicht-synallagmatischen Verträgen gilt generell LA = NA + BK. 703 Oder war bereits ein konkreter Gegenstand für das intendierte Geschäft vorgesehen. 704 Bzw. den Wert des konkreten Gegenstands, s. vorige Fn. 705 s. bereits sub „(3) Erforderlichkeit des Aufwands“, S. 259 f. 706 Insoweit besteht Übereinstimmung mit der Berechnungsweise von Faust, hierzu oben sub „(1) Vom Schuldverhältnis abstrahierende Bestimmungsweise“, S. 266, s. dort auch zur Berechnungsmethode. 707 Hierzu für den Fall des Eigentumsmangels exemplarisch sogleich bei Fn. 717 (S. 274 f.) sowie unten sub „(b) Eigentumsmangel (Verkauf von dem wahren Eigentümer gestohlenen Sachen)“, S. 415 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Sache, an der er selbst kein Eigentum erwerben konnte, da diese dem wahren Eigentümer gestohlen worden – oder allgemeiner gesagt: abhanden gekommen – war (§ 935 Abs. 1 S. 1 BGB), und die er deshalb ohne Zustimmung des Eigentümers nicht wirksam an seinen Käufer übereignen kann.709 Soweit der Ankauf der gestohlenen Sache zum Zwecke der Leistung an den Käufer erfolgte,710 erweist sich der Mangel des Rechtserwerbs auch dann als unschädlich für die Berücksichtigung der Kosten im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB, wenn man den geleisteten Kaufpreis insoweit als unnütz ansieht. Denn der vom (nachmaligen) Verkäufer an die unberechtigte Person geleistete Kaufpreis stellte sich jedenfalls als „erforderlicher“ Leistungsaufwand i. S. von § 275 Abs. 2 BGB dar, soweit der (nachmalige) Verkäufer bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennen konnte, dass er mangels Eigentumserwerbs „unnützen“ Aufwand betreibt.711 Zu dem Normalaufwand, der insoweit in dem Kaufpreis, den der Verkäufer zum Zwecke des Ankaufs der Sache aufgewendet hat,712 besteht, ist der Mehraufwand, der sich nach dem Betrag bemisst, den der wahre Eigentümer für seine (sachenrechtliche) Zustimmung verlangt, hinzuzurechnen; verweigerte der Eigentümer seine Zustimmung schlechthin, wäre subjektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Fall 1 BGB) gegeben. Der Fall liegt – ähnlich wie der des zuvor behandelten Wertverlusts infolge Abhandenkommens beim Schuldner – so, dass der Verkäufer unabhängig von etwaigen Vorgaben des § 275 Abs. 2 BGB bereits durch den Kauf der gestohlenen Sache einen Vermögensschaden erlitten hat, soweit er mögliche Rechtsbehelfe gegen seinen Vertragspartner nicht durchzusetzen vermag. Ein Unterschied besteht hingegen darin, dass der Verkäufer zwar Besitz, jedoch zu keinem Zeitpunkt Eigentum an der Sache hatte, einen Wertverlust genau genommen nicht erleiden kann. Weiterhin liegen die Dinge aber wie im Falle des Wertverlusts: Lässt man die vertragliche Bindung des Verkäufers außer Betracht, könnte dieser autonom darüber entscheiden, ob er den Schaden hinnimmt, indem er die Sache an den vindizierenden713 Eigentümer herausgibt, oder ob er diesem zum Zwecke des Eigentumserwerbs und damit des Behaltens der Sache Geld bezahlt. Wie oben dargelegt, ist der Beschaffungsaufwand, hier die Geldzah708 Aus jüngerer Zeit OLG Karlsruhe, ZGS 2004, 477, hierzu bereits oben mit Fn. 198 (S. 164). 709 Die einmal abhanden gekommene Sache vermag auch der Käufer nicht gutgläubig zu erwerben (§ 935 Abs. 1 S. 1 BGB). 710 Oder war bereits ein konkreter Gegenstand für das intendierte Geschäft vorgesehen, an dem der (nachmalige) Verkäufer kein Eigentum hat. 711 Vgl. in diesen Kontext oben sub „(3) Erforderlichkeit des Aufwands“, S. 259 f. 712 Bzw. dem Sachwert im Falle von Fn. 710 (S. 273). 713 s. § 985 BGB.

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§ 4 Die neue Rechtslage

lung an den wahren Eigentümer, solange nicht als Mehraufwand i. S. von § 275 Abs. 2 BGB zu werten, wie sich die dem Verkäufer angesonnene Entscheidung als vermögensmäßig neutral darstellt. Letzteres ist gegeben, wenn sich der Verkäufer durch den Einsatz des Beschaffungsaufwands die Gegenleistung sichern kann, die er im Falle der Nichtleistung verlöre. Im Ergebnis ist der von dem wahren Eigentümer geforderte Geldbetrag damit nur insoweit als Mehraufwand in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB einzustellen, als er den Normalaufwand übersteigt. Liegt dagegen keine Beschaffung eines Gegenstands für das intendierte Kaufgeschäft vor,714 fehlt es mithin an einem Bezug des konkreten Kostenaufwands zum späteren Geschäft zwischen Gläubiger und Schuldner, etwa wenn der Kauf der (gestohlenen) Sache schon längere Zeit zurückliegt, kann nur der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Sachwert angesetzt werden. Insoweit treten schwierige Fragen der Wertbestimmung auf: Wie viel ist der unberechtigte Besitz an der Sache wert, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Verkäufer beziehungsweise später sein Käufer715 als gutgläubiger Eigenbesitzer im Wege der Ersitzung (§ 937 Abs. 1 BGB) Eigentum erwerben kann? Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Verkäufer gegenüber seinem Vertragspartner die ihm zustehenden (Nach-)Erfüllungsansprüche durchsetzt: Er wird von seinem Vertragspartner weiterhin Verschaffung des Eigentums verlangen können.716 Soweit man den Wert in diesem Sinne ungeachtet des Eigentumsmangels nach dem objektiven Wert bestimmte, wäre die vom wahren Eigentümer begehrte Zahlung, wie zuvor dargelegt, nur insoweit als Mehraufwand zu berücksichtigen, als sie den objektiven Sachwert überstiege. Folgt man dem nicht, sieht man mithin den Besitz des Verkäufers an der für ihn fremden und dem Eigentümer abhanden gekommenen Sache als wertlos an, ist der Leistungsaufwand allein nach dem Betrag zu bestimmen, den der Eigentümer vom Verkäufer verlangt. Da eine Kürzung in Höhe des Werts entsprechend der oben entwickelten Überlegungen dann freilich ausscheiden müsste, führten beide Bestimmungsweisen zum gleichen Ergebnis, so dass ein Streitentscheid vorliegend717 dahinstehen kann. Dies sei an einem Fallbeispiel verdeutlicht. 714

s. auch Fn. 710 (S. 273). s. hierzu § 943 BGB. 716 Auf Grundlage seines Erfüllungsanspruchs aus dem Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) oder – nach a. A. – gem. §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435, 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Fall 1 BGB, wenn man das fehlende Eigentum als Rechtsmangel i. S. von § 435 BGB ansieht, s. die Nachw. zum Streitstand in Fn. 1348 (S. 390). 717 Vgl. zur Sonderbehandlung beim einseitig verpflichtenden Schenkungsvertrag unten sub „(c) Schenkungsvertrag“, S. 429 ff., zur Wertbestimmung im Kontext von Rückgabepflichten bei Gebrauchsüberlassungsverträgen unten sub „(b) Nicht-synallagmatische Stückschulden“, S. 428 f. 715

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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V hat einen dem E gestohlenen Ring im Wert von 10.000 e zu einem Preis gleicher Höhe an K verkauft. Nach Abschluss des Kaufvertrags stellt sich heraus, dass E und nicht V Eigentümer des Rings ist. V hatte den Ring längere Zeit zuvor von X gekauft. K verlangt Übergabe und Übereignung des Rings. E wäre gegen Zahlung von 12.000 e bereit, einer Verfügung des V an K zuzustimmen. Würde man den Wert des Rings, an dem V kein Eigentum hat, nach dem Marktwert (10.000 e) berechnen wollen, wäre dazu der Mehraufwand von 12.000 e (Betrag, den E fordert) gemindert um den Marktwert von 10.000 e in Höhe der verbleibenden 2.000 e zu addieren. Der Gesamtaufwand beliefe sich auf 12.000 e. Sähe man den Ring, der nicht im Eigentum des V steht, als wertlos an, wäre der von E geforderte Betrag ungekürzt als Gesamtaufwand in Ansatz zu bringen, vorliegend in Höhe von 12.000 e. Beide Bestimmungsweisen führten demnach zu demselben Ergebnis.

d) Sonderfragen (1) Einstehenmüssen für die finanzielle Leistungsfähigkeit – Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners Die Aufrechterhaltung der Erfüllungspflicht nach § 275 Abs. 2 BGB kann den Schuldner im eher seltenen Einzelfall718 so stark belasten, dass seine wirtschaftliche Existenz bedroht wird. Der Umstand der Existenzgefährdung fließt jedoch in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB nicht ein;719 im Ausnahmefall könnte dem Schuldner allenfalls720 mit § 313 BGB geholfen werden.721 Es wird bei § 275 Abs. 2 BGB grundsätzlich keine Rücksicht darauf genommen, dass dem Schuldner die erforderlichen Geldmittel fehlen und ihn eine Leistungserbringung in den Ruin triebe. Denn es gilt auch im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB das Prin718 Die so genannte „Ruin-Rechtsprechung“ des RG betraf Fälle, in denen dem Schuldner der Ruin nicht allein wegen der streitgegenständlichen Erfüllungspflicht drohte, sondern wegen der Gesamtheit seiner Belastungen unter Berücksichtigung weiterer abgeschlossener Geschäfte, hierzu oben sub „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff. m. Nachw. zur Rspr. 719 Dagegen auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 74, 85, anders wohl Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 91, unentschieden Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 46; nicht zugestimmt werden kann in diesem Kontext der Meinung von Emmerich, Leistungsstörungsrecht5 § 3 III 3 b bb (S. 42 f.), der unter Rekurs auf Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung des § 275 Abs. 2 BGB eine Beschränkung dessen Anwendungsbereichs „auf Extremfälle einer nicht voraussehbaren Existenzgefährdung des Schuldners“ (Hervorheb. im Original) prophezeite, diesen Standpunkt in der 6. Aufl. indes offenbar aufgegeben hat. 720 Hierzu unten sub „b) Exkurs: Sonderfälle“, S. 484 f. 721 Diese Auffassung dürfte auch in Einklang mit den Gesetzesmaterialien stehen: Dort wurde klargestellt, dass Fälle der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“, der die Ruin-Fälle zuzuordnen sind, nicht von § 275 Abs. 2 BGB erfasst werden, s. BTDrucks. 14/6040, S. 130 li. Sp.

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§ 4 Die neue Rechtslage

zip der unbeschränkten Vermögenshaftung722.723 Soweit man die vorliegend verfochtene These einer konkret-individuellen Aufwandsbestimmung724 dadurch im Sinne einer Objektivierung eingeschränkt sehen sollte, wäre dies in Kauf zu nehmen. (2) Schutz immaterieller Interessen725 des Schuldners Obschon immaterielle Nachteile des Schuldners in Fällen des § 275 Abs. 2 BGB selten auftreten werden,726 sind sie im Einzelfall zumindest denkbar. In der Literatur wird kontrovers diskutiert, ob zugunsten des Schuldners auch immaterieller „Aufwand“, die Inkaufnahme immaterieller Nachteile, berücksichtigungsfähig ist.727 Es wurde bereits dargelegt,728 dass 722 s. etwa Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 16. Vgl. zum Grundsatz „Geld muss man haben“ den gleichnamigen Aufsatz von Medicus (AcP 188 (1988), 489 ff.), s. zu Einschränkungsbestrebungen dens., AcP 192 (1992), 35 ff. 723 Schlechtriem, FS Sonnenberger S. 125, 128 meint, das Leistungshindernis habe seine Ursache oft in finanzieller Insuffizienz des Schuldners, die der Schuldner stets zu vertreten habe, warum das „Vertretenmüssen“ in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB „wohl“ als Verschulden verstanden werden müsse (vgl. auch Schlechtriem, SBT6 Rn. 345). Es gilt jedoch scharf zu trennen zwischen dem Eintritt eines Leistungshindernisses, auf den es für das Vertretenmüssen nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ankommt und der regelmäßig unabhängig ist von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners, und der Behebung eines Leistungshindernisses, die angesichts ihrer Kostspieligkeit in der Tat am schuldnerischen Geldmangel scheitern kann. 724 s. oben sub „(6) Konkret-individuelle Aufwandsbestimmung am Beispiel der Planungskonformität“, S. 262 ff. 725 Vgl. zur Neuregelung in § 275 Abs. 3 BGB sowie allgemein zur ideellen Unzumutbarkeit jetzt ausf. Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit. Nach altem Recht wurden unter dem Stichwort der „sittlichen Unmöglichkeit“ (hierzu MünchKomm/Emmerich (2001), § 275 aF Rn. 30 ff.; Soergel/Wiedemann, § 275 aF Rn. 41) Fälle diskutiert, in denen dem Schuldner die Leistungserbringung aus ideellen Gründen nicht oder zumindest nur sehr erschwert möglich war (hierzu und zum nachfolgenden Beispiel Medicus, BürgR18 Rn. 157; ders., SAT12 Rn. 447). Das oft zitierte Schulbeispiel handelte von der Sängerin, die den an sich geschuldeten Auftritt verweigerte, weil ihr Kind im Sterben lag, oder von dem türkischen Arbeitnehmer, der die Arbeitsleistung verweigerte, da ihm im Heimatland die Todesstrafe drohte, wenn er dem Einberufungsbescheid zum Wehrdienst nicht nachgekommen wäre (s. BAG, NJW 1983, 2782 ff.). Diese Fälle wurden indes überwiegend nicht als Unmöglichkeit i. S. von § 275 BGB a. F. verstanden, sondern vielmehr unter Rekurs auf den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) gelöst; im Einzelfall wurde – soweit möglich und zumutbar – auch eine Vertragsanpassung in Betracht gezogen. 726 Da der Schuldner, der nicht persönlich zu leisten hat, regelmäßig die Möglichkeit haben wird, für die Beseitigung von Leistungshindernissen Dritte einzuschalten, vgl. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 30 (und 27); MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 82 mit Fn. 171. 727 Gegen die Berücksichtigung von „den Schuldner belastenden persönlichen Umstände[n]“ Schwarze, JURA 2002, 73, 78, i. Erg. tendenziell gegen eine Berück-

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der in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB gewählte Begriff „Aufwand“ lediglich solche Aufwendungen729 erfasst, denen ein Vermögenswert zukommt. Unter den in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB gebrauchten, subjektiv geprägten Begriff „Anstrengungen“ lassen sich hingegen auch immaterielle Nachteile, die eine Leistungserbringung für den Schuldner bedeuten (immaterieller „Aufwand“), subsumieren.730 Auch die Gesetzesverfasser wollten „persönliche Anstrengungen“ des Schuldners erfassen.731 Ferner dürfte auch der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, das in die subjektiv geprägte Ausgestaltung von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB („zuzumutenden Anstrengungen“) mündete, zeigen, dass die zitierte Formulierung nicht unbewusst gewählt wurde. In § 275 Abs. 2 S. 2 KonsF wurde in Bezug auf das schuldnerische Vertretenmüssen732 noch die Formulierung verwendet „Dabei 733 ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat [. . .]“734. Später, durch den Regierungsentwurf735, wurde in § 275 Abs. 2 S. 2 eine weitgehend § 275 Abs. 3 BGB entsprechende Regelung für Fälle persönlicher Unzumutbarkeit eingefügt.736 sichtigung immaterieller Nachteile auch Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 52) mit Fn. 29 a. E.; anders P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 27 und 30 (ihm zust. Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 664), der allerdings bei nicht persönlich zu erbringender Leistung ein immaterielles Interesse des Schuldners nur selten für gegeben hält, ähnl. wohl auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 82 mit Fn. 171; Looschelders, SAT Rn. 475, ferner für eine Berücksichtigung Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 294 („immaterielle Erschwernisse“); wohl auch M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 39. 728 Sub „(1) Die Begriffe des Aufwands und der Anstrengungen“, S. 254 ff. 729 Gleich ob Geldaufwand oder (vermögenswerte) Tätigkeiten. 730 So auch jüngst Löhnig, ZGS 2005, 459, 460 bei und mit Fn. 4 und zuvor schon Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 52) mit Fn. 29 a. E. (ders., bereits auf der Tagung der Zivilrechtslehrervereinigung in Berlin am 30./31. 3. 2001 in der sich an den Vortrag von Canaris anschließenden Diskussion, vgl. Diskussionsbericht von Langenbucher, JZ 2001, 528, 530), der an gleicher Stelle aber ausführt, der Gesetzestext lasse offen, ob der Schuldner als „Aufwand“ in die Waagschale werfen dürfe, dass ihm die Erfüllung der Primärleistungspflicht auch immaterielle Nachteile bringe (aaO., bei Fn. 29 [S. 51]). Abw. von der hier vertretenen Auffassung versteht Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 368, 371 die „persönlichen Anstrengungen“ nur „materiell-wirtschaftlich“. 731 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 732 Sowie damals auch noch das Anbieten eines angemessenen Ausgleichs durch den Schuldner. 733 Sc. bei der Frage, ob ein grobes Missverhältnis zwischen Leistungsaufwand des Schuldners und Leistungsinteresse des Gläubigers vorliegt, vgl. § 275 Abs. 2 S. 1 KonsF. 734 Text abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 357 (und JZ 2001, 524) sowie unten im Anh. sub A. V. 735 Wortgleich mit dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen (= BT-Drucks. 14/6040), hierzu oben mit Fn. 59 (S. 114).

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§ 4 Die neue Rechtslage

Gleichzeitig wurde § 275 Abs. 2 S. 2 KonsF teilweise737 in § 275 Abs. 2 S. 3 RegE überführt, wobei fortan von „zuzumutenden Anstrengungen“ die Rede war. Anlässlich der Bedenken des Bundesrats hinsichtlich arbeitsrechtlicher Besonderheiten,738 denen die Bundesregierung durch eine Streichung des § 275 Abs. 2 S. 3 RegE Rechnung tragen wollte, wurde auf Betreiben des Rechtsausschusses des Bundestags739 und in Übereinstimmung mit der Kommission Leistungsstörungsrecht § 275 Abs. 2 S. 2 RegE zu einem dritten Absatz verselbständigt und § 275 Abs. 2 S. 3 RegE zu Abs. 2 S. 2. Dem Vorschlag der Bundesregierung zu einer Streichung des § 275 Abs. 2 S. 3 RegE wollte der Rechtsausschuss nicht folgen, da nach Ansicht des Ausschusses „diese Vorschrift einen zutreffenden Gedanken enth[alte]“740. Für die vorliegend interessierenden immateriellen Interessen des Schuldners, deren Berücksichtigungsfähigkeit gerade mit dem Wortlaut von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB begründet zu werden vermag, ist dabei folgender Gesichtspunkt bedeutend: Die Gesetzesverfasser haben die ursprüngliche Regelung schuldnerischen Vertretenmüssens der KonsF, die weder von schuldnerischen Anstrengungen noch von Zumutbarkeit für den Schuldner sprach, im RegE offenbar aufgrund der tatbestandlichen Aufnahme der Fälle persönlicher Unzumutbarkeit (Paradebeispiel: Sängerin-Fall)741 dahingehend geändert, dass die Formulierung „dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen“ Einzug fand, dem Tatbestand mithin eine subjektive Prägung verliehen wurde.742 Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde an dieser subjektiv geprägten Formulierung festgehalten, obgleich der (zu vermutende) Anlass für die vorgenommene Subjektivierung – die tatbestandliche Erfassung von Fällen persönlicher Unzumutbarkeit – weggefallen war. Denn die Fälle persönlicher Unzumutbarkeit wurden aus Absatz 2 wieder herausgenommen und in einem eigenen Absatz 3 verselbständigt. Man kann den Gesetzesverfassern jedoch nicht unterstellen, sie hätten die subjektiv geprägte Ausformulierung („zuzumutenden Anstrengungen“) da736 Vgl. zur Kritik an § 275 Abs. 2 KonsF vor allem Löwisch, NZA 2001, 465 f., der für die Einführung eines allgemeinen Begriffs der Unzumutbarkeit plädierte. 737 Der Umstand eines schuldnerischen Anbietens eines angemessenen Ausgleichs wurde fallen gelassen. 738 Siehe Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drucks. 14/6857, S. 11 re. Sp. (Nr. 21) [= BR-Drucks. 338/01 (Beschluss), S. 14 (Nr. 21)] unter Berufung auf die von Löwisch in NZA 2001, 465 vorgetragenen Bedenken. 739 Siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu § 275 Abs. 2 und 3 RegE, BT-Drucks. 14/7052, S. 183 re. Sp. 740 BT-Drucks. 14/7052, S. 183 re. Sp. 741 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 742 Vom „Dabei ist zu berücksichtigen, ob [. . .]“ zum subjektiv geprägten „Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob [. . .]“.

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bei gleichsam fahrlässig beibehalten. Vielmehr darf man davon ausgehen, dass dies bewusst geschah. Der Einbeziehung immaterieller Nachteile in die Anstrengungen i. S. von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB steht auch nicht die in den Gesetzesmaterialien aufgestellte These entgegen, § 275 Abs. 2 BGB nehme die Interessen des Schuldners nicht in den Blick. Diese These wurde in der vorliegenden Untersuchung743 bereits als verfehlt entlarvt. Sie widerspricht auch in Bezug auf immaterielle Schuldnerinteressen Wortlaut und Konzeption des § 275 Abs. 2 BGB. Entscheidend ist dabei, dass die Entwurfsbegründung die Berücksichtigung von Schuldnerinteressen in toto negiert, diese aber gleichwohl in Gestalt des Aufwands wie auch der Anstrengungen berücksichtigt. So wie der in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellende „Aufwand“ die materiellen Interessen des Schuldners verkörpert, spiegeln die in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB angeführten „Anstrengungen“ die immateriellen Interessen des Schuldners wider. Das Interesse des Schuldners, möglichst keine beziehungsweise möglichst geringe „Anstrengungen“ zur Leistungserbringung unternehmen zu müssen, erfährt dadurch Schutz, dass die Anstrengungen (neben dem Aufwand) in die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB eingestellt werden. Vor diesem Hintergrund begibt sich die vorliegend befürwortete Lösung nicht einmal in Widerspruch zur Grundabsicht der Gesetzesverfasser. Denn die Anstrengungen werden ebenso wie auch der Aufwand nicht ins Verhältnis zu den „eigenen Interessen des Schuldners“ gesetzt, wie es die Gesetzesbegründung explizit ablehnt, sondern sie verkörpern diese Interessen vielmehr bereits selbst. Die in Aufwand beziehungsweise Anstrengungen verkörperten Interessen des Schuldners werden sodann – ganz in Einklang mit der gesetzlichen Konzeption – ins Verhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers gesetzt. Weiterhin deutet das Wort „auch“ in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB darauf hin, dass es bei § 275 Abs. 2 BGB über die dort geregelte Frage schuldnerischen Vertretenmüssens hinaus noch weitere Zumutbarkeitsgesichtspunkte geben muss.744 Wenn gleichzeitig von „Anstrengungen“ die Rede ist, spricht 743

s. oben „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff. und passim. 744 s. hierzu die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrats, vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 47 re. Sp.: „Es handelt sich [bei dem Umstand, dass der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat] ohnehin nur um ein Beispiel für die maßgeblichen Kriterien.“ (Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, § 275 Abs. 2 S. 3 RegE ersatzlos zu streichen, da sich der Regelungsgehalt ohnehin aus allgemeinen Grundsätzen ergebe.), auch S. Lorenz (NJW 2002, 2497, 2503 mit Fn. 54 a. E.) hält das Vertretenmüssen in diesem Zusammenhang nur für einen von mehreren Faktoren, ebenso ders./Riehm, Rn. 308 mit Fn. 289; Kuhlmann/ Nauen, FS Ehmann S. 31, 60 mit Fn. 137 („lediglich [. . .] sekundären Abwägungsfaktor“); Petersen, SAT2 Rn. 273, ähnl. jüngst BGH, NJW 2005, 2852, 2855: „fällt

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vieles dafür, für die Frage der Zumutbarkeit immaterielle Schuldnerinteressen im Einzelfall zumindest mitzuberücksichten. Gegen eine Berücksichtigung immaterieller Nachteile des Schuldners bei § 275 Abs. 2 BGB wird zum Teil mit einem Umkehrschluss aus § 275 Abs. 3 BGB argumentiert.745 Nach üblichem Verständnis746 des juristischen Umkehrschlusses747 bedeutet dieser Folgendes: Weil das Gesetz eine Rechtsfolge R1 nur an einen bestimmten Tatbestand T1 geknüpft hat, gilt die Rechtsfolge R1 nicht für den mit Tatbestand T1 ähnlichen Tatbestand T2. Zulässig ist dieser Schluss nur dann, wenn das Gesetz die Rechtsfolge R1 auch tatsächlich auf den Tatbestand T1 beschränken wollte. Ein solcher Beschränkungswille muss sich aus der ratio legis ergeben.748 Für die vorliegende Problematik steht indes nicht zur Diskussion, ob die Rechtsfolge R1 des § 275 Abs. 3 BGB – das dort angeordnete Leistungsverweigerungsrecht – für den Tatbestand T2 (Fälle des § 275 Abs. 2 BGB) gelten soll, sondern die davon zu unterscheidende Frage, ob beim Tatbestand T2 (§ 275 Abs. 2 BGB) Gesichtspunkte mitentscheiden können, die auch bei Tatbestand T1 (§ 275 Abs. 3 BGB) auftreten, um die eigene Rechtsfolge R2 des § 275 Abs. 2 BGB auszulösen. Vor diesem Hintergrund erhellt, dass ein argumentum e contrario im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nach klassischem Verständnis nicht in Betracht kommt. Davon, dass immaterielle Nachteile nicht ausschließlich im Sonderfall einer persönlich749 durch den Schuldner zu erbringenden Leistung Schutz erfahren sollen, legen die im Schrifttum vorzufindenden Bestrebungen Zeugnis ab, die Vorschrift des § 275 Abs. 3 BGB auf Fälle, in denen die Leistung zwar nicht persönlich durch den Schuldner zu erbringen ist, aber gleichwohl eine ähnliche Konfliktsituation besteht,750 auszudehnen. Teile der Literatur751 propagieren insoweit eine analoge Anwendung von § 275 [. . .] auch ins Gewicht, dass [der Schuldner] die anlagebedingte Fehlentwicklung [. . .] nicht zu vertreten hatte“ (Hervorheb. nicht im Original). 745 Dafür Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 52) mit Fn. 29 a. E. 746 Vgl. dazu Klug, Juristische Logik S. 137 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 209 f.; Rüthers, Rechtstheorie Rn. 899 ff., ferner auch Palandt65 /Heinrichs, Einleitung Rn. 50. 747 So genanntes argumentum e contrario oder argumentum e silentio (beredtes Schweigen des Gesetzgebers), s. Rüthers, Rechtstheorie Rn. 899. 748 s. Palandt65 /Heinrichs, Einleitung Rn. 50; nach Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 209 muss eine Beschränkung einer bestimmten Rechtsfolge auf einen bestimmten Tatbestand ersichtlich vom Gesetzgeber gewollt sein oder nach der Teleologie des Gesetzes geboten sein. 749 So im Falle von Werk-, Dienst- und Arbeitsleistungen oder Geschäftsbesorgungen. 750 Beispiele hierfür liefert etwa Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 67, 92 f.

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Abs. 3 BGB, andere752 wollen § 275 Abs. 3 BGB generell auf gegenstandsbezogene Leistungspflichten anwenden. Nicht bedacht wurde offenbar von den Gesetzesverfassern, dass Fälle persönlicher Konfliktsituationen auch bei nicht persönlich zu erbringenden Leistungen eintreten können. Die angesprochene Ausdehnung von § 275 Abs. 3 BGB hilft jedoch nicht weiter, wenn immaterielle Nachteile aufgrund einer persönlichen Konfliktsituation – gleich, ob eine persönlich zu erbringende Leistung gegeben ist oder nicht – mit einem materiellen Mehraufwand für den Schuldner einhergehen. Um den in der Gesetzesbegründung angeführten Sängerin-Fall753 aufzugreifen, könnte man diesen dahingehend abwandeln, dass nicht nur das Kind der Sängerin erkrankt ist, sondern zusätzlich noch die Zufahrt zum Veranstaltungsort – etwa infolge Sperrung einer Passstraße – wesentlich erschwert ist. Dann kommt es zu einer Kumulation von materieller Aufwandssteigerung und immateriellen Nachteilen in Gestalt einer persönlichen Konfliktsituation. Denkbar sind solche Fälle auch jenseits persönlich zu erbringender Leistungen.754 Soweit § 275 Abs. 2 beziehungsweise 3 BGB bei isolierter Betrachtung jeweils abzulehnen wären,755 könnte sich ein Leistungsverweigerungsrecht für den Schuldner gerade aus der Kumulation von materiellen und immateriellen Nachteilen ergeben. Zu diesem Zwecke kann § 275 Abs. 2 BGB in der Weise angewendet werden, dass bei der durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung neben dem Aufwand auch die immateriellen Nachteile Berücksichtigung finden.756 Dies kann in Übereinstimmung mit dem 751 So MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 109 a. E., zust. AnwKomm/DaunerLieb (2005), § 275 Rn. 57. 752 So Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 66 ff., 92 f., 176 ff., 363, der unter Zugrundelegung eines strikt vertragsrechtlichen Ansatzes (aaO., S. 179, 176 und passim) eine Ungleichbehandlung von persönlichen Leistungspflichten und sachbezogenen Austauschverträgen mangels innerer Rechtfertigung (aaO., S. 67) für unhaltbar hält (aaO., S. 176, s. zum „tiefere[n] Grund für die Unhaltbarkeit“ S. 176 f.). 753 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 754 s. die Beispiele bei Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 67, 92 f. 755 Wenn etwa das Kind nicht wie in der Entwurfsbegründung lebensgefährlich, aber doch ernsthaft erkrankt ist, andererseits der materielle Mehraufwand kein grobes Missverhältnis (§ 275 Abs. 2 BGB) auszulösen vermag. 756 Möglicherweise für eine Anwendung von § 275 Abs. 3 BGB in solchen Fällen Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 133 f. Wenig überzeugend müsste es erscheinen, wenn man insoweit mit Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 37 annähme, dass § 275 Abs. 3 BGB bei persönlich zu erbringenden Leistungen § 275 Abs. 2 BGB vorgehe.

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Wortlaut von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB („zuzumutenden Anstrengungen“) erfolgen. Ein Motiv für die Schaffung der Sonderregelung des § 275 Abs. 3 BGB dürfte gewesen sein, dass das Erfordernis eines groben Missverhältnisses nach § 275 Abs. 2 BGB nicht recht passt, wenn ausschließlich immaterielle Interessen im Raum stehen. Denn ein grobes Missverhältnis kann sich zwischen zwei zahlenmäßigen Größen ergeben, schwerlich jedoch zwischen einem Geldbetrag und einem rein immateriellen Nachteil, der sich nicht oder jedenfalls nur sehr schwer quantifizieren lässt. Daher wurde für § 275 Abs. 3 BGB maßgeblich auf die Unzumutbarkeit abgestellt. Soweit jedoch materieller Aufwand und immaterielle Nachteile (aufgrund einer persönlichen Konfliktsituation) im Einzelfall zusammentreffen, können Letztere zumindest ergänzend in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB einfließen. Schließlich spricht auch das Gebot der Gleichbehandlung beider Seiten für eine Berücksichtigung immaterieller Schuldnerinteressen:757 Wenn auf Seiten des Gläubigers immaterielle Interessen berücksichtigt werden,758 sollte auf schuldnerischer Seite nichts anderes gelten. (3) Gewinneinbußen und Opportunitätskosten Der Schuldner kann wegen der Leistungserbringung Gewinneinbußen erleiden. So führt die Beseitigung eines Leistungshindernisses im Einzelfall zum Verlust eines bereits erzielten Gewinns beim Schuldner. Ferner kann ihm ein zukünftig realisierbarer Gewinn entgehen, da er wegen der Bindung an den Gläubiger auf lukrativere Alternativgeschäfte verzichten muss (so genannte Opportunitätskosten).759 (a) Einbuße von Gewinn aus Geschäften mit Dritten Die Behandlung einer Gewinneinbuße sei an dem bereits mehrfach bemühten Beispiel des „Drittveräußerungsfalls“ verdeutlicht. Beispiel: Der Schuldner (Verkäufer) verpflichtet sich zur Übereignung einer Sache an den Gläubiger (Käufer). Vor beziehungsweise nach Abschluss des Kaufvertrags verkauft und übereignet er den Leistungsgegenstand (Kaufsache) jedoch an einen Dritten. Um die Sache gleichwohl an den Käufer übertragen, die Leistung mithin erbringen zu können, muss der Verkäufer den Gegenstand von dem Dritten zu757

Ähnl. wohl P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 30 („Spiegelbildlich“). Was grds. zu bejahen ist, s. hierzu noch sub „(2) In Sonderheit: Spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand“, S. 296 f. 759 s. nur P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 60, 63. 758

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nächst zurückerwerben beziehungsweise den Dritten zur Erteilung der Zustimmung zur (direkten) Übereignung an den Käufer bewegen. Der Dritte wird sich zu einer Rückgängigmachung des Geschäfts mit dem Verkäufer jedoch (in aller Regel) nur bereit finden, wenn ihm dieser mindestens den ursprünglich geleisteten Kaufpreis zurückgewährt.

Hat der Verkäufer die Sache ursprünglich mit Gewinn (also zu einem über dem objektiven Wert liegenden Kaufpreis) an den Dritten veräußert, würde er den erzielten Gewinn im Falle der Rückgängigmachung des Geschäfts mit dem Dritten einbüßen. Der Verkäufer verlöre seinen Gewinn dabei durch die zur Leistungserbringung notwendige Beseitigung des Leistungshindernisses. Ob eine Gewinneinbuße beim Schuldner dem Leistungsaufwand i. S. von § 275 Abs. 2 BGB zuzurechnen ist, hängt von einer zeitlichen Differenzierung ab. Wenn der Verkäufer die bereits verkaufte Sache an den Dritten veräußert, verliert er Eigentum und Besitz an der Sache erst nach Abschluss des Kaufvertrags mit dem Käufer. Es liegt demnach ein nachträgliches Leistungshindernis vor. Die Veräußerung der bereits verkauften Sache an den Dritten ist pflichtwidrig. Für diesen Fall soll er sich bei § 275 Abs. 2 BGB nicht auf eine Gewinneinbuße berufen können, die er infolge der Rückgängigmachung seines eigenen vertragswidrigen Verhaltens, der Veräußerung der bereits verkauften Sache, erleidet. Wenngleich der Verkäufer freilich ungeachtet der schuldvertraglichen Verpflichtung weiterhin wirksam über sein Eigentum verfügen kann, hat er sich durch die vertragliche Bindung mit dem Käufer gleichsam seiner „Geschäftsfreiheit“ in Bezug auf den Leistungsgegenstand begeben.760 Deshalb soll er nicht berechtigt sein, eine Gewinneinbuße zu seinen Gunsten im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB geltend zu machen. Folglich kann der Leistungsaufwand auch nicht nach dem Betrag, den der berechtigte Dritte vom Verkäufer verlangt (so genannte Ablösesumme), berechnet werden. Denn in dieser Summe wäre auch der ursprünglich vom Verkäufer erzielte Gewinn enthalten. Die Entwurfsbegründung spricht diesen im Einzelfall entscheidenden Umstand nicht explizit an. Dort wird lediglich ausgeführt, dass der Schuldner dem Dritten für den Rückerwerb bei vorliegendem Verschulden „in aller Regel wesentlich mehr als den Marktpreis“, bei mangelndem Verschulden „zumindest den Marktpreis, u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis“ bieten müsse.761 Möglicherweise wurde bei der Formulierung „u. U.“ an die hier diskutierten Fälle gedacht; doch spricht hiergegen das Abstellen auf 760 Im Grundsatz dürfte dies auch für Tauschgeschäfte gelten, bei denen der Verkäufer die Kaufsache gegenüber einem Dritten als Gegenleistung einsetzt. Muss der Verkäufer das Tauschgeschäft mit dem Dritten rückgängig machen, kann er sich nicht auf den Verlust der durch den Tausch erlangten Sache berufen. 761 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp.

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den „Marktpreis“ (besser: Marktwert). Hielte man allein den „Marktpreis“ für relevant, bliebe unberücksichtigt, dass die vom Dritten geforderte Ablösesumme gerade deshalb hoch ist und insbesondere den „Marktpreis“ übersteigt, weil der Dritte ursprünglich einen entsprechend hohen Kaufpreis an den Verkäufer bezahlt hat. Wenn der Verkäufer die Sache demgegenüber bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mit dem Käufer an den Dritten veräußert, fehlt ihm Eigentum und Besitz an der Sache bereits bei762 Abschluss des Kaufvertrags. Es liegt dann ein vertragsanfängliches Leistungshindernis vor. Da eine auf die Sache bezogene Leistungspflicht gegenüber dem Käufer erst mit Vertragsabschluss begründet wird, stellt die vor Vertragsschluss erfolgende Veräußerung an den Dritten keine Pflichtverletzung des Kaufvertrags dar. Der prospektive Verkäufer kann und darf vor Abschluss eines Kaufvertrags frei über sein Eigentum verfügen. Daher ist es dem Verkäufer zu gestatten, sich gegenüber seinem nachmaligen Käufer auf eine Gewinneinbuße zu berufen, die er durch die Rückgängigmachung eines vor Abschluss des Kaufvertrags vereinbarten Geschäfts mit einem Dritten erleidet. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein Surrogationsanspruch aus § 285 BGB nunmehr generell763 bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen gewährt wird.764 § 285 BGB bestimmt für den Fall, in dem eine Naturalerfüllung wegen erfolgreicher Berufung des Verkäufers auf § 275 Abs. 2 BGB unterbleibt, dass der Käufer das vom Verkäufer infolge des Hindernisses erlangte Surrogat herausverlangen kann. Nach herrschender Meinung765 steht dem Käufer dabei auch das rechtsgeschäftlich erlangte Surrogat, das stellvertretende commodum ex negotiatione, zu. Damit kann der Käufer auch einen Gewinn herausverlangen, den der Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertrags durch die Veräußerung der Sache erzielt hat. Vorliegend geht es jedoch nicht um den Ausgleich einer in der Sache unrichtigen Verteilung von Vermögenswerten766 durch Statuierung eines Anspruchs auf Gewinnherausgabe, der zudem nur unter der Voraussetzung erfolgt, dass ein Unterbleiben der Pri762

So die Formulierung in § 311a Abs. 1 BGB. Anders im früheren Recht: Im Falle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit kam wegen der Vertragsnichtigkeit (§ 306 BGB a. F.) ein Surrogationsanspruch aus § 281 BGB a. F. nicht in Betracht; bei anfänglichem Unvermögen wurde die Vorschrift hingegen analog angewendet, s. Soergel/Wiedemann, § 281 aF Rn. 24 m. weit. Nachw., anders wohl MünchKomm/Emmerich (2001), § 281 aF Rn. 3 (direkte Anwendung soweit Schuldner verantwortlich). 764 Vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 164 f. 765 s. statt vieler MünchKomm/Ernst (2003), § 285 Rn. 20 (entsprechende Anwendung); Ernst, FS Heldrich S. 113, 136 ff.; Palandt65 /Heinrichs, § 285 Rn. 7 jew. m. weit. Nachw. 766 Darin wurde und wird die ratio von § 281 BGB a. F. bzw. § 285 BGB gesehen, s. statt vieler MünchKomm/Emmerich (2001), § 281 aF Rn. 2; Palandt61 /Hein763

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märleistung bereits feststeht. Vielmehr stellt sich hier die (gleichsam vorgelagerte) Frage, ob sich der Verkäufer auf eine Gewinneinbuße berufen kann, um ein grobes Missverhältnis zu begründen. Die unterschiedliche Behandlung in Abhängigkeit von der zeitlichen Vornahme des Geschäfts mit dem Dritten erscheint vor dem Hintergrund des Gesagten als sachlich gerechtfertigt. Daneben werden ihre Auswirkungen auch dadurch entschärft, dass eine Gewinneinbuße beim Verkäufer nur mit verminderter Wirkung zu berücksichtigen ist, wenn dieser bei Abschluss des Kaufvertrags mit dem Käufer seine Unkenntnis hinsichtlich des bestehenden Leistungshindernisses, dem durch die Übereignung an den Dritten bedingten Fehlen von Eigentum und Besitz an der Kaufsache, zu vertreten hat.767 Im Kontext der Gewinneinbußen lassen sich die bereits oben768 eingeführten Begrifflichkeiten „Normalaufwand“ und „Mehraufwand“ exemplifizieren: Beispiel: V verkauft eine Sache, die einen Wert von 100 e besitzt, zu einem Kaufpreis von 100 e an K. Nach Abschluss des Kaufvertrags veräußert er die Kaufsache an den Dritten D, der ihm einen Kaufpreis von 150 e zahlt. K besteht auf Lieferung. Um den Kaufvertrag mit K erfüllen zu können, muss V die Sache von D zurückerwerben. D verlangt dafür einen Betrag von 200 e (Ablösesumme). Der gesamte Leistungsaufwand besteht nach der hier vertretenen Auffassung nicht in den 200 e Ablösesumme. Vielmehr sind von dieser Summe 50 e abzuziehen, die dem Gewinn entsprechen, den V durch seine vertragswidrige Veräußerung an D zu Unrecht erzielt hat. Diesen kann er nicht bei § 275 Abs. 2 BGB in Ansatz bringen. Weiterhin lassen sich die verbleibenden 150 e aufteilen in 100 e Normalaufwand und 50 e leistungshindernisbedingten Mehraufwand. Hätte V die Sache bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mit K an D veräußert, gehörten die 50 e an Gewinnentgang hingegen zum Leistungsaufwand. Indes könnte dieser Aufwandsposten nur mit verminderter Wirkung zu berücksichtigen sein, wenn und soweit V bei Abschluss des Kaufvertrags mit K hätte wissen müssen, dass die Sache bereits an D veräußert war.

(b) Opportunitätskosten Für so genannte Opportunitätskosten gilt das zuvor Ausgeführte in entsprechender Weise. Sie können generell nicht als Leistungsaufwand in Ansatz gebracht werden.769 Der Schuldner kann sich daher nicht darauf berufen, ihm entgehe deshalb ein Gewinn, weil er wegen der Bindung an den richs, § 281 aF Rn. 1 bzw. MünchKomm/Ernst (2003), § 285 Rn. 2; Palandt65 / Heinrichs, § 285 Rn. 1 jew. m. Nachw. zur Rspr. 767 § 275 Abs. 2 S. 2 i. V. mit § 311a Abs. 2 S. 2 BGB analog, hierzu noch näher sub „b) Zu vertretende Unkenntnis: Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 327 ff. 768 Sub „(2) Distinktion ‚Normalaufwand‘ und ‚Mehraufwand‘“, S. 256.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Gläubiger keine (lukrativeren) Alternativgeschäfte abschließen kann.770 Wird eine auf Seiten des Verkäufers tatsächlich eingetretene Gewinneinbuße nicht berücksichtigt,771 kann für eine nur potentielle Gewinneinbuße nichts anderes gelten. Die Berufung auf einen möglichen Gewinn aus Geschäften mit Dritten, die der Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertrags mit dem Käufer hätte abschließen können, ist nicht denkbar. Denn vor Abschluss des Kaufvertrags war der Verkäufer gegenüber dem Käufer vertraglich noch nicht gebunden und hätte daher Geschäfte mit Dritten vornehmen können. e) Weitere Modalitäten der Aufwandsbestimmung (1) Abzug der Gegenleistung? Weiterhin wird auch die Frage kontrovers diskutiert, ob bei der Bestimmung des Aufwands (wie auch des gläubigerseitigen Interesses) eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung, beim Kaufvertrag demnach der Kaufpreis, Berücksichtigung finden muss.772 Da sich der Schuldner durch die Leistungserbringung seine Gegenleistung sichert, die er im Falle der Nichtleistung hingegen verlöre, könnte der schuldnerische Leistungsaufwand um den Betrag der Gegenleistung zu mindern sein. Spiegelbildlich773 müsste dann das gläubigerseitige Leistungsinteresse um denselben Betrag gemindert werden, da der Gläubiger die Gegenleistung für den Erhalt der Leistung aufbringen muss, diese bei ausbleibender Leistung dagegen einsparte. 769 Gegen die Berücksichtigung von Opportunitätskosten P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 60, 63, im Anschluss daran Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 41; Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 133; Löhnig, ZGS 2005, 459, 460. 770 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 60, 63. 771 Vgl. zur Argumentation oben sub „(a) Einbuße von Gewinn aus Geschäften mit Dritten“, S. 282 ff. 772 Dafür Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 86, dagegen Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 21 mit Fn. 50 („Die Gegenleistung darf dabei nicht herausgerechnet werden“) mit dem Argument, dass dadurch die finanzielle Dimension des Geschäfts verzerrt würde – anders aber offenbar ders., JZ 2004, 214, 215 bei Fn. 6 („Diesem Saldo von 0,– e steht ein ‚Leistungsinteresse‘ [. . .] gegenüber“). Gegen eine Berücksichtigung sprechen sich noch aus: P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 31 f.; Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 127 f., ferner auch MünchKomm/ Ernst (2003), § 275 Rn. 81 a. E. (für das Leistungsinteresse), implizit auch S. Lorenz, Neues Leistungsstörungsrecht S. 10 (hinsichtlich Aufwand und Interesse). 773 Eine Berücksichtigung nur auf einer Seite führte zu wenig plausiblen Ergebnissen, s. S. Meier, JURA 2002, 118, 121. Vgl. zum Spiegelbildgedanken etwa die Problematik der Zurechung fremden Verhaltens von Mitverschulden (§§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 S. 1 BGB), dazu Medicus, SAT12 Rn. 680 („Gleichbehandlungsargument“).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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In dieser Streitfrage, die sich auf synallagmatische Verträge beschränkt, sprechen die besseren Argumente774 gegen eine Minderung von Leistungsaufwand und Leistungsinteresse um den Betrag der Gegenleistung. Eine Teilbegründung vermag die Parallele zu dem „allgemeinen Rechtsgedanken“ zu liefern. Hat der Schuldner bei einer Befreiung von der Erfüllungspflicht nach § 275 Abs. 2 BGB zumindest Schadensersatz statt der Leistung zu zahlen, besteht zwischen § 275 Abs. 2 BGB und dem vom BGH entwickelten „allgemeinen Rechtsgedanken“ enge Verwandtschaft.775 Dass der BGH jedoch die Gegenleistung – so eine solche vertraglich vereinbart war – nicht vom Aufwand abgezogen hat,776 spricht dafür, dies auch bei der Aufwandsbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB zu unterlassen. Ebenso wenig hat die ständige Rechtsprechung des BGH einen entsprechenden Abzug bei der Aufwandsbestimmung i. S. von § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. vorgenommen.777 Diese Vorschrift, aus der neben anderen der „allgemeine Rechtsgedanke“ abgeleitet wurde, weist gleichfalls eine starke Parallele zu einem Teilbereich des § 275 Abs. 2 BGB auf. Im Falle des § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. waren die Mängelbeseitigungskosten des Unternehmers (der Leistungsaufwand bestand dort in dem Nachbesserungsaufwand) zu dem durch die Mängelbeseitigung zu erreichenden Vorteil des Bestellers (das Leistungsinteresse wurde dort durch das „Nachbesserungsinteresse“ gebildet) ins Verhältnis zu setzen.778 Hätte der BGH die Gegenleistung (dort die Werklohnzahlung) bei der Bestimmung der benannten Größen berücksichtigen wollen, hätte er jeweils den Minderungsbetrag in Abzug bringen müssen. Denn dieser entspräche der partiellen Gegenleistung, die im Falle mangelhafter Leistung für die Parteien auf dem Spiel steht. Der Werkunternehmer hätte nämlich durch eine Nachbesserung eine drohende Minderung vermieden und sich so den Anspruch auf den vollen Werklohn gesichert. Auf Seiten des Bestellers (Gläubiger) hätte ebenso von der durch die Nachbesserung des mangelhaften Werks zu erreichenden Wertsteigerung („Nachbesserungsinteresse“ des Gläubigers) der potentielle 774 Gegen eine Berücksichtigung kann nicht – so jedoch ein Argument von P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 31 – die damit verbundene wesentliche Komplizierung der Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB angeführt werden. Soweit nämlich die korrekte Anwendung einer Vorschrift die Berücksichtigung verlangte, dürfte eine Berücksichtigung freilich nicht wegen der drohenden Komplizierung unterbleiben. 775 Hierzu ausf. oben sub „(2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 222 ff. 776 So etwa in der grundlegenden Entscheidung BGHZ 62, 388; bei BGH, NJW 1988, 699, 700 lag indes ein Auftragsvertrag (unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag) vor. 777 s. hierzu mit mehreren Nachw. zur Rspr. „(2) Werkrechtlicher Anspruch auf Mängelbeseitigung (§ 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F.)“, S. 205 ff. 778 Wie vorherige Fn.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Minderungsbetrag abgezogen werden müssen. Denn der Besteller musste bei erfolgender Nachbesserung den vollen Werklohn bezahlen, während er im Falle ausbleibender Nachbesserung lediglich den geminderten Werklohn zu leisten hatte, sich mithin die Erbringung der Gegenleistung in Höhe des potentiellen Minderungsbetrags ersparte. Gleichwohl nahm der BGH jeweils keinen entsprechenden Abzug vor. Weiterhin führte eine entsprechende Minderung um den Kaufpreis stets zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung des Gläubigers. Sieht man wie hier sowohl die Interessen des Gläubigers als auch diejenigen des Schuldners vornehmlich in den beiden Größen von Leistungsinteresse und Leistungsaufwand779 ausgedrückt, würde man durch deren Kürzung die Interessen beider Parteien weniger stark berücksichtigen. Absolut betrachtet, erfolgte die Kürzung auch in gleichem Maße. Wenn beide Parteien demnach ihre Interessen im selben Maße vermindert zur Geltung bringen könnten, ist darin auf den ersten Blick eine Schlechterstellung des Gläubigers nicht zu erkennen. Indes: § 275 Abs. 2 S. 1 BGB macht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Aufwand und Interesse zum Ausgangspunkt einer Schuldnerbefreiung. Dabei entscheidet der Gesetzgeber den Interessenwiderstreit zwischen Schuldner und Gläubiger nicht bereits dann zugunsten des Schuldners, wenn dessen im Leistungsaufwand ausgedrückte Interessen die des Gläubigers überhaupt übersteigen. Vielmehr wird der Interessenwiderstreit erst dann zugunsten des Schuldners entschieden, diesem mithin erst dann ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt, wenn seine Interessen diejenigen des Gläubigers ganz erheblich übersteigen. § 275 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt nämlich ein „grobes Missverhältnis“ zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse. Plakativ könnte man formulieren: Der Gläubiger soll nicht bereits dann auf seinen Erfüllungsanspruch verzichten müssen, sobald der Aufwand sein Leistungsinteresse um einen Cent übersteigt.780 Dahinter steht unter anderem der gesetzgeberische Wille, dem Gläubiger den vertraglichen Erfüllungsanspruch möglichst weitgehend zu gewährleisten. Der Gläubiger soll im deutschen Recht in erster Linie Erfüllung in Natur verlangen können, Schadensersatz hingegen nur sekundär. Selbst wenn die eintretenden Leistungshindernisse „Zufallsereignisse“ darstellen, soll der Schuldner einen gewissen Mehraufwand tragen. Zur Begründung eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 275 Abs. 2 BGB muss das im Aufwand ausgedrückte Interesse des Schuldners daher 779 Hierzu oben sub „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff. 780 So jedoch zu Unrecht Ehmann/Sutschet, s. hierzu später sub „(b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/Sutschet) – Zugleich zum ‚Schwellenproblem‘ des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 367 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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dasjenige des Gläubigers erheblich übersteigen. Wenn das Gesetz dem Interesse des Schuldners aber erst dann gegenüber dem widerstreitenden Interesse des Gläubigers den Vorzug einräumt, wenn jenes weit über diesem liegt, wird dem Schuldnerinteresse im Ergebnis verhältnismäßig weniger Gewicht beigemessen. Deshalb wirkte sich eine absolut781 im gleichen Umfang erfolgende Minderung der beiderseitigen Interessen auf das Gläubigerinteresse, das eigentlich stärker ins Gewicht fallen soll, proportional stärker aus als beim Schuldnerinteresse. Für die daraus resultierende Schlechterstellung des Gläubigers fehlt es jedoch an einer Rechtfertigung. Die beschriebene Wirkungsweise lässt sich auch durch eine mathematische Betrachtung veranschaulichen. Zieht man nämlich einen gleich hohen Betrag von zwei ins Verhältnis zueinander zu setzenden Größen ab, von denen eine (hier: der Leistungsaufwand) betragsmäßig stets höher ist, wirkt sich der Abzug beim größeren Betrag proportional geringer aus als beim niedrigeren Betrag (hier: Leistungsinteresse). Das Verhältnis zwischen beiden Größen verschiebt sich stets weiter zugunsten der betragsmäßig höheren Größe (hier: Leistungsaufwand).782 Die „Unverhältnismäßigkeit“ zwischen Aufwand und Interesse wächst auf diese Weise an. Beispiel: Beträgt etwa der (gesamte) Leistungsaufwand 150 e und das Leistungsinteresse des Gläubigers 100 e, so liegt zwischen Aufwand und Interesse ein Verhältnis von 1,5 : 1 vor. Brächte man nun einen zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreis von 80 e in Abzug, betrüge das Verhältnis zwischen Aufwand (150 e – 80 e = 70 e) und Interesse (100 e – 80 e = 20 e) 70 e : 20 e, also gekürzt 3,5 : 1. Der Schuldner würde also bei Vornahme eines Abzugs besser stehen als ohne Abzug, das Verhältnis von Aufwand zu Interesse betrüge nämlich nicht lediglich 1,5 : 1, sondern 3,5 : 1.

Darüber hinaus drohte bei Vornahme eines Abzugs auf der Seite des Gläubigers die Konsequenz, dass dessen Leistungsinteresse auf null absinkt, wenn er für eine Sache einen dem objektiven Wert entsprechenden Betrag bezahlte und keine weiteren Interessen (wie etwa ein entgangener Gewinn) bestünden. Hat der Käufer (Gläubiger der Sachleistung) z. B. eine Sache im Wert von 100 e zu einem Kaufpreis von 100 e gekauft, beliefe sich sein Interesse im Falle der Minderung seines Interesses um den Betrag der Gegenleistung, die er im Falle der Leistung aufwenden müsste, auf null (100 e abzüglich 100 e Kaufpreis ergibt ein Leistungsinteresse von 0 e).783 Damit wäre eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erheblich erschwert, der Rechtsprechung würde die Entwicklung von Prozentgrenzen für bestimmte Fallgruppen unmöglich gemacht. Sähe man das Verhältnis als Quotient an (Auf781

Also von der unterschiedlichen Interessengewichtung losgelöst. s. hierzu auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 127. 783 Zu diesem Ergebnis käme man immer, würde man zusätzlich den Schadensersatz statt der Leistung (berechnet nach der Differenztheorie) abziehen. 782

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wand geteilt durch Leistungsinteresse), müsste jeder Aufwand in einem groben Missverhältnis zum Interesse stehen, da sich das Verhältnis von Aufwand zu Interesse Unendlich annäherte;784 es träte dann stets eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB ein. Zu dieser Konsequenz käme es gerade dann, wenn der Gläubiger keine weiteren Interessen wie vor allem einen entgangenen Gewinn aus einem Weiterverkauf geltend machen könnte. Dies wird in der Praxis in erster Linie auf Privatpersonen zutreffen, die Sachen regelmäßig zur Eigenverwendung und nicht zum Zwecke einer gewinnbringenden Weiterveräußerung erwerben. Auch daraus wird ersichtlich, dass der Abzug der Gegenleistung beim Leistungsinteresse abzulehnen ist. Eine solche Berechnungsweise liefe auch dem gesetzgeberischen Bestreben entgegen, ein weitgehendes Recht auf Naturalerfüllung zu gewährleisten. So soll sich der Schuldner selbst bei einer schuldlosen Übereignung des Leistungsgegenstands an einen Dritten bemühen, diesen von dem Dritten zurückzuerwerben.785 Im Ergebnis ist bei der Bestimmung des Leistungsaufwands für § 275 Abs. 2 BGB eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung, beim Kaufvertrag der Kaufpreis, nicht abzuziehen. Gleiches gilt für das Leistungsinteresse des Gläubigers, das ebenso wenig um den Betrag der Gegenleistung zu kürzen ist. Die Gegenleistung spielt für § 275 Abs. 2 BGB786 nur in Fällen der Wertminderung beziehungsweise des anfänglich fehlenden Eigentums eine Rolle.787 (2) Berücksichtigung eines hypothetischen Anspruchs des Gläubigers auf Schadensersatz statt der Leistung? Es kann kaum Zweifeln unterworfen sein, dass dem Umstand schuldnerischen Vertretenmüssens im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB Bedeutung zukommt.788 Ob darüber hinaus bei der konkreten Aufwandsbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB ein im Falle der Befreiung von der Erfüllungspflicht bestehender Schadensersatzanspruch des Gläubigers zu berücksichtigen ist, zeigt der Wortlaut der Vorschrift nicht an. Dort ist schlicht von Aufwand, 784 Zutreffend Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 127. Betrüge das Leistungsinteresse 0 e, wäre eine Division mathematisch gänzlich ausgeschlossen. 785 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 786 Vgl. für § 313 BGB insb. „a) Schwere Äquivalenzstörung“, S. 493 ff. 787 Zu diesem gesondert zu behandelnden Problem bereits ausf. sub „c) Behandlung eines Wertverlusts beim Leistungsgegenstand“, S. 265 ff., insb. „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff. 788 Eingehend oben sub „b) Eignung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB?“, S. 220 ff. sowie auch noch unten sub „a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens“, S. 308 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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den die Leistung erfordert, die Rede. Die Leistung erfordert freilich nicht die Zahlung von Schadensersatz statt der Leistung, im Gegenteil: Die Erbringung der Leistung verhindert bei schuldnerischem Vertretenmüssen gerade, dass der Schuldner Schadensersatz statt der Leistung schuldet. Allenfalls könnte daher erwogen werden, den schuldnerischen Leistungsaufwand um den Schadensersatzbetrag zu kürzen,789 wenn und soweit sich der Schuldner die Zahlung desselben durch die Leistung ersparte.790 Eine Ersparnis träte dabei nur ein, wenn schuldnerisches Vertretenmüssen vorläge und damit im Falle der Nichtleistung eine Schadensersatzpflicht drohte. In Ermangelung schuldnerischen Vertretenmüssens und damit einer drohenden Schadensersatzhaftung gäbe es dagegen für den Schuldner nichts zu ersparen. Gegen den Abzug einer durch die Leistungserbringung einzusparenden Schadensersatzzahlung vom Leistungsaufwand im Falle feststehender Sekundärhaftung sprechen mehrere Gründe.791 Zunächst kann auf die Parallele zu dem vom BGH entwickelten „allgemeinen Rechtsgedanken“, die bei bestehender ersatzweiser Sekundärhaftung zum Tragen kommt, verwiesen werden. In jenen Fällen hat der BGH den Aufwand des Schuldners nicht um den im Nichtleistungsfalle geschuldeten Schadensersatzbetrag gemindert. Vielmehr war der ersatzweise in Frage kommende Schadensersatzanspruch für die Anwendungsfälle des „allgemeinen Rechtsgedankens“ wesentliches Begründungselement, ohne betragsmäßig in die Aufwandsbestimmung einzufließen. Gerade wegen der Möglichkeit des Gläubigers, seine finanziellen Interessen ersatzweise im Wege des Schadensersatzes zu wahren, war sein Interesse an einer Primärerfüllung nicht so hoch einzuschätzen, kam ein Fall des Rechtsmissbrauchs überhaupt erst in Betracht. Weiterhin führte ein Abzug des potentiellen Schadensbetrags zu einer für den Gläubiger nachteiligen Relationsverschiebung. Soweit man den Abzug 789 In der Literatur wird diese Frage nicht einheitlich beurteilt: dafür etwa Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 78, dagegen P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 31; Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 127 f.; Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 293 f. (im Grundsatz), vgl. zu Rechenbeispielen S. Meier, JURA 2002, 118, 121. 790 Für den Leistungsaufwand und die Ersparnis des Schadensersatzes („Vorteil“) bestehen unterschiedliche Ursachen: Während der Aufwand durch das eingetretene Leistungshindernis verursacht wird, ist Ursache des Vorteils (Ersparnis von Schadensersatz) gerade nicht das Leistungshindernis (durch dieses wird allenfalls der mögliche „Nachteil“ einer Schadensersatzverpflichtung verursacht), sondern – gleichsam umgekehrt – dessen Beseitigung durch den Schuldner. Darin liegt ein grundlegender Unterschied zu der aus dem Schadensrecht bekannten Vorteilsausgleichung, wo Schaden (hier gleichsam der Mehraufwand) und Vorteil (bei § 275 Abs. 2 BGB gewissermaßen die Ersparnis der Schadensersatzzahlung) durch das gleiche Schadensereignis kausal-adäquat verursacht sein müssen. 791 Vgl. zur drohenden Komplizierung der Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB die entsprechend geltenden Ausführungen oben in Fn. 774 (S. 287).

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eines Schadensbetrags vom Leistungsaufwand befürwortet, müsste ein entsprechender Abzug nämlich auch hinsichtlich des Gläubigerinteresses vorgenommen werden.792 Die Folgen auf der Sekundärebene können nur entweder überhaupt nicht oder generell berücksichtigt werden; ein einseitiger Abzug widerspräche zudem dem Gebot der Gleichbehandlung beider Seiten. Eine Kürzung auf beiden Seiten führte jedoch – analog den zur Abzugsfähigkeit der Gegenleistung angestellten Überlegungen –793 zu einer Schlechterstellung des Gläubigers. Dass der Gläubiger jedoch seinen Erfüllungsanspruch eher verlieren soll, wenn der Schuldner hypothetisch auf Schadensersatz statt der Leistung haftete, weil diesem ein Vertretenmüssen vorzuwerfen ist, wäre in der Sache verfehlt und ist demzufolge abzulehnen.794 Beispiel: Beträgt etwa der Leistungsaufwand 150 e und das Leistungsinteresse des Gläubigers 100 e, so liegt zwischen Aufwand und Interesse ein Verhältnis von 1,5 : 1 vor. Bringt man nun einen möglichen Schadensersatz (statt der Leistung)795 von 50 e in Abzug, betrüge das Verhältnis zwischen Aufwand (150 e abzüglich 50 e = 100 e) und Interesse (100 e abzüglich 50 e = 50 e) 100 e : 50 e, also gekürzt 2 : 1. Der Schuldner stünde mithin bei Vornahme eines Abzugs besser als ohne Abzug, das Verhältnis von Aufwand zu Interesse betrüge nämlich nicht lediglich 1,5 : 1, sondern 2 : 1. Dieser für den Gläubiger nachteilige Effekt würde sich dabei umso mehr verstärken, je höher der Schadensbetrag läge. Warum der Gläubiger aber gerade bei einer höheren Schadenssumme eher auf den sekundären Schadensersatzanspruch verwiesen werden sollte, vermag nicht recht einzuleuchten.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der hypothetische Bestand einer sekundären Schadensersatzhaftung zwar eine fundamentale Rolle für die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB spielt, in die konkrete Bestimmung von Aufwand und Interesse796 indessen nicht einfließt. 5. Leistungsinteresse des Gläubigers Die zweite Größe, die für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB bedeutsam ist, bildet das Leistungsinteresse des Gläubigers. 792

Davon geht auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 31 aus. Hierzu oben sub „(1) Abzug der Gegenleistung?“, S. 286 ff. mit illustrierendem Zahlenbeispiel. 794 Vgl. auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 31 a. E. 795 In Betracht käme vorliegend nur die Berechnung des positiven Interesses nach der Differenztheorie. Die Anwendung der Surrogationstheorie bedeutete für das Leistungsinteresse i. Erg. die bereits oben abgelehnte Kürzung um den Kaufpreis. 796 Ebenso Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 82, 85, 121, 177. 793

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung Das Leistungsinteresse des Gläubigers ist sein Interesse am Erhalt797 der Leistung in Natur.798 Es ist – entsprechend der Bestimmung des schuldnerischen Leistungsaufwands – aus der individuellen Sicht des konkreten Gläubigers zu bestimmen.799 Das Gläubigerinteresse beinhaltet zunächst jedenfalls das gegenständliche Naturalleistungsinteresse, das in materieller Hinsicht durch den objektiven Wert des Leistungsgegenstands (Verkehrswert) ausgedrückt wird.800 Der Berücksichtigung dieses Interesses korrespondiert auf der Seite des Schuldners gewissermaßen dessen Recht, den Normalaufwand in die Waagschale werfen zu können. Bisweilen wird der Gläubiger den Betrag der Gegenleistung als sein Leistungsinteresse in Ansatz bringen wollen. Dies wird dann der Fall sein, wenn der Wert des Leistungsgegenstands unter dem Betrag der Gegenleistung liegt; im Einzelfall kann die Leistung auch überhaupt keinen bezifferbaren Marktwert haben. Übersteigt der Kaufpreis den Wert, ist ein Überwertverkauf gegeben. Die Ursachen hierfür können unterschiedlich sein. Beim Stückkauf wird der Käufer nicht selten ein besonderes Interesse besitzen, gerade eine ganz bestimmte Sache (z. B. ein Gemälde) zu erwerben. Er kann jedoch auch schlicht ein „schlechtes Geschäft“ abgeschlossen haben, etwa weil er geschäftlich unversiert ist oder nur keine Zeit hat beziehungsweise investieren möchte, sich näher mit dem Marktgegebenheiten zu befassen und es in Kauf nimmt, etwas „zu viel“ zu bezahlen. Hat der Käufer ein spezifisches Interesse an einer individuellen Sache, wird man sicherlich sagen können, dass er den Betrag des Kaufpreises als Interesse in Ansatz bringen können soll; anderes dürfte dann gelten, wenn etwa ein Händler Gattungsware zu ungünstigen Konditionen erwirbt. Man wird dem Betrag einer vereinbarten Gegenleistung (Kaufpreis) zumindest Indizwir797

Im Einzelfall kann für die Bestimmung des Leistungsinteresses zudem die hinter § 284 BGB stehende Wertung eine Rolle spielen, s. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 79. Zu beachten ist indes, dass der Ersatz vergeblicher Aufwendungen grds. nur alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung gewährt wird („Anstelle“), s. hierzu Canaris, JZ 2001, 499, 517 (noch zum KonsDiskE); ausf. Bruch, Ersatz vergeblicher Aufwendungen S. 95 ff. 798 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 78. 799 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 78, zust. jüngst Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 81; abw. wohl jüngst Schlechtriem/ Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 483 (das grobe Missverhältnis müsse sich daraus ergeben, dass der Aufwand des Schuldners völlig außer Verhältnis stehe zum Interesse des Gläubigers, „gerade von ihm Erfüllung in Natur zu erhalten“). 800 s. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 21, 25, ferner auch Dauner-Lieb/ Arnold/Dötsch/Kitz/Arnold, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 114, S. 229, zum Teil abw. Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 134 ff.

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kung801 für das Leistungsinteresse beimessen müssen.802 Es ist zugunsten des Gläubigers zu vermuten,803 sein Leistungsinteresse bestehe zumindest in Höhe des Kaufpreises.804 Dem Schuldner sollte eine Widerlegung dieser Vermutung nur in Fällen gestattet werden, in denen eine Person als Händler Ware über dem Marktwert erwirbt, nicht demgegenüber bei Verbrauchern, wo kaum lösbare und denkbar unpraktikable Streitfragen heraufbeschworen würden. In der Regel werden sich in dem Kaufpreis ohnehin berücksichtigungsfähige Interessen des Gläubigers widerspiegeln.805 b) Besondere Leistungsinteressen Über das gegenständliche Naturalleistungsinteresse hinaus können weitere „besondere“806 Interessen des Gläubigers im Raum stehen. (1) Die gläubigerseitige Verwendungsplanung Zunächst geht es dabei um das Interesse des Gläubigers, die Leistung planmäßig verwenden zu können. Nicht selten wird der Gläubiger den Leistungsgegenstand weiterveräußern wollen. Der aus der intendierten Weiterveräußerung erzielbare Gewinn zählt zu seinem Leistungsinteresse. Das gesamte Leistungsinteresse stimmt in solchen Fällen im Ergebnis mit dem Kaufpreis überein, den der kaufwillige Dritte bereit ist, an den Gläubiger 801

s. etwa Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 103, 136 f. Nach Ansicht von Canaris (in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 25 mit Fn. 63) ist insoweit generell vom Kaufpreis auszugehen, da der Gläubiger im Vertrag zum Ausdruck gebracht habe, dass ihm der Leistungsgegenstand diesen Betrag [sc. der Kaufpreis] „wert ist“, ebenso Schwarze, JURA 2002, 73, 77 (insb. mit Fn. 46 a. E.), ferner auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 71, 84, 121, 177 (und 65 mit Fn. 190, 66). 803 Diese Handhabung entspricht der vom BGH im Rahmen des Schadensrechts aufgestellten so genannten Rentabilitätsvermutung zugunsten des Gläubigers, dass die schuldnerische Leistung der Gegenleistung (Kaufpreis) gleichwertig ist, vgl. nur Palandt65 /Heinrichs, § 281 Rn. 23 m. Nachw. zur Rspr. 804 Für ein sowohl über dem Marktwert als auch über dem Kaufpreis liegendes Leistungsinteresse ist indessen der Gläubiger darlegungs- und beweispflichtig, hierzu unten sub „1. Darlegungs- und Beweislast“, S. 456. 805 Ähnl. wohl Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 25 mit Fn. 63. 806 Vgl. zur Differenzierung zwischen „allgemeinen“ und „besonderen“ Interessen Chr. Knütel, AcP 202 (2002), 555, 571 ff., insb. 575 ff. (zum „allgemeinen“ Interesse), 587 ff. (zum „besonderen“ Interesse), der jedoch nur den Anspruch auf Leistung des „besonderen“ Interesses als Schadensersatzanspruch im eigentlichen Sinne versteht (aaO., S. 575 ff., 604) und vom „allgemeinen“ Interesse entsprechend der Differenztheorie den Vertragspreis absetzt (aaO., S. 575). Eine ähnliche Differenzierung findet sich bei Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727, 735 f. 802

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zu bezahlen.807 Sein Leistungsinteresse kann auch über diesen Kaufpreis hinausgehen, wenn er bereits gegenüber dem Dritten vertraglich gebunden ist und diesem im Nichtleistungsfalle zum Schadensersatz statt der Leistung verpflichtet wäre.808 Der Gläubiger besitzt an der schuldnerischen Leistung nämlich auch insoweit ein zu schützendes Interesse, als er bei deren Erhalt drohende Schadensersatzverpflichtungen im Verhältnis zu Dritten abzuwenden vermag. Beispiel: Hat der Gläubiger (Käufer) die gekaufte Sache etwa seinerseits zu einem Kaufpreis von 130 e an einen Dritten verkauft, entspricht sein Leistungsinteresse, das er gegenüber dem Schuldner (Verkäufer) geltend machen kann, im Ergebnis dem Betrag dieses Kaufpreises. Könnte der Dritte im Nichtleistungsfalle vom Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangen, umfasst das gläubigerseitige Leistungsinteresse auch diesen Schadensbetrag. Beliefe sich der Schaden des Dritten beispielsweise auf 30 e, könnte der Gläubiger gegenüber dem Schuldner ein Leistungsinteresse von 160 e (130 e Kaufpreis zuzüglich 30 e aufgrund der drohenden Schadensersatzpflicht) geltend machen.

Im Ergebnis entspricht das Leistungsinteresse des Gläubigers damit regelmäßig dem ihm hypothetisch als Schadensersatz statt der Leistung zustehenden Betrag.809 Der hypothetische Schadensersatz berechnet sich insoweit nach der Surrogationstheorie, da der zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Kaufpreis nicht vom Leistungsinteresse abzuziehen ist.810

807 Anders Canaris, JZ 2004, 214, 215, der das Leistungsinteresse ausschließlich in dem entgangenen Weiterveräußerungsgewinn des Käufers sieht [„da er diesen Betrag einbüßt“, aaO., S. 215 li. Sp., sub II. 1. a)] „oder“ – offenbar alternativ – in dem Betrag, den der Käufer aufwenden müsste, um den dem Verkäufer abhanden gekommenen Leistungsgegenstand wiederzubeschaffen („aufwenden muß, wenn er selbst die Rückführung übernimmt“, ebenda). Unklar bleibt, was zu gelten hat, wenn Geldeinbuße und Rückführungskosten nicht wie in dem von Canaris behandelten Beispiel zufällig betragsmäßig übereinstimmen (dort jew. 10.000 e). Vgl. zum entgangenen Gewinn ausf. Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 74 ff. (und 84, 177). 808 s. Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 77; Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 25, auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 79; Westermann/Bydlinski/Weber, SAT § 7 Rn. 21 sprechen von Folgeschäden, ebenso S. Lorenz/Riehm, Rn. 305. Treffend bezüglich Folgeschäden – wenngleich im Kontext von § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. – Quack, FS Vygen S. 368, 372. 809 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 79, ebenso Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 42, jetzt auch Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 57. Anders offenbar Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 78, der jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Leistungsinteresse i. S. von § 275 Abs. 2 BGB gerade nicht an dem Aufwand, den der Gläubiger zur Beschaffung des Leistungsgegenstands aufwenden müsste, mithin gleichsam den Kosten einer Naturalrestitution, auszurichten ist. 810 Hierzu bereits oben sub „(1) Abzug der Gegenleistung?“, S. 286 ff.

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(2) In Sonderheit: Spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand Im Unterschied zu gewerblich tätigen Händlern erwerben private Käufer Sachen zumeist nicht zur Erzielung eines Weiterveräußerungsgewinns,811 den sie im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB in die Waagschale werfen könnten. In erster Linie beim Stückkauf besitzt der (private) Käufer jedoch oftmals ein spezifisches Interesse gerade am Erhalt einer bestimmten Speziessache.812 Dieses besondere Interesse ist grundsätzlich berücksichtigungsfähig, gleich ob es materieller oder immaterieller813 Natur (so genanntes Affektionsinteresse)814 ist. Damit wird nicht zuletzt dem Stellenwert, der dem vertraglichen Erfüllungsanspruch nach deutschem Recht eingeräumt wird (siehe § 241 Abs. 1 BGB), Rechnung getragen.815 § 253 Abs. 1 BGB steht der Berücksichtigung immaterieller Interessen nicht im Wege: Die Vor811 Vgl. zu insoweit auftretenden Unterschieden zwischen dem kaufmännischen und sonstigen (Rechts-)Verkehr Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 3 Rn. 59. 812 Vgl. Canaris, JZ 2004, 214, 219. 813 So auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 15 [nur noch mit Einschränkungen jetzt AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 43]; Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 3 Rn. 58; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 42; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 38 („Affektionsinteresse“); Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 135 f.; Koller/Roth/Zimmermann/ Koller, IV. 1. (S. 51); S. Lorenz/Riehm, Rn. 307; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 80 (jedoch z. T. anders als hier, s. aaO., Rn. 79, wo generell ein geringeres Leistungsinteresse angenommen wird, wenn sich der Gläubiger die gekaufte Sache ohne weiteres zu vergleichbaren Konditionen anderweitig beschaffen kann); Schlechtriem, SAT5 Rn. 283; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 480; Jauernig11 / Stadler, § 275 Rn. 25; Jauernig10 /Vollkommer, § 275 Rn. 25; Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 25; Westermann/Bydlinski/Weber, SAT § 7 Rn. 23, i. Erg. für eine Berücksichtigung von Affektionsinteressen auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 81, 84, 121, 177 (jedoch mit zweifelhafter Argumentation, s. aaO., S. 79 ff.), in jüngster Zeit offenbar auch BGH, NJW 2005, 2852, 2855 (Korrektur des äußeren Erscheinungsbilds eines Dackels mit übermäßiger O-Beinigkeit), gegen eine Berücksichtigung Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 53 f., wohl auch Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag S. 250 f. (insb. bei Fn. 30). 814 Schwierigkeiten können vornehmlich bei der Quantifizierung immaterieller Interessen auftreten. Doch wird die Rechtsprechung insoweit Mittel und Wege finden, wie dies etwa bei §§ 253 Abs. 2, 651f Abs. 2 BGB gelungen ist, vgl. dazu statt aller Palandt65 /Heinrichs, § 253 Rn. 18 ff., insb. die Nachw. in Rn. 22; Palandt65 / Sprau, § 651f Rn. 6 jew. m. Nachw. zur Rspr.; wie hier jüngst auch Löhnig, ZGS 2005, 459, 460. Darüber hinaus kann sich das spezifische Interesse des Käufers partiell im Kaufpreis niedergeschlagen haben, den er in solchen Fällen jedenfalls in Ansatz bringen kann. Vgl. im Übrigen auch noch unten sub „(d) In Sonderheit: Immaterielle Interessen“, S. 306 f. 815 Vgl. hierzu auch Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 23, s. auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 557 – dort indes nur im Kontext einer hypothetisch bestehenden Schadensersatzhaftung.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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schrift findet zum einen auf den Erfüllungsanspruch keine Anwendung, zum anderen stünde die Erfüllung in Natur gleichsam auf der Stufe der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB, für die § 253 BGB nicht gilt.816 (3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen Die Berücksichtigung des vorstehend dargelegten besonderen Verwendungsinteresses könnte für Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens möglicherweise ausgeschlossen sein oder zumindest von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Hat der Schuldner ein (nachträgliches) Leistungshindernis nicht zu vertreten, kannte er ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht und hat er seine diesbezügliche Unkenntnis auch nicht zu vertreten, unterläge er in Ermangelung der genannten Voraussetzungen817 im Falle der Befreiung von der Primärpflicht keiner sekundären Schadensersatzhaftung. Die besonderen Interessen (wie etwa das Interesse, den Leistungsgegenstand mit Gewinn weiterzuveräußern) bedingen jedoch im Nichtleistungsfalle gerade diejenigen Schadensposten (wie etwa einen entgangenen Gewinn), die der Schuldner als Schadensersatz statt der Leistung nur unter der Voraussetzung des Vertretenmüssens auszugleichen hätte. (a) Dissonanz zwischen „Erfüllungshaftung“ und Schadensersatzhaftung? Daher wurde namentlich von Ackermann zur Begründung seiner These, wonach der Stückverkäufer bei überwindbaren Zufallshindernissen zu deren Beseitigung maximal den Kaufpreis aufwenden müsse,818 Folgendes vorgetragen: Würde man dem Stückschuldner mehr als die Aufbringung des Kaufpreises zur Beseitigung eines von ihm nicht zu vertretenden Hindernisses abverlangen, fehlte „[f]ür die damit postulierte Haftung [. . .] jeglicher Zurechnungsgrund – leistungserschwerende Umstände, die ein Schuldner nicht zu vertreten hat, begründen, wie § 280 I BGB zeigt, nun einmal keine Haftung“819. Diese Argumentation lässt indes unberücksichtigt, dass es bei 816

Ähnl. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 28. s. § 280 Abs. 1 S. 2 bzw. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 818 Hierzu ausf. unten sub „b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Kaufpreises (Ackermann, U. Huber)“, S. 356 ff. 819 Ackermann, JZ 2002, 378, 384, in diese Richtung möglicherweise auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 564 im Kontext des von ihm abgelehnten „Sphärengedankens“ („Haftungsgrund“, „Haftungskriterium“), dem zufolge die „untrennbare Verbindung zwischen Erfüllungshaftung und Schadensersatzhaftung [. . .] in der Natur der Sache“ liege, s. aaO., S. 565. 817

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§ 4 Die neue Rechtslage

der Bestimmung der Grenze der Erfüllungspflicht (Primärebene) nicht um eine Schadensersatzhaftung geht.820 Im neuen Recht wird grundsätzlich zwischen der Befreiung des Schuldners von seiner Primärpflicht und der sekundären Schadensersatzpflicht getrennt:821 Die Befreiung des Schuldners von seiner Erfüllungspflicht ist anderen Voraussetzungen unterworfen als die „Befreiung“822 von einer Schadensersatzhaftung (vergleiche einerseits §§ 275, 313 BGB sowie andererseits §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2 BGB). Ernst spricht diesbezüglich von einer dualen Befreiungsregelung.823 Dieser Grundsatz erfährt jedoch für solche überwindbaren Leistungshindernisse, bei denen eine sekundäre Schadensersatzhaftung aus §§ 280, 283 beziehungsweise § 311a Abs. 2 BGB hypothetisch nicht begründet wäre, gleichsam eine Einschränkung, da insoweit die Reichweite der Primärpflicht gleichzeitig über das „ob“ der Schadensersatzhaftung entscheidet. Bleibt der Schuldner nämlich zur Primärleistung verpflichtet, gelangt der Gläubiger im Wege der Fristsetzung praktisch immer zu einem Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 281 BGB.824 Wird der Schuldner hingegen von seiner Primärpflicht frei, schuldet er weder Erfüllung noch Schadensersatz statt der Leistung. Man kann vor diesem Hintergrund sagen, die dem Schuldner auf Erfüllungsebene angesonnene Aufwandssteigerung teilt sich dem Sekundäranspruch mit.825 820

Zutreffend gegen Ackermann: Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 27. Eine abweichende Konzeption postulierte im früheren Recht vor allem H. H. Jakobs, s. hierzu m. Nachw. oben sub „b) Unverhältnismäßigkeit bei H. H. Jakobs und U. Huber“, S. 239 ff. 822 Während die Erfüllungspflicht durch den Vertrag begründet wird, müssen für die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung bestimmte, im Gesetz normierte Voraussetzungen vorliegen. Daher müsste an sich weniger von einer Haftungsbefreiung als vielmehr von einer Haftungsbegründung gesprochen werden. Jedoch ist in der Praxis meist die Frage des schuldnerischen Vertretenmüssens (sei es hinsichtlich der Pflichtverletzung oder sei es hinsichtlich der Unkenntnis eines vertragsanfänglichen Leistungshindernisses) die streitentscheidende Voraussetzung einer Schadensersatzhaftung. Da das Gesetz das Vertretenmüssen aber zugunsten des Gläubigers vermutet (vgl. §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2 BGB), muss sich der Schuldner entlasten, um einer Schadensersatzhaftung zu entgehen. Daher kann zumindest untechnisch von der „Befreiung“ des Schuldners von seiner Schadensersatzhaftung gesprochen werden. 823 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 1, 9 f. (insoweit krit. ders., JZ 1994, 801, 803: „Die dualistische Lösung ist ‚zweite Wahl‘“), ebenso Canaris, JZ 2004, 214, 224, anders im Kontext des KommE Anders, Pflichtverletzung S. 185, 346. 824 Hierzu m. Nachw. oben sub „a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB“, S. 230 ff. 825 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 10. Zu Ungunsten des Schuldners kommt Folgendes hinzu: Setzt der Gläubiger Frist zur Leistung, ist darin eine Leistungsaufforderung im Sinne einer Mahnung enthalten, womit der Schuldner in Verzug gerät (so ausdrücklich BT-Drucks. 14/6040, S. 138 li. Sp./145 re. Sp.; krit. aber 821

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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In Frage käme daher, die für die Sekundärebene festgelegte Wertung, den Schuldner nur unter der Voraussetzung des Zuvertretenhabens auf Schadensersatz haften zu lassen – zu ihr noch sogleich im nachfolgenden Absatz –, auf die Primärebene zu übertragen,826 oder jedenfalls den aufgezeigten systematischen Zusammenhang bei der Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB im gebotenen Maße zu berücksichtigen. Übertrüge man die Wertung auf § 275 Abs. 2 BGB, wäre das Leistungsinteresse des Gläubigers (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB) unter Ausblendung des „besonderen“ Gläubigerinteresses zu bestimmen, sofern dem Schuldner kein Vertretenmüssen zur Last fällt. Zur Begründung ließe sich anführen, dass die für die Schadensersatzhaftung getroffene Wertentscheidung andernfalls für überwindbare Leistungshindernisse, die kein grobes Missverhältnis begründen, auf Primärebene zwangsläufig und vollständig unterlaufen würde.827 So wäre der Schuldner dem Gläubiger zwar auf Sekundärebene nicht zum Ersatz eines entgangenen Gewinns verpflichtet, jedoch müsste er einen entsprechenden Betrag im Rahmen seiner „Erfüllungshaftung“828 (auf Primärebene) aufbringen, um so bereits den Schadenseintritt zu verhindern.829 Denn indem § 275 Abs. 2 BGB Gsell, JZ 2004, 110, 113 mit Fn. 20, Ernst/dies., ZIP 2001, 1389, 1393). Folglich hat der Schuldner die nach Verzugseintritt eintretenden Leistungshindernisse regelmäßig auch ohne Verschulden zu vertreten (§§ 276 Abs. 1 S. 1, 287 S. 2 BGB – Zufallshaftung). Das Vertretenmüssen des Schuldners wirkt sich bei Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB (wie auch des § 313 BGB) zu seinen Lasten aus. 826 Ähnl. wohl P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 49, der ein „gewisses Spannungsverhältnis zu den §§ 280 ff. [BGB]“ sieht, vgl. auch andeutungsweise Canaris, JZ 2004, 214, 218 (li. Sp., sub 3., „erscheint [. . .] heikel“). Nach T. Härle, Inhalt und Grenzen der Leistungspflicht S. 180 (zum Vermächtnis) kann das Leistungsinteresse bei Zufallshindernissen nicht anhand des Nichterfüllungsschadens bemessen werden, sondern es „dürfte in aller Regel der Wert des Schuldgegenstandes das gläubigerseitige Interesse bestimmen“; i. Erg. gleichfalls ähnl. der hier vertretenen Lösung jüngst Musielak, Grundkurs9 Rn. 396c: Im Falle eines nicht zu erwartenden (Schadens-)Ereignisses (im dort gebildeten Beispielsfall ein plötzlicher Orkan) bleibt ein vom Käufer erzielbarer Gewinn „ohne Einfluss auf die von V [sc. dem Verkäufer] nach dem Kaufvertrag geschuldeten Anstrengungen zur Leistungserbringung“. 827 Vgl. auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 49 („teilweise konterkariert“). 828 Um Missverständnisse (vgl. zuvor bei Fn. 819 f., S. 297 f.) zu vermeiden, sollte man das Wort Haftung im Kontext der Primärpflicht mit Anführungszeichen versehen, anders möglicherweise Canaris, im Rahmen der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2005 (Karlsruher Forum 2005, S. 211): „strengen Primärhaftung“, „harten Primärhaftung“. 829 Dagegen mit Recht U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 561 insb. mit Fn. 108a, unzutreffend demgegenüber Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 72 ff., 78 f., 84, 121, 177, der sich – jedenfalls soweit vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse betroffen sind – ohne Erfolg auf ein argumentum a fortiori (Erst-Recht-Schluss) zu stützen sucht: Aus dem Vorrang der Erfüllung in natura lässt sich gerade nicht ableiten, dass „die Interessen des Gläubigers an der Leistung in natura nicht weniger stark, vielmehr mindestens so stark geschützt werden, wie

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für ein Leistungsverweigerungsrecht mindestens voraussetzt, dass der schuldnerische Leistungsaufwand das Leistungsinteresse des Gläubigers übersteigt830 – dies wurde tatbestandlich durch das aufgestellte Erfordernis eines „groben Missverhältnisses“ abgesichert –, müsste der Schuldner auf Erfüllungsebene (§ 275 Abs. 2 BGB) stets zumindest den Betrag, der dem Schadensersatz statt der Leistung (in Form der Geldentschädigung) entspricht, zur Beseitigung eines Hindernisses aufbringen. Für den Schuldner spielte es jedoch im Ergebnis keine erhebliche Rolle, ob er ein und denselben Betrag im Rahmen seiner Erfüllungspflicht als „Leistung in Natur“ oder als Schadensersatz statt der Leistung aufzuwenden hätte.831 Man mag die Interessen des Gläubigers zwar gerade deshalb besonders schützen, weil er ein starkes Interesse an einer Leistung in Natur hat, doch darf dies nicht dazu führen, dass elementare gesetzliche Wertungen konterkariert werden. Daher scheint vorliegend die aufgezeigte „systematische“ Auslegung832 des Interessebegriffs sachgerecht.833 Die drohende Dissonanz zwischen Primär- und Sekundärebene lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei wertungsmäßig durchaus schlüssig, dem Schuldner mehr abzuverlangen, wenn es um die Befriedigung des Gläubigerinteresses in Natur gehe, als wenn es lediglich darum gehe, den Gläubiger finanziell zu entschädigen.834 Diese Überlegung mag für Fälle vorliegenden schuldnerischen Vertretenmüssens zutreffen, da dem Schuldner dort in der Tat auf Erfüllungsebene mehr Aufwand zugemutet wird, als er hätte, würde er bei Eingreifen von § 275 Abs. 2 BGB „nur“ Schadensersatz statt der Leistung in Form der Geldentschädigung – nicht der Naturalrestitution – zahlen müssen. Stehen demdie Wertinteressen auf Sekundärebene“ (aaO., S. 72, Hervorheb. im Original), wenn eine Haftung auf Sekundärebene in Ermangelung schuldnerischen Vertretenmüssens nicht begründet ist bzw. wäre. Entgegen Helm (aaO., S. 72) muss der Schuldner diejenigen Interessen des Gläubigers, denen bei Eingreifen von § 275 Abs. 2 BGB im Rahmen der Schadensersatzpflicht nach §§ 280, 283 BGB (unklar bleibt, warum Helm, aaO. § 249 S. 1 BGB [§ 249 Abs. 1 BGB n. F.] zitiert, obwohl er für diesen Fall selbst eine Naturalrestitution ablehnt, s. aaO., S. 74) Rechnung getragen wird, mitnichten „erst recht auch im Rahmen des § 275 II [BGB] gegen sich gelten lassen“ (Hervorheb. im Original). Denn die Prämisse, dass den Interessen auf Sekundärebene Rechnung getragen wird, trifft jedenfalls in Fällen mangelnden Vertretenmüssens eben nicht zu. Z. T. bleiben die Ausführungen von Helm auch im Unklaren, vgl. etwa den letzten Satz sub aa., S. 74. 830 So auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 45 f. 831 Versicherungsrechtliche Aspekte sollen vorliegend außer Betracht bleiben, vgl. insoweit – jedoch noch zum alten Recht – Koller, NJW 1996, 300, 301 f. 832 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 49 würde dieses Vorgehen als Gesetzeskorrektur werten. 833 s. auch U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 35; dens., FS Schlechtriem S. 521, 565. 834 So P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 49, dagegen Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 260 f.

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gegenüber Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens zur Diskussion, wird dem Schuldner auf Erfüllungsebene nicht nur mehr und damit auf Sekundärebene nur „weniger“ Aufwand abverlangt, vielmehr schuldete er im Falle der Befreiung mangels Vertretenmüssens gerade keine finanzielle Entschädigung (Schadensersatz). Auch für den Fall, dass § 275 Abs. 2 BGB nicht eingreift, besteht ein Gleichlauf zwischen Primär- und Sekundärebene, denn er schuldete entweder Erfüllung oder im Nichtleistungsfalle (nach Fristsetzung oder Erfüllungsverweigerung, § 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Fall 1 BGB) als Schadensersatz statt der Leistung Naturalrestitution, mit der im Ergebnis das gleiche Ziel wie bei der Leistung in Natur erreicht wird.835 Man kann der dargelegten Dissonanz nicht mit Erfolg entgegenhalten, die für die Schadensersatzhaftung bislang unterstellte Wertung erfasse die streitigen Fälle von vornherein nicht: Das im Gesetz aufgestellte Erfordernis schuldnerischen Vertretenmüsssens – sei es, dass der Schuldner den Eintritt eines (nachträglichen) Leistungshindernisses und damit mittelbar die Pflichtverletzung (Nichtleistung; §§ 280 Abs. 1 S. 2, 283 S. 1 BGB) zu vertreten haben muss, oder sei es, dass er ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB) zu vertreten haben muss – setzt für eine Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung jeweils voraus, dass der Schuldner „nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht“836. Letzteres hat bei überwindbaren Leistungshindernissen zur Voraussetzung, dass die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB begründet und vom Schuldner ausgeübt ist. Ob die Voraussetzungen dieser Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB vorliegen, wird jedoch hier gerade erst geprüft. Es mutet daher rein formal betrachtet zirkulär an, wenn man das Vorliegen der Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB – und darum geht es bei der Kürzung des Leistungsinteresses um besondere Gläubigerinteressen – mit einem Argument (sc. das Unterlaufen einer auf Sekundärebene getroffenen Wertentscheidung) zu begründen versucht, das das zu begründende Ergebnis (sc. das Vorliegen der Voraussetzungen von § 275 Abs. 2 BGB) seinerseits voraussetzt. Zwar wird bei einer Haftung nach §§ 280, 281 BGB der so genannte „Verschuldensgrundsatz“837 gewahrt, da der Schuldner die Pflichtverletzung im Sinne dieser Vorschriften, 835 Hierzu noch näher sub „2. Naturalrestitution durch den Gläubiger bei durchsetzbarem Erfüllungsanspruch“, S. 460 ff. 836 s. § 283 S. 1 (dort mit etwas anderer Satzstellung) bzw. § 311a Abs. 1 BGB. 837 Die Bezeichnung ist unscharf, da für die Schadensersatzhaftung nach dem Gesetz neben Verschulden (Fahrlässigkeit und Vorsatz) auch Vertretenmüssen ausreicht. Vertretenmüssen ist indes gegenüber dem Verschuldensbegriff weiter, s. nur § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 BGB (Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos) und § 287 S. 2 BGB (Zufallshaftung).

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die Nichtleistung innerhalb angemessener Frist, zu vertreten haben muss. Gleichwohl ist Zurückhaltung geboten. Der Erfüllungsanspruch soll nicht gleichsam als Vehikel dafür fungieren, eine Sekundärhaftung über den Umweg des § 281 BGB zu begründen, bei der für ein Vertretenmüssen bereits ausreicht, dass der Schuldner die Leistung innerhalb angemessener Frist nicht erbringt. Beschränkte man § 275 Abs. 2 BGB etwa wie manche Autoren auf „Extremfälle“,838 so dass der Primäranspruch praktisch immer durchsetzbar bliebe, haftete der Schuldner nach §§ 280, 281 BGB stets auf Schadensersatz statt der Leistung, so er nicht den extrem hohen Aufwand zur Leistungserbringung einsetzte.839 Das „Verschuldensprinzip“ (siehe §§ 280 Abs. 1 S. 2840, 286 Abs. 4, 311a Abs. 2 S. 2 BGB) droht bei einer übermäßigen Ausweitung der Erfüllungspflicht für den Bereich überwindbarer Leistungshindernisse zurückgedrängt zu werden. Dessen Geltung wurde indes durch die Schuldrechtsreform unterstrichen,841 indem man etwa mit Einführung des neuen § 311a Abs. 2 BGB ganz bewusst842 von der Garantiehaftung für anfängliches Unvermögen843 – wie sie über hundert Jahre von Rechtsprechung und herrschender Lehre vertreten wurde – Abschied nahm.844 Gegen eine vollumfängliche und generelle Berücksichtigung besonderer Verwendungsinteressen des Gläubigers im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB dürften auch die einschlägigen Ausführungen in der Gesetzesbegründung sprechen. Dort heißt es für das Beispiel, dass der Schuldner den Leistungsgegenstand ohne Verschulden an einen Dritten übereignet, er müsse diesem 838 Hierzu m. Nachw. unten sub „(c) Beschränkung des § 275 Abs. 2 BGB auf Extremfälle“, S. 372 f. 839 Ähnl. – wenngleich etwas unpräzise – im Kontext des Nacherfüllungsanspruchs P. Huber, NJW 2002, 1004, 1008: „Schließlich darf der Nacherfüllungsanspruch nicht zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch ausarten“ (s. auch Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121; ferner Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 193; Kirsten, ZGS 2005, 66, 69 und 71), im gleichen Kontext auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 530 („auf dem Umweg über seine Mängelbeseitigungspflicht“). 840 Bei der Verletzung des Integritätsinteresses – etwa wegen Verletzung einer Schutzpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB – kann ein vergleichbares Problem freilich nicht eintreten, s. zur Abgrenzung von Äquivalenz- und Integritätsinteresse z. B. A. Teichmann/Weidmann, FS Hadding S. 287, 297 f., 305. 841 Ebenso Finkenauer, WM 2003, 666, 668. 842 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 165 re. Sp. mit ausführlicher Begründung. 843 Hierzu oben sub „a) Ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre“, S. 82 ff. mit reichhaltigen Nachw. 844 Ferner wurde im Zuge der Reform der verschuldensunabhängige Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten (§ 467 S. 2 BGB a. F.) bewusst abgeschafft und fortan abhängig vom Vertretenmüssen des Schuldners ausgestaltet (§ 284 BGB), s. BT-Drucks. 14/6040, S. 225 re. Sp.

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zum Zwecke des Rückerwerbs „zumindest den Marktpreis, u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis“ bieten,845 um nach erfolgtem Rückerwerb gegenüber dem Gläubiger erfüllen zu können. Danach wird dem Schuldner im Falle mangelnden Verschuldens lediglich ein Aufwand in Höhe des Marktpreises (besser: Markwert)846, nur „unter Umständen“ ein darüber liegender Aufwand angesonnen. Es wird nicht präzisiert, wann solche Umstände vorliegen sollen. Der Marktpreis beziehungsweise -wert entspricht insoweit dem gegenständlichen Naturalleistungsinteresse (dem „allgemeinen Leistungsinteresse“) des Käufers. Es erscheint möglich, dass die Gesetzesbegründung mit der Formulierung „unter Umständen“ andeuten wollte, dass auch die vorliegend problembehafteten besonderen Leistungsinteressen des Gläubigers umfasst sein können. Ob sich allerdings eine für den Schuldner derart einschneidende Folge tatsächlich hinter der unbestimmten Formulierung „unter Umständen“ verbergen soll, ist mit Zweifeln behaftet. Dies würde der Interessenlage nicht gerecht werden und dürfte dem typischen Parteiwillen der Vertragsparteien kaum entsprechen: Jede Steigerung des Leistungsinteresses hätte nämlich automatisch zur Folge, dass der Schuldner mit eben diesem Betrag zusätzlich belastet wird; er müsste das entsprechende Risiko stets voll tragen.847 Vorzugswürdig erscheint daher, einem etwaigen besonderen Gläubigerinteresse (zu immateriellen Interessen siehe später unter „(d) In Sonderheit: Immaterielle Interessen“, S. 306 f.) in der Weise Rechnung zu tragen, dass die Befreiungsschwelle im Einzelfall geringfügig erhöht wird.848 (b) Einbeziehung „besonderer“ Interessen in den Vertrag als Ausweg? Demgegenüber wurde von Canaris vorgeschlagen, ein „spezifisches – gegebenenfalls auch immaterielles – Interesse“ des Stückkäufers an der individuellen Speziessache beziehungsweise dessen „vertragsgemäßen Verwendungszwecke“ (vorliegend als besondere Leistungsinteressen bezeichnet) bei § 275 Abs. 2 BGB zwar – wie es scheint – vollumfänglich zu berücksichtigen, dies jedoch grundsätzlich nur unter der Voraussetzung, „soweit sie [sc. die immateriellen beziehungsweise besonderen Interessen] – zumindest konkludent oder inzident – Eingang in den Vertrag gefunden haben“849, „weil 845

BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. Vgl. insoweit auch die Kritik von U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 563 f. 847 Anders offenbar Krückmann, AcP 101 (1907), 1, 19, 55 f. mit Fn. 45 a. E., hierzu bereits oben sub „a) Einrede aus ‚entgegenstehendem gewichtigem, eigenem Interesse‘ (Krückmann)“, S. 237 f. 848 Hierzu sogleich noch näher sub „(c) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 305 f. 849 Dazu neigt Canaris, JZ 2004, 214, 219 mit Fn. 51 („Freilich wohl nur“, Hervorheb. nicht im Original), zust. AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 43, 846

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dabei [sc. bei § 275 Abs. 2 BGB] ja der ‚Inhalt des Schuldverhältnisses‘ zu beachten“850 sei. Während die Gewährung von Schadensersatz statt der Leistung (Sekundärebene) im Kontext besonderer Verwendungszwecke des Gläubigers freilich nicht davon abhängt, dass diese Eingang in den Vertrag gefunden haben oder dem Schuldner auch nur erkennbar waren,851 möchte Canaris eine vertragliche Einbeziehung auf Primärebene fordern.852 Zunächst lässt sich das postulierte Erfordernis nicht allein mit dem Verweis auf den Wortlaut des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB begründen. Denn die in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB angeordnete bloße „Beachtung“ des Vertragsinhalts besagt noch nicht, dass ein Verwendungszweck des Gläubigers zum Vertragsinhalt („Eingang in den Vertrag gefunden haben“) geworden sein muss, um berücksichtigt werden zu können.853 Ein entsprechendes Erfordernis ließe sich möglicherweise dann begründen, wenn man dem Inhalt des Schuldverhältnisses wie in der vorliegenden Untersuchung weitaus mehr Bedeutung zumessen würde, als der Wortlaut des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB dies vorgibt, indem er von bloßer „Beachtung“ spricht. Unklar bleibt zudem, wie konkret der gläubigerseitige Verwendungszweck Eingang in den Vertrag gefunden haben muss. Reicht es bereits aus, abl. jüngst Löhnig, ZGS 2005, 459, 460, s. zu dem von Canaris insoweit bemühten „subjektiven Äquivalenzprinzip“ dens., FS Wiedemann S. 3, 6 f. (und speziell zur Minderung S. 8 f.), dens., FS E. Lorenz S. 147, 154, ähnl. auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 68 f., anders dagegen Haas/Medicus/Rolland/ Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 46, der zu der Auffassung tendiert, ein besonderes Leistungsinteresse des Gläubigers müsse nicht notwendig im Vertrag oder auch nur in den Verhandlungen zum Ausdruck gekommen sein. 850 Canaris, JZ 2004, 214, 219 mit Fn. 51. 851 Dies dürfte unstreitig sein. Die von Canaris, JZ 2004, 214, 219 mit Fn. 51 insoweit in Bezug genommenen Ausführungen von Grigoleit/Riehm (AcP 203 (2003), 727, 740 mit Fn. 41) scheinen dabei ein ganz anderes Problem zu behandeln, das in der Tat kontrovers diskutiert wird. Es geht dabei um die Frage, ob ein besonderer Verwendungszweck, der infolge des Verzugs des Schuldners nicht mehr erreicht werden kann, zum Gegenstand des Vertrags gemacht werden muss, namentlich dem Schuldner bekannt oder erkennbar sein muss, um dem Gläubiger eine Vertragsliquidierung ausnahmsweise ohne Fristsetzung (s. § 281 Abs. 2 Fall 2 BGB) zu ermöglichen. 852 Der damit einhergehende Unterschied soll nach Canaris, JZ 2004, 214, 219 mit Fn. 51 a. E. „insbesondere mit dem Erfordernis des Vertretenmüssens zusammenhänge[n]“. 853 Das von Canaris (JZ 2004, 214, 219) zur Begründung herangezogene „subjektive Äquivalenzprinzip“ vermag die im Text (sub „(a) Dissonanz zwischen ‚Erfüllungshaftung‘ und Schadensersatzhaftung?“, S. 297 ff.) aufgezeigten Konsequenzen nicht zu rechtfertigen, krit. auch J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1604, der – im Gegensatz zu Canaris – eine Verletzung der subjektiven Äquivalenz zum Nachteil des Verkäufers (Schuldners) befürchtet, wenn man ihm die Mehrbelastung aufgrund des die Sache betreffenden Unglücks zumutete.

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dass der Schuldner bei Vertragsschluss weiß, dass der Gläubiger die Sache weiterzuveräußern plant, oder muss der Gläubiger den konkret erzielbaren Gewinn offen legen, insbesondere dann, wenn dieser besonders hoch ist?854 Der Gläubiger würde zur Offenlegung seiner Interna gezwungen, wenn er sein den Verwendungszweck betreffendes Interesse im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB berücksichtigt wissen möchte. Diese Offenlegung, die hinsichtlich eines etwaigen Schadensersatzanspruchs freilich unterbleiben kann855 und daher auch nicht der gängigen Praxis entspricht,856 müsste im Hinblick auf den Erfüllungsanspruch stattfinden; zweifelhaft wäre zudem, ob ein Einbeziehungserfordernis auch für Fälle einer hypothetisch gegebenen Schadensersatzhaftung bestehen sollte.857 Abgesehen von den angedeuteten Schwierigkeiten wäre auch zu fragen, ob der mit einem Einbeziehungserfordernis verfolgte Sinn und Zweck nicht auf anderem Wege zu erreichen wäre. Der entscheidende Gesichtspunkt wird insoweit sein, dem Schuldner bei Vertragsschluss die Einschätzung seines Risikos zu ermöglichen. Steht ein hohes Gläubigerinteresse im Raum, könnte er das Risiko einer weit reichenden „Erfüllungshaftung“ möglicherweise absichern oder einen vertraglichen Vorbehalt durchzusetzen versuchen. Zur Erreichung dieser Zwecke wäre es indes ausreichend, dass dem Schuldner Verwendungszwecke des Gläubigers bei Vertragsschluss erkennbar sind; ob diese Interessen damit tatsächlich „Eingang in den Vertrag“ finden würden – was beispielsweise bei formbedürftigen Verträgen leicht zu Problemen führen kann –, wäre unerheblich. (c) Eigener Lösungsvorschlag Vorzugswürdig erscheint daher, den Begriff des gläubigerseitigen Leistungsinteresses i. S. von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB „systematisch“ auszulegen. Dementsprechend sind besondere Leistungsinteressen des Gläubigers, die 854 In dem Beispiel von E. Picker (s. JZ 2003, 1035, 1036), bei dem der Abnehmer des Käufers (Gläubigers) diesem (offenbar) einen reinen Liebhaberpreis zu zahlen bereit ist, hält es Canaris (JZ 2004, 214, 219 mit Fn. 52 a. E.) aufgrund der von ihm gemachten Einschränkung für „sehr zweifelhaft“, ob der Liebhaberpreis im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen sei. Möglicherweise folgt daraus, dass der konkrete – in casu sehr hohe – Weiterveräußerungsgewinn „Eingang in den Vertrag gefunden haben“ muss. 855 s. aber im Sonderfall § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 1 BGB. 856 Regelmäßig wird sie nur bei einer Vertragsliquidierung zum Zwecke der Schadensbezifferung erfolgen, sofern der (gewerbliche) Gläubiger nicht auf die Möglichkeit einer abstrakten Schadensberechnung zurückgreift. Im Übrigen wird der Schuldner an einer Offenlegung oftmals überhaupt kein Interesse haben. 857 Dann bestünde nämlich der von Canaris (JZ 2004, 214, 219 mit Fn. 51 a. E.) angeführte Unterschied in Gestalt des Vertretenmüssens nicht.

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auf der Sekundärebene typischen Schadensposten entsprechen, in den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens nicht generell und mit vollem Gewicht in das für § 275 Abs. 2 BGB relevante Leistungsinteresse einzubeziehen. Vielmehr ist prinzipiell nur ein „schadensbereinigtes Leistungsinteresse“ anzusetzen. Besonderen Gläubigerinteressen vermag dadurch Rechnung getragen zu werden, dass man den in den untersuchten Fällen ohnehin schon auf das gegenständliche Naturalleistungsinteresse (den objektiven Wert beziehungsweise den Kaufpreis)858 zu gewährenden „moderaten Zuschlag“859 geringfügig erhöht. Zwar ist nicht erforderlich, dass das konkrete Leistungsinteresse zum Vertragsinhalt wurde, zumindest aber muss es für den Schuldner bei Vertragsschluss dem Grunde nach erkennbar sein.860 (d) In Sonderheit: Immaterielle Interessen Für das spezifische Interesse des Stückkäufers am Erhalt der individuellen Kaufsache (so genanntes Affektionsinteresse) läge das Erfordernis der Erkennbarkeit für den Schuldner in aller Regel vor. Ein solches immaterielles Interesse ergibt sich nämlich zumeist unmittelbar aus der Art des Leistungsgegenstands. So liegt das benannte Interesse geradezu auf der Hand, wenn jemand etwa ein Sammlerstück (z. B. ein Gemälde, einen Oldtimer, eine Briefmarke etc.) verkauft oder sonstige Gegenstände, mit denen der Käufer offenkundig eine besondere Verbindung (wie beispielsweise bei Haustieren) anstrebt. Hervorgehobene Bedeutung muss ein solches spezifisches Leistungsinteresse besitzen, da es dem Vertrag oftmals gleichsam dessen Gepräge verleiht. Zum anderen liegt ein maßgeblicher Wertungsgesichtspunkt anders als bei den zuvor behandelten besonderen materiellen Interessen. Dort gilt es zu verhindern, dass in Konstellationen, in denen der Schuldner bei einer Primärpflichtbefreiung mangels Vertretenmüssens einer sekundären Schadensersatzhaftung nicht unterläge, eine Dissonanz zwischen „Erfüllungshaftung“ und Schadensersatzhaftung entsteht; das Leistungsinteresse ist unter Ausblendung besonderer Leistungsinteressen zu bestimmen, da nur so vermieden wird, dass der Schuldner auf Erfüllungsebene auch ohne Vertretenmüssen den Eintritt von Schäden abzuwenden hat, die er auf Schadensersatzebene nur unter der Voraussetzung des Vertretenmüssens zu ersetzen 858 Hierzu oben sub „a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung“, S. 293 f. 859 Hierzu noch sub „(a) ‚Moderater Zuschlag‘ auf das gegenständliche Naturalleistungsinteresse“, S. 402 f. 860 In Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB möchte jüngst Löhnig, ZGS 2005, 459, 460 dem Gläubiger eine „Interessenminimierungsobliegenheit“ auferlegen, ähnl. zuvor Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 79.

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hätte. Bei immateriellen Interessen liegen die Dinge indessen anders: Der Schuldner hat immaterielle Interessen auf Ebene des Schadensersatzes in Form der Geldentschädigung überhaupt nicht auszugleichen, also selbst dann nicht, wenn die Voraussetzungen einer Sekundärhaftung begründet wären, er also ein (nachträgliches) Leistungshindernis zu vertreten hätte, ein vertragsanfängliches Hindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat. Denn nach § 253 BGB ist der Ersatz wegen immaterieller Schäden in den diskutierten Fällen generell ausgeschlossen. Immaterielle Interessen werden ausschließlich auf Primärebene geschützt. In dieser Hinsicht lässt sich demnach nicht zugunsten des Schuldners dahingehend argumentieren, ihm würde auf Erfüllungsebene etwas zugemutet, wozu er auf Sekundärebene in Ermangelung der erforderlichen Voraussetzungen nicht verpflichtet wäre. Der Gedanke setzt nämlich voraus, dass der Schuldner potentiell – das heißt wenn die Voraussetzungen (sc. schuldnerisches Vertretenmüssen) vorlägen – verpflichtet sein könnte. Diese für die Argumentation wesentliche Prämisse ist jedoch bei immateriellen Interessen wegen § 253 BGB nicht gegeben, so dass eine Dissonanz zwischen „Erfüllungshaftung“ und Sekundärhaftung in allen Fällen nicht gegeben ist. Ein gewichtiges Gegeninteresse des Schuldners aus der Erwägung, er unterläge hypothetisch nicht einer Schadensersatzhaftung, lässt sich daher für immaterielle Interessen nicht ableiten. Vorstehende Überlegungen sowie die bereits vorgenommene Bewertung der widerstreitenden Interessen zwischen Gläubiger und Schuldner im Übrigen861 lassen es gerechtfertigt erscheinen, immaterielle Interessen des Gläubigers nicht ebenso restriktiv wie besondere Interessen materieller Natur zu handhaben. Im Falle eines erheblichen immateriellen Interesses des Gläubigers am Erhalt des spezifischen Leistungsgegenstands kann der sonst zu gewährende „moderate Zuschlag“ im Einzelfall daher auch mehr als nur geringfügig erhöht werden. c) Weitere Modalitäten der Interessebestimmung Maßgeblicher Bestimmungszeitpunkt für das Leistungsinteresse ist das Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess.862 Weiterhin ist – wie im Kontext des Leistungsaufwands bereits dargelegt – eine 861 Zu ihr bereits oben sub „(c) In Sonderheit: Immaterielles Leistungsinteresse“, S. 234 f. 862 Vgl. z. B. Emmerich, Leistungsstörungsrecht5 § 3 III 3 b bb (S. 40); P. Huber/ Faust, Kap. 2 Rn. 33; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 83 ff., 121, 177, demgegenüber stellt MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 81 auf den Zeitpunkt der Fälligkeit ab, hält indes eine Steigerung und offenbar („wohl“) auch eine spätere Minderung für berücksichtigungsfähig.

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zwischen den Parteien vereinbarte Gegenleistung beim Leistungsinteresse nicht in Abzug zu bringen;863 Gleiches gilt für die im Falle der Leistungsbewirkung nicht zu leistende Schadensersatzzahlung864 des Schuldners an den Gläubiger. 6. Vertretenmüssen (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB) Nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ist bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens Wie bereits eingehend analysiert wurde,865 hat der Umstand, ob der Schuldner im Falle der Befreiung von der Primärpflicht einer sekundären Schadensersatzhaftung unterläge oder nicht, fundamentale Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB. Danach entscheidet sich (grundsätzlich), ob es bei § 275 Abs. 2 BGB um die „bloße“ Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch – so bei hypothetisch bestehender Sekundärhaftung – geht, oder ob der Gläubiger seinen Primäranspruch ersatzlos verlieren soll („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“). Die Zuordnung zu den beiden genannten Regelungsproblemen hängt davon ab, ob die Voraussetzungen einer alternativen Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung gegeben wären. Das entscheidet sich danach, ob der Schuldner die Pflichtverletzung i. S. von §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 283 S. 1 BGB (Nichtleistung), mithin das Leistungshindernis, zu vertreten hat, oder ob er ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine Unkenntnis zu vertreten hat (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB)866. Die fundamentale Unterscheidung 863

s. sub „(1) Abzug der Gegenleistung?“, S. 286 ff. Hierzu sub „(2) Berücksichtigung eines hypothetischen Anspruchs des Gläubigers auf Schadensersatz statt der Leistung?“, S. 290 ff. 865 Ausf. oben sub „b) Eignung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB?“, S. 220 ff., zu Besonderheiten immaterieller Interessen oben sub „(c) In Sonderheit: Immaterielles Leistungsinteresse“, S. 234 f. 866 Worin im Falle von § 311a Abs. 2 BGB der Haftungsgrund besteht, kann hier dahinstehen, vgl. dazu BT-Drucks. 14/6040, S. 165 re. Sp., hierzu unten mit Fn. 956 (S. 327 f.), ausf. Canaris, FS Heldrich S. 11, 25 ff. sowie unten mit Fn. 938 (S. 323). Entscheidend ist für den vorliegenden Kontext, dass die Haftung nur unter der Voraussetzung eintritt, dass der Schuldner die ihm obliegende vorvertragliche Vergewisserungs- bzw. Aufklärungspflicht in zu vertretender Weise verletzt hat, was zugunsten des Gläubigers vermutet wird, s. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB: „Dies gilt nicht, wenn [. . .]“. 864

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der beiden genannten Regelungsprobleme hängt damit mittelbar vom schuldnerischen Vertretenmüssen ab. Diese Bedeutung wird in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB nur unpräzise („auch zu berücksichtigen“)867 und unvollständig (als Bezugspunkt des Vertretenmüssens wird lediglich „das Leistungshindernis“ genannt) zum Ausdruck gebracht. Soweit das Vertretenmüssen in diesem Kontext betroffen ist, spielt der Grad des Verschuldens keine Rolle. Denn der maßgebliche Unterschied zwischen den beiden zu trennenden Regelungsproblemen liegt darin begründet, dass in einem Fall eine alternative Sekundärhaftung gegeben wäre, im anderen Fall hingegen nicht. Dieses Differenzierungskriterium – das Bestehen einer alternativen Sekundärhaftung – ist indes unabhängig vom Verschuldensgrad. Denn der Bestand der Sekundärhaftung hängt lediglich davon ab, ob ein Vertretenmüssen des Schuldners vorliegt, siehe §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2868 BGB. Der Grad des Verschuldens wird jedoch für die sekundäre Wirkung schuldnerischen Vertretenmüssens relevant. Diese gelangt nur dann zur Entfaltung, wenn das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle) betroffen ist (zu dieser Bedeutung ausführlich unten sub „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff.). Auch in Hinsicht auf diese sekundäre Funktion – dies sei bereits an dieser Stelle angemerkt – ist § 275 Abs. 2 S. 2 BGB unpräzise: Zum einen kann Bezugspunkt des Vertretenmüssens bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen auch die schuldnerische Unkenntnis sein,869 zum anderen wird nicht klargestellt, dass der Grad des Verschuldens870 („inwieweit“) maßgebliche Bedeutung gewinnt. Im Folgenden sollen die Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens in erster Linie unter dem Gesichtspunkt dieser sekundären Wirkung 867 Ähnl. die in der Literatur vereinzelt vertretenen dichotomen Konzeptionen (dazu noch näher unten sub „(1) Dichotome Konzeptionen“, S. 349 ff.), anders hingegen die überwiegende Ansicht im Schrifttum – vgl. etwa S. Lorenz (NJW 2002, 2497, 2503 mit Fn. 54 a. E.), der das Vertretenmüssen in diesem Zusammenhang nur für einen von mehreren Faktoren hält, ebenso ders./Riehm, Rn. 308 mit Fn. 289; Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 60 mit Fn. 137 („lediglich [. . .] sekundären Abwägungsfaktor“); Petersen, SAT2 Rn. 273 – und offenbar auch in jüngster Zeit BGH, NJW 2005, 2852, 2855: „fällt [. . .] auch ins Gewicht, dass [der Schuldner] die anlagebedingte Fehlentwicklung [. . .] nicht zu vertreten hatte“, Hervorheb. nicht im Original. 868 Kennt der Schuldner das vertragsanfängliche Leistungshindernis bei Vertragsschluss positiv, hat er die vorvertragliche Aufklärungspflicht gewissermaßen vorsätzlich verletzt. 869 Näher dazu unten sub „(2) Unkenntnis“, S. 324 ff. 870 Zu diesem Gesichtspunkt noch eingehend unten sub „c) Das Ausmaß (‚Wie‘) des Vertretenmüssens: Der Verschuldensgrad“, S. 339 f.

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untersucht werden; in Annexen werden die gewonnenen Erkenntnisse dann für die Frage einer alternativ bestehenden Schadensersatzhaftung fruchtbar gemacht.871 b) Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens und dessen Bezugspunkt Der Schuldner hat in erster Linie Vorsatz und Fahrlässigkeit (Verschulden) zu vertreten.872 Neben einem Verschulden hat der Schuldner auch den Zufall zu vertreten, wenn er sich mit der Leistungserbringung im Verzug befindet.873 Verschuldensunabhängig hat der Schuldner auch einzustehen, wenn und soweit er ein Beschaffungsrisiko oder eine Garantie übernommen hat.874 Bevor ein solches Vertretenmüssen geprüft werden kann, muss zuvor dessen Bezugspunkt bestimmt werden. Man vermag nämlich die Frage, ob der Schuldner etwas zu vertreten hat, schlechterdings nicht zu beantworten, wenn man nicht zuvor in Erfahrung gebracht hat, „was“ der Schuldner zu vertreten haben soll. Das Gesetz bestimmt als maßgeblichen Bezugspunkt das „Leistungshindernis“, § 275 Abs. 2 S. 2 BGB. Als weiterer Anknüpfungspunkt kommt jedoch im Bereich vertragsanfänglicher Leistungshindernisse die Unkenntnis des Schuldners von einem Leistungshindernis in Betracht, vergleiche hierzu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. (1) Das Leistungshindernis Entsprechend dem Wortlaut von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB soll in einem ersten Schritt untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner das „Leistungshindernis“ zu vertreten hat. (a) Nachträgliche Leistungshindernisse Mit Abschluss des Vertrags wird die schuldnerische Leistungspflicht begründet, §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB,875 deren Umfang im Wege der 871 s. sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. sowie „(e) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 338. 872 § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1, Abs. 2 BGB. 873 s. §§ 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2, 286, 287 S. 2 BGB. 874 Vgl. § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 BGB, zur Sonderbehandlung von Risikoübernahmen vgl. oben „d) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 252 f. sowie unten sub „(5) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 408 ff. 875 Daneben auch die leistungsbezogenen Schutzpflichten sowie nicht leistungsbezogenen Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB), sofern man nicht ein neben dem

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Auslegung zu ermitteln ist. Die Leistungspflicht gebietet dem Schuldner, dass er keine Hindernisse herbeiführt, die der Leistung im Wege stehen, und ferner auch, dass er im Rahmen der gebotenen Sorgfalt den Eintritt von Hindernissen abwendet. Er handelt mithin schuldhaft, wenn er in Widerspruch zur Leistungspflicht ein Leistungshindernis fahrlässig oder vorsätzlich herbeiführt876 beziehungsweise den Eintritt eines solchen pflichtwidrig nicht abwendet877. Befindet er sich im Schuldnerverzug, hat er auch Zufallshindernisse zu vertreten, siehe § 287 S. 2 BGB.878 Ferner hat der Schuldner Leistungshindernisse, insbesondere Beschaffungshindernisse, verschuldensunabhängig dann zu vertreten, wenn und soweit er ein Beschaffungsrisiko übernommen hat. Für das (zukünftige) Ausbleiben von Zufallshindernissen wird ein Schuldner in aller Regel nicht garantieren879 wollen.880

Vertrag existierendes gesetzliches Schutzpflichtverhältnis annehmen möchte (s. Canaris, JZ 1965, 475, 476 f., 482, hierzu aus jüngerer Zeit Katzenstein, JURA 2004, 800, 803 ff. m. weit. Nachw.). 876 Handlung in Form eines Tuns. 877 Handlung in Gestalt eines Unterlassens. 878 Vgl. insoweit speziell für § 275 Abs. 2 BGB MünchKomm/Ernst (2003), § 287 Rn. 3. 879 Zur Garantieübernahme vgl. später sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 880 Vorstehendes sei an einigen Beispielen veranschaulicht. Der Verkäufer eines Pferds darf dieses nicht verletzen oder es an einen Dritten veräußern. Er muss ferner auch im Rahmen der gebotenen Sorgfalt Vorsorge treffen, dass es nicht erkrankt oder gestohlen wird. Im Schuldnerverzug hat der Verkäufer auch eine zufällige Erkrankung oder einen zufälligen Diebstahl des Pferds zu vertreten. Im Hinblick auf Beschaffungsschwierigkeiten treten bisweilen Leistungshindernisse auf, die der Schuldner nicht verschuldet hat, die er in den Grenzen des übernommenen Beschaffungsrisikos gleichwohl zu vertreten hat, wie etwa den Anstieg der Preise eines zu liefernden Rohstoffs, der sich durch Marktveränderungen, die auf Faktoren wie Krieg, politische Umstürze etc. zurückzuführen sind, ergibt. Für den Verkäufer kann ein drohender Preisanstieg bisweilen vorhersehbar sein, so dass ihm eine entsprechende Vorsorge obliegt; unterlässt er die rechtzeitige Eindeckung mit Ware, kann dies einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen. Verschuldete Beschaffungshindernisse kommen auch ohne Änderungen am Markt in Betracht, etwa wenn der Schuldner notwendige Vorkehrungen nicht trifft, indem er erforderliche Einfuhrgenehmigungen nicht oder nicht rechtzeitig beantragt und sich dadurch die Beschaffung erheblich verteuert. Hindernisse können auch bei der Auslieferung der Kaufsache auftreten. Teilweise hat der Schuldner keinen Einfluss auf deren Eintritt oder Nichteintritt (Beispiel: Sperrung eines Kanals aus politischen Gründen oder Kriegsausbruch), andere Hindernisse können jedoch durch ein Unterlassen des Schuldners verursacht werden, z. B. wenn es der Verkäufer versäumt, die zur Auslieferung notwendigen Zollpapiere zu besorgen, wodurch die Lieferung nur auf Umwegen erfolgen kann.

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(b) Vom Schuldner zu vertretende vertragsanfängliche Leistungshindernisse Die vorstehend angeführten Leistungshindernisse traten nachträglich, mithin nach Vertragsschluss und damit nach Begründung der Leistungspflicht, ein. Besteht ein Leistungshindernis hingegen bereits vor beziehungsweise bei 881 Vertragsschluss, handelt es sich um ein vertragsanfängliches Hindernis. Eine schuldhafte Herbeiführung beziehungsweise eine schuldhafte Nichtabwendung des Eintritts eines vertragsanfänglichen Leistungshindernisses kommt grundsätzlich882 nicht in Betracht.883 Denn vor Vertragsschluss besteht noch keine Leistungspflicht. Mangels Leistungspflicht fehlt es damit an der Pflichtwidrigkeit schuldnerischen Handelns. Indes kann der Schuldner verschuldensunabhängig vertragsanfängliche Beschaffungshindernisse zu vertreten haben, wenn er mit Vertragsschluss ein Beschaffungsrisiko übernommen hat.884 Im Prinzip gilt, dass den Schuldner in Ermangelung einer leistungsbezogenen Pflicht vor Vertragsschluss kein Verschulden am Eintritt eines Leistungshindernisses treffen kann. Ein Sonderfall liegt indessen vor, wenn der prospektive Schuldner, der mit einem baldigen Vertragsschluss rechnete oder rechnen musste, in der Zeit vor Vertragsschluss eine Ursache für ein später – gleich, ob noch vor oder erst nach Vertragsschluss – eintretendes Leistungshindernis setzt. Diese Frage wird in erster Linie für die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung wegen eines Leistungshindernisses eine Rolle spielen. Indes kommt ihr jedenfalls für überwindbare Leistungshindernisse auch auf Erfüllungsebene Bedeutung zu, siehe § 275 Abs. 2 S. 2 BGB. a) Sonderproblem: Verschulden bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen?885 Anfängliche wie nachträgliche Leistungshindernisse können durch Handlungen (insbesondere Unterlassungen) des Schuldners im vorvertraglichen Bereich verursacht sein. So kann der zukünftige Schuldner Vorkehrungen 881

s. § 311a Abs. 1 BGB. Zu einer denkbaren Ausnahme sogleich noch im Text. 883 Vgl. hierzu etwa Canaris, FS Heldrich S. 11, 15; Katzenstein, JURA 2005, 73, 75 f.; Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 303; S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500, früher bereits Larenz, SAT § 8 II (S. 100 f.). 884 s. hierzu sowie zur Übernahme von Garantien noch „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 885 s. zum Problem des Eintritts eines Leistungshindernisses nach Abgabe eines verbindlichen Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrags Penner/Gärtner, JA 2003, 940, 943 ff., zum alten Recht bereits Eichenhofer, JuS 1989, 777, 783. 882

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zum Schutz des nachmaligen Leistungsgegenstands unterlassen haben, indem er etwa den später verkauften Pkw vor Vertragsschluss unverschlossen auf der Straße abstellt, vergisst, eine Alarmanlage zum Schutz von diebstahlgefährdeten Kunstwerken zu aktivieren, oder einen Elektroherd nicht abstellt, wodurch ein Brand ausbricht, der Kunstwerke (reparabel) beschädigt.886 Das Leistungshindernis (beispielsweise der Besitzverlust durch den ermöglichten späteren Diebstahl) tritt in solchen Fällen erst ein, wenn und soweit sich die vom (nachmaligen) Schuldner geschaffene Gefahr realisiert. So muss etwa erst noch der Dieb auf den Plan treten und die (spätere) Kaufsache entwenden oder der nicht abgestellte Elektroherd einen Brand verursachen, der zur Beschädigung des Kunstwerks führt. Tritt das Hindernis (durch Realisierung der Gefahr) bereits vor Abschluss des Vertrags ein und erlangt der prospektive Schuldner davon Kenntnis, wird er von einem Vertragsschluss Abstand nehmen. Hat er in einem solchen Fall hingegen keine Kenntnis, seine Unkenntnis indes zu vertreten, lässt sich der Fall dadurch lösen, dass § 311a Abs. 2 S. 2 BGB im Rahmen des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB analog angewendet wird.887 Im vorliegenden Zusammenhang interessieren jedoch solche Fallkonstellationen, in denen der Schuldner seine Unkenntnis nicht zu vertreten hat und sich folglich nur daran anknüpfen lässt, dass er vor Vertragsschluss eine Gefahr für den Leistungsgegenstand geschaffen hat. Regelmäßig wird die bloße Schaffung der Gefahr durch den Schuldner nämlich nicht die Annahme rechtfertigen, er habe seine Unkenntnis in Bezug auf das Leistungshindernis zu vertreten. Denn die Gefahr mündet – dies nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit – erst nach weiteren Geschehnissen in den Eintritt eines Leistungshindernisses.888 Lässt etwa der nachmalige Verkäufer seinen Pkw versehentlich unverschlossen stehen (Gefahrenzustand), muss er damit nicht notwendig das erst später eintretende Leistungshindernis in Gestalt des Besitzverlusts durch Diebstahl kennen.889 In Ermangelung einer zu vertretenden Unkenntnis kommt es dann entscheidend darauf an, ob ihm die Gefahrschaffung vorgeworfen wer886 Soweit die vorvertragliche Handlung des späteren Schuldners zur Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) führt, gewinnt die Streitfrage nur für die Sekundärhaftung Bedeutung. 887 Hierzu ausf. unten sub „b) Zu vertretende Unkenntnis: Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 327 ff. 888 I. Erg. wohl auch Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 582, ferner auch MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 45 (dessen Folgerungen für die Exkulpation des Schuldners nach § 311a Abs. 2 S. 2 BGB indes etwas unentschieden erscheinen), abw. offenbar Reischl, JuS 2003, 250, 256. 889 Soweit sich die vom Schuldner geschaffene Gefahr erst nach Vertragsschluss realisiert, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, er habe deswegen das Hindernis schuldhaft verursacht, weil er die Gefahr nicht unmittelbar nach Vertragsschluss beseitigt hat. Fehlt ihm nämlich insoweit die Kenntnis ist ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht ohne weiteres begründbar.

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den kann.890 Für die Sekundärhaftung wegen anfänglicher Unmöglichkeit im Sinne des alten Rechts unterbreitete Torsten Arp891 in seiner Dissertation aus dem Jahre 1988 einen entsprechenden Lösungsvorschlag.892 b) Rückbeziehung leistungsgegenstandsbezogener Sorgfaltspflichten (Arp) Grundsätzlich kann der (nachmalige) Schuldner vor Vertragsschluss nach seinem Belieben mit der Sache verfahren.893 Vor Vertragsschluss obliegt ihm keine Leistungspflicht, mithin auch keine Pflicht zum sorgsamen Umgang mit dem späteren Vertragsgegenstand. Diese Pflichten gelangen erst mit Vertragsschluss zur Entstehung. Möchte man gleichwohl bereits vor Vertragsschluss eine Pflichtwidrigkeit, mithin eine schuldhafte Verursachung eines Leistungshindernisses konstruieren, muss man bereits in der Zeit vor Vertragsschluss eine Pflicht des Schuldners annehmen, den zukünftigen Leistungsgegenstand sorgsam zu behandeln.894 Der „juristische Kniff“ besteht in der Rückbeziehung der mit Vertragsschluss entstehenden leistungsgegenstandsbezogenen Sorgfaltspflicht895 auf das Zeitstadium vor Vertragsschluss. Diese würde der Schuldner dann in fahrlässiger Weise verletzen können, demzufolge er das anfängliche Leistungshindernis zu vertreten hätte.896 Auf diese Weise wollte Arp im früheren Recht den Weg für eine Haftung auf das positive Interesse wegen anfänglicher Unmöglichkeit ebnen: Dogmatische Grundlage dieser Haftung sollte der trotz anfänglicher Unmöglichkeit wirksame Vertrag (vergleiche § 306 BGB a. F.) sein. Wie bereits oben dargestellt, wollte Arp den Anwendungsbereich des § 306 890

Dagegen Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 304. Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 162 ff. 892 Vgl. ferner Wilburg, Elemente des Schadensrechts S. 143 f., der eine Haftung des Schuldners im Wege der Auslegung des Vertrags „auch auf einen früher [vor Vertragsschluss] entstandenen Fehler“ erstrecken wollte, dagegen wohl Koller, Risikozurechnung S. 267. 893 Vgl. – soweit der Schuldner Sacheigentümer ist – auch § 903 S. 1 BGB. 894 Mindestens unpräzise daher Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 143 (jüngst auch Kohler, JURA 2006, 241, 249), die – ohne die sogleich zu behandelnde Rückbeziehung von Pflichten zu thematisieren – von einer schuldhaften Herbeiführung des Leistungshindernisses bzw. einem vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernis spricht, gleichzeitig aber nicht übersieht, dass vor Vertragsschluss keine Erfüllungspflicht besteht. 895 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 164 sprach unter anderem von „Obhutspflichten“, unpräzise auch von einer „Obliegenheit“ (aaO.). Dogmatisch handelt es sich dabei um eine leistungsbezogene Nebenpflicht, die die Verwirklichung des Leistungsinteresses bezweckt, hierzu jüngst Gröschler, FS Konzen S. 109, 114 f., 119 ff. 896 Zur Frage der Pflichtverletzung i. S. von §§ 280, 283 BGB s. unten sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 891

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BGB a. F. tatbestandsimmanent einschränken, indem er anstelle der anfänglichen Unmöglichkeit das Tatbestandsmerkmal der Gegenstandslosigkeit setzte.897 Rechtsgeschäfte sollten demnach nur nichtig sein, wenn sie sinn-, zweck- und gegenstandslos seien (wie z. B. der Verkauf des Hippocentaurus); die anfängliche Unausführbarkeit der versprochenen Leistung hinderte nach Arp die Wirksamkeit des Vertrags nicht, sofern nur die Auslegung des Rechtsgeschäfts einen sinnvollen Gegenstand zu ermitteln vermochte,898 in Fällen anfänglicher Unmöglichkeit etwa den Anspruch auf die Ersatzleistung. Die Besonderheit solcher rückwirkender Vertragspflichten sollte nach Ansicht von Arp darin liegen, dass sie als aktuelle Erfüllungspflichten niemals aktuell bestünden. Im Augenblick ihrer Entstehung seien sie im Falle der ordnungsgemäßen Erfüllung bereits erledigt, im Falle der Nichterfüllung entstünden „sie sofort als (an sich sekundäre) Haftungsansprüche“.899 Nur so ließ sich im früheren Recht – vor Schaffung des § 311a Abs. 2 BGB – bei Befürwortung einer Verschuldenshaftung für anfängliche Leistungshindernisse ein Anspruch auf das positive Interesse begründen. Ging man im früheren Recht von einer Verschuldenshaftung für anfängliche Leistungshindernisse aus, kam – ohne die Annahme leistungsgegenstandsbezogener Sorgfaltspflichten im vorvertraglichen Bereich – zur Haftungsbegründung nur eine vorvertragliche Vergewisserungs- beziehungsweise Aufklärungspflichtverletzung in Betracht, die der Schuldner zu vertreten haben konnte. Unter Beachtung des Kausalitätsprinzips konnte diese Pflichtverletzung nur zu einer Haftung auf das negative Interesse führen:900 Hätte der Schuldner die Pflicht nämlich beachtet, sich mithin über seine Leistungsfähigkeit vergewissert und den prospektiven Vertragspartner gegebenenfalls entsprechend aufgeklärt, so wäre ein Vertragsabschluss unterblieben. Der Gläubiger wäre demnach so zu stellen gewesen, wie er gestanden hätte, wenn der Vertragsschluss unterblieben wäre (Ersatz des negativen Interesses).901 Gleichwohl traten die Anhänger einer verschuldensabhängi897 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 155 ff., 243 und passim mit entsprechender historischer Begründung (aaO., S. 157 f. unter Berufung auf Mot. II S. 176 [= Mugdan, II S. 97]). 898 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 243. 899 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 165, zur Entstehung zumindest für eine juristische Sekunde im neuen Recht vgl. unten sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 900 So auch BT-Drucks. 14/6040, S. 165 li. Sp. 901 Hierzu J. Wilhelm, JZ 2001, 861, 867, anders offenbar – jedoch ohne Begründung – Schnorr v. Carolsfeld, FS Reinhardt S. 151, 153 mit Fn. 12 (zum alten Recht), ähnl. auch Medicus, in Gutachten I S. 479, 510 (für eine Gleichstellung von anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit).

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gen Schadensersatzhaftung im Falle anfänglichen Unvermögens902 für den Ersatz des positiven Interesses ein; das aufgezeigte Problem wurde dabei im Allgemeinen mit Stillschweigen übergangen903. Für die herrschende Meinung bestand dieses Problem demgegenüber nicht, da sie den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung für anfängliches Unvermögen auf eine Garantiehaftung stützte.904 Die Rückbeziehung leistungsgegenstandsbezogener Obhutspflichten leitete Arp vornehmlich aus den Erwartungen des zukünftigen Käufers ab:905 So ginge etwa der Käufer eines Gemäldes davon aus, dass der Verkäufer ihm hafte, wenn zwischen Verlassen des Hauses und Kaufabschluss bei einem gemeinsamen Abendessen dem Bild etwas zustoße, weil es mangelhaft beaufsichtigt war (der Verkäufer versehentlich die Türe aufgelassen und die Alarmanlage nicht in Betrieb gesetzt habe).906 Unter Bezugnahme auf die Untersuchungen von Arp wird in jüngerer Zeit von Ernst907 folgende Problemlösung erwogen:908 Indem der Vertrag geschlossen werde, beziehe der Vertragsschließende sein auf die Leistungsmöglichkeit einwirkendes Vorverhalten aus der Zeit vor dem Vertragsschluss 902

Bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit haftete der Schuldner gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. auf das negative Interesse (der Höhe nach begrenzt auf das positive Interesse), wenn er die Unmöglichkeit kannte oder kennen musste. 903 So zutreffend U. Huber, LS I § 22 II mit Fn. 34 (S. 534) m. Nachw. 904 Vgl. zu einer differenzierenden Lösung vor allem Gudian, NJW 1971, 1239, 1241 f., der eine Haftung auf das positive Interesse analog §§ 280, 325 BGB a. F. mit der Begründung annahm, dass der Schuldner mit Vertragsschluss (auch) garantiere, „sich die Leistung nicht bereits durch sein eigenes, zurechenbares Verhalten unmöglich gemacht zu haben“ (so genanntes Verschulden gegen sich selbst, s. aaO., S. 1242), bei schuldnerischer Kenntnis der eigenen Leistungsunfähigkeit oder deren fahrlässigen Nichtkenntnis hingegen nur eine Haftung auf den Vertrauensschaden bejahte. 905 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 164 f. Die in diesem Zusammenhang von Arp (aaO., S. 166) angeführte Möglichkeit einer Rückwärtsversicherung nach § 2 VVG, wonach die Parteien eines Versicherungsvertrags vereinbaren können, dass die Versicherung zu einem Zeitpunkt vor Vertragsabschluss beginnt (§ 2 Abs. 1 VVG), zielte maßgeblich darauf ab, die von ihm verfochtene Auslegung von § 306 BGB a. F. zu stützen. Vorliegend ist sie daher nicht von Interesse, vgl. insoweit Kley, Unmöglichkeit und Pflichtverletzung S. 144. 906 Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 164 f. 907 MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 30: Offenbar mit Beschränkung auf den für die Primärleistungspflicht geltenden § 275 Abs. 2 S. 2 BGB; für den Sekundäranspruch scheint Ernst eine „vorgreifliche Unsorgfältigkeit“ nicht in Betracht zu ziehen, vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 45. 908 Auch Emmerich schien im früheren Recht mit der Idee von Arp zu sympathisieren, vgl. dens., Leistungsstörungsrecht4 § 3 IV 2 c (S. 34) bei Fn. 25. Vgl. zur Haftung auf das positive Interesse wegen Verletzung „vorvertragliche[r] Erfüllungspflichten“ jüngst A. Teichmann, FS Konzen S. 903, 909 f.

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im positiven wie im negativen Sinne auf seine Leistungspflicht. Folglich schlage auch nicht das Bedenken durch, dass vor Vertragsschluss eine Leistungspflicht nicht bestehe, und dass daher der spätere Schuldner seinem Verhandlungspartner noch zu keiner Leistung verpflichtet (gewesen) sei. Ein auf die Leistungsfähigkeit einwirkendes Verhalten des Schuldners, auch wenn es in einen Zeitraum vor dem Abschluss des Vertrags fiele, könne dann als „vorgreifliche Unsorgfältigkeit“ hinsichtlich der späteren Leistungspflicht gewertet werden. § 275 Abs. 2 S. 2 BGB sei vor diesem Hintergrund auch bei anfänglichen Leistungshindernissen zu beachten.909 Indes fehlt es dem Vertragsschließenden in den vorliegenden Fallkonstellationen bezüglich seines „negativen Vorverhaltens“ an der entsprechenden Kenntnis. Es erscheint daher nicht ohne Zweifel, wenn er dieses Vorverhalten gleichwohl „auf seine Leistungspflicht“ beziehen und damit offenbar zum Vertragsinhalt machen soll.910 Zu befürchten wäre, dass möglicherweise auch weit in der Vergangenheit liegendes „Vorverhalten“ auf die Leistungspflicht bezogen würde; das Ausmaß dessen hinge maßgeblich von der näheren Präzisierung des „auf die Leistungsmöglichkeit einwirkenden Vorverhaltens“ ab. g) Eigener Begründungsansatz Der Ansatz von Arp, der im Kontext des alten Rechts auf die Begründung einer Schadensersatzhaftung wegen Nichterfüllung zielte, könnte sich möglicherweise im neuen Recht fruchtbar machen lassen. Zum einen ließe sich in solchen Konstellationen eine Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung begründen, wenn das vom Schuldner verursachte Leistungshindernis zur Unmöglichkeit oder zu einem groben Missverhältnis (§ 275 Abs. 2 BGB) führte; dafür besteht ein Bedürfnis, wenn § 311a Abs. 2 BGB in Ermangelung zu vertretender Unkenntnis des Schuldners nicht Platz greift. Eine solche Sekundärhaftung hätte für § 275 Abs. 2 BGB entscheidende Bedeutung, es wäre nämlich das Anwendungsgebiet des Rechtsmissbrauchs (Stichwort: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“) eröffnet. Sekundäre Bedeutung gewönne eine Rückbeziehung dann insofern, als der Schuldner ein vertragsanfängliches (überwindbares) Leistungshindernis zu verschulden haben könnte, siehe § 275 Abs. 2 S. 2 BGB. Daher gilt es 909 So MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 30 („Es besteht uE kein Anlass, diese Bestimmung [sc. § 275 Abs. 2 S. 2 BGB] bei anfänglichen Leistungshindernissen nicht anzuwenden“) sowie Rn. 45, vgl. aber demgegenüber die Aussage desselben an anderer Stelle (MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 103): „In aller Regel wird Abs. 2 S. 2 [sc. von § 275 BGB] wird [zu streichen] nur Anwendung finden, wenn es sich um ein nachträgliches Hindernis handelt.“ 910 Krit. jetzt auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 311a Rn. 11.

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die Begründung einer Rückbeziehung zu untermauern sowie die dazu erforderlichen Voraussetzungen zu präzisieren. Im Grundsatz gilt, dass ein Vertragswilliger vor Vertragsschluss mit dem Leistungsgegenstand verfahren kann, wie er möchte.911 Beschädigt oder zerstört er diesen vor Vertragsschluss, so wird er eine vertragliche Bindung nicht mehr eingehen. Er hat die Möglichkeit, einen geplanten Vertrag nicht abzuschließen (Abschlussfreiheit), er schuldet dann weder Erfüllung, noch trifft ihn eine Sekundärhaftung.912 Demgegenüber fehlt dem Vertragswilligen in den diskutierten Sonderkonstellationen die benannte Möglichkeit, von einem geplanten Vertrag Abstand zu nehmen, da er nicht weiß, dass ein Leistungshindernis eingetreten ist beziehungsweise kurzfristig eintreten wird. Fährt beispielsweise der nachmalige Verkäufer mit dem zu verkaufenden Pkw zum Kaufinteressenten, wird er im eigenen Interesse sorgsam mit der Sache umgehen, da er bei dessen Beschädigung oder Zerstörung Gefahr läuft, der durch den intendierten Vertrag erzielbaren Gegenleistung verlustig zu gehen. Passiert gleichwohl ein Unfall, entsteht das diskutierte Problem nicht, da ein Vertragsschluss unterbleiben wird. Sobald jedoch der Zeitpunkt eintritt, zu dem der potentielle Verkäufer vom Eintritt eines Leistungshindernisses keine Kenntnis mehr erlangen kann, bevor er den Vertrag schließt, ändert sich die Lage entscheidend. Er verliert die Möglichkeit, im Falle eines eintretenden Leistungshindernisses vom geplanten Vertrag abzusehen. Dessen ist sich ein prospektiver Verkäufer in diesem Moment auch durchaus bewusst: Er muss ab diesem Zeitpunkt – im Beispiel bei Verlassen des Pkw – zumindest damit rechnen, dass er den Gegenstand zu liefern hat,913 ohne dass seine Leistungsfähigkeit nochmals überprüft werden würde. Daher darf er sein Fahrzeug beispielsweise nicht in sorgloser Weise unverschlossen abstellen. Ab diesem Zeitpunkt erscheint es auch vertretbar, die Freiheit des Vertragswilligen, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, einzuschränken. Auf der anderen Seite besitzt der (nachmalige) Käufer auch ein berechtigtes Interesse daran, dass 911 Für dieses Zeitstadium zutreffend (zum alten Recht) Lüderitz/Mittenzwei, JuS 1970, 182, 183 („der potentielle Verkäufer ist rechtlich völlig frei“), ebenso Demmer, Haftung für ursprüngliches Unvermögen S. 122, 125 f. 912 Die im Kontext der culpa in contrahendo diskutierten Sonderfälle eines „ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen“ sowie Fälle des Kontrahierungszwangs können hier außen vor bleiben. 913 Trotz aller Unterschiede bildet auch für den Umfang von Rücksichtnahmepflichten im Kontext des Rücktrittsrechts die Kenntnis einer potentiellen Rückgewährpflicht eine entscheidende Zäsur, hierzu eingehend D. Kaiser, Rückabwicklung gegenseitiger Verträge S. 269 ff.; dies., JZ 2001, 1057, 1063 ff.; dies., in: H. P. Westermann S. 183, 202; s. ferner Arnold, JURA 2002, 154, 158; ders., ZGS 2003, 427, 432 ff.; Perkams, JURA 2003, 150, 151; Rheinländer, ZGS 2004, 178 ff. jew. m. weit. Nachw.

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sein Vertragspartner jedenfalls ab dem genannten Zeitpunkt eines kurz bevorstehenden und wahrscheinlichen Vertragsschlusses mit der zukünftigen Kaufsache nicht sorglos verfährt, diese vielmehr sorgsam verwahrt beziehungsweise gegen mögliche Gefahren absichert.914 Ein solches Verhalten kann nämlich vorliegend zulasten des Gläubigers dazu führen, dass sich der Schuldner wegen des verursachten (überwindbaren) Leistungshindernisses seiner Erfüllungspflicht nach § 275 Abs. 2 BGB entziehen kann. Da das zukünftige Entstehen der Lieferungspflicht zum Zeitpunkt des Verlassens des Pkws indes noch nicht feststeht – ein Vertragsschluss ist nicht zwingend – und sich die Lage vor und nach Vertragsschluss freilich nicht vollständig gleich darstellt, sollte der Sorgfaltsmaßstab im Interesse des (nachmaligen) Schuldners an dessen eigenüblicher Sorgfalt (diligentia quam in suis, vergleiche § 277 BGB) ausgerichtet werden. Legte man insoweit hingegen den üblichen Fahrlässigkeitsmaßstab (§ 276 Abs. 2 BGB) zugrunde, würde der Besonderheit des vorvertraglichen Zeitstadiums nicht hinreichend Rechnung getragen. Im Ergebnis ist eine Rückbeziehung von Sorgfaltspflichten hinsichtlich des zukünftigen Leistungsgegenstands auf den vor Vertragsschluss liegenden Zeitpunkt, ab dem der nachmalige Schuldner die Möglichkeit verliert, beim Eintritt eines Leistungshindernisses vom Vertragsschluss abzusehen, nur anzunehmen, wenn ein Vertragsschluss durch die Parteien bereits konkret geplant war915 und der Schuldner damit rechnen musste, dass es zum Vertragsabschluss kommen wird oder kommen kann; der Haftungsmaßstab ist auf die eigenübliche Sorgfalt zu begrenzen (§ 277 BGB). Ob sich die durch den späteren Schuldner geschaffene Gefahrenlage noch vor oder erst nach Vertragsschluss realisiert, indem ein überwindbares Leistungshindernis eintritt, ist unerheblich. Verletzt der Schuldner in einem solchen Fall die eigenübliche Sorgfalt, hat er das Leistungshindernis – gleich, ob vertragsanfänglich oder nachträglich916 – jedenfalls zu vertreten. Wenngleich die Konstruktion einer Rückbeziehung zugegebenermaßen kühn erscheinen mag, ist sie dennoch der bessere Weg, auf dem derartige Sonderkonstellationen in den Griff bekommen werden können. Die alternative Möglichkeit, die vorvertraglichen Vergewisserungs- beziehungsweise 914 Vgl. Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 164 f., anders Brecht, JherJb 53 (1908), 213, 279; Koller, Risikozurechnung S. 267; Lüderitz/Mittenzwei, JuS 1970, 182, 183, die meinen, der Käufer habe nicht einmal ein potentielles Interesse, dass der Verkäufer die Sache sorgfältig behandele – anders wird dies indes in dem vorliegend diskutierten Zeitstadium zu beurteilen sein. 915 So wohl auch Arp, Anfängliche Unmöglichkeit S. 165 („das geplante Geschäft“). 916 Insoweit könnte dem Schuldner auch zum Vorwurf gemacht werden, das Hindernis (nach Vertragsschluss) pflichtwidrig nicht abgewendet zu haben.

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Aufklärungspflichten in den diskutierten Fällen auszudehnen,917 um damit den schuldnerischen Entlastungsbeweis nach § 311a Abs. 2 S. 2 BGB abzuwenden, erscheint zwar in manchen Fällen gangbar,918 dürfte aber zumeist nicht den richtigen Ansatzpunkt schuldnerischer Vorwerfbarkeit treffen.919 Wenig überzeugend wäre es insbesondere, die vorvertraglichen Vergewisserungspflichten mit der Begründung, der Schuldner habe vor Vertragsschluss „Eigentümer-Obliegenheiten“ verletzt, übermäßig auszudehnen.920 (c) Annex: Die Sekundärhaftung Hat der Schuldner wie in den vorstehend behandelten Sonderkonstellationen ausnahmsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis verschuldet, wäre für den Fall seiner Befreiung von der Primärpflicht eine Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung begründet. Diese folgte – auch bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen –921 aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB. Die hierfür erforderliche Pflichtverletzung liegt wie bei nachträglichen Leistungshindernissen922 in der Nichterbringung der geschuldeten Leistung. In aller Regel wird der Schuldner die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB zu einer Zeit nach Vertragsschluss erheben, so dass die mit Vertragsschluss entstandene Leistungspflicht erst später einredebehaftet wird;923 insbesondere entfaltet die Einredeerhebung keine Rückwirkung. Erwogen werden sollte insoweit – ohne dass dies vorliegend vertieft werden soll –, ob die als Einwendung ausgestaltete vertragsanfängliche Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) nicht entsprechend zu behandeln ist. Die insoweit geäußerten Bedenken, es wäre „sprachlich allzu gewalttätig,“924 eine Pflichtverletzung anzunehmen, wenn eine Pflicht niemals bestand, lassen sich dadurch aus917 In diese Richtung P. Huber/Faust, Kap. 7 Rn. 19 (grds. zust. Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 143 f.), vgl. auch Schwarze, JURA 2002, 73, 80. 918 So für besonders diebstahlgefährdete Sachen Palandt65 /Heinrichs, § 311a Rn. 9. 919 Der Vorschlag von Schlechtriem, FS Sonnenberger S. 125, 132 f., dem zufolge das so genannte Übernahmeverschulden fruchtbar zu machen sei, scheint die vorliegenden Fälle vom Schuldner nicht zu vertretender Unkenntnis gerade nicht zu erfassen, s. aaO., S. 133 vor c). 920 In diese Richtung offenbar Schwarze, JURA 2002, 73, 80. 921 Dezidiert a. A. Hammen, FS Hadding S. 41, 52, der es als unstreitig bezeichnet, dass § 283 BGB nur bei nachträglicher Unmöglichkeit angewendet werden könne. 922 Vgl. die reichhaltigen Nachw. in Fn. 490 (S. 222 f.). 923 S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500 stellt dagegen darauf ab, dass der Schuldner die Leistung von Anfang an verweigern durfte. 924 So Canaris, FS Heldrich S. 11, 34, ferner auch Hj. Otto, JURA 2002, 1, 5, vgl. auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 49 (und 50 mit Fn. 126, 176).

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räumen, dass man – wenngleich gegen die Vorstellungen der Gesetzesverfasser925, jedoch nicht in Widerspruch zum Wortlaut von § 275 Abs. 1 BGB – zu der Vorstellung übergeht, die Leistungspflicht gelange bei vertragsanfänglicher Unmöglichkeit mit Vertragsschluss für eine juristische Sekunde zur Entstehung926 und erlösche hernach.927 Wenn und soweit der Verkäufer ein Beschaffungsrisiko übernommen hat, wird er in aller Regel nicht von seiner Primärpflicht befreit und haftet verschuldensunabhängig auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280, 281 BGB). Wird der Verkäufer indes in seltenen Sonderfällen infolge eines innerhalb des übernommenen Beschaffungsrisikos liegenden Leistungshindernisses von seiner Primärpflicht befreit,928 folgt seine sekundäre Schadensersatzpflicht aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB929 – gleich, ob das Beschaffungshindernis vor oder nach Vertragsschluss eingetreten ist; er hat in beiden Fällen das Beschaffungshindernis und mithin die Nichtleistung (Pflichtverletzung) zu vertreten, §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB. 925

Zu ihnen BT-Drucks. 14/6040, S. 164 re. Sp., 165 re. Sp. Wie hier – soweit ersichtlich – nur Gieseler, JR 2004, 133, 136 (jedoch im Übrigen abw. vom hier zugrunde gelegten Verständnis des § 311a Abs. 2 BGB), im Kontext von „Mangelfolgeschäden“ auch Dötsch, ZGS 2002, 160, 161 f., anders freilich die ganz h. M., s. z. B. Canaris, FS Heldrich S. 11, 34 und passim; ders., ZRP 2001, 329, 332 (zum RegE); ders., JZ 2001, 499, 506 (zum KonsDiskE); Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 58; Medicus, JuS 2003, 521, 522; Katzenstein, JR 2003, 447, 450 und 452; Wältermann, Mängelhaftung S. 156 f., dezidiert jetzt auch Mattheus, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 50, 75 (und 76), wie hier noch dies., in: M. Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht S. 67, 88 f.; dies., JuS 2002, 209, 214 sowie wohl auch Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit S. 34 (insb. mit Fn. 163), 37 und 85. Nicht eindeutig jüngst der BGH (NJW 2005, 2852, 2854), dem zufolge der Verkäufer im Falle eines Mangels, dessen Beseitigung von Anfang an unmöglich war, „von seiner Leistungspflicht aus § 433 I 2 BGB frei geworden [ist] (§ 275 I BGB)“ (Hervorheb. nicht im Original). 927 Damit ließe sich in Übereinstimmung mit der h. M. (statt vieler MünchKomm/ Ernst (2003), § 285 Rn. 3, 14; P. Huber/Faust, Kap. 7 Rn. 39; Palandt65 /Heinrichs, § 285 Rn. 6; Staudinger/Löwisch (2005), § 311a Rn. 22; Erman11 /H. P. Westermann, § 285 Rn. 4, ebenso BT-Drucks. 14/6040, S. 164 re. Sp./165 li. Sp.) ein Surrogationsanspruch bei vertragsanfänglicher Unmöglichkeit unschwer aus § 285 Abs. 1 BGB ableiten, der „Gegenstand“ wäre dann – zumindest für eine logische Sekunde – „geschuldet“ und nicht nur „versprochen“ (so der Vorschlag von Canaris, FS Heldrich S. 11, 38 gegen Hammen, FS Hadding S. 41, 51 ff.); überdies ließe sich § 275 Abs. 1 BGB zugleich sowohl für nachträgliche als auch für vertragsanfängliche Unmöglichkeit als rechtsvernichtende Einwendung einordnen, anders demgegenüber jetzt Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 390. 928 s. unten sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff. 929 § 283 BGB ist nicht strikt auf nachträgliche Leistungshindernisse zu beschränken, ebenso mit Recht Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 581, 584 (und 605), abw. Gieseler, JR 2004, 133, 134 m. weit. Nachw. 926

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Soweit der Schuldner im Einzelfall mit Vertragsschluss eine uneingeschränkte Garantie für seine Leistungsfähigkeit übernimmt, beschränkt sich diese in aller Regel auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da kaum jemand für die Zukunft eine uneingeschränkte Garantie für sein Leistungsvermögen übernehmen wollen wird. Die Einordnung einer solchen Garantie ist im Schrifttum sehr umstritten. Manche wollen aus ihr eine Abbedingung des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB folgern, mithin eine Haftung aus § 311a Abs. 2 S. 1 BGB annehmen.930 Teils wird eine Haftung unmittelbar aus der Garantie des Leistungsvermögens herzuleiten versucht.931 Andere Stimmen befürworten eine Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 i. V. mit § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 1 BGB;932 die hierfür erforderliche Pflichtverletzung läge – wie gezeigt – auch bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen in der Nichterbringung der zumindest für eine logische Sekunde geschuldeten Leistung, die der Schuldner aufgrund der Garantie zu vertreten hätte.933 Schließlich wird die uneingeschränkte Leistungsgarantie auch dahingehend ausgelegt, dass der Schuldner mit ihr das Risiko für einen Irrtum, etwa über den Bestand einer Forderung oder die Echtheit eines Gemäldes934, übernehme.935 Dann soll er aus seinem Leistungsversprechen auch für unverschuldete Unkenntnis haften, § 311a Abs. 2 BGB. Für eine solche Auslegung spricht, dass die diskutierte Leistungsgarantie (in aller Regel) nicht für die Zukunft übernommen wird, praktisch also nur für ein bereits 930 So P. Huber/Faust, Kap. 7 Rn. 22 f. (und 27, 31), ihm folgend Windel, JR 2004, 265, 269, ähnl. Sutschet, NJW 2005, 1404, 1405 f. (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB finde keine Anwendung), vgl. jüngst Kohler, JURA 2006, 241, 245 f. bei und mit Fn. 53 (Schuldner verzichte auf die Möglichkeit eines auf § 311a Abs. 2 S. 2 BGB gestützten Haftungsausschlusses); vgl. auch Schlechtriem, SAT5 Rn. 353; ders./ Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 578, ferner auch Reese, JA 2003, 162, 166 f. 931 Dafür Wieser, MDR 2002, 858, 859 f. 932 So Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 304, i. d. S. bereits die Stellungnahme des Bundesrats BT-Drucks. 14/6857, S. 17 f., in diese Richtung auch S. Meier, JURA 2002, 187, 189 und 191. 933 Diese uneingeschränkte Garantie ginge über die „eingeschränkte Garantie“ i. S. von § 311a Abs. 2 BGB hinaus (zu ihr noch sogleich): Die Übernahme einer Garantie wäre auf „Zurechnungsebene“ anzusiedeln (Windel, JR 2004, 265, 269 f. geht von einer haftungsverschärfenden Nebenabrede zum verpflichtenden Schuldvertrag aus), während der „Haftungsgrund“ insoweit in der genannten Pflichtverletzung i. S. von §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 283 S. 1 BGB läge. 934 Die in § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 1 BGB angesprochene Garantie hat vornehmlich Eigenschaftszusicherungen beim Kauf-, Miet- oder Werkvertrag im Auge, s. BT-Drucks. 14/6040, S. 132 li. Sp., vgl. hierzu etwa AnwKomm/DaunerLieb (2005), § 276 Rn. 21 f.; Sailer, Schadensersatzhaftung des Verkäufers S. 49 ff. 935 So für den Fall des vom Verkäufer einer Forderung „vorbehaltlos garantiert[en]“ Bestands der Forderung wie auch der „uneingeschränkte[n] Garantie“ der Echtheit eines Gemäldes Canaris, FS Heldrich S. 11, 33 (Anführungszeichen jew. im Original), i. Erg. auch bereits die Gegenäußerung der BReg BT-Drucks. 14/6857, S. 54.

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bei Vertragsschluss bestehendes Leistungshindernis, mithin einen Fall des Irrtums, in Betracht kommt. Dies könnte es rechtfertigen, die Leistungsgarantie im Unterschied zu dem regelmäßig für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft übernommenen Beschaffungsrisiko nicht über §§ 280, 283 BGB zu lösen. Jedoch führt diese Auffassung zu einem etwas eigentümlichen Verhältnis zwischen der als gesetzliche Ausgestaltung des typischen Parteiwillens936 zu qualifizierenden „Normalgarantie“937 – wie § 311a Abs. 2 BGB zum Teil gedeutet wird –938 und der im konkreten Einzelfall rechtsgeschäftlich – zumeist konkludent – übernommenen uneingeschränkten Leistungsgarantie. Der Schuldner kann auch eine Garantie oder ein Beschaffungsrisiko mit direktem Bezug zum Kenntnisstand übernehmen. Im Einzelfall ist denkbar, dass der Schuldner das Risiko für die Beschaffung der richtigen Information übernommen hat, § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 2 BGB.939 Weiterhin ist es nicht ausgeschlossen, wenngleich sehr selten, dass der Schuldner unmittelbar die Richtigkeit seines Kenntnisstands garantieren möchte.940 Ein (zu936 Dies hält Canaris, FS Heldrich S. 11, 30 für vorzugswürdig gegenüber der Überlegung, die Zusage einer Geldzahlung für den Nichtleistungsfall als „konkludente Ergänzungsabrede in das vertragliche Versprechen des Schuldners hinein[zulesen]“, s. bereits dens., DB 2001, 1815, 1819 („Ermittlung des typischen Sinnes eines Leistungsversprechens“); nicht ganz klar Häublein, NJW 2003, 388, 392 f., der einerseits von einer „gesetzliche[n] Garantie“ und andererseits von einem „vertraglich übernommene[n] Haftungsversprechen (Garantie)“ spricht. 937 Canaris, FS Heldrich S. 11, 32 (s. bereits zuvor dens., DB 2001, 1815, 1818 f.; dens., ZRP 2001, 329, 332) beruft sich ausdrücklich auf Phillip Heck (s. insb. Canaris, FS Heldrich S. 11, 32): Dieser hat sich indes im Falle der von ihm postulierten „Normalgarantie“ offenbar gegen eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse (jetzt: Schadensersatz statt der Leistung) ausgesprochen und demgegenüber einer analogen Anwendung der §§ 275, 280, 323 ff. BGB a. F. das Wort geredet, s. Heck, Grundriß des Schuldrechts § 47, 1–3 (S. 141 f.): „Die angemessene Behandlung solcher Fälle ist daher nicht die Haftung auf das Erfüllungsinteresse, sondern die analoge Anwendung der §§ 275, 280, 323 ff.“, Hervorheb. jew. nicht im Original, hierzu auch Demmer, Haftung für ursprüngliches Unvermögen S. 120 f., 137 f. 938 s. Canaris, FS Heldrich S. 11, 30. Nach Canaris (FS Heldrich S. 11, 29 ff., ähnl. Häublein, NJW 2003, 388, 392) folgt die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB aus dem Leistungsversprechen, das einen doppelten Inhalt habe: In erster Linie richte es sich auf die Erbringung der Leistung in Natur, enthalte aber zusätzlich die Zusage, zu der Leistung imstande zu sein und für den Fall, dass das nicht zutreffe, statt ihrer eine entsprechende Geldzahlung zu erbringen (aaO., S. 30); diese Garantie, die auf Ebene des Haftungsgrunds stehe (ebenda), sei beschränkt auf Fälle verschuldeter Unkenntnis, gelte demnach nicht für unerkennbare Hindernisse (aaO., S. 32, s. auch S. 35: „nicht ‚strikt‘“). 939 s. die Beispiele bei Schlechtriem, SAT5 Rn. 353; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 578. 940 Vgl. Canaris, DB 2001, 1815, 1819 („Richtigkeit des eigenen Informationsstandes“); ders., ZRP 2001, 329, 332 („Richtigkeit des Kenntnisstandes hinsichtlich

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§ 4 Die neue Rechtslage

meist konkludentes) garantiemäßiges Einstehenwollen des Schuldners käme etwa in Betracht, wenn dieser gegenüber dem Vertragspartner in besonderem Maße hervorhebt, er sei richtig darüber informiert, dass der Leistung keine Hindernisse entgegenstehen, worüber derselbe indes schuldlos irrt. Dann folgt die Haftung aus § 311a Abs. 2 S. 1, 2 BGB i. V. mit § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 1 BGB. Die behandelten Garantien gewinnen für § 275 Abs. 2 BGB jedenfalls insoweit Bedeutung, als der Schuldner ihretwegen für den Fall der Befreiung von seiner Primärpflicht einer Sekundärhaftung unterläge, mithin das vorliegend als „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ gekennzeichnete Regelungsproblem besteht.941 (2) Unkenntnis Gemäß § 275 Abs. 2 S. 2 BGB bildet das Leistungshindernis den Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens. Vertragsanfängliche Leistungshindernisse hat der Schuldner indes nur in dem seltenen Ausnahmefall einer Rückbeziehung leistungsgegenstandsbezogener Sorgfaltspflichten auf die Zeit vor Vertragsschluss oder bei Übernahme eines Beschaffungsrisikos zu vertreten. In der großen Mehrzahl der Fälle wird dem Schuldner indes nur der Vorwurf gemacht werden können, dass er bei Abschluss des Vertrags von dem bestehenden Leistungshindernis hätte wissen können, wenn er sich pflichtgemäß informiert hätte. Der Gesetzgeber hat die Besonderheit vertragsanfänglicher Leistungshindernisse erkannt,942 diese jedoch nur auf Sekundärebene einer Lösung zugeführt. So wird dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung oder alternativ auf Ersatz verdes eigenen Leistungsvermögens“), der dies jedoch in dem (zuvor im Text) beschriebenen Sinne gemeint zu haben scheint (aus der vom Schuldner de facto erklärten Garantie des Leistungsvermögens, folge de jure die Übernahme des Risikos eines Irrtums); im Kontext von Mängeln sieht S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2502 „die objektive Richtigkeit der Aussage, dass die Sache mangelfrei ist“ (Hervorheb. im Original) als möglichen Gegenstand einer Garantie an, s. auch dens./Riehm, Rn. 533; Schapp, FS Kollhosser Bd. II S. 619, 633 nimmt im Falle von Eigenschaftszusicherungen (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) zu vertretende Unkenntnis des Verkäufers an. Krit. gegenüber der Garantie der Richtigkeit des Kenntnisstands Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 304, eine solche Garantie abl. MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 52; Windel, JR 2004, 265, 269, vgl. auch M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 76 f. 941 Zur Bedeutung für die Primärebene (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB) vgl. noch unten sub „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff. (letzter Abs.). 942 Vgl. die Gesetzesbegründung zu § 311a Abs. 2 RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 165 f.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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geblicher Aufwendungen943 gewährt, wenn der Schuldner seine Unkenntnis vom Bestand eines vertragsanfänglichen Leistungshindernisses zu vertreten hat,944 siehe § 311a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 2 BGB. Der damit gewählte Ansatzpunkt für einen Schuldnervorwurf945 soll für die Primärebene in Hinsicht auf § 275 Abs. 2 S. 2 BGB fortgedacht werden. Im Folgenden wird versucht, für die wesentlichen Fallkonstellationen entsprechende Lösungen zu entwickeln. In diesem Kontext werden auch die Besonderheiten der Fälle positiver Kenntnis des Schuldners behandelt. (a) Bei Vertragsschluss bestehendes Leistungshindernis a) Kenntnis Kennt der Schuldner946 ein vertragsanfängliches Leistungshindernis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses positiv,947 wird das in Kenntnis des Leistungshindernisses und des zu seiner Überwindung erforderlichen Aufwands abgegebene Versprechen in aller Regel so auszulegen sein, dass es die Bewältigung der gegenwärtig bekannten Schwierigkeiten einschließt.948 Die 943

s. § 284 BGB i. V. mit § 311a Abs. 2 S. 1 Fall 2. Dies wird zugunsten des Gläubigers vermutet („Dies gilt nicht, wenn [. . .]“). 945 Darin sieht Canaris, FS Heldrich S. 11, 35 „eine eigenständige Funktion“ des § 311a Abs. 2 BGB, ähnl. Schlechtriem, SAT5 Rn. 351 (etwas anders aber wohl jetzt ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 559, 575 f.), s. auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 311a Rn. 5, 7; S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500; Sailer, Schadensersatzhaftung des Verkäufers S. 42. 946 Vgl. zur möglichen Zurechnung der Kenntnis von Vertretern oder Verhandlungsgehilfen via § 278 S. 1 bzw. 166 Abs. 1 BGB (str.) bei § 311a Abs. 2 BGB vor allem MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 43, 46 ff.; Staudinger/Löwisch (2005), § 311a Rn. 46, s. auch Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 5 Rn. 14; StuKo/Kropholler, § 311a Rn. 6 sowie bereits Schnorr v. Carolsfeld, FS Reinhardt S. 151, 153 mit Fn. 11. Die insoweit aufgestellten Grundsätze gelten für § 275 Abs. 2 S. 2 BGB sinngemäß. 947 Neben der Kenntnis wird in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB die vom Schuldner zu vertretende Unkenntnis angeführt. Insoweit sollte die Verschuldensform Vorsatz (s. § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 Fall 1 BGB) indes außer Betracht gelassen werden, da die Erscheinung einer „vorsätzlichen Unkenntnis“ befremdlich anmutet und aufgrund der gleichfalls in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich genannten Kenntnis zudem entbehrlich ist. Vgl. hierzu auch MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 50; Schapp, FS Kollhosser Bd. II S. 619, 626 und 632. 948 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 29, der mit „Umständen“ i. Erg. das Gleiche meinen dürfte, s. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 44. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 296, 362 stellt auf den aus Sicht eines „redliche[n] Schuldner[s]“ „realistischerweise zu veranschlagen[den]“ Aufwand ab, (aaO., S. 296), vgl. hierzu jedoch noch die Ausführungen im nächsten Absatz des Textes. 944

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§ 4 Die neue Rechtslage

ein vertragsanfängliches Leistungshindernis begründenden Umstände werden gleichsam zum Inhalt des Schuldverhältnisses (siehe § 275 Abs. 2 S. 1 BGB), womit insoweit die Berufung auf § 275 Abs. 2 BGB in aller Regel ausscheidet.949 Erforderlich dafür ist indes nicht nur, dass der Schuldner von dem gegenwärtigen Leistungshindernis weiß, er muss auch davon ausgehen, dass der zur Beseitigung des Leistungshindernisses notwendige Aufwand ausschließlich von ihm zu tragen ist.950 Dann wird er diesen Aufwand bei seiner Kalkulation – vornehmlich durch die Forderung einer entsprechend hohen Gegenleistung – berücksichtigen.951 Häufig wird der Versprechende jedoch subjektiv davon ausgehen und darauf hoffen, dass er zur Überwindung des ihm bekannten Leistungshindernisses entweder gar keinen Aufwand betreiben muss – etwa weil er darauf vertraut, dass das Hindernis von selbst entfällt (Beispiel: die zur Auslieferung benötigte Passstraße sollte wieder zugänglich werden) – oder nur einen seinen Planungen entsprechenden Aufwand erfordert (Beispiel: das vom Stückverkäufer noch zu beschaffende Kfz kann wider Erwarten mehr kosten als von ihm vorhergesehen). Verpflichtet sich der Schuldner in Kenntnis eines der Leistungserbringung entgegenstehenden Hindernisses, ohne insoweit einen vertraglichen Vorbehalt zu vereinbaren, wird man das schuldnerische Versprechen regelmäßig dahingehend auslegen, er übernehme (konkludent) das Risiko dafür, dass er zur Beseitigung des Hindernisses wider Erwarten doch eigenen Aufwand betreiben muss beziehungsweise einen gegenüber seinen Planungen erhöhten Aufwand.952 Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der Versprechende „schuldlos“ darauf vertraut, keinen beziehungsweise keinen planwidrig hohen Aufwand betreiben zu müssen. 949

Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 29. Für den Fall eines planwidrig erhöhten Aufwands vgl. sogleich im Text. 951 Vgl. zum Problem einer bereits ohne Leistungshindernis bestehenden Unverhältnismäßigkeit unten sub „b) Unverhältnismäßigkeit zwischen Normalaufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse“, S. 448 f. 952 Für das Beschaffungsrisiko nimmt U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 549 dies nur an, wenn die Umstände beiden Parteien bekannt sind; hat nur der Verkäufer Kenntnis, geht ders. von einer „‚objektiven‘ Haftung des Verkäufers aus dem Haftungsprinzip des § 311a Abs. 2 BGB n. F.“ aus. Vgl. zum Problem auch jüngst Canaris: § 276 Abs. 1 (S. 1, Halbs. 2) BGB enthalte im Hinblick auf die Sekundärhaftung des Gattungsschuldners eine Auslegungsregel für Beschaffungsschulden (Canaris, FS Wiegand S. 179, 216 ff., 225, 227, 229, 233, 241, 243, 246, 248, 250), der zufolge „bei einer (erfolgsbezogenen) Beschaffungsschuld grundsätzlich generell von einer Übernahme des Beschaffungsrisikos durch den Schuldner auszugehen ist“ (aaO., S. 216 f., Hervorheb. im Original); gegen eine rein rechtsgeschäftliche Problemlösung Canaris, FS Wiegand S. 179, 216 und ders., in der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2005, s. Karlsruher Forum 2005, S. 213. 950

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Für den Fall, dass bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv feststeht, dass der Schuldner den (erhöhten) Aufwand zu tragen hat, übernimmt er bei vorbehaltloser Verpflichtung das Risiko für seinen Irrtum; mit einer solchen Risikoübernahme geht einher, dass der Schuldner das Risiko des korrespondierenden Mehraufwands trägt. b) Zu vertretende Unkenntnis: Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB In vielen Fällen wird der Schuldner ein bei Vertragsschluss bestehendes Leistungshindernis nicht positiv kennen. Doch hätte er seine Unkenntnis bei gebotener Prüfung verhindern können. Einen prospektiven Schuldner trifft die Pflicht, sich vor Eingehung einer vertraglichen Bindung zu vergewissern, ob er leistungsfähig ist.953 Er muss prüfen, ob der Leistungserbringung überwindbare oder unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. Verletzt er diese vorvertragliche Pflicht in zu vertretender Weise, kann er sich nicht nach § 311a Abs. 2 S. 2 BGB entlasten;954 er haftet nach § 311a Abs. 2 S. 1 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung, wenn die Leistung anfänglich unmöglich ist oder ein vertragsanfängliches Leistungshindernis besteht, das zu einer berechtigten Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 2 BGB führt.955 Die dogmatischen Schwierigkeiten, die durch die in § 311a Abs. 2 BGB angeordnete Haftung aufgeworfen werden, sowie die insoweit unternommenen Erklärungsversuche, müssen vorliegend nicht vertieft werden.956 953 Vgl. zu Zurechnungsfragen die Nachw. oben in Fn. 946 (S. 325), zur Reichweite von Vergewisserungspflichten s. etwa Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 5 Rn. 17; Windel, JR 2004, 265, 268 f.; v. Wilmowsky, JuS 2002, Beil. zu Heft 1, S. 3*, 12* jew. m. weit. Nachw. 954 Vgl. zur zugunsten des Gläubigers angeordneten Beweislastumkehr die Formulierung „Dies gilt nicht, wenn [. . .]“. 955 Die Einrede muss vom Schuldner erhoben sein, vgl. den Wortlaut von § 311a Abs. 1 BGB: „der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht“. 956 Es wurde bereits dargelegt, dass sich mit der Verletzung einer vorvertraglichen Vergewisserungs- bzw. Aufklärungspflicht nach herkömmlicher Schadensdogmatik nur eine Haftung auf das negative Interesse (Vertrauensschaden) begründen lässt, vgl. aus neuerer Zeit Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten S. 107 ff. (insb. 120 ff.), 130 ff. (insb. 133 f., 148 f.); A. Teichmann, FS Konzen S. 903. Das Gesetz ordnet nunmehr in § 311a Abs. 2 BGB eine eingeschränkte Garantiehaftung an. Vgl. zu Erklärungsversuchen BT-Drucks. 14/6040, S. 165 re. Sp., wonach der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung dogmatisch aus der „Nichterfüllung des [. . .] Leistungsversprechens“ folge, das wegen § 311a Abs. 1 RegE (= § 311a Abs. 1 BGB) wirksam sei, krit. Harke, AcP 205 (2005), 67, 82. Nicht ohne Vehemenz wurde der Streit zwischen Canaris und Altmeppen geführt, s. Altmeppen, DB 2001, 1399 ff.; 1821, 1822 f., Canaris, DB 2001, 1815, 1817 ff., s. nun auch ausf. Canaris, FS Heldrich S. 11 ff., insb. 23 ff. [hierzu bereits oben mit Fn. 938 (S. 323)], vgl. zur weiteren Auseinandersetzung z. B. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 29 ff., 98 f., 122 ff.; Gsell, in:

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§ 4 Die neue Rechtslage

Entscheidend ist, dass die Haftung für vertragsanfängliche Leistungshindernisse auf das positive Interesse unter der genannten Voraussetzung seit der Schuldrechtsreform im BGB angeordnet ist.957 Ein vertragsanfängliches Leistungshindernis, das dem Schuldner bei Vertragsschluss infolge unzureichender Vergewisserung unbekannt geblieben ist, führt nicht zwingend zu einem groben Missverhältnis nach § 275 Abs. 2 BGB. Dann scheidet eine Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB aus, da der Schuldner (zunächst) Erfüllung schuldet; der Gläubiger kann in diesem Fall über eine Fristsetzung zum Schadensersatz statt der Leistung958 gelangen. Gleichwohl hat der Schuldner auch insoweit die vorvertragliche Vergewisserungspflicht verletzt. Dieser Pflichtverstoß führt zwar nicht direkt zu einem Sekundäranspruch nach § 311a Abs. 2 BGB, könnte gleichwohl im Rahmen des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB Berücksichtigung finden.959 § 275 Abs. 2 S. 2 BGB legt als möglichen Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens das Leistungshindernis fest. Die Unkenntnis des Schuldners vom Leistungshindernis wird nicht angesprochen, obgleich § 275 Abs. 2 BGB auch für vertragsanfängliche Leistungshindernisse gilt. Für diese Hindernisse wird dem Schuldner jedoch im Regelfall aufgrund des „unterschiedlichen Pflichtenprogramms“960 vor Vertragsschluss nur der Vorwurf gemacht werden können, sich nicht pflichtgemäß informiert und den späteren Vertragspartner nicht aufgeklärt zu haben. Es spricht vieles dafür, dass die Gesetzesverfasser übersehen haben, dass bei vertragsanfänglichen überwindbaren Leistungshindernissen auch961 auf Primärebene (§ 275 Abs. 2 BGB) in erster Linie nicht das Leistungshindernis selbst, sondern die Unkenntnis des Schuldners von dem Leistungshindernis Anknüpfungspunkt des Vertretenmüssens ist. Auch auf Primärebene besteht die von den GeJb. J. ZivRWiss. 2001 S. 105, 118 ff.; Harke, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 29, 55 f.; ders., AcP 205 (2005), 67, 81 ff., insb. 83 ff.; Katzenstein, JR 2003, 447 ff.; MaierReimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 302 f.; v. Olshausen, ZIP 2002, 237, 239; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten S. 133 f., 148 f.; Schapp, FS Kollhosser Bd. II S. 619, 621 ff., insb. 623; Windel, JR 2004, 265 ff.; v. Wilmowsky, JuS 2002, Beil. zu Heft 1, S. 3*, 12* f. 957 Vgl. S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 12 f. (insb. mit Fn. 7), 53, ähnl. – wenngleich krit. – Hammen, FS Hadding S. 41, 51; vgl. auch Palandt65 / Heinrichs, § 311a Rn. 7; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 70 f. 958 Gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB. 959 Dieser Gedanke dürfte bereits bei Rabel, RheinZ 3 (1911), 467, 476 (= Ges. Aufs. I S. 56, 65) angeklungen sein. Unpräzise im Kontext des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 104. 960 BT-Drucks. 14/6040, S. 165 re. Sp. 961 Auf Sekundärebene wurde – wie gesagt – mit § 311a Abs. 2 BGB eine entsprechende Regelung geschaffen.

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setzesverfassern zutreffend erkannte „Eigentümlichkeit dieser Konstellation [sc. vertragsanfänglicher Leistungshindernisse] als Informations- und Irrtumsproblematik“962. § 275 Abs. 2 S. 2 BGB weist daher im Hinblick auf vertragsanfängliche Leistungshindernisse eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke auf. Zur Schließung dieser Lücke kann unschwer auf den Rechtsgedanken des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB zurückgegriffen werden.963 Der Schuldner ist gehalten, sich vor Eingehung einer vertraglichen Bindung über seine Leistungsfähigkeit zu vergewissern, er muss im Besonderen prüfen, ob der Leistungserbringung Hindernisse – gleich, ob unüberwindbar oder überwindbar – im Wege stehen. Dieser Gedanke lässt sich unschwer auf § 275 Abs. 2 S. 2 BGB übertragen.964 Dadurch wird en passant zugleich eine gewisse Harmonisierung der Wertungen auf Sekundär- und Primärebene hergestellt. Es wäre wenig überzeugend, wenn ein vorvertraglicher Pflichtverstoß zwar für den Sekundäranspruch relevant, für den Primäranspruch demgegenüber unerheblich wäre, zumal für Letzteren ausweislich des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB das Vertretenmüssen Berücksichtigung finden soll. Darüber hinaus dürfte es kaum im Sinne des Gesetzes sein, wenn es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB keinen Unterschied machen würde, ob der Schuldner das Leistungshindernis bei pflichtgemäßer Aufklärung hätte kennen können oder nicht. Auf den Mehraufwand, der auf ein ihm fahrlässig unbekannt gebliebenes Hindernis zurückgeht, soll er sich nicht in gleichem Maße erfolgreich berufen können, wie wenn er von dem Hindernis nichts wissen konnte. So wird durch die befürwortete Lückenschließung verhindert, dass ungleiche Fälle gleich behandelt werden. Für die Übertragbarkeit des Rechtsgedankens spricht auch der nunmehr im BGB vorzufindende Gleichlauf der Rechtsfolgen auf Sekundärebene. Für den Fall der Befreiung von der Primärpflicht haftet der Schuldner sowohl bei anfänglichen als auch bei nachträglichen Leistungshindernissen auf Schadensersatz statt der Leistung: Hat der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten (so der Ansatzpunkt in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB), hat er damit (mittelbar) die Pflichtverletzung i. S. von §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB (Nichtleistung) zu vertreten,965 wodurch ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ausgelöst wird. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aus § 311a Abs. 2 S. 1 BGB, sofern der Schuldner seine Unkenntnis hinsichtlich des Leistungshindernisses zu vertreten hat.966 In beiden Fällen 962

BT-Drucks. 14/6040, S. 166 li. Sp. Die maßgebliche Wertung vermag hier aus dem vorhandenen Gesetzesrecht gewonnen zu werden, vgl. Rüthers, Rechtstheorie Rn. 894 m. weit. Nachw. 964 Im Ergebnis offenbar ebenso U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 549 f. insb. mit Fn. 68, zuletzt auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 311a Rn. 11. 965 Vgl. hierzu etwa Wieser, MDR 2002, 858, 860. 963

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§ 4 Die neue Rechtslage

wird das Vertretenmüssen zugunsten des Gläubigers vermutet.967 Daneben besteht auch Übereinstimmung hinsichtlich des alternativ gewährten Rechtsbehelfs, des Ersatzes vergeblicher Aufwendungen nach § 284 BGB, siehe hierzu den Verweis in § 311a Abs. 2 S. 1 BGB. Es geht bei der hier postulierten Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB der Sache nach lediglich darum, den Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens für vertragsanfängliche Leistungshindernisse so festzulegen, wie es auf Sekundärebene ohnedies realisiert wurde, siehe § 311a Abs. 2 S. 2 BGB968.969 Wie bereits eingangs970 dargelegt, vermag § 275 Abs. 2 S. 2 BGB nicht oder jedenfalls nur unzureichend zum Ausdruck zu bringen, dass § 275 Abs. 2 BGB zwei unterschiedliche Regelungsprobleme überantwortet wurden, deren Trennung mittelbar durch das schuldnerische Vertretenmüssen bedingt ist („mittelbare Primärbedeutung“ schuldnerischen Vertretenmüssens). Sieht man durch § 275 Abs. 2 S. 2 BGB zumindest die sekundäre Bedeutung des Vertretenmüssens (sc. die verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand) ausgedrückt, wäre sie wie folgt zu lesen: „Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob (und inwieweit)971 der Schuldner das Leistungshindernis oder seine Unkenntnis972 eines schon bei Vertragsschluss bestehenden Leistungshindernisses zu vertreten hat“.973 966 Die dogmatische Erklärung der Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB kann insoweit dahinstehen, s. hierzu bereits m. Nachw. oben mit Fn. 956 (S. 327 f.). 967 s. §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 968 s. auch Canaris, FS Heldrich S. 11, 35: § 311a Abs. 2 BGB habe „auch insofern eine eigenständige Funktion, als Satz 2 die Besonderheit des Bezugspunktes für das Vertretenmüssen normiert, der ein anderer ist als bei nachträglichen Leistungsstörungen“ (hierzu auch Erman11 /Kindl, § 311a Rn. 6), ferner auch Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 580 f., ähnl. Schlechtriem, SAT5 Rn. 351, S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500, unzutreffend demgegenüber Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit S. 35. 969 Eine Folge der Analogie ist gleichsam eine mittelbare Rückwirkung auf 311a Abs. 2 BGB. Denn der Schuldner wird aufgrund der ihm bei § 275 Abs. 2 S. 2 BGB vorgeworfenen Unkenntnis weniger leicht befreit. Damit wird die Erfüllungspflicht und mit ihr die mögliche Haftung aus §§ 280, 281 BGB ausgedehnt, gleichzeitig eine unmittelbare (d. h. ohne vorherige Fristsetzung begründete) Sekundärhaftung aus § 311a Abs. 2 BGB insoweit zurückgedrängt. 970 s. oben sub „a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens“, S. 308 ff. 971 Zu dieser Ergänzung noch später sub „c) Das Ausmaß (‚Wie‘) des Vertretenmüssens: Der Verschuldensgrad“, S. 339 f. 972 Fälle der positiven Kenntnis unterliegen einer Sonderbehandlung, s. hierzu oben sub „a) Kenntnis“, S. 325 ff. sowie noch unten sub „a) Kenntnis“, S. 331 und S. 333 f.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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(b) Bei Vertragsschluss feststehender späterer Eintritt eines Leistungshindernisses Es gibt Leistungshindernisse, die zwar nach Vertragsschluss eintreten, deren Ursache jedoch bereits bei Vertragsschluss bestand. Ausgehend von einem vor beziehungsweise bei Vertragsschluss bestehenden Zustand stellt sich der Eintritt des späteren Leistungshindernisses als sicher dar. Anders verhält es sich in Fällen, in denen der bei Vertragsschluss gegebene Zustand nur vielleicht zum Eintritt eines späteren Leistungshindernisses führt.974 In der älteren Literatur war in ähnlichen Fällen von allmählich oder schrittweise entstehender Unmöglichkeit die Rede.975 Beispielhaft976 wurde zumeist das bei Vertragsschluss bereits verletzte Pferd genannt, das später, nach Vertragsschluss, infolge der Verletzung verendete, oder der Fall, dass bei Eingehung einer Dienstverpflichtung bereits ein Einberufungsbescheid zum Wehrdienst zugegangen war, der jedoch erst später wirksam wurde.977 a) Kenntnis Hat der Schuldner bei Vertragsschluss positive Kenntnis von dem Zustand, der mit Sicherheit zum Eintritt eines (überwindbaren) Leistungshindernisses führt, wird die Rechtslage entsprechend derjenigen eines bei Vertragsschluss aktuell bestehenden Leistungshindernisses zu beurteilen sein.978 Die Kenntnis des Zustands, der mit Sicherheit zum späteren Eintritt des Leistungshindernisses führt, kann der Kenntnis des bereits bei Vertragsschluss bestehenden Hindernisses gleichbehandelt werden.979 973 Gesetzestechnisch wäre möglich gewesen, die entsprechende Anwendung von § 311a Abs. 2 S. 2 BGB anzuordnen, etwa in einem zweiten Halbsatz von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB. 974 Eine solche Differenzierung findet sich bereits bei Kleineidam, Unmöglichkeit S. 86 f. („mit absoluter Gewißheit“ – „nicht notwendigerweise eintreten muß“), jüngst auch Canaris, FS Wiegand S. 179, 240 ff. 975 Rabel, FS Bekker S. 171, 220 (= Ges. Aufs. I S. 1, 41); Kisch, Unmöglichkeit S. 33. 976 Vgl. zu den Beispielen Kisch, Unmöglichkeit S. 33 f.; Rabel, FS Bekker S. 171, 220 (= Ges. Aufs. I S. 1, 41), s. auch Schollmeyer, Schuldverhältnisse I S. 98. 977 Indes war nicht ganz klar, ob der Eintritt der späteren Unmöglichkeit sicher oder nur wahrscheinlich sein musste. Brecht wollte insoweit ausreichen lassen, dass eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ gegeben war, Brecht, JherJb 53 (1908), 213, 279 und 281 oben, zutreffend demgegenüber Kleineidam, Unmöglichkeit S. 86 f. 978 Hierzu oben sub „a) Kenntnis“, S. 325 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB Die aufgezeigte Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf die bloße Unkenntnis. Maßgeblich für die erforderliche Vergleichbarkeit ist, dass das Leistungshindernis in beiden Fällen bei Vertragsschluss gewiss ist: entweder, weil es bereits vorliegt, oder, weil es mit Sicherheit eintreten wird. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB findet damit auf § 275 Abs. 2 S. 2 BGB doppelt analoge Anwendung.980 In diesen Fällen kann dem Schuldner nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er in der Zeit nach Vertragsschluss den Eintritt des Leistungshindernisses nicht verhindert hat und damit das Hindernis selbst zu vertreten hätte. Denn die Konstellation zeichnet sich gerade durch die Besonderheit aus, dass der Eintritt des Hindernisses sicher ist, mithin nach Vertragsschluss nicht mehr abwendbar ist. Dem Schuldner mangelt es daher an der Möglichkeit, den Eintritt des Leistungshindernisses nach Vertragsschluss zu verhindern. Insoweit kann man in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB981 einen zweiten Halbsatz hineinlesen: „[Halbs. 1]; einem bei Vertragsschluss bestehenden Leistungshindernis stehen solche Umstände gleich, die mit Sicherheit zu einem nachträglichen Leistungshindernis führen.“ (c) Bei Vertragsschluss möglicher späterer Eintritt eines Leistungshindernisses Der Eintritt des späteren Leistungshindernisses muss bei Vertragsschluss nicht feststehen, bisweilen besteht für den Eintritt nur eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit, mithin lediglich die Gefahr eines zukünftig eintretenden Leistungshindernisses.982 979

So für die Sekundärhaftung offenbar bereits Rabel, FS Bekker S. 171, 229 mit Fn. 2 (= Ges. Aufs. I S. 1, 49 mit Fn. 140), vgl. aus jüngerer Zeit auch CekovicVuletic, Unmöglichkeit S. 17; für die Annahme anfänglicher Unmöglichkeit im Falle bei Vertragsschluss feststehender späterer Leistungsunmöglichkeit und damit die direkte Anwendung von § 311a Abs. 2 BGB Canaris, FS Wiegand S. 179, 241; MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 34. 980 Doppelt analog, weil § 311a Abs. 2 S. 2 BGB unmittelbar nur für den Sekundäranspruch und nur für (bereits) „bei Vertragsschluss“ bestehende Leistungshindernisse gilt. 981 Gesetzestechnisch besser wäre die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in einem zweiten Halbs. von § 311a Abs. 2 S. 2 BGB gewesen; in § 275 Abs. 2 S. 2 wäre dann (in einem zweiten Halbs.) eine entsprechende Anwendung von § 311a Abs. 2 S. 2 BGB anzuordnen gewesen. 982 Für eine solche Gefahrenlage schlägt neuerdings Fest, WM 2005, 2168, 2169 den Begriff „Leistungsrisiko“ vor.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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a) Kenntnis Kennt der Schuldner positiv die Gefahrenlage, die zum späteren Leistungshindernis führen kann, so wird die Auslegung seines vertraglichen Versprechens in aller Regel ergeben, dass er das Risiko eines Eintritts des Leistungshindernisses übernimmt, wenn er sich uneingeschränkt zur Leistung verpflichtet.983 Er hätte – bei Kenntnis der Umstände, die einen späteren Eintritt eines Leistungshindernisses wahrscheinlich erscheinen ließen – einen Vorbehalt vereinbaren können und müssen. Hat sich die dem Schuldner bei Vertragsschluss positiv bekannte Gefahrenlage hingegen schon (ohne seine Kenntnis) vor Vertragsschluss realisiert, übernimmt er durch das vorbehaltlose Vertragsversprechen das Risiko eines Irrtums und damit mittelbar auch das korrespondierende Mehraufwandsrisiko. Diese Einordnung findet eine gewisse Bestätigung in der Rechtsprechung zum früheren Recht.984 In den einschlägigen Entscheidungen lag positive Kenntnis des Schuldners der hier als Gefahrenlage bezeichneten Umstände vor: So wusste etwa in BGH, LM BGB § 325 [a. F.] Nr. 8 ein Kinopächter, dass das Grundstück, auf welchem er ein Kino betrieb, im Zwangsvollstreckungsverfahren beschlagnahmt war; davon ausgehend hätte der Kinobesitzer damit rechnen müssen, dass der Ersteher mit ihm möglicherweise keinen neuen Pachtvertrag abschließen würde und er daher die bei einem Filmverleihunternehmen bestellten Filme in dem Kino nicht mehr vorführen könnte, wozu er sich (uneingeschränkt) verpflichtete. Der Schuldner hatte jeweils ausgehend von einer ihm positiv bekannten Sach- oder Rechtslage985 mit dem Eintritt eines späteren986 Leistungshindernisses zu rechnen. 983 Hierzu bereits oben sub „a) Kenntnis“, S. 325 ff., zu alternativen Lösungen – jedoch mit Beschränkung auf die Sekundärhaftung – oben mit Fn. 952 (S. 326). 984 Für eine Risikoübernahme BGH, LM BGB § 325 (aF) Nr. 8 (= BB 1960, 303); OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 721, 722; vgl. zu BGH, NJW 1999, 635 sogleich mit Fn. 986 (S. 333). Ebenso zum früheren Recht: Palandt61 /Heinrichs, § 275 aF Rn. 23; RGRK/Ballhaus, § 325 aF Rn. 5. 985 s. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 721, 722, wo maßgeblich auf die Kenntnis abgestellt wird. 986 Unzutreffend daher BGH, NJW 1999, 635, wo unter Bezugnahme auf BGH, LM BGB § 325 [aF] Nr. 8 festgestellt wird, der Schuldner habe die „Unmöglichkeit zu vertreten, weil er sich uneingeschränkt zur Leistung verpflichtet [habe], obwohl er das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluß bei Anwendung der forderlichen [richtig: erforderlichen] Sorgfalt hätte erkennen können und müssen“ – zum einen lag im Falle von BGH, NJW 1999, 635 im Unterschied zu BGH, LM BGB § 325 [aF] Nr. 8 kein nachträgliches, sondern ein anfängliches Leistungshindernis vor, vor allem aber wurde keine positive Kenntnis des Schuldners (Vermieters) festgestellt, insoweit mit Recht krit. die Entscheidungsbesprechung von Timme, NJW 2000, 930, 931, bedenklich demgegenüber die Berufung auf BGH, NJW 1999, 635 bei Canaris, FS Heldrich S. 11, 31 f. bei und mit Fn. 77.

334

§ 4 Die neue Rechtslage

Aufgrund der angenommenen Risikoübernahme987 hatte er das spätere Leistungshindernis zu vertreten.988 Demgegenüber wurde für die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung von Maier-Reimer vorgeschlagen, der Schuldner habe ein Leistungshindernis „in sinngemäßer Auslegung oder entsprechender Anwendung des § 311a Abs. 2 zu vertreten, weil er bei Vertragsabschluß damit rechnen mußte, daß das Leistungshindernis entweder bereits eingetreten war oder ohne Eingriffsmöglichkeit seinerseits eintreten werde“989.990 Diese Auslegung beziehungsweise Analogie könnte auf Erfüllungsebene im Falle überwindbarer Hindernisse i. S. von § 275 Abs. 2 BGB fruchtbar gemacht werden: § 311a Abs. 2 S. 2 BGB wäre dann gleichsam doppelt analog anzuwenden.991 Indes besteht dafür kein Bedürfnis, da sich diejenigen Fälle, in denen der Schuldner die Gefahrenlage bei Vertragsschluss positiv kennt, wie gezeigt, bereits im Wege der Auslegung lösen lassen. Überdies fehlt es für eine Analogie auch an der erforderlichen Vergleichbarkeit.992 Aufgrund der Risikoübernahme und des damit einhergehenden Vertretenmüssens (§ 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 BGB) ist auch hinsichtlich der Sekundärhaftung eine Analogie zu § 311a Abs. 2 BGB entbehrlich.993 987 BGH, LM BGB § 325 (aF) Nr. 8 Bl. 872 [sub II. 1.: „Risiko übernommen“, sub II. 2. a): „Gefahr auf sich genommen“], in OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 721, 722 wird die Risikoübernahme indes nicht (mehr) explizit angesprochen. 988 BGH, LM BGB § 325 (aF) Nr. 8 Bl. 872 sub II. 2. a): Dem Schuldner sei es „verwehrt, geltend zu machen, er sei ohne sein Verschulden aus dem Besitz des Kinos gesetzt“. 989 s. Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 304 (und 306), i. Erg. ähnl. für von außen kommende Störungen Canaris, FS Wiegand S. 179, 237 ff., insb. 242, 244, vgl. auch Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 583 f. (zum Kriterium der Vorhersehbarkeit), ähnl. wohl Cekovic-Vuletic, Unmöglichkeit S. 17, die unter Bezugnahme auf Rabel (s. dies., aaO., mit Fn. 77) Fälle „allmählicher“ Unmöglichkeit behandelt. Für eine direkte Anwendung von § 311a Abs. 2 BGB bei einer für den Schuldner voraussehbaren Realisierung eines anfänglichen Leistungsrisikos tritt jüngst Fest, WM 2005, 2168, 2170 f. ein. 990 Vgl. auch die von Maier-Reimer referierten Vorschläge des Zivilrechtsausschusses des DAV in: AnwBl. 2001, 25, 26, wonach – abw. vom angeführten Zitat im Text – der Schuldner im Zweifel Leistungshindernisse zu vertreten habe, „die ihm bei Eingehung der Schuld bekannt sind oder bekannt sein müssen“; ein entsprechender Vorschlag findet sich in Bezug auf Umstände, die ein Einrederecht begründen können. Leistungshindernisse, mit deren Bestehen oder Eintreten der Schuldner nur „rechnen musste“, waren von den Vorschlägen des Zivilrechtsausschusses damit gerade nicht erfasst, etwas zurückhaltender freilich Maier-Reimer (in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt S. 291, 306 mit Fn. 102) selbst: „Ähnlich schon die Vorschläge des Zivilrechtsausschusses des Deutschen AnwaltVereins“, Hervorheb. nicht im Original. 991 Zweifach analog, weil § 311a Abs. 2 S. 2 BGB direkt nur für den Sekundäranspruch gilt und zudem auf die zu vertretende Unkenntnis eines bei Vertragsschluss bestehenden Hindernisses abstellt. 992 Hierzu sogleich im Text.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB? Weiterhin ist von Interesse, ob eine doppelt analoge Anwendung von § 311a Abs. 2 S. 2 BGB auf § 275 Abs. 2 S. 2 BGB auch dann anzunehmen ist, wenn der Schuldner bei Vertragsschluss die Gefahr des späteren Eintritts eines Leistungshindernisses kennen musste. Man wird davon ausgehen können, dass sich der Schuldner im vorvertraglichen Bereich auch darüber zu vergewissern hat, ob Umstände vorliegen, die vielleicht zu einem späteren Leistungshindernis führen. Hierfür könnte möglicherweise die zuvor angesprochene Auffassung von Maier-Reimer auf der Erfüllungsebene nutzbar gemacht werden. Jedoch scheint der Schuldner nach dieser Ansicht mit einem bereits bestehenden Leistungshindernis beziehungsweise einem nach Vertragsschluss eintretenden Leistungshindernis nur dann „rechnen zu müssen“, wenn er den Gefahrenzustand positiv kennt. Dafür spricht zunächst die Schwierigkeit, die Fälle bloßer (fahrlässiger) Unkenntnis der Gefahrenlage unter die Formulierung „mit dem Bestehen oder Eintreten des Leistungshindernisses rechnen musste“ zu subsumieren. Weiterhin spricht vieles dafür, dass bei dem von Maier-Reimer im Rahmen seiner Begründung angeführten Beispiel994 nicht lediglich fahrlässige Unkenntnis des Schuldners vorliegen sollte. Denn wer ein Auto „unverschlossen mit Schlüssel im Zündschloß auf einem öffentlichen Parkplatz hat stehen lassen“995 und im Anschluss daran dieses Auto verkauft, dürfte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses positive Kenntnis hinsichtlich der Gefahrenlage besitzen. Insoweit weist dieses Beispiel auch einen entscheidenden Unterschied zu jenem Beispiel auf, das in der vorliegenden Untersuchung zur Illustrierung einer möglichen Rückbeziehung leistungsgegenstandsbezogener Schutzpflichten gewählt wurde.996 Dort nämlich hatte der nachmalige Schuldner sein Fahrzeug versehentlich unverschlossen stehen lassen und war sich der Gefahrenlage bei Vertragsschluss demzufolge nicht bewusst. Wer hingegen seinen Autoschlüssel im Zündschloss belässt, wird sich beim unmittelbar anschließenden Vertragsschluss der bestehenden Gefahrenlage regelmäßig bewusst sein. Eine Erfassung der Fälle nur fahrlässiger Unkenntnis einer Gefahrenlage durch § 311a Abs. 2 BGB (analog) wäre überdies nicht geboten. Nach der gesetzlichen Regelung in § 311a Abs. 2 BGB muss sich die zu vertretende Unkenntnis des Schuldners auf ein bei Vertragsschluss bestehendes (§ 311a Abs. 1 BGB) „Leistungshindernis“ beziehen. Damit ist der Fall, dass der 993 994 995 996

Hierzu noch unten sub „(e) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 338. Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 303 f. Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 303. s. oben sub „g) Eigener Begründungsansatz“, S. 317 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Schuldner nur mit dem Eintritt eines zukünftigen Leistungshindernisses rechnen muss, nicht unmittelbar geregelt. Daher müssten die Voraussetzungen für eine Analogie vorliegen.997 Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke sind jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr spricht die in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich vorgenommene Einordnung der „Konstellation als Informations- und Irrtumsproblematik“998 gegen die Annahme einer Lücke. Für die von § 311a Abs. 2 BGB erfassten Irrtumsfälle ist nämlich charakteristisch, dass eine Abweichung von Vorstellung und Wirklichkeit vorliegt. Dies trifft solange zu, wie das Bestehen beziehungsweise Eintreten eines Leistungshindernisses feststeht und der Schuldner hiervon keine Kenntnis hat. Stellt sich der Eintritt eines Hindernisses indes lediglich als wahrscheinlich dar, handelt es sich nicht um einen Irrtum i. S. des § 311a Abs. 2 BGB; das Prognoseelement in den Fällen bloßer Eintrittswahrscheinlichkeit lässt sich kaum leugnen. Es erscheint daher zweifelhaft, insoweit von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Die hier vertretene analoge Anwendung des § 311a Abs. 2 BGB für Fälle, in denen ein Leistungshindernis zwar bei Vertragsschluss noch nicht besteht, dessen späterer Eintritt aber feststeht,999 rechtfertigt sich aus der Vergleichbarkeit mit dem eigentlichen Regelungsbereich des § 311a Abs. 2 BGB: In beiden Fällen steht das Leistungshindernis bereits bei Vertragsschluss fest – sei es, weil es bereits besteht (so der direkte Anwendungsbereich) oder weil es mit Sicherheit eintreten wird (dann § 311a Abs. 2 BGB analog).1000 Dem stehen die Fälle gegenüber, in denen das Leistungshindernis nicht zwangsläufig, sondern nur möglicherweise eintritt. Im Ergebnis ist daher eine doppelte Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB im Rahmen von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB (wie auch eine einfache Analogie auf Sekundärebene) abzulehnen. Kennt der Schuldner bei Vertragsschluss eine Gefahrenlage, die zu einem nachträglichen überwindbaren Leistungshindernis führen kann beziehungsweise bereits geführt hat, fahrlässig nicht, kommt § 275 Abs. 2 S. 2 BGB nicht zur Anwendung. Nur wenn der Schuldner die Gefahrenlage positiv kennt, übernimmt er konkludent das Risiko des Eintritts eines späteren Leistungshindernisses. Ferner wäre in den Fällen bloßer Eintrittswahrscheinlichkeit zu erwägen, ob es der Schuldner zu vertreten hat, den späteren Eintritt des Hindernisses 997 Anders jüngst Fest, WM 2005, 2168, 2169, der eine direkte Anwendung von § 311a BGB postuliert, da der Begriff des anfänglichen Leistungshindernisses i. S. von § 311a BGB auch ein „Leistungsrisiko“ – hier als Gefahrenlage bezeichnet – erfasse (aaO., S. 2171). 998 BT-Drucks. 14/6040, S. 166 li. Sp. 999 s. oben sub „b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 332. 1000 Anders im Kontext des früheren Rechts offenbar Rabel, Warenkauf I S. 125.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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nicht abgewendet zu haben; in Ermangelung entsprechender Kenntnis der Gefahrenlage wird man nur im Einzelfall von Fahrlässigkeit ausgehen dürfen. Zudem kann es auch an der Möglichkeit des Schuldners mangeln, etwa wenn das Hindernis bereits kurz nach Vertragsschluss eintritt. Wenngleich eine (einfach) analoge Anwendung von § 311a Abs. 2 BGB auf Sekundärebene ausscheidet, in solchen Fällen demnach eine alternative Sekundärhaftung für den Fall der Befreiung des Schuldners von seiner Primärpflicht nicht begründet wäre, kann der Umstand, dass der Schuldner bei Vertragsschluss von einer bestehenden Gefahrenlage hätte wissen können, bei der Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden.1001 (d) Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens im Einzelnen Die Prüfung fahrlässiger Unkenntnis1002 hängt von der Reichweite der vorvertraglichen Vergewisserungspflichten ab. Im Grundsatz hat sich der Schuldner vor Vertragsschluss darüber zu vergewissern, ob überwindbare Leistungshindernisse bestehen1003 beziehungsweise später eintreten können oder werden. Die Intensität dieser Vergewisserungspflichten ist abhängig vom Einzelfall. So kann der Schuldner eines besonders diebstahlgefährdeten Leistungsgegenstands (wie etwa eines wertvollen Kunstwerks) gehalten sein, seinen Kenntnisstand unmittelbar vor Vertragsschluss zu erneuern.1004 Für die Reichweite der Vergewisserungspflichten kann es eine Rolle spielen, ob das Hindernis in einer vom Schuldner beherrschbaren Sphäre liegt oder nicht.1005 Die Unkenntnis kann vom Schuldner auch ohne Verschulden zu vertreten sein. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB, der nicht auf ein Kennenmüssen ( fahrlässige Unkenntnis, vergleiche die Legaldefinition in § 122 Abs. 2 BGB), sondern weiter greifend auf die zu vertretende Unkenntnis abstellt, ermöglicht die Anwendung von § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 BGB. Liegt eine Risiko1001 § 275 Abs. 2 S. 1 BGB weist ausdrücklich auf die Gebote von Treu und Glauben hin. 1002 Vgl. zur positiven Kenntnis stellv. MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 47 ff. 1003 Vgl. hierzu Windel, JR 2004, 265, 268 f.; v. Wilmowsky, JuS 2002, Beil. zu Heft 1, S. 3*, 12* jew. m. weit. Nachw., differenzierend – in Hinsicht auf das „allgemeine Leistungsvermögen“ des Schuldners einerseits und die Sachmangelfreiheit der Kaufsache andererseits – Schapp, FS Kollhosser Bd. II S. 619, 621, 623 und 626 ff., insb. 631 ff. (zum anfänglichen unbehebbaren Sachmangel, aaO., S. 619); speziell für den Verkauf von Kunstgegenständen s. Wertenbruch, NJW 2004, 1977, 1978 f. m. weit. Nachw. 1004 Vgl. hierzu Palandt65 /Heinrichs, § 311a Rn. 9. 1005 Vgl. auch Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 5 Rn. 17; v. Wilmowsky, JuS 2002, Beil. zu Heft 1, S. 3*, 12*.

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§ 4 Die neue Rechtslage

oder Garantieübernahme vor, hat der Schuldner seine Unkenntnis auch ohne Verschulden zu vertreten.1006 (e) Annex: Die Sekundärhaftung Für den Fall einer Befreiung des Schuldners von seiner Primärpflicht nach § 275 Abs. 2 BGB haftet dieser im Falle eines vertragsanfänglichen Leistungshindernisses auf Schadensersatz statt der Leistung, wenn er nicht darlegen und gegebenenfalls auch nicht beweisen kann, dass er weder das Hindernis bei Vertragsschluss kannte noch seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, § 311a Abs. 2 BGB; einem bei Vertragsschluss bestehenden Leistungshindernis stehen bei Vertragsschluss vorliegende Umstände gleich, die mit Sicherheit zum Eintritt eines nachträglichen Leistungshindernisses führen werden1007 (§ 311a Abs. 2 BGB analog1008). Ist der spätere Eintritt hingegen nur wahrscheinlich, scheidet eine Analogie zu § 311a Abs. 2 BGB aus. Kennt der Schuldner die Möglichkeit eines späteren Eintritts eines Leistungshindernisses positiv, übernimmt er konkludent das entsprechende Risiko, womit er das später eintretende Leistungshindernis zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 BGB)1009 und damit für den Fall der Befreiung von der Primärpflicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung haften würde; das Gleiche gilt, wenn der Schuldner ein bei Vertragsschluss bestehendes Leistungshindernis kennt, dessen Beseitigung jedoch entgegen seiner Erwartung später doch das Betreiben eigenen (hohen) Aufwands erfordert. Steht demgegenüber bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fest, dass das dem Schuldner bekannte Leistungshindernis nur mit einem Aufwand zu überwinden ist, der ein grobes Missverhältnis nach § 275 Abs. 2 BGB begründet, folgt die Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB i. V. mit § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 BGB1010: Der Schuldner hat (auch) das Risiko eines Irrtums1011 übernommen.1012 1006

Zu deren Bedeutung für die Sekundärhaftung bereits ausf. oben sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 1007 Zur Herleitung bereits oben sub „(b) Bei Vertragsschluss feststehender späterer Eintritt eines Leistungshindernisses“, S. 331 f., ebenso für § 311a Abs. 2 BGB etwa MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 34. 1008 Für eine direkte Anwendung demgegenüber jüngst Canaris, FS Wiegand S. 179, 241. 1009 Es ist dann eine strengere Haftung vereinbart; das Beschaffungsrisiko (wie auch die Garantie) wird dort nur beispielhaft genannt („insbesondere“). 1010 s. die vorige Fn. 1011 Ähnl. (offenbar für den Fall wirklicher Unmöglichkeit) Canaris, FS Heldrich S. 11, 33, dem zufolge es sich jedoch in der Terminologie des § 276 Abs. 1 BGB um die Übernahme eines „Beschaffungsrisikos“ handeln soll (aaO., S. 34; ders., FS Wiegand S. 179, 246 f.).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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c) Das Ausmaß („Wie“) des Vertretenmüssens: Der Verschuldensgrad Nach Klärung der Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens ist nunmehr der Blick auf die Frage zu richten, ob auch das Ausmaß des Vertretenmüssens nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB eine Rolle spielt. Hierbei käme eine Abstufung nach Verschuldensgraden, mithin von der culpa levissima bis zur groben Fahrlässigkeit in Betracht; Kenntnisfälle sind – wie gesehen – gesondert zu behandeln. Der Wortlaut spricht explizit nur das „ob“ schuldnerischen Vertretenmüssens, nicht aber dessen Ausmaß („inwieweit“)1013 an.1014 Regelmäßig erübrigen sich derartige Differenzierungen auch, da das Ausmaß für die im Kontext schuldnerischen Vertretenmüssens zumeist interessierende Haftungsfrage irrelevant ist.1015 Nicht zuletzt deshalb ist es schwierig, eine systematische Argumentationslinie zu finden. Zumindest in § 254 Abs. 1 BGB taucht beim so genannten Verschulden gegen sich selbst1016 der Begriff „inwieweit“ auf. Dieser bezieht sich nach dem Wortlaut des § 254 Abs. 1 BGB zwar auf den Verursachungsanteil.1017 Gleichwohl hält die herrschende Meinung den Verschuldensgrad zumindest sekundär für berücksichtigungsfähig.1018 Ein Indiz für die Beachtlichkeit des Verschuldensgrads kann aus der Entstehungsgeschichte zu § 275 Abs. 2 BGB gewonnen werden, wie die nachfolgend zitierte Textpassage aus der einschlägigen Gesetzesbegründung zeigt: „Hat der Schuldner also z. B. auf Grund eines schuldhaften Irrtums oder gar in Kenntnis der Rechtslage [. . .]“1019 (Hervorhebung nicht im Original). Das wertende „gar“ deutet zumindest an, dass nach Verschuldensgraden abzustufen ist. Entscheidend für die Beachtung des Verschuldensgrads spricht die von den Gesetzesverfassern deutlich hervorgehobene Parallele zwischen § 275 1012 Man kann den Schuldner insoweit im Wege der Wahlfeststellung haften lassen, entweder nach § 311a Abs. 2 BGB oder nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB. 1013 s. zu dieser Lesart von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB bereits oben bei Fn. 971 (S. 330). 1014 So auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 66. 1015 s. vor allem § 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4, 311a Abs. 2 S. 2 BGB. Dies entspringt dem Prinzip der Totalreparation, s. dazu Palandt65 /Heinrichs, Vorb v § 249 Rn. 6 mit Darstellung von Einschränkungsbestrebungen. 1016 Das kein Verschulden im technischen Sinne darstellt, vgl. Palandt65 /Heinrichs, § 254 Rn. 1; MünchKomm/Oetker (2003), § 254 Rn. 3 jew. m. weit. Nachw. 1017 Entscheidend ist dabei die Wahrscheinlichkeit, mit der das jeweilige Verhalten zum Schadenseintritt führt, s. MünchKomm/Oetker (2003), § 254 Rn. 109 m. weit. Nachw. 1018 s. Palandt65 /Heinrichs, § 254 Rn. 61; MünchKomm/Oetker (2003), § 254 Rn. 110 m. weit. Nachw. 1019 In BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Abs. 2 BGB und dem vom BGH unter anderem aus § 251 Abs. 2 BGB und § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. abgeleiteten „allgemeinen Rechtsgedanken“, die zumindest für das vorliegend behandelte Anwendungsfeld von § 275 Abs. 2 BGB (sc. den Fällen einer „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“) mit Recht betont wurde.1020 Denn sowohl bei Anwendung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ als auch der diesem zugrunde liegenden Vorschriften wurde gerade der Verschuldensgrad vom BGH 1021 berücksichtigt.1022 Darüber hinaus erschiene es auch wenig überzeugend, wenn für die nach § 275 Abs. 2 BGB durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der die Interessen von Schuldner und Gläubiger abzuwägen sind, ein bedeutender Umstand, wie ihn der Verschuldensgrad darstellt, ausgeblendet würde. Indem § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich auf die Zumutbarkeit beim Schuldner abstellt, dürfte die Vorschrift den Schutz der Schuldnerinteressen maßgeblich vom jeweiligen Grad des ihm anzulastenden Verschuldens abhängig machen. Das Vorliegen von leichter und grober Fahrlässigkeit gleich zu behandeln, hieße zudem, unterschiedliche Fälle über einen Leisten zu schlagen, da notwendige und überzeugende Differenzierungen unterblieben. Daher ist in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB nach dem „ob“ ein „und inwieweit“ hineinzulesen, das sich auf den Grad des Verschuldens bezieht.1023 Eine Differenzierung zwischen eigenem und zugerechnetem Verschulden (§ 278 S. 1 BGB) kommt aufgrund der unmittelbaren Zurechnung sowie des Normzwecks1024 von § 278 S. 1 BGB nicht in Betracht. Fälle, in denen der Verkäufer ein Beschaffungsrisiko übernommen hat, bedürfen gesonderter Behandlung.1025 1020 Hierzu ausf. oben sub „(2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 222 ff. 1021 s. zum „allgemeinen Rechtsgedanken“ BGHZ 62, 388, 394; BGH, NJW 1988, 699, 700, für § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. z. B. BGH, NJW 1995, 1836, 1837; 1996, 3269, 3270, zuletzt BGH, NJW-RR 2002, 661, 663; 2006, 304, 305 (noch zum alten Recht), für § 251 Abs. 2 BGB BGH, NJW 1970, 1180, jedoch in der Literatur sehr str., s. hierzu Lange/Schiemann, Schadensersatz3 § 5 VII 1 (S. 238 f.); MünchKomm/Oetker (2003), § 251 Rn. 38, 65 jew. m. weit. Nachw. 1022 Darauf verweist auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 111, 114. 1023 I. Erg. ebenso P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 66; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 111, 115, 118, 123 f., 179, ferner für die Beachtlichkeit des Ausmaßes des Verschuldens eintretend Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 3 Rn. 60, 63, jüngst auch Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 79 f., wohl auch Kohler, AcP 205 (2005), 93, 116 mit Fn. 64 und 123 mit Fn. 79 a. E., krit. jedoch Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 26 unter Verweis auf die praktische Handhabung der Norm. 1024 Dazu etwa MünchKomm/Grundmann (2003), § 278 Rn. 1 ff., insb. Rn. 3.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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d) Wirkung (1) Gesetzesmaterialien und Literaturstimmen Die Gesetzesmaterialien zeichnen kein stimmiges Bild von der Wirkungsweise schuldnerischen Vertretenmüssens. Nach Ansicht der Gesetzesverfasser ist bei der Konkretisierung des Missverhältnisses zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.1026 Habe der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten, so habe er erhöhte Anstrengungen zur Überwindung zu unternehmen;1027 § 275 Abs. 2 S. 3 RegE bestimme für den Fall des Vertretenmüssens „eine Verschärfung des Maßstabs“1028. Später wird – durchaus ohne Widerspruch – konstatiert, die vom Schuldner zu erwartenden Bemühungen und Aufwendungen seien in Ermangelung eines Verschuldens „grundsätzlich geringer, als wenn er das Leistungshindernis zu vertreten ha[be]“1029. Dem steht indessen die Äußerung entgegen, der hohe Befreiungsmaßstab („besonders krasses, nach Treu und Glauben untragbares Ausmaß“) legitimiere sich vor allem daraus, dass der Gläubiger in Fällen nicht zu vertretender Leistungshindernisse seinen Anspruch ersatzlos verlöre.1030 Wenngleich anschließend darauf verwiesen wird, dass es paradox wäre, den Schuldner deshalb im Falle zu vertretender Leistungshindernisse, bei denen dem Gläubiger ein sekundärer Schadensersatzanspruch zu Gebote stünde, leichter von seiner Erfüllungspflicht zu befreien,1031 kann angesichts der zuvor zitierten Äußerung jedenfalls keine Absenkung des Befreiungsmaßstabs für nicht zu vertretende Leistungshindernisse angenommen werden. Dies wird nicht hinreichend berücksichtigt, wenn von Stimmen in der Literatur behauptet wird, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers das Konzept einer Wirkung des Vertretenmüssens in beide „Richtungen“ intendiert sei,1032 also eine Anhebung des Befreiungsmaßstabs bei Vertretenmüssen und eine Absenkung bei mangelndem Vertretenmüssen. Die zitierte Äußerung, der zufolge der hohe Befreiungsmaßstab von § 275 Abs. 2 BGB vor allem durch die Rechtlosstellung des Gläubigers bei 1025 Hierzu oben sub „d) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 252 f. sowie unten sub „(5) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 408 ff. und „(d) Übernahme eines Beschaffungsrisikos“, S. 420 f. 1026 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 1027 Wie vorherige Fn. 1028 So explizit BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. (in Bezug auf § 275 Abs. 2 S. 3 RegE = § 275 Abs. 2 S. 2 BGB). 1029 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 1030 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 1031 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 1032 So die Einschätzung von Ernst, in: MünchKomm (2003) § 275 Rn. 72.

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§ 4 Die neue Rechtslage

einer Befreiung von der Erfüllungspflicht wegen nicht zu vertretender Leistungshindernisse zu legitimieren sei,1033 scheint darüber hinaus schwerlich in Einklang zu bringen zu sein mit den exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen, wie sie sich in den Gesetzesmaterialien finden. Anhand des Beispiels der schuldnerischen Übereignung des geschuldeten Leistungsgegenstands an einen Dritten wurden ungefähre Befreiungsschwellen angegeben, die sich sehr niedrig ausnehmen: Man könne aus § 275 Abs. 2 S. 3 RegE nicht schließen, der Schuldner bräuchte bei mangelndem Verschulden überhaupt keine Anstrengungen zu unternehmen;1034 er solle dem Dritten im Drittveräußerungsfall zum Rückerwerb „zumindest den Marktpreis, u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis“ bieten müssen.1035 Insoweit dürfte nicht im Ansatz ein „besonders krasses, nach Treu und Glauben untragbares Ausmaß“1036 erreicht sein, wie es nur eine Seite zuvor in der Gesetzesbegründung gefordert wird. Eine eindeutige Interpretation der teils in sich unstimmigen Hinweise in den Gesetzesmaterialien erscheint kaum möglich. Die aufgezeigten Unsicherheiten in den Gesetzesmaterialien dürften daraus resultieren, dass dort nicht wie in der vorliegenden Untersuchung scharf zwischen den beiden Regelungsproblemen mit seinen jeweils sehr unterschiedlichen Interessenlagen getrennt wird.1037 In der Literatur wird die Wirkung des Vertretenmüssens nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB zumeist dahingehend gedeutet, dass bei dessen Vorliegen eine Verschärfung des Maßstabs eintrete.1038 Ernst demgegenüber hält die Anhebung des Befreiungsmaßstabs in diesen Fällen für kaum denkbar und plädiert daher dafür, die Wirkung des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB entgegen des (vermeintlichen) Konzepts des Gesetzgebers einer Wirkung des Vertretenmüssens in beide „Richtungen“ so zu verstehen, dass damit nur eine Absenkung der Befreiungsschwelle des „schuldlosen“ Schuldners einträte.1039 1033

Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 1035 Wie vorherige Fn. 1036 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 1037 Dazu ausf. oben sub „(5) Unterschiedliche Interessenlagen in den beiden Grundkonstellationen“, S. 229 ff. 1038 s. z. B. Looschelders, SAT Rn. 476; v. Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, S. 3*, 8* („das Missverhältnis noch gröber ausfallen muss.“), differenzierend Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 83 bei und mit Fn. 237 und passim: schuldnerisches Vertretenmüssen führe einerseits zu höheren Anforderungen an eine Schuldnerbefreiung nach § 275 Abs. 2 BGB (aaO., S. 83 mit Fn. 237, 95 unter Verweis auf § 275 Abs. 2 S. 2 BGB), andererseits liege das Leistungsinteresse regelmäßig höher, wenn der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten habe und der Gläubiger dann in Ermangelung eines Schadensersatzanspruchs leer ausginge (aaO., S. 83 bei und mit Fn. 237, 95 mit Fn. 263, 121, 177). 1034

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Dementsprechend soll derjenige Schuldner, der das Leistungshindernis nicht zu vertreten habe, bereits bei einem geringeren Missverhältnis befreit werden.1040 Hierfür wird ins Feld geführt, eine Anhebung der Befreiungsschwelle für zu vertretende Leistungshindernisse sei kaum denkbar, da eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB (also unter Außerbetrachtlassung eines Vertretenmüssens) bereits einen Aufwand erfordere, „den kein vernünftiger Mensch betreiben würde“.1041 Um zu einer Steigerung zu gelangen, müsse man schon (entgegen dem Konzept des Gesetzgebers) zu der Vorstellung übergehen, den Schuldner bei zu vertretenden Hindernissen überhaupt nicht in den Genuss einer Befreiung kommen zu lassen.1042 Diese Argumentation steht und fällt mit ihrer Prämisse, eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB fordere einen Aufwand des Schuldners, „den kein vernünftiger Mensch betreiben würde“. Diese Formulierung scheint auf die für den Fall der „faktischen oder praktischen Unmöglichkeit“ allenthalben verwendete Formel zurückzugehen.1043 Dass der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB auf diese Fälle beschränkt sein soll, wird zwar nicht selten behauptet (meist auch unter unzutreffender Berufung auf die Entwurfsbegründung)1044, entspricht aber gerade nicht den Vorstellungen der Gesetzesverfasser, die die „faktische Unmöglichkeit“ expressis verbis als eine von „zwei unterschiedliche[n] Fallgruppen“ des § 275 Abs. 2 BGB erfasst wissen wollten.1045 Darüber hinaus zeigen die aus der Gesetzesbegründung zitierten Passagen exemplarisch genannter Befreiungsschwellen,1046 dass ein grobes Missverhältnis bereits bei weitaus niedrigeren Anforderungen Platz greifen kann, als dies für die frühere „faktische Unmöglichkeit“ und der für diese berühmt gewordenen Beispielsfälle1047 erforderlich wäre.1048 1039 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72 f., 102 (und 30 a. E.), zust. jüngst Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 76. 1040 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72, 102. 1041 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72, s. auch Rn. 102: „den Grad der Sinnlosigkeit erreicht“. 1042 So MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72 a. E. 1043 Vgl. dazu statt aller Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § 2 III 5 (S. 24). 1044 So z. B. Staudinger/Emmerich (2003), Vorbem zu § 536 Rn. 7; ders., NZM 2002, 362, 365; Looschelders, SAT Rn. 474; S. Lorenz/Riehm, Rn. 304; Rösler, JuS 2004, 1058, 1060; Schimmel/Buhlmann/Schimmel/Buhlmann, Kap. D III Rn. 66, ähnl. Kindl, WM 2002, 1313, 1315, missverständlich MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 37 a. E. Hiergegen treffend U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 558 mit Fn. 97 a. E. 1045 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp. 1046 Vgl. vorstehend bei Fn. 1034 f. (S. 342). 1047 Zumeist wurden genannt: der Ring auf dem Seegrund bzw. Meeresboden und der Münzschatz unter dem Fundament eines Hochhauses. 1048 Eingehend bereits sub „(4) Die unterschiedlichen Hinweise zum relevanten Maßstab“, S. 186 f.

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§ 4 Die neue Rechtslage

(2) Eigene Ansicht (a) Zweiteilung des Anwendungsfelds von § 275 Abs. 2 BGB als mittelbare Primärwirkung schuldnerischen Vertretenmüssens Nach dem vorliegend verfochtenen Konzept gewinnt das schuldnerische Vertretenmüssen mittelbar eine fundamentale Bedeutung, da es (regelmäßig) darüber entscheidet, ob eine sekundäre Schadensersatzhaftung für den Fall der Befreiung des Schuldners von seiner Primärpflicht begründet wäre oder nicht, mithin über die Frage, welches der beiden von § 275 Abs. 2 BGB erfassten Regelungsprobleme betroffen ist.1049 Dabei kann sich das Vertretenmüssen sowohl auf das Leistungshindernis selbst, so in aller Regel bei nachträglichen Hindernissen, als auch auf die Unkenntnis eines vertragsanfänglichen Hindernisses beziehen, wenn dem Schuldner insoweit nicht sogar Kenntnis vorzuwerfen ist. (b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung Über diese zentrale Funktion der Weichenstellung hinaus besitzt das schuldnerische Vertretenmüssen innerhalb des Anwendungsfelds des Rechtsmissbrauchsverbots (Stichwort: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“) zusätzliche Bedeutung. Insoweit kommt der Grad des Verschuldens bei der Gewichtung des Mehraufwands, der durch ein Leistungshindernis bedingt ist, zum Tragen. Sachlich wenig überzeugend und zu pauschal erschiene es, das Verschulden nur im Hinblick auf das grobe Missverhältnis und damit mittelbar auf den Gesamtaufwand ins Gewicht fallen zu lassen.1050 Vielmehr ist ein differenzierendes Lösungsmodell vorzuziehen. Der für § 275 Abs. 2 BGB relevante Gesamtaufwand1051 lässt sich aufspalten in den Normalaufwand, das ist derjenige Aufwand, der ohne Eintritt eines Leistungshindernisses zur Erbringung der Vertragsleistung durch den Schuldner erforderlich ist beziehungsweise wäre, und den durch ein Leistungshindernis bedingten zusätzlichen Aufwand (kurz: Mehraufwand).1052 1049 Hierzu bereits eingangs sub „a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens“, S. 308 ff. 1050 In diese Richtung geht etwa der Vorschlag von P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 67 f., der auch bewusst nicht zwischen Normalaufwand und Mehraufwand differenziert, aaO., Kap. 2 Rn. 44. 1051 Sub „(2) Gesamtaufwand“, S. 257 ff. 1052 Hierzu bereits oben sub „(2) Distinktion ‚Normalaufwand‘ und ‚Mehraufwand‘“, S. 256.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Auf die Schwierigkeiten, die bei der Zuordnung zu diesen beiden Aufwandsarten auftreten können, wurde bereits hingewiesen;1053 soweit sich die Zuordnung für die Fallentscheidung im Einzelfall als streitentscheidend darstellt, ist sie trotz möglicher Schwierigkeiten jedenfalls durchführbar. Im Hinblick auf den Normalaufwand ist ein schuldnerisches Vertretenmüssen nicht berücksichtigungsfähig. Der Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens kommt nämlich in Bezug auf den vom Schuldner ohnehin aufzubringenden Normalaufwand a priori nicht in Betracht. Ein Vorwurf kann dem Schuldner nur hinsichtlich des Eintritts von Leistungshindernissen oder seiner unzureichenden Vergewisserung über das Bestehen vertragsanfänglicher Leistungshindernisse gemacht werden. Der Normalaufwand wird indes nicht durch ein Leistungshindernis, wie es in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB genannt wird, verursacht. Vielmehr zeichnet sich der Normalaufwand gerade dadurch aus, dass er ohne ein Leistungshindernis zur Leistungserbringung notwendig ist. Auf die vorstehende Überlegung kann es im Einzelfall entscheidend ankommen. Bezöge man das schuldnerische Vertretenmüssen nämlich pauschal auf den Gesamtaufwand, so bliebe dessen verhältnismäßige Zusammensetzung aus Normalaufwand und Mehraufwand unbeachtet. Wie sogleich noch zu zeigen sein wird, bewirkt ein Verschulden in Abhängigkeit von seinem jeweiligen Grad, dass der Mehraufwand, der durch das verschuldete Hindernis bedingt ist, zu Ungunsten des Schuldners weniger stark ins Gewicht fällt. Eine solche Abwertung findet nur für Mehraufwand, nicht für den Normalaufwand statt. Trotz zahlenmäßig identischen Gesamtaufwands können daher die Voraussetzungen der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB in einem Fall vorliegen, in einem anderen hingegen nicht. Macht der Normalaufwand etwa nur einen kleinen Teil des Gesamtaufwands aus,1054 während dessen Löwenanteil in vom Schuldner vorsätzlich verursachtem Mehraufwand besteht, vermag ein Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB trotz eines sehr hohen Gesamtaufwands durchaus abgelehnt zu werden. Die Einrede könnte demgegenüber bei gleichem Gesamtaufwand zu bejahen sein, wenn der hohe Gesamtaufwand anteilsmäßig mehr Normalaufwand enthält, der anders als der vorsätzlich verursachte Mehraufwand nicht einer ganz erheblichen – für den Schuldner ungünstigen – Abwertung unterliegt. 1053 s. den Verweis in der vorigen Fn.; die Abgrenzung erfolgt anhand der bei Vertragsschluss vorliegenden Parteivorstellungen, die im Wege der Auslegung zu ermitteln sind. 1054 Dies werden meist Fälle sein, in denen der Schuldner ein „gutes Geschäft“ gemacht hat, was vorliegend bedeutet, dass sein Normalaufwand deutlich geringer ist als der objektive Wert des Leistungsgegenstands (Leistungsinteresse des Gläubigers) bzw. der vereinbarte Kaufpreis.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Der Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens ist nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB das Leistungshindernis, was – wie gesehen – für vertragsanfängliche Leistungshindernisse analog § 311a Abs. 2 S. 2 BGB auszudehnen ist auf die Unkenntnis des Schuldners von einem vertragsanfänglichen Leistungshindernis. Diese auf Tatbestandsebene bestehende Beziehung zwischen Vertretenmüssen und Leistungshindernis (beziehungsweise die diesbezügliche Unkenntnis) setzt sich auch in der Wirkung des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB, der Abwertung des Mehraufwands, fort. Das Vertretenmüssen bezieht sich stets nur auf den durch ein bestimmtes Leistungshindernis verursachten Mehraufwand. Treten bei der Leistungserbringung also mehrere Leistungshindernisse auf, ist das Vertretenmüssen für jedes Leistungshindernis getrennt zu beurteilen. Der durch das jeweilige Hindernis verursachte Mehraufwand ist für sämtliche Hindernisse in Abhängigkeit vom Verschuldensgrad, der dem Schuldner in Bezug auf das jeweilige Hindernis zur Last fällt, abzugewichten. Sobald mehrere Leistungshindernisse bestehen, hinsichtlich derer unterschiedliche Verschuldensgrade vorliegen, versagt die Lösung einer pauschalen Bestimmung des Befreiungsmaßstabs, wie es von Stimmen der Literatur befürwortet wird.1055 Beispiel: Verkauft jemand einen Pkw, den er für 10.000 e beschafft hat und der ihm vor Vertragsschluss gestohlen wurde, sind die entstehenden Kosten einer Rückholung des Pkws abhängig vom Verschuldensgrad, der dem Verkäufer in Bezug auf seine bei Vertragsschluss bestehende Unkenntnis vom Diebstahl vorzuwerfen ist (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB i. V. mit § 311a Abs. 2 S. 2 BGB analog), abzugewichten.1056 Darüber hinaus kann die geschuldete Überführung des Pkw in ein fremdes Land wesentlich erschwert sein, sollte es der Verkäufer grob fahrlässig versäumt haben, eine entsprechende Ausfuhrgenehmigung einzuholen. Der daraus resultierende Mehraufwand ist entsprechend dem genannten Verschuldensgrad (sc. grobe Fahrlässigkeit) abzugewichten. Für den Normalaufwand von 10.000 e kommt ein schuldnerisches Vertretenmüssen i. S. von § 275 Abs. 2 S. 2 und damit eine Abwertung von vornherein nicht in Betracht.

§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB bewirkt, wie bereits angedeutet, eine Abwertung verschuldeten Mehraufwands: Der Schuldner kann sich auf einen zur Überwindung eines Leistungshindernisses erforderlichen Mehraufwand weniger erfolgreich berufen, wenn er das kausale Leistungshindernis beziehungsweise seine diesbezügliche Unkenntnis verschuldet hat, als wenn ihm ein entsprechender Vorwurf nicht anzulasten ist. Je höher dabei der Verschuldensgrad ist, desto stärker erfolgt die Abwertung des Mehraufwands. Dieser Überlegung liegt die überzeugende Wertung zugrunde, dass die Interessen 1055 Dies gilt etwa für das von Faust (s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 68) vorgeschlagene Lösungsmodell; dieser selbst problematisiert indes an anderer Stelle die Fallkonstellation mehrerer Leistungshindernisse, s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 36. 1056 Vorausgesetzt sie übersteigen den Normalaufwand, ausf. hierzu oben sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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des Schuldners umso weniger schützwürdig sind, je höher der ihm vorzuwerfende Verschuldensgrad einzustufen ist. Treten mehrere Leistungshindernisse auf, von denen eines nicht im Zusammenhang mit einem schuldnerischen Vertretenmüssen steht, ist der durch dieses Hindernis verursachte Mehraufwand – wie der Normalaufwand – mit vollem Gewicht zu berücksichtigen. Das geringste Gewicht hat demgegenüber derjenige Mehraufwand, der auf ein vom Schuldner vorsätzlich verursachtes Hindernis1057 zurückzuführen ist. Insoweit kann dem Schuldner an sich der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) gemacht werden, da er zunächst vorsätzlich ein Hindernis herbeiführt und den dadurch verursachten Beseitigungsaufwand dann zur Begründung eines Leistungsverweigerungsrechts anführt. Daher muss die Möglichkeit des Schuldners, sich auf solcherart entstandenen Aufwand zu berufen, in ganz erheblichem Maße eingeschränkt werden. Derartiger Mehraufwand fließt daher nur zu einem kleinen Bruchteil in die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 275 Abs. 2 BGB ein. Dies entspricht im Ergebnis auch der wichtigen Entscheidung BGH, NJW 1988, 6991058, in der bei einem vom Schuldner vorsätzlich herbeigeführten Leistungshindernis ein rechtsmissbräuchliches Erfüllungsverlangen auf Seiten des Gläubigers nur angesichts extremer Gegebenheiten bejaht wurde: Der leistungsfähige Dritte verlangte vom Schuldner für seine Kooperationsbereitschaft mehr als das 33fache des Sachwerts. Als Konsequenz der hier vorgeschlagenen Abwertung leistungshindernisbedingten Mehraufwands könnte man vermuten, es werde mittelbar die Befreiungsschwelle des groben Missverhältnisses in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB angehoben. Jedoch findet die Abwertung zum einen nur hinsichtlich des vom Schuldner verschuldeten Mehraufwands, nicht aber in Bezug auf den Normalaufwand statt.1059 Zum anderen wird die Abgewichtung erst dann erheblich ausfallen, wenn ein über der einfachen Fahrlässigkeit liegender Verschuldensgrad gegeben ist. Für diejenigen Leistungshindernisse, die in den Bereich eines vom Schuldner übernommenen Beschaffungsrisikos fallen, gilt Abweichendes.1060 1057

Fälle der Kenntnis eines vertragsanfänglichen Leistungshindernisses unterliegen einer gesonderten Behandlung, s. oben sub „a) Kenntnis“, S. 325 ff. (und S. 331). 1058 Ausf. hierzu oben sub „(c) BGH-Urteil vom 2. 10. 1987 (= BGH, NJW 1988, 699) – ‚33fach‘“, S. 198 ff. 1059 Ebenso wenig bei unverschuldetem Mehraufwand, wenn ein weiteres Leistungshindernis vom Schuldner zu vertreten ist. 1060 Hierzu oben sub „d) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 252 f. sowie unten sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Hat der Schuldner ausnahmsweise seine Leistungsfähigkeit oder die Richtigkeit seines Kenntnisstands garantiert,1061 unterläge er für den Fall der Befreiung von seiner Primärpflicht einer Schadensersatzhaftung, womit das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ betroffen ist. Es wird im Einzelfall von der Auslegung der Garantie abhängen, ob diese etwa vornehmlich auf die Zahlung von Schadensersatz im Nichtleistungsfalle abzielte. Gleichwohl wird man sie auf Erfüllungsebene – bei der Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB – regelmäßig nicht ausblenden dürfen, ihr vielmehr auch insoweit nicht unerhebliche Bedeutung beimessen müssen. 7. Grobes Missverhältnis Nunmehr ist der Blick auf den maßgeblichen Befreiungsmaßstab, das „grobe Missverhältnis“, gewissermaßen die Crux1062 des § 275 Abs. 2 BGB, zu richten. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff birgt freilich große (Rechts-)Unsicherheiten in sich, eröffnet dem Rechtsanwender zugleich aber auch erhebliche Entscheidungsspielräume. Während sich die zuvor untersuchten Merkmale des § 275 Abs. 2 BGB weitgehend präzise erfassen lassen, kann die vorliegende Untersuchung für den relevanten Befreiungsmaßstab in Gestalt des „groben Missverhältnisses“ nur Leitlinien aufzeigen. Eine nähere Konkretisierung wird die Vorschrift möglicherweise im Laufe der Zeit durch die Gerichtspraxis erfahren, sofern die (Ober-)Gerichte – freilich beschränkt auf bestimmte Fallgruppen – konkrete Prozentangaben entwickeln sollten. a) Streitstand im Schrifttum: Darstellung und Kritik Im Schrifttum existiert eine Legion von Vorschlägen zur Deutung des „groben Missverhältnisses“.1063 Sie weisen zum Teil ganz erhebliche Abweichungen auf. Die nachfolgende Darstellung des Streitstands wendet sich 1061 Für die Sekundärebene oben sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff., dort auch zum Beschaffungsrisiko hinsichtlich einer die Leistungsmöglichkeit betreffenden Information. 1062 So die Formulierung von Ernst (in: JZ 1994, 801, 804) im Kontext des KommE. 1063 Krit. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1037 f., der etwa von einem „Tummelplatz schöpferischer Literaten“, einer „ungewöhnliche[n] Buntheit von Rechtskreationen“, einer „gegen ‚unendlich‘ tendierende[n] Zahl denkbarer Quantifizierungsvorschläge“ und einem „Jahrmarkt an dezisionistischen Quantifizierungsprogrammen“, der „rechtsdogmatisch das Komische streif[e]“ spricht (Hervorheb. im Original), zuletzt wieder ders., FS Konzen S. 687, 690 („geschichtlich vorbildlosen Quantifizierungsdezionismus“, „Komik einer leistungsstörungsrechtlichen Zahlenmystik“), 695 („geradezu desperate Flucht in eine vage ‚Missverhältnis‘-Berechnung“).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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zunächst den Konzeptionen zu, die – ähnlich wie die vorliegende Untersuchung – in § 275 Abs. 2 BGB zwei unterschiedliche Probleme geregelt sehen („Dichotome Konzeptionen“)1064. Hernach werden Auffassungen behandelt, die keine strikte Trennung zweier Regelungsgegenstände vornehmen („Einheitskonzeptionen“)1065. (1) Dichotome Konzeptionen Die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB regelt vom Boden der hier verfochtenen dichotomen Konzeption1066 einerseits Fälle des Rechtsmissbrauchs, die der BGH vor der Schuldrechtsreform unter Rekurs auf den „allgemeinen Rechtsgedanken“ einer Lösung zuführte und die vorliegend unter dem Stichwort der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“1067 diskutiert werden. Andererseits, in den Fällen der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“1068, betrifft § 275 Abs. 2 BGB demgegenüber nicht den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, sondern dient vielmehr der Bestimmung einer angemessenen Grenze vertraglicher Primärpflichten. (a) „Zufallshindernisse“ Die in der Literatur vorzufindenden Konzeptionen, die eine Trennung zweier Regelungsprobleme zugrunde legen, differenzieren zumeist danach, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat beziehungsweise verschuldet hat oder nicht;1069 Fälle zu vertretender Unkenntnis eines vertragsanfänglichen Leistungshindernisses werden nur selten1070 angespro1064

Sub (1), S. 349 ff. Sub (2), S. 363 ff. 1066 Zur Herleitung eingehend oben sub „b) Eignung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB?“, S. 220 ff. 1067 Dazu „(a) Fälle vorliegenden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch‘)“, S. 229. 1068 Zu ihnen „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230 ff. 1069 s. z. B. Ackermann, JZ 2002, 378, 383 f.; MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 101 (und 103 a. E.), jüngst auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 46 f. Vgl. auch bereits Wiedemann, FS Universität Köln 600 Jahre S. 376, 372 („das Vertretenmüssen oder – etwas breiter formuliert – die Zurechenbarkeit der Vertragsstörung markiert eine Wasserscheide zwischen zwei völlig verschiedenen Lebensbereichen“). 1070 Zutreffend hingegen U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 566 f. (und 549 f.), andeutungsweise auch Ackermann, JZ 2002, 378, 385. Anders – soviel ersichtlich – E. Picker und J. Wilhelm; die Nichterwähnung bei Lobinger (s. etwa dens., Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 259) rührt möglicherweise von der von ihm praktizierten „teleologischen Reduktion“ des § 311a Abs. 2 BGB her (dazu 1065

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chen. Das entscheidende Differenzierungskriterium, so haben die vorliegenden Untersuchungen zu Tage gefördert,1071 liegt jedoch darin, ob für den Fall einer Befreiung von der Erfüllungspflicht eine alternative Schadensersatzhaftung bestünde oder nicht. Deren hypothetischer Bestand hängt davon ab, ob der Schuldner das (nachträgliche) Leistungshindernis (§§ 280 Abs. 1 S. 2, 283 S. 1 BGB) oder bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen seine Unkenntnis1072 (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB) zu vertreten hat. Unterschiede man allein danach, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat, griffe dies zu kurz. Diese Ungenauigkeit rührt möglicherweise noch von den Vorstellungen des alten Rechts her. Die Vorgängernorm zu § 275 BGB regelte nämlich ausschließlich nachträgliche Unmöglichkeit beziehungsweise nachträgliches Unvermögen und differenzierte dementsprechend nur zwischen zu vertretender und nicht zu vertretender Unmöglichkeit beziehungsweise zu vertretendem und nicht zu vertretendem Unvermögen. Demgegenüber musste bei anfänglichen Leistungshindernissen auf Erfüllungsebene nicht unterschieden werden, da bei (faktischer) anfänglicher Unmöglichkeit in § 306 BGB a. F. die Nichtigkeit des Vertrags1073 angeordnet war und für anfängliches Unvermögen insbesondere infolge der überwiegend angenommenen Garantiehaftung von einem generellen Fortbestand des Erfüllungsanspruchs1074 ausgegangen wurde. a) Ablehnung einer „Mehraufwandspflicht“ (Lobinger, E. Picker, J. Wilhelm) Eine in der Literatur vertretene Ansicht1075 lehnt eine jenseits privatautonomer und der durch sie gedeckten gesetzlichen Gefahrenverteilung bestehende „Mehraufwandspflicht“ des Schuldners für leistungserschwerende Zufallshindernisse ab.1076 Vom Schuldner zu vertretende Hindernisse werden aaO., S. 295 ff. und 363 f.), abl. insoweit Canaris, FS Heldrich S. 11, 36 ff.; Staudinger/Löwisch (2005), § 311a Rn. 34, krit. auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 311a Rn. 6. 1071 Ausf. oben sub „b) Eignung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB?“, S. 220 ff. 1072 s. zur Sonderbehandlung von Fällen schuldnerischer Kenntnis oben sub „a) Kenntnis“, S. 325 ff., 331, 333 f. 1073 s. oben sub „1. Anfängliche Unmöglichkeit, § 306 BGB a. F.“, S. 38 ff. 1074 Hierzu ausf. sub „a) Ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre“, S. 82 ff. mit reichhaltigen Nachw. 1075 Zu ihr bereits sub „a) Die geschuldete Leistung“, S. 246 f. sowie „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff. 1076 Stellv. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1044, 1048 (zust. J. Wilhelm, DB 2004, 1599 ff.), zuletzt wieder E. Picker, FS Konzen S. 687 ff., insb. 694 ff., ganz ähnl.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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jedenfalls von Picker 1077 und J. Wilhelm1078 nicht behandelt.1079 Die Meinung wählt einen rechtsgeschäftsbezogenen, privatautonomen Ansatz:1080 Grund und Grenze vertraglicher Erfüllungspflichten ergeben sich aus der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung.1081 Der für die Grenzbestimmung maßgebliche Inhalt des Schuldverhältnisses soll nach Ansicht von Lobinger im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Umstände und Verständnismöglichkeiten des Einzelfalls ermittelt werden und sich darüber hinaus gegebenenfalls aus den für einen bestimmten Geschäftstypus vom Gesetz als prägend angesehenen Regelungen ergeben.1082 Auf dieser Grundlage sei zu erfahren, ob der zur Überwindung eines Leistungshindernisses erforderliche Aufwand „mit dem Vertragsschluss versprochen wurde beziehungsweise typischerweise mit der zugesagten Leistung verbunden“1083 und damit obligationsmäßig sei oder sich demgegenüber als überobligationsmäßig darstelle.1084 Selbst bei „dürrsten Vertragstexten“1085 stehe man keineswegs „nackt“ da, wenn man die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten in erster Linie am Willen der Parteien orientieren wolle.1086 Dabei wendet sich Lobinger gegen die Vorstellung einer strikten Erfolgsbezogenheit1087 rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten;1088 Gegenstand der Willenseinigung sei „niemals nur der sog. Leistungserfolg, sondern auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 258 f., 261, 362 und passim, sympathisierend jüngst AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 18 ff., insb. 23, 25, 51 (s. jedoch auch aaO., Rn. 27, 50). 1077 s. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036, jüngst ders., FS Konzen S. 687. 1078 J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1600 (sub III.). 1079 Anders indes Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 259 ff. und passim. 1080 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 139 ff., 258, 261 und passim m. weit. Nachw., ebenso E. Picker, JZ 2003, 1035 ff., insb. 1036, 1042 ff.; J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1604. 1081 So Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 139 ff., 258 und passim m. weit. Nachw. 1082 s. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 140 (und auch 258). 1083 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 258. 1084 Zust. Katzenstein, JURA 2004, 584, 587 mit Fn. 36; ders., JURA 2005, 73 mit Fn. 3; ders., JURA 2005, 217, 218, s. auch dens., ZZP 116 (2003), 459, 463 und 464 mit Fn. 24; ähnl. wie Lobinger bereits P. Gebauer, Naturalrestitution S. 59 ff., 122 und passim (noch zum alten Recht). 1085 s. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 179 und 196, 204, 362 mit Fn. 7. 1086 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 179 f. 1087 I. d. S. etwa Canaris in der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2005 (s. Karlsruher Forum 2005, S. 210): „der Primäranspruch [ist] in außerordentlich hohem Maße erfolgsbezogen“, „diese Erfolgsbezogenheit [wurde] durch den neuen § 275 Abs. 2 verstärkt“.

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§ 4 Die neue Rechtslage

immer auch der hierzu erforderliche Aufwand“1089. Für die Bestimmung der Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten stellt er sodann den Grundsatz „Auslegung vor Abwägung“ auf, dem zufolge eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nur bei vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen durchzuführen sei.1090 Für ein solches „Textverständnis“ konzediert Lobinger einen Widerspruch zu den Absichten der Gesetzesverfasser und befindet die Grenzen objektiver Wortlautinterpretation „wenn nicht bereits [für] überschr[itten], so doch jedenfalls aufs äußerste aus[ge]reizt“1091. So zutreffend es ist, für die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten das Schuldverhältnis als Ausgangspunkt zu wählen, so unergiebig stellt sich dieses in der Vielzahl der streitigen Fälle dar. Meist lässt sich nämlich aus dem Vertrag – der im Übrigen nicht stets in einem Text fixiert sein muss, sondern oftmals nur mündlich vereinbart wird – keine Klarheit gewinnen, ob der Schuldner beim Bestehen beziehungsweise Eintritt von überwindbaren Leistungshindernissen weiterhin zur Naturalleistung verpflichtet sein soll, etwa der Stückverkäufer die Kaufsache angesichts bestehender Hindernisse (wieder-)beschaffen muss.1092 Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Schuldner das Leistungshindernis beziehungsweise seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat oder nicht. Grund hierfür ist, dass sich die Vertragsparteien im Regelfall bei Vertragsschluss über derartige Situationen keine Gedanken machen.1093 Wie bereits dargelegt, ziehen die Vertragsparteien „pathologische Fälle“ grundsätzlich nicht in Betracht und treffen daher für solche Fälle auch keine Regelungen. Eine erläuternde Vertragsauslegung erscheint vor diesem Hintergrund regelmäßig nicht durchführbar.1094 Daher bliebe in der Regel nur der Rückgriff auf die ergänzende Vertragsauslegung.1095 1088 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 194 ff., 362 mit Fn. 7 unter Berufung auf „Realität, Gesetz, Geschichte und Rechtsvergleichung“, aaO., S. 195. 1089 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 212. 1090 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 261, sympathisierend jetzt AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 44. 1091 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 261, s. aber demgegenüber aaO., S. 258 („durchaus dicht am Wortlaut“). 1092 Ähnl. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 20 f. („keine hinreichende Klarheit“). 1093 Zutreffend Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 76 f. 1094 Anders wohl J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1600, der aus der „privatautonomen Interessenregelung“ (woraus diese genau hergeleitet werden und worin diese konkret bestehen soll, wird nicht ganz klar) auch Konsequenzen etwa für die Verteilung von Risiken, die die Parteien nicht konkret vorhergesehen und geregelt haben, abzuleiten sucht; auch diese Konsequenzen, so J. Wilhelm weiter, haben Vorrang vor einer nicht zwingenden gesetzlichen Regelung. 1095 So offenbar auch Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 72.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Auf eben dieses Instrument scheint auch Picker in der Sache zurückzugreifen. Im Kontext des von ihm angeführten Fallbeispiels („Cabrio in Murmansk“)1096 meint er nämlich, dem „Willen, den sie [sc. die beiden Vertragsparteien] im Zweifel gebildet und erklärt haben würden, hätten sie eine solche Entwicklung vorher bedacht“1097 entnehmen zu können, dass keine Beschaffungspflicht bestehe, der Verkäufer vielmehr von seiner Verpflichtung zur Leistung des verkauften Pkws frei werde.1098 Picker stellt damit offenbar auf den insoweit allein in Betracht kommenden hypothetischen Willen der Vertragsparteien ab, legt aber gleichwohl die damit tatsächlich vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung nicht offen.1099 Auch Lobinger räumt – wenngleich nicht gerade an exponierter Stelle –1100 die „Begrenztheit des hermeneutischen Instrumentariums im Hinblick auf die betroffene Fragestellung“1101 ein; ferner stellt er in Rechnung, dass mit dem rechtsgeschäftlichen Ansatz „sicherlich keine ‚Weltformel‘ gefunden“ sei, wodurch dieser Ansatz jedoch nicht etwa schon als solcher diskreditiert sei1102. Es ist indessen ganz erheblichen Zweifeln unterworfen, ob die Grenzbestimmung unter Zuhilfenahme der ergänzenden Vertragsauslegung – und auf diese wird in den streitigen Fällen rekurriert werden müssen – letztlich das geeignetere Instrument darstellt als der Rückgriff auf eine dispositive1103 Gesetzesnorm (sc. § 275 Abs. 2 BGB). Tatsächlich wäre die Rechtsunsicherheit für den Rechtsanwender ungleich größer.1104 Denn eine Problemlösung anhand des hypothetischen Parteiwillens sowie der Gebote von Treu und Glauben und der Verkehrssitte (§ 157 BGB) hinge im praktischen Ergebnis von einer Entscheidung ab, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hätte, keinen strukturellen Vorgaben 1096 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036, zu diesem Beispiel bereits ausf. oben sub „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff. 1097 Hervorheb. nicht im Original. 1098 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036. 1099 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036 spricht schlicht von „Auslegung“, unklar jüngst ders., FS Konzen S. 687, 697 mit Fn. 23: Löwisch stelle „dann“ zu Recht auf eine ergänzende Vertragsauslegung ab. 1100 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 169 mit Fn. 348 a. E. 1101 Wie vorherige Fn. 1102 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 208. 1103 Halbzwingende Wirkung besitzt § 275 Abs. 2 BGB lediglich im unmittelbaren Anwendungsbereich der VerbrGüterkauf-RL, zu diesem noch näher sub „a) Geltungsbereich der Richtlinie“, S. 383 ff. 1104 Zu Recht weist Canaris, JZ 2004, 214, 220 (re. Sp., sub III. 1.) darauf hin, es wäre „eine Flucht des Gesetzgebers aus der Verantwortung, wenn er den Rechtsanwender allein hierauf [sc. auf den mutmaßlichen Parteiwillen als höchst unsicheres Kriterium] verwiese“.

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§ 4 Die neue Rechtslage

unterläge sowie einer Überprüfbarkeit weitgehend1105 entzogen wäre. Es stellte dabei ein äußerst schwieriges Unterfangen dar, allein anhand des hypothetischen Parteiwillens sowie einer vermeintlich parteiautonomen Gefahrenverteilung1106 zu entscheiden, ob ein konkreter Aufwand noch in obligatione oder bereits ex obligatione ist.1107 Die von Picker formulierten Vorwürfe, gestörte Verträge seien bei Geltung von § 275 Abs. 2 BGB nicht mehr der Parteiherrschaft, sondern der Richtermacht unterstellt,1108 die Neuregelung zeitige willkürliche Folgen1109 und führe zu Rechtsunsicherheit1110, trifft viel eher auf eine Problemlösung ohne die Existenz einer dispositiven Norm zu, deren Ergebnisse letztlich entscheidend von einem hypothetischen Parteiwillen abhingen. Weiterhin trifft die These, jede Mehraufwandspflicht sei von den Parteien nicht gewollt, nicht zu. Dies macht die oben1111 aufgezeigte Variation des 1105 Vgl. zur eingeschränkten Revisibilität bei ergänzender Vertragsauslegung Palandt65 /Heinrichs, § 157 Rn. 11; s. zum Streitstand ferner MünchKomm/MayerMaly/Busche (2001), § 157 Rn. 48. 1106 Auf die „durch die Wahl des Vertragstyps bekundete parteiautonome Gefahrenverteilung“ verweist jüngst wieder E. Picker, FS Konzen S. 687, 691, ähnl. aaO., S. 689 mit Fn. 3, 690, 698 und 702 (zuvor bereits ders., JZ 2003, 1035, 1036). Die Existenz der behaupteten „parteiautonomen Gefahrenverteilung“, der zufolge der Verkäufer im Falle von ihm nicht zu vertretender Leistungserschwerungen überhaupt keinen Aufwand zu betreiben hat, dieser m. a. W. die Hände in den Schoß legen können und dürfen soll, ist äußerst zweifelhaft: Der behandelte Vertragstyp weist auf Grundlage des neuen Rechts die behauptete Gefahrenverteilung nicht auf. Der Umstand, dass einige Autoren einer solchen Gefahrenverteilung im alten (!) Recht das Wort redeten (viel weiter gehend E. Picker, FS Konzen S. 687: „bislang weithin als Selbstverständlichkeit angesehene Gefahrenverteilung“) und ihre Ansicht ins neue Recht zu transformieren suchen, liefert keine tragfähige Begründung. 1107 Auch Canaris, JZ 2004, 214, 220 (re. Sp., sub III. 1.) bezeichnet den mutmaßlichen Parteiwillen zu Recht als „höchst unsicheres Kriterium“; nicht zu überzeugen vermag die dagegen gerichtete Kritik von E. Picker, FS Konzen S. 687, 688 mit Fn. 3, deren Gegenstand mit dem angegriffenen Argument von Canaris nicht kongruent ist, versieht Picker im Unterschied zu Canaris sogar das insoweit entscheidende Adjektiv „mutmaßlich“ mit Klammern. 1108 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1044 f.; vgl. dens., FS Konzen S. 687, 688 mit Fn. 3, 690, (696). 1109 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1041 (li. Sp., vor 2.); ders., FS Konzen S. 687, 690, 695 f. 1110 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1041 (li. Sp., vor 2.). Dagegen sieht ders., FS Konzen S. 687, 698 ein „Höchstmaß an Rechtssicherheit“ erreicht, wenn man die Problemfälle durch „Auslegung des konkreten Vertrags“ löst – bei Lichte besehen bliebe in den meisten Fällen indessen nur die ergänzende Vertragsauslegung, hierzu bereits oben bei Fn. 1094 (S. 352) sowie sub „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff. 1111 Sub „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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von Picker1112 angeführten Beispielsfalls durch Löwisch1113 deutlich. Auch Picker selbst scheint dem Schuldner nicht jede zufällig eintretende Leistungserschwerung abnehmen zu wollen, wenn er im Kontext der Gefahrenverteilung ausführt, „[d]ie Leistungsbefreiung auch bei überwindbaren, aber kostenträchtigen und vom Schuldner nicht als Risiko übernommenen Hindernissen erg[ebe] sich mit der Zuweisung dieser aus der Leistungsgefahr resultierenden Folgen des Unglücks als einfacher Schluß a maiore ad minus“1114. Wäre bei nicht kostenträchtigen, also mit einem nur geringen Kostenaufwand behebbaren Hindernissen anders zu entscheiden? Tatsächlich wäre diese Frage gerade unter Heranziehung des hypothetischen Parteiwillens zu bejahen. Man wird es dem Verkäufer kaum erlassen, den verkauften Wagen vom Nachbarort zurückzuholen, wenn er nur dorthin verbracht wurde. Ergo geht es auch beim rechtsgeschäftlichen Ansatz der Sache nach nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“ einer „Mehraufwandspflicht“. Die Frage der Reichweite ist nach neuem Recht mit § 275 Abs. 2 BGB zu beantworten. Es wird auch nicht, wie von Lobinger unterstellt, von der „unausgesprochen angenommenen Prämisse“ ausgegangen, „dass ein allgemein gehaltener [Vertrags-]Text grundsätzlich auch auf einen allgemeinen, nahezu unbeschränkten Verpflichtungswillen schließen lässt“1115.1116 Vielmehr reicht – die neue gesetzliche Regelung außer Betracht gelassen – die Erfüllungspflicht mehr oder minder weit. Ihre Grenze lässt sich kaum sicher ermitteln, weshalb – wie gesagt – diese Frage mithilfe des § 275 Abs. 2 BGB zu beantworten ist. Es sei an dieser Stelle nochmals betont, dass die Überantwortung der schwierigen Grenzbestimmung der Erfüllungspflicht an die Gesetzesnorm des § 275 Abs. 2 BGB1117 eine durchaus begrüßenswerte Neuerung darstellt. Die Norm gibt der zu treffenden Wertungsentscheidung gewisse Strukturen vor, besitzt gleichzeitig aber auch die nötige Flexibilität. Der Privatautonomie, die Picker durch § 275 Abs. 2 BGB nicht respektiert sieht,1118 wird durch den tatbestandlichen Verweis auf den Inhalt des 1112 s. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036, zuletzt wieder ders., FS Konzen S. 687, 696 f., 700 f. 1113 Hierzu Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 72. 1114 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1040 [li. Sp., sub (2)], Hervorheb. nicht im Original. 1115 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 180 (Hervorheb. nicht im Original), s. auch S. 185 („gleichsam unter allen Umständen zur Leistung verpflichten“), 204 („geradezu unbegrenzte Verpflichtung“). 1116 So aber offenbar Harke, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 29, 57 (und 54). 1117 Bzw. §§ 275 Abs. 3 (analog), 313 BGB. 1118 Vgl. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036 und passim, der auch die privatautonome Gefahrenverteilung durch § 275 Abs. 2 BGB verdrängt sieht (aaO., S. 1036, Überschrift B.), vgl. jüngst dens., FS Konzen S. 687, 688, 690, 695 und 702.

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Schuldverhältnisses Geltung verschafft.1119 Die Norm erfährt damit gleichsam eine „rechtsgeschäftliche Fundierung“. Über den zu zurückhaltenden1120 Wortlaut („unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses“) hinaus ist dem Vertragsinhalt zentrale Bedeutung beizumessen. Anzumerken bleibt noch,1121 dass sich die harsche Fundamentalkritik von Picker auf die vom Schuldner nicht zu vertretenden Leistungshindernisse beschränkt. Demgegenüber werden vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse, die wegen der auch insoweit Geltung beanspruchenden Vermutung schuldnerischen Vertretenmüssens1122 nicht selten vorliegen werden, weder von Picker1123 noch von J. Wilhelm1124 behandelt;1125 die angeprangerte Schwierigkeit einer Grenzbestimmung – Picker spricht etwa von einer „gegen ‚unendlich‘ tendierende[n] Zahl denkbarer Quantifizierungsvorschläge“ –1126 treten für diesen bedeutsamen Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB indes in jedem Fall auf. b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Kaufpreises (Ackermann, U. Huber) Andere Stimmen in der Literatur begrenzen den Aufwand, der zur Beseitigung eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Leistungshindernisses erforderlich ist,1127 auf den Betrag des vereinbarten Kaufpreises.1128 Dies soll 1119 Hierzu auch Canaris, JZ 2004, 214, 218 [re. Sp., sub 3. b)], 220 [re. Sp., sub III. 1.] und 224 [li. Sp.]. 1120 Insoweit zu Recht krit. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1037 (li. Sp., sub II.): „lediglich ein Entscheidungskriterium“, Hervorheb. im Original; s. auch J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1604. 1121 Auf das von Lobinger und Picker kritisierte „Schwellenproblem“ wird noch zurückzukommen sein, s. hierzu m. Nachw. sub „(b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/Sutschet) – Zugleich zum ‚Schwellenproblem‘ des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 367 ff. 1122 §§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4, 311a Abs. 2 S. 2 BGB analog. Im Ergebnis ebenso Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 213 (und 187), differenzierend M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 42. 1123 s. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1036. 1124 J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1600 (sub III.). 1125 Anders indes Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 259 ff. und passim, hierzu sogleich näher sub „a) Geltung des Maßstabs von § 251 Abs. 2 BGB (Lobinger)“, S. 362 f. 1126 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1037, vgl. auch die weiteren Zitate in Fn. 1063 (S. 348). 1127 Dem zusätzlichen Aufwand, so U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 566; ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 38. 1128 So Ackermann, JZ 2002, 378, 382 f., s. auch – wenngleich vornehmlich im Kontext von Sachmängeln und mit Beschränkung auf den Regelfall – U. Huber, FS

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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vornehmlich für den Stückverkäufer1129 gelten.1130 Folgerichtig wird diese Beschränkung jedenfalls bei U. Huber auch für anfängliche Leistungsschwierigkeiten, von denen der Schuldner nichts wusste und nichts wissen konnte, vorgenommen.1131 Das mangelnde schuldnerische Vertretenmüssen ist nach U. Huber1132 gemäß § 275 Abs. 2 S. 2 BGB zugunsten des Schuldners „in angemessener Weise“ zu berücksichtigen. Hierbei sei je nach dem Inhalt des konkreten Schuldverhältnisses zu differenzieren. Maßgeblich soll die vertragstypische Risikostruktur des jeweiligen Schuldverhältnisses sein. Bei synallagmatischen Verbindlichkeiten sei der zusätzliche Aufwand im Regelfall durch die Höhe des Kaufpreises begrenzt. Ackermann stützt sich zur Begründung seiner These maßgeblich auf das von ihm postulierte Prinzip einer Gleichbehandlung von überwindbaren und unüberwindbaren Zufallshindernissen.1133 Er geht von einem Wertungswiderspruch aus, sollte man die zufällige Sachzerstörung und den zufälligen Sachverlust unterschiedlich behandeln.1134 Wenn der Schuldner bei einer nicht zu vertretenden irreparablen Sachzerstörung höchstens den Kaufpreis (§ 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB) verliere, müsse dies auch gelten, wenn ein überwindbares Leistungshindernis zufällig eintrete, die Sache etwa an einen Dritten gelangt und wiederzubeschaffen sei.1135 Weiterhin führt Ackermann gegen eine über dem Kaufpreis liegende Grenze das folgende Argument ins Feld: Würde man dem Stückschuldner mehr als die Aufbringung des Kaufpreises zur Beseitigung eines von ihm nicht zu vertretenden Hindernisses abverlangen, fehlte „[f]ür die damit postulierte Haftung [. . .] jeglicher Zurechnungsgrund – leistungserschwerende Umstände, die ein Schuldner nicht zu vertreten hat, begründen, wie § 280 I BGB zeigt, nun einmal keine Haftung“1136. Schlechtriem S. 521, 546, 548 f., 561 f. und 566, zust. jüngst Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 84 ff., 130, sympathisierend auch AnwKomm/ Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 27, 50 (s. demgegenüber auch aaO., Rn. 23, 25, 51). 1129 Der kein Beschaffungsrisiko übernommen hat. 1130 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 566; ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 38 spricht auch allgemein von „synallagmatischen Verbindlichkeiten“ bzw. „Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen“, bei denen die Grenze im Regelfall durch die Höhe der vom Gläubiger geschuldeten Gegenleistung markiert sei. 1131 Vgl. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 566; ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 38, angedeutet auch von Ackermann, JZ 2002, 378, 385. 1132 Hierzu und zum Folgenden U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 566. 1133 Ackermann, JZ 2002, 378, 382 f. (ausf. zur These von Ackermann jüngst Schürholz Die Nacherfüllung im neuen Kaufrecht S. 179 ff.), s. bereits zuvor Rödl, Die Spannung der Schuld S. 91. 1134 s. Ackermann, JZ 2002, 378, 383. 1135 So Ackermann, JZ 2002, 378, 383. 1136 Ackermann, JZ 2002, 378, 384.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Diese Argumentation lässt indessen – wie bereits oben dargelegt –1137 unberücksichtigt, dass es bei der Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten (Primärebene) nicht um eine Schadensersatzhaftung geht1138 und dementsprechend § 280 Abs. 1 S. 2 BGB jedenfalls keine direkte Anwendung finden kann.1139 Ferner vermag auch die Argumentation mithilfe der postulierten Gleichbehandlung von überwindbaren und unüberwindbaren Zufallshindernissen nicht zu überzeugen. So sich aus der unterschiedlichen Behandlung tatsächlich ein Wertungswiderspruch ergeben sollte, wäre dieser jedenfalls in Kauf zu nehmen.1140 Es bestehen jedoch bereits an dem behaupteten Wertungswiderspruch, der aus dem Gebot der Gleichbehandlung folgen soll, erhebliche Zweifel. Zunächst werfen unüberwindbare Leistungshindernisse im Unterschied zu überwindbaren Hindernissen überhaupt keine Wertungsfrage auf.1141 Der Stückkäufer muss nach § 275 Abs. 1 BGB die Leistungsgefahr tragen,1142 da dies gewissermaßen durch die Macht der Tatsachen vorgegeben wird. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme, durch die gesetzliche Risikostruktur, der zufolge den Stückkäufer bei Leistungsunmöglichkeit1143 die Leistungsgefahr treffe, werde dem „typischen Parteiwillen“ Rechnung getragen,1144 fragwürdig. Das mag in diesem Fall zwar für die Preisgefahr zutreffen, da die Kaufpreiszahlung weiterhin möglich wäre, schwerlich hingegen für die Leistungsgefahr, die vom Stückkäufer selbst bei einem atypischen Willen der Parteien zu tragen ist, da die Leistung gerade schlechthin unerbringbar ist. Es erscheint kaum angemessen, daraus Rückschlüsse für Fälle zu ziehen, in denen die Leistungserbringung gerade nicht wirklich unmöglich ist,1145 indem man die in Fällen wirklicher Unmöglichkeit vom Stückverkäufer zu 1137 Oben sub „(a) Dissonanz zwischen ‚Erfüllungshaftung‘ und Schadensersatzhaftung?“, S. 297 ff. m. Nachw. 1138 Zutreffend gegen Ackermann: Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 27. 1139 Im Einzelnen bereits oben sub „(a) Dissonanz zwischen ‚Erfüllungshaftung‘ und Schadensersatzhaftung?“, S. 297 ff. 1140 Hierfür Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 27 bei und mit Fn. 72. 1141 Hierzu ausf. oben sub „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff. sowie „b) Wertungsfreiheit des Begriffs – Unmöglichkeit im wirklichen Sinne“, S. 142 ff. 1142 Beim Kauf wird auch von „Sachgefahr“ gesprochen, s. S. Lorenz, JuS 2004, 105, 106; ders., ZGS 2003, 421, 422, abw. Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 99 mit Fn. 279. 1143 In diesem Kontext stehen die Ausführungen von U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 538 f. 1144 So U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 539. 1145 Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 150 hält die wirkliche Unmöglichkeit für den Ausnahmefall, deren Behandlung (maximaler Verlust des Kaufpreises beim Schuldner) nicht als Regelfall auf nicht zu vertretende überwindbare Leistungshindernisse übertragen werden sollte.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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tragende Preisgefahr1146 als Maßstab für die Leistungsgefahr (sc. Obergrenze des Leistungsaufwands) in Fällen überwindbarer Leistungshindernisse heranzieht. Die Argumentation von Ackermann und U. Huber steht und fällt mit ihrer Prämisse, überwindbare und unüberwindbare Leistungshindernisse seien gleich zu behandeln.1147 Ohne diese Prämisse liefe die Argumentation, der zufolge es der gesetzlichen Risikostruktur beim Stückkauf entspreche, dass ein Leistungsaufwand bereits dann in den Bereich der vom Käufer zu tragenden Leistungsgefahr falle, wenn er den Kaufpreis übersteige,1148 jedoch auf eine petitio principii hinaus.1149 Denn es ist zu klären, ob der Verkäufer bei einem Leistungsaufwand, der den Betrag des Kaufpreises übersteigt, das Leistungshindernis nach § 275 Abs. 2 BGB nicht zu überwinden hat und dieses demzufolge Teil der vom Käufer zu tragenden Leistungsgefahr ist.1150 Die Vorschrift lässt nicht erkennen, dass die aus ihr resultierende Aufteilung der Leistungsgefahr für überwindbare Leistungshindernisse gerade davon abhängen soll, ob der Leistungsaufwand den Betrag des Kaufpreises übersteigt oder nicht. Entscheidend für die Aufteilung der Leistungsgefahr ist vielmehr das Verhältnis des Leistungsaufwands zum Leistungsinteresse; es genügt überdies nicht ein bloßes Übersteigen, vielmehr muss – soweit die Norm nicht einer Korrektur unterliegt –1151 ein „grobes Missverhältnis“ gegeben sein. Darüber hinaus würde dem Verkäufer bei einem Unterwertverkauf, wenn also der Kaufpreis unter dem Wert der Sache liegt, durch die propagierte Obergrenze in Höhe des Kaufpreises ein ungerechtfertigter Vorteil gewährt: Er würde bei überwindbaren Leistungshindernissen bereits befreit, wenn der Aufwand den gegenüber dem Wert zurückbleibenden Kaufpreis übersteigt und könnte sich damit von dem wirtschaftlichen Nachteil des ungünstigen Geschäfts lösen, der Käufer demgegenüber würde – kaum zu Recht – den Vorteil des günstigen Geschäfts einbüßen.1152 Hält man demgegenüber das 1146

s. § 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB. Gegen eine Gleichbehandlung auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 127 mit Fn. 366. 1148 s. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 546 und 548. 1149 So Canaris, JZ 2004, 214, 218 f. 1150 Vgl. Canaris, JZ 2004, 214, 219, zur „Aufteilung“ der Leistungsgefahr zwischen Schuldner und Gläubiger nach § 275 Abs. 1 und 2 BGB s. nur MünchKomm/ Ernst (2003), § 275 Rn. 26; ders., FS U. Huber S. 183, 201 f. (zu Mängelfällen). 1151 Hierzu noch näher sub „(4) Das Regelungsproblem der ‚ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs‘“, S. 402 ff. 1152 Vgl. hierzu Canaris, JZ 2004, 214, 219 im Kontext des § 439 Abs. 1 BGB und unter Berufung auf das Prinzip der „subjektiven Äquivalenz“, s. hierzu näher dens., FS Wiedemann S. 3, 6 f., 8 f. (speziell zur Minderung) sowie auch Grigoleit/ Herresthal, JZ 2003, 118, 121; s. ferner MünchKomm/H. P. Westermann (2004), § 439 Rn. 21 a. E. 1147

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§ 4 Die neue Rechtslage

im Gesetz festgelegte Verhältnis von Leistungsaufwand und Leistungsinteresse für maßgeblich, lässt sich die aufgezeigte Widrigkeit vermeiden, da sich das Leistungsinteresse nach dem gegebenenfalls auch über dem Kaufpreis liegenden Wert der Sache bestimmt.1153 Ferner wird gegen eine Begrenzung des Aufwands in Höhe des Kaufpreises zu Recht vorgebracht, dass die nach § 275 Abs. 2 BGB durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung keine generelle Festlegung diesen Inhalts erlaube; auch in Ermangelung schuldnerischen Vertretenmüssens sei der Gesetzesanwender nicht von einer einzelfallbezogenen Abwägung entbunden.1154 So kann es im Einzelfall etwa eine Rolle spielen, dass der Gläubiger ein ganz spezifisches Interesse am Erhalt der individuellen Speziessache, etwa einem „alten Meister“, besitzt. Einem solchen besonderen Interesse des Gläubigers könnte in diesem Fall in keiner Weise Rechnung getragen werden, begäbe man sich durch eine generelle Begrenzung in Höhe des Kaufpreises der Möglichkeit einer Einzelfallprüfung. Hierdurch entstünden in der Tat Ungleichbehandlungen, die einer Rechtfertigung entbehrten. Möglicherweise hatte U. Huber solche oder ähnliche Fälle1155 im Auge, als er die Begrenzung in Höhe des Kaufpreises auf den „Regelfall“1156 beschränkte. Im Ergebnis ist dem dargelegten Vorschlag nicht zu folgen.1157 g) Die Ansicht von Ernst Ernst plädiert – wie bereits dargelegt –1158 dafür, die Wirkung des § 275 Abs. 2 S. 2 BGB entgegen des (behaupteten) Konzepts des Gesetzgebers einer Wirkung des Vertretenmüssens in beide „Richtungen“ so zu verstehen, dass damit nur eine Absenkung der Befreiungsschwelle des „schuldlosen“ Schuldners einträte.1159 Dementsprechend soll derjenige Schuldner, der das Leistungshindernis nicht zu vertreten habe, bereits bei einem geringeren Missverhältnis befreit werden.1160 1153 Vgl. zum umgekehrten Fall des Überwertverkaufs – der Kaufpreis liegt über dem Wert der Sache – bereits oben sub „a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung“, S. 293 f. 1154 s. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 25. 1155 s. oben bei Fn. 1152 (S. 359). 1156 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 566. 1157 Dagegen auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 151; Mückl, JURA 2005, 809, 815. 1158 Hierzu ausf. oben sub „(1) Gesetzesmaterialien und Literaturstimmen“, S. 341 ff. 1159 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72 f., 102 (und 30 a. E.), zust. MünchKomm/Busche (2005), § 635 Rn. 34 und jüngst auch Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 76.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Einerseits wird von Ernst in diesem Kontext betont, „[j]e nach Sachlage“ könne „bei einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Hindernis das von § 275 Abs. 2 [BGB] geforderte Missverhältnis selbst dann bereits zu bejahen sein, wenn der nötige Aufwand im Betrag hinter dem Interesse des Gläubigers an der Leistung zurückbleib[e]“;1161 die Schuldnerbefreiung nähert sich, so Ernst, dem Prinzip der Zufallsbefreiung an, wonach der Schuldner nicht mehr Anstrengungen zu erbringen brauche, als er anfänglich versprochen habe, und dann, wenn diese Anstrengungen wegen zufällig veränderter Umstände nicht mehr zum Erfolg führen können, keiner Haftung wegen Nichterfüllung unterliege.1162 Demgegenüber1163 wird von Ernst nur wenige Zeilen später ausgeführt, die entscheidende Frage sei, inwiefern der Schuldneraufwand das gläubigerseitige Leistungsinteresse noch übersteigen müsse, um die Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB zu begründen; „[e]in gewisser Mehraufwand“ genüge nicht.1164 Der Schuldner dürfe die Leistung dann verweigern, wenn ein das Gläubigerinteresse nennenswert übersteigender Mehraufwand erforderlich wäre.1165 Mehraufwendungen, die sich durch kleinere Abweichungen in den Modalitäten der Leistungserbringung ergeben können, weil und wenn die Parteien Einzelheiten des schuldnerseitigen Vorgehens offen gelassen haben, müsse in der Regel der Schuldner tragen.1166 Der von Ernst postulierten Absenkung des Befreiungsmaßstabs für Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens vermag – jedenfalls in ihrer Tendenz –1167 zugestimmt zu werden. Der Aussage, dass ein „grobes Missverhältnis“ – wenngleich nur abhängig von der jeweiligen „Sachlage“ – bereits dann bejaht werden könne, wenn der Aufwand hinter dem Gläubigerinteresse zurückbleibt, kann jedoch nicht zugestimmt werden. Dies er1160

s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72, 102. So MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 102 a. E. (Hervorheb. nicht im Original) unter Verweis auf die abweichende Ansicht von Faust. 1162 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 103. 1163 Auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 261 f. mit Fn. 67 konstatiert insoweit eine „kaum konsequent[e]“ Durchführung des Prinzips der Zufallsbefreiung, krit. auch MünchKomm/Busche (2005), § 635 Rn. 34 mit Fn. 117 („undeutlich“). 1164 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 104. 1165 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 104 a. E. (Hervorheb. so nicht im Original). 1166 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 104 a. E. 1167 Anders als vorliegend vertreten, scheint Ernst diese Absenkung nicht für anfängliche Leistungshindernisse, die der Schuldner nicht kannte und deren Unkenntnis ihm nicht vorwerfbar ist, vorzunehmen, s. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 101, 103 a. E. Darüber hinaus bestimmt Ernst das Leistungsinteresse wesentlich anders als nach der hier vorgeschlagenen Lösung (zu ihr oben sub „(c) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 305 f.). 1161

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§ 4 Die neue Rechtslage

scheint mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie den Absichten der Gesetzesverfasser nicht vereinbar. (b) Vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse Von den Vertretern dichotomer Konzeptionen wird zumeist danach differenziert, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat oder nicht. Genau betrachtet liegt das entscheidende Differenzierungskriterium, dies sei nochmals betont, jedoch darin, ob für den Fall einer Befreiung von der Erfüllungspflicht eine alternative Schadensersatzhaftung bestünde oder nicht: Dabei ist nur für nachträgliche Leistungshindernisse das Hindernis selbst Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens,1168 für anfängliche Leistungshindernisse hingegen kommt es darauf an, ob der Schuldner diese kannte oder seine Unkenntnis zu vertreten hat, siehe § 311a Abs. 2 S. 2 BGB.1169 a) Geltung des Maßstabs von § 251 Abs. 2 BGB (Lobinger) Die oben referierte Doktrin, die eine „Mehraufwandspflicht“ des Schuldners ablehnt, beschränkt sich in ihrer Kernaussage auf die vom Schuldner nicht zu vertretenden Leistungshindernisse. Anderes gelte, wenn der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten habe, denn, so Lobinger, dann sei „ohnehin bereits das Feld gesetzlicher Haftung jenseits der Grenzen privatautonomer Bindung betreten“1170. Der Schuldner werde insoweit „einer Schadensersatzpflicht im Gewande der vertraglichen Erfüllungspflicht unterworfen“1171. Um aber nicht eine Ungleichbehandlung zwischen lediglich verschiedenen Anlässen dieser Art von Haftung [sc. gesetzliche (heteronome) Haftung jenseits autonomer Bindung]1172 heraufzubeschwören, sei der Wortlaut des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB durch den Maßstab des § 251 Abs. 2 BGB „aus[zu]füllen“.1173 Lobinger weist ferner mit Recht auf die Problematik der zwei unterschiedlichen Maßstäbe zur Grenzbestimmung auf Erfüllungs- und Schadensersatzebene hin:1174 Während für den Erfüllungsanspruch der Maßstab des groben Missverhältnisses gelte (§ 275 Abs. 2 S. 1 1168

Zu seltenen Ausnahmekonstellationen oben sub „(b) Vom Schuldner zu vertretende vertragsanfängliche Leistungshindernisse“, S. 312 ff. 1169 Zutreffend daher U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 566 f. (und 549 f.). 1170 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 259 f. (und 187). 1171 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 260. 1172 Hierzu bereits Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung S. 89 ff. und passim, ihm folgend P. Gebauer, Naturalrestitution S. 71, 83, 126 ff., 203 und passim. 1173 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 260 (und 362). 1174 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 260 f.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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BGB), sei der qua Fristsetzung beziehungsweise im Falle deren Entbehrlichkeit wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung1175 entstehende Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Fall 1 BGB) dem Maßstab der bloßen Unverhältnismäßigkeit nach § 251 Abs. 2 BGB unterworfen.1176 Lobinger befürchtet vor diesem Hintergrund „geradezu eine Aufforderung zur Erfüllungsverweigerung“1177. Ferner, so die Befürchtung von Lobinger, hätte eine Verschärfung des Maßstabs für die Fälle des § 275 Abs. 2 BGB einen Widerspruch zu Parallelregelungen wie §§ 439 Abs. 3, 635 Abs. 3 BGB zur Konsequenz.1178 Auf diesen Gesichtspunkt wird noch zurückzukommen sein.1179 b) Andere Auffassungen Andere Vertreter dichotomer Konzeptionen verlangen hingegen in Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut ein grobes Missverhältnis.1180 Indes bleibt anzumerken, dass namentlich die von U. Huber durchgeführte Verhältnismäßigkeitsprüfung in erheblichem Maße von der vorliegend vertretenen und offensichtlich auch vom Gesetzgeber intendierten abweicht. Der Genannte setzt nämlich bei vom Schuldner zu vertretenden Leistungshindernissen nur den über den „Schadensersatz wegen Nichterfüllung [. . .] hinausgehende[n] Mehraufwand [. . .] mit dem Vorteil, den der Gläubiger zu erwarten hat, wenn er nicht in Geld entschädigt wird, sondern wenn er die Leistung ‚in Natur‘ erhält“, ins Verhältnis.1181 (2) Einheitskonzeptionen Die überwiegenden Stellungnahmen in der Literatur zu § 275 Abs. 2 BGB differenzieren nicht oder jedenfalls nicht im gebotenen Maße zwischen den beiden Regelungsproblemen („Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“/„Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“), de1175

s. § 281 Abs. 2 Fall 1 BGB. Zu einem Lösungsvorschlag vgl. eingehend sub „b) § 251 Abs. 2 S. 1 BGB als maßgebliche Grenzbestimmungsnorm?“, S. 463 ff. 1177 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 261 mit Fn. 65. 1178 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 261. 1179 s. unten sub „(a) Wortsinn und Systematik“, S. 378 f. sowie insb. „b) Bedeutung von Richtlinienvorgaben“, S. 385 ff., bei Fn. 1340 ff. (S. 388 ff.) mit Fallbeispiel. 1180 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 556 ff., 567; ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 39. 1181 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 561, hiergegen bereits oben sub „(2) Gesamtaufwand“, S. 257 ff., anders wohl auch ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 39. 1176

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§ 4 Die neue Rechtslage

ren Regelung § 275 Abs. 2 BGB überantwortet wurde. Der Blick soll im Folgenden auf solche, vorliegend als Einheitskonzeptionen bezeichnete Auffassungen, gerichtet werden. (a) Obergrenze für Aufwand „relativ knapp“ über Leistungsinteresse – Konkretisierung mittels gestaffelter Prozentangaben (Faust) Ausgangspunkt der Ansicht von Faust ist zunächst der von ihm angenommene Normzweck des § 275 Abs. 2 BGB, den er im Schuldnerschutz1182, vornehmlich1183 jedoch in der Vermeidung von Ressourcenvergeudung1184 sieht: Die Rechtsordnung solle nicht zu Leistungen zwingen, die den Schuldner mehr kosten, als sie dem Gläubiger nutzen und daher volkswirtschaftlich nachteilig seien.1185 Faust siedelt die Obergrenze des Aufwands, der dem Schuldner nach § 275 Abs. 2 BGB abverlangt wird, daher „relativ knapp über dem Leistungsinteresse des Gläubigers“ an, auch um zu verhindern, dass der Gläubiger „in unangemessen erscheinender Weise am Leistungshindernis verdienen kann“, indem er vom Schuldner „für die Leistungsbefreiung ein sein Leistungsinteresse weit übersteigendes Entgelt verlangt“.1186 Andererseits werde dadurch gewährleistet, dass der volkswirtschaftliche Verlust nicht allzu hoch sei, wenn die Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger über eine Befreiung des Schuldners gegen Zahlung eines Entgelts1187 scheiterten und der Schuldner die Leistung mit einem über dem Leistungsinteresse liegenden Aufwand erbringe;1188 zudem stehe zu befürchten, durch eine zu hoch angesetzte Obergrenze be1182 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 (bei und mit Fn. 35), 65, 75 (sowie Rn. 40 mit Fn. 34 a. E.) und passim. 1183 Vgl. zum Rangverhältnis der Normzwecke P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44, 53 und 75. 1184 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 und 47 (dort besonders zu volkswirtschaftlichen Erwägungen), 53, 56 f., 61, 65, 75. 1185 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 (und passim), hierzu bereits Eidenmüller, JURA 2001, 824, 827, 832, der das gesetzgeberische Anliegen darin sieht, ein Leistungsverweigerungsrecht zu gewähren, „[s]ofern ein Leistungsaustausch ökonomisch krass ineffizient“ sei (aaO., S. 832, Hervorheb. im Original), ebenso jüngst ders., JZ 2005, 216, 222, zust. Rösler, JuS 2004, 1058, 1060 („Entsprechend der volkswirtschaftlichen ratio der Vorschrift, Extremfälle einer Ressourcenvergeudung abzuwenden“); HandKomm/Schulze, § 313 Rn. 8; Yushkova/Stolz, JA 2003, 70, 76, ähnl. Schürholz, Die Nacherfüllung im neuen Kaufrecht S. 204 f. Z. T. sympathisierend auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 44, 115 f., 118, 124, 179 f. Zu rechtsökonomischen Überlegungen ferner ausf. Melzer, Der vertragliche Erfüllungsanspruch S. 113 ff., insb. 150 ff. 1186 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 57. 1187 Hierzu P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 53 ff. 1188 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 57 (und auch 68 a. E.).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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reits die Gefahr zu erhöhen, dass Verhandlungen zwischen den Parteien scheiterten.1189 Ausgehend von den vorstehend referierten Erwägungen unterbreitet Faust einen „bloße[n] Vorschlag“1190 zur Konkretisierung des „groben Missverhältnisses“, indem er abhängig vom Ausmaß des Vertretenmüssens eine Grenze für den schuldnerischen Leistungsaufwand im Bereich von 110–150% bezogen auf das gläubigerseitige Leistungsinteresse festlegt. Die vorgeschlagene prozentuale Staffelung sei wie folgt anzusetzen: 110%, falls der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten habe, 120% bei Vertretenmüssen ohne Verschulden, 130% bei einfacher und 140% bei grober Fahrlässigkeit sowie 150% bei Vorsatz.1191 Diese Lösung ist in der Literatur zu Recht auf erhebliche Kritik gestoßen.1192 Einerseits wird sie als viel zu schematisch und daher nicht überzeugend kritisiert,1193 andererseits werden die Zahlen als „aus der Luft gegriffen“1194 bezeichnet. Es liegt auf der Hand, dass jeder Vorstoß – wenngleich mit der Beteuerung seines reinen Vorschlagscharakters versehen –1195 konkrete Zahlen anzugeben, sich dem Vorwurf der Willkür aussetzt. Man sollte es in der Tat besser der Rechtsprechung überlassen, zumindest für bestimmte Fallgruppen konkrete Richtwerte zu entwickeln.1196 Indes können und müssen von der Rechtswissenschaft die Grundlagen herausgearbeitet werden, die der Entwicklung von Richtwerten dienen. Doch selbst unter Außerbetrachtlassung der konkreten Prozentangaben bestehen erhebliche Zweifel an dem Ansatz von Faust. Vom Boden der hier vertretenen Konzeption ist zu kritisieren, dass die beiden von § 275 Abs. 2 1189

So sinngemäß P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 56, zum Gesichtspunkt einer Verhandlungslösung auch Eidenmüller, JZ 2005, 216, 222. 1190 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 67. 1191 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 68, als Faustregel anerkennend Jauernig11 / Stadler, § 275 Rn. 26 f.; Jauernig10 /Vollkommer, § 275 Rn. 26 f., (für den Bereich der absoluten Unverhältnismäßigkeit im Rahmen des § 439 Abs. 3 BGB schlägt Faust eine entsprechende Staffelung zwischen 105 und 145% vor, s. Bamberger/ Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 50), ähnl. wie Faust auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 50 ff., die indes eine entsprechende Staffelung von 180% bis 220% befürwortet. 1192 s. z. B. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 24 mit Fn. 59; Ehmann/ Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 53 mit Fn. 49; Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 161. 1193 So Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 24 mit Fn. 59. 1194 Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 53 mit Fn. 49, s. auch E. Picker, JZ 2003, 1035, 1037 f. 1195 So auch bei P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 67, 68 und passim. 1196 So auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 68, ferner auch Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 273 (und 238 ff.).

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§ 4 Die neue Rechtslage

BGB erfassten Regelungsprobleme („Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“/„Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“) nicht strikt auseinander gehalten werden.1197 Indem Faust bei vom Schuldner nicht zu vertretenden Leistungshindernissen1198 die Obergrenze des Leistungsaufwands in Höhe von 110% des Leistungsinteresses, das auch besondere Gläubigerinteressen umfassen soll, mithin dem Betrag eines hypothetischen Schadensersatzes statt der Leistung entspricht, zieht, wird der Besonderheit dieser Fälle nicht hinreichend Rechnung getragen.1199 Weiterhin ist die vorgeschlagene Behandlung von Risikoübernahmen1200 beziehungsweise der vertragstypischen Risikostruktur abzulehnen.1201 Auch erscheinen die innerhalb der Prozentstaffelung bestehenden Relationen wenig überzeugend: So werden dem vorsätzlich Handelnden – der sich mit dem Begehren einer Leistungsverweigerung in Widerspruch zu seinem eigenen vorherigen Verhalten, nämlich der vorsätzlichen Herbeiführung eines Leistungshindernisses, setzt – lediglich 20% (bezogen auf das gläubigerseitige Leistungsinteresse) mehr zugemutet als dem nur leicht fahrlässig handelnden Schuldner. Das wäre nicht sachgerecht. Ursache von derlei Unstimmigkeiten ist vornehmlich die Annahme, § 275 Abs. 2 BGB intendiere eine optimale Allokation von Ressourcen und wolle volkswirtschaftlich unsinnige Verluste vermeiden.1202 Dies mag zwar ein interessanter Gesichtspunkt sein, kann die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB indes nicht in einer Weise determinieren, die zu nicht sachgerechten Ergebnissen führt. Dies gilt umso mehr, als der angeführte „Normzweck“ eine reine Behauptung bleibt sowie vom Gesetzgeber nicht – beziehungsweise jedenfalls nicht mit dem ihm von Faust eingeräumten Gewicht – vor Augen stand. Darüber hinaus ist anzumerken, dass für die in Abhängigkeit vom Ausmaß des Vertretenmüssens vorgeschlagenen Prozentangaben mit dem gläubigerseitigen Leistungsinteresse nicht die richtige Bezugsgröße gewählt wur1197

Zu Recht krit. auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 552 mit Fn. 76a, 561 mit Fn. 108a; besonders dezidiert auch U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 35 bei und mit Fn. 26. 1198 Nicht berücksichtigt bleiben anfängliche Leistungshindernisse, die der Schuldner bei Vertragsschluss nicht kannte und seine auf jene bezogene Unkenntnis er nicht zu vertreten hat. 1199 Eingehend hierzu oben sub „(3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen“, S. 297 ff. sowie auch noch unten sub „(a) ‚Moderater Zuschlag‘ auf das gegenständliche Naturalleistungsinteresse“, S. 402 f. 1200 s. hierzu auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 61. 1201 Krit. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 546 mit Fn. 56a. 1202 Dagegen auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 90; Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 160, krit. jetzt auch AnwKomm/DaunerLieb (2005), § 275 Rn. 46 mit Fn. 146.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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de. Entscheidend ist vielmehr, dass sich der Schuldner – im Bereich des Regelungsproblems „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle) – auf leistungshindernisbedingten Mehraufwand weniger erfolgreich berufen können soll, sofern er das Hindernis beziehungsweise seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat; der Mehraufwand ist in Abhängigkeit vom Verschuldensgrad abzuwerten.1203 Wählt man hingegen wie Faust das Leistungsinteresse als Bezugsgröße, bleibt die Unterscheidung von Normaufwand und leistungshindernisbedingtem Mehraufwand vollständig unberücksichtigt.1204 (b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/Sutschet) – Zugleich zum „Schwellenproblem“ des § 275 Abs. 2 BGB Zur Gänze aus der Reihe fällt die von Ehmann/Sutschet vertretene Auffassung. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist, dass die Notwendigkeit einer Beschränkung des Erfüllungsanspruchs, um den Schuldner vor allzu hohem Aufwand zu schützen, nur insoweit bestehe, als der Schuldner im Wege der Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs tatsächlich zur Erbringung solcher Aufwendungen gezwungen werden könne.1205 Da jedoch, so Ehmann/Sutschet weiter, aufgrund vollstreckungsrechtlicher Gegebenheiten die Gefahr allzu hoher Aufwendungen dem Schuldner „fast ausschließlich“ im Falle eines Anspruchs auf Vornahme einer vertretbaren Handlung (§ 887 ZPO) drohe,1206 in den übrigen Fällen, insbesondere bei der Lieferungspflicht des Sachverkäufers, jedoch nicht,1207 regele § 275 Abs. 2 BGB „ein Problem, das es nicht g[ebe]“1208. Der Erfüllungsanspruch sei damit eingedenk der weiteren Prämisse von Ehmann/Sutschet, „§ 283 BGB aF [sei im neuen Recht] ersatzlos gestrichen“1209, fortan „ein unnützes Recht, das dem Gläubiger zu nichts ver1203

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt oben sub „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff. mit ausführlicher Begründung. 1204 Gegen diese Unterscheidung freilich P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 unter Verweis auf die drohende ganz erhebliche Erschwerung der Rechtsanwendung. 1205 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 41 (und 44). Die Frage, ob der Schuldner Erfüllung schulde oder nicht, sei immer dann nicht von großer Bedeutung, wenn die Erfüllung ohnehin nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden könne, aaO., S. 45. 1206 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 44 (und 41 ff.). 1207 Vgl. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 44, jüngst auch Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 55 f. 1208 Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 45 (dort ebenso für § 275 Abs. 3 BGB).

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§ 4 Die neue Rechtslage

h[elfe]“1210. Ein Fortbestand des Erfüllungsanspruchs hätte insoweit lediglich zur Folge, dass der Schuldner mit dem „Makel“ der Verurteilung leben müsste und die Prozesskosten und Kosten etwaiger Versuche der Zwangsvollstreckung zu tragen hätte.1211 Nur diese Folgen würden durch § 275 Abs. 2 BGB1212 vermieden.1213 Für vertretbare Handlungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO durchgesetzt werden können, sei angesichts der dort drohenden Gefahr allzu hoher Aufwendungen eine Begrenzung indessen notwendig und sinnvoll.1214 Im Interesse der Gleichbehandlung der Fälle vertretbarer Handlungen und den übrigen Fällen sei die Grenze auch bei ersteren Handlungen in Höhe des Gläubigerinteresses zu ziehen,1215 welches dem Nichterfüllungsschaden des Gläubigers entspräche.1216 Ein „grobes Missverhältnis“ i. S von § 275 Abs. 2 BGB läge daher vor, „wenn der erforderliche Aufwand das Gläubigerinteresse übersteigt, und sei es auch nur um einen Cent“.1217 Der referierten Ansicht stehen indes durchgreifende Bedenken entgegen. Wenngleich die Zwangsvollstreckung vor allem aufgrund der Bestimmung des § 887 Abs. 3 ZPO in bestimmten Fällen wenig erfolgversprechend erscheinen mag,1218 kommt dem fortbestehenden Erfüllungsanspruch entgegen Ehmann/Sutschet ganz erhebliche Bedeutung zu; insbesondere ist § 275 Abs. 2 BGB nicht nur eine vollstreckungsrechtlich bedeutsame Regelung1219. Ein entscheidender materiell-rechtlicher Aspekt des § 275 Abs. 2 BGB ist, dass nach dieser Vorschrift in Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens1220 nicht allein über die Reichweite der Erfüllungspflicht, 1209

Abw. jedoch hier, vgl. oben sub „a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB“, S. 230 ff. sowie „b) Die Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB“, S. 232 f.: § 281 BGB ermöglicht dem Gläubiger (fortan auch bei nicht-synallagmatischen Leistungspflichten) auf Grundlage des fortbestehenden Erfüllungsanspruchs zum Schadensersatz statt der Leistung zu gelangen; das Vertretenmüssen ist in aller Regel gegeben, wenn der Schuldner der fortbestehenden und fälligen Erfüllungspflicht nicht nachkommt. 1210 Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 46 (dort auch mit Fn. 20). 1211 So Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 46. 1212 Neben Abs. 1 und 3, vgl. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 45 mit Fn. 17 a. E. 1213 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 46. 1214 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 53 und 97. 1215 So Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 53 f., 96 f. (es bestehe kein Verkehrsbedürfnis für eine strengere Haftung des Schuldners einer vertretbaren Handlung, aaO., S. 53). 1216 Vgl. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 96 f. 1217 Vgl. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 54 und 96 f.; vgl. auch dies., JZ 2004, 62, 64. 1218 Hierzu noch näher sub „1. Zwangsvollstreckung“, S. 458 ff. 1219 So auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 167.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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sondern mittelbar zugleich über die Haftungsfrage entschieden wird: Kann sich der Schuldner nämlich dem Erfüllungsanspruch nach § 275 Abs. 2 BGB erfolgreich entziehen, wird er vollständig befreit. Bleibt er hingegen nach § 275 Abs. 2 BGB zur Leistung in Natur verpflichtet, so gelangt der Gläubiger auf Grundlage des fortbestehenden und durchsetzbaren Erfüllungsanspruchs via § 281 Abs. 1 S. 1 BGB stets zum Schadensersatz statt der Leistung, da die Nichterbringung einer geschuldeten Leistung vom Schuldner (in aller Regel) zu vertreten ist.1221 Die Grenze des groben Missverhältnisses hat demnach mittelbar auch für die Sekundärhaftung maßgebliche Bedeutung.1222 In diesem Kontext wird ein „Schwellenproblem“1223 konstatiert, das bei § 275 Abs. 2 BGB auftritt: Steigt der zur Leistungserbringung erforderliche Aufwand an, ist dieser bis zur Grenze des groben Missverhältnisses vom Schuldner zu tragen; überschreitet die Aufwandssteigerung demgegenüber die Schwelle des groben Missverhältnisses, hat der Schuldner überhaupt keinen Aufwand mehr zu tragen, also auch nicht einmal den noch unterhalb der Schwelle des groben Missverhältnisses liegenden.1224 Er wird, so die Voraussetzungen einer Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 beziehungsweise § 311a Abs. 2 BGB nicht vorliegen, vollständig frei, der Gläubiger verliert seinen Erfüllungsanspruch ersatzlos („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“). Die Auswirkung dieses Schwellenproblems ist demgegenüber für die Fälle einer bestehenden Sekundärhaftung (Regelungsproblem: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“) ungleich geringer,1225 da der Schuldner bei Überschreiten der Schwelle nicht völlig frei wird und der Gläubiger nicht „rechtlos“ dasteht. Vielmehr ist dann zumindest eine Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung gegeben, auf die der Gläubiger verwiesen wird. Dieses Schwellenproblem kritisieren neben Picker1226 und Lobinger1227 auch Ehmann/Sutschet1228 massiv.1229 Es entsteht freilich dann nicht, wenn 1220

Im Sinne einer Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 bzw. § 311a Abs. 2

BGB. 1221 Hierzu vor allem „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230 ff. m. Nachw. – abw. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 46 mit Fn. 20, denen nicht zugestimmt zu werden vermag. 1222 Anders freilich Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 51. 1223 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Abs. 29 („eigentümliches Schwellenproblem“). 1224 Hierzu MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Abs. 29. 1225 Dies dürfte in diesem Kontext der entscheidende Gesichtspunkt sein, abw. Canaris, JZ 2004, 214, 221 [re. Sp., sub 2. a)]. 1226 Vgl. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1038 ff. 1227 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 61 ff., 259. 1228 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 51 f. und 98.

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§ 4 Die neue Rechtslage

man die Schwelle bei „Null“ festlegt, indem man wie Picker und Lobinger jede „Mehraufwandspflicht“ desavouiert. Jedenfalls kein gravierendes Schwellenproblem tritt bei der von Ehmann/Sutschet verfochtenen Konzeption auf: Indem sie Zuflucht zur Annahme einer generellen Schadensersatzhaftung auch für vom Schuldner nicht zu vertretende (überwindbare) Leistungshindernisse nehmen, indem sie mithin einer generellen Garantie jedes Schuldners „bis zur Grenze der Unmöglichkeit“1230 das Wort reden, wird verhindert, dass der Schuldner jemals vollständig befreit und der Gläubiger damit „rechtlos“ gestellt wird. Sei ein Leistungshindernis „egal um welchen Preis“1231 überwindbar – für die Haftungsfrage wird die Schwelle damit gleichsam bei „Unendlich“ angesiedelt –, hafte der Schuldner aus einer jedem Leistungsversprechen immanenten Garantie1232 auf den Nichterfüllungsschaden;1233 die Garantie mache zugleich das Erfordernis eines schuldhaften Verhaltens des Verkäufers entbehrlich.1234 Ohne diese Annahme, so die These von Ehmann/Sutschet, wäre der Grundsatz pacta sunt servanda aufgehoben.1235 Damit würde der Schuldner stets auf Schadensersatz statt der Leistung haften, gleich, ob er ein (nachträgliches) Leistungshindernis zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte beziehungsweise seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat oder nicht. Der Preis für die Vermeidung beziehungsweise deutliche Entschärfung des Schwellenproblems wäre indessen, dass man entgegen der gesetzlichen Konzeption eine generelle Garantiehaftung auf Schadensersatz statt der Leistung für alle mit finanziellem Aufwand überwindbaren Leistungshindernisse statuieren würde. Differenzierungen jeder Art würden damit aufgegeben: Ob der Verkäufer etwa ein Beschaffungsrisiko übernommen hat oder nur einen gewöhnlichen Spezieskauf vereinbart hat, ob der Werkunternehmer das Herstellungsrisiko zu tragen hat oder nicht, er würde in 1229

Vgl. bereits zuvor Motsch, JZ 2001, 428, 431. Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 64. 1231 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 51. 1232 Hierzu Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 64; dies., Modernisiertes Schuldrecht S. 90 f., 97, s. auch Sutschet, NJW 2005, 1404, 1406. 1233 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 97; dies., JZ 2004, 62, 64 f.; der Schuldner hafte daher in Höhe des Vermögenszuwachses, der beim Gläubiger durch den Erhalt der Leistung eingetreten wäre, nicht jedoch in Höhe der Aufwendungen, die der Schuldner zur Leistungserbringung hätte tätigen müssen, s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 49 und 55. 1234 So ausdrücklich Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 65, s. auch dies., Modernisiertes Schuldrecht S. 54: bis zur Grenze des Gläubigerinteresses habe der Schuldner auch bei unverschuldeten Leistungshindernissen „stets verschuldensunabhängig einzustehen“. 1235 Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 51 (und 98). 1230

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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allen Fällen garantiemäßig auf Schadensersatz statt der Leistung haften.1236 Damit würde praktisch eine vollständige Nivellierung aller Schuldverhältnisses einhergehen, was weder sachgerecht noch mit dem Gesetz zu vereinbaren ist. Ferner vermag auch die in diesem Kontext von Ehmann/Sutschet ins Feld geführte Einstandspflicht jedes Schuldners für seine finanzielle Leistungsfähigkeit,1237 die sicherlich nicht zu leugnen ist, kaum als Begründung zu dienen. Denn die vorgelagerte Frage, die es zu beantworten gilt, ist, ob der Schuldner die finanziellen Mittel überhaupt zur Leistungserbringung einzusetzen hat. Die von den Genannten befürchtete Konsequenz, dass „jedes noch so kleine Leistungshindernis, dessen Eintritt der Schuldner nicht zu vertreten [habe] und das mit den Mitteln des Zwangsvollstreckungsrechts nicht überwunden werden [könne], zu einer vollständigen Befreiung des Schuldners“ führen würde, tritt dann nicht ein, wenn man für „kleine Leistungshindernisse“ in Übereinstimmung mit dem Gesetz gerade keine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB annimmt und dem Gläubiger auf Grundlage des fortbestehenden Erfüllungsanspruchs damit die Möglichkeit verschafft, via § 281 Abs. 1 S. 1 BGB zum Schadensersatzanspruch zu gelangen. Die Ansicht führte darüber hinaus zu einer weitgehenden Aushöhlung des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers, wenn im direkten Widerspruch zum Wortlaut und auch den Absichten der Gesetzesverfasser die Grenze der Erfüllungspflicht bereits bei einem nur einen Cent über dem Leistungsinteresse liegenden Leistungsaufwand gezogen würde. Auf der anderen Seite würde die sekundäre Schadensersatzhaftung gleichfalls im Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption ganz erheblich ausgedehnt. Dem Grundsatz pacta sunt servanda, auf den sich Ehmann/Sutschet berufen,1238 würde nur durch Gewährung eines sekundären Schadensersatzanspruchs Rechnung getragen.1239 Indes ist es eine Besonderheit des deutschen Rechts, dass der Gläubiger in erster Linie ein Recht auf Naturalerfüllung hat. Wenngleich das Zwangsvollstreckungsrecht durchaus Unzulänglichkeiten im Hinblick auf die Durchsetzung von kaufrechtlichen Lieferungsansprüchen aufweist, sollte 1236 Krit. auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 167; Katzenstein, JURA 2005, 217, 221 mit Fn. 58, abl. ferner S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 121 f.; Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 23, zust. dagegen offenbar Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 113, 118, 124, 179. 1237 s. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 50 f., 54 f. und passim. 1238 s. etwa Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 51, 98. 1239 Ähnl. auch Schlechtriem, SAT5 Rn. 285 a. E. (und 282 a. E.; jetzt ders./ Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 482 a. E., 479 a. E., s. auch Schlechtriem, FS Sonnenberger S. 125, 129), der den Grundsatz pacta sunt servanda auch gewahrt sieht, „wenn der Schuldner mit einer Schadensersatzleistung erfüllt“, anders für vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 557, zust. jüngst Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 78.

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§ 4 Die neue Rechtslage

das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden, indem man dem Erfüllungsanspruch jeden Nutzen abspricht1240 und ihm den durch das Gesetz gebotenen Schutz versagt. Das zugegebenermaßen existierende Schwellenproblem – das indes nur in den Fällen einer „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ richtiggehend virulent zu werden droht – kann dadurch in gewissem Maße entschärft werden,1241 dass man dem Gläubiger gestattet, einen Teil des Leistungsaufwands zu übernehmen, um so das Erreichen der Befreiungsschwelle abzuwenden.1242 (c) Beschränkung des § 275 Abs. 2 BGB auf Extremfälle Teile der Literatur wollen § 275 Abs. 2 BGB auf „Extremfälle“ beschränken.1243 Bisweilen wird auch die Auffassung vertreten, die Vorschrift sei eine eng auszulegende Sondernorm.1244 Nicht selten wird in § 275 1240 Besonders pointiert Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 46 „unnützes Recht, das dem Gläubiger zu nichts verhilft“. 1241 s. zu Rechtfertigungsbemühungen Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 27; ders., JZ 2004, 214, 221 („strukturelle Bedingtheit der Problematik“), vgl. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 29 a. E., der für Missbrauchsfälle auf § 242 BGB verweist. 1242 Hierzu im Einzelnen sub „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff. 1243 So etwa Canaris, JZ 2001, 499, 502 (noch zu § 275 Abs. 2 KonsF): „in erster Linie auf Extremfälle zugeschnitten“, s. aber demgegenüber dens., aaO., S. 503: „zumindest den Marktpreis, u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis bieten“ sowie bereits im Kontext des DiskE dens., in: Schulze/Schulte-Nölke S. 43, 53; Eidenmüller, JURA 2001, 824, 832 („Extremfälle [. . .] bei denen die Kosten der Leistungserbringung für den Schuldner evidentermaßen um ein Vielfaches höher sind als der Nutzen für den Gläubiger“, freilich unter unrichtiger Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien); Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 52, 67 (s. jedoch zur dort vorgeschlagenen Staffelung nach Prozentangaben aaO., S. 51 f.); Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 69; Bamberger/Roth/ Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 36; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 90, 93, 97, 116, 136 (s. demgegenüber dens., aaO., S. 116, 118, 124); Kindl, WM 2002, 1313, 1315; Looschelders, SAT Rn. 475; S. Lorenz/Riehm, Rn. 310 (anders indes Rn. 309 a. E. für vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse); Mückl, JURA 2005, 809, 812 f.; A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 351, der zusätzlich voraussetzen möchte, dass eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB ausgeschlossen ist; vgl. ferner Brox/Walker, SAT31 § 22 Rn. 19; Kuhlmann/Nauen, FS Ehmann S. 31, 52; jüngst auch Schürholz, Die Nacherfüllung im neuen Kaufrecht S. 223 f. (s. aber auch dies., aaO., S. 195, 198); jetzt auch BAGE 111, 191, 200: „untragbares Ausmaß“ (im Anschluss an Canaris). Dagegen mit Recht Schwarze, JURA 2002, 73, 77 f. insb. bei und mit Fn. 37 und 48 (a. E.), jüngst auch Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 76 f. 1244 s. Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 27; S. Lorenz/Riehm, Rn. 310 („streng auszulegen“), in diese Richtung auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 8 a. E.; dies., in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 72, zu einer differenzieren-

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Abs. 2 BGB nur eine Regelung der Fälle „faktischer Unmöglichkeit“ gesehen.1245 So sich eine Begründung für derartige Einengungsbestrebungen überhaupt findet, werden oftmals unzutreffende Hinweise auf die Gesetzesmaterialien (dazu sogleich) gegeben oder schlicht auf den Grundsatz pacta sunt servanda verwiesen,1246 der als solcher freilich kein sehr stichhaltiges Argument zu liefern vermag, da seine Reichweite in den streitigen Fällen gerade festzustellen ist. Entgegen der irrigen Meinung, § 275 Abs. 2 BGB regele nur die „faktische Unmöglichkeit“, heißt es in der Gesetzesbegründung expressis verbis, dass mit § 275 Abs. 2 BGB „zwei unterschiedliche Fallgruppen erfasst“ werden, von denen sich eine auf die Fälle „faktischer oder praktischer Unmöglichkeit“ bezieht.1247 Weiterhin lässt eine Lektüre der Gesetzesmaterialien schnell erkennen, dass § 275 Abs. 2 BGB offenbar nicht nur Extremkonstellationen erfassen soll.1248 Nicht zuletzt verzichten die referierten Ansichten auf eine Differenzierung zwischen den beiden Regelungsproblemen (Stichworte: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“/„Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“), die § 275 Abs. 2 BGB überantwortetet wurden, entweder vollständig oder doch weitgehend. Bereits aus diesem Grund vermögen sie nicht zu überzeugen.1249 (d) Weitere Ansichten1250 Abschließend seien noch Überlegungen angesprochen, für den Maßstab des § 275 Abs. 2 BGB auf Richtwerte zurückzugreifen, die der BGH in anderen Bereichen entwickelt hat. den Betrachtung neigend hingegen jetzt AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 18 ff., insb. 25, 27. 1245 So z. B. Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 69; Staudinger/Emmerich (2003), Vorbem zu § 536 Rn. 7; Geiger, JZ 2001, 473, 474; Christian Hirsch, Kündigung S. 105, 172, (174); S. Lorenz/Riehm, Rn. 304; Rösler, JuS 2004, 1058, 1060, jetzt offenbar auch AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 15, 17 [s. demgegenüber noch AnwKomm/dens. (2002), § 313 Rn. 14 „soll nach den Gesetzesmaterialien nur die Fälle der sog. faktischen Unmöglichkeit [. . .] erfassen“, Hervorheb. im Original hier weggelassen]; ähnl. auch Kindl, WM 2002, 1313, 1315. 1246 s. etwa noch AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 8 a. E., für vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungserschwernisse zur gegenteiligen Ansicht neigend nunmehr AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 25. 1247 BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp. 1248 s. nur oben sub „(5) In Sonderheit: Die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen in Drittveräußerungsfällen“, S. 188 f. 1249 s. auch die Kritik von U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 552 mit Fn. 76a, 561 mit Fn. 108a; ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 35 bei und mit Fn. 26.

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§ 4 Die neue Rechtslage

So wird etwa diskutiert,1251 ob sich die so genannte 130%-Rechtsprechung des BGH im Bereich der Regulierung von Kfz-Schäden1252 fruchtbar machen ließe.1253 Nicht unbedingt hinderlich dürfte zunächst sein,1254 dass die Gewährung eines Integritätszuschlags1255 vom BGH im Unterschied zur (bislang) herrschenden Lehre nicht im Kontext der Unverhältnismäßigkeit nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB, sondern im Rahmen der „Erforderlichkeit“ des Geldbetrags i. S. von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (§ 249 S. 2 BGB a. F.) diskutiert wird,1256 handelt es sich wertungsmäßig doch um ein ganz ähnliches Problem.1257 Indes geht es in den einschlägigen Konstellationen um die Bestimmung der Grenze, bis zu welcher das Integritätsinteresse des Geschädigten im Schadensrecht geschützt werden soll. Mit Integritätsinteresse ist das Interesse des Geschädigten am Erhalt seines Vermögens in dessen gegenständlicher Zusammensetzung1258 gemeint. Demgegenüber betrifft § 275 Abs. 2 BGB die Frage, bis zu welcher Grenze das Interesse des (Vertrags-)Gläubigers an einer Erfüllung in Natur, die zur zukünftigen Mehrung seines Vermögens dient, Schutz erfahren soll. Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei um ein vollkommen unterschiedliches Regelungsproblem handelt, weshalb ein Rückgriff auf die 130%-Rechtsprechung bereits aus diesem Grund verfehlt wäre.1259 1250 Die Auffassung von Canaris braucht vorliegend nicht eigens dargestellt zu werden, da dessen grundlegende Ausführungen in JZ 2001, 499, 501 ff. weitgehend als Gesetzesbegründung zum SMG übernommen wurden (s. zur Darstellung und Kritik hierzu bereits ausf. oben sub „1. Entwurfsbegründung“, S. 175 ff. sowie noch unten sub „(b) Entstehungsgeschichte“, S. 379 f.), vgl. jüngst den Diskussionsbeitrag von Canaris anlässlich des Karlsruher Forums 2005 (Karlsruher Forum 2005, S. 210 f.): „ganz hoch angesetzte Grenze des § 275 Abs. 2“, „sehr strengen Haftung für den Primäranspruch“, „strengen Primärhaftung“, „harten Primärhaftung“. 1251 In diese Richtung möglicherweise H. P. Westermann, in: Schulze/SchulteNölke S. 109, 125 im Kontext von § 439 Abs. 3 DiskE, dagegen jüngst AnwKomm/ Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 46; Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 37 f., 58, abl. für den werkvertraglichen Nacherfüllungsanspruch MünchKomm/Busche (2005), § 635 Rn. 33. 1252 Hierzu ausf. oben sub „(c) Kfz-Schäden: BGH-Urteile vom 15. 10. 1991 (= BGHZ 115, 364 und 375) – Integritätszuschlag (‚130%‘)“, S. 215 ff. 1253 Dabei wäre jedoch zu beachten, dass die Grenze in den Kfz-Fällen effektiv zumeist deutlich höher liegt als bei 130%, zu den Gründen oben sub „b) Analyse“, S. 218 ff. 1254 Anders hingegen für § 439 Abs. 3 BGB U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 540 f. 1255 Vgl. zu den Hintergründen BGH, NJW 1999, 500, 501. 1256 Hierzu bereits oben sub „b) Analyse“, S. 218 ff. 1257 Vgl. MünchKomm/Oetker (2003), § 251 Rn. 42; ähnl. Staudinger/Schiemann (2005), § 251 Rn. 32. 1258 Vgl. z. B. BGHZ 115, 364, 369.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

375

Ein weiterer Vorschlag geht dahin, ein Missverhältnis nicht als grob einzustufen, ehe nicht der Beschaffungsaufwand so hoch ist, dass – hätte der Schuldner sich vertraglich verpflichtet, ihn zu bewältigen – ein auffälliges Missverhältnis i. S. des § 138 Abs. 1 BGB vorgelegen hätte.1260 Danach sei ein Missverhältnis nicht grob, wenn nicht der zusätzliche Beschaffungsaufwand so hoch ist wie der „normale“ Wert der geschuldeten Leistung, denn dann sei der Wert der vom Schuldner zu erbringenden Leistung doppelt so hoch wie der „normale“ Wert der ihm zustehenden Gegenleistung.1261 Diese Ansicht ist zu Recht auf Ablehnung in der Literatur gestoßen.1262 Ausgangspunkt für § 138 Abs. 1 BGB ist die mangelnde Äquivalenz des Werts der Leistung und der Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dieses Verhältnis spielt für § 275 Abs. 2 BGB jedoch keine Rolle, wie die durch § 275 Abs. 2 S. 1 BGB vorgegebene Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse zeigt. (3) Resümee Die Meinungen in der Literatur sind – wie gezeigt – durch eine erhebliche Bandbreite gekennzeichnet. Im Besonderen für vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse liegen die Ansichten äußerst weit auseinander: Während etwa die von Lobinger, E. Picker und J. Wilhelm propagierte Ablehnung einer „Mehraufwandspflicht“ den einen Extrempol bildet, stehen dem diametral diejenigen Auffassungen gegenüber, die § 275 Abs. 2 BGB generell auf „Extremfälle“ beschränken. Gewissermaßen eine Zwischenstellung nimmt die von Ackermann und U. Huber vertretene Meinung ein, der zufolge die Grenze des schuldnerischen Leistungsaufwands (im Regelfall) in Höhe des Kaufpreises zu ziehen sei.

1259

I. Erg. auch abl. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 22 f.; MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 89 (jedoch mit zweifelhafter Begründung); Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 39; Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 161 f.; jüngst Mückl, JURA 2005, 809, 813 f. 1260 So M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 40, zust. Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 294 („Mindestens“), sympathisierend Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 24 („Tragfähig“), ähnl. auch Bamberger/ Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 39 a. E., der dafür jedoch auf eine speziell zum Werkvertragsrecht ergangene Entscheidung des BGH verweist. 1261 So M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 41, der dies als „Normalgrenze“ bezeichnet, unterhalb derer mit der Bejahung von § 275 Abs. 2 BGB Vorsicht geboten sei. 1262 Dagegen etwa MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 89 mit Fn. 181 a. E., Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 161 f.; anders auch Schwarze, JURA 2002, 73, 77 mit Fn. 41.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Ein so genanntes „Schwellenproblem“1263 steht bei Lichte besehen nur in denjenigen Fällen von § 275 Abs. 2 BGB ernsthaft zu befürchten, in denen der Schuldner bei einer Befreiung von seiner Primärpflicht keiner sekundären Schadensersatzhaftung unterläge („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“). Für diese Fälle kommt es zu der Situation, dass der Schuldner Aufwandssteigerungen bis zur Erreichung der „Schwelle“ zu tragen hat und im Nichtleistungsfalle auch auf Schadensersatz statt der Leistung haftet (§§ 280, 281 BGB), bei Erreichen der Befreiungsschwelle dann allerdings vollständig frei würde, mithin überhaupt keinen Aufwand betreiben und auch keinen Schadensersatz leisten müsste. Bestünde demgegenüber eine sekundäre Schadensersatzhaftung, hätte der Schuldner bei Erreichen der Befreiungsschwelle statt der Leistung jedenfalls Schadensersatz zu leisten (§§ 280, 283 beziehungsweise § 311a Abs. 2 BGB); insoweit kann von einem „Schwellenproblem“ – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt gesprochen werden. Die Meinung, die für nicht zu vertretende Leistungshindernisse jegliche „Mehraufwandspflicht“ ablehnt (Lobinger, E. Picker und J. Wilhelm), vermeidet das Schwellenproblem, indem sie die Schwelle gleichsam bei Null festgelegt. Jedenfalls kein gravierendes Schwellenproblem tritt auf, wenn man die bei Erreichen der Schwelle drohende Situation einer vollständigen Schuldnerbefreiung dadurch abwendet, dass man den Schuldner generell – mithin auch für von ihm nicht zu vertretende Leistungshindernisse – garantiemäßig auf Schadensersatz haften lässt (Ehmann/Sutschet). Erheblich eingedämmt ist das Schwellenproblem auch, wenn man § 275 Abs. 2 BGB auf Extremfälle beschränkt, die Schwelle damit so hoch ansetzt, dass sie in den meisten Fällen nicht erreicht wird. Alle Lösungen, die gleichsam „dazwischen“ liegen, führen unweigerlich zu einem Schwellenproblem. Dies gilt freilich auch für die im Gesetz angeordnete Regelung („grobes Missverhältnis“). Das Problem ließe sich nur vermeiden, indem man für den Fall, dass die Schwelle erreicht beziehungsweise überschritten wird, keine vollständige Befreiung des Schuldners annähme, indem man diesem etwa eine angemessene Ausgleichszahlung auferlegte. Eine solche Lösung sieht das Gesetz indessen nicht vor. Das aufgezeigte Problem lässt sich zumindest für manche Fälle auf die Weise entschärfen, dass man dem Gläubiger das Recht einräumt, dem Schuldner einen Teil des Mehraufwands abnehmen zu können, um dadurch das Erreichen der Schwelle zu verhindern. Die referierten Literaturansichten erscheinen – wie gesehen – zum Teil mit dem geltenden BGB nicht oder nur bedingt vereinbar, erweisen sich als wenig sachgerecht oder muten zu schematisch und undifferenziert an. Letz1263

Hierzu stellv. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Abs. 29.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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teres gilt insbesondere für Meinungen, die zwischen den beiden § 275 Abs. 2 BGB überantworteten Regelungsproblemen nicht oder nicht im gebotenen Maße differenzieren („Einheitskonzeptionen“). Im Folgenden soll daher ein eigener Lösungsvorschlag unterbreitet werden. b) Eigener Ansatz (1) Ausgangspunkt: Unterscheidung zweier Regelungsprobleme Für den vorliegend entwickelten Ansatz ist die Trennung zweier Regelungsprobleme, deren Lösung der Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB zufällt, elementar. Das entscheidende Differenzierungskriterium, so haben die vorliegenden Untersuchungen zu Tage gefördert,1264 liegt darin, ob – bei hypothetischer Betrachtung – für den Fall einer Befreiung des Schuldners von seiner Primärpflicht eine alternative Schadensersatzhaftung bestünde oder nicht. Deren (hypothetischer Bestand) hängt im Ergebnis davon ab, ob der Schuldner ein (nachträgliches) Leistungshindernis zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte1265 oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat. Wäre hypothetisch eine Sekundärhaftung begründet, geht es bei § 275 Abs. 2 BGB um die Frage, bei Erreichen welcher Grenze der Gläubiger vom Erfüllungsanspruch auf den alternativen Sekundäranspruch verwiesen wird („Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“); rechtstechnisch erfolgt diese „Verweisung“ mittels Erhebung einer Einrede durch den Schuldner. Im umgekehrten Fall, eine Sekundärhaftung wäre hypothetisch betrachtet in Ermangelung schuldnerischen Vertretenmüssens nicht begründet, regelt § 275 Abs. 2 BGB demgegenüber die Frage, ab welcher Grenze dem Schuldner der Erfüllungsanspruch ersatzlos verwehrt wird („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“); auch insoweit wurde die rechtstechnische Konstruktion einer Einredeerhebung gewählt. Weiterhin ist in Erinnerung zu rufen, dass der maßgebliche Befreiungsmaßstab zwar bei den aufgezeigten Regelungsproblemen unterschiedlich anzusetzen sein wird (dazu noch später), nicht jedoch für die beiden Fallgruppen von Leistungshindernissen, welche jeweils auftreten können. Es handelt sich einerseits um Hindernisse, die jedermann einen erhöhten Aufwand abverlangen würden, und andererseits um solche, die gerade für den Schuldner einen gesteigerten Leistungsaufwand bedeuten, da er sich zur Leistungs1264

Eingehend oben sub „b) Eignung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘ als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB?“, S. 220 ff. 1265 s. zur Sonderbehandlung von Fällen schuldnerischer Kenntnis oben sub „a) Kenntnis“, S. 325 ff., 331, 333 f.

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§ 4 Die neue Rechtslage

erbringung die Kooperationsbereitschaft einer dritten Person „teuer“ erkaufen muss. Der Gleichheitssatz gebietet, für beide Fälle grundsätzlich keine unterschiedlichen Befreiungsmaßstäbe anzulegen.1266 (2) Auslegung Für die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB ist das Verständnis des „groben Missverhältnisses“ von ausschlaggebender Bedeutung. Der Begriff soll im Folgenden schulgerecht ausgelegt werden. (a) Wortsinn und Systematik Der Begriff des „groben Missverhältnisses“ deutet auf besonders hohe Anforderungen hin,1267 die für die Gewährung des Leistungsverweigerungsrechts erfüllt sein müssen. Dies legt zum einen die Verwendung des Begriffs „Missverhältnis“ nahe, der gegenüber einer bloßen „Unverhältnismäßigkeit“, wie sich das BGB in einer Reihe anderer Normen1268 ausdrückt, bereits eine höhere Hürde aufzurichten scheint. Jedenfalls aber wird durch das verstärkende Adjektiv „grob“1269 eine Verschärfung begründet. Von verschärften Anforderungen des § 275 Abs. 2 BGB gegenüber § 439 Abs. 3 S. 1 BGB gehen implizit auch die Gesetzesverfasser aus, wenn sie mit § 439 Abs. 3 BGB („nur mit unverhältnismäßigen Kosten“) ausdrücklich eine „niedrigere Schwelle“1270 festlegen wollten.1271 Ob es überzeu1266 s. hierzu oben sub „(1) Die ‚zwei unterschiedlichen Fallgruppen‘ und das Gleichbehandlungsgebot“, S. 179 f. 1267 s. P. Huber, in: Mainzer Runde 2001 S. 11, der insoweit von Extremfällen spricht. 1268 Vgl. etwa §§ 251 Abs. 2 S. 1, 439 Abs. 3 S. 1, 635 Abs. 3, 2170 Abs. 2 S. 2 BGB. 1269 Dazu auch BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 1270 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 232 li. Sp. unter Verweis auf das Wort „auch“, das aufgrund der Stellungnahme des BRats (BT-Drucks. 14/6857, S. 27 re. Sp. Nr. 94), der Zustimmung der BReg (BT-Drucks. 14/6857, S. 61 li. Sp. zu Nr. 94) sowie des Beschlusses des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 14/7052, S. 41 re. Sp., zum Bericht aaO., S. 197 li. Sp.) später in „unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3“ geändert wurde; Entsprechendes gilt für die Formulierung in § 635 Abs. 3 BGB (s. BTDrucks. 14/6857, S. 37 li. Sp. Nr. 131, S. 68 li. Sp. zu Nr. 131; BT-Drucks. 14/7052, S. 66 re. Sp., S. 205 li. Sp.); hierzu und zu den verwendeten Begriffen „Aufwand“, „Anstrengungen“ und „Kosten“ im Kontext der RL-Umsetzung U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 543 mit Fn. 46 und 48. 1271 Dem folgt weitgehend die Literatur, s. etwa Buck, in H. P. Westermann S. 105, 129; AnwKomm/Büdenbender (2005), § 439 Rn. 34; AnwKomm/ders. (2002), § 439 Rn. 7 mit Fn. 6; Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 24, 76; Gruber, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 187, 189; P. Huber/Faust, Kap. 13 Rn. 41; Oechsler, SBT

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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gende Sachgründe dafür gibt, die Befreiungsschwelle für die Nacherfüllungspflicht abzusenken, ist nicht frei von Zweifeln.1272 Festhalten lässt sich jedenfalls, dass der Begriff des „groben Missverhältnisses“ – gerade im systematischen Vergleich – sehr hohe Anforderungen für eine Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 2 BGB statuiert. (b) Entstehungsgeschichte Die Hinweise zu den Anforderungen an ein „grobes Missverhältnis“, im Besonderen die exemplarischen Befreiungsschwellen, die in der Gesetzesbegründung vorzufinden sind, wurden bereits dargestellt1273 und kritisch gewürdigt.1274 Probleme bestehen insoweit vornehmlich für das von § 275 Abs. 2 BGB erfasste Regelungsproblem, bei dem der Schuldner im Falle der Primärpflichtbefreiung keiner Schadensersatzhaftung unterläge („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“). Darüber, ob und in welchem Maße amtliche Gesetzesbegründungen für die Auslegung einer Gesetzesnorm Bindungswirkung entfalten können, herrscht Streit.1275 Jedenfalls vermögen die Gesetzesmaterialien wesentlich § 2 Rn. 63, 141 f.; ders., NJW 2004, 1825, 1827 f.; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse S. 96 ff.; HandKomm/Saenger, § 439 Rn. 4; Schubel, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 163, 178 f.; Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 29; Zerres, RIW 2003, 746, 754; Zimmer/Eckhold, JURA 2002, 145, 149, unklar Schellhammer, MDR 2002, 301, 307 (und 302); skeptisch H. P. Westermann, NJW 2002, 241, 248 mit Fn. 76. Wie die Gesetzesverfasser auch Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2120, denen zufolge § 275 Abs. 2 BGB daher als Grenze der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers ohne praktische Relevanz ist, i. Erg. ebenso Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 28; MünchKomm/H. P. Westermann (2004), § 439 Rn. 26 a. E., zurückhaltender P. Huber, NJW 2002, 1004, 1007 („nur einen geringen Anwendungsbereich“), anders dagegen U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 542 ff. 1272 Näher dazu unten bei Fn. 1342 ff. (S. 388 f.). 1273 Oben sub „a) Interessenbewertung durch die Entwurfsbegründung“, S. 175 ff. 1274 Sub „(4) Die unterschiedlichen Hinweise zum relevanten Maßstab“, S. 186 f., „(5) In Sonderheit: Die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen in Drittveräußerungsfällen“, S. 188 f. sowie „(1) Gesetzesmaterialien und Literaturstimmen“, S. 341 ff. 1275 Nach Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 150 f., 165, 207 (Hervorheb. im Folgenden jew. nicht im Original) sind zwar die „Normvorstellungen der Gesetzesverfasser für die Auslegung nicht bindend“, „verdienen [. . .] doch jedenfalls insoweit Beachtung, als ihnen vernünftige Erwägungen zugrunde liegen“ (aaO., S. 207); die „näheren Normvorstellungen der an der Vorbereitung und Abfassung des Gesetzes beteiligten Personen [. . .] stellen [. . .] wertvolle Hilfen für das Verständnis des Norminhalts dar“, da sie „aber in der Regel nicht den Willen des eigentlichen Gesetzgebers dar[stellten]“, seien sie „für den Ausleger auch nicht verbindlich“ (aaO., S. 165); die in Streit stehenden beispielhaft angeführten Befreiungsschwellen dürften vorliegend nicht zu den „Wertentscheidungen des Gesetzgebers“ (hierzu aaO.,

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§ 4 Die neue Rechtslage

dazu beizutragen, die gesetzgeberische Interessenbewertung, den Normzweck,1276 herauszufinden. Die in der Entwurfsbegründung enthaltenen Hinweise, vor allem die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen, gehen auf einen Beitrag von Claus-Wilhelm Canaris in der Juristenzeitung1277 zurück, wo sie dieser als seine persönliche Meinung gekennzeichnet hat;1278 seine Ausführungen wurden später nahezu wortgleich in die Regierungsbegründung übernommen. Während U. Huber zufolge „[d]ie Meinung der Verfasser der Regierungsbegründung [. . .] hier nicht mehr als jede andere zähl[e]“1279, ist Canaris der Ansicht, „indem das Bundesjustizministerium sich diese Position [sc. von Canaris] zu Eigen gemacht ha[be], ha[be] sie ihr somit weitaus mehr Gewicht gegeben und sie in den Rang eines relevanten Auslegungselements erhoben“1280; weiterhin erfahren wir von dem genannten Mitglied der Kommission Leistungsstörungsrecht, aus deren Feder § 275 Abs. 2 BGB stammt, dass dort „über diese Frage [sc. offenbar die beispielhaften Befreiungsschwellen] nicht näher diskutiert worden war“1281. Doch ganz unabhängig von dieser Kontroverse ist die Aussagekraft beziehungsweise hier sogar die Verwertbarkeit der einschlägigen Gesetzesmaterialien vorliegend ganz erheblichen Zweifeln unterworfen; unter diesem Blickwinkel wird auf die Bedeutung der Gesetzesbegründung noch zurückzukommen sein.1282 S. 150), die Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 165 für „grundsätzlich bindend“ halten, gehören; gegen eine Bindungswirkung U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 564 f. m. weit. Nachw.; ders. im Rahmen der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2002, s. Karlsruher Forum 2002, S. 139 f. („Hilfsmittel, aber nicht mehr“); ferner Pawlowski, Einführung Rn. 195 mit Fn. 40 a. E. (s. aber auch dens., Methodenlehre Rn. 618 ff., insb. 622 ff., zum Gesichtspunkt faktischer Bindung aaO., Rn. 388 ff.), abl. auch Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 10 (und 12 f.). Anders demgegenüber Vertreter der so genannten „Paktentheorie“, s. Engisch, Einführung S. 120; MünchKomm/Säcker (2001), Einl. Rn. 124; sympathisierend gerade im Kontext des seinem Inhalt nach „in weitem Umfang recht technische[n]“ SMG Canaris im Rahmen der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2002, s. Karlsruher Forum 2002, S. 144 f. (und 155), dem zufolge nicht alle Stellungnahmen in den Gesetzesmaterialien dasselbe Gewicht haben, aaO., S. 146 (und auch 205). Differenzierend etwa Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 42 ff., 176. 1276 Hierzu Rüthers, Rechtstheorie Rn. 717 ff., s. auch Chr. Fischer, ZfA 2002, 215, 223 f., 234. 1277 Canaris, JZ 2001, 499, 503. 1278 „Nach meiner Meinung [. . .]“ (s. JZ 2001, 499, 503), hierzu auch Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 26 mit Fn. 67. 1279 s. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 564 (und 562 mit Fn. 113) im Kontext des in der Entwurfsbegründung herangezogenen Sphärengedankens. 1280 Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 26 mit Fn. 67. 1281 So – in Parenthese – Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 26 mit Fn. 67. 1282 Sub „(b) Methodik“, S. 403 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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(c) Normzweck Für dasjenige Regelungsproblem des § 275 Abs. 2 BGB, welches in der vorliegenden Untersuchung mit dem Stichwort „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ gekennzeichnet wird, bezweckt die Norm eine Konkretisierung des Rechtsmissbrauchsverbots.1283 In bestimmten Fällen sehr hohen Leistungsaufwands soll der Schuldner berechtigt sein, den Gläubiger von dessen Erfüllungsanspruch auf den diesem alternativ zu Gebote stehenden Schadensersatzanspruch zu verweisen; die dafür vom Gesetzgeber gewählte rechtstechnische Ausgestaltung als Einrede – in Abweichung zur herkömmlichen Einordnung des Rechtsmissbrauchs als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung –1284 ist für den maßgeblichen Normzweck ohne Bedeutung. Der benannte Normzweck kommt hingegen für die Fälle, in denen der Schuldner bei einer Befreiung von seiner Primärpflicht in Ermangelung eines Vertretenmüssens keiner sekundären Schadensersatzhaftung unterläge, nicht in Betracht. Rechtsmissbrauch scheidet insoweit praktisch immer schon deshalb aus, da der Gläubiger ein vitales Interesse an der Geltendmachung seines Erfüllungsanspruchs besitzt, stünde er im Falle der Versagung doch „rechtlos“.1285 Soweit in den Gesetzesmaterialien ein solcher Zusammenhang herzustellen versucht wird („gewisse Parallele“, § 275 Abs. 2 S. 11286 RegE bringe den „allgemeinen Rechtsgedanken“ zur Geltung)1287, kann dem nicht zugestimmt werden. Für das gesonderte Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ ist der Normzweck des § 275 Abs. 2 BGB vielmehr darin zu sehen, für die Erfüllungspflicht des Schuldners eine moderate Grenze1288 zu bestimmen. Ein angemessener Interessenausgleich ist insoweit im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu finden. Die Norm bezweckt auch den Schutz des Schuldners vor einer Belastung mit allzu hohem Aufwand.1289 1283 Hierzu etwa „1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB“, S. 243 ff. 1284 Vgl. stellv. Palandt65 /Heinrichs, § 242 Rn. 41. 1285 Eingehend sub „(3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 224 ff. 1286 Insoweit behandelt die Gesetzesbegründung beide Regelungsprobleme des § 275 Abs. 2 BGB, s. insb. aaO., S. 130 re. Sp. 1287 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp., weiter gehend aaO., S. 232 li. Sp. 1288 Stark in diese Richtung deuten die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen in BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 1289 Insoweit zutreffend P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 (bei und mit Fn. 35), 65, 75 (sowie Rn. 40 mit Fn. 34 a. E.) und passim, ferner auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 97 f. und 132 (Schutz des Schuldners vor übermäßiger Inanspruchnahme).

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§ 4 Die neue Rechtslage

Demgegenüber ist Überlegungen nicht zu folgen, nach denen der primäre Normzweck von § 275 Abs. 2 BGB in der Vermeidung von Ressourcenvergeudung1290, namentlich der Verhinderung von Nachteilen für die Volkswirtschaft1291, zu sehen sei.1292 Solche Erwägungen spielen – wenn überhaupt – nur eine ganz untergeordnete Rolle. Mitnichten vermögen sie die Auslegung der Norm in der Weise zu determinieren, wie dies zum Teil vorgeschlagen wird.1293 Soweit in diesem Kontext hingegen angeführt wird, eine zu hoch angesetzte Obergrenze berge die Gefahr, dass Verhandlungen zwischen den Parteien scheiterten,1294 liegt darin ein zumindest mit zu berücksichtigender Gesichtspunkt. (d) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung, die bei Mängeln der Kaufsache geschuldet ist,1295 unter den Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB verweigern, siehe § 439 Abs. 3 S. 1 („unbeschadet des § 275 Abs. 2“).1296 Handelt es sich im konkreten Fall um einen Verbrauchsgüterkauf,1297 betrifft § 275 Abs. 2 BGB als Vorschrift zur Bestimmung der Grenze der Nacherfüllungspflicht die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie1298 (im Folgenden: VerbrGüterkauf-RL).1299 Für den Bereich unmittelbarer Richtlinienumsetzung ist eine Transformationsnorm1300 1290 Stellv. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 und 47 (dort besonders zu volkswirtschaftlichen Erwägungen), 53, 56 f., 61, 65, 75. 1291 Zu Literaturnachweisen s. oben Fn. 1185 (S. 364). 1292 Dagegen auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 97 f. 1293 Krit. bereits oben sub „(a) Obergrenze für Aufwand ‚relativ knapp‘ über Leistungsinteresse – Konkretisierung mittels gestaffelter Prozentangaben (Faust)“, S. 364 ff. 1294 So sinngemäß P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 56, vgl. zum Gesichtspunkt einer Verhandlungslösung auch Eidenmüller, JZ 2005, 216, 222. 1295 §§ 439 Abs. 1, 437 Nr. 1, 434 BGB. 1296 Inwiefern § 275 Abs. 2 BGB zur Begrenzung der Nacherfüllungspflicht überhaupt praktische Relevanz erlangen soll, wenn in § 439 Abs. 3 BGB ausweislich seines Wortlauts und der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/6040, S. 232 li. Sp.) eine gegenüber § 275 Abs. 2 BGB „niedrigere Schwelle“ festgelegt wurde, muss vorliegend nicht vertieft werden, abl. etwa Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2120, skeptisch P. Huber, NJW 2002, 1004, 1007 („nur einen geringen Anwendungsbereich“), anders U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 542 ff. 1297 Vgl. Art. 1 VerbrGüterkauf-RL. 1298 Abl. EG Nr. L 171/12–16 (abgedr. in NJW 1999, 2421–2424), zu ihr ausf. etwa Ehmann/Rust, JZ 1999, 853 ff.; Hänlein, DB 1999, 1641 ff.; Schwartze, ZEuP 2000, 544 ff. 1299 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 16. 1300 Vgl. zu ihnen MünchKomm/Ernst (2003), Vor § 275 Rn. 22 f.; MünchKomm/ S. Lorenz (2004), vor § 474 Rn. 2.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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– hier § 275 Abs. 2 BGB – richtlinienkonform auszulegen.1301 Zu fragen ist, ob und inwieweit Richtlinienvorgaben auch für die in der vorliegenden Untersuchung behandelte Erfüllungspflicht bestehen. Dazu ist zunächst der Geltungsbereich der VerbrGüterkauf-RL zu ermitteln (sub a) sowie in einem weiteren Schritt zu klären, inwiefern Richtlinienvorgaben auch außerhalb ihres unmittelbaren Geltungsbereichs (mittelbare) Bedeutung für die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB zukommen kann (sub b). Sodann ist zu prüfen, welche Vorgaben in der VerbrGüterkauf-RL getroffen wurden und ob diese mit dem vorliegend für § 275 Abs. 2 BGB vorgeschlagenen und bereits angedeuteten Konzept in Einklang stehen (sub g). a) Geltungsbereich der Richtlinie Wenngleich unter die in Art. 3 Abs. 1 VerbrGüterkauf-RL genannte Pflicht des Verkäufers1302, „dem Verbraucher1303 dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern“, auch die Pflicht subsumierbar erscheint, das betreffende Gut überhaupt zu liefern,1304 ist die Richtlinie doch auf Mängelfälle zugeschnitten.1305 Sie richtet ihr Augenmerk auf die Vertragswidrigkeit von beweglichen1306 Verbrauchsgütern,1307 wodurch Sachmängel1308 wie auch die Falschlieferung (aliud-Lieferung) und Mengenfehler erfasst sind;1309 im deut1301 Die richtlinienkonforme Auslegung von Transformationsnormen ist praktisch unbestr., vgl. jew. m. weit. Nachw. Canaris, JZ 2003, 831, 837; Drexl, FS Heldrich S. 67; Grundmann, JuS 2002, 768, 770 f.; Habersack/Mayer, JZ 1999, 213, 214; AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 11 Kauf-RL Rn. 4 f.; ders., ZGS 2002, 23, 25; Unberath, ZEuP 2005, 5 ff.; aus der Rspr. s. insb. EuGH v. 13. 11. 1990, Rs. C-106/89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135; EuGH v. 10. 4. 1984, Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, I-1891. 1302 Des Unternehmers i. S. von Art. 1 Abs. 2 lit. c) VerbrGüterkauf-RL, s. auch § 14 BGB. 1303 s. Art. 1 Abs. 2 lit. a) VerbrGüterkauf-RL sowie § 13 BGB. 1304 Dafür Grundmann/Bianca/Bianca, Art. 3 Rn. 3; Grundmann/Bianca/Grundmann, Art. 2 Rn. 5; a. A. AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 2 Kauf-RL Rn. 1 f. und 5; ders., ZGS 2002, 23, 24. 1305 So bereits Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410 f.; s. auch MünchKomm/Ernst (2003), Vor § 275 Rn. 22, zuletzt wieder ders., FS U. Huber S. 183, 207. 1306 Hierzu Art. 1 Abs. 2 lit. b) VerbrGüterKauf-RL. 1307 s. insb. Erwägungsgrund Nr. 6 der VerbrGüterKauf-RL. 1308 Streitig ist, ob Rechtsmängel von der Richtlinie erfasst werden, dagegen MünchKomm/S. Lorenz (2004), vor § 474 Rn. 10; AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 2 Kauf-RL Rn. 2; ders., ZGS 2002, 23, 24, ferner bereits Brüggemeier, JZ 2000, 529, 530; Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410, 1411; Jorden/Lehmann, JZ 2001, 952 mit Fn. 2; Zimmer, in: Ernst/Zimmermann S. 191, 195; a. A. Grundmann/Bianca/ Bianca, Art. 3 Rn. 6; Grundmann/Bianca/Grundmann, Art. 2 Rn. 14 f. 1309 s. AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 2 Kauf-RL Rn. 5 m. weit. Nachw.

384

§ 4 Die neue Rechtslage

schen Recht lösen bei Gefahrübergang bestehende Sachmängel1310 den Nacherfüllungsanspruch gemäß §§ 439 Abs. 1, 437 Nr. 1 BGB aus. Nicht thematisiert werden in der Richtlinie hingegen Fälle, in denen die Leistung schlechthin unterbleibt, also der Erfüllungsanspruch (aus Perspektive des Schuldners: die Erfüllungspflicht) betroffen ist. Diese Beschränkung der Richtliniengeltung auf reine Mängelfälle manifestiert sich sehr deutlich:1311 Schon die Bezeichnung der Richtlinie deutet darauf hin, da ihr Gegenstand im Titel1312 auf „bestimmte Aspekte“ des Verbrauchsgüterkaufs begrenzt wurde. So heißt es denn auch in Erwägungsgrund Nr. 6, dass sich eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf „in dieser Hinsicht [sc. der Vertragswidrigkeit von Waren] als geboten“ erweise. Weiterhin soll der Verkäufer dem Verbraucher nach Art. 3 Abs. 1 VerbrGüterkauf-RL „für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht“1313, haften. Damit wird vorausgesetzt, dass der Verkäufer bereits ein – wenngleich nicht vertragsgemäßes – Gut geliefert hat; ob der Verkäufer die Lieferung überhaupt schuldet, die Frage der vorliegend untersuchten Primärpflichtgrenze, wird nicht behandelt. Ferner sind auch die in Art. 3 Abs. 2 VerbrGüterkauf-RL angeführten Rechtsbehelfe der ersten Stufe – Nachbesserung beziehungsweise Ersatzlieferung – nur denkbar, wenn der Verkäufer überhaupt schon ein Gut geliefert hat. Schließlich kann sich die in Erwägungsgrund Nr. 8 für sinnvoll erachtete widerlegbare Vermutung der Vertragsmäßigkeit1314 nur auf Fälle mangelhafter Leistung, nicht hingegen auf Fälle der schlichten Nichtleistung beziehen. Es spricht demnach sehr viel dafür, dass die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten nicht im unmittelbaren Geltungsbereich der VerbrGüterkauf-RL liegt; unstreitig trifft dies für Geschäfte jenseits von Verbrauchsgüterkäufen zu, etwa bei Kaufgeschäften unter Privaten sowie unter Gewerbetreibenden, von Verbrauchern an Gewerbetreibende, bei unbeweglichen Sachen oder auch anderen Vertragstypen wie etwa reinen1315 Werkverträgen. Außerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie besteht kein EG-rechtliches Gebot richtlinienkonformer Auslegung.1316 So nimmt es 1310 Denen die aliud-Lieferung und Mengenabweichungen gem. § 434 Abs. 3 BGB gleichgestellt sind. 1311 Weiterhin werden durch die VerbrGüterKauf-RL auch Schadensersatzansprüche nicht erfasst, s. Art. 8 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund Nr. 6 der VerbrGüterKaufRL, ferner Grundmann/Bianca/Bianca, Art. 3 Rn. 77; AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 2 Kauf-RL Rn. 2; ders., ZGS 2002, 23, 24. 1312 Ebenso Art. 1 Abs. 1 VerbrGüterkauf-RL. 1313 Hervorheb. nicht im Original. 1314 Hierzu § 476 BGB. 1315 Vgl. insoweit Art. 1 Abs. 4 VerbrGüterkauf-RL. 1316 s. nur AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 11 Kauf-RL Rn. 5, zur Ansicht von Drexl, FS Heldrich S. 67, 83 ff. und 86 sogleich im Text.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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kaum Wunder, dass Beiträge zu § 275 Abs. 2 BGB, die die Grenzen der Erfüllungspflicht – anders freilich für die kaufrechtliche Nacherfüllungspflicht – behandeln, soweit ersichtlich durchweg keine unmittelbare Richtlinienkonformität thematisieren.1317 Dies gilt selbst für solche Darstellungen, die eine potentielle Richtlinienwidrigkeit in sich bergen, da sie – ähnlich wie die vorliegende Arbeit – für eine partielle Absenkung der Befreiungsanforderungen von § 275 Abs. 2 BGB plädieren.1318 b) Bedeutung von Richtlinienvorgaben Auch wenn der Gutteil des Anwendungsgebiets von § 275 Abs. 2 BGB nicht in den unmittelbaren Geltungsbereich der Richtlinie fällt, könnten Richtlinienvorgaben1319 gleichwohl mittelbare Bedeutung für die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB gewinnen. Dies erscheint unter drei Gesichtspunkten denkbar. Die Richtlinienvorgaben könnten als Auslegungskriterium insofern relevant sein, als der zur Transformation der VerbrGüterkauf-RL berufene deutsche Gesetzgeber im Bemühen um eine „große kaufrechtliche Lösung“1320 eine möglichst weit reichende Einheit des Kaufrechts1321 angestrebt hat.1322 Es ist vorliegend nicht der Ort, zu diskutieren, ob es tatsächlich sinnvoll war, gerade den Verbrauchsgüterkauf mit den dort bestehenden Besonderheiten 1317

I. Erg. offenbar auch Canaris, JZ 2004, 214, 216 f. und 219 f. Beispielhaft sei die Kommentierung des § 275 Abs. 2 BGB von Ernst im Münchener Kommentar genannt: Dort wird die Richtlinienkonformität – soweit ersichtlich – nicht thematisiert, obgleich Ernst – ähnl. der vorliegend vertretenen Position – für eine partielle Absenkung des Befreiungsmaßstabs plädiert (s. insb. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 101 ff.); nur für Fälle bloßer Sachverschlechterungen – soweit also die Nacherfüllungspflicht betroffen ist – wird die Richtlinienwidrigkeit von Ernst (in FS U. Huber S. 183, 203 mit Fn. 104) angesprochen. 1319 Zu ihnen näher sub „g) Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL“, S. 391 ff. 1320 Büdenbender, DStR 2002, 312, 313, s. auch Boerner, ZIP 2001, 2264; Zimmer, in: Ernst/Zimmermann S. 191, 192 (im Kontext des DiskE), zum Streit um die „große“ Lösung ausf. oben „II. Der Streit um die ‚große‘ Lösung in Gestalt des (konsolidierten) Diskussionsentwurfs (2000/2001)“, S. 107 ff. 1321 Nur die §§ 474 ff. BGB gelten speziell für den Verbrauchsgüterkauf. 1322 Vgl. Büdenbender, DStR 2002, 312, 313 f.; Heß, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt S. 665, 679 und 682; Canaris, JZ 2003, 831, 837; ders., JZ 2003, 1156, 1157; Drexl, FS Heldrich S. 67, 71 und 80 mit Fn. 65 (wo es offenbar „Verbrauchsgüterkaufrichtlinie“ heißen muss); Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 38; Grundmann, AcP 204 (2004), 569, 572 bei und mit Fn. 8; AnwKomm/ Pfeiffer (2005), Art. 11 Kauf-RL Rn. 6 f.; ders., ZGS 2002, 23, 26. s. auch im Kontext der Umsetzung der Haustürgeschäfte-Richtlinie BGHZ 150, 248, 260 ff. – Heininger m. weit. Nachw. Vgl. auch W.-H. Roth, FG 50 Jahre BGH Bd. II S. 847, 883 (Anwendung der richtlinienkonformen Auslegung kraft nationalen Rechts). 1318

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§ 4 Die neue Rechtslage

gleichsam als Vorbild für alle „Klassen“1323 von Kaufverträgen zu wählen. Jedenfalls werden Sachverhalte außerhalb von Verbrauchergeschäften nicht selten erhebliche Unterschiede in der Interessenlage und -bewertung aufweisen, die eine differenzierte Auslegung kaufrechtlicher Normen sowie Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts1324 geboten erscheinen lassen.1325 Weiterhin wird die Ansicht vertreten, es bestehe für den nicht unmittelbar durch die Richtlinie determinierten Anwendungsbereich einer Transformationsnorm zumindest ein nationalstaatliches Gebot „quasi-richtlinienkonformer“1326 Auslegung,1327 andere sprechen von einer „richtlinienorientierten“ Auslegung;1328 teils wird sogar eine gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen Auslegung aus Art. 10 Abs. 2 EG und dem Grundsatz der vollständigen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts (effet utile) abzuleiten versucht.1329 Wenngleich eine „gespaltene“ Auslegung so genannter „hybrider“ Normen1330 im Grundsatz zumeist abgelehnt wird,1331 gewinnen die davon möglichen Ausnahmen vorliegend erhebliche Bedeutung. In Hinsicht auf die VerbrGüterkauf-RL ist stets zu prüfen, inwieweit eine bestimmte Richtlinienvorgabe Ausdruck von Schutzbedürfnissen bei Verbraucherverträgen ist, die außerhalb von Verbrauchergeschäften nicht bestehen oder zurückstehen müssen.1332 Eine deutsche Vorschrift kann daher bei Verkäufen außerhalb des Bereichs des Verbrauchsgüterkaufs, etwa weil spezifische Verbrau1323

Näher zu ihnen Brüggemeier, JZ 2000, 529, 530. Mit dem das Kauf- und Werkvertragsrecht weitgehend verzahnt ist. 1325 Dazu sogleich noch näher im Text. 1326 s. zu diesem Begriff Hommelhoff, FG 50 Jahre BGH Bd. II S. 889, 915. 1327 Hierzu AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 11 Kauf-RL Rn. 7; ders., ZGS 2002, 23, 26 m. weit. Nachw. 1328 s. MünchKomm/S. Lorenz (2004), vor § 474 Rn. 4; Unberath, ZEuP 2005, 5, 7. 1329 s. Drexl, FS Heldrich S. 67, 83 ff. und 86, der daher auch in bestimmten Fällen eine Vorlagepflicht des letztinstanzlich entscheidenden nationalen Gerichts nach Art. 234 Abs. 3 EG annimmt, aaO., S. 84, dagegen AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 11 Kauf-RL Rn. 7; dens., ZGS 2002, 23, 27, der aber gleichwohl eine (freiwillige) Vorlage für sinnvoll hält; s. auch MünchKomm/S. Lorenz (2004), vor § 474 Rn. 4 m. weit. Nachw.; Habersack/Mayer, JZ 1999, 919 ff., insb. 921 lehnen demgegenüber eine Vorlage insoweit generell ab. 1330 Zu ihnen eingehend Drexl, FS Heldrich S. 67, 70 ff. 1331 Nach W.-H. Roth, FG 50 Jahre BGH Bd. II S. 847, 884 soll eine gespaltene Auslegung stets ausscheiden; s. auch Heß, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 665, 680 f., im Grundsatz für eine einheitliche Auslegung Bärenz, DB 2003, 375 f. 1332 s. im Kontext der VerbrGüterkauf-RL Drexl, FS Heldrich S. 67, 78 und 85 f. (für den B2B-Bereich); AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 11 Kauf-RL Rn. 7; ders., ZGS 2002, 23, 26; ferner in anderen Kontexten Habersack/Mayer, JZ 1999, 913, 921; Hommelhoff, FG 50 Jahre BGH Bd. II S. 889, 915 f. und 923 f. 1324

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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cher schützende Erwägungen nicht passen, anders auszulegen sein.1333 Im vorliegenden Zusammenhang rückt der Gesichtspunkt in den Vordergrund, dass sich eine (etwaige) besondere Belastung des Verkäufers beim Verbrauchsgüterkauf vor allem daraus legitimieren könnte, dass den (Schutz-)Interessen von Verbrauchern bei Geschäften mit Unternehmern besondere Bedeutung beigemessen wird. Die aus der besonderen Schutzwürdigkeit heraus vorgenommene Verbesserung der Position von Verbrauchern im Verhältnis zu Unternehmern lässt sich indes nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres auf andere Rechtsverhältnisse übertragen. Anders wird dies offenbar von Canaris beurteilt, der den Gesichtspunkten Verkehrsbedürfnis und Sphärengedanke gerade im Kontext des § 275 Abs. 2 BGB „besondere Überzeugungskraft“ beimisst, wenn ein Verkäufer professionell handelt, sie aber auch bei privaten Verkäufern für „nicht unpassend“ hält.1334 Bereits die vorstehend als Zitat wiedergegebene Formulierung deutet auf Unterschiede hin. Soweit man in den einschlägigen Fällen zufallsbedingter Aufwandssteigerungen die Frage nach dem „Bedürfnis des Verkehrs nach Verläßlichkeit des Vertrages und Rechtssicherheit“1335 in den Vordergrund stellen möchte, ist man bei deren Beantwortung nicht von der Notwendigkeit gebotener Differenzierungen entbunden. Um es mit einem zugespitzten Beispiel zu veranschaulichen: Es mag triftige Sachgründe dafür geben, zur Erreichung eines gemeinsamen Mindestsockels an Verbraucherrechten in der EU1336 das Vertrauen eines Verbrauchers, der bei einem gewerblichen Kfz-Händler (Unternehmer) ein Auto kauft, in hohem Maße zu schützen – demgegenüber hat man dem Vertrauen eines gewerblichen Kfz-Händlers, der seinerseits von einem Verbraucher dessen gebrauchten Pkw kauft, nicht gleichfalls erhöhten Schutz zuteil werden zu lassen. Weiterhin ist auch der ins Feld geführte Sphärengedanke zu Recht erheblichen Einwänden in der Literatur ausgesetzt.1337 Schließlich kommt es im Kontext der Primärpflichtbefreiung auch entscheidend auf das Interesse des Schuldners an; dieses besteht darin, gerade in Fällen von „Zufallshindernissen“ keinen allzu hohen Mehraufwand betreiben zu müssen. Insoweit erscheint es durchaus möglich, dem Interesse eines Unternehmers im Verhältnis zu einem Verbraucher weniger starken 1333 s. AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 11 Kauf-RL Rn. 7 a. E.; ferner dens., ZGS 2002, 23, 26, ferner – wenngleich zurückhaltend – Bärenz, DB 2003, 375, 376; vgl. jüngst auch S. Lorenz, Neues Leistungsstörungsrecht S. 17 f. 1334 Im Einzelnen Canaris, JZ 2004, 214, 223 (re. Sp.), worauf ders. im Kontext von Art. 3 VerbrGüterkauf-RL verweist, s. aaO., S. 217 mit Fn. 20. 1335 Canaris, JZ 2004, 214, 223 (re. Sp.). 1336 So das erklärte Ziel der VerbrGüterkauf-RL, s. Erwägungsgrund Nr. 5 und Art. 8 Abs. 2 VerbrGüterkauf-RL. 1337 Stellv. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 564 sowie oben sub „(5) In Sonderheit: Die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen in Drittveräußerungsfällen“, S. 188 f.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Schutz einzuräumen, als kontrahierte er mit einem gleichfalls gewerblich Tätigen. Vor dem Hintergrund bestehender Unterschiede in der Interessenbewertung und der Schutzwürdigkeit erscheinen daher Binnendifferenzierungen – soweit notwendig – durchaus sachgerecht und möglich.1338 Vorgaben der VerbrGüterkauf-RL könnten aus einem dritten Grund auf die vorliegend untersuchte Erfüllungspflicht ausstrahlen: Unterstellt man, die Befreiungsanforderungen hinsichtlich der Nacherfüllungspflicht seien nach zwingenden Vorgaben der Richtlinie besonders streng, dürfte für die Erfüllungspflicht nichts wesentlich anderes gelten. Denn es bestünde keine Rechtfertigung dafür, die Erfüllungspflicht des Verkäufers (vergleiche § 433 Abs. 1 S. 1 BGB) wesentlich „schwächer“ auszugestalten als seine Nacherfüllungspflicht (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 439 Abs. 1 BGB).1339 Zur Vermeidung drohender Wertungswidersprüche müsste eine durch die Richtlinie vorgegebene Befreiungsschwelle im Grunde auf die Erfüllungspflicht übertragen werden; jedenfalls dürfte die Erfüllungspflicht nicht einer wesentlich niedrigeren Befreiungsschwelle unterliegen. Die VerbrGüterkauf-RL könnte demnach – vermittelt über das Gebot, Wertungswidersprüche möglichst zu vermeiden – Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung des § 275 Abs. 2 BGB in seiner Anwendung auf die Erfüllungspflicht entfalten. In der umgekehrten Richtung scheint jedoch der deutsche Gesetzesgeber Wertungswidersprüche heraufbeschworen zu haben, indem er für die Nacherfüllungspflicht in § 439 Abs. 3 BGB („nur mit unverhältnismäßigen Kosten“) eine im Vergleich zum Erfüllungsanspruch („grobes Missverhältnis“, § 275 Abs. 2 S. 1 BGB) „niedrigere Schwelle“1340 festlegen wollte.1341 Ob überzeugende Sachgründe existieren, die es rechtfertigen, die Befreiungsschwelle für die Nacherfüllungspflicht niedriger anzusetzen als für die Erfüllungspflicht, ist Zweifeln unterworfen.1342 Jedenfalls verfängt der Hinweis darauf, der Schuldner habe bereits einen Erfüllungsversuch unternommen und dürfe daher zunächst davon ausgehen, dass er das seinerseits zur Erfüllung des Kaufvertrags Erforderliche getan habe,1343 nicht. Entscheidend ist, dass die vom 1338 s. auch J. Wilhelm, DB 2004, 1599, 1600 mit Fn. 8, vgl. auch Jauernig11 / Berger, § 439 Rn. 15, der die Eigenschaft des Verkäufers als Unternehmer oder Verbraucher als Kriterium bei § 439 Abs. 3 BGB heranzieht. 1339 I. Erg. jüngst auch E. Picker, FS Konzen S. 687, 704, noch weiter gehend Canaris, JZ 2004, 214, 217 [li. Sp., sub b)] und 220 [li. Sp.], der davon ausgeht, „wertungsmäßige Fixpunkte“ im Gewährleistungsrecht „präformier[t]en“ die Reichweite der Erfüllungspflicht. 1340 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 232 li. Sp., Näheres oben in Fn. 1270 (S. 378). 1341 Dem folgt weitgehend die Literatur, s. die Nachw. oben in Fn. 1271 (S. 378 f.). 1342 Verteidigend Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 76 f.; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 129 f.; Unberath, ZEuP 2005, 5, 21. 1343 s. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 76; zust. Unberath, ZEuP 2005, 5, 21.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Verkäufer gelieferte Sache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs1344 mangelhaft (vergleiche § 434 Abs. 1 S. 1 BGB) ist, er demnach „objektiv“ gerade nicht das zur Erfüllung Erforderliche (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) getan hat. Man sollte die „Abnahme“ durch den Käufer auch nicht überbewerten, da bestehende Mängel – im Besonderen Rechtsmängel – (meist) nicht erkennbar sein werden. Dass dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung zwei Rechtsbehelfe eingeräumt wurden (Nachbesserung beziehungsweise Nachlieferung),1345 bewirkt jedenfalls dann keinen Vorteil, wenn einer der Rechtsbehelfe a priori nicht in Betracht kommt. Dies sei an einem Fallbeispiel veranschaulicht, das die Aufstellung unterschiedlicher Befreiungsanforderungen für Erfüllungs- und Nacherfüllungspflicht jedenfalls in Teilbereichen als zweifelhaft erscheinen lässt.1346 Beispiel: Jemand kauft ein Gemälde eines bekannten Künstlers. Er erwirbt vom Verkäufer indes kein Eigentum, da das Gemälde nicht dem Verkäufer gehört, sondern dem wahren Eigentümer gestohlen wurde (§ 935 Abs. 1 S. 1 BGB). Da es sich um ein Unikat handelt, scheidet die Nachlieferung eines anderen Gemäldes aus.1347 Als potentieller Nacherfüllungsanspruch kommt damit nur die Beseiti1344 Dieser Zeitpunkt wird zumeist (vgl. stellv. Palandt65 /Heinrichs, § 280 Rn. 17) als die entscheidende Zäsur angesehen, durch die der Anwendungsbereich einerseits des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und andererseits des besonderen Mängelrechts abzugrenzen ist. Vgl. demgegenüber Maultzsch, ZGS 2003, 411 ff., dem zufolge sich die Leistungsverweigerungsrechte aus §§ 439 Abs. 3, 635 Abs. 3 BGB „als Ausprägung des Gedankens der Rechtsbeständigkeit“ darstellen und somit erst dann angewendet werden können, „wenn der mangelhafte Gegenstand an den Gläubiger mit dessen Billigung geleistet worden ist“ (aaO., S. 418), hierzu auch Oetker/ Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse S. 74 ff., 461, zust. Schürholz, Die Nacherfüllung im neuen Kaufrecht S. 239, ähnl. auch Bamberger/Roth/Voith (August 2004), § 635 Rn. 14. Gegen beide Ansätze und für „[d]ie Einheitlichkeit der gesetzlichen Sachmängelregelung für alle Phasen des Vertragsvollzugs“ (S. 185) jüngst Ernst, FS U. Huber S. 183, 185 ff., 194 ff. (s. zu § 439 Abs. 3 BGB insb. S. 197), 212. 1345 s. Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 76, der zudem auf das Recht zur Minderung verweist. 1346 Nicht ohne Recht krit. Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 50; MünchKomm/H. P. Westermann (2004), § 439 Rn. 26, s. auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 261; Skamel, DAR 2004, 565, 569 sowie Oechsler, SBT § 2 Rn. 108 f., 141, 143; ders., NJW 2004, 1825, 1827 f., der die Gefahr einer „Flucht des Verkäufers in die Nacherfüllung“, um diese nach § 439 Abs. 3 BGB unter gegenüber § 275 Abs. 2 BGB erleichterten Voraussetzungen verweigern zu können, mit einem Zurückweisungsrecht des Käufers (§ 242 BGB) bannen möchte. Allg. zu Wertungswidersprüchen, die zwischen dem Kaufgewährleistungsrecht und dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht auftreten Gruber, JZ 2005, 707 ff., insb. 709 ff. 1347 s. etwa Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Haas, Kap. 5 Rn. 152. Vgl. zur Frage eines Nachlieferungsanspruchs beim Stückkauf aus der nahezu unübersehbar gewordenen Literatur stellv. die Auseinandersetzung zwischen Ackermann (JZ 2002, 378 ff.) und Canaris (JZ 2003, 831 ff.), zur Erwiderung von Acker-

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§ 4 Die neue Rechtslage

gung des Mangels in Betracht (§ 439 Abs. 1 Fall 1, 435, 437 Nr. 1, 433 Abs. 1 S. 2 BGB), also Verschaffung des Eigentums; das fehlende Eigentum wird dabei gerade von Autoren, die differenzierten Befreiungsschwellen das Wort reden, als Rechtsmangel (§ 435 BGB) behandelt.1348 Man fragt sich, warum der Verkäufer „leichter“ von der Pflicht, dem Käufer Eigentum zu verschaffen, befreit werden soll, wenn sich das fehlende Eigentum erst nach Gefahrübergang herausstellt und nicht bereits zuvor. Handelt es sich im Fall etwa um ein Dressurpferd, mit dem der Käufer bereits mehrere Monate trainiert hat, bevor der Eigentumsmangel bekannt wird, sein Interesse an der Sache mithin nach Gefahrübergang deutlich gewachsen ist, spräche dies sogar entschieden gegen eine niedrigere Ansiedlung der Befreiungsschwelle nach Gefahrübergang.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die für den Nacherfüllungsanspruch bestehenden Richtlinienvorgaben in Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL zwar aufgrund verschiedener Gesichtspunkte mittelbar auch Bedeutung für die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB in seiner Anwendung auf den Erfüllungsanspruch gewinnen können. Für Verbrauchergeschäfte, die den zwingenden Vorgaben unterliegen, wären Rückschlüsse zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen in der Tat geboten. Demgegenüber ließe sich außerhalb von Verbrauchergeschäften die Grenze sowohl der Nacherfüllungspflicht als auch der Erfüllungspflicht gemäß § 275 Abs. 2 BGB unbeschadet etwaig bestehender strenger Richtlinienvorgaben bestimmen, da die Interessenlage und -bewertung zumeist anders ausfallen wird als bei Verbrauchergeschäften; der tatbestandliche Verweis in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB auf den „Inhalt des Schuldverhältnisses“ legt eine Differenzierung sogar nahe. Daher dürfte die „Sprengkraft“1349, die infolge der vom deutschen Gesetzgeber gewählten Art der Richtlinienumsetzung für das gesamte deutsche Leistungsstörungsrecht zum Teil befürchtet wird, nicht allzu groß sein.1350 mann s. JZ 2003, 1154 ff., zum Schlusswort von Canaris s. JZ 2003, 1156 f.; ferner U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 523 f. mit Fn. 9; Kamanabrou, ZGS 2004, 57 ff.; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse S. 93 f.; vgl. auch Faust, ZGS 2004, 252 ff. Aus der Rspr. vgl. LG Ellwangen, NJW 2003, 517; OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053 f. 1348 Stellv. Canaris, JZ 2003, 831, 832 f., ferner Jauernig11 /Berger, § 435 Rn. 5; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 237 mit Fn. 2; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; S. Lorenz/Riehm, Rn. 570 f.; S. Meier, JR 2003, 353, 354 ff.; Oechsler, SBT § 2 Rn. 119; Pahlow, JuS 2006, 289, 293; Scheuren-Brandes, ZGS 2005, 295 f., 298; ebenso OLG Karlsruhe, ZGS 2004, 477, 478, anders – d. h. für die Annahme einer Nichtleistung i. S. von § 433 Abs. 1 S. 1 BGB – etwa Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 435 Rn. 15; Erman11 /Grunewald, § 435 Rn. 2; Staudinger/Matusche-Beckmann (2004), § 435 Rn. 13; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse S. 51; Palandt65 /Putzo, § 435 Rn. 8; Wertenbruch, NJW 2004, 1977, 1979; MünchKomm/H. P. Westermann (2004), § 435 Rn. 7 (anders wohl noch ders., NJW 2002, 241, 246), s. auch bereits Knöpfle, NJW 1991, 889 f. Ausf. unter Einbeziehung der Verjährungsproblematik S. Meier, JR 2003, 353, 354 ff. 1349 Hierzu Pfeiffer, ZGS 2002, 23, 24 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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g) Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL Unbeschadet der aufgezeigten Möglichkeit einer differenzierten Auslegung so genannter Transformationsnormen scheint die vorliegend postulierte Absenkung der Befreiungsanforderungen des § 275 Abs. 2 BGB für Fälle, in denen der Schuldner keiner sekundären Schadensersatzhaftung unterläge (Stichwort: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“),1351 nicht im Widerspruch zu den Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL zu stehen. Dies sei im Folgenden skizziert. Nach Art. 3 Abs. 3 Uabs. 1 VerbrGüterkauf-RL kann der Verbraucher primär Abhilfe, das heißt Nachbesserung oder Ersatzlieferung, verlangen, „sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist“1352. Gemäß dem nachfolgenden Uabs. gilt eine Abhilfe als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien „verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären“. Daraus wird verschiedentlich geschlossen, die Richtlinie beschränke die Befreiung wegen Unverhältnismäßigkeit auf einen „relativen“ Kostenvergleich einer Abhilfemöglichkeit zur jeweils anderen;1353 eine „absolute Unverhältnismäßigkeit“1354 – so die allenthalben gebrauchte Bezeichnung für den Fall, dass die Kosten der Abhilfe im Verhältnis zum Interesse des Verbrauchers an der Nacherfüllung insgesamt unverhältnismäßig sind – 1350

Ähnl. wohl MünchKomm/S. Lorenz (2004), vor § 474 Rn. 4. Zur Absenkung bereits oben sub „(c) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 305 f. sowie noch unten sub „(4) Das Regelungsproblem der ‚ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs‘“, S. 402 ff. 1352 Die beiden ersten Uabs. von Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL lauten in deutscher Sprache wie folgt (Hervorheb. jew. nicht im Original): Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist. Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die – [. . . es folgt eine Aufzählung mit insgesamt drei Spiegelstrichen] verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären. 1353 s. Canaris, JZ 2004, 214, 219 f.; Doehner, Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie S. 232 f., 242 f. (und 237 ff.); Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 37 f., 50; Kirsten, ZGS 2005, 66, 67; MünchKomm/S. Lorenz (2004), Vor § 474 Rn. 18; AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 3 Kauf-RL Rn. 12; ders., ZGS 2002, 217, 218 f.; Skamel, DAR 2004, 565, 569; MünchKomm/H. P. Westermann (2004), § 439 Rn. 21, 26 a. E.; Zerres, RIW 2003, 746, 751 f., vgl. auch Hänlein, DB 1999, 1641, 1643; Schubel, JuS 2002, 313, 316 bei Fn. 26 (s. aber aaO. bei Fn. 29); ders., in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 163, 173 f., 175 bei Fn. 55 (s. aber auch 175 oben und 179); anders offenbar Ehmann/Rust, JZ 1999, 853, 858 mit Fn. 44. 1354 Dazu stellv. Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2120 ff.; Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 37 f., 50; HandKomm/Saenger, § 439 Rn. 7; MünchKomm/H. P. Westermann (2004), § 439 Rn. 21. 1351

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§ 4 Die neue Rechtslage

sähe die Richtlinie demgegenüber nicht vor. Zwangsläufig muss diese Sichtweise auf Probleme stoßen, wenn eine der beiden Abhilfemöglichkeiten von vornherein ausscheidet (z. B. kommt eine Ersatzlieferung jedenfalls beim Verkauf eines Unikats nicht in Betracht) und ein Kostenvergleich daher undurchführbar ist. Schwierigkeiten treten zudem auf, wenn zwar beide Arten der Abhilfe möglich sind, ein Kostenvergleich mithin durchführbar wäre, jedoch beide Arten gleichermaßen mit enormen Kosten verbunden wären, so dass sich eine Unverhältnismäßigkeit nicht ergäbe. Um den Verkäufer in solchen Konstellationen nicht zu grenzenlosem Kostenaufwand zu verpflichten, wird von manchen Autoren Zuflucht zu einer Normativierung des Unmöglichkeitsbegriffs i. S. von Art. 3 Abs. 3 Uabs. 1 Fall 1 VerbrGüterKauf-RL genommen.1355 Dabei wird teilweise vertreten, die Richtlinie lasse dem nationalen Recht bei der Konkretisierung des Unmöglichkeitsbegriffs Spielraum,1356 andere1357 dagegen treten für eine autonome Interpretation des Begriffs der Unmöglichkeit im Sinne der Richtlinie ein. Vor dem Hintergrund eines solchen Verständnisses der Richtlinie wird nachvollziehbar, warum manche Autoren – obschon dogmatisch wenig überzeugend – § 275 Abs. 2 BGB als einen Fall der Unmöglichkeit verstanden wissen wollen;1358 denn nur mithilfe einer solchen Qualifizierung wäre § 275 Abs. 2 BGB vom Boden der referierten Auslegung des Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL richtlinienkonform. Doch selbst wenn man einen gewissen Spielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Konkretisierung des Unmöglichkeitsbegriffs annehmen wollte, würde es freilich nicht ausreichen, § 275 Abs. 2 BGB lediglich mit dem Etikett der „Unmöglichkeit“ zu versehen, während man dessen tatbestandliche Voraussetzungen demgegenüber relativ niedrig ansiedelt.1359 1355 I. d. S. Canaris, JZ 2004, 214, 220 (li. Sp.); Doehner, VerbrauchsgüterkaufRichtlinie S. 235 ff., 245; Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 37 f., 50, ferner auch Grundmann/Bianca/Bianca, Art. 3 Rn. 30; Staudinger/Matusche-Beckmann (2004), § 439 Rn. 41. 1356 So Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 50; Heinrich, ZGS 2003, 253, 258; Kirsten, ZGS 2005, 66, 67 f., ähnl. AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 3 Kauf-RL Rn. 12; ders., ZGS 2002, 217, 219, zust. MünchKomm/S. Lorenz (2004), Vor § 474 Rn. 18; ders., in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 106; Zerres, RIW 2003, 746, 752. 1357 Canaris, JZ 2004, 214, 220, ihm folgend Doehner, VerbrauchsgüterkaufRichtlinie S. 230, 234 ff. 1358 So bereits in Hinsicht auf § 275 Abs. 2 KonsF explizit Canaris, JZ 2001, 499, 505 (ebenso 504), in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB ders., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 25 f.; ders., JZ 2004, 214, 220, ebenso z. B. S. Lorenz/Riehm, Rn. 310. 1359 So aber jedenfalls teilweise die einschlägigen Gesetzesmaterialien zum SMG, vgl. insb. oben sub „(5) In Sonderheit: Die exemplarisch angeführten Befreiungsschwellen in Drittveräußerungsfällen“, S. 188 f.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

393

Gegen die referierte Interpretation des Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL sprechen jedoch triftige Gründe. Zunächst ist der der Sache nach gezogene Umkehrschluss, dem zufolge die in Art. 3 Abs. 3 Uabs. 1 VerbrGüterkauf-RL genannte Unverhältnismäßigkeit wegen des nachfolgenden Uabs. 2 sowie des Erwägungsgrunds Nr. 11 nur eine „relative Unverhältnismäßigkeit“ zulasse, nicht zwingend.1360 Die Bestimmung lässt sich auch in der Weise interpretieren, dass sie den Einwand der Unverhältnismäßigkeit in Uabs. 2 für das praktisch am häufigsten auftretende Problem, nämlich die Unverhältnismäßigkeit der Kosten einer Abhilfeart zur anderen, unter Angabe der maßgeblichen Kriterien1361 näher konkretisiert hat. Gegen eine Beschränkung auf eine „relative Unverhältnismäßigkeit“ sprechen neben der Entstehungsgeschichte der Richtlinie1362 auch rechtsvergleichende Überlegungen. So wird der Anspruch auf Nachbesserung, auch wenn eine Nachlieferung nicht in Betracht kommt, nach Art. 46 Abs. 3 S. 1 CISG ausgeschlossen, wenn die Nachbesserung „unzumutbar“ (anders der englische und französische Originaltext: „unreasonable“ beziehungsweise déraisonnable)1363 ist.1364 Ferner widerspräche es dem im europäischen Kontext üblichen Verständnis von Unmöglichkeit, das auf eine Anreicherung des Unmöglichkeitsbegriffs mit normativen Elementen verzichtet, siehe etwa Art. 9:102 Abs. 2 lit. a PECL sowie Art. 7.2.2 lit. a PICC.1365 Darüber hinaus ist auch zu sehen, dass die beschriebene einengende Interpretation von Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL von den Mitgliedstaaten nicht getragen wird, dort vielmehr ein anderer Grundansatz vorherrschend ist.1366 Neben zahlreichen anderen Mitgliedstaaten1367 regelt mit § 439 Abs. 3 S. 3, Halbs. 2 BGB auch das deutsche Recht den Fall der „absoluten Unverhältnismäßigkeit“.1368 Es dürfte 1360 Zutreffend Unberath, ZEuP 2005, 5, 23 f., wohl auch bereits Schwartze, ZEuP 2000, 544, 568. 1361 In Art. 3 Abs. 3 Uabs. 2 Spiegelstriche 1 bis 3. 1362 Zu ihr m. Nachw. Unberath, ZEuP 2005, 5, 22. 1363 Was im Deutschen „unangemessen“ bedeutet, s. Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG Rn. 95, anders offenbar MünchKomm/P. Huber (2004), Art. 46 CISG Rn. 55 mit Fn. 85: „unverhältnismäßig“. 1364 Hierzu etwa MünchKomm/P. Huber (2004), Art. 46 CISG Rn. 54 ff.; Honsell/ Schnyder/Straub, Art. 46 CISG Rn. 95 ff., ferner auch Schlechtriem/Schwenzer/ Müller-Chen, Art. 46 CISG Rn. 40 bei Fn. 93 (s. jedoch auch aaO. bei Fn. 95: „allein“). 1365 Dazu näher unten sub „(e) Der Vergleich mit europäischen Regelwerken: PECL und PICC“, S. 395 ff. 1366 So Unberath, ZEuP 2005, 5, 22. 1367 s. zu Nachw. MünchKomm/S. Lorenz (2004), Vor § 474 Rn. 18 mit Fn. 74, ferner Doehner, Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie S. 243. 1368 Für eine restriktive Auslegung bzw. Streichung AnwKomm/Pfeiffer (2005), Art. 3 Kauf-RL Rn. 12 a. E. bzw. ders., ZGS 2002, 217, 219, nach V. Schultz, Zu den Kosten der Nacherfüllung beim Kauf S. 177 ff., 195 bedarf es für den Bereich

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§ 4 Die neue Rechtslage

auch nicht im Sinne der Richtlinie gewesen sein, wenig transparente Umsetzungsregelungen zu intendieren. So dürfte einem Verbraucher nicht einleuchten, dass „Unmöglichkeit“ bereits in Fällen vorliegen soll, in denen die Abhilfe in einem Maße Kosten erfordert, das Juristen als unmöglich ansehen, zumal, wenn man in den Blick nimmt, dass etwa von Bianca 1369 vorgeschlagen wurde, Unmöglichkeit bereits im Falle „technische[r] Schwierigkeiten“ oder „übermäßige[r] Lästigkeit“ anzunehmen. Die konkrete Ausgestaltung des Unverhältnismäßigkeitseinwands auf Ebene der VerbrGüterkauf-RL wird erst der EuGH vornehmen müssen.1370 Bisweilen wird vertreten, die Grenze sei jedenfalls nicht allein deshalb erreicht, weil die Kosten den Kaufpreis überstiegen.1371 Zwar geht das in der vorliegenden Untersuchung vorgeschlagene Konzept damit konform, gleichwohl sollte man für die problematischen Fälle, in denen der Schuldner für den Fall der Primärpflichtbefreiung keiner sekundären Schadensersatzhaftung unterläge, nicht viel weiter darüber hinaus gehen, die Grenze vielmehr dort ansiedeln, wo der Leistungsaufwand den Betrag des gegenständlichen Naturalleistungsinteresses mehr als moderat übersteigt.1372 Sollte der EuGH in einer klärenden Entscheidung die Grenze höher ansiedeln, ist diese Handhabung angesichts der besonderen Verbraucherinteressen auf Verbraucherdes Verbrauchsgüterkaufs „einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung im Sinne einer Reduktion“ (aaO., S. 178). Vgl. zu den vorgeschlagenen Prozentgrenzen die Übersicht bei Bamberger/Roth/Faust (April 2004), § 439 Rn. 49 (sowie Rn. 46 zur „relativen Unverhältnismäßigkeit“, ferner LG Ellwangen, NJW 2003, 517 f.; OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, 1054; OLG Karlsruhe, ZGS 2004, 432, 433 f.). 1369 s. Grundmann/Bianca/Bianca, Art. 3 Rn. 30, ebenso Zerres, RIW 2003, 746, 751. 1370 So – dort jedoch in Bezug auf die „Unmöglichkeit“ – auch Canaris, JZ 2004, 214, 220, s. ferner Doehner, Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie S. 235, wie hier in Hinsicht auf die „Unverhältnismäßigkeit“ Unberath, ZEuP 2005, 5, 22. 1371 So – indes mit Bezug auf die „Unmöglichkeit“ – Canaris, JZ 2004, 214, 220 („keinesfalls schon deshalb ‚unmöglich‘, weil der Verkäufer ‚draufzahlt‘“, ähnl. jüngst ders., FS Wiegand S. 179, 232: „auch einen erheblich höheren Betrag als den [Kauf-]Preis einzusetzen hat“); ebenso Doehner, Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie S. 236, 245, der „ein auffallendes Missverhältnis zwischen dem Interesse des Konsumenten an der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands und dem hierfür erforderlichen Aufwand des Verkäufers“ zum Ausgangspunkt einer Ermittlung der „Opfergrenze“ machen möchte und im Rahmen einer Abwägung zwischen den quantifizierten Interessen der Vertragsparteien unter der Voraussetzung, dass eine „beträchtliche Diskrepanz zwischen Kosten und Nutzen zu Lasten des Verkäufers“ vorliegt, zum „Unmöglichkeitseinwand“ gelangt (aaO., S. 237). Nach S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 121 kann der „Markt- bzw. Schätzwert der Sache [. . .] nur den Mindestaufwand markieren“. 1372 Hierzu bereits sub „(c) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 305 f. sowie näher noch unten „(a) ‚Moderater Zuschlag‘ auf das gegenständliche Naturalleistungsinteresse“, S. 402 f.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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geschäfte im Sinne der Richtlinie zu beschränken – dort allerdings hätte die Grenze zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen für die Nacherfüllungspflicht und die Erfüllungspflicht einheitlich zu gelten. (e) Der Vergleich mit europäischen Regelwerken: PECL und PICC Nach Ansicht der Gesetzesverfasser stellen Art. 9:102 Abs. 2 lit. b der Principles of European Contract Law (PECL)1373 sowie Art. 7.2.2 lit. b der Principles of International Commercial Contracts (auch: UNIDROIT, im Folgenden PICC)1374 „funktionell eine Parallele zu § 275 Abs. 2 RegE1375 dar, bilde[ten] aber im Übrigen in jeder Hinsicht ein negatives Gegenbeispiel“1376; dennoch sei „eine ganz ähnliche Problematik wie in § 275 Abs. 2 RegE“ gemeint, wie die Beispiele in den „Comments“1377 [sc. zu den Principles] belegen sollen1378. 1373 PECL Article 9:102: Non-Monetary Obligations (1) The aggrieved party is entitled to specific performance of an obligation other than one to pay money, including the remedying of a defective performance. (2) Specific performance cannot, however, be obtained where: (a) performance would be unlawful or impossible; or (b) performance would cause the debtor unreasonable effort or expense; or (c) the performance consists in the provision of services or work of a personal character or depends upon a personal relationship, or (d) the aggrieved party may reasonably obtain performance from another source. (3) The aggrieved party will lose the right to specific performance if it fails to seek it within a reasonable time after it has or ought to have become aware of the non-performance. (abgedr. in Lando/Beale, PECL S. 76 und 394, Hervorheb. nicht im Original, s. zur Übersetzung ins Deutsche, v. Bar/Zimmermann, Europäisches Vertragsrecht S. 71 und 476 f.; Drobnig/Zimmermann/Wicke, ZEuP 2000, 675, 697 f.). 1374 PICC Article 7.2.2 – (Performance of non-monetary obligation) Where a party who owes an obligation other than one to pay money does not perform, the other party may require performance, unless (a) performance is impossible in law or in fact; (b) performance or, where relevant, enforcement is unreasonably burdensome or expensive; (c) the party entitled to performance may reasonably obtain performance from another source; (d) performance is of an exclusively personal character; or (e) the party entitled to performance does not require performance within a reasonable time after it has, or ought to have, become aware of the non-performance. (abgedr. in UNIDROIT Principles (Text) S. 35 und UNIDROIT Principles S. 172 f., Hervorheb. nicht im Original, s. zur deutschen Fassung UNIDROIT Principles (Text) S. 117 und Errata). 1375 Der § 275 Abs. 2 BGB weitgehend entspricht. 1376 BT-Drucks. 14/6040, S. 129, s. auch Canaris, Schuldrechtsreform S. XII mit Fn. 22; dens., JZ 2001, 499, 505.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Das Beispiel im Comment zu Art. 9:102 Abs. 2 lit. b PECL handelt von einer verkauften Yacht („Eliza“), die infolge einer Kollision mit einem anderen Schiff auf 200 Meter Tiefe sinkt.1379 Die Bergungskosten würden den Wert der Yacht um das 40fache übersteigen. Die zur Leistungserbringung erforderlichen Kosten wären daher unangemessen („unreasonable“) i. S. von Art. 9:102 Abs. 2 lit. b PECL. Im Beispiel zu Art. 7.2.2 PICC sank aufgrund eines heftigen Sturms ein Öltanker im Küstengewässer. Dessen mögliche Hebung hätten dem Reeder Kosten verursacht, die den Wert des (geladenen) Öls weit überstiegen hätten („involve the shipowner in expense vastly exceeding the value of the oil“).1380 Der Gläubiger (Frachtabsender) könne in diesem Fall nicht mehr Leistung aus dem Frachtvertrag verlangen, da diese für den Schuldner des Frachtvertrags, den Reeder, unzumutbar beschwerlich oder kostspielig1381 („unreasonably burdensome or expensive“) wäre. Rechtsvergleiche in diesem Kontext begegnen indes erheblichen Bedenken:1382 Im common law wird regelmäßig nur Schadensersatz gewährt, während specific performance ein Ausnahmerechtsbehelf („exceptional remedy“) darstellt.1383 Demgegenüber ist es im deutschen Recht selbstverständlich, dass Naturalerfüllung eingeklagt und zu ihr verurteilt werden kann;1384 der Erfüllungsanspruch im deutschen Recht – so wird formuliert – bilde „gera1377

Zu Art. 9:102 PECL vgl. Lando/Beale, PECL S. 396, zu Art. 7.2.2 PICC UNIDROIT Principles S. 173 ff. 1378 BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp. 1379 s. Lando/Beale, PECL S. 396, in deutscher Übersetzung v. Bar/Zimmermann, Europäisches Vertragsrecht S. 479. 1380 s. UNIDROIT Principles S. 174, dort ist entgegen Canaris, Schuldrechtsreform S. XII nicht angegeben, dass die Hebung des Schiffes 30-mal so viel wie dessen Ladung kostet. 1381 Deutsche Fassung des offiziellen Texts der PICC, s. UNIDROIT Principles (Text) S. 117 und Errata. 1382 Vgl. auch die Bedenken bei MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 3, dezidiert gegen ein Rückgriff auf die genannten Artt. der Principles Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 128 ff. (insb. 131 f.), 160. 1383 s. Lando/Beale, PECL S. 395 (v. Bar/Zimmermann, Europäisches Vertragsrecht S. 478), hierzu auch v. Caemmerer, AcP 178 (1978), 121, 129, dem zufolge die Unterschiede im Ergebnis doch nicht so groß seien, aaO., S. 129 ff., ebenso Rabel, Warenkauf I S. 376; aus jüngerer Zeit Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung § 35 V (S. 482). Zum US-amerikanischen Recht ausf. Neufang, Erfüllungszwang S. 57 ff., insb. 120 ff., jüngst auch Melzer, Der vertragliche Erfüllungsanspruch 27 ff., ferner bereits v. Caemmerer, AcP 178 (1978), 121, 129 f.; H. H. Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht S. 41. 1384 s. etwa Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung § 35 II (S. 469), die Überlegenheit dieses Prinzips betont Medicus, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung S. 179, 190 f. Zu romanischen Rechtsordnungen stellv. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung § 35 III (S. 472 ff.).

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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dezu das Rückgrat der Obligation“1385. Im Comment zu Art. 9:102 PECL ist zu lesen, die PECL haben einen Kompromiss gesucht: grundsätzlich bestehe ein Anspruch auf Erfüllung1386, in einigen besonderen Situationen sei er jedoch ausgeschlossen1387.1388 Eine besondere Situation in diesem Sinne – mit der Folge eines Ausschlusses des Erfüllungsanspruchs – begründet neben der Unmöglichkeit1389 oder „unreasonable effort or expense“1390 gemäß Art. 9:102 Abs. 2 lit. d PECL1391 bereits der Umstand, dass der Käufer die Leistung einfacher aus anderen Quellen erlangen kann („the aggrieved party may reasonably obtain performance from another source“). Beweise der Verkäufer, so ein Beispielsfall im Comment, dass der Käufer von gattungsmäßig bestimmten Stühlen, ohne einen Nachteil zu erleiden, Stühle der verkauften Art aus anderen Quellen erlangen könne, soll der Käufer nicht mehr Erfüllung verlangen können.1392 Dies gilt, so der Comment weiter, auch dann, wenn die Kosten höher sind als der Vertragspreis, solange der Verkäufer in der Lage ist, den Schadensersatz zu leisten. Eine solche Regelung ist dem BGB fremd.1393 Es zeigen sich grundlegende Unterschiede zum deutschen Recht: Der Schuldner (Verkäufer) hat nach deutschem Recht im Falle zu vertretender Nichtleistung nicht das Recht, sich durch Zahlung von Schadensersatz vom Vertrag „loszukaufen“,1394 kann den Gläubiger (Käufer) vielmehr erst im Falle eines rechtsmissbräuchlichen Erfüllungsverlangens auf den Schadensersatzanspruch „verweisen“; auch in Fällen vom Schuldner nicht zu vertretender Nichtleistung kann sich dieser nicht durch eine Schadensersatzzahlung seiner Erfüllungspflicht entziehen. Weiterhin bestehen Systemunterschiede, die Rechtsvergleiche nur mit großer Vorsicht erlauben.1395 Im deutschen Recht sind die Voraussetzungen 1385 s. v. Caemmerer, AcP 178 (1978), 121, 129; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung § 35 II (S. 469), vgl. auch Hans Stoll, JZ 2001, 589, 590. 1386 s. Art. 9:102 Abs. 1 PECL. 1387 Art. 9:102 Abs. 2 und 3 PECL. 1388 s. Lando/Beale, PECL S. 395, in deutscher Übersetzung v. Bar/Zimmermann, Europäisches Vertragsrecht S. 478, ähnl. der Comment zu Art. 7.2.2 PICC, s. UNIDROIT Principles S. 173. 1389 Art. 9:102 Abs. 2 lit. a. 1390 Art. 9:102 Abs. 2 lit. b. 1391 Eine sehr ähnliche Vorschrift findet sich in Art. 7.2.2 lit. c PICC („the party entitled to performance may reasonable obtain performance from another party“). 1392 s. Lando/Beale, PECL S. 398 (v. Bar/Zimmermann, Europäisches Vertragsrecht S. 481 f.). 1393 Die angeführte Vorschrift der PECL scheint auf solche Handelsgeschäfte zugeschnitten zu sein, bei denen Deckungsgeschäfte marktüblich sind, so Schlechtriem, ZEuP 1993, 217, 225 zur Parallelvorschrift der PICC (s. Fn. 1391, S. 397). 1394 Hierzu noch sub „(3) Das Regelungsproblem der ‚Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch‘ (Rechtsmissbrauchsfälle)“, S. 400 f. m. Nachw.

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§ 4 Die neue Rechtslage

einer Befreiung von den Ansprüchen auf Erfüllung und Schadensersatz statt der Leistung teils dual, zum Teil auch in der Weise geregelt, dass die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung durch die Reichweite des Erfüllungsanspruchs präformiert ist.1396 Letzteres zeigt, dass der Erfüllungsanspruch gegenüber dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung das Primäre ist. Der Gläubiger gelangt zum Schadensersatz statt der Leistung nur, indem er auf Grundlage seines Erfüllungsanspruchs zunächst im Wege der Fristsetzung vorgeht (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB)1397.1398 Demgegenüber findet sich in den PECL eine abweichende Regelung. Art. 8:108 PECL regelt nämlich sowohl für den Erfüllungsanspruch – der insoweit als Rechtsbehelf („remedy“) bezeichnet wird – als auch den Schadensersatzanspruch einen „Entschuldigungsgrund aufgrund eines Hinderungsgrundes“ („excuse due to an impediment“).1399 Die Rechtsbehelfe Erfüllungsanspruch und Schadensersatzanspruch werden – wie Art. 8:101 Abs. 2 PECL1400 zeigt – unter denselben Voraussetzungen ausgeschlossen. Weiterhin stehen die in der Gesetzesbegründung des deutschen Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum Vergleich herangezogenen Bestimmungen der Principles, wie etwa Art. 7.7.2 Abs. 2 lit. b PICC belegt, in einem gegenüber § 275 Abs. 2 BGB völlig unterschiedlichen Kontext. So bezieht sich die Primärpflichtgrenze nach Art. 7.7.2 Abs. 2 lit. b PICC auch auf die Durchsetzung beziehungsweise Vollstreckung („enforcement“) des Erfüllungsanspruchs. Der Zweck liegt darin, Gerichte1401 – nicht den Schuldner – vor einer langwierigen1402 beziehungsweise kostspieligen Überwachung der durch sie angeordneten „orders for specific performance“ zu bewahren,1403 1395

Vgl. insoweit MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 3. Hierzu bereits sub „(a) Dissonanz zwischen ‚Erfüllungshaftung‘ und Schadensersatzhaftung?“, S. 297 ff. 1397 s. zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung in Ausnahmefällen § 281 Abs. 2 BGB. 1398 U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 33 f. möchte insoweit schlagwortartig von „Umwandlungsprinzip“ sprechen (s. auch dens., FS Schlechtriem S. 521, 565; dens., ZIP 2000, 2137, 2147). 1399 Dieser Art. und nicht Art. 9:102 PECL dürfte die zum Vergleich heranzuziehende Regelung sein, so implizit offenbar auch Ernst, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung S. 129, 138 f., vgl. dens., in MünchKomm (2003) § 275 Abs. 3, dezidiert Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 132 (bei und mit Fn. 205). 1400 „Where a party’s non-performance is excused under Article 8:108, the aggrieved party may resort to any of the remedies set out in Chapter 9 except claiming performance and damage“ (Hervorheb. nicht im Original), es bleiben demnach das Zurückbehaltungsrecht sowie das Recht auf Vertragsaufhebung bzw. Preisminderung. 1401 In „common law systems“, s. UNIDROIT Principles S. 174. 1402 Insb. bei sich über längere Zeit erstreckenden Leistungen. 1403 s. UNIDROIT Principles S. 174. 1396

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ist mithin öffentlich-rechtlicher Natur.1404 Vor diesem Hintergrund erscheint auch die von den (deutschen) Gesetzesverfassern an den Principles geübte Kritik („in jeder Hinsicht ein negatives Gegenbeispiel“)1405 in einem anderen Licht: Die Rüge, in den vermeintlich parallelen Regelungen werde „[d]as Verhältnismäßigkeitsprinzip [. . .] nicht einmal andeutungsweise angesprochen, geschweige denn, dass der maßgebliche Bezugspunkt – das Gläubigerinteresse – oder der Grad des Missverhältnisses benannt würde“1406, trifft jedenfalls insoweit nicht zu, als mit Art. 7.7.2 Abs. 2 lit. b PICC eine Entlastung von Gerichten intendiert ist. Abgesehen von den kaum überwindbaren Schwierigkeiten, überhaupt einen Vergleich zwischen § 275 Abs. 2 BGB und Artt. 9:102 Abs. 2 lit. b PECL, 7.7.2 Abs. 2 lit. b PICC zu ziehen, ließen sich für die vorliegend interessierende Frage des Befreiungsmaßstabs ohnedies keine verwertbaren Maßstäbe gewinnen: Begriffe wie „unreasonable effort or expense“1407 („unangemessene Anstrengungen oder Kosten“)1408 oder „unreasonably burdensome or expensive“1409 („unzumutbar beschwerlich oder kostspielig“)1410 vermögen nicht weiterzuhelfen. Gleichwohl lässt sich einem Rechtsvergleich eine Erkenntnis abgewinnen: Im Unterschied zu verschiedenen anderen Rechtsordnungen ist der Erfüllungsanspruch nach deutschen Recht der primäre „Rechtsbehelf“, dessen Realisierung Vorrang gegenüber einer möglichen Schadensersatzzahlung genießt. (f) Zwischenergebnis Wortsinn und Systematik legen die Aufstellung sehr hoher Befreiungsanforderungen nahe („grobes Missverhältnis“). Die Gesetzesmaterialien erweisen sich zwar mit Blick auf die Rechtsmissbrauchsfälle – „allgemeiner Rechtsgedanke“ (BGH), hier verwendete Bezeichnung: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ – als weitgehend stimmig, nicht jedoch auf das weitere § 275 Abs. 2 BGB überantwortete Regelungsproblem, nämlich die Frage, in welchen Fällen dem Gläubiger die Durchsetzung seines Erfüllungsanspruchs ersatzlos verwehrt wird.1411 Für das zuerst genann1404 Ausf. hierzu Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 131 f. m. weit. Nachw. 1405 BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp. 1406 Wie vorherige Fn. 1407 Art. 9:102 Abs. 2 lit. b PECL. 1408 Übersetzung von v. Bar/Zimmermann, Europäisches Vertragsrecht S. 71 und 477; Drobnig/Zimmermann/Wicke, ZEuP 2000, 675, 697. 1409 Art. 7.7.2 Abs. 2 lit. b PICC. 1410 Übersetzung in UNIDROIT Principles (Text) S. 117 und Errata. 1411 Näher hierzu sogleich sub „(b) Methodik“, S. 403 ff.

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te Regelungsproblem lässt sich die Konkretisierung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots (§ 242 BGB) als Normzweck identifizieren. Dagegen hat das zuletzt genannte Regelungsproblem („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“) mit Rechtsmissbrauch nichts gemein; vielmehr geht es insoweit um die Bestimmung einer angemessenen Grenze der vertraglichen Erfüllungspflicht in moderater Höhe. Die VerbrGüterkauf-RL vermag eingedenk der durch den deutschen Gesetzgeber praktizierten Umsetzung lediglich in ihrem direkten Geltungsbereich mittelbare Bedeutung für die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB in seiner Anwendung auf den Erfüllungsanspruch zu entfalten: Vermittelt über das Gebot der Vermeidung von Wertungswidersprüchen darf die Reichweite der Erfüllungspflicht nicht beziehungsweise jedenfalls nicht wesentlich „schwächer“ als die durch die Richtlinie unmittelbar determinierte Nacherfüllungspflicht ausgestaltet werden. Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen der EuGH an eine Unverhältnismäßigkeit i. S. von Art. 3 Abs. 3 VerbrGüterkauf-RL stellen wird. Da Verbrauchergeschäfte und andere Geschäfte unterschiedliche Interessenlagen aufweisen, erscheinen Binnendifferenzierungen, mithin eine gespaltene Auslegung so genannter Transformationsnormen, geboten. Rechtsvergleiche mit Artt. 9:102 Abs. 2 lit. b PECL, 7.7.2 Abs. 2 lit. b PICC lassen sich kaum durchführen und sind zudem wenig gewinnbringend; sie legen aber zumindest den Schluss nahe, dass dem Anspruch auf Naturalleistung im deutschen Recht ein relativ hoher Stellenwert eingeräumt ist. (3) Das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle) Die für das Regelungsproblem einer „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ bestehende Interessenlage, die oben bereits weitgehend analysiert wurde,1412 sei nochmals kurz skizziert. Unterläge der Schuldner für den Fall einer Befreiung von seiner Erfüllungspflicht einer Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung,1413 verlöre der Gläubiger den Erfüllungsanspruch nicht ersatzlos, seine Interessen blieben durch den Sekundäranspruch (in Form der Geldentschädigung) zumindest in finanzieller Hinsicht gewahrt. Gleichwohl besitzt er ein berechtigtes Interesse daran, Leistung in Natur verlangen zu können und wegen des auf Schuldnerseite notwendig gewordenen Mehraufwands nicht ohne weiteres auf den poten1412 s. oben sub „(a) Fälle vorliegenden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch‘)“, S. 229. 1413 Da der Schuldner ein Leistungshindernis zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder er seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat.

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tiellen Sekundäranspruch verwiesen zu werden, da seinen Interessen – vor allem solchen immaterieller Natur –1414 eben nur durch die Naturalleistung vollumfänglich Rechnung getragen wird. Diesem berechtigten Gläubigerinteresse vermag der Schuldner keine gewichtigen Interessen entgegenzuhalten. Aufgrund des ihm vorzuwerfenden Vertretenmüssens erscheint ihm das Betreiben von Mehraufwand durchaus zumutbar. Hinzu kommt, dass er im Falle der Befreiung von der Erfüllungspflicht ohnehin zumindest Schadensersatz leisten müsste. Friktionen zwischen „Erfüllungshaftung“ und sekundärer Schadensersatzhaftung können daher nicht entstehen. In diesen Fällen kann man auch sagen, der Schuldner hat nicht das Recht, sich durch Zahlung von Schadensersatz von seiner Pflicht, den Vertrag so wie versprochen „in Natur“ zu erfüllen, gewissermaßen „loszukaufen“.1415 Er wird mit § 275 Abs. 2 BGB nur vor einem rechtsmissbräuchlichen Erfüllungsverlangen geschützt.1416 Für diese Grundsatzentscheidung des deutschen Rechts spricht etwa,1417 dass es dem Gläubiger Schwierigkeiten bereiten kann, sein Interesse in Geld zu berechnen, zumal wenn immaterielle Interessen, wie etwa ein spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand, im Raum stehen. Weiterhin kann es dem Gläubiger Probleme bereiten, angemessenen Ersatz für die geschuldete Leistung zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus sachgerecht, hohe Anforderungen an eine Befreiung von der Erfüllungspflicht zu stellen. Dies hat das Gesetz mit dem Erfordernis eines groben Missverhältnisses zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse getan. Ergänzende Funktion hat der Umstand, dass der Schuldner ein (nachträgliches) Leistungshindernis verschuldet hat beziehungsweise seine Unkenntnis von einem vertragsanfänglichen Leistungshindernis zu vertreten hat, insoweit, als der durch dieses Leistungshindernis bedingte Mehraufwand abzugewichten ist; in diesem Kontext gewinnt auch der Verschuldensgrad maßgebliche Bedeutung.1418, 1419 1414

Hierzu Medicus, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung S. 179,

190 f. 1415 So unter Berufung auf v. Caemmerer U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 557 (und 567); ders., in: Eckert/Delbrück S. 23, 39 f. 1416 s. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 567 (und 557 ff.). 1417 Hierzu U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 557 m. weit. Nachw., s. auch dens., LS II § 59 II 3 (S. 815). 1418 Hierzu ausf. oben sub „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff. sowie „c) Das Ausmaß (‚Wie‘) des Vertretenmüssens: Der Verschuldensgrad“, S. 339 f. 1419 Ist der Schuldner für das Leistungshindernis verantwortlich, soll dies – anders aber möglicherweise Schlechtriem, FS Sonnenberger S. 125, 128 – nach der gesetzlichen Regelung nicht dazu führen, dass der Schuldner trotz eines groben Missver-

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(4) Das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ (a) „Moderater Zuschlag“ auf das gegenständliche Naturalleistungsinteresse Die Untersuchung hat gewichtige Gründe zu Tage gefördert,1420 die es gerechtfertigt erscheinen lassen, an eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB dann keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, wenn der Schuldner für den Fall der Befreiung von seiner Primärpflicht mangels Vertretenmüssens keiner Schadensersatzhaftung unterläge (Regelungsproblem: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“). Für eine Befreiung des Schuldners muss insoweit bereits ausreichen, dass der Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Gläubigers mehr als moderat übersteigt.1421 Stehen „besondere“ Leistungsinteressen1422 des Gläubigers im Raum, wie besondere Verwendungszwecke (etwa eine gewinnbringende Weiterveräußerungsmöglichkeit), kann der „moderate Zuschlag“ geringfügig erhöht werden.1423 Voraussetzung dafür ist, dass der Schuldner das besondere Gläubigerinteresse bei Vertragsschluss kannte oder ihm dieses dem Grunde nach zumindest erkennbar war.1424 Mehr als geringfügig vermag der genannte moderate Zuschlag erhöht zu werden, wenn der Gläubiger (insbesondere hältnisses zur Lieferung verurteilt werden kann. Vielmehr wird ein schuldnerisches Vertretenmüssen nicht selten zur Folge haben, dass bereits kein grobes Missverhältnis vorliegt. 1420 Zu ihnen eingehend sub „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230 ff. sowie „(3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen“, S. 297 ff., zur Folgenbetrachtung sogleich sub „(c) Folgenbetrachtung“, S. 407 f. 1421 Ähnl. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 72 f., 102 f.; P. Huber/ Faust, Kap. 2 Rn. 57; M. Fischer, DB 2001, 1923, 1925 (nach Fn. 21), 1926 für Stückschulden (zu § 275 RegE), die jedoch das Leistungsinteresse abw. vom hier vertretenen Standpunkt bestimmen; sehr zurückhaltende Anforderungen stellt Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 116, 118, 124, der – trotz bzw. in Widerspruch zu der von ihm postulierten Beschränkung des § 275 Abs. 2 BGB auf „Extremfälle“ (vgl. hierzu nur aaO., S. 116) – lediglich fordert, der Schuldner müsse „mindestens soviel Aufwand auf sich nehmen, wie er bei ungehinderter Leistungserbringung hätte aufwenden müssen“ (aaO., S. 118, 124), da der Eintritt des zufälligen Leistungshindernisses den Schuldner im Ergebnis nicht besser stellen dürfe (aaO., S. 116). Vgl. jüngst auch Löhnig, ZGS 2005, 459, 462, der den Schuldner bei von ihm nicht zu vertretenden Leistungshindernissen „nicht dazu verpflichten [möchte], einen den Gläubigerertrag wesentlich übersteigenden Aufwand zu erbringen“. 1422 Ausf. hierzu oben sub „b) Besondere Leistungsinteressen“, S. 294 ff. 1423 Näheres bereits oben sub „(c) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 305 f. 1424 Gegen das Erfordernis einer vertraglichen Einbeziehung oben sub „(b) Einbeziehung ‚besonderer‘ Interessen in den Vertrag als Ausweg?“, S. 303 ff.

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der Stückkäufer) ein spezifisches Interesse am Erhalt des individuellen Leistungsgegenstands (Affektionsinteresse) besitzt, da dieses – abweichend von materiellen Interessen – im Rahmen der Geldentschädigung wegen § 253 BGB generell nicht gewahrt werden kann.1425 (b) Methodik Jenseits der über die Bindungswirkung von amtlichen Gesetzesbegründungen bestehenden Kontroverse1426 stellt sich im vorliegenden Zusammenhang das Problem, dass die Hinweise in den einschlägigen Gesetzesmaterialien in sich widersprüchlich erscheinen. So wird dort anhand des Beispiels der schuldnerischen Übereignung des geschuldeten Leistungsgegenstands an einen Dritten eine ungefähre Befreiungsschwelle angegeben, die sich sehr niedrig ausnimmt: Man könne aus § 275 Abs. 2 S. 3 RegE (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB) nicht schließen, der Schuldner bräuchte bei mangelndem Verschulden überhaupt keine Anstrengungen zu unternehmen;1427 der Schuldner solle im Falle der Übereignung des Leistungsgegenstands an einen Dritten diesem zum Rückerwerb „zumindest den Marktpreis, u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis“ bieten müssen.1428 Nahezu in Widerspruch zum Vorgenannten steht der gleichfalls in den einschlägigen Materialien enthaltene Hinweis, der hohe Befreiungsmaßstab – das Missverhältnis müsse ein „besonders krasses, nach Treu und Glauben untragbares Ausmaß erreichen“ – legitimiere sich vor allem daraus, dass der Gläubiger in Fällen nicht zu vertretender Leistungshindernisse seinen Anspruch ersatzlos verlöre.1429 Letzteres scheint die Folge eines Irrtums der Gesetzesverfasser zu sein, das vorliegend mit dem Stichwort „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“ gekennzeichnete Regelungsproblem lasse sich dem vom BGH entwickelten „allgemeinen Rechtsgedanken“, der einen Fall des Rechtsmissbrauchs betrifft, zuordnen. Es wurde bereits eingehend dargelegt, dass Fälle vom Schuldner nicht zu vertretender Leistungshindernisse – oder präziser: Fälle, in denen der Schuldner bei einer Befreiung von seiner Primärpflicht keiner (alternativen) Schadensersatzhaftung unterläge – mit Rechtsmissbrauch nichts gemein haben.1430 Auf der anderen Seite wurde der systema1425 Zu den Hintergründen eingehend bereits sub „(c) In Sonderheit: Immaterielles Leistungsinteresse“, S. 234 f. sowie „(d) In Sonderheit: Immaterielle Interessen“, S. 306 f. 1426 s. oben sub „(b) Entstehungsgeschichte“, S. 379 f. m. Nachw. 1427 BT-Drucks. 14/6040, S. 131 li. Sp. 1428 Wie vorherige Fn. 1429 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 re. Sp. 1430 Eingehend sub „(3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 224 ff.

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tische Zusammenhang zur Haftung nach §§ 280, 281 BGB1431 – mit den Worten U. Hubers die „Querverbindung“1432 zwischen § 275 Abs. 2 und § 281 BGB – nicht oder zumindest nicht hinreichend berücksichtigt. Statt die insoweit im Raum stehenden gewichtigen (Gegen-)Interessen des Schuldners im gebotenen Maße einzubeziehen, wurde die nicht haltbare These aufgestellt, § 275 Abs. 2 BGB nehme die „eigenen Interessen des Schuldners“ nicht in den Blick.1433 Diese These steht sowohl zum Wortlaut der Vorschrift (siehe insbesondere § 275 Abs. 2 S. 2 BGB: „dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen“) als auch dem Charakter der von den Gesetzesverfassern selbst intendierten Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB) in Widerspruch;1434 sie lässt sich weiterhin mit den in den Materialien angeführten Urteilen, die – selbst in Fällen vom Schuldner zu vertretender Leistungshindernisse – ausdrücklich von der Abwägung der „beiderseitigen Interessen“1435 sprechen, nicht in Einklang bringen. Selbst wenn man die Gesetzesbegründung außer Betracht ließe und gewissermaßen den (objektiven) „Willen des Gesetzes“ festzustellen suchte,1436 widerspräche die Aufstellung ein und desselben Befreiungsmaßstabs für zwei unterschiedlich zu behandelnde Regelungsprobleme dem Gleichheitsgebot; der viel zu zurückhaltend formulierte § 275 Abs. 2 S. 2 BGB („ist auch zu berücksichtigen“) vermag diesen Widerspruch schwerlich auszuräumen1437. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine Ursache für die aufgezeigten Verwerfungen der enorme Zeitdruck ist, unter dem gerade die Reform der Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten nach § 275 BGB stattgefunden hat;1438 eine fundierte wissenschaftliche Auseinanderset1431 Ausf. hierzu sub „a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB“, S. 230 ff., „b) Die Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB“, S. 232 f. sowie „(3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen“, S. 297 ff. 1432 U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 34 f. 1433 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 1434 Zu den Gründen vgl. „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff. 1435 Hierzu „(a) BGH-Urteil vom 21. 6. 1974 (= BGHZ 62, 388, 393 f.) – KfzStellplätze“, S. 191 ff. 1436 Hiergegen mit Recht etwa Röhl, Allgemeine Rechtslehre S. 612 ff.; Rüthers, Rechtstheorie Rn. 797 und passim; MünchKomm/Säcker (2001), Einl. Rn. 65. 1437 Zur unzureichenden Ausgestaltung dieser Vorschrift bereits oben sub „a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens“, S. 308 ff. 1438 Hierzu ausf. oben sub „II. Der Streit um die ‚große‘ Lösung in Gestalt des (konsolidierten) Diskussionsentwurfs (2000/2001)“, S. 107 ff., insb. bei Fn. 56 f. (S. 114) sowie „II. Von der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (März 2001 bis 1. 1. 2002)“, S. 123 ff. Gerade im behandelten Kontext weist auf diesen Gesichtspunkt mit Recht U. Huber, FS

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zung mit dem erst im März 2001 der Öffentlichkeit vorgestellten § 275 KonsF, der im vorliegend diskutierten Kontext praktisch einen Neuanfang der Reform darstellt,1439 war insoweit nicht möglich. Nach alledem muss das Fazit gezogen werden, dass für das vorliegend diskutierte Regelungsproblem von einer widerspruchsfreien1440 Interessenbewertung durch die Gesetzesverfasser – und damit unter Zugrundelegung der so genannten „Paktentheorie“1441 auch des Gesetzgebers – kaum gesprochen werden kann. Die Meinungen über das Verständnis erweiternder (ausdehnender oder extensiver) Gesetzesauslegung, teleologischer Extension und Analogie differieren zum Teil nicht unerheblich:1442 Vorliegend scheint jedenfalls der Weg einer erweiternden Gesetzesauslegung versperrt, die, ohne durch die „Wortsinngrenze“1443 limitiert zu sein,1444 einer feststellbaren gesetzgeberiSchlechtriem S. 521, 565 bei und mit Fn. 124 hin, allg. auch Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 7/10; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 35 f.; vgl. im Kontext des § 311a Abs. 2 BGB auch Harke, AcP 205 (2005), 67, 82 („So plötzlich, wie die Vorschrift entstanden ist, so groß sind die Schwierigkeiten, die ihre Erklärung und dogmatische Einordnung bereiten.“). 1439 s. den zuerst genannten Verweis in der vorigen Fn. 1440 Nach Canaris, FS Wiegand S. 179, 215 ist im Falle eines inneren Widerspruchs der Gesetzesbegründung diese für den (Gesetzes-)Interpreten insoweit nicht maßgeblich. 1441 Zu ihr Engisch, Einführung S. 120; MünchKomm/Säcker (2001), Einl. Rn. 124: Nach dieser Theorie ist davon auszugehen, dass in parlamentarisch-demokratischen Regierungssystemen das Gesetzgebungsorgan, das bei der Beratung und Beschlussfassung über ein Gesetz keine eigenen Zielvorstellungen zum Gesetz insgesamt bzw. zu seinen einzelnen Normen entwickelt – was für das SMG durchaus zutrifft –, denjenigen Sinn akzeptiert, den die Gesetzesreferenten dem von ihnen erarbeiteten Text mit auf den Weg gegeben und den sie in der Gesetzesbegründung niedergelegt haben. 1442 Vgl. etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 174 f. („weite“ Auslegung), 216 ff. (teleologische Extension) und 202 ff. (Analogie); Pawlowski, Einführung Rn. 203 (extensive Auslegung), 201 (teleologische Extension) und 165 ff. (Analogie); dens., Methodenlehre Rn. 500 f. (extensive Auslegung), 497 ff. (teleologische Extension) und 476 ff. (Analogie); Rüthers, Rechtstheorie Rn. 722, 737, 786 ff., insb. 789 a. E., 793 und passim (zur Abgrenzung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung), 904 f. (teleologische Extension) und 889 ff. (Analogie). 1443 Den Wortsinn sehen etwa Larenz/Canaris (Methodenlehre S. 143 ff., 163, 187 m. weit. Nachw., s. auch Canaris, FS E. Lorenz S. 147, 157) als Grenze der Auslegung an, anders Chr. Fischer, ZfA 2002, 215, 229 f.; Rüthers, Rechtstheorie Rn. 737; MünchKomm/Säcker (2001), Einl. Rn. 100 f. jew. m. weit. Nachw., zu Gegenansichten wie der „alten“ oder „modifizierten Andeutungstheorie“ s. insb. die Darstellung bei MünchKomm/Säcker (2001), Einl. Rn. 98 ff. 1444 Mit der hier vorgeschlagenen Absenkung der Befreiungsschwelle – für eine Primärleistungsbefreiung in Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens reicht danach bereits aus, dass der Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse mehr als moderat übersteigt – dürfte die Grenze des Wortlauts („grobes Missverhältnis“) bereits überschritten sein; zweifelhaft wäre überdies –

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schen Interessenbewertung Geltung verschaffen könnte. In Ermangelung einer feststellbaren widerspruchsfreien Interessenbewertung des Gesetzgebers für das diskutierte Regelungsproblem wird der Rechtsanwender nicht umhinkommen, die Bewertung der Interessenlage selbst vorzunehmen. Der Sache nach handelt es sich dabei um Rechtsfortbildung.1445 Insoweit ist der Normzweck des Gesetzes zu erforschen und zu verwirklichen,1446 insbesondere ist man aufgrund des Gebots gesetzesnaher Rechtsfortbildung1447 an die vom Gesetzgeber (anderweitig) getroffenen Wertentscheidungen gebunden, was im vorliegenden Kontext in besonderem Maße für den systematischen Zusammenhang von § 275 Abs. 2 BGB zur Schadensersatzhaftung nach §§ 280, 281 BGB gilt. Nach dem Wortlaut wird generell – das heißt für zwei zu trennende und unterschiedlich zu behandelnde Regelungsprobleme – ein grobes Missverhältnis gefordert. Partiell ist der Wortlaut zu eng geraten: Für den Anwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB, in dem hypothetisch keine Sekundärhaftung („Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“) bestünde, sind die Anforderungen erheblich abzusenken, so dass die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch auf Fälle Anwendung finden kann, in denen der schuldnerische Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Gläubigers lediglich mehr als moderat übersteigt. Die postulierte Absenkung der Befreiungsvoraussetzungen findet ihre Rechtfertigung in der aufgezeigten Interessenlage und -bewertung,1448 im Besonderen in dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift zur Schadensersatzhaftung (§§ 280, 281 BGB)1449, der Verhinderung einer drohenden Ungleichbehandlung mit Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens sowie nicht zuletzt in der beschränkten Auswirkung der vorgeschlagenen Lösung, die es im Rahmen einer Folgenbetrachtung abschließend darzustellen gilt. was vom Boden der hier favorisierten Ansicht dahinstehen kann –, ob eine solche „Auslegung“ durch § 275 Abs. 2 S. 2 BGB zumindest „angedeutet“ sein könnte, zur unzureichenden Ausgestaltung dieser Vorschrift bereits oben sub „a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens“, S. 308 ff. 1445 Denn die Grenze der Auslegung wird durch den Normzweck, die gesetzgeberische Interessenbewertung (s. nur Rüthers, Rechtstheorie Rn. 717 ff.), markiert, an welcher es vorliegend ermangelt. Vgl. zu den Begriffen der normergänzenden und normvertretenden Rechtsfindung Chr. Fischer, ZfA 2002, 215, 234. 1446 Vgl. in diesem Kontext stellv. Rüthers, Rechtstheorie Rn. 883 (und 889 ff.). 1447 s. Chr. Fischer, ZfA 2002, 215, 227 und 233 f. 1448 Sub „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230 ff., zusammenfassend „g) Zwischenergebnis“, S. 233 f. 1449 Eingehend hierzu sub „a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB“, S. 230 ff., „b) Die Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB“, S. 232 f. sowie „(3) Berücksichtigungsfähigkeit bei fehlendem schuldnerischen Vertretenmüssen“, S. 297 ff.

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(c) Folgenbetrachtung Die vorliegend propagierte Absenkung des Befreiungsmaßstabs nimmt sich weniger gravierend aus als der erste Anschein vermuten lässt. Dies zeigt zunächst die vorliegend befürwortete Bestimmung des Leistungsaufwands in den praktisch häufigen Fällen der Wertminderung des Leistungsgegenstands (Beispiel: Abhandenkommen der Kaufsache) beziehungsweise des Verkaufs einer dem wahren Eigentümer gestohlenen Sache:1450 Bei gegenseitigen Verträgen wird der durch ein Leistungshindernis bedingte Mehraufwand erst dann effektiv in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingestellt, wenn er den objektiven Sachwert1451 übersteigt. Denn von dem durch das jeweilige Hindernis – dem behebbaren Besitzmangel, der reparablen Sachverletzung oder dem behebbaren Mangel des Vermögens, Eigentum zu verschaffen – bedingten Mehraufwand ist der objektive Wert1452 des Leistungsgegenstands abzuziehen. In der Konsequenz führt diese Bestimmungsweise dazu, dass das Risiko eines Sachverlusts beziehungsweise einer Sachverschlechterung oder eines ursprünglichen Eigentumsmangels beim Verkäufer diesem – bis zur Höhe des Sachwerts – vollständig zugewiesen wird. Legt man eine solche Bestimmungsweise zugrunde, wofür überzeugende Gründe sprechen,1453 wird angesichts der damit einhergehenden erheblichen Reduktion der Größe des Leistungsaufwands die abgesenkte Befreiungsschwelle nicht allzu leicht erreicht werden. Kurzum: Kürzt man den Leistungsaufwand, vermag dieser das Leistungsinteresse auch nicht ohne weiteres mehr als moderat zu übersteigen. Weiterhin greift die Absenkung des Befreiungsmaßstabs nicht in den Grenzen eines vom Schuldner übernommenen Risikos, etwa des Beschaffungsrisikos beim Gattungskauf. Ist im Ausnahmefall innerhalb des übernommenen Beschaffungsrisikos eine Primärschuldbefreiung in Betracht zu ziehen,1454 unterläge der Verkäufer hypothetisch stets einer Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung (siehe auch § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 Fall 2 BGB), so dass ohnedies das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle) betroffen wäre, für die keine Absenkung vorzunehmen ist; Entsprechendes gilt auch für den Werkvertrag, bei dem der Unternehmer das Herstellungsrisiko trägt. 1450 Eingehend hierzu bereits sub „c) Behandlung eines Wertverlusts beim Leistungsgegenstand“, S. 265 ff. 1451 Allgemein gesprochen: den Normalaufwand des Schuldners. 1452 Wie vorherige Fn. 1453 Hierzu „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff. 1454 Hierzu oben sub „d) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 252 f. sowie sogleich sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Im Unterschied zu der Ansicht, der zufolge der Leistungsaufwand generell auf den Betrag der Gegenleistung, beim Kaufvertrag mithin den Kaufpreis,1455 zu beschränken sei, kann nach der vorliegend befürworteten Lösung auch Berücksichtigung finden, dass der Gläubiger ein günstiges Geschäft abgeschlossen hat (Fall des Unterwertverkaufs). Denn der Gläubiger vermag als gegenständliches Naturalleistungsinteresse wahlweise den Betrag der Gegenleistung oder den objektiven Wert der Leistung in Ansatz zu bringen.1456 Liegt dieser Betrag über jenem (Unterwertverkauf), tritt eine Befreiung erst bei höherem Leistungsaufwand ein. Damit wird dem aus dem günstigen Geschäft resultierenden Vorteil des Gläubigers bei Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB Rechnung getragen.1457 Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Absenkung der Befreiungsschwelle Verhandlungslösungen begünstigt, womit zugleich das angesprochene „Schwellenproblem“ etwas entschärft wird.1458 (5) Vertragliche Risikoübernahmen Besonderheiten gelten für vertragliche Risikoübernahmen.1459 Neben zumeist konkludenten Risikoübernahmen im Kontext positiver Kenntnis des Schuldners von Leistungshindernissen1460 spielen in der Praxis in erster Linie die Übernahme eines Beschaffungsrisikos beim Kauf sowie das vom Werkunternehmer übernommene Herstellungsrisiko (oder „Erfüllungsrisiko“)1461 eine Rolle.

1455 s. hierzu „b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Kaufpreises (Ackermann, U. Huber)“, S. 356 ff. 1456 Hierzu mit gewissen Einschränkungen oben sub „a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung“, S. 293 f. 1457 Ähnl. – jedoch im Kontext von § 439 Abs. 3 BGB – OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, 1054. Entgegen Canaris (JZ 2004, 214, 219 insb. bei und mit Fn. 51, s. zum „subjektiven Äquivalenzprinzip“ auch dens., FS Wiedemann S. 3, 6 f.) sollten besondere Verwendungsinteressen, die typischen Schadensposten entsprechen, insoweit außer Betracht bleiben. 1458 Hierzu m. Nachw. „(a) Obergrenze für Aufwand ‚relativ knapp‘ über Leistungsinteresse – Konkretisierung mittels gestaffelter Prozentangaben (Faust)“, S. 364 ff. 1459 Hierzu bereits oben sub „d) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 252 f. 1460 Zu den verschiedenen Fallkonstellationen ausf. oben sub „a) Kenntnis“, S. 325 ff., 331 und 333 f. 1461 So oftmals die Bezeichnung der Rechtsprechung, s. z. B. BGH, NJW 1996, 3269, 3270; BGH, NJW-RR 2002, 661, 663 sub IV. 2. a) (4).

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(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf Ein vom Verkäufer vertraglich übernommenes Beschaffungsrisiko kann unterschiedlich weit reichen. Beim Gattungskauf wird unter Rekurs auf die grundlegende Untersuchung von Ballerstedt1462 – in der Reihenfolge abnehmender Reichweite – differenziert zwischen der marktbezogenen Gattungsschuld, der einfachen (oder produktionsbezogenen)1463 Gattungsschuld und der Vorratsschuld.1464 In den Bereich des Beschaffungsrisikos fallen typische Beschaffungshindernisse, wie das Fehlen der zur Beschaffung erforderlichen finanziellen Mittel, mangelnde Geschäftserfahrung, nicht rechtzeitige Eindeckung etc. Jenseits des übernommenen Risikos liegen Umstände, die mit typischen Beschaffungsschwierigkeiten nicht zusammenhängen, wie z. B. eine Freiheitsbeschränkung oder Krankheit des Verkäufers.1465 Im Einzelfall ist die Reichweite der Risikoübernahme nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre durch Auslegung der konkreten Vereinbarung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.1466 Ergibt die Auslegung im konkreten Fall etwa, dass die Lieferungspflicht des Verkäufers wie im berühmten Mühlenbrandfall von RGZ 57, 116 – Baumwollsaatmehl Marke „Eichenlaub“ auf Ware aus der laufenden Produktion des Herstellers beschränkt ist (einfache oder produktionsbezogene Gattungsschuld) – und brennt die Mühle samt aller Vorräte ab, liegt objektive Unmöglichkeit vor (§ 275 Abs. 1 BGB).1467 Es stellt sich daher nicht die Frage, ob dem Verkäufer zuzumuten ist, bereits ausgeliefertes 1462 Ballerstedt, in: FS Nipperdey (1955) S. 261, 265 ff., s. auch Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht S. 88 ff. und passim. 1463 Vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 518. 1464 Ausf. hierzu U. Huber, LS I § 24 II (S. 587 ff.), § 24 IV (S. 598 ff.), § 24 III (S. 595 ff.); LS II § 59 I 3 c (S. 802 ff.) sowie zum neuen Recht ders., FS Ulmer S. 1165, 1169 ff. (s. insb. aaO., S. 1171 f. bei Fn. 20). 1465 s. etwa Palandt65 /Heinrichs, § 276 Rn. 32 m. weit. Nachw., bestr. ist etwa die Einordnung des in BT-Drucks. 14/6040, S. 132 re. Sp. zitierten Falls von RGZ 99, 1 – Galizische Eier (Der Verkäufer konnte die geschuldeten ostgalizischen Eier nicht liefern, da er von feindlichen Truppen vertrieben wurde), vgl. einerseits Larenz, SAT § 23 I b (S. 348 f.): Restriktion des § 279 BGB a. F., s. jetzt Palandt65 /Heinrichs, § 276 Rn. 32, andererseits U. Huber, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 263 mit Fn. 51; ders., LS I § 24 II 2 mit Fn. 67 (S. 591): „eindeutiger Fall“ der Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. 1466 Vgl. auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 276 Rn. 31. Nach Canaris, JZ 2001, 499, 518 bei und mit Fn. 176 trägt beim Gattungskauf grundsätzlich der Verkäufer die Argumentationslast für Einschränkungen, differenzierend U. Huber, FS Ulmer S. 1165, 1175 f. Vgl. zur Sekundärhaftung des Gattungsschuldners aufgrund der Übernahme eines Beschaffungsrisikos jüngst Canaris, FS Wiegand S. 179, 202 ff. sowie dens., im Rahmen der Diskussion anlässlich des Karlsruher Forums 2005 (Karlsruher Forum 2005, S. 211 ff.).

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§ 4 Die neue Rechtslage

Mehl von Abnehmern zurückzukaufen,1468 da dies nicht Vertragsinhalt und daher von vornherein nicht geschuldet ist. Entscheidend für den vorliegenden Zusammenhang ist weiterhin, dass der Verkäufer in den beschriebenen Grenzen der Risikoübernahme – unabhängig von einem Verschulden – auf Schadensersatz statt der Leistung haftet, da er eine Nichtleistung stets zu vertreten hat, siehe § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 2 BGB. Man spricht insoweit von einer verschuldensunabhängigen „objektiven“ Haftung.1469 Solche Fälle betreffen daher das in der vorliegenden Untersuchung unter der Kennzeichnung „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ behandelte Regelungsproblem, für welches – wie gesehen – der in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB aufgestellte Befreiungsmaßstab in Gestalt eines „groben Missverhältnisses“ uneingeschränkt gilt. Werden infolge typischer Beschaffungshindernisse zur Leistungserbringung Mehraufwendungen erforderlich, realisiert sich damit das vom Verkäufer übernommene Beschaffungsrisiko, warum eine Berufung auf § 275 Abs. 2 BGB in aller Regel auszuscheiden hat.1470 Hinzu kommt, dass in den praktisch häufig auftretenden Fällen erheblicher Preissteigerungen (etwa beim Kauf von Erdöl oder im Falle der Verteuerung von Herstellungsmaterialien beim Werkvertrag) eine Unverhältnismäßigkeit oder gar ein grobes Missverhältnis kaum jemals eintreten wird. Denn der Anstieg des Marktpreises lässt nicht nur den Leistungsaufwand, sondern auch das Leistungsinteresse des Gläubigers ansteigen.1471 Steigen beide ins Verhältnis zu setzenden Größen parallel, bleibt das Verhältnis bei ursprünglich 1467 Ausf. hierzu U. Huber, LS I § 24 IV 4 (S. 605), s. auch dens., FS Ulmer S. 1165, 1173; die Frage der Möglichkeit, die Mühle wiederaufzubauen, soll hier außer Betracht bleiben. 1468 s. auch BGH, ZIP 1994, 136, 138 (letzter Abs.) – Porsche 959 (insoweit nicht in NJW 1994, 515 f. abgedr.), hierzu ausf. U. Huber, LS I § 24 III 2 (S. 598); ders., FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 261; ders., FS Ulmer S. 1165, 1174 f. und 1176 f. (bei Fn. 36 f.). 1469 So U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 531 bei und mit Fn. 19, s. auch dens., FS Ulmer S. 1165, 1172, ähnl. wohl Canaris, JZ 2001, 499, 518 („Risiko- oder Garantiehaftung“), ausf. jüngst ders., FS Wiegand S. 179, 202 ff., insb. 214 ff. 1470 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 77 a. E., 87 a. E, s. auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 531 ff. und 566 jew. m. weit. Nachw.; dens., in: Eckert/ Delbrück S. 23, 38 f., ferner AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 17 a. E.; AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 45, 52 [s. jedoch auch AnwKomm/dies. (2002), § 276 Rn. 24: „gewisse Bedeutung“ sowie AnwKomm/dies. (2005), § 276 Rn. 29], zu zurückhaltend hingegen Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 3 Rn. 61: „mit von Fall zu Fall unterschiedlichem Gewicht Berücksichtigung finden“ (s. demgegenüber dens., aaO., Rn. 74, dort sogar ohne die hier im Text gemachte Einschränkung – so auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 47); P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 61 f. Konträrer Ansicht jüngst Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 483 a. E.: Gattungsschulden seien nur ausnahmsweise in Natur durchsetzbar.

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äquivalenten Größen unverändert; eine ohne den Preisanstieg ursprünglich bestehende Unverhältnismäßigkeit verringert sich sogar mit dem gleichmäßigen Anstieg beider Größen. Jedoch verändert sich mit zunehmendem Preisanstieg zusehends ein anderes Verhältnis, nämlich das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung; der Käufer bekommt im Beispiel sozusagen „teures Öl für billiges Geld“. Daraus vermag im Einzelfall eine schwere Äquivalenzstörung zu resultieren, die – unter strengen Voraussetzungen – nach § 313 BGB beachtlich sein kann.1472 Anders als bei den vorstehend behandelten „objektiven Beschaffungsschwierigkeiten“ unterbleibt ein paralleles Ansteigen von Aufwand und Interesse demgegenüber in Fällen „subjektiver Beschaffungsschwierigkeiten“.1473 Insoweit erfordert die Leistungserbringung gerade für den konkreten Schuldner erheblichen Mehraufwand, während andere Personen die Beschaffung ohne weiteres bewerkstelligen könnten. Derartige Fälle treten etwa auf, wenn der individuelle Schuldner nur erschwerten Zugang zu den Beschaffungsmärkten besitzt.1474 Angesichts der Risikoübernahme ist mit einer Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB indessen große Zurückhaltung geboten. Nur unter der Voraussetzung, dass sich der Gläubiger die Gattungsware ohne Schwierigkeiten anderweitig beschaffen könnte,1475 sollte eine 1471 s. Canaris, Schuldrechtsreform S. XII; ders., in Karlsruher Forum 2002, S. 5, 14 f.; ders., FS Wiegand S. 179, 197; MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 21; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 45 f., 64; P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 70; S. Lorenz/Riehm, Rn. 306, 408; ferner auch Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/ Kitz/Arnold, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 114, S. 229; Reischl, JuS 2003, 453, 454, ungenau Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 11 (der zufolge sich Aufwand und Interesse „proportional im gleichen Ausmaß“ erhöhen sollen) und Voit, BauR, Sonderheft 1a/2002, S. 145, 158, der Parallelanstieg wird offenbar nicht (hinreichend) berücksichtigt von AnwKomm/Krebs (2002), § 313 Rn. 15; AnwKomm/ ders. (2005), § 313 Rn. 16 f.; A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 351 („weitgehend deckungsgleichen tatbestandlichen Voraussetzungen“). Z. T. abweichend Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 91 f., 143; krit. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 77 f. 1472 Hierzu unten sub „C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB“, S. 475 ff. 1473 Der entscheidende Unterschied zwischen den genannten Fällen liegt darin, dass im ersten Fall Aufwand und Interesse parallel ansteigen, sich im zweiten Fall dagegen nur der Aufwand erhöht; die genannten Begriffe sind daher nicht deckungsgleich mit der Differenzierung zwischen den beiden von § 275 Abs. 2 BGB erfassten Fallgruppen, zu ihnen bereits oben sub „(1) Die ‚zwei unterschiedlichen Fallgruppen‘ und das Gleichbehandlungsgebot“, S. 179 f. 1474 Bedenken gegen eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB hegt offenbar Koller/Roth/Zimmermann/Koller, IV. 1. (S. 52) bei und mit Fn. 33 (im Kontext des Werkvertragsrechts), eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB insoweit befürwortend hingegen Canaris, in: Karlsruher Forum 2002 S. 5, 15 f. 1475 In solchen Fällen soll nach Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 79 generell ein geringeres Leistungsinteresse gegeben sein.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Befreiung erwogen werden. Insoweit kann ergänzend auch die Frage eine Rolle spielen, ob der Schuldner – unbeschadet des Umstands, dass er innerhalb des übernommenen Risikos Leistungshindernisse nach § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 2 BGB verschuldensunabhängig zu vertreten hat – ohne Verschulden in die missliche Lage geraten ist. Hat der Verkäufer etwa die rechtzeitige Beschaffung der Ware aus spekulativen Gründen unterlassen, wird dies massiv zu seinen Lasten ins Gewicht fallen. Davon unabhängig steht dem Käufer im Falle einer außerordentlichen Befreiung freilich Schadensersatz statt der Leistung zu. (b) Herstellungsrisiko beim Werkvertrag Neben der Übernahme eines Beschaffungsrisikos beim Gattungskauf spielt in der Praxis vor allem die Übernahme des Herstellungsrisikos durch den Werkunternehmer eine wichtige Rolle. In Abgrenzung zum Dienstvertrag entspricht die Übernahme dieses Risikos der vertragstypischen Risikostruktur1476 des Werkvertrags. Ihr kommt gleichfalls zentrale Bedeutung bei der Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB zu: Innerhalb des vom Werkunternehmer zu tragenden Herstellungsrisikos scheidet eine Berufung auf § 275 Abs. 2 BGB in aller Regel aus.1477 Unschädlich ist insbesondere, dass der Mehraufwand den Werklohn übersteigt; für Ausnahmefälle bleibt ein Rückgriff auf § 313 BGB. Für das Herstellungsrisiko gilt im Übrigen das zum Beschaffungsrisiko Ausgeführte – insbesondere zum Sonderfall „subjektiver Schwierigkeiten“ – grundsätzlich entsprechend.1478 (6) Fallbeispiele zum Sachkauf Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nunmehr an Fallbeispielen zum Sachkauf veranschaulicht werden. (a) Besitzverlust („Ringfall“, Diebstahlsfälle) Zunächst werden Fälle behandelt, in denen dem Verkäufer vor oder nach Vertragsschluss der Besitz an der Sache verloren geht. Mehraufwand kann dabei etwa darin liegen, dass der Verkäufer den viel zitierten Ring vom 1476

Vgl. stellv. U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 553 ff. Hierzu auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 555 f., 556; ders., in: Eckert/ Delbrück S. 23, 39, nur ähnl. wie hier Kohler, JURA 2006, 241, 253 mit Fn. 117, zum Pauschalpreisvertrag Mittenzwei, FS Jagenburg S. 619, 635 f.; Voit, BauR, Sonderheft 1a/2002, S. 145, 158 f. 1478 Vgl. zu gewissen Einschränkungen U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 553 f. 1477

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Grund eines Sees bergen muss oder – ungleich praxisrelevanter – Kosten für die Suche und/oder Rückholung einer gestohlenen Sache aufwenden muss; denkbar wäre auch, dass der Dieb eine Ablösezahlung verlangt, wie dies nicht selten bei wertvollen Gemälden der Fall ist. Ganz ähnliche Probleme treten auf, wenn dem Verkäufer (auch) das Eigentum entzogen wird, etwa durch Enteignung. a) Regelungsproblem: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“ Ausgangsfall V hat den ihm gehörenden Ring im Wert von 10.000 e zu einem Preis in eben dieser Höhe an K verkauft. Nach Abschluss des Kaufvertrags fällt der Ring in einen Teich, ohne dass V den Verlust zu vertreten hat. K verlangt Übergabe und Übereignung des Rings. Die Bergungskosten betragen 11.000 e.

Der Leistungsaufwand setzt sich zusammen aus dem Normalaufwand, hier dem objektiven Wert der Sache in Höhe von 10.000 e, und dem Mehraufwand. Mehraufwand in Gestalt der Bergungskosten ist bei synallagmatischen Verträgen (vorliegend ein Kaufvertrag) indessen erst dann und nur insoweit in Ansatz zu bringen, als diese Kosten über den Normalaufwand hinausreichen;1479 bis zur Höhe des Normalaufwands realisiert sich das vom Verkäufer – auch unabhängig vom Kaufvertrag – zu tragende Verlustrisiko. Vorliegend übersteigen die Bergungskosten den Normalaufwand (hier den Marktwert des Rings in Höhe von 10.000 e) um 1.000 e. Damit ist ein Mehraufwand von 1.000 e anzusetzen. Der gesamte Leistungsaufwand beträgt mithin 11.000 e, dem vorliegend das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Käufers von 10.000 e (Marktwert des Rings) gegenübersteht. Der Ring ist hier in den Teich gefallen, ohne dass der Verkäufer dies zu vertreten hätte. Daher unterläge er hypothetisch betrachtet keiner Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung, da er die Pflichtverletzung i. S. von §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 283 S. 1 BGB (Nichtleistung) nicht zu vertreten hätte, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.1480 Folglich handelt es sich um dasjenige Regelungsproblem, das in der vorliegenden Untersuchung mit dem Schlagwort „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“ gekennzeichnet wird. Insoweit ist dem Schuldner die Einrede unter der Voraussetzung zu gewähren, dass der Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse mehr als moderat übersteigt. Der Leistungsaufwand von 11.000 e 1479 Zur Herleitung dieser Bestimmungsweise oben ausf. sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff. 1480 Gleiches würde bei einem anfänglichen Verlust des Rings gelten, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss davon keine Kenntnis hatte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, s. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB.

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übersteigt das hier relevante Interesse von 10.000 e1481 nur moderat. Eine Einrede des Verkäufers aus § 275 Abs. 2 BGB ist daher nicht gegeben, V bleibt mithin zur Naturalleistung verpflichtet. Leistet er gleichwohl nicht, kann K nach Fristsetzung (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB) Schadensersatz statt der Leistung verlangen.1482 Wendet er sodann 11.000 e Bergungskosten auf, kann er von V nach der Differenztheorie Zahlung von 1.000 e verlangen, ohne den Kaufpreis (10.000 e) entrichten zu müssen.1483 b) Regelungsproblem: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ Abwandlung 1 Im Unterschied zum Ausgangsfall hat V den Ring grob fahrlässig in den Teich fallen lassen. Die Bergungskosten sollen 15.000 e betragen. K hätte den Ring an X für 12.000 e verkaufen können.

Entsprechend der im Ausgangsfall dargelegten Bestimmungsweise beträgt der gesamte Leistungsaufwand nunmehr 15.000 e, der sich aus 10.000 e Normalaufwand und 5.000 e Mehraufwand zusammensetzt. Diesem Leistungsaufwand steht ein Interesse des K von insgesamt 12.000 e gegenüber, da er diese Summe von X bekommen würde, wenn V die Leistung erbrächte. In der Abwandlung würde V hypothetisch einer Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung unterliegen, da er den Ring (grob)1484 fahrlässig in den Teich fallen ließ, damit also die Pflichtverletzung (Nichtleistung) zu vertreten hätte (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB). Es geht demnach um die Problemkonstellation, in welcher der Gläubiger (Käufer) im Falle der Befreiung des Schuldners (Verkäufers) zwar seinen Erfüllungsanspruch einbüßt, ersatzweise jedoch Schadensersatz verlangen könnte („Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“). Für diesen Fall setzt die Schuldnerbefreiung in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB ein grobes Missverhältnis zwischen Aufwand und Interesse voraus. Ein solches wäre bei einem Verhältnis von 1,25 : 1 (Aufwand : Interesse = 15.000 e : 12.000 e) abzulehnen. Dies gilt umso mehr, als der Mehrauf1481

Vgl. zur Behandlung eines über das gegenständliche Naturalleistungsinteresse hinausgehenden Leistungsinteresses des Gläubigers oben sub „(c) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 305 f. 1482 Sein Erfüllungsanspruch erlischt mit dem Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung, s. § 281 Abs. 4 BGB. 1483 Eingehend zur Möglichkeit einer gläubigerseitigen Naturalrestitution, die nicht der Grenze des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB unterworfen ist, unten sub „2. Naturalrestitution durch den Gläubiger bei durchsetzbarem Erfüllungsanspruch“, S. 460 ff. 1484 Für die Haftungsfrage ist der Grad des Verschuldens nicht relevant.

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wand von 5.000 e vorliegend von V grob fahrlässig verursacht wurde und daher nicht unerheblich abzugewichten ist, soll dieser sich doch auf einen grob fahrlässig verursachten Mehraufwand nur in eingeschränktem Maße berufen können.1485 Abwandlung 2 Im Unterschied zur Abwandlung 1 fiel der Ring vor Abschluss des Kaufvertrags mit K in den Teich; V wusste dies bei Vertragsschluss infolge grober Fahrlässigkeit nicht. Die Bergungskosten sollen wiederum 15.000 e, der Weiterverkaufspreis 12.000 e betragen.

Es handelt sich auch in diesem Fall um das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“, da eine sekundäre Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB aufgrund (grob) fahrlässiger Unkenntnis des V von dem vertragsanfänglichen Leistungshindernis (Besitzmangel) vorliegend begründet wäre. Der Mehraufwand von 5.000 e (Berechnung wie oben) wäre auch hier abzugewichten, da V grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen ist.1486 Wie zuvor wäre ein grobes Missverhältnis abzulehnen. (b) Eigentumsmangel (Verkauf von dem wahren Eigentümer gestohlenen Sachen) Ausgangsfall V hat einen dem E gestohlenen Ring im Wert von 10.000 e zu einem Preis in eben dieser Höhe an K verkauft. Erst nach Abschluss des Kaufvertrags stellt sich heraus, dass E und nicht V Eigentümer des Rings ist. V hatte den Ring zum Zwecke der Veräußerung an K von Y für 9.000 e gekauft, den er für den Eigentümer halten durfte. K verlangt Übergabe und Übereignung des Rings. E wäre gegen Zahlung von 11.000 e bereit, einer Verfügung des V an K zuzustimmen.

Der Leistungsaufwand setzt sich zusammen aus dem Normalaufwand und dem Mehraufwand. Der Normalaufwand liegt vorliegend in dem von V an Y geleisteten Kaufpreis in Höhe von 9.000 e. Dieser stellt zwar in Ermangelung eines Eigentumserwerbs durch V praktisch unnützen Aufwand dar, doch durfte V diesen für erforderlich halten; da V den Ring zum Zwecke der Veräußerung an K kaufte, ist auch der notwendige Bezug der Aufwandstätigung zum (nachmaligen) Schuldverhältnis zwischen V und K gegeben.1487 1485 Ausf. hierzu sub „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff. 1486 Zur analogen Anwendung von § 311a Abs. 2 S. 2 BGB im Rahmen von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB oben sub „b) Zu vertretende Unkenntnis: Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 327 ff. 1487 Ohne weiteres wäre dieser Bezug gegeben, wenn V den Ring zunächst an K verkauft hätte und danach von X ankauft.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Mehraufwand in Gestalt der von E begehrten Zahlung kann bei synallagmatischen Verträgen (vorliegend ein Kaufvertrag) jedoch nur insoweit in Ansatz gebracht werden, als dieser über den Normalaufwand hinausreicht.1488 Hier übersteigt die von E geforderte Geldzahlung in Höhe von 11.000 e den Normalaufwand (hier 9.000 e) um 2.000 e. Damit ist ein Mehraufwand von 2.000 e anzusetzen. Der gesamte Leistungsaufwand beträgt mithin 11.000 e, dem vorliegend ein gegenständliches Naturalleistungsinteresse des Käufers von 10.000 e (Marktwert des Rings) gegenübersteht. Da V das vertragsanfängliche Leistungshindernis, den Mangel des Eigentums und die aufgrund § 935 Abs. 1 S. 1 BGB nicht bestehende Möglichkeit, dem K im Wege des Gutglaubenserwerbs Eigentum zu verschaffen, bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, eine Sekundärhaftung nach § 311a Abs. 2 BGB mithin nicht begründet wäre, reicht für die Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB bereits aus, dass der Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse mehr als moderat übersteigt. Bei einem Verhältnis von 1,1 : 1 (11.000 e : 10.000 e) ist diese Grenze noch nicht erreicht. Folglich bliebe V zur Naturalleistung verpflichtet. Abwandlung In Abweichung vom Grundfall hatte V den Ring schon zwei Jahre zuvor von X gekauft.

In dieser Fallkonstellation weist der Ankauf des Rings durch V von X keinen Bezug zum Kaufvertrag zwischen V und K auf. Es kann daher der von V ursprünglich an X bezahlte Kaufpreis nicht als „erforderlicher“ Leistungsaufwand i. S. des § 275 Abs. 2 BGB gewertet werden. Da V die Sache nicht gehört und aufgrund des ursprünglichen Abhandenkommens ein gutgläubiger Erwerb nach § 935 Abs. 1 S. 1 BGB ausscheiden muss, erscheint es vertretbar, dem unberechtigten Besitz an dem für V fremden und E gestohlenen Ring keinen Wert beizumessen.1489 Damit berechnet sich der Leistungsaufwand nach den 11.000 e, die E von V verlangt. Bei einem Verhältnis von 1,1 : 1 (11.000 e : 10.000 e) ist eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB wiederum abzulehnen. Die Lösung von Grundfall und Abwandlung zeigt, dass man bei synallagmatischen Verträgen in beiden Fällen zum gleichen Ergebnis gelangt. Es 1488 Zur Herleitung dieser Bestimmungsweise oben ausf. sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff., für die vorliegende Konstellation insb. „(3) In Sonderheit: Eigentumsmangel“, S. 272 ff. 1489 s. zur gegenteiligen Sichtweise oben sub „(3) In Sonderheit: Eigentumsmangel“, S. 272 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

417

variieren lediglich die Gründe für die unterschiedlichen Bestimmungsweisen.1490 (c) Drittveräußerung Eine Fallgruppe von § 275 Abs. 2 BGB bilden Konstellationen, in denen sich der Schuldner zur Leistungserbringung zunächst die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss. Von praktischer Bedeutung sind dabei Fälle, in denen jemand eine bereits verkaufte Sache an einen Dritten übereignet. Das nachträgliche Leistungshindernis liegt im Mangel an Eigentum und (zumeist auch) Besitz an der Sache begründet; ein vertragsanfängliches Leistungshindernis ist gegeben, wenn eine Sache verkauft wird, die bereits vor Abschluss des Kaufvertrags an einen Dritten übereignet wurde. Da die Übereignung an den Dritten zumeist in Erfüllung eines Kaufvertrags erfolgt – mithin ein „Doppelverkauf“ gegeben ist –,1491 wird im Folgenden von „Drittveräußerung“ gesprochen. Der Verkäufer muss, um die vorliegend untersuchte Primärpflicht aus dem Kaufvertrag erfüllen zu können, den berechtigten Dritten zur Rückübertragung des Eigentums beziehungsweise zur Erteilung der Zustimmung zu seiner Verfügung an den Käufer bewegen. a) Regelungsproblem: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“ Zunächst ist die vom Schuldner nicht zu vertretende Veräußerung der bereits verkauften Sache zu behandeln, die praktisch nicht sehr häufig vorkommen dürfte.1492 Denkbar ist vor allem der Fall, dass der Verkäufer die bereits verkaufte Sache in einem entschuldbaren Rechtsirrtum an eine weitere Person veräußert, etwa weil er rechtsirrig meint, den ersten Kauf bereits durch Rücktritt wirksam aufgehoben zu haben,1493 oder dass jemand ein geerbtes Grundstück veräußert und ohne Verschulden nichts von dem durch den Erblasser einem Dritten bestellten schuldrechtlichen Vorkaufsrecht weiß1494. 1490

s. den Verweis in vorstehender Fn. Die Drittveräußerung oder Drittübereignung ist ein Anwendungsproblem des „Doppelverkaufs“, s. zu weiteren Problemen den Beitrag von Ernst, FS Heldrich S. 113 ff. („Doppelverkauf. Ein Panorama“), zum Doppelverkauf zwischen denselben Parteien Braun, AcP 193 (1993), 556 ff. 1492 Vgl. auch Ernst, FS Heldrich S. 113, 138 (mit Fallbeispielen). 1493 s. Ernst, FS Heldrich S. 113, 138. 1494 Vgl. RGZ 67, 233 ff. (hierzu zuletzt U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 546 ff., s. nach altem Recht U. Huber, LS II § 59 II 1 [S. 806 f.]); durch die Ausübung des Vorkaufsrechts kommt zwischen dem Erben und dem Vorkaufsberechtigten ein (selbständiger) Kaufvertrag zu den Bedingungen zustande, wie sie zwischen 1491

418

§ 4 Die neue Rechtslage

Ausgangsfall V hat den in seinem Eigentum stehenden Ring im Wert von 10.000 e zu einem Preis in eben dieser Höhe an K verkauft. Nach Abschluss des Kaufvertrags verkauft und übereignet er den Ring zum Preis von 10.000 e an D, ohne dass V dies zu vertreten hätte. K verlangt Übergabe und Übereignung des Rings. D verlangt von V für die Rückgewähr des Rings eine „Ablösesumme“ von 11.000 e.

Der Leistungsaufwand ergibt sich aus der Summe von Normalaufwand und Mehraufwand. Ersterer beträgt vorliegend 10.000 e (Wert des Rings). Der Mehraufwand bestimmt sich nach der Differenz aus der Ablösesumme von 11.000 e und dem Kaufpreis von 10.000 e, den V von D erlangt hat, also 1.000 e.1495 Der sich ergebende Gesamtaufwand von 11.000 e ist zu dem gegenständlichen Naturalleistungsinteresse des K in Höhe von 10.000 e ins Verhältnis zu setzen. Der Befreiungsmaßstab ist für die vorliegende Konstellation gegenüber dem Wortlaut von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB („grobes Missverhältnis“) abzusenken, da V hypothetisch keiner Schadensersatzhaftung unterläge. Doch übersteigt der Aufwand das Interesse hier nur moderat, so dass eine Einrede des V gemäß § 275 Abs. 2 BGB ausscheidet. Im Unterschied zum oben behandelten zufälligen Sachverlust1496 steht der Verkäufer hier wirtschaftlich nicht mit einem Verlust von 1.000 e1497, sondern mit einem positiven Saldo von 9.000 e1498 da. Dieser Unterschied rührt daher, dass sich bei der Drittveräußerung kein Verlustrisiko realisiert, das dem Verkäufer zuzuweisen wäre. Der Eintritt des Leistungshindernisses, hier Mangel an Besitz und Eigentum infolge der Übereignung von V an D, bewirkt für sich genommen keine Vermögenseinbuße, da der Verkäufer von D einen Kaufpreis erhalten hat. Erst die Beseitigung des Hindernisses, die V aufgrund der ihm obliegenden Erfüllungspflicht angesonnen wird, verursacht eine Vermögenseinbuße, namentlich die verlustbehaftete Rückabwicklung des Kaufgeschäfts mit D, die in Höhe des von D begehrErbe und (Erst-)Käufer vereinbart wurden, § 464 Abs. 2 BGB (§ 505 Abs. 2 BGB a. F.). 1495 In dem Fall, dass V die Kaufsache dem D unentgeltlich zuwendet, muss zunächst geprüft werden, ob V mit der Zuwendung in Form der Ersparung eigener Aufwendungen einen Vermögensvorteil erlangt hat. Verneinendenfalls muss erwogen werden, die oben sub „(a) Besitzverlust (‚Ringfall‘, Diebstahlsfälle)“, S. 412 ff. dargelegten Grundsätze über das vom Verkäufer unabhängig vom Schuldverhältnis zu tragende Risiko anzuwenden. 1496 Sub „a) Regelungsproblem: ‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘“, S. 413 f. 1497 10.000 e (Kaufpreis) abzüglich 11.000 e (Bergungskosten) ergibt einen Negativsaldo von 1.000 e. 1498 10.000 e (Kaufpreis von V) plus 10.000 e (Kaufpreis von D) abzüglich 11.000 e (Ablösesumme) ergibt einen positiven Saldo von 9.000 e.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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ten Zuschlags1499 zu einer Vermögenseinbuße führt. Diese Vermögenseinbuße würde V jedoch unabhängig von § 275 Abs. 2 BGB nicht zu tragen haben. Abwandlung Abweichend vom Ausgangsfall hat V den Ring für 13.000 e an D verkauft. D verlangt für die Rückgewähr des Rings nunmehr eine „Ablösesumme“ von 14.000 e.

Der über den Normalaufwand von 10.000 e hinausgehende Mehraufwand bestimmt sich hier nach der Differenz aus der Ablösesumme und dem von D ursprünglich an V geleisteten Kaufpreis, also 14.000 e – 13.000 e = 1.000 e. Das Verhältnis von Aufwand und Interesse beträgt damit wie im Ausgangsfall 1,1 : 1 (11.000 : 10.000). Der von V durch die Rückabwicklung des Geschäfts mit D eingebüßte Gewinn (hier: 3.000 e) wird nicht zum Leistungsaufwand gerechnet,1500 vermag somit nicht zur Begründung der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB angeführt zu werden. Hätte V den Ring demgegenüber bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mit K gewinnbringend an D veräußert, müsste auch der entgangene Gewinn zum Leistungsaufwand gerechnet werden.1501 Dem Interesse des K von 10.000 e stünde dann ein Leistungsaufwand des V von 14.000 e gegenüber, das jenes Interesse mehr als moderat überstiege. b) Regelungsproblem: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ Hat jemand eine Sache verkauft und schließt er über dieselbe Sache einen zweiten Kaufvertrag mit einer dritten Person ab („Doppelverkauf“), geschieht dies bisweilen vorsätzlich. Motivation des Verkäufers wird zumeist sein, dass der Dritte einen höheren Preis zu zahlen bereit ist. Vorliegend sind in diesem Kontext nur solche Fälle von Interesse, in denen der zweite Kaufvertrag, vor allem aber das zu dessen Erfüllung vorgenommene dingliche Übereignungsgeschäft nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist (§ 138 Abs. 1 BGB). Denn soweit die Übereignung des Verkäufers an den Dritten nichtig wäre, stellte sich in Ermangelung eines Eigentumsverlusts in der Person des Verkäufers das vorliegend interessierende Problem, bis zu welcher Grenze der Verkäufer dem Dritten zum Zwecke des Rückerwerbs Geld bieten muss, nicht. Ist der Verkäufer nämlich Eigentümer geblieben, kann 1499 Der sich aus der Differenz von Ablösesumme (11.000 e) und des von D ursprünglich an V geleisteten Kaufpreises (10.000 e) ergibt. 1500 Zu den Gründen vgl. oben sub „(a) Einbuße von Gewinn aus Geschäften mit Dritten“, S. 282 ff. 1501 Wie vorherige Fn.

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§ 4 Die neue Rechtslage

er die Sache vom Dritten vindizieren1502; unterfällt zwar der Kaufvertrag, nicht jedoch das Verfügungsgeschäft § 138 Abs. 1 BGB, kann er die Sache vom Dritten kondizieren1503. Für das Sittenwidrigkeitsverdikt in diesem Zusammenhang ist mindestens Kenntnis des Zweitkäufers vom Erstkauf notwendig.1504 Beispielsfall V hat den ihm gehörenden Ring im Wert von 10.000 e zu einem Preis in eben dieser Höhe an K verkauft. Nach Abschluss des Kaufvertrags verkauft und übereignet er den Ring zum Preis von 13.000 e an D, wobei ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist; D hatte keine Kenntnis von dem Kaufvertrag des V mit K. K begehrt Übergabe und Übereignung des Rings. D verlangt für die Rückgewähr des Rings an V eine „Ablösesumme“ von 18.000 e. K entginge im Nichtleistungsfalle ein Gewinn von 2.000 e.

Der zum Normalaufwand von 10.000 e hinzukommende Mehraufwand bestimmt sich hier nach der Differenz aus der Ablösesumme und dem von D ursprünglich an V geleisteten Kaufpreis, also 18.000 e – 13.000 e = 5.000 e. Einem Leistungsaufwand von 15.000 e (10.000 e Normalaufwand zuzüglich 5.000 e Mehraufwand) steht ein Leistungsinteresse des K von 12.000 e1505 gegenüber, das Verhältnis wäre also 15.000 : 12.000, gekürzt mithin 1,25 : 1. Darin liegt kein grobes Missverhältnis, das in dieser Konstellation gegeben sein müsste, zumal der durch die Notwendigkeit eines Rückerwerbs bedingte Mehraufwand (5.000 e) auf ein grob fahrlässiges Handeln des V zurückzuführen ist, nämlich die vertragswidrige Veräußerung des Rings an D. (d) Übernahme eines Beschaffungsrisikos In Fällen der Übernahme eines Beschaffungsrisikos besteht innerhalb der Reichweite des Risikos stets das Regelungsproblem einer bloßen „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle), da eine Sekundärhaftung des Verkäufers nach § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 2 BGB ohne Verschulden begründet wäre. Beispielsfall V hat mit K einen marktbezogenen Gattungskauf über 1.000 Barrel Öl zu einem Preis von 40 e je Barrel vereinbart. Da im Nahen Osten unversehens ein Krieg ausbricht, steigt der Ölpreis auf dem Weltmarkt drastisch an. Statt der ursprüng1502

§ 985 BGB. s. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB. 1504 Einzelheiten hierzu bei Ernst, FS Heldrich S. 113, 120 ff. und 140 m. weit. Nachw. zu Literatur und Rspr. 1505 10.000 e + 2.000 e. 1503

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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lich geplanten 35 e je Barrel muss V das Öl daher für 80 e je Barrel einkaufen. K besteht auf Lieferung des Öls zum vereinbarten Preis.

Der Leistungsaufwand des V beträgt 80.000 e, dem ein Leistungsinteresse des Käufers von 80.000 e gegenübersteht. Ein grobes Missverhältnis würde damit – selbst bei Außerachtlassung des von V übernommenen Beschaffungsrisikos – ausscheiden. Diesen Fällen des Marktpreisanstiegs ist gemein, dass es in aller Regel zu einem parallelen Anstieg von Aufwand und Interesse kommt, der naturgemäß nicht zu einem groben Missverhältnis zwischen den beiden Größen führt. In solchen Fällen tritt indes eine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zwischen dem Wert der Leistung und dem Wert der Gegenleistung ein, die in Ausnahmefällen zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) führen kann.1506 Abwandlung Abweichend vom Ausgangsfall ist der Weltmarktpreis durch den Krieg nicht angestiegen, gleichwohl würde dem V die Beschaffung des Öls den benannten Mehraufwand bereiten, da alle seine Lieferanten im Kriegsgebiet ansässig sind. K verlangt Lieferung, obgleich er das begehrte Öl ohne weiteres von einem anderen Lieferanten zu dem mit V vereinbarten Preis beschaffen könnte.

Hier steht dem Leistungsaufwand des V von 80.000 e ein Leistungsinteresse von lediglich 40.000 e gegenüber, das Verhältnis von Aufwand zu Interesse beträgt mithin 2 : 1. Es handelt sich um die Konstellation einer „subjektiven Beschaffungsschwierigkeit“, bei der gerade dem konkreten Verkäufer die Beschaffung enorme Schwierigkeiten bereitet. Zwar hat V das Beschaffungsrisiko übernommen, so dass ein Verhältnis von 2 : 1 kein Missverhältnis begründen muss. Da K die Ware indes ohne Schwierigkeit zum vereinbarten Preis anderweitig beschaffen kann, müsste man vorliegend eine Befreiung des Verkäufers nach § 275 Abs. 2 BGB bejahen. In jedem Fall hätte V dem K etwaig entstandene Schäden zu ersetzen, §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 beziehungsweise §§ 280 Abs. 1, 2, 286, jeweils i. V. mit § 276 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 Fall 2 BGB. (7) Exkurs zu anderen Vertragstypen In einem Exkurs werden nachfolgend die Primärpflichtgrenzen bei anderen Vertragstypen beleuchtet. Skizzenhaft behandelt werden einerseits der Mietvertrag als synallagmatischer Gebrauchsüberlassungsvertrag, andererseits nicht-synallagmatische Stückschulden sowie in Sonderheit der Schenkungsvertrag. 1506

Näher hierzu sub „C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB“, S. 475 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

(a) Mietvertrag Ähnlich wie beim Kaufvertrag können der Leistungserbringung auch im Falle der Miete oder Pacht1507 Hindernisse im Wege stehen. Im Unterschied zum Kaufvertrag gehört die Eigentumsverschaffung nicht zum Pflichtenprogramm des Vermieters, gleichwohl kann die mangelnde Berechtigung auf Seiten des Vermieters zum Leistungshindernis werden, wenn sie zum teilweisen oder vollständigen Entzug des vertragsgemäßen Gebrauchs führt, vergleiche auch § 536 Abs. 3 BGB. Weiterhin kann der geschuldeten Gebrauchsüberlassung entgegenstehen, dass der Vermieter dem Mieter den Besitz nicht verschaffen kann, etwa weil er die (bewegliche) Sache verloren hat oder den Besitz einem Dritten eingeräumt hat (z. B. im Falle der Doppelvermietung)1508; solche Hindernisse können bereits vor Abschluss des Mietvertrags bestehen oder auch erst nachträglich eintreten. Ferner kann der Fall auftreten, dass die Mietsache beschädigt oder (teilweise) zerstört wird. Bei der Miete als Dauerschuldverhältnis können solche Hindernisse während der gesamten Mietzeit eintreten: Der Vermieter ist nämlich auch nach Überlassung der Sache an den Mieter grundsätzlich zur Erhaltung der Mietsache verpflichtet, § 536 Abs. 1 S. 2, Halbs. 2 BGB1509. In der Praxis treten nicht selten Fälle reparabler Beschädigungen oder teilweiser Zerstörungen der Miet- oder Pachtsache auf. Soweit eine vollständige Zerstörung vorliegt, entfällt die Pflicht zur Gebrauchsüberlassung und mit ihr – etwa bei der Grundstückspacht – eine Wiederaufbaupflicht vollständig (§ 275 Abs. 1 BGB).1510 Bei teilweiser Zerstörung wird der Schuldner unter der Voraussetzung, dass der unversehrte Teil selbständig nutzbar bleibt (teilbare Leistung), gemäß § 275 Abs. 1 BGB teilweise frei („soweit“), muss also etwa bei einer Hofpacht keinen (teilweisen) Wiederaufbau leisten.1511 Dem stehen unteilbare Leistungen gegenüber, bei denen eine Weiternutzung des unversehrt gebliebenen Teils ausscheidet. Bei ihnen bestehen grundsätzlich 1507 Zur Vereinfachung wird die gleichfalls erfasste Pacht im Folgenden nicht (stets) ausdrücklich genannt. 1508 Ist der weitere Mieter („Dritte“), dem die Mietsache bereits vom Vermieter überlassen wurde, definitiv nicht zur Herausgabe bereit, liegt im Verhältnis zu dem anderen Mieter ein Fall subjektiver Unmöglichkeit vor, § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB, zutreffend – wenngleich noch zum alten Recht – Derleder/Pellegrino, NZM 1998, 550, 556. 1509 Für die Pacht: § 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 S. 2, Halbs. 2 BGB, s. aber zu Modifizierungen § 582 BGB. 1510 Vgl. aus der Rspr. BGHZ 116, 334, 336 f. (Pachtvertrag), wo indes mangelndes Verschulden des Verpächters zur Voraussetzung gemacht wurde, s. aber OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995, 849, ferner auch BGH, NJW 1976, 1506, 1507; WM 1977, 400, 401. Abweichendes gilt freilich für die Gattungsmiete. 1511 Vgl. BGHZ 116, 334, 336 f., s. auch OLG Hamburg, NZM 2002, 343, 344.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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zwei Möglichkeiten: Einerseits kann der Vermieter zur Behebung der teilweisen Zerstörung und zur weiteren Gebrauchsüberlassung verpflichtet sein beziehungsweise bleiben, andererseits kann seine Pflicht nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein, da unter Rekurs auf den konkreten Vertrag sowie hilfsweise auch die Verkehrsanschauung von einer identitätswahrenden Instandsetzung1512 nicht mehr gesprochen werden kann, mithin die ursprüngliche Mietsache nicht mehr existiert, oder1513 seine Pflicht ist angesichts des hohen Leistungsaufwands nach § 275 Abs. 2 BGB zumindest einredebehaftet.1514 Für den vorliegenden Zusammenhang ist letzterer Gesichtspunkt von besonderem Interesse. Es geht darum, zu ermitteln, bis zu welcher Höhe der Vermieter den Kostenaufwand einer Reparatur der beschädigten Mietsache aufzubringen hat, mithin um die Grenze der Gebrauchsüberlassungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 S. 1 BGB),1515 die durch dessen Erhaltungspflicht nach § 535 Abs. 1 S. 2, Halbs. 2 BGB1516 ergänzt1517 wird. So war etwa im Muldenkipper-Fall1518 fraglich, ob der Vermieter das infolge eines Achsbruchs erheblich beschädigte Mietfahrzeug zu reparieren hatte. In der Entscheidung wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass der Reparaturaufwand den Fahrzeugwert übersteigt; dies sei in einem „so erheblich[en]“ Ausmaß der Fall gewesen, dass daraus gefolgert wurde, dem Vermieter sei eine Reparatur nicht zuzumuten.1519 Wegen Überschreitens der „Opfergrenze“ wurde ein Fall der Unmöglichkeit angenommen,1520 die Pflicht des 1512 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt Staudinger/Emmerich (2003), Vorbem zu § 536 Rn. 6 unter Verweis auf die Vorstellung der Gesetzesväter des BGB. Eine „Nachlieferung“, wie für den Stückkauf gem. § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB unter bestimmten Voraussetzungen angenommen wird, kommt bei der Miete einer Speziessache nicht in Betracht. 1513 Die beiden Gesichtspunkte – Identitätsverlust (§ 275 Abs. 1 BGB) und hoher Leistungsaufwand („grobes Missverhältnis“, § 275 Abs. 2 BGB) – sollten auseinander gehalten werden, abw. offenbar Staudinger/Emmerich (2003), Vorbem zu § 536 Rn. 6 ff. 1514 Teilweise wird auch eine Anwendung von § 313 BGB erwogen, so offenbar nach neuem Recht Staudinger/Emmerich (2003), Vorbem zu § 536 Rn. 7 f., ferner auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 89. 1515 Für die Pacht: § 581 Abs. 1 S. 1 BGB. 1516 Für die Pacht: § 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 S. 2, Halbs. 2 BGB, s. aber zu Modifizierungen § 582 BGB. 1517 Hierzu statt vieler Palandt65 /Weidenkaff, § 535 Rn. 14. 1518 Zu ihm ausf. oben sub „(d) In Sonderheit: BGH-Urteil vom 26. 9. 1990 (= BGH, NJW-RR 1991, 204) – Muldenkipper“, S. 201 ff. 1519 BGH, NJW-RR 1991, 204 f. 1520 BGH, NJW-RR 1991, 204, 205; den Gedanken der „Opfergrenze“ erwähnt zuletzt wieder BGH, NJW 2005, 3284, wobei nach dieser Entscheidung dasselbe Ergebnis nunmehr aus § 275 Abs. 2 BGB herzuleiten sein soll.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Vermieters zur Gebrauchsgewährung beziehungsweise Beseitigung des Achsschadens dementsprechend nach § 275 Abs. 1 BGB a. F. für ausgeschlossen erachtet. Diese Einordnung war bereits unter Geltung des früheren Rechts dogmatisch verfehlt.1521 Denn eine Reparatur war – wie in der Entscheidung ausdrücklich festgestellt wurde – technisch möglich, mithin lag in der Beschädigung kein unüberwindbares Leistungshindernis; außerdem hätte der Muldenkipper bei einem bloßen Austausch der Vorderachse nicht seine „Identität“ verloren, so dass die ursprüngliche Sache auch noch nach einer Reparatur existierte, in Ermangelung eines „Identitätsverlusts“ demnach auch unter diesem Gesichtspunkt eine Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB ausschied. Es wurde bereits angesprochen, dass die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB beim zeitgebundenen Gebrauchsüberlassungsvertrag Probleme aufwirft.1522 Der im Muldenkipper-Urteil hergestellte Bezug zwischen Reparaturaufwand und Sachwert ist für § 275 Abs. 2 S. 1 BGB ohne Relevanz.1523 Denn nach dieser Vorschrift ist der schuldnerische Leistungsaufwand ins Verhältnis zu dem Interesse des Mieters (Gläubiger) an der „Leistung“ zu stellen; die Leistung besteht bei der Miete in der zeitweiligen Gebrauchsüberlassung und nicht wie beim Kauf darin, die Sache endgültig übertragen zu bekommen. Es muss demnach das Gebrauchsinteresse des Mieters bestimmt werden,1524 das mit dem Sachwert grundsätzlich nichts zu tun hat. Der Umfang des Gebrauchsinteresses ist freilich maßgeblich von der Dauer der Gebrauchsüberlassung abhängig. Die Mietzeit wiederum muss nicht bei Vertragsschluss bestimmt sein, sondern unterliegt oftmals der Ausübung von Kündigungsrechten beider Vertragsparteien. Zu wenig sinnfälligen Ergebnissen muss es führen, wenn man auf Schuldnerseite den Reparaturaufwand heranzieht, während auf Gläubigerseite dessen Gebrauchsinteresse für die Zeit bis zum nächsten Kündigungstermin 1521

Zur Begründung oben sub „b) Analyse“, S. 202 ff. s. im Kontext der Muldenkipper-Entscheidung oben sub „b) Analyse“, S. 202 ff. 1523 Das wird von der Entscheidung BGH, NJW 2005, 3284 nicht (hinreichend) berücksichtigt: Der BGH führt ebenda in Bezug auf § 275 Abs. 2 BGB (und unter Hinweis auf die Kommentierung von Schilling im Münchener Kommentar) aus: „Doch darf kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einer- und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits“ (Hervorheb. nicht im Original). § 275 Abs. 2 BGB gibt – wie sogleich noch näher dargelegt wird – eine solche (Verhältnismäßigkeits-)Prüfung nicht vor. 1524 Zumindest als Ausgangspunkt herangezogen bei Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, Fall 34 Rn. 14, anders noch H. Köhler/Fritzsche, Fälle zum neuen Schuldrecht, Fall 2 Rn. 10 f., s. auch Schwarze, JURA 2002, 73, 77, der ein Missverhältnis zwischen Mietzins und (Reparatur-)Aufwand erwägt. 1522

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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des Vermieters in Ansatz gebracht wird.1525 Um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen zwei Größen durchführen zu können, muss diesen nämlich auf beiden Seiten ein und derselbe Bezugspunkt zugrunde liegen. Bei § 275 Abs. 2 S. 1 BGB bildet die „Leistung“ den gemeinsamen Bezugspunkt von (Leistungs-)Aufwand und (Leistungs-)Interesse, wobei die Leistung bei Gebrauchsüberlassungsverträgen – wie gesagt – von gewisser Dauer ist. Bringt man auf Gläubigerseite etwa das Interesse an einer einmonatigen Gebrauchsüberlassung in Ansatz, hat selbiges auch auf Schuldnerseite zu erfolgen, da andernfalls eine verzerrte und damit sachwidrige Verhältnismäßigkeitsprüfung droht. Unrichtig wäre, den Aufwand des Vermieters einer Gebrauchsüberlassung für einen Monat in dem Betrag der Reparaturkosten zu sehen. Eine Reparatur führt zu einer Steigerung des Sachwerts, die nicht lediglich bis zum nächsten Kündigungstermin, sondern – abhängig vom jeweilig betroffenen Gut – zumeist für mehrere Jahre währt. Weiterhin wäre die Konsequenz einer solchen Handhabung, dass bei nicht allzu langer Kündigungsfrist des Vermieters, dieser bereits die Behebung geringer Beschädigungen verweigern könnte. Zudem träten bei Mietverträgen, die vom Vermieter nur aus bestimmten Gründen (z. B. bei der Wohnungsmiete nur bei Eigenbedarf des Vermieters) kündbar sind, erhebliche Probleme auf. Wie soll man etwa die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung für die Zukunft feststellen? Eine sachgerechte Lösung auf Grundlage des § 275 Abs. 2 BGB1526, die vorliegend nur grob skizziert werden soll, scheint nur dadurch erreichbar, dass man Aufwand und Interesse „auf einen gemeinsamen Nenner“ bringt; die praktische Anwendung der Vorschrift erweist sich dabei zugegebenermaßen als etwas kompliziert. Dem gemeinsamen Bezugspunkt von Aufwand und Interesse – die „Leistung“ – hat bei der zeitgebundenen Gebrauchsüberlassung auf beiden Seiten jeweils die gleiche Zeitdauer zugrunde zu liegen. Während sich das Gebrauchsinteresse für einen bestimmten Zeitabschnitt (z. B. einen Monat) unschwer berechnen lässt, gestaltet sich die zeitabhängige Aufwandsbestimmung erheblich schwieriger. Der Leistungsaufwand des Schuldners lässt sich für eine bestimmte Zeiteinheit nämlich nur ermitteln, indem man den gesamten Aufwand für die Restnutzungsdauer der reparierten Mietsache bestimmt und sodann auf die gewünschte Zeiteinheit herunterrechnet; bei älteren Mietsachen verbleibt eine geringere Restnutzungsdauer, womit der Reparaturaufwand auf einen geringeren Zeitraum verteilt wird und somit bei älteren, nur bedingt reparaturwürdigen Gegen1525 So aber der Ausgangspunkt von Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, Fall 34 Rn. 14, ähnl. Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 39 bei und mit Fn. 80. 1526 Demgegenüber ordnet Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 89 die diskutierten Fälle § 313 BGB zu.

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ständen – in der Sache zutreffend – eine Befreiung nach § 275 Abs. 2 BGB eher eintritt. Der Normalaufwand setzt sich dabei aus dem Wert der Mietsache vor Eintritt des Leistungshindernisses (Restwert) sowie den üblichen Instandhaltungskosten für die verbleibende Restnutzungsdauer zusammen.1527 Hinzu kommt der Mehraufwand, der in den diskutierten Fällen im Reparaturaufwand besteht.1528 Da insoweit jedoch bereits das Leistungshindernis (Beschädigung) zu einer Wertminderung des Leistungsgegenstands (Mietsache) führt, der Vermieter eine Vermögenseinbuße mithin ganz unabhängig vom Schuldverhältnis erleidet,1529 ist vom Reparaturaufwand der Restwert abzuziehen, den der Vermieter durch die Beschädigung ohnehin verloren hätte. Dies gilt beim gegenseitigen Mietvertrag1530 – analog zur Behandlung beim Sachkauf –1531 unter der Voraussetzung, dass der Reparaturaufwand von der Gegenleistung (Mietzins) gedeckt ist. Vermögensmäßig „neutral“ stellt sich die Aufbringung des Reparaturaufwands für den Vermieter allerdings nur insoweit dar, als der konkrete Mieter den Mietzins aller Voraussicht nach tatsächlich entrichten wird. Eine besonders kurze Restmietzeit1532 fiele bei der Abwägung nach § 275 Abs. 2 BGB insoweit zulasten des Mieters ins Gewicht, als der vom Mehraufwand (Reparaturkosten) theoretisch bis zum Restwert mögliche Abzug durch die Höhe der verbleibenden Mietzinszahlungen begrenzt ist. Dies könnte den Mieter, der an einer Reparatur in besonderem Maße interessiert ist, in solchen Fällen dazu veranlassen, dem Vermieter eine längerfristige Mietdauer zuzusagen. Das Gläubigerinteresse beinhaltet – analog zum Kauf – jedenfalls den objektiven Gebrauchswert (gegenständliches Naturalleistungsinteresse), kann aber auch darüber hinaus gehende Interessen umfassen; entsprechend der Behandlung des Sachkaufs wird auch dem Mieter in aller Regel zu gestatten sein, mindestens den Betrag der Gegenleistung (hier: Mietzins) als Leistungsinteresse anzusetzen.1533 Dem Gesamtaufwand ist das auf die verblei1527 Zur Vereinfachung soll bei Bestimmung von Aufwand und Interesse eine Abzinsung vorliegend außer Betracht gelassen werden. 1528 Gleiches gilt für den Wiederbeschaffungsaufwand im Falle des Abhandenkommens der Mietsache. 1529 Eingehend hierzu und zum Folgenden oben sub „c) Behandlung eines Wertverlusts beim Leistungsgegenstand“, S. 265 ff. 1530 Abweichendes gilt – analog zur Schenkung – für die unentgeltliche Leihe. 1531 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 553 mit Fn. 78a wie auch Canaris, JZ 2004, 214, 217 [re. Sp., sub b)] betonen die dem Stückkauf verwandte Risikostruktur des Mietvertrags. 1532 Die auch durch die potentielle Kündigungsmöglichkeit des Mieters bedingt sein kann. 1533 Vgl. die Ausf. oben sub „a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung“, S. 293 f., i. Erg. auch Schwarze, JURA 2002, 73, 77.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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bende Restnutzungsdauer bezogene Gebrauchsinteresse des Mieters gegenüberzustellen. Besondere Mieterinteressen können jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als der Mieter die Sache aller Voraussicht nach tatsächlich mieten wird; die über seine voraussichtliche Mietzeit hinausgehende Restnutzungsdauer ist nur mit dem objektiven Gebrauchsinteresse (gegenständliches Naturalleistungsinteresse) anzusetzen. Die Einrede ist unter der Voraussetzung begründet, dass zwischen den beiden Größen ein grobes Missverhältnis vorliegt; für das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ genügt demgegenüber – wie gezeigt –, dass der Leistungsaufwand das Leistungsinteresse mehr als moderat übersteigt. Vor dem Hintergrund zweier unterschiedlicher Befreiungsanforderungen ist eine im Mietrecht bestehende Besonderheit zu beachten. Soweit die Garantiehaftung nach § 536a Abs. 1 Fall 1 BGB für anfängliche (behebbare) Sach- und Rechtsmängel eingreift,1534 steht eine sekundäre Schadensersatzhaftung1535 des Vermieters fest. Insoweit sind dann nicht die Voraussetzungen einer Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB erforderlich,1536 um einen § 536a Abs. 1 Fall 1 BGB unterfallenden Sachverhalt dem Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers (Mieters) auf den Sekundäranspruch“ zuzuordnen. Hier zeigt sich deutlich, dass das – für die Zuordnung eines Falls zu einem der beiden von § 275 Abs. 2 BGB erfassten Regelungsprobleme – maßgebliche Differenzierungskriterium nicht stets das schuldnerische Vertretenmüssen – sei es hinsichtlich des Leistungshindernisses, sei es hinsichtlich seiner Unkenntnis von einem vertragsanfänglichen Leistungshindernis – sein muss, sondern richtigerweise darin zu sehen ist, ob der Schuldner für den Fall seiner Befreiung von der Primärpflicht einer sekundären Schadensersatzhaftung unterläge.

1534 Zu Einzelheiten Staudinger/Emmerich (2003), § 536a Rn. 2 ff.; MünchKomm/Schilling (2004), § 536a Rn. 6 ff.; Palandt65 /Weidenkaff, § 536a Rn. 3 ff. jew. m. weit. Nachw. zu den insoweit divergierenden Ansichten. 1535 Die den „Nichterfüllungsschaden“ oder „Mangelschaden“ (Schadensersatz statt der Leistung) wie etwa den Minderwert oder einen dem Mieter entgangenen Gewinn umfasst, vgl. Palandt65 /Weidenkaff, § 536a Rn. 2, 14, s. auch Hau, JuS 2003, 130, 131; Kainer, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 217, 236 f. 1536 Nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht ist § 536a Abs. 1 Fall 1 BGB bereits vor Überlassung der Mietsache an den Mieter anwendbar, so etwa Derleder, WuM 2002, 407, 408 f., 411; Joussen, ZMR 2004, 553, 555 ff.; Kandelhard, WuM 2003, 3, 7; Oechsler, NZM 2004, 647, 650; Timme, NZM 2003, 703, 704, jetzt auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 311a Rn. 33, a. A. Staudinger/ Emmerich (2003), § 536a Rn. 2, 4; Palandt65 /Weidenkaff, § 536 Rn. 7, § 536a Rn. 3; v. Westphalen, NZM 2002, 368, 375, jew. noch zum alten Recht: BGHZ 136, 102, 107 f.; BGH, NJW 1999, 635. Vgl. ferner auch Reese, JA 2003, 162, 164 ff., insb. 167.

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§ 4 Die neue Rechtslage

(b) Nicht-synallagmatische Stückschulden Nicht-synallagmatische Stückschulden treten etwa als Rückgabepflichten bei Gebrauchsüberlassungsverträgen (Miete1537, Leihe1538, Pacht1539) auf, daneben beim Verwahrungsvertrag1540 oder beim Auftragsverhältnis in Gestalt der Herausgabepflicht des Beauftragten1541, schließlich auch beim Stückvermächtnis1542. Solche Pflichten weisen gegenüber dem Spezieskauf die Besonderheit auf, dass der Schuldner anders als der Verkäufer im Falle der Nichtleistung nicht einer Gegenleistung verlustig geht. Nach Ansicht von U. Huber muss bei den benannten einseitigen Leistungspflichten, bei denen die Leistungsgefahr beim Gläubiger liege, der Umstand, dass der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten habe, gemäß § 275 Abs. 2 S. 2 BGB in der Weise berücksichtigt werden, dass der Schuldner überhaupt keinen zusätzlichen Aufwand leisten müsse, um das Leistungshindernis zu beheben.1543 Als Grund hierfür wird angeführt, dass es bei einseitigen Speziesschulden keine Gegenleistungsgefahr gebe, die den Schuldner belaste und die deshalb zu seinen Lasten in die Rechnung eingestellt werden müsse.1544 Demgegenüber führt nach der hier verfochtenen Ansicht der Umstand, dass der Schuldner ein eingetretenes Leistungshindernis nicht zu vertreten hat und er im Falle der Primärpflichtbefreiung damit keiner sekundären Schadensersatzhaftung unterläge, zu einer erheblichen Absenkung der Befreiungsanforderungen des § 275 Abs. 2 BGB; dem Schuldner steht die Einrede bereits unter der Voraussetzung zu, dass sein Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Gläubigers mehr als moderat übersteigt. Der Schuldner einer Rückgabepflicht hat dem Gläubiger den Be1537

§ 546 Abs. 1 BGB. § 604 Abs. 1 bis 3 BGB, hier auch als Gebrauchsüberlassungspflicht des Verleihers (§ 598 BGB), wobei es zugunsten des Verleihers die Privilegierung in § 599 BGB zu beachten gilt. 1539 § 596 Abs. 1 BGB. 1540 § 695 S. 1 BGB. 1541 § 667 BGB. 1542 § 2174 BGB, hierzu jüngst eingehend T. Härle, Inhalt und Grenzen der Leistungspflicht beim Vermächtnis individuell bestimmter Gegenstände (2006), nach alter Rechtslage ausf. Schultze-Zeu, Tatbestand und Unmöglichkeit des Stückvermächtnisses S. 110 ff. 1543 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 552 (und 556), zust. AnwKomm/DaunerLieb (2005), § 275 Rn. 54; Palandt64, 65 /Heinrichs, § 275 Rn. 28 (abw. noch Palandt63 /Heinrichs, § 275 Rn. 28, noch anders Palandt62 /Heinrichs, § 275 Rn. 28), i. Erg. ebenso Ackermann, JZ 2002, 378, 383 mit Fn. 39 (für die Stückschuld aus einem Vermächtnis). 1544 U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 552. 1538

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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sitz zu übertragen. Zur Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hat man daher für die wertmäßige Erfassung des Besitzes als solchen sowohl auf Gläubiger- als auch auf Schuldnerseite den objektiven Sachwert anzusetzen; im Unterschied zur temporären Gebrauchsüberlassung erscheint es vorliegend kaum möglich, Besitz und Eigentum dauerhaft wertmäßig aufzuspalten. Der Gläubiger (des Rückgabeanspruchs) kann bei mangelndem Vertretenmüssen des Schuldners (Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“) grundsätzlich nur sein gegenständliches Naturalleistungsinteresse in Ansatz bringen; dieses entspricht hier dem objektiven Sachwert. Auf Schuldnerseite ist eben dieser Betrag als Normalaufwand anzusetzen, da der dem Schuldner zustehende beziehungsweise im Verlustfalle inne gehabte Besitz mit dem objektiven Sachwert in Ansatz zu bringen ist. Im Ausgangspunkt liegt unter Außerbetrachtlassung eines Leistungshindernisses mithin ein Verhältnis von 1 : 1 vor. Wird nun aufgrund eines eintretenden Leistungshindernisses Mehraufwand erforderlich, ist dieser uneingeschränkt berücksichtigungsfähig. Auch in den Fällen des Sachverlusts ist der volle Wiederbeschaffungsaufwand anzusetzen, da sich der Schuldner einer nicht-synallagmatischen Erfüllungspflicht keine Gegenleistung sichern kann.1545 Fallbeispiel Entleiher E wird die ihm von dem Verleiher V überlassene Sache gestohlen, ohne dass E daran ein Verschulden trifft. E müsste 40 e aufwenden, um die Sache im Wert von 100 e wiederzubeschaffen. V verlangt Rückgabe der Sache.

Der Leistungsaufwand setzt sich zusammen aus Normalaufwand und Mehraufwand, hier dem Wert der ursprünglich im Besitz von E stehenden Sache in Höhe von 100 e zuzüglich des Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe von 40 e. Da E den Sachverlust nicht zu vertreten hat, er mithin (hypothetisch) keiner sekundären Schadensersatzhaftung unterläge, reicht es für § 275 Abs. 2 BGB aus, dass der Gesamtaufwand von 140 e das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Verleihers V in Höhe von 100 e (objektiver Sachwert) – wie im vorliegenden Fall zu bejahen – mehr als moderat übersteigt. Folglich steht E die Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB zu; mangels Vertretenmüssens (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) haftet V auch nicht auf Schadensersatz statt der Leistung. (c) Schenkungsvertrag Bei der Schenkung ist zu differenzieren zwischen der so genannten Handschenkung (§ 516 BGB) und der Vertragsschenkung (§ 518 BGB).1546 Bei 1545

Hierzu oben sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

der Handschenkung wird keine Verpflichtung – etwa zur Übergabe und Übereignung einer Sache – begründet, vielmehr setzt § 516 BGB eine Einigung zwischen Zuwendendem und Zuwendungsempfänger über die Unentgeltlichkeit einer bereits vollzogenen oder gleichzeitig erfolgenden Zuwendung voraus, worin die Vereinbarung einer Rechtsgrundabrede i. S. von § 812 BGB gesehen wird: Nach dem Willen der Parteien soll der Zuwendungsempfänger die Zuwendung behalten dürfen.1547 Leistungshindernisse wie etwa ein Besitzverlust sind insoweit nicht denkbar.1548 Im Falle der Vertragsschenkung wird hingegen eine Verpflichtung des Schenkers zur (unentgeltlichen) Erbringung einer Leistung begründet; zur Wirksamkeit des Schenkungsvertrags bedarf es der notariellen Beurkundung des Schenkungsversprechens1549 (§ 518 Abs. 1 S. 1 BGB). Treten nach1550 Vertragsschluss Leistungshindernisse ein, ist aufgrund der Uneigennützigkeit der Schenkung (Utilitätsprinzip)1551 zu beachten, dass zugunsten des Schuldners die Haftungsprivilegierung in § 521 BGB Platz greift.1552 Daraus folgt, dass für den Fall einer Befreiung des Schenkers von seiner Primärpflicht wegen eines nachträglichen Leistungshindernisses bis zur groben Fahrlässigkeit (siehe § 521 BGB) eine sekundäre Schadensersatzhaftung aus Vgl. hierzu Brox/Walker, SBT31 § 9 Rn. 2 f.; MünchKomm/Kollhosser (2004), § 516 Rn. 1, 11, § 518 Rn. 2; Medicus, SBT13 Rn. 171. 1547 Vgl. Brox/Walker, SBT31 § 9 Rn. 2; MünchKomm/Kollhosser (2004), § 516 Rn. 1, 11 m. Nachw. zur Gegenansicht. 1548 s. zu anfänglichen Sach- und Rechtsmängeln die Hinweise in Fn. 1550 (S. 430). 1549 Bei Grundstücksschenkungen unterliegt indes der gesamte Vertrag dem Erfordernis notarieller Beurkundung (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB). 1550 Die Behandlung vertragsanfänglicher Leistungshindernisse unterliegt im Schenkungsrecht z. T. Sondervorschriften (s. §§ 523, 524 BGB), die vorliegend nicht weiter vertieft werden sollen, s. hierzu etwa MünchKomm/Kollhosser (2004), § 523 Rn. 2 ff., 5 ff., § 524 Rn. 2, 3 ff. sowie insb. BGHZ 144, 118 ff. (Annahme einer grundsätzlich verschuldensunabhängigen Einstandspflicht des Schenkers für sein anfängliches Unvermögen im alten Recht), abl. U. Huber, ZIP 2000, 1372 ff., s. dazu ferner Löwisch, JZ 2001, 355 f.; S. Lorenz, EWiR § 521 BGB 1/2000, 715 f. und nach neuen Recht Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, Fall 32 Rn. 14 und 18 ff. Entgegen BGHZ 144, 118 für eine Anwendung der §§ 311a Abs. 2, 521 BGB Jauernig11 /Berger, § 521 Rn. 2; MünchKomm/Ernst (2003), § 311a Rn. 53; Erman11 /Herrmann, § 521 Rn. 2; Palandt65 /Weidenkaff, § 521 Rn. 4. 1551 s. nur Medicus, SBT13 Rn. 4, im Kontext der Schenkung aaO., Rn. 176. 1552 So für die Haftung für nachträgliche Unmöglichkeit bzw. nachträgliches Unvermögen (§ 275 Abs. 2 BGB a. F.) im alten Recht nach § 280 Abs. 1 BGB a. F. U. Huber, ZIP 2000, 1372, 1374; MünchKomm/Kollhosser (1995), § 521 Rn. 3; Soergel/Mühl/Teichmann, vor § 521 Rn. 3; Erman10 /Seiler, § 521 Rn. 2, im neuen Recht etwa Brox/Walker, SBT31 § 9 Rn. 16; MünchKomm/Kollhosser (2004), § 521 Rn. 9; Medicus, SBT13 Rn. 176; Palandt65 /Weidenkaff, § 521 Rn. 4, wohl auch Erman11 /Herrmann, § 521 Rn. 2. 1546

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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§§ 280, 283 BGB ausscheiden würde, mithin das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ inmitten steht und demzufolge die Befreiungsvoraussetzungen nach § 275 Abs. 2 BGB erheblich abzusenken sind. Hinzu kommt zugunsten des Schenkers, dass bei Leistungshindernissen, die zu einem Wertverlust des Leistungsgegenstands führen, der Wiederbeschaffungsaufwand in vollem Umfang anzusetzen ist, da sich der Schenker keine Gegenleistung sichern kann. Fallbeispiel Großmutter G schließt mit ihrem Enkel E einen formwirksamen Schenkungsvertrag über ein Gemälde im Wert von 10.000 e. Vor Übereignung des Gemäldes wird dieses bei G von dem Dieb D entwendet; der Diebstahl wurde ermöglicht, da G fahrlässig die Terrassentüre offen stehen ließ. Später wird das Gemälde im Ausland aufgefunden. Die Rückholung würde 3.000 e kosten.

Der Leistungsaufwand ergibt sich aus dem Normalaufwand, hier dem Sachwert in Höhe von 10.000 e, und dem Mehraufwand, vorliegend den Rückholkosten (3.000 e); hinsichtlich des Mehraufwands kommt im Unterschied zum Sachkauf in Ermangelung einer Gegenleistung kein Abzug in Betracht, ebenso wenig eine Abgewichtung der durch G fahrlässig verursachten Rückholkosten (siehe § 521 BGB)1553. Das Leistungsinteresse des E bemisst sich nach dem Sachwert von 10.000 e. Zwar hat G fahrlässig das Leistungshindernis, den Besitzverlust, verursacht, unterläge bei einer Primärpflichtbefreiung wegen § 521 BGB gleichwohl keiner Schadensersatzhaftung nach §§ 280, 283 BGB. Damit ist das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ betroffen, bei dem die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB bereits zu gewähren ist, wenn der Leistungsaufwand das Leistungsinteresse mehr als moderat übersteigt. Dies dürfte vorliegend zu bejahen sein, da einem Aufwand von 13.000 e ein Interesse von 10.000 e gegenübersteht. G kann die Übergabe des Gemäldes nach § 275 Abs. 2 BGB verweigern. E kann zwar nicht Schadensersatz statt der Leistung verlangen, zumindest aber Eigentumsübertragung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB1554 sowie auch Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche, die G gegenüber dem Dieb D zustehen (§ 285 BGB). Es zeigen sich deutliche Unterschiede zum Kaufvertrag: Hätten G und E einen Kaufvertrag vereinbart, wären Rückholkosten erst in der den Sachwert von 10.000 e übersteigenden Höhe als Leistungsaufwand anzusetzen, die 3.000 e vorliegend demnach ohne Berücksichtigung geblieben; zudem s. explizit zu § 275 Abs. 2 S. 2 BGB Erman11 /Herrmann, § 521 Rn. 2. Für die Gewährung eines Anspruchs auf Übergabe und Übereignung der mit einem unbehebbaren Sachmangel behafteten Kaufsache (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) Hofmann/Pammler, ZGS 2004, 91, 94 f. 1553 1554

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§ 4 Die neue Rechtslage

unterläge die fahrlässig handelnde G in Ermangelung einer Haftungsprivilegierung im Kaufrecht einer Sekundärhaftung, so dass vorliegend keine Absenkung des Befreiungsmaßstabs vorzunehmen wäre, es mithin eines groben Missverhältnisses bedürfte. 8. Das Zeitmoment Wie bereits dargelegt, kann eine Leistung endgültig oder nur zeitweilig unmöglich sein. Diese Charakterisierung könnte auch für § 275 Abs. 2 BGB passen.1555 Dafür muss zunächst geklärt werden, worauf sich das Zeitmoment exakt bezieht. Für § 275 Abs. 1 BGB ist es die Unmöglichkeit der Leistung, die nur zeitweilig vorliegt. Unerheblich ist dabei, ob das Hindernis später entfällt (es wird z. B. das einer Leistungserbringung entgegenstehende Embargo später aufgehoben) oder aber nur die Unüberwindbarkeit des Hindernisses (wenn etwa neue Methoden entwickelt wurden, die eine Überwindung des Hindernisses ermöglichen). Das Zeitmoment muss sich demnach nicht zwingend auf das Hindernis als solches beziehen, vielmehr genügt bereits der Entfall der Unüberwindbarkeit des sodann noch zu überwindenden Hindernisses. Damit kommt es also entscheidend darauf an, dass die Voraussetzung einer Leistungsbefreiung (Leistungsunmöglichkeit) nur zeitweilig gegeben ist. a) Zeitweiliges Missverhältnis i. S. des § 275 Abs. 2 BGB Überträgt man diese Erkenntnis auf § 275 Abs. 2 BGB, so muss sich das Zeitmoment auf die Voraussetzungen für das dort statuierte Leistungsverweigerungsrecht beziehen. Dessen Voraussetzungen erschöpfen sich indessen nicht im Bestehen eines Hindernisses. Im Unterschied sowie in Abgrenzung zu § 275 Abs. 1 BGB fallen unter Abs. 2 ausschließlich überwindbare Hindernisse, die jedoch nicht aus sich heraus „leistungsbefreiend“1556 wirken. Der Befreiungsgrund nach § 275 Abs. 2 BGB ist damit nicht unmittelbar das Hindernis, sondern vielmehr das grobe Missverhältnis, das – eingedenk des bestehenden Hindernisses – zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse besteht. Das Hindernis ist dabei nur Auslöser des Missverhältnisses. Der Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB erfordert eine umfassende Wertungsentscheidung unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien. Diese Kriterien sind nicht unmittelbarer Bezugspunkt der Zeitweiligkeit. Entscheidend ist vielmehr, dass eine spätere Veränderung jener 1555

Entsprechende Regelungen sahen noch § 275 Abs. 2 S. 1 KonsF und RegE vor („solange“). 1556 „Befreit“ wird der Schuldner insofern, als er qua Einrede die Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs ausschließen kann.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Kriterien dazu führen kann, dass die Voraussetzung für ein Leistungsverweigerungsrecht – das grobe Missverhältnis nach Maßgabe von § 275 Abs. 2 BGB – insgesamt entfällt. Im Folgenden sollen die für § 275 Abs. 2 BGB relevanten Kriterien auf ihre Veränderlichkeit, ihre Auswirkung auf den Bestand des Missverhältnisses sowie die Berücksichtigungsfähigkeit ihrer zukünftigen Veränderlichkeit untersucht werden. Einzelne Kriterien des § 275 Abs. 2 BGB sind statisch, das heißt sie unterliegen nicht dem Wandel der Zeit. So wird etwa der nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB relevante „Inhalt des Schuldverhältnisses“ grundsätzlich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den Vertragsparteien festgelegt und ändert sich später nicht mehr.1557 Gleiches gilt für das nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB erhebliche Kriterium des Vertretenmüssens. Denn daran, dass der Schuldner das zu einer bestimmten Zeit eintretende nachträgliche Leistungshindernis zu vertreten hat oder nicht, kann sich später nichts mehr ändern. Ähnliches gilt für vertragsanfängliche Leistungshindernisse: Maßgeblich ist insoweit allein das Vertretenmüssen der Unkenntnis im Zeitpunkt des Vertragsschlusses,1558 spätere Entwicklungen vermögen daran keine Änderungen mehr herbeizuführen. Im Ergebnis wird für die nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB zu berücksichtigenden Gebote von Treu und Glauben nichts anderes gelten. Freilich sind sie nicht statisch, gleichwohl wird sich ihr möglicher Wandel in Zeitdimensionen abspielen, in denen in aller Regel ein zeitweiliges Missverhältnis ohnedies einem endgültigen gleichgestellt werden kann. Demgegenüber sind die Größen des schuldnerischen Leistungsaufwands wie auch des gläubigerseitigen Leistungsinteresses dynamisch, das heißt sie können sich im Laufe der Zeit verringern oder erhöhen. Besonderes Augenmerk gilt es auf den Leistungsaufwand zu richten. Für die Höhe des Leistungsaufwands ist das Leistungshindernis insoweit ausschlaggebend, als dessen Beseitigung einen hohen Aufwand erfordert (Mehraufwand). Besteht das Hindernis nur zeitweilig beziehungsweise erfordert die Überwindung des Hindernisses nur vorübergehend hohen Aufwand, so wird sich der Leistungsaufwand bei Wegfall des Hindernisses beziehungsweise dessen aufwandsintensiver Überwindung wieder auf ein Normalmaß (Normalaufwand) verringern oder sich diesem zumindest stark annähern. Das hat zur Folge, dass das grobe Missverhältnis, mithin der „Befreiungsgrund“ des § 275 Abs. 2 BGB entfällt. Mittelbar bewirkt daher der Wegfall des Hindernisses 1557

Vorbehaltlich einer einvernehmlichen Vertragsänderung durch die Parteien, was hier außer Betracht bleiben darf. 1558 Vgl. zur analogen Anwendung von § 311a Abs. 2 S. 2 BGB bei § 275 Abs. 2 S. 2 BGB oben sub „b) Zu vertretende Unkenntnis: Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 327 ff. sowie „b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 332.

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§ 4 Die neue Rechtslage

beziehungsweise die Vereinfachung dessen Überwindung, dass die Voraussetzungen der Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB entfallen. Insoweit wird die Problematik meist analog der bei vorübergehender Leistungsunmöglichkeit1559 (§ 275 Abs. 1 BGB) auftretenden zu behandeln sein. Das heißt der Schuldner wird die Leistung nur solange nach § 275 Abs. 2 BGB verweigern können, wie ein grobes Missverhältnis gegeben ist. Darüber hinaus ist – wie bei zeitweiliger Unmöglichkeit – auch eine Gleichstellung von vorübergehendem und endgültigem groben Missverhältnis möglich;1560 auf diesem Weg gelangt man dann auch für ein nur zeitweiliges Missverhältnis zu einem Recht auf endgültige Leistungsverweigerung. Diese Parallelbehandlung zwischen Unmöglichkeit und grobem Missverhältnis sei an dem leading case zeitweiliger Leistungshindernisse, namentlich dem Fall von BGHZ 83, 197 – „Tierkörperverwertungsanlage/Iran“ verdeutlicht. Wegen der Chomeini-Revolution in den 1970er Jahren war eine im iranischen Mahabad zu erbringende Montageleistung zeitweilig unmöglich. Mit Ende der Revolution wäre das Hindernis entfallen, die Anlage hätte montiert werden können. Der BGH befreite den Schuldner gleichwohl endgültig, da er das zeitweilige Erfüllungshindernis nach Abwägung der beiderseitigen Interessen einer endgültigen Unmöglichkeit gleich achtete. Der Sachverhalt ist in abgewandelter Form ebenso als Fall des § 275 Abs. 2 BGB denkbar: Wäre die Montage im iranischen Mahabad zwar möglich gewesen, aber beispielsweise nur mit enormem Sicherheitsaufwand, der ein grobes Missverhältnis begründete, hätte zeitweilig ein Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB vorgelegen. Der Schuldner hätte die Leistung vorübergehend verweigern können. Für den Fall einer Beendigung der Revolution wäre das Leistungshindernis (der erschwerte Zugang zum Leistungsort) entfallen. Es wäre kein durch das Hindernis bedingter (Zusatz-)Aufwand mehr für Sicherheitsmaßnahmen erforderlich gewesen, das grobe Missverhältnis wäre damit entfallen. Sofern aber das Ende der Revolution unabsehbar war (so im entschiedenen Fall) und dem Schuldner daher ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden konnte, hätte man das zeitweilig bestehende Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB einem endgültigen gleich achten können, mithin ein Recht zur endgültigen Leistungsverweigerung bejahen müssen. Denkbar sind daneben auch Fälle, in denen das Hindernis selbst (zunächst) weiter besteht, aber die Schwierigkeiten der Überwindung entfallen oder sich zumindest erheblich verringern. Beispielsweise könnte eine neue 1559

Zu ihr sub „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. Ebenso Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 74. Zur generellen Erforderlichkeit einer solchen Gleichstellung sogleich sub „b) Endgültiges Missverhältnis“, S. 437 f. 1560

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Technik entwickelt werden, die eine (mögliche) Bergung des Rings vom Seegrund weitaus kostengünstiger gestaltet, wodurch der Leistungsaufwand trotz des fortbestehenden Hindernisses (der Ring läge ungeachtet der neuen Technik weiterhin im See) erheblich verringert würde und dadurch das grobe Missverhältnis entfallen könnte;1561 auch ist es möglich, dass die gestohlene Sache unversehens wieder ins Inland gelangt, womit weitaus geringere Kosten für deren Auffindung anfielen. Im Falle der Drittveräußerung ist nicht ausgeschlossen, dass der leistungsfähige Dritte eine deutlich niedrigere Geldsumme für die Rückgewähr der vom Verkäufer geschuldeten Sache fordert, demzufolge sich ein Missverhältnis nicht mehr begründen ließe. Dem Gesagten steht nicht entgegen, dass die Quantifizierung des Leistungsaufwands im Prozess für einen bestimmten Zeitpunkt, sc. dem Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, erfolgt.1562 Natürlich können nach diesem Zeitpunkt Tatsachen eintreten, die zu einer abweichenden Beurteilung, namentlich zur Ablehnung eines groben Missverhältnisses führen, wenn sich der Leistungsaufwand entsprechend verringert hat. Solche Änderungen sind auch grundsätzlich berücksichtigungsfähig, wie die insoweit vergleichbare Sachlage bei zeitweiliger Unmöglichkeit zeigt: Stellt das Gericht im maßgeblichen Zeitpunkt (Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung) Unmöglichkeit fest, die aber zukünftig entfallen kann, so wird es die Klage nur als derzeit unbegründet abweisen.1563 Nichts anderes darf für § 275 Abs. 2 BGB gelten. Kann das grobe Missverhältnis in der Zukunft deshalb entfallen, weil das Leistungshindernis zukünftig möglicherweise wegfällt und damit eine erhebliche Aufwandsminderung einträte, so kann die Klage auf Leistung in Natur nicht schlechthin,1564 sondern nur als zurzeit unbegründet abgewiesen werden. Für diese Lösung, der zufolge eine spätere Aufwandsminderung berücksichtigt wird, spricht auch der Vergleich mit der Rechtslage im umgekehrten Fall: Tritt nach dem Prozess ein Hindernis ein, das die Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB auszulösen vermag, so kann der Schuldner diese im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Abs. 1, 2 ZPO) gerichtlich geltend machen.1565 Im Übrigen ist die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage 1561

Beispiel von P. Huber/Faust, Kap. 8 Rn. 1. Hierzu oben „(1) Maßgeblicher Bestimmungszeitpunkt“, S. 257. 1563 Vgl. z. B. Canaris, JZ 2001, 499, 500. 1564 Hierfür dürfte ohnedies stets eine wertende Gleichstellung des seiner Natur nach zeitweiligen Missverhältnisses mit einem endgültigen Missverhältnis notwendig sein, hierzu unten sub „b) Endgültiges Missverhältnis“, S. 437 f. 1565 Jedenfalls für den Fall unzulässiger Rechtsausübung bzw. des Rechtsmissbrauchs ist dies anerkannt, s. z. B. Zöller-ZPO/Herget, § 767 Rn. 12 m. weit. Nachw. 1562

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auch für die nachprozessual eintretende (befreiende) Unmöglichkeit anerkannt;1566 nichts anderes darf für den nachprozessualen Eintritt eines groben Missverhältnisses i. S. von § 275 Abs. 2 BGB gelten. Jedoch muss dabei in materiell-rechtlicher Hinsicht bedacht werden, dass der Schuldner den Aufwand, der durch nachprozessuale Leistungshindernisse verursacht wird, praktisch immer zu vertreten hat (§§ 287 S. 2, 275 Abs. 2 S. 2 BGB), gerät er doch in aller Regel spätestens mit Klageerhebung – stets jedoch ab Rechtskraft des Erfüllungsurteils – in Verzug. Gleichwohl wird der Aufwand im Grundsatz berücksichtigt. Kann sich der beklagte Schuldner demnach auf ein nachprozessuales Hindernis, mithin eine nachprozessuale Aufwandssteigerung, berufen, so muss er sich auch – gleichsam spiegelbildlich – gefallen lassen, dass ein möglicher Wegfall eines aktuellen Hindernisses, mithin eine mögliche Aufwandsminderung nach dem Prozess, Berücksichtigung findet. Prüft das Gericht im Falle einer eingetretenen Aufwandsminderung (wegen Wegfalls des Hindernisses beziehungsweise Vereinfachung dessen Beseitigung) in einem zweiten Prozess neuerlich die Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB, kann der Gläubiger eine zwischenzeitliche Erhöhung seines Leistungsinteresses geltend machen; mindestens aber wird das im Erstprozess festgestellte Leistungsinteresse anzusetzen sein.1567 Es erscheint weiterhin möglich, dass ein aktuell bestehendes Missverhältnis in der Zukunft entfällt, obschon das Hindernis unverändert bestehen bleibt und sich auch der erforderliche Mehraufwand nicht verändert.1568 Dies kommt für den Fall in Betracht, dass das Leistungsinteresse des Gläubigers so stark zunimmt, dass sich ein grobes Missverhältnis nicht länger begründen lässt. Ein aktuell gegebenes Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB würde dann allein deshalb als zeitweilig qualifiziert werden, die Klage demzufolge nicht schlechthin, sondern lediglich als derzeit unbegründet abgewiesen, weil das Leistungsinteresse des Gläubigers möglicherweise ansteigt. Problematisch daran ist, dass ein solcher Anstieg kaum je ausgeschlos1566 Vgl. BGH, NJW 1999, 954, 955 (sub II. 1.); OLG Köln, NJW-RR 1991, 1022, 1023; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-ZPO/Hartmann, § 767 Rn. 31; Stein/Jonas-ZPO/Münzberg, § 767 Rn. 17 (Nr. 16). 1567 Es besteht insoweit nicht die Gefahr, dass der Gläubiger damit ein Instrument an die Hand bekommt, den Anstieg seines Leistungsinteresses nachprozessual geltend zu machen, obgleich ihm dies – hierzu sogleich im Text – nicht zu gestatten ist. Denn eine erneute Klage des Gläubigers ist nur zulässig, wenn sich in Hinsicht auf das Leistungshindernis nachprozessual Tatsachen geändert haben, dadurch dass das Hindernis weggefallen oder dessen Beseitigung wesentlich einfacher geworden ist. 1568 Insoweit kommt die Abnahme des Leistungsaufwands nicht in Betracht, da eine solche stets durch den Wegfall des Hindernisses bzw. dessen weniger aufwendige Beseitigung bedingt ist.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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sen sein wird. Denn der Gläubiger wird in der Zukunft praktisch immer einen Abnehmer finden können, der ihm für den Leistungsgegenstand entsprechend viel beziehungsweise mehr Geld bietet. Damit wäre ein grobes Missverhältnis allein schon vor diesem Hintergrund niemals endgültig; es bliebe nur die Möglichkeit, das zeitweilige Missverhältnis einem endgültigen gleichzustellen.1569 Gegen die Berücksichtigungsfähigkeit einer nachprozessualen Steigerung des Interesses lässt sich das „Spiegelbildargument“ ins Feld führen: Dem Gläubiger gereicht eine nachprozessuale Minderung seines Leistungsinteresses, soweit eine solche überhaupt vorliegen kann,1570 nicht zum Nachteil. Wird aber eine nachprozessuale Minderung des Leistungsinteresses nicht zulasten des Gläubigers berücksichtigt, erscheint es auch durchaus überzeugend, eine nachprozessuale Steigerung des Leistungsinteresses grundsätzlich1571 nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen zu lassen. Insoweit besteht ein ganz entscheidender Unterschied zu nachprozessualen Änderungen des Leistungsaufwands, die nämlich – wie aufgezeigt – generell, das heißt sowohl im Falle des Anstiegs als auch der Minderung, berücksichtigt werden. Nach alledem kann ein Missverhältnis nicht mit der Begründung, das Leistungsinteresse könne zukünftig noch anwachsen, als zeitweilig qualifiziert werden. b) Endgültiges Missverhältnis Anders als in manchen Fällen der Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) kann ein grobes Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB niemals als endgültig qualifiziert werden. Denn es kann nicht mit Sicherheit1572 und frei von Wertungen1573 ausgeschlossen werden, dass ein einmal gegebenes Missverhältnis jemals entfällt. Die für § 275 Abs. 2 BGB allein in Frage kommenden Leistungshindernisse müssen zwingend überwindbar sein,1574 wes1569

Hierzu sogleich sub „b) Endgültiges Missverhältnis“, S. 437 f. Wurde etwa vom Gericht festgestellt, dass dem Gläubiger ein genau bezifferter Gewinn entgangen ist, so kann das insoweit begründete Leistungsinteresse später schlechterdings nicht mehr wegfallen. Anders liegen die Dinge bei der Bestimmung des Leistungsaufwands, denn dieser muss immer noch tatsächlich erbracht werden und hängt von den zu dieser Zeit vorhandenen Umständen ab. 1571 Vgl. für einen Sonderfall bei und mit Fn. 1567 (S. 436). 1572 Vgl. oben sub „a) Endgültige Unmöglichkeit“, S. 147 f. und „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. 1573 Die Qualifizierung als endgültig hat wie bei der Unmöglichkeit wertungsfrei zu erfolgen, anders nach altem Recht U. Huber, LS I § 4 II 2 a [S. 108] („vernünftige Einschätzung“; „praktisch unbehebbare Unmöglichkeit“); ders., LS II § 54 I 3 a (S. 648), § 56 I 3 (S. 704), im neuen Recht in eine ähnliche Richtung tendierend Arnold, JZ 2002, 866. 1574 Verneinendenfalls ausschließlich wirkliche Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB vorläge. 1570

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halb sie naturgemäß jedenfalls nicht mit Sicherheit als endgültig qualifiziert werden können.1575 Ist es nicht ausgeschlossen, dass sie entfallen können, gilt dies auch für das grobe Missverhältnis, das ja immer nur aufgrund eines Hindernisses ausgelöst wird. Um gleichwohl zur Annahme eines endgültigen Missverhältnisses zu gelangen, bleibt nur der Weg der wertenden Gleichstellung. Diese bereits oben1576 für die Parallelproblematik bei der Unmöglichkeit erläuterte Vorgehensweise lässt sich auf § 275 Abs. 2 BGB übertragen.1577 Eine Gleichstellung in diesem Sinne wird vielfach unproblematisch bejaht werden können. Denn in der Regel wird das Leistungshindernis zumindest nicht in absehbarer Zeit entfallen, so dass sich eine Gleichstellung regelmäßig unschwer begründen lässt. Soweit keine Anhaltspunkte für einen Wegfall des Hindernisses in absehbarer Zeit bestehen, wird das Gericht von einer Gleichstellung „stillschweigend“ ausgehen und die Klage demzufolge als endgültig unbegründet abweisen. Der Gläubiger ist dann gehindert, erneut auf Naturalleistung zu klagen, da einer solchen Klage die Rechtskraft des ergangenen Urteils entgegenstünde. c) Kein Missverhältnis Führt die Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB zu dem Ergebnis, dass der Schuldner ein bestehendes Leistungshindernis zu überwinden hat, gilt insoweit das oben im Rahmen der Unmöglichkeit Ausgeführte (sub „c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse“, S. 151 f.): Bei einem überwindbaren Leistungshindernis, das der Schuldner zu beseitigen hat, liegt für die Leistungszeit, welche die notwendige Dauer der Beseitigung des Hindernisses mitumfasst, kein zeitweiliges Missverhältnis vor. Auch in dieser Zeit besteht ein durchsetzbarer Erfüllungsanspruch. 9. Sonderprobleme a) Erfolglose Leistungsbemühungen – Behandlung des Misserfolgsrisikos Die Beseitigung eines Leistungshindernisses kann bisweilen misslingen. In einem solchen Fall schlagen die Leistungsbemühungen des Schuldners fehl, er hat vergeblichen Aufwand betrieben. 1575 Während bei vorübergehender Unmöglichkeit temporär ein unüberwindbares Leistungshindernis besteht, ist bei einem vorübergehenden Missverhältnis temporär ein überwindbares Leistungshindernis gegeben, das der Schuldner nicht auszuräumen hat. 1576 Sub „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. m. Nachw. zur Rspr. 1577 Vgl. bereits oben im Text nach Fn. 1560 (S. 434). Ebenso Staudinger/ Löwisch (2004), § 275 Rn. 74.

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Das fortbestehende Hindernis muss sich dabei nach dem Fehlschlag nicht als unüberwindbar darstellen. Von einem unüberwindbaren Hindernis i. S. von § 275 Abs. 1 BGB ist nämlich nur auszugehen, wenn zum Bestimmungszeitpunkt (Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess) mit Sicherheit feststeht, dass es zu keinem Zeitpunkt in der Zukunft unüberwindbar sein wird; erscheint das Hindernis jedoch etwa nur als derzeit unüberwindbar, weil eine zukünftige Überwindungsmöglichkeit besteht, ist nur zeitweilige Unmöglichkeit gegeben, die freilich aus Wertungsgesichtspunkten einer endgültigen Unmöglichkeit gleichgestellt werden kann.1578 Besteht hingegen bereits eine aktuelle Überwindungsmöglichkeit, liegt kein unüberwindbares Hindernis i. S. des § 275 Abs. 1 BGB vor; es bleibt dann nur der Rückgriff auf § 275 Abs. 2 BGB.1579 Soweit eine einzig in Betracht kommende aktuelle Überwindungsmöglichkeit nur eine bestimmte Erfolgswahrscheinlichkeit verspricht, stellt sich die Leistung gleichsam partiell (in Höhe der Misserfolgswahrscheinlichkeit) als unmöglich dar. Fraglich ist, wie das Risiko eines Misserfolgs von Leistungsbemühungen zu behandeln ist. Dabei müssen zunächst zwei unterschiedliche Probleme auseinander gehalten werden: Einerseits geht es um die Problematik, dass zum maßgeblichen Bestimmungszeitpunkt (ex ante) ungewiss ist, ob der Einsatz eines bezifferbaren Aufwands zum Erfolg führen wird.1580 Andererseits kann der Erfolg ex ante als gewiss erscheinen,1581 später jedoch – ex post – (wider Erwarten)1582 nicht eintreten.1583 (1) Ex ante ungewisser Erfolg In den bislang untersuchten Anwendungsfällen von § 275 Abs. 2 BGB wurde stets vorausgesetzt, dass sich ein bestehendes Leistungshindernis mit Gewissheit überwinden lässt. Im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung) existierte damit eine sichere Möglichkeit, das Hindernis zu beseitigen und damit den Leistungserfolg herbeizuführen. Dieser Normalfall scheint der gesetzlichen Regelung in § 275 Abs. 2 BGB zugrunde zu liegen. 1578 Hierzu ausf. oben sub „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. und „2. Das Zeitmoment“, S. 157 f. 1579 Bzw. § 313 BGB. 1580 Hierzu sogleich sub „(1) Ex ante ungewisser Erfolg“, S. 439 ff. 1581 Bzw. – wie noch zu zeigen sein wird – dem Schuldner der erforderliche Beweis nicht gelingen: Das Gericht geht dann davon aus, der Erfolg der Bemühungen sei gewiss. 1582 Vgl. aber die vorige Fn. 1583 Hierzu unten sub „(2) Nichteintritt eines ex ante gewissen Erfolgs“, S. 447 f.

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Demgegenüber weist das nunmehr zu untersuchende Sonderproblem den Unterschied auf, dass eine Maßnahme, die mit Gewissheit zur Überwindung des bestehenden Leistungshindernisses führt, nicht existiert.1584 Vielmehr gibt es lediglich eine solche Maßnahme, die vielleicht zur Überwindung des Hindernisses und damit zum Leistungserfolg führt. Der Aufwand einer solchen Maßnahme, das sei bereits an dieser Stelle hervorgehoben, entspricht nicht dem Leistungsaufwand, den das Gesetz in § 275 Abs. 2 BGB meint. Denn der Leistungsaufwand i. S. von § 275 Abs. 2 BGB setzt etwas voraus, was in den Sonderfällen gerade nicht gegeben ist: eine mit Gewissheit zum Erfolg führende Möglichkeit der Beseitigung des Hindernisses. Damit lässt sich in den Sonderfällen der für § 275 Abs. 2 BGB relevante Leistungsaufwand nicht ermitteln, demzufolge insoweit auch nur eine modifizierte Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Zur Lösung des beschriebenen Problems wurden in der Literatur verschiedene Ansätze entwickelt.1585 (a) Der Vorschlag von Maier-Reimer Maier-Reimer möchte im Grundsatz die Folgen einer Befreiung des Schuldners von der Primärleistungspflicht unberücksichtigt lassen,1586 macht 1584 Dabei handelt es sich um eher seltene Sonderfälle, anders jetzt E. Picker, in: FS Konzen S. 687, 701 (und 711): die „Sachlage, dass der Erfolg des Mehraufwands [. . .] von vornherein feststeht, [. . .] kann es auf dieser Welt nicht geben!“, die „Frustration [des Mehraufwands sei] niemals auszuschließen“; z. T. nicht unerheblich einschränkend für die Nacherfüllung ders., aaO., S. 709 f., 713 f. Dem kann indes nicht zugestimmt werden: Für die zweite Fallgruppe des § 275 Abs. 2 BGB (zu den zwei Fallgruppen des § 275 Abs. 2 BGB oben sub (1) „Die ‚zwei unterschiedlichen Fallgruppen‘ und das Gleichbehandlungsgebot“, S. 179 f.) scheidet eine Frustration des Mehraufwands aus, denn der Schuldner leistet an den berechtigten Dritten nur Zugum-Zug gegen Erteilung dessen (sachenrechtlicher) Zustimmung eine Geldzahlung. Besteht in einer Konstellation, die der ersten Fallgruppe des § 275 Abs. 2 BGB zuzuordnen ist, ein Misserfolgs- oder Frustrationsrisiko, lässt sich dieses einer sachgerechten Lösung zuführen, doch geht E. Picker auf die in der Literatur (vor allem von Faust und Maier-Reimer) bereits entwickelten und nachfolgend referierten Problemlösungen mit keinem Wort ein, obgleich er seine Kritik an § 275 Abs. 2 BGB maßgeblich an diesem Punkt festzumachen scheint, vgl. E. Picker, FS Konzen S. 687, 702: „zentralen Bereich der Gefahrtragungsproblematik“. 1585 Vgl. zum Problem auch Canaris, JZ 2004, 214, 218 mit Fn. 28; dens., in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 21, der dort ausführt, es sei „naturgemäß wesentlich, wie aussichtsreich etwaige Bemühungen des Schuldners zur Beseitigung des Leistungshindernisses sind“. Die genannten Hinweise bleiben indes insoweit vage, als sie keine – wie vorliegend angestrebt – quantifizierende Lösung ermöglichen. Zuzugeben ist freilich, dass eine solche Lösung voraussetzt, dass sich eine zumindest ungefähr bezifferbare Erfolgswahrscheinlichkeit einer bestimmten Maßnahme im Prozess feststellen lässt, was (zumindest annäherungsweise) mithilfe entsprechender Sachverständigengutachten nicht selten möglich sein dürfte.

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davon jedoch für das vorliegend diskutierte Sonderproblem eine Ausnahme.1587 Die angesprochenen Folgen eines Fehlschlags seien einerseits eine mögliche Schadensersatzhaftung des Schuldners sowie der Verlust einer vereinbarten Gegenleistung. Soweit diese Folgen nicht eintreten können, da der Schuldner das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat und auch keine Gegenleistung vereinbart ist, besteht nach Maier-Reimer kein Anlass, die Ungewissheit des Erfolgs schuldnerischer Leistungsanstrengungen zu berücksichtigen.1588 Habe der Schuldner hingegen das Leistungshindernis zu vertreten oder verlöre er im Falle seiner Befreiung von der Primärleistungspflicht den Anspruch auf die Gegenleistung, so sei zu berücksichtigen, dass der Schuldner im Falle eines Fehlschlagens der Anstrengungen trotz der geleisteten fehlgeschlagenen Aufwendungen Schadensersatz leisten müsse oder den Anspruch auf die Gegenleistung verlöre.1589 Insoweit sei der Aufwand des Schuldners rechnerisch um einen Teil der benannten Nachteile (drohende Schadensersatzpflicht, Einbuße der Gegenleistung) zu erhöhen; maßgebend soll der Teil der Nachteile sein, der dem Wahrscheinlichkeitsgrad des Misserfolgs entspreche.1590 Beispiel: Der Verkäufer (V) lässt den zu einem Kaufpreis von 10.000 e verkauften Ring in einen Teich fallen, ohne dass er den Verlust zu vertreten hätte. Ein Bergungsversuch, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% zum Erfolg führt, kostete 12.000 e. Der Käufer (K) hat ein Leistungsinteresse in Höhe des Werts des Rings von 10.000 e. Nach Maier-Reimer wäre diesem Interesse von 10.000 e ein Aufwand von 16.000 e gegenüber zu stellen. Denn der Bergungsaufwand von 12.000 e müsste um 4.000 e erhöht werden, was dem drohenden Verlust des Kaufpreises (10.000 e) in Höhe der Misserfolgswahrscheinlichkeit von 40% entspricht (40% von 10.000 e = 4.000 e). Das Verhältnis von Aufwand zu Interesse betrüge 1,6 : 1 (16.000 e : 10.000 e). Im Normalfall, wenn also der Bergungsversuch aus ex anteSicht gewiss (Wahrscheinlichkeit von 100%) erscheint, betrüge das Verhältnis nur 1,2 : 1 (12.000 e : 10.000 e). Hätte der Verkäufer den Verlust des Rings hingegen zu vertreten, müsste der Aufwand von 16.000 e darüber hinaus in Höhe von 40% bezogen auf einen bei K eingetretenen Schaden erhöht werden. Dies wäre nur der Fall, wenn das Interesse des K über den Sachwert hinausgehen würde. Angenommen, K hätte den Ring für 15.000 e an X verkaufen können, betrüge sein Schaden (nach der Differenztheorie) 5.000 e. In Höhe der Misserfolgswahrscheinlichkeit von 40% 1586

s. Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 293. Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 293 mit Fn. 19 und S. 294 f. sub d). 1588 Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 294 f., abw. jedoch die hier befürwortete Lösung, s. unten sub „(c) Auseinandersetzung und eigene Begründung“, S. 443 ff. 1589 Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 295. 1590 Wie vorherige Fn. 1587

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kämen zu den festgestellten 16.000 e noch 2.000 e hinzu (40% von 5.000 e = 2.000 e). Dem sich daraus ergebenden Aufwand von 18.000 e stünde nunmehr jedoch ein Interesse von 15.000 e entgegen, was ein Verhältnis von 1,2 : 1 (18.000 e : 15.000 e) ergäbe. Im Normalfall (der Bergungsversuch erscheint aus ex ante-Sicht sicher erfolgversprechend) betrüge das Verhältnis bei der insoweit von Maier-Reimer vertretenen Außerachtlassung der Befreiungsfolgen lediglich 0,8 : 1 (12.000 e : 15.000 e).

(b) Der Vorschlag von Faust Ausgehend von dem von Faust angenommenen Normzweck des § 275 Abs. 2 BGB, der Vermeidung einer Ressourcenvergeudung,1591 hält er es für unökonomisch, ebensoviel auszugeben, um vielleicht einen Gewinn zu realisieren, wie wenn dieser Gewinn sicher wäre.1592 Außerdem gebiete der sekundäre Normzweck von § 275 Abs. 2 BGB, der Schuldnerschutz, dem Schuldner weniger Anstrengungen abzuverlangen, wenn ungewiss sei, ob ihn diese zur Leistungserbringung befähigen.1593 Denn seien die Anstrengungen vergeblich, habe er diese erbracht, ohne die Gegenleistung zu bekommen.1594 Daher sei die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.1595 Hierzu setzt Faust den der Erfolgswahrscheinlichkeit entsprechenden Anteil des (vollen) Gläubigerinteresses ins Verhältnis zum Aufwand.1596 In Höhe der Misserfolgswahrscheinlichkeit bleibe das Leistungsinteresse außer Betracht, denn mit dieser Wahrscheinlichkeit habe die Maßnahme keinen Erfolg, der statistisch zu erwartende Nutzen einer Maßnahme sei daher dementsprechend geringer.1597 Zum Beispiel: Wendet man die Ansicht von Faust auf das oben angeführte Beispiel an, ergäbe sich dabei Folgendes: Einem Aufwand von 12.000 e1598 wäre 1591

P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 44 und passim. s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 75. 1593 Wie vorherige Fn. 1594 P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 75. Anders als Maier-Reimer spricht Faust dabei den Aspekt einer im Misserfolgsfall drohenden Schadensersatzpflicht des Schuldners nicht an. Zur Problemdarstellung wählt Faust auch das Beispiel eines nicht zu vertretenden Leistungshindernisses. Das Vertretenmüssen wie auch den Grad des Verschuldens berücksichtigt er jedenfalls für die Konkretisierung des Befreiungsmaßstabs („grobes Missverhältnis“), hierzu bereits oben ausf. sub „(a) Obergrenze für Aufwand ‚relativ knapp‘ über Leistungsinteresse – Konkretisierung mittels gestaffelter Prozentangaben (Faust)“, S. 364 ff. 1595 So – wenngleich anders formuliert – P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 76. 1596 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 76. 1597 Wie vorherige Fn. 1598 Nach Faust entspräche der Leistungsaufwand im vorliegenden Beispiel den Bergungskosten. Denn soweit diese höher liegen als der Marktwert (hier: 12.000 e 1592

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nicht ein Interesse von 10.000 e (Sachwert) gegenüberzustellen, sondern der Anteil, der der Erfolgswahrscheinlichkeit entspricht. Bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 60% demnach 6.000 e (60% von 10.000 e). Das Verhältnis betrüge damit 12.000 : 6.000, gekürzt also 2 : 1 (im Unterschied zu 1,2 : 1 im Normalfall).

(c) Auseinandersetzung und eigene Begründung Der Vorschlag von Maier-Reimer vermag in erster Linie deshalb nicht zu überzeugen, da er ohne Not aus dem durch § 275 Abs. 2 S. 1 BGB vorgegebenen „Korsett“, der Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Aufwand und Interesse,1599 ausbricht, indem nämlich die Gegenleistung zur Problemlösung herangezogen wird.1600 Entgegen der Meinung von Maier-Reimer sollte zudem auch bei Verträgen ohne Gegenleistung das Misserfolgsrisiko im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden. Zur Begründung seines Vorschlags führt Maier-Reimer unter anderem ins Feld, es gehe nicht um das Interesse des Gläubigers an dem Leistungsversuch, sondern um sein Interesse an der Leistung.1601 Zwar mag der Gläubiger nicht (nur) am Leistungsversuch, sondern (auch und gerade) an der Leistung ein Interesse haben. Fraglich ist indes, ob diesem Interesse im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB überhaupt vollumfänglich Schutz zu gewähren ist. Dies muss aus den folgenden Erwägungen abgelehnt werden: Die diskutierten Sonderfälle weisen nämlich die Besonderheit auf, dass ein bestehendes Leistungshindernis aus ex ante-Sicht nicht mit Sicherheit überwunden werden kann und damit die Herbeiführung des Leistungserfolgs nicht mit Gewissheit feststeht. Dabei ist es ausgeschlossen, die Wahrscheinlichkeit eines Leistungserfolgs auf 100% zu steigern. Die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB scheint aber den Normalfall vor Augen zu haben, in dem ein bezifferbarer Aufwand aus ex ante-Sicht mit Gewissheit zum Leistungserfolg und damit auch zur sicheren Befriedigung des LeistungsinteresBergungskosten, 10.000 e Marktwert), sei die Sache für den Verkäufer wertlos (vgl. zu dieser Wertbestimmung P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 73 sowie oben sub „(1) Vom Schuldverhältnis abstrahierende Bestimmungsweise“, S. 266). In dem von Faust in diesem Zusammenhang gegebenen Zahlenbeispiel (s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 76) wird diese Frage nicht erörtert; es wird der Marktwert des Rings nicht vorgegeben. Nach der vorliegend propagierten Bestimmungsweise des Leistungsaufwands in Fällen von Wertminderungen des Leistungsgegenstands (hierzu oben sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff.) käme man gleichfalls zu einem Leistungsaufwand von 12.000 e, da der Normalaufwand hier dem Sachwert entspricht und zudem ein synallagmatischer Vertrag vorliegt. 1599 MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 69 spricht vom Kosten-Nutzen-Kalkül. 1600 Vgl. indes zur notwendigen Berücksichtigung der Gegenleistung im Kontext von Wertminderungen oben sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff. 1601 Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 295.

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ses führt. In den behandelten Sonderfällen lässt sich dieser mit Sicherheit erfolgversprechende Leistungsaufwand jedoch gerade nicht ermitteln. Es kann vielmehr nur ein solcher Aufwand eruiert werden, der wahrscheinlich zum Erfolg führt.1602 Der Eigenart der Sonderfälle ist mit einer modifizierten Anwendung des § 275 Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen. Maßgeblicher Bezugspunkt nicht nur des schuldnerischen Aufwands, sondern auch des gläubigerseitigen Interesses ist nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB die „Leistung“. Darunter scheint das Gesetz, wie gesagt, den Normalfall zu verstehen, dass die Leistung aus ex ante-Sicht mit Gewissheit eintreten wird. Demgegenüber existiert in den diskutierten Sonderfällen ein solcher Bezugspunkt – sc. eine „mit Gewissheit eintretende Leistung“ – nicht. Als solcher kommt insoweit gleichsam nur die „mit der Wahrscheinlichkeit x eintretende Leistung“ in Betracht. Dieser Bezugspunkt, der durch die Erfolgswahrscheinlichkeit des Aufwands determiniert wird, gilt auch für das gläubigerseitige Interesse. Es ist daher nicht wie im Normalfall sein Interesse an der „mit Gewissheit eintretenden Leistung“, sondern im Sonderfall nur das Interesse an der „mit der Wahrscheinlichkeit x eintretenden Leistung“ relevant. Dies entspricht wiederum dem Gleichbehandlungsgedanken: Wenn auf Seiten des Schuldners nicht der gewiss zum Erfolg führende Leistungsaufwand in Ansatz gebracht wird, sondern ein solcher Aufwand, der nur vielleicht zur Beseitigung des Hindernisses und damit zum Leistungserfolg führt, muss auf Seiten des Gläubigers spiegelbildlich das Gleiche gelten. Der Gläubiger kann mithin nur dasjenige Interesse in Ansatz bringen, das er an der vielleicht eintretenden Leistung besitzt. Rechnerisch erfolgt dies entsprechend dem Vorschlag von Faust1603, indem auf Gläubigerseite das fiktive volle Leistungsinteresse des Gläubigers nur in Höhe der Erfolgswahrscheinlichkeit angesetzt wird. Unrichtig wäre in diesem Zusammenhang, im Hinblick auf das Leistungsinteresse von einer Kürzung, Minderung oder dergleichen zu sprechen, da für den Bereich der Misserfolgsquote ein schutzwürdiges Interesse a priori gar nicht in Betracht kommt. An der insoweit nicht eintretenden Leistung hat der Gläubiger gar kein Interesse. Das bestehende Leistungshindernis ist gleichsam partiell – in Höhe der Misserfolgsquote – unüberwindbar und die Leistung damit partiell unmöglich i. S. von § 275 Abs. 1 BGB.1604 Daher kann sich der Gläubiger in Höhe der Misserfolgsquote 1602 Falls mehrere – weniger oder mehr erfolgversprechende – Maßnahmen in Betracht kämen, wären diese jew. am Maßstab des § 275 Abs. 2 BGB zu messen. 1603 Hierzu oben sub „(b) Der Vorschlag von Faust“, S. 442 f. 1604 Die nach § 275 Abs. 2 BGB zu beantwortende Wertungsfrage, ob ein überwindbares Leistungshindernis vom Schuldner zu überwinden ist, stellt sich genau genommen nur insoweit, als die Überwindung des Hindernisses erfolgreich sein wird.

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nicht auf ein Interesse berufen. Er besitzt, wie § 275 Abs. 1 BGB zeigt, insoweit kein schutzwürdiges Interesse an der Leistung. Dass der Gläubiger nicht das (fiktive) volle Leistungsinteresse, sondern nur den der Erfolgswahrscheinlichkeit entsprechenden Teil geltend machen kann, führt in Abhängigkeit vom jeweiligen Grad der Misserfolgswahrscheinlichkeit freilich weitaus früher zu einem groben Missverhältnis und mithin dazu, dass der Gläubiger seinen Erfüllungsanspruch wegen § 275 Abs. 2 BGB nicht mehr durchsetzen kann. Deutlich entschärft wird diese für den Gläubiger nachteilige Konsequenz dadurch, dass der Schuldner für den Leistungsaufwand darlegungs- und beweispflichtig ist. Folglich muss auch er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ein bestimmter Aufwand nur wahrscheinlich zum Erfolg führt.1605 Nur wenn der Schuldner diesen Beweis führen kann, muss der Gläubiger in Kauf nehmen, dass er gegenüber dem nur vielleicht erfolgreichen Aufwand des Schuldners auch nur das Interesse geltend machen kann, das er an einer gleichermaßen nur vielleicht eintretenden Leistung besitzt. Misslingt dem Schuldner jedoch der Beweis, ist davon auszugehen, dass der Aufwand mit Gewissheit zum Erfolg führt. Der Aufwand ist dann ins Verhältnis zum vollen Leistungsinteresse des Gläubigers zu setzen. Die vorstehenden Erwägungen zeigen zugleich, dass die von Picker1606 – dort freilich nur für vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungshindernisse – vorgetragene Kritik nicht durchgreift. Für das von ihm angeführte Fallbeispiel („Cabrio in Murmansk“) geht er davon aus, dass der Erfolg „keineswegs fest[stehe]“, das schuldnerische Bemühen vielmehr „mit grundsätzlich gleicher Wahrscheinlichkeit scheitern“1607 könne. Damit geht es um das vorliegend diskutierte Problem eines bereits ex ante unsicheren Erfolgs von Leistungsbemühungen. Trägt der Schuldner die Misserfolgswahrscheinlichkeit vor Gericht vor und beweist er diese im Falle des Bestreitens durch den auf Erfüllung klagenden Gläubiger, kann dieser Umstand entsprechend dem hier dargelegten Lösungsmodell zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Das vorliegend befürwortete Lösungsmodell ermöglicht dabei insbesondere, das behandelte Sonderproblem auch für nicht-synallagmatische Verträge einer Lösung zuzuführen. Nach Maier-Reimer besteht bei derartigen Verträgen kein Anlass, das Maß des vom Schuldner abverlangten Auf1605 Unter anderem deshalb, weil der Schuldner „näher dran“ ist, s. hierzu bereits Schnorr v. Carolsfeld, FS Reinhardt S. 151, 158 mit Fn. 34. 1606 s. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1043 [sub (2)]. 1607 E. Picker, JZ 2003, 1035, 1043 [re. Sp., sub (2)], jüngst ders., FS Konzen S. 687, 701.

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wands1608 mit Rücksicht auf die Misserfolgswahrscheinlichkeit zu beschränken.1609 Es stehe für den Schuldner kein Anspruch auf die Gegenleistung auf dem Spiel.1610 Dem kann nicht beigetreten werden. Die Ansicht richtet den Blick zu einseitig auf die möglichen Folgen eines Fehlschlags auf der Schuldnerseite. Dabei wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die zweite für § 275 Abs. 2 S. 1 BGB relevante Größe, das Gläubigerinteresse, reziprok zur wachsenden Misserfolgswahrscheinlichkeit verringert. Man stelle sich nur vor, eine bestimmte Maßnahme hätte eine voraussichtliche Erfolgsquote von lediglich 5%: Der Gläubiger könnte ungeachtet der äußerst niedrigen Erfolgsquote auf Leistung bestehen und der Schuldner wäre gezwungen, die Maßnahme durchzuführen. Letzterer würde in den behandelten Sonderfällen auch weit schlechter stehen als jener Schuldner, der eine Gegenleistung vereinbart hat. Vorzugswürdig erscheint daher das von der Gegenleistung abstrahierende Lösungsmodell. Wie oben1611 bereits dargelegt wurde, ist eine mögliche sekundäre Schadensersatzhaftung für den Fall der Befreiung von der Erfüllungspflicht bei der Bestimmung von Leistungsaufwand und Leistungsinteresse nicht zu berücksichtigen. Nichts anderes gilt für die hier besprochenen Sonderfälle. Dem Umstand schuldnerischen Vertretenmüssens kommt jedoch in anderer Weise grundlegende Bedeutung für die Auslegung von § 275 Abs. 2 BGB zu.1612 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die untersuchten Sonderfälle eine modifizierte Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB erforderlich machen: Der lediglich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führende Aufwand muss zu demjenigen Interesse des Gläubigers ins Verhältnis gesetzt werden, das dem fiktiven vollen Leistungsinteresse in Höhe der Erfolgswahrscheinlichkeit entspricht. Dies stimmt im Ergebnis mit der von Faust1613 vorgeschlagenen Lösung überein. Ihr Vorteil ist, dass sie nicht auf die Einbeziehung der Gegenleistung angewiesen ist und damit in den Rahmen der durch § 275 Abs. 2 S. 1 BGB vorgegebenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Aufwand und Interesse passt. Überdies ermöglicht dieser Ansatz auch, das bestehende Problem für nicht-synallagmatische Verträge einer interessengerechten Lösung zuzuführen. 1608

Dort ist von Anstrengungen die Rede. Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 294 f. 1610 Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 291, 294. 1611 Sub „(2) Berücksichtigung eines hypothetischen Anspruchs des Gläubigers auf Schadensersatz statt der Leistung?“, S. 290 ff. 1612 Hierzu insb. oben sub „(5) Unterschiedliche Interessenlagen in den beiden Grundkonstellationen“, S. 229 ff. 1613 Hierzu oben sub „(b) Der Vorschlag von Faust“, S. 442 f. 1609

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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(2) Nichteintritt eines ex ante gewissen Erfolgs Bei dem vorstehend diskutierten Problem stand die Ungewissheit des Erfolgseintritts bereits ex ante (zum Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess) fest. Soweit der Schuldner hierfür Beweis führen konnte, wird die Misserfolgswahrscheinlichkeit zu seinen Gunsten berücksichtigt. Dem steht der Fall gegenüber, in dem ex ante die wahrscheinliche Möglichkeit eines Fehlschlags noch nicht festgestellt werden kann, da insoweit keine Anhaltspunkte bestehen oder der Schuldner den ihm obliegenden Beweis nicht führen kann. Gelingt es dem Schuldner, das Leistungshindernis zu beseitigen, so kann er durch die Leistungserbringung die Erfüllungspflicht zum Erlöschen bringen, § 362 Abs. 1 BGB. Bleibt der Aufwand hingegen ohne Erfolg, tritt keine Erfüllung ein. Einerseits könnte sich das Hindernis dann als zumindest zeitweilig unüberwindbar darstellen und damit (zeitweilige) Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB anzunehmen sein.1614 Andererseits wird in diesem Zeitpunkt zumeist jedenfalls ein „grobes Missverhältnis“ gegeben sein, da auch der vom Schuldner vergeblich getätigte Aufwand zum Leistungsaufwand i. S. von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB zu rechnen ist.1615 Der Schuldner könnte die Naturalleistung demzufolge nach § 275 Abs. 2 BGB verweigern. Auch wenn der Schuldner nach Durchführung der missglückten Beseitigung des Leistungshindernisses die Leistung verweigern kann, hat er gleichwohl den dafür vergeblich getätigten Aufwand zu tragen.1616 Zum Zeitpunkt der Durchführung des missglückten Behebungsversuchs war der Schuldner noch zur Primärerfüllung verpflichtet. Das nach dem Fehlschlagen (möglicherweise) eintretende grobe Missverhältnis ändert daran nichts: Die erst dann gegebenenfalls begründete Einrede wirkt jedenfalls nicht zurück auf den Zeitpunkt der Durchführung des Versuchs.1617 Canaris verweist ferner – vornehmlich im Kontext vom Schuldner nicht zu vertretender Leistungshindernisse –1618 unter Rekurs auf ein systematisches Argument zur kaufrechtlichen Mängelbeseitigung auf den Grundsatz, 1614 Indem aus Wertungsgesichtspunkten die zeitweilige einer endgültigen Unmöglichkeit gleich geachtet wird. 1615 Hierzu bereits oben sub „(3) Erforderlichkeit des Aufwands“, S. 259 f. 1616 Dass es der Schuldner ist, der darüber entscheidet, mit welchen Mitteln er die Überwindung des Leistungshindernisses versucht, kann allenfalls als ergänzende Erwägung angeführt werden, weiter gehend wohl Canaris, JZ 2004, 214, 218 [re. Sp., sub 3. a)]. 1617 Zu der davon zu trennenden Frage der Rückwirkung der Einredeerhebung auf den Zeitpunkt ihres Vorliegens s. noch unten sub „1. Einredecharakter“, S. 449 ff.

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dass derjenige, den eine bestimmte Pflicht treffe, die für deren Erfüllung erforderlichen Kosten und damit grundsätzlich auch das Risiko, dass er diese wegen Misslingens seiner Bemühungen um die Behebung eines Leistungshindernisses verliert, selbst zu tragen habe.1619 b) Unverhältnismäßigkeit zwischen Normalaufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse Lobinger hat vorgebracht, es stünde zu befürchten, dass aus § 275 Abs. 2 BGB „[a]uch ohne jede Abweichung von den vorgestellten bzw. regulären Umständen“ bei „jedem schlechten Geschäft“, das dem Schuldner „lästig“ geworden sei, ein „Reurecht“ folgen könne, „sobald nur der Nutzen für den Gläubiger – der ihn [sc. den Schuldner] ja eigentlich überhaupt nichts anzugehen hat! – gering genug ist“.1620 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Gläubigerinteresse in den meisten Fällen jedenfalls dem Markwert der Leistung entspricht und der Gläubiger überdies – wie gesehen – in aller Regel auch den Kaufpreis als Leistungsinteresse in Ansatz bringen kann.1621 Es ist kaum eine Fallkonstellation denkbar, in der bereits ohne ein Leistungshindernis1622 eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Leistungsaufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse1623 vorliegt. Dazu müsste der Normalaufwand, das ist der Aufwand, der ohne ein Leistungshindernis zur Leistungserbringung erforderlich ist, über dem gegenständlichen Naturalleistungsinteresse des Gläubigers liegen. Auf den ersten Blick könnte eine solche bereits im Vertrag angelegte Unverhältnismäßigkeit ein grobes Missverhältnis begründen oder den Eintritt eines solchen zumindest inso1618 Hintergrund dafür ist, dass Canaris auf die von Picker (JZ 2003, 1035 ff.) ausschließlich auf nicht zu vertretende Leistungshindernisse beschränkte Kritik erwiderte. 1619 Canaris, JZ 2004, 214, 218 [li. Sp., sub c)], nur i. Erg. zust. AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 56. Canaris (JZ 2004, 214, 217 f. [sub c)]) erwiderte insoweit auf die zuvor von E. Picker (in: JZ 2003, 1035, 1043 [sub (2)], s. die Bezugnahme hierauf von Canaris, JZ 2004, 214, 216 mit Fn. 13 und 217 mit Fn. 26) geäußerte Kritik. Die Kritik von E. Picker dürfte sich jedoch auf das vorliegend bereits sub „(1) Ex ante ungewisser Erfolg“, S. 439 ff. diskutierte Problem beziehen (klarstellend jetzt E. Picker, FS Konzen S. 687, 701), worauf Canaris nur am Rande eingeht: Es findet sich diesbezüglich lediglich der kurze Hinweis in Fn. 28 (in: JZ 2004, 214, 218). 1620 Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 160. 1621 s. oben sub „a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung“, S. 293 f. 1622 So die Prämisse bei Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 159 bei Fn. 310 (in Auseinandersetzung mit Faust). 1623 Besondere Leistungsinteressen haben bei der Ermittlung einer im Vertrag angelegten Unverhältnismäßigkeit außer Betracht zu bleiben.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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weit begünstigen, als beim Hinzutreten eines Leistungshindernisses – gleich ob anfänglich oder nachträglich – ein grobes Missverhältnis weitaus eher als in den üblichen Fällen erreicht werden könnte. Richtigerweise müsste diese Konsequenz verhindert werden, was – soweit ein derartiger Fall überhaupt jemals auftreten wird –1624 durchaus möglich erscheint. Beispiel: V erwirbt eine Schrankwand, die einen Marktwert von 10.000 e besitzt, zu einem Kaufpreis von 12.000 e. Er hat zum Zeitpunkt, in dem er die Schrankwand an K zu einem Preis von 10.000 e weiterverkauft, bereits Besitz und Eigentum an der Schrankwand, so dass ex praemissione kein Leistungshindernis vorliegt. Eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse von 12.000 e : 10.000 e bestünde indes nur unter der Voraussetzung, dass als Leistungsaufwand tatsächlich die von V aufgewendeten 12.000 e in Ansatz zu bringen wären. Dazu müsste V die Schrankwand eigens zum Zwecke des Verlust bringenden Verkaufs an K zu dem überhöhten Preis beschafft haben, widrigenfalls mangels Bezugs zum konkreten Schuldverhältnis lediglich der Marktwert von 10.000 e als Leistungsaufwand in Betracht käme. Wenn V die Sache überteuert beschafft, um dann vorsätzlich ein Verlustgeschäft zu vereinbaren, kann er sich nach Abschluss des Verlustgeschäfts mit K gegenüber diesem nicht auf den Verlust, von dem K nichts wissen muss und der diesen auch nicht zu interessieren braucht, berufen. Damit setzte er sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, er verstieße gegen das Verbot des venire contra factum proprium.

III. Die Rechtsfolge des § 275 Abs. 2 BGB 1. Einredecharakter Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Erfüllungsanspruch unter der Voraussetzung subjektiver oder objektiver Leistungsunmöglichkeit „ausgeschlossen“; das Gesetz statuiert insoweit eine Einwendung. Dagegen kann der Schuldner im Falle des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB die Leistung lediglich verweigern. Der Gesetzeswortlaut („kann die Leistung verweigern“), der systematische Unterschied zu § 275 Abs. 1 BGB wie auch die Entstehungsgeschichte1625 sprechen für die Annahme einer bloßen Einrede. Damit wird dem Schuldner ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob er sich auf das Leistungsverweigerungsrecht beruft oder die Leistung ungeachtet des hohen Leistungsaufwands erbringt, um nicht seiner Gegenleistung verlustig zu gehen (§ 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB) oder um – etwa in der Hoffnung auf Folgeaufträge – seine besondere Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen oder auch um eine drohende Schadensersatzhaftung abzuwenden.1626 Die Unter1624

Anders die Einschätzung von Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 160. 1625 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp.: „Leistungsverweigerungsrecht, das seiner Rechtsnatur nach eine bloße Einrede darstellt“, s. auch aaO., S. 131 li. Sp.

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suchungen haben gezeigt, dass § 275 Abs. 2 BGB keinesfalls auf die Extremfälle „faktischer Unmöglichkeit“ beschränkt ist, in denen es in der Tat sinnlos ist, dem Schuldner die Leistungserbringung wahlweise zu gestatten, da ein „vernünftiger“ Schuldner diese insoweit ex praemissione gerade stets nicht erbringen wollen wird.1627 Gleichwohl unterfallen auch diese Fälle § 275 Abs. 2 BGB.1628 Soweit § 275 Abs. 2 BGB das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ erfasst, mithin Fälle des Rechtsmissbrauchs betroffen sind, wird gleichfalls im Unterschied zur üblichen Einordnung des Rechtsmissbrauchs als Einwendung1629 nur eine Einrede gewährt.1630 Die ganz herrschende Meinung in der Literatur steht auf dem Standpunkt, dass § 275 Abs. 2 BGB eine Einrede gewährt, die vom Schuldner zu erheben ist.1631 Die abweichende Auffassung, die 1626 Hierzu bereits Abschlußbericht S. 121; Medicus, SAT12 Rn. 370; für das neue Recht Medicus, SAT17 Rn. 376. 1627 s. auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 7; AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 16, 38; dies., in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 2 Rn. 64; dies./Thiessen, DStR 2002, 809, 814; M. Fischer, DB 2001, 1923, 1925. 1628 Eingehend oben sub „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff. 1629 Hierzu Canaris, JZ 2001, 499, 504, allg. Medicus, SAT17 Rn. 136. 1630 Zumindest war nach den Vorschriften [§§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 S. 3, 651c Abs. 2 S. 2 BGB (a. F.)], aus denen der BGH den „allgemeinen Rechtsgedanken“ – der nunmehr einen Teilbereich des § 275 Abs. 2 BGB ausmacht – ableitete, eine Geltendmachung durch den Schuldner erforderlich, hierzu bereits oben sub „II. Rechtsfolge: Ausschluss des Erfüllungsverlangens wegen Rechtsmissbrauchs“, S. 93. 1631 Boerner, ZIP 2001, 2264, 2269; Brox/Walker, SAT31 § 22 Rn. 18; Buck, in H. P. Westermann S. 105, 128; MünchKomm/Busche (2005), § 635 Rn. 40; Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 38; Eckert, SAT Rn. 315; MünchKomm/ Ernst (2003), § 275 Rn. 96 f.; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 52, 94, 114; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 368, 371, 385, 403 und passim; Bamberger/ Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 45, 49; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/ Wendtland/Haas, Kap. 5 Rn. 191; Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 32; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 63, 65, 135; Amann/Brambring/Hertel/ Hertel, S. 17; Christoph Hirsch, SAT Rn. 649; Kindl, WM 2002, 1313, 1316; Kittner, Schuldrecht Rn. 695; Kohler, AcP 205 (2005), 93, 107, 124; S. Lorenz/ Riehm, Rn. 320; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 93; Medicus, JuS 2003, 521, 522, 525; Musielak, Grundkurs9 Rn. 396; Oechsler, SBT § 2 Rn. 71; Oetker/ Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse S. 95 f., 470; Hj. Otto, JURA 2002, 1, 3; Petersen, SAT2 Rn. 253, 261 und 279; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht7 Rn. 217; Reischl, JuS 2003, 250, 256; Schimmel/Buhlmann/Schimmel/Buhlmann, Kap. D III Rn. 50 f., 63 ff.; Schlechtriem, SAT5 Rn. 287; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 484; Schlechtriem, SBT6 Rn. 62 (und 75); E. Schmidt, Das Schuldverhältnis Rn. 243; M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 54 f.; M. Schwab, in: M. Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht S. 1, 4; ders., JuS 2002, 1, 2; Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 32; Jauernig10 /Vollkommer, § 275 Rn. 32; Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 34; Westermann/Bydlinski/Weber, SAT § 7 Rn. 6, 26, 47, s. auch bereits für § 275 Abs. 2 KonsF Canaris, JZ 2001, 499, 501, 504; Dauner-Lieb/Arnold/

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eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung postuliert,1632 vermochte sich nicht durchzusetzen. Die Erhebung einer Einrede (im materiell-rechtlichen Sinne) führt, wie hinlänglich bekannt ist, zur bloßen Hemmung des Anspruchs. Der Bestand des Erfüllungsanspruchs beziehungsweise der Erfüllungspflicht bleibt unberührt, lediglich die Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs wird zeitweilig (dilatorische Einrede) oder endgültig (peremptorische Einrede) ausgeschlossen.1633 Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass allenthalben terminologisch unscharfe Formulierungen wie „Entfallen“, „Fortfall“, mangelnder „Fortbestand“ oder – so in der vorliegenden Untersuchung – „Primärpflichtbefreiung“ gebraucht werden.1634 Dagegen wird vereinzelt bewusst befürwortet, der Einrede des § 275 Abs. 2 BGB rechtsvernichtenden beziehungsweise rechtshindernden Charakter beizulegen; so wird ausdrücklich für eine „rechtsvernichtende Einrede“ beziehungsweise im Falle eines anfänglichen Missverhältnisses für eine „rechtshindernde Einrede“ geworben.1635 Es besteht jedoch kein hinreichender Anlass, eigens für § 275 Abs. 2 BGB derartige dogmatische Neuschöpfungen ins Leben zu rufen.1636 Dötsch/Kitz, Anmerkungen zum KonsDiskE S. 27, 66. Jüngst auch BAGE 111, 191, 199. 1632 So A. Teichmann, BB 2001, 1485, 1487; Mattheus, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 50, 83 (anders noch dies., in: M. Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht S. 67, 93; dies., JuS 2002, 209, 214); auch Canaris (JZ 2001, 499, 504) hätte es persönlich vorgezogen, § 275 Abs. 2 KonsF als Einwendung auszugestalten. 1633 Stellv. Rüthers/Stadler, BGB AT § 5 Rn. 9, § 9 Rn. 2 f.; speziell zu § 275 Abs. 2 BGB MünchKomm/Busche (2005), § 635 Rn. 40 (im Kontext des Nacherfüllungsanspruchs); Reischl, JuS 2003, 250, 256, vgl. noch zur Einrede aus § 275 S. 1 DiskE Wieser, NJW 2001, 121, 122, zu § 275 S. 1 KommE Schapp, JZ 1993, 637, 639. 1634 Vgl. insoweit beispielhaft die Gesetzesbegründung, die sich einerseits klar für eine Einrede ausspricht (BT-Drucks. 14/6040, S. 129 re. Sp.), andererseits aber von einem Entfallen der Primärleistungspflicht (aaO., S. 130 li. Sp.), der Befreiung vom Primäranspruch (aaO., S. 130 re. Sp.) oder dem Fortfall der Primärleistungspflicht (aaO., S. 131 li. Sp.) spricht. Unklar indes Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 26: obwohl § 275 Abs. 2 BGB als Einrede ausgestaltet sei, sei er ebenso wie § 275 Abs. 1 BGB ein Schuldbefreiungsgrund. 1635 Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 162 (und 255), offenbar auch Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 32; Jauernig10 /Vollkommer, § 275 Rn. 32, ähnl. auch Mattheus, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 50, 83 (Anspruch erlischt mit berechtigter Leistungsverweigerung), anders noch Mattheus, in: M. Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht S. 67, 93; dies., JuS 2002, 209, 214. 1636 Der Hinweis von Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 162 auf die Geltendmachung der Einrede bei akzessorischen Sicherungsrechten verfängt nicht, ebenso wenig der Verweis auf § 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB („entfällt“), vgl. dazu Mattheus, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 50, 83, s. bereits Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz, Anmerkungen zum KonsDiskE S. 66 („erscheint

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§ 4 Die neue Rechtslage

Zwischen dem Zeitpunkt des Eintritts der Voraussetzungen i. S. von § 275 Abs. 2 BGB und der Erhebung der Einrede verstreicht regelmäßig eine gewisse Zeit. Es fragt sich, ob die Erhebung der Einrede auf den Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB eingetreten sind, zurückwirkt, oder der Einredeerhebung nur eine Wirkung ex nunc beizumessen ist. Die Beantwortung dieser Frage hat maßgebliche Bedeutung für den Schuldnerverzug. Teile der Literatur stehen auf dem Standpunkt, die Einredeerhebung wirke zurück, der Verzug respektive dessen Rechtsfolgen entfielen rückwirkend.1637 Dabei wird indes nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Gläubiger – ähnlich wie im Falle des § 273 BGB –1638 die Möglichkeit besitzt, die Einredevoraussetzungen auszuräumen1639 (hierzu sogleich sub „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff.). Um diese Befugnis des Gläubigers nicht auszuhöhlen, erscheint es interessengerechter, dem Schuldner eine unverzügliche Einredeerhebung anzusinnen, der Einredeerhebung mithin keine Rückwirkung beizulegen.1640 Der Schuldner kann und soll rasch über die die Ausübung seines Wahlrechts – Erhebung oder Nichterhebung der Einrede – entscheiden. Entschließt er sich nur zögerlich zur Leistungserbringung, wäre es nicht einzusehen, warum der Gläubiger die Folgen der eingetretenen Verzögerung tragen soll.1641 Dies wäre jedoch die Konsequenz der Ansicht, der zufolge Verzug bereits bei bloßem Vorliegen der Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB ausscheiden soll, sofern nur die Einrede später erhoben wird. Andererseits hat derjenige Schuldner, der sich erst nach gewissem Zögern zur Verweigerung der Leistungserbringung entschließt, vom Boden der vorliegend befürworteten Sichtweise die Nachteile zu tragen, die daraus entstehen, dass er sich nicht unverzüglich entschlossen hat, die Einrede zu erheben; nach der Gegenansicht hätte es der Schuldner jedoch in der Hand, die Verzugsfolgen durch eigene Zögerlichkeit zu begrenzen.1642 unsymmetrisch und zumindest gewöhnungsbedürftig“), beipflichtend Canaris, JZ 2001, 499, 509 mit Fn. 100. 1637 So etwa MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 98 (und 166), § 286 Rn. 22; P. Huber/Faust, Kap. 3 Rn. 184; Palandt65/Heinrichs, § 275 Rn. 32; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 145; Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt S. 291, 307 f.; Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 32; Jauernig10 /Vollkommer, § 275 Rn. 32; Erman11 /H. P. Westermann, § 275 Rn. 35, vgl. für § 275 S. 1 DiskE bereits Wieser, NJW 2001, 121, 122. 1638 Dort lehnt die h. M. eine Rückwirkung der Einredeerhebung ab, vgl. stellv. MünchKomm/Ernst (2003), § 286 Rn. 28 m. weit. Nachw. 1639 Im Falle des § 273 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden (§ 273 Abs. 3 S. 1 BGB). 1640 I. Erg. ebenso M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 58; Schimmel/Buhlmann/Schimmel/Buhlmann, Kap. D III Rn. 63. 1641 Zutreffend M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 58. 1642 Wie vorherige Fn.

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Dem Schuldner ist indes eine kurze Bedenkfrist einzuräumen, binnen derer er über die Ausübung seines Wahlrechts entscheiden kann. Diese Einschränkung erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der dem Schuldner drohenden Zufallshaftung im Schuldnerverzug (§ 287 S. 2 BGB) geboten. 2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers Um das Erreichen der maßgeblichen Befreiungsschwelle nach § 275 Abs. 2 BGB abzuwenden, könnte der Gläubiger, der an der Naturalleistung besonders interessiert ist, einen Teil des schuldnerischen Leistungsaufwands übernehmen, indem er dem Schuldner die Zahlung eines hinreichenden Geldbetrags verbindlich anbietet sowie (gegebenenfalls) entsprechenden Vorschuss leistet (§ 669 BGB analog).1643 Dem Schuldner würde dadurch keine Mehrbelastung auferlegt, da die über der Befreiungsschwelle liegenden Kosten vom Gläubiger getragen würden.1644 Er erlangte jedoch nicht den Vorteil der Primärschuldbefreiung. Dieser Vorteil liegt in den Fällen, in denen der Schuldner einer sekundären Schadensersatzhaftung unterläge, darin, den Gläubiger „nur“ finanziell entschädigen zu müssen, was für ihn praktisch immer günstiger wäre als die Aufbringung des hohen Leistungsaufwands; unterläge der Schuldner hingegen für den Fall der Primärpflichtbefreiung keiner sekundären Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung, bestünde sein Vorteil darin, völlig frei zu werden, bei gegenseitigen Verträgen freilich unter Inkaufnahme des Verlusts der Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 1 BGB). Richtigerweise wird man den Schuldner in seinem Interesse, in den Genuss der beschriebenen Vorteile zu gelangen, nicht schützen können. Für die vorstehend zuerst genannten Fälle, in denen sich das Erfüllungs1643 Dafür stellv. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 38 f., zust. AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 56; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 86 f., 89, 94, 122, 169, 171, 174, 178, 181 (unter Verweis auf die in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB angeführten Gebote von Treu und Glauben, aaO., insb. S. 87); Löhnig, ZGS 2005, 459, 462; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 82, 97 a. E.; Jauernig11 /Stadler, § 275 Rn. 25, im Grds. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 86, wohl auch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 102 f. und 129, der jedoch annimmt, die angebotene Ausgleichszahlung bewirke, dass der Aufwand verringert und gleichzeitig (!) das Leistungsinteresse höher anzusetzen sei (aaO., S. 103); vgl. ferner Hj. Otto, JURA 2002, 1, 5 (bei einem besonderem Interesse des Gläubigers an der Primärleistung); Schwarze, JURA 2002, 73, 78 dort auch qua „Ermäßigung der Leistungspflicht“, s. auch für den werkrechtlichen Nacherfüllungsanspruch MünchKomm/Busche (2005), § 635 Rn. 40 a. E., jedoch möglicherweise – wenig überzeugend – auf die Zeit vor Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts beschränkt. 1644 Vgl. auch P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 38. Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine analoge Anwendung des § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB („Anpassungsschranke“) aus.

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§ 4 Die neue Rechtslage

verlangen des Gläubigers als rechtsmissbräuchlich darstellen würde, ist diesem zu gestatten, durch eine Kostenübernahme dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs vorzubeugen. In den anderen Fällen, in denen der Schuldner restlos frei würde, sollte eine Aufwandsminderung durch den Gläubiger in jedem Fall zugelassen werden, da dessen Interessen andernfalls überhaupt nicht gewahrt würden. Hinzu kommt, dass sich das vor allem in letzteren Fällen bei § 275 Abs. 2 BGB auftauchende „Schwellenproblem“1645 auf diesem Weg zumindest etwas entschärfen lässt. Die „harte Entscheidung“1646 zwischen voller Belastung mit dem Mehraufwand und gänzlicher Befreiung des Schuldners, gewissermaßen eine „Alles-oder-Nichts“-Lösung, vermag dadurch jedenfalls zum Teil abgemildert zu werden. Dem aufgezeigten Recht des Gläubigers zur Aufwandsminderung steht die Rechtsprechung des BGH im Kontext der Regulierung von Kfz-Schäden1647 nicht entgegen.1648 Nach BGHZ 115, 375 soll dem Geschädigten nur bis zum Erreichen der Grenze von 130% („Richtwert“) ein Integritätszuschlag zustehen; überstiegen die Reparaturkosten hingegen den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs um mehr als 30%, könne der Geschädigte überhaupt keinen Integritätszuschlag verlangen. Da der Geschädigte aber gleichwohl stets zumindest den Wiederbeschaffungswert ersetzt bekommt, scheidet eine Parallele zu § 275 Abs. 2 BGB in Hinsicht auf das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ bereits von vornherein aus. Aber auch für das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ verbietet sich eine Parallele, wie die Urteilsbegründung erhellt. Ersichtlich war der BGH in seiner Entscheidung nämlich von spezifisch schadensrechtlichen Überlegungen geleitet. Der erkennende Senat befürchtete, durch die Gewährung des Integritätszuschlags trotz Überschreitens der 130%-Grenze „würde ein Anreiz zu wirtschaftlich unsinnigen Reparaturen geschaffen, an deren Kosten sich der Schädiger zu beteiligen hätte, was zu einer dem Gebot der wirtschaftlichen Vernunft zuwiderlaufenden Aufblähung von Ersatzleistungen bei der Schadensregulierung im Kraftfahrzeugbereich und zu einer vom Zweck des Schadensausgleichs nicht gebotenen Belastung des Schädigers führen würde“,1649 dem durch die 1645 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Abs. 29, dazu oben sub „(b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/Sutschet) – Zugleich zum ‚Schwellenproblem‘ des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 367 ff. 1646 Ausdruck von Motsch, JZ 2001, 428, 431, der den Ausweg freilich in der Vertragsanpassung nach der Geschäftsgrundlagenlehre erblickt. 1647 s. BGHZ 115, 375 (hierzu oben sub „(c) Kfz-Schäden: BGH-Urteile vom 15. 10. 1991 (= BGHZ 115, 364 und 375) – Integritätszuschlag (‚130%‘)“, S. 215 ff.); maßgeblich war dort die Beachtung des „Wirtschaftlichkeitspostulats“. 1648 I. Erg. ebenso P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 39. 1649 BGHZ 115, 375, 380.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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Rechtsprechung nicht Vorschub geleistet werden dürfe.1650 Die Frage der wirtschaftlichen Unsinnigkeit steht bei § 275 Abs. 2 BGB jedenfalls nicht im Vordergrund. Im Unterschied zum Integritätszuschlag, der nach BGH, NJW 1999, 500 nicht dem Schutz eines irgendwie gearteten Affektionsinteresses, etwa aufgrund einer emotionalen Bindung des Geschädigten an einen technischen Gegenstand, dient, sondern vielmehr wirtschaftliche Hintergründe habe,1651 werden auch immaterielle Interessen des Vertragsgläubigers geschützt. Zudem betrifft die Frage des Schadensausgleichs eine völlig andere Frage als die Reichweite vertraglicher Erfüllungspflichten. Misst man einer Kostenübernahme durch den Gläubiger wie vorliegend aufwandsmindernde Wirkung zu, hat es dieser in der Hand, den Schuldner auch gegen seinen Willen zu zwingen, stets bis zur maßgeblichen Befreiungsschwelle Aufwand betreiben zu müssen. Hat der Gläubiger im Ausnahmefall nur eine Schädigung des Schuldners im Sinne, wird man dem Schuldner mit § 242 BGB, in krassen Fällen auch mit § 226 BGB helfen können. 3. Das Zeitmoment Besteht ein zeitweiliges Missverhältnis nach § 275 Abs. 2 BGB, kann der Schuldner die Leistung solange gemäß § 275 Abs. 2 BGB verweigern, wie ein Missverhältnis gegeben ist (dilatorische Einrede). Soweit ein zeitweiliges Missverhältnis bei wertender Betrachtung einem endgültigen gleich zu achten ist, hat der Schuldner das Recht, die Leistung endgültig zu verweigern. In diesem Fall bleibt der Erfüllungsanspruch aufgrund der erhobenen peremptorischen Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB auch dann endgültig einredebehaftet, wenn das Hindernis unerwartet rasch entfällt. Im Einzelfall kann sich aus § 242 BGB eine Pflicht zum Neuabschluss ergeben. Liegt trotz eines bestehenden Hindernisses kein Missverhältnis vor, muss der Schuldner mithin die geschuldete Leistung erbringen, besteht die Erfüllungspflicht auch für die Zeit, die eine Leistungserbringung eingedenk der notwendigen Überwindung des Hindernisses erfordert. IV. Prozessuales Der Schuldner muss sich im Prozess auf die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB berufen,1652 um die Verurteilung zur Naturalleistung zu verhindern.1653 1650

Wie vorherige Fn. BGH, NJW 1999, 500, 501. 1652 s. zur Ausgestaltung des § 275 Abs. 2 BGB als Einrede oben sub „1. Einredecharakter“, S. 449 ff. 1651

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§ 4 Die neue Rechtslage

1. Darlegungs- und Beweislast Den Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB muss derjenige führen, der daraus günstige Rechtsfolgen ableiten will. Soweit § 275 Abs. 2 BGB als Einrede gegenüber dem Erfüllungsbegehren geltend gemacht wird, ist dies der Schuldner. Im Einzelnen bedeutet das Folgendes: Der Schuldner hat im Prozess den zur Leistungserbringung erforderlichen Aufwand darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Dies gilt auch – soweit entscheidungserheblich – für die quantitative Zusammensetzung des Aufwands aus Normal- und Mehraufwand. Ferner obliegt ihm auch der Beweis dafür, dass er das Leistungshindernis beziehungsweise seine diesbezügliche Unkenntnis1654 nicht zu vertreten hat (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB); diese Beweislastverteilung hinsichtlich des Vertretenmüssens kann aus dem Rechtsgedanken, der §§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4, 311a Abs. 2 S. 2 BGB zugrunde liegt, abgeleitet werden. Darüber hinaus muss der Schuldner grundsätzlich auch den Umfang des Leistungsinteresses darlegen und beweisen. Da es allerdings insoweit um Umstände in der Sphäre des Gläubigers geht, sollte dem Schuldner nur die Beweislast für den objektiven Wert des geschuldeten Leistungsgegenstands auferlegt werden; für den Betrag, um den das tatsächliche Leistungsinteresse des Gläubigers diesen Wert übersteigt, ist hingegen der Gläubiger darlegungs- und beweisbelastet.1655 Beruft sich der Schuldner darauf, dass eine zur Behebung eines Leistungshindernisses erforderliche Maßnahme nicht mit Gewissheit zum Erfolg führt, hat er darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Maßnahme nicht mit Sicherheit zum Erfolg führt, und – soweit möglich – auch die Misserfolgswahrscheinlichkeit aus ex ante-Sicht entsprechend zu beziffern.1656 2. Das Zeitmoment Stellt das Gericht für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung) ein grobes Missverhältnis fest, 1653

Gegen die aufgrund drohender „unrichtiger“ Säumnisentscheidungen geltend gemachten Bedenken Palandt65/Heinrichs, § 275 Rn. 32 a. E., zur konkludenten Erhebung der Einrede Canaris, JZ 2001, 499, 504 (noch zu § 275 Abs. 2 KonsF); MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 97. 1654 In Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 1655 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 162, der den Begriff Marktwert gebraucht; vgl. zum Ganzen auch Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 65 ff., 84, 120, 177. 1656 Hierzu oben sub „(c) Auseinandersetzung und eigene Begründung“, S. 443 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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ist die Klage dann als endgültig unbegründet abzuweisen, wenn bei wertender Betrachtung das zeitweilige Missverhältnis einem endgültigen gleich zu achten ist; für diese (materiell-rechtliche) Frage der Gleichstellung ist auf den Zeitpunkt des Eintritts des Missverhältnisses und damit des Hindernisses abzustellen. Soweit jedoch ein bestehendes Missverhältnis, das naturgemäß nur als zeitweilig zu qualifizieren ist, nicht einem endgültigen Missverhältnis gleichgestellt werden kann, ist die Klage nur als zurzeit unbegründet abzuweisen. Dann tritt nur eine entsprechend begrenzte Rechtskraftwirkung des Urteils ein,1657 das heißt der Gläubiger kann im Falle geänderter Umstände erneut klagen, ohne dass dieser Klage die Rechtskraft des Ersturteils entgegenstünde. Daneben besteht nach Maßgabe des § 259 ZPO die Möglichkeit, die Klage auf künftige Leistung umzustellen, § 264 Nr. 2 ZPO.1658 Liegt ungeachtet eines bestehenden Hindernisses kein Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB vor, ist der Schuldner mithin zur Leistung verpflichtet, wird er zur sofortigen Leistung verurteilt.1659 Indes ist die erhöhte Zeitdauer der Leistungserbringung bei der Angemessenheit der Fristen i. S. der §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen sowie verfrühten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Zulässigkeit abzusprechen.1660 V. Nutzen und Bedeutung des Erfüllungsanspruchs für den Gläubiger Der Erfüllungsanspruch bleibt durchsetzbar, wenn die Befreiungsvoraussetzungen nach § 275 Abs. 2 BGB nicht vorliegen oder die Einrede zwar begründet ist, der Schuldner sie aber nicht erhebt. Einerseits kann der Gläubiger auf Grundlage des Erfüllungsanspruchs zu einer Verurteilung des Schuldners auf Leistung in Natur gelangen und mithilfe des Vollstreckungstitels die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (hierzu sub 1.). Stattdessen oder nach erfolglos gebliebenen Zwangsvollstreckungsversuchen hat er die Möglichkeit, über eine Fristsetzung zum Schadensersatz statt der Leistung zu gelangen (§§ 280, 281 BGB). Die in diesem Kontext wesentlichen materiell-rechtlichen Aspekte des Erfüllungsanspruchs werden nachstehend sub 2. beleuchtet. 1657 Vgl. insoweit die analog heranzuziehenden Ausführungen zu § 275 Abs. 1 BGB sub „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 165 ff. 1658 Vgl. vorige Fn. 1659 Hierzu bereits ausf. oben zur Unmöglichkeit sub „c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse“, S. 167 f. sowie zur materiell-rechtlichen Seite sub „c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse“, S. 151 f. 1660 Wie vorherige Fn.

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§ 4 Die neue Rechtslage

1. Zwangsvollstreckung Im Bereich werkvertraglicher Erfüllungspflichten handelt es sich nicht selten um vertretbare Handlungen,1661 deren Vollstreckung nach Maßgabe des § 887 Abs. 1 ZPO erfolgt (Handlungsvollstreckung).1662 Der Gläubiger kann die Werkleistung auf Kosten des Schuldners (Unternehmers) durch einen Dritten vornehmen lassen (§ 887 Abs. 1 ZPO) und nach § 887 Abs. 2 ZPO Vorauszahlung der Kosten verlangen. Diese Kosten umfassen auch den Mehraufwand, der dem Unternehmer im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB angesonnen wird. Demnach vermag der Gläubiger den ihm nach materiellem Recht zustehenden Erfüllungsanspruch in der Zwangsvollstreckung effektiv durchzusetzen. Letzterer Befund trifft indes für die Erfüllungspflicht des Sachverkäufers nicht zu. Wird der Verkäufer ungeachtet eines Mehraufwands, der dadurch bedingt sein kann, dass dieser den geschuldeten Ring zunächst aus einem Teich zu bergen hat beziehungsweise auf seine Kosten bergen zu lassen hat oder auch den Ring von einer dritten Person gegen Zahlung eines hohen Geldbetrags (zurück-)erwerben muss, zur Primärleistung verurteilt, kann der Käufer nicht nach § 887 Abs. 1, 2 ZPO vorgehen. Er hat nicht das Recht, auf Kosten des Verkäufers den Ring selbst1663 zu bergen beziehungsweise durch einen beauftragten Dritten bergen zu lassen oder den Ring auf Kosten des Verkäufers vom Eigentümer zu erwerben; ebenso wenig kann er einen entsprechenden Kostenvorschuss fordern. Denn nach § 887 Abs. 3 ZPO sind auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen die § 887 Abs. 1 und 2 ZPO nicht anzuwenden;1664 die 1661 s. zur Vollstreckung unvertretbarer Handlungen § 888 ZPO, zur Abgabe von Willenserklärungen § 894 ZPO. 1662 Bei Werk- oder Dienstleistungen, die besondere individuelle Fähigkeiten künstlerischer oder wissenschaftlicher Art voraussetzen (Beispiel: ein bekannter Maler schuldet die Portraitierung einer Person, eine Sängerin einen Opernauftritt, ein Juraprofessor die Erstellung eines Rechtsgutachtens etc.), scheidet § 888 ZPO aus, stellv. Stein/Jonas-ZPO/Brehm, § 888 Rn. 16 m. weit. Nachw.; es bleibt in diesen Fällen nur die Klage nach § 893 ZPO. 1663 s. etwa Stein/Jonas-ZPO/Brehm, § 887 Rn. 30, 41; Zöller-ZPO/Stöber, § 887 Rn. 7 m. weit. Nachw. 1664 Bestr., wie hier Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/Dötsch, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 25, S. 59; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 42 f.; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 138 f., 144, „in der Regel“ wohl auch Stein/Jonas-ZPO/Brehm, § 883 Rn. 4, (§ 887 Rn. 3), s. auch bereits Schur, Leistung und Sorgfalt S. 153 mit Fn. 58, anders dagegen Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 277 f. m. weit. Nachw. (restriktive Interpretation des § 887 Abs. 3 ZPO), ähnl. für das neue Recht Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 183, 197 f. mit Fn. 89; Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 30, 41 ff. Vgl. auch Melzer, Der vertragliche Erfüllungsanspruch S. 23 f.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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durch das Hindernis notwendig gewordene (Wieder-)Beschaffung der Sache ist nicht Gegenstand der Erfüllungspflicht im Sinne einer selbständig einklagbaren Pflicht1665. Es bleibt dem Käufer nur die Zwangsvollstreckung nach § 883 Abs. 1 und 2 ZPO (Wegnahmevollstreckung).1666 Danach kann er erwirken, dass der Gerichtsvollzieher dem Verkäufer die geschuldete Sache wegnimmt und ihm diese übergibt. Wird die herauszugebende Sache nicht vorgefunden, hat der Verkäufer nach § 883 Abs. 2 ZPO an Eides statt zu versichern, dass er die Sache nicht besitzt und – dies wird in den diskutierten Fällen indes meist nicht in Betracht kommen (vergleiche insbesondere das Beispiel des im Eigentum eines bestimmten Dritten stehenden Rings) – auch nicht weiß, wo sich die Sache befindet. In den typischen Fällen überwindbarer Leistungshindernisse beim Kaufvertrag (neben dem zuvor genannten Beispiel geht es um Fälle des Sachverlusts) führt diese Art der Zwangsvollstreckung den Käufer allerdings nicht zum Ziel, da die begehrte Sache nicht im Gewahrsam des Verkäufers steht, sondern vielmehr im Teich liegt oder sich beim berechtigten Dritten befindet. Es scheidet auch aus, dass sich der Käufer den Anspruch des Verkäufers gegen den Dritten nach § 886 ZPO überweisen lässt, da es dem Verkäufer in den diskutierten Fällen gerade an einem Herausgabeanspruch gegen den Dritten mangelt. Auch dem Gattungskäufer bleibt regelmäßig nur die Möglichkeit, nach § 883 Abs. 1 ZPO vorzugehen, siehe § 884 ZPO;1667 findet der Gerichtsvollzieher keine der vereinbarten Gattung entsprechenden Stücke mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 2 BGB), bleibt dem Käufer nur die Klage auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 893 ZPO).1668 Wenngleich die Zwangsvollstreckung vor dem Hintergrund des § 887 Abs. 3 ZPO im Falle des Sachkaufs wenig erfolgversprechend erscheinen mag, darf die Wirkung einer Verurteilung des Schuldners durch ein Gericht nicht unterschätzt werden. Zumindest mancher Schuldner wird sich unter deren Eindruck zur Leistungserbringung bereit finden. Dies wird nicht selten auch deshalb der Fall sein, weil dem Verkäufer im Falle der endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung (§ 281 Abs. 2 Fall 1 BGB) oder nach fruchtlosem Ablauf der ihm vom Käufer gesetzten angemessenen Frist eine Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung droht, §§ 280 Abs. 1, 3, 281 1665

Dafür „in der Regel“ auch Stein/Jonas-ZPO/Brehm, § 883 Rn. 4, dort auch zur Notwendigkeit, dass der notfalls auszulegende Titel zusätzlich eine selbständige Handlungspflicht – im vorliegenden Zusammenhang: die Pflicht zur (Wieder-)Beschaffung der Sache – enthalten muss. 1666 s. zur Herausgabe von Grundstücken (und Schiffen) § 885 ZPO. 1667 Hierzu bereits die vorige Fn. sowie Stein/Jonas-ZPO/Brehm, § 884 Rn. 2; Zöller-ZPO/Stöber, § 884 Rn. 2. 1668 s. Stein/Jonas-ZPO/Brehm, § 884 Rn. 3 m. weit. Nachw., dort auch zu § 886 ZPO.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Abs. 1 S. 1 BGB.1669 Dem Käufer können infolge der schuldnerischen Nichtleistung auch nach der Verurteilung zur Primärleistung weitere Schäden (auch Verzögerungsschäden) entstehen, deren Tragung den Schuldner unter Umständen stärker zu belasten vermag als die Aufbringung des Leistungsaufwands. Der daraus resultierende „Erfüllungsdruck“ ist nicht zu unterschätzen, zumal auch der Umstand, dass dem Verkäufer die Höhe des drohenden Schadens unbekannt ist, einen starken Ansporn zur Leistungserbringung bewirken kann. Seine Schadenshaftung wird dadurch zusätzlich verschärft, dass er sich nach Verurteilung zur Primärleistung stets im Verzug befindet, mithin gemäß § 287 S. 2 BGB einer Zufallshaftung unterliegt. Ferner drohen ihm die weiteren Kosten eines vergeblichen Vollstreckungsversuchs.1670 2. Naturalrestitution durch den Gläubiger bei durchsetzbarem Erfüllungsanspruch Trotz der aufgezeigten unzulänglichen Vollstreckbarkeit beim Sachkauf, verhilft jedenfalls die Bestimmung des § 281 BGB dem Käufer zur effektiven Realisierung seines Primäranspruchs.1671 Es wurde bereits dargelegt, dass der Fortbestand eines durchsetzbaren Erfüllungsanspruchs über den Weg der Fristsetzung (zur deren Entbehrlichkeit siehe § 281 Abs. 2 BGB) unfehlbar zu einer Haftung des Schuldners auf Schadensersatz statt der Leistung führt.1672 Deren konkreter Inhalt soll im Folgenden näher beleuchtet werden. a) Naturalrestitution als Inhalt des Schadensersatzes statt der Leistung Nach fruchtlosem Ablauf der vom Gläubiger zur Leistungserbringung bestimmten angemessenen Frist1673 bestehen zunächst der Erfüllungsanspruch und der (verhaltene)1674 Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung im Verhältnis elektiver Konkurrenz1675 nebeneinander. Diese Schwebelage1676 1669

Vgl. auch U. Huber, in: Eckert/Delbrück S. 23, 33. § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO. 1671 Zum Ersatz des Verzögerungsschadens (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) und der Zufallshaftung im Schuldnerverzug (§ 287 S. 2 BGB) vgl. bereits zuvor im Text. 1672 Oben sub „a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB“, S. 230 ff. 1673 s. auch § 281 Abs. 2 BGB. 1674 Dazu nur MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 68, 108; Wieser, NJW 2003, 3458, entgegen Dedek, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 183, 194 entsteht der Sekundäranspruch nicht erst mit dem Schadensersatzverlangen des Gläubigers i. S. von § 281 Abs. 4 BGB. 1675 Vgl. MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 68 (der indes den Erfüllungsanspruch und das Recht, Schadensersatz statt der Leistung verlangen zu können, als 1670

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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endet, wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt,1677 da dieses Verlangen den Erfüllungsanspruch und damit zugleich die Erfüllungspflicht zum Erlöschen bringt, § 281 Abs. 4 BGB. Der dann allein geschuldete Schadensersatz statt der Leistung kann eine Naturalrestitution durch den Schuldner nicht umfassen.1678 Denn eine Naturalrestitution durch den Schuldner liefe darauf hinaus, dass dieser entgegen § 281 Abs. 4 BGB im Gewande des Sekundäranspruchs erneut Leistung in Natur schuldete. Nach der Zäsur, die durch das Verlangen i. S. von § 281 Abs. 4 BGB markiert wird, soll die Erfüllungspflicht jedoch endgültig ausgeschlossen sein;1679 zur Wiederherstellung der Leistungspflichten bedarf es eines neuen Vertrags, der die etwa bestehenden Formerfordernisse (z. B. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB) wahren muss.1680 Ferner wäre es nicht sachgerecht, verwiese man den Gläubiger, der dem Schuldner bereits erfolglos eine Frist gesetzt hat, auf eine Leistungserbringung durch den Schuldner, der sich bereits als unzuverlässig erwiesen hat.1681 Warum sollte der Schuldner einer Schadensersatzpflicht, die den gleichen Inhalt wie die Erfüllungspflicht hat, eher nachkommen? Unberührt vom Gesagten sollte jedoch eine Naturalrestitution durch den Gläubiger selbst oder durch von ihm beauftragte Dritte bleiben,1682 deren einen Anspruch mit veränderlichem Inhalt ansieht); Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 281 Rn. 48; Palandt63 /Heinrichs, § 281 Rn. 18, 50. Dagegen für die Annahme eines Wahlschuldverhältnisses M. Schwab, JR 2003, 133, 134 ff., für eine entsprechende Anwendung von § 264 Abs. 2 BGB jetzt auch Palandt64, 65 /Heinrichs, § 281 Rn. 50b bei gleichzeitiger Annahme elektiver Konkurrenz (aaO., Rn. 50). 1676 Zu ihr ausf. Finn, ZGS 2004, 32 ff.; Palandt65 /Heinrichs, § 281 Rn. 50–50b; M. Schwab, JR 2003, 133 ff., vgl. jüngst vor allem Faust, FS U. Huber S. 239 ff.; Gsell, FS U. Huber S. 299 ff. 1677 Oder den Rücktritt erklärt, wodurch das Schuldverhältnis in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgestaltet wird. 1678 So – jedoch ohne die im Text hervorgehobene Einschränkung – Ady, ZGS 2003, 13, 15; P. Huber/Faust, Kap. 3 Rn. 182; Christoph Hirsch, JURA 2003, 289; Krause, JURA 2002, 299, 301; S. Lorenz/Riehm, Rn. 207. 1679 Nichts anderes galt nach altem Recht, wenngleich der Erfüllungsanspruch bedingt durch die ehemals notwendige Ablehnungsandrohung dort bereits mit fruchtlosem Fristablauf unterging (§ 326 Abs. 1 S. 1, Halbs. 2 BGB a. F.), s. hierzu Finn, ZGS 2004, 32 f. 1680 Statt vieler Palandt65 /Heinrichs, § 281 Rn. 51 m. weit. Nachw. 1681 s. zu diesem Gesichtspunkt im Kontext des alten Rechts P. Gebauer, Naturalrestitution S. 109 mit Fn. 309 a. E., 110 f., 113, der insoweit jedoch für die Anwendung von § 251 Abs. 1 Fall 2 BGB („nicht genügend“) eintrat. 1682 Treffend Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727, 736, ferner auch Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 20; AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 71; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 99; Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 260 hält dies im Kontext des Drittveräußerungsfalls für die „allgemeine Meinung“; vgl. auch MünchKomm/Ernst (2003), Vor § 281 Rn. 8 f.;

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§ 4 Die neue Rechtslage

Kosten vom Schuldner (analog) § 249 Abs. 2 S. 1 BGB1683 zu ersetzen sind. Für den Deckungskauf ist das allgemein anerkannt1684 und sollte auch in den vorliegend diskutierten Fällen zugelassen werden. Dafür spricht vor allem die unzulängliche Vollstreckbarkeit des Primäranspruchs (§ 887 Abs. 3 ZPO). Würde man eine Naturalrestitution durch den Käufer ablehnen, wäre die nach materiellem Recht getroffene Entscheidung, der zufolge der Schuldner ungeachtet des aus einem Leistungshindernis resultierenden Mehraufwands zur Erfüllung verpflichtet bleibt, wirkungslos, der Erfüllungsanspruch gleichsam ein „zahnloser Tiger“. Es würde auch jeder Rechtfertigung entbehren, dass zwar Erfüllungsansprüche aus Werkverträgen im Wege des § 887 Abs. 1 und 2 ZPO wirkungsvoll vollstreckt werden könnten, nicht dagegen Erfüllungsansprüche aus Kaufverträgen.1685 Der Mangel an einer effektiven Vollstreckungsmöglichkeit vermag durch das Recht des Gläubigers, die Kosten für eine durch ihn oder durch von ihm beauftragte Dritte durchgeführte Naturalrestitution als Schadensersatz ersetzt zu verlangen, weithin1686 kompensiert zu werden.1687 Palandt65 /Heinrichs, Vorb v § 249 Rn. 16, abl. für behebbare Mängel Münch, JURA 2002, 361, 370; Wältermann, Mängelhaftung S. 144 f., 149. Für die Möglichkeit einer „klassischen“ Naturalrestitution beim Kaufvertrag nach alter Rechtslage P. Gebauer, Naturalrestitution S. 108 ff., insb. 110 f., (129 f.), vgl. auch Neufang, Erfüllungszwang S. 293, s. zum Ganzen Pieper, JuS 1962, 409, 411 und 463 (allgemein) und 415 f. (zu § 326 Abs. 1 BGB a. F.), ausf. zur Einordnung jeder Ersatzbeschaffung als „substitutive“ Naturalrestitution (zu ihr auch E. Schmidt, JuS 1986, 517, 520 f.) vor allem U. Picker, Naturalrestitution S. 159 ff.; dies., FS U. Huber S. 539, 551 ff., ausf. zum Herstellungsbegriff auch O. Jakob, Ersatz fiktiver Kosten S. 128 ff. 1683 Vgl. zur ratio legis von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (§ 249 S. 2 BGB a. F.) für den vorliegenden Kontext nur P. Gebauer, Naturalrestitution S. 109 mit Fn. 309, ausf. für den Fall der Sachzerstörung U. Picker, Naturalrestitution S. 186 ff., insb. 189 f. 1684 Stellv. Palandt65 /Heinrichs, § 281 Rn. 26; MünchKomm/Ernst (2003), Vor § 281 Rn. 69 jew. m. weit. Nachw., zu Einzelheiten vor allem U. Picker, Naturalrestitution S. 159 ff. Wenngleich es beim „klassischen“ Deckungskauf um die Beschaffung einer anderen als der geschuldeten Speziessache und – jedenfalls zumeist – auch um vertretbare Sachen geht (s. insoweit jedoch U. Picker, Naturalrestitution aaO.), kann für die Beschaffung der den Vertragsgegenstand bildenden Sache im Ausgangspunkt nichts anderes gelten. 1685 Vgl. auch – wenngleich mit abweichender Auffassung – Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 53: es bestehe kein Verkehrsbedürfnis für eine strengere Haftung des Schuldners einer vertretbaren Handlung im Vergleich zu allen anderen Leistungen. 1686 Der Käufer könnte nicht, wie dies § 887 Abs. 2 ZPO vorsieht, Vorschuss der Kosten für die Ersatzvornahme verlangen; jedoch ist für die Höhe des Vorschusses nach § 887 Abs. 2 ZPO zu beachten, dass von den durch das Gericht nach freiem Ermessen zu schätzenden Kosten für eine Ersatzvornahme der Betrag des Kaufpreises (Gegenleistung) abzuziehen ist, soweit der Verkäufer nicht ausnahmsweise vor-

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Billigte man dem Vertragsgläubiger lediglich ein Recht auf Geldentschädigung zu, würden immaterielle Interessen am Erhalt der spezifischen Speziessache letzten Endes nicht gewahrt. Immaterielle Käuferinteressen würden zwar im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden, wären jedoch im Nichtleistungsfalle einer Geldentschädigung nicht zugänglich (§ 253 BGB). Der besonderen Stellung des Erfüllungsanspruchs im deutschen Recht und der Wertentscheidung, auch immaterielle Gläubigerinteressen zu schützen, wird man vor diesem Hintergrund nur gerecht, wenn man eine Naturalrestitution durch den Käufer zulässt. b) § 251 Abs. 2 S. 1 BGB als maßgebliche Grenzbestimmungsnorm? Manche Stimmen in der Literatur unterwerfen den Schadensersatzanspruch der Vorschrift des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB: Der Schuldner sei berechtigt, den Gläubiger in Geld zu entschädigen, wenn die Naturalrestitution mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre ( facultas alternativa).1688 Dies mag auf den Schadensersatz statt der Leistung aus § 275 Abs. 4 i. V. mit §§ 280, 283 beziehungsweise § 311a Abs. 2 BGB zutreffen,1689 bei dem der Schuldner den Mehraufwand auf Primärebene nicht mehr zu tragen verpflichtet ist, die Leistungserbringung demnach berechtigtermaßen nach § 275 Abs. 2 BGB verweigern konnte.1690 Demgegenüber kann einer Anwendung von § 251 Abs. 2 S. 1 BGB für die hier diskutierte Konstellation, in der der Schuldner unbeschadet des Mehraufwands zur Primärleistung verpflichtet bleibt, nicht zugestimmt werden. Vorzugswürdig erscheint vielmehr, die Reichweite des Schadensersatzanspruchs aus §§ 280, 281 BGB parallel zu der des Erfüllungsanspruchs auszugestalten. Damit gilt auch für die gläubigerseitige Naturalrestitution die Befreiungsschwelle nach § 275 Abs. 2 BGB,1691 nicht die niedrigere Schwelle des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB. leistungspflichtig ist (§ 320 Abs. 1 S. 1 BGB), s. Stein/Jonas-ZPO/Brehm, § 887 Rn. 46 m. weit. Nachw. 1687 Für die Annahme einer selbständig nach § 887 Abs. 1 und 2 ZPO vollstreckbaren Beschaffungspflicht hingegen stellv. Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 277 f., ähnl. Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 30 jew. m. weit. Nachw. 1688 So bereits P. Gebauer, Naturalrestitution S. 113, 130; vgl. auch Staudinger/ Löwisch (2004), § 275 Rn. 99. 1689 In der Literatur wird der Unterschied zwischen der Schadensersatzhaftung nach §§ 280, 283 BGB einerseits und §§ 280, 281 BGB andererseits bisweilen nicht berücksichtigt, so etwa von Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 139. 1690 Wenn eine Naturalrestitution insoweit nicht ohnehin generell ausgeschlossen wird. 1691 Davon geht – jedoch ohne überhaupt die Möglichkeit einer Naturalrestitution und die Anwendung von § 251 Abs. 2 S. 1 BGB zu problematisieren – jüngst auch

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§ 4 Die neue Rechtslage

Der in Rede stehende Schadensersatzanspruch zielt in den diskutierten Fällen auf das gleiche Ergebnis wie der Erfüllungsanspruch: die Herstellung des Leistungserfolgs. Der Unterschied liegt lediglich darin begründet, dass die Herstellung des Leistungserfolgs – der Erwerb von Eigentum und Besitz an der geschuldeten Sache durch den Käufer – nicht von dem eigentlich hierzu verpflichteten Verkäufer, sondern vom Käufer selbst bewirkt wird. Während bei der Erfüllung der Verkäufer den Ring aus dem Teich birgt oder diesen vom berechtigten Dritten erwirbt, um ihn sodann an den Käufer zu leisten, übernimmt bei der Naturalrestitution der Käufer (oder ein durch ihn beauftragter Dritter) selbst die Bergung beziehungsweise die Beschaffung vom berechtigten Dritten und verlangt die aufgewendeten Kosten anschließend vom Verkäufer ersetzt. Für die Bemessung des dem Schuldner zuzumutenden Aufwands kann es keinen Unterschied machen, ob der Käufer vom Verkäufer die Beschaffung als Primärerfüllung verlangt oder ob er die Sache – wegen einer endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung oder nach fruchtlos abgelaufener Nachfrist – selbst vom Dritten erwirbt und den Aufwand dafür als Schadensersatz statt der Leistung einfordert.1692 Dem Schuldner im letzteren Fall weniger Aufwand zuzumuten, hieße sogar, ihn zur Erfüllungsverweigerung oder Nichtleistung zu ermuntern, da er sich dadurch nicht nur die lästige Beschaffung der Sache ersparte, sondern – völlig sachwidrig – sogar noch in den Genuss einer niedrigeren Befreiungsschwelle (sc. § 251 Abs. 2 S. 1 statt § 275 Abs. 2 BGB) käme und darauf hoffen könnte, den Käufer nur nach § 251 Abs. 1 BGB finanziell entschädigen zu müssen.1693 Zwar wäre zu überlegen, ob im Rahmen der Abwägung nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB nicht Beachtung finden müsste, dass der Verkäufer den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, doch wird sich dieser – in streitigen Grenzfällen kaum zu Unrecht – darauf berufen, er sei davon ausgegangen, dass er wegen des Mehraufwands zur Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 2 BGB berechtigt gewesen sei.1694 Vogt, Beschränkungen der Mängelrechte des Käufers S. 60, 74 f. (mit zudem unzutreffendem Verweis auf U. Huber, s. Vogt, aaO., S. 74 mit Fn. 345) aus. 1692 So – wenngleich mit völlig anderem Ansatz – treffend Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 260. 1693 Ähnl. bereits Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 261 mit Fn. 65. 1694 Aus diesem Grund ist auch die Hilfserwägung, wonach der Maßstab des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB wegen vorsätzlicher Schadensverursachung entsprechend zu verschärfen wäre und so dem des § 275 Abs. 2 BGB angenähert werden könnte, nicht zielführend. Allenfalls wenn der Verkäufer rechtskräftig zur Primärleistung verurteilt wäre, schiede ein Irrtum definitiv aus. Dies würde jedoch stets erfordern, dass der Käufer vor dem Übergang auf Schadensersatz statt der Leistung auf Erfüllung klagt; unterließe er dies, liefe er Gefahr, vom Verkäufer bereits bei bloßer „Unverhältnismäßigkeit“ (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB) auf Geldentschädigung verwiesen zu werden.

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Der aufgezeigte Widerspruch lässt sich nur vermeiden, wenn man den auf gläubigerseitige Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch nicht „schwächer“ ausgestaltet als den ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Seinem Charakter nach ist der Anspruch aus §§ 280, 281 BGB zwar Sekundäranspruch, zielt jedoch, wenngleich unter der Modifizierung, dass die Herstellung des ursprünglich vom Verkäufer geschuldeten Zustands nur noch durch den Käufer erfolgen kann, wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch auf den Eintritt des vertraglich bestimmten Leistungserfolgs in Natur. Dieser Sekundäranspruch ist gleichsam ein modifizierter Erfüllungsanspruch im Gewande eines Schadensersatzanspruchs.1695 Weiterhin gewährleistet die vorliegend befürwortete Lösung eine weitgehend einheitliche Realisierung vertraglicher Erfüllungsansprüche. Während der Gläubiger einer Werkleistung nach Maßgabe von § 887 Abs. 1 und 2 ZPO die Kosten der Ersatzvornahme einfordern kann, vermag dies der Käufer zwar wegen § 887 Abs. 3 ZPO nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung, jedoch – nahezu gleich effektiv – im Wege der schadensersatzrechtlichen Naturalrestitution. Soweit erwogen wird, das vorstehend im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Naturalrestitution gewonnene Ergebnis auf anderen Wegen zu erreichen – etwa über einen Aufwendungsersatz nach den Regeln einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 667, 683, 670 BGB)1696 –, muss jedenfalls beachtet werden, dass das Primat der Fristsetzung (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB) nicht unterlaufen wird. Solange in der eingangs1697 genannten Schwebelage Erfüllungsanspruch und (verhaltener) Schadensersatzanspruch nebeneinander bestehen, kann der Käufer mit der Klage auf Leistung in Natur zugleich1698 beantragen, den Verkäufer auf künftige Schadensersatzleistung zu verurteilen,1699 wozu ihn § 259 ZPO in aller Regel berechtigt1700. Erklärt der Käufer das Schadens1695 Vgl. auch MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 68, der den Erfüllungsanspruch und das Recht, nach §§ 280, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen zu können, als einen Anspruch mit veränderlichem Inhalt ansieht. 1696 Hierfür Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 275 Rn. 51 a. E., möglicherweise auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 552, der auch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ins Spiel bringt. 1697 Sub „a) Naturalrestitution als Inhalt des Schadensersatzes statt der Leistung“, S. 460 ff. 1698 s. § 260 ZPO (objektive Klagehäufung). 1699 Dafür MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 180 (und 179); Palandt65 /Heinrichs, § 281 Rn. 50; Wieser, NJW 2003, 2432 ff.; ders., NJW 2003, 3458 f., im Regelfall abl. dagegen Schur, NJW 2002, 2518, 2519 f. (kein ausreichendes Rechtsschutzinteresse). 1700 Zum „ernstlichen Bestreiten“ des Primäranspruchs als Besorgnis i. S. von § 259 ZPO BGH, NJW 1999, 954, 955, vgl. für das neue Recht Wieser, NJW 2003,

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§ 4 Die neue Rechtslage

ersatzverlangen i. S. von § 281 Abs. 4 BGB nur bedingt, was zulässig ist,1701 wird die Erfüllungsklage nicht unbegründet.1702 Nach § 255 Abs. 1 ZPO hat der klagende Käufer die Möglichkeit, eine angemessene Frist durch das Gericht bestimmen zu lassen, um einem Streit über die Angemessenheit vorzubeugen.1703 Der Kläger (Käufer) kann, so er gleichzeitig auf Erfüllung und künftige Schadensersatzleistung klagt, einerseits bereits im Prozess bedingt Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§ 281 Abs. 4 BGB)1704 und beantragen, dass der Beklagte (Verkäufer) für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der vom Gericht bestimmten angemessenen Frist zum Schadensersatz verurteilt wird. Andererseits kann er sich die Wahl zwischen Erfüllung und Schadensersatz statt der Leistung auch vorbehalten und beantragen, dass der Beklagte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs und eines (späteren) Schadensersatzverlangens seitens des Klägers zum Schadensersatz verurteilt wird.1705 Ratsam stellt sich die vor Durchführung der Naturalrestitution erfolgende gerichtliche Klärung der Frage, ob der Verkäufer trotz des Mehraufwands zur Erfüllung verpflichtet ist, vornehmlich deshalb dar, weil der Käufer so nicht Gefahr läuft, im Falle des Unterliegens den Kostenmehraufwand selbst tragen zu müssen. Kommt das Gericht nämlich zu dem Ergebnis, der Verkäufer sei zur Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 2 BGB berechtigt, kann der Käufer entweder überhaupt nichts fordern oder – so die Voraussetzungen einer Haftung nach §§ 280, 283 beziehungsweise § 311a Abs. 2 BGB vorliegen – nur Geldentschädigung (§ 251 Abs. 1 BGB), nicht dagegen Ersatz der Kosten für die bereits durchgeführte Naturalrestitution. Zudem verspielte er sich die Möglichkeit eines Vergleichs mit dem Verkäufer, der im Laufe des auf die Primärerfüllung gerichteten Prozesses zu der Einsicht gelangen kann, ihm drohe eine Verurteilung zur Primärleistung, und der sich unter diesem Eindruck konziliant zeigt. Andererseits begäbe sich der Käufer auch der Möglichkeit, das Erreichen der Befreiungsschwelle 2432, 2433, weiter gehend MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 180, der erwägt, fortan von der Einschränkung des § 259 ZPO abzusehen. 1701 Dafür MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 96, 179 f.; Palandt65 /Heinrichs, § 281 Rn. 50, 50a; Wieser, NJW 2003, 2432, 2433; ders., NJW 2003, 3458 f.; einschränkend Derleder/Zänker, NJW 2003, 2777, 2783; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 281 Rn. 49; ebenso noch Palandt63 /Heinrichs, § 281 Rn. 50. 1702 s. MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 179; Wieser, NJW 2003, 2432, 2434. 1703 Hierzu MünchKomm/Ernst (2003), § 281 Rn. 180; Wieser, NJW 2003, 2432, 2433, nach alter Rechtslage Kohler, JuS 1992, 58, 60; K. Schmidt, ZZP 87 (1974), 49, 53 m. weit. Nachw. 1704 Vgl. zur Zulässigkeit eines bedingten Verlangens die Nachw. in Fn. 1701 (S. 466). 1705 Vgl. Wieser, NJW 2003, 3458, 3459.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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abzuwenden, indem er dem Verkäufer noch im Prozess anbietet, einen Teil des Mehraufwands zu übernehmen.1706 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Käufer, der auf Grundlage seines durchsetzbaren Erfüllungsanspruchs zum Schadensersatz statt der Leistung übergegangen ist (§ 281 BGB), die Kosten einer Beschaffung der Kaufsache (Naturalrestitution) vom Verkäufer bis zu der nach § 275 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Grenze als Schadensersatz statt der Leistung einfordern kann. Dem Verkäufer steht die Ersetzungsbefugnis des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB nicht zu. Damit wird die Reichweite des auf gläubigerseitige Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruchs durch den Erfüllungsanspruch präformiert. VI. Unterschiede zum früheren Recht und Bewertung Mit § 275 Abs. 2 BGB wurde eine Norm ins BGB aufgenommen, der zentrale Bedeutung für die Behandlung materieller überwindbarer Leistungshindernisse zukommt. 1. Zuordnung der aus dem früheren Recht bekannten Kategorien a) „Faktische Unmöglichkeit“ Die im alten Recht als wirkliche Unmöglichkeit behandelte „faktische Unmöglichkeit“ unterfällt dem neuen § 275 Abs. 2 BGB. Insoweit handelt es sich um ausgesprochene Extremfälle (Schulbeispiel: Ring auf dem Meeresboden), in denen der Schuldner regelmäßig auch bei vorliegendem Vertretenmüssen befreit wird. Während der Erfüllungsanspruch früher in diesen Fällen ausgeschlossen beziehungsweise der Vertrag nichtig war (§§ 275 Abs. 1 beziehungsweise § 3061707 BGB a. F.), wird dem Schuldner fortan lediglich eine Einrede zur Seite gestellt. Dies mag angesichts des extremen Charakters der Fallkonstellationen und der dadurch bedingten mangelnden Sinnhaftigkeit, dem Schuldner eine Wahlmöglichkeit einzuräumen, wenig passend erscheinen, ist gleichwohl hinzunehmen;1708 insbesondere ist im Interesse einer strikten Trennung von wirklicher Unmöglichkeit und überwindbaren Leistungshindernissen, die stets eine rechtliche Wertungsfrage aufwerfen, eine Zuordnung zu § 275 Abs. 1 BGB nicht zu befürworten.1709 1706 Zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens oben sub „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff. 1707 s. dagegen jetzt § 311a Abs. 1 BGB. 1708 Hierzu oben sub „1. Einredecharakter“, S. 449 ff. 1709 Dazu bereits oben sub „1. Neuerungen bei den Begriffen sowie deren Verständnis“, S. 168 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Darüber hinaus machen jene Fälle „faktischer Unmöglichkeit“ ohnehin lediglich einen kleinen Randbereich des § 275 Abs. 2 BGB aus. b) Rechtsmissbrauchsfälle („allgemeiner Rechtsgedanke“) Weiterhin wurde der vor der Reform vom BGH aus §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 S. 3, 651c Abs. 2 S. 2 BGB (a. F.)1710 abgeleitete „allgemeine Rechtsgedanke“1711 in den gesetzlichen Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB gegossen. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbots (§ 242 BGB), das durch § 275 Abs. 2 BGB eine nicht unwesentliche Konkretisierung1712 erfahren hat. Obschon Rechtsmissbrauch üblicherweise eine Einwendung begründet, steht dem Schuldner nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB nur eine Einrede zu Gebote. Voraussetzung und charakteristisch für vorgenannte Fälle ist, dass der Schuldner – so er das Erfüllungsverlangen erfolgreich durch Einredeerhebung abwehren kann – stets einer sekundären Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung unterliegt.1713 Das angesprochene Regelungsproblem wird daher vorliegend mit dem Schlagwort „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ gekennzeichnet. Es ist scharf zu trennen von dem gleichfalls mit § 275 Abs. 2 BGB erfassten Problem, für das prägend ist, dass dem Gläubiger alternativ kein sekundärer Schadensersatzanspruch zu Gebote stünde, ihm der Primäranspruch folglich ersatzlos verwehrt würde.1714 c) „Wirtschaftliche Unmöglichkeit“ als Fall des § 313 BGB Soweit Leistungshindernisse (beziehungsweise Leistungserschwernisse) darin begründet liegen, dass der Marktpreis der geschuldeten Leistung dras1710 Auf diese Normen rekurrierten auch einzelne Stimmen in der Literatur, die das frühere Unvermögen (§ 275 Abs. 2 BGB a. F.) im Sinne einer „unzumutbaren Leistungsschwierigkeit“ normativ verstanden (hierzu m. Nachw. „b) Enger Unvermögensbegriff“, S. 64 f.), zu den dabei einst gleichfalls erfassten Fällen der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ (jetzt § 313 BGB) sogleich im Text. 1711 Zu ihm „C. Erforderlichkeit unverhältnismäßigen Aufwands zur Leistung (Rechtsmissbrauchsverbot, § 242 BGB)“, S. 91 ff. sowie ausf. sub „(1) Vertraglicher Erfüllungsanspruch – Entwicklung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘“, S. 191 ff. 1712 Zu pessimistisch Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 123: „Aussagegehalt dieser Normen [sc. § 275 Abs. 2 und 3] letztlich nicht viel größer als der des § 242 BGB“. 1713 Bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen setzt eine solche Haftung fortan voraus, dass der Schuldner das Hindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB). 1714 Dazu noch später im Text sub „2. Neuerungen und Klarstellungen im Falle von ‚Zufallshindernissen‘“, S. 469 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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tisch ansteigt, scheidet § 275 Abs. 2 BGB bereits tatbestandlich aus, da sich zwischen Aufwand und Interesse kein grobes Missverhältnis ergibt, wenn beide Größen (nahezu) parallel ansteigen. Diese Fälle können indes zu einer erheblichen Störung der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung führen, die unter dem schillernden und richtigerweise auch zu vermeidenden Begriff der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ der Geschäftsgrundlagenlehre (fortan § 313 BGB) unterfällt (hierzu noch unter „C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB“, S. 475 ff.). Gleichfalls gehören Fälle der drohenden Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners nicht zu § 275 Abs. 2 BGB; streitig ist auch, ob diese in der Vergangenheit bisweilen in Krisenzeiten auftretende Randerscheinung ausnahmsweise von § 313 BGB erfasst wird.1715 2. Neuerungen und Klarstellungen im Falle von „Zufallshindernissen“ Neben den bereits genannten Neuerungen – Gewährung einer bloßen Einrede in Fällen „faktischer Unmöglichkeit“, Kodifizierung und Konkretisierung des „allgemeinen Rechtsgedankens“ (Rechtsmissbrauchsverbot) in § 275 Abs. 2 BGB – lässt sich das im alten Recht uneinheitlich behandelte Problem überwindbarer „Zufallshindernisse“ mithilfe von § 275 Abs. 2 BGB einer sachgerechten Lösung zuführen. a) Schaffung eines einheitlichen Tatbestands für das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ Die Bestimmung des § 275 Abs. 2 BGB ermöglicht es, neben nachträglichen auch vertragsanfänglichen überwindbaren Leistungshindernissen Rechnung zu tragen. Für diese gilt im Unterschied zum früheren anfänglichen Unvermögen keine Garantiehaftung mehr, siehe § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. Bei vertragsanfänglichen Leistungshindernissen kann grundsätzlich nicht maßgeblich sein, ob sie „zufällig“ eintreten, das heißt ohne dass der Schuldner deren Eintritt zu vertreten hätte,1716 sondern, ob der Schuldner das anfängliche Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine diesbezügliche Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat (§ 311a Abs. 2 1715 Hierzu bereits m. Nachw. zur Rspr. des RG oben sub „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff., nach neuem Recht vgl. unten sub „b) Exkurs: Sonderfälle“, S. 484 f. 1716 Vertretenmüssen kann insoweit vorliegen, wenn und soweit der Schuldner ein Beschaffungsrisiko übernommen hat, Verschulden lediglich in seltenen Ausnahmefällen (zu ihnen näher oben sub „(b) Vom Schuldner zu vertretende vertragsanfängliche Leistungshindernisse“, S. 312 ff.).

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§ 4 Die neue Rechtslage

S. 2 BGB). Gemeinsames Charakteristikum des Problemkreises, dem (nur) unter anderem nachträgliche „Zufallshindernisse“ angehören, ist demnach, dass dem Schuldner kein Vorwurf gemacht werden kann, dessentwegen er für den Fall der Primärpflichtbefreiung einer sekundären Schadensersatzhaftung unterworfen werden könnte. Um beide Konstellationen begrifflich zu erfassen, ist nicht von „Zufallshindernissen“ zu sprechen, vielmehr geht es – aus Perspektive des Schuldners – darum, vollständig befreit zu werden, indem dieser berechtigt wird, dem Gläubiger durch Einredeerhebung (§ 275 Abs. 2 BGB) dessen Primäranspruch ersatzlos zu verwehren. b) Bestand und Reichweite der (Wieder-)Beschaffungspflicht beim Stückkauf Zunächst wird durch § 275 Abs. 2 BGB klargestellt, dass auch der „schuldlose“ Schuldner Bemühungen anzustellen hat, um ein Leistungshindernis zu überwinden, und dass insbesondere den „schuldlosen“ Stückverkäufer im Grundsatz eine Beschaffungspflicht trifft. Die Reichweite der Erfüllungspflicht und damit mittelbar auch die von ihr mitumfasste Beschaffungspflicht wird im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Aufwand und Interesse ermittelt. Für vertragsanfängliche und nachträgliche Leistungshindernisse gilt ein einheitlicher Befreiungsmaßstab: Übersteigt der schuldnerische Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Gläubigers mehr als moderat,1717 kann der Schuldner die Erbringung der Leistung verweigern. Weit reichende Unterschiede bestehen gegenüber der Handhabung des anfänglichen Unvermögens nach altem Recht. Nach einer Entscheidung des BGH zum alten Recht sollte der Käufer seinen Erfüllungsanspruch solange behalten, „solange die objektive Unmöglichkeit der Erfüllung nicht feststeht“1718.1719 Die damit einhergehende Irrelevanz anfänglichen Unvermögens lässt sich nur mit der früher angenommenen generellen Garantiehaftung des Schuldners für sein anfängliches Unvermögen erklären: Die Verurteilung des Schuldners zur Primärleistung war unschädlich, da seine sekundäre Haftung ohnehin feststand. Dagegen haftet der Schuldner im Falle anfänglicher Leistungshindernisse auf Schadensersatz statt der Leistung fortan generell nur noch, wenn er das anfängliche Leistungshindernis 1717 Abweichend vom insoweit viel zu eng geratenen Wortlaut („grobes Missverhältnis“), hierzu „(4) Das Regelungsproblem der ‚ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs‘“, S. 402 ff. 1718 BGH, NJW 1997, 938, 939 (Hervorheb. nicht im Original), wo es „Käufer“ statt „Verkäufer“ heißen muss. 1719 s. oben sub „a) Ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre“, S. 82 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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bei Vertragsschluss kannte oder seine Unkenntnis zu vertreten hat, siehe § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor,1720 kann der Schuldner den Erfüllungsanspruch gemäß § 275 Abs. 2 BGB abwehren, wenn sein Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Gläubigers mehr als moderat übersteigt. Büßte der Schuldner seine Leistungsfähigkeit ohne Verschulden nachträglich ein, reichte das Meinungsspektrum im früheren Recht sehr weit. So steht die Neuregelung etwa in Widerspruch zu der früher von einer nicht unbeachtlichen Mindermeinung vertretenen These, den Stückverkäufer, der nachträglich seine faktische Dispositionsfähigkeit über den Leistungsgegenstand schuldlos verlor, treffe keine Beschaffungspflicht.1721 Demgegenüber weist die Neuregelung Ähnlichkeit mit der früher herrschenden Meinung auf, die auf Grundlage eines engen Unvermögensbegriffs für eine Beschaffungspflicht eintrat.1722 Nach neuem Recht wird indes nicht länger auf eine vage und wohl auch zu weit reichende Grenze in Gestalt einer „unzumutbaren Leistungsschwierigkeit“ (so etwa die Vertreter des engen Unvermögensbegriffs im normativen Sinne)1723 oder – nicht weniger vage – auf das Erreichen der „Opfergrenze“ abgestellt, sondern auf den ausdifferenzierten Tatbestand des § 275 Abs. 2 BGB. Auf Grundlage des vorliegend entwickelten Konzepts für § 275 Abs. 2 BGB vermag als Positivum der Neuregelung verbucht zu werden, dass die Beschaffungspflicht bei vom Schuldner nicht zu vertretenden Hindernissen weder unangemessen weit reicht noch gänzlich abgelehnt wird. Vielmehr lässt sich vom Boden des vorliegend verfochtenen Konzepts mit § 275 Abs. 2 BGB eine angemessene – zwischen den beiden früheren Extrempolen angesiedelte – Lösung bewerkstelligen: Der Schuldner wird, so er das nachträgliche Leistungshindernis nicht zu vertreten hat, mithin für den Fall der Primärschuldbefreiung keiner sekundären Schadensersatzhaftung nach §§ 280, 283 BGB unterläge, bereits unter der Voraussetzung frei, dass sein Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Gläubigers mehr als moderat übersteigt.1724

1720 Vgl. zur Beweislastverteilung die Formulierung „Dies gilt nicht, [. . .]“ in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 1721 Hierzu oben sub „(1) Weiter Unvermögensbegriff – Relevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 66 f. 1722 Hierzu und zur Kritik oben sub „(2) Enger Unvermögensbegriff – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens (Herrschende Meinung)“, S. 67 ff. 1723 Wie vorherige Fn. 1724 Dazu insb. „(4) Das Regelungsproblem der ‚ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs‘“, S. 402 ff.

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c) Gemeinsamkeiten und verbleibende Unterschiede zwischen anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen Bereits Ernst Rabel stellte fest, dass die Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit ein „ganz gesunder Gedanke“ sei.1725 Im früheren Recht waren jedoch teilweise zu scharfe Differenzierungen zwischen anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen vorzufinden,1726 die – soweit möglich –1727 aufgegeben wurden. Wie gezeigt, erübrigt sich in Fällen wirklicher Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) eine Differenzierung, da das schuldnerische Vertretenmüssen dort irrelevant ist.1728 Dagegen ist eine solche Differenzierung für überwindbare Leistungshindernisse insoweit eminent wichtig, als für die Frage des hypothetischen Bestands einer sekundären Schadensersatzhaftung (wie auch der verschuldensabhängigen Abgewichtung von Mehraufwand)1729 der Bezugspunkt schuldnerischen Vertretenmüssens jeweils ein anderer ist: Während der Schuldner zwar den Eintritt eines nachträglichen1730 Leistungshindernisses – sei es durch aktive Herbeiführung, oder sei es durch pflichtwidrige Unterlassung – zu vertreten haben kann,1731 ist ihm im Falle vertragsanfänglicher Leistungshindernisse deren Kenntnis oder pflichtwidrige Unkenntnis vorwerfbar1732.1733 Obschon der Gesetzgeber für anfängliche Leistungshindernisse mit § 311a Abs. 2 BGB das Verschuldensprinzip partiell1734 eingeführt hat, wodurch zumindest eine gewisse Angleichung der Behandlung 1725

s. Rabel, RheinZ 3 (1911), 467, 475 (= Ges. Aufs. I S. 56, 64). Zusammenfassend oben sub „E. Bewertung der früheren Regelung“, S. 100 ff. 1727 Vgl. insb. „3. Erfassung weiterer Fallgruppen der Unmöglichkeit“, S. 171 ff. 1728 s. oben sub „2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 131 ff. sowie „2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 171. 1729 Hierzu oben sub „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff. 1730 Anfängliche Leistungshindernisse hat der Schuldner zu vertreten, wenn und soweit er ein Beschaffungsrisiko übernommen hat – ein Verschulden kommt bei anfänglichen Leistungshindernissen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, näher dazu oben sub „(b) Vom Schuldner zu vertretende vertragsanfängliche Leistungshindernisse“, S. 312 ff. 1731 §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 BGB. 1732 § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. 1733 Treffend insoweit Harke, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 29, 55, ebenso Hammen, FS Hadding S. 41, 42. 1734 Hätte man das Verschuldensprinzip nicht nur partiell, sondern vollständig eingeführt, könnte die Haftung nur auf das negative Interesse gehen, nicht aber – wie in § 311a Abs. 2 S. 1 BGB angeordnet – auf das positive Interesse (Schadensersatz statt der Leistung); man kann gleichermaßen auch von einer eingeschränkten Garantiehaftung sprechen, s. zum Ganzen m. Nachw. oben sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 1726

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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vertragsanfänglicher und nachträglicher Leistungshindernisse erreicht wurde, bleibt der dargelegte Unterschied im Bezugspunkt schuldnerischer Vorwerfbarkeit. Während im Falle nachträglicher Leistungshindernisse für die Haftungsfrage die Verletzung der Pflicht, keine Leistungshindernisse herbeizuführen beziehungsweise deren Eintritt abzuwenden, entscheidend ist, hängt die Haftung für vertragsanfängliche Leistungshindernisse maßgeblich von der Reichweite der vorvertraglichen Vergewisserungs- und Aufklärungspflichten des Schuldners ab. Bei Letzteren bleiben die früheren Differenzierungen zwischen (objektiver) Unmöglichkeit und Unvermögen insoweit rudimentär bestehen, als die Intensität der genannten Informationspflichten davon abhängig sein kann,1735 ob das Hindernis in einer vom Schuldner allein beherrschbaren Sphäre liegt oder nicht; gleichwohl gilt keine strikte Einstandspflicht mehr für das Fehlen anfänglichen Leistungsvermögens. Entscheidende Bedeutung gewinnen die unterschiedlichen Haftungsvoraussetzungen im Falle anfänglicher beziehungsweise nachträglicher Leistungshindernisse für die Zuordnung eines Sachverhalts zu den beiden von § 275 Abs. 2 BGB erfassten Regelungsproblemen, innerhalb der Rechtsmissbrauchsfälle zudem für die Frage der Abgewichtung des dem Schuldner schuldhaft unbekannt gebliebenen beziehungsweise von ihm verschuldeten Mehraufwands. Soweit jedoch nach den maßgeblichen Haftungsvoraussetzungen einmal über die Zuordnung entschieden wurde, gilt jeweils ein einheitlicher Maßstab, nämlich entweder dem Wortlaut gemäß ein „grobes Missverhältnis“ zwischen Aufwand und Interesse oder – so eine sekundäre Schadensersatzhaftung ausschiede –, dass der Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse mehr als moderat übersteigt. Ein einheitlicher Befreiungsmaßstab gilt ferner auch hinsichtlich „objektiv“ und „subjektiv“ aufwendig zu behebender Leistungshindernisse.1736 3. Funktion und Bedeutung von § 275 Abs. 2 BGB Manche Literaturstimmen schreiben der Bestimmung des § 275 Abs. 2 BGB die „nützliche Funktion“ zu, durch sie sei „die Lehre von der ‚wirtschaftlichen‘ Unmöglichkeit als solche, d. h. als Lehre von der Unmöglichkeit i. S von § 275 BGB, bzw. von der ‚Unerschwinglichkeit‘ definitiv verabschiedet worden“1737. Tatsächlich war die Verortung von Fällen so ge1735 Hierzu m. Nachw. oben sub „(d) Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens im Einzelnen“, S. 337 f. 1736 Vgl. zu diesen beiden Fallgruppen des § 275 Abs. 2 BGB oben sub „(1) Die ‚zwei unterschiedlichen Fallgruppen‘ und das Gleichbehandlungsgebot“, S. 179 f. 1737 Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 16.

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§ 4 Die neue Rechtslage

nannter „wirtschaftlicher Unmöglichkeit“ in § 275 BGB a. F. bereits durch das RG aufgegeben worden1738 und von diesem – wie auch später durch den BGH und die ganz herrschende Lehre fortgeführt – der Geschäftsgrundlagenstörung zugeordnet worden, woran sich durch deren Kodifizierung in § 313 BGB nichts ändern sollte: Es gab daher – jedenfalls im Sinne des vorgenannten Zitats –1739 nichts zu verabschieden.1740 Da für wirtschaftliche Schwierigkeiten des Schuldners allenfalls ein Rekurs auf § 313 BGB bliebe, wird „eine begrüßenswerte Stärkung der Bindung des Schuldners an seine Verpflichtung, insbesondere des Grundsatzes pacta sunt servanda“ konstatiert.1741 Dagegen sehen andere den benannten Grundsatz durch § 275 Abs. 2 BGB gefährdet.1742 Zum Teil wird § 275 Abs. 2 BGB auch für überflüssig gehalten,1743 wenn die Vorschrift nicht sogar als „Missgeburt“1744 bezeichnet wird. Vom Boden der hier verfochtenen Konzeption bildet § 275 Abs. 2 BGB die zentrale Vorschrift, nach der im Falle überwindbarer Leistungshindernisse die Grenze der Erfüllungspflicht des Stückverkäufers wie die Grenzen nicht-synallagmatischer Pflichten1745 bestimmt werden; für den Gattungskauf und Werk(lieferungs)vertrag spielt § 275 Abs. 2 BGB dagegen nur 1738 Eingehend m. Nachw. zur Rspr. oben sub „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff. 1739 Anderes gilt nur für den in der Literatur vereinzelt vertretenen Unvermögensbegriff im normativen Sinne (hierzu m. Nachw. oben sub „b) Enger Unvermögensbegriff“, S. 64 f. sowie „(2) Enger Unvermögensbegriff – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens (Herrschende Meinung)“, S. 67 ff., der indes bei Canaris nicht angesprochen wird. 1740 Entgegen Canaris (in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 16 mit Fn. 30) gehen etwa auch S. Lorenz/Riehm, Rn. 306 („wie bisher nicht über § 275“, Hervorheb. nicht im Original) nicht von einer Verabschiedung aus. 1741 Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 16, ähnl. aaO., S. 28; vgl. auch Choi, Mangelschaden S. 135. 1742 Stellv. AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 7 f.; dies., in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt S. 3, 15 (und 10 f.); dies./Thiessen, DStR 2002, 809, 814 (zust. Keilmann, Dem Gefälligen zur Last S. 217), ähnl. Zimmer, NJW 2002, 1, 3 (dagegen Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 16 bei und mit Fn. 33), für vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungserschwernisse nunmehr zur gegenteiligen Ansicht neigend AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 25. 1743 So die Einschätzung von Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 120, 123. Unhaltbar ist die jüngst von Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 668 gezogene Schlussfolgerung: § 275 Abs. 2 BGB sei im Gutachten und im Urteil „schlicht und ergreifend gar nicht zu prüfen“. 1744 So besonders harsch J. Wilhelm, JZ 2001, 861, 866 (in Bezug auf § 275 Abs. 2 RegE). 1745 s. oben sub „(b) Nicht-synallagmatische Stückschulden“, S. 428 f. sowie „(c) Schenkungsvertrag“, S. 429 ff., vgl. ferner die Skizze zu entgeltlichen Gebrauchsüberlassungspflichten sub „(a) Mietvertrag“, S. 422 ff.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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eine untergeordnete Rolle im Falle „subjektiver Beschaffungshindernisse“1746. Eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB scheidet aus, wenn der Beschaffungsaufwand generell („objektiv“) anwächst (Fälle des Marktpreisanstiegs). Dem steigenden Leistungsaufwand korrespondiert nämlich ein steigendes Leistungsinteresse, wodurch eine Unverhältnismäßigkeit oder gar ein grobes Missverhältnis zwischen Aufwand und Interesse nicht einzutreten vermag. Eine solche Konstellation tritt beim Stückkauf nur sehr selten auf, weitaus wahrscheinlicher hingegen beim Gattungskauf oder Werkvertrag. Diesem Problemfeld ist nur mit § 313 BGB beizukommen.1747 Soweit § 275 Abs. 2 BGB als Lösung des Regelungsproblems der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ fungiert, sind die Befreiungsvoraussetzungen in Übereinstimmung mit dem Wortlaut durchaus hoch anzusetzen, denn dem Schuldner soll im deutschen Recht nicht ermöglicht werden, sich durch Zahlung von Schadensersatz von seiner Erfüllungspflicht freizukaufen; es gilt dabei, der signifikanten und vorrangigen Stellung des Anspruchs auf Leistung in Natur Rechnung zu tragen. Demgegenüber sind in Bezug auf das weitere Regelungsproblem, das § 275 Abs. 2 BGB überantwortet wurde, nämlich die „ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“, aus den aufgezeigten Gründen lediglich moderate Befreiungsanforderungen zu statuieren. Dadurch wird der Grundsatz pacta sunt servanda nicht etwa geschwächt oder gar ausgehöhlt,1748 sondern vielmehr seiner wirklichen Reichweite Rechnung getragen.1749

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB Vom Boden des vorstehend entwickelten Konzepts vermag man die meisten Fälle hindernisbedingten Mehraufwands beim Stückkauf mithilfe von § 275 Abs. 2 BGB einer sachgerechten Lösung zuzuführen.1750 § 275 Abs. 2 1746

Zu ihnen insb. sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff. Hierzu sogleich ausf. sub „C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB“, S. 475 ff. 1748 Von einem Spannungsverhältnis bzw. einer Ausnahme spricht indessen etwa Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 12 f., 64, 127 f. mit Fn. 366, 136, 160, 163. 1749 I. Erg. ähnl. jetzt auch AnwKomm/Dauner-Lieb (2005), § 275 Rn. 1 (und 25), anders noch AnwKomm/dies. (2002), § 275 Rn. 1, 7. 1750 Dies gilt insb. auch für nicht-synallagmatische Erfüllungspflichten (vgl. hierzu die Skizzierung sub „(b) Nicht-synallagmatische Stückschulden“, S. 428 f. sowie „(c) Schenkungsvertrag“, S. 429 ff.). Bei ihnen kann in Ermangelung einer zwischen den Parteien vereinbarten Gegenleistung § 313 BGB – wenn überhaupt – nur im Ausnahmefall zur Anwendung kommen, bilden doch gegenseitige Austauschverträge den Kernanwendungsbereich von § 313 BGB, stellv. AnwKomm/ Krebs (2002), § 313 Rn. 22 [vgl. auch AnwKomm/dens. (2005), § 313 Rn. 26: 1747

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§ 4 Die neue Rechtslage

BGB fungiert im Kontext überwindbarer Leistungshindernisse als die zentrale Rechtsnorm einer Primärpflichtbefreiung. I. Ausgangslage und Interessenbewertung 1. Bedeutung des § 313 BGB für die Behandlung von Leistungshindernissen Die nunmehr in § 313 BGB kodifizierte Geschäftsgrundlagenlehre spielt – unbeschadet ihrer Bedeutung für die hier nicht interessierenden Fälle inflationsbedingter Äquivalenzstörungen, gemeinsamer Motivirrtümer oder von Zweckstörungen – beim Stückkauf lediglich eine untergeordnete Rolle. Nur in seltenen Fällen, in denen ein Leistungshindernis eintritt und gleichzeitig der Wert der verkauften Sache drastisch ansteigt, kann § 313 BGB Bedeutung gewinnen. Ein fast schon konstruiert anmutender Fall müsste etwa dergestalt sein, dass ein Stückverkäufer den geschuldeten Gegenstand an einen Dritten übereignet und gleichzeitig der Wert der Sache kurzfristig in erheblichem Maße ansteigt. Da der Wertanstieg mit einer entsprechenden Erhöhung des Leistungsinteresses des Käufers (Gläubiger) einhergeht, wäre der Verkäufer (Schuldner) im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB verpflichtet, mindestens einen Betrag in Höhe des angestiegenen Sachwerts zur Leistungserbringung (sc. zum Rückerwerb vom Dritten) aufzuwenden. Dies führte freilich dann zu unbilligen Ergebnissen, wenn der Wertanstieg von erheblichem Ausmaß ist. Falls im Einzelfall tatsächlich eine leistungshindernisbedingte Beschaffungsnotwendigkeit und ein kurzfristiger erheblicher Wertanstieg zusammentreffen sollten, hat man die Problemlösung ausnahmsweise in § 313 BGB zu suchen;1751 mit § 275 Abs. 2 BGB kann dem nicht beigekommen werden. Beschaffungsnotwendigkeit und Wertanstieg werden zumeist nur beim Gattungskauf oder Werk(lieferungs)vertrag gleichzeitig auftreten, da der Schuldner die Ware oder die zur Werkherstellung notwendigen Materialien dort typischerweise beschaffen muss1752 und solche Verträge zudem nicht selten auf eine längere Zeit angelegt sind (z. B. die Belieferung mit Heizöl für einen längeren Zeitraum oder die Erbringung zeitintensiver Bauleistungen). Gerade das Zeitmoment bringt es mit sich, dass Preissteigerungen im Laufe der Vertragsabwicklung nicht selten eintreten werden. Exemplarisch „Hauptanwendungsbereich“]. Das Augenmerk ist im Folgenden auf die gegenseitigen Verträge (insb. Sachkauf und Werkvertrag) zu richten. 1751 Näheres hierzu unten sub „b) ‚Mischfälle‘“, S. 496 ff. sowie „c) Besonderheiten beim Stückkauf“, S. 498 ff. 1752 Bei Werkleistungen kann auch ein erheblicher Anstieg von Personalkosten hinzukommen.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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seien Fälle meist krisenbedingten drastischen Anstiegs des Ölpreises genannt. Öl oder vergleichbare Waren, die mitunter erheblichen Preisschwankungen unterliegen, werden allerdings in aller Regel nicht als Speziessache verkauft. Vielmehr vereinbaren die Parteien einen Gattungskauf, dessen Besonderheit es ist, dass der Verkäufer mit dem Vertragsschluss das Beschaffungsrisiko übernimmt; ähnlich liegen die Dinge beim Werk(lieferungs)vertrag, bei welchem der Werkunternehmer typischerweise das Herstellungsrisiko übernimmt.1753 Es wurde bereits dargelegt, dass in diesem Kontext differenziert wird zwischen der marktbezogenen Gattungsschuld, der einfachen (oder produktionsbezogenen) Gattungsschuld und der Vorratsschuld.1754 Wenngleich der Verkäufer Beschaffungshindernisse im Grundsatz zu überwinden hat, ist die Reichweite des von ihm übernommenen Beschaffungsrisikos nicht „grenzenlos“. Soweit sich nicht bereits im Wege der Vertragsauslegung Grenzen feststellen lassen,1755 hält die Geschäftsgrundlagenlehre ein Instrument bereit, die Grenzen des Beschaffungsrisikos auszuloten. Zwar begründet die Verteuerung der zu beschaffenden Ware ein überwindbares Leistungshindernis – oftmals wird insoweit etwas plastischer auch von Leistungserschwerung1756 oder Beschaffungsschwierigkeit gesprochen –, dessen Überwindung Mehraufwand erforderlich macht. Gleichwohl ist der entscheidende Wertungsgesichtspunkt darin zu sehen, dass infolge des Preisanstiegs das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gestört wird (Äquivalenzstörung).1757 Das Problem der Äquivalenz1753

Hierzu bereits oben sub „d) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 252 f., „(5) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 408 ff. sowie „(d) Übernahme eines Beschaffungsrisikos“, S. 420 f. 1754 Grdl. Ballerstedt, FS Nipperdey (1955) S. 261, 265 ff., ausf. U. Huber, LS I § 24 II (S. 587 ff.), § 24 IV (S. 598 ff.), § 24 III (S. 595 ff.); LS II § 59 I 3 c (S. 802 ff.). 1755 Zu RGZ 57, 116 – Baumwollsaatmehl Marke „Eichenlaub“ vgl. oben sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff. 1756 Leistungserschwernisse werden auch von der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 14/6040, S. 174) als eine Fallgruppe von § 313 BGB genannt, wobei unter der gleichfalls angeführten Fallgruppe der Äquivalenzstörungen vornehmlich Fälle der Geldentwertung verstanden werden, dazu sogleich noch im Text. 1757 I. d. S. P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 161; Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 314; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung S. 21 ff., 27 und 56, ferner auch Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 140 f. (abw. offenbar nun Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 29); wohl auch U. Huber, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 263 mit Fn. 51 a. E. Aus jüngerer Zeit ebenso Brox/Walker, SAT31 § 22 Rn. 21; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 147 (s. demgegenüber aber dens., aaO., S. 160 f.); U. Huber, FS Ulmer S. 1165, 1170; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 97; Kindl, WM 2002, 1313, 1316; AnwKomm/Krebs (2002), § 313 Rn. 44, 48; AnwKomm/ders. (2005), § 313 Rn. 2, 60, 64; Schimmel/Buhlmann/Rögler, Kap. D IV Rn. 18; MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 140; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis Rn. 243, auch S. Lorenz/Riehm, Rn. 385, 402; Henssler/

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störung kann auch ohne ein Leistungshindernis auftreten, etwa wenn der Verkäufer zwar die Gattungssache bereits „am Lager“ hat oder die Speziessache nicht erst (wieder-)beschaffen muss, aber gleichwohl der Sachwert bis zum Erfüllungszeitpunkt drastisch ansteigt.1758 Die Äquivalenzstörung geht in den vorliegend diskutierten Fällen darauf zurück, dass sich der Wert der Leistung zwischen Vertragsschluss und Leistungszeitpunkt enorm erhöht, während die Gegenleistung – der Kaufpreis oder die Vergütung – unverändert bleibt. In den „klassischen“ Fällen der Äquivalenzstörung, mit denen sich das RG nach dem ersten Weltkrieg konfrontiert sah, sank dagegen der Wert der Gegenleistung, da durch (Hyper-)Inflation eine drastische Geldentwertung eingetreten war.1759 Erhöht sich der Marktpreis der geschuldeten Ware, steigt das gläubigerseitige Leistungsinteresse parallel zum Mehraufwand des Schuldners, der die Ware am Markt beschaffen muss. Bleibt der Marktpreis jedoch (weitgehend) unverändert und ist die Beschaffung gleichwohl für den konkreten Schuldner besonders aufwendig („subjektive Beschaffungsschwierigkeit“)1760, etwa da dieser nur erschwerten Zugang zum Markt besitzt, führt die Aufbringung des Mehraufwands nicht zu einem entsprechenden Anstieg des Sachwerts und damit des Leistungsinteresses. Solche Fälle lassen sich mithilfe von § 275 Abs. 2 BGB lösen.1761 Dies gilt beim Stückkauf auch für den bereits mehrfach behandelten „Ringfall“: Bei ihm scheidet § 313 BGB aus, da es an einer Äquivalenzstörung mangelt. Der geborgene Ring steigt nämlich nicht im Wert, so dass die Gleichwertigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung nicht gestört ist.1762 v. Westphalen/Muthers, § 313 Rn. 9 zählen „übermäßige Leistungserschwerungen“ zur Fallgruppe der Äquivalenzstörung. Ähnl. wie die Genannten auch Erman11 / Hohloch, § 313 Rn. 29 („auch heute noch einen wesentlichen Kern des Anwendungsbereichs des [. . .] § 313 [BGB]“) und 37; S. Meier, JURA 2002, 118, 121; Schlechtriem, SAT5 Rn. 415 und ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 115: „[e]ng verwandt“; im Ansatz auch Christian Hirsch, Kündigung S. 139, abw. Medicus, BürgR20 Rn. 156/161 [ders., AcP 186 (1986), 268, 279]; Petersen, SAT2 Rn. 226; Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 40 f./42 ff. sieht nur die Geldentwertung als Fall der Äquivalenzstörung an. 1758 Ob eine solche Äquivalenzstörung gleichermaßen berücksichtigungsfähig ist, muss hier nicht geklärt werden, dagegen offenbar BGH, JZ 1978, 235, 236 – Ölkrise, zum Gesichtspunkt der Einlagerung unten sub „(1) BGH-Urteil vom 8. 2. 1978 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise“, S. 479 ff. Vgl. zu Besonderheiten beim Stückkauf unten sub „c) Besonderheiten beim Stückkauf“, S. 498 ff. 1759 Hierzu m. Nachw. zur Rspr. oben sub „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff. 1760 Hierzu oben bei und mit Fn. 1473 (S. 411). 1761 s. oben sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff., bei Fn. 1474 f. (S. 411 f.) – für den Gattungskauf. 1762 Das wurde nach meinem Dafürhalten von P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 164, der den „Ringfall“ (bei P. Härle ist allgemein von einem „Gegenstand“ auf

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Im Folgenden sollen die Grundzüge der Problemlösung über § 313 BGB in Hinsicht auf den Gattungskauf und den Werkvertrag skizziert werden. Auf dieser Grundlage lassen sich sodann die für den Stückkauf geltenden Unterschiede und Besonderheiten beleuchten.1763 2. Kodifizierung des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlagenlehre Die Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre in § 313 BGB war von dem Bestreben getragen, „nur das ohnehin schon Anerkannte wieder[zu]geben“1764.1765 An den Ergebnissen der Rechtsprechung, so die Gesetzesbegründung, sei nichts zu ändern, die bisher gestellten strengen Anforderungen seien unverändert aufrechtzuerhalten.1766 3. Beispiele aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung a) Äquivalenzstörung im Kontext von Leistungshindernissen Vor diesem Hintergrund sollen nachfolgend zwei vor der Schuldrechtsreform ergangene Entscheidungen des BGH zur Geschäftsgrundlagenlehre analysiert werden, die sich für den vorliegenden Kontext als bedeutsam erweisen. (1) BGH-Urteil vom 8. 2. 19781767 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise Die Rechtsprechung des RG1768, die im Wesentlichen spezifische kriegsbedingte Probleme zu bewältigen hatte, ist zu einem Gutteil überholt,1769 dem Grund des Sees die Rede) als Äquivalenzstörung einordnet, nicht hinreichend berücksichtigt, zutreffend etwa Mückl, JURA 2005, 809, 811; Yushkova/Stolz, JA 2003, 70, 75. Keine Relevanz hat die Hypothese, ob die Parteien bei einem ganz andersartigen und daher fiktiv bleibenden Vertrag über die Beschaffung des Gegenstands aus dem See einen „weit höheren Preis“ vereinbart hätten, so aber P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 164. 1763 s. unten sub „c) Besonderheiten beim Stückkauf“, S. 498 ff. 1764 BT-Drucks. 14/6040, S. 175 li. Sp. 1765 Aus der Literatur auch z. B. Palandt64 /Heinrichs, § 313 Rn. 1; U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 534 mit Fn. 25 (dagegen befürchtete ders., ZIP 2000, 2137, 2148 mit Fn. 81; ders., in: Ernst/Zimmermann S. 31, 79 mit Fn. 176 hinsichtlich des unverändert gebliebenen § 307 DiskE noch eine Abmilderung der Kriterien). Zur geänderten prozessualen Ausgestaltung unten sub „III. Die Rechtsfolge des § 313 Abs. 1 und 3 BGB“, S. 500 ff. sowie „IV. Prozessuales“, S. 508 ff. 1766 BT-Drucks. 14/6040, S. 176 li. Sp. 1767 Az. VIII ZR 221/76; BGH, JZ 1978, 235 (= BGH, WM 1978, 322). 1768 Hierzu m. Nachw. oben sub „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff.

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muss in jedem Fall aber vor dem Hintergrund der Kriegswirren gesehen werden. Repräsentativer stellt sich für Fälle erheblicher Preissteigerungen die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH aus dem Jahr 1978 dar, welcher der im Folgenden etwas gekürzt wiedergegebene Sachverhalt1770 zugrunde lag. Die spätere Beklagte hatte sich Ende 1972 zur Lieferung des laufenden Bedarfs der nachmalig klagenden Käuferin (einer Stadtgemeinde) an Heizöl für das Jahr 1973 verpflichtet. Unter Einbeziehung der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) sollten die vereinbarten Preise für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 1973 als Festpreise gelten. Im Zuge der unter anderem durch die Haltung der OPEC-Länder ausgelösten Energiekrise1771 stieg danach der Tonnenpreis für leichtes Heizöl von knapp 100 DM Anfang November 1972 auf rund 600 DM Anfang Dezember 1973. Am 2. 7. 1973 berichtete die Verkäuferin der Käuferin über die Versorgungsschwierigkeiten durch die Preiserhöhungen. Ein von der Verkäuferin initiiertes Gespräch über eine Preisanpassung verlief erfolglos. Einen Vorschlag der Verkäuferin zu einer Preiserhöhung verband diese mit der Erklärung, die Lieferungen einzustellen, so die Käuferin auf diesen Vorschlag nicht einginge. Der Liefereinstellung widersprach die Käuferin und kündigte für diesen Fall Schadensersatzansprüche an. Nachdem die Verkäuferin mitteilte, endgültig nicht mehr in der Lage zu sein, den Vertrag zu erfüllen, forderte die Käuferin unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung Lieferung. Später deckte sich die Käuferin wegen ihres Restbedarfs an Heizöl anderweitig ein und klagte einen Teil des ihr entstandenen Schadens in Form der Mehraufwendungen von insgesamt 1,35 Millionen DM ein.

(a) Entscheidung Der BGH wie auch die Vorinstanzen verwarfen den Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, den die beklagte Verkäuferin unter Hinweis auf den enormen Marktpreisanstieg geltend machte. Mithin schuldete die Beklagte Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.). Ausgangspunkt der Überlegungen des BGH war, dass bei gegenseitigen Verträgen die Vorstellung von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung in der Regel Geschäftsgrundlage sei.1772 Dieser Grundsatz, so der BGH weiter, gelte allerdings dann nicht, wenn der Vertrag ergebe, wie die Parteien die Veränderung bestimmter Umstände geregelt wissen wollten. Umstände, die ersichtlich in den Risikobereich einer Partei fielen, geben dieser nach ständiger Rechtsprechung kein Recht, sich auf eine Störung der 1769 Nach U. Huber, LS I § 24 II 2 (S. 591); ders., ZIP 2000, 2137, 2142 bilden die älteren RG-Entscheidungen (bis zum 102. Band der amtlichen Sammlung) „nur noch überflüssiges totes Gewicht in den Kommentaren“. 1770 s. BGH, JZ 1978, 235. 1771 Zu weiteren Ursachen der damaligen Energiekrise vgl. Köhler, JA 1979, 498, 503; Rösler, JuS 2004, 1058, 1059 mit Fn. 29. 1772 s. BGH, JZ 1978, 235, 236.

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Geschäftsgrundlage zu berufen. Die Vereinbarung eines Festpreises sah der BGH als Risikoübernahme an. Zweifel meldete der erkennende Senat jedoch an der Ansicht des Berufungsgerichts an, ob der Vereinbarung eines Festpreises im Streitfall die Bedeutung zukomme, dass die Beklagte nicht nur das Risiko „normaler“ Preisschwankungen, mit denen bei Vertragsschluss ohne weiteres zu rechnen war, sondern auch dasjenige der weit über 100% hinausgehenden Preissteigerungen im Jahre 1973 übernommen habe.1773 Der BGH ließ diese Frage indes dahingestellt, da – auch wenn man annähme, dass die Beklagte ein so weitgehendes Risiko nicht übernommen hatte – das Berufungsurteil den Revisionsangriffen standhielt. Der Grund hierfür war, dass sich die Beklagte nach dem BGH jedenfalls deshalb nicht auf den Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berufen konnte, weil die weitere Belieferung der Klägerin zu den ursprünglichen Bedingungen nicht unzumutbar gewesen sei. Eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage sei nur zulässig, wenn das zur „Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich erscheint“.1774 Dies könne nicht angenommen werden, wenn die betroffene Partei die Möglichkeit gehabt hatte, ein für sie untragbares und unzumutbares Ergebnis zu vermeiden, was der BGH im Streitfall bejahte. Die Beklagte, der als Schuldnerin einer von ihr erst noch zu beschaffenden Gattungssache „besondere Anstrengungen“ hinsichtlich der Vertragserfüllung zuzumuten gewesen seien, habe nämlich im Juni 1973 die die spätere Preisentwicklung auslösenden Faktoren gekannt und als Ölkaufmann mit kriegerischen Entwicklungen im Nahen Osten rechnen müssen.1775 Daher sei eine Einlagerung des im Jahre 1973 noch zu liefernden Heizöls im August 1973 geboten, der Beklagten möglich und für sie nicht mit so „gravierenden“ Verlusten verbunden gewesen, dass ihr die Einlagerung nicht zuzumuten gewesen wäre. Offen ließ der BGH endlich, inwieweit der Umstand hätte Beachtung finden müssen, dass durch eine Einlagerung von Heizöl im August 1973 und die damit verbundenen Verluste für die Beklagte deren Existenz gefährdet worden wäre. Die Verluste der Beklagten, „eines ‚5-Milliarden-Unternehmens‘1776, wie die Klägerin unwidersprochen behauptet hat“, wären jedenfalls nicht so „gravierend“ gewesen, dass ihr eine Einlagerung nicht zumutbar gewesen wäre.1777 1773

BGH, JZ 1978, 235, 236, ganz ähnl. Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295,

303. 1774

s. BGH, JZ 1978, 235, 236. s. BGH, JZ 1978, 235, 236. 1776 Originalurteil, S. 10: „5 Milliardenunternehmens“ (aaO. mit Anführungszeichen versehen). 1775

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§ 4 Die neue Rechtslage

(b) Analyse Ein wichtiger Gesichtspunkt, den der BGH in seiner Entscheidung hervorgehoben hat, ist der Vorrang vertraglicher Regelungen gegenüber der Geschäftsgrundlagenlehre. Bedeutsam ist weiterhin, dass der BGH maßgeblich auf die Gleichwertigkeit (Äquivalenz) zwischen Leistung und Gegenleistung abstellte, indem er die darauf bezogene Vorstellung der Parteien bei gegenseitigen Verträgen in der Regel als Geschäftsgrundlage ansah. Andererseits hat der erkennende Senat aber auch auf die Relevanz der Preissteigerung hingewiesen, also die Erhöhung des tatsächlichen gegenüber dem ursprünglichen Beschaffungsaufwand. In diesem Kontext ist vor allem die Andeutung des BGH wichtig, die Vereinbarung eines Festpreises müsse nicht bedeuten, der Verkäufer übernehme auch das Risiko für weit über 100% hinausgehende Preissteigerungen. Das tragende Argument, mit dem im Streitfall eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen wurde, lautete, dass der Verkäufer den Eintritt eines für ihn untragbaren und unzumutbaren Ergebnisses abzuwenden vermochte. Dem ist zuzustimmen, da es dem Schuldner in der Tat nicht möglich sein darf, einen Schaden, den abzuwenden er selbst pflichtwidrig unterlassen hat, unter Berufung auf Treu und Glauben auf den anderen Teil abzuwälzen.1778 (2) BGH-Urteil vom 21. 11. 19681779 (= BGH, NJW 1969, 233) – Baumehrkosten Einen klassischen Fall der Verteuerung der Kosten einer Bauleistung bildet der Sachverhalt von BGH, NJW 1969, 233. Die Entscheidung ist in erster Linie für die Rechtsfolgenbestimmung – Anpassung oder Auflösung des Vertrags – innerhalb der Fallgruppe der Äquivalenzstörung von Interesse. Bei Durchführung eines Bauvertrags wurde wegen unerwartet starken Grundwasseranfalls, nachträglicher Veränderung der Trassenführung, Aushändigung unzureichender Unterlagen über die Bodenbeschaffenheit etc. Mehraufwand erforderlich. Die Bauunternehmerin (nachmalige Beklagte) forderte einen Abschlag von 100.000 DM und kündigte an, sie werde weitere Mehrkosten für zusätzliche Arbeiten wegen „Unstimmigkeiten der Ausführungsunterlagen“ in Rechnung stellen. Die Auftraggeberin (nachmalige Klägerin) lehnte die geforderte Mehrvergütung ab, woraufhin die Bauunternehmerin den Vertrag kündigte. 1777 1778 1779

So BGH, WM 1978, 322, 324 (insoweit nicht abgedr. in JZ 1978, 235 f.). Vgl. Braun, JuS 1979, 692, 697. Az. VII ZR 89/66; BGH, NJW 1969, 233.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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(a) Entscheidung Der BGH ging in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht davon aus, dass die Geschäftsgrundlage des Vertrags weggefallen sei. Daraus folge in der Regel nicht das Recht, sich vom Vertrag zu lösen, sondern nur ein Anspruch auf Anpassung, der im Streitfall auf Erhöhung der Gegenleistung gerichtet sei. Im Weiteren wich der BGH indes vom Standpunkt des Berufungsgerichts ab. Dieses entschied, die Unternehmerin könne ein Kündigungsrecht nicht daraus ableiten, dass sich die Auftraggeberin nicht bereit erklärt habe, die von jener geforderte Erhöhung der Vergütung anzuerkennen; vielmehr sei die Unternehmerin gehalten gewesen, zunächst ihren „Gestaltungsanspruch“ gegen die Auftraggeberin durchsetzen und die Arbeiten einstweilen fortzuführen. Nach dem BGH war die Bauunternehmerin demgegenüber zur Kündigung des Bauvertrags berechtigt, nachdem die Auftraggeberin die Erhöhung der Gegenleistung verweigerte, wozu diese sich jedoch wegen der geänderten Geschäftsgrundlage einverstanden hätte erklären müssen. Die Unternehmerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Arbeiten zu den alten Bedingungen zu Ende zu führen. Das Kündigungsrecht sei auch nicht davon abhängig, dass der Gläubiger (hier die Auftraggeberin) die Anpassung des Vertrags schuldhaft verweigere und damit eine positive Vertragsverletzung begehe, sondern auch dann gegeben, wenn der Gläubiger aus ausnahmsweise entschuldbaren Gründen die Unzumutbarkeit objektiv falsch beurteile und deshalb die gerechtfertigte Anpassung ablehne.1780 Für den im Streitfall vorliegenden Bauvertrag, dessen Ausführung längere Zeit in Anspruch nahm, sei die Kündigung – und nicht der Rücktritt – der richtige Rechtsbehelf für die Bauunternehmerin. (b) Analyse Der BGH wollte der durch die erhebliche Aufwandssteigerung betroffenen Bauunternehmerin – entsprechend der zur früheren Wandelung vertretenen Herstellungstheorie – offenbar einen durchsetzbaren Anspruch auf Erhöhung der Vergütung („Anpassung“) gewähren. Da im Streitfall aus der Weigerung der Auftraggeberin ohnehin ein Recht zur Kündigung („Auflösung“) folgte, war die Annahme eines durchsetzbaren Anpassungsanspruchs nicht (unbedingt) notwendig für die Fallentscheidung.1781 Um der Unternehmerin zu ermöglichen, sich von dem von ihr nicht mehr zu tragenden Risiko zu befreien, ist es nicht erforderlich und bedeutete demzufolge einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Vertrag, dieser einen Anspruch auf Erhöhung der 1780 1781

BGH, NJW 1969, 233, 234. Vgl. Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 315.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Vergütung zu gewähren.1782 Es ist jedoch zu sehen, dass der Streitfall insoweit besonders lag, als die Auftraggeberin der Unternehmerin (vermutlich) unzureichende Unterlagen über die Bodenbeschaffenheit zur Verfügung stellte. Die Auftraggeberin war daher offenbar (mit-)verantwortlich für die Verteuerung der Baukosten. Jedenfalls für den Normalfall vermag der Gewährung eines gegen den Willen des Gläubigers (der Sachleistung) durchsetzbaren Anspruchs auf Erhöhung der Gegenleistung nicht beigetreten zu werden.1783 b) Exkurs: Sonderfälle Hingewiesen sei vorliegend noch auf Sonderfälle, in denen dem Schuldner durch die Leistungserbringung der wirtschaftliche Ruin drohte. In einzelnen Entscheidungen hatte das RG denjenigen Schuldner entpflichtet, dem durch eine Erfüllung sämtlicher1784 Verträge zu unveränderten Bedingungen der Ruin, also die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz, drohte.1785 Diese so genannte Ruinrechtsprechung1786 war – ähnlich wie die mit dem Gedanken der „Identitätsänderung“ infolge zeitweiliger Unmöglichkeit begründete Schuldnerbefreiung – ein Spezifikum der Kriegswirren während und nach Ende des ersten Weltkriegs (Fälle der so genannten „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“). Die aus Kriegen oder sonstigen Sozialkatastrophen folgenden Probleme vermögen jedoch ohnehin nicht allein unter Rekurs auf die Geschäftsgrundlagenlehre bewältigt zu werden; es bedarf insoweit des Eingreifens des Gesetzgebers.1787 Angedeutet wurde der Gesichtspunkt der drohenden Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners auch vom BGH in der Entscheidung Ölkrise1788: Die Einlagerung von Heizöl und die damit verbundenen Verluste des Beklagten hätten deren Existenz gefährden können. Der BGH ließ die Frage allerdings unentschieden. Er verwies darauf, dass die Verluste der Beklagten, „eines ‚5-Milliarden-Unternehmens‘, wie die Klägerin unwider1782

So Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 315. Differenzierend unten sub „a) Unzumutbarkeit der Anpassung, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB“, S. 501 ff. 1784 In Betracht gezogen wurde dabei nicht nur der einzelne, im jeweiligen Prozess streitbefangene Vertrag, der für sich genommen keine ruinöse Wirkung zu entfalten vermochte, sondern es wurden auch die anderweitigen Verträge des Schuldners miteinbezogen, so z. B. RGZ 100, 134, 137 f.; 102, 272, 275. 1785 Vgl. etwa RGZ 100, 134, 136 ff.; 102, 98, 99 ff.; 102, 272, 273/275; abl. RGZ 101, 74, 75 f.; 103, 177, 178 ff. Näheres hierzu Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten S. 336 ff. 1786 Zu ihr oben sub „I. Historische Entwicklung“, S. 94 ff. 1787 Vgl. hierzu Erman11 /Hohloch, § 313 Rn. 9. 1788 Hierzu oben sub „(1) BGH-Urteil vom 8. 2. 1978 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise“, S. 479 ff., ebenso BGH, NJW 1977, 2262, 2263 – Fernwärme. 1783

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sprochen behauptet hat“, jedenfalls nicht so „gravierend“ gewesen wären, dass ihr eine Einlagerung nicht zumutbar gewesen wäre.1789 Der zitierte Hinweis des BGH („5-Milliarden-Unternehmens“) macht sehr deutlich, warum die Berücksichtigung einer drohenden Existenzvernichtung mindestens bedenklich erscheinen muss. Eine Berücksichtigung dieses Kriteriums führte nämlich zu einer eklatanten Ungleichbehandlung zwischen finanziell starken und finanziell schwachen Unternehmen.1790 Im Grundsatz sollte eine Berücksichtigung daher unterbleiben,1791 im Einzelfall erschiene allenfalls eine ergänzende Berücksichtigung1792 denkbar. c) Standpunkt der Literatur In der Literatur wurde die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre auf die vorliegend interessierenden Fälle durch den BGH jedenfalls im Ergebnis zumeist gebilligt,1793 teils aber auch – vornehmlich die dogmatische Begründung betreffend – stark kritisiert oder abgelehnt1794. Einigkeit bestand in der Literatur jedenfalls insoweit, dass das Rechtsinstitut restriktiv zu handhaben sei.1795 II. Der Tatbestand des § 313 Abs. 1 und 2 BGB Die für § 313 BGB gewählte amtliche Überschrift („Störung der Geschäftsgrundlage“) soll terminologisch sowohl die Fälle des (nachträglichen) 1789

So BGH, WM 1978, 322, 324 (insoweit nicht abgedr. in JZ 1978, 235 f.). So Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 303 (zurückhaltender noch ders., JA 1979, 498, 503). 1791 Abl. auch P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 97 f., Locher, AcP 121 (1923), 1, 93 jew. m. weit. Nachw.; Medicus, BGB AT8 Rn. 871; sehr zurückhaltend auch MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 206, weiter gehend aber Erman11 / Hohloch, § 313 Rn. 21 und 27 und insb. Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 27 Rn. 35. 1792 I. d. S. wohl auch S. Lorenz/Riehm, Rn. 394 („subsidiär“). 1793 So allg. Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 296; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung S. 44, vgl. auch Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 186; Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 26, für Gattungsschulden U. Huber, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 251, 262 f., speziell zu BGH, JZ 1978, 235 Braun, JuS 1979, 692, 697; Köhler, JA 1979, 498, 503. s. auch S. Lorenz/Riehm, Rn. 386. 1794 Vgl. vor allem Flume, BGB AT II § 26, 7 (S. 525 ff.) [hierzu ausf. Larenz, BGB AT7 § 20 III (S. 396)]; Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 24 II 2 (S. 38 ff.); Littbarski, JZ 1981, 8, 13 f., ausf. zum Ganzen Staudinger/J. Schmidt (1995), § 242 Rn. 953 ff. 1795 Vgl. z. B. S. Lorenz/Riehm, Rn. 386, sehr zurückhaltend auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 534; ders., FS Ulmer S. 1165, 1170; vgl. zur Risikotragung durch den Schuldner auch Motsch, JZ 2001, 428, 429 („nichts zu rütteln“). 1790

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Wegfalls als auch die des (anfänglichen) Fehlens der Geschäftsgrundlage erfassen. Was aber ist unter der „Geschäftsgrundlage“ zu verstehen? Es existiert eine ganze Legion von Theorien, die im Laufe der Jahrzehnte diesbezüglich entwickelt wurden.1796 1. Begriff der Geschäftsgrundlage Auszugehen ist von dem Grundanliegen der Gesetzesverfasser, die Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre ziele auf eine Wiedergabe des Anerkannten, ohne an den bisherigen Ergebnissen der Rechtsprechung etwas ändern zu wollen.1797 Dies lenkt den Blick zunächst auf die Judikatur. In Anlehnung an die Oertmann’sche Formel1798 sollte nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Geschäftsgrundlage gebildet werden durch „die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut“.1799 Gegenüber dieser „stärker subjektiv geprägt[en]“ Formel – so die Gesetzesverfasser – bringe die in § 313 Abs. 1 BGB gewählte, „mehr auf objektive Merkmale abstellende“ Formulierung die Ergebnisse der Rechtsprechung „zutreffender zum Ausdruck“.1800 Die subjektive Geschäftsgrundlage sei in § 313 Abs. 2 BGB geregelt.1801 Hiermit übereinstimmend trennten schon in der früheren Literatur manche Autoren zwischen „subjektiver“ und „objektiver“ Geschäftsgrundlage:1802 „Objektive“ Geschäftsgrundlage ist 1796 Bereits im Jahre 1979 zählte Chiotellis 56 Theorien zur Geschäftsgrundlage, s. Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung Vorwort und S. 29, s. zu Übersichten über die Theorien stellv. Braun, JuS 1979, 692 ff.; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 162 ff.; Fikentscher, Geschäftsgrundlage S. 1 ff.; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 208 ff.; Wieacker, FS Wilburg (1965) S. 229, 236 ff.; Wieling, JURA 1985, 505 ff. 1797 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 175 li. Sp., 176 li. Sp. 1798 Vgl. Paul Oertmann, Die Geschäftsgrundlage – Ein neuer Rechtsbegriff, 1921. 1799 s. BGH, NJW 2001, 1204, 1205, vgl. ferner BGHZ 135, 333, 338; 129, 236, 252, vgl. weit. Nachw. bei Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 297 mit Fn. 4, jüngst auch wieder BGH, WM 2006, 828, 829; BGHZ 163, 42, 48. Krit. gegenüber dem Abstellen auf die „Vorstellungen“ der Parteien Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 298 und 302 (zur Vorstellung der Äquivalenz). 1800 BT-Drucks. 14/6040, S. 176 li. Sp., ebenso bereits Abschlußbericht S. 151. 1801 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 176 li. Sp. 1802 Stellv. Larenz, Geschäftsgrundlage S. 184 f.; ders., BGB AT7 § 20 III (S. 397), aufgegeben in der 8. Aufl., s. Larenz/Wolf, BGB AT8 § 38 Rn. 22 ff., vgl. auch Larenz/Wolf, BGB AT9 § 38 Rn. 14 f.

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danach „jeder Umstand, dessen Vorhandensein oder Fortdauer objektiv erforderlich ist, damit der Vertrag – im Sinne der Intentionen beider Vertragsparteien – noch als eine sinnvolle Regelung bestehen kann“1803, die „subjektive“ Geschäftsgrundlage bilden dagegen solche gemeinsamen Vorstellungen oder Erwartungen1804 der Parteien, die für den Vertragsschluss so maßgeblich waren, dass bei Kenntnis von ihrer Unrichtigkeit der Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt zustande gekommen wäre1805. Diese nicht unbestrittene1806 Trennung1807 ist in der Neuregelung zwar angelegt (§ 313 Abs. 1/2 BGB), gleichwohl handelt es sich jedenfalls nicht um zwei selbständige Rechtsinstitute, die getrennte Rechtsfolgen zeitigen würden.1808 Die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Kritik1809 an der Rechtsprechung lässt sich dahingehend präzisieren, dass die Gerichte seit RGZ 103, 328 – Vigognespinnerei die oben als Zitat wiedergegebene subjektiv eingefärbte Formel fast schon stereotyp wiederholten,1810 unausgesprochen indessen einen objektiven Ansatz verfolgten.1811 1803 s. nur Larenz, Geschäftsgrundlage S. 185, für einen rein objektiven Ansatz bereits Locher, AcP 121 (1923), 1, 71 f. Vgl. dazu aus neuerer Zeit etwa Larenz/ Wolf, BGB AT9 § 38 Rn. 13. 1804 Gegen die Einbeziehung der Erwartungen vom Eintritt bzw. Nichteintritt künftiger Ereignisse früher vor allem Wieacker, FS Wilburg (1965) S. 229, 238 (insb. mit Fn. 44), 242, 254 f., vgl. auch Staudinger/J. Schmidt (1995), § 242 Rn. 1003 f., 1037 ff., anders jedoch die h. M., s. etwa Larenz/Wolf, BGB AT8 § 38 Rn. 16 ff.; Pawlowski, BGB AT Rn. 567. 1805 Vgl. Larenz, Geschäftsgrundlage S. 51, 184; ders., BGB AT7 § 20 III (S. 394 f.), s. auch Larenz/Wolf, BGB AT9 § 38 Rn. 12. 1806 Vgl. etwa aus dem Schrifttum zum früheren Recht Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung S. 19 f.; Fikentscher, Geschäftsgrundlage S. 11, 42 f.; Hübner, BGB AT Rn. 1110; Heinrich Lange, FS Giesecke S. 21, 33; Medicus, BGB AT7 Rn. 860 (ebenso ders., BGB AT8); ders., BürgR18 Rn. 165 (ebenso für § 313 BGB ders., BürgR20 Rn. 165); Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955) S. 1, 20 f.; Soergel/ Teichmann, § 242 Rn. 211; vgl. zur Trennung auch Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage S. 119 f. 1807 Ihr folgt auch weitgehend die Literatur z. B. Eidenmüller, JURA 2001, 824, 831; P. Huber/Faust, Kap. 9 Rn. 2; StuKo/Kropholler, § 313 Rn. 1, 5; S. Lorenz/ Riehm, Rn. 390, abw. Erman11 /Hohloch, § 313 Rn. 3 a. E., 7, ferner auch Rösler, JuS 2005, 120, 122, differenzierend MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 4 f., 43 ff., zweifelnd Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 27 Rn. 23 f., § 28 Rn. 1. 1808 Hierzu etwa Larenz/Wolf, BGB AT9 § 38 Rn. 14, ferner auch Arnold, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 3 Rn. 55; Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 181 geht von einer Gleichstellung durch das Gesetz aus (s. aber auch Medicus, BürgR20 Rn. 165: „der neue § 313 weiß von ihr [sc. der Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Geschäftsgrundlage] nichts“). 1809 Dezidiert bereits bei Larenz, SAT § 21 II (S. 324), ferner auch Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 298 (und 300); AltKomm/Teubner, § 242 Rn. 95. 1810 s. MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 47; Willoweit, JuS 1980, 833, 837.

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§ 4 Die neue Rechtslage

In BGH, JZ 1978, 235 – Ölkrise wurde im Anschluss an die Wiedergabe der altbekannten Formel ausgeführt, bei gegenseitigen Verträgen sei die Vorstellung der Parteien von der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) von Leistung und Gegenleistung in der Regel Geschäftsgrundlage.1812 Neben den in der Literatur1813 geäußerten Zweifeln an dieser Annahme erweist sich der Begriff „Vorstellungen“ insoweit schon deshalb als ungeeignet, da der spätere Ölpreisanstieg als objektive Umstandsänderung die angenommene Vorstellung der Äquivalenz – nach dem BGH die Geschäftsgrundlage – nicht zum Wegfall bringen, sondern diese allenfalls frustrieren konnte. Im Falle nachträglichen drastischen Anstiegs des Marktpreises sollte daher in Überstimmung mit § 313 Abs. 1 BGB maßgeblich auf die „schwerwiegende Veränderung der Umstände“ abgestellt werden.1814 Das Subjektive – mit den Worten des BGH die „Vorstellungen“ der Parteien – mag jedoch Bedeutung gewinnen für die Frage, ob diese Umstände zur Geschäftsgrundlage geworden sind, sowie für das hypothetische Element1815. Demnach werden die „Umstände, die zur Grundlage des Geschäfts geworden sind“ (§ 313 Abs. 1 BGB) vorliegend durch die für die Äquivalenzstörung verantwortlichen Umstände gebildet. Handelt es sich in den interessierenden Fällen zwar nicht unmittelbar um den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Marktpreis beziehungsweise -wert des Leistungsgegenstands (im Folgenden: Leistungswert), so doch um die für die Veränderung des Leistungswerts verantwortlichen Umstände am Markt („preis- beziehungsweise wertbildende Umstände“).1816 Hat der Schuldner die Ware noch zu beschaffen, begründet die Veränderung dieser Umstände, die den Marktpreis beziehungsweise -wert ansteigen lässt, zugleich ein überwindbares Leistungshindernis (eine Leistungserschwernis). Daraus lässt sich jedoch nicht folgern, das Ausbleiben von Leistungshindernissen gehöre generell zur Geschäftsgrundlage.1817 Denn es gibt auch Leistungshindernisse, deren Beseitigung nicht mit einer Erhöhung des Leistungswerts einhergeht, es mithin an einer Äquivalenzstörung man1811 Vgl. hierzu auch AnwKomm/Krebs (2002), § 313 Rn. 28; AnwKomm/ders. (2005), § 313 Rn. 36. 1812 s. BGH, JZ 1978, 235, 236. 1813 Zuletzt vor allem Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 302 (und 298); vgl. auch Horn, in: Gutachten I S. 551, 578 („mißverständlich“). 1814 I. d. S. wohl auch Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/Arnold, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 114, S. 230, wo jedoch offenbar auf das Erfordernis, dass die Umstände zur Geschäftsgrundlage geworden sein müssen, verzichtet wird, s. dagegen Arnold, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 3 Rn. 52 f. 1815 Dazu sub „3. Hypothetisches Element“, S. 491. 1816 s. auch P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 166, welcher von dem „die Veränderung des Leistungswertes auslösenden Umstand“ spricht. 1817 s. aber für den Stückkauf „c) Besonderheiten beim Stückkauf“, S. 498 ff.

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gelt. Ist die Beschaffung nämlich nur für den konkreten Schuldner „subjektiv“ aufwendig, etwa weil er nur erschwerten Zugang zu den Beschaffungsmärkten besitzt, entsteht mangels Erhöhung des Leistungswerts keine Äquivalenzstörung. Solchen Fällen vermag mit § 275 Abs. 2 BGB Rechnung getragen zu werden.1818 Mit Blick auf Gattungsware gehört zu den Umständen, die zur Geschäftsgrundlage werden, etwa, dass am Markt (weiterhin) übliche Gegebenheiten vorherrschen, welche sich beispielsweise durch Eintritt von Rohstoffverknappung, Energiekrisen, Unruhen in Ölförderländern, kriegerische Auseinandersetzungen, Revolution etc. schwerwiegend verändern können.1819 Jene Umstände waren bislang als Geschäftsgrundlage zu qualifizieren, wenn sie von den Parteien bei Vertragsschluss vorausgesetzt worden sind (reales Element der Geschäftsgrundlage)1820;1821 wie bislang dürfte es dazu der zum Teil etwas gekünstelt anmutenden Annahme der „Vorstellung“1822 der Parteien bedürfen, dass die Umstände fortbestehen werden oder dass der Fortbestand der Umstände für die Parteien zumindest „selbstverständlich“1823 war.1824 Bezogen auf Speziessachen kommen auch unmittelbar auf den Leistungsgegenstand bezogene Umstände in Betracht, etwa 1818

s. oben insb. sub „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff. Insoweit wurde z. T. zwischen „großer“ (z. B. Kriegs-, Inflationsfolgen) und „kleiner“ Geschäftsgrundlage unterschieden, hierzu m. weit. Nachw. Palandt65 / Grüneberg, § 313 Rn. 5; Medicus, BürgR20 Rn. 152, vgl. jüngst auch Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht Rn. 234. 1820 s. statt aller Medicus, BürgR20 Rn. 165a. 1821 Die in der Gesetzesbegründung in der Art eines Prüfungsschemas aufgelisteten Voraussetzungen (BT-Drucks. 14/6040, S. 175 re. Sp.) lassen dieses Erfordernis (möglicherweise bewusst) vermissen. Probleme bereitet jedoch weniger die Voraussetzung, dass die Umstände nicht zum Vertragsinhalt wurden (s. BT-Drucks. 14/6040, S. 175 re. Sp., zweiter Spiegelstrich, hierzu bereits RGZ 168, 121, 127, vgl. auch Fikentscher, Schuldrecht Rn. 175; Erman10 /Werner, § 242 Rn. 169, aus neuerer Zeit Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 175, 183; Larenz/Wolf, BGB AT9 § 38 Rn. 6; BGH, NJW-RR 2004, 554) als vielmehr die Frage, inwiefern Umstände zur Geschäftsgrundlage geworden sind, worüber sich der Gesetzgeber ausgeschwiegen hat, s. Arnold, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 3 Rn. 53. 1822 Insoweit krit. AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 36 mit Fn. 124 („Pure Fiktion ist regelmäßig [. . .]“), vgl. auch bereits Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955) S. 1, 22 (zur „Wertungsgrundlage“ aaO., S. 12 f.). 1823 So BGHZ 133, 281, 293 – Klimbim, zum Fortbestand der DDR. 1824 Jedenfalls für das „hypothetische Element“ (BT-Drucks. 14/6040, S. 175 re. Sp., dritter Spiegelstrich) wird ein ähnliches „Hilfskonstrukt“ notwendig werden, hierzu MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 4 (anders wiederum Erman11 / Hohloch, § 313 Rn. 8 a. E., s. aber auch aaO., Rn. 17). Die Rspr. wird insoweit (vermutlich) auf die „Vorstellung“ der Parteien von der Gleichwertigkeit abstellen, welche indessen nicht selbst die (subjektive) Geschäftsgrundlage bildet. 1819

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§ 4 Die neue Rechtslage

dass das verkaufte Grundstück landwirtschaftlich nutzbar ist – was die Parteien auch tatsächlich voraussetzen werden – und später, nach Erlass eines Bebauungsplans, zum gewerblichen Bauland wird, womit eine drastische Werterhöhung einhergeht. 2. Fehlen und Wegfall Verändern sich die zur Geschäftsgrundlage gewordenen Umstände (hier: die preis- beziehungsweise wertbildenden Marktumstände) nach Vertragsschluss schwerwiegend1825 (§ 313 Abs. 1 BGB), fällt die Geschäftsgrundlage (nachträglich) weg. Dagegen fehlt die Geschäftsgrundlage (anfänglich), wenn sich die die Erhöhung des Leistungswerts auslösenden Umstände (etwa der Ausbruch einer Energiekrise) bereits vor Vertragsschluss veränderten. Es fehlen die als Geschäftsgrundlage vorgestellten Umstände von vornherein.1826 In solchen Fällen irren die Parteien über Umstände.1827 Insoweit greift fortan § 313 Abs. 2 BGB ein: Es stellen sich „wesentliche Vorstellungen“ der Parteien als falsch heraus, präziser: sie widersprechen bereits bei Vertragsschluss der Wirklichkeit. Das wird selten der Fall sein. Regelmäßig erlangen die Parteien nämlich von Umstandsänderungen, die erhebliche Reaktionen am Markt hervorrufen (können), rasch und unschwer Kenntnis, zumal zwischen dem auslösenden Umstand und der Erhöhung des Leistungswerts oftmals einige Zeit verstreicht.1828 Wichtig ist der zeitliche Eintritt veränderter Umstände – ähnlich wie bei anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen i. S. von § 275 Abs. 2 BGB – vornehmlich für den Bezugspunkt schuldnerischer Vorwerf1825 Näher behandelt unten sub „4. Erheblichkeit der Störung (Unzumutbarkeit)“, S. 491 ff. 1826 s. Larenz/Wolf, BGB AT9 § 38 Rn. 32, ferner P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 166. Hielte man insoweit die „subjektive“ Geschäftsgrundlage – also die gemeinsamen Vorstellungen der Parteien – für maßgeblich, passte der Begriff „Fehlen“ nicht, da die Vorstellungen nicht fehlten, sondern vielmehr irrtumsbehaftet sind. 1827 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Irrtumsfällen und nach Vertragsschluss eintretenden Umstandsänderungen aus jüngerer Zeit Nauen, Leistungserschwerung und Zweckvereitelung S. 51 f., 89 ff. m. weit. Nachw., zur Trennung von Irrtum und (fehlgeschlagener) Erwartung vor allem Wieacker, FS Wilburg (1965) S. 229, 238, 242, 254, s. zum neuen Recht auch Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/Arnold, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 117, S. 238 f. m. weit. Nachw. 1828 s. P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 166, dort auch zu dem Problem, dass in solchen Fällen im strengen Sinne keine Äquivalenzverhältnisverschiebung stattfindet, die Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung ist – so die Umstandsänderung bereits vor Vertragsschluss eine Erhöhung des (objektiven) Leistungswerts bewirkt hat – bereits anfänglich unausgeglichen (aaO., S. 166 ff., insb. S. 168 mit Fn. 904), s. aber auch Erman11 /Hohloch, § 313 Rn. 29.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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barkeit,1829 die ein Kriterium zur Feststellung einer schweren Äquivalenzstörung darstellt.1830 3. Hypothetisches Element Der Tatbestand des § 313 Abs. 1 BGB fordert weiterhin, dass die „Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen [hätten], wenn sie diese Veränderung1831 vorausgesehen hätten“ (§ 313 Abs. 1 BGB). Bei diesem Erfordernis zeigt sich wiederum, wie schwierig sich im Kontext der Geschäftsgrundlagenlehre eine trennscharfe Abgrenzung zwischen „subjektiven“ und „objektiven“ Elementen durchhalten lässt. So muss sich nämlich auch die Veränderung objektiver Umstände im subjektiven Vorstellungsbild der Parteien in bestimmter Weise widerspiegeln, nämlich in der hypothetischen Annahme, dass die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten1832 (hypothetisches Element der Geschäftsgrundlage)1833. Das wiederum impliziert, dass die Parteien die Veränderung tatsächlich nicht vorausgesehen haben, impliziert also falsche Vorstellungen oder zumindest das Fehlen zutreffender Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung.1834 4. Erheblichkeit der Störung (Unzumutbarkeit) Nicht jede Störung der Geschäftsgrundlage ist relevant. Es ist eine schwerwiegende Veränderung der Umstände, der zufolge dem benachteiligten Teil (hier: dem Sachleistungsschuldner) das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, erforderlich. Die Feststellung der Unzumutbarkeit hat „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung“ (§ 313 Abs. 1 BGB) zu erfolgen. Hierzu vor allem Schlechtriem, SAT5 Rn. 418 a. E.; ders./Schmidt-Kessel, SAT Rn. 118 a. E. 1830 Näher sub „4. Erheblichkeit der Störung (Unzumutbarkeit)“, S. 491 ff. 1831 Genauer: die schwerwiegende Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind; im Falle von § 313 Abs. 2 BGB, wenn die Parteien gewusst hätten, dass sich wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, als falsch herausstellen. 1832 s. MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 4. 1833 s. statt aller Medicus, BürgR20 Rn. 165a. 1834 s. MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 4, anders Erman11 /Hohloch, § 313 Rn. 8 a. E.: Zumindest ließe sich fortan auf das bisherige Hilfskonstrukt der selbstverständlichen Grundvorstellung der Parteien, auf das die Rechtsprechung wegen der ihren Entscheidungen zugrunde gelegten subjektiven Formel angewiesen war, verzichten, s. aber auch aaO., Rn. 17. 1829 6

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§ 4 Die neue Rechtslage

Während der BGH eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage bislang nur für zulässig hielt, wenn das zur „Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nicht zumutbaren Ergebnisses unabweislich ersch[ien]“,1835 ist in § 313 Abs. 1 BGB schlicht von Unzumutbarkeit die Rede. Vor diesem Hintergrund wurde von einzelnen Gegnern der Schuldrechtsreform (zunächst) eine Abmilderung der Kriterien befürchtet,1836 doch wird (nunmehr)1837 ganz überwiegend davon ausgegangen, die Anforderungen seien gleich streng geblieben. Entscheidend ist der klare Hinweis in den Gesetzesmaterialien, wonach mit § 313 BGB nur das ohnehin schon Anerkannte wiedergegeben werden sollte,1838 an den Ergebnissen der Rechtsprechung nichts zu ändern sei und insbesondere die bisher gestellten strengen Anforderungen unverändert aufrechtzuerhalten seien1839. Die hohen Anforderungen, die der BGH an eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage stellte, suchte dieser stets mit der „überragenden Bedeutung, die dem Grundsatz der Vertragstreue zukomm[e]“1840, zu rechtfertigen. Die insoweit anklingende antithetische Gegenüberstellung von Vertragstreue und der unter dem Titel der „Geschäftsgrundlage“ praktizierten Begrenzung der Risikoübernahme wurde bereits von Medicus1841 als Missverständnis herausgestellt. Wie im Falle von § 275 Abs. 2 BGB geht es auch bei § 313 BGB nicht darum, den vermeintlich ins Unendliche reichenden Grundsatz des pacta sunt servanda zu durchbrechen, sondern vielmehr um die Feststellung seiner wirklichen Reichweite.1842 Lässt man etwa in 1835

s. BGH, JZ 1978, 235, 236 – Ölkrise; BGH, NJW 1977, 2262, 2263 – Fernwärme; ferner auch BGH, NJW-RR 1993, 880, 881 – Hemingway-Serie, vgl. weit. Nachw. bei Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 299 mit Fn. 9. Krit. gegenüber dieser Formulierung Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 299 („bloße[r] Appell an das Rechtsempfinden“). 1836 s. U. Huber, ZIP 2000, 2137, 2148 mit Fn. 81; ders., in: Ernst/Zimmermann S. 31, 79 mit Fn. 176, ferner auch Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 305, 322 f.; ähnl. Krebs, DB 2000, Beil. zu Heft 48, S. 1, 13 f., alle noch hinsichtlich des mit § 313 BGB nahezu wortgleichen § 307 DiskE. 1837 So jetzt auch U. Huber, FS Schlechtriem S. 521, 534 mit Fn. 25. 1838 BT-Drucks. 14/6040, S. 175 li. Sp. 1839 So ausdrücklich BT-Drucks. 14/6040, S. 176 li. Sp. 1840 Beispielhaft BGH, JZ 1978, 235, 236 – Ölkrise. 1841 Medicus, FS Flume (1978) S. 629, 631 f., vgl. auch dens., BGB AT7, 8 Rn. 858. 1842 Vgl. für die Geschäftsgrundlagenlehre Medicus, FS Flume (1978) S. 629, 632, ferner Fikentscher, Geschäftsgrundlage S. 40; Flume, BGB AT II § 26, 6 c) (S. 525); P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 94, 132; Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 299 (vgl. aber noch dens., Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage S. 141 f.); Motsch, JZ 2001, 428, 431; Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955) S. 1, 3; Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 184, anders Horn, in: Gutachten I S. 551, 578, 630;

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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der BGH-Entscheidung Ölkrise1843 die dort anklingende „antithetische Gegenüberstellung“ beiseite,1844 wird dort ganz im hier vertretenen Sinne klargestellt, dass der Schuldner gerade nicht ein unbegrenztes Risiko übernimmt: Der BGH hielt es nämlich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts für zweifelhaft, die beklagte Öllieferantin habe aufgrund der Festpreisvereinbarung nicht nur das Risiko „normaler“ Preisschwankungen, mit denen bei Vertragsschluss zu rechnen war, sondern auch dasjenige der weit über 100% hinausreichenden Preissteigerungen im Jahre 1973 übernommen. Die gegenteilige Annahme – eine gleichsam unbegrenzte Risikoübernahme – liefe auf eine unzutreffende Unterstellung hinaus. a) Schwere Äquivalenzstörung Bei Ermittlung der Risikogrenze gewinnt der Gesichtspunkt der (schweren) Äquivalenzstörung ausschlaggebende Bedeutung. Er vermag die Wertung zu liefern, deren starke Überzeugungskraft die Anpassung des Vertrags beziehungsweise dessen Auflösung als angemessen erscheinen lässt. Nicht jede Äquivalenzstörung ist erheblich, die Störung muss vielmehr ein ganz erhebliches Ausmaß angenommen haben, um Berücksichtigung zu finden (schwere Äquivalenzstörung). In einem ersten Schritt sollen die Gründe für die Begrenzung erheblicher Äquivalenzrisiken und damit der Beachtlichkeit schwerer Äquivalenzstörungen beleuchtet werden. Hernach werden die wichtigsten Kriterien erörtert, derer sich der BGH zur Feststellung einer schweren und damit beachtlichen Äquivalenzstörung bediente. Die Berücksichtigung schwerer Äquivalenzrisiken lässt sich aus ex antePerspektive1845 (bildhaft gesprochen) gewissermaßen als eine gegenseitige Heinrich Lange, FS Giesecke S. 21, 37 (s. aber auch aaO., S. 40); Larenz, Geschäftsgrundlage S. 3; Wieacker, FS Wilburg (1965) S. 229, 230, 233 und 247. Aus jüngerer Zeit gehen von einer „Durchbrechung“ bzw. „Einschränkung“ aus: Eckert, SAT Rn. 629; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 224, 237; Palandt65 /Grüneberg, § 313 Rn. 1; Palandt64 /Heinrichs, § 313 Rn. 1/2; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 148, 153, 167; Christian Hirsch, Kündigung S. 23, 89, 146 und passim; Kluth/Freigang, NZM 2006, 41, 44, 47; AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 2; Looschelders, SAT Rn. 769; Riesenhuber/Domröse, JuS 2006, 208 und 212; HandKomm/Schulze, § 313 Rn. 1; Jauernig11 /Stadler, § 313 Rn. 2; Jauernig10 /Vollkommer, § 313 Rn. 2, ferner wohl auch Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 27 Rn. 4, anders hingegen Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/ Medicus, Kap. 3 Rn. 183, wohl auch Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 44 f., 46, unentschieden Peer, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 61, 63, differenzierend Rösler, ZGS 2003, 383, 390. 1843 Zu ihr oben sub „(1) BGH-Urteil vom 8. 2. 1978 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise“, S. 479 ff. 1844 Die vermutlich auch der Beteuerung des Ausnahmecharakters eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage dienen soll.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Versicherung der schicksalhaften Äquivalenzstörung begreifen.1846 Nimmt man mit in den Blick, dass eine Äquivalenzverhältnisverschiebung nicht nur, wie vorliegend diskutiert, den Sachleistungsschuldner treffen, sondern auch zu Ungunsten des Sachleistungsgläubigers wirken kann, sofern nämlich der Wert der Leistung zwischen Vertragsschluss und Leistungszeit erheblich sinkt, ist die Risikobegrenzung zumindest für risikofeindliche Parteien auf beiden Seiten von Nutzen.1847 Im Interesse der Parteien liegt indessen eine Risikobegrenzung nur im seltenen Falle einer erheblichen Störung der Äquivalenz, nicht hingegen in den häufig auftretenden Fällen „kleiner“ Äquivalenzverschiebungen.1848 Weiterhin lässt sich die Berücksichtigung von Äquivalenzverschiebungen auch rechtsethisch fundieren.1849 Charakteristisch für die Struktur von Äquivalenzverschiebungen ist, dass der Einbuße einer Partei stets eine Begünstigung der anderen Partei entspricht. So müsste etwa der Verkäufer das von ihm zu beschaffende Heizöl zu einem Kaufpreis liefern, der möglicherweise nur der Hälfte des tatsächlichen Werts entspricht, worin eine erhebliche Einbuße läge; in Höhe dieser Einbuße würde der Käufer begünstigt, da er gleichsam „teures Öl für billiges Geld“ bekäme. Die durch die Äquivalenzverhältnisverschiebung bewirkte Einbuße unter Verwendung des Gewinns des Begünstigten auszugleichen, ist Konsequenz der austauschenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa).1850 Man kann insoweit vom Prinzip des Begünstigungsausgleichs sprechen.1851 Das Gesagte hat freilich nicht zur Folge, dass der begünstigte Käufer stets jeden Gewinn zum Ausgleich des korrespondierenden Nachteils des Verkäufers aufzuwenden hätte; es wird damit nur erklärt, dass dem Käufer – bildhaft gesprochen – eine „Quelle“1852 (sc. die Begünstigung) zu Gebote steht, aus der er schöpfen kann, um unter besonderen Voraussetzungen im Rahmen einer Vertragsanpassung den Nachteil des Verkäufers (partiell) auszugleichen. Nicht zuletzt bildete auch für den BGH die Äquivalenzstörung den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt. Zur Geschäftsgrundlage zählte der BGH 1845 Sc. bei Vertragsschluss und nicht aus ex post-Sicht, wenn eine Äquivalenzstörung bereits eingetreten ist. 1846 So P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 114, 197. 1847 s. P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 130, 132, 147, 197, zur Herleitung S. 118 ff., insb. 128 f. 1848 Vgl. P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 131 f., 148, 197. 1849 Hierzu m. Nachw. P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 76, 112 f. (s. insb. den Verweis in Fn. 610). 1850 Vgl. P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 76 unter Berufung auf Aristoteles. 1851 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung S. 472 f. bei und mit Fn. 22, besonders im Kontext der Äquivalenzstörung P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 147. 1852 Ausdruck von P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 151.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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bei gegenseitigen Verträgen regelmäßig die Vorstellung1853 der Parteien von der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) von Leistung und Gegenleistung.1854 Im Kontext der zumeist streitbefangenen Verpflichtungen aus Gattungskäufen oder Werkverträgen führte die den Schuldner belastende Preissteigerung praktisch immer zu einer Äquivalenzstörung. Preis und Leistungswert stiegen nämlich parallel an. Die schwierige Aufgabe besteht darin, die unerheblichen („leichten“) und die erheblichen („schweren“) Äquivalenzstörungen voneinander zu scheiden. Nur Letztere begründen Unzumutbarkeit und damit die Voraussetzungen von § 313 Abs. 1 BGB. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die Auslegung des konkreten Vertrags („Risikocharakter des Vertrags“); hilfsweise ist die gesetzliche Risikoverteilung heranzuziehen, vergleiche § 313 Abs. 1 BGB. Von zentraler Bedeutung ist für den Gattungskauf die Übernahme des Beschaffungsrisikos durch den Verkäufer, für den Werkvertrag die Übernahme des Herstellungsrisikos. In Anbetracht einer solchen Risikoübernahme ist starke Zurückhaltung bei der Annahme schwerer Äquivalenzstörungen geboten, nur außergewöhnliche Störungen sind berücksichtigungsfähig. Die Parteien wollen durch derartige Risikoübernahmen nämlich gerade sicherstellen, dass etwaige Änderungen grundsätzlich unbeachtlich bleiben sollen. Dies gilt in besonderem Maße für „Festpreisvereinbarungen“, wie sie bei Sachkauf und Werkvertrag nicht selten vereinbart werden. Neben dem Risikocharakter des Vertrags kommen weitere Kriterien hinzu, die von der Rechtsprechung bemüht wurden. Es handelt sich im Wesentlichen um die Kriterien der „Vorhersehbarkeit“ und der „Verantwortung einer Partei“.1855 Die Rechtsprechung lässt eine Anpassung grundsätzlich nur zu, wenn die Äquivalenzstörung unter Berücksichtigung der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (ex ante-Perspektive) unvorhersehbar1856 war.1857 Sofern sich die maßgeblichen Umstände ausnahmsweise bereits vor Abschluss des Vertrags geändert haben, wäre entsprechend auf 1853 Zum Abstellen auf die (subjektiven) Vorstellung der Parteien jedoch krit. bereits oben sub „1. Begriff der Geschäftsgrundlage“, S. 486 ff. 1854 s. z. B. BGH, JZ 1978, 235, 236 – Ölkrise. 1855 s. P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 135 ff., 197, dem zufolge die genannten Kriterien ein „kleines“ bewegliches System im Sinne von Wilburg bilden. 1856 Ausf. zum Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand S. 53 ff. m. weit. Nachw. 1857 Hierzu z. B. BGH, NJW 1977, 2262, 2263 – Fernwärme; vgl. bereits RGZ 103, 328, 332 – Vigognespinnerei; vgl. zur Literatur jew. m. weit. Nachw. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand S. 49 ff., 69 f., 731; Hübner, BGB AT Rn. 1114; Köhler, JA 1979, 498, 503; Koller, Risikozurechnung S. 45, 88 f., 217 ff.; Heinrich Lange, FS Giesecke S. 21, 41 („Überraschungsmoment“); Larenz, Geschäftsgrundlage S. 107 f.; ders., SAT § 21 II (S. 325); Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 177; Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 185 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

die Erkennbarkeit der bereits eingetretenen Umstandsänderung bei Vertragsschluss abzustellen. Weiterhin ist zu prüfen, ob den Schuldner eine Verantwortlichkeit an der Äquivalenzstörung trifft. Ist für diese ein pflichtwidriges Tun oder Unterlassen des Schuldners ursächlich, scheidet Unzumutbarkeit im Grundsatz aus.1858 Der Gattungsverkäufer kann etwa gehalten sein, künftig zu liefernde Ware einzulagern, wenn ein erheblicher Preisanstieg absehbar ist;1859 der Produzent einer Fernsehserie vermag sich nicht auf Mehrkosten zu berufen, die er ohne Rücksprache mit dem Besteller aus eigener Entscheidung tätigt1860. Doch gilt auch hier wiederum, dass eine Verantwortlichkeit des Schuldners die Unzumutbarkeit jedenfalls nicht kategorisch ausschließt.1861 Ist andererseits der Gläubiger für die Äquivalenzstörung (mit-)verantwortlich, fällt dies massiv zugunsten des Sachleistungsschuldners ins Gewicht. Relevant können ferner weitere Kriterien sein, die vorliegend nicht weiter vertieft werden sollen.1862 Das bereits angesprochene Kriterium des wirtschaftlichen Ruins des Schuldners hat (in aller Regel) unberücksichtigt zu bleiben.1863 b) „Mischfälle“ Charakteristisch für im Kontext von Leistungshindernissen auftretende Äquivalenzstörungen ist, dass die Überwindung des Hindernisses – zumeist die durch Preisanstieg hervorgerufene kostenintensivere Beschaffung der geschuldeten Ware – in Höhe des Mehraufwands zu einer Steigerung des Leistungswerts führt.1864 Kurzum: Der Preisanstieg erhöht Beschaffungsaufwand und Leistungswert in (praktisch) gleichem Ausmaß. Es entsteht dadurch zwischen dem Wert der Leistung und dem (unveränderten) Wert der Gegenleistung eine Verschiebung zu Ungunsten des Sachleistungsschuldners 1858 Vgl. aus jüngerer Zeit jew. m. weit. Nachw. Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 105 mit Fn. 287, 115 mit Fn. 333; Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten S. 214 (mit Fn. 469); gegen eine Berücksichtigung von im Schuldnerverzug eingetretenen Äquivalenzstörungen Larenz, Geschäftsgrundlage S. 107 f., 93 mit Fn. 7. 1859 So BGH, JZ 1978, 235, 236 – Ölkrise. 1860 s. BGH, NJW-RR 1993, 880, 881 f. – Hemingway-Serie. 1861 So insb. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 175 re. Sp./176 li. Sp., s. ferner etwa Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung S. 58, zum neuen Recht etwa Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 27 Rn. 52; Jauernig11 /Stadler, § 313 Rn. 24; Jauernig10 /Vollkommer, § 313 Rn. 24. 1862 Vgl. etwa zum „Erfüllungskriterium“ Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 318 (nur ein Indiz); für regelmäßig unerheblich hält die bereits erfolgte Erfüllung Medicus, BGB AT8 Rn. 872, vgl. auch P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 104 ff. 1863 Hierzu m. Nachw. bereits oben sub „b) Exkurs: Sonderfälle“, S. 484 f. 1864 Der Mehraufwand muss zwar nicht exakt der Erhöhung des Leistungswerts entsprechen, wird dies zumeist jedenfalls weitgehend tun.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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(Äquivalenzstörung). Dieser Konstellation stehen Fälle gegenüber, in denen der Schuldner durch einen leistungshindernisbedingten Mehraufwand zwar belastet wird, dessen Aufbringung jedoch nicht mit einer Erhöhung des Leistungswerts einhergeht. Bleibt der Leistungswert aber unverändert, wird die Gleichwertigkeit (Äquivalenz) von Leistung und Gegenleistung nicht gestört. Es entsteht indes eine Unverhältnismäßigkeit zwischen dem erhöhten Leistungsaufwand und dem unveränderten Leistungsinteresse. Diese Konstellation erfasst § 275 Abs. 2 BGB, der an das Verhältnis von Leistungsaufwand und Leistungsinteresse anknüpft.1865 Als problematisch erweisen sich „Mischfälle“, in denen die Aufbringung des leistungshindernisbedingten Mehraufwands teils zu einer Erhöhung des Leistungswerts führt, teils hingegen nicht und insoweit also nur den Schuldner belastet. Dadurch wird die Erfüllung der Voraussetzungen von § 313 Abs. 1 BGB und § 275 Abs. 2 BGB gleichermaßen unwahrscheinlich(er): Der Mehraufwand, dessen Aufbringung nicht zu einer Erhöhung des Leistungswerts führt, den Schuldner aber gleichwohl belastet, vermag zur Begründung einer Äquivalenzstörung i. S. von § 313 Abs. 1 BGB (grundsätzlich) nicht herangezogen zu werden. Gravierender ist die Situation – wenngleich in Bezug auf den anderen Teil des Mehraufwands, dessen Aufbringung zu einer Werterhöhung führt (im Folgenden: „werterhöhender“ Anteil) – bei § 275 Abs. 2 BGB. Dieser „werterhöhende“ Anteil des Mehraufwands bleibt dort zwar auf Schuldnerseite zur Begründung eines groben Missverhältnisses nicht außer Betracht, doch führt er regelmäßig auf Seite des Gläubigers gleichzeitig zu einer entsprechenden Erhöhung des Leistungsinteresses.1866 Auf den ersten Blick scheint es, als werde seine Wirkung dadurch nur „neutralisiert“. Richtig ist jedoch, dass sich die Erhöhung von Leistungsaufwand und Leistungsinteresse um den gleichen Betrag (sc. den „werterhöhenden“ Anteil) proportional stärker auf das betragsmäßig stets geringere Leistungsinteresse auswirkt, was im Ergebnis zugunsten des Gläubigers ins Gewicht fällt.1867 Das Erreichen eines groben Missverhältnisses i. S. von § 275 Abs. 2 BGB wird dadurch nicht unerheblich erschwert, praktisch sogar ausgeschlossen, wenn der Teil des Mehraufwands überwiegt, dessen Tätigung eine Erhöhung des Leistungswerts nach sich zieht (der so genannte „werterhöhende“ Anteil). 1865 Mindestens missverständlich daher Medicus, BürgR20 Rn. 158 a. E. Unpräzise Christian Hirsch, Kündigung S. 107 f., 173; Christoph Hirsch, SAT Rn. 647 („fließender Übergang“), ferner auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 22. 1866 Soweit der Gläubiger die Sache bereits verkauft haben sollte oder ohnehin bereits einen entgangenen Gewinn geltend machen könnte, gilt dies nur cum grano salis. 1867 Zu den Gründen – wenngleich in anderem Kontext und unter umgekehrten Vorzeichen – oben sub „(1) Abzug der Gegenleistung?“, S. 286 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

Vor diesem Hintergrund erhellt, dass das eigentliche Problem nicht so sehr darin begründet liegt, § 275 Abs. 2 und § 313 BGB voneinander abzugrenzen,1868 sondern – im Gegenteil – darin, den beschriebenen „Mischfällen“ in gebotener Weise Rechnung zu tragen. Der Überschneidungsbereich, dies sei bereits an dieser Stelle angemerkt, ist vor dem Hintergrund der beschriebenen Wirkungsweisen äußerst gering. Es muss sich um einen ausgesprochenen Extremfall handeln, in dem der Mehraufwand gleichzeitig beide für § 275 Abs. 2 und § 313 BGB relevanten Verhältnisse aus dem Lot zu bringen geeignet ist: Der Mehraufwand müsste so extrem hoch sein, dass sein „werterhöhender“ Anteil eine schwere Äquivalenzstörung herbeizuführen vermag und gleichzeitig der nicht „werterhöhende“ Anteil – trotz der in gewissem Maße zuwiderlaufenden Wirkung des „werterhöhenden“ Anteils – ein grobes Missverhältnis zu begründen geeignet ist. Ist der „werterhöhende“ Anteil des Mehraufwands nicht nur unerheblich oder überwiegt er gar, kann die Lösung der diskutierten „Mischfälle“ nur in § 313 BGB gefunden werden. Der Grund hierfür ist, dass im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB der Wertungsgesichtspunkt der Äquivalenzstörung angesichts des dort festgelegten engen „Korsetts“ nicht nur unberücksichtigt bleiben muss, sondern diese Verschiebung – wie gesehen – zudem der Annahme eines groben Missverhältnisses zuwiderläuft. Für § 313 BGB bildet zwar die Äquivalenzstörung den ausschlaggebenden Wertungsgesichtspunkt, gleichwohl erscheint es nicht ausgeschlossen, bei der gegenüber § 275 Abs. 2 BGB allgemeiner gefassten Norm („Unzumutbarkeit“) einen zwar nicht „werterhöhenden“, aber gleichwohl den Schuldner belastenden Mehraufwand zu berücksichtigen. Doch kommt insoweit nicht die große Überzeugungskraft zum Tragen, die der Wertungsgesichtspunkt der Äquivalenzstörung für die Geschäftsgrundlagenlehre besitzt. Die Belastung des Schuldners mit derartigem Aufwand, der keine „ungerechtfertigte“ Begünstigung auf der Seite des Gläubigers korrespondiert, kann daher nur ergänzend Berücksichtigung finden.1869 c) Besonderheiten beim Stückkauf Fälle von Äquivalenzstörungen traten in der Rechtsprechung zumeist beim Gattungskauf oder beim Werkvertrag in Erscheinung. Bei jenem Vertragstyp muss der Verkäufer die Kaufsache regelmäßig noch beschaffen, bei diesem das Werk herstellen beziehungsweise dazu Materialien beschaffen oder Personal einsetzen. Es ist insoweit nicht ungewöhnlich – bei längerer Vertragsdauer nicht selten sogar wahrscheinlich –, dass die Leistungserbrin1868 1869

Zu solchen Versuchen noch unten sub „a) Abgrenzungsversuche“, S. 514 f. Anders P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 161.

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gung aufwendiger wird, etwa weil der Marktpreis ansteigt, weil die Herstellung aufwendiger wird als gedacht (z. B. muss das Fundament für das zu bauende Haus tiefer gesetzt werden) oder weil beispielsweise Tarifabschlüsse unerwartet hoch ausfallen,1870 die den Bauunternehmer mit erheblichen Lohnerhöhungen belasten. Demgegenüber liegen die Dinge beim Stückkauf grundverschieden. Dort ist die Notwendigkeit, die Kaufsache wiederzubeschaffen beziehungsweise erstmalig zu beschaffen und dafür Geld und Sachmittel aufzuwenden, atypisch. Davon legen bereits die möglichen Ursachen einer (Wieder-)Beschaffungsnotwendigkeit Zeugnis ab. Diese können etwa sein, dass die Speziessache dem Stückschuldner gestohlen wurde, diesem abhanden gekommen ist, von diesem (schuldlos) an einen Dritten übereignet wurde oder sich nach Vertragsschluss herausstellt, dass die Sache von Beginn an im Eigentum eines Dritten, dem sie gestohlen wurde, stand. Zwar wird zumeist generalisierend festgestellt, „der (Sachleistungs-)Schuldner“ trage grundsätzlich das Risiko einer Leistungserschwerung oder einer Aufwandserhöhung.1871 Gleichwohl darf nicht aus den Augen verloren werden, dass sich die Notwendigkeit einer (Wieder-)Beschaffung beim Stückkauf als atypisch darstellt, während sie für den Gattungskauf geradezu charakteristisch ist und der Schuldner dort mit Vertragsschluss zudem typischerweise das Beschaffungsrisiko übernimmt, womit sich die Risikostrukturen augenscheinlich ganz erheblich unterscheiden. Zu der bereits atypischen (Wieder-)Beschaffungsnotwendigkeit kommt in den hier diskutierten Konstellationen noch hinzu, dass der Wert der Sache erheblich ansteigt. Nur durch diese Kumulierung von zwei Ereignissen kann überhaupt die Konsequenz eintreten, dass infolge des parallelen Ansteigens von Aufwand und Interesse ein grobes Missverhältnis ausscheidet und § 275 Abs. 2 BGB also „versagt“. Diese Besonderheit lässt sich auch aus anderer Perspektive verdeutlichen: Eine Äquivalenzstörung kann allein dadurch eintreten, dass der Wert der Speziessache zwischen Vertragsschluss und Leistungszeit drastisch ansteigt, etwa weil das als landwirtschaftlich nutzbare Grundstück unterdessen zum industriell nutzbaren Land erklärt 1870

Dazu BGH, WM 1964, 1253 ff. Vgl. Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 28 Rn. 26 („Aufwandsrisiko“), § 28 Rn. 27 („Beschaffungsrisiko“); Palandt65 /Grüneberg, § 313 Rn. 30 („Aufwandsrisiko“); Peer, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 61, 62 („Beschaffungsrisiko“); Rösler, JuS 2004, 1058, 1060 („Erfüllungsrisiko“); ferner auch Bamberger/Roth/ Grüneberg (April 2004), § 313 Rn. 31 („Leistungserschwerungen“) und 45 („Aufwandsrisiko“), vgl. auch bereits Willoweit, JuS 1980, 833 und 840 („Aufwandsrisiko“), s. auch P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 160 f. („typisches Unternehmerrisiko“, zum Beschaffungsrisiko aaO., S. 161 f.), ferner auch Wiedemann, FS Universität Köln 600 Jahre S. 367, 384 (eine Aufwandserhöhung gehöre „im Zweifel“ zu den vom Schuldner zu tragenden Risiken). 1871

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wurde. Im Rahmen des § 313 BGB stellt sich insoweit die Frage, ob der Verkäufer das im Wert erheblich gestiegene Grundstück zum unveränderten Kaufpreis „hergeben“ muss. Der entscheidende Unterschied zu den Fällen kumulativen Auftretens von Leistungshindernis und Wertanstieg liegt darin, dass der Verkäufer insoweit aus seinem übrigen Vermögen – in Ermangelung eines solchen sogar durch Kreditaufnahme – finanzielle Mittel aufwenden muss, wodurch seine Interessen massiver betroffen sind als durch die „bloße“ Weggabe der geschuldeten Kaufsache zu einem inäquivalenten Kaufpreis. Dieser Besonderheit sowie vor allem den wesentlichen Unterschieden zwischen Stückkauf einerseits und Gattungskauf oder Werkvertrag andererseits muss auch bei der Anwendung von § 313 BGB in der gebotenen Weise Rechnung getragen werden: Dem durch das Leistungshindernis erforderlich gewordenen Teil des Mehraufwands, dessen Aufbringung nicht mit einer Erhöhung des Leistungswerts verbunden ist und der daher zur Äquivalenzverschiebung nichts beizutragen vermag, muss – im Unterschied zum Gattungskauf – erhebliche Bedeutung beigemessen werden. Man wird das Nichtbestehen eines gravierenden Leistungshindernisses im Unterschied zum Gattungskauf zudem nicht selten als zur Geschäftsgrundlage gehörig ansehen können,1872 so dass das Leistungshindernis auch losgelöst von dem Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung erhebliche Bedeutung gewinnt. Die Anforderungen an eine relevante Störung der Geschäftsgrundlage sind daher nicht allzu hoch anzusetzen, jedenfalls dürfen sie nicht an die strengen Anforderungen beim Gattungskauf angelehnt werden. III. Die Rechtsfolge des § 313 Abs. 1 und 3 BGB 1. Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB Ist die Geschäftsgrundlage gestört, kann in erster Linie der Benachteiligte, im vorliegenden Zusammenhang der Sachleistungsschuldner (Verkäufer oder Werkunternehmer),1873 vom Begünstigten (Käufer oder Besteller) zunächst Anpassung des Vertrags verlangen, § 313 Abs. 1 BGB. Sieht man die Aufrechterhaltung des Leistungsaustauschs als Ziel einer Anpassung an,1874 kommt sinnvollerweise nur in Betracht, die Äquivalenzstörung beziehungsweise Aufwandserhöhung auf Seiten des Sachleistungsschuldners 1872

Dafür Rödl, Die Spannung der Schuld S. 74 f. Zur Aktivlegitimation des Gläubigers unten sub „c) Aktivlegitimation und Geltendmachung“, S. 507 f. 1874 Außer Betracht bleiben sollte dagegen (im Regelfall), den „schuldlosen“ Sachleistungsschuldner zwar aus seiner Primärpflicht zu entlassen, ihn jedoch mit einer Ausgleichszahlung zu belasten. 1873

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abzumildern, indem die Gegenleistung erhöht wird.1875 Zu erörtern ist zunächst, ob sich der Gläubiger (Käufer/Besteller) auf eine Anhebung des Vertragspreises einlassen muss (sub a). Darüber hinaus wird zu klären sein, in welchem Ausmaß die Gegenleistung im Rahmen einer Anpassung zu erhöhen wäre (sub b). Abschließend wird die Geltendmachung des Anpassungsanspruchs durch den Schuldner sowie die Frage eines Anpassungsanspruchs des begünstigten Gläubigers behandelt (sub c). a) Unzumutbarkeit der Anpassung, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB Die „klassischen“ Äquivalenzstörungen wurden durch ein Absinken des Werts der Gegenleistung verursacht, da – etwa nach Ende des ersten Weltkriegs – der Geldwert infolge (Hyper-)Inflation drastisch absank. Angesichts des mit der Geldentwertung zumeist einhergehenden nominalen Einkommensanstiegs blieb die Leistung unbeschadet ihres zwischen Vertragsschluss und Leistungszeit zumeist parallel zur Inflation gestiegenen Preises annähernd gleich viel wert.1876 Daher kam eine Vertragsanpassung im Wege der Preiserhöhung in Betracht, ohne dass dem Käufer damit zwingend ein von ihm nicht gewollter Vertrag aufoktroyiert wurde. Demgegenüber bedeutete eine Preisanhebung in den vorliegend interessierenden Fällen einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Vertrag; dem Gläubiger der Sachleistung würden durch eine Preisanhebung Mehrbelastungen auferlegt, mit denen er bei Vertragsschluss nicht rechnen und die er auch nicht in seine Planung einkalkulieren konnte.1877 Ginge man ferner davon aus, die Gegenleistung sei an die geänderten Verhältnisse vollständig anzupassen, 1875 Eine bei teilbaren Leistungen denkbare Herabsetzung des Leistungsumfangs (etwa werden zum gleichen Preis nur noch 70 statt der ursprünglich vereinbarten 100 Teile geliefert) dürfte in aller Regel ausscheiden. 1876 Näher P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 154 f. 1877 Zutreffend Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I 295, 315 (und 305) gegen BGH, NJW 1969, 233 – hierzu oben sub „(2) BGH-Urteil vom 21. 11. 1968 (= BGH, NJW 1969, 233) – Baumehrkosten“, S. 482 ff., (s. auch bereits Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage S. 196), ihm stimmen für das neue Recht zu Ehmann/ Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 175 f. („eine Art Zwangsvertrag“); Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 154; S. Lorenz/Riehm, Rn. 399 mit Fn. 488, wohl auch Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 29 Rn. 25 bei und mit Fn. 46, in diese Richtung auch Westermann/Bydlinski/Weber, SAT § 12 Rn. 16, 31. I. Erg. auch Schlechtriem, SAT5 Rn. 286 a. E., ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 485 a. E: Verlange der Schuldner bei von ihm nicht zu vertretenden Leistungshindernissen Vertragsanpassung, könne der Gläubiger jedoch „hilfsweise“ vom Vertrag zurücktreten, andeutungsweise wohl auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 65, a. A. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 31, unklar Christian Hirsch, Kündigung S. 128. Vgl. ferner auch P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 154, dem zufolge den Präferenzen des Käufers im Falle von BGH, JZ 1978, 235 – hierzu oben sub

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der vereinbarte Kaufpreis/Werklohn mithin (mindestens) auf den Leistungswert zur Leistungszeit zu erhöhen, bedeutete dies für den Gläubiger nicht viel weniger als einen Kontrahierungszwang.1878 Denn zu diesen Bedingungen hätte der Gläubiger zum Leistungszeitpunkt den Vertrag mit einem Dritten oder mit seinem ursprünglichen Vertragspartner abschließen können, während er durch die Anpassung zu Letzterem gleichsam gezwungen würde. Daher stellt sich jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang eine Anpassung kraft widerleglicher Vermutung – zu Ausnahmefällen sogleich – als für den Gläubiger unzumutbar dar, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB. Beruft sich der Gläubiger auf Unzumutbarkeit, bleibt dem Schuldner das Recht zum Rücktritt vom Vertrag nach § 313 Abs. 3 S. 1 BGB, bei Dauerschuldverhältnissen (z. B. bei einem langfristigen Bauvertrag) das Recht zur Kündigung des Vertrags, § 313 Abs. 3 S. 2 BGB. Würde man hingegen entsprechend der allenthalben geäußerten These, der zufolge die Anpassung der Auflösung des Vertrags grundsätzlich vorgehe,1879 entscheiden, würden die Rollen der Parteien vertauscht und die Dinge damit gleichsam auf den Kopf gestellt: Der Schuldner ist derjenige, der Befreiung von einem grundsätzlich ihm obliegenden Risiko fordert. Daher erschiene es nicht interessengerecht, gewährte man dem Schuldner den Anspruch auf Erhöhung der Gegenleistung des Gläubigers (!), den dieser allenfalls abwehren könnte, wenn ihm der Beweis der Unzumutbarkeit einer Preiserhöhung gelänge. Noch gravierender stellte sich die Situation für den Gläubiger dar, wenn man ihm die Berufung auf Unzumutbarkeit gänzlich abschneiden würde. Ein solcher Eingriff in den Vertrag – die vom Schuldner durchsetzbare Erhöhung der Gegenleistung – ist vor allem auch nicht erforderlich, um den Schuldner von dem jenseits der maßgeblichen Grenze liegenden Risiko zu befreien. Vorzugswürdig erscheint daher, zugunsten des Gläubigers eine widerlegliche Vermutung der Unzumutbarkeit i. S. von § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB aufzustellen und dem Schuldner die Darle„(1) BGH-Urteil vom 8. 2. 1978 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise“, S. 479 ff. – Gewalt angetan würde. 1878 Vgl. bereits Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955) S. 1, 28, der für die Nichtigkeit des „mißglückten Geschäfts“ eintrat, ferner auch P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 150; vgl. auch Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand S. 90 f. 1879 Vgl. bereits früher Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 130; MünchKomm/ G. H. Roth (2001), § 242 Rn. 644, 646; Erman10 /Werner, § 242 Rn. 179 jew. m. weit. Nachw., grdl. RGZ 103, 328, 333 f. – Vigognespinnerei, s. zu weit. Nachw. zur Rspr. Staudinger/J. Schmidt (1995), § 242 Rn. 950, 952, für das neue Recht etwa Palandt65 /Grüneberg, § 313 Rn. 40; Palandt64 /Heinrichs, § 313 Rn. 28; Erman11 /Hohloch, § 313 Rn. 40, 44; AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 75; MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 102; Schlechtriem, SAT5 Rn. 411; Jauernig11 /Stadler, § 313 Rn. 27 (und 29); Jauernig10 /Vollkommer, § 313 Rn. 27 (und 29).

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gung und gegebenenfalls den Beweis aufzuerlegen, dass für ihn die Vertragsauflösung unter Abwägung mit den Gläubigerinteressen unzumutbar wäre.1880 Daran sind hohe Anforderungen zu stellen. In Betracht kommt vornehmlich, dass dem Schuldner durch eine Vertragsauflösung ein erheblicher Schaden entstünde, den abzuwenden nur eine Vertragsanpassung geeignet ist;1881 da bei Dauerschuldverhältnissen indes nur ein Recht zur Kündigung gewährt wird (§ 313 Abs. 3 S. 2 BGB), mithin eine Auflösung nur mit Wirkung ex nunc stattfindet, werden nur zukünftig drohende Nachteile des Schuldners ins Kalkül zu ziehen sein. Ein Schadenseintritt droht dem Schuldner insbesondere bei individuellen Leistungen, die er anderweit nicht verwerten kann (vor allem im Werkvertragsrecht).1882 In solchen Fällen kann der Gläubiger – so er keine überwiegenden Gründe anzuführen vermag – ausnahmsweise gehalten sein, eine Erhöhung der Gegenleistung (insbesondere des Werklohns) hinzunehmen. Dass den Interessen des Schuldners unbeschadet der propagierten widerleglichen Vermutung gleichwohl hinreichend Rechnung getragen wird, zeigt ein weiterer Umstand. Ist nämlich im konkreten Fall wahrscheinlich oder zumindest nicht unwahrscheinlich, dass der Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingreift, wird sich der Gläubiger im eigenen Interesse auf eine Preiserhöhung einlassen. Denn verweigerte er sich dem, liefe er Gefahr, dass sich der Schuldner berechtigtermaßen durch Rücktritt oder Kündigung vom Vertrag löst, und er damit seinen Vorteil verliert, der darin besteht, dass der Schuldner bei einer Anpassung zumindest den diesseits der „Risikogrenze“ liegenden Mehraufwand respektive die diesem korrespondierende nachteilige Äquivalenzverschiebung alleine zu tragen hätte.1883 Nimmt man die Andeutung des BGH in der Entscheidung Ölkrise1884 in den Blick, erhellt, dass dieser Vorteil beträchtlich ist, da er beim Gattungskauf mindestens eine Preissteigerung von 100% (!) umfassen wird. Der Gläubiger kann ein Anpassungsbegehren des Schuldners damit grundsätzlich nach § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB1885 zurückweisen.1886 Zugleich 1880

Ähnl. bereits Heinrich Lange, FS Giesecke S. 21, 50 f. Vgl. insoweit – wenngleich mit umgekehrten Regel-Ausnahme-Prinzip – MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 105. 1882 Vgl. hierzu näher – wenngleich in anderem Kontext – Finn, ZGS 2004, 32, 35 f. 1883 Dazu sogleich sub „b) Umfang der Erhöhung der Gegenleistung“, S. 505 ff. Dem Käufer bliebe im Falle der berechtigten Vertragsauflösung durch den Verkäufer (in aller Regel) auch kein Anspruch auf Schadensersatz. 1884 Hierzu oben sub „(1) BGH-Urteil vom 8. 2. 1978 (= BGH, JZ 1978, 235) – Ölkrise“, S. 479 ff. 1885 Nur unter Rekurs auf diese Norm vermag sich der Gläubiger einem Anpassungsbegehren des Schuldners zur Wehr zu setzen. Dass eine Neuverhandlung – wie jüngst von Mückl, JURA 2005, 809, 811 ausgeführt – keine Aussicht auf Erfolg ver1881

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ist es dem Schuldner verwehrt, unmittelbar zur Vertragsliquidation (Rücktritt beziehungsweise Kündigung) zu schreiten. Er muss zunächst Anpassung verlangen und zu diesem Zwecke in Verhandlungen mit dem Gläubiger eintreten.1887 Lehnt der Gläubiger Verhandlungen beziehungsweise eine Preisanhebung ab – wozu er nach § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB kraft widerleglicher Vermutung befugt ist –, ist der Schuldner zur Vertragsliquidation berechtigt.1888 Dieses Ergebnis ist der Handhabung der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB zumindest ähnlich. Dort kann der Gläubiger den Eintritt spricht, da der Gläubiger „kaum ein Interesse haben dürfte, nun einen deutlich höheren – das typischerweise gleichzeitig vorliegende grobe Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgleichenden – Preis zu zahlen“, hindert den Schuldner freilich per se nicht an der gerichtlichen Durchsetzung seines Anpassungsanspruchs, zumal im Falle eines groben Missverhältnisses zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse entgegen Mückl auch keinesfalls typischerweise gleichzeitig ein „grobe[s] Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung [gemeint: schwere Äquivalenzstörung]“ vorliegt. 1886 Entgegen Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 29 Rn. 26; Reischl, JuS 2003, 453, 455 bedarf es hierzu nicht der Ausübung eines Gestaltungsrechts nach § 313 Abs. 3 BGB (Rücktritt bzw. Kündigung) durch den Sachleistungsgläubiger. Das Gestaltungsrecht steht nach zutreffender Ansicht überdies ausschließlich „de[m] benachteiligte[n] Teil“ (§ 313 Abs. 1 S. 1 BGB), mithin dem Sachleistungsschuldner, zu, insoweit übereinstimmend MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 98; M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 102. 1887 Bestand und Reichweite von Neuverhandlungspflichten sind Gegenstand einer Kontroverse, die vorliegend nicht vertieft werden kann, wohl offen lassend BT-Drucks. 14/6040, S. 176 li Sp. („Insbesondere sollen die Parteien zunächst selbst über die Anpassung verhandeln.“, Hervorheb. nicht im Original), für eine Neuverhandlungspflicht Eidenmüller, JURA 2001, 824, 829 ff.; Palandt65 /Grüneberg, § 313 Rn. 41; v. Hase, NJW 2002, 2278, 2279; Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 196 f.; Palandt64 /Heinrichs, § 313 Rn. 29; Larenz/Wolf, BGB AT9 § 38 Rn. 45; Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2699, 2702 (vertragliche Nebenpflicht); wohl auch Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 174, zurückhaltend Peer, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 61, 66 f., abl. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 27; DaunerLieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 925; Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 29 Rn. 16; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 241; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 313 Rn. 85; Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 39 f., 46; Christian Hirsch, Kündigung S. 119 ff., insb. 122 f.; AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 81; Henssler/v. Westphalen/Muthers, § 313 Rn. 26; jurisPK-BGB/ Pfeiffer, § 313 Rn. 61; Rösler, ZGS 2003, 383, 388 f.; MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 93; HandKomm/Schulze, § 313 Rn. 26; Jauernig11 /Stadler, § 313 Rn. 27; A. Teichmann, BB 2001, 1485, 1491. Für eine Neuverhandlungspflicht bereits vor der Reform vor allem Horn, AcP 181 (1981), 255, 276 ff. (und 282 ff.); Nelle, Neuverhandlungspflichten passim; Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 ff., insb. 1068 ff.; abl. Martinek, AcP 198 (1998), 329, 332 f., 363 ff., 398 ff., zur Unterscheidung von Pflicht und Obliegenheit aaO., S. 335 ff. Zum Ganzen m. weit. Nachw. auch P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 155 ff. 1888 Dies wäre die Konsequenz der Verletzung einer etwaig anzunehmenden Neuverhandlungspflicht auf Seiten des Gläubigers.

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der Einredewirkung („Vertragsliquidation“) abwenden, indem er – freiwillig – einen Teil des Mehraufwands übernimmt.1889 Der Schuldner vermag im Falle von § 275 Abs. 2 BGB nicht gegen den Willen des Gläubigers eine höhere Gegenleistung durchzusetzen, er kann den Gläubiger mithin richtigerweise nicht zur Übernahme von Teilen des Mehraufwands zwingen. Anders ist dies bei § 313 BGB zumindest in den beschriebenen Ausnahmefällen (drohender Schadenseintritt beim Schuldner), in denen der Gläubiger zur Verweigerung der Anpassung nicht berechtigt ist. Dieser Unterschied erklärt sich damit, dass der Gläubiger im Falle der Äquivalenzstörung – nicht dagegen bei § 275 Abs. 2 BGB – eine höherwertige Leistung erhält und ihm damit gewissermaßen eine „Quelle“1890 zu Gebote steht, aus der er bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise „schöpfen“ kann, um die erhöhte Gegenleistung aufzubringen. Ein weiterer Unterschied zu § 275 Abs. 2 BGB besteht darin, dass der Gläubiger im Falle des § 313 BGB aktiv die Anpassung verweigern muss (§ 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB), um eine vom Schuldner begehrte Preisanhebung abzuwenden, während bei § 275 Abs. 2 BGB in Ermangelung eines Anpassungsanspruchs eine solche Obliegenheit nicht gegeben ist. Man mag diese Konsequenz der gesetzlichen Neuregelung kritisieren,1891 da es eigentlich der Schuldner ist, der Befreiung von einem Risiko begehrt. Doch wird dem Gläubiger im Regelfall lediglich abverlangt, das schuldnerische Anpassungsbegehren schlicht – das heißt ohne Angabe von Gründen – nach § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB zurückzuweisen. Hingegen erschiene eine mit § 275 Abs. 2 BGB übereinstimmende Ausgestaltung oder die Statuierung eines bloßen Rechts des Schuldners zur „Änderungskündigung“1892 mit § 313 BGB nicht vereinbar. b) Umfang der Erhöhung der Gegenleistung Eine Vertragsanpassung erfolgt nach Maßgabe von § 313 Abs. 1 BGB in den diskutierten Fällen durch die Erhöhung der Gegenleistung. Es gilt insoweit, ein ursprünglich unausgeglichenes Äquivalenzverhältnis zu berücksichtigen.1893 Die durch den Marktpreisanstieg typischerweise auftretende 1889

s. oben sub „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff. 1890 Hierzu m. Nachw. oben bei Fn. 1852 (S. 494). 1891 Vgl. – wenngleich noch zum alten Recht – Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I 295, 315. 1892 Dafür nach altem Recht Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I 295, 315 (und 327), der dem Schuldner die Befugnis zustehen wollte, sich vom Vertrag zu lösen, falls der Gläubiger der Sachleistung (Besteller) einer entsprechenden Erhöhung der Gegenleistung nicht zustimmt.

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Äquivalenzverhältnisverschiebung führt an sich zu einem Gewinn auf Gläubigerseite, dem eine Einbuße auf Schuldnerseite entspricht.1894 Es fragt sich, in welcher Höhe der Gläubiger die Einbuße des Schuldners auszugleichen hat, in welchem Ausmaß also die Gegenleistung anzuheben ist. Erwogen wird insoweit einerseits ein voller oder ein hälftiger1895 Ausgleich der Einbuße. Soweit der vereinbarte Kaufpreis/Werklohn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem Wert der Leistung entspricht (ausgeglichenes Äquivalenzverhältnis), wäre der ursprüngliche Kaufpreis/Werklohn um den eingetretenen Wertanstieg zu erhöhen, bei einem hälftigen Ausgleich entsprechend um die Hälfte des Wertanstiegs. Demgegenüber könnte das Äquivalenzverhältnis auch nur insoweit angepasst werden, bis es sich wieder im noch „zulässigen“ Bereich befindet.1896 Diese Art der Anpassung ist nur folgerichtig, wenn man die festgestellte Grenze, bis zu welcher der Schuldner nach dem Vertrag das Risiko tragen soll („Risikogrenze“), ernst nimmt.1897 Es ist nicht ersichtlich, warum der Grundsatz des pacta sunt servanda, der bis zur Risikogrenze reicht,1898 bei Erreichen der Schwelle seine Geltung (teilweise) verlieren sollte. Weiterhin ist die hier befürwortete Art des Ausgleichs einem vollen oder hälftigen Ausgleich insoweit überlegen, als durch jenen ein nicht zu rechtfertigender Sanktionseffekt vermieden wird: Würde man einen vollen Ausgleich vornehmen, verlöre der Gläubiger seinen Vorteil vollumfänglich, während er bis kurz vor Erreichen der Grenze, den Vorteil behalten dürfte; zumindest in abgeschwächter Form träte diese Konsequenz auch bei einem hälftigen Ausgleich ein. Ein solches 1893 Dieses Ziel verfolgt auch § 441 Abs. 3 S. 1 BGB, näher P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 110 ff., 150 (noch unter Geltung von § 472 BGB a. F.), vgl. auch Medicus, BGB AT8 Rn. 866. 1894 Näher P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 112 f., 151 ff. 1895 Vgl. zur Rspr. etwa BGH, NJW 2002, 3234, 3237; 1953, 1585, 1586; RGZ 100, 129, 133 („angemessen zwischen beiden geteilt“), s. vor allem Kegel, in: Kegel/Rupp/Zweigert, Einwirkung des Krieges auf Verträge S. 127 ff., zu weit. Nachw. Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung S. 12 bei und mit Fn. 68 f.; P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 151 mit Fn. 814, zum neuen Recht etwa Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht Rn. 241; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 313 Rn. 89; S. Lorenz/Riehm, Rn. 399. 1896 So überzeugend P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 152 f., 157 f., 198; Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I 295, 315 f., ferner auch Larenz, Geschäftsgrundlage S. 176; ders., SAT § 21 II (S. 330); ähnl. jüngst Kluth/Freigang, NZM 2006, 41, 46, die in Fällen drastisch sinkender Mietpreise am Markt für Geschäftsraummiete eine Anpassung (Herabsetzung) bis höchstens zur „Opfergrenze“ für zulässig erachten, gleichzeitig jedoch einer hälftigen Risikoverteilung das Wort reden („grundsätzlich [. . .] angemessen, d. h. meist hälftig zu verteilen“). 1897 s. Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I 295, 315 f. 1898 s. Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I 295, 299; Medicus, FS Flume (1978) S. 629, 631.

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„Umschlagen“1899 zulasten des Gläubigers wäre nicht interessengerecht. Endlich hat die vorliegend befürwortete Art der Anpassung den Vorteil, einen Gleichlauf mit § 275 Abs. 2 BGB zu ermöglichen. Dort bleibt der Schuldner bis zur Befreiungsschwelle zum Mehraufwand verpflichtet, wenn der Gläubiger den jenseits der Grenze liegenden Teil des Mehraufwands übernimmt. c) Aktivlegitimation und Geltendmachung Wird der Schuldner vom Gläubiger in Anspruch genommen, vermag jener sich einredeweise auf seinen Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB zu berufen (§ 273 Abs. 1 BGB).1900 Andererseits ist der Gläubiger (der Sachleistung) seinerseits berechtigt, vom Schuldner Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB zu verlangen:1901 Er kann gegen Ausgleich eines Teils1902 der Mehrkosten weiterhin Erfüllung verlangen. Übernimmt der Gläubiger einen entsprechenden Teil 1899

Ausdruck von Fikentscher, Geschäftsgrundlage S. 45. Ebenso Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076, 2077, ferner auch Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, Fall 18 Rn. 17 f.; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 313 Rn. 86; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 156, 158, 165, 167, 181; MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 110, wohl auch AnwKomm/Krebs (2002), § 313 Rn. 54 a. E. [anders jetzt AnwKomm/ders. (2005), § 313 Rn. 85 f.: für eine Einrede aus § 320 BGB nur bei präziser Bestimmung des Änderungsbegehrens], für eine Geltendmachung über § 242 BGB Heß, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 665, 672, wohl auch Wieser, JZ 2004, 654, 655, unentschieden Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 922 (s. aber auch aaO., S. 927). Die „dolo agit (qui petit quod statim redditurus est)“-Einrede passt hier nicht (anders Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kitz/Arnold, Fälle zum Neuen Schuldrecht, Fall 114, S. 229 bei und mit Fn. 15; Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 201; Mattheus, in: M. Schwab/Witt, Examenswissen S. 50, 118; dies., JuS 2002, 209, 219; jurisPK-BGB/Pfeiffer, § 313 Rn. 60; Rösler, ZGS 2003, 383, 390; ähnl. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 57 f.), denn die Pflicht des Gläubigers zur Rückgewähr der begehrten (Sach-)Leistung entstünde nur unter der zwar möglichen aber nicht zwingend eintretenden Voraussetzung, dass sich der Schuldner zum Rücktritt entschließt und zurücktritt (§ 313 Abs. 3 S. 1 BGB; § 346 Abs. 1 BGB), mithin jedenfalls nicht „sofort“ („redditurus“), hierzu – wenngleich in anderem Kontext – Medicus, BürgR20 Rn. 465. 1901 Zu Recht wird davon ausgegangen, dass nicht nur der benachteiligte Teil Anpassung verlangen kann, s. Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076 f.; zust. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 10, 29 und passim; Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 922 f., ferner auch Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 29 Rn. 16 (abw. noch die Voraufl.); Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 192, 201; Heß, in: Dauner-Lieb/ Konzen/K. Schmidt S. 665, 671; Medicus, BürgR20 Rn. 168; Schlechtriem, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 9, 28; ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 119, anders jetzt AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 79, anders möglicherweise auch bereits Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag S. 250 (s. aber auch dens., aaO., S. 251 bei Fn. 31). Entgegen Cashin-Ritaine, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 85, 101 bleibt im 1900

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§ 4 Die neue Rechtslage

des Mehraufwands, ist dem Schuldner die Anpassung nicht unzumutbar i. S. von § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB;1903 dies entspricht wiederum der Handhabung einer gläubigerseitigen Aufwandsminderung im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB1904. 2. Rücktritts- beziehungsweise Kündigungsrecht aus § 313 Abs. 3 BGB Weist der Gläubiger ein Anpassungsbegehren des Schuldners zurück, wozu er nach § 313 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB im Grundsatz berechtigt ist,1905 kann und muss der Schuldner vom Vertrag zurücktreten beziehungsweise diesen kündigen (§ 313 Abs. 3 BGB), um den Erfüllungsanspruch des Gläubigers zum Erlöschen zu bringen. IV. Prozessuales Beabsichtigt der Schuldner, sich gegen die Klage des Gläubigers auf Erfüllung mit dem Einwand der Geschäftsgrundlagenstörung zu verteidigen, hat er sich im Prozess einredeweise auf den Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB zu berufen.1906 Er trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich eine relevante Störung der Geschäftsgrundlage ergibt.1907 Dringt der Schuldner mit dieser Einrede durch, erwirkt der Gläubiger lediglich eine Verurteilung des Schuldners zur Erfüllung Zug-umZug (§ 274 Abs. 1 BGB) gegen Anpassung des Vertrags.1908 Vor diesem Falle gescheiterter Neuverhandlungen nicht lediglich der Rücktritt vom Vertrag, vielmehr wird dann der Richter über die Anpassung entscheiden. 1902 Zu dessen Umfang zuvor sub „b) Umfang der Erhöhung der Gegenleistung“, S. 505 ff. 1903 Ähnl. wohl auch Peer, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 61, 77 f. 1904 Hierzu sowie zu den Gründen oben sub „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff. 1905 Einzelheiten bereits oben sub „a) Unzumutbarkeit der Anpassung, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB“, S. 501 ff. 1906 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 175 re. Sp., 176 li. Sp. Vgl. zur fortan notwendigen Geltendmachung der Geschäftsgrundlagenstörung im Prozess etwa Arnold, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 3 Rn. 56, ferner Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 927 (bei Fn. 74); MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 87, 110; Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076, 2077, abw. Wieser, JZ 2004, 654, 656, der eine außergerichtliche Verweigerung ausreichen lässt, sofern der Kläger die „Tatsache der Leistungsverweigerung“ im Prozess vorträgt. 1907 s. BGH, NJW 2003, 510; Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 313 Rn. 96; Palandt65 /ders., § 313 Rn. 43; Palandt64 /Heinrichs, § 313 Rn. 31; AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 92 (und 85 f.); MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 110; HandKomm/Schulze, § 313 Rn. 26.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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Hintergrund wird dem klagenden Gläubiger anzuraten sein, unter der (zulässigen innerprozessualen) Bedingung einer erfolgreichen Berufung des Beklagten auf § 313 Abs. 1 BGB seinerseits einen Hilfsantrag auf Vertragsanpassung1909 beziehungsweise Leistung aus dem angepassten Vertrag zu stellen. Kontrovers diskutiert wird die Frage, in welcher Klageart der Anpassungsanspruch beziehungsweise die Leistung aus dem angepassten Vertrag durchzusetzen ist. In den Gesetzesmaterialien1910 wurde vorgeschlagen, entsprechend der im alten Recht zur Wandelung (§ 465 BGB a. F.) entwickelten Herstellungstheorie eine Klage unmittelbar auf Erbringung der Leistung aus dem angepassten Vertrag zuzulassen. Die Literatur folgt dem praktisch ausnahmslos.1911 Es müssen demnach nicht zwei Prozesse geführt werden, nämlich einer auf Anpassung (§ 313 Abs. 1 BGB; § 894 ZPO) und danach ein weiterer auf Erfüllung aus dem angepassten Vertrag. Dagegen wird von einzelnen Literaturstimmen eine Klagehäufung (§ 260 ZPO)1912 oder eine Stufenklage analog § 254 ZPO1913 befürwortet. Letztere Möglichkeit wird in bestimmten Fällen, bei denen verschiedene Anpassungsmöglichkeiten ge1908 s. Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 922 f., 927; Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076 f., abw. Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 29 Rn. 18 (Abweisung der Klage als zurzeit unbegründet). 1909 So Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076, 2077 (ebenso Dauner-Lieb/ Dötsch, NJW 2003, 921, 927), die indes eine Stufenklage (§ 254 ZPO analog) befürworten, dazu sogleich im Text; vgl. auch Bayreuther, Vertragsanpassung S. 61. Anders Wieser, JZ 2004, 654, 655 mit Fn. 18, dem zufolge der Gläubiger der Einrede des Schuldners durch eine eingeschränkte Klage auszuweichen vermag. 1910 BT-Drucks. 14/6040, S. 176 li. Sp., unpräzise indes in der Formulierung („Klage unmittelbar auf die angepasste Leistung“), denn angepasst wird der Vertrag, nicht die Leistung. 1911 Vgl. z. B. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 12; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 38 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 241; Bamberger/ Roth/Grüneberg (April 2004), § 313 Rn. 86; Palandt65 /ders., § 313 Rn. 41; Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 198; Palandt64 /ders., § 313 Rn. 29; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 157 f., 181; AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 84, 91; S. Lorenz/Riehm, Rn. 398; Medicus, BürgR20 Rn. 168; Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2698, 2702; MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 88, 90; Jauernig11 / Stadler, § 313 Rn. 30; Jauernig10 /Vollkommer, § 313 Rn. 30, s. auch Heß, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 665, 672 f. sowie bereits Eidenmüller, JURA 2001, 824, 830, dagegen A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 353. Vgl. zur Frage einer isolierten Klage auf Anpassung m. weit. Nachw. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 48 ff.; Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 199. 1912 Hierzu Wieser, JZ 2004, 654 f. 1913 Dafür Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076, 2077, im Anschluss daran Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 923, 926 f., A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 353, abl. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 54 f.; Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 200 f.; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 157, 181; Heß, in: Dauner-Lieb/ Konzen/K. Schmidt S. 665, 673.

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§ 4 Die neue Rechtslage

geneinander abgewogen werden sollen, für zweckmäßig erachtet.1914 Für den vorliegenden Zusammenhang scheint jedenfalls als Anpassung praktisch nur eine Erhöhung der Gegenleistung in Betracht zu kommen. Insoweit weisen die Gesetzesmaterialien den richtigen Weg, indem sie nämlich eine unmittelbare Klage auf die Leistung aus dem angepassten Vertrag zulassen. Überwiegend wird vertreten, dem stattgebenden Urteil komme (fortan) Gestaltungswirkung zu.1915 Der Klageantrag auf Leistung aus dem angepassten Vertrag muss dem Bestimmtheitsgebot nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen. Der Antragsteller wird indes die Anpassung kaum richtig einschätzen können; verlangte man von ihm eine genaue Bezifferung, unterläge er einem nicht unerheblichen Kostenrisiko, wenn er einen für ihn zu günstigen Betrag wählt.1916 Daher wird man in Anlehnung an die prozessuale Behandlung von Schmerzensgeldklagen (§ 253 Abs. 2 BGB; § 847 BGB a. F.)1917 ausreichen lassen müssen, dass der Antragende Leistung aus dem „angemessen“ angepassten Vertrag verlangt und zudem eine ungefähre Größenordnung angibt.1918 In jedem Fall hat er den anspruchsbegründenden Sachverhalt hinreichend genau darzulegen. V. Unterschiede zum früheren Recht und Bewertung 1. Kodifizierung des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlagenlehre Durch die Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre im BGB entfällt die Notwendigkeit, die Möglichkeit einer Anpassung oder Auflösung des 1914

s. das Beispiel von Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076, 2077. So Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 33, 36 f.; Erman11 /Hohloch, § 313 Rn. 40; s. auch Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2698, 2701, zumindest ähnl. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 13, 17 f., 34, unklar Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 191/195 (einerseits) und 200 (andererseits). Früher bereits Esser/E. Schmidt, SAT8 Teilb. 2 § 24 III (S. 49), ebenso bereits die 7. Aufl.: § 24 III (S. 45 f.); vgl. auch Medicus, FS Flume (1978) S. 629, 643. Vgl. auch AnwKomm/Krebs (2002), § 313 Rn. 57 („rechtsfindend“, „Gleichwohl [. . .] auch gestaltende Züge, sie ist eine ‚wertende‘ Entscheidung“), s. aber nunmehr AnwKomm/dens. (2005), § 313 Rn. 84: „Das Urteil, das die angepasste Leistung zuspricht, ändert den Vertrag implizit ab (§ 894 ZPO)“. 1916 s. bereits Peer, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 61, 66, beschwichtigend Heß, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt S. 665, 672. 1917 s. z. B. BGHZ 132, 341, 350 m. weit. Nachw. 1918 Vgl. Eidenmüller, JURA 2001, 824, 830; Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921, 923; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 119; Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076, abw. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 34 ff.; Heß, in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt S. 665, 672; MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 94 mit Hinweis auf § 139 ZPO; S. Lorenz/Riehm, Rn. 398; Wieser, JZ 2004, 654. 1915

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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Vertrags als solche zu begründen und zu legitimieren, was zuvor als Rechtsfortbildung auf Grund der Generalklausel von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu geschehen hatte.1919 Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte sich der Mangel – sc. das Fehlen einer allgemeinen Regelung der Geschäftsgrundlagenlehre im BGB – zwar nicht auf die Rechtspraxis auswirken, gleichwohl müsse es „als unbefriedigend angesehen werden, wenn wichtige, seit vielen Jahrzehnten erprobte und bewährte Rechtsinstitute auf Dauer von einer Kodifikation ausgeschlossen bl[ie]ben“1920. Die Kodifizierung wurde und wird in der Literatur gleichwohl nicht selten kritisch gesehen, wenn nicht sogar abgelehnt;1921 manche erwogen eine Kodifizierung lediglich für die Fallgruppe der Äquivalenzstörung.1922 Zu bedenken gegeben wurde, die Erfassung sämtlicher Fallgruppen zwinge zu einer denkbar unbestimmten Regelung.1923 Die ganz unterschiedlichen Fallgruppen müssten in eine einheitliche und damit notwendig abstrakte und dehnbare Formulierung „gepresst“ werden.1924 Die Gesetzesverfasser verzichteten auch bewusst darauf, Regelbeispiele für die besonders wichtigen Fallgruppen anzuführen, versprachen sie sich davon nämlich kaum zusätzliche Verbesserungen für die Rechtsanwendung.1925 Ergebnis ist nunmehr eine Regelung, die unbeschadet der gesetzlichen Normierung genügend wertungsoffene Elemente einer Generalklausel („Grundlage des Vertrags“, „schwerwiegende Veränderung der Umstände“, „Unzumutbarkeit“, „Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles“) enthält.1926 Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollte in ihr nur das bereits Anerkannte wiedergegeben, 1919

Vgl. MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 17. BT-Drucks. 14/6040, S. 175 li. Sp. 1921 s. bereits U. Huber, in: Gutachten I, S. 747 ff., insb. 751; Diederichsen, AcP 182 (1982), 101, 109, der damals die Kodifikationsreife für nicht gegeben hielt; vgl. ferner auch E. Picker, JZ 2003, 1035, 1045 („Das neue Recht erhebt somit ein dogmatisches Fehlkonstrukt zum Gesetz“), sehr krit. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht S. 162, gegen eine allgemeine Kodifizierung Dauner-Lieb, in: Ernst/ Zimmermann S. 305, 323; P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 192, 199. Positiv wird die Kodifizierung hingegen gesehen von Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 45 („sinnvoll und begrüßenswert“), zust. Bayreuther, Vertragsanpassung S. 19. 1922 P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 192 f., 199 mit einem Formulierungsvorschlag (aaO., S. 193), allenfalls mit Beschränkung auf die „die ‚klassischen‘ Fälle der Äquivalenzstörung“ Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 305, 323, zuvor bereits Krebs, DB 2000, Beil. zu Heft 48, S. 1, 13 f. 1923 P. Härle, Die Äquivalenzstörung S. 192, 199 („hochgradigen Unbestimmtheit“), dort noch zu dem praktisch unverändert gebliebenen § 306 KommE. 1924 So die Kritik von Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 305, 322 f. 1925 BT-Drucks. 14/6040, S. 176 li. Sp. 1926 Vgl. MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 14 f., 17, ferner DaunerLieb/Dötsch, NJW 2003, 921. 1920

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§ 4 Die neue Rechtslage

insbesondere keine Änderung an den Ergebnissen der Rechtsprechung gezeitigt, die bisher gestellten strengen Anforderungen vielmehr unverändert aufrechterhalten werden.1927 Der Nutzen der Kodifizierung wurde vor diesem Hintergrund nicht selten angezweifelt, bisweilen war von „Merkzettel-Gesetzgebung“1928 oder auch „Kodifikation als Lehrbuchzitat“1929 die Rede. Es ist hier nicht die Stelle, allgemein zur Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre Stellung zu nehmen. Jedenfalls hat die Aufnahme einer wenngleich unbestimmten Regelung zumindest gegenüber der noch allgemeineren Generalklausel des § 242 BGB eine gewisse Konkretisierung gebracht.1930 Von der „Länge der Vorschrift und d[er] lehrbuchhafte[n] Ausführlichkeit der Entwurfsbegründung“ sowie der systematischen Verlagerung aus dem Anwendungsbereich des § 242 BGB in den Regelungskomplex betreffend die vertraglichen Schuldverhältnisse dürfte entgegen anders lautender Stimmen in der Literatur1931 kaum eine Aufwertung des Rechtsinstituts oder die Gefahr drohen, den Charakter der Geschäftsgrundlagenlehre als extraordinärer Rechtsbehelf in Gefahr zu bringen.1932 Es dürfte auch nicht zu befürchten stehen, dass Rechtsanwälte von dem Rechtsinstitut vor diesem Hintergrund freudigeren Gebrauch machen und unnötige Prozesse geführt werden. Im Bereich der Rechtsfolgen schafft der Umstand, dass § 313 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Anpassung vorsieht, gegenüber der im früheren Recht herrschenden Meinung,1933 wonach die Anpassung kraft Gesetzes erfolgen sollte, einen konstruktiven Unterschied: Die Anpassung des Vertrags setzt die gerichtliche Durchsetzung des Anpassungsanspruchs voraus. Zur Auflösung des Vertrags ist – insoweit übereinstimmend mit der früheren Rechtspraxis –1934 eine rechtsgestaltende Erklärung (Rücktritt beziehungsweise Kündigung) notwendig (§ 313 Abs. 3 BGB). 1927

BT-Drucks. 14/6040, S. 175 li. Sp., 176 li. Sp. Vgl. Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 305, 328. 1929 s. Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 305, 321, zust. Arnold, in: DaunerLieb/Heidel/Lepa/Ring § 3 Rn. 51, dagegen Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 188 („keine ernst zu nehmende Beurteilung“). 1930 Sehr zurückhaltend Heinrichs, FS Heldrich S. 183, 189 f. 1931 Dezidiert Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann S. 305, 322, vgl. auch dies., JZ 2001, 8, 16 („Ermutigung zu noch kühnerer richterlicher Aktivität“), zust. Christian Hirsch, Kündigung S. 97, 146; ähnl. Feldhahn, NJW 2005, 3381, 3383 („merkliche Aufwertung erfahren“); AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 5, 7; Mittenzwei, FS Jagenburg S. 619, 626, skeptisch auch Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag S. 250. 1932 Ebenso etwa Eidenmüller, JURA 2001, 824, 831, noch weiter gehend als hier Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 31, 45. 1933 s. Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 307 m. Nachw. zur Rspr. des BGH. 1928

D. Verhältnis der einzelnen Regelungen

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2. Prozessuale Ausgestaltung Während das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage nach altem Recht von Amts wegen berücksichtigt wurde,1935 muss sich die Anpassung begehrende Partei fortan auf ihren Anpassungsanspruch im Prozess berufen. Während die Anpassung nach herrschender Ansicht im früheren Recht ipso iure eintreten sollte, das erkennende Gericht mithin nur rechtsfeststellend tätig wurde,1936 wird fortan zumeist1937 eine richterliche Gestaltung angenommen. Insoweit wird der Vorwurf formuliert, dass es methodenehrlicher gewesen wäre, die gerichtliche Gestaltung bereits in der Regelung anzusprechen (so etwa in Art. 6:111 Abs. 3 PECL) und nicht erst in der Gesetzesbegründung.1938 Dass sich der Schuldner im Prozess fortan auf den Einwand der Geschäftsgrundlagenstörung berufen muss, kann ihm für den Fall seiner Säumnis als Beklagter zum Nachteil gereichen, siehe § 331 ZPO. Doch ist auch zu sehen, dass die Parteien im Zivilprozess die relevanten Tatsachen beibringen müssen (Beibringungsgrundsatz); da der klagende Gläubiger jedenfalls in Hinsicht auf eine Geschäftsgrundlagenstörung hierzu keine Notwendigkeit sehen wird, ist der die Anpassung begehrende Schuldner dazu berufen, die den Anpassungsanspruch begründenden Tatsachen vorzutragen.

D. Verhältnis der einzelnen Regelungen I. Verhältnis von § 275 Abs. 1 BGB und §§ 275 Abs. 2, 313 BGB § 275 Abs. 1 BGB einerseits und §§ 275 Abs. 2, 313 BGB andererseits unterscheiden sich bereits tatbestandlich, indem nämlich erstere Vorschrift ausschließlich unüberwindbare Leistungshindernisse erfasst, während letzteren Vorschriften ausschließlich überwindbare Leistungshindernisse unterfallen. Darüber hinaus wäre die mangelnde Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs wegen § 275 Abs. 2 BGB für den Schuldner kaum von Vorteil, wenn dieser Anspruch bereits ipso iure ausgeschlossen ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Entsprechendes gilt für eine etwaige Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB). Überflüssig stellte sich fernerhin eine Rücktritts- oder Kündi1934 s. BGHZ 133, 316, 327 f. (keine ipso iure-Auflösung des Vertrags); BGH, DNotZ 1996, 636, 639. 1935 Z. B. BGHZ 54, 145, 155, zu Einzelheiten Palandt61 /Heinrichs, § 242 Rn. 134. 1936 s. Köhler, FG 50 Jahre BGH Bd. I S. 295, 307 m. Nachw. zur Rspr. des BGH. 1937 Bestr., s. die Nachw. oben in Fn. 1915 (S. 510). 1938 So Riesenhuber, BB 2004, 2697, 2701, ähnl. Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 33.

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§ 4 Die neue Rechtslage

gungsmöglichkeit (§ 313 Abs. 3 BGB) dar. In der Literatur wird nicht selten – etwas unpräzise – formuliert, § 275 Abs. 1 BGB genieße „Vorrang“ im Verhältnis zu § 275 Abs. 21939 beziehungsweise § 313 BGB. Bei Lichte besehen schließen sich § 275 Abs. 1 und §§ 275 Abs. 2, 313 BGB tatbestandlich gegenseitig aus. II. Verhältnis von § 275 Abs. 2 zu § 313 BGB Erheblicher Streit ist indes an dem Verhältnis von § 275 Abs. 2 zu § 313 BGB entbrannt.1940 Dies galt bereits in Hinsicht auf das Verhältnis von § 275 S. 1 KommE und § 306 KommE beziehungsweise § 275 S. 1 DiskE und § 307 DiskE,1941 im weiteren Reformverlauf auch für § 275 Abs. 2 KonsF und § 313 KonsF beziehungsweise § 275 Abs. 2 S. 1, 3 RegE und § 313 RegE. Während im Abschlussbericht (zum KommE) von 1992 und in der Begründung zum DiskE von 2000 noch für ein Vorrang der Anpassung nach der Geschäftsgrundlagenlehre – als gegenüber der Einrede flexiblerer Rechtsfolge – eingetreten wurde,1942 wird in der Begründung zum RegE das Gegenteil propagiert, nämlich der Vorrang des § 275 Abs. 2 BGB.1943 1. Streitstand Zunächst sollen nachfolgend zur Abgrenzung unternommene Versuche dargestellt werden. Im Anschluss daran folgt die Skizzierung des Streitstands in der Literatur hinsichtlich der Frage, wie sich die beiden Normen in ihrem Überschneidungsbereich zueinander verhalten sollen. a) Abgrenzungsversuche In der Gesetzesbegründung wurde der Versuch unternommen, die Abgrenzung von § 275 Abs. 2 und § 313 BGB unter dem Gesichtspunkt unter1939

So z. B. Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 58. Entgegen S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 135 f. kann mitnichten davon gesprochen werden, das Verhältnis des § 275 Abs. 2 zu 313 BGB sei „eindeutig und unzweifelhaft“; ebenso jüngst Staudinger-Eckpfeiler/D. Kaiser (2005), S. 310 mit Fn. 48: „noch ungeklärt“, vgl. ferner die Nachw. in Fn. 1949 (S. 515). 1941 Näher hierzu m. Nachw. oben sub „2. Auseinandersetzung“, S. 118 ff., nach Fn. 118 (S. 122). 1942 Vgl. bezüglich des KommE Abschlußbericht S. 120 und 151 sowie im Hinblick auf den DiskE dessen Begründung, abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 156 und 186. 1943 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 176 re. Sp. 1940

D. Verhältnis der einzelnen Regelungen

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schiedlicher Interessenberücksichtigung vorzunehmen. Sinngemäß heißt es dort, Schuldnerinteressen erführen keinen Schutz durch die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB, die allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers abstelle, sondern nur durch § 313 BGB.1944 Weder lässt sich diese These halten,1945 noch trifft die dort1946 anklingende Behauptung, bei § 313 BGB sei das Verhältnis des schuldnerischen (Leistungs-)Aufwands zum Vertragspreis (Gegenleistung) maßgeblich, zu, denn Äquivalenzstörungen entstehen infolge einer Verschiebung des Verhältnisses des Leistungswerts (wohlgemerkt nicht des Leistungsaufwands) zum Wert der Gegenleistung. Als nicht durchführbar erweist sich weiterhin eine Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Normen mithilfe des Kriteriums schuldnerischen Vertretenmüssens beziehungsweise der Verantwortlichkeit des Schuldners. Unstreitig ist eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen, wenn schuldnerisches Vertretenmüssen vorliegt (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB e contrario). Auch scheidet eine relevante Störung der Geschäftsgrundlage jedenfalls nicht kategorisch aus, wenn der benachteiligte Schuldner die Störung zu verantworten hat. Ebenso erscheint eine Abgrenzung anhand der durch die Normen angeordneten Rechtsfolgen1947 ausgeschlossen, zumal diese nach der vorliegend verfochtenen Meinung ohnedies weitgehend parallel laufen.1948 Teile der Literatur halten eine Abgrenzung der beiden Normen für nicht oder nur bedingt durchführbar.1949 1944 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp., vgl. ferner auch Canaris, JZ 2001, 499, 501 f., 505; Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 42 f., 46. 1945 Zu den Gründen oben sub „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff. 1946 BT-Drucks. 14/6040, S. 130 li. Sp. 1947 Dafür Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 52. 1948 s. zur Auslegung von § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB im vorliegenden Kontext oben sub „a) Unzumutbarkeit der Anpassung, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB“, S. 501 ff. 1949 Vgl. E. Picker, JZ 2003, 1035, 1045 f., der die Differenzierung zwischen „wirtschaftlicher“ und „faktischer Unmöglichkeit“ sowie die Aufteilung auf § 275 Abs. 2 und § 313 BGB bereits gedanklich-dogmatisch für nicht richtig hält (zust. Jauernig11 /Stadler, § 313 Rn. 11), ferner Eidenmüller, JURA 2001, 824, 832; AnwKomm/Dauner-Lieb (2002), § 275 Rn. 8 und AnwKomm/dies. (2005), § 275 Rn. 17 („Grenzen zwischen § 275 und § 313 endgültig verschwimmen“); Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 107, 119 („Die Abgrenzung ist im Detail äußerst schwierig“); Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 52; Oechsler, SBT § 2 Rn. 62 („Problematisch“); J. Wilhelm, JZ 2001, 861, 867 („Gänzlich unabgrenzbar ist die Regelung des § 275 II von [. . .] § 313 RegE“); vgl. auch M. Schultz, in: H. P. Westermann S. 17, 37 f., 41 f., krit. Zimmer, NJW 2002, 1, 11 f. Anders freilich Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5, 15; ders., JZ 2001, 499, 505 (noch zum KonsDiskE).

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§ 4 Die neue Rechtslage

b) Überschneidungsbereich Für den in der Literatur1950 und den Gesetzesmaterialien1951 angenommenen Überschneidungsbereich werden im Wesentlichen die nachfolgend kurz skizzierten Auffassungen vertreten. (1) Vorrang des § 275 Abs. 2 BGB Teile der Literatur1952 wie auch die Gesetzesverfasser1953 postulieren einen (grundsätzlichen) Vorrang des § 275 Abs. 2 vor § 313 BGB. Weil § 275 RegE die Grenzen der Leistungspflichten regle, so die Gesetzesbegründung, gehe § 275 RegE dem § 313 RegE grundsätzlich vor.1954 Die Frage einer Anpassung des Vertrags könne sich nur stellen, wenn der Schuldner nicht schon nach § 275 RegE frei geworden sei. (2) Wahlrecht des Schuldners Andere Stimmen im Schrifttum gehen davon aus, dem Schuldner stehe ein Wahlrecht zwischen § 275 Abs. 2 und § 313 BGB zu Gebote.1955 Nicht 1950 s. etwa MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 19; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit S. 375; Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 151, 153, 161 f.; Staudinger/Löwisch (2004), § 275 Rn. 97; Schwarze, JURA 2002, 73, 78; Zimmer, NJW 2002, 1, 11 f., zurückhaltend Canaris, JZ 2001, 499, 505 („gewisse Berührungspunkte“), ferner auch Hey, in: Beiträge für Canaris zum 65. Geburtstag S. 21, 42 („in Grenzbereichen ineinander übergehen können“). 1951 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 176 re. Sp. 1952 So z. B. Arnold, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 3 Rn. 51; Brox/Walker, SAT31 § 27 Rn. 15; Eckert, SAT Rn. 633; Eidenmüller, JURA 2001, 824, 831; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 54, 58; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht Rn. 399 (und 242); Helm, Wirtschaftliche Leistungserschwerungen S. 174, 181; Kindl, WM 2002, 1313, 1316; AnwKomm/Krebs (2005), § 313 Rn. 13/15 („Grundsatz“); StuKo/Kropholler, § 313 Rn. 1, 3; jurisPK-BGB/Pfeiffer, § 313 Rn. 16; S. Lorenz/Riehm, Rn. 408; Schimmel/Buhlmann/Rögler, Kap. D IV Rn. 18; MünchKomm/G. H. Roth (2003), § 313 Rn. 140; HandKomm/Schulze, § 313 Rn. 7; Schulze/Ebers, JuS 2004, 265, 266, wohl auch Rösler, ZGS 2003, 383, 387 (anders möglicherweise ders., JuS 2004, 1058, 1060), nur ähnl. Schlechtriem, SAT5 Rn. 286 und ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 485 („zunächst“); unklar Bamberger/Roth/Grüneberg (April 2004), § 313 Rn. 22 bei Fn. 43 (einerseits) und bei Fn. 44 (andererseits). 1953 BT-Drucks. 14/6040, S. 176 re. Sp. 1954 Wie vorherige Fn. 1955 Vgl. Henssler/v. Westphalen/Dedek, § 275 Rn. 29; Emmerich, Leistungsstörungsrecht6 § 3 Rn. 68, § 27 Rn. 40 sowie § 28 Rn. 25; MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 23 (unter Verweis auf Comment Nr. 6 zu Art. 6.2.2. PICC, s. hierzu Ernst, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung S. 129, 153 f.); P. Huber/

D. Verhältnis der einzelnen Regelungen

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unerheblich eingeschränkt würde dieses Wahlrecht, könnte der Gläubiger – wie vereinzelt befürwortet – trotz einer Schuldnerbefreiung nach § 275 Abs. 2 BGB Vertragsanpassung verlangen.1956 Zur Begründung wird ausgeführt, § 275 Abs. 2 und § 313 BGB hätten unterschiedliche Voraussetzungen, konkurrierten daher frei miteinander.1957 Gegen einen Vorrang von § 275 Abs. 2 BGB spreche vor allem, dass es dem Schuldner, dem es gelänge, Umstände zur Geschäftsgrundlage zu machen, nicht zum Nachteil gereichen solle, dass gleichzeitig die Voraussetzungen eines Leistungsverweigerungsrechts aus § 275 Abs. 2 BGB begründet seien.1958 Nicht ganz klar wird dabei die offenbar zugrunde gelegte Prämisse, inwiefern der Schuldner steuern kann, dass bestimmte Umstände zur Geschäftsgrundlage – mithin nicht zum Vertragsinhalt – werden. (3) Vorrang der Geschäftsgrundlagenlehre Lediglich eine Mindermeinung im Schrifttum spricht sich für einen Vorrang der Vertragsanpassung nach der Geschäftsgrundlagenlehre aus.1959 Ein solcher Vorrang wird angenommen, soweit die Anpassung des Vertrags möglich und zumutbar ist. § 313 BGB enthalte eine SpezialbeFaust, Kap. 2 Rn. 79; Christian Hirsch, Kündigung S. 174; Klausch, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit S. 120; Löhnig, ZGS 2005, 459, 460 mit Fn. 13; Staudinger/ Löwisch (2004), § 275 Rn. 97 (zust. Henckel, JZ 2005, 606, 608); Schwarze, JURA 2002, 73, 78; Windel, ZGS 2003, 466, 471 f., wohl auch Hj. Otto, JURA 2002, 1, 5; nur für Leistungserschwerungen, die nicht als Äquivalenzstörungen eingeordnet werden können, Palandt65 /Heinrichs, § 275 Rn. 29. 1956 Dafür möglicherweise Hj. Otto, JURA 2002, 1, 5, wo indes nicht ganz klar wird („auch“), ob das Vertragsanpassungsbegehren des Gläubigers voraussetzt, dass dieser durch entsprechende Kostenübernahme zunächst das „grobe Missverhältnis“ ausräumt; vgl. auch Schlechtriem, SAT5 Rn. 286, ebenso ders./Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 485, denen zufolge im Falle möglicher Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 2 BGB beide Seiten Vertragsanpassung nach § 313 BGB verlangen können, „welche die Voraussetzungen der Einrede nach § 275 II regelmäßig beseitigen wird. § 313 [sei] daher geeignet, die Regelung des § 275 (auch von Abs. I!) zu überspielen.“. 1957 s. P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 79. 1958 So P. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 79. 1959 A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 351, 354, ähnl. Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/ Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 52; Mittenzwei, FS Jagenburg S. 619, 629 (der jedoch annimmt, der Wortlaut des § 275 Abs. 2 BGB lasse es zu, alle Fälle der „unzumutbaren Leistungserschwernis“ zu erfassen, aaO., S. 628), wohl auch Erman11 / Hohloch, § 313 Rn. 313 und jurisPK-BGB/Alpmann, § 275 Rn. 34; nach Palandt65 / Heinrichs, § 275 Rn. 29 ist – soweit es um Äquivalenzstörungen geht – § 313 BGB die speziellere, § 275 Abs. 2 BGB verdrängende Norm. Gegen einen Vorrang des § 313 BGB Harke, in: Jb. J. ZivRWiss. 2001 S. 29, 57 mit Fn. 123, ferner auch MünchKomm/Ernst (2003), § 275 Rn. 23 mit Fn. 30.

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§ 4 Die neue Rechtslage

stimmung für Leistungsstörungen in vertraglichen1960 Austauschverhältnissen.1961 Das Konkurrenzverhältnis der Normen sei unter Betrachtung der Rechtsfolgen zu bestimmen;1962 die Vorschriften wiesen weitgehend deckungsgleiche tatbestandliche Voraussetzungen1963 auf. Der Grundsatz pacta sunt servanda gebiete, dass § 313 BGB stets Vorrang habe, da er die Aufrechterhaltung des Schuldverhältnisses ermögliche.1964 Gegen diese Ansicht wird eingewendet, der Schuldner solle sein Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 2 BGB nicht verlieren, weil es ihm gelang, gleichzeitig Umstände zur Geschäftsgrundlage zu machen.1965 Die referierte Ansicht berücksichtigt vor allem nicht hinreichend, dass eine Aufrechterhaltung des Vertrags auch im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB möglich ist, indem der Gläubiger freiwillig einen Teil des Mehraufwands übernimmt.1966 Dem Gläubiger eine solche Kostenübernahme aufzuoktroyieren, sollte auch im Rahmen der Anpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) im Grundsatz ausgeschlossen sein.1967 2. Eigener Ansatz Die Frage des Vorrangs eines Rechts beziehungsweise der wahlweisen Geltendmachung beider Rechte stellt sich praktisch kaum, da ein Überschneidungsbereich nahezu ausgeschlossen ist.1968 a) Die Unterschiede zwischen § 275 Abs. 2 und § 313 BGB Vom Boden der Konzeption zur Primärpflichtbestimmung, wie sie in der vorliegenden Untersuchung entwickelt wurde, lassen sich folgende Grund1960 s. § 313 Abs. 1 BGB: „Umstände, die zur Grundlage des Vertrags wurden“ (Hervorheb. nicht im Original). 1961 A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 350. 1962 A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 351, 354, ferner Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/ Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 52. 1963 So A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 351. 1964 s. A. Schlüter, ZGS 2003, 346, 351; deutlich zurückhaltender Haas/Medicus/ Rolland/Schäfer/Wendtland/Medicus, Kap. 3 Rn. 52: „Wo eine solche Vertragsanpassung sinnvoll ist, sollte man also den § 313 eher in Erwägung ziehen.“ (Hervorheb. jew. nicht im Original). 1965 s. zur Kritik an diesem Argument jedoch bereits zuvor im Text nach Fn. 1958 (S. 517). 1966 Näher oben sub „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff. 1967 s. ausf. oben sub „a) Unzumutbarkeit der Anpassung, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB“, S. 501 ff. 1968 Hierzu sogleich sub „b) Bestehen eines Überschneidungsbereichs?“, S. 520.

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sätze zusammenfassen: § 275 Abs. 2 und § 313 BGB liegen völlig unterschiedliche Perspektiven zugrunde. Während § 275 Abs. 2 BGB das Verhältnis von schuldnerischem Leistungsaufwand und gläubigerseitigem Leistungsinteresse in den Blick nimmt, ist für § 313 BGB die Verschiebung der Äquivalenz vom Wert der Leistung und dem Wert der Gegenleistung ausschlaggebend.1969 § 313 BGB wird damit auf die für die Geschäftsgrundlagenlehre relevanten Äquivalenzstörungen zurückgeführt, die in den vorliegend interessierenden Fallkonstellationen im Kontext von Leistungshindernissen stehen; Mehraufwand, dessen Aufbringung nicht zu einer Erhöhung des Leistungswerts führt, hat mit Ausnahme des Stückkaufs1970 allenfalls ergänzend Berücksichtigung zu finden. Daraus lässt sich folgender schlagwortartiger Satz ableiten: § 275 Abs. 2 BGB ist das geeignete Instrument für leistungshindernisbedingten Mehraufwand, dessen Aufbringung nicht zu einer Erhöhung des Leistungswerts führt, sondern schlicht den individuellen Schuldner belastet; dagegen erfasst § 313 BGB diejenigen Fälle, in denen die Tätigung des Mehraufwands zu einer Steigerung des Leistungswerts, mithin zu einer Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu Ungunsten des Schuldners führt. Regelmäßig verursachen Leistungshindernisse entweder die eine oder aber die andere Art von Mehraufwand. Ein Abgrenzungsproblem entsteht insoweit nicht, da entweder der Tatbestand der einen oder der anderen Norm in Betracht kommt. Leistungshindernisse, die beim Stückkauf auftreten, unterfallen in den allermeisten Fällen § 275 Abs. 2 BGB, während § 313 BGB insoweit nur in Betracht kommt, wenn ein Leistungshindernis und ein erheblicher (kurzfristiger) Anstieg des Leistungswerts zufälligerweise einmal kumulativ auftreten sollten. Sehr viel wahrscheinlicher ist Letzteres beim Gattungskauf. In der Regel liegt dort das überwindbare Leistungshindernis (die „Leistungserschwernis“) darin, dass der Marktpreis für die typischerweise vom Verkäufer zu beschaffende Ware ansteigt. Verteuert sich die Beschaffung aber generell („objektiv“), kann dadurch bei unverändertem Kaufpreis eine schwere Äquivalenzstörung (§ 313 BGB) eintreten. Auf § 275 Abs. 2 BGB vermag allenfalls dann zurückgegriffen zu werden, wenn der Marktpreis der zu liefernden Ware nicht ansteigt, die Beschaffung vielmehr nur für den konkreten Schuldner besonders aufwendig ist („subjektive Beschaffungsschwierigkeit“). 1969

Anders und z. T. unpräzise etwa S. Lorenz/Riehm, Rn. 408, zutreffend demgegenüber jetzt S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005 S. 5, 135 f. Unrichtig jüngst Schmidt-Recla, FS Laufs S. 641, 668: das „tatbestandliche Instrumentarium“ des § 275 Abs. 2 BGB unterscheide sich nicht von dem des § 313 BGB, es gehe in beiden Fällen um eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls. 1970 s. oben sub „c) Besonderheiten beim Stückkauf“, S. 498 ff.

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§ 4 Die neue Rechtslage

b) Bestehen eines Überschneidungsbereichs? Führt man § 313 BGB auf die für die Geschäftsgrundlagenlehre charakteristischen Äquivalenzstörungen zurück,1971 erscheint vor dem Hintergrund des Gesagten ein Überschneidungsbereich kaum ersichtlich. Es kann insoweit nur um ausgesprochene Extremfälle gehen, in denen der Mehraufwand so extrem hoch ist, dass er gleichzeitig beide für § 275 Abs. 2 BGB (grobes Missverhältnis) und § 313 BGB (schwere Äquivalenzstörung) relevanten Verhältnisse aus dem Lot zu bringen vermag. Dies ist vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil eine für § 313 BGB notwendige Erhöhung des Leistungswerts dem Entstehen eines groben Missverhältnisses (§ 275 Abs. 2 BGB) zuwiderläuft.1972 Sollte ein solcher Ausnahmefall gleichwohl einmal auftreten, hat der Schuldner die Wahl: Er kann sich entweder auf die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB berufen oder den Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB einredeweise geltend machen. Insistiert der Gläubiger gleichwohl auf einer Leistungserbringung, kann er demnach gehalten sein, einen Geldbetrag in einer Höhe anzubieten beziehungsweise aufzubringen, der es ermöglicht, sowohl im Wege der Aufwandsminderung das grobe Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB auszuräumen1973 als auch, wenn dem Schuldner auch ein Anpassungsanspruch zusteht, – zugleich, jedoch nicht kumulativ – die Gegenleistung in einer Weise zu erhöhen, die den Anforderungen einer angemessenen Anpassung i. S. von § 313 Abs. 1 BGB gerecht wird, das heißt eine schwere Äquivalenzstörung zu beheben geeignet ist. c) Erfassung von „Mischfällen“ Weitaus interessanter ist demgegenüber die Frage, wie sich so genannte „Mischfälle“ erfassen lassen.1974 Es wurde bereits dargelegt, dass zu diesem Zwecke im Rahmen von § 313 BGB neben der dort im Vordergrund stehenden Äquivalenzstörung – wenngleich nur ergänzend – auch der Mehraufwand Berücksichtigung finden kann, der lediglich den konkreten Schuldner belastet, dessen Aufbringung jedoch nicht mit einer Steigerung des Leistungswerts korrespondiert.1975 Für den Spezieskauf ist zugunsten des schuld1971 Vgl. jedoch zum Stückkauf oben sub „c) Besonderheiten beim Stückkauf“, S. 498 ff. 1972 Dazu bereits oben sub „b) ‚Mischfälle‘“, S. 496 ff. 1973 Offenbar abw. – für den Regelfall – Schlechtriem, SAT5 Rn. 286; ders./ Schmidt-Kessel, SAT6 Rn. 485, unklar Hj. Otto, JURA 2002, 1, 5, näher bereits oben mit Fn. 1956 (S. 517). 1974 Zu ihnen bereits oben sub „b) ‚Mischfälle‘“, S. 496 ff. 1975 s. vorige Fn.

D. Verhältnis der einzelnen Regelungen

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losen Verkäufers zudem zu beachten, dass sich dort die Notwendigkeit einer (Wieder-)Beschaffung bereits als atypisch darstellt. d) Interessenberücksichtigung Die in den Gesetzesmaterialien aufgestellte These, § 275 Abs. 2 BGB nehme die Interessen des Schuldners nicht in den Blick, wurde bereits widerlegt.1976 Als unzutreffend hat sich weiterhin auch die dort anklingende Behauptung erwiesen, bei § 313 BGB sei das Verhältnis des schuldnerischen (Leistungs-)Aufwands zum Vertragspreis (Gegenleistung) maßgeblich. Wie gesehen, geht es bei Äquivalenzstörungen um die Verschiebung des Verhältnisses des Leistungswerts (wohlgemerkt nicht des Leistungsaufwands) zum Wert der Gegenleistung. Richtig ist, dass sowohl bei § 275 Abs. 2 BGB als auch im Falle des § 313 BGB jeweils die Interessen von Schuldner und Gläubiger Berücksichtigung finden, wenngleich beiden Normen ganz unterschiedliche Perspektiven zugrunde liegen. Bei § 275 Abs. 2 BGB geht es für den Schuldner vor allem um sein – in der Größe des Leistungsaufwands verkörpertes – Interesse, möglichst wenig Aufwand betreiben zu müssen; dem steht das Interesse des Gläubigers am Erhalt der Naturalleistung gegenüber. § 313 BGB rückt das Augenmerk in erster Linie auf die Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses. Es geht aus Sicht des Schuldners darum, sein Interesse am Ausbleiben eines inäquivalenten Leistungsaustauschs zu schützen, für den Gläubiger dagegen darum, Wertsteigerungen im Grundsatz unbeachtet zu lassen; in „Mischfällen“ tritt auf Seiten des Stückverkäufers der Gesichtspunkt hinzu, durch leistungshindernisbedingten Mehraufwand nicht allzu stark belastet zu werden. III. Bewertung Die in den Gesetzesmaterialien angeregte Abgrenzung von § 275 Abs. 2 und § 313 BGB lässt sich nicht durchführen, da sie von unzutreffenden Prämissen ausgeht. Dagegen lässt sich das Verhältnis der beiden Normen vom Boden der hier entwickelten Konzeption erklären. Im Grundsatz unterfallen Sachverhalte entweder § 275 Abs. 2 oder § 313 BGB. Ein Überschneidungsbereich wird praktisch kaum vorkommen. „Mischfälle“ lassen sich mithilfe von § 313 BGB einer sachgerechten Lösung zuführen.

1976 Ausf. oben sub „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff.

§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Für die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten wird zwischen unüberwindbaren und überwindbaren Leistungshindernissen unterschieden. Die Feststellung der Überwindbarkeit eines Leistungshindernisses wirft eine tatsächliche Frage auf, die (praktisch)1 frei von Wertungen zu beantworten ist. Nur wenn die Überwindbarkeit bejaht werden kann, mithin ein überwindbares Hindernis gegeben ist, stellt sich die gleichsam nachgelagerte rechtliche Wertungsfrage, ob dem Schuldner die Beseitigung des Hindernisses abverlangt werden kann und er ungeachtet des bestehenden Hindernisses zur Primärleistung verpflichtet bleibt. Für die Feststellung der Unüberwindbarkeit eines Leistungshindernisses ist auf die Naturgesetze, die Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik, die Logik und die geltende Rechtsordnung zu rekurrieren.2 Demgegenüber bleiben Wertungselemente außer Betracht; insbesondere ist die Höhe des Aufwands, den die Beseitigung eines Hindernisses erfordert, ohne Relevanz.3

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB 2. § 275 Abs. 1 BGB erfasst ausschließlich unüberwindbare Leistungshindernisse. Nur sie begründen Unmöglichkeit; klarstellend kann man von wirklicher Unmöglichkeit sprechen.4 3. Tatbestandlich unterscheidet § 275 Abs. 1 BGB zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit. 1

Zu gewissen Einschränkungen vgl. „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff., bei Fn. 52 f. (S. 137) sowie „b) Wertungsfreiheit des Begriffs – Unmöglichkeit im wirklichen Sinne“, S. 142 ff., bei Fn. 92 ff. (S. 143 f.). 2 Vgl. „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff. 3 Wie vorherige Fn. sowie auch „b) Wertungsfreiheit des Begriffs – Unmöglichkeit im wirklichen Sinne“, S. 142 ff. 4 s. hierzu „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff., vgl. zu Änderungen in den Begrifflichkeiten auch „1. Neuerungen bei den Begriffen sowie deren Verständnis“, S. 168 ff.

A. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 1 BGB

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Die Leistung ist objektiv unmöglich, wenn sie niemand erbringen kann. Die frühere „faktische Unmöglichkeit“ ist darunter nicht zu subsumieren, da insoweit kein unüberwindbares Hindernis vorliegt und daher auch in diesen Fällen eine – wenngleich rasch beantwortbare – Wertungsfrage aufgeworfen wird.5 Ist die Sache abhanden gekommen,6 liegt keine objektive Unmöglichkeit vor, da die (Wieder-)Beschaffung in solchen Fällen nicht im wirklichen Sinne unmöglich ist.7 Subjektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner zur Leistung außerstande ist, sie aber von einem Dritten oder unter Mitwirkung eines Dritten erbracht werden könnte.8 Die Möglichkeit des Schuldners zur Überwindung des Hindernisses schließt subjektive Unmöglichkeit aus. Dem Verkäufer ist die Leistung daher nicht subjektiv unmöglich, wenn er den Leistungsgegenstand (wieder-)beschaffen kann. Im Unterschied zum früheren Unvermögen, das Teile der Literatur normativ verstanden,9 wird der Begriff subjektiver Unmöglichkeit nicht mit Wertungsgesichtspunkten angereichert.10 Ist der Leistungsgegenstand gestohlen worden, liegt keine subjektive Unmöglichkeit vor, da die (Wieder-)Beschaffung in diesen Fällen nicht im wirklichen Sinne unmöglich ist.11 4. § 275 Abs. 1 BGB erfasst nunmehr sämtliche Arten (wirklicher) Unmöglichkeit samt der mannigfachen Kombinationsmöglichkeiten:12 neben der objektiven (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) und subjektiven (§ 275 Abs. 1 Fall 1 BGB), die anfängliche und nachträgliche,13 die vom Schuldner zu vertretende und nicht zu vertretende,14 die vollständige 5 s. „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff. 6 Für den Fall des Diebstahls scheidet objektive Unmöglichkeit von vornherein aus, zur Frage subjektiver Unmöglichkeit in diesem Fall vgl. sogleich bei Fn. 11 (S. 523). 7 Hierzu „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff. 8 Hierzu sowie zum Folgenden „a) Enges Verständnis subjektiver Unmöglichkeit – Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 140 f. 9 s. „b) Enger Unvermögensbegriff“, S. 64 f. 10 s. „b) Wertungsfreiheit des Begriffs – Unmöglichkeit im wirklichen Sinne“, S. 142 ff. 11 Wie vorherige Fn. 12 Hierzu auch „1. Überblick über die erfassten Fallgruppen der Unmöglichkeit“, S. 130 f. sowie „3. Erfassung weiterer Fallgruppen der Unmöglichkeit“, S. 171 ff. 13 Zur zeitlichen Dauer der Unmöglichkeit sogleich sub 5 (S. 524). 14 Bei vertragsanfänglicher Unmöglichkeit auch die Fälle, in denen der Schuldner das Hindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine Unkenntnis zu vertreten hat (vgl. den § 311a Abs. 2 S. 2 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken), vgl. zum Ganzen oben „2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 131 ff. sowie „2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 171.

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§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

und teilweise beziehungsweise qualitative Unmöglichkeit („soweit“) sowie ferner die physische, zeitliche und juristische Unmöglichkeit. 5. In Hinsicht auf die Dauer der Unmöglichkeit lässt sich zwischen endgültiger und zeitweiliger Unmöglichkeit differenzieren.15 Endgültigkeit in diesem Sinne liegt nur vor, wenn sich mit Sicherheit und ohne Rückgriff auf rechtliche Wertungen feststellen lässt, dass eine bestehende Unmöglichkeit zu keiner Zeit in der Zukunft entfallen beziehungsweise behoben werden kann.16 Unter den Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB ist neben der endgültigen auch die zeitweilige Unmöglichkeit zu fassen.17 In Fortführung der früheren Rechtsprechung kann die zeitweilige Unmöglichkeit aus Wertungsgesichtspunkten einer endgültigen Unmöglichkeit gleichgestellt werden.18 Entfällt das Hindernis wider Erwarten frühzeitig, lebt der Anspruch nicht automatisch wieder auf; indes kann sich aus § 242 BGB im Einzelfall eine Pflicht zum Neuabschluss ergeben.19 6. Ist die Leistung unmöglich, erlischt der Erfüllungsanspruch ipso iure nach § 275 Abs. 1 BGB.20 Besteht die Unmöglichkeit bereits bei Vertragsschluss, ist der Vertrag zwar nach § 311a Abs. 1 BGB wirksam, gleichwohl erlischt der Erfüllungsanspruch eine juristische Sekunde nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses.21 7. Während der Erfüllungsanspruch bei endgültiger Unmöglichkeit erlischt, ist dieser im Falle zeitweiliger Unmöglichkeit lediglich gehemmt, das heißt er ist vorübergehend nicht durchsetzbar.22 8. § 275 Abs. 1 BGB gewährt dem Schuldner eine Einwendung, die im Prozess von Amts wegen zu prüfen ist.23 Klagt der Gläubiger auf Naturalerfüllung, trägt der Schuldner für das Vorliegen der Unmöglichkeit die Darlegungs- und Beweislast,24 bei der Schadensersatzklage dagegen 15

Vgl. „5. Das Zeitmoment“, S. 145 ff. s. „5. Das Zeitmoment“, S. 145 ff., insb. „a) Endgültige Unmöglichkeit“, S. 147 f. 17 s. „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff., vgl. jedoch zur eintretenden Rechtsfolge sogleich sub 7 (S. 524). 18 Hierzu im Einzelnen „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. 19 Wie vorherige Fn. 20 s. „1. Ausschluss des Erfüllungsanspruch“, S. 153 ff. 21 s. vorige Fn. sowie unter dem Gesichtspunkt der Pflichtverletzung i. S. von §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 283 S. 1 BGB sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 22 Hierzu „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 148 ff. sowie „2. Das Zeitmoment“, S. 157 f. 23 s. „IV. Prozessuales“, S. 158. 24 Vgl. „a) Beweiserhebung über die Unmöglichkeit“, S. 158 f. 16

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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der Gläubiger25. An der im früheren Recht praktizierten prozessualen Behandlung der Unmöglichkeit ist nicht festzuhalten.26 Fortan wird der Schuldner vielmehr auch dann mit dem Unmöglichkeitseinwand gehört, wenn er die (nachträgliche) Unmöglichkeit zu vertreten hat beziehungsweise eine vertragsanfängliche Unmöglichkeit bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat.27 9. Im Falle zeitweiliger Unmöglichkeit ist die Klage als zurzeit unbegründet abzuweisen.28 Damit geht eine eingeschränkte Rechtskraftwirkung einher (vergleiche § 322 Abs. 1 ZPO). Unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO kommt eine Umstellung der Klage nach § 264 Nr. 2 ZPO auf zukünftige Leistung in Betracht. Tritt Unmöglichkeit der Leistung dagegen nachprozessual ein, kann sie der zur Erfüllung verurteilte Schuldner nach Maßgabe des § 767 Abs. 1, 2 ZPO im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend machen.29

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB 10. Für eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB kommen in Abgrenzung zu § 275 Abs. 1 BGB ausschließlich überwindbare Leistungshindernisse in Betracht. 11. Man kann bei § 275 Abs. 2 BGB zwei Fallgruppen von Leistungshindernissen unterscheiden: für jedermann („objektiv“) aufwendig zu beseitigende Hindernisse sowie solche Hindernisse, die gerade für den Schuldner („subjektiv“) aufwandsintensiv auszuräumen sind, da dieser zur Leistungserbringung zunächst die Kooperationsbereitschaft eines Dritten erkaufen muss.30 Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, die Befreiungsschwelle für beide Fallgruppen nicht unterschiedlich hoch anzusiedeln.31 Daneben erfasst § 275 Abs. 2 BGB die zur Unmöglichkeit aufgezählten Arten von Leistungshindernissen.32 25 Zu einer Erleichterung im Falle subjektiver Unmöglichkeit „b) Annex: Indizierung der subjektiven Unmöglichkeit“, S. 163 f. 26 s. ausf. „(1) Übertragung der früheren Rechtsprechung auf das neue Recht?“, S. 160 ff. 27 Wie vorherige Fn. 28 Hierzu und zum Folgenden „b) Zeitweilige Unmöglichkeit“, S. 165 ff. 29 Dazu inzident „a) Zeitweiliges Missverhältnis i. S. des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 432 ff., bei Fn. 1566 (S. 436 f.). 30 Vgl. hierzu „a) Interessenbewertung durch die Entwurfsbegründung“, S. 175 ff. 31 s. „(1) Die ‚zwei unterschiedlichen Fallgruppen‘ und das Gleichbehandlungsgebot“, S. 179 f. 32 s. oben sub 4 (S. 523 f.).

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12. Weit wichtiger als die Einteilung in die genannten Fallgruppen ist die strikte Trennung zweier Regelungsprobleme, deren Lösung § 275 Abs. 2 BGB überantwortet ist. Das maßgebliche Differenzierungskriterium ist, ob der Schuldner für den Fall einer Befreiung von seiner Primärpflicht einer sekundären Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 S. 1 beziehungsweise § 311a Abs. 2 BGB unterläge.33 Eine solche Haftung wäre (hypothetisch) begründet, wenn der Schuldner das (nachträgliche) Leistungshindernis zu vertreten hat, ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat.34 Nur soweit diese sekundäre Schadensersatzhaftung des Schuldners bestünde, geht es – in Überstimmung mit dem in den Gesetzesmaterialien bemühten und vom BGH unter Geltung des früheren Rechts entwickelten „allgemeinen Rechtsgedanken“ – um die Frage, ob der Gläubiger angesichts des hohen Leistungsaufwands statt der Naturalleistung ausnahmsweise nur Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann (Stichwort: „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“).35 Für solche Fälle konkretisiert § 275 Abs. 2 BGB das aus § 242 BGB folgende allgemeine Verbot des Rechtsmissbrauchs.36 Unterläge der Schuldner hingegen für den Fall der Befreiung von seiner Primärpflicht keiner sekundären Schadensersatzhaftung, da er das (nachträgliche) Leistungshindernis nicht zu vertreten hat beziehungsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss weder kannte noch seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, wird bei der Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB im Ergebnis über „Alles-oder-Nichts“ entschieden (Stichwort: „Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“).37 Wird der Schuldner nämlich nach § 275 Abs. 2 BGB befreit, ist er vollständig frei, während der Gläubiger praktisch mit leeren Händen dasteht. Für diese gesondert zu behandelnde Proble33 Eingehend hierzu „(2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 222 ff., „(3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 224 ff., „(1) Dichotome Konzeptionen“, S. 349 f. sowie „(1) Ausgangspunkt: Unterscheidung zweier Regelungsprobleme“, S. 377 f. 34 Einzelheiten zu Sekundärhaftung sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. sowie „(e) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 338. 35 Zur Analyse der Rechtsprechung des BGH vgl. sub „(1) Vertraglicher Erfüllungsanspruch – Entwicklung des ‚allgemeinen Rechtsgedankens‘“, S. 191 ff., zum Vergleich mit § 275 Abs. 2 BGB „(2) Verwandtschaft mit den Fällen schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 222 ff. 36 s. „1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB“, S. 243 ff. 37 Ausf. hierzu „(3) Gegenüberstellung mit den Fällen mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 224 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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matik vermag der „allgemeine Rechtsgedanke“ (BGH) nicht als Vorbild für § 275 Abs. 2 BGB zu dienen.38 Immaterielle Leistungsinteressen des Gläubigers nehmen eine Sonderstellung ein, da sie ausschließlich im Wege der Naturalerfüllung (beziehungsweise einer gläubigerseitigen Naturalrestitution)39 zu befriedigen sind, auf Sekundärebene im Wege der Geldentschädigung dagegen generell keinen Schutz erfahren (§ 253 BGB).40 Für solche Interessen rückt der Aspekt der Zumutbarkeit in den Vordergrund, der maßgeblich durch den Umstand schuldnerischen Vertretenmüssens bestimmt wird.41 13. Nach § 275 Abs. 2 BGB wird die Reichweite der Erfüllungspflicht, insbesondere die dem Grunde nach gegebene Beschaffungspflicht des Stückverkäufers, ermittelt. Entgegen dem zu zurückhaltenden Wortlaut des § 275 Abs. 2 S. 1 BGB („unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses“) kommt dem Inhalt des Schuldverhältnisses zentrale Bedeutung für die Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB zu.42 Für eine ergänzende Vertragsauslegung ist aufgrund der dispositiven Gesetzesnorm des § 275 Abs. 2 BGB kein Raum.43 14. Der für § 275 Abs. 2 BGB relevante Leistungsaufwand, der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess zu bestimmen ist,44 umfasst den gesamten45 Leistungsaufwand. Dieser setzt sich zusammen aus dem ohne ein Leistungshindernis notwendigen Normalaufwand und dem durch ein (oder mehrere) Leistungshindernis(se) bedingten Mehraufwand.46 Immaterielle Nachteile des Schuldners können im Einzelfall als Anstrengungen (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB) Berücksichtigung finden.47 Darüber hinaus zählen zum Aufwand auch solche Maßnahmen, die sich zwar ex post als nicht erforderlich herausstellen, deren Vornahme der Schuldner aber zum Zeitpunkt der Vornahme (ex ante-Sicht) bei Beachtung der sich aus dem konkreten Schuldverhältnis ergebenden Sorgfalt 38

Wie vorherige Fn. Zu ihr ausf. „2. Naturalrestitution durch den Gläubiger bei durchsetzbarem Erfüllungsanspruch“, S. 460 ff. 40 Vgl. vor allem „(c) In Sonderheit: Immaterielles Leistungsinteresse“, S. 234 f. 41 Wie vorherige Fn. 42 s. „c) Das Schuldverhältnis als Ausgangspunkt“, S. 251 f. sowie „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff. 43 s. hierzu „a) Die geschuldete Leistung“, S. 246 f. und vor allem „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff. 44 s. „(1) Maßgeblicher Bestimmungszeitpunkt“, S. 257. 45 s. „(2) Gesamtaufwand“, S. 257 ff. 46 s. „(2) Distinktion ‚Normalaufwand‘ und ‚Mehraufwand‘“, S. 256. 47 Ausf. hierzu „(2) Schutz immaterieller Interessen des Schuldners“, S. 276 ff. 39

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für erforderlich halten durfte.48 Die Bestimmung von Aufwand und Anstrengungen einer Leistungserbringung für den Schuldner hat auf Grundlage einer konkret-individuellen Betrachtungsweise zu erfolgen.49 Dies gilt im Besonderen für die wertmäßige Erfassung von Tätigkeiten, aber auch für die Bestimmung des Normalaufwands.50 15. Erleidet der Leistungsgegenstand eine Wertminderung, etwa indem er dem Schuldner abhanden kommt, ist der zur Wiederbeschaffung erforderliche Aufwand nur insoweit als Mehraufwand zu berücksichtigen, als er den Normalaufwand übersteigt.51 Dies gilt nur, wenn sich der Schuldner durch die Leistungserbringung eine Gegenleistung sichern kann; bei nicht-synallagmatischen Verträgen besteht der Leistungsaufwand daher aus der Summe von Normalaufwand (dem Sachwert beziehungsweise dem individuellen Beschaffungsaufwand des Schuldners) und dem vollen Wiederbeschaffungsaufwand.52 Eine entsprechende Bestimmungsweise ist in Fällen vorzunehmen, in denen der Verkäufer seinerseits wegen § 935 Abs. 1 S. 1 BGB kein Eigentum an der dem wahren Eigentümer abhanden gekommenen Sache erwerben konnte und daher zum Zwecke der Leistungserbringung (Eigentumsverschaffung) insoweit Mehraufwand betreiben muss, als er sich die Kooperationsbereitschaft des wahren Eigentümers zu erkaufen hat.53 16. Keine Berücksichtigung findet bei der Aufwandsbestimmung der Umstand, dass die wirtschaftliche Existenz des Schuldners durch eine Leistungserbringung gefährdet würde.54 Es gilt das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung.55 17. Muss der Schuldner zur Leistungserbringung Geschäfte, die er hinsichtlich des geschuldeten Leistungsgegenstands mit einem Dritten vorgenommen hat, rückabwickeln, zählt eine daraus resultierende Gewinnein48

s. „(3) Erforderlichkeit des Aufwands“, S. 259 f. Hierzu „(6) Konkret-individuelle Aufwandsbestimmung am Beispiel der Planungskonformität“, S. 262 ff. 50 Vgl. zu Letzterem sub „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff., nach Fn. 689 (S. 267), zu Tätigkeiten auch noch „(5) Tätigkeiten“, S. 261. 51 Eingehend hierzu „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff. 52 Dazu „(2) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 267 ff. sowie – mit illustrierenden Fallbeispielen – auch „(6) Fallbeispiele zum Sachkauf“, S. 412 ff. ( passim), „(b) Nicht-synallagmatische Stückschulden“, S. 428 f. und „(c) Schenkungsvertrag“, S. 429 ff. 53 Vgl. mit weiteren Differenzierungen „(3) In Sonderheit: Eigentumsmangel“, S. 272 ff. sowie „(b) Eigentumsmangel (Verkauf von dem wahren Eigentümer gestohlenen Sachen)“, S. 415 ff. 54 s. „(1) Einstehenmüssen für die finanzielle Leistungsfähigkeit – Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners“, S. 275 f. 55 Wie vorige Fn. 49

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buße nicht zum relevanten Leistungsaufwand; entgegengesetzt ist zu entscheiden, soweit der Schuldner bei Vornahme des Drittgeschäfts gegenüber dem Gläubiger noch nicht vertraglich gebunden war.56 Vorstehendes gilt für so genannte Opportunitätskosten entsprechend.57 18. Der Erhalt der Gegenleistung sowie das etwaige Bestehen eines Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung bleiben bei der Bestimmung des Aufwands wie auch des Leistungsinteresses außer Betracht.58 19. In dem § 275 Abs. 2 BGB zugrunde liegenden Normalfall lassen sich Leistungshindernisse bei Aufbringung eines bestimmten Aufwands mit Gewissheit ausräumen.59 Dagegen stellen sich Leistungsbemühungen in Sonderfällen entweder bereits aus ex ante-Sicht (Ende der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung) nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als erfolgversprechend dar60 oder sie stellen sich ex post als erfolglos heraus61. Die zuerst genannten Sonderfälle machen eine modifizierte Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB erforderlich: Der lediglich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führende Aufwand muss zu demjenigen Interesse des Gläubigers ins Verhältnis gesetzt werden, das dem fiktiven vollen Leistungsinteresse in Höhe der Erfolgswahrscheinlichkeit entspricht; der Schuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Misserfolgswahrscheinlichkeit.62 Gelingt ihm dieser Beweis nicht oder stellt sich der Misserfolg erst ex post heraus, trägt der Schuldner das Risiko erfolgloser Leistungsbemühungen beziehungsweise deren tatsächliche Kosten.63 20. Fallkonstellationen, in denen bereits ohne ein Leistungshindernis eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Normalaufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse gegeben ist, treten praktisch nicht auf; so sie ausnahmsweise doch einmal vorkommen, vermag ihnen mithilfe von § 242 BGB beigekommen zu werden.64 56

s. „(a) Einbuße von Gewinn aus Geschäften mit Dritten“, S. 282 ff. s. „(b) Opportunitätskosten“, S. 285 f. 58 s. „e) Weitere Modalitäten der Aufwandsbestimmung“, S. 286 ff. und „c) Weitere Modalitäten der Interessebestimmung“, S. 307 f. 59 s. „a) Erfolglose Leistungsbemühungen – Behandlung des Misserfolgsrisikos“, S. 438 ff. 60 s. „(1) Ex ante ungewisser Erfolg“, S. 439 ff. 61 Dazu „(2) Nichteintritt eines ex ante gewissen Erfolgs“, S. 447 f. 62 Eingehend „(1) Ex ante ungewisser Erfolg“, S. 439 ff. 63 Hierzu „(2) Nichteintritt eines ex ante gewissen Erfolgs“, S. 447 f. 64 Vgl. „b) Unverhältnismäßigkeit zwischen Normalaufwand und gegenständlichem Naturalleistungsinteresse“, S. 448 f. 57

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21. Das Leistungsinteresse des Gläubigers, das zum Zeitpunkt des Endes der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess festgestellt wird,65 setzt sich zusammen aus dem „allgemeinen“ Leistungsinteresse und „besonderen“ Leistungsinteressen. Ersteres umfasst das gegenständliche Naturalleistungsinteresse, das nach dem Wert des Leistungsgegenstands beziehungsweise in aller Regel auch nach dem Betrag einer vereinbarten Gegenleistung zu bestimmen ist.66 „Besondere“ Leistungsinteressen können aus dem gläubigerseitigen Verwendungszweck resultieren (Beispiel: lukrative Weiterveräußerung).67 Vor allem beim Stückkauf kann der Gläubiger ein spezifisches Interesse am Erhalt der individuellen Sache besitzen, das auch als immaterielles Interesse (Affektionsinteresse) Berücksichtigung findet.68 22. Das schuldnerische Vertretenmüssen hat neben seiner (mittelbaren) Primärfunktion, der Zweiteilung des Anwendungsfelds von § 275 Abs. 2 BGB in zwei unterschiedliche Regelungsprobleme (ausführlich hierzu bereits sub 12), eine sekundäre Funktion für das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle): Der Mehraufwand, der auf ein verschuldetes beziehungsweise ein dem Schuldner bei Vertragsschluss schuldhaft unbekannt gebliebenes Leistungshindernis zurückzuführen ist, hat bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB weniger stark ins Gewicht zu fallen.69 Dabei ist der Verschuldensgrad von besonderer Bedeutung, in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ist nach dem „ob“ ein „inwieweit“ hineinzulesen.70 23. Ein nachträgliches Leistungshindernis hat der Schuldner zu vertreten, wenn er dieses schuldhaft (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) herbeiführt oder schuldhaft nicht abwendet; ohne Verschulden hat er nachträgliche Leistungshindernisse im Rahmen eines von ihm übernommenen Beschaffungsrisikos sowie im Schuldnerverzug zu vertreten.71 24. Vertragsanfängliche Leistungshindernisse hat der Schuldner im Rahmen eines von ihm übernommenen Beschaffungsrisikos, sonst nur in seltenen Ausnahmefällen zu vertreten:72 Der nachmalige Schuldner kann 65

s. „c) Weitere Modalitäten der Interessebestimmung“, S. 307 f. s. „a) Das gegenständliche Interesse an der Naturalleistung“, S. 293 f. 67 „(1) Die gläubigerseitige Verwendungsplanung“, S. 294 f. 68 Dazu „(2) In Sonderheit: Spezifisches Interesse am individuellen Leistungsgegenstand“, S. 296 f. 69 s. „(b) Verschuldensabhängige Abwertung von Mehraufwand als sekundäre Wirkung“, S. 344 ff. 70 s. „c) Das Ausmaß (‚Wie‘) des Vertretenmüssens: Der Verschuldensgrad“, S. 339 f. sowie vorige Fn. 71 s. „(a) Nachträgliche Leistungshindernisse“, S. 310 f. 66

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durch eine vorvertragliche Handlung eine Gefahr für den späteren Leistungsgegenstand schaffen, die sich vor oder nach Vertragsschluss insoweit realisiert, als ein Leistungshindernis eintritt. Begründet die Gefahrschaffung per se – wie zumeist – nicht den Vorwurf vom Schuldner zu vertretender Unkenntnis, bleibt nur die Anknüpfung an die vorvertragliche Handlung des Schuldners. In Sonderkonstellationen kann unter besonderen Voraussetzungen eine Rückbeziehung leistungsgegenstandsbezogener Sorgfaltspflichten auf ein bestimmtes Zeitstadium vor Vertragsschluss angenommen werden.73 Eine solche Rückbeziehung auf den (vor Vertragsschluss liegenden) Zeitpunkt, ab dem der nachmalige Schuldner die Möglichkeit verliert, beim Eintritt eines Leistungshindernisses vom Vertragsschluss abzusehen, ist nur anzunehmen, wenn ein Vertragsschluss durch die Parteien bereits konkret geplant war und der Schuldner damit rechnen musste, dass es zum Vertragsabschluss kommen wird oder kommen kann; der Haftungsmaßstab ist auf die diligentia quam in suis zu begrenzen (§ 277 BGB). Verletzt der Schuldner in einem solchen Fall die eigenübliche Sorgfalt, hat er das Leistungshindernis – gleich, ob vertragsanfänglich oder nachträglich eingetreten – verschuldet.74 25. Kennt der Schuldner ein bestehendes Hindernis bei Vertragsschluss positiv und geht er davon aus, den Mehraufwand selbst tragen zu müssen, werden die das anfängliche Leistungshindernis begründenden Umstände gleichsam zum Inhalt des Schuldverhältnisses, womit insoweit die Berufung auf ein grobes Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB ausscheidet.75 Entsprechendes gilt, wenn dem Schuldner bei Vertragsschluss positiv bekannt ist, dass der Eintritt eines nachträglichen Leistungshindernisses feststeht.76 Geht der Schuldner demgegenüber nicht davon aus, er müsse den Mehraufwand selbst tragen, übernimmt er grundsätzlich (zumindest) konkludent das Risiko eines wider Erwarten von ihm zu tragenden Mehraufwands.77 Weiterhin ist regelmäßig von einer konkludenten Risikoübernahme auszugehen, wenn dem Schuldner bei Vertragsschluss positiv bekannt ist, dass ein nachträgliches Leis72 s. „(b) Vom Schuldner zu vertretende vertragsanfängliche Leistungshindernisse“, S. 312 ff. 73 s. hierzu „b) Rückbeziehung leistungsgegenstandsbezogener Sorgfaltspflichten (Arp)“, S. 314 ff. sowie „g) Eigener Begründungsansatz“, S. 317 ff. 74 s. zur Übertragung dieses Ansatzes auf den Sekundäranspruch „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. 75 s. „a) Kenntnis“, S. 325 ff. 76 s. „a) Kenntnis“, S. 331. 77 Hierzu „a) Kenntnis“, S. 325 ff., dort auch zur Tragung des Risikos eines Irrtums.

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tungshindernis eintreten könnte.78 Dem Schuldner bleibt in den genannten Fällen die Möglichkeit, einen entsprechenden Vorbehalt vertraglich zu vereinbaren. 26. Hat der Schuldner bei Vertragsschluss seine Unkenntnis von einem bestehenden Leistungshindernis zu vertreten, ist auf § 275 Abs. 2 S. 2 BGB die Vorschrift des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB analog anzuwenden.79 Damit wird für überwindbare vertragsanfängliche Leistungshindernisse auch auf Erfüllungsebene der richtige Anknüpfungspunkt schuldnerischer Vorwerfbarkeit – die unzureichende Vergewisserung über die eigene Leistungsfähigkeit beziehungsweise über den Bestand überwindbarer Leistungshindernisse – gewählt. Besteht das Leistungshindernis nicht bei Vertragsschluss, steht dessen Eintritt indes zu diesem Zeitpunkt fest, findet § 311a Abs. 2 S. 2 BGB doppelt analoge Anwendung.80 Besteht demgegenüber bei Vertragsschluss nur die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Leistungshindernisses, scheidet eine doppelt analoge Anwendung im Rahmen von § 275 Abs. 2 S. 2 BGB aus.81 Fahrlässige Unkenntnis setzt voraus, dass der Schuldner eine vorvertragliche Vergewisserungspflicht verletzt hat.82 27. Da der Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB zwei zu trennende Regelungsprobleme überantwortet wurden (zu ihnen bereits oben sub 12), ist für die Einordnung des „groben Missverhältnisses“ eine dichotome Konzeption zu verfolgen: Für das Regelungsproblem der „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ (Rechtsmissbrauchsfälle) ist für § 275 Abs. 2 BGB in Übereinstimmung mit dem Wortlaut ein grobes Missverhältnis zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse zu fordern.83 Demgegenüber genügt beim Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ für eine Befreiung des Schuldners von 78

s. „a) Kenntnis“, S. 333 f. s. „b) Zu vertretende Unkenntnis: Analogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 327 ff. 80 s. „b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB“, S. 332. 81 Ebenso eine (einfach-)analoge Anwendung auf Sekundärebene, s. „b) Zu vertretende Unkenntnis: Doppelanalogie zu § 311a Abs. 2 S. 2 BGB?“, S. 335 ff. 82 s. „(d) Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens im Einzelnen“, S. 337 f., dort sowie sub „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff. auch zu Haftungsfragen in Fällen, in denen der Schuldner seine Unkenntnis ohne Verschulden zu vertreten hat. 83 s. „(3) Das Regelungsproblem der ‚Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch‘ (Rechtsmissbrauchsfälle)“, S. 400 f. 79

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der Erfüllungspflicht bereits, dass der Leistungsaufwand das gegenständliche Naturalleistungsinteresse des Gläubigers mehr als moderat übersteigt.84 Dieser „Zuschlag“ vermag geringfügig erhöht zu werden, wenn „besondere“ Leistungsinteressen (etwa die Möglichkeit des Gläubigers, den Leistungsgegenstand gewinnbringend weiterzuveräußern) gegeben sind,85 im Falle immaterieller Interessen (das spezifische Interesse des Stückkäufers am Erhalt der individuellen Sache) auch mehr als geringfügig;86 erforderlich ist jedoch, dass das besondere Leistungsinteresse für den Schuldner bei Vertragsschluss dem Grunde nach zumindest erkennbar war87. 28. Für das zuletzt behandelte Regelungsproblem lässt sich im Wege der Auslegung jedenfalls keine widerspruchsfreie Interessenbewertung durch den Gesetzgeber feststellen, so dass das Gebiet der Rechtsfortbildung beschritten ist.88 Der Wortlaut von § 275 Abs. 2 BGB ist insoweit deutlich zu eng. Die vorgenommene Interessenbewertung,89 insbesondere der systematische Zusammenhang zur Haftung aus §§ 280, 281 BGB – mit den Worten von U. Huber die „Querverbindung“ zwischen § 275 Abs. 2 und §§ 280, 281 BGB –,90 lässt die Ansiedlung des Befreiungsmaßstabs in der propagierten Höhe als angemessen erscheinen. 29. Im Einzelnen: Zwar besitzt der Gläubiger in dieser Konstellation ein besonders starkes Interesse an der Durchsetzbarkeit seines Erfüllungsanspruchs, da er im Falle der Befreiung keinen Schadensersatz statt der Leistung bekäme und also vollständig „leer“ ausginge; aus eben diesem Grund betrifft § 275 Abs. 2 BGB insoweit auch keinen Fall des Rechtsmissbrauchs.91 84

s. „(a) ‚Moderater Zuschlag‘ auf das gegenständliche Naturalleistungsinteresse“, S. 402 f. 85 s. „(c) Eigener Lösungsvorschlag“, S. 305 f. sowie den Verweis in vorstehender Fn. 86 s. „(d) In Sonderheit: Immaterielle Interessen“, S. 306 f. 87 Gegen das Erfordernis einer vertraglichen Einbeziehung besonderer Leistungsinteressen sub „(b) Einbeziehung ‚besonderer‘ Interessen in den Vertrag als Ausweg?“, S. 303 ff. 88 s. „(b) Methodik“, S. 403 ff. 89 Ausf. hierzu „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230 ff. 90 Eingehend „a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB“, S. 230 ff. sowie vor allem „b) Die Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB“, S. 232 f. sowie „(a) Dissonanz zwischen ‚Erfüllungshaftung‘ und Schadensersatzhaftung?“, S. 297 ff. 91 s. „(b) Fälle mangelnden schuldnerischen Vertretenmüssens (‚Ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs‘)“, S. 230 ff.

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§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Dem stehen indes sehr gewichtige Interessen des Schuldners an einer Befreiung gegenüber. Zunächst ist die in der Gesetzesbegründung aufgestellte These, § 275 Abs. 2 BGB nehme die „eigenen Interessen des Schuldners“ nicht „in den Blick“, unzutreffend. Denn die ins Verhältnis zum Leistungsinteresse zu setzende Größe des Leistungsaufwands verkörpert das Hauptinteresse des Schuldners, das darin besteht, möglichst wenig Mehraufwand betreiben zu müssen.92 Da dem Schuldner kein Vertretenmüssen zum Vorwurf gemacht werden kann, erscheint er schutzwürdig, ist ihm mithin wenig Mehraufwand zuzumuten, vergleiche insbesondere § 275 Abs. 2 S. 2 BGB: „zuzumutenden Anstrengungen“.93 Entscheidendes Gewicht kommt jedoch folgendem Wertungsgesichtspunkt zu: Je höher man die Befreiungsschwelle für die Erfüllungspflicht ansiedelt, umso weiter wird der Bereich ausgedehnt, in dem der Schuldner auf Schadensersatz statt der Leistung – und zwar in Form der Naturalrestitution (nicht der Geldentschädigung)94 und richtigerweise bis zu der nach § 275 Abs. 2 BGB (nicht des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB) zu bestimmenden Grenze95 –96 haftet, obgleich er das (nachträgliche) Leistungshindernis nicht zu vertreten hat beziehungsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss weder kannte noch seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, kurzum: obschon die Voraussetzungen einer sekundären Schadensersatzhaftung nicht erfüllt sind.97 Denn der Fortbestand des durchsetzbaren Erfüllungsanspruchs unbeschadet eines (erheblichen) Mehraufwands führt über den Weg der Fristsetzung unfehlbar zur Haftung des Schuldners aus §§ 280, 281 BGB.98 Für das insoweit erforderliche Vertretenmüssen genügt, dass der Schuldner trotz fälliger Erfüllungspflicht nicht leistet; die Haftung setzt hingegen nicht voraus, dass der Schuldner 92 Hierzu „(2) Verhältnismäßigkeitsprüfung mit zwei ‚Kriterien‘ – Der untaugliche Versuch einer Eskamotierung des Leistungsaufwands“, S. 181 ff.; diese Überlegung gilt für die in § 275 Abs. 2 S. 2 BGB angeführten Anstrengungen des Schuldners entsprechend, ausf. dazu „(2) Schutz immaterieller Interessen des Schuldners“, S. 276 ff. 93 Wie vorherige Fn. 94 s. „a) Naturalrestitution als Inhalt des Schadensersatzes statt der Leistung“, S. 460 ff. 95 Hierzu „b) § 251 Abs. 2 S. 1 BGB als maßgebliche Grenzbestimmungsnorm?“, S. 463 ff. 96 Damit lassen sich insb. die Unzulänglichkeiten der Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten beim Sachkauf kompensieren, s. „1. Zwangsvollstreckung“, S. 458 ff. 97 Eingehend „b) Die Bedeutung für § 275 Abs. 2 BGB“, S. 232 f. sowie „(a) Dissonanz zwischen ‚Erfüllungshaftung‘ und Schadensersatzhaftung?“, S. 297 ff. 98 s. hierzu „a) Die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280, 281 BGB“, S. 230 ff.

B. Die Grenzbestimmung nach § 275 Abs. 2 BGB

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das (nachträgliche) Leistungshindernis zu vertreten hat beziehungsweise ein vertragsanfängliches Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat.99 Befreite man den Schuldner in diesen Fällen erst bei Erreichen eines groben Missverhältnisses zwischen Leistungsaufwand und Leistungsinteresse, würde man ihm auf Erfüllungsebene in unangemessener Weise Mehraufwand ansinnen, dessen Aufbringung den Eintritt eines drohenden materiellen Schadens des Gläubigers abwenden würde, den der Schuldner in Ermangelung eines Vertretenmüssens (siehe §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2 BGB) auf Sekundärebene nicht zu ersetzen hätte.100 30. Die postulierte Lösung wird durch eine Folgenbetrachtung gestützt:101 Angesichts der hier vorgeschlagenen Aufwandsbestimmung insbesondere in Fällen der Wertminderung des Leistungsgegenstands (hierzu im Einzelnen oben sub 15) sind die Auswirkungen der Absenkung sehr deutlich eingeschränkt. Ferner ergreift die Absenkung nicht diejenigen Fälle, in denen der Schuldner wie insbesondere beim marktbezogenen Gattungskauf das Beschaffungsrisiko oder beim Werkvertrag das Herstellungsrisiko übernommen hat.102 Dort scheidet in den Grenzen des übernommenen Risikos eine Berufung auf § 275 Abs. 2 BGB sogar in aller Regel aus;103 allenfalls bei so genannten „subjektiven Beschaffungshindernissen“, bei denen ein Parallelanstieg von Aufwand und Interesse unterbleibt, kommt eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB für Ausnahmefälle in Betracht.104 Weiterhin berücksichtigt die vorgeschlagene Lösung zugunsten desjenigen Gläubigers, der ein günstiges Geschäft abgeschlossen hat, dass der Wert des Leistungsgegenstands über dem Betrag der vereinbarten Gegenleistung liegt.105 Endlich begünstigt die propagierte Ansiedlung der Befreiungsvoraussetzungen in moderater Höhe Verhandlungslösungen, wodurch zugleich das § 275 Abs. 2 BGB eigentümliche „Schwellenproblem“106 entschärft wird. 99

Wie vorherige Fn. Hierzu „(a) Dissonanz zwischen ‚Erfüllungshaftung‘ und Schadensersatzhaftung?“, S. 297 ff. 101 s. „(c) Folgenbetrachtung“, S. 407 f. 102 Hierzu „d) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 252 f. sowie „(5) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 408 ff. 103 Wie vorherige Fn. 104 s. „(5) Vertragliche Risikoübernahmen“, S. 408 ff., insb. „(a) Beschaffungsrisiko beim Kauf“, S. 409 ff. 105 s. „(c) Folgenbetrachtung“, S. 407 f. 106 Zu ihm „(b) Grenze des Leistungsaufwands in Höhe des Leistungsinteresses (Ehmann/Sutschet) – Zugleich zum ‚Schwellenproblem‘ des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 367 ff. 100

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§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

31. § 275 Abs. 2 BGB gewährt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht (Einrede).107 Nur die Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs (nicht dessen Bestand) wird durch die vom Schuldner zu erhebende Einrede zeitweilig beziehungsweise endgültig ausgeschlossen.108 32. Auf die Einrede des § 275 Abs. 2 BGB muss sich der Schuldner im Prozess berufen.109 Der Schuldner trägt für sämtliche Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast; Gegenteiliges gilt nur, soweit der Gläubiger ein über den objektiven Wert (Marktwert) des geschuldeten Gegenstands beziehungsweise den Betrag der Gegenleistung (etwa den Kaufpreis oder Werklohn) hinausgehendes Leistungsinteresse berücksichtigt wissen möchte.110 33. Dem Gläubiger steht das Recht zu, den Leistungsaufwand zu mindern, um das Erreichen der (jeweils maßgeblichen) Befreiungsschwelle abzuwenden, indem er dem Schuldner eine Kostenübernahme verbindlich anträgt und gegebenenfalls Sicherheit leistet.111 34. Wird ein Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB aus Wertungsgesichtspunkten als endgültiges Missverhältnis behandelt, kann der Schuldner die Leistungserbringung endgültig verweigern (peremptorische Einrede).112 Fällt das Missverhältnis in einem solchen Falle später unversehens weg, bleibt der Erfüllungsanspruch dauerhaft einredebehaftet; im Einzelfall kann jedoch eine Pflicht zum Neuabschluss aus § 242 BGB folgen.113 Soweit die Behandlung eines bestehenden Missverhältnisses als endgültiges Missverhältnis nicht in Betracht kommt, steht dem Schuldner nur ein zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht zu Gebote (dilatorische Einrede). Liegt trotz eines bestehenden Hindernisses kein Missverhältnis vor,114 besteht ein durchsetzbarer Erfüllungsanspruch auch für die Zeit, die eingedenk der nötigen Beseitigung des Hindernisses zur Leistung erforderlich ist.115 35. Kann der Schuldner die Leistung nur zeitweilig verweigern, ist die Klage mit entsprechend eingeschränkter Rechtskraftwirkung als derzeit un107

s. hierzu „1. Einredecharakter“, S. 449 ff. Wie vorherige Fn. 109 s. oben „IV. Prozessuales“, S. 455. 110 s. „1. Darlegungs- und Beweislast“, S. 456. 111 s. „2. Verminderung des Aufwands durch Zahlung(-sangebot) des Gläubigers“, S. 453 ff. 112 Hierzu „8. Das Zeitmoment“, S. 432 ff. und „3. Das Zeitmoment“, S. 455. 113 Wie vorherige Fn. 114 Und greift auch § 313 BGB nicht Platz. 115 Eingehend „c) Zu den Fällen überwindbarer Leistungshindernisse“, S. 151 f. sowie „c) Kein Missverhältnis“, S. 438. 108

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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begründet abzuweisen; nach Maßgabe des § 259 ZPO ist eine Umstellung der Klage auf zukünftige Leistung möglich (§ 264 Nr. 2 ZPO).116 Der Gläubiger kann einen späteren Entfall der Einrede wegen eines nachprozessualen Absinkens des schuldnerischen Leistungsaufwands durch erneute Klage geltend machen, ohne dass der Zweitklage die Rechtskraft des Ersturteils entgegenstehen würde.117 Jedoch vermag er einen Entfall der Einrede nicht mit einem nachprozessualen Anstieg seines Leistungsinteresses zu begründen.118 Macht der zur Erfüllung verurteilte Schuldner infolge eines nachprozessualen Anstiegs seines Leistungsaufwands ein grobes Missverhältnis im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Abs. 1, 2 ZPO) geltend, ist dem Gläubiger wahlweise die neuerliche Bezifferung seines Leistungsinteresses zu gestatten.119

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB 36. Unter Rekurs auf die in § 313 BGB kodifizierte120 Geschäftsgrundlagenlehre lässt sich unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung eine Grenze vertraglicher Erfüllungspflichten aus gegenseitigen Verträgen bestimmen. 37. Für den Stückkauf kommt § 313 BGB indes nur für die seltene Konstellation in Betracht, in der aufgrund eines Leistungshindernisses die Notwendigkeit entsteht, die Kaufsache (wieder) zu beschaffen, und zugleich der Wert der Kaufsache kurzfristig in erheblichem Ausmaß ansteigt.121 Weitaus häufiger treten Äquivalenzstörungen hingegen beim (marktbezogenen) Gattungskauf und Werkvertrag auf, da der Schuldner die Ware beziehungsweise die Materialien dort typischerweise noch beschaffen muss und zudem der Eintritt von Preissteigerungen angesichts nicht selten längerfristiger Vertragsdauer wahrscheinlicher ist.122 38. Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die Umstände, die den Marktpreis beziehungsweise -wert bestimmen.123 Ein Wegfall der Ge116

Hierzu „2. Das Zeitmoment“, S. 456 f. Eingehend „a) Zeitweiliges Missverhältnis i. S. des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 432 ff. 118 Wie vorherige Fn. 119 Hierzu „a) Zeitweiliges Missverhältnis i. S. des § 275 Abs. 2 BGB“, S. 432 ff. 120 Zur Kodifizierung „2. Kodifizierung des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlagenlehre“, S. 479. 121 s. „1. Bedeutung des § 313 BGB für die Behandlung von Leistungshindernissen“, S. 476 ff. 122 Wie vorherige Fn. 117

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§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

schäftsgrundlage ist gegeben, wenn sich diese Umstände schwerwiegend verändert haben, ein Fehlen ausnahmsweise dann, wenn die Änderung bereits vor Vertragsschluss eingetreten ist.124 39. Eine erhebliche Störung setzt voraus, dass sich die Umstände schwerwiegend geändert haben und dem Sachleistungsschuldner das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist (§ 313 Abs. 1 BGB). Den entscheidenden Wertungsgesichtspunkt liefert für den vorliegenden Zusammenhang die Störung der Äquivalenz, also der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung.125 Relevant sind nur schwere Äquivalenzstörungen, die sich im Wesentlichen unter Rekurs auf die Kriterien „Risikocharakter des Vertrags“, „Vorhersehbarkeit beziehungsweise Erkennbarkeit“ sowie „Verantwortung einer Partei“ identifizieren lassen.126 40. Charakteristisch für Äquivalenzstörungen ist, dass dem vom Schuldner aufzubringenden Mehraufwand eine Steigerung des Leistungswerts korrespondiert. Demgegenüber unterbleibt eine solche Steigerung in den Anwendungsfällen des § 275 Abs. 2 BGB; der Mehraufwand bewirkt dort lediglich eine Belastung des Schuldners. In so genannten „Mischfällen“ führt der durch ein Leistungshindernis bedingte Mehraufwand teils zu einer Erhöhung des Leistungswerts, teils hingegen nicht.127 Solchen Konstellationen vermag mithilfe von § 313 BGB dadurch Rechnung getragen zu werden, dass neben der dort im Vordergrund stehenden Äquivalenzstörung ergänzend auch der Mehraufwand berücksichtigt wird, dessen Aufbringung zwar keine Erhöhung des Leistungswerts zur Folge hat, mithin keine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses bewirkt, aber gleichwohl den konkreten Schuldner belastet.128 Für den Spezieskauf ist zugunsten des schuldlosen Stückverkäufers zudem zu beachten, dass sich insoweit die durch ein Leistungshindernis bedingte Notwendigkeit einer (Wieder-)Beschaffung bereits als atypisch darstellt.129 41. Als Rechtsfolge einer relevanten Geschäftsgrundlagenstörung ist primär ein Anpassungsanspruch des benachteiligten Sachleistungsschuldners 123

s. „1. Begriff der Geschäftsgrundlage“, S. 486 ff., zum hypothetischen Element der Geschäftsgrundlage vgl. auch „3. Hypothetisches Element“, S. 491. 124 s. „2. Fehlen und Wegfall“, S. 490 f. 125 Vgl. eingehend „a) Schwere Äquivalenzstörung“, S. 493 ff. 126 Wie vorherige Fn. 127 Ausf. hierzu b) ‚Mischfälle‘“, S. 496 ff. sowie „c) Erfassung von ‚Mischfällen‘“, S. 520 f. 128 Wie vorherige Fn. 129 s. „c) Besonderheiten beim Stückkauf“, S. 498 ff.

C. Die Grenzbestimmung nach § 313 BGB

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vorgesehen (§ 313 Abs. 1 BGB), der vorliegend auf Erhöhung der Gegenleistung gerichtet ist.130 Der Gläubiger ist indes grundsätzlich berechtigt, ein Anpassungsbegehren des Schuldners wegen Unzumutbarkeit nach § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB zurückzuweisen; die Unzumutbarkeit ist zugunsten des Gläubigers zu vermuten.131 Der Schuldner vermag diese Vermutung zu widerlegen, indem er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass ihm für den Fall der Vertragsauflösung (§ 313 Abs. 3 BGB) ein erheblicher Schaden droht, der im Rahmen einer Abwägung mit den Interessen des Gläubigers unverhältnismäßig erscheint.132 42. Der Schuldner kann sich gegenüber einem Erfüllungsverlangen des Gläubigers einredeweise auf seinen Anpassungsanspruch berufen, § 273 Abs. 1 BGB.133 Weist der Gläubiger das schuldnerische Anpassungsbegehren zurück, kann der Schuldner den Vertrag durch Rücktritt beziehungsweise Kündigung auflösen (§ 313 Abs. 3 BGB).134 Andererseits steht auch dem Gläubiger das Recht zu, Anpassung nach § 313 Abs. 1 BGB zu verlangen.135 43. Die Erhöhung der Gegenleistung im Falle der Anpassung erfolgt lediglich in dem Umfang, wie die „Risikogrenze“ überschritten ist.136 Demnach hat der Schuldner das Risiko von diesseits dieser Grenze liegenden Äquivalenzverhältnisverschiebungen und damit den darauf entfallenden Teil des Mehraufwands auch dann zu tragen, wenn infolge einer schweren Äquivalenzstörung eine Vertragsanpassung stattfindet.137 44. Der Schuldner ist im Prozess gehalten, den Anpassungsanspruch einredeweise geltend zu machen. Er trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine schwere Äquivalenzstörung.138 Im Erfolgsfalle erwirkt der Gläubiger lediglich eine Zug-um-Zug-Verurteilung.139 130

s. „1. Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB“, S. 500 ff. Hierzu „a) Unzumutbarkeit der Anpassung, § 313 Abs. 3 S. 1 Fall 2 BGB“, S. 501 ff. 132 Wie vorherige Fn. 133 s. „c) Aktivlegitimation und Geltendmachung“, S. 507 f. 134 s. „2. Rücktritts- beziehungsweise Kündigungsrecht aus § 313 Abs. 3 BGB“, S. 508. 135 s. „c) Aktivlegitimation und Geltendmachung“, S. 507 f. 136 Vgl. „b) Umfang der Erhöhung der Gegenleistung“, S. 505 ff. 137 Wie vorige Fn. 138 s. „IV. Prozessuales“, S. 508 ff. 139 Vor diesem Hintergrund ist ihm anzuraten, einen durch die erfolgreiche Berufung des Schuldners auf § 313 Abs. 1 BGB bedingten Hilfsantrag auf Leistung aus dem angepassten Vertrag zu stellen, zur Durchsetzung des Anpassungsanspruchs sogleich. 131

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§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

45. Die Durchsetzung des Anpassungsanspruchs kann durch unmittelbare Klage aus dem angepassten Vertrag erfolgen.140 Der Kläger muss dabei zwar keine exakte Bezifferung vornehmen (vergleiche § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), hat jedoch zumindest eine ungefähre Größenordnung anzugeben.141

D. Verhältnis der einzelnen Regelungen 46. § 275 Abs. 1 BGB und §§ 275 Abs. 2, 313 BGB schließen sich tatbestandlich gegenseitig aus.142 47. Überschneidungen zwischen § 275 Abs. 2 und § 313 BGB treten vom Boden der hier entwickelten Konzeption praktisch nicht auf. Den beiden Normen liegen vollkommen unterschiedliche Perspektiven zugrunde. Während § 275 Abs. 2 BGB das Verhältnis von schuldnerischem Leistungsaufwand und gläubigerseitigem Leistungsinteresse in den Blick nimmt, ist für § 313 BGB die Verschiebung der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) von Leistung und Gegenleistung ausschlaggebend.143 Daher unterfällt § 275 Abs. 2 BGB in der Hauptsache leistungshindernisbedingter Mehraufwand, dessen Aufbringung keine Erhöhung des Leistungswerts mit sich bringt (so zumeist beim Stückkauf), § 313 BGB dagegen unterfällt solcher Mehraufwand, mit dessen Tätigung eine Steigerung des Leistungswerts einhergeht (so oftmals beim Gattungskauf oder Werkvertrag).144 48. Sind in äußerst seltenen und ausgesprochenen Extremfällen ausnahmsweise die Voraussetzungen beider Normen erfüllt, kann sich der Schuldner auf § 275 Abs. 2 BGB oder – wahlweise – auf §§ 313 Abs. 1, 273 Abs. 1 BGB berufen.145 Sollte der Gläubiger ausnahmsweise auf einer Leistungserbringung insistieren, kann er demnach gehalten sein, einen Geldbetrag in einer Höhe anzubieten beziehungsweise aufzubringen, der es ermöglicht, sowohl im Wege der Aufwandsminderung das grobe Missverhältnis i. S. von § 275 Abs. 2 BGB auszuräumen als auch, wenn dem Schuldner auch ein Anpassungsanspruch zusteht – zugleich, jedoch 140 Hierzu sowie zur Möglichkeit einer Klagehäufung (§ 260 ZPO) bzw. einer Stufenklage analog § 254 ZPO vgl. „IV. Prozessuales“, S. 508 ff. 141 s. Verweis in vorstehender Fn. 142 s. „I. Verhältnis von § 275 Abs. 1 BGB und §§ 275 Abs. 2, 313 BGB“, S. 513 f. 143 Ausf. „b) ‚Mischfälle‘“, S. 496 ff. sowie „a) Die Unterschiede zwischen § 275 Abs. 2 und § 313 BGB“, S. 518 f. 144 Wie vorherige Fn. 145 Dazu „b) Bestehen eines Überschneidungsbereichs?“, S. 520.

E. Bewertung der Neuregelung im Lichte der Reform

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nicht kumulativ – die Gegenleistung in einer Weise zu erhöhen, die eine schwere Äquivalenzstörung entfallen zu lassen geeignet ist.146 49. So genannten „Mischfällen“ vermag mithilfe von § 313 BGB Rechnung getragen zu werden (siehe bereits sub 40).

E. Bewertung der Neuregelung im Lichte der Reform 50. Die im neuen Recht durchgeführte strikte Unterscheidung zwischen unüberwindbaren und überwindbaren Leistungshindernissen ist zu begrüßen, da damit unterschiedliche Fragen strikt auseinander gehalten werden: tatsächliche Fragen einerseits und rechtliche Wertungsfragen andererseits.147 Fortan wird darauf verzichtet, die Kategorie der Unmöglichkeit mit Wertungskriterien anzureichern.148 51. Soweit die wirkliche Unmöglichkeit frei von Wertungen bestimmt wird, ist es unschädlich, dass die Frage der Befreiung von der Erfüllungspflicht nunmehr abgekoppelt vom schuldnerischen Nichtvertretenmüssen geregelt ist.149 52. Die Abkehr von der einstigen Vertragsnichtigkeit (§ 306 BGB a. F.) für den Fall anfänglicher objektiver Unmöglichkeit (klarstellend insoweit § 311a Abs. 1 BGB) gewinnt maßgebliche Bedeutung nur für die Haftungsfrage.150 53. Befreit man den Schuldner nach materiellem Recht von seiner Erfüllungspflicht unbeschadet des Umstands, dass er die nachträgliche Unmöglichkeit zu vertreten hat beziehungsweise eine vertragsanfängliche Unmöglichkeit bei Vertragsschluss kannte oder seine diesbezügliche Unkenntnis zu vertreten hat, ist er folgerichtig auch im Prozess mit dem Unmöglichkeitseinwand zu hören.151 Damit wird der im früheren Recht von der herrschenden Meinung heraufbeschworene Widerspruch zwischen materiellem und formellem Recht aufgelöst. Auch sachlich vermag die generelle Feststellung der Unmöglichkeit im Erkenntnisverfahren mehr zu überzeugen als deren partielle Verlagerung ins Zwangsvollstreckungsverfahren.152 146

Wie vorherige Fn. s. insb. „1. Neuerungen bei den Begriffen sowie deren Verständnis“, S. 168 ff. 148 Wie vorherige Fn. 149 Hierzu „2. Irrelevanz des Nichtvertretenmüssens“, S. 171. 150 Zum Erfüllungsanspruch vgl. „3. Erfassung weiterer Fallgruppen der Unmöglichkeit“, S. 171 ff., zur Sekundärhaftung nach § 311a Abs. 2 BGB insb. „(c) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 320 ff., „(e) Annex: Die Sekundärhaftung“, S. 338 sowie auch „1. Ausschluss des Erfüllungsanspruchs“, S. 153 ff. 151 s. „4. Veränderte prozessuale Behandlung der Unmöglichkeit“, S. 173 f. 147

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§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

54. Die Zuordnung der Extremfälle der „faktischen Unmöglichkeit“ zu § 275 Abs. 2 BGB ist dogmatisch konsequent, werfen solche Fälle überwindbarer Leistungshindernisse doch eine rechtliche Wertungsfrage auf.153 Die Gewährung einer bloßen Einrede mag man als unpassende Rechtsfolge empfinden, doch resultieren daraus zumindest keine gravierenden Nachteile für den Schuldner.154 55. Soweit § 275 Abs. 2 BGB Rechtsmissbrauchsfälle regelt, bringt die Einführung dieses ausdifferenzierten Tatbestands eine begrüßenswerte Konkretisierung des allgemeinen Verbots des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) mit sich, wenngleich die Einredekonstruktion nicht der üblichen Einordnung des Rechtsmissbrauchs als Einwendung entspricht.155 56. § 275 Abs. 2 BGB wurden zwei zu trennende Regelungsprobleme – sc. die „Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch“ und die „ersatzlose Verwehrung des Primäranspruchs“ – überantwortet,156 die ganz erhebliche Unterschiede aufweisen und die die Aufstellung sehr unterschiedlicher Befreiungsmaßstäbe innerhalb derselben Norm erforderlich machen.157 Die Vorschrift leidet insoweit an mangelnder Transparenz: § 275 Abs. 2 S. 2 BGB („ist auch zu berücksichtigen“) vermag den dichotomen Charakter nicht beziehungsweise nur unzureichend zum Ausdruck zu bringen, zumal das entscheidende Differenzierungskriterium, der hypothetische Bestand einer sekundären Schadensersatzhaftung, dort nicht zutreffend benannt wird.158 57. Die Grenzen vertraglicher Erfüllungspflichten, insbesondere der (Wieder-)Beschaffungspflicht des Stückverkäufers, lassen sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 BGB in sachgerechter Weise bestimmen.159 Die auf diesem Wege ermöglichte Bestimmung der Primärpflichtgrenze ist einem Rückgriff auf die ergänzende Vertragsauslegung weit überlegen.160 152

Wie vorherige Fn. Vgl. „a) ‚Faktische Unmöglichkeit‘“, S. 467 f. 154 Wie vorherige Fn. sowie auch „3. ‚Für jedermann‘ unmögliche Leistung (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB)“, S. 133 ff. 155 s. „b) Rechtsmissbrauchsfälle (‚allgemeiner Rechtsgedanke‘)“, S. 468. 156 s. hierzu „a) Schaffung eines einheitlichen Tatbestands für das Regelungsproblem der ‚ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs‘“, S. 469 f. 157 Hierzu vor allem „(3) Das Regelungsproblem der ‚Verweisung des Gläubigers auf den Sekundäranspruch‘ (Rechtsmissbrauchsfälle)“, S. 400 f. sowie „(4) Das Regelungsproblem der ‚ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs‘“, S. 402 ff. 158 s. „a) Vorbemerkung zur mittelbaren Bedeutung schuldnerischen Vertretenmüssens“, S. 308 ff. 159 Vgl. „1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB“, S. 243 ff. 153

E. Bewertung der Neuregelung im Lichte der Reform

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58. Es gilt für anfängliche und nachträgliche wie auch für „objektive“ und „subjektive“ Leistungshindernisse ein einheitlicher Befreiungsmaßstab.161 Wenngleich sich der Bezugspunkt schuldnerischer Vorwerfbarkeit bei anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen weiterhin grundlegend unterscheidet,162 bestehen die im früheren Recht praktizierten scharfen Differenzierungen163 allenfalls noch rudimentär fort.164 Dazu trug nicht unerheblich die Abschaffung der generellen Garantiehaftung für anfängliches Unvermögen bei (siehe nunmehr § 311a Abs. 2 S. 2 BGB).165 Dies kann als Positivum der Reform bezeichnet werden. 59. Für das Regelungsproblem der „ersatzlosen Verwehrung des Primäranspruchs“ ermöglicht § 275 Abs. 2 BGB eine den Interessen der Vertragsparteien angemessene Lösung, die gleichsam zwischen den im alten Recht vorzufindenden Extrempolen vermittelt.166 60. § 275 Abs. 2 BGB wie auch § 313 BGB kommt die Funktion zu, die Reichweite vertraglicher Erfüllungspflichten zu bestimmen.167 Auf diesem Weg wird die wirkliche Reichweite des Grundsatzes pacta sunt servanda festgestellt, dieser mithin weder „ausgehöhlt“ noch „durchbrochen“; die Vorstellung einer grenzenlosen Erfüllungspflicht ist unzutreffend.168 61. Die Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre in § 313 BGB durch die nahezu unveränderte Übernahme der bisherigen Ergebnisse der Rechtsprechung stellt angesichts der notwendigen Unbestimmtheit des Tatbestands zwar keinen erheblichen Gewinn dar, birgt andererseits aber auch keine Gefahr ausweitender Anwendung.169 Unschädlich ist 160 Hierzu „b) Das Verhältnis zwischen § 275 Abs. 2 BGB und ergänzender Vertragsauslegung“, S. 247 ff. sowie auch „a) Ablehnung einer ‚Mehraufwandspflicht‘ (Lobinger, E. Picker, J. Wilhelm)“, S. 350 ff. 161 s. „c) Gemeinsamkeiten und verbleibende Unterschiede zwischen anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen“, S. 472 f. 162 Wie vorherige Fn. 163 Zu ihnen insb. „E. Bewertung der früheren Regelung“, S. 100 ff. 164 s. „c) Gemeinsamkeiten und verbleibende Unterschiede zwischen anfänglichen und nachträglichen Leistungshindernissen“, S. 472 f. sowie insb. für die Reichweite vorvertraglicher Vergewisserungspflichten „(d) Voraussetzungen schuldnerischen Vertretenmüssens im Einzelnen“, S. 337 f. 165 Dazu „b) Bestand und Reichweite der (Wieder-)Beschaffungspflicht beim Stückkauf“, S. 470 f. 166 Wie vorherige Fn. 167 Vgl. „3. Funktion und Bedeutung von § 275 Abs. 2 BGB“, S. 473 ff. sowie für § 313 BGB „4. Erheblichkeit der Störung (Unzumutbarkeit)“, S. 491 ff. 168 Wie vorherige Fn. 169 s. hierzu „1. Kodifizierung des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlagenlehre“, S. 510 ff.

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§ 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

zudem das nunmehr bestehende Erfordernis, die Störung der Geschäftsgrundlage im Prozess geltend machen zu müssen.170 62. Vom Boden der in der vorliegenden Untersuchung entwickelten Konzeption lässt sich das Verhältnis der §§ 275 Abs. 2 und 313 BGB erklären:171 Im Grundsatz unterfallen Sachverhalte entweder § 275 Abs. 2 oder § 313 BGB. Ein Überschneidungsbereich wird praktisch kaum vorkommen. „Mischfälle“ lassen sich mithilfe von § 313 BGB einer sachgerechten Lösung zuführen.

170

Vgl. „2. Prozessuale Ausgestaltung“, S. 513. Hierzu und zum Folgenden „III. Bewertung“, S. 521, ausf. auch „2. Eigener Ansatz“, S. 518 ff. 171

Anhang A. Relevante Normen und Texte: Vom ersten Entwurf des alten BGB (1888) bis zum SMG vom 26. 11. 2001 I. Erster Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches (E I), 18881 § 224 E I [woraus der spätere § 276 BGB a. F. wurde] (1) Der Schuldner ist verpflichtet, die nach dem Schuldverhältnisse ihm obliegende Leistung vollständig zu bewirken. Er haftet nicht blos wegen vorsätzlicher, sondern auch wegen fahrlässiger Nichterfüllung seiner Verbindlichkeit. [. . .] [. . .]

§ 237 E I [späterer § 275 BGB a. F.] (1) Der Schuldner ist zur Leistung nicht verpflichtet, so lange die Leistung in Folge eines nach Entstehung des Schuldverhältnisses eingetretenen, von ihm nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich ist; soweit die Leistung dauernd unmöglich geworden ist, wird der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit. (2) Dasselbe gilt, wenn der Schuldner, welcher einen in sich bestimmten Gegenstand zu leisten hat, diesen in Folge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes zu leisten außer Stand gesetzt worden ist.

§ 344 E I [späterer § 306 BGB a. F.] Ist ein Vertrag auf eine Leistung gerichtet, welche unmöglich oder durch Gesetz verboten ist oder welche gegen die guten Sitten verstößt, so ist derselbe nichtig.

II. BGB vor der Schuldrechtsreform (BGB a. F.), in Kraft von 1. 1. 1900 bis 31. 12. 20012 § 275 [Nicht zu vertretende Unmöglichkeit]3 (1) Der Schuldner wird von der Verpflichtung zur Leistung frei, soweit die Leistung infolge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird. 1

Abgedr. bei Mugdan, II S. V (§ 224 E I), VII (§ 237 E I) und XXX (§ 344 E I).

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Anhang

(2) Einer nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Unmöglichkeit steht das nachträglich eintretende Unvermögen des Schuldners zur Leistung gleich.

§ 279 [Unvermögen bei Gattungsschuld] Ist der geschuldete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, so hat der Schuldner, solange die Leistung aus der Gattung möglich ist, sein Unvermögen zur Leistung auch dann zu vertreten, wenn ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt.

§ 280 [Haftung bei zu vertretender Unmöglichkeit] (1) Soweit die Leistung infolge eines von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes unmöglich wird, hat der Schuldner dem Gläubiger den durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen. [. . .]

§ 283 [Fristsetzung nach Verurteilung] (1)

1

Ist der Schuldner rechtskräftig verurteilt, so kann der Gläubiger ihm zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Annahme der Leistung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. 2Nach dem Ablaufe der Frist kann der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, soweit nicht die Leistung rechtzeitig bewirkt wird; der Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen. 3Die Verpflichtung zum Schadensersatze tritt nicht ein, wenn die Leistung infolge eines Umstandes unmöglich wird, den der Schuldner nicht zu vertreten hat. [. . .]

§ 306 [Unmögliche Leistung] Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist nichtig.

§ 307 [Negatives Interesse] (1) Wer bei der Schließung eines Vertrags, der auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist, die Unmöglichkeit der Leistung kennt oder kennen muß, ist zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den der andere Teil dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Gültigkeit des Vertrags hat. Die 2

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBl. S. 195) in der Fassung vom 1. 1. 1900. 3 Die in eckige Klammern gesetzten Überschriften der Vorschriften des früheren BGB waren nicht amtlich.

Anhang

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Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der andere Teil die Unmöglichkeit kennt oder kennen muß. [. . .]

§ 325 [Vom Schuldner zu vertretendes Unmöglichwerden] (1)

1

Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teile obliegende Leistung infolge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, unmöglich, so kann der andere Teil Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder von dem Vertrage zurücktreten. [. . .] [. . .]

III. Kommissionsentwurf der Schuldrechtskommission (KommE), 19914 § 275 (Grenzen der Leistungspflicht) Besteht die Schuld nicht in einer Geldschuld, kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit und solange er diese nicht mit denjenigen Anstrengungen zu erbringen vermag, zu denen er nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist. Für die Rechte des Gläubigers gelten die §§ 280, 281, 283, 323.

§ 279 (Haftung für Beschaffungshindernisse) Ist der geschuldete Gegenstand vom Schuldner zu beschaffen, so hat dieser Beschaffungshindernisse im Zweifel auch ohne Verschulden zu vertreten.

§ 280 (Schadensersatz bei Pflichtverletzung) (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Für das Recht des Gläubigers, statt der Leistung Schadensersatz zu verlangen, gelten die zusätzlichen Erfordernisse des § 283. [. . .] [. . .]

4 Vgl. Vorschriftenverzeichnis in: Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, hrsg. vom Bundesminister der Justiz, 1992, S. 283, 289 ff. (Auf die Wiedergabe der aaO. vorgenommenen Gesetzesangabe „BGB-KE“ wird hier verzichtet.).

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§ 283 (Schadensersatz statt der Leistung) (1) Der Gläubiger kann statt der Leistung Schadensersatz nur verlangen, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist für die Leistung bestimmt hat. [. . .] (2) Der Bestimmung der Frist bedarf es nicht, wenn offensichtlich ist, daß diese Bestimmung keinen Erfolg hätte oder wenn [. . .] (3) [. . .] (4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat. [. . .]

§ 306 (Störung der Geschäftsgrundlage) (1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluß schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. (2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. (3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 307.

IV. Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (DiskE), August 20005 § 275 Grenzen der Leistungspflicht (= § 275 KommE)6 Besteht die Schuld nicht in einer Geldschuld, kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit und solange er diese nicht mit denjenigen Anstrengungen zu erbringen vermag, zu denen er nach Inhalt und Natur des Schuldverhältnisses verpflichtet ist. Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280 bis 282 und 323. 5

Abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 3, 10 ff. Wortlaut von Satz 1 übereinstimmend mit KommE, lediglich geringfügige Abweichungen in Satz 2. 6

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§ 279 Verantwortlichkeit für Beschaffungshindernisse (= § 279 KommE) Ist der geschuldete Gegenstand vom Schuldner zu beschaffen, so hat dieser Beschaffungshindernisse im Zweifel auch ohne Verschulden zu vertreten.

§ 280 Schadensersatz bei Pflichtverletzung (= § 280 KommE)7 § 282 Schadensersatz statt der Leistung8 § 307 Störung der Geschäftsgrundlage (= § 306 KommE)9

V. Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs des Bundesjustizministeriums, erarbeitet von der Kommission Leistungsstörungsrecht (KonsF), März 200110 § 275 Ausschluss der Leistungspflicht (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit und solange diese dem Schuldner unmöglich ist. (2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit und solange diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat und ob er dem Gläubiger einen angemessenen Ausgleich anbietet. (3) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280 bis 284 und 326.

§ 276 Verantwortlichkeit für eigenes Verhalten11 (1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des 7 Nur geringfügige Änderungen gegenüber § 280 KommE, insb. in Abs. 2 S. 1, wo es statt „zusätzlichen Erfordernisse des § 283“ „zusätzlichen Voraussetzungen des § 282“ hieß. 8 Entspricht bis auf redaktionelle und geringfügige sachliche Änderungen § 283 KommE. 9 Bis auf die geänderte Rechtschreibung („Vertragsschluss“ statt „Vertragsschluß“) und der in Abs. 3 S. 2 geänderten Verweisung auf § 308 (statt § 307) stimmt der Wortlaut überein mit dem des § 306 KommE. 10 Abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 349, 357 ff. 11 Die Kommission Leistungsstörungsrecht hielt § 279 DiskE für verzichtbar, wenn die Beispiele „Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos“ in § 276 aufgenommen werden. s. hierzu und zur weiteren Formulierungsfrage („Natur des Schuldverhältnisses“ oder „Natur der Schuld“) bei Canaris, Schuldrechtsreform S. 357, Fn. 3 und 4.

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Anhang Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, oder der Natur der Schuld [. . .] zu entnehmen ist. [. . .] [. . .]

§ 279 [wird aufgehoben] § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung12 § 283 Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht 1

Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. [. . .]

§ 311a Unmöglichkeit bei Vertragsschluss (1) Der Gültigkeit eines Vertrages steht es nicht entgegen, dass die Leistung für den Schuldner oder für jedermann schon bei Vertragsschluss unmöglich ist. (2) Der Gläubiger kann nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen in dem in § 284 bestimmten Umfang verlangen, es sei denn, der Schuldner kannte die Unmöglichkeit nicht und hat seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten.

§ 313 Störung der Geschäftsgrundlage (= § 307 DiskE)13

VI. Gesetzentwurf der Bundesregierung (RegE), Mai 200114 § 275 Ausschluss der Leistungspflicht (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit und solange diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

12 Ähnl. wie § 280 DiskE, jedoch wurde in § 280 Abs. 2 KonsF der Verzögerungsschaden eigens geregelt, der Schadensersatz statt der Leistung in § 280 Abs. 3 KonsF geregelt. 13 Bis auf die Umnummerierung (313 statt 307 beim DiskE) und die Streichung des Verweises auf § 308 DiskE (= § 314 KonsF) stimmt § 313 KonsF überein mit § 307 DiskE. 14 s. BT-Drucks. 14/6040, S. 3, 6 ff. (s. den Verweis im Gesetzentwurf der Bundesregierung hierauf in BT-Drucks. 14/6857, S. 5), auch abgedr. bei Canaris, Schuldrechtsreform, S. 429, 441 ff. (dort in synoptischer Gegenüberstellung zu den Beschlüssen des Rechtsausschusses des Bundestags).

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(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit und solange diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Das Gleiche gilt, wenn die Leistung in der Person des Schuldners zu erbringen ist und dem Schuldner unter Abwägung des Leistungsinteresses des Gläubigers und des Leistungshindernisses auf Seiten des Schuldners nicht zugemutet werden kann. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. (3) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

§ 276 Verantwortlichkeit für eigenes Verhalten (1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, oder der Natur der Schuld zu entnehmen ist. [. . .] [. . .]

§ 279 [wird aufgehoben] § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (= § 280 KonsF) § 283 Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht (= § 283 KonsF)15 § 311a Ausschluss der Leistungspflicht bei Vertragsschluss (1) Der Wirksamkeit eines Vertrags steht es nicht entgegen, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 oder 2 nicht zu leisten braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorliegt. (2) Der Gläubiger kann nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen in dem in § 284 bestimmten Umfang verlangen, es sei denn, der Schuldner kannte das Leistungshindernis nicht und hat seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten. § 281 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 finden entsprechende Anwendung.

§ 313 Störung der Geschäftsgrundlage (= § 313 KonsF)

15 Übereinstimmung besteht bis auf eine unwesentlich geänderte Formulierung in Satz 2.

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VII. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BGB), in Kraft seit 1. 1. 200216 § 275 Ausschluss der Leistungspflicht (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. (2)

1

Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. 2Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. (4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

§ 276 Verantwortlichkeit des Schuldners (1)

1

Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. [. . .] [. . .]

§ 279 [aufgehoben] § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (= § 280 KonsF/RegE) § 283 Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht (= § 283 RegE)17 1

Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. [. . .] 16

s. Art. 9 Abs. 1 S. 3 SMG (BGBl. 2001 I S. 3138, 3187; zur Neubekanntmachung des Textes des BGB am 2. 1. 2002 s. BGBl. 2002 I S. 42, 100 ff.). 17 In Satz 2 wird in § 283 BGB nunmehr auch § 275 Abs. 3 BGB einbezogen; Satz 2 weist nur unwesentliche Anpassungen an.

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§ 311a Leistungshindernis bei Vertragsschluss (1) Der Wirksamkeit eines Vertrags steht es nicht entgegen, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorliegt. (2)

1

Der Gläubiger kann nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen in dem in § 284 bestimmten Umfang verlangen. 2 Dies gilt nicht, wenn der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. [. . .]

§ 313 Störung der Geschäftsgrundlage (= § 313 RegE/KonsF)

B. Gesetzesmaterialien: BT-Drucks. 14/6040 vom 14. 5. 2001 (Auszüge)

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einer Leistungspflicht zugleich Schuldner einer Schutzpflicht sein. Die Bezugnahme auf „Inhalt und Natur“ des Schuldverhältnisses im Vorschlag der Schuldrechtskommission sollte bedeuten, dass die Schutzpflichten letztlich nach der konkreten Situation zu bestimmen sind. Dabei meint die Bezugnahme auf den „Inhalt“ vor allem das konkret Geregelte, ohne dass eine klare Abgrenzung möglich wäre. Der Begriff „Natur des Schuldverhältnisses“ kommt derzeit schon im Gesetz vor, nämlich etwa in § 269 Abs. 1 BGB und in § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG („Natur des Vertrags“). Er soll eher dasjenige bezeichnen, was unausgesprochen durch den Zweck des Schuldverhältnisses erfordert wird. Der Entwurf meint darauf verzichten können. Der Begriff „Inhalt“ des Schuldverhältnisses sagt alles, was maßgeblich ist. Allerdings sollte in Ergänzung des Vorschlags der Schuldrechtskommission nicht nur von „Rechten und Rechtsgütern“, sondern zusätzlich auch von den „Interessen“ des anderen Teils gesprochen werden, um deutlich zu machen, dass auch Vermögensinteressen sowie andere Interessen wie zum Beispiel die Entscheidungsfreiheit zu schützen sein können. Der neue Absatz 2 verzichtet bewusst auf eine Regelung der Frage, ob das die Schutzpflichten erzeugende Schuldverhältnis in jedem Fall auf Gesetz beruht oder auch auf einem wirksamen Rechtsgeschäft beruhen kann. Das ist eine Frage der von der Rechtswissenschaft zu leistenden systematischen Einordnung. Für die Zuständigkeit nach § 29 ZPO soll keine Festlegung getroffen werden. Zu Nummer 5 – Einfügung von § 247 – Basiszinssatz Zu Absatz 1 Der Basiszinssatz wird seit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330) in dem bisherigen und auch neuen § 288 in Bezug genommen. Es entspricht der Struktur des Bürgerlichen Gesetzbuchs und dient der Übersichtlichkeit und Erleichterung der Rechtsanwendung, wenn im Bürgerlichen Gesetzbuch angesprochene Begriffe dort auch definiert werden. Deshalb soll § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) als § 247 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen werden. Dabei soll die Basiszinssatz-Bezugsgrößen-Verordnung vom 10. Februar 1999 (BGBl. I S. 139) in die Vorschrift eingearbeitet und als selbständige Verordnung aufgehoben werden. Auf die Ermächtigung zu ihrem Erlass kann verzichtet werden. Die in dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz vorgesehenen Ersetzungsvorschriften in § 1 Abs. 1 Satz 1 und §§ 2 und 4 sollen in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche als Überleitungsvorschriften eingestellt werden. § 5 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes wird damit überflüssig. Die auf Grund von § 3 erlassenen Verordnungen, die FIBOR-Überleitungsverordnung und die Lombardsatz-Überleitungsverordnung, sollen ebenfalls in diese Überleitungsvorschrift integriert werden. In der Wissenschaft ist die Übernahme des Basiszinssatzes in das Bürgerliche Gesetzbuch kritisiert und auch eine angebliche Schlechterstellung deutscher Schuldner im europäischen Vergleich bemängelt worden (Krebs, DB Beilage 14/200 S. 6). Diese Kritik überzeugt nicht. Der Basiszinssatz ist seit dem Übergang der Währungskompetenz der

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Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank die zentrale Bezugsgröße für Zinsen. Er wird deshalb auch stets neben den Zinssätzen der Europäischen Zentralbank in der Wirtschaftspresse veröffentlicht. Als Bezugsgröße lässt sich der Basiszinssatz auch nicht ohne weiteres ersetzen. Er wird in zahlreichen sehr heterogenen Vorschriften verwandt, die sehr unterschiedliche Spannen aufweisen und sämtlich geändert werden müssten, wenn der Basiszinssatz aufgegeben würde. Eine Schlechterstellung deutscher Schuldner lässt sich aus der bloßen Verwendung des Basiszinssatzes schon deshalb nicht ableiten, weil dieser in seiner Entwicklung an den Hauptrefinanzierungszinssatz der Europäischen Zentralbank gekoppelt ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Zahlungsverzugsrichtlinie ausdrücklich strengere Zinssätze zulässt und diese in anderen Mitgliedstaaten auch bestehen. Zu Satz 1 Satz 1 bestimmt als Ausgangspunkt den Prozentsatz des Basiszinssatzes, der bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gilt. Zu Satz 2 Satz 2 bestimmt den Rhythmus, in dem künftigen Zinsänderungen durch Anpassung des Basiszinssatzes Rechnung getragen werden soll. Dabei erfolgt eine Änderung gegenüber der derzeitigen Regelung des Basiszinssatzes insoweit, als nicht mehr eine drei-, sondern nur noch eine zweimalige Anpassung pro Jahr vorgenommen werden kann. Dies beruht auf Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe d der Zahlungsverzugsrichtlinie, der bei der Bestimmung der Bezugsgröße zu § 288 Abs. 2 RE mit zu berücksichtigen ist. Zu Satz 3 Satz 3 bestimmt die Bezugsgröße für den Basiszinssatz. Auch hier erfolgt eine Änderung gegenüber dem geltenden Recht. Der Zinssatz für die 3-Monats-Tender der Europäischen Zentralbank liegt um etwa 0,01 bis 0,05 Prozentpunkte über dem Zinssatz für die regulären 2-Wochen-Tender der Europäischen Zentralbank, auf den die Zahlungsverzugsrichtlinie abstellt. Diese minimale Abweichung wird in der Fassung des § 247 bereinigt. Das bedeutet aber nicht eine Erhöhung des Basiszinssatzes mit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Lediglich die künftigen Anpassungsrhythmen werden auf die Bezugsgröße der Zahlungsverzugsrichtlinie ausgerichtet. Zu Absatz 2 Durch Einstellung der Bekanntmachungspflicht in einen besonderen Absatz wird betont, dass der Zinssatz im Bundesanzeiger bekannt zu machen ist, was allerdings schon seit 1999 geschieht (übersehen bei Krebs a. a. O.). Zu Nummer 6 – Neufassung der §§ 275 und 276 Zu § 275 – Ausschluss der Leistungspflicht Vorbemerkung Mängel des geltenden Rechts Nach § 241 Abs. 1 verpflichtet ein Schuldverhältnis den Schuldner, eine Leistung zu bewirken. Die Erfüllung seiner

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Anhang – 127 –

Pflicht kann für den Schuldner mit Schwierigkeiten verbunden sein, die zu der Frage führen, ob es gerechtfertigt ist, den Schuldner an der Verpflichtung festzuhalten. Dabei ergeben sich zunächst zwei Probleme: 1. Welche Erschwernisse muss der Schuldner hinnehmen, so dass er noch an seine Primärleistungspflicht gebunden bleibt? Wann wird er von dieser Pflicht befreit? 2. Wird der Schuldner von der Primärleistungspflicht ohne weiteres (ipso iure) frei oder bedarf es dazu einer Handlung des Schuldners (insbesondere der Erhebung einer Einrede)? Ist der Schuldner von seiner Primärleistungspflicht befreit, so stellt sich die weitere Frage, ob dies ersatzlos geschieht oder ob an die Stelle der Primärleistungspflicht die Sekundärleistungspflicht tritt, dem Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten. Schließlich kann fraglich sein, ob der Gläubiger auch von sich aus den Übergang auf eine Sekundärleistungspflicht bewirken kann, ohne dass die Voraussetzungen für eine Befreiung des Schuldners von der Primärleistungspflicht vorliegen. Im geltenden Recht beantwortet § 275 diese Fragen unter 1. und 2.: Die Primärleistungspflicht des Schuldners endet erst beim nachträglichen Eintritt von (objektiver oder subjektiver) Unmöglichkeit. Diese selbst wird damit zu einem Zentralbegriff des Rechts der Leistungsstörungen. Auch soll die Primärleistungspflicht ipso iure enden; es bedarf dazu also keiner Berufung des Schuldners auf die Unmöglichkeit. Die sich an § 275 anschließenden Vorschriften über Leistungsstörungen – ein Kernstück des Schuldrechts – beschäftigen sich zu einem Gutteil damit, unter welchen Voraussetzungen die Primärleistungspflicht in eine Sekundärleistungspflicht übergeht. Der Hauptmangel des geltenden Rechts besteht in der Heraushebung der Unmöglichkeit (neben dem Schuldnerverzug) als eine der beiden Säulen des Rechts der Leistungsstörungen. Hierdurch ist insbesondere die von der h. M. angenommene Regelungslücke entstanden, die üblicherweise durch die im allgemeinen Schuldrecht nicht vorgesehene positive Forderungsverletzung gefüllt wird. Die Fragwürdigkeit der zentralen Rolle der Unmöglichkeit im Bürgerlichen Gesetzbuch ist schon 1907 von Ernst Rabel hervorgehoben worden (Die Unmöglichkeit der Leistung). Speziell der bisherige § 275 ist insofern missglückt, als er die Frage nach der Befreiung des Schuldners mit dem Vertretenmüssen verknüpft. Richtigerweise ist das Vertretenmüssen für den Fortbestand der Primärleistungspflicht ohne Bedeutung: Was der Schuldner nicht leisten kann, das schuldet er auch nicht, und zwar unabhängig von dem Grund seiner Unfähigkeit. Man kann § 275 auch nicht in dem Sinn verstehen (und dann für richtig halten wollen), als regele er das vollständige Freiwerden des Schuldners auch von sekundären Leistungspflichten. Denn ein solches Verständnis trifft ebenfalls nicht zu: Etwa erlangte Surrogate für die primär geschuldete Leistung hat der Schuldner auch ohne Vertretenmüssen an den Gläubiger abzuführen (bisheriger § 281). Verbesserungswürdig ist die Beschränkung des bisherigen § 275 auf die (objektive und subjektive) Unmöglichkeit. Denn diese Beschränkung bringt den wirklichen Anwen-

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dungsbereich der Entlastungsregel nur unvollständig zum Ausdruck: Das Vorliegen von echter (physischer) Unmöglichkeit ist durch die Fortschritte der Technik wesentlich eingeengt worden. So kann man heute gesunkene Schiffe auffinden und heben oder Berge versetzen. Dass solche Maßnahmen technisch möglich sind, sagt aber noch nicht, dass sie auch geschuldet werden, wo sie eine Voraussetzung für die Leistung bilden. Vielmehr ist hierüber unter rechtlichen Gesichtspunkten durch Auslegung des Versprechens zu entscheiden: Wer bloß eine Maschine zu liefern versprochen hat, braucht zur Erfüllung dieser Lieferungspflicht regelmäßig nicht das Schiff zu heben, mit dem die Maschine versunken ist. Wer dagegen das Schiff zu heben versprochen hat, wird regelmäßig nicht durch Schwierigkeiten entlastet, die dieser Hebung entgegenstehen. Tatsächlich haben sich Praxis und Lehre über die Beschränkung des § 275 (und seiner Folgevorschriften) auf wirkliche Unmöglichkeit längst hinweggesetzt: Die Vorschrift wird auch auf die sog. faktische Unmöglichkeit angewendet; eine weitere Ausdehnung auf die sog. wirtschaftliche Unmöglichkeit oder das Überschreiten der Opfergrenze ist umstritten. Andere ähnliche Entlastungsgründe, etwa wegen einer Unzumutbarkeit aus Gewissensgründen oder wegen Mängeln der Geschäftsgrundlage, haben sich bei § 242 angesiedelt. Fraglich ist weiter die Beschränkung des § 275 auf die nachträgliche Unmöglichkeit. Denn auch eine Leistung, der schon anfänglich ein unüberwindliches Hindernis entgegensteht, braucht der Schuldner nicht zu erbringen. Das geltende Recht erklärt freilich den auf eine anfänglich objektiv unmögliche Leistung gerichteten Vertrag für nichtig, § 306; das bedeutet zugleich eine Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht. Aber wenn – wie geplant – diese Vorschrift gestrichen wird, muss die Befreiung des Schuldners von schon anfänglich unmöglichen Primärleistungspflichten in § 275 geregelt werden. Die Erweiterung der Vorschrift sollte dann aber nicht – wie derzeit § 306 – auf die anfängliche Unmöglichkeit beschränkt bleiben. Ob die Leistung noch einem Dritten möglich ist, kann sinnvollerweise nicht darüber entscheiden, ob gerade der Schuldner sie erbringen muss: Dessen Befreiung sollte vielmehr nur davon abhängen, ob er selbst die Leistung zu erbringen vermag. Lösungsansatz der Schuldrechtskommission Die Unmöglichkeit sollte nach dem Vorschlag der Schuldrechtskommission ihre zentrale Position im Recht der Leistungsstörungen verlieren. Stattdessen sollte als Oberbegriff, der alle Arten der Leistungsstörungen umfasst, der Begriff der „Pflichtverletzung“ eingeführt werden (vgl. § 280 KE = RE). Zugleich war die Schuldrechtskommission der Ansicht, dass es auch in Zukunft einer Grenze für die Primärleistungspflicht des Schuldners bedürfe. Die Regelung dieser Grenze sah sie – in Anlehnung an die gewohnte Reihenfolge der Paragraphen – in § 275 KE vor. Dabei stellte die Schuldrechtskommission aber nicht auf die Unmöglichkeit ab. Vielmehr sollte das Schuldverhältnis maßgeblich sein: Dieses müsse die Anstrengungen bestimmen, die der Schuldner zur Erbringung der Leistung zu unternehmen habe. Als Maßstab hierfür sollte wiederum – wie schon in § 241 Abs. 2 Satz 1 KE – „Inhalt und Natur des Schuldver-

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hältnisses“ dienen. Die als Maßstab auch vorstellbare Unzumutbarkeit sollte aber nach den Vorschlägen der Schuldrechtskommission über die Beachtlichkeit einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 307 KE = § 313 RE) und über ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen (§ 308 KE = § 314 RE) entscheiden.

geltenden § 275 Abs. 1, dass die Leistung unmöglich „wird“. Diese Gleichstellung war auch einer der wesentlichen Änderungsvorschläge der Schuldrechtskommission.

Modell des Entwurfs

Im Gegensatz zum Wortlaut der bisherigen §§ 275, 280, aber im Einklang mit der Interpretation dieser Vorschriften durch die herrschende Lehre (BGHZ 68, 377; 97, 181; NJW 1999, 2034; RGZ 160, 263; Staudinger/Löwisch, § 275 Rdnr. 56; MünchKomm/Emmerich, § 275 Rdnr. 109; Palandt/Heinrichs, § 275 Rdnr. 24; a. M. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 230 ff.; Ulrich Huber, Festschrift für Gaul 1997 S. 238; ders., Leistungsstörungen, Bd. I, S. 120) unterscheidet § 275 Abs. 1 RE nicht zwischen nicht zu vertretender und zu vertretender Unmöglichkeit. Das entspricht auch dem Vorschlag der Schuldrechtskommission und ist als sachgerecht begrüßt worden (Canaris in: Schulze/Schulte-Nölke, S. 42 ff., 54). Denn auch dann, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat – z. B. weil er die verkaufte Sache vor deren Übereignung fahrlässig zerstört hat – ist es sinnlos, dem Gläubiger einen Anspruch zu geben, den der Schuldner nicht erfüllen kann und der sich demgemäß nicht einmal theoretisch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen ließe.

Der Ausschluss des primären Leistungsanspruchs nach § 275 Abs. 1 RE Die Unmöglichkeit sollte nach § 275 Satz 1 KE nicht mehr wie nach dem geltenden § 275 zu einer Leistungsbefreiung kraft Gesetzes führen, sondern eine Einrede begründen. Außerdem sollte die Unmöglichkeit nicht mehr besonders erwähnt werden, um den neuen einheitlichen Pflichtverletzungstatbestand auch sprachlich zu betonen. Der Entwurf folgt der Schuldrechtskommission in ihrer Einschätzung, dass die im Bürgerlichen Gesetzbuch sehr stark betonte Unmöglichkeit im Laufe der Jahre ihre anfangs vorhandene praktische Bedeutung verloren hat. Die heute typischen Leistungsstörungen sind der Verzug und die Schlechterfüllung, denen das Bürgerliche Gesetzbuch keineswegs die ihrer praktischen Bedeutung entsprechende Aufmerksamkeit widmet. Die Unmöglichkeit spielt in der Rechtswirklichkeit heute eine völlig untergeordnete Rolle, der die im Entwurf vorgeschlagene Neuordnung des Leistungsstörungsrechts auch durchweg Rechnung trägt. Im Gegensatz zur Schuldrechtskommission hält es der Entwurf aber nicht für zweckmäßig, die Unmöglichkeit auch dort nicht gewissermaßen namentlich anzusprechen, wo dies sachlich angebracht ist. Dies erscheint im Gegenteil vielmehr notwendig, um die Sachaussagen des Gesetzes verständlich zu machen. Deshalb soll die Unmöglichkeit im § 275 RE angesprochen werden. Dort geht es um die Befreiung von der Primärleistung wegen ihrer Unmöglichkeit. Anders als die Schuldrechtskommission hält der Entwurf es auch für richtig, im Fall der physischen Unmöglichkeit eine Leistungsbefreiung kraft Gesetzes anzuordnen, wie dies auch im geltenden § 275 der Fall ist, von dem sich § 275 RE aber im Übrigen grundlegend unterscheidet. Gleichstellung von objektiver und subjektiver Unmöglichkeit Wie der geltende § 275 und der von der Schuldrechtskommission vorgeschlagene § 275 KE stellt § 275 RE objektive und subjektive Unmöglichkeit gleich. Dies wird dadurch deutlich, dass § 275 Abs. 1 RE davon spricht, dass die Leistung „für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist“. § 275 Abs. 1 RE ist daher z. B. auch dann anwendbar, wenn die geschuldete Sache einem Dritten gehört, der zu ihrer Veräußerung nicht bereit ist, oder wenn sie gestohlen und die Suche nach dem Dieb aussichtslos ist. Gleichstellung von nachträglicher und anfänglicher Unmöglichkeit Anders als der geltende § 275 gilt § 275 Abs. 1 RE nicht nur für die nachträgliche, sondern auch für die anfängliche (objektive oder subjektive) Unmöglichkeit. Dies wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass § 275 Abs. 1 RE davon spricht, dass die Leistung unmöglich „ist“. Demgegenüber heißt es im

Gleichstellung von nicht zu vertretender und zu vertretender Unmöglichkeit

Dass zweifelhaft und streitig sein kann, ob Unmöglichkeit vorliegt (Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 225 f.), ändert daran nichts. Dies ist ein reines Beweislastproblem, das nach den für diese geltenden allgemeinen Regeln zu lösen ist. Es stattdessen dadurch bewältigen zu wollen, dass man dem Schuldner zusätzlich zu dem Beweis der Unmöglichkeit hier auch noch den Beweis fehlenden Vertretenmüssens auferlegt, vermengt zu Unrecht eine Frage, die ihren Platz im Rahmen der Schadensersatzproblematik hat, mit der Frage nach dem Bestand der primären Leistungspflicht des Schuldners. Zwar mag man versuchen, die Unterscheidung zwischen nicht zu vertretender und zu vertretender Unmöglichkeit in den bisherigen §§ 275 und 280 de lege lata mit Überlegungen über Beweisschwierigkeiten zu legitimieren, weil diese Unterscheidung sich nun einmal aus dem derzeitigen Text des Gesetzes zu ergeben scheint, doch gibt das keine Veranlassung, die Unterscheidung nun auch noch de lege ferenda als ein generelles Abgrenzungskriterium aufrechtzuerhalten. Einbeziehung der teilweisen und der zeitweiligen Unmöglichkeit Wie der geltende § 275 erfasst auch § 275 Abs. 1 RE die Teilunmöglichkeit. Das entspricht der derzeitigen Fassung von § 275 und bedarf daher keiner weiteren Erläuterung. Erfasst wird auch die zeitweilige Unmöglichkeit. Solange diese andauert, ist somit eine Klage auf Erfüllung als derzeit unbegründet abzuweisen (mit einer entsprechend eingeschränkten Rechtskraftwirkung), sofern nicht eine Klage auf zukünftige Leistung erhoben und gemäß § 259 ZPO ausnahmsweise zulässig ist (RGZ 168, 321, 325 f.). Umgekehrt ergibt sich aus dem Wort „solange“ zugleich, dass die Klage von dem Augenblick an begründet ist, in dem das Leistungshindernis wegfällt. Wird also z. B. die Blockade, welche die Lieferung der geschuldeten Ware unmöglich macht, aufgehoben oder taucht die verkaufte Sache, die dem Schuldner gestohlen worden war, wieder auf, hat der

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Schuldner diese grundsätzlich, d. h. vorbehaltlich der zu erörternden Einschränkungen, an den Gläubiger zu leisten. Dies gilt allerdings nur für den wieder möglich gewordenen Teil der Leistung. Eine vorübergehende Unmöglichkeit kann aber auch dazu führen, dass Teile der Leistung nicht nur vorübergehend unmöglich sind, sondern ganz unmöglich werden. In diesem Fall kann die Leistungspflicht für die (endgültig) unmöglich gewordenen Teile der Leistung nicht mehr aufleben. Ein Beispiel wäre ein Arbeitnehmer, der vorübergehend an der Arbeitserbringung gehindert ist; er muss die verstrichene Zeit nicht nacharbeiten. Es ist erwogen worden, die Frage der vorübergehenden Unmöglichkeit der Klärung durch die Rechtsprechung zu überlassen. Die Ergebnisse sind aber sachgerecht. Warum sollte z. B. der Erbe eines Kunstwerks, der zu dessen Übereignung an einen Vermächtnisnehmer verpflichtet ist, oder ein Händler, der ein solches verkauft hat, dieses behalten dürfen, wenn er es nach einem Diebstahl wieder zurückerlangt? Diese Fälle sind im geltenden Recht nicht geregelt und führen deshalb zu unklaren Ergebnissen (vgl. MünchKomm/ Emmerich, § 275 Rdnrn. 51 bis 54). Es erscheint deshalb geboten, sie eindeutig gesetzlich zu regeln. Dogmatisch bedeutet die Einbeziehung der zeitweiligen Unmöglichkeit in § 275 Abs. 1 RE, dass der Anspruch auf Erfüllung dem Grunde nach fortbesteht, aber zwischenzeitlich durch eine Einwendung gehemmt ist. Der Gläubiger gerät durch diese Lösung nicht in eine unzumutbare Schwebesituation. Nach § 326 Abs. 1 Satz 1 RE entfällt nämlich auch seine Leistungspflicht, solange die Unmöglichkeit andauert und der Schuldner daher nach § 275 Abs. 1 RE nicht zu leisten braucht; eine etwa schon erbrachte Leistung kann der Gläubiger nach § 326 Abs. 4 RE zurückverlangen. Wird die Leistung des Schuldners wieder möglich, aktualisiert sich auch die Gegenleistungspflicht des Gläubigers, da dann die Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 RE nicht mehr erfüllt sind und die daraus folgende hemmende Einwendung somit endet. Will der Gläubiger einem solchen Wiederaufleben seiner Leistungspflicht vorbeugen, so kann er grundsätzlich gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 RE zurücktreten. Außerdem kann er nach §§ 280, 283 RE Schadensersatz statt der Leistung verlangen, sofern dem Schuldner der Entlastungsbeweis hinsichtlich des Vertretenmüssens misslingt. Schließlich bleibt ebenso wie nach der derzeit geltenden Rechtslage auch die Lösung, die zeitweilige Unmöglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen als dauernde Unmöglichkeit zu qualifizieren mit der Folge, dass der Gläubiger von seiner Pflicht zur Gegenleistung nach § 326 RE endgültig frei wird. Auf diesem Wege kann auch den legitimen Interessen des Schuldners, dem der Entwurf keine Möglichkeit eröffnet, die Schwebelage von sich aus zu beenden, Rechnung getragen werden.

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Diese Regelungen stellen zwar funktionell eine Parallele zu § 275 Abs. 2 RE dar, bilden aber im Übrigen in jeder Hinsicht ein negatives Gegenbeispiel: Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird nicht einmal andeutungsweise angesprochen, geschweige denn, dass der maßgebliche Bezugspunkt – das Gläubigerinteresse – oder der Grad des Missverhältnisses benannt würde. Dennoch ist eine ähnliche Problematik wie in § 275 Abs. 2 RE gemeint, wie die Beispiele in den „Comments“ belegen: Das Heben einer gesunkenen Yacht durch deren Verkäufer, wenn die Kosten hierfür vierzigmal so hoch wie ihr Wert wären (Lando/Beale, a. a. O., S. 396), bzw. eines gesunkenen Öltankers durch dessen Eigentümer, wenn die Kosten hierfür den Wert des Öls weit übersteigen (UNIDROIT a. a. O., S. 174). Zu Absatz 1 Nach Absatz 1 ist der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, wenn die Leistung dem Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Unmöglich meint, wie sich aus Absatz 2 ergibt, nur die objektive oder subjektive „wirkliche“ Unmöglichkeit, nicht dagegen die faktische Unmöglichkeit, die Regelungsgegenstand des § 275 Abs. 2 RE ist. Eine Leistung ist in diesem Sinne objektiv unmöglich, wenn sie von niemandem erbracht werden kann. Dies kann auf Grund von tatsächlichen Umständen der Fall sein. Möglich ist aber auch die rechtliche Unmöglichkeit, etwa bei einem Arbeitsverbot (BAG, NJW 1995, 1774, 1775). Ist die Durchführbarkeit der Leistung theoretisch, aber nur mit einem völlig unverhältnismäßigen Aufwand möglich, liegt kein Fall des Absatzes 1, sondern ein Fall des Absatzes 2 vor. Entsprechendes gilt für das Unvermögen. Dem Schuldner ist die Leistung nur unmöglich, wenn er die Leistung auch durch Beschaffung oder Wiederbeschaffung nicht erbringen kann. Ist er nicht leistungsfähig, könnte er seine Leistungsfähigkeit aber durch Wiederbeschaffung wiederherstellen, liegt kein Unvermögen vor (vgl. BGH, NJW 1988, 699, 700). Ist dem Schuldner die Wiederbeschaffung der Leistung zwar theoretisch möglich, aber nur mit völlig indiskutablem Aufwand, liegt kein Fall des Absatzes 1, sondern ein Fall des Absatzes 2 vor. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass der Schuldner im ersten Fall kraft Gesetzes von der Leistung befreit ist, im zweiten dagegen eine Einrede erheben muss. Weitere Unterschiede ergeben sich nicht. Zu Absatz 2 Der Regelung von § 275 Abs. 1 RE, die als Einwendung ausgestaltet ist, wird in Absatz 2 ein Leistungsverweigerungsrecht, das seiner Rechtsnatur nach eine bloße Einrede darstellt, an die Seite gestellt.

Vergleich mit den Europäischen Vertragsrechtsprinzipien Die Principles of European Contract Law und die Principles of International Commercial Contracts enthalten in Artikel 9:102 Abs. 2 lit. a bzw. Artikel 7.2.2 lit. a ausdrücklich die Kategorie der Unmöglichkeit als Grund für die Befreiung von der primären Leistungspflicht. Nach lit. b der genannten Artikel entfällt die primäre Leistungspflicht ferner dann, wenn deren Erfüllung dem Schuldner „unreasonable effort or expense“ verursachen würde bzw. für ihn „unreasonably burdensome or expensive“ wäre.

Zu Satz 1 Tatbestandlich und funktionell werden mit Absatz 2 zwei unterschiedliche Fallgruppen erfasst. Zunächst bezieht sich die Vorschrift auf die so genannte faktische oder auch praktische Unmöglichkeit. Mit diesem Begriff bezeichnet man Fälle, in denen die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, die aber kein vernünftiger Gläubiger ernsthaft erwarten kann. Das immer wieder zitierte Schulbeispiel ist der geschuldete Ring auf dem Grund

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des Sees (Beispiel nach Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 28). Nicht erfasst werden von Absatz 2 Satz 1 dagegen die Fälle der so genannten „wirtschaftlichen“ oder „sittlichen“ Unmöglichkeit oder der „Unerschwinglichkeit“ im Sinne der bloßen Leistungserschwerung für den Schuldner. Diese Fallgruppen sind im geltenden Recht nicht gesetzlich geregelt und nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. jetzt § 313 RE) zu behandeln. Das ist zwar nicht immer so gesehen worden (anders z. B. RGZ 100, 129; 100, 134; 101, 74; 101, 79), aber seit den zwanziger Jahren herrschende Meinung (RGZ 103, 3; 168, 65, 73; MünchKomm/Emmerich, § 275 Rdnr. 33; Palandt/ Heinrichs, § 275 Rdnr. 12; U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. I, 1999, § 3 III 4 S. 118). Daran ändert Absatz 2 Satz 1 nichts. Dies folgt daraus, dass Absatz 2 Satz 1 allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers abstellt und die eigenen Interessen des Schuldners, um deren Berücksichtigung es in diesen Fällen typischerweise geht, nicht in den Blick nimmt. Das ist auch nicht Zweck des § 275 Abs. 2 Satz 1 RE, der das Entfallen der Primärleistungspflicht zum Gegenstand hat. Dies ist vielmehr Gegenstand des § 313 RE über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Auch Fälle der Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen lassen sich nicht mit § 275 Abs. 2 Satz 1 RE, sondern nur über § 313 RE oder über die Anwendung von Treu und Glauben lösen. Nach Absatz 2 Satz 1 darf der Schuldner die Primärleistung verweigern, wenn deren Erbringung einen unverhältnismäßigen Aufwand verlangt. Mit Aufwand werden sowohl Aufwendungen in Geld als auch Tätigkeiten und ähnliche persönliche Anstrengungen erfasst. Dies folgt daraus, dass Absatz 2 Satz 3, der für den Fall des Vertretenmüssens eine Verschärfung des Maßstabs bestimmt, bewusst, um gerade dies deutlich zu machen, von „Anstrengungen“ spricht. Der Aufwand ist allein an dem Leistungsinteresse des Gläubigers zu messen, nicht am Verhältnis dieses Aufwands zu den eigenen Interessen des Schuldners, also etwa zu dem Vertragspreis oder eben auch zu persönlichen Belangen wie Gewissensbedenken, familiären Belastungen usw. Die eigenen Interessen des Schuldners bleiben allerdings, vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 2, nicht immer völlig unberücksichtigt. Sie können vielmehr, wie dargelegt, nach anderen Vorschriften, insbesondere nach § 313 RE, zu berücksichtigen sein. Die Regelung des § 275 Abs. 2 Satz 1 RE findet eine gewisse Parallele in den Vorschriften der geltenden §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3, 651c Abs. 2 Satz 2. Diese Vorschriften stellen Ausprägungen eines allgemeinen Rechtsgedankens dar (BGHZ 62, 388, 393 f.; NJW 1988, 699, 700), den § 275 Abs. 2 Satz 1 RE hier zur Geltung bringt. Von den genannten Vorschriften unterscheidet sich § 275 Abs. 2 Satz 1 RE indes dadurch, dass er die beiden Kriterien bezeichnet, die bei jeder Verhältnismäßigkeitsprüfung von ausschlaggebender Bedeutung sind: Die Bezugsgröße zum ersten, die hier im Interesse des Gläubigers an der Leistung besteht, und den Grad des Missverhältnisses zum zweiten, das „grob“ sein muss. Dass es auf das Gläubigerinteresse ankommt, entspricht auch der Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Lehre (BGH NJW 1995, 1836 f.; NJW 1996, 3269 f.; NJW-RR 1997, 1450, 1451; Lange,

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Schadensersatz, 2. Aufl. 1990, § 5 VII 1; MünchKomm/ Grunsky, § 251 Rdnr. 15). Das Missverhältnis muss also ein besonders krasses, nach Treu und Glauben untragbares Ausmaß erreichen. Das legitimiert sich vor allem daraus, dass der Gläubiger bei vom Schuldner nicht zu vertretender Unmöglichkeit seinen Anspruch ersatzlos verliert. Demgegenüber muss er im Falle des § 251 Abs. 2 grundsätzlich, d. h. abgesehen von den Fällen des § 253, lediglich hinnehmen, dass er statt Naturalersatz eine – den Wertverlust voll ausgleichende – Entschädigung in Geld erhält. In den Fällen des bisherigen § 633 Abs. 2 Satz 3 verliert er nur den Anspruch auf Beseitigung des Mangels, nicht aber die Ansprüche auf Wandelung und Minderung nach dem bisherigen § 634, mit deren Hilfe er sein finanzielles Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung regelmäßig im Wesentlichen wahren kann. Bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit erhält der Gläubiger zwar einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280, 283 RE, doch wäre es paradox, wenn er deshalb leichter von seinem Primäranspruch auf Erfüllung befreit würde. Zu Satz 2 Absatz 2 Satz 2 trifft eine Sonderregelung für den Fall einer Leistung, die in der Person des Schuldners zu erbringen ist. Dies betrifft vor allem Arbeits- und Dienstverträge. Hierzu können aber auch Werkverträge oder Geschäftsbesorgungsverträge gehören. In diesen Fällen sollen nicht nur objektive, sondern auch auf die Leistung bezogenene persönliche Umstände des Schuldners berücksichtigt werden und zur Unmöglichkeit führen können. Dies ist geboten, weil die Leistung selbst auf die Person des Schuldners ausgerichtet ist. Solche Umstände sind also, anders als in den Fällen des Absatz 2 Satz 1, nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen, sondern schon unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Primärleistungspflicht nach § 275 RE. Schulbeispiel ist der Fall der Sängerin, die sich weigert aufzutreten, weil ihr Kind lebensgefährlich erkrankt ist. In diesem Fall geht es um die Rücksichtnahme auf das Schuldnerinteresse, das in Absatz 2 Satz 2 in bewusster Abgrenzung zu Absatz 1 Satz 1 und zu § 313 RE gerade auch maßgeblich sein soll. In diesem Fall liegt kein Wegfall der Geschäftsgrundlage, sondern Unmöglichkeit vor (für diesen Fall auch: MünchKomm/Emmerich, § 275 Rdnr. 39). Ebenfalls nach Absatz 2 Satz 2 zu lösen ist schließlich auch der Fall des Arbeitnehmers, der seine Arbeit nicht verrichten möchte, weil er in der Türkei zum Wehrdienst einberufen ist und bei Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls mit der Todesstrafe rechnen muss. Das BAG hat diesen Fall „analog § 323 BGB“ behandelt und der subjektiven Unmöglichkeit „gleichgestellt“ (NJW 1983, 2782, 2784). Nach Absatz 2 Satz 2 ist das weiterhin möglich, weil es hier um die Berücksichtigung des Schuldnerinteresses bei einer in der Person des Schuldners zu erbringenden Leistung geht. Genauso liegt es in anderen Fällen, in denen dem Schuldner die Leistungspflicht unter Beachtung des Leistungsinteresses des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Beispiele sind während der Arbeitszeit notwendige Arztbesuche, notwendige Versorgung schwerwiegend erkrankter Angehöriger, Ladung zu Behörden und Gerichtsterminen.

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Zu Satz 3 Absatz 2 Satz 3 bestimmt, dass bei der Konkretisierung des Missverhältnisses zu berücksichtigen ist, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Daraus folgt, dass von ihm erhöhte Anstrengungen zu dessen Überwindung zu erwarten sind, wenn er es zu vertreten hat. Hat der Schuldner also z. B. auf Grund eines schuldhaften Irrtums oder gar in Kenntnis der Rechtslage den Vertragsgegenstand an einen Dritten übereignet, so muss er diesem für dessen Rückerwerb in aller Regel wesentlich mehr als den Marktpreis bieten, um in den Genuss der Befreiung von seiner primären Leistungspflicht zu gelangen. Ähnlich liegt es im geltenden Recht bei der Auslegung von § 633 Abs. 2 Satz 3 (BGH, NJW 1995, 1836, 1837; 1996, 3269, 3270) und zu dem von dem BGH aus den §§ 251 Abs. 2, 633 Abs. 2 Satz 3 entwickelten allgemeinen Rechtsgedanken (NJW 1988, 699, 700; vgl. auch BGHZ 62, 388, 393 f.). Den Umkehrschluss, dass der Schuldner überhaupt keine Anstrengungen zur Überwindung des Leistungshindernisses zu unternehmen braucht, wenn er dieses nicht zu vertreten hat – wie das von manchen Autoren für den geltenden § 275 postuliert wird (z. B. U. Huber, Leistungsstörungen Bd. I, § 3 I 6 S. 74, 75) – erlaubt § 275 Abs. 2 Satz 3 RE dagegen nicht. Vielmehr ist diese Frage, wie es in der Vorschrift heißt, nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses zu beantworten. So muss der Schuldner sich in dem erwähnten Beispiel auch dann, wenn ihn kein Verschulden trifft, immerhin bemühen, den Vertragsgegenstand von dem Dritten zurückzuerwerben, und diesem zumindest den Marktpreis, u. U. aber auch einen darüber liegenden Preis bieten. Denn auch wenn er sich in einem unverschuldeten Irrtum befunden und daher die verkehrserforderliche Sorgfalt nicht außer Acht gelassen hat, hat er doch objektiv seine Pflicht aus dem Schuldverhältnis nicht erfüllt, so dass das Leistungshindernis auf einem in seiner Sphäre liegenden Mangel beruht. Indes sind die Bemühungen und Aufwendungen, die von ihm zu erwarten sind, grundsätzlich geringer, als wenn er das Leistungshindernis zu vertreten hat, so dass die Unterscheidung jedenfalls sinnvoll ist. Die Grundsätze gelten sowohl in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 als auch in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2. Zu Absatz 3 § 275 RE bestimmt in beiden Varianten, also sowohl bei der Befreiung kraft Gesetzes nach Absatz 1 als auch bei der Einrede nach Absatz 2, nur die Folge der Unmöglichkeit für die Primärleistung. Dies kann und soll aber nicht bedeuten, dass der Fortfall der Primärleistungspflicht die einzige Rechtsfolge ist. Wenn der Umstand, der zur Leistungsbefreiung führt, vom Schuldner zu vertreten ist, so ist dieser zum Schadensersatz verpflichtet. Dies regeln die §§ 280, 283 bis 285 und 311a RE. Auf diesen Zusammenhang weist Absatz 3 zur Klarstellung hin, ohne dies aber selbst unmittelbar zu regeln. Zu § 276 – Verantwortlichkeit für eigenes Verschulden Vorbemerkung Das Vertretenmüssen ist ein zentraler Begriff des Leistungsstörungsrechts. Bewirkt der Schuldner die geschuldete Leis-

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tung nicht oder verletzt er sonst eine vertragliche Pflicht, so kommen Rechte des Gläubigers in Betracht, die den Schuldner erheblich belasten können. Dies gilt insbesondere für den Übergang von der Primärleistungspflicht auf eine Sekundärleistungspflicht; vor allem eine Pflicht zum Ersatz des Nichterfüllungsschadens kann weit schwerer wiegen als die Primärleistungspflicht. Ähnliche Belastungen können sich aus einer Pflicht zum Ersatz von Verzögerungsschäden und aus einer Haftungsverschärfung ergeben, wie sie bisher in den §§ 276, 287 geregelt sind. Auch Schadensersatzansprüche wegen Schutzpflichtverletzungen können den Schuldner erheblich belasten. Daher liegt es nahe, diese Rechtsfolgen an eine besondere Verantwortlichkeit des Schuldners zu knüpfen, nämlich an das Vertretenmüssen. Der bisherige § 276 Abs. 1 Satz 1 sieht unter dem Vorbehalt einer abweichenden Bestimmung vor, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Die Vorschrift drückt mit dieser Einschränkung das Verschuldensprinzip aus. Die übrigen Teile des § 276 ergänzen dieses Prinzip in Einzelheiten; Ausnahmen finden sich erst in anderen Vorschriften. Diese übrigen Teile des bisherigen § 276 sollen unverändert bleiben. Ergänzungen werden mit dem Entwurf lediglich in § 276 Abs. 1 Satz 1 vorgesehen. Derzeit stehen sich für die Vertragshaftung zwei Systeme gegenüber (vgl. Zweigert/Kötz, S. 484 ff., 501 ff.): Das angloamerikanische Recht geht von einer Garantiehaftung des Versprechenden aus, so dass es auf dessen Verschulden prinzipiell nicht ankommt; doch können bestimmte Leistungshindernisse als außerhalb dieser Garantie liegend angenommen werden. Dagegen legen die kontinentalen Rechte – unter ihnen auch das Bürgerliche Gesetzbuch – regelmäßig das Verschuldensprinzip zugrunde; ausnahmsweise lassen sie aber eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung eintreten. Insbesondere das Einheitliche Kaufgesetz (EKG) ging in Artikel 74 vom angloamerikanischen System einer durch Verschuldenselemente gemilderten Garantiehaftung aus. Gleiches gilt jetzt für Artikel 79 des UN-Kaufrechts. Auch die Principles of European Contract Law gehen in 9.501 (1) von einer „obligation de résultat“ aus (Lando in: Grundmann/Medicus/Rolland, S. 61 ff., 74 f.). Im Ergebnis bleiben die beiden Systeme freilich nicht weit voneinander entfernt (Zweigert/Kötz a. a. O. S. 510 f.; Schlechtriem/Stoll, Artikel 79 Rdnr. 9). Zu Absatz 1 Zu Satz 1 Der Entwurf behält das bewährte Verschuldensprinzip des bisherigen § 276 bei. Die vorgenommenen Änderungen beziehen sich allein auf eine ausführlichere Formulierung der Abweichungen, die in dem bisherigen Wortlaut nur durch den Halbsatz „sofern nicht ein anderes bestimmt ist“ angedeutet werden. Neben der „anderen Bestimmung“ soll auch „der sonstige Inhalt des Schuldverhältnisses“ einen anderen Haftungsmaßstab ergeben können. Damit soll der Rechtsanwender außer auf „Bestimmungen“ (durch Gesetz oder Rechtsgeschäft) auch auf andere Umstände hingewiesen werden, die im Einzelfall für einen abweichenden Haftungsmaßstab sprechen können. Erwähnt wird weiter die „Natur der Schuld“.

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Zu § 311a – Ausschluss der Leistungspflicht bei Vertragsschluss Vorbemerkung Aufhebung der bisherigen §§ 306 bis 308 Derzeit regeln die §§ 306 bis 308 den Fall der anfänglichen Unmöglichkeit einer Leistung: § 306 bestimmt, dass ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag nichtig ist; nach § 307 kann eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei zum Ersatz des negativen Interesses (Vertrauensschadens) verpflichtet sein; § 308 macht für den Fall der nur vorübergehenden Unmöglichkeit Ausnahmen von der Nichtigkeitsfolge des § 306. § 309 erweitert die Anwendbarkeit der §§ 306 bis 308 auf Fälle, in denen ein Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Die Vorschriften der §§ 306 bis 308 werden allgemein als unsachgemäß angesehen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Nichtigkeitsfolge als auch in Bezug auf die Begrenzung des Ersatzanspruchs auf das negative Interesse (§ 307). Huber (Gutachten, S. 692, 813 ff.) hat ihre Aufhebung vorgeschlagen. Dem war die Schuldrechtskommission in ihren Vorschlägen gefolgt. Der Entwurf sieht – dem folgend – die Aufhebung der bisherigen §§ 306 bis 309 vor. Die anfängliche objektive Unmöglichkeit soll künftig als Fall der Leistungsstörung nach den allgemeinen Regeln behandelt werden. Von der Rechtsprechung in Anwendung des bisherigen § 306 gelöste Fälle des Versprechens einer Leistung, die nur Aberglaube für möglich halten kann (vgl. LG Kassel, NJW 1985, 1642, LG Kassel, NJW-RR 1988, 1517), rechtfertigen die Beibehaltung dieser Vorschrift nicht; sie dürften (häufig) als sittenwidrig und deshalb nach § 138 als nichtig behandelt werden können. Nach den neuen Regeln (§ 311a Abs. 2 RE) kann über das nach geltendem Recht im Falle des bisherigen § 306 allein mögliche negative Interesse hinaus Schadensersatz beansprucht werden. Auch hat der Vorwurf gegen den Schuldner nach dem geltenden § 307 Abs. 1 nicht dessen Leistungsunvermögen zum Gegenstand, sondern die unterbliebene Vergewisserung über seine Leistungsmöglichkeit. Gleichwohl sind die Gründe, die gegen eine Beibehaltung der bisherigen Regelung in den §§ 306 bis 309 sprechen, gewichtiger: Der Eintritt der Unmöglichkeit vor oder nach Vertragsschluss kann zufällig und sein genauer Zeitpunkt zuweilen auch schwer beweisbar sein; im Übrigen kennt das geltende Recht bereits eine Haftung auf das volle Interesse in Fällen anfänglich objektiver Unmöglichkeit. Tatsächlich kann die Neuregelung zu Ansprüchen auf Ersatz des positiven Interesses führen, obwohl der Schuldner eigentlich eine vorvertragliche Pflicht zur Prüfung seines Leistungsvermögens verletzt hat. Das ist aber auch schon gegenwärtig nach den §§ 437, 463 und nach der Rechtsprechung in den Fällen der Haftung wegen des Verkaufs technisch unmöglicher Verfahren der Fall. Vorschlag der Schuldrechtskommission Für die Haftung des Schuldners bei anfänglich objektiver Unmöglichkeit sollte nach dem Vorschlag der Schuldrechtskommission in Fällen, in denen die Verantwortung des Schuldners allein auf Grund der fehlenden Vergewisserung über seine Leistungsfähigkeit begründet ist, nach §§ 305 Abs. 1 Satz 2, 280 KE gelten, was der BGH (NJW 1988,

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2234, 2236) für einen Fall der culpa in contrahendo durch Verletzung der Aufklärungspflicht ausgeführt hat: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Pflichtwidrigkeit des anderen Teils stehen würde. Welcher Schaden dabei erstattungsfähig ist, richtet sich angesichts der Vielgestaltigkeit, in der ein Verschulden bei Vertragsanbahnung in Betracht kommen kann, nach der Ursächlichkeit des Schaden stiftenden Verhaltens für den eingetretenen Schaden im Einzelfall. Der Anspruch geht in aller Regel auf Ersatz des sog. negativen Interesses, das allerdings nicht durch das Erfüllungsinteresse begrenzt wird, dieses vielmehr im Einzelfall auch übersteigen kann. Der Gläubiger ist deshalb so zu stellen, wie er bei Erfüllung der den Schuldner treffenden Pflichten zur Vergewisserung und Information gestanden hätte. Hätte er dann statt des undurchführbaren Geschäfts ein anderes abgeschlossen, so kann er ersetzt verlangen, was ihm aus diesem Geschäft zugeflossen wäre. Die Regelung des bisherigen § 309 in Verbindung mit § 307 würde danach überflüssig. Kenntnis oder Kennenmüssen des Gläubigers von einer anfänglichen Leistungsunmöglichkeit des Schuldners oder Gesetzwidrigkeit des Vertrags – derzeit § 307 Abs. 1 Satz 2 – begründet ein Mitverschulden an einem Schaden, der aus dem Ausbleiben der Leistung entsteht. Der bisherige § 308 würde auch im Anwendungsbereich des bisherigen § 309 – der ohnehin nur klarstellende Funktion hat (Palandt/Heinrichs, § 309 Rdnr. 1) – entbehrlich. Modell des Entwurfs Der Entwurf folgt der Schuldrechtskommission im Ansatz. Im Unterschied zu deren Vorschlag hält er eine gesetzliche Klarstellung, dass der bisherige § 306 nicht mehr gilt, für angezeigt. Außerdem soll gesetzlich geregelt werden, dass der Schuldner auf das positive Interesse haftet, wenn er den Vertrag abschließt, obwohl er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass die Leistung objektiv unmöglich ist. Zu Absatz 1 Nach § 311a Abs. 1 RE steht es der Gültigkeit eines Vertrags nicht entgegen, dass die Leistung für den Schuldner oder für jedermann schon bei Vertragsschluss unmöglich ist. Diese Bestimmung, deren Formulierung bewusst an Artikel 4.102 der Principles of European Contract Law angelehnt ist, hat lediglich klarstellenden Charakter. Die Schuldrechtskommission hat, wie ausgeführt, die schlichte Aufhebung für ausreichend erachtet. Der Entwurf hält die Aufnahme einer klarstellenden Regelung in das Gesetz für zweckmäßig, weil sich die Abkehr von dem bisherigen § 306 nicht von selbst versteht und die Rechtslage daher ausdrücklich aus dem Gesetz hervorgehen sollte (so auch U. Huber, ZIP 2000, 2149; Canaris in: Schulze/ Schulte-Nölke, S. 45 ff. 63 bei Fn. 68). Die Anordnung der Wirksamkeit des Vertrags in § 311a Abs. 1 RE steht nicht in Widerspruch zu § 275 Abs. 1 RE. Allerdings gilt diese Vorschrift auch für die anfängliche Unmöglichkeit. Ein Anspruch auf die Primärleistung kommt daher hier von vornherein nicht in Betracht. Das ist jedoch keineswegs dogmatisch unvereinbar mit der Wirksamkeit des Vertrags, sondern bedeutet lediglich, dass hier ein Vertrag ohne primäre Leistungspflicht entsteht, was seit langem eine anerkannte dogmatische Kategorie darstellt. Dieser bil-

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det die Grundlage für einen etwaigen Surrogationsanspruch nach § 285 RE und vor allem für die Ersatzansprüche nach § 311a Abs. 2 RE.

rechtskommission in ihrem Bericht (S. 146) nur den Ersatz des negativen Interesses für möglich gehalten hat, wie oben ausgeführt.

Dass der Vertrag aus einem anderen Grund als wegen der Unmöglichkeit als solcher nichtig oder anfechtbar ist, schließt § 311a Abs. 1 RE nicht aus. Verstößt der Vertrag also z. B. gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134, so ändert § 311a Abs. 1 RE nichts an seiner Nichtigkeit. Es ist erwogen worden, in noch engerer Anlehnung an Artikel 4.102 Principles of European Contract Law zu formulieren: „Ein Vertrag ist nicht allein deshalb ungültig, weil …“. Davon ist aber abgesehen worden, weil die hier gewählte Formulierung den im deutschen Recht üblichen Heilungsregelungen entspricht, die insoweit dasselbe aussagen und stets in diesem Sinne verstanden worden sind (vgl. z. B. Artikel 231 § 7 Abs. 1 EGBGB). Was die Schadensersatzpflicht für den Fall, dass eine Partei den Verstoß gegen § 134 zu vertreten hat, angeht, so entfällt zwar zugleich mit dem bisherigen § 306 zwangsläufig die Anspruchsgrundlage des bisherigen § 309. Das ändert aber im Ergebnis wenig, weil an deren Stelle ein Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 241 Abs. 2, 280 RE) tritt. Zweifelhaft ist lediglich, ob dieser ebenso wie nach dem bisherigen § 309 in Verbindung mit dem bisherigen § 307 Abs. 1 Halbsatz 2 der Höhe nach durch das positive Interesse begrenzt wird. Die rigide Regelung des bisherigen § 309 in Verbindung mit dem bisherigen § 307 Abs. 1 Satz 2, wonach die Ersatzpflicht entfällt, wenn der andere Teil die Gesetzeswidrigkeit kennen muss, wird durch die flexiblere Regelung des § 254 BGB ersetzt.

Dogmatisch gesehen folgt der Anspruch auf das positive Interesse aus der Nichterfüllung des – nach § 311a Abs. 1 RE wirksamen – Leistungsversprechens und nicht etwa aus der Verletzung der – nach § 275 RE ausgeschlossenen – Leistungspflicht. Aus diesem Grund werden die Rechtsfolgen in § 311a auch eigenständig geregelt. Gegen diese Lösung ist eingewandt worden, dass sich das positive Interesse mitunter nicht bestimmen lasse (Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/ Kitz, Anmerkungen und Fragen zur konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, 2001, S. 52). Das ist indes eher selten und keine Besonderheit des § 311a RE. Jedenfalls spricht das nicht dagegen, einen solchen Anspruch zu gewähren, zumal die Ermittlung des Schadens in der Mehrzahl der Fälle keine Schwierigkeiten bereitet.

Anders liegt es freilich hinsichtlich der Frage, ob der Schuldner nach § 119 Abs. 2 mit der Begründung anfechten kann, das Leistungshindernis sei ihm unbekannt gewesen und stelle eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne dieser Vorschrift dar. Tatbestandlich ist das keineswegs von vornherein ausgeschlossen, weil z. B. die Tatsache, dass eine Sache nicht dem Verkäufer, sondern einem Dritten gehört, durchaus als verkehrswesentliche Eigenschaft qualifiziert werden kann. Es ist erwogen worden, klarzustellen, dass die Unkenntnis eines anfänglichen Leistungshindernisses den Schuldner nicht zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 berechtigt. Davon ist jedoch abgesehen worden. Eine solche Klarstellung ist unnötig. Anerkanntermaßen ist eine Anfechtung durch den Schuldner unzulässig, wenn sie nur das Ziel haben kann, sich etwaigen Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüchen zu entziehen (BGH, NJW 1988, 2598). Zu Absatz 2 Zu Satz 1 Welche Rechtsfolge es hat, wenn ein Vertrag auf eine von vornherein unmögliche Leistung gerichtet ist, regelt § 311a Abs. 2 RE. Dabei wird ausdrücklich ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, also auf das positive Interesse gewährt. Das ist erforderlich, weil sich aus der Verletzung einer vorvertraglichen Informationspflicht nach den allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts nun einmal grundsätzlich nur ein Anspruch auf das negative Interesse ergibt, wohingegen der Entwurf einen Anspruch auf das positive Interesse als die angemessene Rechtsfolge ansieht. Eine solche Klarstellung erscheint angezeigt, zumal die Schuld-

Alternativ erhält der Gläubiger einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach Maßgabe von § 284 RE. Das entspricht dem Bestreben, die anfängliche Unmöglichkeit hinsichtlich der Rechtsfolgen genauso zu behandeln wie die nachträgliche. Ist dem Gläubiger indes z. B. wegen seines Vertrauens auf den Vertrag, dessen Erfüllung sich als unmöglich erweist, ein anderes lukrativeres Geschäft entgangen, so erhält er den darin liegenden Verlust nach der derzeitigen Fassung von § 311a Abs. 2 RE nicht ersetzt. Dies entspricht der geltenden Regelung in § 307. Danach erhält er das negative Interesse nur bis zur Grenze des positiven ersetzt, wobei er letzteres nach § 311a Abs. 2 RE ohnehin verlangen kann. Sowohl der Anspruch auf Schadensersatz als auch der Anspruch auf Aufwendungsersatz sind verschuldensabhängig. Daran ist vor allem von U. Huber Kritik geübt worden (Leistungsstörungen Bd. I S. 122; ders., in: Ernst/Zimmermann, 31, 87, 104 und ZIP 2000, 2273, 2278). Diese Kritik überzeugt nicht. Das Garantieprinzip führt zu Ergebnissen, die unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten keinesfalls zu überzeugen vermögen, während sich das Verschuldensprinzip sowohl durch höhere rechtsethische Überzeugungskraft als auch durch größere Flexibilität auszeichnet. So ist es z. B. nicht einzusehen, warum der Verkäufer eines abhanden gekommenen Kunstwerks dem Käufer auch dann auf das positive Interesse haften soll, wenn das Abhandenkommen für ihn schlechterdings unerkennbar war. Ebenso wenig leuchtet es ein, dass der Verpächter eines Grundstücks, der als solcher im Grundbuch eingetragen ist, dem Pächter vielleicht für Jahrzehnte Schadensersatz statt der Leistung zu zahlen hat, wenn sich herausstellt, dass auf Grund eines jüngeren Testaments in Wahrheit nicht er, sondern ein anderer der Erbe und damit Eigentümer des Grundstücks ist; zwar ergibt sich diese Rechtsfolge derzeit noch unmittelbar aus § 541 in Verbindung mit § 538 Abs. 1 Alternative 1, doch erhöht das ihren Gerechtigkeitsgehalt nicht, sondern zeigt nur, dass hier Korrekturbedarf besteht. Anders als die Schuldrechtskommission geht der Entwurf davon aus, dass sich das Pflichtenprogramm des Schuldners vor Vertragsschluss anders gestaltet als nach Vertragsschluss. Vorher geht es nämlich im Wesentlichen um Informationspflichten, nachher dagegen um Pflichten bezüglich des Leistungsgegenstandes selbst. Deshalb wird die Scha-

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densersatzpflicht für anfängliche Unmöglichkeit jetzt nicht mehr als bloßer Unterfall eines allgemeinen Tatbestandes der Pflichtverletzung behandelt wie in den Vorschlägen der Schuldrechtskommission. Sie beruht vielmehr auf eigenständigen Anspruchsvoraussetzungen, die der Eigentümlichkeit dieser Konstellation als Informations- und Irrtumsproblematik Rechnung tragen. Demgemäß stellt § 311a Abs. 2 RE darauf ab, ob der Schuldner die Unmöglichkeit kannte oder kennen musste. Die Beweislast soll wie in § 280 Abs. 1 Satz 2 RE insoweit umgekehrt sein. Das entspricht dem allgemeinen Prinzip, wonach bei Schadensersatzansprüchen aus Schuldverhältnissen grundsätzlich vermutet wird, dass der Schuldner den Grund für die aus seinem Bereich stammende Störung zu vertreten hat. Daraus folgt, dass es sich bei § 311a Abs. 2 RE um eine eigene Anspruchsgrundlage und nicht etwa lediglich um einen Unterfall des allgemeinen Pflichtverletzungstatbestandes des § 280 RE handelt. Das wird mittelbar dadurch bestätigt, dass in § 311a Abs. 2 RE – anders als in den §§ 281 bis 283 RE – nicht auf § 280 RE Bezug genommen wird. Es ist erwogen worden, auch den Fall zu regeln, dass der Schuldner seine Unkenntnis von der Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Für solche Fälle hatte Canaris (in: Schulz/ Schulte-Nölke, S. 44 ff., 66 ff.) eine entsprechende Anwendung von § 122 befürwortet. Der Entwurf hält das für einen gangbaren Lösungsansatz. Dieser soll aber nicht gesetzlich festgeschrieben werden, weil dazu auch die Regelung des § 119 Abs. 2 überprüft werden müsste, was den Rahmen dieses Gesetzgebungsvorhabens sprengen würde. Diese Frage soll deshalb der Rechtsprechung überlassen bleiben, die sie aber im Sinne von Canaris lösen könnte. Zu Satz 2 § 311a Abs. 2 Satz 2 RE verweist zunächst auf § 281 Abs. 1 Satz 3 RE. Auch die anfängliche Unmöglichkeit kann sich auf einen Teil der Leistung beschränken. Dann stellt sich für den Umfang des Schadensersatzanspruchs die bereits in § 281 Abs. 1 Satz 3 RE geregelte Frage, unter welchen Voraussetzungen Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt werden kann. Auch bei der Schlechtleistung kann ein Fall einer bereits bei Vertragsschluss vorliegenden Unmöglichkeit der Nacherfüllung gegeben sein. Auch in diesen Fällen ist gemäß § 311a Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 281 Abs. 1 Satz 3 RE der Interessefortfall auf Seiten des Gläubigers maßgeblich dafür, ob Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt werden kann. Schließlich ist aus denselben Gründen, wie zu § 283 Satz 2 RE erläutert, auch § 281 Abs. 4 in Bezug zu nehmen. Zu 311b – Verträge über Grundstücke, das Vermögen und den Nachlass § 311b RE fasst die bisherigen Vorschriften der §§ 310 bis 313 unter wörtlicher Übernahme der bisherigen Regelungsinhalte in einer einheitlichen Vorschrift zusammen: Der bisherige § 313 wird dabei zu § 311b Abs.1 RE, der bisherige § 310 zu § 311b Abs. 2 RE, der bisherige § 311 zu § 311b Abs. 3 RE, der bisherige § 312 Abs. 1 zu § 311b Abs. 4 RE und der bisherige § 312 Abs. 2 wird zu § 311b Abs. 5 RE. Inhaltliche Änderungen ergeben sich nicht.

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Zu § 311c – Erstreckung auf Zubehör § 311c entspricht wörtlich dem bisherigen § 314. Zu Untertitel 2 – Besondere Vertriebsformen Vorbemerkung Mit dem Untertitel 2 werden das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (Haustürwiderrufsgesetz) und das Fernabsatzgesetz in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert. Zugleich werden die Besonderheiten beim Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr hier geregelt. Mit der Integration und Zusammenfassung werden im Wesentlichen drei Ziele verfolgt: – Durch die Integration der Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch soll zunächst die praktische Arbeit des Rechtsanwenders erleichtert werden, der sich derzeit durch die Zersplitterung des Rechtsstoffs im Bürgerlichen Gesetzbuch und in unterschiedlichen Sondergesetzen die im konkreten Fall anwendbaren Normen zum Teil regelrecht „zusammensuchen“ muss. Der Rechtsanwender findet zukünftig die Regelungen zum Vertragsschluss wie Informationspflichten und Widerrufsrecht wieder dort, wo er sie – zu Recht – vermuten darf: Im Bürgerlichen Gesetzbuch. – Durch die Integration in das Bürgerliche Gesetzbuch wird der sich aus der derzeitigen „organisatorischen Desintegration“ folgenden Gefahr vorgebeugt, dass sich – wie zum Teil bereits geschehen – dogmatische Reservate (so Dörner, in Schulze/Schulte-Nölke, S. 187 ff., 189) in den einzelnen Sondergesetzen ausbilden, die separate Lösungsansätze und eigenwillige Begriffsbildungen und -verständnisse fördern. Dies würde letztlich auch das Entstehen von Wertungswidersprüchen zwischen den einzelnen Regelungsbereichen in den Sondergesetzen einerseits, aber auch im Hinblick auf die Prinzipien des Bürgerlichen Gesetzbuchs andererseits begünstigen. Die Begrifflichkeit in den Sondergesetzen war bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897) ebenso uneinheitlich wie die Gestaltung von Informationspflichten und Widerrufsrechten, ohne dass sich hierfür sachliche Erklärungen finden ließen. Mit der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie hat der Gesetzgeber durch die Schaffung zentraler Definitionen und einer einheitlichen Regelung für das Widerrufs- und das Rückgaberecht in den Verbraucherschutzgesetzen einen Systematisierungsprozess in Gang gesetzt, der durch die Integration der Sondergesetze im Bürgerlichen Gesetzbuch fortgesetzt wird. – Durch die Zusammenführung der Vorschriften über Haustürgeschäfte und Fernabsatzverträge sowie der Regelung über den Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr im Allgemeinen Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird deren Ausstrahlungswirkung auf alle Schuldverhältnisse aus Verträgen, die außerhalb des „Ladengeschäfts“, außerhalb fester Verkaufs- und Geschäftsräume angebahnt und abgeschlossen werden, verdeutlicht. Zugleich werden durch die Regelung in einem Untertitel die Querverbindungen zwischen den Anwendungsbereichen etwa von Fern-

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nen zumindest formalen Wettbewerbsvorteil verschafft, der gesetzeswidrig ist, stellt eine systematische Verletzung der Pflichten des Absatzes 1 regelmäßig auch einen Verstoß gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs dar, der einen Unterlassungsanspruch nach § 13 UWG begründet. Zu § 312f – Abweichende Vereinbarungen § 312f RE fasst die bisherigen Abweichungs- und Umgehungsverbote des § 5 FernAbsG und des § 5 HTWG zusammen und bestimmt, dass von den Vorschriften des Untertitels 1 weder zu Lasten des Verbrauchers noch zu Lasten des Kunden abgewichen werden darf. Damit sind auch Abweichungen von § 312e RE über die dort zugelassene Abdingbarkeit hinaus unzulässig. Zu Untertitel 3 – Anpassung und Beendigung von Verträgen Zu § 313 – Störung der Geschäftsgrundlage Vorbemerkung Verträge können durch nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände in ihren Grundlagen so schwerwiegend gestört sein, dass ihre unveränderte Durchführung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, nicht mehr zumutbar erscheint. Die Gründe hierfür können Sozialkatastrophen wie Krieg, Währungsverfall oder Umweltkatastrophen sein und sich dann auf eine Vielzahl von Verträgen auswirken; sie können aber auch nur einen Vertrag oder eine begrenzte Zahl von Verträgen betreffen. Liegen solche Umstände vor, so stellen sich folgende Fragen: 1. Wie weit reicht der Grundsatz „pacta sunt servanda“?

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schluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem anderen Teil erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut (RGZ 103, 328, 332; BGHZ 25, 390, 392; BGHZ 89, 226, 231). Diese Formel geht letztlich auf Oertmann, Die Geschäftsgrundlage 1923, zurück. In der Rechtslehre und Rechtsprechung wird zwischen der objektiven und der subjektiven, der großen und der kleinen Geschäftsgrundlage unterschieden. Beim ersten Begriffspaar geht es um die Frage, ob nur objektive Gesichtspunkte die Geschäftsgrundlage eines Vertrags in Frage stellen können (z. B. Äquivalenzstörungen oder Zweckstörungen) oder auch subjektive, also die Vorstellungen der Parteien (Fall des gemeinschaftlichen Irrtums). Die große Geschäftsgrundlage betrifft die Einwirkungen allgemeiner Katastrophen (Krieg, kriegsähnliche Verhältnisse, erheblicher Währungsverfall, Natur- und Umweltkatastrophen), die kleine Geschäftsgrundlage alle übrigen Fälle, also solche mit begrenzteren Einwirkungen. Letztlich handelt es sich beim Problem des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage um einen besonderen Anwendungsbereich des Grundsatzes von Treu und Glauben, also des § 242. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage wird insbesondere für folgende Fallgruppen diskutiert: Äquivalenzstörungen Zur Grundlage eines gegenseitigen Vertrags gehört der Gedanke der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) von Leistung und Gegenleistung. Durch unvorhergesehene Umstände – z. B. Geldentwertung – kann es zu einer Störung der Äquivalenz kommen.

2. Welche Rechtsfolgen sollen eintreten? Soll der Vertrag an die veränderte Lage angepasst oder soll er aufgehoben werden?

Leistungserschwernisse

3. Auf welche Weise sollen Rechtsfolgen herbeigeführt werden, kraft Gesetzes oder Richterspruch oder durch Erklärung einer oder beider Parteien?

Die Grundlage eines Vertrags kann dadurch gestört sein, dass nach Vertragsschluss Umstände – z. B. Beschaffungshindernisse – eintreten, die es einer Partei erschweren, die von ihr geschuldete Leistung zu erbringen.

Im geltenden Recht gibt es eine Reihe von Einzelbestimmungen (z. B. § 32 D-Markbilanzgesetz), aber keine allgemeine Vorschrift, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vertragsstörungen regelt. Für diese Fälle des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist das Rechtsinstitut entwickelt worden. Folgende Voraussetzungen sind für eine Berücksichtigung des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage allgemein anerkannt: Nur eine schwerwiegende Veränderung von Umständen rechtfertigt eine Vertragsänderung; die Veränderung der Umstände hat außerdem die Grenzen der Risikozuweisung an die betroffene Vertragspartei zu überschreiten; das Festhalten am unveränderten Vertrag muss für die betroffene Partei unzumutbar sein. In der Rechtslehre sind zum Fehlen und zum Wegfall der Geschäftsgrundlage zahlreiche Theorien entwickelt worden, und es bestehen weitgehend unterschiedliche Auffassungen, die jedoch weniger die Ergebnisse als deren Begründung betreffen. Nach der Rechtsprechung, vor allem der des BGH, wird die Geschäftsgrundlage gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt gewordenen, bei Vertrags-

Zweckstörungen Zur Grundlage eines Vertrags kann es gehören, dass eine Partei mit der von ihr zu beanspruchenden Leistung einen bestimmten Zweck erreichen will; insbesondere kann sie eine bestimmte Verwendung des Leistungsgegenstandes beabsichtigen. Die Erreichung dieses Leistungszwecks kann sinnlos werden. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass nach allgemeiner gerichtlicher Praxis für Unterhaltsverträge und andere Verträge mit Versorgungscharakter geringere Voraussetzungen genügen, um eine Anpassung verlangen zu können. Für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung gibt es hierzu bereits eine Anpassungsvorschrift in § 16 des Gesetzes über die betriebliche Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 in der Fassung des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998). Dort ist in Absatz 1 bestimmt, dass der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen zu prüfen und sodann nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsbe-

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rechtigten und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu entscheiden hat. Die beim Fehlen oder bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage unter den genannten Voraussetzungen gebotene Vertragsänderung besteht nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich in einer Anpassung an die veränderten Umstände; eine Auflösung des Vertrags kommt nur in Betracht, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Die gebotene Anpassung eines Vertrags wird nicht auf einen entsprechenden Anspruch auf Vornahme der Anpassung gestützt, und nach inzwischen herrschender Auffassung ist sie auch kein Akt der Rechtsgestaltung, sondern der Rechtsfeststellung (Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 130); die Rechtsänderung vollzieht sich danach beim Vorliegen der Voraussetzungen kraft Gesetzes. Zweifelsfrei ist diese Auffassung indessen nicht, und sie wird auch in der Rechtsprechung nicht uneingeschränkt vertreten. So hat der BGH (NJW 1952, 137) es nach § 242 nicht für ausgeschlossen gehalten, dass Volkswagensparer auf Grund der alten Sparverträge die Lieferung eines Volkswagens „um einen im Urteil festzusetzenden Betrag oder Prozentsatz unter dem jeweiligen normalen Verkaufspreis“ verlangen könnten und hat hierbei ausdrücklich von einer „rechtsgestaltenden Veränderung der Verträge“ gesprochen. Diese Beurteilung wird von Medicus geteilt (Festschrift Flume, 1978, Bd. 1 S. 643). Gleichliegend ist der Fall eines Hofübergabevertrags, in dem der BGH 1953 zur Möglichkeit der Aufteilung eines Hofes zwischen Übergeber und Übernehmer gelangt, für die es nach dem Vertrag keinerlei Grundlage gab (BGH LM Nr. 18 zu § 242 BGB). Da die Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage ein anerkanntes Rechtsinstitut darstellen und ihre Anwendung in aller Regel zu übereinstimmenden und befriedigenden Ergebnissen führt, kann als Mangel des geltenden Rechts im Grunde nur das Fehlen einer allgemeinen Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch angeführt werden. Dieser Mangel wirkt sich zwar nicht auf die Rechtspraxis aus, jedoch muss es als unbefriedigend angesehen werden, wenn wichtige, seit vielen Jahrzehnten erprobte und bewährte Rechtsinstitute auf Dauer von einer Kodifikation ausgeschlossen bleiben. Im Falle des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage würde dies besonders dann gelten, wenn es auch bei einer weit reichenden Umgestaltung des Leistungsstörungsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in das Gesetz aufgenommen würde. Der Umstand, dass der Entwurf nur das ohnehin schon Anerkannte wiedergeben will, spricht deshalb nicht gegen eine Aufnahme in das Bürgerliche Gesetzbuch. In einigen ausländischen Rechtsordnungen sind die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausdrücklich geregelt. Das gilt insbesondere für Italien (Artikel 1467 ff. des Codice civile), Griechenland (Artikel 388 des Zivilgesetzbuchs von 1940) und die Niederlande (Buch 6 Art. 258 des Nieuw Burgerlijk Wetboek). Alle drei Rechtsordnungen sehen unter ähnlichen Voraussetzungen, wie sie von der Rechtsprechung der Bundesrepublik aufgestellt worden sind, eine Anpassung oder Aufhebung des Vertrags vor. Auch im Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975 waren die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in den §§ 78 und 79 geregelt. Die gleiche Regelung enthielt § 78 des Vertragsgesetzes für Unternehmensverträge. Eine ver-

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gleichbare Regelung wurde in § 32 Abs. 2 des D-Markbilanzgesetzes aufgenommen. Andere Rechtsordnungen gelangen ebenso wie die Bundesrepublik zu grundsätzlich vergleichbaren Ergebnissen über die Rechtsprechung, so vor allem die englische und die der USA (Zweigert/Kötz, a. a. O. S. 528 ff.). Dasselbe gilt für die Schweiz (Zweigert/ Kötz, S. 411 f.). Wesentlich anders stellt sich die Rechtslage in Frankreich dar, wo die Rechtsprechung als Voraussetzung für eine Änderung nur den Fall der höheren Gewalt (force majeure) anerkennt (Zweigert/Kötz, a. a. O. S. 412 ff., 525 ff.). Dies hat nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg Eingriffe des Gesetzgebers notwendig gemacht (Zweigert/Kötz, S. 527). Zu Absatz 1 Der Entwurf sieht in § 313 die Aufnahme einer Vorschrift über das Fehlen und den Wegfall der Geschäftsgrundlage in das Bürgerliche Gesetzbuch vor. Ihre Bedeutung soll allein darin liegen, die zum Rechtsinstitut gewordenen Grundsätze zum Fehlen und zum Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen ihrer erheblichen Bedeutung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern. Dabei wird zur Frage, ob es sich bei der Geschäftsgrundlage um einen von Amts wegen oder nur auf Einrede zu berücksichtigenden Umstand handelt, eine vom bisherigen Meinungsstand teilweise abweichende Regelung vorgesehen. Als Regelungsort für die Vorschrift kommt neben § 313 RE auch eine Einfügung im Anschluss an § 242 in Betracht, weil der Wegfall der Geschäftsgrundlage einen besonderen Anwendungsfall dieser Bestimmung bildet und nicht nur für Verträge von Bedeutung ist. Da das Problem der Geschäftsgrundlage in der Regel aber bei Verträgen auftritt, erscheint § 313 RE als geeigneterer Standort. In Absatz 1 werden die an das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu stellenden Anforderungen festgelegt; zugleich wird als vorrangige Rechtsfolge die Anpassung an die veränderten Umstände bestimmt. Nur wenn eine Anpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, soll eine Aufhebung des Vertrags in Betracht kommen. Bei den Voraussetzungen werden mehrere Merkmale aufgeführt, die kumulativ vorliegen müssen: – Es müssen sich nach Vertragsschluss Umstände entscheidend verändert haben. – Diese Umstände dürfen nicht Inhalt des Vertrags geworden sein. – Die Parteien müssten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen haben. – Das Festhalten am unveränderten Vertrag muss für den einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein. Keine Bestimmung ist für den Fall getroffen, dass die Vertragsparteien die eingetretene Änderung als möglich vorausgesehen haben oder hätten voraussehen können. Hier wird zwar regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu verneinen sein, jedoch gilt dies – auch nach der Rechtsprechung – nicht ausnahmslos (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 128). Bei zumindest voraussehbarer Änderung

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wird ein Festhalten am Vertrag aber oft zumutbar sein, etwa dann, wenn Vorkehrungen hätten getroffen werden können. Insgesamt werden die strengen Anforderungen, die bisher an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gestellt werden, unverändert aufrechterhalten. Liegen die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, so soll die benachteiligte Vertragspartei die Anpassung des Vertrags verlangen können. Mit dieser Formulierung ist weder eine Änderung der materiell-rechtlichen noch der prozessualen Behandlung der Geschäftsgrundlage verbunden, obwohl die Anpassung bisher nicht auf einen entsprechenden Anspruch auf Vornahme der Anpassung gestützt wird. Es wurde davon abgesehen, die rechtliche Ausgestaltung der Anpassung weitgehend offen zu lassen, etwa durch die Formulierung „so ist der Vertrag … anzupassen“. Gründe der Rechtssicherheit sprechen aber dafür, als Rechtsfolge einen Anspruch auf Anpassung festzuschreiben. Insbesondere sollen die Parteien zunächst selbst über die Anpassung verhandeln. Im Falle eines Prozesses wäre dann, wie nach der von der Rechtsprechung zur Wandelung beim Kaufvertrag entwickelten Herstellungstheorie, eine Klage unmittelbar auf die angepasste Leistung möglich (so für die Geschäftsgrundlage schon jetzt BGHZ 91, 32, 36). Die konstruktiven Schwierigkeiten bei einer Anspruchslösung erscheinen deshalb lösbar. Im Übrigen ist auch in § 60 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ein Anspruch auf Anpassung normiert. In Absatz 1 werden alle Fallgruppen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfasst mit Ausnahme der in Absatz 2 in gleicher Weise geregelten Fälle der subjektiven Geschäftsgrundlage. Der Wortlaut der Vorschrift deckt sich allerdings nicht mit der von der Rechtsprechung nach wie vor verwendeten, auf Oertmann zurückgehenden Formel, wonach zur Geschäftsgrundlage alle Vorstellungen gehören, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut. Diese Formel ist stärker subjektiv geprägt. Die hier vorgesehene und mehr auf objektive Merkmale abstellende Formulierung bringt die Ergebnisse der Rechtsprechung – an denen nichts zu ändern ist – zutreffender zum Ausdruck. Im Übrigen sind die Fälle des Wegfalls der rein subjektiven Geschäftsgrundlage in § 313 Abs. 2 RE geregelt. Durch die Formulierung des Absatzes 1 ist jedoch eine Änderung der Rechtsprechung nicht beabsichtigt und auch nicht veranlasst. Es wurde davon abgesehen, Regelbeispiele für die oben genannten, besonders wichtigen Fallgruppen anzuführen. Mögliche Formulierungen müssten ziemlich allgemein bleiben und könnten deshalb zum Verständnis des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlage und für die Rechtsanwendung kaum zusätzliche Verbesserungen bringen. Nicht aufgenommen wurde ferner eine Regelung für Unterhaltsverträge und andere Verträge mit Versorgungscharakter. Maßgebend hierfür war die Erwägung, dass für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung bereits eine besondere gesetzliche Regelung besteht, die Anpassung von Unterhaltsansprüchen eher im Familienrecht geregelt werden sollte und der dann noch verbleibende Regelungsbedarf gering ist. Schwerwiegende Leistungsstörungen können auch dazu führen, dass eine Vertragspartei die von ihr geschuldete Leistung nur mit Anstrengungen zu erbringen vermag, die

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unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers stehen. Auch kann man die Möglichkeit der Leistung als Geschäftsgrundlage für eine vertragliche Verpflichtung verstehen. Dann stellt sich die Frage nach einer Abgrenzung zwischen § 275 RE einerseits und § 313 RE andererseits. In seinem Anwendungsbereich geht § 275 RE dem § 313 RE grundsätzlich vor, weil § 275 RE die Grenzen der Leistungspflicht regelt. Die Frage nach einer Anpassung des Vertrags kann sich nur dann stellen, wenn der Schuldner nicht schon nach § 275 RE frei geworden ist. Im Übrigen kann für die Abgrenzung der beiden Vorschriften auf die ergänzenden Ausführungen zu § 275 RE Bezug genommen werden. Zu Absatz 2 Absatz 2 betrifft das ursprüngliche Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage. Dabei geht es um die Fälle des gemeinschaftlichen Motivirrtums sowie solche Fälle, in denen sich nur eine Partei falsche Vorstellungen macht, die andere Partei diesen Irrtum aber ohne eigene Vorstellungen hingenommen hat. Damit werden diese Fälle, deren Zuordnung zum Teil umstritten ist, ausdrücklich als Anwendungsfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingeordnet. Zu Absatz 3 In Absatz 3 ist in Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung in Rechtslehre und Rechtsprechung bestimmt, dass eine Aufhebung des Vertrags dann und nur dann verlangt werden kann, wenn eine Anpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Aufhebung kommt also nur subsidiär in Betracht. Notwendig für eine Auflösung des Vertrags ist eine Rücktrittserklärung der benachteiligten Partei. Bei Dauerschuldverhältnissen tritt an die Stelle des Rücktrittsrechts das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 RE. Damit wird die bereits jetzt bestehende allgemeine Auffassung in das Gesetz übernommen (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 Rdnr. 132; BGHZ 101, 143, 150). Zu § 314 – Kündigung von Dauerschuldverhältnissen Vorbemerkung Bei bestimmten auf Dauer oder jedenfalls für einen längeren Zeitraum angelegten und allgemein als Dauerschuldverhältnisse bezeichneten Rechtsbeziehungen besteht das Bedürfnis, unter gewissen Voraussetzungen eine vorzeitige Auflösung zu ermöglichen. Im geltenden Recht gibt es Vorschriften über die Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen vor allem in § 554a für die Miete, in § 626 für den Dienstvertrag und in § 723 für die Gesellschaft. In Rechtsprechung und Rechtslehre ist aber seit langem allgemein anerkannt, dass Dauerschuldverhältnisse auch dann aus wichtigem Grund gekündigt werden können, wenn dies weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehen ist. Dieser Rechtsgrundsatz ist in seinem Kern zwingendes Recht; auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann er nicht eingeschränkt werden (BGH, NJW 1986, 3134). Dauerschuldverhältnisse unterscheiden sich von den auf eine einmalige Leistung gerichteten Schuldverhältnissen

Literaturverzeichnis I. Spezifische Literatur zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung1 Alternativkommentar: zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2: Allgemeines Schuldrecht, Neuwied/Darmstadt 1980 [zit.: AltKomm/Bearbeiter, § . . . [BGB] aF Rn. . . .] Arp, Torsten: Anfängliche Unmöglichkeit: zum Verständnis des § 306 BGB, Paderborn/München/Wien/Zürich 1988 [zit.: Arp, Anfängliche Unmöglichkeit] Ballerstedt, Kurt: Zur Lehre vom Gattungskauf, in: Rolf Dietz/Alfred Hueck/Rudolf Reinhardt (Hrsg.), Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 60. Geburtstag, 21. Januar 1955, München/Berlin 1955, S. 261–282 [zit.: Ballerstedt, FS Nipperdey (1955)] Beinert, Dieter: Wesentliche Vertragsverletzung und Rücktritt, Bielefeld 1979 [zit.: Beinert, Wesentliche Vertragsverletzung] Benicke, Christoph: Geldersatz wegen Unverhältnismäßigkeit der Restitutionsaufwendungen – BGH, NJW 1993, 3321, JuS 1994, 1004–1009 Berghoff, Erhard: Die Unmöglichkeit und ihre Rechtsfolgen nach dem BGB und dem einheitlichen Kaufrecht, 1980 [zit.: Berghoff, Unmöglichkeit] Beuthien, Volker: Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, Tübingen 1969 [zit.: Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung] Biermann, Wilhelm: Zur Lehre von der Unmöglichkeit der Leistung im bürgerlichen Recht, AcP 91 (1901), 73–102 Blaurock, Uwe: Culpa-Haftung und nachträgliche Unmöglichkeit, in: Peter Schlechtriem/Hans G. Leser (Hrsg.), Zum Deutschen und Internationalen Schuldrecht: Kolloquium aus Anlaß des 75. Geburtstages von Ernst von Caemmerer, veranstaltet von seinen Schülern, S. 51–65, Tübingen 1983 [zit.: Blaurock, in: Schlechtriem/Leser] Blomeyer, Arwed: Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl., Berlin/Frankfurt a. M. 1969 [zit.: Blomeyer, SAT § . . . (S. . . .)] Boehmer, Gustav: Schranken des Rücktrittsrechts des Käufers einer gestohlenen Sache, JZ 1952, 521–523 – Rechte und Pflichten des Käufers einer gestohlenen Sache, JZ 1953, 392–396 1 Im ersten Teil des Literaturverzeichnisses wird die Literatur aufgeführt, die allein (oder weit überwiegend) das alte Recht sowie dessen historische Ursprünge thematisiert.

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Literaturverzeichnis

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I. Spezifische Literatur zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung 571 Demmer, Walter: Die Haftung des Schuldners für sein ursprüngliches Unvermögen zur Leistung nach gemeinem Recht in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches und nach geltendem Recht, Dissertation Köln, 1974 [zit.: Demmer, Haftung für ursprüngliches Unvermögen] Derleder, Peter/Pellegrino, Mario: Die Anbahnung des Mietverhältnisses, NZM 1998, 550–557 Dernburg, Heinrich: Die Schuldverhältnisse nach dem Rechte des Deutschen Reichs und Preußens, Zweiter Band, Erste Abteilung: Allgemeine Lehren, Erste und Zweite Auflage, Halle a. S. 1899 [zit.: Dernburg, Schuldverhältnisse § . . . (S. . . .)] Eckardt, Diederich: Probleme der Haftung für Unvermögen und der Anspruchskonkurrenz im Sachmängelrecht, JR 1996, 397–401 Eckstein, Ernst: Der Untergang der Obligation durch Unmöglichkeit, Leistungserschwerung und verwandte Umstände und das Schicksal der Gegenleistung, ArchBürgR 37 (1912), S. 390–498 Ehmann, Horst/Kley, Britta: Unmöglichkeitslehre. Für Anfänger, Fortgeschrittene und Reformer, JuS 1998, 481–491 Eichenhofer, Eberhard: Haftung des Schuldners für anfängliches Unvermögen, JuS 1989, 777–783 Eidenmüller, Horst: Neuverhandlungspflichten bei Wegfall der Geschäftsgrundlage, ZIP 1995, 1063–1071 Emmerich, Volker: Inhalt des Schuldverhältnisses – Leistungsstörungen, in: Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, München 1974 [zit.: Emmerich, in: Grundlagen § . . . (S. . . .)] – Buchbesprechung: Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, begründet von Hans Theodor Soergel, fortgeführt von Wolfgang Siebert, Bd. 2.: Schuldrecht, Teilband 2/1, §§ 241–432, AG 1987, 134–136 – Das Recht der Leistungsstörungen, 4. Aufl., München 1997 [zit.: Emmerich, Leistungsstörungsrecht4 § . . . (S. . . .)] Emmert, Jochen: Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten: die Rechtsprechung des Reichsgerichts 1914–1923, 1. Aufl., Tübingen 2001 [zit.: Emmert, Grenzen vertraglicher Leistungspflichten] Enneccerus, Ludwig/Lehmann, Heinrich: Recht der Schuldverhältnisse. Ein Lehrbuch, 14. Bearbeitung, Tübingen 1954 [zit.: Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse § . . . (S. . . .)] Erman, Walther: Bürgerliches Gesetzbuch: Handkommentar mit AGBG, EGBGB, ErbbauVO, HausratsVO, HausTWG, ProdHaftG, SachenRBerG, SchuldRAnpG, VerbrKrG, Harm-Peter Westermann (Hrsg.), Band 1, 10. Aufl., Münster/Köln 2000 [zit.: Erman10 /Bearbeiter, § . . . [BGB] aF Rn. . . .] Ernst, Wolfgang: Rechtsmängelhaftung, Tübingen 1995

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I. Spezifische Literatur zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung 573 Gudian, Gunter: Die Haftung für anfängliches Unvermögen, NJW 1971, 1239–1242 Gürtler, Franz: Verurteilung zur Herausgabe bei verschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit im Rahmen der rei vindicatio, München 1993 [zit.: Gürtler, Verurteilung zur Herausgabe] Harder, Manfred: Die Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum), Berlin 1976 [zit.: Harder, Die Leistung an Erfüllungs Statt] Härle, Philipp: Die Äquivalenzstörung: ein Betrag zur Lehre von der Geschäftsgrundlage, Frankfurt a. M. 1995 [zit.: P. Härle, Die Äquivalenzstörung] Hartmann, Gustav: Die Obligation. Untersuchungen über ihren Zweck und Bau, Erlangen 1875 [zit.: Hartmann, Die Obligation] – Juristischer Casus und seine Prästation bei Obligationen auf Sachleistung insbes. beim Kauf, in: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, Band 22 (1884), S. 417–496 [zit.: Hartmann, JherJb 22 (1884)] Heck, Philipp: Grundriß des Schuldrechts, Tübingen 1929 (Aalen 1974, 2. Neudruck) Heiermann, Wolfgang/Riedl, Richard/Rusam, Martin: Handkommentar zur VOB: Teile A und B, 9. Aufl., Wiesbaden/Berlin 2000 [zit.: Heiermann/Riedl/Rusam/ Bearbeiter, § . . . VOB/B Rn. . . .] Henssler, Martin: Risiko als Vertragsgegenstand, Tübingen 1994 Heraeus, Carl: Zur Rechtsprechung des Reichsgerichts betr. Unzulässigkeit von Leistungsurteilen bei Unmöglichkeit der Leistung, JW 1925, 1364–1365 Hetzel, H.: Die Sonderregelung des anfänglichen Unvermögens im Kaufrecht, NJW 1958, 1172–1173 Himmelschein, Jury: Erfüllungszwang und Lehre von den positiven Vertragsverletzungen, AcP 135 (1932), 255–327 – Zur Frage der Haftung für fehlerhafte Leistung, AcP 158 (1959/60), 273–297 Honsell, Heinrich: Römisches Recht, 4. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York/Barcelona/Budapest/Hongkong/London/Mailand/Paris/Santa Clara/Singapur/Tokio 1997 Horn, Norbert: Neuverhandlungspflicht, AcP 181 (1981), 255–288 Huber, Ulrich: Probleme des Rechts der Leistungsstörungen im Licht des Haager einheitlichen Kaufrechts, JZ 1974, 433–440 – Zur Dogmatik der Vertragsverletzungen nach Einheitlichem Kaufrecht und deutschem Schuldrecht, in: Hans Claudius Ficker/Detlef König/Karl F. Kreuzer/Hans G. Leser/Wolfgang Frhr. Marschall von Bieberstein/Peter Schlechtriem (Hrsg.), Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, Tübingen 1978, S. 837–872 [zit.: U. Huber, FS v. Caemmerer] – Zur Auslegung des § 275 BGB, in: Eberhard Schilken/Ekkehard BeckerEberhard/Walther Gerhardt (Hrsg.), Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 19. November 1997, Bielefeld 1997, S. 217–248 [zit.: U. Huber, FS Gaul]

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I. Spezifische Literatur zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung 577 Littbarski, Sigurd: Neuere Tendenzen zum Anwendungsbereich der Lehre von der Geschäftsgrundlage, JZ 1981, 8–14 Lobinger, Thomas: Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung: zu den Entstehungsgründen vermögensaufstockender Leistungspflichten im bürgerlichen Recht, Tübingen 1999 [zit.: Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung] Locher, Eugen: Geschäftsgrundlage und Geschäftszweck, AcP 121 (1923), S. 1–111 Looschelders, Dirk: Die Verteilung des Schadens bei beiderseits zu vertretender Unmöglichkeit – OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1995, 435, JuS 1999, 949–952 Lopau, Eberhard: Besprechung von H. H. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, Bonn 1969, AcP 174 (1974), 78–83 Lorenz, Stephan: Anmerkung zu BGH ZIP 2000, 1059, EWiR § 521 BGB 1/2000, 715 f. Löwisch, Manfred: Anmerkung zu BGHZ 141, 179, LM § 275 BGB [aF] Nr. 27 – Anmerkung zu BGH JZ 2001, 353, JZ 2001, 355–356 Lüderitz, Alexander/Mittenzwei, Ingo: Bürgerliches Recht: Der weiße Chevrolet, JuS 1970, 182–185 Martinek, Michael: Die Lehre von den Neuverhandlungspflichten – Bestandsaufnahme, Kritik . . . und Ablehnung, AcP 198 (1998), 329–400 Medicus, Dieter: Die konkretisierte Gattungsschuld, JuS 1966, 297–306 – Naturalrestitution und Geldersatz, JuS 1969, 449–455 – Anmerkung zu BGHZ 92, 85, JZ 1985, 42–44. – „Geld muß man haben“. Unvermögen und Schuldnerverzug bei Geldmangel, AcP 188 (1988), 489–510 – Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht, AcP 192 (1992), 35–70 – Allgemeiner Teil des BGB: ein Lehrbuch, 7. Aufl., Heidelberg 1997 [zit.: Medicus, BGB AT7 Rn. . . .] – Schuldrecht I, Allgemeiner Teil, Ein Studienbuch, 12. Aufl., München 2000 [zit.: Medicus, SAT12 Rn. . . .] – Schuldrecht II, Besonderer Teil, Ein Studienbuch, 10. Aufl., München 2000 [zit.: Medicus, SBT10 Rn. . . .] – Bürgerliches Recht: Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung, 18. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 1999 [zit.: Medicus, BürgR18 Rn. . . .] – Vertragsauslegung und Geschäftsgrundlage, in: Horst Heinrich Jakobs/Brigitte Knobbe-Keuk/Eduard Picker/Jan Wilhelm (Hrsg.), Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, 12. September 1978, Köln 1978, S. 629–647 [zit.: Medicus, FS Flume (1978)] Meincke, Jens Peter: Rechtsfolgen nachträglicher Unmöglichkeit der Leistung beim gegenseitigen Vertrag, AcP 171 (1971), 19–43

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I. Spezifische Literatur zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung 579 Oertmann, Paul: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch und seinen Nebengesetzen, Bürgerliches Gesetzbuch, Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, Erste Abteilung, §§ 241 bis 432, 5. Aufl., Berlin 1928 [zit.: Oertmann, § . . . [BGB] aF Anm. . . .] – Die Geschäftsgrundlage – Ein neuer Rechtsbegriff, Leipzig/Erlangen 1921 – Anfängliches Leistungsunvermögen, AcP 140 (1935), 129–153 Oetker, Hartmut: Unverhältnismäßige Herstellungskosten und das Affektionsinteresse im Schadensersatzrecht, NJW 1985, 345–351 Otte, Gerhard: Die Entstehung der Lehre von der anspruchsbegründenden Unmöglichkeit, in: Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft (Hrsg.), Gedenkkolloquium für Christian Wollschläger, ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht, Römisches Recht und Neuere Privatrechtsgeschichte, Bielefeld, 18. Juni 1999, Bielefeld 2000, S. 5–14 [zit.: Otte, in: Gedenkkolloquium für Christian Wollschläger] Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz (Auszug), Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Fernabsatzgesetz, Verbraucherkreditgesetz, Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (Teilzeit-Wohnrechtegesetz – TzWrG), Produkthaftungsgesetz, Erbbaurechtsverordnung, Wohnungseigentumsgesetz, Hausratsverordnung, Lebenspartnerschaftsgesetz, 61. Aufl., München 2002 [zit.: Palandt61 /Bearbeiter, § . . . [BGB] aF Rn. . . .] Pawlowski, Hans-Martin: Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl., Heidelberg 2000 [zit.: Pawlowski, BGB AT Rn. . . .] Pieper, Helmut: Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, JuS 1962, 409–417, 459–463 Planck, Gottlieb: Planck’s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, Band II., 1. Hälfte, Recht der Schuldverhältnisse (Allgemeiner Teil) §§ 241–432, bisher herausgegeben von Emil Strohal, 4. Aufl., Berlin 1914 [zit.: Planck/Bearbeiter, § . . . [BGB] aF Anm. . . .] Protokolle: der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches, Band I: Allgemeiner Theil und Recht der Schuldverhältnisse, Abschn. I, Abschn. II Tit. I), Berlin 1897 [zit.: Prot. I] Band II: Recht der Schuldverhältnisse, Abschn. II, Tit. 2–20, Abschn. III, IV, Berlin 1898 [zit.: Prot. II] Quack, Friedrich: Vom Interesse des Bestellers an der Nachbesserung. Überlegungen zu einer Meinungsdifferenz zwischen Rechtsprechung und Bausachverständigen, in: Alfons Schulze-Hagen/Marcus Brößkamp (Hrsg.), Bauen – Planen – Recht, Festschrift für Klaus Vygen zum 60. Geburtstag, Düsseldorf 1999, S. 368–373 [zit.: Quack, FS Vygen]

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Bearbeiter kursiv.

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II. Schuldrechtsreform, Neues Recht, Varia

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– Was nie sich fügt, was nie gelingt – Systematisierungsversuche zu § 311a BGB, JR 2004, 265–271 Wolf, Alfred: Die Überarbeitung des Schuldrechts. Anlässe und Stand der Überlegungen, AcP 182 (1982), 80–100 Wolf, Ernst: Kein Abschied vom BGB. Absage an die geplante Neuordnung des Schuldrechts, ZRP 1982, 1–6 Yushkova, Olga/Stolz, Gerhard: Der Wegfall der Geschäftsgrundlage vor und nach der Schuldrechtsmodernisierung des Jahres 2001, JA 2003, 70–76 Zerres, Thomas: Recht auf Nacherfüllung in deutschen und englischen Kaufrecht. Vor und nach Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, RIW 2003, 746–757 Zimmer, Daniel: Das geplante Kaufrecht, in: Wolfgang Ernst/Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform: zum Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz, Tübingen 2001, S. 191–204 [zit.: Zimmer, in: Ernst/Zimmermann] – Das neue Recht der Leistungsstörungen, NJW 2002, 1–12 Zimmer, Daniel/Eckhold, Thomas: Das neue Mängelgewährleistungsrecht beim Kauf, JURA 2002, 145–154 Zimmermann, Reinhard: Schuldrechtsmodernisierung?, JZ 2001, 171–181 – Schuldrechtsmodernisierung?, in: Wolfgang Ernst/Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform: zum Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz, Tübingen 2001, S. 1–24 [zit.: Zimmermann, in: Ernst/Zimmermann] Zöller, Richard: Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und den Einführungsgesetzen, mit Internationalem Zivilprozessrecht, EG-Verordnungen, Kostenanmerkungen, Kommentar, 25. Aufl., Köln 2005 [zit.: Zöller-ZPO/Bearbeiter, § . . . [ZPO] Rn. . . .] Zweigert, Konrad/Kötz, Hein: Einführung in die Rechtsvergleichung: auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., Tübingen 1996 [zit.: Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung § . . . (S. . . .)]

Sachverzeichnis (Kursiv gedruckte Seitenzahlen verweisen auf kennzeichnende Hauptfundstellen im Fließtext.) Abhandenkommen 73, 88–90, 144–145, 240, 265–275, 407, 416, 499, 523, 528 „Allgemeiner Rechtsgedanke“ (BGH) 65, 92–94, 175, 177, 186, 190–237, 241, 242–243, 245, 258, 287, 291, 339–340, 349, 381, 399–400, 403, 468–469, 526–527 Analogie 40, 86, 90, 151, 270, 280–281, 313, 327–330, 332, 334–338, 346, 405–406, 453, 461–462, 509–510, 532 Anpassung 95–99, 101–102, 104, 117–118, 122, 126, 482–484, 493, 514, 516–518, 538–539 – ~sanspruch 500–508 – Prozessuales 99, 122, 502–505, 508–510, 512–513, 539–540, 543–544 – Unzumutbarkeit der ~ 99, 501–505, 507–508, 517–518, 539 Anstrengungen 116, 120–121, 174, 177, 184, 245, 254–255, 261, 263–265, 277–282, 399, 404, 527–528 Äquivalenzstörung 375, siehe auch Störung der Geschäftsgrundlage Aufwand – ~sminderung durch den Gläubiger 220, 372, 452, 453–455, 466–467, 504–505, 507–508, 518, 520, 536, 540–541 – Begriff 255 – Erforderlichkeit 259–260, 267, 272–273, 415–416, 447, 527–528

– Gesamt~ 256, 257–259, 266–267, 271, 275, 285, 289, 344–345, 413–414, 416, 418, 426–427, 429, 527 – maßgeblicher Bestimmungszeitpunkt 257–259, 435–437, 439–440, 456–457, 527 – Mehr~ 229, 246–248, 251, 256, 257, 264, 266, 270–271, 273–275, 281, 285, 288, 329, 344–348, 350, 361, 363, 366–367, 376, 387, 400–401, 407, 411–420, 426, 429, 431, 433, 454, 456, 458, 463–464, 466–467, 472–473, 475–478, 496–498, 500, 503–505, 507–508, 518–521, 527–528, 530, 534–535, 538–540 – Normal~ 256, 262–263, 267–268, 270–271, 273–274, 285, 293, 344–347, 413–420, 426, 429, 431, 433, 448–449, 456, 527–529 Beschaffungspflicht 70–71, 89, 102, 240, 248–249, 250–251, 353, 470–471, 527, 542 Beschaffungsrisiko siehe Risiko Diebstahl 66, 77, 103, 144–145, 164, 248–249, 256, 267, 272–275, 312–314, 337, 346, 389–390, 407, 412–413, 415–417, 429, 431, 435, 499, 523, 528 Diskussionsentwurf 107–109, 111, 113, 116–123, 126–127, 185, 514 Drittveräußerungsfälle 66–67, 75–76, 79–81, 90–91, 104, 142–144, 146–147, 164, 176–178, 180, 184,

Sachverzeichnis 186–187, 188, 198–201, 239–240, 242, 260, 282–285, 290, 302–303, 342, 347, 403, 417–420, 435, 458–459, 476, 499, 528–529 Einrede 93, 118–119, 124, 126, 136–137, 139, 167, 221, 237–238, 241, 320, 377, 381, 435–436, 447, 449–453, 455, 457, 467–469, 507–508, 514, 520, 536–537, 539, 542 Einwendung 60, 89, 93, 123–124, 126, 139, 153–155, 158, 221, 320–321, 381, 449–451, 468, 524–525, 542 Ergänzende Vertragsauslegung 68–69, 247–251, 352–355, 527, 542 Garantie – der Leistungsfähigkeit 156, 172, 322–323, 348 – der Richtigkeit des Kenntnisstands 323–324, 337–338, 348 – ~haftung bei anfänglichem Unvermögen (alte Rechtslage) 84–85, 86–88, 103, 112, 172, 302, 316, 469–470, 543 – ~haftung im Mietrecht 427 – ~übernahmen bei anfänglicher (objektiver) Unmöglichkeit (nach altem Recht) 39–40, 60–61, 101, 171–172 – generelle ~haftung für überwindbare Leistungshindernisse (Ehmann/ Sutschet) 370–371, 376 Gegenleistung 96, 99, 118–119, 136, 166, 183, 207, 230, 245, 267, 269–271, 273–274, 286–290, 292–294, 307–308, 318, 326, 356–357, 359–360, 375, 408, 410–411, 421, 426, 428, 429, 431, 440–443, 445–446, 449, 453, 468–469, 477–478, 480, 482–484, 488, 494–495, 496–497, 500–507, 509–510, 515, 519, 520–521, 528–530, 535–536, 538–541

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Gegenleistungsgefahr 318, 356–360, 428–429 Geschäftsgrundlage siehe Störung der Geschäftsgrundlage Gesetzesauslegung 33–34, 175, 190–191, 207, 232, 252, 263, 292, 299–300, 334, 366, 378–408, 446, 533–535 Grobes Missverhältnis 29–30, 134, 174–175, 183, 197, 200, 210, 235, 244–245, 247, 250–253, 282, 288–290, 299–300, 342–343, 348–432, 468–469, 475, 497–498, 520, 532–535, 540–541 – Exkurs zu anderen Vertragstypen als dem Kauf 421–432 – Fallbeispiele zum Sachkauf 412–421 – Gesetzesauslegung 378–400 – Gesetzesmaterialien 177–178, 181, 188, 242, 341–342, 343, 379–380, 403–404, 533 – Prozessuales 257–259, 367–368, 435–439, 445, 447, 455–457, 465–467, 527, 530, 536–537, 542, siehe auch Einrede/Einwendung – Schrifttum 348–377 – zeitweiliges ~ 125, 432–438, 451, 455–457, 536–537 Herstellungsrisiko siehe Risiko Immaterielle Interessen des Schuldners 255, 276–282, 527 iustitia commutativa 494 Kenntnis – des bei Vertragsschluss feststehenden späteren Eintritts eines überwindbaren Leistungshindernisses 331, 531 – eines bei Vertragsschluss bestehenden überwindbaren Leistungshindernisses 325–327, 531 – eines bei Vertragsschluss möglichen späteren Eintritts eines überwindba-

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Sachverzeichnis

ren Leistungshindernisses 332–334, 531–532 Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre siehe Störung der Geschäftsgrundlage Kommission Leistungsstörungsrecht 110–111, 114, 123–124, 126–127, 176–177, 181, 278, 380 Kommissionsentwurf 105–107, 113–114, 116–123, 125–126, 185, 514 Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs 111–114, 123–125, 126–127, 185, 228, 277–279, 404–405, 514 Kündigung(-srecht) 203–204, 424–425, 482–483, 502–505, 508, 512–514, 539 Leihe 428 Leistungsaufwand siehe Aufwand Leistungsbegriff 28, 35–36, 60, 128 Leistungsgefahr 246, 350–351, 354–355, 356–360 Leistungshindernis siehe auch Unmöglichkeit/Unvermögen – Begriff 29, 477 – Unterscheidung anfänglich – nachträglich 29, 38–39 – Unterscheidung überwindbar – unüberwindbar 29, 37, 62–65, 101, 135, 137, 140–141, 142–145, 153, 169–170, 522 – Unterscheidung zeitweilig – endgültig 29, 145–152, 153, 432–433, 437–438 Leistungsinteresse 177, 181, 189, 203–204, 209–210, 219, 223, 226–227, 230, 233, 236, 257–258, 286–289, 291, 292–308, 359–360, 374, 381, 399, 400–401, 408, 413–416, 418, 420–421, 424–427, 429, 431, 436–437, 442–446, 456, 476, 478, 497, 515, 529–530, 533, 536–537 – Begriff 293

– besondere ~n 294–307, 366, 402, 427, 530, 533 – immaterielles ~ 213–214, 219, 223–224, 234–235, 239–241, 265, 282, 296–297, 303–304, 306–307, 360, 400–403, 455, 463, 527, 530, 533 – maßgeblicher Bestimmungszeitpunkt 307, 436–437, 530 Mehraufwandspflicht“ 246–247, 350–356, 362, 369–370, 375–376 Miete 39, 75, 97–98, 201–205, 211, 421–427, 428 Naturalrestitution 190, 212–223, 233–235, 296–297, 300–301, 460–463, 464–467, 527, 534 Opportunitätskosten 282, 285–286, 529 pacta sunt servanda 67, 88, 94–95, 370–373, 474–475, 492–493, 506, 517–518, 543 Principles of European Contract Law (PECL) 393, 395–400, 513 Principles of International Commercial Contracts (PICC) 393, 395–400 Rechtsfortbildung 190, 250–251, 405–406, 510–511, 533, siehe auch Analogie Rechtsmissbrauch(-sverbot) 38, 56, 69, 73, 75, 79–80, 89–90, 91–94, 97–98, 102, 104, 192–194, 195–196, 198–199, 221, 225–227, 234, 237, 240–241, 243–245, 254, 291, 309, 317, 344, 347, 349, 366–367, 381, 397, 399–401, 403, 407, 420, 450, 453–454, 468–469, 473, 526, 530, 532–533, 542 Regierungsentwurf 112, 114–116, 124–125, 126, 149, 170, 176–177, 185, 228, 277–279, 341–342, 381, 395, 403, 514, 516 „Ringfall“ 37–38, 134–137, 145–146, 151–152, 167, 175–176, 180,

Sachverzeichnis 186–187, 197, 256, 266–272, 412–415, 434–435, 441–443, 458–459, 464, 467, 478 Risiko – Beschaffungs~ 252–253, 310–312, 321–324, 340, 347, 370–371, 407, 408–412, 420–421, 477, 482, 495, 499, 535 – einer Wertminderung infolge Sachverlusts bzw. -verschlechterung 265–275, 407, 413, 418–419, 528 – eines Misserfolgs von Leistungsbemühungen 438–448, 529 – Herstellungs~ 197–198, 207, 210–212, 237, 253, 263–264, 370–371, 407, 412, 477, 495, 535 – Irrtums~ 322–323, 327, 337–338 – Kosten~ 52, 173–174, 510 – (Mehr-)Aufwands~/Leistungserschwerungs~ 98–99, 104, 303, 326–327, 333–334, 336, 338, 355, 481, 499, 531–532, 539 – Preissteigerungs~ 481–482, 492–493, 503 Rücktritt(-srecht) 104, 230, 417, 483, 502–504, 508, 512–514, 539 Schadensersatz statt der Leistung – Anspruchsinhalt im Falle der §§ 280, 281 BGB 233–235, 301, 460–467, 534 – Haftungsvoraussetzungen 230–232, 310–311, 320–324, 325, 337, 338 Schenkung(-svertrag) 270–271, 421, 429–432 Schuldrechtskommission 105–108, 113, 118–119, 125–126 „Schwellenproblem“ 369–370, 372, 376, 408, 453–454, 506–507, 535 Störung der Geschäftsgrundlage 94–100, 475–513, siehe auch Anpassung – Äquivalenzstörung 96, 99, 183, 245, 410–411, 420–421, 468–469, 476–484, 488–491, 493–496,

– – – –

– – –

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497–501, 505–506, 511, 515, 518–521, 537–541 Begriff der Geschäftsgrundlage 98, 486–490, 537 Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage 98, 490–491, 537–538 hypothetisches Element 488, 491 Kodifizierung der Geschäftsgrundlagenlehre 122, 473–474, 479, 486, 510–512, 537, 543–544 „Mischfälle“ 496–498, 520–521, 538, 541, 544 Prozessuales 508, 539 Unzumutbarkeit 98–100, 117–118, 481–485, 491–492, 495–496, 498, 511, 538

Unmöglichkeit – anfängliche ~ 27, 34, 38–41, 47, 60–61, 81, 101–103, 123–124, 128, 130–131, 154–157, 163, 171–173, 314–316, 320–321, 327, 350, 472, 525, 541 – Begriff 37–38, 60, 101–102, 133–139, 153, 168–170, 522–523, 541 – „faktische ~“ 29–30, 37–38, 60, 91, 101–102, 134–139, 145, 168–171, 175–176, 179–180, 186–187, 197, 343, 350, 372–373, 449–450, 467–469, 523, 542 – nachträgliche ~ 32–33, 41–60, 61–62, 72, 100, 154, 172–173, 350, 472, 524–525, 541 – Prozessuales 42–46, 47, 50, 51–55, 57, 59, 61, 129, 132, 136, 139, 144, 154, 158–168, 173–174, 439, 524–525, 541 – „wirtschaftliche ~“ 29, 33, 38, 69, 73, 75, 80, 94–100, 101–102, 104, 169–170, 176, 203, 468–469, 473–474, 484, 496 – zeitweilige ~ 59–60, 61–62, 125, 145–152, 153, 157–158, 164–168, 439, 447, 484, 524–525

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Sachverzeichnis

Unvermögen – anfängliches ~ 65, 81–87, 88, 90–91, 102–104, 112, 172, 302, 315–316, 350, 469–471, 543 – Begriff 30, 62–65, 66, 67–69, 71–75, 77–80, 82–83, 88, 90–91, 100, 102–104, 138–140, 142–143, 164, 168–169, 171, 176, 470–471, 523, siehe auch Unzumutbarkeit/Unvermögensbegriff – Haftung siehe Garantiehaftung bei anfänglichem Unvermögen (alte Rechtslage) – nachträgliches ~ 62–81, 87–91, 100–104, 140, 168–169, 350, 471 – Prozessuales 63–64, 72, 74, 75–77, 80–81, 82, 90–91, 103–104, 164 – zeitweiliges ~ 87–88, 91 (Un-)Zumutbarkeit – „allgemeiner Rechtsgedanke“ (BGH) 91–93, 104, 186, 192–200, 226, 241 – CISG 393 – der Vertragsanpassung siehe Anpassung – Einrede des § 275 Abs. 2 BGB 29–30, 131, 174, 184, 186, 192–200, 214–215, 226, 229, 235, 244–245, 254–255, 263, 277–282, 300–301, 307, 340, 366, 401, 404, 527, 534 – Einrede des § 633 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. 209 – Einwendung des § 275 Abs. 1 BGB 133, 137, 138–139, 169, 171 – Ersetzungsbefugnis nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB 214–215 – Geschäftsgrundlagenlehre siehe Störung der Geschäftsgrundlage – ideelle ~ 27, 124–125 – Muldenkipper-Entscheidung 97–98, 202–203, 423–424 – PICC 396, 399 – Unvermögensbegriff 38, 63, 64–65, 67–71, 74–75, 79–80, 88–89, 102, 169, 171, 471

– Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 391 – „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ 95–96 – zeitweilige Leistungshindernisse 60–62, 148–149, 434 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 108, 127, 170, 382–395, 400 Verhältnis von – § 275 Abs. 1 BGB zu §§ 275 Abs. 2, 313 BGB 513–514, 540 – § 275 Abs. 2 BGB zur ergänzenden Vertragsauslegung 247–251, 353–355, 527, 542 – § 275 Abs. 2 zu § 313 BGB 126, 185, 514–521, 540–541, 544 – § 275 KommE/DiskE zu § 306 KommE/§ 307 DiskE 117–118, 122, 185 Verschulden siehe Vertretenmüssen Vertragsanpassung siehe Anpassung Vertretenmüssen – Bezugspunkt des ~s 44–45, 86–87, 172–173, 233, 308–309, 310, 319–320, 324–325, 328–330, 346, 362, 472–473, 490–491, 543 – Verschulden bei anfänglichen Leistungshindernissen 312–320, 530–531 – Verschuldensgrad 92, 199–200, 235, 309, 330, 339–340, 344–348, 366–367, 401, 530 Wahlrecht 57, 74, 136, 241, 408, 449–450, 452–453, 466–467, 516–517, 518, 520, 537, 540 Zwangsvollstreckung 27, 47, 50, 52, 58, 71–73, 160, 162–163, 168, 173, 333, 367–368, 371–372, 398–399, 435–436, 457–460, 462, 465, 525, 537, 541 – „Detektivkompetenz“ 43–44, 55–57, 129, 162–163, 173