Ereignisbezogene Lieder und Reimpaarreden im Spätmittelalter: Untersuchungen zu Texttypen und Überlieferungskontexten 3110650053, 9783110650051, 9783110652888, 9783110650143, 2020941478

Für die Forschung zu Liedern und kleineren Reimpaartexten mit Bezug auf ein politisches Ereignis bildete der referenzier

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Ereignisbezogene Lieder und Reimpaarreden im Spätmittelalter: Untersuchungen zu Texttypen und Überlieferungskontexten
 3110650053, 9783110650051, 9783110652888, 9783110650143, 2020941478

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Teil 1: Untersuchung
Einleitung
I Grundlagen
II Texttypen
III Überlieferungskontexte
Fazit: Aspekte der Überlieferung Ereignisbezogener Dichtung
Teil 2: Texte und Überlieferungsträger
I Edition
II Katalog der Überlieferungsträger
Verzeichnisse
Register

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Doreen Brandt Ereignisbezogene Lieder und Reimpaarreden im Spätmittelalter

Hermaea

Germanistische Forschungen Neue Folge Herausgegeben von Christine Lubkoll und Stephan Müller

Band 151

Doreen Brandt

Ereignisbezogene Lieder und Reimpaarreden im Spätmittelalter Untersuchungen zu Texttypen und Überlieferungskontexten

Diese Arbeit wurde 2017 als Dissertationsschrift von der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock angenommen.

ISBN 978-3-11-065005-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065288-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-065014-3 ISSN 0440-7164 Library of Congress Control Number: 2020941478 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Satzstudio Borngräber, Dessau-Roßlau Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2017 als Dissertation von der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock angenommen. Für die Drucklegung habe ich den ersten Teil punktuell überarbeitet; den zweiten Teil habe ich einer gründlichen Durchsicht unterzogen. Besonders herzlich danken möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. FranzJosef Holznagel, der die Arbeit angeregt, mit fortwährendem Zuspruch unterstützt und mit großer Aufmerksamkeit und noch größerem Langmut begleitet hat. Anregungen und wertvolle Hinweise habe ich darüber hinaus erhalten von Prof. Dr. Karina Kellermann, die ich zudem als Zweitgutachterin für die Arbeit gewinnen konnte, und von Prof. Dr. Andreas Bieberstedt, der nicht nur das Drittgutachten übernahm, sondern zuletzt auch die Übersetzungen sehr sorgfältig durchgesehen hat. Ermutigung, Unterstützung und Anregungen gewährten mir darüber hinaus auch Dr. Elizabeth A. Andersen, Prof. Dr. Elke Brüggen, Dr. Jan Cölln, Prof. Dr. Ursula Götz, Dr. Falk Eisermann, Karsten Labahn sowie Prof. Dr. Henrike Lähnemann und nicht zu vergessen die Mitglieder des Arbeitskreises mediävistischer NachwuchswissenschaftlerInnen an der Universität Rostock, allen voran Annika Bostelmann, Hellmut Braun, Lisa Kranig und Kristin Skottki. Ihnen allen möchte ich hiermit sehr herzlich danken! Die Arbeit machte die Autopsie zahlreicher Überlieferungsträger erforderlich: in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, der Stadtbibliothek Braunschweig, der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover, der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel, der Universitätsbibliothek Kiel, der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, der Königlichen Bibliothek Kopenhagen, der British Library London, der Bibliothek des Dithmarscher Landesmuseums Meldorf, der Universitätsbibliothek Rostock, der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Günther Uecker Schwerin und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Für die Möglichkeit, Einsicht in die Handschriften und Drucke zu nehmen, wie auch für die Anfertigung von digitalen Reproduktionen möchte ich diesen Einrichtungen danken. Meinen besonderen Dank für das freundliche Entgegenkommen und für viele wertvolle Hinweise zu den Drucken und Handschriften möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Einrichtungen in Berlin, Kiel, Meldorf und Rostock aussprechen. Für finanzielle Unterstützung bedanke ich mich bei der Bischöflichen Studienstiftung für die Aufnahme in das Promotionsprogramm. Der Verein der Freunde und Förderer der Universität Rostock sowie die Hebbelstadt Wesselburen in Dithmarschen zusammen mit der Hebbel-Gesellschaft haben meine Arbeit mit Nachwuchsförderpreisen ausgezeichnet und damit auch die Drucklegung großzügig https://doi.org/10.1515/9783110652888-201

VI 

 Vorwort

finanziell unterstützt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bedanken. Prof. Dr. Christine Lubkoll und Prof. Dr. Stephan Müller danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Hermaea. Dem Verlag De Gruyter möchte ich für die zuverlässige und verständnisvolle Betreuung bei der Vorbereitung des Manuskripts für den Druck meinen herzlichen Dank aussprechen. Viele haben diese Arbeit über die Jahre begleitet und mich ermutigt oder für willkommene Abwechslung gesorgt; einige waren von Anfang an da und sind es noch, andere sind am Beginn ein Stück des Wegs mit mir gegangen und wieder anderen bin ich erst am Ende des Wegs begegnet. Ich danke ihnen allen! Ganz besonderer Dank gilt meinen Freunden und meiner Familie. Rostock, im Mai 2020

Doreen Brandt

Inhalt Vorwort — V

Teil 1: Untersuchung Einleitung — 3 I Grundlagen — 7 1 Stand der Forschung zu ereignisbezogener Dichtung — 7 1.1 Überblick — 7 1.2 Verbreitung und Überlieferung — 24 1.3 Binnendifferenzierung — 43 2 Die Hemmingstedter Ereignisdichtungen — 52 2.1 Hintergrund und Umriss — 52 2.2 Forschung — 55 3 Ziele und Anlage der Untersuchung — 66 II Texttypen — 73 1 Beschreibungsmodell — 75 1.1 Metrik und Aufführung — 75 1.1.1 Metrische Struktur — 75 1.1.2 Aufführungsart — 76 1.2 Ereignisreferenz — 77 1.2.1 Wirklichkeitsbezug und Wahrheitsanspruch — 77 1.2.2 Thema und Themenentfaltung — 80 1.2.3 Textinterne Kommunikationssituation — 82 1.2.4 Verhältnis von weltlicher und geistlicher Thematik — 82 2 Typen ereignisbezogener Dichtung im Hemmingstedter Korpus — 84 2.1 Nicht-sangbare Texte — 84 2.1.1 Deutender Ereignisbezug — 84 2.1.2 Verzeichnender Ereignisbezug — 86 2.2 Sangbare Texte — 89 2.2.1 Deutender Ereignisbezug — 89 2.2.2 Narrativer Ereignisbezug — 91 3 Fazit — 96

VIII 

 Inhalt

III Überlieferungskontexte — 99 1 Textkorpusgeschichte und Verwendungskontexte — 99 1.1 Aktuell und ereignisnah — 99 1.1.1 Haupttexte in gedruckten Quartheften mit Titelblatt und Holzschnitten — 100 1.1.2 Nachtrag in einer Prachthandschrift — 103 1.2 1530 bis 1590 — 107 1.2.1 Notate in historiographischen Kompilationen — 108 1.2.2 Spruchexzerpte in einer geistlichen Kompilation — 110 1.3 1598 bis Ende 18. Jh. — 111 1.3.1 Inserate in Einzelhandschriften zur Dithmarscher Geschichte — 113 1.3.2 Materielle Freistellung in einer kleinformatigen Sammelhandschrift — 116 1.3.3 Annotationen in der professionalisierten Geschichtsschreibung im Druck — 117 2 Die Ereignisdichtungen und die Dithmarscher Historiographie — 119 2.1 Die Kollektaneen von Johann Russe (Hs 3) — 122 2.1.1 Sukzessive Aufzeichnung mit Titel und Kolophon — 123 2.1.2 Textbearbeitung durch Interpolation — 126 2.1.3 Verwendungsoffenheit für Textauswahl, Exzerpt und Paraphrasierung — 127 2.2 Die Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8) — 128 2.2.1 Verbundaufzeichnung mit Titelformulierungen — 129 2.2.2 Textbearbeitung durch Interpolation — 133 2.2.3 Texterschließung durch Glossierung — 136 2.2.4 Textverarbeitung in der historiographischen Darstellung des Ereignisses — 137 2.2.5 Verwendungskonditionierung durch Textbindung — 139 2.3 Die Überlieferung bei Russe und Neocorus im Vergleich — 140 3 Fazit — 142 Fazit: Aspekte der Überlieferung Ereignisbezogener Dichtung — 147 1 Die Assimilation der Ereignisdichtungen in der Regionalhistoriographie — 148 2 Das Verhältnis zwischen Texttypen und Überlieferungskontexten — 149 3 Die Handschrift als Träger produktiver Rezeption ereignisbezogener Dichtung — 151

Inhalt 

Teil 2: Texte und Überlieferungsträger I Edition — 157 1 Anlage und Richtlinien — 157 1.1 Textabdruck — 157 1.2 Kommentar — 161 2 Textabdruck und Kommentar — 164 3 Glossar der Orts- und Personenreferenzen — 378 3.1 Orte — 378 3.2 Personen — 384 4 Anhang — 392 II Katalog der Überlieferungsträger — 399 1 Anlage und Richtlinien — 399 1.1 Drucke — 399 1.2 Handschriften — 401 1.3 Allgemeine Hinweise — 405 2 Katalog — 406 3 Anhang — 488 Verzeichnisse — 505 Abkürzungsverzeichnis — 505 Abgekürzt zitierte Literatur — 506 Literaturverzeichnis — 508 Register — 535 Personenregister — 535 Register der Toponyme — 541 Sachregister — 544 Register der abgedruckten Texte — 546 Register der beschriebenen Überlieferungsträger — 547 Register nach der Aufstellung im Katalog — 547 Register nach Aufbewahrungsorten und Signaturen — 548

 IX

Teil 1: Untersuchung

Einleitung Die ereignisbezogene Dichtung des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit ist vergleichsweise gut erforscht worden. Aus dem 19. Jahrhundert stammt die bis heute maßgebliche Kompilation ‚Historische Volkslieder der Deutschen‘ von Rochus von Liliencron.1 Im Rückgriff auf diese und weitere Sammlungen befasste sich die Germanistik, darüber hinaus aber auch die Geschichtswissenschaft, die Volkskunde, die niederdeutsche Philologie und die Publizistikwissenschaft2 im 20. Jahrhundert mit der grundlegenden ästhetischen und funktionalen Charakterisierung und Kontextualisierung derjenigen Lieder und kürzeren Reimpaardichtungen, die sich aktuell, parteilich und in Anwendung diverser Beglaubigungsmittel auf einen militärischen Vorfall in der Realität beziehen und dies in der Absicht tun, das Publikum und mit ihm die gegenwärtigen Macht- und Herrschaftsverhältnisse im Sinne der sich mit der Dichtung artikulierenden Partei zu beeinflussen.3 Der von Liliencron gewählte Begriff ‚historische Volkslieder‘, der

1 Liliencron, Rochus von (Hrsg.): Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert. 4 Bde. Leipzig 1865–1869. 2 Vgl. den Forschungsbericht: Kellermann, Karina Abschied vom ‚historischen Volkslied‘. Studien zu Funktion, Ästhetik und Publizität der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung. Tübingen 2000. (Hermaea. Germanistische Forschungen N.F. 90), S.  7–31. – Zu Kellermann vgl. die Rezensionen: Kerth, Sonja: Karina Kellermann: Abschied vom ‚historischen Volkslied‘. Studien zu Funktion, Ästhetik und Publizität der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung. Tübingen: Niemeyer 2000 (Hermaea. Germanistische Forschungen. N.F. 90). IX + 416 S. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 238 (2001), S. 396–400; Brednich, Rolf Wilhelm: Karina Kellermann: Abschied vom „historischen Volkslied“. Studien zu Funktion, Ästhetik und Publizität der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2000 (Hermaea. Germanistische Forschungen N.F. 90). Ix, 416p. In: Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung 42 (2001), S. 153–155. 3 Liliencron I 1865, S. IV, XXXVI; ders. II 1866, S. I–IV; Brednich, Rolf Wilhelm: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jahrhunderts. Bd. 1: Abhandlung. Bd. 2: Katalog der Liedflugblätter des 15. und 16. Jahrhunderts. Mit 146 Abbildungen. Baden-Baden 1974/75. (Bibliotheca bibliographica Aureliana 55. 60), hier Bd. 1, S.  154; Müller, Ulrich: Untersuchungen zur politischen Lyrik des deutschen Mittelalters. Göppingen 1974. (GAG 55/56), S. 474–479; Völker, Paul-Gerhard: 1. Das historische Volkslied. In: Einführung in die deutsche Literatur des 12. bis 16. Jahrhunderts. Bd. 3: Bürgertum und Fürstenstatt. Hrsg. von Winfried Frey / Walter Raitz / Dieter Seitz. Opladen 1981, S. 12–37, hier S. 12–19; Ecker, Gisela: Einblattdrucke von den Anfängen bis 1555. Untersuchungen zu einer Publikationsform literarischer Texte. Bd. 1: Untersuchung. Göppingen 1981. (GAG 314 I), S. 215, 222–226; Rattay, Beate: Entstehung und Rezeption politischer Lyrik im 15. und 16. Jahrhundert. Die Lieder im Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi. Göppingen 1986. (GAG 405), S. 6f.; Honemann, Volker: Politische Lieder und Sprüche im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit. In: Die Musikforschung 50 (1997), S. 399–421, hier S. 401f., 407, 417–421; Kerth, Sonja: Der landsfrid ist zerbrochen. Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichhttps://doi.org/10.1515/9783110652888-001

4 

 Einleitung

durch ältere Sammlungen bereits eingeführt worden war,4 ist von der Forschung bald einhellig abgelehnt worden. Die Kritik an ihm ist neben der fachlichen Zuständigkeitsfrage5 für die Textgruppe geradezu zu einem Topos geworden.6 Gegen Ende des 20. Jahrhunderts verdichtete sich die germanistische Forschung kurzzeitig mit drei umfangreichen Monographien zur Textgruppe: Beate Rattay untersuchte die Strategien und Wirkungsabsichten der historiographischen Rezeption ereignisbezogener Dichtung in der Schweizer Chronistik;7 Sonja Kerth arbeitete die Darstellungsmuster des Krieges und die in diesem Zusammenhang

tungen des 13. bis 16. Jahrhunderts. Wiesbaden 1997. (Imagines medii aevi 1), S. 4f.; dies.: Niuwe maere vom Krieg: Politische Ereignisdichtungen, herrschaftliche Propaganda, Reimchroniken und Newe Zeitungen. In: Brunner, Horst u. a.: Dulce bellum inexpertis. Bilder des Krieges in der deutschen Literatur des 15. und 16. Jahrhundert. Wiesbaden 2002. (Imagines medii aevi 11), S. 37–109, hier S. 37–40, 53, 107; Kellermann 2000, S. 49–53, vgl. auch dort den Forschungsbericht S. 7–31, sowie den Forschungsüberblick hier Kap. I.1. 4 Wolff, Oskar L. B. (Hrsg.): Sammlung historischer Volkslieder und Gedichte der Deutschen. Stuttgart / Tübingen 1830; Soltau, Friedrich Leonard von (Hrsg.): Ein Hundert Deutsche Historische Volkslieder. Gesammelt und in urkundlichen Texten chronologisch geordnet. Leipzig 1836. 5 Zum Beispiel: Kieslich, Günter: Das „Historische Volkslied“ als publizistische Erscheinung. Untersuchungen zur Wesensbestimmung und Typologie der gereimten Publizistik zur Zeit des Regensburger Reichstages und des Krieges der Schmalkaldener gegen Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunschweig 1540–1542. Münster 1958. (Studien zur Publizistik 1), S. 7; Fischer, Hanns: Der Überfall beim Nördlinger Scharlachrennen. Bemerkungen zu einem vergessenen Zeitspruch aus dem Jahr 1442. In: Festschrift für Klaus Ziegler. Hrsg. von Eckehard Catholy / Winfried Hellmann. Tübingen 1968, S. 61–76, hier S. 61; Schlumpf, Viktor: Die frumen edlen Puren. Untersuchung zum Stilzusammenhang zwischen den historischen Volksliedern der Alten Eidgenossenschaft und der deutschen Heldenepik. Zürich 1969, S. 13; Kellermann 2000, S. 1f.; dies.: Rezension zu Sonja Kerth: „Der landsfrid ist zerbrochen“. Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jahrhunderts. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert 1997 (Imagines medii aevi 1). VII + 356 S. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 238 (2001), S. 393–396, hier S. 393. 6 An dieser Stelle soll deshalb der Verweis auf einige Stellungnahmen genügen: Die Texte seien nicht nur historisch, sondern aus Sicht der Zeitgenossen politisch, sie stammten nicht aus dem Volk, sondern hatten konkrete Produzenten und Rezipienten, und es handelte sich auch nicht nur um Lieder, sondern auch um nicht-sangbare Reimpaartexte und Sprüche. Zu dieser Diskussion: Müller 1974, S. 26–28; ders.: ‚Historisches‘ Volkslied: Überlegungen zu einem verfehlten Terminus. In: Historische Volksmusikforschung. Hrsg. von Ludwig Bielawski / Alois Mauerhofer / Wolfgang Supan. Krakau 1979(b), S. 111–120; Ecker 1981, S. 214; Völker 1981, S. 12; Rattay 1986, S. 5; Kerth 1997, S. 4; Honemann 1997, S. 401; Schanze, Frieder: Überlieferungsformen politischer Dichtungen im 15. und 16. Jahrhundert. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im Mittelalter. Erfassen, Bewahren, Verändern. Akten des Internationalen Kolloquiums 8.–10. Juni 1995. Hrsg. von Hagen Keller / Christel Meier / Thomas Scharf. München 1999. (Münstersche Mittelalter-Schriften 76), S. 299–331, hier S. 299; Kellermann 2000, S. 2. 7 Rattay 1986.

Einleitung 

 5

eingesetzten Argumentationsstrategien der Textgruppe heraus;8 Karina Kellermann präzisierte und erweiterte die Ergebnisse zur ästhetischen und funktionalen Determinierung der Textgruppe mit Untersuchungen zur „inszenierten Ereignisnähe“, zum Verhältnis von Faktualität und Fiktionalität sowie zur kommunikativen Eigenschaft der Publizität.9 Frieder Schanze schließlich hat angesichts des aktuellen Ereignisbezugs die Frage nach der Überlieferungswürdigkeit der Textgruppe aufgeworfen10 und in diesem Zusammenhang das Desiderat einer Überlieferungsgeschichte ereignisbezogener Dichtung formuliert. Dass diese bislang nicht in den Fokus der Forschung gelangt sei, „dürfte“, so Schanze, durch die Perspektive verursacht worden sein, unter der man die Texte bisher fast ausschließlich gesehen hat: Sie fanden – gemäß ihrer ursprünglichen ‚politischen‘ Intention – vorwiegend als Dokumente ihrer Entstehungszeit Beachtung. Die Überlieferung galt demgegenüber als nebensächlich, sie war nur insofern von Belang, als ihr die Erhaltung der Texte zu verdanken war.11

Überdies kritisiert Schanze die Forschung dahingehend, dass sie bei der Beschreibung der ereignisbezogenen Dichtung die formalen Differenzen zwischen Lied und Reimpaarform nicht hinreichend berücksichtige und Gattungstraditionen für die Frage nach den Gebrauchskontexten und Wirkungsmöglichkeiten infolge dessen nicht gebührend in Betracht ziehe.12 Ausgehend von dieser Kritik strebt die vorliegende Arbeit an, die Verbreitung, Aneignung und Tradierung der ereignisbezogenen Dichtung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit zu untersuchen. Überdies soll ein Beschreibungsmodell entworfen werden, das stärker als bisher die Differenzen im Gefüge der Textgruppe offenlegt. Wenn hier zunächst von ereignisbezogener Dichtung die Rede ist, so handelt es sich dabei um einen Arbeitsbegriff mit minimaler formaler und funktionaler Definitionsfunktion, mit dem ich metrisch gebundene Texte kleineren bis mittleren Umfangs bezeichnen möchte, die sich explizit oder implizit auf ein politisches Ereignis beziehen, die jedoch nicht von vornherein mit den Attributen ‚historisch‘ oder ‚politisch‘ inhaltlich und funktional determiniert werden sollen. Thematisch verwandte Prosatexte, Großformen wie die Reimchronik sowie auch Lieder oder Reimpaardichtungen, die ein Natur- oder ein biographisches Ereignis, ein Wunder oder einen Kriminalfall referenzieren,

8 Kerth 1997; dies. 2002. 9 Kellermann 2000. 10 Schanze 1999, S. 303. Diese Frage hatte zuvor auch Rattay 1986, S. 61f., gestellt. 11 Schanze 1999, S. 303. 12 Schanze 1999, S. 301.

6 

 Einleitung

erfasst der Begriff im Rahmen dieser Arbeit nicht. Für alle anderen Formen ist er bewusst offen gehalten; er schließt damit sowohl die oben knapp umrissene Textgruppe ein, auf die die germanistische Forschung bislang ihr Hauptaugenmerk gerichtet hat und die ich nach dem Vorschlag von Karina Kellermann im Folgenden mit dem Terminus ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘13 bezeichnen möchte, als auch solche Reimpaartexte und Lieder, die sich von eben dieser speziellen Ausprägung ereignisbezogener Dichtung unterscheiden, indem etwa ihr Wirklichkeitsbezug nicht explizit aktuell oder parteilich realisiert ist. Mit dieser Vorgehensweise möchte ich der Disparität der Textgruppe Rechnung tragen, die sich nicht nur im Großen in den einschlägigen Anthologien und den daraus isolierten Untersuchungskorpora der Forschung manifestiert, sondern auch im Kleinen: Das hier zu untersuchende Ensemble, d. h. die Lieder und Reimpaardichtungen, die sich auf die Schlacht bei Hemmingstedt in Dithmarschen im Jahr 1500 beziehen lassen, zeichnet abgesehen von dem thematisierten Vorfall in formaler, struktureller, intentionaler und auch textgeschichtlicher Hinsicht eine markante Vielfalt aus. Diese in Form einer Texttypologie und einer Übersicht zu den Überlieferungskontexten zu konturieren und im Rückgriff auf die Forschung schließlich für Überlegungen fruchtbar zu machen, die auf die Grundzüge einer Überlieferungsgeschichte ereignisbezogener Dichtung abheben, ist das erklärte Ziel dieser Arbeit.14

13 Kellermann 2000. 14 Zur Begründung der Korpuswahl und zur Methodik vgl. unten Kap. I.3.

I Grundlagen 1 Stand der Forschung zu ereignisbezogener Dichtung 1.1 Überblick Die Forschung zu den ereignisbezogenen Liedern und Reimpaartexten setzte im 19. Jahrhundert zunächst mit den Bemühungen um ihre Sammlung und Herausgabe in Anthologien ein.1 Nachdem diverse Lieder mit Bezug auf historische Personen und Ereignisse bereits am Beginn des 19. Jahrhunderts in Volksliedsammlungen wie ‚Des Knaben Wunderhorn‘ von Arnims und Brentanos2 aufgenommen worden waren, erschien mit Oskar L. B. Wolffs ‚Sammlung historischer Volkslieder und Gedichte der Deutschen‘ von 1830 die erste Anthologie, die sich eigens dem ‚historischen Volkslied‘ widmete.3 Wenige Jahre später, 1836, folgte die Kompilation ‚Ein Hundert Deutsche Historische Volkslieder‘ von Friedrich Leonard Soltau, die eine weite Zeitspanne vom 9. bis 19. Jahrhundert abdeckt.4 Mit insgesamt 623 Stücken in vier Bänden gab Rochus von Liliencron zwischen 1865 und 1869 unter dem Titel ‚Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert‘ die umfangreichste und für die ereignisbezogene Dichtung des Mittelalters maßgeblich gewordene Sammlung heraus.5 Den ‚historischen Volksliedern‘ des 17. und 18. Jahrhunderts widmete sich die Sammel- und Herausgebertätigkeit von Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurth in den 1870er Jahren.6 Etwas jünger, aus den Jahren 1907 bis 1913, ist die ebenfalls auf die Neuzeit ausgerichtete Sammlung ‚Historische Volkslieder und Zeitgedichte vom sechzehnten bis neunzehnten Jahrhundert‘ von August Hartmann.7

1 Im Folgenden nenne ich lediglich eine Auswahl der wichtigsten auf das ‚historische Volkslied‘ konzentrierten Sammlungen; einen Überblick über sämtliche Ausgaben des 19. und auch des 20. Jahrhunderts findet sich bei Kellermann 2000, S. 65–82. 2 Von Arnim, Achim / Brentano, Clemens (Hrsg.): Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder. 3 Bde. Heidelberg / Frankfurt a. M. 1806–1808. Zu weiteren vgl. Kellermann 2000, S. 66. 3 Wolff 1830. 4 Soltau 1836. 5 Liliencron 1865–1869. 6 Neben weiteren vgl. Ditfurth Freiherr von, Franz Wilhelm (Hrsg.): Die Historischen Volkslieder vom Ende des dreißigjährigen Krieges, 1648 bis zum Beginn des siebenjährigen, 1756. Aus fliegenden Blättern, handschriftlichen Quellen und dem Volksmunde gesammelt. Heilbronn 1877. 7 Hartmann, August (Hrsg.): Historische Volkslieder und Zeitgedichte vom sechzehnten bis neunzehnten Jahrhundert. Gesammelt und erläutert von August Hartmann. Mit Melodien, hrsg. https://doi.org/10.1515/9783110652888-002

8 

 Grundlagen

Die Sammlungen präsentieren in Hinsicht auf Entstehungszeit sowie auf formale, strukturelle und inhaltliche Aspekte äußerst disparates Material, firmieren jedoch seit der Ausgabe von Wolff jeweils unter dem Etikett ‚historisches Volkslied‘. Die Forschung zu ereignisbezogener Dichtung des Mittelalters greift in der Hauptsache auf die Kompilation von Liliencron zurück, was nicht zuletzt mit der Fülle des Materials und vor allem auch mit Liliencrons Erschließungsstandard zu begründen ist, der sich nicht nur in Stellenerläuterungen und Variantendokumentationen niederschlägt, sondern auch in der gründlichen Darstellung der historischen Ereignisse, auf die sich die aufgenommenen Stücke beziehen. Nach grundlegenden Anfängen im 19. Jahrhundert in den Vorworten der Anthologien setzte verstärkt im 20. Jahrhundert die deskriptive Erschließung und theoretische Auseinandersetzung mit der ereignisbezogenen Dichtung ein. Im Folgenden soll vornehmlich die literaturwissenschaftliche Forschung überblickt werden.8 Am Beginn können zwei Schwerpunkte beobachtet werden – die Beschäftigung mit Stilfragen sowie in Verbindung damit die Untersuchung der eidgenössischen Ereignisdichtungen. Fritz Jacobsohn wurde 1913 in Berlin mit einer Dissertation zum ‚Darstellungsstil der historischen Volkslieder des 14. und 15. Jahrhunderts‘ von Gustav Roethe promoviert. Im ersten Teil der 1914 publizierten Arbeit stellt er einen mit Belegen illustrierten Katalog stilistischer Merkmale des ‚historischen Volksliedes‘ zusammen, wobei er in der Hauptsache die Texte aus der Sammlung Liliencrons heranzog. Zwar angelehnt an das Beschreibungsinventar der klassischen Rhetorik entbehrt der Katalog dennoch einer gewissen Systematik. Er beinhaltet jedoch ereignisreferenzielle Angaben (z. B. Zeitangaben), intentionale Komponenten (z. B. Spott, Hohn, Belehrung, Rat), metaphorische Kampfdarstellungen (z. B. Wappenmetaphorik), strukturelle (z. B. parataktischer Satzbau, Wiederholungsfiguren) sowie auch makrostrukturelle Eigenheiten der Texte (z. B. die typische Schlussstrophe mit Angaben zu Name, Herkunft und Stand des Dichters) und mehr, womit einzelne Vertreter ereignisbezogener Dichtung bis heute zutreffend beschrieben werden können. Besonders aufschlussreich – vor allem mit Blick auf die in dieser Arbeit interessierende Tradierungsfrage ereignisbezogener Dichtung – sind Jacobsohns Beobachtungen und Überlegungen zu amplifizierenden Textbearbeitungen, die er mit dem

von Hyacinth Abele. 3 Bde. München 1907–1913. Nachdruck in einem Bd.  Hildesheim / New York 1972. 8 Für die geschichts- und publizistikwissenschaftliche Forschung möchte ich auf den ausführlichen Forschungsbericht von Karina Kellermann (Kellermann 2000, S. 7–34) verweisen. Kleinere Arbeiten berücksichtigt auch der Beitrag zur Forschung von Nix, Matthias: Das sogenannte ‚historische Lied‘. In: Forschungsberichte zur Germanistischen Mediävistik. Hrsg. von Hans-Jochen Schiewer. Bern u. a. 1996. (Jahrbuch für Internationale Germanistik, Reihe C, Bd. 5/1), S. 133–152.

Stand der Forschung zu ereignisbezogener Dichtung 

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Begriff der ‚Aufschwellung‘ umschreibt9 und die er am Beispiel der eidgenössischen Lieder auf die Schlacht bei Sempach im zweiten Teil seiner Arbeit unter Heranziehung ihrer Überlieferungsbefunde vertieft.10 Viktor Schlumpf knüpft mit seiner Züricher Dissertation zum ‚Stilzusammenhang zwischen den historischen Volksliedern der Alten Eidgenossenschaft und der deutschen Heldenepik‘ von 1969 indirekt an Jacobsohn an, direkt jedoch an die Überlegungen seines Lehrers Max Wehrli11 bezüglich „allfälliger Beziehungen zwischen den historischen Volksliedern der Eidgenossen und der deutschen Heldendichtung“.12 Schlumpf strebt zunächst einen auf Metrik, Motivik und Sprache konzentrierten Stilvergleich an und befasst sich danach mit dem „Problem der Verbreitung deutscher Heldenepen in den Gebieten der Eidgenossenschaft“.13 Den „in manchem Punkt an die Heldenepik erinnernden Stil der eidgenössischen historischen Lieder“, für den Schlumpf entsprechende Belege beibringt, versteht er „nicht einfach als passive Anpassung an den Stil einer längst vorgeprägten Gattung, sondern als aktive Übernahme von Ausdrucksmitteln, die den eigenen Absichten entsprechen“, nämlich „die Erfolge der Eidgenossen als heroische Leistungen eines gottbegnadeten Volkes [zu] werten“.14 Schlumpfs Untersuchung waren in den 1950er und 1960er Jahren kleinere Beiträge in geschichtswissenschaftlichen Publikationsorganen von Max Wehrli15 sowie auch von Hans Trümpy16 vorausgegangen. Seine Fortsetzung fand der Fokus auf die ereignisbezogene Dichtung der Schweiz mit der Dissertation ‚Entstehung und Rezeption politischer Lyrik im 15. und 16. Jahrhundert‘ von Beate Rattay aus dem Jahr 1986. Rattay griff zwar auf die ältere Forschung zu den eidgenössischen Liedern und Reimdichtungen zurück, doch trug sie nun ein

9 Jacobsohn, Fritz: Der Darstellungsstil der historischen Volkslieder des 14. und 15. Jahrhunderts und die Lieder von der Schlacht bei Sempach. Phil. Diss. Berlin 1914, S. 36–43. 10 Jacobsohn 1914, S. 76–112. 11 Schlumpf 1969, S. 15f. Vgl. v. a. Wehrli, Max: Das Lied von der Schlacht bei Näfels. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 9 (1959), S. 206–213, bes. S. 210–213. 12 Schlumpf 1969, S. 14f. 13 Schlumpf 1969, S. 16f. 14 Schlumpf 1969, S. 143. 15 Wehrli, Max (Hrsg.): Das Lied von der Entstehung der Eidgenossenschaft. In: Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Urkunden, Chroniken, Hofrechte, Rödel und Jahrzeitbücher bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts. Hrsg. von der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz. Abt. III: Chroniken und Dichtungen. Bd. 2, 1. Teil. Aarau 1952, S. 3–51; ders. 1959. 16 Trümpy, Hans: Die alten Lieder auf die Schlacht bei Näfels. In: Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus 60 (1963), S. 25–51; ders.: Bemerkungen zum alten Tellenlied. In: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 65 (1965), S. 113–132.

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rezeptionsgeschichtliches Interesse an sie heran. Mit der Konzentration auf das ‚Chronicon Helveticum‘ von Aegidius Tschudi (1505–1572) will sie das „Moment einer Überlieferungsstufe“ ermitteln und grenzt sich damit im Anschluss an Hans-Robert Jauß deutlich von der älteren Forschung ab, die ausgeht „von einem ‚geschlossenen Kreis einer Produktions- und Darstellungsästhetik‘“17 und Veränderungen der Texte im Zuge ihrer Rezeption nur am Rande vermerkt.18 Mit diesem Ansatz reiht sich Rattays Untersuchung einerseits explizit in die historische Rezeptionsforschung ein, die aus der von Jauß in den 1960er Jahren initiierten Rezeptionsästhetik hervorgegangen war,19 andererseits berührt die Würdigung der Handschrift und der konkreten Textrealisation als Konstituenten der Textund Literaturgeschichte die Ziele der überlieferungsgeschichtlichen Forschung in der germanistischen Mediävistik.20 1968 begründete Hanns Fischer mit dem Aufsatz ‚Der Überfall beim Nördlinger Scharlachrennen. Bemerkungen zu einem vergessenen Zeitspruch aus dem Jahre 1442‘ eine Methode, die nach dem Vorbild Liliencrons philologische und historische Erschließungsarbeit in der Absicht miteinander verband, die politische Wirkmacht einzelner Texte im Zusammenhang mit den Ereignissen, auf die sie Bezug nehmen, zu analysieren. Fischer vertrat die Ansicht, dass „Liliencrons Werk in einer bestimmten Hinsicht ein bleibendes methodisches Vorbild bedeutet: in der Verbindung von editorischer und exegetischer, und das heißt hier: von philologischer und historischer Bemühung“.21 Er fährt fort: Es ist beinahe eine Binsenweisheit, festzustellen, daß Texte, wie sie hier zur Edition anstehen, gar nicht zuverlässig und brauchbar publiziert werden können, wenn der Herausgeber sich nicht über die darin behandelten wie die hintergründig mitschwingenden historischen Sachverhalte unterrichtet. Und Ebenso offenkundig ist dies andere: daß solche Texte dem von außen herantretenden neuzeitlichen Betrachter weithin verschlossen bleiben, wenn

17 Rattay 1986, S.  1, die zitiert aus: Jauß, Hans Robert: Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft. In: Jauß, Literaturgeschichte als Provokation. Frankfurt a.  M. 1970, S. 144–207, hier S. 168. Die Kritik Rattays bezieht sich auf die Arbeiten von Jacobsohn 1914 und Schlumpf 1969. 18 Rattay 1986, S. 1. 19 Vgl. hierzu den Überblick von Friedrich, Hans-Edwin: Rezeptionsästhetik / Rezeptionstheorie. In: Methodengeschichte der Germanistik. Hrsg. von Jost Schneider, unter redaktioneller Mitarbeit von Regina Grundmann. Berlin / New York 2009, S. 597–628. 20 Grundlegend: Ruh, Kurt: Überlieferungsgeschichte mittelalterlicher Texte als methodischer Ansatz zu einer erweiterten Konzeption von Literaturgeschichte. In: Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Hrsg. von Kurt Ruh. Tübingen 1985, S. 262–272. Vgl. hierzu im Folgenden Kap. I.3. 21 Fischer 1968, S. 61f.

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der Herausgeber ihn nicht an dem von ihm erworbenen historischen Verständnis teilhaben läßt.22

Dem Untersuchungsansatz von Fischer sind diverse Beiträge gefolgt.23 Zu diesen zählt Erich Straßners 1970 publizierter Beitrag ‚Politische Relevanz ‚historischer Volkslieder‘. Die Auseinandersetzungen zwischen der Reichsstadt Nürnberg und den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach im Spiegel von Liedern und Sprüchen‘.24 Straßner befasst sich darin mit dem Korpus ereignisbezogener Dichtung, das sich auf den Markgrafenkrieg 1449–1453 bezieht und das in der Folge auch Ulrich Müller, Stefan Hohmann, Frieder Schanze und Karina Kellermann zum Gegenstand ihrer Untersuchungen machten,25 womit es neben den eidgenössischen Texten die größte Aufmerksamkeit in der Forschung erlangte. Auf eine größere, nicht regional oder lokal konstituierte Textgruppe weiteten in der Folge drei monographische Arbeiten ihre Aufmerksamkeit aus: Ulrich Müller legte 1974 die ‚Untersuchungen zur politischen Lyrik des deutschen Mittelalters‘ vor, im gleichen Jahr erschien Rolf Wilhelm Brednichs ‚Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17. Jahrhunderts‘, nur einige Jahre später folgte schließlich Gisela Eckers ‚Einblattdrucke von den Anfängen bis 1555. Untersuchungen zu einer Publikationsform literarischer Texte‘ von 1981. Müller, Brednich und Ecker ist gemein, dass sie die Textgruppe der ereignisbezogenen Dichtung jeweils im Gefüge von anderen Textgruppen verorten; während Müller dies jedoch mit dem Akzent auf den gemeinsamen Nenner der politischen Wirkungsintention tut, erfolgt die Einordnung bei Brednich und Ecker mit dem Fokus auf ihre mediale Präsentation im typographischen Einblattdruck. Müller definiert politische Lyrik als „Lyrik, die wertend und mit Tendenz (d. h. z. B.: preisend, tadelnd, klagend, mahnend, auffordernd, ablehnend, parteilichberichtend) aktuelle und bestimmte Ereignisse, Probleme, Orte und Personen der

22 Fischer 1968, S. 62. 23 Straßner, Erich: Politische Relevanz „historischer Volkslieder“. Die Auseinandersetzungen zwischen der Reichsstadt Nürnberg und den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach im Spiegel von Liedern und Sprüchen. In: Formen mittelalterlicher Literatur. Festschrift für Siegfried Beyschlag zu seinem 65. Geburtstag. Hrsg. von Otmar Werner / Bernd Naumann. Göppingen 1970. (GAG 25), S. 229–246. Zu weiteren vgl. Kellermann 2000, S. 33. 24 Straßner 1970. 25 Müller 1974; Hohmann, Stefan: Friedenskonzepte. Die Thematik des Friedens in der deutschsprachigen politischen Lyrik des Mittelalters. Köln u. a. 1992. (Ordo. Studien zur Literatur und Gesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit 3); Schanze 1999; Kellermann 2000.

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geistlichen und weltlichen Macht zum Thema hat“.26 Er begreift sie als Teil der ‚littérature engagée‘, die im Gegensatz zur ‚littérature pure‘ einen praktischen Zweck verfolge: Sie will den Hörer, Zuschauer oder Leser im Sinne eines Glaubens, einer Überzeugung, einer Ideologie o. ä. positiv oder negativ beeinflussen, will also eine bestimmte Wirkung auf ihn ausüben und ihn zu bestimmten Reaktionen veranlassen. Diese Wirkung soll erreicht werden durch eine bestimmte Tendenz, die in dem jeweiligen Text angelegt ist.27

Das Material aus dem 12. bis 15. Jahrhundert (bis 1466) wird von Müller chronologisch verzeichnet und anschließend vor allem nach dem Kriterium der Tendenz systematisiert: Die ereignisbezogene politische Dichtung reiht er unter der Bezeichnung ‚Lob, Schelte und Bericht: die spätmittelalterlichen Kampfgedichte‘ neben ‚Preis und Lob‘, ‚Schelte und Schmähung‘ sowie ‚Klage, Mahnung und Aufforderung‘ in die politische Lyrik des Mittelalters ein. Die Arbeiten von Brednich und Ecker widmen sich dem typographischen Einblattdruck und der Frage nach den Gattungen, die mit diesem Medium veröffentlicht und verbreitet wurden. Während Brednich sich auf das Lied konzentriert vom Beginn des ersten Liedeinblattdruckes am Ende des 15. bis zu den Ausläufern im 17. Jahrhundert und auf ein Vollständigkeit beanspruchendes Untersuchungskorpus von insgesamt 359 Drucken zurückgreift,28 bezieht Ecker auch Reimpaar- und Prosadichtungen mit ein, begrenzt den Untersuchungszeitraum jedoch bis auf das Jahr 1550 und kommt damit auf ein Korpus von etwa 250 Drucken.29 Brednich verfolgt mit seiner Arbeit, die fachlich in der Volkskunde verankert ist, das Ziel, den seinerzeit längst bekannten, aber bis dato nicht systematisch aufgearbeiteten Bestand an Liedeinblattdrucken für die volkskundliche Liedforschung zu erschließen. Mit dem anerkennenden Verweis auf die Untersuchung von Johannes Janota zum geistlichen Lied30 beabsichtigt auch Brednich ausgehend vom überliefernden Medium, „Funktion, das heißt Lebensbereich und Gebrauchszweck des Liedes“ zu erforschen.31 Gibt sich schon in der Wahl des Titels ‚Liedpublizistik‘ der Anschluss an die Publizistikwissenschaft zu erkennen, so zeigt sich dies auch in Hinsicht auf Brednichs Bewertung des von ihm so bezeich-

26 Müller 1974, S. 36. 27 Müller 1974, S. 271. 28 Brednich I 1974, S. 17. 29 Ecker 1981, S. 9. 30 Janota, Johannes: Studien zu Funktion und Typus des deutschen geistlichen Liedes im Mittelalter. München 1968. 31 Brednich I 1974, S. 10.

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neten ‚historischen Liedes‘, bei dem es sich um ein „publizistisches Gebilde mit aktuellen Bewusstseinsinhalten handelt“32. Die Bedeutung des Einblattdruckes sieht Brednich denn in erster Linie auch darin, dass es „als Träger oder technischer Mittler im engsten Zusammenhang mit den politischen Vorgängen […] auch heute noch einen recht unmittelbaren Kontakt zu den Zeitereignissen im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik [erlaubt]“.33 Ecker schließt mit ihrer Dissertation begrifflich an die Buchkunde an, indem sie dem Terminus ‚Flugblatt‘ den Begriff ‚Einblattdruck‘ vorzieht.34 In methodischer Hinsicht verbindet sie Überlegungen zu den Produzenten der Texte und den Produktions- und Distributionsbedingungen der Einblattdrucke mit der Frage nach den Gattungen im neuen Medium Einblattdruck und nach ihrer „eventuellen Umgestaltung im Rahmen des Mediums“.35 Sie konstatiert u. a.: Eine Affinität zwischen Medium und Gattungen ergab sich vor allem in thematischer Hinsicht, indem bevorzugt solche Gattungen auf Einblattdrucken veröffentlicht wurden, denen die schnellen Verbreitungsmöglichkeiten besonders nützen, also mit aktuellen und zeitbezogenen Aussagen: politische Lieder und Reden, konfessionelle Polemik, allgemeine Zeitkritik, praktische Unterweisungen jeglicher Art und die nur zum Teil aktuellen Wunderzeichen.36

Gerade mit der Akzentsetzung auf den Einblattdruck als Gebrauchstyp von Literatur37 zeigt sich der Anschluss an die grundlegenden Überlegungen von Hugo Kuhn zur Kategorie der Gebrauchsfunktion mittelalterlicher Literatur.38 Etwa zeitgleich zu den Unterschungen von Müller, Brednich und Ecker erschienen die unterschiedlich akzentuierten Darstellungen von Hartmut

32 Brednich I 1974, S. 154, spricht von den „aktuellen Bewusstseinsinhalten“ in Anlehnung an die publizistikwissenschaftliche Arbeit von Kieslich 1958, S. 9, der wiederum die Theorie seines Lehrers Walter Hagemann aufgriff: Hagemann, Walter: Grundzüge der Publizistik. Münster i. W. 1947. 33 Brednich I 1974, S. 145. 34 Ecker 1981, S. 6f. Ecker führt an, dass an den vor allem von der Publizistikwissenschaft benutzten Flugblatt-Begriff bestimmte Bedeutungen (z. B. die Funktion der Agitation und Massenführung) geknüpft seien, die sie nicht von vornherein auf den Einblattdruck übertragen wolle. (Ebd., S. 7) 35 Ecker 1981, S. 132. 36 Ecker 1981, S. 251. 37 Ecker 1981, S. 126–132. 38 Vgl. z. B. Kuhn, Hugo: Versuch über das 15. Jahrhundert in der deutschen Literatur. In: Kuhn, Liebe und Gesellschaft. Hrsg. von Wolfgang Walliczek. Stuttgart 1980. (Kleine Schriften, Hugo Kuhn 3), S. 135–155. Siehe auch im Folgenden Kap. I.3.

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Beckers, Paul Gerhard Völker und Bernd Thum.39 Beckers bietet im dritten Teil seiner Bestandsaufnahme mittelniederdeutscher Literatur eine Gesamtschau zu den norddeutschen ereignisbezogenen Dichtungen40 und setzt die Akzente auf Stil-, Entstehungs- und Überlieferungsfragen. Völker hingegen befasst sich im Kern mit der Funktionsfrage und Zweckbestimmung der Textgruppe, deren Charakteristik er gerade darin sieht, dass sie keine eigenen Merkmale ausgebildet, sondern sich zum Zwecke politischer Agitation der Ausdrucksmittel synchroner Gattungen bedient hätte.41 Thum wiederum fasst politische Lieder und Sprüche mit „akueller Aussage und Intention“ als Formen der Reimpublizistik auf42 und fokussiert damit auf die kommunikative Funktion des Öffentlich-Machens. Im Zentrum seines Beitrags steht das Selbstverständnis der „professionellen nichtseßhaften Reimpublizisten“.43 Nach Beate Rattays rezeptionshistorischer Arbeit von 1986 kam es erst Ende der 1990er Jahre zu einer neuerlichen Verdichtung der germanistischen Forschungsbeiträge zu ereignisbezogenen Reimpaartexten und Liedern. Es erschienen ein Forschungsbericht von Matthias Nix, eine Überblicksdarstellung von Volker Honemann sowie eine Untersuchung zur Überlieferung ereignisbezogener

39 Beckers, Hartmut: Mittelniederdeutsche Literatur – Versuch einer Bestandsaufnahme. Teil III. In: Niederdeutsches Wort 19 (1979), S. 1–28; Völker 1981; Thum, Bernd: Der Reimpublizist im deutschen Spätmittelalter. Selbstverständnis und Selbstgefühl im Lichte von Status, Funktion und historischen Verhaltensformen. In: Lyrik des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts. Hrsg. von Franz Viktor Spechtler. Amsterdam 1984. (Chloe. Beihefte zu Daphnis 1), S. 309–378. 40 Zu ergänzen wären hier weitere kürzere Darstellungen in Literaturgeschichten regionalen Zuschnitts, etwa über die „politische Ereignisdichtung“ in Thüringen: Beck, Wolfgang: Deutsche Literatur des Mittelalters in Thüringen. Eine Überlieferungsgeschichte. Stuttgart 2017. (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Beihefte 26), hier S. 203–204; oder über „Historische Lieder“ im Rhein-Maas-Raum: Tervooren, Helmut: Van der Masen tot op den Rijn. Ein Handbuch zur Geschichte der mittelalterlichen volkssprachigen Literatur im Raum von Rhein und Maas. Unter Mitarbeit von Carola Kirschner und Johannes Spicker. Berlin 2006, hier S. 247– 251. 41 Völker 1981, S. 33: „Die Frage, ob das historische Volkslied überhaupt eine eigenständige literarische Gattung darstellt, da es über keine nur ihm eigenen Stil- und Ausdrucksmittel verfügt, ist deshalb leicht beantwortet: gerade die freie und, wenn man will, skrupellose Ausnutzung vorliegender Literatur kennzeichnet das Besondere an dieser literarischen Gattung.“ Ähnlich argumentiert Honemann 1997, S. 410: „Ebenso deutlich tritt die geringe Qualität der meisten Texte im stilistischen Bereich hervor. Als These läßt sich formulieren, daß die Lieder – mit wenigen, bezeichnenden Ausnahmen […] – eigene stilistische Traditionen nicht ausgebildet haben. […] Im übrigen bedient man sich einfacher, ererbter und zeitlos ‚gängiger‘ literarischer Muster.“ 42 Thum 1984, S. 310. 43 Thum 1984, S. 311, 315.

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Dichtung im 15. und 16. Jahrhundert von Frieder Schanze.44 Während Letzterer als erster auf die Überlieferungsfrage ereignisbezogener Dichtung abzielte,45 sind die folgenden zwei Arbeiten deshalb hervorzuheben, weil es sich bei ihnen um die ersten germanistischen Monographien handelt, welche die Gruppe ereignisbezogener Dichtung als Ganze in das Betrachtungszentrum rücken: Sonja Kerths Dissertation ‚Der landsfrid ist zerbrochen. Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jahrhunderts‘ sowie Karina Kellermanns Habilitationsschrift ‚Abschied vom ‚historischen Volkslied‘. Studien zu Funktion, Ästhetik und Publizität der Gattung historisch-politische Ereignisdichtung‘.46 Kerths Arbeit ist aus der Würzbürger Forschergruppe ‚Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit‘47 hervorgegangen. Sie untersucht über 650 Lieder und Reimpaartexte aus dem 13. Jahrhundert bis zum Jahr 1554, die sich auf Kriege im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit beziehen,48 und greift hierzu in erster Linie auf das Gesamtkorpus von Liliencron zurück.49 Mit dem Begriff ‚politische Ereignisdichtungen‘ akzentuiert sie zum einen die Ereignisbezüglichkeit, zum anderen aber auch die Zugehörigkeit zur Gruppe der politischen Dichtung. In Anlehnung an den Politik-Begriff Max

44 Nix 1996; Honemann 1997; Schanze 1999. 45 Vgl. im Folgenden Kap. I.1.2. 46 Kerth 1997; Kellermann 2000. – Danach sind erschienen: Kerth 2002; Beifuss, Helmut: Politische Lyrik – Dichter zwischen Propaganda und Selbstdarstellung. Die deutschsprachige Auseinandersetzung des 15. Jahrhunderts mit den Hussitenkriegen als Fallbeispiel. In: Böhmen als ein kulturelles Zentrum deutscher Literatur. Hrsg. von Petra Hörner. Frankfurt a. M. 2004. (Deutsche Literatur in Mittel- und Osteuropa. Mittelalter und Neuzeit 3), S. 63–107; Honemann, Volker: ‚Herzog Casimir von Pommern‘ und ‚Busse von Erxleben‘: Zwei politische Lieder des deutschen Spätmittelalters im Vergleich. In: Gattungen und Formen des europäischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Internationale Tagung vom 9. bis 12. Dezember 2001 in Münster. Hrsg. von Michael Zywietz / Volker Honemann / Christian Bettels. München / Berlin 2005. (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 8), S. 71–88; Fischer, Michael: Das historische Volkslied. Editions- und Forschungsgeschichte. In: Geschichtslyrik. Ein Kompendium. Hrsg. von Heinrich Detering / Peer Trilcke. Bd. 1. Göttingen 2013, S. 228–239; Kanz, Claudia: Also Hans Schneider gesprochen hat. Untersuchungen zur Ereignisdichtung des Spätmittelalters. Würzburg 2016. (Euros. Chemnitzer Arbeiten zur Literaturwissenschaft 8), vgl.  hierzu: Kellermann, Karina: Claudia Kanz: Also Hans Schneider gesprochen hat. Untersuchungen zur Ereignisdichtung des Spätmittelalters, Würzburg: Königshausen & Neumann 2016, 367 S., 35 Abb. (Euros. Chemnitzer Arbeiten zur Literaturwissenschaft 8). In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 140 (2018) Heft 4, S. 555–561. 47 Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 1994 bis 2000, Antragsteller und Sprecher war Horst Brunner (Würzburg). 48 Kerth 1997, S. 1f. 49 Kerth 1997, S. 1f.; dies. 2002, S. 37.

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Webers gehe sie von einem engeren Begriff politischer Dichtung aus, der die generelle politische Bedingtheit aller Literatur ausklammere:50 „Dichtung wird in dem Moment politisch, in dem sie auf die Macht- und Herrschaftsverhältnisse Einfluß zu nehmen versucht, sei es durch (häufig gefärbte) Information, durch tendenziöse Beeinflussung der Meinung einzelner oder der breiten Öffentlichkeit oder durch direkte Agitation (bis hin zur Handlungsaufforderung).“51 Weder der Begriff ‚politische Dichtung‘ noch der der ‚politischen Ereignisdichtung‘ bezeichneten nach Kerth literarische Gattungen. Der eine Begriff diene der Kennzeichnung einer spezifischen Verfasserintention,52 den anderen fasse sie im Anschluss an Hugo Kuhn als Funktionstyp auf.53 Das Ziel ihrer Arbeit besteht darin, „[d]ie Unterschiede zwischen dem Kriegsbild und der Realität sowie die Wirkung der Bilder auf die Wirklichkeit“54 herauszuarbeiten. Zugrunde gelegt wird der Bildbegriff von Ludwig Wittgenstein, „demzufolge Bilder reale Gegenstände niemals in ihrer Ganzheit und Tiefe abbilden können – sie ‚reichen‘ höchstens bis zur Wirklichkeit.“55 Das heiße für literarische (und sprachliche) Quellen, dass sie nicht die Realität des Krieges vermittelten. Die untersuchten Bilder seien vielmehr durch die Reflexion und Auseinandersetzung des Autors mit den wahrgenommenen Ereignissen bestimmt.56 Kerth gliedert das umfangreiche, in einem angefügten Register ausgewiesene Material nach sieben chronologisch gereihten Konfliktkonstellationen auf57 und untersucht in den Texten jeweils Eigen- und Fremdbilder sowie Argumentationsstrategien. Übergreifend befasst sie sich anschließend mit den Schlachtdarstellungen und unterscheidet zwischen höfischen (ritterlichen), allegorischen und metaphorischen sowie realistisch anmutenden Kampfdarstellungen,58 resümiert jedoch auch, dass die Kampfdarstellungen im Unterschied zu Flucht und Verfolgung der Gegner insgesamt wenig Raum in den Texten einnehmen würden. Zu dem gleichen Ergebnis kommt sie mit Blick auf die Thematisierung von Kriegs-

50 Kerth 1997, S. 3. 51 Kerth 1997, S. 3. 52 Kerth 1997, S. 3. 53 Kerth 1997, S. 4. 54 Kerth 1997, S. 2. 55 Kerth 1997, S. 2. 56 Kerth 1997, S. 2. 57 I. Stadt-Adels-Konflikte, II. Die eidgenössischen Kriege, III. Inneradlige Konflikte, IV. Die Hussitenkriege, V. Der Bauernkrieg, VI. Die Türkenkriege, VII. Konfessionelle Auseinandersetzungen am Beispiel des schmalkaldischen Krieges. 58 Kerth 1997, S. 225.

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folgen und Frieden in den Texten.59 In einem letzten Kapitel geht Kerth der Frage nach der Entstehung, Verbreitung und Wirkung der Ereignisdichtungen im Zusammenhang mit dem referenzierten politischen Vorfall nach. Sie weist die „Verflechtungen von Ereignisdichtungen und Höfen, Stadträten und Kanzleien“ nach und kommt zu dem Schluss, „daß es sich bei den Dichtungen nicht um direkte Äußerungen des Gemeinen Mannes handelt“,60 sondern meist um „Propagandaprodukte der politischen Führungsschicht“, doch wäre der Bevölkerung „eine gewichtige Rolle bei der Verbreitung der Lieder und Sprüche“ zugekommen. Auf Letzteres deuteten die in Quellen dokumentierten Strafandrohungen und Bestrafungen hin.61 In der Zusammenfassung akzentuiert Kerth diese Tatsache; hinsichtlich der Ausgangsfrage nach dem Bild des Krieges in den Ereignisdichtungen zieht sie ferner das Fazit, dass den meisten Liedern und Sprüchen des 13. bis 16. Jahrhunderts das gleiche Darstellungsschema zugrunde liegen würde: „Die eigene Partei ist gut, sie bewegt sich im Rahmen der weltlichen und göttlichen Legitimität, und darum muß sie siegen. Der Feind beugt das Recht und kränkt Gottes Willen, deshalb wird er am Ende unterliegen.“62 Einen Wandel in der Kriegsdarstellung erkenne sie vor allem in der verstärkten Aufmerksamkeit, die den armen Leuten im 16. Jahrhundert zuteil werde, sowie auch in der steigenden Bedeutung des Friedensgedankens.63 Das Erkenntnisinteresse Karina Kellermanns besteht darin, „die Gattung historisch-politische Ereignisdichtung für einen klar definierten Zeitraum zu beschreiben und das Lavieren um das ‚historische Volkslied‘ somit endlich zu beenden“.64 Es werde sich erweisen, so Kellermann weiter, dass präzise Merkmale inhaltlicher, überlieferungsgeschichtlicher, narrativer und intentionaler Art existieren, die hinreichen, eine eigene Textgruppe aus dem Feld der chronikalischen und politischen Dichtungen zu isolieren.65 Mit Wilhelm Voßkamp begreift Kellermann Gattungen als „literarisch-soziale Institutionen“66 und nach dem

59 Kerth 1997, S. 224. 60 Kerth 1997, S. 279. 61 Kerth 1997, S. 281. 62 Kerth 1997, S. 317. 63 Kerth 1997, S. 318. 64 Kellermann 2000, S. 31. – Kellermann greift hier Überlegungen auf, die sie schon zuvor in einem Aufsatz über zwei Reimreden zur Schlacht bei Göllheim formuliert hatte. Vgl. Kellermann, Karina: Die Fragmente zur Schlacht bei Göllheim. Frühe Zeugnisse historisch-politischer Ereignisdichtung. In: Euphorion 83 (1989), S. 98–129. 65 Kellermann 2000, S. 31. 66 Kellermann 2000, S. 36, mit Bezug auf: Voßkamp, Wilhelm: Gattungen als literarisch-soziale Institutionen. Zu Problemen sozial- und funktionsgeschichtlich orientierter Gattungstheorie

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Vorbild von Hanns Fischer und Klaus Grubmüller geht sie bei ihrer Gattungsbestimmung induktiv vor.67 Den Grundstock der Gattungsbeschreibung bildeten die zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt auftretenden formalen und inhaltlichen Merkmale, und die Erforschung der Gattungsfunktion erlaube es dann, den Bezug zwischen historischer Umgebung und poetischer Struktur zu benennen. In einem zweiten – entscheidenden – Schritt sei die Rezeptionssituation zu beachten, denn erst im Gebrauch konstituiere sich der Sinn eines Textes.68

Im Einzelnen umfasst Kellermanns Merkmalsraster die Komponenten Form, Inhalt, Struktur und Erzähltechnik, Intention und Funktion, mit deren heuristischer Instrumentalisierung sie zu folgender positiver Gattungsbestimmung für das Spätmittelalter bis zum Jahr 1517 gelangt:69 Die Form der historisch-politischen Ereignisdichtung sei unspezifisch, es kämen sowohl strophische als auch Reimpaardichtungen im Korpus vor; inhaltlich sei der Bezug auf ein politisches Ereignis konstitutiv; strukturell kennzeichne die Texte der reihende Bericht sowie die szenische Gestaltung, wohingegen räsonierende Rekurse auf ein allgemeinverbindliches Interesse marginal seien und nur im Zuge der Legitimationsstrategie vorkämen;70 in Hinsicht auf die Erzähltechnik sei für die Gattungsvertreter eine Erzählerrolle zentral, die sich explizit, aktuell und parteilich zum thematisierten politischen Vorfall äußere und dies in Anwendung diverser Beglaubigungsmittel tue, indem sie sich als Teilnehmer gebärde oder Formeln der Augen- und Ohrenzeugenschaft einsetze.71 In summa kennzeichne die Gattungsvertreter damit der

und -historie. In: Textsortenlehre – Gattungsgeschichte. Hrsg. von Walter Hinck. Heidelberg 1977. (medium literatur 4), S. 27–42. 67 Kellermann 2000, S. 43, im Rückgriff auf: Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung. Tübingen 1968. 2. Aufl. besorgt von Johannes Janota. Tübingen 1983; Grubmüller, Klaus: Deutsche Tierschwänke im 13. Jahrhundert. Ansätze zur Typenbildung in der Tradition des ‚Reinhart Fuchs‘? In: Werk – Typ – Situation. Studien zu poetologischen Bedingungen in der älteren deutschen Literatur. Hugo Kuhn zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Ingeborg Glier. Stuttgart 1969, S. 99–117; ders.: Meister Esopus. Untersuchungen zu Geschichte und Funktion der Fabel im Mittelalter. München 1977. (MTU 56); ders.: Zur Pragmatik der Fabel. Der Situationsbezug als Gattungsmerkmal. In: Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg vom 1.–4. April 1979. Hrsg. vom Vorstand der Vereinigung der deutschen Hochschulgermanisten. Berlin 1983, S. 473–488; Dicke, Gerd / Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Ein Katalog der deutschen Versionen und ihrer lateinischen Entsprechungen. München 1987. (Münstersche Mittelalter-Schriften 60). 68 Kellermann 2000, S. 43, die hier Grubmüller 1983, S. 487, zitiert. 69 Kellermann 2000, S. 49. Zur zeitlichen Begrenzung bis 1517 vgl. ebd., S. 57. 70 Kellermann 2000, S. 50. 71 Kellermann 2000, S. 50f.

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„Gestus der Ereignisnähe“, wobei „Ereignisnähe als literarischer Begriff im Sinne von inszenierter Ereignisnähe, die auch fiktiv sein kann, zu bestimmen ist“.72 In intentionaler und funktionaler Perspektive deute die Erzähltechnik auf eine politische Wirkungsentfaltung der Ereignisdichtungen hin: „Die Wirkungsabsicht der historisch-politischen Ereignisdichtung ist politisch appellativ, parteilich und spontan; das Publikum wird zu haßerfüllter Antipathie oder begeisterter Sympathie animiert.“73 Mit dem Merkmal der inszenierten Ereignisnähe geht Kellermann zum einen weit über das für die Textgruppe bislang formulierte Aktualitätsmerkmal hinaus und fokussiert auf das generelle Verhältnis der Äußerungsinstanz zum Geschehen, das nicht allein zeitlich, sondern auch räumlich und emotional konturiert sein kann und nicht zuletzt auch die Positionierung des Sprechers zu den Konfliktparteien einschließt. Zum anderen trägt sie mit dem besagten Charakteristikum dem Umstand Rechnung, dass die Überlieferungsbefunde häufig keine ereignissynchrone oder ereignisnahe Entstehung und Verbreitung der Ereignisdichtungen dokumentieren, weswegen zunächst von einer literarisierten Ereignisnähe auszugehen ist, will man die betreffenden Texte nicht überlieferungsbedingt von vornherein aus der Gattung ausschließen.74 Folglich zieht Kellermann die Möglichkeit in Betracht, dass mit den spät überlieferten Gattungsvertretern auch nachträglich produzierte ereignisbezogene Dichtungen vorliegen können, die dennoch Ereignisnähe suggerierten, welche dann aber nicht authentisch, sondern fingiert sei. Die induktiv gewonnene Gattungsdeskription, die Kellermann in dem Grundlagen-Kapitel B darlegt, dort ergänzt um eine Definition der Gattungsgrenzen und eine Dokumentation der Gattungsvertreter, wird anschließend auf zwei Wegen fundiert: zum einen in Kapitel C durch die exemplarische Analyse der Ereignisdichtungen, die sich auf den Markgrafenkrieg (1449–1453) beziehen, zum anderen in den Kapiteln D bis F, in denen „die systematische[n] Vorarbeiten und Resultate der exemplarischen Analyse verbunden und um Beobachtungen, die sich dem gesamten Bereich der historisch-politischen Ereignisdichtung verdanken, ergänzt [werden]“75. In der exemplarischen Analyse schließt sie einerseits an Beiträge von Hanns Fischer, Max Wehrli und Erich Straßner an,76 in denen einzelne Ereignisdichtungen vor dem Hintergrund des referenzierten politischen Ereignis-

72 Kellermann 2000, S. 51. 73 Kellermann 2000, S. 53. 74 Kellermann 2000, S. 50f., Anm. 84 und 85. 75 Kellermann 2000, S. 33. 76 Fischer 1968; Wehrli 1959; Straßner 1970. Zu weiteren vgl. Kellermann 2000, S. 33.

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ses erschlossen und interpretiert werden. Andererseits ergänzt sie die historische Perspektivierung um eine literarische Komponente, die im Grunde auf die Ausgestaltung der Sprecherrolle bezüglich der Gattungskonstituenten ‚Ereignisnähe‘ und ‚Parteilichkeit‘ abhebt. Schließlich bietet Kellermann in Kapitel C eine Neuedition und Übersetzung des Markgrafenkrieg-Korpus‘ sowie eine Dokumentation der Überlieferungsverhältnisse. Kapitel D nähert sich der Gattung funktionsgeschichtlich an und wertet textinterne und -externe Indizien auf Autoren, Publikum, Rezeption sowie Wirkungsintentionen aus. Letztere bewegten sich zwischen pragmatischen Anliegen wie Didaxe und Paränese, Ereignisdokumentation und politischer Funktion, und unterhaltenden Wirkungsmöglichkeiten in geselligen Gebrauchskontexten.77 In Kapitel E buchstabiert Kellermann die Gattungskonstituenten ‚Wahrheitsanspruch‘ und ‚inszenierte Ereignisnähe‘ aus. Sie verortet die historisch-politischen Ereignisdichtungen „im Grenzrain von res factae zu res fictae“78 und legt u. a. detailliert dar, inwiefern sich die Texte argumentativer Strategien der Chronistik bedienen, um ihrer Aussage Authentizität zu verleihen.79 Die inszenierte Ereignisnähe beschreibt Kellermann als „ein mit literarischen Mitteln erreichter Effekt, der in den Bereich der Fiktion fällt und prinzipiell zu trennen ist von der faktischen Ereignisnähe als minimaler zeitlicher Distanz zwischen Vorfall und Dichtung“. Grundsätzlich geht sie aufgrund von „temporär begrenzten Sachinformationen, expliziten Zeitangaben und Überlieferungsbefunden“ jedoch davon aus, „[d]aß in der Gattungsgeschichte fiktive und faktische Nähe zum Geschehen nicht allzuoft divergieren“, zudem sei „die Koinzidenz von inszenierter und tatsächlicher Ereignisnähe“ letzthin nicht relevant für die Ästhetik der Gattungsvertreter und könne deshalb vernachlässigt werden.80 Zu den besagten literarischen Mitteln zählt sie das Neuigkeitssignal am Texteingang, unvollständige Zeitangaben, die eine gewisse Publikumskenntnis voraussetzten, Detailkenntnisse über Ablauf und Schauplatz des Vorfalls sowie den Gestus des unabgeschlossenen Berichts.81 Kellermanns Überlegungen münden schließlich ein in Kapitel F, in dem sie anhand von Beispielen, darunter wiederum die Textgruppe um den Markgrafenkrieg, der Publizität der Gattung nachspürt, das heißt den textinternen Reflexen eines Verfasserbewusstseins von Öffentlichkeit und einer Verfasserintention des

77 Kellermann 2000, S. 267–282. 78 Kellermann 2000, S. 287. 79 Kellermann 2000, S. 287–294. 80 Kellermann 2000, S. 319. 81 Kellermann 2000, S. 323–328.

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Öffentlich-Machens.82 Ihre Betrachtungen setzen den Begriff einer okkasionellen Öffentlichkeit voraus: „In Abhängigkeit von Autor, Thema, Zeitpunkt, Ort und Publikationsmedium konstituiert sich ein bestimmtes Publikum als situative Öffentlichkeit. Diese wechselnden Öffentlichkeiten ergeben sich nicht zufällig, sondern sind Resultat spezifischer Gruppenidentitäten, deren Ausbildung die politischen Dichtungen befördern.“83 Bezüglich der anvisierten potentiellen Öffentlichkeiten verweist Kellermann auf die Aussagekraft der unterschiedlichen Verhältnisse von Exemplarik und Lokalkolorit: „[D]ie Kumulation von regionalen Details kann derart forciert werden, daß nur noch eine räumlich sehr begrenzte Rezeptionsgemeinschaft für die Dichtung in Frage kommt. Aber auch das Gegenteil, ein potentiell breites Publikum, ist aufgrund der Textbefunde zu antizipieren, wenn zum Beispiel die Polemik gedämpft ist und die Exemplarik dominiert.“84 Sie resümiert: „Die Erkenntnis, daß gerade diese Gattung aufgrund ihrer politischen Thematik und erstrebten Aktualität in auffälliger Weise auf Publizität angelegt ist, läßt sich bei Durchsicht des gesamten Textcorpus erhärten.“85 In der Gesamtschau zeigen sich drei methodische Herangehensweisen an die ereignisbezogene Dichtung, die das Forschungsparadigma bislang prägen: die Charakterisierung der Textgruppe in Hinsicht auf die Ausdrucksgegebenheiten einer aktuellen politischen Wirkungsintention, ihre funktionsgeschichtliche Standortbestimmung mit den Koordinaten ‚Autoren‘, ‚Auftraggeber‘, ‚Publikum‘, ‚Produktion‘, ‚Verbreitung‘ und ‚Wirkungsentfaltung‘, die sowohl textinterne als auch textexterne sekundäre Zeugnisse einbezieht (darunter auch Überlieferungsbefunde), sowie die von Liliencron initiierte und von Fischer ausgearbeitete und bis in die Gegenwart angewandte philologisch-historische Interpretation von Einzeltexten vor dem Hintergrund des referenzierten politischen Vorfalls. Zumeist werden diese Ansätze miteinander kombiniert. Insgesamt zeigt sich seit den anthologischen Unternehmungen im 19. Jahrhundert in der Forschung eine Darstellungslogik, im Zuge derer die Ereignisdichtungen stets auf die von ihnen thematisierten politischen Vorfälle bezogen werden:86 In den Anthologien wird das Material ereignischronologisch präsentiert und in den Einzelstudien bemessen sich die Untersuchungszeiträume an der Datierung der Ereignisse, auf die sich die Texte beziehen. Damit wird letzten

82 Kellermann 2000, S. 353–360. 83 Kellermann 2000, S. 334. – Diesen Begriff von ‚Öffentlichkeit‘ legt auch Thum 1984, S. 314, zugrunde. 84 Kellermann 2000, S. 337. 85 Kellermann 2000, S. 360. 86 Zu einem ähnlichen Schluss gelangt Rattay 1986, S. 17.

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Endes nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als dass die Forschung grundsätzlich von einer Entstehung der Texte zum Zeitpunkt der referenzierten Ereignisse ausgeht.87 Fluchtpunkt der Forschung ist demnach bislang ganz überwiegend die Ereignisdichtung als Zeitdokument des Ereignisses, auf das sie sich bezieht.88 Doch zeigt sich an diesem Punkt ein methodisches Dilemma, denn nicht für alle Texte ist die ereignissynchrone oder ereignisnahe Zirkulation in den Überlieferungsbefunden dokumentiert. Dieser Umstand ist durchaus bekannt in der Forschung, so dass die Entstehungszeit einzelner Lieder heute nicht mehr ohne weiteres mit ihrem Ereignisbezug synchronisiert wird.89 Karina Kellermann geht in der Weise mit den Überlieferungsgegebenheiten um, dass sie statt von einem faktischen aktuellen Bezug der Ereignisdichtungen auf das politische Geschehen von inszenierter Ereignisnähe spricht und Aktualität zunächst als literarische Qualität begreift, die mit poetischen Mitteln erzeugt wird und fiktiv sein kann. So gelingt es ihr, auch jene Ereignisdichtungen in ihre Untersuchung und die Gattung ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘ einzubeziehen, die lediglich in Zeugnissen der Spätrezeption tradiert werden.90 Letztlich nimmt jedoch auch sie

87 Auszunehmen hiervon sind die ältere eidgenössisch orientierte Forschung, die rezeptionshistorisch orientierte Arbeit von Rattay sowie auch der Beitrag von Schanze zur Überlieferungsgeschichte der Textgruppe. – Dass die genannten Ansätze in der eidgenössischen Forschung nicht oder zumindest verhaltener in Anwendung gebracht wurden, ist m. E. auf das von Anfang an bekannte und thematisierte Phänomen zurück zu führen, dass die eidgenössischen Ereignisdichtungen zuhauf in Zeugen der Spätüberlieferung vorliegen, zumeist in den Chroniken und Drucken des 16. Jahrhunderts, und dass es sich in vielen Fällen nicht um ereignissynchron, sondern retrospektiv entstandene Texte handelt. Für das Glarner Lied auf die Schlacht bei Näfels (1388) nahm Wehrli eine Entstehung zwischen 1433 und 1438 an, die älteste Aufzeichnung stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Wehrli konstatiert, „[d]aß das Lied kein ‚echtes‘ historisches Volkslied im Sinne eines gleich nach der Schlacht entstandenen Siegesliedes ist“. (Wehrli 1959, S. 210) 88 Dies beobachtete auch Schanze 1999, S. 303. 89 Vgl. die Ausführungen von Schröder, Edward: Zur Kritik der ältesten historischen Volkslieder in niederdeutscher Sprache. In: NdJb 54 (1928), S. 1–14, zu den niederdeutschen Stücken Lil. 9 (Die Schlacht am Kremmer Damm 1329), Lil. 16 (Brand im Kloster Catlenburg 1346), Lil. 24 (Tod des Raubritters Busse von Erxleben 1372). Zu Schröders Befunden konstatiert Beckers 1979, S. 23: „Nach solchen Erfahrungen dürfte in der Tat stets dann, wenn zwischen der Zeit des in einem Lied behandelten historischen Ereignisses und seiner textlichen Überlieferung eine größere Lücke klafft, Vorsicht hinsichtlich der Bewertung als Zeitlied geboten sein.“ Zu Lil. 24 siehe auch Honemann 1997, S. 400; ders. 2005. Auf die späte Entstehung der eidgenössischen Lieder Lil. 13 und Lil. 34 verweist Nix 1996, S. 130. 90 Vgl. Kellermann 2000, S. 50f., Anm. 84f.

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eine primäre synchrone Entstehung und Wirkungsentfaltung für die meisten Gattungsvertreter an.91 Der merkliche Rekurs auf die ereignisunmittelbare politische Wirkungsabsicht, die sich im Übrigen auch an der Präferenz des Attributes ‚politisch‘ und an der ablehnenden Haltung gegenüber der Kennzeichnung ‚historisch‘ zeigt,92 ist m. E. ursächlich für die vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit für Phänomene der Spätrezeption und sekundären Gebrauchsfunktion der Ereignisdichtungen sowie letztlich auch für eine auf Binnenkonsolidierung angelegte Beschreibungsstrategie, welche das Merkmalsbündel akzentuiert, in dem sich übereinstimmend die politische Zweckbindung der Ereignisdichtungen artikuliert (Ereignisbezug, Aktualität, Parteinahme, Authentifizierung). Dies ist nachvollziehbar in dem Bestreben, eine Textgruppe aus dem Spektrum der spätmittelalterlichen Literatur zu isolieren, um ihr zu einer größeren Präsenz zu verhelfen und sie einer gesonderten Betrachtung zuzuführen. Doch hat diese Vorgehensweise auch mit sich gebracht, dass Gattungstraditionen, die zweifelsohne in die Gruppe der ereignisbezogenen Lieder und Reimpaardichtungen hineinwirken und Binnengruppen konstituieren, noch nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, es sei denn, dass es um die Abgrenzung der politischen Ereignisdichtungen von gleichzeiti-

91 Kellermann 2000, S. 271. Vgl. auch Kellermann 2001, S. 393. 92 Vgl. Nix 1996, S. 148. Kritik am Attribut ‚historisch‘ im Gattungsterm von Kellermann üben Kerth 2001, S. 398, und v. a. Honemann 2005, S. 72, der den Begriffsvorschlag Kellermanns als „Rückschritt“ bezeichnet. „Der Begriff des ‚historischen‘ scheint hier letztlich redundant bzw. falsch, weil die Dichtungen in aller Regel Gegenwarts-, ja Tagesereignisse behandeln.“ (Honemann 2005, S. 72) Ähnlich Tervooren 2006, S. 247, mit dem Hinweis, dass „es sich in der Regel um Texte [handelt], die eben nicht die Darstellung früherer Ereignisse zum Inhalt haben, sondern eher aktuelle politische Begebenheiten mit dem Ziel aufgreifen, Partei zu ergreifen und das Publikum zu beeinflussen“. – In der literaturhistorischen Betrachtung werden die ereignisbezogenen Dichtungen sowohl zur Geschichtsdichtung und Geschichtslyrik als auch zur politischen Dichtung und politischen Lyrik gezählt. Vgl. Fasbender, Christoph: Geschichtsdichtung. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter. Autoren und Werke nach Themenkreisen und Gattungen. Hrsg. von Wolfgang Achnitz. Bd. 3: Reiseberichte und Geschichtsdichtung. Mit einführenden Essays von Gerhard Wolf und Christoph Fasbender. Berlin / Boston 2012(a), S. XXIX– XLIII; Detering, Heinrich / Trilcke, Peer (Hrsg.): Geschichtslyrik. Ein Kompendium. 2 Bde. Göttingen 2013, darin der Beitrag Fischer 2013; Mohr, Wolfgang / Kohlschmidt, Werner: Politische Dichtung. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Begründet von Paul Merker und Wolfgang Stammler. 2. Aufl. Hrsg. von Werner Kohlschmidt u. a. Bd. 3. Berlin / New York 1977, S.  157–220, bes. S.  184–187; Müller, Ulrich: Mittelalter. In: Geschichte der politischen Lyrik in Deutschland. Hrsg. von Walter Hinderer. 2. Aufl. Würzburg 2007, S. 47–74.

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gen Gattungen ging.93 Sowohl die Frage nach Verbreitung und Überlieferung als auch das Problem der Binnendifferenzierung – mit Blick auf die Haltung der Forschung zur formalen Disparität der aus strophischen und Reimpaartexten bestehenden Textgruppe – sollen deshalb nachfolgend vertieft werden.

1.2 Verbreitung und Überlieferung Die Frage nach den schriftgestützten Verbreitungs- und Überlieferungsweisen der ereignisbezogenen Dichtung beantwortet die Forschung mit der Akzentsetzung auf v. a. zwei Formen – den aktuellen Ein- oder Mehrblattdruck und die zeitnahe oder spätere Aufnahme in handschriftliche Chroniken.94 Die Aussagen zur Überlieferung stützen sich teils auf die von Rochus von Liliencron zusammengetragenen Daten,95 teils sind sie das Ergebnis speziell mit der Materialität und Tradierung ereignisbezogener Dichtung befasster Arbeiten. Zu nennen sind hier vor allem die Untersuchungen von Rolf Wilhelm Brednich und Gisela Ecker zu den Lied- bzw. literarischen Gattungen im typographischen Einblattdruck, von Beate Rattay zur Rezeption der eidgenössischen Ereignisdichtungen durch Aegidius Tschudi im ‚Chronicon Helveticum‘, von Frieder Schanze zu den Überlieferungsformen ereignisbezogener Dichtung am Beispiel von zwei politischen Auseinandersetzungen des 15. Jahrhunderts und schließlich von Karina Kellermann, die im Zuge der Beschäftigung mit den Konstituenten der Gattung ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘ auch die Grundzüge der Überlieferung der Textgruppe skizziert.96 Diese Arbeiten werden im Folgenden für den Stand der Forschung zur Überlieferung ereignisbezogener Dichtung ausgewertet.97

93 Vgl. Kerth 1997, S. 5f.; Kellermann 2000, S. 83–104. 94 Soltau 1836, S. V–VII; Liliencron I 1865, S. V; Beckers 1979, S. 24; Völker 1981, S. 14, 27; Rattay 1986, S. 2; Honemann 1997, S. 404; ders. 2005, S. 74; Kellermann 2000, S. 5; Kerth 2002, S. 38; Müller 1974, S. 477; Cramer, Thomas: Geschichte der deutschen Literatur im späten Mittelalter. 3., aktualisierte Aufl. München 2000, S. 323; Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Überblick. Erweiterte und bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart 2010, S. 318. 95 Siehe: Honemann 1997, S. 403 (Anm. 16); Kerth 1997, S. 4; auch: Honemann, Volker / Griese, Sabine / Eisermann, Falk: Zu Wesen und Bedeutung des textierten Einblattdrucks im 15. und frühen 16. Jahrhundert. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im Mittelalter. Erfassen, Bewahren, Verändern. Hrsg. von Hagen Keller / Christel Meier / Thomas Scharff. München 1999. (Münstersche Mittelalter-Schriften 76), S. 333–348, hier S. 344, Anm. 42. 96 Brednich I 1974; Ecker 1981; Rattay 1986; Schanze 1999; Kellermann 2000. 97 Neben diesen Arbeiten bieten Darstellungen, die sich der Beschreibung bzw. Untersuchung der gesamten Textgruppe widmen, Angaben zur Überlieferung, die an entsprechender Stelle

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Übereinstimmend wird dem aktuellen Druck infolge des Interesses an der ereignisunmittelbaren politischen Wirkungsentfaltung der Texte gegenüber der ereignisnahen oder späteren Chronikhandschrift stets die größere Bedeutung beigemessen. Nach der Einführung und Etablierung des Typendrucks – darin ist sich die Forschung einig – sei der Druck zum Hauptmedium der Textgruppe avanciert.98 Die Überlieferungsformen werden in Hinsicht auf die gesamte Textgruppe demnach in ein zeitliches Nacheinander gesetzt und mit der mediengeschichtlichen Denkfigur, dass auf das Manuskriptzeitalter das Zeitalter des Buchdrucks folgte,99 parallelisiert: Vor der Einführung des Typendrucks – im 14. und 15. Jahrhundert – seien die Ereignisdichtungen in Handschriften aufgezeichnet worden, nach der Einführung des Typendrucks – spätestens seit dem 16. Jahrhundert – dann zusehends zeitgleich oder zeitnah zum thematisierten Vorfall im Druckmedium publiziert worden. Seit Langem schon genießt die Drucküberlieferung ereignisbezogener Dichtung gegenüber der Handschrift infolge der historisch ausgerichteten Zeitungswissenschaft die größere Aufmerksamkeit, die in den frühen Einblattdrucken die Vorläufer der modernen Zeitung sah.100 Überdies haben die großangelegten Kataloge, retrospektiven Nationalbibliographien und Digitalisierungsprojekte101 sowie auch das generelle medienhistorische Interesse am Buchdruck mit beweg-

vermerkt werden (Thum 1984; Honemann 1997; Kerth 1997). Darüber hinaus wird die Überlieferung in Beiträgen zu einzelnen Texten berücksichtigt, dort aber nicht auf die Tradierungsfrage der gesamten Textgruppe bezogen. Zu nennen sind hier vor allem die zahlreichen Artikel in der zweiten Auflage des Verfasserlexikons sowie auch diverse Aufsätze in historischen und philologischen Fachzeitschriften. Hervorzuheben für die Überlieferungsfrage z. B. Blume, Herbert: Hermann Botes Ludeke-Holland-Lieder und ihre Überlieferung. In: Braunschweigisches Jahrbuch 66 (1985), S. 57–77. 98 Brednich I 1974, S. 136; Honemann 1997, S. 403; Kerth 1997, S. 4; dies. 2002, S. 38; Schanze 1999, S. 328; Kellermann 2000, S. 265. 99 Vgl. z. B. den Titel von Wenzel, Horst: Mediengeschichte vor und nach Gutenberg. 2., durchgesehene  Aufl.  Darmstadt 2008, darin Überschrift zu Kap.  II: „Von der Manuskriptkultur zum Buchdruck“. Über dieses Problem vgl. den kritischen Überblick von Mentzel-Reuters, Arno: Das Nebeneinander von Handschrift und Buchdruck im 15. und 16. Jahrhundert. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Bd.  1: Theorie und Forschung. Berlin 2013, S. 411–442. 100 Vor allem Roth, Paul: Die neuen Zeitungen in Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert. Leipzig 1914, S. 37–52. Vgl. den Forschungsüberblick bei Kieslich 1958; Brednich I 1974, S. 138f.; Ecker 1981, S. 6; Wilke, Jürgen: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Weimar / Wien 2000, S. 20–30 (Flugblatt, Neue Zeitung und Flugschrift), S. 18–19 (Brief und Zeitung). Zum Begriff ‚Neue Zeitung‘ siehe Kap. II.2.1.2. 101 Siehe hierzu den Überblick bei Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 333. Zur Digitalisierung vgl.  bes. Stäcker, Thomas: Digitalisierung buchhistorischer Quellen, Fachportale und

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lichen Lettern aus der Perspektive des gegenwärtigen Medienwandels102 dem gedruckten Medium auch abseits der hier in Rede stehenden Textgruppe eine Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit in Forschung und Wissenschaft verschafft, die der Handschrift der Frühen Neuzeit in diesem Ausmaß nie zuteil geworden ist.103 Hierzu bemerkt Arno Mentzel-Reuters, es bleibe bemerkenswert, wie die Forschung fast überall die Handschriftenproduktion aus dem Blick verliere, sobald die Etablierung des Buchdrucks als vollzogen angesehen werde, obgleich sie quantitativ kontinuierlich mindestens bis ins 20. Jahrhundert hinein ansteige.104 Diesen Umstand führt er auch auf den Erschließungsstand im Bereich der frühneuzeitlichen Handschriften zurück und konstatiert in zugespitzter Weise: Anders als die Druckwerke dieser Zeit, an deren Erschließung mit viel Liebe und Akribie seit hundert Jahren gearbeitet wird, sind die Handschriften nach 1450 nicht adäquat erschlossen. Gänzlich unbekannt, ja verachtet, sind die ‚frühneuzeitlichen Buchhandschriften‘ nach 1525. Die Richtlinien Handschriftenkatalogisierung der DFG würdigen sie zu Nachlassmaterialien herab.105

Wenngleich man nachvollziehbare Gründe für die Förderpolitik der DFG im Bereich der Katalogisierung frühneuzeitlicher Handschriften einräumen muss – wie etwa die exponentiell ansteigende Masse an Manuskripten in der Frühen Neuzeit – ist Mentzel-Reuters Kritik nicht von der Hand zu weisen. Gerade in Bezug auf die neuzeitliche Buchhandschrift als Träger der regionalen Geschichtsschreibung, die für die Tradierung der Ereignisdichtungen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, verblüfft diese Situation angesichts der Tatsache, „dass regionale oder gar lokale Historiographie bis ins 19., ja 20. Jahrhundert hinein eine handschriftliche Domäne blieb“.106

buchhistorische Forschung jenseits der Gutenberggalaxis. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Berlin / Boston 2013, S. 711–733. 102 Mentzel-Reuters 2013, S. 418. – Ein kultur- und medienhistorisch ausgerichtetes Interesse am Schreiben mit der Hand und der Handschrift dokumentieren die Bände in der Tübinger Reihe ‚ScriptOralia‘ sowie zuletzt das 85. Heft der OBST aus dem Jahr 2014. 103 In der Literaturhistoriographie spiegelt sich die Aufmerksamkeit für das Druckmedium nicht in gleicher Weise wider, wie Derendorf, Brigitte: Über den Stellenwert der Frühdrucke in der niederdeutschen Literaturgeschichtsschreibung. In: Niederdeutsches Wort 28 (1988), S. 11– 23, an Beispielen aus der mittelniederdeutschen Literatur zeigt. 104 Mentzel-Reuters 2013, S. 431. 105 Mentzel-Reuters 2013, S. 432. 106 Mentzel-Reuters 2013, S. 433.

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Zweifelsohne kommt dem Druck als Medium ereignisbezogener Dichtung große Bedeutung zu. Vor allem Rolf Wilhelm Brednich von volkskundlicher und Gisela Ecker von altgermanistischer Seite haben dies in ihren Untersuchungen gezeigt. Brednich bezeichnet mit dem Terminus ‚Liedflugblatt‘ „ein Lied auf einem Einzelblatt (Einblattdruck), unabhängig von Größe, Anordnung des Textes und graphischer Ausstattung des Blattes“.107 Dieses Medium tritt zuerst seit etwa 1480 auf, nachdem bereits mehr als zwei Dezennien zuvor die ersten typographischen Einblattdrucke entstanden waren108 und noch bevor die mehrblättrigen Lieddrucke (Liederhefte) aufkamen. Es wird bis ca. 1530 in großer Menge produziert und in Umlauf gebracht, um in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schließlich nur noch vereinzelt beobachtet werden zu können, wohingegen das gedruckte Liederheft in dieser Zeit an Popularität gewonnen habe.109 Brednich stellt darüber hinaus fest, dass die Liedeinblattdrucke zwischen 1490 und 1530 „fast ausschließlich Erstbelege“ und zu einem beträchtlichen Anteil unikale Liedüberlieferungen dokumentierten.110 Mehr als die Hälfte der Einblattdrucke mit ereignisbezogenen Liedern trügen fernerhin lediglich den Liedtext und verzichteten auf bildliche Ausstattungselemente.111 Unter den verbleibenden dominierten zwei Bildmotive: die Schlachtenszene und die Stadtbelagerung.112 Ob die Schlachtdarstellungen „vom Aufeinanderprallen zweier feindlicher Heeresspitzen zunächst stark darum bemüht sind, der Realität der jeweiligen historischen Situation auf dem Kriegsschauplatz gerecht zu werden“,113 bliebe allerdings zu überprüfen.114 Ecker fragt in ihrer Untersuchung nach dem Wechselverhältnis zwischen besagtem Medium und den gleichzeitigen literarischen Gattungen. Im Einzelnen interessiert sie sich „für die Fragen, welche Publikumsinteressen die Selektion zeitgenössischer literarischer Gattungen für die Publikation auf Einzelblättern bestimmten und wie die Aufnahme von gattungsmäßig vorstrukturierten Texten

107 Brednich I 1974, S. 18. Gegen den Begriff ‚Einblattdruck‘ habe er sich entschieden, weil die deutsche Kunstgeschichte mit diesem Begriff im engeren Sinne den Einblattholzschnitt des 15. und 16. Jahrhunderts bezeichnete. (Ebd., S. 19) 108 Vgl. hierzu Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 337. 109 Brednich I 1974, S. 19f. 110 Brednich I 1974, S. 21. 111 Brednich I 1974, S. 153. 112 Brednich I 1974, S. 150. 113 Brednich I 1974, S. 150. 114 Wie bei der Darstellung des Krieges in den Liedern und Reimpaardichtungen, die immer wieder auf ganz bestimmte Muster zurückgreifen (vgl. hierzu Kerth 1997; dies. 2002), stellt sich auch für die Bilddarstellung die Frage nach Motivtraditionen.

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in ein Medium, das ganz bestimmten Bedingungen unterworfen war, die Texte selbst prägte und zur Herausbildung neuer Gattungen beitrug“.115 Ihre Antwort darauf umfasst vier Möglichkeiten der Einflussnahme des Einblattdruckes auf die literarische Schriftlichkeit: erstens die Herauslösung von Texten aus anderen, vornehmlich mündlichen, Gebrauchszusammenhängen, zweitens die quantitative Zunahme von Vertretern bestimmter Gattungen, drittens „Gattungsumprägungen im Gefolge der Reformation“ und viertens die Neuformierung von Gattungen im Druckmedium.116 Die ereignisbezogenen Lieder und Reimpaartexte seien nach Ecker von der ersten und zweiten Folge betroffen: Danach gehörten sie zu den „Textgattungen, die von einer bestimmten Zeit an nicht mehr allein für die mündliche Vermittlung konzipiert wurden, sondern auch für die schriftliche“,117 nachdem die Drucktechnik soweit war, dass Texte aktuell und in hoher Stückzahl publiziert und verbreitet werden konnten.118 Die Reproduktionsbedingungen der neuen Technik ‚typographischer Einblattdruck‘ waren nach Ecker notwendige Voraussetzungen für den allmählichen Wechsel der Textgruppe von der Mündlichkeit in die gedruckte Schriftlichkeit, denn diese bedurfte aufgrund ihrer politischen Wirkungsintention der zügigen und weiten Verbreitung.119 Die älteren Techniken des Holz- und Metallschnitts leisteten dies nicht.120 „Erst indem die Möglichkeit gegeben war, aktuelle Texte, die an Wert verlieren, wenn sie verzögert an ein Publikum weitergegeben werden, sofort in schriftlicher Form zu verbreiten, konnten diese Gattungen prinzipiell und in großer Anzahl aus ihrer mündlichen Existenzweise heraustreten.“121 Der Wechsel sei jedoch nicht abrupt erfolgt, was sich u. a. an der Beibehaltung „typischer Strukturen mündlicher Literatur“ im Druck zeige.122 Doch allmählich hätten sich der Mehrblattdruck sowie auch der Einblattdruck als „hauptsächliche Publikationsform“ zumindest der ereignisbezogenen politischen Lieder durchgesetzt.123 Gleichzeitig seien bedingt durch die neuen technischen Möglichkeiten und die politische Situation „die schriftliche Überlieferung und mit größter Wahrscheinlichkeit auch die Neuproduktion [der Lieder] rapide an[gestiegen]“.124

115 Ecker 1981, S. 1. 116 Ecker 1981, S. 136. 117 Ecker 1981, S. 54. 118 Ecker 1981, S. 54. 119 Ecker 1981, S. 54. 120 Vgl. Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 337. 121 Ecker 1981, S. 52. 122 Ecker 1981, S. 55. 123 Ecker 1981, S. 211. Eine entsprechende Angabe zu den Reimpaartexten macht Ecker nicht. 124 Ecker 1981, S. 211.

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Beate Rattay hat die Frage aufgeworfen, was Lieder, die die ehemalige Aktualität und propagandistische Absicht nicht leugnen, noch in einem historischen Abstand von 100 Jahren und mehr interessant machte.125 Deshalb befasst sie sich mit der Form der Spätüberlieferung ereignisbezogener Lieder und Reimpaartexte im historiographischen Kontext. Aus den Überlieferungsbefunden der eidgenössischen Ereignisdichtungen hat sie ein mehrstufiges Rezeptionsmodell abstrahiert: a) die Entstehungszeit der Texte, b) die erste Rezeptionsphase in den Chroniken des 15. Jahrhunderts, c) die zweite Rezeptionsphase in den Chroniken des 16. Jahrhunderts, die u. a. durch die Chronik von Tschudi repräsentiert wird, d) die dritte Rezeptionsphase der kritischen Ausgaben und Anthologien des 19.  Jahrhunderts und e) die vierte Rezeptionsphase der Textausgaben des 20. Jahrhunderts.126 Sie vertritt die These, Form und Tendenz der Ereignisdichtungen haben sich im Verlauf ihrer Rezeption verändert. Am Beispiel des ‚Chronicon Helveticum‘ von Aegidius Tschudi (1505–1572), einem eidgenössischen Politiker und Gelehrten aus Glarus,127 will sie dies zeigen.128 In exemplarischen Analysen gelingt es ihr, nachvollziehbar darzulegen, dass Tschudi in Hinsicht auf die Kriterien Form, Inhalt und Parteilichkeit die Ereignisdichtungen bearbeitet hat. Zu diesem Zweck hat er Textverarbeitungstechniken angewandt, die sich auf die Begriffe ‚Auswahl‘, ‚Exzerpt‘, ‚Einbindung‘ („Erzählzusammenhang“), ‚Ausstattung mit Paratexten‘ („Textbeigaben“) und ‚Interpolation‘ („Textänderung“)129 bringen lassen.130 In die Metrik habe Tschudi regelnd eingegriffen. Im Schriftbild habe er die Lieder und Reimdichtungen durch strophen- bzw. versweise Ausrichtung von der Fließtextform der Prosadarstellung optisch abgesetzt. Mit Beobachtungen wie diesen spürt Rattay der Frage nach der Integration der Ereignisdichtungen in die Chronik nach.131 Ihrer Untersuchung ist es zu verdanken, zum ersten Mal am Beispiel gezeigt zu haben, welchen Charakter die Aufzeichnungen ereignisbezogener Dichtungen in diesem Kontext haben können und was es demnach heißen kann, wenn die Forschung übereinstimmend das Inserat in Chroniken als Überlieferungsform ereignisbezogener Dichtung benennt. Merkwürdig genug nimmt sich in diesem Zusammenhang aus, dass Rattays diesbezügliche Ergebnisse kaum produktiv aufgenommen wurden. Karina Kellermann

125 Rattay 1986, S. 61f. 126 Rattey 1986, S. 3. 127 Rattey 1986, S. 1. 128 Rattey 1986, S. 7. 129 Die Überlegungen von Jacobsohn 1914 zur „Aufschwellung“ (vgl. oben Kap. I.1.1) greift Rattay nicht explizit auf. 130 Rattay 1986, S. 71, 97. 131 Rattay 1986, S. 62.

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verweist anerkennend auf Rattays Untersuchung, bezweifelt jedoch, ob die am Exemplar erbrachten Befunde – vor allem zur Intensität von Tschudis Eingriffen in Gestalt und Wortlaut der Texte – übertragbar seien auf die Überlieferungsverhältnisse der gesamten Textgruppe.132 Diese Zweifel mögen durchaus berechtigt sein, solange vergleichbare Untersuchungen die besagten Befunde nicht bestätigen können. Die grundsätzliche Erkenntnis aber, dass nämlich die Aufnahme der Ereignisdichtungen in den chronikalischen Kontext nicht ohne bestimmte Gestaltungsentscheidungen des Chronisten und Konsequenzen für die äußere Erscheinung und die Aussage der Texte erfolgten, ist für die Wirkungsgeschichte der Ereignisdichtungen zentral. Nicht hinreichend erörtert zu sein, scheint m. E. hingegen die Funktion und Wirkungsintention dieses Rezeptionsvorgangs – überhaupt und in der spezifischen Ausprägung bei Tschudi. Rattay resümiert, Tschudi hätte mit den Ereignisdichtungen den jeweils referenzierten historischen Vorfall kommentiert und die eidgenössische Geschichte insgesamt dokumentiert.133 Letztere Funktion – die des historischen Dokumentes und Zeugnisses für das Ereignis – entspricht der gängigen Forschungsmeinung.134 Das mag für jene Aufzeichnungen Geltung beanspruchen können, die von dem Chronisten kaum im Wortlaut bearbeitet worden sind und die es durchaus auch bei Tschudi gegeben hat.135 Wenn die Ereignisdichtungen in ihrer Tendenz entsprechend des patriotischen Interesses des Chronisten nachweisbar verändert worden sind, so handelt es sich jedoch um mehr als Dokumentation oder Illustration, sondern auch um eine Form der Rekonstruktion von Geschichte und der interessegeleiteten Vergegenwärtigung von Vergangenheit. Frieder Schanze macht als erster und bislang einziger die Überlieferungsfrage ‚politischer Dichtungen‘ zum Hauptanliegen seiner Untersuchung. Zu diesem Zweck wendet er sich zwei politischen Ereignissen des 15. Jahrhunderts zu – dem

132 Kellermann 2000, S. 10. Anders Nix 1996, S. 147, der v. a. Rattays Schlussfolgerung herausstreicht, dass die Bearbeitung der Ereignisdichtungen durch Tschudi auf eine politische Funktion im Zuge der Spätrezeption hindeutet. Kerth 1997, S. 8, greift lediglich Rattays Rezeptionsmodell auf (Rattay 1986, S. 3). Schanze 1999 und Honemann 1997 beziehen die Ergebnisse von Rattay nicht in ihre Untersuchungen ein. Allerdings vermerkt Schanze 1999, S. 303, Anm. 12, die Arbeit von Rattay als Ausnahme in Bezug auf die Forschung zur Überlieferung ereignisbezogener Dichtung. 133 Rattay 1986, S. 179, 185. 134 Schanze 1999, S.  316; Honemann 1997, S.  404; Kellermann 2000, S.  5, 54; Brunner 22010, S. 318. 135 Rattay 1986, S. 61: „Bei [Tschudi] findet man alle Rezeptionsformen von der konservierenden Rezeption, die keine aktive Umgestaltung vermuten läßt, bis zur produktiven Form, die so weit gehen kann, daß ein neuer Text mit neuem Sinnzusammenhang entsteht.“

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Markgrafenkrieg (1449–1459) und den Burgunderkriegen (1474–1477).136 Auf die Textübersichten mit knappen Angaben zu Form, Inhalt und Überlieferung der einzelnen Stücke lässt Schanze jeweils das Verzeichnis der Überlieferungsträger folgen. Hier kommt es ihm nicht nur auf die technisch-materielle Konzeption, die Datierung und Lokalisierung der überliefernden Objekte an, sondern auch auf die Funktion der ereignisbezogenen Dichtungen, die der jeweilige Überlieferungszusammenhang indiziert. Die Lieder und Sprüche des Markgrafenkrieges sind überliefert in der Form des zeitnah übersandten Briefes (einmal), der ereignisnahen oder auch einige Jahrzehnte später erfolgten Aufnahme in literarische Sammelhandschriften unterschiedlichen Zuschnitts sowie auch in Form des Inserats in die zeitgenössische wie auch die späte Chronikhandschrift.137 Auch in Hinsicht auf die Burgunderkriege ist der ereignisnahe Brief einmal belegt, darüber hinaus nun auch der aktuelle Mehrblattdruck. Ganz deutlich dominiert jedoch die Verbundrezeption von Ereignisdichtungen im Zusammenhang mit der Gegenwarts- und der retrospektiven handschriftlichen Chronistik. Daneben sind einige Sammelhandschriften mit unterschiedlichem Inhaltsprofil belegt, in welche die Ereignisdichtungen sukzessive aufgenommen wurden. Neben einzelne Chronikhandschriften treten als zweite Form der Spätrezeption schließlich noch die von 1536 bis ins späte 18. Jahrhundert produzierten Mehrblattdrucke einiger Lieder hinzu.138 Mit Schanzes Ergebnissen zeichnet sich folglich ab, dass es ein typisches Überlieferungsprofil ereignisbezogener Dichtung nicht gegeben hat. Vielmehr deutet sich an, dass die Überlieferungsformen von Ereignis zu Ereignis stark divergierten. Hierzu lässt sich mit Volker Honemann ergänzen, dass längst nicht alle politischen Ereignisse des 15. und 16. Jahrhunderts in Liedern und Reimpaartexten verhandelt werden und dass dies nicht allein auf die Überlieferungschancen und -hindernisse zurückgeführt werden könne.139 Bei aller Varianz kristallisiert sich mit der Chronikhandschrift allerdings auch ganz deutlich eine konstante Größe in den Überlieferungsprofilen ereignisbezogener Dichtung heraus. Schanze weist diesbezüglich auf die auffallende Disparität der Handschriften hin, die von mehr oder weniger geordneten Materialsammlungen

136 Schanze 1999, S. 299–331. 137 Vgl. Schanze 1999, S. 307–311. 138 Vgl. Schanze 1999, S.  316–327. Zur Überlieferung der eidgenössischen Ereignisdichtungen siehe auch den Überblick bei Rattay 1986, S. 21–59. 139 Honemann 1997, S.  408, konkretisiert: „Sie fehlen z. B. für viele der rheinischen und niederdeutschen städtischen Erhebungen völlig; die zahllosen Auseinandersetzungen zwischen Raubrittern und Städten wurden nur in wenigen Fällen thematisiert. Andere Begebenheiten, wie etwa der Landshuter Erbfolgekrieg (Lil. 232–248), die Hildesheimer Stiftsfehde (Lil. 267–271) lösten eine fast überreiche Textproduktion aus, die gelegentlich direkt aufeinander Bezug nimmt.“

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bis hin zum repräsentativ ausgearbeiteten Chronikwerk mit offiziöser Geltung reiche.140 Karina Kellermann widmet sich der Überlieferungsfrage ausgehend vom Gesamtkorpus historisch-politischer Ereignisdichtungen und in Verbindung mit der Frage nach ihrer Verbreitung und Rezeption sowie auch ihrer Funktionalisierung im chronikalischen Kontext.141 Mit der Feststellung, die Überlieferungsformen seien sehr disparat, können die Befunde von Schanze bestätigt werden. Der einzige Überlieferungskontext, der nach Kellermann gar nicht vertreten sei und deshalb „als kleinster gemeinsamer Nenner“ der Überlieferungsprofile ereignisbezogener Korpora gelten könne, sei die auf die Gattung ‚historischpolitische Ereignisdichtung‘ hin orientierte Sammelhandschrift.142 Drei andere handschriftliche Überlieferungsweisen seien hingegen so häufig vertreten, dass sie für die Textgruppe repräsentativ sein können: die kleine Einzelhandschrift, die auf einem oder mehreren Blättern ein Lied oder eine Rede enthalte, die Handschrift mit einem „nach Gattungsgesichtspunkten bunt gemischten Kontex[t], der als gemeinsamen Skopus ein regionales oder lokales Interesse erkennen läßt“ sowie die Aufnahme in eine Stadt- oder Regionalchronik, wobei Kellermann drei verschiedene Aneignungsformen ausmacht: „die produktive Rezeption der Dichtung durch den Chronisten in seiner historiographischen Darstellung, die ebenfalls auf den Chronisten zurückgehende Aufnahme der Lieder als Appendix zur Chronik und die von einem Redaktor verantwortete nachträgliche Einbindung separater Blätter mit den Dichtungen in eine Chronik“.143 Diese Einteilung ist insofern aufschlussreich, als sie die allgemeine Einsicht von der Überlieferung ereignisbezogener Dichtung in Chronikhandschriften zum einen erweitert um die Form der Verarbeitung in der historiographischen Darstellung und zum anderen

140 Schanze 1999, S. 327. 141 Kellermann 2000, S. 263–266, 268–271. 142 Kellermann 2000, S. 264. Diese Beobachtung deckt sich mit den handschriftlichen Tradierungsformen lyrischer Diskurse, die Franz-Josef Holznagel für das 15. und 16. Jahrhundert ermittelt hat. Holznagel nennt Meisterliederhandschriften, Handschriften der späten Neidhart-Tradition, repräsentative Codices in Autornähe, weltliche sowie geistliche Liederbücher, jedoch keine Sammlungen politischer respektive ereignisbezogener Lieder. Vgl. wil gi horen enen sanck? Zum Konzept einer Medienkulturgeschichte der Lyrik in den handschriftlichen, weltlichen Liederbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts. In: Überlieferungsgeschichte transdisziplinär. Neue Perspektiven auf ein germanistisches Forschungsparadigma. In Verbindung mit Horst Brunner und Freimut Löser hrsg. von Dorothea Klein. Wiesbaden 2016(a). (Wissensliteratur im Mittelalter 52), S. 307–336, hier S. 309. 143 Kellermann 2000, S. 264. Beispiele für die produktive Verarbeitung gibt Kerth 1997, S. 270, Anm. 40. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Ereignisdichtungen und Chroniken teilweise im Wortlaut übereinstimmen.

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konkretisiert im Hinblick auf zwei verschiedene Ausprägungen des Inserats. In funktionaler Perspektive betont Kellermann die grundsätzliche dokumentarische Relevanz der Ereignisdichtungen im chronikalischen Kontext; sie nennt beredte Beispiele für die Einbindung der Ereignisdichtungen, die sich entweder in die Tendenz der Chronik einpassen oder ihr widersprechen, dies jedoch in der Absicht des Chronisten, die Position der Gegenpartei abzubilden. Ferner weist Kellermann am Beispiel der eidgenössischen Regionalgeschichtsschreibung darauf hin, dass eine zum historischen Material gewordene Ereignisdichtung mit Rücksicht auf den Überlieferungskontext eine aufzeichnungssynchrone, neue politische Wirkungsabsicht entfalten konnte.144 Darauf, dass die ursprüngliche Verfasserintention und das Rezeptionsinteresse des Chronisten divergieren, hat auch Sonja Kerth hingewiesen.145 Bezüglich der seit dem Ende des 15. Jahrhunderts zunehmenden Drucküberlieferung schließt Kellermann im Wesentlichen an die Ergebnisse von Gisela Ecker an und betont die Eignung des Druckes für die „auf unmittelbare Wirkung und rasche Verbreitung angelegte Gattung“.146 Der Druck werde daher zum wichtigsten Überlieferungsträger und die schriftliche Überlieferung der Ereignisdichtungen nehme als Folge dessen signifikant zu.147 Einen Unterschied zwischen Ein- und Mehrblattdruck erkenne sie bezüglich der historisch-politischen Ereignisdichtung hingegen nicht und setzt sich in diesem Punkt von der Ansicht Rolf Wilhelm Brednichs ab.148 „Die unter Mediengesichtspunkten plausible Konzentration auf den Einblattdruck kann für die Gattungsgeschichte der historisch-politischen Ereignisdichtung getrost aufgegeben werden, da auch die Drucküberlieferung, die ein Blatt übersteigt, offenbar kein unüberwindbares Reproduktionshindernis darstellt, solange eine gewisse Kürze der Dichtung gewahrt bleibt.“149 Aus dem Blickwinkel der Überlieferungsformen ereignisbezogener Lieder und Reimpaartexte im Druck ist Kellermann gewiss zuzustimmen, wenn sich zeigen lässt, dass Ereignisdichtungen sowohl in der ein- als auch in der mehrblättrigen Form verbreitet wurden. Doch fehlt es an diesem Punkt nicht nur an genaueren empirischen Erhebungen für Kellermanns Untersuchungszeitraum. Auch die Differenzen aus der Medienperspektive, und zwar die materielle und typographische Konzeption, und die naheliegenden Konsequenzen für

144 Kellermann 2000, S. 268–270. 145 Kerth 1997, S. 272. 146 Kellermann 2000, S. 265. 147 Kellermann 2000, S. 265. 148 Brednich I 1974, S. 19–21. 149 Kellermann 2000, S. 266.

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Herstellung und Gebrauch sollten m.  E. nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Dass sich der Produktionsaufwand bei zunehmender Komplexität der Drucke erhöhte, wäre ein zu verfolgender Ansatz; dass sich Einblattdrucke viel eher der Abnutzung und des buchstäblichen Verbrauchs ausgesetzt sahen, als die komplexeren Hefte, ein anderer. Ein Indiz für die geringere Überlieferungschance des Einblattdruckes gegenüber dem Mehrblattdruck sieht Brednich in der höheren Anzahl von unikal überlieferten Liedeinblattdrucken.150 Die Forschung hat sich bislang aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und Erkenntnisinteressen mit der Überlieferungsfrage ereignisbezogener Dichtung befasst, entsprechend disparat ist die Ergebnislage: Rolf Wilhelm Brednich und Gisela Ecker gehen von einem konkreten Medium aus, Beate Rattay von einem bestimmten Überlieferungsträger, Frieder Schanze nähert sich der Überlieferungsfrage aus der Ereignisperspektive und Karina Kellermann stellt Beobachtungen für die gesamte Textgruppe an. Die erste Sichtweise ist insofern aufschlussreich, als sie die ereignisbezogenen Dichtungen in den Zusammenhang mit anderen Textgruppen stellt, mit der sie die Affinität zum Medium und damit verbunden auch gewisse funktionale Dispositionen teilt. In Hinsicht auf die Textgruppen, die bis 1500 Eingang in den Einblattdruck gefunden haben, stellen Honemann, Griese und Eisermann zumindest fest, dass ihnen insgesamt ein „stark pragmatischer Zug innewohnt“,151 denn sie forderten generell zu bestimmten Handlungen bzw. deren Unterlassung auf.152 Ein zu groß gewählter Zeitschnitt, wie bei Brednich, kann den mediengeleiteten Blick auf ein Textgruppenspektrum jedoch auch verzerren. Verdienstvoll ist vor allem die Erschließungs- und Verzeichnungsarbeit, die Brednich und Ecker geleistet haben, und dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sie damit zumindest für die Einblattdrucke den Griff zu den verknappten, teils unverständlichen und mittlerweile ohnehin überholten Überlieferungsangaben bei Liliencron obsolet gemacht haben.153 Wünschenswert wäre nun eine Ergänzung um eine genauere Charakterisierung der Drucke nach Format und Ausrichtung sowie um eine Dokumentation von Benutzerspuren – Aspekte, die für die Frage nach konkreten Gebrauchszusammenhängen der Drucke und der Lieder zu

150 Brednich I 1974, S. 20f. 151 Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 342. 152 Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 342. Eckers Ergebnisse zu den Gattungen im Einblattdruck bis 1555 bestätigen dies. Vgl. Ecker 1981, S. 251. 153 Schanze, 1999, S.  303, konstatiert zu Liliencrons Überlieferungshinweisen: „Liliencrons Sammlung erfaßt aber bekanntlich weder alle einschlägigen Texte noch alle Überlieferungszeugen, und seine Angaben zur Überlieferung der von ihm edierten Texte werden heutigen Ansprüchen kaum mehr gerecht. Für ihn kamen die Quellen freilich zuvörderst als Textlieferanten in Betracht, und so konnte ihr historischer Eigenwert nur unwesentlich ins Gewicht fallen.“

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weiteren aufschlussreichen Ergebnissen führen können. Beispielsweise wird man für großzügig illustrierte Foliodrucke viel eher den öffentlichen Aushang, d. h. auch die schauende Rezeption annehmen dürfen als für den textierten Quartund Oktavdruck ohne Bildschmuck. Die zweite Perspektive hat den unschätzbaren Vorteil, Tiefen- und Detailanalysen zu ermöglichen; nachteilig wirkt sich hingegen aus, dass für Rattays am Exemplar erzielte Ergebnisse erst die Verallgemeinerbarkeit zu erweisen ist. Die Arbeit macht jedoch evident, dass im Zuge der Rezeption von ereignisbezogener Dichtung in der Historiographie mit Eingriffen in den Text und mit der daraus folgenden bzw. bezweckten Modifikation der Aussage und Wirkungsabsicht gerechnet werden muss. Für die bislang vorherrschende Herangehensweise an die Ereignisdichtungen, der es vor allem um ihre Perspektivierung innerhalb des referenzierten politischen Konfliktes gegangen ist, müsste die Überlieferung demnach stärker als bisher in die Betrachtungen einbezogen werden.154 Schanzes ereignisperspektivierte Überlieferungstypologie besticht dadurch, dass sie nicht nur eine Tradierungsform, sondern ein ganzes Spektrum an materiellen und funktionalen Kontexten überblickt, in denen ereignisbezogene politische Dichtungen rezipiert wurden. Ungünstig wirkt sich indes ein Resümee am Ende aus, das nicht mehr zwischen den Ereignissen, welche die Texte und Überlieferungsformen evoziert haben, unterscheidet. Dabei scheinen m. E. gerade die Diversität und die sich darin andeutende Bedingtheit von Textproduktions- und Textrezeptionsformen durch das Ereignis respektive dessen Datierung und Lokalisierung wichtige Einsichten zu sein. Wünschenswert ist überdies, die Ergebnisse zu Text- und Überlieferungstypen noch stärker als bisher aufeinander zu beziehen. Schanzes Hinweis darauf, dass Reimpaardichtungen zunächst stärker zum Druckmedium tendierten als die Lieder, bietet beispielsweise einen interessanten Ansatzpunkt. Kellermanns Skizze steckt großflächig die Konturen der Verbreitungs- und Tradierungsformen der Gattung ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘ ab, steht jedoch im Dienste einer funktionsgeschichtlichen Grundlegung der Gattung ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘ und fokussiert infolge dessen weniger auf die Gebrauchskontexte an sich. Die Texte sind in eine Vielzahl materiell und funktional zu unterscheidender Medien gelangt, wobei sich andeutet, dass die Überlieferungsformen von Ereignis zu Ereignis stark differieren; dies hat vor allem die Untersuchung von Frieder Schanze vor Augen geführt, die Beobachtungen von Karina Kellermann haben dies bekräftigt. Hält man diese Vielfalt und die bislang geleisteten Untersuchungen gegeneinander, wird deutlich, dass die Forschung hier erst am Anfang steht. Die größte Aufmerksamkeit hat bislang der typographische Einblattdruck auf

154 Vgl. hierzu oben das Fazit zum Stand der Forschung, Kap. I.1.1.

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sich gezogen, daneben beschäftigt sich bislang nur eine Arbeit mit der Chronikhandschrift, was angesichts ihrer Bedeutung als eine der Konstanten in den Überlieferungsprofilen der politischen Vorfälle, die in Liedern und Reimpaardichtungen verhandelt werden, ein auffallendes Missverhältnis offenbart. Das handschriftliche Einzelblatt, der Mehrblattdruck sowie auch die unterschiedlichen Formen der literarischen Sammelhandschrift, darunter der Typus des weltlichen Liederbuches,155 die hausbuchartige Handschrift sowie die autorbezogene Sammlung,156 sind bezüglich der Rezeptions- und Überlieferungsfrage ereignisbezogener Dichtung hingegen kaum untersucht worden. Angesichts dessen, dass die Produktivität der ereignisbezogenen Dichtung zusammenfällt mit der Zeit der Einführung und Etablierung des Drucks mit beweglichen Lettern in der zweiten Hälfte des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, überrascht es nicht, dass im Zusammenhang mit der Frage ihrer Verbreitung und Überlieferung stets die Frage des Verhältnisses von Mündlichkeit und Schriftlichkeit einerseits sowie von Druck und Handschrift andererseits thematisiert worden ist. Einigkeit besteht in der Annahme, dass sich die ereignisaktuelle Veröffentlichung und Verbreitung primär mündlich vollzogen hat und dass die Publikation in Ein- und Mehrblattdrucken seit dem Ende des 15. Jahrhunderts als Primärmedium hinzutrat, ohne Gesangs- und Sprechvortrag abrupt

155 Die Editionen und/oder Beschreibungen der weltlichen Liederbücher bieten eine günstige Ausgangslage für weitere Untersuchungen zur Tradierung der Ereignisdichtungen in diesem Kontext. Dokumentiert sind sie in ‚Fichards Liederbuch‘ (ca. 1475, verschollen), im ‚Liederbuch der Klara Hätzlerin‘ (1471), im ‚Augsburger Liederbuch‘ (1454), sowie auch im ‚Rostocker Liederbuch‘ (ca. 1478). Vgl. Holznagel, Franz-Josef: Geschichte der deutschen Lyrik. Bd. 1: Mittelalter. Stuttgart 2013(c), S. 105, 109. Insgesamt deutet sich jedoch an, dass es sich bei der Aufnahme ereignisbezogener Lieder in diesen Kontext weltlicher Lyrik des ausgehenden Mittelalters wohl um ein Randphänomen handelt. Zum Typus des weltlichen Liederbuchs vgl. Holznagel, Franz-Josef: Weltliche Liederbücher des 15. und 16. Jahrhunderts: zur Beschreibung eines literarisch-musikalischen Diskurses im deutschsprachigen Spätmittelalter. In: „Hebt man den blick, so sieht man keine Grenzen“. Grenzüberschreitungen als Paradigma in Kunst und Wissenschaft. Festschrift für Hartmut Möller. Hrsg. von Oliver Krämer / Martin Schröder. Essen 2013(b), S.  75–87; ders. 2016(a); ders.: Songs and Identities: Handwritten Secular Songbooks in German-Speaking Areas of the Fifteenth and Sixteenth Centuries. In: Identity, Intertextuality, and Performance in Early Modern Song Culture. Edited by Dieuwke van der Poel / Louis Peter Drijp / Wim van Anrooij. Leiden / Boston 2016(b), S. 118–149. 156 Ausgangspunkt für zahlreiche Verfasser bieten die Einträge in das Verfasserlexikon. Zu denken wäre beispielsweise an das Œuvre Hans Schneiders, das in zeitgenössischen Drucken und in Handschriften unterschiedlicher Prägung vorliegt. Vgl. Schanze, Frieder: Schneider, Hans. In: 2 VL 8 (1992[b]), Sp. 786–797; ders.: Schneider, Hans [Korr./Nachtr.]. In: 2VL 11 (2004), Sp. 1383– 1384. Zuletzt auch Kanz 2016, S. 35–87, die die Forschung zur gedruckten und handschriftlichen Überlieferung referiert.

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zu verdrängen.157 Dieser Annahme schließe ich mich an. Gisela Eckers Argumentation für die Affinität zwischen dem auf die Teilhabe an der aktuellen politischen Kommunikation abzielenden ereignisbezogenen Text und dem Medium, das die Voraussetzungen für diese Zielstellung und ferner auch für die Produktion und Distribution in hoher Anzahl bot, ist nachvollziehbar und einleuchtend. Bernd Thum sieht den mediengeschichtlichen „Einschnitt“ um 1500 vor allem im Gegensatz zwischen der „informellen“ und sich „in einem Geflecht ‚persönlicher‘, unmittelbarer Beziehungen“ vollziehenden mündlichen Veröffentlichung und Verbreitung politischer Dichtung und der unpersönlichen, anonymen Kommunikation mittels des Druckmediums.158 Den durch das Medium bedingten rasanten Anstieg der Neuproduktion ereignisbezogener politischer Lieder, den neben Ecker auch Kellermann annimmt, wird man indes kaum überprüfen können, denn der tatsächliche Umfang der Textgruppe vor Einführung des Typendrucks lässt sich aufgrund der angenommenen vornehmlich mündlichen Existenzweise ihrer Vertreter nicht beziffern. Hinzu kommt, dass die Produktion ereignisbezogener Dichtung mit politischer Funktion überdies stark abhängig ist von politischen Konfliktsituationen, die überhaupt erst ihre Entstehung und Verbreitung evozierten. Wesentlicher scheint m. E. Eckers Ansatz zu sein, dass infolge der Etablierung des typographischen Einblattdrucks bei Textgruppen, wie der ereignisbezogenen politischen Dichtung, nun mit einer Textproduktion direkt für den Druck zu rechnen ist. Kellermann formuliert hierzu zugespitzt, dass die jahrhundertealte rezeptionsgeschichtliche Maxime der primären Mündlichkeit und der sekundären Schriftlichkeit mit Blick auf den frühen Druck als Medium ereignisbezogener Dichtung ihre Gültigkeit verliere.159 Wir müssen damit rechnen, daß die Dichtung aus dem Entstehungsstadium übergangslos in den Druck geht, und tun andererseits gut daran, die Verbreitung durch dieses Medium nicht apodiktisch mit Einzellektüre gleichzusetzen. Von einer raschen, parallel zum Buchdruck aufkommenden Literarisierung breiter Gesellschaftsschichten ist nicht auszugehen, so daß Flugblatt und Analphabetentum kommensurabel sind und der mündliche Rezeptionsmodus noch lange nicht ausgedient hat.160

Konsens herrscht auch dahingehend, dass die Möglichkeit, Ereignisdichtungen in Ein- und Mehrblattdrucken zu publizieren, letztlich die Handschrift verdrängt

157 Darauf verweisen: Brednich I 1974, S. 12f.; Beckers 1979, S. 23f.; Rattay 1986, S. 39f.; Honemann 1997, S. 404; Kerth 1997, S. 282; Schanze 1999, S. 327; Kellermann 2000, S. 266. 158 Thum 1984, S. 312. 159 Kellermann 2000, S. 266. 160 Kellermann 2000, S. 266.

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 Grundlagen

habe. So resümiert Frieder Schanze, der Typendruck habe auch die Überlieferungsformen ereignisbezogener politischer Dichtungen verändert, da die handschriftliche Tradierung durch die Vielzahl der verfügbaren Druckexemplare ihre Notwendigkeit verloren hätte, wenngleich sich dies langfristig und mit einem vielfältigen Nebeneinander von Handschrift und Druck vollzogen habe.161 Schanze ist insofern beizupflichten, als sich mit der Etablierung des typographischen Ein- und Mehrblattdruckes seit dem Ende des 15. Jahrhunderts das Gesamt der Überlieferungsformen ereignisbezogener Dichtung im Vergleich zum 14. und den ersten zwei Dritteln des 15. Jahrhunderts verändert hat. Mit Arno Mentzel-Reuters ist hingegen der Aussage zu wiedersprechen, der Druck habe die Handschrift als Überlieferungsform verdrängt: „Das Medium Handschrift geht nach 1450 weder unter noch wird es primär ‚verdrängt‘. Die Entscheidung für das eine oder andere Medium dürfte funktional bestimmt gewesen [sein].“162 Nach Tilo Brandis beispielsweise habe der Druck in der Frühdruckzeit vordergründig die Aufgabe der Textverbreitung und -aufbewahrung übernommen, während die Handschrift „mehr und mehr dem privaten Studium, der individuellen Arbeitsaufzeichnung, der Ergänzung von Sammlungen und natürlich dem aktuellen, lokal eingeengten Geschäftsverkehr sowie der privaten Frömmigkeit vorbehalten [blieb]“.163 Ursula Rautenberg stimmt dem generell zu, ergänzt jedoch, „dass der Handschrift im Druckzeitalter neue Aufgaben gerade in Abgrenzung zum Druck zufallen. Sobald der Druck zum alltäglichen Überlieferungsmedium geworden ist, wird die Handschrift zum Besonderen; ihr originaler Charakter wird erst vor dem Hintergrund der Exemplarvielfalt des Gedruckten sichtbar.“164 Franz-Josef Holznagels Überlegungen zu Arrangement und Präsentation von Liedsammlungen in den weltlichen handschriftlichen Liederbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts weisen in die gleiche Richtung. Im Gegensatz zu gedruckten Liederbüchern dokumentierten die Handschriften – vermittelt durch die Einrichtung der Stücke auf der Seite und die Ausstattung mit Paratexten (darunter häufig Dedikationen) – ein individuelles Interesse ihrer Besitzer und seien damit Zeugnisse ihrer Identität oder der Identität ganzer Gruppen.165 „[A]gainst the background of the several printed media

161 Schanze 1999, S. 328. 162 Mentzel-Reuters 2013, S. 436. 163 Brandis, Tilo: Die Handschrift zwischen Mittelalter und Neuzeit. Versuch einer Typologie. In: Gutenberg-Jahrbuch 72 (1997), S. 27–57, hier S. 55. 164 Rautenberg, Ursula: Medienkonkurrenz und Medienmischung – Zur Gleichzeitigkeit von Handschrift und Druck im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts in Köln. In: Die Gleichzeitigkeit von Handschrift und Buchdruck. Hrsg. von Gerd Dicke / Klaus Grubmüller. Wiesbaden 2003, S. 167–202, hier S. 168. 165 Holznagel 2016(b), S. 118, 124.

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that include songs, the handwritten songbook comes to be appreciated as a very distinct medium that is separated from the standard form of communication.“166 Geht man auch bezüglich der Schriftmedien ereignisbezogener Dichtung von dem Grundsatz der funktionalen Ausdifferenzierung aus, dann kann von Medienwechsel und Medienverdrängung nur infolge einer Situation der Medienkonkurrenz die Rede sein, wenn sich nämlich die Funktionalitäten eines bestimmten Handschriftentyps und einer konkreten Form des Drucks in der Frühzeit des Drucks zunächst überschnitten haben. Mit Blick auf den Ein- und Mehrblattdruck ist hierbei indes zwischen zwei Perspektiven – einer primären publizistischen und einer sekundären tradierenden zu unterscheiden, die Frieder Schanze wie folgt beschreibt: „Als publizistisches Mittel sind [die Drucke] in die politischen Auseinandersetzungen einbezogen und bilden daher selbst einen Bestandteil der Ereignisse, und erst wenn sie über den Augenblick hinaus aufbewahrt werden, verwandeln sie sich in reine Überlieferungsdokumente.“167 In Hinsicht auf die ereignisunmittelbare publizistische Zweckbestimmung stellt sich demnach die Frage, ob es (neben der mündlichen) überhaupt handschriftliche Formen aktueller politischer Kommunikation gegeben hat, zu denen der Ein- und der Mehrblattdruck in ein Konkurrenzverhältnis hätten treten können.168 Auf eine große Anzahl handschriftlicher Einzelblätter als Verbreitungsmedien ereignisbezogener Dichtung im Spätmittelalter vor 1500 weisen Volker Honemann, Sabine Griese und Falk Eisermann hin.169 Sie definieren diese als handschriftlich kopierte und verbreitete Einzelblätter. In Bezug auf das neue Medium ‚typographischer Einblattdruck‘ kommen sie deshalb zu dem Schluss, dass dieses nicht nur zu Formen der mündlichen, sondern auch der handschriftlichen Kommunikation in ein Konkurrenzverhältnis getreten sei.170 Auch Karina Kellermann erwähnt die handschriftlichen Einzelblätter und setzt diese funktional in eins mit Ein- und Mehrblattdrucken. Sie konstatiert: „Dieser Überlieferungstyp stellt die historisch-politische Ereignisdichtung in den Kontext der auf

166 Holznagel 2016(b), S. 138. 167 Schanze 1999, S. 321, mit Blick auf die aktuellen Druckmedien mit Ereignisdichtungen zu den Burgunderkriegen (1474–1477). Vgl. hierzu auch Ecker 1981, S. 54. 168 Siehe die Diskussion unten. – Die Frage nach der Existenz von „Einblatthandschriften“ mit ähnlichen Funktionen wie der Einblattdruck stellt: Honemann, Volker: Vorformen des Einblattdruckes. Urkunden – Schrifttafeln – Textierte Tafelbilder – Anschläge – Einblatthandschriften. In: Einblattdrucke des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Probleme, Perspektiven, Fallstudien. Hrsg. von Volker Honemann u. a. Tübingen 2000, S. 1–43, hier S. 1. Für die hier diskutierte Problemstellung siehe dort bes. S. 36–42. 169 Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 344, Anm. 42. 170 Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 343f.

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spontane politische Wirkung bedachten Flugblattliteratur, die, auf öffentlichen Plätzen plakatiert und von Hand zu Hand gegeben, ein breites Publikum erreichen will.“171 Die skizzierten Annahmen entbehren durchaus nicht eines gewissen Reizes, doch fehlt es ihnen bislang noch an der empirischen Untermauerung mit aussagekräftigen Beispielen.172 An aktuellen handschriftlichen Medien dokumentieren Schanze und Kellermann lediglich den Brief zur Aufzeichnung und Übermittlung des ereignisbezogenen politischen Liedes. Dieser jedoch unterscheidet sich funktional markant von dem Einblattdruck, indem er die Ereignisdichtung zum Gegenstand der Nachrichtenübermittlung für einen konkreten

171 Kellermann 2000, S. 55. 172 Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 344, Anm. 42, berufen sich auf Liliencrons Sammlung der ‚historischen Volkslieder‘. Eine im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgenommene Durchsicht aller Überlieferungsangaben zu den Nummern 43 (1400) bis 210 (1499) hat lediglich ein handschriftliches Einzelblatt (Lil. Nr. 114: „gleichzeit. Blatt“) zutage gefördert. Teilweise sind Liliencrons Angaben sehr ungenau, so dass sich hinter ihnen noch einige weitere dieser Überlieferungsformen verbergen könnten. Das bliebe aber zu prüfen (z. B. Lil. Nr. 74, 91, 95, 118, 123a, 153, 173, 175, 206). – Die Beispiele, die Honemann, Griese und Eisermann für das handschriftliche Einzelblatt anführen, betreffen nicht die ereignisbezogene Dichtung. Vgl. ebd., S. 344, Anm. 42. – Honemann 1997, S. 405, zählt das handschriftliche Einzelblatt ebenfalls zu den Tradierungsformen ereignisbezogener Dichtung; er führt dafür Beispiele an, weist jedoch auch darauf hin, dass „oft eine beträchtliche Zeitspanne“ zwischen Vorfall und Aufzeichnung liege. – In seiner Untersuchung zu den „Vorformen des Einzelblatts“ verweist Honemann lediglich auf drei einseitig beschriebene Blätter des 15. Jahrhunderts mit politischen Liedern, wobei es sich bei einem davon um den Zeitungsbrief mit dem Lied des Bauernfeind handelt. (Honemann 2000, S.  39f.) – Zu weiteren Formen des handschriftlichen Einzelblattes in anderer Funktion und Verwendung (Urkunden, Schrifttafeln bzw. Tafelbilder) vgl. v. a. Honemann 2000 und den Überblick mit weiteren Literaturhinweisen bei Rautenberg, Ursula: Das Buch in der Codexform und einblättrige Lesemedien. In: Lesen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg / Ute Schneider. Berlin / Boston 2015, S. 279–336, hier S. 326–327. – Das ‚Lied vom Heiligenstädter Putsch‘ (1462) ist auf einem Papierblatt überliefert, das im Stadtarchiv Duderstadt aufgefunden wurde; darauf verweist Beck 2017, S. 204. – Die Frage nach der Existenz des handschriftlichen Einzelblattes mit Flugblatt-Funktion erinnert stark an die Liederbuchtheorie von Wilhelm Wilmanns im Zusammenhang mit den Überlegungen über die Vorstufen der mittelhochdeutschen Lyriksammlungen. „Wilmanns dachte sich die Lyriküberlieferung im 13. Jahrhundert als Prozeß, der sich über verschiedene Stufen vom Einfachen zum Komplexen, von kleinsten Überlieferungseinheiten bis zu den großen Sammelhandschriften entwickelte.“ (Holznagel, Franz-Josef: Wege in die Schriftlichkeit. Untersuchungen und Materialien zur Überlieferung der mittelhochdeutschen Lyrik. Tübingen / Basel 1995. [Bibliotheca Germanica 32], S. 210) Er ging davon aus, dass auf der ersten handschriftlichen Rezeptionsstufe einzelne Lieder zunächst auf Einzelblättern aufgezeichnet worden und dann ähnlich wie die gedruckten Flugblätter des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts verbreitet worden wären. Zeugnisse dafür gibt es nicht. Zudem erscheint die Theorie auch deshalb wenig plausibel, weil sie anachronistisch eine breite Alphabetisierung im 13. Jahrhundert voraussetzt. (Ebd., S. 212)

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Empfänger macht. Bei dem Einzelblatt, welches das Lied des Bauernfeind mit Bezug auf den Markgrafenkrieg überliefert, deuten die Adressierung auf der Rückseite sowie die Signierung unterhalb des Liedes darauf hin, dass mit ihm ein Zeitungsbrief vorliegt.173 Die Durchsetzung des typographischen Einblattdruckes wirkte demnach auf die Möglichkeiten der ereignisunmittelbaren Publikation und Rezeption der Ereignisdichtungen zunächst in der Weise ein, dass neben den Gesangs- oder Sprechvortrag der Einblattdruck mit seinen denkbaren Gebrauchsmöglichkeiten trat.174 Von einer Verdrängung der Handschrift kann mit Blick auf die Primärfunktion des Druckes demgegenüber nicht die Rede sein. Handschriftliche Formen, die dem Einblattdruck funktional entsprachen, sind nicht hinreichend dokumentiert; eine Konkurrenzsituation kann demzufolge bislang kaum plausibel gemacht werden.175 Bezüglich der sekundären Wirkungsweise der ein- und mehrblättrigen Drucke in Aufbewahrungs-, Verwendungs- oder Verwertungszusammenhängen lassen sich unterschiedlichste Verhältnisse mit handschriftlichen Medien bestimmen.176 Konsequenterweise muss auch hier die Frage lauten, ob Druck

173 Zur brieflichen Nachrichtenübermittlung vgl. Kap. II.2.1.2. – Zur Beschreibung des Einzelblattes vgl. Schanze 1999, S. 307. 174 Die Lektüre durch den Einzelnen, die Lektüre Vieler durch Weitergabe von Hand zu Hand oder öffentliches Aushängen, als Grundlage für den mündlichen Vortrag des Einzelnen vor Publikum. Vgl. hierzu Honemann / Griese / Eisermann 1999, S. 344. 175 Zudem stellt Honemann 2000, S. 42, für die überlieferten „Einblatthandschriften“ fest, dass für diese – ganz gleich welchen thematischen und kommunikativen Zuschnitts – keine Exemplarvervielfältigung nachgewiesen werden könne. 176 Zu diesen zählen u. a. die Nachahmung der Anlage und Ausstattung mittelalterlicher Handschriften auf der Ebene der typographischen Gestaltung seitens des Druckers sowie auch im Zuge der Individualisierung des Druckerexemplars durch den Benutzer (vgl. u. a. Mentzel-Reuters 2013, S. 411–442; Rautenberg 2003, S. 167–202; Wolf, Jürgen: Von geschriebenen Drucken und gedruckten Handschriften. Irritierende Beobachtungen zur zeitgenössischen Wahrnehmung des Buchdrucks in der 2. Hälfte des 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts. In: Buchkultur und Wissensvermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Hrsg. von Andreas Gardt / Mireille Schnyder / Jürgen Wolf. Berlin / Boston 2011, S. 3–21), ferner im 16. Jahrhundert die Nachahmung des Druckes in der Handschrift, was sich vor allem an der Ausstattung frühneuzeitlicher Buchhandschriften mit einem Titelblatt zeigt (Overgaauw, Eef: Writing and Reading Manuscripts in Germany in the Sixteenth Century. In: Gutenberg-Jahrbuch 91 [2016], S. 190–215, hier S. 205f.); zu ergänzen ist die Tradierung gedruckter Texte durch Abschrift (Brednich I 1974, S. 25; Schanze 1999, S. 325f., besonders Wolf 2011, S. 11–17) und schließlich der entgegengesetzte Vorgang des Druckes auf der Grundlage handschriftlicher Vorlagen (Schanze 1999, S. 319f.; Wolf 2011, S. 10–11). Vgl. hierzu auch Barbarics-Hermanik, Zsuzsa: The coexistence of manuscript and print: Handwritten newsletters in the second century of print: 1540–1640. In: The book triumphant. Print in transition in the sixteenth and seventeenth centuries. Leiden u. a. 2011. (Library of the written word

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und Handschrift in Bezug auf ihre Zweckbestimmung und ihre Dokumentation der Ereignisdichtungen miteinander konkurrierten. Zur Beantwortung dieser Frage fehlt es, wie oben bereits konstatiert, bislang noch an Untersuchungsergebnissen zu den Gebrauchs- und Überlieferungsformen der Drucke sowie auch zu Typen, Anlage und Verwendung der handschriftlichen Überlieferungsträger ereignisbezogener Lieder und Reimpaardichtungen. Die vorliegende Arbeit hofft, in dieser Frage einen Beitrag leisten zu können. Immerhin zeichnen sich vorläufig folgende Überlieferungsformen der Drucke ab, die zweifelsohne zu ergänzen sind:177 Zum einen wurden gedruckte Ereignisdichtungen durch Abschrift in die Handschrift überführt178 – ein Vorgang, den auch Brednich für die Liedeinblattdrucke ansetzt.179 Zum anderen sind Kompilationen aus handschriftlichen Faszikeln und gedruckten Heften überliefert,180 wobei zu prüfen wäre, ob diese auch für die Ereignisdichtungen nachgewiesen werden können. Zum dritten ist belegt, dass Drucke mit ereignisbezogener Dichtung mit anderen Drucken zu Sammelbänden unterschiedlichen Zuschnitts vereinigt wurden.181 In Fortführung der bisherigen Forschung und im Besonderen in Anlehnung an den Untersuchungsansatz von Frieder Schanze hinsichtlich der Korpusbildung sowie an die Ergebnisse

15: The handpress world 9), S. 347–368, hier S. 347, die in Bezug auf handgeschriebene und gedruckte Nachrichtenübermittlung nicht von einem Konkurrenzverhältnis ausgeht, sondern von „interaction between manuscript and print“. 177 Brednich I 1974, S. 26f., weist auf zwei Sammlungen von Drucken aus dem 16. Jahrhundert hin: insgesamt 24 Bände mit in Handschriften eingeklebten Kleindrucken des Johann Jakob Wick (1522–1588), Chorherr und Prediger in Zürich, sowie ein handschriftlicher Band von 1524, in den die Drucke hineingelegt wurden, von dem Augsburger Weber Simprecht Kröll. 178 Vgl. hierzu bes. Wolf 2011, S.  3–21, bes. S.  13: „Mit allerdings nach 1500 deutlich abnehmender Tendenz scheint es in weiten Kreisen des Stadtbürgertums, so jedenfalls die Befunde zu Schreibern und Besitzern, bis in das beginnende 16. Jahrhundert vornehmlich im Bereich der pragmatischen und der geistlichen Gebrauchsliteratur ein probates Mittel gewesen zu sein, sich grundlegende Werke mittels Druckabschriften zu sichern bzw. selbst herzustellen. Bei den ausgewählten Vorlagendrucken konnte es dabei um kleine Heftchen von nur wenigen Blättern Umfang bis hin zu Vollbibelausgaben mit über 1000 Blättern in der Druckabschrift gehen.“ – Auf die Abschrift von gedruckten Liedern in weltliche handschriftliche Liederbücher geht Holznagel 2016(b), bes. S. 141–143, ein. 179 Brednich I 1974, S. 25. 180 Wolf 2011, S. 18f. 181 Vgl. die zahlreichen und gut dokumentierten Beispiele bei Schanze, Frieder: Privatliederbücher im Zeitalter der Druckkunst. Zu einigen Lieddruck-Sammelbänden des 16. Jahrhunderts. In: Gattungen und Formen des europäischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Internationale Tagung vom 9. bis 12. Dezember 2001 in Münster. Hrsg. von Michael Zywietz / Volker Honemann / Christian Bettels. München / Berlin 2005. (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 8), S. 203–242.

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Beate Rattays bezüglich der Textverarbeitungstechniken in handschriftlichen historiographischen Rezeptionskontexten setzt sich die vorliegende Arbeit zum Ziel, der Verbreitung, Überlieferung und Aneignung konkreter Ereignisdichtungen in Drucken und Handschriften nachzugehen und damit zusammenhängend auch die Frage des Verhältnisses der medialen Formate wieder aufzugreifen.182

1.3 Binnendifferenzierung Die Charakterisierung der Ereignisdichtungen zielte bislang vordergründig auf den Ereignisbezug und die mögliche politische Zweckbindung der Texte. Eine Binnendifferenzierung bildet sich demzufolge in den Beschreibungen und Sammelausgaben der Textgruppe kaum ab und wird, wenn, dann nur verhalten auf ihre Implikationen für die funktionalen Entfaltungsmöglichkeiten der ereignisbezogenen Dichtungen befragt. Dies zeigt sich vor allem mit Blick auf die formale Disparität, für die die Positionen der Forschung nachfolgend skizziert werden sollen. Rochus von Liliencron erntete von seinen Zeitgenossen scharfe Kritik dafür, dass er einer Sammlung ‚historischer Volkslieder‘ auch eine ganze Reihe Reimpaartexte hinzugefügt hatte. Seine Vorgehensweise rechtfertigte er in der Vorrede zum zweiten Band, wonach der Fehler nicht in der Aufnahme der Sprüche, sondern umgekehrt in dem Titel der Sammlung stecke, denn zu dem Stoff gehörten die Sprüche gewiss.183 Lieder und Sprüche seien gleichermaßen aus politischen Ereignissen hervorgegangen, mehr noch hätten die gleichen Ereignisse sowohl Lieder als auch Reimpaartexte erzeugt und in ihrer Zeit hätten beide Formen gleichviel gegolten. „Wenn man demnach“, so resümiert Liliencron, „in einer Sammlung dieser Art die Lieder und Gedichte trennen wollte, so hieße das nur, ein Stück mittelalterlichen Lebens nach einem rein äußerlichen Merkmal willkürlich in zwei Hälften zerspalten.“184 Er räumt ein, dass ein sammlungsadäquater Titel von ‚historischen Volksdichtungen‘ hätte sprechen müssen, doch wollte er an dem bereits eingeführten Terminus ‚historische Volkslieder‘ festhalten.185 Anders als Liliencrons Vorrede vermuten lässt, befand er sich mit seiner Aufmerksamkeit für Lieder und Reimpaartexte in bester Gesellschaft, denn schon Ludwig Uhland war in seiner Ausgabe ‚Die historischen Volkslie-

182 Für ausführliche Angaben zum Arbeitsprogramm siehe Kap. I.3. 183 Liliencron II 1866, S. I. 184 Liliencron II 1866, S. II. 185 Liliencron II 1866, S. I.

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der des 15. Jahrhunderts’ so vorgegangen186 und auch Friedrich Leonhard Soltau versammelte unter den ‚Ein hundert deutschen historischen Volksliedern‘ eine Reihe von Sprüchen.187 Liliencrons entstehungsgeschichtliche Argumentation, wonach beisammengehalten werden sollte, was aus derselben historischen Situation hervorgegangen sei, hat sich in der speziell auf die Textgruppe gerichteten Forschung weitgehend durchgesetzt. Die Bezeichnung ‚historische Volkslieder‘ für ereignisbezogene Lieder und Reimpaartexte mit politischer Wirkungsintention konnte sich, obwohl früh kritisiert, dennoch sehr lange behaupten,188 bis in den letzten drei Jahrzehnten auch endlich begrifflich dem Umstand des formal disparaten Materials Rechnung getragen wurde. Von der Einigung auf einen Begriff kann jedoch nicht die Rede sein. Ursächlich hierfür sind m. E. zwei Gründe: Erstens stellen die zwei von Frieder Schanze akzentuierten Wirkungsdimensionen189 die Forschung wohl vor das Problem, ob die ereignisbezogenen Lieder und Reimpaartexte als ‚politisch‘ oder ‚historisch‘ attribuiert werden sollen. Zweitens besteht Uneinigkeit darüber, ob auf die formale Disparität innerhalb der Textgruppe hingewiesen werden soll oder nicht.190 So stehen im Ergebnis heute die Begriffe ‚Politische Dichtungen‘ von Frieder Schanze, ‚Politische Lieder und Sprüche‘ von Volker Honemann, ‚Politische Ereignisdichtung‘ von Sonja Kerth und ‚Historisch-politische Ereignisdichtung‘ von Karina Kellermann nebeneinander.191

186 Uhlands gesammelte Werke in sechs Bänden. Mit einer biographisch-litterarhistorischen Einleitung von Hermann Fischer. 6 Bde. Stuttgart o. J., hier Bd.  6, S.  117: „Unter historischen Volksliedern verstehen wir diejenigen Lieder, welche unmittelbar aus geschichtlichen Ereignissen und Zuständen hervorgingen oder sich auf solche beziehen und im Gesang des Volkes zu wirken bestimmt waren, mögen sie nun mehr darstellend oder mehr polemisierend hervortreten. Wir gesellen ihnen jedoch auch solche kürzere Zeitgedichte, die nicht in sangbarer Form, sondern unstrophisch, als Sprüche, verbreitet wurden, aber jenen nach Zweck und Inhalt verwandt sind.“ 187 Soltau 1836. 188 In der Altgermanistik z. B. bei Schlumpf 1969; Völker 1981; Rupprich, Hans: Das ausgehende Mittelalter, Humanismus und Renaissance 1370–1520. 2. Aufl. Neubearbeitet von Hedwig Heger. München 1994. (Geschichte der Deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 4.1). In der Volkskunde bis in die Gegenwart: Fischer 2013. 189 Vgl. Schanze 1999, S. 303. 190 Frieder Schanze 1999 und Volker Honemann 1997 befürworten dies und sprechen infolge dessen von ‚Dichtungen‘ respektive ‚Liedern und Sprüchen‘. Sonja Kerth 1997, dies. 2002 und Karina Kellermann 2000 verzichten darauf und benutzen den Terminus ‚Ereignisdichtung‘. 191 Kellermann 1989; dies. 2000; Schanze 1999; Honemann 1997; ders. 2005; Kerth 1997; dies. 2002.

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Ganz anders geht die Literaturhistoriographie mit der disparaten Textgruppe um. Hier hat sich Liliencrons Ansatz, die formal divergenten Texte aufgrund der (angenommenen) identischen Entstehungs- und Gebrauchssituation beisammenzuhalten, nicht durchgesetzt.192 Die Lieder werden hier stets in der Kategorie ‚Lied‘ respektive ‚Lyrik‘ des späten Mittelalters oder der frühen Neuzeit verhandelt,193 die Reimpaartexte hingegen im Bereich ‚Reimrede‘ respektive ‚Reimpaardichtung‘.194 In der sozialgeschichtlich konzipierten Darstellung von Thomas Cramer sind damit zugleich differente Verortungen verbunden: Hier wird das historisch-politische Ereignislied hinsichtlich seiner Entstehungs- und Gebrauchszusammenhänge zur städtischen Literatur, die Reimrede hingegen zur ständeübergreifenden Literatur gerechnet.195 Ferner fällt auf, dass nur die Lieder im Inhaltsverzeichnis namentlich ausgewiesen196 und im Haupttext mit einer eigenen knappen Darstellung berücksichtigt werden. Den ereignisbezogenen politischen Reimpaartexten mangelt es an dieser Sichtbarkeit. Sie werden subsumiert unter dem Begriff ‚Reimrede‘ und damit in einen form- und funktionsgeschichtlichen Kontext mit der lehrhaften Dichtung kleineren bis mittleren

192 Dass Uhlands und Liliencrons Haltung letztlich doch ihre Wirkung auf die Literaturhistoriographie gezeitigt hat, bekundet sich darin, dass die Reimpaarform ereignisbezogener Dichtung mit dem Hinweis auf inhaltliche und funktionale Verwandtschaft verschiedentlich doch im Zusammenhang mit den Liedern vermerkt wird bzw. dass sich unter den aufgeführten Textbeispielen auch Reimpaardichtungen finden. Beckers 1979, S. 26; Rupprich 21994, S. 187; Wehrli, Max: Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. 3., bibliographisch erneuerte Aufl. Stuttgart 1997, S. 763; Cramer 32000, S. 325; Holznagel 2013(c), S. 109. Anders Brunner 22010, S. 419, der aber mit Blick auf die „neuere Forschung“ auf die begriffliche Zusammenfassung von Liedern und Reimpaartexten als politische Ereignisdichtungen hinweist. 193 Rupprich 21994, S. 185–190 (‚historisch-politisches Lied‘); Wehrli 31997, S. 762–765 (‚Historische Volkslieder‘); Cramer 32000, S. 322–328 (‚Historisch-politische Lieder‘); Janota, Johannes: Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90–1380/90). Tübingen 2004. (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit. Bd. III: Vom späten Mittelalter zum Beginn der Neuzeit. Teil 1), S.  169–170 (‚historisch-politisches Ereignislied‘); Brunner 22010, S.  316–318 (‚Politisches Lied‘ [1350–um 1500]), 419 (‚Politisches Lied‘ [1500–1620]). 194 Rupprich 21994, S.  197–216 (‚Lehrhafte Versreden. Minne-Reden und -Allegorien. Heroldsund Wappendichtung. Peter Suchenwirt‘); Wehrli 31997, S. 692–696 (‚Reimrede‘ im Kap. ‚Didaktik, Satire, Parodie‘); Cramer 32000, S. 101–105 (‚Reimreden‘ im Kap. ‚Ständeübergreifende Literatur als Orientierungshilfe‘); Janota 2004, S. 344–355 (‚Zeitkritik und Herrenlob‘ im Kap. ‚Formen der Rede‘); Brunner 22010, S. 272–275 (‚Reimpaarreden‘ im Kap. ‚Kleinere Gedichte in Reimpaaren‘ [1150–um 1350]), 344–347 (‚Kleinere Gedichte in Reimpaaren‘ [um 1350–um 1500]). 195 Cramer 32000. 196 Nicht bei Janota 2004.

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Umfangs in Reimpaaren gestellt, die eine räsonierende, reflektierende Behandlung ihres Themas aus Sicht eines Ich-Sprechers kennzeichnet.197 Thomas Cramer etwa erwähnt einige Stücke aus dem Œuvre von Lupold von Hornburg; Horst Brunner verweist auf die politischen Reden Hans Rosenplüts mit Bezug auf die Hussitenkriege; Hans Rupprich nennt letztere ebenfalls und neben anderen auch die politischen Sprüche Hans Schneiders; bei Max Wehrli schließlich findet man die Textgruppe nur insofern berücksichtigt, als er vage von Reden „politischer Ermahnung“ spricht, aber keine konkreten Beispiele nennt.198 Es zeigt sich an dieser Aufstellung insgesamt, dass die Reimrede, die ereignisbezogen sein kann, wenn, dann nur in Verbindung mit einem Autornamen Eingang in die Literaturgeschichtsschreibung gefunden hat, Anonyma hingegen bleiben bislang weitgehend im Dunkeln. Doch resultiert dies auch aus dem mehrfach erwähnten Umstand, dass die verschiedenen Ausprägungen der spätmittelalterlichen Reimrede zumeist noch nicht hinreichend erschlossen sind – weder in Verzeichnissen und Editionen noch in Darstellungen.199 Einzig die Teichner- und Strickerreden sowie vor allem auch die Minnereden haben eine längere Forschungstradition.200 In der jüngeren Forschung zur ereignisbezogenen Dichtung werden zwei gegensätzliche Haltungen zum Umgang mit der Formdisparität sichtbar. Sonja Kerth, Volker Honemann und Karina Kellermann sehen von einer Differenzierung zwischen Lied und kleinerer Reimpaardichtung ab. Kerth stellt zu ihrem Textkorpus fest: „Die Lieder und Reimpaarsprüche stellen nicht eigene Untergattungen dar, sondern sind inhaltlich und funktional weitgehend identisch.“201 Honemann resümiert mit Blick auf sein Untersuchungsmaterial: „Das verbleibende Corpus

197 Rupprich 21994, S.  197; Wehrli 31997, S.  692–694.; Cramer 32000, S.  101–103; Janota 2004, S. 344f.; Brunner 22010, 273f., 344; Ziegeler, Hans-Joachim: Rede3. In: RL 3 (2007), S. 235–237. 198 Cramer 32000, S. 102; Brunner 22010, S. 345; Wehrli 31997, S. 693; Rupprich 21994, S. 213–215. Beckers 1979, S. 23, will die ereignisbezogenen Reimpaartexte der historiographischen Fachliteratur zuschlagen. 199 Dies konstatieren Brunner 22010, S. 344; Cramer 32000, S. 101; Ziegeler 2007, S. 237. 200 Vgl. etwa zum Teichner: Lämmert, Eberhard: Reimsprecherkunst im Spätmittelalter. Eine Untersuchung der Teichnerreden. Stuttgart 1970; zum Stricker: Holznagel, Franz-Josef: Der Wiener Codex 2705. Untersuchungen zu Überlieferung und Form kleinerer mittelhochdeutscher Reimpaardichtungen des 13. Jahrhunderts. Habil. (masch.) Philosophische Fakultät der Universität zu Köln 1999; zu den Minnereden: Brandis, Tilo: Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke. München 1968. (MTU 25); Glier, Ingeborg: Artes amandi. Untersuchung zu Geschichte, Überlieferung und Typologie der deutschen Minnereden. München 1971. (MTU 34); Rheinheimer, Melitta: Rheinische Minnereden. Untersuchungen und Edition. Göppingen 1975. (GAG 144); Klingner, Jacob / Lieb, Ludger: Handbuch der Minnereden. 2 Bde. Berlin / Boston 2013. 201 Kerth 1997, S. 4.

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enthält sowohl strophische als auch paargereimte Texte, also neben Liedern auch Texte, die sich selbst als ‚rede‘, ‚spruch‘ oder ‚gedicht‘ bezeichnen und in der Regel im gesprochenen Vortrag dargeboten wurden. Zwischen gesungenen und gesprochenen Texten zu differenzieren, erwies sich – wie schon Liliencron konstatierte – nicht als sinnvoll, […].“202 Und Kellermann formuliert schließlich präzise: Die äußere Form der historisch-politischen Ereignisdichtung ist innerhalb der Versdichtungen unspezifisch; sie umfaßt mehrstrophige Lieder und Reimreden in Paar- oder Kreuzreim. Das kürzeste Lied hat 5 vierversige Strophen, das längste 77 vierzehnversige, die Reimreden reichen von 59 bis zu 2216 Versen. Damit ist eine Kategorisierung nach Lyrik und Epik, nach strophischer und Reimpaardichtung, eben auch in Lied und Rede hinfällig.203

Obschon in Hinsicht auf den Primat von Funktion und Inhalt übereinstimmend, differieren Kellermann und Honemann jedoch merklich in der Perspektivierung der Formdifferenzen. Dies geht schon aus den Bezeichnungen für die Textgruppe hervor: Blendet Kellermanns Gattungsterm ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘204 die Formdifferenzen aus,205 so stellt Honemanns Begriff ‚politische Lieder und Sprüche‘206 sie bewusst aus. Ungeachtet dessen reicht Kellermanns Fundierung der Formnivellierung ereignisbezogener Dichtung weiter, wenn sie diese in den Kontext eines allgemeinen „Trends“ am Ende des Spätmittelalters stellt, wonach der Zweck die Form dominiere, die Ästhetik infolgedessen der Pragmatik untergeordnet sei.207 Bestätigt sieht sie dies auch mit Blick auf die Drucküberlieferung der Gattung ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘:

202 Honemann 1997, S. 402. Honemanns Korpus deckt sich beinah mit der Kompilation von Liliencron. 203 Kellermann 2000, S. 52. 204 Kellermann 2000. 205 Für den gesamten Bereich der politischen Dichtung des Mittelalters ist auch Ulrich Müller so verfahren, der mit Blick auf die politische Tendenz die unterschiedlichsten Formen – Lied, Leich, Sangspruch, Rede – unter dem Begriff ‚politische Lyrik‘ subsumierte. Vgl. zuletzt Müller 2 2007, S. 48. 206 Honemann 1997; ders. 2005. 207 Kellermann 2000, S.  52f., Anm. 86f. Kellermann beruft sich hier auf Mohr / Kohlschmidt 2 1977, S. 184, auf Lämmert 1970, S. 296, sowie v. a. auf Spriewald, Ingeborg: Über den Zusammenhang der Gattungen in der deutschen Reimdichtung des 15. und 16. Jahrhunderts. In: Forschungen und Fortschritte 36 (1962), S. 340–343. – Ausgehend vom Meistersang legt Spriewald dar, dass Stoffe im 15. und 16. Jahrhundert in unterschiedlichsten Formen verarbeitet und dargeboten wurden und dass dem Stoff demzufolge keine Formgebundenheit und der Form keine Stoffgebundenheit eignete sowie speziell für den Meistersang „der Sinn für eine ästhetische Durchdringung, für die organische Wechselbeziehung zwischen Form und Inhalt, verloren gegangen

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Konnte man schon im Blick auf die Produktionssphäre der Gattung keine fundamentalen Unterschiede erkennen, die die Entstehung der einen oder der anderen Form zwingend erfordert hätten, läßt sich diese Beobachtung auch in die Reproduktionssphäre verlängern: die gedruckte Überlieferung historisch-politischer Ereignislieder oder -reden zwingt weder unter quantitativen noch qualitativen Aspekten zu einer separaten Betrachtung.208

Anders positioniert sich Frieder Schanze zur Formfrage.209 Mit dem Fingerzeig auf Rochus von Liliencrons Sammlung ‚historischer Volkslieder‘ und Ulrich Müllers Untersuchungen zur ‚politischen Lyrik‘ gibt er zu bedenken, dass die Vorstellung von der Existenz einer literarischen Gattung suggeriert werde. Deren Konstituens bestünde angesichts der Unterschiedlichkeit der Formen einzig und allein im Thematischen, ausschließlich darauf aber könnten Gattungen nicht gegründet sein. Die Differenzen in Form und Funktion der angeblichen ‚Untergattungen‘ Lied, Sangspruch und Rede würden es verbieten, ein selbständiges Genre zu hypostasieren.210 Schanzes Kritik richtet sich demnach gegen die Praxis einer

war“. „Dem jeweiligen Zweck – der Ermahnung, Belustigung, Tatsachenvermittlung, unmittelbaren Belehrung“, so Spriewald weiter, „erscheinen alle Formen der Reimdichtung gleichmäßig untergeordnet. Als zwangsläufige Folge der Zweckgebundenheit ergibt sich, daß dem Inhalt und nicht der Form das Hauptinteresse zufiel. Die Form – Fastnachtspiel, Meisterlied, Reimpaargedicht – bedingte nicht die Wahl bestimmter Inhalte und prägte diese nicht in bestimmter, arteigener Richtung.“ (Ebd., S. 341) Aus der Feststellung, dass „[a]lle Gattungen in Versen mehr oder weniger auf einen reimpaarweisen Erzählstil hin[drängen]“ und „sich zunehmend der Prosa annähern“, zieht Spriewald den Schluss, dass „die Dichtung den Bedürfnissen des Alltags zweckdienlich untergeordnet wird und die Formen wie Werkzeuge gehandhabt werden“. (Ebd., S. 342) Zunächst bliebe zu prüfen, ob, wovon ich ausgehe, ein bestimmter Stoff nicht doch eine spezifische Bearbeitung erfährt, je nachdem, in welcher Form er dargeboten wird. Zudem spräche gerade eine Charakterisierung der Form als „Werkzeug“ zur Erfüllung eines bestimmten kommunikativen Zwecks für und nicht gegen ihre Berücksichtigung in Bezug auf die ereignisbezogene Dichtung. 208 Kellermann 2000, S. 265f. Obgleich sich Kellermann nicht darauf beruft, ließe sich eine auf die Materialität der ereignisbezogenen Dichtung gestützte Argumentation mit Brednichs Befund zur typographischen Einrichtung von strophischen und Reimpaardichtungen ergänzen: „Rein äußerlich gesehen ist zwischen der Überlieferung von Reim- und Liedpublizistik in gedruckter Form vielfach kein Unterschied feststellbar.“ (Brednich I 1974, S. 145) 209 Beckers und Ecker trennen in ihren Darstellungen zwischen ereignisbezogenen Reimpaartexten und Liedern. Beckers 1979, S. 23, begründet dies mit stilistischen und inhaltlichen Unterschieden, Ecker 1981, S. 229, beobachtet, dass die Reimreden „in allen Fällen der Reflexion mehr Raum [einräumen]“. Brednich 2001, S. 155, kritisiert die Einebnung der Formdifferenz bei Kellermann und sieht in der von ihr gestellten, jedoch nicht beantworteten Frage, was die Dichter zur Wahl der Lied- oder Redeform bewogen haben mag (Kellermann 2000, S. 304), ein Forschungsdesiderat. 210 Schanze 1999, S. 301.

Stand der Forschung zu ereignisbezogener Dichtung 

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Gattungskonstitution, welche die Komponenten ‚Inhalt‘ und ‚Thema‘ gegenüber der Form privilegiert. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Tatsächlich fokussieren Liliencron und Müller wie auch Kerth, Honemann und Kellermann aber keinesfalls allein auf inhaltliche und thematische Aspekte, sondern in Verbindung damit vor allem auf die funktionale und pragmatische Seite der Texte, was in Schanzes Kritik nicht deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Die Tragweite, mit der Schanze im Verweis auf die Gattungstraditionen die Nivellierung der Formdifferenzen kritisiert, ist deshalb aber nicht weniger aufschlussreich: Alle diese Untergruppen aber, mögen sie untereinander auch inhaltliche Berührungen und Überschneidungen aufweisen, sind gattungsgeschichtlich jeweils in ganz andere, dominierende Form- und Gebrauchszusammenhänge eingebunden: Das politische Lied beispielsweise ist nicht Untergattung einer (lediglich postulierten) Gattung ‚politische Lyrik‘, sondern es ist ein spezifischer Typus der Großgattung Lied, der sich vorzugsweise durch seine Thematik von anderen Liedtypen, dem geistlichen Lied, dem Liebeslied, dem Erzähllied (Ballade) usw. unterscheidet, durch Form und Gebrauch aber mit ihnen verbunden ist und nicht selten Strophenformen und Melodien mit ihnen teilt.211

Dass die ereignisbezogene Dichtung in unterschiedlich ausgeprägten diachronen wie synchronen Verwandtschaftsverhältnissen zu anderen Textgruppen steht, thematisieren auch Karina Kellermann und Sonja Kerth,212 doch geht es ihnen dabei in erster Linie um die Markierung von Grenzen im Gattungsgefüge des Spätmittelalters, während Schanze mit Rücksicht auf die metrische Form die Verbindungen akzentuieren möchte und diese für die Frage des Gebrauchs der Texte relevant macht: Den textinhärenten ästhetisch-formalen Eigenschaften entspricht dabei immer auch ein pragmatischer Aspekt, denn die poetischen Formen existieren in besonderen Gebrauchszusammenhängen, sie bilden bis zu einem gewissen Grad gesonderte Kommunikationsbereiche, die ihre eigenen Trägerkreise, Produktionsbedingungen, Rezeptionsweisen und Funktionsmuster haben.213

Angesichts der Implikationen für funktionale Aspekte der Form ereignisbezogener Dichtung, die Schanze mit den Gattungstraditionen indiziert, erstaunt die Haltung der Forschung in der Formfrage umso mehr, da doch die Wirkungsabsicht und Wirkungsentfaltung sowie auch der ‚Sitz im Leben‘ die Beschäftigung mit der ereignisbezogenen Dichtung im 20. Jahrhundert ganz wesentlich moti-

211 Schanze 1999, S. 301. 212 Kerth 1997, S. 5f., 268–270; Kellermann 2000, S. 83–104 (Kap. ‚Affinitäten und Oppositionen zu anderen Gattungen‘). 213 Schanze 1999, S. 302.

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 Grundlagen

viert und die Forschung zu der bewussten Textgruppe entscheidend vorangetrieben hat. Einige Vermerke zur Relevanz der Form finden sich schließlich doch: So machen Kerth und Honemann auf die Tonwahl als „Mittel des politischen Verweisens“214 aufmerksam und unterstreichen damit, dass eine bestimmte Melodie zur rezipientenseitigen Bedeutungskonstitution eines Ereignisliedes beitragen konnte, und zwar aufgrund der Tatsache, dass an die aus aktuellem Anlass neutextierte Melodie bereits Inhalte vergangener Anlässe gekoppelt waren, immer vorausgesetzt natürlich, die vorgängigen Text-Melodie-Einheiten waren dem Publikum bekannt.215 Dieser Aspekt betrifft die spezifischen Kopplungen zwischen Strophenform und Liedthema bzw. Liedgenre; das Aufgreifen eines populären Tons und die Textierung mit neuem Inhalt stellen die Botschaft in eine bestimmte literarisch-musikalische Tradition216 und – wie Kerth und Honemann nahelegen – in den Kontext eines bestimmten politischen Diskurses. Überlegungen zur Klangform als Beglaubigungsmittel stellen Honemann und Kellermann an. Hinsichtlich der Strophenform der Lieder konstatiert Honemann: Sie rekurrierten auf die literarischen und musikalischen Vorstellungen einer bildungsmäßig breit gefächerten Zuhörerschaft und schufen so rasch eine Atmosphäre des Vertrauens dem inhaltlich weitgehend neuen oder neu gedeuteten Gegenstand und dem Vortragenden gegenüber; inhaltliche Aussagen wurden so durch die formale Gestaltung der Lieder beglaubigt.217

Bezüglich der Wahl der Reimpaar- anstelle der strophischen Form stellt Kellermann die These auf, „daß diese Entscheidung eine Konzession an den historischen Stoff und das Wahrheitspostulat ist“.218 Darüber hinaus deutet sie auf den Umstand hin, dass die Wahl der strophischen Form die Strukturierung der Darstellung bedingt: „Die Autoren haben die poetische Form aber bei der Gestaltung ihrer Inhalte insofern genau beachtet, als sie die Strophengrenzen nahezu einhellig zur inhaltlichen Zäsurierung genutzt haben. Sprecherwechsel im Dialog, Veränderung der Perspektive, Varianten im Erzählgestus oder auch nur ein neues Glied in einer Kette von Aufzählungen – all dies fällt mit dem Strophen-

214 Kerth 1997, S. 307. 215 Jeweils mit Angabe von Beispielen: Kerth 1997, S. 307; Honemann 1997, S. 412. 216 Beispielsweise lässt sich für das Spätmittelalter eine Affinität zwischen der Vagantenstrophe und Liebesliedern und Erzählliedern mit Liebesthematik konstatieren. Frank, Horst Joachim: Handbuch der deutschen Strophenformen. 2., durchgesehene Aufl. Tübingen / Basel 1993. (UTB für Wissenschaft, Uni Taschenbücher 1732), S. 148f. 217 Honemann 1997, S. 412. 218 Kellermann 2000, S. 304.

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wechsel zusammen.“219 Diese Beobachtungen betreffen die Möglichkeiten der Themenentfaltung,220 die durch die Ausprägung der gebundenen Sprachform bedingt wird. Während Struktur und Komplexität der Syntax – und demzufolge auch der Gedankengänge – in der Reimpaardichtung nicht zwingend an die Grenzen der metrischen Grundeinheit des Verspaares gebunden sind, werden sie in strophischen Texten durch Umfang und Bauform der Versgruppe determiniert und auf diese Weise vorstrukturiert, da Strophenenjambements im Mittelalter und der Frühen Neuzeit noch die Ausnahme bilden.221 Zu ergänzen bleibt schließlich die metrische Struktur als Indikator für die Aufführungsart des Textes: Stichische Texte eignen sich für den Sprechvortrag, während strophisch gegliederte Texte Sangbarkeit auszeichnet und für sie daher der Gesangsvortrag in Betracht gezogen werden kann.222 An dieser Stelle zeigt sich die Entsprechung von Ästhetik und Pragmatik des Textes, auf die Schanze mit Blick auf die Nivellierung der Form in der Forschung zur politischen, ereignisbezogenen Dichtung hingewiesen hat.223 Da, wie die Forschung konsensuell einräumt, auch nach der Etablierung des Typendrucks und der zunehmenden ereignisunmittelbaren Verbreitung in Ein- und Mehrblattdrucken mit mündlichen Gebrauchsszenarien zu rechnen ist,224 spielt die Aufführungsart für die Relevanz der Form ereignisbezogener Dichtung weiterhin eine tragende Rolle, wenn es um ihren ‚Sitz im Leben‘ geht.225 Im Anschluss an Frieder Schanze und angeregt durch die von der Forschung vermerkten formspezifischen Aspekte der Wirkungsentfaltung und des Gebrauchs der Ereignisdichtungen soll in der vorliegenden Untersuchung ein Korpus ereignisbezogener Dichtung mit Blick auf seine Binnendifferenzen und Gattungspartizipationen analysiert werden.226

219 Kellermann 2000, S. 303f. 220 Zu diesem Begriff vgl. Kap. II.1.2.2. 221 Auf die Seltenheit von Strophenenjambements weisen hin: Frank 1993, S. 25, und Heusler, Andreas: Deutsche Versgeschichte. Mit Einschluss des Altenglischen und Altnordischen Stabreimverses. 3 Bde. Berlin / Leipzig 1925, 1927, 1929. (Grundriss der Germanischen Philologie 8), hier Bd. 2 1927, S. 247. 222 Vgl. im Folgenden Kap. II.1.1.2. 223 Schanze 1999, S.  302. Auf die Differenzen der performativen Möglichkeiten von Lied und Rede weist auch Brednich 2001, S. 155, hin. 224 Vgl. hierzu oben Kap. I.1.2. 225 Bernd Thum 1984, S. 311, etwa ging von einer größeren Publizität der Lieder gegenüber den nicht-sangbaren Reimpaartexten aus, und zwar aufgrund der Möglichkeit des „Nachsingens“ durch die Rezipienten. 226 Vgl. zu diesem Vorhaben Kap. I.3.

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2 Die Hemmingstedter Ereignisdichtungen 2.1 Hintergrund und Umriss Am 17. Februar 1500 standen sich die Dithmarscher und das Heer von König Hans I. von Dänemark (1455–1513) in der Nähe von Hemmingstedt feindlich gegenüber. Dort hatten die Dithmarscher in der Nacht zuvor eine Schanze aufgeworfen und das aus Meldorf heranziehende Heer erwartet, das den einstigen Hauptort im südlichen Teil des Landes erst kurz zuvor eingenommen hatte und nun auf seinem Weg nach Norden war. Dieser führte den König, seinen Bruder Friedrich, Herzog von Schleswig und Holstein (1471–1533), die Adligen aus Holstein, Schleswig, Dänemark und anderen Territorien sowie nicht zuletzt auch ein Söldnerheer – die sogenannte große Garde unter der Führung von Thomas Slentz und ausgerüstet mit schwerer Artillerie – auf einem schmalen Damm durch die feuchte und unwegsame Marsch. Ungünstige Wetterverhältnisse – Sturm, Hagel und Schnee – kamen erschwerend hinzu, weshalb die Dithmarscher aus ihrer strategisch günstigen Position heraus und vertraut mit den Gegebenheiten der Marschlandschaft schlussendlich den Sieg davontragen konnten, obgleich sie mit einigen hundert Männern dem mehrere tausend Männer zählenden feindlichen Heer zahlenmäßig unterlegen waren. Die Absicht des Königs, sich das Land an der Nordsee zwischen der Eider im Norden und der Elbe im Süden gewaltsam untertan zu machen, war damit gescheitert.227

227 Vgl. hierzu auch das Glossar in Teil 2: Kap. I.3. Zu Geschichte und Vorgeschichte der Schlacht bei Hemmingstedt siehe v. a. Lammers, Walther: Die Schlacht bei Hemmingstedt. Freies Bauerntum und Fürstenmacht im Nordseeraum. Eine Studie zur Sozial-, Verfassungs- und Wehrgeschichte des Spätmittelalters. 3. Aufl. Heide 1987; Stoob, Heinz: Geschichte Dithmarschens im Regentenzeitalter. Heide in Holstein 1959, S. 61–90; darüber hinaus die älteren Darstellungen von Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Hrsg., am Schluß ergänzt und mit Excursen begleitet von Wilhelm Heinrich Kolster. Leipzig 1873, S. 94–100, 296–301; Chalybaeus, Robert: Geschichte Ditmarschens bis zur Eroberung des Landes im Jahre 1559. Kiel / Leipzig 1888. Unveränderter Neudruck Vaduz / Liechtenstein 1985, S. 157–179; Nehlsen, Rudolf: Dithmarscher Geschichte nach Quellen und Urkunden. Hamburg 1894, S. 278–308; ders.: Geschichte von Dithmarschen. Tübingen 1908. (Tübinger Studien für Schwäbische und Deutsche Rechtsgeschichte 2), S. 64–71; vgl. auch die jüngeren, in der Hauptsache auf Walther Lammers zurückgreifenden Darstellungen: Nissen, Nis Rudolf: Epochen der Dithmarscher Geschichte. In: Kamphausen, Alfred / Nissen, Nis R. / Wohlenberg, Erich: Dithmarschen. Geschichte und Bild einer Landschaft. Heide in Holstein 1968, S.  33–73, hier S. 54–59; Hoffmann, Erich: Spätmittelalter und Reformationszeit. Neumünster 1990. (Geschichte Schleswig-Holsteins 4.2), S. 309–321; Urban, William L.: Dithmarschen, a medieval peasent republic. Lewiston u. a. 1991, S. 109–116; Witt, Reimar: Die Schlacht bei Hemmingstedt – Wahrheit

Die Hemmingstedter Ereignisdichtungen 

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Hans I., seit 1481 König von Dänemark, war in Personalunion seit 1482 zugleich Herzog von Schleswig und Holstein. Insbesondere die territorialen Ansprüche Holsteins in Dithmarschen hatten eine lange Vorgeschichte.228 Bereits zweimal – 1319 in der Schlacht von Oldenwöhrden und 1403/1404 in der Schlacht in der Hamme – hatten die Dithmarscher die Angriffe der Grafen von Holstein, seinerzeit noch die Schauenburger, abwehren und vereiteln können. Nachdem Hans‘ Vater, König Christian I. von Dänemark (1426–1481) aus dem Geschlecht der Oldenburger, 1460 die Nachfolge in der Grafschaft Holstein angetreten hatte, strebte auch er danach, den Machtbereich Holsteins, das im Osten unmittelbar an Dithmarschen grenzte, nach Westen hin auszudehnen, was u. a. einen Zugriff auf die Elbmündung versprochen hätte. 1473 erreichte er als Herzog von Schleswig und Graf von Holstein die Belehnung mit dem Land Dithmarschen durch Kaiser Friedrich III. (1415–1493). Im darauffolgenden Jahr erhob der Kaiser die Grafschaft zum Herzogtum einschließlich der Lande Stormarn und Dithmarschen. Die Dithmarscher erkannten die Belehnung nicht an, gemeinsam mit dem Erzbischof von Bremen wandten sie sich an den Papst und beriefen sich auf ihre Lehnsabhängigkeit vom Erzbistum Bremen, die seit der Schlacht bei Bornhöved zumindest nominell bestanden hatte. Der Papst intervenierte infolge dessen 1476 und bedrohte jeden mit Bann und Interdikt, der das alte Lehnsverhältnis nicht anerkennen wollte. Der Kaiser zog seine Belehnung daraufhin zurück. Als König Christian 1481 starb, hatte er sein Ziel nicht erreicht. Die Ansprüche blieben jedoch bestehen, so dass sein Sohn und Nachfolger Hans I. zuletzt den Krieg als Mittel wählte, seine politischen Ziele in Dithmarschen gewaltsam durchzusetzen.229 Insgesamt vier auf das Jahr 1500 datierte Drucke sowie mindestens 28 Handschriften aus dem Zeitraum vom Ende des 14.230 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts überliefern zwölf mittelniederdeutsche Ereignisdichtungen, die sich auf den Vorfall vor Hemmingstedt beziehen lassen, darunter vier Paar- bzw. Kreuz-

und Legende. In: Demokratische Geschichte. Jahrbuch für Schleswig-Holstein 12 (1999), S. 33– 48; Mißfeldt, Jörg: Die Republik Dithmarschen. In: Geschichte Dithmarschens. Hrsg. von Martin Gietzelt. Bd. 1. Heide 2015, S. 131–176, hier S. 133–141. 228 Zu diesem Abschnitt vgl. Lammers 31987, S. 44–56; Hoffmann 1990, S. 309–314. 229 Zum Ereignishergang siehe v. a. Lammers 31987. Lammers zählt auch ausdrücklich die Hemmingstedter Ereignisdichtungen zu seinem Quellenkorpus. (Ebd., S. 21–28) Für die Ereignisskizze wurden daher nur solche Angaben berücksichtigt, die Lammers nicht explizit aus den Ereignisdichtungen geschlossen hat, sondern die durch zahlreiche andere Quellen dokumentiert sind. 230 Die frühe Datierung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Kreuzreimdichtung Nr. 3 nach 1500 in den älteren Codex der ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ von Ernst von Kirchberg eingetragen wurde. Vgl. den Eintrag zu Hs 1, Teil 2: Kap. II.2.

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 Grundlagen

reimdichtungen und acht Lieder.231 Die Identifizierung des dargestellten Ereignisses mit der Schlacht bei Hemmingstedt wird in erster Linie durch Zuordnungen und Zuschreibungen im – meist historiographischen – Überlieferungskontext geleistet. Auf der Grundlage dieser Zuschreibungen und ihrer Tradierung wurde das Korpus der ereignisbezogenen Dichtung der Schlacht bei Hemmingstedt für die vorliegende Arbeit zusammengestellt. Bei genauerer Betrachtung ist indes auch anhand textinterner Kriterien eine Zuschreibbarkeit zur Schlacht bei Hemmingstedt gewährleistet, denn bei aller Verschiedenheit weisen ausnahmslos alle Texte des Hemmingstedter Ensembles eine Schnittmenge von historisch referenzialisierbaren Personen- und Ortsangaben (König, Garde, Dithmarscher; Dithmarschen, Meldorf) sowie chronologisch gereihten Motiven des Geschehens auf. In der Zusammenschau verbinden sich diese Gemeinsamkeiten des Ereignisbezugs zu dem folgenden Narrativ der Schlacht bei Hemmingstedt, das allen Texten zugrunde liegt: Ein König, meist Hans genannt, will das Land Dithmarschen erobern. Aus diesem Grund zieht er mit der großen Garde, einem Söldnerheer, in Dithmarschen ein. Den vorläufigen Höhepunkt ihres Zuges markiert die Einnahme des Hauptortes Meldorf. Auf dem Schlachtfeld unterliegen sie dann jedoch den Dithmarschern. Diese erobern nach ihrem Sieg die Stadt Meldorf zurück. In den Liedern schließt die Darstellung mit Motiven, die in varianter Ausprägung den Sieg der Dithmarscher bzw. die Niederlage ihrer Gegner akzentuieren – darunter das gemeinsame Siegesmahl der Dithmarscher (Nr. 8) und die Klage der Königin über den Tod ihres Gatten (Nr. 9). Die Ereignisdichtungen werden überwiegend anonym überliefert. Lediglich ein Lied (Nr. 11) wird in den Chronikhandschriften dem Büsumer Pfarrer Andreas Brus zugeschrieben, Belege dafür gibt es jedoch nicht. Die Kreuzreimdichtung Nr. 3 stammt vermutlich von dem Theologen und Gelegenheitsdichter Heinrich Boger (gest. 1505). Zusammen mit der Reimpaardichtung Nr. 1 verarbeitet dieser Text eine lateinische Elegie in Distichen aus Bogers eigener Feder (Nr. 13). Neben dem Klagegedicht gibt es eine weitere lateinische Dichtung (Nr. 14) von Hermann von dem Busche (um 1468–1534), ferner zwei dänische, erzählende Lieder sowie auch eine mittelschwedische Übertragung der Reimpaardichtung Nr. 2 aus dem Untersuchungskorpus. Die vorliegende Arbeit stellt die mittelniederdeutschen Texte in das Zentrum und berücksichtigt die anderen Stücke nur am Rande.232

231 Im Folgenden wird auf die Texte und Überlieferungsträger mit den Siglen aus der Edition (vgl. Teil 2: Kap. I.2 bzw. I.4) bzw. aus dem ‚Katalog der Überlieferungsträger‘ (vgl. Teil 2: Kap. II.2 bzw. II.3) verwiesen. 232 Die lateinischen Stücke von Heinrich Boger und Hermann von dem Busche sind in Teil 2: Kap. I.4 unter den Nummern 13 und 14 nach den Drucken wiedergegeben; die Drucke werden

Die Hemmingstedter Ereignisdichtungen 

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2.2 Forschung Im Jahr 1827 gab Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860), seinerzeit außerordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Kiel,233 die ‚Dithmersche Historische Geschichte‘ von Johannes Neocorus (1555/1560 – nach 6.12.1630, Hs 8) heraus, die bereits um 1600 verfasst und erst auf Nachfrage und Initiative Dahlmanns im Jahr 1817 in Meldorf wieder aufgefunden werden konnte.234 Erstmals erschien mit dieser Ausgabe der Großteil der Texte nach seiner Entstehung und handschriftlichen Überlieferung von 1500 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts im Druck.235 Dabei führte der Herausgeber zugleich Ereignisdichtungen aus Tradierungslinien zusammen, die sich zuvor noch nicht berührt hatten. Denn er berücksichtigte nicht nur die Stücke, die Neocorus nach seiner Darstellung der Schlacht aufgezeichnet hatte, sondern fügte im Anhang des zweiten Bandes weitere Lieder aus anderen handschriftlichen Zeugnissen der Dithmarscher Geschichtsschreibung hinzu, und zwar aus dem Autograph der Chronik von Hans Detleff (um 1600 – ca. 1659, Hs 9), aus der Abschrift der Chronik von Peter Sax (1597–1662, Hs 10.1) sowie aus einer Abschrift der Kollektaneen von Johann Russe (um 1506 – um 1555, Hs 4). Jedoch erreichte das Korpus durch weitere Quellenfunde erst 1911 seinen bis heute bekannten Umfang.236

in Teil 2: Kap. II.3 beschrieben (D 5, D 6, D 7). Die mittelschwedische Reimpaardichtung ist nach einer Handschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts abgedruckt bei Blomqvist, Gunnar (Hrsg.): Den fornsvenska dikten om ett gyllene år. Uppsala 1970, S. 70–87. Die dänischen Lieder finden sich bei Grundtvig, Svend (Hrsg.): Danmarks gamle Folkeviser. Teil 3. Kopenhagen 1862, Nr. 169 und Nr. 170. 233 Lüdtke, Angela: Zur Chronik des Landes Dithmarschen von Johann Adolph Köster, gen. Neocorus. Eine historiographische Analyse. Heide 1992, S. 24. 234 Lüdtke 1992, S. 22. 235 Johann Adolfi’s, genannt Neocorus, Chronik des Landes Dithmarschen. Aus der Urschrift hrsg. von Friedrich Christoph Dahlmann. 2 Bde. Kiel 1827, hier Bd. 1, S. 495–525, die Reimpaartexte Nr. 1 und Nr. 2 und die Lieder Nr. 8, 9, 10, 11 aus der Chronik von Neocorus (Hs 8), und Bd. 2, S. 560–565, Lied Nr. 12A aus der Chronik von Hans Detleff (Hs 9), Lied Nr. 12B aus der Chronik von Peter Sax (Hs 10) sowie aus der Hamburger Abschrift der Kollektaneen von Johann Russe (Hs 4) die Lieder Nr. 4 und 5 in Auszügen. Die gedruckten Chroniken Dithmarschens aus dem 16., 17. und 18. Jh. enthalten die Hemmingstedter Ereignisdichtungen nicht. Auszüge aus Nr.  1 und 2 sowie aus Nr. 4 und 5 bei Westphalen, Ernst Joachim von: Monumenta inedita rerum Germanicarum praecipue Cimbricarum et Megapolensium. Bd. 4. Leipzig 1745, sowie aus Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 11 bei Mohr, Peter: Zur Verfassung Dithmarsens alter und neuer Zeit. In freier Beurtheilung, auch nach geschichtlichem Verlauf, besonders der Vorzeit Thaten und Leben, wie auch mit nach landesbeschreibender Art. Altona 1820, S. 203–212. 236 Weiland, Ludwig (Hrsg.): Beitrag zu den Dithmarscher Volksliedern auf die Schlacht bei Hemmingstedt. In: Jahrbücher für die Landeskunde der Herzogthümer Schleswig, Holstein und

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 Grundlagen

Ausgehend von Dahlmanns Neocorus-Ausgabe nahm die Rezeption der Ereignisdichtungen ihren Anfang, wobei zwischen einer ereignisgeschichtlich interessierten geschichtswissenschaftlichen237 einerseits und einer literaturgeschichtlichen Rezeption vonseiten der Germanistik und der Niederdeutschen Philologie andererseits zu unterscheiden ist.238 Zuerst fanden die Texte Eingang in die ‚Sammlung historischer Volkslieder und Gedichte der Deutschen‘ von Oskar L. B. Wolff,239 die ‚Alte(n) hoch- und niederdeutsche(n) Volkslieder‘ von Ludwig Uhland, ‚Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert‘ von Rochus von Liliencron sowie in den ‚Deutsche(n) Liederhort‘ von Ludwig Erk und Franz Böhme.240 Regionalen Zuschnitts war dagegen die Anthologie von Karl

Lauenburg 9 (1867), S.  107–116: Nr.  4, 5 und 6; Krause, Karl Ernst Hermann: Nachtrag zu den Dithmarschen-Liedern auf die Schlacht von Hemmingstedt, 1500 Febr. 17. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schlewig-Holstein-Lauenburgische Geschichte 5 (1875[b]), S.  363–372: 12C; ders.: Zur Dithmarschenschlacht von 1500. Darin zwei zeitgenössische Lieder lateinisch und niederdeutsch. In: Zeitschrift für Schleswig-Holstein-Lauenburgische Geschichte 11 (1881), S.  3–24: Nr. 13 und Nr. 3; Karsten Schröders Ditmarsische Chronik, aufgefunden von Herrn Geheimrath Michelsen, darin Carmen auf die Schlacht bei Hemmingstedt. Hrsg. von Wilhelm Heinrich Kolster. Mit Einleitung und Erläuterung von Geheimrath Professor Dr. Karl Müllenhoff. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 8 (1878), S. 206–263: Nr. 1; Prien, Friedrich (Hrsg.): Van den Detmerschen is dyt ghedicht. In: NdJb 10 (1884), S. 89–102: Nr. 2; Claussen, Bruno (Hrsg.): Ein niederdeutsches Gedicht auf die Schlacht bei Hemmingstedt mit einem Verzeichnis der gefallenen Edelleute. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 41 (1911), S. 273–282: Nr. 7. 237 Die oben (Kap. I.2.1) genannten Darstellungen zur Schlacht bei Hemmingstedt verarbeiten auch die Ereignisdichtungen. Das geschichtswissenschaftliche Interesse bekunden auch die Veröffentlichungen zu den Ereignisdichtungen in regionalhistorischen Fachzeitschriften. 238 An dritter Stelle kam es zu einem dezidiert literarischen Interesse an den Ereignisdichtungen. Denn diese wurden von Friedrich Hebbel (1813–1863), Theodor Fontane (1819–1898), Klaus Groth (1819–1899), Johann Heinrich Otto Meyer (1829–1904), Detlev von Liliencron (1844–1909) und Albert Mähl (1893–1970) zu neuen Gedichten und Liedern über die Schlacht bei Hemmingstedt verarbeitet. Dazu wird ein Beitrag der Verfasserin im Hebbel-Jahrbuch erscheinen. 239 Vgl. dazu die scharfe Kritik bei Soltau 1836, S. XXII, XXXIV, XXXVIf. 240 Wolff 1830; Uhland, Ludwig (Hrsg.): Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder. Bd.  1: Liedersammlung in fünf Büchern, Erste Abt. Stuttgart / Tübingen 1844; Liliencron II 1866; Erk, Ludwig / Böhme, Franz M. (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Auswahl der vorzüglichen Deutschen Volkslieder, nach Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart gesammelt und erläutert von Ludwig Erk. Neubearbeitet und fortgesetzt von Franz M. Böhme. Bd. 2. Leipzig 1893. Im 20. Jahrhundert kamen zwei weitere Sammlungen dazu: Alpers, Paul (Hrsg.): Alte niederdeutsche Volkslieder mit ihren Weisen. Gesammelt und mit Anmerkungen versehen von Paul Alpers. 2., stark veränderte Aufl. Münster 1960, und Steinitz, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Bd.  I und II reprinted und zusammengebunden. Berlin 1979. (Zuerst Berlin 1955. Deutsche Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen des Instituts für Volkskunde 4), hier Bd. 1.

Die Hemmingstedter Ereignisdichtungen 

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Müllenhoff (‚Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg‘).241 So wurden die Ereignisdichtungen nach über 300 Jahren herausgelöst aus dem historiographischen Kontext des Landes Dithmarschen und zum Gegenstand von Kompilationen, die sich als „Seitenzweig“242 der auf Herder zurückgehenden romantischen Besinnung auf die ‚Volkspoesie‘ den sogenannten ‚historischen Volksliedern‘ widmeten.243 Zeitlich etwas verzögert zu dieser Entwicklung fanden die Hemmingstedter Ereignisdichtungen Aufnahme in einschlägige Bestandsaufnahmen und literaturgeschichtliche Darstellungen der Germanistik des 19. Jahrhunderts, wenngleich es sich dabei um wenig mehr als knappe Registrierungen handelte, und zwar in Karl Goedekes ‚Deutsche Dichtung im Mittelalter‘ von 1854, in die erste Auflage von Goedekes ‚Grundrisz zur Geschichte der Deutschen Dichtung aus den Quellen‘ von 1859, ferner in Hermann Oesterleys ‚Niederdeutsche Dichtung im Mittelalter‘ von 1871, in die zweite Auflage von Goedekes ‚Grundrisz‘ aus dem Jahr 1884 sowie in den Beitrag ‚Mittelniederdeutsche Literatur‘ von Hermann Jellinghaus im zweiten Band von Pauls ‚Grundriss der germanischen Philologie‘.244 Ähnlich wie Goedekes ‚Grundrisz‘ im 19. Jahrhundert für die gesamte deutsche Literaturge-

241 Müllenhoff, Karl (Hrsg.): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. 4. Aufl. Kiel 1845. Zu ergänzen ist: Kuckei, Max: Volkslieder aus Dithmarschen. Heide in Holstein 1936, mit Auszügen aus den Hemmingstedter ereignisbezogenen Dichtungen. Eine Darstellung der Schlacht mit übersetzten Auszügen aus den Ereignisdichtungen in: Schmolke, H.: Proben gleichzeitiger Volkslieder über die Schlachten bei Hemmingstedt (1404 u. 1500). In neuhochdeutscher Übertragung mitgeteilt. In: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst 33 (1874) II. Semester. II. Band, S. 201–214. 242 Kellermann 2000, S. 66. 243 Dazu: Kellermann 2000, S. 65–74. 244 Goedeke, Karl: Deutsche Dichtung im Mittelalter. Hannover 1854, S. 866; ders.: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen. Bd.  1. Hannover 1859, S.  104; ders.: Grundrisz zur Geschichte der Deutschen Dichtung aus den Quellen. 2., ganz neu bearbeitete Aufl. Bd. 1: Das Mittelalter. Dresden 1884, S. 462; Oesterley, Hermann: Niederdeutsche Dichtung im Mittelalter. Als zwölftes Buch der Deutschen Dichtung im Mittelalter von Karl Goedeke. Dresden 1871, S. 48; Jellinghaus, Hermann: Mittelniederdeutsche Literatur. In: Grundriss der germanischen Philologie. Hrsg. von Hermann Paul. Bd. 2.1. Strassburg 1893, S. 419–452, hier S. 428. Hingegen keine Erwähnung bei: Stammler, Wolfgang: Geschichte der niederdeutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig / Berlin 1920. (Aus Natur und Geisteswelt. Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen 815). – Auch in einigen jüngeren Darstellungen finden die Hemmingstedter Ereignisdichtungen Erwähnung: Beckers 1979, S. 26; Cordes, Gerhard: Mittelniederdeutsche Dichtung und Gebrauchsliteratur. In: Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Hrsg. von Gerhard Cordes / Dieter Möhn. Berlin 1983, S. 351–390, hier S. 365; Frank, Horst Joachim: Literatur in Schleswig-Holstein. Bd. 1: Von den Anfängen bis 1700. Neumünster 1995, S. 129–131.

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 Grundlagen

schichte verfolgte das von Wolfgang Stammler initiierte ‚Verfasserlexikon‘ im 20.  Jahrhundert die möglichst vollständige Erfassung der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters.245 Hier nun wurden die Lieder und Reimpaadichtungen über die Schlacht bei Hemmingstedt jedoch erst in der ab 1978 publizierten zweiten Auflage berücksichtigt. Der von Frieder Schanze hierfür geschriebene Beitrag246 widmet sich jedem Text mit einer kurzen formalen und inhaltlichen Charakterisierung und mit einer ausführlichen Auflistung der Textzeugen.247 Einer an der Überlieferung interessierten Untersuchung des Textkorpus verschafft dieser Beitrag damit den ersten Zugang. Ähnlich angelegt und auf Schanze zurück greifend sind die jüngeren Lexikonartikel von Jürgen Wolf in ‚Killys Literaturlexikon‘ und von Christoph Fasbender im ‚Mittelalter-Lexikons‘.248

245 Stammler, Wolfgang: Vorrede. In: Die Deutsche Literatur des Mittelalters Verfasserlexikon. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen hrsg. von Wolfgang Stammler. Bd.  1. Berlin / Leipzig 1933, S. V–VII, hier S. V. Während Karl Goedeke ausdrücklich das metrisch und rhythmisch gebundene Schrifttum im Blick hatte (ders. 1859, S.  1), verfolgte Wolfgang Stammler mit dem Verfasserlexikon von Anfang an das Ziel, „ein umfassendes Bild von dem Reichtum des mittelalterlichen Schrifttums in deutscher Sprache“ zu geben, dass sich nicht nur „auf die Dichtung oder wohl gar nur auf deren Höhepunkte“ beschränkte, sondern auch die „historische, philosophische, theologische, juristische, medizinische und naturwissenschaftliche Literatur“ einschloss. (Stammler 1933, S. V) Dem Literaturverständnis des Verfasserlexikons liegt der erweiterte Literaturbegriff zugrunde, der Literatur quasi mit der Schriftlichkeit gleichsetzt. Vgl. Ruh 1985, S. 265. 246 Schanze, Frieder: Schlacht bei Hemmingstedt (Lieder und Sprüche). In: 2VL 8 (1992[a]), Sp. 690–696. 247 Die Angaben zu den Überlieferungsträgern wurden im Rahmen dieser Arbeit teils ergänzt. 248 Wolf, Jürgen: Hemmingstedt, Schlacht bei. In: Killy Literatur-Lexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. 2., vollständig überarbeitete Aufl. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann u. a. Bd. 5. Berlin / New York 2009, S. 257–259. Wolf skizziert die historische Situation und widmet sich dann schwerpunktmäßig der lateinischen Elegie und den mittelniederdeutschen Gedichten, die schon in zeitgenössischen Inkunabeldrucken verbreitet wurden. Demgegenüber fallen die Angaben zu den Liedern und zur handschriftlichen Überlieferung recht knapp und summarisch aus, was sich auch darin zeigt, dass zwar die Drucke im Gesamtkatalog der Wiegendrucke nachgewiesen werden (jedoch ohne Exemplarangaben), für die Handschriften allerdings keine Nachweise erbracht werden. Allerdings erhebt Killys Literaturlexikon anders als das Verfasserlexikon auch nicht den Anspruch, die Überlieferung der Literatur zu dokumentieren. Zu korrigieren sind zwei Angaben: Bei Heinrich Bogers ‚Etherologium‘ (vgl. Katalogeintrag zu D 7) handelt es sich um einen Rostocker Druck von 1506, nicht um eine handschriftliche Sammlung von Bogers Gedichten; die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ (vgl. Katalogeintrag Hs 1) tradiert als Nachtrag auf den letzten Seiten eine mittelniederdeutsche Übertragung von Bogers Elegie (vgl. Edition und Kommentar Nr. 3), nicht eine Abschrift davon, die der Reimchronik im Nachhinein vorgeschaltet wurde. – Fasbender, Christoph: Schlacht bei Hemmingstedt. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter. Autoren und Werke nach Themenkreisen und Gattungen. Hrsg. von Wolfgang Achnitz. Bd. 3: Reiseberichte und Geschichtsdichtung. Mit einführenden Essays von

Die Hemmingstedter Ereignisdichtungen 

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Zwar haben die Hemmingstedter Ereignisdichtungen in die besagten Lexika Eingang gefunden, jedoch nicht in die jüngeren Literaturgeschichten der Germanistischen Mediävistik.249 Dies ist mit den konzeptionellen Unterschieden zu erklären: Die Lexika haben den Charakter von Bestandsaufnahmen und Repertorien der deutschsprachigen Literatur und sind auf Vollständigkeit hin angelegt, während die Literaturgeschichten darstellend auf die literarische Schriftlichkeit des Mittelalters zugreifen und zu diesem Zweck aus dem überlieferten Material auswählen. Hinzu kommt einerseits, dass die germanistischen Darstellungen von Horst Brunner, Thomas Cramer, Johannes Janota, Hans Rupprich und Max Wehrli zwar gemessen an ihren Vorworten die niederdeutsche Literatur nicht explizit ausschließen und auch durchaus einige niederdeutsche Werke berücksichtigen, jedoch in erster Linie Geschichten der mittelalterlichen Literatur hochdeutscher Zunge sind, während es andererseits an einer umfassenden Geschichte der niederdeutschen literarischen Produktion und Rezeption in Mittelalter und Früher Neuzeit mangelt. So konstatierte Jan Goossens noch 2005, es gäbe „immer noch keine durchkonzipierte niederdeutsche Literaturgeschichte“.250 Bringt man dann

Gerhard Wolf und Christoph Fasbender. Berlin / Boston 2012(b), Sp. 1166–1169. Fasbender bietet gegenüber Schanze und Wolf eine um das lateinische Gedicht von Herman von dem Busche (vgl. Nr. 14) und die Fassung C von Lied Nr. 12 vervollständigte Auflistung der Ereignisdichtungen; die Angaben zur Überlieferung weisen jedoch Lücken und Fehler auf. 249 Die Literaturgeschichten von Wehrli (31997, 1. Auflage 1980), Brunner (22010, 1. Auflage 1997) und Cramer (32000, 1. Auflage 1990) erwähnen die Hemmingstedter Texte und auch die niederdeutschen Vertreter der ereignisbezogenen Dichtungen nicht. 250 Goossens, Jan: Über das Niederdeutsche und seine Erforschung. In: Zur Wissenschaft vom Niederdeutschen. Beiträge zu einem Fachjubiläum und Dokumentation eines Kapitels germanistischer Fachgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen. Hrsg. von Dieter Stellmacher. Neumünster 2005. (Name und Wort. Göttinger Arbeiten zur niederdeutschen Philologie 16), S. 31–42, hier S. 38. – Darstellungen der niederdeutschen respektive norddeutschen Literaturgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit nach Gattungen und Werken (in Auswahl) bei: Oesterley 1871; Stammler 1920; Krogmann, Willy: Mittelniederdeutsche Literatur. In: Kurzer Grundriß der germanischen Philologie bis 1500. Hrsg. von Ludwig Erich Schmitt. Bd.  2: Literaturgeschichte. Berlin 1971, S.  263–325; Cordes, Gerhard: Alt- und Mittelniederdeutsche Literatur. In: Deutsche Philologie im Aufriss. 2. überarbeitete Aufl. Hrsg. von Wolfgang Stammler. Bd.  2. Berlin 1960. Zweiter unveränderter Nachdruck Berlin 1978, Sp. 2473–2519. Die umfangreichste Gesamtschau zur mittelniederdeutschen Literatur gibt Beckers 1977; ders 1978; ders 1979. Knapper fällt die Darstellung aus von Cordes 1983, S.  351–390. Mit einer Gliederung der gesamten mittelniederdeutschen literarischen Produktion nach Textsorten entsprechend ihrer Funktionsbereiche und kommunikativen Zusammenhänge: Meier, Jürgen / Möhn, Dieter: Die Textsorten des Mittelniederdeutschen. In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Hrsg. von Werner Besch u. a. 2., völlig neue bearbeitete und erweiterte Aufl. 2. Teilbd. Berlin / New York 2000. (Handbücher zur Sprach- und Kom-

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 Grundlagen

noch in Anschlag, dass es seitens der niederdeutschen Philologie keine nennenswerte Liedforschung zu verzeichnen gibt,251 kann es denn auch kaum verwundern, dass nicht nur das Hemmingstedter Korpus bislang keiner genaueren Untersuchung vonseiten der niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft unterzogen worden ist, sondern dass dies die Erforschung der ereignisbezogenen Lied- und Reimpaardichtung Norddeutschlands – bis auf wenige Ausnahmen252 – insgesamt betrifft. Dieser Befund kontrastiert jedoch mit der Tatsache,

munikationswissenschaft 2.2), S. 1470–1477; das ereignisbezogene Lied zählen sie zur Gruppe der „[ö]ffentlichkeitszentrierte[n] Texte“ mit Informations- und Unterhaltungsfunktion. (Ebd., S. 1474) – Weitere Bestandsaufnahmen, Darstellungen und Überlegungen zur mnd. Literaturgeschichte sind aufgeführt bei: Brandt, Doreen: Bibliographie zur Mittelniederdeutschen Literatur. Bestand, Geschichte, Forschung. Rostock 2019(c). Rostocker Dokumentenserver: http://purl.unirostock.de/rosdok/id00002527. 251 Diesen Eindruck vermittelt die Durchsicht der „Bibliographie des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung“, bes. S.  27–135., vgl.  http://www.vnds.de/de/niederdeutsche-bibliographie.html (7.3.2017). Die Erforschung der niederdeutschen Liedüberlieferung findet vor allem im Zusammenhang mit den Untersuchungen zum Handschriftentypus des spätmittelalterlichen weltlichen Liederbuchs und der Neuedition des ‚Rostocker Liederbuchs‘ statt (Auswahl): Möller, Hartmut: Das Rostocker Liederbuch: aktuelle Perspektiven der Forschung. In: Studien zur lokalen und territorialen Musikgeschichte Mecklenburgs und Pommerns. Hrsg. von Ekkehard Ochs. Bd. 2. Greifswald 2002, S. 107–111; Holznagel, Franz-Josef / Möller, Hartmut: Ein Fall von Interregionalität. Oswalds von Wolkenstein ‚Wach auf, mein hort‘ (Kl 101) in Südtirol und in Norddeutschland. In: ZfdPh 122 (2003), Sonderheft, S. 102–133; Holznagel, Franz-Josef / Bieberstedt, Andreas: Das „Rostocker Liederbuch“ und seine neue kritische Edition. In: NdJb 133 (2010), S. 45–86; Holznagel, Franz-Josef: Zirkulationen. Zur Wirkungsgeschichte eines spätmittelalterlichen Schwankliedes (unter Mitarbeit von Hartmut Möller, Annika Bostelmann und Doreen Brandt). In: Grundlagen. Forschungen, Editionen und Materialien zur deutschen Literatur und Sprache des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Rudolf Bentzinger / Ulrich-Dieter Oppitz / Jürgen Wolf. Stuttgart 2013(a). (ZfdA Beihefte 18), S. 417–438.; ders. 2013(b); ders. 2016(a); ders. 2016(b). Zur Forschung zum ereignisbezogenen Lied vgl. die folgende Anmerkung. 252 Schröder 1928 fokussiert auf die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt einiger ereignisbezogener Lieder. Foerste, William: Das Niederdeutsche in der politischen Propaganda des 17. und 18. Jahrhunderts. In: NdJb 67/68 (1941/42), S. 22–78, beschäftigt sich mit den politischen Liedern norddeutscher Provenienz aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Mehrere Beiträge befassen sich mit den ereignisbezogenen politischen Dichtungen Hermann Botes: Blume 1985; Lent, Dieter: Ein unbekanntes historisches Volkslied auf die Gefangennahme Herzog Friedrichs des Unruhigen von Braunschweig auf Schloß Calenberg i. J. 1484. In: Braunschweigisches Jahrbuch 74 (1993), S. 9–25; Nix, Matthias: Ick prise di, Brunswike! Hermann Botes Lieder zur Hildesheimer Stiftsfehde. In: Braunschweigisches Jahrbuch 74 (1993), S. 27–65; ders. Der Adler, der Löwe und die Lilie. Ein weiteres Lied Hermann Botes zur Hildesheimer Stiftsfehde? In: Braunschweigisches Jahrbuch 75 (1994), S.  73–84. Knappe Überblicksdarstellungen zu den historisch-politischen Ereignisliedern der „Hansezeit“ gibt Glagla, Helmut: Gesungene Nachrichten: Historischpolitische Ereignislieder der Hansezeit. In: Quickborn 80 (1990), S.  19–24, und ders.: Gesun-

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dass gerade diese Textgruppe im Gesamt der niederdeutschen literarischen Produktion des Mittelalters sehr stark vertreten ist und dass es sich in ihrem Fall zumeist um genuin niederdeutsche Dichtung, nicht um Übernahmen aus dem Hochdeutschen handelt.253 Liliencron bietet aus dem Zeitraum von 1346 bis 1542 immerhin insgesamt 93 strophische und paargereimte Dichtungen, die sich auf politische Ereignisse im niederdeutschen Sprachraum beziehen, die überwiegende Zahl in mittelniederdeutscher, eine geringe Anzahl auch in hochdeutscher Sprache. Zu den Ereignissen, die in mindestens drei Ereignisdichtungen thematisiert werden, zählen die Soester Fehde (1446–1447),254 der Lüneburger Prälatenkrieg (1454–1456),255 die Braunschweigische Fehde (1492–1493),256 die Schlacht bei Hemmingstedt (1500)257 und die Hildesheimer Stiftsfehde (1519–1523).258 Angesichts dieser Menge ereignisbezogener Dichtungen überrascht das Resümee Hartmut Beckers zur Erforschung der niederdeutschen Literatur des Mittelalters von 1974 nicht: „Es bleibt die betrübliche Feststellung, daß die nd. Philologie an diesen kulturhistorisch allemal und poetisch zumindest teilweise recht reizvollen Texten bisher achtlos vorbeigegangen ist.“259 Hartmut Beckers selbst war denn auch der erste, der sich 1979 mit einer umfangreicheren Darstellung den mittelniederdeutschen ereignisbezogenen Dichtungen widmete, und zwar im dritten Teil seiner bis heute maßgeblichen dreiteiligen mittelniederdeutschen Literaturgeschichte, der sich mit der Lyrik befasst.260 Beckers fokussiert hier allerdings auf die Form des ereignisbezogenen Liedes, die Reimpaarform schließt er explizit aus seiner Betrachtung aus

gene Nachrichten: Historisch-politische Ereignislieder. In: Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos. Textband zur Hamburger Hanse-Ausstellung von 1989. Hrsg. von Jörgen Bracker / Volker Henn / Rainer Postel. 3.  Aufl.  Lübeck 1999, S.  860–864. Honemann 2005 bietet Abdruck und vergleichende Beschreibung von Lil. 23 und Lil. 24 über Herzog Kasimir III. von Pommern und Busse von Erxleben – beide Lieder mit Bezug auf das Jahr 1372. 253 Oesterley 1871, S. 49: „Die historischen lieder bilden den umfangreichsten und selbstständigsten theil der nd. dichtung. Sie sind durchgehends ursprünglich niederdeutsch, und auch in den wenigen fällen, in denen nur hochdeutsche bearbeitungen vorliegen, sind diese nicht original, sondern die ursprünglich nd. fassung ist untergegangen.“ Ähnlich Stammler 1920, S. 14. 254 Lil. 84–87. 255 Lil. 101–103. 256 Lil. 184–187. 257 Lil. 212–220. 258 Lil. 323–335. 259 Beckers, Hartmut: Die Erforschung der niederdeutschen Literatur des Mittelalters. In: NdJb 97 (1974), S. 37–60, hier S. 48. 260 Beckers 1979, S. 1–28.

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und schlägt sie den Reimchroniken zu.261 Er verwendet die Bezeichnung ‚historisch-politisches Ereignislied‘ und begreift die Texte als Form der weltlichen (in Abgrenzung zur geistlichen) und erzählenden Lyrik (in Abgrenzung zur nichterzählenden Liebeslyrik262). Die erzählenden Lieder unterteilt er weiter in ‚Balladen (Erzählende Lieder fiktionalen Stoffs)‘263 und eben in ‚historisch-politische Ereignislieder‘. Im Anschluss an Edward Schröders Untersuchungen264 problematisiert auch Beckers zuallererst die zeitliche Distanz zwischen dem referenzierten Vorfall in den Liedern und dem Zeitpunkt ihrer frühesten fassbaren Verschriftung und gemahnt ausgehend davon zur Vorsicht in der Frage, ob es sich bei dem Ereignisbezug tatsächlich um einen aktuellen Ereignisbezug und bei dem Lied tatsächlich um ein zeitgenössisches Lied handelt.265 In einem zweiten Abschnitt behandelt Beckers Form, Überlieferung und Stil der Lieder. Die Überlieferungssituation fasst er mit dem Verweis auf das Nebeneinander von mündlicher und schriftlicher Verbreitung zusammen. In Hinsicht auf letztere konstatiert er die zeitliche Abfolge von zunächst gedruckter und später schriftlicher Überlieferung „als Einschub in Chroniken und dergleichen“.266 Dem Stil der ‚historisch-politischen Lieder‘ attestiert er die gleichen Merkmale wie dem Stil der fiktionalen Erzähllieder:267 „die Verflechtung von lyrischer mit dramatischer und epischer Aussageweise, die Sprunghaftigkeit der Handlungsführung, die starke Formelhaftigkeit des Ausdrucks und die Vorliebe für typische, symbolhaltige Gebärden, Sachrequisiten und Zahlenangaben.“268 Doch hebt Beckers auch zwei Besonderheiten des ‚historisch-politischen Liedes‘ hervor – zum einen den Umfang, der weit über die Strophenzahl der fiktionalen Lieder hinaus gehen könne, zum anderen die für das ‚historisch-politische Ereignislied‘ typische Schlussstrophe mit Verfassernennung.269 Im dritten Abschnitt gibt Beckers zumeist im Rückgriff auf die Sammlung von Liliencron eine Übersicht zu den mittelniederdeutschen Vertretern des ‚historisch-politischen Liedes‘. In der Gruppe der Lieder, „die Kämpfe zwischen Angehörigen verschiedener sozialer Schichten

261 Beckers 1979, S. 23. 262 Beckers 1979, S. 4–11. 263 Beckers 1979, S. 12–21. 264 Schröder 1928. 265 Beckers 1979, S.  23. Beckers plädiert deshalb für die Wahl der „neutraleren Bezeichnung historisch-politisches Ereignislied“ anstelle des seinerzeit ebenfalls geläufigen Terms ‚Zeitlied‘. 266 Beckers 1979, S. 24. 267 Beckers 1979, S. 24. 268 Beckers 1979, S. 14. 269 Beckers 1979, S. 24.

Die Hemmingstedter Ereignisdichtungen 

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behandeln“,270 verzeichnet er die Dithmarscher ereignisbezogenen Lieder, unter denen die Stücke mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt mengenmäßig dominieren.271 Dass er hier nicht allein die Lieder, sondern auch die Reimpaartexte verzeichnet, widerspricht seiner Praxis, die Ereignisdichtungen in Bezug auf ihre Form zu unterscheiden. Nur wenige Jahre nach Beckers Arbeit erschien die Darstellung von Gerhard Cordes über die ‚Mittelniederdeutsche Dichtung und Gebrauchsliteratur‘ im ‚Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft‘ von 1983,272 die in Hinsicht auf Umfang und Tiefe nicht an Beckers Darstellung heranreicht, was der Anlage des übergeordneten Titels als Handbuch geschuldet ist, die aber das Hemmingstedt-Korpus immerhin als „herausragendes Beispiel“ für die niederdeutschen ereignisbezogenen Lieder des 16. Jahrhunderts anführt.273 Mit Blick auf die Literatur der Hanse streicht Helmut Glagla die Hemmingstedter Ereignisdichtungen als „[g]esungene Nachrichten“ und Mittel der politischen Publizistik heraus.274 In regionaler Perspektive verhandelt Horst Joachim Frank die Hemmingstedter Ereignisdichtungen im ersten Band der ‚Literatur in Schleswig-Holstein‘ von 1995.275 Beckers Kritik von 1974 adressierte nicht nur die niederdeutsche Philologie, sondern auch die Germanistische Mediävistik: „Selbst die seit einiger Zeit auch in der Germanistik für frischen Wind sorgende literatursoziologische Betrachtungsweise, von der man doch annehmen sollte, daß sie sich gerade solcher Texte mit Eifer annehmen würde, hat die mnd. historisch-politischen Lieder bislang für sich noch nicht entdeckt.“276 Zwar sind die mittelniederdeutschen Vertreter der Textgruppe spätestens in der zweiten Auflage des Verfasserlexikons umfassend berücksichtigt worden, doch in den einschlägigen Monographien, die sich der Textgruppe seither gewidmet haben, werden sie nur in Ausnahmefällen erwähnt und zitiert; den Vorrang haben hier – wie auch in den Literaturgeschichtsdarstellungen – ganz eindeutig die hochdeutschen Vertreter. So bleibt festzuhalten, dass es den niederdeutschen ereignisbezogenen Dichtungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit insgesamt an Sichtbarkeit in der germanistisch-mediävistischen Literaturwissenschaft mangelt. In Bezug auf das Hemmingstedter Korpus bildet die bereits besprochene Habilitationsschrift von Karina Kellermann aus

270 Beckers 1979, S. 26. 271 Beckers 1979, S. 26. 272 Cordes 1983, S. 351–390, hier S. 365. 273 Cordes 1983, S. 365. 274 Glagla 1990, S. 19f.; ders. 31999, S. 860. 275 Frank 1995, S. 129–131. 276 Beckers 1974, S. 48.

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dem Jahr 2000 die Ausnahme in diesem Bereich,277 denn die Autorin zählt die Texte nicht nur zu ihrem Untersuchungsmaterial,278 sondern widmet sich ihnen überdies auch in der Darstellung. Ausgehend von der Vorstellung des Liedes, das in den Chroniken dem Büsumer Pfarrer Andreas Brus zugeschrieben wird,279 hebt Kellermann die besondere, weil verhältnismäßig breite Überlieferung der Hemmingstedter Ereignisdichtungen hervor und setzt diesen Befund in Beziehung zur „intensiven Regionalgeschichtsschreibung“ Dithmarschens.280 Damit akzentuiert sie einen wichtigen Rezeptionsaspekt, an den es in der vorliegenden Arbeit anzuknüpfen gilt. Darüber hinaus vergleicht sie das Hemmingstedter Korpus hinsichtlich „des Freiheitskampfes von Bauern gegen eine drückende Übermacht des Adels“ mit den eidgenössischen Ereignisdichtungen.281 In Betreff der Rezeption des Hemmingstedter Korpus in der Regional- und Landesgeschichtsschreibung ist die bis heute maßgebliche Darstellung der Schlacht bei Hemmingstedt von Walther Lammers herauszustreichen, die 1953 unter dem Titel ‚Die Schlacht bei Hemmingstedt. Freies Bauerntum und Fürstenmacht im Nordseeraum. Eine Studie zur Sozial-, Verfassungs- und Wehrgeschichte des Spätmittelalters‘ erschienen war.282 Lammers zählte die Ereignisdichtungen zu den Quellen des Ereignisses, die er neben Chroniken, Verlustverzeichnissen, archäologischen Befunden u. a. für seine Darstellung heranzog.283 Er griff dazu ausschließlich auf die Textabdrucke in geschichtswissenschaftlichen Publikati-

277 Zu ergänzen wäre die Dissertation von Seibert, Peter: Aufstandsbewegungen in Deutschland 1476–1517 in der zeitgenössischen Reimliteratur. Heidelberg 1978. (Reihe Siegen. Beiträge zur Literatur- und Sprachwissenschaft 11). Seibert schließt das Hemmingstedter Korpus begründet aus seinem Untersuchungskorpus aus, widmet sich ihm in diesem Zusammenhang jedoch mit einer kurzen Vorstellung, wobei er seinem Fokus auf die Bauernerhebungen entsprechend die Texte teils als „zeitgenössische Bauernlieder“ charakterisiert. (Seibert 1978, S. 15) Zwar handelt es sich zumeist um Lieder, die mit den Dithmarschern sympathisieren, doch nur in einem Teil spielt ihr Bauernstand tatsächlich eine Rolle. Fernerhin ist die zeitgenössische Entstehung und Zirkulation der Lieder weder nachweisbar noch in Hinsicht auf Ereignisreferenz und Wirklichkeitsbezug in jedem Fall plausibel zu machen. 278 Kellermann 2000, S.  83, S.  225f. Danach zählen die Paar- und Kreuzreimtexte Nr.  1, 2, 3 und 7 sowie die strophischen Nr. 4, 5, 6, 8, 9, 11 und 12A–C zur Gattung der historisch-politischen Ereignisdichtung. 279 Vgl. Edition und Kommentar von Lied Nr. 11 in Teil 2: Kap. I.2. 280 Kellermann 2000, S. 226. 281 Kellermann 2000, S. 226. – Mit Blick auf die bedeutende chronikalische Überlieferung hatte schon Soltau 1836, S. VIf., diesen Vergleich angestellt. 282 Ich greife auf die 3. Auflage von 1987 zurück. 283 In Kapitel IV, das von dem Feldzug und der Schlacht handelt, referenziert und zitiert er die Reimpaartexte Nr. 1, Nr. 3, Nr. 7 sowie die Lieder Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12A, Nr. 12B. Vgl. Lammers 31987, S. 131–183. Am ausgiebigsten verarbeitete er Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 8.

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onskontexten zurück,284 nicht auf die großen Anthologien des 19. Jahrhunderts. Im Sinne eines kritischen Umgangs mit seinen Quellen, legte er im ersten Teil der Untersuchung auch über die Ereignisdichtungen – Lammers spricht unterschiedslos von Liedern – Rechenschaft ab.285 Er widmet sich jedem Text mit einer knappen inhaltlichen und stilistischen Charakterisierung und mit Angaben zur Überlieferung, um am Ende zu einem Resümee bezüglich des Quellenwertes der Ereignisdichtungen zu gelangen. Hierzu unterteilt er das Korpus in zwei Gruppen. Zur ersten Gruppe zählt er die Ereignisdichtungen, deren Überlieferungsbefunde und berichtender Charakter eine ereignisnahe Entstehung und Verbreitung nahelegen und die nach Ansicht Lammers‘ „für die publizistische Wirkung gedacht waren“.286 „Sie entstanden also aus der entschiedenen Absicht, das historische Geschehen festzuhalten, die Kunde davon zu verbreiten.“287 Es handelt sich bei den betreffenden Stücken sämtlich um die nicht-sangbaren Stücke im Korpus. Den Verfassern attestiert Lammers bezüglich ihrer Kunstfertigkeit nur „begrenzt[e] Gaben“ sowie in Hinsicht auf die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben „ein naives, publizistisches Interesse an Zahlen und Daten“ und stellt an diesem Punkt fest, „[d]aß gerade hier angesichts übertriebener Zahlen besondere Vorsicht bei der Auswertung geboten ist“.288 Die zweite Gruppe von Ereignisdichtungen bilden bei Lammers die Lieder.289 Diese zeichneten sich gegenüber der ersten Gruppe durch ihren poetischen Charakter, ihre Kürze und ihre episodenhafte Darstellung aus. „Es ist klar, daß in den Liedern dieser zweiten Untergruppe der historische Stoff vielfach nach den Formgesetzen volkstümlicher Poetik umgestaltet, Vorgänge, Personen und Landschaften balladenhaft typisiert wurden“,290 gibt Lammers in Bezug auf ihre Authentizität zu bedenken. Dennoch schreibt er ihnen – „bei vorsichtiger Behandlung und einer entsprechend kritischen Auswertung“ – eine nicht geringe Bedeutung für die Regionalgeschichtsschreibung zu, da sie zum einen größtenteils im Land Dithmarschen entstanden seien und zum anderen

284 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S.  495–525: Nr.  1, Nr.  2, Nr.  8, Nr.  9, Nr.  10, Nr.  11. Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 562–565: Nr. 12A und Nr. 12B; Weiland 1867, S. 107–116: Nr. 4, 5 und 6; Krause 1881, S. 3–24: Nr. 13 und Nr. 3; Karsten Schröders Chronik 1878, S. 206–263: Nr. 1; Claussen 1911, S. 273–282: Nr. 7. 285 Lammers 31987, S. 21–28. 286 Lammers 31987, S. 26. Zu dieser Gruppe rechnet Lammers die Paar- bzw. Kreuzreimdichtungen Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 7 sowie die lateinische Dichtung von Heinrich Boger Nr. 13. Vgl. ebd., S. 26f., Anm. 79–83. 287 Lammers 31987, S. 26. 288 Lammers 31987, S. 26f. 289 Lammers 31987, S. 27. 290 Lammers 31987, S. 27.

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viele Personen nennen würden.291 Lammers weist mehrfach darauf hin, dass die Arbeit des Historikers mit den Ereignisdichtungen eine besonders kritische Annäherung erfordert, ihren Wert erkennt er jedoch darin, dass sie ihm Informationen zu dem historischen Ereignis liefern, die andere Quellen nicht bieten,292 und dass sie „eine Selbstdarstellung des dithmarscher Geistes“293 dokumentierten. „Überblicken wir noch einmal die stattliche Reihe der aus Selbstbewußtsein und Freiheitssinn erzeugten, volkstümlichen Denkmäler, so ist der kräftige Chor dieser Stimmen allein schon für den Historiker ein bedeutender Eindruck, durch den er dem Verständnis des besungenen Ereignisses plötzlich näherkommen kann.“294 In dieser Einschätzung berührt das Interesse Lammers als Historiker die Interessen der historisch ausgerichteten Publizistikwissenschaft an den Ereignisdichtungen als Vermittlern „aktueller Bewusstseinsinhalte“.295 Vor Lammers hatten im 18. Jahrhundert bereits Johann Adrian Bolten296 und im 19. Jahrhundert Robert Chalybaeus297 direkt auf die Ereignisdichtungen als Quellen der Schlacht bei Hemmingstedt zurückgegriffen und dies in Fuß- und Endnoten kenntlich gemacht, nach ihm der Dithmarscher Landeshistoriker Heinz Stoob.298

3 Ziele und Anlage der Untersuchung Bedingt durch die textgruppenspezifische Eigenschaft des Ereignisbezugs richtete sich das Interesse der Forschung an ereignisbezogener Dichtung bislang vorrangig auf ihren pragmatischen politischen Charakter. Infolge dessen wurden die Texte nicht nur überwiegend vor dem Hintergrund des referenzierten Vorfalls perspektiviert, sondern in erster Linie auch in Hinsicht auf die sprachliche und poetische Manifestation politischer Intentionen charakterisiert. Der politische Vorfall und der Ereignisbezug als Fluchtpunkte der Forschung haben denn auch nach sich gezogen, dass etwa Fragen zu ihrer Wirkungsgeschichte nach dem the-

291 Lammers 31987, S. 28. 292 Lammers 31987, S. 28. 293 Lammers 31987, S. 21. 294 Lammers 31987, S. 28. 295 Kieslich 1958, S. 9, der seinen akademischen Lehrer, den Publizistikwissenschaftler Hagemann 1947, S. 20, zitiert. Vgl. auch Brednich I 1974, S. 145. 296 Vgl. Kap. III.1.3.3. 297 Chalybaeus 1888, S.  170–177, verarbeitete in der Hauptsache die Reimpaartexte Nr.  1 und Nr. 2 sowie die Lieder Nr. 8, 9, 12A und 12B, referenziert an einer Stelle (S. 177) auch Lied Nr. 4 auf der Grundlage von Hs 12. 298 Stoob 1959, bes. S. 87–89 (Lied Nr. 8).

Ziele und Anlage der Untersuchung 

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matisierten Geschehen sowie auch zur Vielfalt ihrer formalen, strukturellen, referenziellen und intentionalen Ausprägung nur vereinzelt gestellt und in konkrete Arbeitsprogramme überführt worden sind.299 Hier setzt die vorliegende Untersuchung zu Texttypen und Überlieferungskontexten ereignisbezogener Dichtung an. Verfolgt werden im Einzelnen drei Ziele: Zum ersten soll der Bereich der späteren und späten Gebrauchskontexte der ereignisbezogenen Dichtung weiter als bisher ausgeleuchtet werden.300 Zum zweiten wird der Entwurf eines Beschreibungsmodells angestrebt, das ausdrücklich für die Ausstellung von Binnendifferenzen im Gefüge der ereignisbezogenen strophischen und Reimpaardichtung entwickelt wird.301 Zum dritten wird ausgehend von zwei Beziehungsebenen – dem Verhältnis zwischen gedruckten und handschriftlichen Überlieferungstypen sowie auch dem Verhältnis zwischen Texttypen und Überlieferungskontexten – abschließend der Versuch unternommen, die Frage nach den Aspekten einer Verbreitungs- und Überlieferungsgeschichte ereignisbezogener Dichtung zu beantworten.302 Mit dem beschriebenen Anliegen verbindet sich nicht allein das Ziel, die bisher erzielten Resultate der Forschung zu ereignisbezogener Dichtung um Einsichten zu ihrer Rezeption und Diversität zu erweitern. Das Vorhaben ist auch dem Eindruck geschuldet, dass mit der Anwendung der bisherigen Forschungsansätze303 erhebliche methodische Schwierigkeiten einhergehen. Anders als die Präsenz und Dominanz der aktuellen Drucküberlieferung im Forschungsdiskurs suggerieren mag, ist für einen Großteil der Ereignisdichtungen keine ereignissynchrone oder ereignisnahe Entstehung und Verbreitung dokumentiert; diese in jüngeren Handschriften bezeugten Texte als Vertreter der Textgruppe – nenne man sie nun ‚historische Volkslieder‘, ‚politische Lieder und Sprüche‘ oder ‚historisch-politische Ereignisdichtungen‘ – ebenso zu charakterisieren und zu perspektivieren wie ihre nachweislich ereignisunmittelbar zirkulierenden ‚Verwandten‘, heißt, zwei Phänomene nicht hinreichend in Betracht zu ziehen: Zum einen ist damit zu rechnen, dass einzelne Texte weit jünger sind, als die Ereignisse, auf die sie sich beziehen; dies ist für einige Beispiele schon sehr früh nachgewiesen worden.304 Zum anderen wird man angesichts einer mündlichen und handschriftlichen Tradierung über mehrere Jahrzehnte und länger von einer erheb-

299 Vgl. die Besprechung der Untersuchungen von Rattay 1986 und Schanze 1999 in Kap. I.1. 300 Kap. III ‚Überlieferungskontexte‘. 301 Kap. II ‚Texttypen‘. 302 Kap. ‚Fazit: Aspekte der Überlieferung ereignisbezogener Dichtung‘. 303 Vgl. oben Kap. I.1.1. 304 Vgl. Schröder 1928; Wehrli 1952.

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 Grundlagen

lichen Variantenbildung ausgehen dürfen. Wie diese ausgeprägt sein kann, ist verschiedentlich gezeigt worden.305 Es stellt sich angesichts dessen die Frage, welche methodischen Konsequenzen aus dieser Problemstellung zu ziehen sind. Hier bieten sich mindestens zwei Möglichkeiten an: Im Sinne des klassischen Forschungsparadigmas wären die Überlieferungsbefunde sehr viel stärker als bisher zu thematisieren und zu problematisieren. Die einfachste Lösung bestünde darin, die Ereignisdichtungen aus der Spätüberlieferung konsequent aus dem Korpus und aus der Betrachtung auszuschließen. Dies liefe allerdings in letzter Konsequenz darauf hinaus, dass nur die in Ein- und Mehrblattdrucken überlieferten Texte berücksichtigt würden. Doch würden damit das Druckmedium zuungunsten der mündlich zirkulierenden Ereignisdichtungen verabsolutiert und die Überlieferung vor der Einführung und Etablierung des Typendrucks ausgeschlossen werden. Vorzuziehen ist deshalb eine Verfahrensweise, welche die Entstehung der Lieder und Reimpaardichtungen im Ereigniszusammenhang oder in Ereignisnähe basierend auf Überlieferungs- und Textbefunden zumindest plausibilisierte. Nach dem Vorbild der historischen Quellenkritik wäre demnach nach der Authentizität der Ereignisdichtungen zu fragen; zwar nicht mit Blick auf die Faktizität ihrer Ereignispropositionen, aber im Sinne ihres Entstehungszeitpunktes verlangten u. a. die folgenden Fragen nach einer Antwort:306 Wer war der Schreiber? Wie ist sein Verhältnis zu den Konfliktparteien zu charakterisieren? In welcher zeitlichen Distanz und aus welcher Quelle zeichnete er das Lied oder die Reimpaarrede auf? Welche Hinweise auf die Entstehungszeit der Texte geben der Sprachstand und die Strophenformen? Können sekundäre Zeugnisse für die ereignisunmittelbare Verbreitung beigebracht werden? Lässt sich auf diesem Weg erweisen, dass die Ereignisdichtungen zeitnah zum Ereignis verbreitet waren, bleibt weiterhin das Problem der Variantenbildung bestehen. Wie Beate Rattay am Beispiel der eidgenössischen Ereignisdichtungen in der Chronik von Aegidius Tschudi gezeigt hat,307 beschränkt sich die Variantenbildung im chronikalischen Rezeptionskontext nicht allein auf Graphie, Lexik oder Wortstellung, sondern wirkt sich teils erheblich auf die politische Tendenz des Textes aus. Und auch an dem Korpus mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt, das der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegt, wird sich zeigen lassen, dass die Textverarbeitung im historio-

305 Jacobsohn 1914; Wehrli 1952; Müller 1974; Rattay 1986. 306 Zur Quellenkritik in der Geschichtswissenschaft vgl. den Überblick bei Arnold, Klaus: Quellenkritik. In: Lexikon der Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe. Hrsg. von Stefan Jordan. Stuttgart 2002, S. 255–257. 307 Rattay 1986.

Ziele und Anlage der Untersuchung 

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graphischen Zusammenhang gerade jenes konstitutive Merkmalsbündel betrifft, in dem sich etwa die Ereignisnähe und die politische Intention der historischpolitischen Ereignisdichtung artikulieren. Textstellen, die im Tradierungsverlauf verändert worden sind, sollten deshalb zunächst einmal identifiziert werden – anhand des Vergleichs verschiedener Realisationen eines Textes, mit Rücksicht auf den paläographischen Befund, auf der Grundlage einer metrischen Analyse sowie auch mit Blick auf die Kohärenz der Informationsentwicklung im Text. An die erzielten Resultate ließen sich dann weitere Überlegungen zur Perspektivierung der betreffenden Texte innerhalb der Textgruppe ereignisbezogener Dichtung anknüpfen. Eine andere Möglichkeit, mit den Gegebenheiten der späten Überlieferung ereignisbezogener Dichtung umzugehen, besteht mit dem Anschluss an die ‚Überlieferungsgeschichte mittelalterlicher Texte als methodischer Ansatz zu einer erweiterten Konzeption von Literaturgeschichte‘, wie es im Titel des programmatischen Aufsatzes von Kurt Ruh aus dem Jahr 1985 heißt.308 Danach wird die Handschrift als „Transporter“ der mittelalterlichen Literatur309 nicht mehr vorrangig als Textzeuge aufgefasst, sondern „ihre spezifischen Funktionen in der Konstitution der Geschichtlichkeit von Literatur“ in den Blick genommen. Die Handschriften mit ihren Überlieferungsdaten konstituieren Textgeschichte, und zwar überall dort, wo ein Werk nicht nur in unikaler Überlieferung, sondern in einer Mehrzahl von Textzeugen vorliegt. Je breiter ein Werk im Sprachraum, je weitreichender in der Zeit und je vielfältiger in verschiedenen Benutzerschichten verbreitet – mit diesen drei Ebenen sind die Hauptindikatoren handschriftlicher Entfaltung angesprochen: der textgeographische, textchronologische und textsoziologische –, um so reicher wird dessen Textgeschichte.310

308 Grundlegend: Ruh 1985. Vgl. den Forschungsüberblick bei Wolf, Jürgen: Buch und Text. Literatur- und kulturhistorische Untersuchungen zur volkssprachigen Schriftlichkeit im 12. und 13. Jahrhundert. Tübingen 2008. (Hermaea. Germanistische Forschungen N.F. 115), S. 3–19. Dem überlieferungsgeschichtlichen Ansatz einer Literaturgeschichte des Mittelalters sind u. a. gefolgt: Bumke, Joachim: Die vier Fassungen der „Nibelungenklage“. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert. Berlin / New York 1996. (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 8. 242); Holznagel 1995; ders. 2016(a); ders. 2016(b); Wolf 2008. – Anlässlich des 100. Geburtstages von Kurt Ruh sind Stand und Perspektiven des Forschungsparadigmas auf einer Tagung in Würzburg, vom 8. bis 10. Mai 2014, thematisiert und diskutiert worden. Vgl. die Beiträge in Brunner, Horst / Löser, Freimut / Klein, Dorothea (Hrsg.): Überlieferungsgeschichte transdisziplinär. Neue Perspektiven auf ein germanistisches Forschungsparadigma. Wiesbaden 2016. (Wissensliteratur im Mittelalter 52). 309 Ruh 1985, S. 267. 310 Ruh 1985, S. 268.

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Diesem Ansatz folgt die vorliegende Arbeit, indem sie die schriftlich überlieferte Realisation einer Ereignisdichtung als Text im Gebrauch würdigt. Das heißt, im Zentrum steht nicht ein Textabstraktum, das zur Zeit des referenzierten Vorfalls im Umlauf gewesen sein könnte, sondern das in der Materialität der Überlieferung manifestierte Textkonkretum, dessen Gebrauchsfunktion in erster Linie an seinem Überlieferungskontext bemessen wird. Dieser Überlieferungskontext kann ein ereignisunmittelbarer sein und das Nachdenken über die Textfunktion sich dementsprechend im bisherigen Forschungsparadigma bewegen, doch er muss es nicht. Auszuweiten ist die überlieferungsgeschichtliche Methode auf den Druck. Kurt Ruh fokussierte auf die Handschrift, denn „[i]m Unterschied zum gedruckten Buch tradiert die Handschrift nicht nur Texte, sondern sie liefert gleich noch die meisten ihrer literaturkundlichen Merkmale mit: in Leserspuren und Lesernotationen, in Besitzvermerken wie in den handschrifteigenen Materialien und Einrichtungen“.311 Wie die Handschrift, so liefern auch die erhaltenen Exemplare eines Druckes Spuren ihres Gebrauchs, ganz abgesehen davon, dass die Informationen darüber, dass ein Text überhaupt in den Druck gelangt ist, in welcher Offizin und zu welchem Zeitpunkt er gedruckt wurde und welche typographischen Gestaltungsmittel bei seiner Einrichtung zur Anwendung gebracht wurden, wichtige Anhaltspunkte für die Geschichte eines Textes geben. Die Untersuchung ist exemplarisch angelegt, wobei angelehnt an Frieder Schanze312 der Bezug der ausgewählten Texte auf dasselbe Ereignis zum Korpus bildenden Prinzip gemacht wird. Es entspricht dem Untersuchungsziel am ehesten, da es nicht von vornherein bestimmte Text- und Überlieferungstypen gegenüber anderen privilegiert. Zudem verspricht die Vorgehensweise einerseits ein ausreichend breites Spektrum von Texten und Überlieferungsträgern und bietet aufgrund der Überschaubarkeit des Untersuchungsmaterials andererseits die Möglichkeit von gründlichen Detailanalysen und diachronen Längsschnittstudien. Mit der Wahl der Ereignisdichtungen, die sich auf die Schlacht bei Hemmingstedt in Dithmarschen im Jahr 1500 beziehen, verbindet sich zugleich die Absicht, ein mittelniederdeutsches Korpus in das Zentrum des Interesses zu stellen. Denn weder sind in der altgermanistischen Forschung zur ereignisbezogenen Dichtung niederdeutsche Vertreter bislang ausreichend repräsentiert, noch kann mit Blick auf die niederdeutsche Philologie von einer angemessenen literaturgeschichtlichen Würdigung dieser Textgruppe die Rede sein, obgleich sie im Spätmittelalter zu einer der produktivsten im Bereich der norddeutschen

311 Ruh 1985, S. 268. 312 Schanze 1999.

Ziele und Anlage der Untersuchung 

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literarischen Schriftlichkeit gezählt werden muss.313 Aus dem überlieferungsgeschichtlichen Ansatz ergibt sich ein Untersuchungszeitraum, der sich nicht an der Datierung des referenzierten Ereignisses auf das Jahr 1500 bemisst, sondern an der zeitlichen Ausdehnung der Tradierung vom Jahr 1500 in den ereignisaktuellen Drucken bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in den handschriftlichen Chroniken der Spätrezeption. In einem ersten Schritt ist es notwendig, das überliefernde Material von insgesamt vier Drucken (mit neun überlieferten Exemplaren) und 28 Handschriften aus dem Ende des 14. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Autopsie zu beschreiben und in einem Katalog zu erfassen.314 Denn wo ältere und neuere Katalogisate vorhanden sind, folgen diese in Hinsicht auf Kriterien und Tiefe der Erschließung unterschiedlichen Beschreibungsstandards; von einigen Überlieferungsträgern existieren zudem gar keine Beschreibungen. Im zweiten Schritt wird das Korpus aus vier Reimdichtungen und acht Liedern vorlagennah, mit nur geringen normalisierenden Eingriffen nach dem Leitüberlieferungsträgerprinzip ediert, anschließend übersetzt und in textgeschichtlicher, sprachlicher, metrischer und literarischer Hinsicht kommentiert.315 Von einer ereignisbezogenen Funktionsanalyse wird aus oben dargelegten Gründen bewusst abgesehen. Stattdessen werden einerseits mit Blick auf die textintern verwirklichte Kommunikationssituation approximativ die Äußerungsintentionen und Funktionen der Texte bestimmt und andererseits die Ereignisbezüge in einem textübergreifenden Glossar zur Edition kommentiert.316 Zwar liegen die Hemmingstedter Ereignisdichtungen schon in Textausgaben des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts vor, doch sind diese erstens nur verstreut abgedruckt und zweitens entsprechen sie nicht mehr den rezenten editionsphilologischen Standards; eine Neuedition aller Texte ist deshalb erforderlich. Der dritte Arbeitsschritt sieht vor, aus dem im Editionsteil dokumentierten Textmaterial zunächst die Texttypen317 und anschließend aus dem im Katalog der Überlieferungsträger abgebildeten Überlieferungsmaterial die Überlieferungskontexte318 zu abstrahieren. Für die Texttypologie wurde zu diesem Zweck ein Beschreibungsmodell entworfen, das die Texte nach ihrer metrischen Form, ihrer Aufführungsart und ihrer Ereignisreferenz charakterisiert. Für die Ermittlung

313 Vgl. Kap. I.2.2. 314 Vgl. Teil 2: Kap. II. 315 Vgl. Teil 2: Kap. I.2. 316 Vgl. Teil 2: Kap. I.3. 317 Vgl. Kap. II ‚Texttypen‘. 318 Vgl. Kap. III ‚Überlieferungskontexte‘.

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der Überlieferungskontexte werden die Handschriften und Drucke hinsichtlich ihrer technisch-materiellen und inhaltlich-thematischen Konzeption sowie auch ihres Einrichtungsniveaus bestimmt und fernerhin zeitlich und räumlich determiniert. Zudem wird untersucht, in welcher Textumgebung die Ereignisdichtungen jeweils stehen, mit welchen Verschriftungstechniken sie in diese Umgebung eingegliedert und welche Techniken der Einrichtung, Bearbeitung und Verarbeitung von den Setzern bzw. Schreibern dabei zur Anwendung gebracht wurden.319 Ausgehend von einer Zusammenschau der bislang vorliegenden Forschungsergebnisse einerseits und der exemplarisch erbrachten Befunde zu Texttypen und Überlieferungskontexten andererseits werden in einem letzten Kapitel die Grundzüge einer Überlieferungsgeschichte ereignisbezogener Dichtung skizziert.320

319 Auf die konkreten Texte und Überlieferungsträger, die in Teil 2 dieser Arbeit ausführlich dokumentiert sind, wird in Teil 1 jeweils mittels der dort eingeführten Siglen verwiesen. 320 Kap. ‚Fazit: Aspekte der Überlieferung ereignisbezogener Dichtung‘.

II Texttypen Im Folgenden soll ein Beschreibungsmodell entworfen werden, mit dem sich die Binnendifferenzen in der Gruppe ereignisbezogener Dichtung sichtbar machen lassen. Am Beispiel der Lieder und Reimpaartexte mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt wird dieses Beschreibungsmodell anschließend erprobt. In einem ersten Schritt gilt es entsprechend, spezifische Typen ereignisbezogener Dichtungen im Korpus zu identifizieren und diese in einem zweiten Schritt ansatzweise im literarischen Diskurs des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit zu verorten. Unter Texttypen verstehe ich dabei die historisch-empirisch greifbaren Realisationen ereignisbezogener Äußerungen, wie sie sich aus dem exemplarischen Untersuchungskorpus herausarbeiten lassen.1 Die Texttypologie ist demzufolge eine eng an das Beispielkorpus gebundene und zunächst von diesem ausgehende Aufstellung der Typen ereignisbezogener Dichtung. Das heißt: Dem vorliegenden Kapitel geht es weder um die Konstruktion von Idealtypen2 noch um die Deklaration der ermittelten Texttypen zu Textsorten oder Gattungen.3 Die

1 Ich greife auf den Texttypenbegriff von Hugo Kuhn zurück – „Werkstattschematen und -schablonen, Werkvorstellungen und Werkgebrauchsweisen, wie sie, bewußt und unbewußt, jeder künstlerischen Produktion zugrunde liegen und erst recht im Mittelalter“. Danach sind Texttypen nicht als für das gesamte Mittelalter gültige Gattungen aufzufassen, sondern „es bleibt vielmehr alles zunächst nur für seinen Ort gültig“, doch „[d]afür aber hat es den Wert der historischen Tatsache“. Vgl. Kuhn, Hugo: Gattungsprobleme der mittelhochdeutschen Literatur. In: Kuhn, Dichtung und Welt im Mittelalter. Stuttgart 1959, S. 41–61, hier S. 46f. 2 In dieser Weise fasst Kellermann 2000, S. 44, den Begriff ‚Texttyp‘ auf. Zum Idealtyp vgl. auch Jannidis, Fotis: Typologie2. In: RL 3 (2007), S. 709–712, hier S. 710. 3 Kellermann weist in Bezug auf den Gattungsbegriff auf zwei Verwendungsweisen des Begriffes ‚Textsorte‘ in der Literaturwissenschaft hin: Im Sinne der einen schließt der Textsortenbegriff, wie bei Brinker (vgl. Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. Bearbeitet von Sandra Ausborn-Brinker. 7.  Aufl.  Berlin 2010. [Grundlagen der Germanistik 29], S. 121), die literarischen Gattungen mit ein, während in Folge der anderen die Begriffe ‚Textsorte‘ und ‚Gattung‘ in Abhängigkeit von ihrem Wirklichkeitsbezug in ein komplementäres Verhältnis zueinander gestellt werden, wonach der Name Gattung seine Gültigkeit für fiktionale Literatur behalte und die Bezeichnung Textsorte als Äquivalent für nichtfiktionale Texte diene. (Kellermann 2000, S. 47) Kellermann schließt sich der zweiten Auffassung an, obwohl – wie sie selbst einräumt – die Grenze zwischen fiktionaler und nichtfiktionaler Literatur fließend sei (ebd., S. 47) und für die mittelalterliche Literatur generell gelte, „daß eine strenge Trennung von poetischen und pragmatischen Texten unmöglich ist“ (ebd., S.  47f.). Ihre Entscheidung begründet sie damit, dass die historisch-politische Ereignisdichtung „aufgrund ihrer poetischen Strukturen, der mannigfachen, gezielt eingesetzten literarischen Mittel, ihrer zweifellos beabsichtigten unterhaltenden Wirkung und ihres ästhetischen Anspruchs aber den Status einer Dichtung“ (ebd., S. 48) hat. Ausgehend von der komplementären Stellung der Begriffe https://doi.org/10.1515/9783110652888-003

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 Texttypen

Begriffe erheben zwar ebenfalls den Anspruch, empirisch fassbare Textkonkreta zu bezeichnen, denen jeweils bestimmte formale, strukturelle, inhaltliche und funktionale Merkmale eignen,4 und kongruieren in dieser Hinsicht mit dem hier zugrunde gelegten Texttypenbegriff. Doch erstens verbindet sich mit ihrer Verwendung der allgemeine Anspruch auf Systematisierung und Ordnung rezenter oder historischer Äußerungsrealisationen,5 der in dieser Arbeit nicht angestrebt wird, und zweitens setzt ihre Verwendung die Relevanz und daraus folgend die Produktivität eines kommunikativen sprachlichen Musters in der Sprachgemeinschaft voraus,6 die ausgehend von der hier zu erarbeitenden Texttypologie erst zu erweisen wäre, aber nicht von vornherein unterstellt werden kann. Eine Typologie muss notwendig auf ein Deskriptionsmodell gründen, das die Charakterisierung der Texte anhand übereinstimmender Beschreibungskategorien sicherstellt. Die Literaturwissenschaft bringt für die umfassende Systematisierung relevanter kommunikativer Muster Deskriptionskategorien in Anschlag, die sich im Wesentlichen auf die gemeinsamen Nenner ‚Form/Umfang‘, ‚Inhalt/ Thema‘ ‚Struktur‘ sowie ‚Funktion/Pragmatik‘ bringen lassen.7 Darüber hinaus spielen die Konturierung der Äußerungsinstanz und die Ausgestaltung der textinternen Kommunikationssituation eine tragende Rolle für die Klassifizierung literarischer Gegenstände.8 Neben diesen konsensuell angewandten Beschrei-

in der Literaturwissenschaft beschreiben Neumann und Nünning das Verhältnis von ‚Textsorte‘ und ‚Gattung‘ als „ein Kontinuum von Erscheinungsformen, zwischen denen die Übergänge fließend sind und das zudem als historisch variabel zu konzipieren ist“. Vgl. Neumann, Birgit / Nünning, Ansgar: Einleitung. Probleme, Aufgaben und Perspektiven der Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. In: Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. Hrsg. von Marion Gymnicht / Birgit Neumann / Ansgar Nünning. Trier 2007. (ELK Studien zur Englischen Literatur- und Kulturwissenschaft 28), S. 1–28, hier S. 3. 4 Brinker 72010, S. 125; Neumann / Nünning 2007, S. 3. 5 Brinker 72010, S. 120f; Neumann / Nünning 2007, S. 3. 6 Brinker 72010, S. 120. 7 Neumann / Nünning 2007, S. 3. Diese Kategorien spiegelt auch wider: Müller, Ulrich: Ein Beschreibungsmodell zur mittelhochdeutschen Lyrik – Ein Versuch. In: ZfdPh 98 (1979[a]), S. 53– 73, hier S. 57–64: aussagende Form, ausgesagter Inhalt, Aussagetendenz, Aussageweise, Aussagepersonal. Die dem Bündel konstitutiver Merkmale der historisch-politischen Ereignisdichtung vorausgehenden Beschreibungskategorien kongruieren ebenfalls damit. Vgl. Kellermann 2000, S. 49: Inhalt, äußere Form, Struktur und Erzähltechnik, Intention und Funktion. 8 Vgl. z. B. die Binnendifferenzierung nach Sänger- bzw. Sprecherrollen in der Minnelyrik (Werbelied, Frauenmonolog, Wechsel und Dialoglied). (Holznagel 2013[c], S.  36–44) Mit Blick auf die politische Lyrik des Mittelalters ist die Klassifizierung von Ulrich Müller hervorzuheben, der in Bezug auf die Aussagetendenz zwischen „Preis und Lob“, „Schelte und Schmähung“, „Lob, Schelte und Bericht“ in der ereignisbezogenen politischen Dichtung sowie „Klage, Mahnung und Aufforderung“ unterscheidet. (Müller 1974, S. 404–534)

Beschreibungsmodell 

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bungsparametern ist auf die je eigenen Anforderungen einzugehen, die der Beschreibungsgegenstand mit sich bringt. Im vorliegenden Fall entspricht dies der übereinstimmenden thematischen Bindung an ein politisches Ereignis und damit einhergehend der Beobachtung markanter Differenzphänomene innerhalb des Untersuchungskorpus sowie im Vergleich mit dem Paradigma der historischpolitischen Ereignisdichtung. Bemerkenswert ist dabei, dass die bewussten Differenzen jeweils in einem engen Verhältnis zur Ausprägung der Ereignisreferenz stehen. Diese betrifft die inhaltlich-thematische Ebene der Texte; in struktureller Perspektive soll auf dieser Ebene die Themenentfaltung berücksichtigt werden, während in referenzieller Hinsicht nach der Ausgestaltung der textinternen Kommunikationssituation, nach dem Verhältnis weltlicher und geistlicher Thematik sowie nach Wahrheitsanspruch und Wirklichkeitsbezug gefragt werden soll. Zur Charakterisierung der Texte auf inhaltlich-thematischer Ebene treten schließlich die Ebenen ‚Form‘ und ‚Aufführung‘ hinzu.

1 Beschreibungsmodell 1.1 Metrik und Aufführung 1.1.1 Metrische Struktur Die Ereignisdichtungen werden bezüglich ihrer metrischen Struktur zunächst unterteilt in stichische und strophische Formen und dann hinsichtlich der Baumuster ihrer metrischen Grundeinheiten genauer bestimmt. Von einer Strophe ist die Rede, wenn erstens mehrere aufeinander folgende Verse eines Textes durch bestimmte Regeln zu einer Versgruppe verbunden werden, deren metrisches Muster sich mit jeder weiteren Versgruppe wiederholt,9 und wenn zweitens die metrisch gebildeten Versverbünde zugleich zusammenfallen mit inhaltlich-syntaktischen Einheiten.10

9 Holznagel 2013(c), S. 14; Wagenknecht, Christian: – Deutsche Metrik. Eine historische Einführung. 5., erweiterte Aufl. München 2007(b). (C. H. Beck Studium), S. 169. 10 Die Kategorie ‚Syntax‘ berücksichtigt Frank 1993, S. 25, bei der Unterscheidung von strophischen und nicht-strophischen zweizeiligen Versgruppen. Er betont in diesem Zusammenhang etwa, dass Strophenenjambements eine Ausnahme bilden. Auf deren Seltenheit hatte auch Heusler hingewiesen. Vgl. Heusler 1927, S. 247.

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 Texttypen

1.1.2 Aufführungsart Unter dem Begriff der ‚Aufführungsart‘ verstehe ich mit Paul Zumthor eine Möglichkeit der mündlichen Realisierung eines Textes vor Publikum.11 Die Aufführung oder performance ist nach Zumthor der Hauptfaktor mündlicher Dichtung.12 Denn erst die Aufführung mache aus einer mündlichen Kommunikation einen poetischen Gegenstand, indem sie ihm die soziale Identität gebe, durch die er als solcher wahrgenommen und ausgewiesen werde.13 Die Performanz der Ereignisdichtungen lässt sich lediglich approximativ bestimmen. Hinweise finden sich auf der formalen Textebene mit der metrischen Struktur und auf der semantischen mit den Referenzen der Äußerungsinstanz auf ihren eigenen Diskurs,14 ggf. ferner auf der Paratextebene mit Melodienotationen oder aber mit Tonangaben, Appellativa wie ‚Lied‘ und ‚Spruch‘ und Indizien auf den Gebrauchskontext in den Titeltexten, die den Ereignisdichtungen im Überlieferungskontext vorgeschaltet sind. Allerdings müssen nicht zwingend auf allen genannten Ebenen Hinweise auf den Gesangs- oder Sprechvortrag realisiert sein. Für das Korpus der Hemmingstedter Ereignisdichtungen beispielsweise fehlen Melodieaufzeichnungen völlig und auch Tonangaben werden in den Handschriften nicht dokumentiert, denn es handelt sich nicht um Medien zum Zwecke der Aufführung. Maßgeblich für die Frage der Aufführungsart in diesem Abschnitt sind auch deshalb in erster Linie die metrische Struktur der Ereignisdichtungen und ihr Verhältnis zum inhaltlich-syntaktischen Aufbau der Texte. Danach werden stichisch organisierte Dichtungen als Texte für den Sprechvortrag aufgefasst; strophisch gegliederte hingegen als Gesangstexte.15 Die textinternen Äußerungsreferenzen sind in Hin-

11 Zumthor, Paul: Einführung in die mündliche Dichtung. Berlin 1990, S. 160. 12 Zumthor 1990, S. 73, 133. 13 Zumthor 1990, S. 73. 14 Dies betrifft die strukturelle Performativität der Ereignisdichtungen, das heißt die sprachlichen Techniken von Deixis und Indexikalisierung zur Fingierung oder als Reflex von Aufführungsparametern wie ‚Stimme‘, ‚Körperlichkeit‘ und ‚Leiblicher Ko-Präsenz‘ im Text. Vgl. Häsner, Bernd u. a.: Text und Performativität. In: Theorien des Performativen. Sprache – Wissen – Praxis. Eine kritische Bestandsaufnahme. Hrsg. von Klaus W. Hempfer / Jörg Volbers. Bielefeld 2011. (Edition Kulturwissenschaft 6), S. 69–96, hier S. 83f.; Velten, Hans Rudolf: Performativitätsforschung. In: Methodengeschichte der Germanistik. Hrsg. von Jost Schneider. Berlin / New York 2009, S. 549–571, hier S. 552. 15 Franz-Josef Holznagel spricht von „[der] durchgängige[n] Bindung der deutschen Lyrik des Mittelalters an den Gesangsvortrag“. Zwar sei aufgrund der zunehmenden literalen Bildung im Spätmittelalter auch mit der lesenden Aneignung von Lyrik zu rechnen, doch zeige die oftmals an die Liedaufzeichnung gebundene Melodienotation, dass auch im Spätmittelalter die „Kombination aus Text und Musik“ erhalten bleibe. (Holznagel 2013[c], S. 12) Für die ereignisbezogene Dichtung und im Besonderen für die historisch-politische Ereignisdichtung lassen sich hierfür

Beschreibungsmodell 

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sicht auf die Aufführungsform insofern interessant, als dass die Konturierung der Äußerungsinstanz als ein Ich auf einen Solovortrag hindeuten kann, während entsprechend ein Äußerungs-Wir einen kollektiven Gesangsvortrag nahelegt.16

1.2 Ereignisreferenz 1.2.1 Wirklichkeitsbezug und Wahrheitsanspruch Alle Texte, die dieser Untersuchung zugrunde liegen, werden auf die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500 bezogen. Ausgangspunkt der Korpusbildung war jedoch nicht in erster Linie die explizite Ereignisreferenz in den Texten selbst, sondern zunächst ihre Zuschreibung an das historische Ereignis in der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts sowie in den überliefernden Medien des 16. bis 18. Jahrhunderts.17 Mit Blick auf die Referenzierung des Vorfalls jedoch, vor allem durch Zeit-, Orts- und Personenangaben, können zwei Extreme beobachtet werden: Die Spanne reicht von solchen Texten, die das Ereignis zeitlich mit der Angabe von Tag, Monat und Jahr exakt verorten, ferner eine authentische Raumkonturierung bieten, die mit der Beschreibung der spezifischen geologischen Gegebenheiten des Marschlandes noch weit über die namentliche Bezugnahme auf Dithmarscher Städte und Dörfer hinausgeht, und die die beteiligten

zahlreiche Beispiele beibringen, u. a. mit den Liedern RLB 3, 4, 5 im Rostocker Liederbuch. Vgl. Ranke, Friedrich / Müller-Blattau, Joseph (Hrsg.): Das Rostocker Liederbuch nach den Fragmenten der Handschrift neu herausgegeben. Halle (Saale) 1927. (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse, 4. Jahr, Heft 5). Nachdruck Leipzig 1987. Für das 16. Jahrhundert sind in diesem Zusammenhang vor allem die massenweise produzierten Lieddrucke in Anschlag zu bringen, die auf dem Titel die Angabe des Tons nennen, in dem das betreffende Lied zu singen ist. Stellvertretend für das norddeutsche Gebiet sind hier die Drucke aus der Offizin von Johann Balhorn dem Älteren in Lübeck zu nennen, die teils auch ereignisbezogene Lieder dokumentieren: Vgl. z. B. VD16 ZV 28153, ZV 9689, V 448, ZV 15151, V 372, V 354, M 5072, ZV 11863, S 3971, N 2168, B 6872, W 2204, Z 222. Zur Überlieferung von Lieddrucken allgemein vgl. Brednich 1974/75. – Sprech- und Gesangsvortrag sind zunächst performative Möglichkeiten, die von der metrischen Struktur der Texte jeweils nahegelegt werden. Die lesende Rezeption auf der Grundlage der verschrifteten Texte ist dabei mitzudenken; sie kann von vornherein intendiert sein (vgl. Kommentar zur Reimpaarrede Nr. 2) oder aus einem Wandel des Rezeptionsinteresses resultieren, wie es etwa bei der Liedaufzeichnung im historiographischen Kontext anzunehmen ist. 16 Holznagel 2013(c), S. 14. Grundsätzlich ist jedoch streng zwischen der realen und der textinternen Aufführung zu trennen. Zwar können Kongruenzen beobachtet werden, wenn die Äußerungsinstanz in einem Lied sich etwa auch als Sänger bezeichnet (z. B. Nr. 8), doch finden sich genauso gut auch Divergenzen (z. B. Nr. 3). 17 Vgl. Teil 2: Kap. II.

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 Texttypen

Personen mit Titeln und Namen benennen (z. B. Nr.  1, Nr.  3), bis zu jenen, die das Geschehen vermittels der Tempusausprägung ‚Präteritum‘ nur mehr in eine unbestimmte Vergangenheit situieren, zwar Orte namentlich nennen, doch das Land Dithmarschen nicht mehr authentisch, sondern teils topisch konturieren und die Hauptakteure lediglich mit Appellativa referenzieren (z. B. Nr. 12A). Wie explizit die Ereignisreferenz in einem Text sprachlich vermittelt wird, berührt zusammen mit der grammatischen Ausgestaltung der Zeitrelation zwischen historischem Vorfall und textinternem Äußerungsakt den Aspekt des Wirklichkeitsbezugs, der mit dem Einsatz symbolischer und deiktischer Ausdrücke18 im Text hergestellt wird. Mit diesem Fokus verbindet sich nicht zuletzt auch die Frage nach dem Charakter der Fiktionalität19 ereignisbezogener Dichtung. Unter Wirklichkeit oder Realität wird hierbei „die beobachterabhängige externe Welt – genauer: die intersubjektiv geteilten Beobachtungen dieser Welt, die sich in einem Wirklichkeits- bzw. Realitätsmodell niederschlagen“,20 verstanden. In der Literaturwissenschaft herrscht weitgehend Konsens darüber, dass Fiktionalität weder allein auf der Darstellungsebene eines Textes – etwa durch seine Literarizität und Poetizität – noch ausschließlich auf der semantischen Ebene – durch die Fiktivität einzelner Inhaltselemente – hinreichend bestimmt werden kann.21 Vielmehr wird für eine „pragmatische Perspektive“ plädiert, „die von his-

18 Das Begriffspaar geht auf die Sprachtheorie Karl Bühlers zurück. Bühler unterschied nach der Art und Weise, wie Wörter im Sprechereignis zu ihrer Bedeutung gelangen, grundsätzlich zwischen Symbolwörtern und Zeigwörtern. Symbolische Ausdrücke sind Nennwörter mit einer relativ konstanten, das heißt vom jeweiligen Sprechereignis unabhängigen, Kopplung von Formativ und Bedeutung; hingegen gelangen deiktische Ausdrücke (Zeigwörter), welche die Objekte außerhalb und innerhalb der Sprechsituation nicht bei ihrem Namen nennen, sondern stattdessen auf sie zeigen, mit jedem neuen Sprechereignis zu einer je anderen Bedeutung. Vgl. Bühler, Karl: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Leipzig 1934. Nachdruck Stuttgart 1982, S. 80f. 19 Zur Fiktionalitätsdebatte in der germanistischen Mediävistik vgl. Reuvekamp-Felber, Timo: Diskussion. Zur gegenwärtigen Situation mediävistischer Fiktionalitätsforschung. Eine kritische Bestandsaufnahme. ZfdPh 132 (2013), Heft 3, S. 417–444. 20 Nickel-Bacon, Irmgard / Groeben, Norbert / Schreier, Margit: Fiktionalitätssignale pragmatisch. Ein medienübergreifendes Modell zur Unterscheidung von Fiktione(n) und Realität(en). In: Poetica 32 (2000), S. 267–299, hier S. 270. – Das Wirklichkeitsmodell der Schlacht bei Hemmingstedt bilden die übereinstimmenden Angaben zum Zeitpunkt, zum Verlauf und zu den Akteuren des Ereignisses, die sich in der schriftlichen Überlieferung, vor allem in den handschriftlichen und gedruckten Chroniken niedergeschlagen haben. Auch das Narrativ der Schlacht, das den ereignisbezogenen Dichtungen zugrunde liegt, kann in diesem Sinne als Wirklichkeitsmodell aufgefasst werden (vgl. Kap. I.2.1). 21 Nickel-Bacon / Groeben / Schreier 2000, S.  274–275. Diese Haltung gibt Reuvekamp-Felber 2013, S.  431, auch für die Fiktionalitätsdebatte innerhalb der germanistischen Mediävistik an.

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torischem Wandel unterworfenen Wirklichkeitsvorstellungen und Kommunikationskonventionen abhängig ist“.22 In dieser Hinsicht sind für den vorliegenden Gegenstand die kommunikativen Strategien des Glaubhaft-Machens des Historiographen interessant, die Reuvekamp-Felber als Beispiel angibt: Der Autor einer historische Geltung beanspruchenden Erzählung erfindet möglicherweise weite Teile des Geschehens ebenso wie der Autor einer fiktionalen Erzählung, doch wird er zumeist die Fiktivität in der Kommunikation mit seinem Leser zu kaschieren versuchen und daher das Ziel verfolgen, mit historischen Narrativierungsstrategien (Augenzeugentopos, Quellenstudium, Verankerung des Geschehens in plausiblen Zeit-Raum-Koordinaten sowie rhetorische Prinzipien wie stilistische Einfachheit, chronologische Ordnung und brevitas) Geschichtswissen so zu konstruieren, dass es auf der Ebene der Darstellung glaubwürdig erscheint. So können sich rhetorische Prinzipien ausbilden, die entweder eher einer historiographischen oder einer fiktionalen Erzählgrammatik zugeschrieben werden.23

Die historisch-politische Ereignisdichtung wird von Karina Kellermann „im Grenzrain von res factae zu res fictae“24 verortet.25 Zu den Mitteln, die ihren fiktionalen Status dokumentierten, zählt Kellermann auf der Darstellungsebene u. a. die metrische Strukturierung und die Narrativität des Ereignisbezugs;26 mit Blick auf die Inhaltsebene führt sie z. B. die Anspielung auf Figuren der Heldenepik an.27 Ihren faktualen Charakter erlangt die historisch-politische Ereignisdichtung, die mit dem Bezug auf einen zeitgeschichtlichen politischen Vorfall an der Gegenwartshistoriographie partizipiere,28 insbesondere durch die Wahrheitspostulate sowie die Beglaubigungsformeln,29 mit denen die Gattungsvertreter Glaubwürdigkeit und Faktizität der geschilderten Vorgänge an den Rezipienten vermittelten.30 Dies lässt sich mit der von Reuvekamp-Felber beschriebenen historiographischen Erzählgrammatik überein bringen. Ob und inwiefern die Texte mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt entsprechende Verfahren der Ereig-

Die Gleichsetzung von Literatur und Fiktionalität verbietet sich ohnehin angesichts des erweiterten Literaturbegriffs des Mittelalters im Allgemeinen und des pragmatischen Charakters ereignisbezogener Dichtung im Besonderen. 22 Reuvekamp-Felber 2013, S. 432. 23 Reuvekamp-Felber 2013, S. 432f. 24 Kellermann 2000, S. 287. 25 Kellermann 2000, S. 48. 26 Kellermann 2000, S. 302. 27 Kellermann 2000, S. 306. 28 Kellermann 2000, S. 287. 29 Kellermann 2000, S. 288–295. 30 Kellermann 2000, S. 295.

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nisdarstellung einsetzen, soll bei der Bestimmung der Texttypen berücksichtigt werden. 1.2.2 Thema und Themenentfaltung Ereignisbezogene Dichtungen thematisieren jeweils ein singuläres Geschehen, wobei die vorliegende Arbeit Texte mit Bezug auf Geschehnisse politischer Art fokussiert. Diese Geschehnisse bilden im textlinguistischen Sinne den „Kern des Textinhalts“, d. h. den Kern „de[s] auf einen oder mehrere Gegenstände (d. h. Personen, Sachverhalte, Ereignisse, Handlungen, Vorstellungen usw.) bezogenen Gedankengang[s] eines Textes“.31 Die Ereignisbezüglichkeit schließt jedoch nicht aus, dass weitere Themen verhandelt und mit dem Thema ‚Schlacht bei Hemmingstedt‘ kombiniert werden können. Dies berührt die Frage der Themenentfaltung. In der Textlinguistik bezeichnet dieser Begriff „die gedankliche Ausführung eines Themas“,32 die sich jeweils durch bestimmte logisch-semantische Relationen der Propositionen und propositionalen Komplexe des Textes auszeichnet.33 Im Untersuchungskorpus können in erster Linie die folgenden Propositionen beobachtet werden: a) ereignisbezogene Aussagen, die narrativ verknüpft werden, d. h. zu einer Folge von zeitlich aufeinander folgenden Geschehenselementen, die eine Zustandsveränderung darstellen,34 b) ereignisbezogene Aussagen, die demgegenüber kumulativ gereiht werden, so dass die propositionale Folge den Charakter einer Aufzählung erhält,

31 Brinker 72010, S. 49. 32 Brinker 72010, S. 54. 33 Brinker 72010, S. 56–77. Die von Brinker beschriebenen Formen der Themenentfaltung – ‚deskriptiv‘, ‚narrativ‘, ‚argumentativ‘, ‚explikativ‘ – lassen sich nicht eins zu eins auf die hier skizzierte Problemstellung anwenden. 34 Vgl. Schmid, Wolf: Elemente der Narratologie. 3., erweiterte und überarbeitete Aufl. Berlin / Boston 2014, S. 3: Die Darstellung einer Zustandsveränderung in der Zeit ist die „Minimalbedingung der Narrativität“. Drei Bedingungen müssten nach Schmid erfüllt sein: (1) Die temporale Struktur muss erkennbar sein an einem Ausgangs- und einem Endzustand. (2) Dabei müssten Ausgangs- und Endzustand hinsichtlich ihrer Eigenschaften eine Äquivalenz aufweisen. (3) Beide Zustände müssten sich auf dasselbe Geschehenselement beziehen. (vgl. ebd., S. 3f.). Darüber hinaus werden in der Forschung weitere notwendige Beziehungen zwischen zwei Motiven in Anschlag gebracht, wie etwa die kausale Auseinanderfolge bei Martínez, Matías / Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. 8. Aufl. München 2009, S. 25. Zur kausalen Motivierung Schmid: „In eine Minimaldefinition von Narrativität brauchen die Kausalität und andere Formen der Motivierung jedenfalls nicht einzugehen. Narrativ ist ein Text schon dann, wenn er nur temporale Verbindungen enthält.“ (Schmid 32014, S. 5)

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c) gott- oder weltbezogene Aussagen, die apodiktisch, d. h. ohne Perspektivierung in einem konkreten situativen Kontext durch deiktische Ausdrücke, vermittelt werden, d) äußerungsbezogene Aussagen, mit denen die Äußerungsinstanz auf sich selbst, auf ihr Publikum, auf Ort und Zeit des Äußerungsereignisses sowie auf die Qualität ihrer eigenen Äußerung Bezug nimmt. In Bezug auf das Kriterium der Themenentfaltung gilt es nicht nur, die unterschiedlichen propositionalen Komplexe zu identifizieren, sondern mit Blick auf ihre Anordnung und ihr quantitatives Verhältnis sowie auch auf ihre logischsemantischen und funktionalen Beziehungen die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten zu abstrahieren, die zugleich die inhaltliche Makrostruktur der Ereignisdichtungen offen legen.35 Drei Strukturmuster können im Untersuchungskorpus beobachtet werden: 1) narrative Texte, die sich durch die Dominanz narrativ integrierter Ereignisaussagen auszeichnen, welche von kürzeren äußerungsbezogenen Propositionen gerahmt sein können (Nr. 4, 5, 6, 8, 9, 12A–C); 2) deutende Texte, die ebenfalls einen umfangreichen Mittelteil narrativ verbundener oder kumulativ gereihter Ereignisaussagen aufweisen, die jedoch nicht allein durch äußerungsbezogene, sondern vor allem auch durch größere gott- und weltbezogene und allgemeingültig formulierte Aussagen eingefasst sind, wobei diese in ein argumentativ-deutendes Verhältnis zum ereignisbezogenen Hauptteil treten (Nr. 1, 2, 3, 11);36 3) verzeichnende Texte, in denen auf mikrostruktureller Ebene kumulierte Ereignispropositionen die narrativ integrierten dominieren und auf makrostruktureller Ebene diese Form der Reihung zur katalogartigen Verbindung der einzelnen ereignisbezogenen Abschnitte aufgegriffen wird (Nr. 7).

35 Die Überlegungen zur Themenentfaltung als Texttypen-Kriterium sind angeregt worden durch einen Ansatz in der Forschung zu den kleineren Reimpaardichtungen: In Fortführung der Diskussion über eine Typologie unterscheidet Franz-Josef Holznagel zwischen narrativen und diskursiven Texten und Textpassagen. Während die einen in der Terminologie von Harald Weinrich ‚erzählende‘ Tempora wie Präteritum und Plusquamperfekt verwendeten, kennzeichneten die anderen ‚besprechende‘ Zeitformen wie Präsens, Perfekt und Futur. Vgl. Holznagel, FranzJosef: Verserzählung – Rede – Bîspel: Zur Typologie kleinerer Reimpaardichtungen des 13. Jahrhunderts. In: Eine Epoche im Umbruch. Volkssprachige Literalität 1200–1300. Cambridger Symposium 2001. Hrsg. von Christa Bertelsmeier-Kierst / Christopher Young, unter Mitarbeit von Bettina Bildhauer. Tübingen 2003, S. 292–306, hier S. 293. In Abhängigkeit davon wie sich diskursive und narrative Textpassagen quantitativ, logisch-semantisch und funktional zueinander verhalten, konnten aus dem Korpus der kleineren Reimpaardichtungen v. a. mit der Rede, der Verserzählung und dem Bîspel spezifische Binnentypen abstrahiert werden. Vgl. ebd., S. 294. 36 Honemann 1997, S. 408, weist auf den Unterschied zwischen darstellenden und deutenden Bezügen auf das Ereignis hin.

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1.2.3 Textinterne Kommunikationssituation In einem weiteren Schritt sind die ereignisbezogenen Dichtungen dahingehend zu charakterisieren, welches Personal auf ihrer Äußerungsebene auftritt, wann und wo das textinterne Sprechereignis im Verhältnis zum politischen Ereignis stattfindet und welche Haltung Sprecher und Publikum zu dem thematisierten Vorfall und den beteiligten politischen Parteien einnehmen. Zu diesem Zweck werden die Texte einerseits evaluiert mit Blick auf die verwendeten lokal-, temporal- und personaldeiktischen Ausdrücke37 und andererseits mit Blick auf Deutungen und Wertungen von Ereignisaspekten seitens der Äußerungsinstanz. An dritter Stelle sind die Äußerungsabsichten in den Aussagen zu berücksichtigen, die sich an eine konkrete Adressateninstanz richten. Ziel dieser Betrachtung ist die Perspektiverweiterung auf Ausprägungen kommunikativer Konstellationen in der ereignisbezogenen Dichtung, denn mit dem Fokus der Forschung auf die Vertreter der historisch-politischen Ereignisdichtung wird bislang eine Realisierung favorisiert, und zwar die ereignisnahe Äußerung eines Sprecher-Ichs, das für eine der Konfliktparteien eindeutig Partei ergreift oder sogar zu dieser Partei gehört und sich zum Vorteil dieser Partei und/oder zuungunsten des Gegners an sein Publikum wendet.38 1.2.4 Verhältnis von weltlicher und geistlicher Thematik Aus dem Bezug auf ein reales politisches Geschehen folgt, dass der Gegenstand ereignisbezogener Dichtung ein grundsätzlich weltlicher ist. Und doch kann dieser weltliche Gegenstand religiös perspektiviert werden. Hierin deutet sich an, was Nicole Eichenberger für die religiöse Kleinepik des Mittelalters betont hat, dass nämlich „[d]ie Begriffe ‚geistlich‘ und ‚weltlich‘ als Endpunkte einer Skala zu denken [sind], deren Abstufungen fließend ineinander übergehen“.39 An das eine Ende dieser Skala stellt Eichenberger Texte, „in denen durch transzendente Figuren bewirkte Vorgänge oder religiöse Inhalte eine zentrale Rolle spielen“ und die man deshalb „ohne Zögern als ‚geistlich‘ bezeichnen

37 Zur Deixis vgl. Diessel, Holger: Deixis and demonstratives. In: Semantics. An International Handbook of Natural Language Meaning. Edited by Claudia Maienborn / Klaus Heusinger / Paul Portner. Vol. 3. Berlin 2012. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 33.3), S. 2407–2432, bes. S. 2414–2417 (participant deixis) und S. 2417–2428 (object deixis). 38 Kellermann 2000, S. 51f., 312–315. 39 Eichenberger, Nicole: Geistliches Erzählen. Zur deutschsprachigen religiösen Kleinepik des Mittelalters. Berlin / München / Boston 2015. (Hermaea. Germanistische Forschungen N.F. 136), S. 35.

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kann“;40 mit Blick auf das Untersuchungskorpus folgt daraus, dass es sich bei der ereignisbezogenen Dichtung keinesfalls um geistliche Dichtung in diesem engen und eindeutigen Sinne handelt. An das andere Ende der Skala positioniert Eichenberger „Erzählungen mit vorrangig weltlicher Thematik, in denen einzelne religiöse Elemente oder Versatzstücke nur eine marginale Stellung einnehmen“.41 Diesen Typ geistlicher Themenbindung repräsentieren mehrere der hier in Rede stehenden Texte (Nr. 4, 5, 6), die mit der Doxologie am Schluss nur ein einziges geistliches Element aufweisen, welches überdies zur Schlusstopik gerechnet und in dieser Hinsicht als Versatzstück ausgewiesen werden kann. Diese Texte können zusammen mit jenen, die ohne jeglichen Bezug auf das Transzendente auskommen (Nr. 7, 8 und 9) zweifellos als weltliche Ereignisdichtungen eingestuft werden. Zwischen den beiden Extrempunkten der Skala verortet Eichenberger u. a. Texte, in denen ex post eine geistliche Deutung der erzählten weltlichen Geschehnisse durch Figuren oder Erzähler vorgenommen wird42 und in denen religiöse Inhalte im narrativen Rahmen in der Figurenrede vermittelt werden;43 beide Formen geistlicher Themenbindung können in unterschiedlicher Intensität in den Reimpaartexten Nr.  1, 2 und 3 sowie auch in den Liedern Nr.  11 und 12A–C beobachtet werden. Mit Blick auf das Hemmingstedter Korpus möchte ich diese Reihe ergänzen um Texte oder Textpassagen, mit denen die Äußerungsinstanz eine transzendente Instanz apostrophiert, welche auf diese Weise in Rede oder Lied vergegenwärtigt wird. Sofern es sich hierbei nicht nur um die eingangs- oder schlusstopische Invocatio handelt, sind die betreffenden Texte auf der ersten Hälfte der Skala zu situieren und als geistliche Dichtung anzusprechen (Nr. 11).

40 Eichenberger 2015, S. 35. 41 Eichenberger 2015, S. 67. 42 Eichenberger 2015, S. 48–52. 43 Eichenberger 2015, S. 52–54.

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2 T  ypen ereignisbezogener Dichtung im Hemmingstedter Korpus 2.1 Nicht-sangbare Texte 2.1.1 Deutender Ereignisbezug Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 Der Texttyp ist sprachlich in Paar- oder Kreuzreimverse gefasst und für den Sprechvortrag konzipiert. Die Aussageinstanz ist als Ich-Sprecher ausgestaltet, der sich zeitnah und explizit auf das Ereignis bezieht und dies von einem Standpunkt aus, der nicht identisch ist mit dem Ereignisschauplatz. Eindeutige Hinweise auf die Zugehörigkeit zur einen oder anderen politischen Partei finden sich keine; dies korreliert mit der Tatsache, dass die Äußerungsinstanz weder mit der einen noch mit der anderen Seite eindeutig sympathisiert, sondern vielmehr eine differenzierte Sicht auf die kontrahierenden Personengruppen einnimmt bzw. deren positive oder negative Charakterisierung in den Dienst ihrer Argumentation stellt. Auch die Adressierungen sind divers: Angesprochen werden die Allgemeinheit, direkt oder indirekt die kontrahierenden Personengruppen sowie auch der Leser bzw. Hörer. Ausgehend von der Themenentfaltung liegt dem Texttyp eine dreiteilige Struktur zugrunde.44 Die vordergründig äußerungsbezogenen sowie auch die gott- und weltbezogenen Passagen sind an den Beginn und an das Ende der Texte positioniert. Dies und fernerhin ihre topische Ausgestaltung – u. a. mit Gegenwartsklage, Aufmerksamkeits- und Sympathieheische, Exposition des Aussagegegenstandes, Belehrung und Doxologie – zeichnet sie als Prolog und Epilog aus. Sie bilden den Rahmen für den ereignisreferenzierenden Hauptteil, welcher in erster Linie narrativ organisiert ist, jedoch auch einzelne äußerungsbezogene Sequenzen enthalten kann. Diese können funktional als Beglaubigungsmittel und Wahrheitsbehauptungen oder Betroffenheitsgesten eingestuft werden. Hinzu tritt die Aufmerksamkeitsheische, die vor allem mit dem Akzent auf die curiositas verwirklicht wird, indem der Ich-Sprecher vor seinem eigenen Wissensund Erfahrungshorizont die Singularität und Exzeptionalität des Geschehnisses oder einzelner Begebenheiten herausstellt. Insgesamt eignet dem Texttyp ein interpretativ-argumentativer Zugriff auf das politische Ereignis; Grundlage hierfür ist zunächst die Darstellung des Gesche-

44 Die Nr.  1 muss hiervon ausgenommen werden; ein dreiteiliger Aufbau tritt zwar auch hier zutage, doch wird die Stelle des Prologs hier besetzt mit einem Abschnitt, der die politische Vorgeschichte zum Ereignis von 1500 vermittelt.

Typen ereignisbezogener Dichtung im Hemmingstedter Korpus  

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hens, das dann im Nachhinein religiös gedeutet wird:45 Der Sprecher führt den Ausgang der Schlacht jeweils auf das Eingreifen Gottes zurück, bringt für diese Haltung entsprechende Argumente bei – darunter die Demut der siegreichen, den Hochmut der unterlegenen Partei sowie die Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Allmacht Gottes – und formuliert schließlich ein Resümee in Form einer an die Adressateninstanz gerichteten Schlussfolgerung oder Lehre, die jeweils auf ein gottgefälliges Leben abzielt.46 Im Zuge der deutenden Themenentfaltung wird von dem konkreten politischen Vorfall abstrahiert; der Sprecher verallgemeinert bestimmte Aspekte des Geschehens. Mit diesem Anspruch der Generalisierung korreliert dabei jedes Mal der Einsatz sprichwortartiger und sentenzenhafter Mikrotexte.47 Diese bieten in sprachlich verdichteter Form „allgemein gültige Regeln und Werte des sozialen Zusammenlebens“.48 Aus diesem Grund kann der Sprecher mit ihrer Verwendung an den Erfahrungshorizont der Rezipienten anknüpfen und Konsens für seine Interpretation und Kontextualisierung des politischen Geschehens erwirken.49 Mit seiner markant ausgeprägten argumentativ-deutenden Themenentfaltung partizipiert der Texttyp an der Form der Rede und ist in diesem Sinne von primär narrativ (Erzählung) oder auch szenisch (Spiel) organisierten Texten abzugrenzen.50 Mit Rücksicht auf die metrische, dabei jedoch unstrophische Bindung muss in Abgrenzung zu Prosaformen genauer von der Reimrede gesprochen werden. Jedoch handelt es sich hierbei nach Eberhard Lämmert um eine „indif-

45 Zu Vertretern der historisch-politischen Ereignisdichtung mit einer Wirkungsintention, die mit einer Morallehre am Schluss auf die religiös perspektivierte exemplarische Ausdeutung eines Ereignisses aus ist, vgl. Kellermann 2000, S. 275–277. 46 Zu diesem Argumentationsmuster in der ereignisbezogenen Dichtung vgl. Rattay 1986, S. 91– 99, und im Rückgriff darauf Kerth 1997, S. 30f., 40f., sowie dies. 2002, bes. S. 62–79. Zur argumentativen Themenentfaltung allgemein vgl. Brinker 72010, S. 69–76. 47 Gemeint sind kurze, prägnant und apodiktisch formulierte Texte mit Satzwertigkeit, die allgemein anerkanntes Orientierungs- und Erfahrungswissen vermitteln. Vgl. Eikelmann, Manfred: Sprichwort. In: RL 3 (2007), S. 486–489; Hofmeister, Wernfried: Sprichwortartige Mikrotexte als literarische Medien, dargestellt an der hochdeutschen politischen Lyrik des Mittelalters. Bochum 1995. (Studien zur Phraseologie und Parömiologie 5), S. 57–66, 72; Reuvekamp, Silvia: Sentenz. In: RL 3 (2007), S. 425–427. 48 Eikelmann, Manfred / Tomasek, Thomas: Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts. Bd. 1: Einleitung und Artusromane bis 1230. Bearbeitet von Manfred Eikelmann / Silvia Reuvekamp, unter Mitarbeit von Agata Mazurek u. a. Berlin / Boston 2012, S. 6*f. 49 Eikelmann / Tomasek 2012, S. 4*. Zur Funktion „sprichwortartiger Mikrotexte“ in politischer Lyrik vgl. Hofmeister 1995, S. 494–497. 50 Ziegeler 2007, S. 235–237.

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ferente Hohlform“;51 je nach Themenbindung, Funktionalisierung, Konturierung der Adressaten- und Sprecherinstanzen kann diese auf verschiedene Weise ausgestaltet sein und in Gebrauch genommen werden.52 Charakteristisch für den vorliegenden Texttyp ist die Verwendung der Hohlform ‚Reimrede‘ für die aktuelle und unparteiliche Bezugnahme auf ein politisches Ereignis und seine didaktisch intendierte religiöse Ausdeutung. Insofern hat der Texttyp prinzipiell Anteil an der politischen und auch an der lehrhaften Reimpaardichtung des Spätmittelalters.53 2.1.2 Verzeichnender Ereignisbezug Nr. 7 Der Texttyp zeichnet sich durch die Tendenz zur Prosa aus, die sich im vorliegenden Fall von Nr.  7 im Wechsel der Darbietungsform von der Reimpaarkette zur bloßen Auflistung von Namen über einen Prosaabschnitt zurück zur Reimpaarform andeutet. Der Verzicht auf die konsequente metrische Integration der ereignisbezogenen Propositionen korrespondiert mit der Einfachheit und Nüchternheit des Aufzählungscharakters, welcher die Makrostruktur des Textes insgesamt prägt und in Form der kumulativen Reihung der Ereignisinformationen mit Hilfe initialer additiver Adverbien sprachlich realisiert wird.54 Kürzere nar-

51 Lämmert 1970, S. 188. 52 Ziegeler 2007, S. 235f. 53 Vgl. hierzu die Überblicksdarstellungen mit Beispielen bei Cramer 32000, S.  101–105, und Brunner 22010, S. 344–347. Kellermann 2000, S. 95–99, führt an Beispielen aus den Œuvres von Peter Suchenwirt, Muskatblut, Michel Beheim und Hans Rosenplüt vor, inwiefern didaktischpolitische Reden zu den historisch-politischen Dichtungen gezählt werden können oder von diesen abzugrenzen seien. Dabei hebt sie die „unterschiedliche Intentionalität“ als entscheidendes Differenzkriterium hervor. „Die politisch-didaktische Dichtung wird zwar politisch konkret, nimmt aber das historische Ereignis nur zum Anlaß, um einzelne Personen oder Gesellschaftsgruppen oder das gesamte Publikum zu belehren.“ (Ebd., S. 96) Vor diesem Hintergrund tendiere ich dazu, die Reimreden Nr. 2 und Nr. 3 eher als ‚didaktisch-politische‘ denn als ‚historisch-politische‘ Dichtung aufzufassen. Die Grenze ist jedoch fließend, wie Kellermanns Ausführungen auch sehr deutlich machen. (Ebd., S. 95–99) Nach Kellermann (ebd., S. 87) habe die didaktischpolitische Reimpaarrede in thematischer Hinsicht die hochmittelalterliche Sangspruchdichtung beerbt. 54 In Hinsicht auf die akkumulierende Fügung von Ereignisinformationen weist der verzeichnende Reimpaartext mit Ereignisbezug Übereinstimmungen mit dem Typ der ‚Reihenrede‘ auf, einer Bau- und Organisationsform, die Franz-Josef Holznagel im Korpus der mittelhochdeutschen kleineren Reimpaardichtungen des 13. Jahrhunderts identifiziert hat. Die ‚Reihenrede‘ zähle zu den ‚Registerreden‘, worunter Holznagel „nicht-narrativ organisierte Texte [versteht], deren Makrostruktur maßgeblich durch Kataloge, Reihenbildungen oder Auflistungen von ein-

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rative Passagen als Elemente dieses Informationskatalogs sind der Makrostruktur ohne Rücksicht auf ihre chronologische Ordnung subordiniert, während die äußerungsbezogenen Sequenzen, die häufig am Beginn und am Ende größerer Strukturelemente positioniert sind, als zusätzliche Mittel der Strukturierung fungieren. In kommunikativer Hinsicht lenken sie die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf bestimmte Textaussagen und dienen insgesamt ihrer Authentifizierung; der äußerungsbezogene Texteingang akzentuiert die Aktualität des Textgegenstandes. Das Textthema lässt sich, ausgehend von dem politischen Ereignis, weiter konkretisieren; es betrifft die materiellen und personellen Verluste einer der Kriegsparteien als Konsequenz des militärisch ausgetragenen Konflikts. In der Vermittlung dieser Verluste besteht das kommunikative Hauptanliegen des Textes. Dies zeigt sich nicht nur in der bewussten katalogartigen Anlage, sondern auch darin, dass die Referenzierung der Verluste den Text inhaltlich und mengenmäßig dominiert, wobei ein deutlicher Akzent auf quantifizierende Angaben zu beobachten ist, sowie auch in dem Umstand, dass das Sprecher-Ich als Berichterstatter und Nachrichtenvermittler gegenüber einem in der 2. Plural adressierten, nicht mit einer der Konfliktparteien eindeutig zu identifizierenden Publikum konturiert ist, der seine Informationen überdies im Rückgriff auf diverse Beglaubigungsstrategien authentifiziert. Der Sprecher nimmt aktuell und explizit auf das kriegerische Ereignis Bezug. Er befindet sich jedoch nicht an dem Ort des Geschehens und zählt auch nicht zu seinen Teilnehmern; die Sympathie für die besiegte Partei deutet sich zwar an, ist aber nicht als offensive Parteinahme für sie oder Verunglimpfung ihrer Gegner ausgestaltet. Die Ankündigung des Inhalts als Neuigkeit, der markant ausgeprägte berichtende Charakter bei gleichzeitigem Verzicht auf eindeutige Parteinahme, des Weiteren die Einbindung umfangreicher Verlustkataloge sowie auch die schmucklosen Darbietungsformen von Liste und Prosa rücken den Text in den Kontext spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Formen des aktuellen Nachrichtenaustauschs. Von der älteren wie auch der jüngeren Forschung werden Nachrichtentexte in Reimform oder Prosa über aktuelle Ereignisse begrifflich erfasst als Neue Zeitungen.55 Dies ist auf den Umstand zurück zu führen, dass die besagten Texte

zelnen Textelementen bestimmt wird“. (Holznagel 1999, S. 293) Mit Blick auf die Funktion der gereihten Aussagen unterscheiden sich die Reihenrede und der vorliegende Texttyp jedoch deutlich: Sind sie dort der Argumentation für eine eingangs formulierte Behauptung verpflichtet (ebd., S. 294), werden sie hier in den Dienst der Informationsvermittlung gestellt. 55 Vgl. Kerth 2002, S.  97–102, mit weiteren Literaturhinweisen; Roth 1914, bes. S.  1–8. Aktuell berichtende Lieder, die im Druck verbreitet wurden, bezeichnet Brednich als ‚Zeitungslieder‘. Vgl. Brednich, Rolf Wilhelm: Zeitungslied. In: RL 3 (2007), S. 889–891. Während zu den Neuen

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häufig im Titel oder am Texteingang Neuigkeitsformeln wie niuwe zeitung führen, mit denen sie die Aktualität ihres Gegenstands ausweisen und die Aufmerksamkeit der Adressaten wecken.56 Das wichtigste Kriterium zur Unterscheidung der versifizierten Neuen Zeitung von der historisch-politischen Ereignisdichtung ist der nüchterne berichtende Äußerungsgestus im Gegensatz zur tendenziösen und parteilich gefärbten.57 Neue Zeitungen wurden auf verschiedene Weise verbreitet: Bezeugt ist die handschriftliche Distribution, die sich aus dem brieflichen Nachrichtenverkehr zwischen Handelspartnern, politischen Verbündeten oder Freunden entwickelt hatte und seit dem 14. und 15. Jahrhundert dokumentiert ist. Die Nachrichtentexte sind in diesem Zusammenhang überliefert als eigenständige Rubriken innerhalb von Privatbriefen (Briefzeitungen), als auf losen Zetteln verschriftete Beilagen zu Briefen (Zettel) oder als ausschließlich zum Zweck der Nachrichtenübermittlung verfertigte Briefe (Zeitungsbriefe).58 Die jüngere Form der Nachrichtenverbreitung liegt seit dem 16. Jahrhundert mit den gedruckten Neuen Zeitungen vor. Diese adressieren nun ein breites, anonymes Publikum, sind anfangs noch in versifizierter Form, später überwiegend in Prosa ausgeführt und zielen sowohl auf die Verbreitung politischer Berichte als auch auf die breitenwirksame Mitteilung von Sensationsnachrichten ab.59 Parallel zu den gedruckten Neuen Zeitungen entwickelte sich aus Briefzeitung und Zeitungsbrief im 16. Jahrhundert die handgeschriebene Zeitung in Prosa.60 Aufgrund der

Zeitungen auch Berichte von politischen Ereignissen gezählt werden, grenzt Brednich Lieder mit dieser Thematik aus der Gruppe der Zeitungslieder aus. (Ebd., S. 889) 56 Kellermann 2000, S. 102; Roth 1914, S. 7. 57 Roth 1914, S. 5: „Während bei den eigentlichen Neuen Zeitungen im Allgemeinen ein ‚gewisses objektives Interesse‘ unverkennbar ist und die Parteinahme hinter der Absicht der Berichterstattung zurücktritt, weisen die historischen Volkslieder gerade die umgekehrten Züge auf. Der Dichter schildert das betreffende Ereignis, das auf ihn starken Eindruck gemacht hat, dessen Augenzeuge er vielleicht sogar war, mit ausgeprägter Entschiedenheit der Gesinnung nach seiner persönlichen Auffassung und mit dem unverhüllten Bestreben, die öffentliche Meinung zugunsten seiner Auffassung zu beeinflussen.“ 58 Kerth 2002, S. 97, 100f. Häufig wurden Listen mit den Namen der Gefallenen an Neue Zeitungen angehängt. (Ebd., S. 91) Siehe auch den Überblick bei Wilke 2000, S. 18–19. 59 Kerth 2002, S. 101f. Mit der Entstehung der gedruckten Neuen Zeitungen verengte sich das Bezeichnungsspektrum der Wendung niuwe zeitung bald auf aktuelle Nachrichtentexte unterschiedlichster Thematik und Form, die im Medium des Druckes verbreitet wurden. (Vgl. hierzu Kellermann 2000, S. 102) Dies entspricht auch der Definition der Neuen Zeitung bei Roth 1914, S.  1, als unperiodisch erscheinenden Druckerzeugnissen zur „Berichterstattung über wichtige Tagesereignisse von allgemeinem Interesse“. – Zu den Sensationsnachrichten zählen nach Kerth 2002, S.  102, „Mißgeburten, Kometenerscheinungen, schauerliche Verbrechen, Hinrichtungen [und] Kriegsgreuel“. 60 Von professionellen Schreibern wurden die Nachrichten kompiliert und die Zeitungen hand-

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umfangreichen Gefallenenliste wird man für den Reimpaartext Nr.  7 eher eine handschriftliche Verbreitungsform annehmen dürfen.

2.2 Sangbare Texte 2.2.1 Deutender Ereignisbezug Nr. 11 Innerhalb des Untersuchungskorpus zeichnet sich mit Lied Nr. 11 ein Typ ereignisbezogener Lieddichtung ab, in dem gottbezogene apodiktische und ereignisbezogene narrative Textpassagen in eine Beziehung treten, die nicht nur als deutende Entfaltung des Ereignisbezugs beschrieben werden kann, sondern die zugleich auch einhergeht mit einer markant ausgeprägten Rekurrenz auf die göttliche Instanz und ihre diesseitige Wirkungsentfaltung. Im Zuge dessen wird neben dem politischen Geschehen mit der Barmherzigkeit und Gnade Gottes und ihrem Offenbarwerden in der Welt ein zweiter Themenkomplex angesprochen. Die narrativ organisierten und konsequent deiktisch aus Sicht eines SprecherWir ereignisnah und explizit artikulierten Aussagen über das politische Geschehen dienen zum einen der Präzisierung und Veranschaulichung für die eingangs formulierte Feststellung von der Barmherzigkeit Gottes gegenüber einer Aussageinstanz, die aus dem militärisch ausgetragenen Konflikt als Siegerin hervorgegangen ist. Zum anderen bilden sie die Basis für die in sentenziöser und apodiktischer Rede von der Aussageinstanz durchgeführte Deutung des Geschehens, mit welcher der Text zugleich eine didaktische Wirkung entfaltet. Der durchgehend religiös perspektivierte Ereignisnachvollzug und die sich anschließende Deutung münden am Ende in Sprechakte, mit denen sich die Äußerungsinstanz lobend, preisend und bittend an ein göttliches Du richtet. Die thematische Bindung an die Barmherzigkeit und Gnade Gottes, die den integrativen Rahmen für den Bezug auf das militärische Ereignis und seine Deutung ex post bildet, sowie auch die Apostrophierung der göttlichen Instanz mit der Intention von Lob, Dank und Bitte dokumentieren die markant ausgeprägte „Präsenz der Transzendens in der immanenten Welt“.61 Mit der im Text verwirklichten kommunikativen Situation, in der sich eine Gemeinschaft von Gläubigen an eine göttliche Instanz richtet, deutet sich fernerhin eine Konzep-

schriftlich vervielfältigt. Der gravierendste Unterschied zur brieflichen Nachrichtenkommunikation bestand in der Anonymität der Medien, die weder eine Anrede noch eine Unterschrift trugen. Zur handgeschriebenen Zeitung der Frühen Neuzeit vgl. Barbarics-Hermanik 2011, S. 353–360. 61 Eichenberger 2015, S. 35.

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tion des Liedes für Formen der kollektiv vollzogenen Frömmigkeitspraxis an. Der Zweck des gemeinschaftlichen Sprechaktes besteht im Lob und Dank Gottes. Sowohl Themenbindung als auch strukturelle Performativität weisen den Texttyp demnach im Allgemeinen als einen Vertreter geistlicher Lieddichtung aus. Mit diesem Befund korrespondiert im Fall von Nr.  11 die verwendete Strophenform – ein Derivat des halben Hildebrandstons.62 Im Besonderen hat der Texttyp Anteil an der Tradition des lateinischen und volkssprachigen Hymnus. Dieser wird als an Gott adressierter gesungener Lobpreis zum Dank für die erfahrene Heilstat begriffen:63 „Beim Singen eines Hymnus werden Lob, Ehre, Dank und Bitte vollzogen, das Lobopfer wird dargebracht. Das Lobopfer wird nicht vollzogen, um etwas zu erhalten, sondern um für das bereits Erhaltene zu danken.“64 Eben diese Dank-Funktion des Lobgesangs legt die Integration eines Ereignisbezugs in gewisser Weise nahe und damit auch die Partizipation ereignisbezogener Dichtung an der Hymnentradition. Die betroffene und sich mit dem Lied artikulierende Gemeinschaft dankt für die Hilfe Gottes, mit welcher sie den Sieg über ihre Feinde erringen und die Bedrohung abwenden konnte.65

62 Vgl. Frank 1993, S. 107, mit dem Hinweis auf ein frühes Beispiel für die Verwendung des Tons im Bereich der geistlichen Lieddichtung bei dem Weihnachtslied ‚Es kommt ein Schiff geladen‘. 63 Wennemuth, Heike: Vom lateinischen Hymnus zum deutschen Kirchenlied. Zur Übersetzungs- und Rezeptionsgeschichte von Christe qui lux es et dies. Tübingen / Basel 2003. (Mainzer Hymnologische Studien 7), S. 13f. 64 Wennemuth 2003, S. 17. 65 Eine genauere Charakterisierung des vorliegenden Texttyps etwa als Kirchenlied oder Gemeindelied legt der beschriebene Hymnus-Charakter zwar nahe, scheitert allerdings an fehlenden Hinweisen auf die Entstehungszeit und den tatsächlichen Gebrauchszusammenhang des Liedes Nr. 11. Volkssprachige Lieder, die nach der Reformation Eingang in den Gottesdienst nach evangelischem und späterhin katholischem Ritus fanden, dort von der Gemeinde gesungen wurden und liturgische Funktion hatten, werden unter dem Begriff des Kirchenliedes subsumiert. Vgl. hierzu Rößler, Martin: Kirchenlied. In: RL 2 (2007), S. 260–263; Brunner, Horst: …das Reich mus vns doch bleiben. Einführung in Luthers Kirchenlieder. In: Brunner, Annäherungen. Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Berlin 2008. (Philologische Studien und Quellen 210), S. 336–349, hier S. 340. Ihr Gebrauch in der Liturgie schließt den Gesang im Konnex privater Frömmigkeitspraktiken allerdings nicht aus. (Wennemuth 2003, S. 20) Ein Teil von Luthers Kirchenliedern beruht auf deutschen Bearbeitungen lateinischer Hymnen. (Brunner 2008, S.  342) Charakteristisch für die mediale Repräsentation und Verbreitung des Kirchenliedes wird im 16. Jahrhundert der Typus des gedruckten Gesangbuches (Rößler 2007, S. 260), das zugleich eines der wichtigsten Zeugnisse für ihren liturgischen Gebrauch darstellt. Lied Nr. 11 ist in keinem Gesangbuch des 16. Jahrhunderts bezeugt. Der Terminus ‚Gemeindelied‘ geht auf Johannes Janota zurück. Vgl. Janota 1968, S. 266: Er bezeichnet volkssprachige geistliche Lieder des Mittelalters vor der Reformation, die von der Gemeinde im Gottesdienst gesungen

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2.2.2 Narrativer Ereignisbezug Am häufigsten können im untersuchten Liedkorpus narrative Ereignisbezüge beobachtet werden (Nr. 4, 5, 6, 8, 9, 12A–C). Die Lieder vollziehen das militärische Geschehen in Dithmarschen chronologisch und unter verhältnismäßig häufigem Einsatz von direkter Figurenrede nach, wobei auf der Darstellungs- und/oder auf der Handlungsebene die Sympathie für die Sieger und die Verunglimpfung der Verlierer mehr oder minder deutlich zutage treten. Mit Blick auf den makrostrukturellen Aufbau der Lieder, den Grad der Vermitteltheit des Geschehens sowie die Realisierung des Wirklichkeitsbezugs können drei Typen aus dem Korpus der Lieder mit narrativer Themenentfaltung abstrahiert werden. Dabei zeigt sich, dass sich Typ A und B in Hinsicht auf die genannten Kriterien klar voneinander unterscheiden lassen, während Typ C als eine Kombination aus A und B charakterisiert werden kann. Typ A vermittelt, eindeutig, ereignisnah Nr. 4, Nr. 5, Nr. 666 Mit Blick auf die Position und Funktion der äußerungsbezogenen Textsegmente im Verhältnis zu den narrativ organisierten Ereignispropositionen gibt sich eine dreiteilige Makrostruktur zu erkennen mit dem narrativen Nachvollzug des Schlachtgeschehens als quantitativ dominierendem Rumpfteil. Dieser wird einführend dem Publikum gegenüber als Neuigkeit angekündigt und/oder expositorisch vorgestellt und abgeschlossen mit Schlussbemerkung, Sängerreferenz und Doxologie im Umfang der letzten Strophe. Die Darlegung des Geschehens wird durch diese äußerungsbezogene Rahmung im Kontext einer textuell verwirklichten Aufführungssituation perspektiviert, in der die als Sänger konturierte Aussageinstanz für ihren Vortrag die Aufmerksamkeit und Sympathie ihres Publikums erlangen will. Die Äußerungsinstanz ist ein Sprecher-Ich, das zwar nicht als Angehöriger einer der zwei Konfliktparteien konturiert ist und dessen Sprechhandlung sich offenbar auch nicht am Ort des Geschehens vollzieht, das jedoch mit den Siegern sympathisiert und deren politischen Gegner desavouiert. Der Adressatenkreis bleibt weitgehend unbestimmt; er kann demzufolge auch nicht mit einer der politischen Parteien identifiziert werden. Das Ereignis wird als gerade erst geschehen oder noch nicht abgeschlossen geschildert. Diese Nähe zwischen politischem

werden konnten, jedoch keine liturgische Funktion hatten. „Das Gemeindelied wird dadurch zum liturgienahen Lied.“ (Ebd., S. 267) 66 Das Lied, welches zu den Prätexten der Reimpaarrede Nr. 1 gehört, wäre ebenfalls hierher zu gruppieren.

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und Äußerungsereignis korrespondiert mit der Explizität und Authentizität des Wirklichkeitsbezuges, die sich in einer zeitlich genauen und räumlich authentischen Situierung des Geschehens manifestieren sowie auch in namentlichen und referenzialisierbaren Personenbezügen.67 Mit gelegentlichen auf der Äußerungsebene angesiedelten Wahrheitspostulaten verbindet sich zudem ein Anspruch auf die Faktizität der Ereignisaussagen. Der Liedtyp weist die konstitutiven Merkmale der historisch-politischen Ereignisdichtung nach Kellermann auf.68 Mit Rücksicht auf Thema und Form ist er ferner zu einer weit verbreiteten und populären Liedgruppe des 15. und 16. Jahrhunderts zu rechnen, die sich einerseits durch den narrativen Bezug auf ein bemerkenswertes Ereignis auszeichnet – und dies mit aufmerksamkeitsheischenden Formeln am Texteingang exponiert – und andererseits die Form der Lindenschmidtstrophe verwendet.69 Diese gängige Form-Inhaltskopplung erklärt nicht zuletzt auch die Affinität der ereignisbezogenen Lieddichtung zu dem populären Fünfzeiler, welcher zum häufigsten Strophenmuster unter den historisch-politischen Ereignisliedern avancierte.70 Typ B unvermittelt, uneindeutig, ereignisfern Nr. 9, Nr. 12A, Nr. 12C Typ B der narrativen Lieder, dem in metrisch-musikalischer Hinsicht die Vagantenstrophe zugrunde liegt, kennzeichnet bezüglich der Themenentfaltung ein zweiteiliger Aufbau aus einem längeren ereignisbezogenen und narrativ organisierten Hauptteil und einer abschließenden kurzen kommentierenden Sequenz, mit der sich die Äußerungsinstanz auf die Sieger und die Verlierer bezieht.71

67 Dies auch ungeachtet derjenigen Personenbezüge, die erst im Zuge der Verschriftung durch Interpolation in die Texte eingeschrieben wurden. Vgl. hierzu die Kommentare zur Metrik für Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6. 68 Vgl. Kap. I.1.1. 69 Einen Überblick über die Geschichte, Verwendung und Häufigkeit der Strophenform gibt Frank 1993, S. 384–388. Namengebend für den Ton waren zwei Lieder über einen Räuber namens Lindenschmidt und dessen Hinrichtung im Jahr 1490. Die Erstabdrucke der Lieder datieren auf 1610 (Lil. 178A: Es ist nit lang das es geschah) und 1582 (Lil. 178B: Was wöllen wir singen und heben an). Zu Überlieferung und Inhalt vgl. Zink, Wolfgang: Die Lindenschmidtlieder. Ein historisches Ereignis und seine Interpretationsmöglichkeiten durch das Volkslied. In: Jahrbuch für Volksliedforschung 21 (1976), S. 41–86. 70 Kellermann 2000, S. 303. – Weitere Verwendungshinweise gibt Honemann 2005, S. 84, Anm. 46. Vgl. auch Holznagel 2013(a), S. 419f. 71 In der letzten Strophe von Lied 9 wird vor dem Hintergrund des Ausgangs der Schlacht eine Mahnung an den Gegner formuliert. – Die Verbindung aus ereignisbezogenem Lied aus Va-

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Dem Texttyp eignet darüber hinaus ein hoher Grad der Unvermitteltheit. Dieser Effekt resultiert zum einen aus der Tatsache, dass mit Ausnahme des Textschlusses die Äußerungsinstanz vollkommen hinter die Darstellung des Ereignisses zurücktritt: Der Texttyp beginnt in medias res und die ereignisbezogenen Propositionen werden an keiner Stelle unter Verwendung deiktischer Ausdrücke zur Äußerungsinstanz in Beziehung gesetzt. Zum anderen unterstützt der Einsatz umfangreicher Passagen direkter Figurenrede den Eindruck des unvermittelten Ereignisbezugs. Die Angaben zum politischen Geschehen sind verhältnismäßig spärlich und in Hinsicht auf Möglichkeiten seiner Identifizierung wenig aussagekräftig. Der Zeitpunkt des Vorfalls wird nicht genannt. Die Relation zwischen erzähltem Ereignis und Äußerungsereignis wird entweder gar nicht (Nr.  9) oder lediglich implizit vermittelt (Nr.  12). Der Raum wird zwar vermittels weniger Ortsnamen referenziert, davon abgesehen jedoch auch als topisch ausgestattete Landschaft vorgestellt. Bezugnahmen auf Personen werden mehrheitlich unter Verzicht auf Eigennamen vorgenommen. In der Zusammenschau kann das politische Ereignis zwar noch identifiziert werden, doch scheint es sich nur mehr als verblasstes Substrat im Text abzuzeichnen. Dieser Befund geht einher mit Aussagen zum vermittelten Geschehen, die sich nicht auf die Wirklichkeit des politischen Ereignisses außerhalb des Textes beziehen lassen. Hierunter fallen Orte, die es zwar gibt, aber die in keinem Zusammenhang mit dem Vorfall stehen, sowie auch Personen, die außerhalb der Lieder nicht bezeugt sind oder dem Personal fiktiver Erzählwelten entnommen sind. Der Modus des Wirklichkeitsbezuges und der unvermittelte und dramatische Modus der Narration auf der Darstellungsebene verleihen dem Texttyp im Verbund mit dem Verzicht auf jegliche Form von Wahrheitsanspruch und Beglaubigung den Charakter fiktionaler Erzähltexte. Aufgrund der skizzierten Merkmalsausprägung – vor allem mit Blick auf die Form des Realitätsbezugs – muss Typ B der narrativen Lieder in einem Feld der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Liedkultur verortet werden, das einerseits begrenzt wird von dem historisch-politischen Ereignislied (Typ A) und andererseits von der Gruppe erzählender, fiktionaler Lieder.72 So bewegt sich der

gantenstrophen und zweiteiligem Aufbau mit belehrendem Schluss findet sich auch in Lil. 23 mit Bezug auf den Tod von Herzog Kasimir III. von Pommern 1372 (vgl. dazu Honemann 2005, S. 78f.), überliefert in einer Chronikhandschrift aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. 72 In der Literaturwissenschaft kursieren für das erzählende fiktionale Lied die mehrheitlich äquivalent eingesetzten Begriffe ‚Ballade‘ und ‚Erzähllied‘. Balladen werden definiert als fiktionale, strophische Dichtungen kleineren Umfangs, die in erzählender Form ein „konflikthaftes Ereignis“ darbieten. Vgl. Wagenknecht, Christian: Ballade. In: RL 1 (2007[a]), S.  192–196, hier S. 192. Die Germanistische Mediävistik tendiert zum Terminus ‚Erzähllied‘ (Brunner 22010, S. 418;

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Liedtyp denn auch funktional zwischen der Teilnahme an einem aktuellen oder aktualisierten politischen Diskurs und der Hervorbringung einer gleichermaßen sinnstiftenden wie unterhaltenden Form des Vergangenheitsbezugs im Akt des Erzählens. Auf Lieder dieses Typs, die sich durchaus auf einen bestimmten historischen Vorfall beziehen lassen, denen es jedoch insgesamt an einer expliziten und historisch authentischen Bezugnahme mangelt, hat die Forschung verschiedentlich hingewiesen.73 In Verbindung damit wird jeweils thematisiert, dass historisch-politische Lieder im Zuge ihrer langen mündlichen Tradierung enthisto-

Cramer 32000, S. 315f.; Kellermann 2000, S. 103), der auch in der vorliegenden Arbeit präferiert wird. Die Bezeichnung ‚Ballade‘ wurde in Deutschland erst seit 1770 für erzählende Lieder eingesetzt, und zwar in Anlehnung an den englischen Begriff balad. Bei diesem handelte es sich wiederum um eine Entlehnung des französischen ballade, das allerdings nach seinem Ursprung (vgl. lat. ballare ‚tanzen‘) kein Erzähllied, sondern ein Tanzlied bezeichnete (vgl. auch italienisch ballata und provenzalisch balada ‚Tanzlied‘). (Vgl. Wagenknecht 2007[a], S. 193) Verwendet man den Begriff Ballade, werden demnach zwei Merkmalsebenen gegeneinander ausgespielt – die Ebene der Performanz (Musikalität und Tanz) und die Ebene der Themenentfaltung (Narrativität). Hinzu kommt, dass der Balladen-Begriff sowohl für strophische Texte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit eingesetzt wird, die für den Gesang konzipiert wurden, als auch für solche des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, die für den Sprechvortrag bzw. die private Lektüre gedichtet wurden. Um die älteren Erzähllieder von den neueren diskursiv abzugrenzen, hat man deshalb die Bezeichnung ‚Volksballade‘ – im Gegensatz zur ‚Kunstballade‘ – eingeführt. Vgl. Kayser, Wolfgang: Geschichte der deutschen Ballade. Berlin 1936, S. 43; Wagenknecht 2007(a), S. 193; Weißert, Gottfried: Ballade. 2., überarbeitete Aufl. Stuttgart 1993. (Sammlung Metzler 192), S. 53; Würzbach, Natascha: Figuren, Raum, Zeit in der klassischen Volksballade. In: Jahrbuch für Volksliedforschung 30 (1985), S. 43–53. Mit dieser Bezeichnung wiederum wird das erzählende Lied namentlich und begrifflich dem Volkslied zugeschlagen. Wie bei dem Terminus ‚Historisches Volkslied‘ gilt indes auch hier der Einwand, dass nicht eine Instanz ‚Volk‘, sondern konkrete Produzenten und Rezipienten hinter den erzählenden Liedern angenommen werden müssen, wenngleich sie nicht bekannt sind. Neuere Definitionen, die das Bestimmungswort ‚Volk‘ auf die mündliche und lang andauernde Tradierung der Lieder in der Bevölkerung beziehen (Weißert 1993, S. 53), vernachlässigen wiederum die massenweise Veröffentlichung und Verbreitung gerade auch des erzählenden Liedes im Druck seit dem 16. Jahrhundert. Vgl. dazu: Brednich I 1974, S. 12f., und zuletzt mit Bezug auf Brednich Grosch, Nils: Lied und Medienwandel im 16. Jahrhundert. Münster 2013. (Populäre Kultur und Musik 6), S. 33–35. – Für das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche erzählende Lied mit einem historischen Bezug verwendet Kellermann 2000, S. 103f., auch den Begriff ‚historische Ballade‘. Dieser ist jedoch festgelegt auf vergangenheitsbezogene erzählende Lyrik des 19. Jahrhunderts. Eingeführt wurde der Begriff von Kayser, übernommen hat ihn Walther Hinck, vgl. zuletzt und als Forschungsüberblick Ahrend, Hinrich: Die historische Ballade. Ein Forschungsbericht. In: Geschichtslyrik. Ein Kompendium. Hrsg. von Heinrich Detering / Peer Trilcke, unter Mitarbeit von Hinrich Ahrend / Alena Diedrich / Christoph Jürgensen. Bd. 1. Göttingen 2013, S. 240–250. 73 Kellermann 2000, S.  103, spricht von „Ereignisferne“ und „mangelnde[r] Historizität“, Honemann 1997, S. 406, von Liedern, die „von historischen Details weitgehend entleert sind“.

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risiert worden wären und sich mit diesem Vorgang dem fiktionalen erzählenden Lied angenähert hätten, respektive dass Erzähllieder mit einem historischen Kern auf historisch-politische Lieder zurückgingen, die sich nicht erhalten hätten.74 Ferner ist mit Blick auf einzelne Lieder verschiedentlich die Frage aufgeworfen oder sogar der Nachweis erbracht worden, dass sie deutlich jünger sind, als die Ereignisse, auf die sie sich beziehen.75

Beide grenzen ereignisbezogene Lieddichtung mit entsprechender Form des Wirklichkeitsbezugs deshalb aus der Gruppe der historisch-politischen Ereignislieder aus. 74 Honemann 1997, S. 406, und Kellermann 2000, S. 104, äußern dies zurückhaltend als Vermutung. Kayser 1936, S. 56f., formulierte es bestimmter: „Es konnte aber auch sein, daß das Lied die festen Bindungen an Ort und Zeit verlor, und daß die Einmaligkeit des Geschehens und der Gestalten verblaßte: es wurde zur Ballade.“ Er führt dies (ebd., S. 57f.) an mehreren Beispielliedern vor, die in verschiedenen Fassungen aus unterschiedlichen Zeiten vorliegen, darunter auch die von Kellermann 2000, S. 82, nicht mehr zur historisch-politischen Ereignisdichtung gerechneten Lieder Lil. 180 (‚Fräulein von Britannia‘) und Lil. 178 (‚Lindenschmidt‘). – Im Rahmen einer ganz anders gearteten Verhältnisbestimmung werden Lieder, die sich auf historisch-politische Ereignisse beziehen, als eine besondere Ausprägung des Erzählliedes des 15. und 16. Jahrhundert aufgefasst. (Beckers 1979, S. 3; Cramer 32000, S. 316; Röhrich / Brednich 1965; Wagenknecht 2007[a], S.  193; Weißert 1993, S.  35, 59) In der Zusammenschau zeigt sich, dass die Berührungspunkte zwischen beiden Liedgruppen von der Literaturwissenschaft immer wieder angesprochen wurden (Cramer 32000, S. 316; Kellermann 2000, S. 103f.; Wagenknecht 2007[a], S. 193; Weißert 1993, S. 35, 59), ohne aber die Verhältnisbestimmung hinlänglich auszubuchstabieren. Dies geht einher mit Brunners 2008, S. 316, Feststellung zur Erforschung des Erzählliedes, dass „eine zusammenfassende Darstellung des Liedtyps aus altgermanistischer Sicht dringend geboten [wäre]“. Anschließen ließe sich hier etwa an die Überlegungen zum Verhältnis der mittelalterlichen Heldenepik (speziell des Nibelungenliedes) zu historischen Ereignissen, das Joachim Heinzle als Umerzählung durch Reduktion und Assimilation beschreibt (vgl. Heinzle, Joachim: Das Nibelungenlied. Eine Einführung. Frankfurt a. M. 1994, S. 25). Als Reduktion beispielsweise ließe sich der Kampf zwischen den Dithmarschern auf der einen und dem Heer von König Hans I. von Dänemark auf der anderen Seite in Lied 12A beschreiben: Stehen sich in den ereignisnahen Reimreden Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 und auch noch in den faktualen narrativen Liedern Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6 diese zwei Heere gegenüber, ohne dass einzelne, mit besonderen Eigenschaften ausgestattete Kämpfer aus ihren Reihen heraustreten würden, so wird in dem besagten Erzähllied das Kampfgeschehen und der Sieg der Dithmarscher über ihre Gegner zuletzt vorgestellt als Zweikampf zwischen einem beherzten Dithmarscher und einem Reiter in goldener Rüstung. Ein adliger Reiter tritt auch in den Liedern 8 und 9 auf, die wie Lied 12A am fiktionalen Erzähllied teilhaben. 75 Zu diesem Problem siehe u. a.: Beckers 1979, S. 21–23, im Rückgriff auf Schröder 1928, S. 1–14 (betreffend die Lieder Lil. 9, Lil. 16, Lil. 24), und Kerth 1997, S. 303, im Rückgriff auf Wehrli 1959, S. 210 (betreffend Lil. 35).

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Typ C Mischformen Nr. 8, Nr. 12B Bei dem Mischtyp handelt es sich um Texte, die mit Typ A die äußerungsbezogenen Rahmenteile gemein haben und mit Typ B die Unvermitteltheit und Uneindeutigkeit des Ereignisbezugs sowie die Nicht-Referenzialisierbarkeit von Personen- und Ortsangaben. Mit den Mischformen zeichnet sich womöglich der Versuch ab, ereignisbezogene Dichtungen, denen Fiktionalität eignet, im Nachhinein zu faktualisieren. Denn die äußerungsbezogenen Eingangs- und Schlusssequenzen unterminieren u. a. die Unvermitteltheit der Narration.

3 Fazit Die Texttypologie legt ein breites und vielfältiges Form- und Funktionsspektrum ereignisbezogener Dichtung im Untersuchungskorpus offen, das von Deutung, Unterweisung und Bericht in nicht-sangbarer Darbietungsform bis zum Gotteslob, dem Bericht und der Erzählung für den Gesangsvortrag reicht. In unterschiedlicher Intensität und Qualität prägen die Hemmingstedter Ereignisdichtungen die Merkmale der Gattung ‚historisch-politische Ereignisdichtung‘ aus. Vollständig sind die Konstituenten ‚Ereignisnähe‘, ‚Parteilichkeit‘, ‚Wahrheitsanspruch‘ und ‚Publizität‘, um die Kategorien von Karina Kellermann76 aufzugreifen, im narrativen Liedtyp A (Nr.  4, Nr.  5, Nr.  6) ausgebildet. In den Reimreden mit deutendem (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3) wie ebenso in der Reimpaardichtung mit verzeichnendem Ereignisbezug (Nr. 7) fehlt es an einer explizit ausgeprägten parteilichen Haltung. Zudem deutet sich mit der Gebärde und der Intention der Äußerungsinstanz jeweils an, dass die Texte in den Kontext spätmittelalterlicher religiöser Unterweisung respektive aktueller Nachrichtenvermittlung zu stellen sind, wenngleich ihnen eine politische Wirkungsabsicht bzw. Entfaltungsmöglichkeit im Sinne einer Beeinflussung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen77 nicht abgesprochen werden kann, nur scheint dies nicht ihr vorrangiges kommunikatives Ziel zu sein. Ähnliches lässt sich für den deutenden Liedtyp (Nr. 11) festhalten. Dieser zeichnet sich durch Ereignisnähe, Parteilichkeit und Beglaubigungsstrategien als Vertreter der historisch-politischen Ereignisdichtung aus, doch haben m. E. die religiös didaktische und die lobende den Vorrang vor der politischen Funktion im eben genannten Sinne. Die geringsten Übereinstimmungen mit der bewussten Gattung ereignisbezogener Dichtung weisen die narrativen Lieder vom Typ B

76 Kellermann 2000. 77 Kerth 1997, S. 3.

Fazit 

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auf, die zwar Ereignisbezug und Parteilichkeit kennzeichnet, denen es jedoch an einem expliziten Wirklichkeitsbezug und Wahrheitsanspruch mangelt. Ginge man von einem Gattungsmodell mit Vertretern im Zentrum und an der Peripherie aus, je nach dem, in welcher Intensität das gattungstypische Merkmalsbündel in den Gattungsvertretern realisiert ist, müsste das narrative Lied vom Typ A in das Zentrum, jenes vom Typ B an die Peripherie, die übrigen Typen in den Raum dazwischen situiert werden. Zum Vergleich sei auf das Korpus der Ereignisdichtungen mit Bezug auf den Markgrafenkrieg verwiesen, das die Merkmale der historisch-politischen Ereignisdichtung in allen Teilen vollständig realisiert.78 In einem weiteren Schritt wäre nun zu prüfen, wie produktiv die exemplarisch ermittelten Typen ereignisbezogener Dichtung im 15., 16. und 17. Jahrhundert waren. Der Typ des narrativen Liedes (Typ A) im Lindenschmidtton mit explizitem und faktualem Ereignisbezug etwa ist auch mehrfach im Markgrafen-Korpus vertreten,79 ebenso die Reimrede mit deutendem Ereignisbezug,80 während die übrigen Texttypen in diesem hochdeutschen Ensemble nicht nachgewiesen werden können.81 Demnach ist wohl nicht allein korpusintern, sondern auch korpusübergreifend mit einer erheblichen Bandbreite ereignisbezogener Texttypen zu rechnen, abhängig davon, auf welche kommunikativen Muster, die den Produzenten mit der Kenntnis literarischer und musikalischer Traditionen zur Verfügung standen, für die ereignisbezogene Äußerung zurückgegriffen wurde. Im Hemmingstedter und teils auch im Markgrafen-Korpus sind dies die didaktische Reimrede (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3), die versifizierte, zur Prosa tendierende Neue Zeitung (Nr.  7), das geistliche Lied in der Funktion des Hymnus (Nr.  11) sowie die verschiedenen Ausprägungen des erzählenden Liedes (Nr.  4, Nr.  5, Nr. 6, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12A–C). Die Entscheidung für einen spezifischen Texttyp und damit einhergehend für das Anknüpfen an bestimmte gleichzeitige oder ältere Texttraditionen wird man auf die kommunikative Absicht der Autoren zurückführen dürfen, wenn man ereignisbezogener Dichtung grundsätzlich einen pragmatischen Charakter und demzufolge Zweckgebundenheit in einem

78 Vgl. Textabdruck und Analyse bei Kellermann 2000, S. 125–216. 79 Vgl. Kellermann 2000, Kap. C.VI, C.VII, C.VIII. 80 Vgl. Kellermann 2000, Kap. C.IX. 81 In den norddeutschen Großkorpora mit Bezug auf die Soester Fehde (1446–1447), den Lüneburger Prälatenkrieg (1454–1456), die Braunschweiger Fehde (1492–1493) und die Hildesheimer Stiftsfehde (1519) dominiert der Typ A des narrativen Liedes: vgl. Lil. 84–86; Lil. 102; Lil. 184–187 (Lil. 186 mit einem Derivat der Lindenschmidtstrophe); Lil. 325, 327, 328, 332, 333 (jeweils mit einem Derivat der Lindenschmidtstrophe). Reimpaartexte sind lediglich im Hildesheimer Korpus überliefert (Lil. 330, 334); diese sind aber mit den Hemmingstedter Reimdichtungen nicht in Deckung zu bringen.

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 Texttypen

bestimmten kommunikativen Rahmen zuerkennt, wie es die Forschung tut.82 In dieser kommunikativen Relevanz der literarischen Traditionen, deren Konturen in der Gruppe ereignisbezogener Dichtungen sichtbar hervortreten, liegt m.  E. das Potential einer auf Binnendifferenzierung, statt auf Binnenkonsolidierung setzenden Charakterisierung ereignisbezogener Lieder und Reimpaardichtungen, wobei nicht nur die Form der metrischen Strukturiertheit in Betracht zu ziehen ist, sondern auch die Ausprägung der gruppenspezifischen Kategorie der Ereignisreferenz mit den Komponenten ‚Thema und Themenentfaltung‘ und ‚Wirklichkeitsbezug‘. Die vorliegende Arbeit möchte zu weiteren Untersuchungen in dieser Hinsicht anregen und mit dem Beschreibungsmodell ein Analyseinstrument anbieten, geht den genannten Schritt aber selbst nicht. Stattdessen sollen als nächstes die Überlieferungsbefunde in das Zentrum der Betrachtung gerückt werden und damit zugleich der Blick auf die sprachlich indizierten Verwendungskontexte erweitert werden um die Perspektive tatsächlicher Gebrauchssituationen und Rezeptionsformen der ereignisbezogenen Dichtung im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit.

82 Kellermann 2000, S. 53.

III Überlieferungskontexte Die ereignisbezogenen Lieder und Reimpaardichtungen mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt werden in verschiedenen Überlieferungskontexten dokumentiert, an denen Vielfalt und Wandel von Benutzerinteressen und Textgebrauch abgelesen werden können. Diese – durch die Materialität und Textualität der überliefernden Objekte, ihre Benutzung sowie räumliche und zeitliche Distribution gekennzeichneten – Verwendungszusammenhänge zu ermitteln, ist das Hauptanliegen des vorliegenden Kapitels. In einem ersten Schritt werden dazu die Überlieferungskontexte geordnet nach Phasen der Überlieferung und mit Blick auf die materielle Konzeption, den Inhalt und die Benutzung der Drucke und Handschriften charakterisiert (Kap.  III.1). Der zweite Untersuchungsschritt zielt auf die Rezeption der Ereignisdichtungen im Zusammenhang mit der Dithmarscher Historiographie ab (Kap. III.2), die offenkundig den Kulminationspunkt der schriftlichen Tradierung darstellt. Beide Abschnitte stützen sich auf die im Katalog der Überlieferungsträger und in den textgeschichtlichen Kommentaren der Edition festgehaltenen Befunde in Teil 2 dieser Arbeit. An dritter Stelle werden die wichtigsten Ergebnisse zur Überlieferung der Hemmingstedter Ereignisdichtungen in einem Fazit skizziert (Kap. III.3).

1 Textkorpusgeschichte und Verwendungskontexte 1.1 Aktuell und ereignisnah In der Zeit unmittelbar nach der Schlacht bei Hemmingstedt gelangten zunächst nur die Texte vom Typ der ereignisdeutenden gereimten Rede (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3) in die Schriftlichkeit. Nr.  1 und Nr.  2 wurden kurz nach dem Ereignis in Lübecker und Hamburger Offizinen gedruckt und fanden von dort aus Verbreitung im niederdeutschen Sprachraum, einschließlich Dithmarschens,1 während Nr. 3 als Nachtrag und im Verbund mit zwei weiteren ereignisbezogenen Reimreden an die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ von Ernst von Kirchberg angefügt wurde, die sich in Schwerin im Besitz der mecklenburgischen Herzöge befand. Die Entstehung der Reimreden Nr. 1 und Nr. 3 wurde darüber hinaus wesentlich bedingt durch eine gleichzeitig gedruckte lateinische Elegie über die Schlacht bei Hem-

1 Die Rede Nr. 2 wurde bald nach ihrer Publikation sogar in Schweden rezipiert. https://doi.org/10.1515/9783110652888-004

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 Überlieferungskontexte

mingstedt aus der Feder des Gelegenheitsdichters Heinrich Boger (Nr. 13), deren Konturen in den mittelniederdeutschen Texten deutlich zutage treten.2 1.1.1 Haupttexte in gedruckten Quartheften mit Titelblatt und Holzschnitten Die Drucke repräsentieren den um 1500 häufigen Typ einer illustrierten Druckschrift in Form eines schmalen, bequem handhabbaren und gut lesbaren Quartheftes3, das eine Einzelschrift enthält; sie sind ausgestattet mit einem Titelblatt am Bucheingang, das mit einem deskriptiven Titeltext am oberen Seitenende und einem unmittelbar darunter positionierten Holzschnitt versehen ist;4 die Drucke sind unfirmiert, sie enthalten kein Druckerkolophon. Die drucktechnische Produktion legt eine überregionale Verbreitung5 der Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 in höherer Zahl nahe. Die Tatsache, dass von Nr. 1 gleich drei Ausgaben nachgewiesen werden können, spricht dafür, dass der Text in der Zeit kurz nach dem militärischen Ereignis in Dithmarschen recht nachgefragt gewesen sein muss und sein Druck für die Offizinen günstige Absatzmöglichkeiten versprach. Die Titelblattgestaltung am Bucheingang wiederum indiziert die von Produzentenseite anvisierten zeitgenössischen Diskurse, an denen die Reimpaarre-

2 Der Verbreitungsradius der Elegie war ungleich weiter als der der niederdeutschen Reimreden Nr. 1, 2 und 3: Die überliefernden Drucke wurden in Hamburg (D 5), Köln (D 6) und Rostock (D 7) gedruckt und ihre Benutzerspuren indizieren zeitgenössische Besitzverhältnisse in Rostock (D 5) und sogar in Rheinland-Pfalz (D 7, Köln). 3 Die Recherche im Gesamtkatalog der Wiegendrucke (August 2016) nach Inkunabeln im Quartformat (Format gleich 4), im Umfang von 2 bis 8 Blättern (Blattzahl kleiner als 9 und Blattzahl größer als 1) und ausgestattet mit Holzschnitten (Holzschnitt vorhanden) ergab insgesamt 2804 Treffer. Bemerkenswert ist die geringe Anzahl von 27 Drucken in niederdeutscher Sprache, worunter sich auch die Reimpaarreden befinden, die sich auf die Schlacht bei Hemmingstedt beziehen (GW M18277, M1827720, M18279). – Die Formatangabe ‚Quart‘ entspricht dem Falzformat (ein dreimal gefalzter Papierbogen); hinsichtlich der Blattmaße haben die Drucke Oktavformat. 4 Das Titelblatt am Bucheingang mit einem werkkennzeichnenden Titel am oberen Seitenende bei ansonsten leerer Fläche zählte um 1500 bereits zu den konventionellen Gestaltungsmitteln in der Buchproduktion. Vgl. Rautenberg, Ursula: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit in Deutschland, den Niederlanden und Venedig. Quantitative und qualitative Studien. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 62 (2008), S. 1–105, hier S. 41, 53. Die Positionierung von Holzschnitten auf dem Titelblatt unterhalb der Titelformulierung ist ab etwa 1480 häufiger zu beobachten, bleibt aber bis 1500 insgesamt seltener als der einfache Titelblatttypus. Vgl. ebd., S. 16, 53, 97. 5 Auf die Verbreitung in Dithmarschen deuten die Abschriften in Hs 3 und Hs 8 hin; die Verbreitung in Mecklenburg belegt das Rostocker Exemplar von D 1, das vermutlich in Rostocker Besitz war, da es dort bald nach seinem Erscheinen von dem sogenannten Akademischen Buchbinder als Einbandmakulatur verwertet wurde.

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den partizipierten:6 Neben den Hinweisen auf die Schlacht bei Hemmingstedt in den deskriptiven Titelformulierungen, die auf das militärische Ereignis in Dithmarschen verweisen, fungieren die gewählten Titelholzschnitte als Marker für die Themen ‚Krieg‘ (Nr. 1: D 1, D 2, D 3) und ‚Moraldidaxe‘ (Nr. 2: D 4). Im Fall von Nr. 2 referenzieren auch die unterhalb des Titelholzschnittes angeordneten apodiktischen Sprüche sowie auch das Epigramm auf der Rückseite die moraldidaktische Thematik, in deren Kontext die Schlacht bei Hemmingstedt verhandelt wurde. Mit dem zweiten Holzschnitt im Buchinneren stellt die typographische Einrichtung der Reimpaarrede Nr. 2 überdies einen Bezug zum Orient- bzw. Türkendiskurs der Zeit her und korrespondiert hierin mit dem Text auf der gegenüberliegenden Seite, wo von der äußeren Bedrohung der Christenheit die Rede ist.7 Die Bildausstattung der Drucke unterscheidet sich demnach markant von den Schlachten- und Belagerungsszenen, die charakteristisch für die Einrichtung ereignisbezogener Lieder im Einblattdruck waren.8 Während der Titelholzschnitt der Drucke von Nr. 1 immerhin noch eine Variante der Kriegsmotivik darstellt und den Inhalt des Haupttextes – den militärisch ausgetragenen Konflikt – auf den im Aneignungsprozess privilegierten Außenseiten des Druckes absatzstrategisch ausstellt, hat die Titelillustration von D 4 einen anderen Verweischarakter, indem sie die Reimpaarrede Nr. 2 in eine Reihe mit der moraldidaktischen Dichtung der Zeit stellt, die Schlacht jedoch nicht einmal mit einem topischen Motiv ins Bild setzt. Typographische Gestaltung und Exemplarik der Reimpaarrede entsprechen in dieser Hinsicht einander. Nur wenige Exemplare der Drucke haben sich erhalten; die Gebrauchsspuren, die in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts datieren, zeugen teils von ihrer frühen Reduzierung auf den Materialwert: Ein Exemplar wurde bald nach Erscheinen als Einbandmakulatur verwendet (D1, Rostock), ein anderes wurde für den Entwurf von Briefen und für Federproben benutzt (D 3, Bremen). Häufig sprechen die Spuren der Benutzung und des Umgangs mit den Drucken jedoch auch für ihre dauerhafte Inbesitznahme und Wertschätzung: So wurde ein Exemplar Teil einer Sammlung von Drucken des gleichen Typs in einer buchbinderischen Einheit (D 1, Berlin).9 Bemerkenswert sind fernerhin die Bremer Exem-

6 Zur Funktion des Titelblattes am Bucheingang als (absatzfördernder) Blickfang sowie Ausweis von Inhalt und Buchtyp in Abstimmung auf die Zielgruppe vgl. Rautenberg 2008, S. 61f. 7 Vgl. die Beschreibung des Druckes D 4 in Teil 2: Kap. II.2. 8 Siehe hierzu Brednich I 1974, S. 150–153. 9 Auf das Sammlungsprofil zu schließen, gestaltet sich angesichts von nur sechs nachweisbaren von ursprünglich mindestens 22 Drucken als schwierig. Doch deutet sich zumindest ein Benutzerinteresse an Erzeugnissen des beschriebenen Typs aus norddeutschen Offizinen an, die mittelniederdeutsche erzählende Texte enthalten. Darüber hinaus zeichnet sich die Vergemein-

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plare von D 3 und D 4: Ihre materielle Symbiose – das Titelblatt von D 3 wurde D 4 vorgeschaltet – zeigt, dass die Reimpaarreden Nr. 1 (in D 3) und Nr. 2 (in D 4) teils in denselben Benutzerkreisen zirkulierten. Beide Drucke waren noch bis ins späte 19. Jahrhundert angebunden an ein Exemplar des Tierepos ‚Reynke de Vos‘, das 1498 in der Lübecker Mohnkopfoffizin gedruckt worden war.10 Einige weitere Exemplare dokumentieren schließlich die besitzerseitige Aneignung durch Kolorierung, Rubrizierung und Glossierung (D 2, Kopenhagen; D 3, Bremen; D 4, Bremen), die als typische Medienmischungs-Phänomene11 der Inkunabel- und Frühdruckzeit angesprochen werden können, als sich die mise en page und Ausstattung des gedruckten Mediums noch an dem hierfür maßgeblichen Medium der Handschrift orientierte.12 Damit schufen die Benutzer aus uniformen Druckerexemplaren unikale Besitzerexemplare. Die Aneignung des gedruckten Mediums durch die Individualisierung des Exemplars13 ist vor allem für die Überlieferung ereignisbezogener Dichtung ein erhellender Befund, denn sie spricht für die Würdigung des Mediums über die Aktualität seines Inhalts hinaus.14 Doch bezieht

schaftung von Vertretern der fiktionalen Erzählliteratur mit solchen Texten ab, die sich zeitnah auf ein politisches Ereignis beziehen und Faktizität beanspruchen. Vgl. Katalogeintrag zu D 1, Teil 2: Kap. II.2. – Die Überlieferung von gedruckten Schriften kleineren Formats und Umfangs in zeitgenössischen Sammelbänden ist ein weit verbreitetes Phänomen. In Betreff der Erzeugnisse aus der Offizin von Simon Koch in Magdeburg siehe beispielsweise: Suckow, Ninon: Der Magdeburger Frühdrucker Simon Koch – Zur Überlieferung seiner Druckproduktion. In: Bibliothek und Wissenschaft 29 (1996), S. 87–94. Zahlreiche Beispiele von Sammelbänden mit Liedoktavdrucken aus dem 16. Jahrhundert beschreibt Schanze 2005, S. 203–242. 10 Prien 1884, S. 89. 11 Zu diesem Phänomen: Rautenberg 2003, S. 167–202. 12 Geldner, Ferdinand: Inkunabelkunde. Eine Einführung in die Welt des frühesten Buchdrucks. Wiesbaden 1978. (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 5), S. 2. 13 Gemeint sind hier Ausstattungsspuren von der Hand der jeweiligen Besitzer. Zur Ausstattung von Drucken als Auftragsarbeit in professionellen Schreibstuben vgl.  bspw. Rautenberg 2003, S. 169–176. – Zur deutlichen Unterscheidung von Druckerexemplar und Benutzerexemplar schlägt Schanze 2005, S. 205, die Begriffe „Produktform“ und „Gebrauchsform“ vor. Darüber hinaus führt er mit der „Überlieferungsform“ eine dritte Existenzform von Druckexemplaren an. Diese kann mit der Gebrauchsform, z. B. einem zeitgenössischen Sammelband, identisch sein, oder muss von dieser unterschieden werden, z. B. wenn das Exemplar aus einem Sammelband wieder herausgelöst wurde oder erst in jüngerer Zeit mit anderen Drucken zusammengebunden wurde. (Ebd., S. 206) 14 Vom Wertverlust des Mediums sollte umgekehrt nicht zugleich leichtfertig auf den Interessensverlust an seinem Inhalt geschlossen werden. So haben sich zwar die Medien ihrer primären Verbreitung nicht erhalten, jedoch die Texte selbst in Abschriften. Ein Beispiel hierfür sind die Aufzeichnungen von Nr. 1 und Nr. 2 in der Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8), dem die Drucke vorlagen, der jedoch in erster Linie an deren Inhalt interessiert war, während die überliefernden Objekte keine Aufnahme in seinen Codex fanden.

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sich diese Würdigung nur in einem Ausnahmefall auf die Auseinandersetzung des Nutzers mit dem enthaltenen ereignisbezogenen Text.15 Davon abgesehen deuten die Gebrauchsspuren zwar auf die Ausstattung und Aufbewahrung der Drucke hin, jedoch nicht auf die Arbeit an ihrem Inhalt. Diese manifestierte sich erst im Zuge der vierten Rezeptionsform, die neben der Materialverwertung, der Sammlung und der individualisierenden Ausstattung des Exemplars beobachtet werden kann, und zwar im Vorgang der Abschrift, die mehrfach im Korpus der Überlieferungsträger belegt ist (Hs 3, Hs 8). Dabei haben die Schreiber die Paratexte und teils auch die Gliederung aus den Drucken übernommen,16 die Reimpaarreden abgesehen davon aber aus den Drucken in individuelle handschriftliche Verwendungskontexte überführt.17 1.1.2 Nachtrag in einer Prachthandschrift Der Überlieferungskontext der Reimrede Nr. 3 zeichnet sich einerseits durch eine wertsignalisierende Materialität und andererseits durch einen auf die Geschichte Mecklenburgs und des mecklenburgischen Fürstenhauses bezogenen Inhalt aus. Überlieferungstyp und Text sind jeweils nur ein einziges Mal im Untersuchungskorpus nachweisbar. Die Handschrift, welche die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ des Ernst von Kirchberg aus dem Ende des 14. Jahrhunderts enthält, entspricht in Anlage und Ausstattung dem Layout repräsentativer Prachtcodizes, das seit dem 13. Jahrhundert für ausgewählte Werke volkssprachiger Literatur in Gebrauch genommen wurde:18 Der großformatige Buchblock besteht aus Pergamentblättern;19 der Text ist in einer Textualis aufgezeichnet und wurde versweise in zwei Spalten auf der Seitenfläche verteilt; die Majuskeln am Versan-

15 Vgl. die zeitgenössische Glosse auf Bl. 1b von D 3, Exemplar Berlin, 8o Inc 1190.20a. 16 Anders als bei den Druckabschriften in der Darfelder Liederhandschrift, wo die Paratexte nicht übernommen wurden. Vgl. Holznagel 2016[b], S. 143. 17 Vgl. hierzu die textgeschichtlichen Kommentare zu Nr. 1 und Nr. 2 sowie die in diesem Kapitel folgenden Abschnitte. 18 Wolf 2008, S. 104–106. Zu den Werken, die im 13. Jahrhundert in repräsentative Buchformate gelangten, zählten nur „ausgesuchte profane Werke bzw. Textsorten“, darunter „die großen Reim- und Prosachroniken, die Willehalm-Trilogie, die Gralepen ‚Parzival‘ und ‚Titurel‘ und die für den offiziösen Gebrauch bestimmten Rechtstexte“ (ebd., S. 83); zu den in Prachthandschriften überlieferten Chroniken des 13. Jahrhunderts zählen die ‚Weltchronik‘ von Rudolf von Ems, die ‚Christherre-Chronik‘, die ‚Kaiserchronik‘, die ‚Sächsische Weltchronik‘ und Strickers ‚Karl‘. (Ebd., S. 106) 19 Für alle anderen Handschriften im Korpus der Überlieferungsträger wurde Papier als Beschreibstoff verwendet, was angesichts ihrer Entstehung im 16., 17. und 18. Jahrhundert dem Erwartbaren entspricht.

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fang sind durchgehend rubriziert und die erste Verszeile eines Reimpaars jeweils mit der initialen Majuskel ausgerückt; den Bucheingang ziert ein seitenfüllendes Widmungsbild, während das Buchinnere mit farbigen und historisierten Initialen ausgestattet wurde.20 Die Reimchronik als Vertreterin der seit dem 12. Jahrhundert bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts auftretenden volksprachigen Reimchronistik21 wird aus literaturwissenschaftlicher Perspektive zur Geschichtsdichtung gezählt, da sie historische Fakten mit literarischen Mitteln aufbereite und vermittle.22 Aus historiographiegeschichtlicher Sicht handelt es sich um den Typus einer Landesoder Hauschronik.23 Sie zeugt von dem ausgeprägten Geschlechterbewusstsein Herzog Albrechts II. von Mecklenburg (1329/36–1379), des Auftraggebers. Ein zentrales Anliegen ist die Exposition und Legitimation der Königswürde der mecklenburgischen Herzöge durch die „Ansippung an den obotritischen König Billugh“.24 Dies erklärt sich aus der politischen Situation Mecklenburgs in der Entstehungszeit der Chronik: Albrecht II., der „mit Recht als der bedeutendste

20 Zur Einrichtung von Prachthandschriften vgl. Wolf 2008, S. 82f., 135. 21 Mierke, Gesine: Norddeutsche Reimchroniken. Braunschweigische und Mecklenburgische Reimchronik. In: Handbuch Chroniken des Mittelalters. Hrsg. von Gerhard Wolf / Norbert H. Ott. Berlin / Boston 2016, S. 197–224, hier S. 198f. 22 Sie findet Berücksichtigung in Band 5 des Deutschen Literatur-Lexikons (hrsg. v. Wolfgang Achnitz), der sich den Reiseberichten und der Geschichtsdichtung des Mittelalters widmet. Vgl. Malm, Maik: Ernst von Kirchberg. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter. Autoren und Werke nach Themenkreisen und Gattungen. Hrsg. von Wolfgang Achnitz. Bd. 3: Reiseberichte und Geschichtsdichtung. Mit einführenden Essays von Gerhard Wolf und Christoph Fasbender. Berlin / Boston 2012, Sp. 442–443. Den Begriff ‚Geschichtsdichtung‘ definiert Fasbender 2012(a), S. XXIX, als „gleich- oder nachzeitige Verschriftung geschichtlicher, als geschichtlich aufgefasster oder mit Methoden der modernen Geschichtswissenschaft nachweisbarer geschichtlicher Ereignisse unter signifikantem Einsatz spezifischer formaler und ästhetischer Mittel der gleichoder nachzeitigen Dichtung“. Nach Fasbender schließt der Begriff sowohl die germanische Heldendichtung als auch die christliche Hagiographie und die Geschichtsschreibung in Prosa aus Letztere weil sie „eher das Resultat einer durchaus komplexen, kontroversen Abgrenzungsbewegung gegenüber der Geschichtsdichtung darstellt“. (Vgl. ebd., S. XXIX) Mierke 2016, S. 199, spricht von dem „literarische(n) Bedeutungsüberschuss“ der Reimchronik, der dazu diene, ihre Aussagen zu unterstützen und vermittelbar aufzubereiten. 23 Malm 2012, Sp. 442. – Zum Typus der Chronik vgl. den Abschnitt ‚Haus- und Landeschroniken‘ bei Goetz, Hans-Werner: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter. Berlin 1999. (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 1), S. 360–371. 24 Auge, Oliver: Mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichtsschreibung als verlängerter Arm der Politik? Eine Spurensuche bei Ernst von Kirchberg, Albert Krantz und Nikolaus Marschalk. In: MJbb 123 (2008), S. 33–60, hier S. 38f.; Mierke 2016, S. 215.

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mittelalterliche mecklenburgische Herrscher bezeichnet worden [ist]“,25 erlangte 1348 für sich und seinen Bruder Johann (gest. 1392/93) die Reichsunmittelbarkeit und die Herzogswürde; innerhalb des Landes erweiterte er seinen Machtbereich, indem er 1358 die Grafschaft Schwerin an sich brachte;26 1363 gewann er schließlich die schwedische Krone für seinen Sohn Albrecht III. (gest. 1412).27 Das ganzseitige Widmungsbild am Bucheingang setzt die Inthronisierung des Letzteren durch seinen Vater ins Bild: Es zeigt rechts28 eine Figur im herzoglichen Ornat mit den Flaggen Mecklenburgs (Stierkopf) und der Herrschaft Rostock (Greif) und links daneben eine durch Reichsapfel und Krone attribuierte figürliche Königsdarstellung; der durch den ergrauten Bart älter als der andere gekennzeichnete Herzog überreicht dem jüngeren König das Banner Schwedens – drei Kronen auf blauem Grund. Bereits 1389 endete die Königsherrschaft für die Mecklenburger: Königin Margarethe von Dänemark und Schweden (1353–1412) setzte Albrecht III. in Gefangenschaft, aus der er erst 1395 nach Mecklenburg zurückkehrte.29 Die Reimrede Nr. 3 wurde am Beginn des 16. Jahrhunderts zusammen mit zwei weiteren ereignisbezogenen Dichtungen über die Rostocker Domfehde (1487– 1491) und den Sternberger Hostienfrevel (1492) und mit einer allen drei Texten vorgeschalteten Vorrede an den Leser an dritter Stelle auf den letzten Seiten des Manuskriptes eingetragen, wobei der Schreiber das Layout der älteren Chronik nachahmte. In dieser Sorgfalt und dem hohen Aufzeichnungsniveau zeigt sich, dass die Niederschrift planvoll erfolgt ist und nicht als das Resultat spontaner, provisorischer Textsicherung aufzufassen ist. Da der wertvolle, am Hof in Schwerin aufbewahrte Codex überdies nicht jedem zugänglich gewesen sein dürfte, ist an eine Auftragsarbeit seitens der Herzöge30 zu denken, die zur Aufzeichnung der Ereignisdichtungen in der ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ geführt hat. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Widmung in der Vorrede (V. 13–16), mit der die drei Reimreden dem Haus Mecklenburg zum Wohlgefallen überreicht wurden: Ghescreven suß to wolghevalle / To Mecklnburg dem eddelen hueß.

25 Münch, Ernst: Glanz und Elend des spätmittelalterlichen Herzogtums Mecklenburg 1348– 1477. In: Karge, Wolf / Münch, Ernst / Schmied, Hartmut: Die Geschichte Mecklenburgs von den Anfängen bis zur Gegenwart. 4., erweiterte Aufl. Rostock 2004(a), S. 42–56, hier S. 42. 26 Münch 42004(a), S. 42f. 27 Münch 42004(a), S. 44. 28 Aus der Betrachterperspektive. 29 Münch 42004(a), S. 45. 30 Der Nachtrag kann entweder zur Regierungszeit Herzog Magnus‘ II. (1477–1503) oder seiner Söhne Heinrichs V. (1503–1552) und Albrechts VII. (1503–1547) vorgenommen worden sein. Zu den Regierungsdaten siehe: Karge, Wolf / Münch, Ernst / Schmied, Hartmut: Die Geschichte Mecklenburgs von den Anfängen bis zur Gegenwart. 4., erweiterte Aufl. Rostock 2004, S. 203.

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 Überlieferungskontexte

Die Reihenfolge der drei Stücke entspricht der Chronologie ihrer Ereignisbezüge. Die ersten beiden Texte beziehen sich auf landesgeschichtliche Vorfälle; die Schlacht bei Hemmingstedt dürfte die Geschichte und die Angelegenheiten des Herzogtums zumindest indirekt berührt haben, indem die Niederlage König Hans‘ I. von Dänemark (1455–1513) Einfluss auf das Machtgefüge in Skandinavien und in der Reihe der Ostseeanrainer nahm.31 So könnten die drei ereignisbezogenen Reimreden als Fortschreibungen der ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ gelesen werden.32 Sie wären damit in einem engen Zusammenhang mit den durch Herzog Heinrich V. (1479–1552) beförderten historiographischen Unternehmungen des Hauses Mecklenburg zu sehen, die am Beginn des 16. Jahrhunderts einsetzten und vor allem mit dem Namen Nikolaus Marschalks (1460/70–1525) verknüpft sind.33 Zwischen den Nachtragstexten besteht ein entstehungsgeschichtlicher Zusammenhang, denn alle drei wurden aus lateinischen Vorlagen in ein mittelniederdeutsches Idiom ostfälischer Prägung übertragen. Verfasser – sowohl der lateinischen Gedichte als auch ihrer volkssprachigen Bearbeitungen – war der Theologe und Poeta laureatus Heinrich Boger (gest. 1505), der in enger Beziehung

31 Erst 1497 hatte König Hans I. von Dänemark mit militärischer Gewalt die schwedische Krone gewinnen und damit die Union der drei nordischen Königreiche wiederherstellen können. Nach seiner Niederlage in Dithmarschen kam es zu erneuten Spannungen zwischen ihm und Schweden. Vgl. Lange, Ulrich: Stände, Landesherr und große Politik – Vom Konsens des 16. zu den Konflikten des 17. Jahrhunderts. In: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Ulrich Lange. Neumünster 1996, S. 153–265, hier S. 164. – Herzog Magnus II. hatte ebenfalls kurzzeitig nach dem schwedischen Thron getrachtet. (Vgl. Auge 2008, S. 45) 32 Beispielsweise schreibt die Reimrede über den Hostienfrevel in Sternberg die Kapitel 178, 179 und 180 fort, die von Hostienfreveln in Krakow am See (1325) und in Güstrow (1330) handeln. Kapitel 164 wiederum bezieht sich auf den erfolglosen Feldzug Graf Gerhards von Holstein (um 1292–1340) nach Dithmarschen im Jahr 1319, an dem laut Chronik auch Heinrich II. von Mecklenburg (um 1266–1329) beteiligt war. – Tatsächlich hat sich die Forschung zur ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ bislang nicht mit der Frage befasst, welche inhaltliche und funktionale Verbindung zwischen der Chronik und den drei Nachtragsstücken besteht. 33 Zum Interesse Heinrichs V. an der Geschichte und Genealogie des Hauses Mecklenburg siehe Bischoff, Michael: Geschichtsbilder zwischen Fakt und Fabel. Nikolaus Marschalks Mecklenburgische Reimchronik und ihre Miniaturen. Mit einem Vorwort von Eberhard König. Lemgo 2006. (Materialien zur Kunst- und Kulturgeschichte in Nord- und Westdeutschland 30), S. 17–22. Der aus Thüringen stammende Nikolaus Marschalk war von 1505 bis zu seinem Tod 1525 Rat Herzog Heinrichs V. Als Hofchronist desselben verfasste er mehrere historiographische Arbeiten, darunter das vor dem 6. Juli 1512 vollendete ‚Chronicon der Mecklenburgischen Regenten Reim-Weise‘ (auch ‚Mecklenburgische Reimchronik‘). (Vgl. Bischoff 2006, S. 24–27) Zur Datierung der Chronik: Bischoff 2006, S. 28f. Vgl. hierzu auch Auge 2008, S. 49–57.

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zum Herzogshaus stand.34 Für die drei Nachtragsstücke ist keine Parallelüberlieferung bekannt. Es ist daher denkbar, dass die Übertragungen aus dem Lateinischen ins Mittelniederdeutsche eigens für die Niederschrift in dem Prachtcodex der volkssprachigen ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ angefertigt wurden. Auch diese Annahme lässt sich mit der Vorrede stützen: Hier (V. 1–4) wird der Leser zu Beginn ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm die drei Stücke zuvor nur auf Latein bekannt waren.35 De dusser ghedichte bist eyn leser, / Dar up int erste vorwarnet sy, / Dat er ansettende vorweser / De voͤr to latine bescrivet dy. Der Leserkreis dürfte lediglich die mecklenburgischen Herzöge und ihren Hof umfasst haben und ist deshalb gegenüber dem gelehrten Publikum der im Druck verbreiteten lateinischen Vorlagen als äußerst exklusiv anzusprechen.

1.2 1530 bis 1590 Der zweite Zeitabschnitt der schriftlichen Tradierung setzte um 1530 ein und reichte bis etwa 1590. Bei den Textzeugen handelt es sich ausschließlich um handschriftliche Materialien, die nicht einen einzelnen Text, sondern eine Textsammlung überliefern.36 Die Niederschrift der Textentitäten folgt dementsprechend dem Prinzip der Koordination, das heißt die Texte erscheinen als eigenständige Sammlungselemente gleichwertig neben anderen Teilen in der Kompilation. Mit fünf Vertretern geben die Manuskripte mit überwiegend niedrigem und eher schreiberorientierten paläographischem Niveau und einem geschichtsbezogenen inhaltlichen Schwerpunkt der Überlieferungsphase das entscheidende Gepräge; demgegenüber nimmt sich die Aneignung der Ereignisdichtungen in einer geistlichen Kompilation vergleichsweise besonders aus (Hs  2). Beide Ausprägungen

34 Vgl. hierzu Edition und Kommentar zu Nr. 3 in Teil 2: Kap. I.2. Zu Boger vgl. Katalogeintrag zu D 5 (Teil 2: Kap. II.3). Für die lateinischen Vorlagen der mittelniederdeutschen Stücke mit Bezug auf die Hostienschändung in Sternberg und die Schlacht bei Hemmingstedt bestehen ebenfalls Überlieferungsgemeinschaften in D 7 und Hs 13. 35 Vgl. Edition und Kommentar zu Nr. 3 in Teil 2: Kap. I.2. 36 Hs 2; Hs 3: Faszikel 2; Hs 4: Faszikel 5; Hs 5: Handschrift 1, Faszikel 2; Hs 6: Faszikel 4; Hs 7. Die genannten Faszikel aus Hs 3, Hs 4, Hs 5 und Hs 6 wurden teils schreibernah (Hs 3, Hs 6), teils erst später mit anderen handschriftlichen Faszikeln zusammengebunden, sind heute also Teil von sogenannten Buchbindersynthesen oder zusammengesetzten Handschriften. Zu diesem Typ der Sammelhandschrift vgl. Wolf, Jürgen: Sammelhandschriften – mehr als die Summe der Einzelteile. In: Überlieferungsgeschichte transdisziplinär. Neue Perspektiven auf ein germanistisches Forschungsparadigma. Hrsg. von Horst Brunner / Freimut Löser / Dorothea Klein. Wiesbaden 2016. (Wissensliteratur im Mittelalter 52), S. 69–81, hier S. 70–73.

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 Überlieferungskontexte

der Textsammlung zeichnen sich durch inhaltlich-thematische Kohärenz aus. Mit Jürgen Wolf sind sie als „additive Sammlungen“ aufzufassen. Seine diesbezügliche Unterscheidung zwischen der „Textreihung OHNE Bezüge der Texte zueinander“ (= „Additiv“) und der „Textreihung MIT bewusster Sammlungs-/ Programmidee“ (= „Additiv+“) ist auf sie übertragbar.37 Während es den geschichtsbezogenen Sammlungen an einer erkennbaren Bearbeitung des zusammengetragenen Materials fehlt und ihre Materialität insgesamt von spontanen Aufzeichnungszusammenhängen zeugt, offenbart die geistliche Kompilation eine planvolle und sorgfältige Anlage und Ausstattung und ein erkennbares inhaltliches Profil. Die Affinität zwischen reimpaarförmigen Ereignisdichtungen und Schriftlichkeit ist auch in dieser Phase deutlich ausgeprägt: Es setzt die handschriftliche Aneignung der Reimpaarreden Nr. 1 und 2 ein (Hs 2, Hs 3, Hs 4, Hs 5, Hs 7) und zudem wird der wohl schon kurz nach der Schlacht bei Hemmingstedt entstandene und verbreitete Reimpaartext Nr.  7 unikal überliefert (Hs  6). Teils liegt Einzel- (Hs 5, Hs 6, Hs 7), teils Verbundüberlieferung (Hs 2, Hs 3, Hs 4) vor. Fernerhin indizieren die Überlieferungsbefunde eine überregionale Rezeption der Reimpaartexte, doch setzte nun auch ihre handschriftliche Aneignung in Dithmarschen ein. Zwar begann damit einhergehend auch die Aufzeichnung der sangbaren Texte vom Typ der narrativen, ereignisnahen Lieder (Nr.  4, 5, 6 in Hs 3), doch wurde mit ihrer Verschriftung noch keine fortdauernde Tradition begründet (vgl. Hs 4, Hs 7). 1.2.1 Notate in historiographischen Kompilationen Obgleich in Hinsicht auf Umfang und Größe disparat (von 16 Blättern in Großoktav bis 102 Blätter in Quart), handelt es sich mit Blick auf das vergleichsweise niedrige Anlage- und Ausstattungsniveau bei allen Handschriften des vorliegenden Typs um schreiberorientierte Aufzeichnungsmedien: Das Schriftbild ist meist sehr schlicht und kommt als solches beinah ohne Auszeichnungsschriften und Hervorhebungen aus. Der starke Neigungswinkel der Buchstaben sowie gelegentliche Streichungen und Korrekturen von der Hand des Schreibers indizieren oftmals eine zügige Niederschrift. Vielfach weisen der Wechsel von Tintenfarbe, Buchstabenlaufweite und Zeilenabstand zudem darauf hin, dass die Aufzeichnungen mit Unterbrechungen und nicht in einem Zuge zu Papier gebracht wurden. Zur Auszeichnung und Markierung von Anfang und Ende der Texteinheiten in der Handschrift dienen vor allem vorangehende und nachfolgende Leerräume, nur vereinzelt auch Über- und Nachschriften. Die Texteinrichtung und -gliede-

37 Vgl. Wolf 2016, S. 81.

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rung der Lieder und Reimpaarreden richtet sich überwiegend nach ihrer Versund Strophenstruktur; Reimpaare und Strophen sind stets voneinander abgesetzt. Orientierungshilfen zugunsten des Lesers finden sich nur sehr spärlich: Die Handschriften sind vom Schreiber oder von späteren Benutzern zwar paginiert worden, aber Register oder Blattweiser fehlen gänzlich. Auch wurden die Faszikel in keinem Fall mit einem Titelblatt ausgestattet, das die Textkompilation in einen größeren diskursiven Rahmen einordnen, ihre Niederschrift datieren und lokalisieren, geschweige denn einem Produzenten oder einfach nur einem Zweck zuschreiben würde. Charakteristisch für den Handschriftentyp ist außerdem die sekundäre Tradierung innerhalb von Sammelbänden aus mehreren Einzelfaszikeln des gleichen Typs als einer besonderen Codexform.38 Tilo Brandis spricht mit Blick auf Manuskripte der skizzierten Anlage und Ausstattung von einem „neuartige[n] wissenschaftlichen Handschriftentyp“, der am Ende des 15. Jahrhunderts entstand und „am treffendsten wohl als Glossenund Kollektaneenband individueller Prägung, als Arbeits- und Notizenbuch, als Sammelband mit eigenen und selbst zusammengestellten Textabschriften und glossierten älteren Handschriften und Drucken charakterisiert werden [kann]“.39 Die Vertreter dieses Handschriftentyps im Untersuchungskorpus können thematisch präziser als Reservoire geschichts- und gegenwartsbezogener Aufzeichnungen unterschiedlichen Zuschnitts charakterisiert werden. Die Manuskripte, die aufgrund ihres Umfangs, ihrer Größe und ihres Gewichtes und ohne Einband eine äußerst flexible Nutzung möglich machten, dienten der unkomplizierten, spontanen Textsammlung und der provisorischen Textsicherung und hielten die aufgenommenen Fundstücke für weitergehende Verwertungszwecke vor. Denn wenngleich mit politischen Ereignissen in der älteren und jüngeren Vergangenheit Norddeutschlands jeweils ein gemeinsamer referenzieller Fluchtpunkt gegeben ist, wurden die Notate noch nicht auf einen Nutzungszweck festgelegt. Ausweis hierfür ist ihre vergleichsweise lose Fügung in dem überliefernden Objekt, welche die Verwendungsoffenheit seiner Inhalte – so auch der Hemmingstedter Ereignisdichtungen – maßgeblich bedingt hat. Diese ist wiederum auf eine Kombination aus drei Eigenschaften des Handschriftentyps zurückführen: Dies sind zum einen das bereits erwähnte Koordinationsprinzip, zum anderen die Tatsache, dass sich in Hinsicht auf die Texttypen sowie die Anordnung und Gruppierung der Texte kaum ein inhaltliches, auf spezifische Nutzerbedürfnisse abgestimmtes

38 Palmer, Nigel F.: Codex. In: RL 1 (2007), S. 310–312, hier S. 311. Vgl. auch Wolf 2016, S. 70–73. – Eine besondere Überlieferungsform liegt bei Hs 7 vor; die Handschrift ist angebunden an einen älteren Druck. 39 Brandis 1997, S. 38f.

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 Überlieferungskontexte

Programm der Sammlungen zu erkennen gibt, und zum dritten das Fehlen eines der gesamten Textsammlung übergeordneten Titelblattes mit integrierender und textbindender Funktion. 1.2.2 Spruchexzerpte in einer geistlichen Kompilation Die geistliche Textsammlung in der ‚Taschenhandschrift‘40 ist mit Hs  2 nur ein einziges Mal im Korpus der Überlieferungsträger der Hemmingstedter Ereignisdichtungen vertreten. Mit Blick auf seine materielle Konzeption entspricht dieser Überlieferungstyp dem bereits im 12. Jahrhundert etablierten Muster der volkssprachigen Gebrauchshandschrift, das sich durch ein kleines Format, die einspaltige Einrichtung des Textes auf der Seite, ein mittleres bis niedriges paläographisches Niveau und wenig oder gar keinen Schmuck auszeichnet.41 Derart einfach gestaltete Buchtypen mit einer Blatthöhe von höchstens 15 cm wurden wie im Fall von Hs 2 vor allem für „geistliche Gebrauchsliteratur“42 verwendet, daneben auch für die „medizinisch-naturkundlich[e] Fachprosa“.43 „Hier prägte der Gebrauchscharakter die Buchgestalt: Die Bücher mußten handlich, kostengünstig, aber auch gut les-, transportier- und nutzbar sein.“44 Diesen Erfordernissen kam auch der flexible Koperteinband entgegen, mit dem Hs 2 ausgestattet wurde. Darauf, dass der Band tatsächlich intensiv benutzt worden ist, deuten diverse Abnutzungserscheinungen hin. Inhaltlich weist die Handschrift in den Kontext weiblicher Frömmigkeitspraxis. Dies deutet sich in der Auswahl45 und der strukturellen Performativität der Texte an.46 Die ereignisdeutenden Reimpaarreden Nr.  1 und Nr.  2 fanden lediglich in Auszügen Eingang in die geistliche Kompilation. Als solche sind sie den in Prosaform abgefassten Hauptstücken der Handschrift – allen voran der auch auf dem

40 Wolf 2008, S. 108. 41 Wolf 2008, S. 72, 108. 42 Hierzu zählt Wolf 2008, S. 108, Predigtsammlungen, Gebetbücher, Ordensregeln und Traktatsammlungen. 43 Wolf 2008, S. 108. 44 Wolf 2008, S. 108. 45 Beispielsweise richtete sich der ‚Geistliche Rosengarten‘, der vom Leben der heiligen Katharina von Siena handelt, an ein weibliches sowohl monastisches wie auch Laien-Publikum. Vgl. Brakmann, Thomas: ‚Ein Geistlicher Rosengarten‘. Die Vita der heiligen Katharina von Siena zwischen Ordensreform und Laienfrömmigkeit im 15. Jahrhundert. Untersuchungen und Edition. Frankfurt a. M. u. a. 2011, S. 214f. 46 Vgl. die Anmerkungen oben zu Kap. II.1.1.2 ‚Aufführungsart‘. – Das Gebet Bl. 299r adressiert aus Sicht einer weiblichen Sprecherin die Heilige Maria Magdalena. Vgl. Eintrag zu Hs 2 in Teil 2: Kap. II.2.

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Rückentitel ausgewiesenen ‚Passion Christi‘ sowie dem ‚Geistlichen Rosengarten‘ u. a. – im hinteren Buchteil nachgeordnet und wurden dort zu einer Reihe von lehrhaften Sprüchen gruppiert. Bei den Auszügen handelt es sich überwiegend um gottbezogene Reimpaarversgruppen mit klagendem oder belehrendem Charakter; in einigen wendet sich ein Sprecher wie im Gebet bittend an die göttliche Instanz. Ein Interesse an dem politischen Ereignis bestand für den Kompilator der Handschrift offenbar nicht, denn ereignisbezogene Verse der Reimpaarreden wurden nicht in die Sammlung aufgenommen. Gemessen an dem Sammlungsprofil mit einem Schwerpunkt auf den Erzählungen vom Leben, Leiden und Wirken Christi und heiliger Frauen ließen sich die Reimpaarreden kaum in Gänze integrieren; ihre Aufnahme und Verwendung in einer geistlichen und auf Frömmigkeit ausgerichteten Textsammlung wurde durch die ihnen eigene deutende Themenentfaltung grundsätzlich ermöglicht, setzte aber das Exzerpt entsprechender Textsequenzen voraus. Die Dokumentation der Ereignisdichtungen in dem beschriebenen Überlieferungskontext bestätigt zum einen die Partizipation von Nr. 1 und Nr. 2 an religiösen und moraldidaktischen Diskursen in der Frühzeit ihrer Rezeption; dies deutete sich schon in der Ausstattung des Druckes D 4 von Nr.  2 aus dem Jahr 1500 an. Zum anderen zeigt sich wiederholt die Überlieferungsgemeinschaft von Nr. 1 und Nr. 2, die sich zuvor auch in der materiellen Symbiose (Bremer Exemplar von D 3 und D 4) manifestiert hatte und sich nachfolgend in der handschriftlichen Rezeption in Dithmarschen niederschlug (Hs 3, Hs 4, Hs 8, Hs 9, Hs 11, Hs 12). Die Ereignisdichtungen Nr.  1 und Nr.  2 vom Typ der deutenden Reimpaarrede sind zeitgleich und im Verbund in denselben Nutzungskontexten rezipiert worden.

1.3 1598 bis Ende 18. Jh. Die dritte Phase der schriftlichen Rezeption der Ereignisdichtungen nahm ihren Anfang mit der Chronik47 von Johannes Neocorus (Hs  8) von 1598 und dauerte bis weit in das 18. Jahrhundert hinein an. In zweierlei Hinsicht verengte sich in diesem Zeitraum die Überlieferung: Abgesehen von wenigen Ausnahmen (Hs 10, Wesphalen 1745, Bolten III 1784) fand eine merkliche Konzentration auf den Raum Dithmarschen statt, in dem beinah alle Überlieferungsträger entstanden und

47 Den Begriff ‚Chronik‘ verwende ich hier und im Folgenden in einem eher alltagssprachlichen Sinne für die mit umfangreichen Landesbeschreibungen verbundenen Ereignisgeschichtsdarstellungen und chronikalischen Ereignisverzeichnisse. Zum historiographiegeschichtlich enger gefassten Begriff ‚Chronik‘ in Abgrenzung zur ‚Historie‘ vgl. unten die Anmerkungen zu Kap. III.2.

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 Überlieferungskontexte

benutzt wurden, wenngleich in Einzelfällen auch Besitzverhältnisse außerhalb Dithmarschens belegt werden können. Die räumliche Engführung geht einher mit der inhaltlichen Konzentration der Überlieferung auf die Geschichtsschreibung Dithmarschens, die sich textuell in Prosaform und materiell in paläographisch recht schlichten Einzelhandschriften manifestiert (Hs  8, Hs  8.1–4, Hs  9, Hs 9.1–11, Hs 10, Hs 10.1). Überlieferungsformen anderen Zuschnitts kommen nur vereinzelt vor: eine Sammelhandschrift niedrigen paläographischen Niveaus vom oben48 beschriebenen Typ mit einer Abschrift in Auszügen der Kollektaneen von Johann Russe (Hs 12), eine weitere Sammelhandschrift, welche ausschließlich die Hemmingstedter Ereignisdichtungen aus den Chroniken von Johannes Neocorus und Hans Detleff in vergleichsweise sorgfältiger Aufzeichnung enthält (Hs 11), sowie zwei Drucke aus dem 18. Jahrhundert – zum einen die ‚Monumenta inedita‘ von Ernst Joachim von Westphalen (1745) mit Auszügen aus den Kollektaneen von Russe, zum anderen die ‚Dithmarsische historische Geschichte‘ von Johann Adrian Bolten (1781–1788). Der Bestand der verschrifteten Ereignisdichtungen erfuhr in der dritten Überlieferungsphase indes eine markante Erweiterung, denn im Verbund mit der fortgeführten Rezeption der ereignisdeutenden Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 fanden schließlich auch die zum fiktionalen Erzähllied tendierenden Lieder (Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10, Nr. 12A–C) sowie auch das ereignisdeutende geistliche Lied Nr. 11 Eingang in die Schriftlichkeit. Die ereignisnahen, faktualen Lieder (Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6), die in der zweiten Phase von Johann Russe (Hs 3) aufgezeichnet worden waren, wurden hingegen nur mehr in rudimentärer Form tradiert (Westphalen 1745, Bolten III 1784, Hs 12), dies jedoch in nur einem belegbaren Fall in Gemeinschaft mit den anderen Liedern.49 Die Erweiterung des Textkorpus fand lediglich mit den Handschriften von Johannes Neocorus (Hs 8), Hans Detleff (Hs 9) und Peter Sax (Hs 10) statt, während alle anderen Überlieferungsträger in der Folge auf diesen Bestand zurückgriffen, so dass die Überlieferung nach 1640 insgesamt einen verstetigenden Charakter annahm. Die Überlieferungslage vermittelt im Ganzen den Eindruck von einer reproduktiven Mitüberlieferung der Lieder und Reimpaarreden mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt in Abhängigkeit von der Rezeption der bekannten Dithmarscher Chroniken aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Doch ausgehend von der Inserierung in die Chroniken fanden zwei weitere, vollkommen gegensätzliche Rezeptionsbewegungen statt: zum einen die Isolierung und materielle Freistellung der Ereignisdichtungen aus dem Sammlungsrespektive chronikalischen Kontext (Hs  11, Hs  12) und zum anderen die Inten-

48 Vgl. Kap. III.1.2.1. 49 Bolten III 1784, S. 126–180.

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sivierung ihrer Indienstnahme für den historiographischen Zweck (Westphalen 1745; Bolten 1781–1788). 1.3.1 Inserate in Einzelhandschriften zur Dithmarscher Geschichte Die ‚Dithmersche Historische Geschichte‘ von Johannes Neocorus (Hs  8) aus Büsum, die ‚Dithmarsische Historische Relation‘ von Hans Detleff aus Windbergen (Hs 9), die ‚Dithmarsia‘ von Peter Sax aus Koldenbüttel in Eiderstedt (Hs 10) sowie sämtliche Abschriften und Bearbeitungen dieser Autographe repräsentieren denselben Überlieferungstyp: Es handelt sich jeweils um Manuskripte im Umfang von mehreren hundert Blättern in Quart;50 die nur in geringer Zahl bearbeiteten Buchblöcke sind heute zumeist in zeitgenössischen Schweinsledereinbänden auf Holz oder Pappe oder in Bibliothekseinbänden des 19. Jahrhunderts eingebunden und mit Rückentiteln versehen. Die Handschriften wurden oft schon produzentenseitig blatt- oder seitenweise durchgezählt. Zur Gliederung des umfangreichen Textinhalts dienen durch Separierung und Zentrierung optisch ausgezeichnete Kapitel- und Zwischenüberschriften, für die die Schreiber meist eine elaboriertere Frakturschrift in Gebrauch nahmen, während der Haupttext in Deutscher Kurrentschrift niedergeschrieben wurde; farbliche Auszeichnung und Gliederung ist nicht dokumentiert. Die inhaltliche Strukturierung wird vereinzelt in einem vor- oder nachgeschalteten Register mit Seitenverweisen abgebildet. Die Seiten sind durchgehend einspaltig beschriftet, wobei Schriftraum und Zeilenzahl mehrheitlich wechseln und in dieser Hinsicht mit dem einfachen Niveau der Produktion korrespondieren, das sich überwiegend in einem unregelmäßigen Lagenverhältnis und der Verwertung von drei und mehr Papierchargen aus unterschiedlichen Papiermühlen niederschlägt. Dagegen machen nur wenige Handschriften mit einem gleichmäßigen Lagenverhältnis und der Verwendung von höchstens zwei Papierchargen den Eindruck, planvoll angelegt worden zu sein (Hs 8.2, Hs 8.3, Hs 9.2, Hs 9.5, Hs 9.8, Hs 9.9). Darunter sind besonders die Manuskripte Hs 8.2 und Hs 9.8 hervorzuheben, deren überlegte Anlage sich auch in einer sehr sorgfältigen, gleichmäßigen und sauberen Schrift bekundet. Wenngleich in anderer Hinsicht zu den Handschriften mit einem vergleichsweise niedrigen Anlageniveau zu zählen, zeichnet sich das Autograph von Peter Sax (Hs 10) durch eine spezielle Form der Ausstattung vor allen anderen Handschriften im Korpus aus: Hier wurden drei gedruckte Weltkarten eingebunden und mehrere teils auf Tierhaut gemalte, farbige Bilder eingeklebt. Keine andere Handschrift

50 Auszunehmen hiervon sind Hs 8.1 (2 Bände, je über 500 Blätter), Hs 9.4, Hs 9.5, Hs 9.8, Hs 10.1 mit Blatthöhen von nur 19 bis 22 cm.

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 Überlieferungskontexte

des hier in Rede stehenden Typs wurde auf diese oder eine andere Weise illuminiert.51 Dies ist mit der allgemein zu beobachtenden Tendenz zur unbebilderten Chronikhandschrift in der Frühen Neuzeit zu erklären.52 In ihrer Schlichtheit kontrastieren die Dithmarscher Chroniken demzufolge einerseits mit dem spätmittelalterlichen Prachtcodex der ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ und andererseits auch mit dem Typ der illuminierten Chronikhandschrift des 16. Jahrhunderts;53 viel eher setzen sie die Tradition der spätmittelalterlichen schlichten Gebrauchshandschrift fort. Im Unterschied zum mittelalterlichen Codex aber – hierin stimmen die neuzeitlichen Buchhandschriften generell überein54 – sind sie nach dem Vorbild gedruckter Bücher mit einem Titelblatt am Bucheingang ausgestattet,55 das sich mit einem deskriptiven Titel auf den Buchinhalt bezieht, den Verfasser benennt und mit Angaben zum Zeitpunkt und Ort der Entstehung weitere werkkennzeichnende Informationen bietet. (Die Besitzer der Handschriften bevorzugten das Titelblatt späterhin auch für besitzkennzeichnende Vermerke.) Darüber hinaus folgt auf das Titelblatt zumeist eine der eigentlichen Chronik vorgeschaltete Vorrede an den Leser, die ebenfalls dem gedruckten Buch nachempfunden ist, in seiner Funktion, über das Anliegen und die Bedeutung des folgenden Werks zu reflektieren, jedoch schon im Prolog der mittelalterlichen Epen und Reimchroniken angelegt ist.56 Die Fortführung des mittelalterlichen Gebrauchsschrifttums einerseits und die Nachahmung des gedruckten Buches andererseits gehen in den neuzeitlichen Buchhandschriften eine Verbindung ein, deren Resultat als ein spezifisches Medienmischungsphänomen angesprochen werden kann.57 Die ostentative Adressierung des Lesers, die sich in der Ausstattung mit Titelblatt und Vorrede manifestiert, leuchtet beim Druckmedium aufgrund seiner Herstellung für ein breites anonymes Publikum sofort ein, scheint aber vorderhand in einem Widerspruch zu den privaten Entstehungs- und Nutzungskontexten der Chronikhandschriften zu stehen. Denn bei

51 Ausgenommen Hs 9, Bl. 237r. 52 Nach Overgaauw 2016, S. 204, seien die meisten Chronikmanuskripte des 16. Jahrhunderts nicht illuminiert. 53 Beispiele sind die ‚Cronica der Preusen‘ von Heinrich von Reden (Danzig 1553) und die ‚Cronica der Freyherrn zu Hohenstauffen‘ von David Wolleber (1582). Vgl. Overgaauw 2016, S. 205– 208. 54 Overgaauw 2016, S. 205f. 55 Overgaauw 2016, S. 205f. 56 Zur Geschichte und Funktion des Prologs vgl. den Überblick bei Haberkamm, Klaus: Prolog. In: RL 3 (2007), S. 163–166, bes. S. 165: „Einen Höhepunkt erreicht die Prolog-Technik in der mittelhochdeutschen Epik (z. B. Gottfried von Straßburg: ‚Tristan‘).“ 57 Vgl. hierzu Rautenberg 2003, S. 167–202, und oben Kap. III.1.1.1.

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diesen handelt es sich weder um amtliche Auftragsarbeiten, noch um Vorarbeiten für die Publikation im Druck.58 Daraus folgt jedoch nicht, dass die Chronisten und später die Reproduzenten nicht mit Lesern gerechnet hätten. Dokumentiert ist die Zirkulation der Handschriften im Familienkreis59 wie auch darüber hinaus in der Entstehungsregion.60 Nicht zuletzt die Existenz der zahlreichen Reproduktionen der Chroniken von Johannes Neocorus (Hs  8.1–4) und Hans Detleff (Hs 9.1–11) spricht für leihweise oder dauerhafte Weitergabe der Autographe und Abschriften an Interessenten im näheren lokalen und regionalen Umfeld der Schreiber und Besitzer. Inhaltlich zeichnet sich ein dreiteiliger Aufbau der Handschriften ab: Bei dem ersten Teil handelt es sich jeweils um eine umfassende Landesbeschreibung, die sich u. a. mit der Herkunft der Dithmarscher, ihrem Namen und Wappen, ihren Sitten und Gebräuchen sowie mit der administrativen, kirchlichen und sozialen Struktur des Landes befasst.61 Im zweiten Teil schließt sich die zeitlich geordnete und nach bestimmten Ereignissen gegliederte politische Ereignisgeschichte an.62 Beide Teile werden in Prosa und in berichtend-erzählender Form dargeboten. In den Chroniken von Neocorus (Hs 8) und Detleff (Hs 9) folgt ein dritter Teil, der in annalistischer Form politische, Natur- und Wetter- sowie personenbezogene Ereignisse bis in die Gegenwart des Schreibers verzeichnet.63 Die Ereignisdichtungen wurden vermittels vers- und strophenweiser Aufzeichnung im zweiten ereignisgeschichtlichen Teil in das Textganze inseriert,

58 Zumindest sind keine Drucke der Chroniken von Johannes Neocorus (Hs 8) und Hans Detleff (Hs 9) bezeugt. 59 Vgl. die Einträge zu Hs 8, Hs 9.11, Hs 10 (auch Hs 7) im Katalog der Überlieferungsträger. (Teil  2: Kap. II.2) – Daneben ist mehrfach belegt, dass die Handschriften als Auktionsware in neue Besitzverhältnisse gelangten (Hs 8, Hs 9.3, Hs 9.7, Hs 9.8) oder durch Schenkung (Hs 9.9). 60 Hans Detleff gibt beispielsweise in seiner Vorrede an, dass ihm die Chronik von Johannes Neocorus zur Verfügung stand. (Vgl. Hs 9, Bl. IXv) Die Provenienzdaten verweisen zumeist auf die Region Dithmarschen sowie auch auf Schleswig und Holstein. 61 Hs 8: Buch 1, Hs 9: Buch 1, Hs 10: Teil 1. 62 Hs 8: Bücher 2–6. Hs 9: Bücher 2–5. Hs 10: Teil 2. 63 Hs 8: Buch 7. Hs 9: ab 214r. Bei Hans Detleff und seinen Rezipienten wurden zudem weitere chronologische Verzeichnisse (der Landvögte usw.) und eine Chronik der Stürme und Fluten angefügt. – Die Chronikhandschriften wurden regelrecht für die Fortsetzung konzipiert. Für den jeweiligen Besitzer boten sie demzufolge die Möglichkeit, selbst an der Geschichte des Landes Dithmarschen weiterzuschreiben. In dieser angelegten Offenheit des Texts unterscheiden sich die handschriftlichen von den gedruckten Chroniken. So ahmt die neuzeitliche Buchhandschrift die typographische Einrichtung des Druckes zwar nach und gewinnt dadurch gegenüber der mittelalterlichen Gebrauchshandschrift ein ganz eigenes Profil, geht dann aber auch hinsichtlich ihres schon mit der Herstellung angelegten und vorgeprägten Benutzungsszenariums des Weiterschreibens gegenüber dem Druck wiederum ganz eigene Wege.

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und zwar gleich im Anschluss an die Prosadarstellung der Schlacht bei Hemmingstedt. Die unmittelbare Aufeinanderfolge in der Handschrift sowie auch ein ihnen vorgeschalteter deskriptiver Verbundtitel binden die Reimpaarreden und Lieder räumlich und referenziell an die vorangehende Schilderung des Ereignisses an. Bei Neocorus (Hs 8) und nach ihm Detleff (Hs 9) wird die Textbindung in der Formulierung des Verbundtitels dadurch hergestellt, dass das Ereignis darin mit dem Ausdruck den gantzen Handell mit allen sinen ummestenden referenziert wird; bei Sax (Hs 10) erfolgt die Wiederaufnahme des vorangehend geschilderten Vorfalls in der Überschrift zu Lied 12B mit der temporaldeiktischen Wendung Vmb, Vnd, in der Zeit. Anders als in den geschichtsbezogenen Sammelhandschriften aus der zweiten Überlieferungsphase zeigt sich demnach eine feste Verknüpfung der Ereignisdichtungen mit ihrer Textumgebung. Ein weiterer markanter Differenzpunkt zwischen beiden Überlieferungskontexten besteht darin, dass die Ereignisdichtungen in den Chronikhandschriften in einen speziellen Diskurs eingeordnet und einem konkreten Nutzungszweck zugeführt werden. Dies leistet zum einen der Titel am Bucheingang, der das Land Dithmarschen und die Dithmarscher Geschichte als Thema ausweist, zum anderen in Hs 8 und Hs 9 und ihren Reproduktionen der Zwischentitel zum Abschnitt über die Schlacht bei Hemmingstedt und zum dritten schließlich schreibt der den Reimpaarreden und Liedern direkt vorgeschaltete Verbundtitel als deskriptiver Titeltext die bewussten Stücke dem militärischen Vorfall im Februar 1500 zu und akzentuiert zumindest im Fall von Hs 8 und Hs 9 und deren Abschriften ihre dokumentarische Funktion: fine dudesche Carmina unde Rimen … daruth men den gantzen Handell mit allen sinen ummestenden ock in leffliche Rimen gefatet vormercken möge (Hs 8, Bl. 221v). In der durch Buchtitel, Abschnittstitel und Titeltext zu den Ereignisdichtungen vollzogenen Gliederung des Textganzen bildet sich eine Darstellungshierarchie ab, in der die Lieder und Reimpaarreden auf der dritten Stufe verortet sind. Damit und mit der referenziellen und funktionalen Bindung an die vorangehende Schilderung der Geschehnisse bei Hemmingstedt bekundet sich das Subordinationsprinzip, das gegenüber dem Koordinationsprinzip der historiographischen Sammelhandschriften charakteristisch für die Aneignung der Ereignisdichtungen in den Chronikhandschriften ist.

1.3.2 Materielle Freistellung in einer kleinformatigen Sammelhandschrift Dass die Tradierung der Ereignisdichtungen im Zusammenhang mit der kopialen Verbreitung der Dithmarscher Chroniken Hs  8, Hs  9 und Hs  10 nicht als reine Begleiterscheinung ohne ein dezidiertes Interesse an den Inseraten selbst stattgefunden hat, belegt ein kleines Oktavheft im Umfang von 18 Blättern. Dieses

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beinhaltet ausschließlich die sechs in der Chronik von Hans Detleff (Hs 9) enthaltenen Reimpaarreden und Lieder mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt (Hs  11) und erweitert dieses Korpus – vermutlich als Resultat der Bearbeitung von Lied 12A – darüber hinaus um ein siebentes Stück (12C). Nicht allein in dieser Hinsicht ging die Extrahierung des Textverbundes aus dem chronikalischen Zusammenhang mit Modifikationen einher, sondern auch in Bezug auf den vorangestellten Verbundtitel, der die Lieder und Reimpaarreden nun dergestalt zu einer Kompilation integriert, dass er sie alle als Lieder der Dithmarscher auf ihren alten Triumph ausweist (Sic sic Dithmarsi Veterem cecinere triumphum). Materiell freigestellt und entbunden von ihrem vormaligen chronikalischen Kontext zeigt sich in dieser Überlieferungsform nicht mehr vordergründig das Interesse an der historischen Dokumentationsfunktion der Ereignisdichtungen. Stattdessen wird ihnen mit dem zitierten Titeltext nachträglich die Funktion als Siegeslieder in der Vergangenheit der Dithmarscher zugeschrieben. Nur in dieser isolierten Form konnten sie schließlich spätestens im 18. Jahrhundert mit anderen überwiegend geschichtsbezogenen Schriften zu einem umfangreichen Konvolut vereinigt werden und in diesem Kontext zu einer Reihe teils bislang unbekannter, teils aus Drucken abgeschriebener Lieder und Reimpaartexte mit Ereignisbezug gruppiert werden. Die materielle Freistellung war demnach die Voraussetzung für neue Verbundbildungen. Konvolute wie dieser hätten nach Jürgen Wolf „den Charakter einer kleinen Bibliothek“.64 Der beschriebene Überlieferungszusammenhang bildet ein Rezeptionsinteresse ab, das auf die Kompilation und Aufbewahrung norddeutscher ereignisbezogener Dichtungen des 16. und 17. Jahrhunderts gerichtet war und die groß angelegten Sammlungsunternehmungen des 19. Jahrhunderts bereits im Kleinen und in materiell anderer Gestalt vorwegnahm. 1.3.3 Annotationen in der professionalisierten Geschichtsschreibung im Druck Nach den zeitgenössischen Drucken aus dem Jahr 1500 gelangten die Ereignisdichtungen, abgesehen von den Russe-Fragmenten in den ‚Monument[is]inedit[is]‘,65 innerhalb des Untersuchungszeitraums nur in einen einzigen Druck, und zwar in den dritten Band der vierbändigen ‚Dithmarsische[n] Geschichte‘ von Johann Adrian Bolten (1742–1807)66 in hochdeutscher Sprache, die 1781, 1782, 1784 und 1788 in Flensburg und Leipzig im Oktavformat gedruckt wurde. Alle

64 Wolf 2011, S. 15. 65 Westphalen 1745, Sp. 1447f. 66 Bolten wuchs als Sohn eines Pastors in Süderstapel auf, bekleidete von 1772 bis 1782 das Amt des Diakons im Kirchspiel Wöhrden in Süderdithmarschen, bevor er 1782 Kompastor an der Dreifaltigkeitskirche in Altona wurde. Vgl. Witt, Reimar: Johann Adrian Bolten. Der Lebensweg eines

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 Überlieferungskontexte

Bände wurden mit einem Titelblatt ausgestattet und paginiert. Dem Haupttext sind eine Widmungsrede sowie eine Vorrede an den Leser vorgeschaltet. Band 1 und 2 enthalten darüber hinaus das Subscribentenverzeichnis. Die Darstellungen wurden in chronologisch gereihte thematische Schwerpunkte untergliedert, unter Verwendung von Paragraphenzeichen durchnummeriert und mit ihrer Zählung in einem ebenfalls vorgeschalteten Inhaltsverzeichnis erfasst. Wie in den Handschriften mit den Chroniken von Neocorus (Hs  8), Detleff (Hs  9) und Sax (Hs  10), die neben anderen Materialien zu Boltens Quellenkorpus zählten, werden die Ereignisdichtungen hier im Zusammenhang mit der Darstellung der Schlacht bei Hemmingstedt berücksichtigt67 und erneut thematisch auf dieses Ereignis festgelegt. Doch geschieht dies auf eine drastischere Weise: Die Reimpaarreden und Lieder werden nun nicht mehr im Verbund und in ihrer vollständigen Textgestalt an die Darstellung des Vorfalls angefügt, sondern im Einzelnen immer gleich dort im Fußnotenapparat auszugsweise abgedruckt, wo der Verfasser seine Angaben im Haupttext durch sie zu belegen sucht. Hierzu gibt Bolten jeweils die Quelle an, nach der er die betreffenden Textstellen im Anschluss zitiert. So laufen die Ereignisdichtungen parallel zum Haupttext mit; reduziert auf wenige ereignisbezogene Propositionen68 und typographisch marginalisiert im Fußbereich der Seite werden sie der Darstellung funktional und optisch untergeordnet. Die eindeutige referenzielle Bindung von Darstellung und Anmerkung gewährleistet die Fußnotenziffer. Bolten war der erste, der die Ereignisdichtungen in der skizzierten Weise in seine Darstellung der Geschichte Dithmarschens integrierte. (Zudem war er der erste, der die Ereignisdichtungen aus drei voneinander unabhängigen Tradierungszweigen – wenn auch nur in Auszügen – in einem Textzeugen zusammenführte.69) Auch Neocorus, Detleff und Sax verarbeiteten Informationen aus den Ereignisdichtungen in ihren Darstellungen der Schlacht,70 doch machten sie dies nicht so transparent wie Bolten es mit der beschriebenen Annotationstechnik tat. Die Indienstnahme der ereignisbezogenen Reimpaarreden und Lieder für die Geschichtsschreibung Dithmarschens und ihre Würdigung als historische Fakten

schleswig-holsteinischen Theologen und Historikers. In: Bolten, Johann Adrian: Ditmarsische Geschichte. Teil 1. Flensburg / Leipzig 1781. Nachdruck Leer 1979, S. V–XXVI. 67 Bolten III 1784, S. 124–188 (§§ 27–34), darin die Ereignisdichtungen S. 126–180. 68 Dieser Praxis sind vermutlich Exzerpte aus den Ereignisdichtungen vorausgegangen, wie sie beispielsweise Hs 4 oder auch Westphalen 1745 dokumentieren. 69 Und zwar Auszüge aus Nr. 1, Nr. 2, Nr. 8, Nr. 9 und Nr. 12A aus den Chroniken von Neocorus (Hs 8) und Detleff (Hs 9), Nr. 12B aus der Chronik von Peter Sax (Hs 10) und Nr. 5 aus den Kollektaneen von Russe (Hs 3), letzteres unter Verwendung des Abdrucks bei Westphalen 1745, Sp. 1448. 70 Speziell zu Neocorus vgl. unten Kap. III.2.2.4.

Die Ereignisdichtungen und die Dithmarscher Historiographie 

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vermittelnde Quellen erreichten mit eben dieser Technik eine merkliche Intensivierung und Professionalisierung. Damit steht Boltens Chronik zugleich am Beginn einer Rezeptionsform der Ereignisdichtungen, wie sie vom 19. bis 21. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Historiographie des Landes fortgesetzt wurde.71

2 D  ie Ereignisdichtungen und die Dithmarscher Historiographie Das historiographische Schrifttum Dithmarschens bildet für die Lieder und Reimpaartexte mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt den Konzentrationspunkt in der Reihe der Überlieferungskontexte; dies geht deutlich aus der Typologie der Überlieferungsträger hervor. Die breite Dokumentation der Dithmarscher Vergangenheit und Zeitgeschichte mit Dithmarscher Provenienz setzte erst in den 1530er Jahren mit der Sammeltätigkeit von Johann Russe aus Lunden ein (Hs 3). Wie aus seinen Quellenvermerken zu schließen ist, griff Russe in diesem Zusammenhang allerdings auf die Aufzeichnungen zurück, die hier und dort schon am Ende des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts u. a. von Klerikern aus Lunden, Wesselburen und Hemme angefertigt worden waren, aber selbst nicht erhalten geblieben sind.72 An diese erste Phase des Exzerpierens aus älteren Aufzeichnungen73 (oft fortgesetzt mit gegenwartsbezogenen Aufzeichnungen, die sich auf lokale Ereignisse beziehen) und des Kompilierens74 schloss sich am Ende des 16. Jahrhunderts die zweite Phase an, die sich durch das Auswerten und Verarbeiten verschiedenster Quellen – darunter auch die Sammlungen der ersten Phase – und die beschrei-

71 Vor allem Lammers 31987, z. B. S. 27; zuvor schon Chalybaeus 1888, S. 178, und Nehlsen 1894, z. B. S. 293, ferner auch Stoob 1959, S. 89, alle auch mit Zitaten im Haupttext. 72 Dies sind im Einzelnen: Nicolaus Milde, Pastor in Lunden (= Hansen, Reimer: Der dithmarsische Chronist Johann Russe und seine Vorgänger. In: Zeitschrift der Gesellschaft für SchleswigHolsteinische Geschichte 29 [1899], S. 1–85, Nr. 4, 32); Nicolaus Vile, Wesselburen, vermutlich Pastor (= ebd., Nr. 10, 34); Nicolaus Dyck, Geistlicher aus Wesselburen (= ebd., Nr. 20); Reymer Gholtsmyt aus Lunden (= ebd., Nr. 24); Johann Rode, Besitzer einer älteren Chronik, die er selbst und der Küster aus Lunden mit Ergänzungen versahen (= ebd., Nr. 25); Johann Erp aus Hemme, vermutlich Kleriker (= ebd., Nr.  40); Jacob Boetius aus Wesselburen (= ebd., Nr.  42); Henning Swyn aus Lunden (= ebd., Nr. 49). 73 Es handelt sich hierbei u. a. um Abschriften der ‚Chronik der Nordelbischen Sachsen‘. Vgl. Wriedt, Klaus: ‚Chronik der nortelvischen Sassen, der Ditmarschen, Stormarn unde Holsten‘. In: 2VL 1 (1978), Sp. 1251. 74 Hierzu sind im weiteren Sinne auch die Reproduktionen von Russes Kollektaneen in Hs 4 und Hs 7 zu zählen.

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 Überlieferungskontexte

bende sowie erzählende Integration der Fakten in Prosaform zu einer umfassenden Gesamtdarstellung der Dithmarscher Geschichte auszeichnet. Am Beginn dieses Stadiums Dithmarscher Historiographie steht 1598 die ‚Dithmersche Historische Geschichte‘ von Johannes Neocorus (Hs  8) aus Büsum; 1634 folgte die ‚Dithmarsische Historische Relation‘ von Hans Detleff aus Windbergen (Hs  9); hinzuzurechnen sind fernerhin die zahlreichen handschriftlichen Reproduktionen der Arbeiten von Neocorus und vor allem von Detleff aus dem 17. und 18. Jahrhundert (Hs  8.1–4, Hs  9.1–11) sowie auch die gedruckten Chroniken von Anton Vieth und Johann Adrian Bolten.75 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Rezeption der Ereignisdichtungen in Dithmarschen wie folgt charakterisieren: Die Rezeption der Lieder und Reimpaarreden fiel in Dithmarschen immer zusammen mit dem Schrifttum, das in der Absicht entstanden ist, Ereignisse und Prozesse der Vergangenheit des Landes zu dokumentieren, wobei es sich jeweils um private Unternehmungen handelte, wenngleich im Fall von Johann Russe und Carsten Schröder (Hs 7), die Mitglieder des Rates der Achtundvierziger waren, eine Motivation von Amts wegen nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Andere Überlieferungskontexte sind für Dithmarschen nicht belegt. Dies ist mit der Situation der literarischen Schriftlichkeit in der Region zu begründen. Dithmarschen als Schreibort, d. h. als Raum der literarischen Rezeption, Produktion und Tradierung,76 tritt nämlich überhaupt erst mit den historiographischen

75 Vieth, Anton: Beschreibung und Geschichte des Landes Dithmarschen oder Geographische, Politische und Historische Nachricht vom bemeldten Lande. Aus bewehrten gedruckten und ungedruckten Urkunden verfasset, nebst einer Special-Carte, unterschiedlichen Kupferstichen und einer Vorrede Hn. J. Alberti Fabricii, D. und Prof. Publ. in Hamburg. Hamburg 1733; Bolten 1781–1788, vgl. auch oben Kap. III.1.3.3. Alle anderen gedruckten Darstellungen der Geschichte Dithmarschens stammen nicht von Dithmarschern selbst, u.a: Walther, Anton Heimreich: Dithmarsische Chronik. Schleswig 1683. Hinzu kommen kirchengeschichtlich ausgerichtete Arbeiten: Hellmann, Johann: Kurzverfaßte süderdithmarsische Kirchenhistorie. Hamburg 1735; Fehse, Johann Heinrich: Versuch einer Nachricht von den evangelischlutherischen Predigern in dem Nordtheil Dithmarschens von dem Anfange der Religionsverbesserung an, bis auf diese Zeit. Flensburg 1769. 76 Zum Begriff ‚Schreibort‘ vgl. Schubert, Martin (Hrsg.): Schreiborte des deutschen Mittelalters. Skriptorien – Werke – Mäzene. Berlin / Boston 2013, S. 3. – Zur Literaturgeschichte Dithmarschens siehe die Überblicksdarstellung von Trende, Frank: Literatur aus Dithmarschen. In: Geschichte Dithmarschens. Bd. 2: 1559–1918. Hrsg. vom Verein für Dithmarscher Landeskunde e. V. Redaktion Martin Gietzelt. Heide 2014, S. 169–183, wonach das literarische Schaffen in Dithmarschen erst mit dem Liederdichter Mauritius Kramer (1646–1702) begonnen habe; bezöge man die Geschichtsschreibung ein, stünde die Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8) ganz am Anfang der Dithmarscher Literaturgeschichte. Trende verweist in diesem Zusammenhang zwar auch auf die „mittelalterliche(n) Lieder und Volkserzählungen“, schließt diese jedoch nicht weiter in seine Betrachtung ein. Vgl. ebd., S. 170. – Lediglich mit der Retextualisierung eines älteren

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Unternehmungen im 16. Jahrhundert und der Verschriftung ereignisbezogener Dichtung in diesem Zusammenhang in Erscheinung. Die rege Beschäftigung der Dithmarscher mit ihrer Geschichte, die sich in den Sammel- und Chronikhandschriften manifestiert, war für die Ereignisdichtungen die entscheidende Überlieferungschance. Das markant ausgeprägte Abhängigkeitsverhältnis zwischen literarischer und historiographischer Schriftlichkeit deutet sich auch darin an, dass die Phasen der Geschichtsschreibung und der Verlauf der Rezeption der Ereignisdichtungen in Dithmarschen kongruieren: Ihre schriftliche Tradierung begann mit der Sammlung von Johann Russe, wurde dann aber keineswegs kontinuierlich fortgeführt, sondern setzte erst wieder neu und in veränderter Form ein mit der Chronik von Johannes Neocorus. In den Darstellungen, die ebenfalls die Geschichte Dithmarschens beinhalten, jedoch außerhalb des Landes entstanden sind, finden sich die Ereignisdichtungen hingegen nicht.77 Hiervon ist lediglich die 1640 in Eiderstedt geschriebene Chronik von Peter Sax (Hs 10) auszunehmen. Ferner kann konstatiert werden, dass die Lieder und Reimpaarreden zwar in den Manuskripten, jedoch nicht oder zumindest nicht vollständig in den Drucken rezipiert wurden, obgleich die Verfasser Anton Vieth und Johann Adrian Bolten die Chroniken von Johannes Neocorus und Hans Detleff kannten.78

Liedes in der Reimpaarrede Nr. 1, das sich auf die Schlacht von 1404 bezieht, liegt ein Zeugnis für die Verschriftung von Dithmarscher Liedern um 1500 vor. Zeitgenössische bzw. ereignisnahe chronikalische Darstellungen der Schlacht bei Hemmingstedt liegen zwar vor (von Albert Krantz, Reimar Kock), sind aber nicht Dithmarscher Provenienz und überliefern auch keine Ereignisdichtungen. 77 Dazu zählen u. a.: Albert Krantz‘ ‚Saxonia‘, postum zuerst gedruckt in Köln durch Johann Soter, 1520 (= VD 16 K 2257); Reimar Kocks ‚Cronica der Keiserliken Stadt Lubeck‘, begonnen 1549, Autograph in Lübeck, Stadtbibliothek, Signatur Ms. Lub. 2o 40; Johann Petersen: Chronik der Lande zu Holsten, Stormarn, Dithmarschen und Wagern, zuerst gedruckt in Frankfurt am Main bei Peter Braubach, 1557 (= VD16 P 1694). Ein umfassendes Verzeichnis der Quellen zur Dithmarscher Geschichte mit Beschreibung und Bewertung bietet Nehlsen 1894, S. XXIII–XLIII. Zu Albert Krantz und Reimar Kock als Quellen für die Schlacht bei Hemmingstedt siehe Lammers 3 1987, S. 13–15, 19–21. 78 Die Autoren verweisen in den vorgeschalteten Quellenverzeichnissen und/oder Vorreden auf Johannes Neocorus und Hans Detleff. Keineswegs hat sich die gedruckte Geschichtsschreibung Dithmarschens generell der Aufnahme ereignisbezogener Dichtung gesperrt: Vieth 1733, S. 209–212: ein Lied mit Bezug auf Wiben Peter (vgl. den Abdruck bei Müllenhoff 41845, S. 69–72); Bolten III 1784, S. 126–180, annotierte immerhin Auszüge aus den Ereignisdichtungen (vgl. oben Kap. III.1.3.3). – Erst 1820 fand eine Auswahl Eingang in die Darstellung von Mohr 1820, S. 203– 212, bevor Dahlmann 1827 sämtliche ihm bekannte Reimpaarreden und Lieder im Zusammenhang mit seiner Ausgabe der Chronik von Neocorus berücksichtigte. (Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 495–525, und II 1827, S. 560–565)

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Um die schriftliche Aneignung der Ereignisdichtungen durch Johann Russe und Johannes Neocorus im Folgenden hinreichend evaluieren zu können, ist nicht nur die materielle Anlage und Ausstattung der Handschriften in Anschlag zu bringen, sondern vorab auch ihr Verhältnis zum Begriff der Historiographie zu klären: In der Geschichtsschreibung manifestiert sich ein grundsätzliches historisches Interesse des Schreibers. In erzählender Form und mit dem Anspruch, wahre Tatsachen zu vermitteln, hält dieser Vergangenes und Gegenwärtiges für die Zeitgenossen und die Nachwelt fest,79 indem er den historischen Stoff (die mündlichen wie schriftlichen Quellen) einer subjektiven Bearbeitung unterzieht und seiner Darstellung damit zugleich seine Anschauung und Deutung aufprägt.80

2.1 Die Kollektaneen von Johann Russe (Hs 3) Bei den Kollektaneen von Johann Russe handelt es sich nicht um Historiographie in dem oben ausgeführten Sinne, denn dem zusammengetragenen Material fehlt es an Auswahl und Ordnung sowie vor allem an der Verarbeitung zu einer erzählenden Darstellung. Zudem ist es im Ganzen äußerst disparat: Es reicht von nur mehr oder minder lose, oft nicht einmal chronologisch gefügten jahresbezogenen Notizen ohne Textwertigkeit über die Verlust- und Gefallenenverzeichnisse und die Reimpaarreden und Lieder mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt

79 Goetz 1999, S. 107. Die mittelalterliche Geschichtsschreibung umfasst „nicht alle erzählenden Quellen, die historische Fakten vermitteln, sondern nur, soweit sie sich selbst, von ihrer Intention her, als Erzählung historischer Tatbestände begreifen und in solcher Eigenart von erfundenen Erzählungen (von ‚Dichtung‘) abheben“ (ebd., S. 108). Damit zählt auch die poetisch durchformte Geschichtsschreibung in Form der mittelalterlichen Reimchronik zur Historiographie. Sie wird vonseiten der germanistischen Mediävistik zwar auch der sogenannten Geschichtsdichtung zugerechnet, doch wird dieser Begriff in kein dichotomisches Verhältnis zur Geschichtsschreibung gesetzt, sondern dient der Abgrenzung der mit ihm bezeichneten Textgruppe von verwandten Gattungen: „zum einen von einer Historiographie ohne formale Auszeichnung; zum andern von einer Dichtung, die sich ihrer Fiktionalität bewusst ist“. (Fasbender 2012[a], S. XXIX) 80 Goetz 1999, S.  108f. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist „das Geschichtswerk nicht mehr nur als faktenvermittelnde Quelle [betrachtet worden], sondern vielmehr als Deutungsund Gestaltungsinstanz der geschichtlichen Befunde“. (Melville, Gert: Historie. In: RL 2 [2007], S. 49–52, hier S. 52) Zum Perspektivenwechsel in der Bewertung und vor allem Auswertung der mittelalterlichen Historiographie vom 19. bis 20. Jahrhundert vgl. den Überblick und die weiterführende Literatur bei Schmale, Franz-Josef: Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung. Mit einem Beitrag von Hans-Werner Goetz. Darmstadt 1985. (Die Geschichtswissenschaft. Einführungen in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse ihrer Teildisziplinen und Grundwissenschaften), S. 1–10.

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bis hin zu diversen Urkunden-Abschriften und weiteren Aufzeichnungen. So ist ersichtlich, dass Russe weder darauf achtete, ob ihm bestimmte Informationen bereits aus anderer Quelle vorlagen, noch, dass er eine an der Chronologie der Fakten orientierte Reihung der Materialien unternahm. Den einzigen Hinweis auf eine nachträgliche Sichtung und Bearbeitung des Materials bieten die im Nachhinein von Russes Hand ergänzten Provenienzvermerke, die er den meisten seiner Notizen in Verbindung mit der Zusammenfügung der Faszikel zu einem umfangreicheren Konvolut voranstellte. Abgesehen davon bleiben die Kollektaneen eine Materialsammlung im Rohzustand, ohne Auswahl und Arrangement der Fundstücke nach spezifischen Nutzerbedürfnissen und Gebrauchszusammenhängen. Da sich die Aufzeichnungen in den Kollektaneen indes einerseits zum Teil aus älteren Chroniken speisen und andererseits wiederum Quellengrundlage für die später einsetzende Geschichtsschreibung werden, können sie in erweiterter Perspektive zum Spektrum des historiographischen Schrifttums in Dithmarschen gezählt werden, zumal sich auch mit ihnen das historische Interesse sowie die Absicht des Sammlers und Schreibers Johann Russe bekunden, Fakten über die Vergangenheit und Gegenwart Dithmarschens für die Zukunft schriftlich festzuhalten. Der Faszikel mit den Ereignisdichtungen81 zählt wie die übrigen Teile des Konvoluts und die Kollektaneen insgesamt zum Typ der geschichtsbezogenen Sammelhandschrift auf niedrigem paläographischem Niveau, der die Teile der Kollektion in koordinierter und loser Fügung darbietet. Die Reimpaarreden und Lieder wurden mit ihrer Verschriftung in den Kollektaneen durch Johann Russe in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts Gegenstand der historiographischen Unternehmungen in Dithmarschen. Die unmittelbare Textnachbarschaft in dem betreffenden Faszikel – allen voran die Verlust- und Gefallenenverzeichnisse, aber auch die chronikalischen Notizen zur Geschichte Dithmarschens – indiziert die Authentizität und Faktizität, die Russe den Reden Nr. 1 und Nr. 2 sowie den Liedern Nr. 4, 5 und 6 in Hinsicht auf ihren Quellenwert zuerkannte. 2.1.1 Sukzessive Aufzeichnung mit Titel und Kolophon Russe zeichnete die Ereignisdichtungen in mehreren Phasen in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts auf. Am Beginn seiner Sammeltätigkeit stehen die Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 sowie zwei Gefallenenverzeichnisse: Zuerst notierte er nach Ausweis des Schriftbefundes in einem Zuge die Ereignisdichtungen Nr.  2 und Nr. 1; das lateinische Kolophon im Anschluss an Nr. 1 – Exaravit autem hec

81 Faszikel 2 von Hs 3, vgl. Teil 2: Kap. II.2.

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 Überlieferungskontexte

Joannes Russius Theomartius in paterna domo, nostre salutis anno 1533 Kalendis januarijs, Russius scripsit, Floreat Theomartia. – ist demzufolge auf beide Notate zu beziehen. Es datiert ihre Niederschrift auf 1533 und vermerkt, dass Russe die Vorlagen für beide Texte im Haus seines Vaters aufgeschrieben habe. Mehr noch ist das Kolophon mit dem Ausspruch Floreat Theomartia Ausdruck für den Patriotismus des Schreibers in Bezug auf den Sieg der Dithmarscher in der Schlacht bei Hemmingstedt 33 Jahre zuvor. An die Reimpaarreden schließen sich zwei Gefallenenverzeichnisse an (Verzeichnisse 1 und 2);82 zu dem ersten annotierte Russe nachträglich auf dem Kopfsteg der Seite, es stamme aus dem Besitz seines Vaters; außerdem habe dieser zusammen mit seinen Brüdern und seinem Vater selbst an der Schlacht bei Hemmingstedt teilgenommen: Copie ener schryfft so myn vader boschreven de sulff voffte broder unde synen vader in dusser schlacht mede ghewesen.83 Die Überlieferungsgemeinschaft und unmittelbare Aufeinanderfolge der Reimpaarrede Nr.  1 und der Gefallenenverzeichnisse aus der ersten Aufzeichnungsphase von Johann Russe ist insofern interessant, als zwischen beiden ein semantischer und womöglich auch funktionaler Zusammenhang besteht, der über die Ereignisreferenz hinausgeht: Die Reimpaarrede endet mit einer die Gegner und die Angehörigen der Dithmarscher betreffenden Totenklage des Sprechers; dieser bittet Gott um die Erlösung ihrer Seelen und trägt diese Bitte vor Maria. Anders als in den Drucken von Nr. 1 (D 1, D 2, D 3) – dies ist in diesem Zusammenhang besonders bedeutungstragend – erscheint die an Maria gerichtete Fürbitte bei Russe in einer um zwei Reimpaare amplifizierten Form:84 Nr. 1 (V. 335–338)

Nr. 1 in Hs 3 (V. 335–342)84

Des help en du moder der barmeherticheyt, De du byst den armen sunderen bereyt.

Des helpe ene de moder der barmeherticheyt, De duͦ bist deme armen sunderen bereyt. de sych to dy myt vlite wyllen keren, kanstuͦ vorbidden tho jesuͦm unsen leven heren. Och vorlaet uns nycht in der stunde unses dodes, wente eynen jewelicken sunder des nodt is. undt vorbidde uns to dinem leven kinde al tosamen, dat wy uns myt eme moghen vrowen to ewighen tyden. Amen.

Vorbidde uns to dynem leven kynde altosamen, Dat wy uns mit em moͤgen vrouwen to ewigen tyde. Amen.

82 Der Überlieferungsverbund aus ereignisbezogener Dichtung und Gefallenenverzeichnissen ist auch für die Schweizer Lieder belegt. Vgl. dazu Rattay 1986, S. 66. 83 Text normalisiert nach den Editionsrichtlinien, vgl. Teil 2: Kap. I.1. 84 Text normalisiert nach den Editionsrichtlinien, vgl. Teil 2: Kap. I.1.

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Die direkt folgenden Gefallenenverzeichnisse nennen nun die Namen eines Teils der Toten, denen die zuvor artikulierte Fürbitte galt. So manifestiert sich in dem Arrangement von Reimpaarrede mit Totenklage und erweitertem Mariengebet auf der einen und von Namennennungen auf der anderen Seite eine Form des (außerliturgischen) Schlachtgedenkens,85 obschon dies dem Patriotismus des Schreibers widerspricht und damit einige Fragen aufwirft. Denn es handelt sich bei den Toten um die Gefallenen aus dem Heer von König Hans I. von Dänemark, nicht um die verstorbenen Angehörigen der Dithmarscher. Ungeachtet dessen dürfte der Vermerk über die Auffindung und Aufbewahrung der Reimpaarreden und Gefallenenverzeichnisse in Teilnehmerbesitz den Kollektaneen aus Sicht späterer Rezipienten besondere Authentizität verliehen haben.86 Nach und nach ergänzte Russe die ersten Aufzeichnungen um weitere Stücke, darunter die Lieder Nr.  4 und Nr.  5, die laut jeweils nachgeordneten Kolophonen 1536 und 1537 in den Faszikel eingetragen wurden. Russe gruppierte sie zu den Reimpaarreden, doch ist nicht sicher, ob dies aufgrund der Gemeinsamkeiten der Lieder und Reimpaarreden in Hinsicht auf ihre metrische Durchformung geschah oder aus der ganz ökonomischen Erwägung des Schreibers, bislang leergebliebene Seiten auszunutzen. Denn Lied Nr. 4 wurde zwischen die beiden Reimpaarreden eingetragen und Nr.  5 steht auf dem ersten Blatt des Faszikels, das 1533 unbeschrieben geblieben war und anfangs die Funktion eines den Inhalt schützenden vorgesetzten Blattes der Handschrift erfüllte. Aus der dritten Phase schließlich stammt die Niederschrift von Lied Nr.  6, jedoch gab Russe diesem Stück weder ein Kolophon bei, wie er es zuvor bei den anderen getan hatte, noch stellte er ihm einen Titel voran. Denn während er es im Fall von Nr. 1 und Nr. 2 bei der Übernahme der Titelformulierungen aus den Drucken beließ, ging mit der schriftlichen Fixierung von Nr. 4 die Betitelung als Aliud Carmen gratulatorium (Ein anderes Glückwunschlied) einher und wurde Nr. 5, wenn auch unspezifisch, immerhin als Ode (Lied) ausgewiesen. Das deiktische Aliud in der Titelzeile von Nr. 4 kann sich nur auf die vorangehende Nr. 2 und die nachfolgende Nr. 1 beziehen, die schon ein paar Jahre zuvor eingetragen worden waren. Daraus erhellt, dass Russe wohl auch ihnen die Glückwunschfunktion zuschrieb. Gesetzt den

85 Zu Formen und Funktionen des Schlachtgedenkens vgl. Graf, Klaus: Schlachtengedenken in der Stadt. In: Stadt und Krieg. 25. Arbeitstagung in Böblingen 1986. Hrsg. von Bernhard Kirchgässner / Günter Scholz. Sigmaringen 1989. (Stadt in der Geschichte 15), S. 83–104. 86 Einen ganz ähnlichen Überlieferungsfall ereignisbezogener Reimpaardichtungen beschreibt Kellermann 2000, S. 229, und zwar eine schmale Papierhandschrift von 16 Seiten mit drei Reimpaarreden und anderen Aufzeichnungen über Unruhen in der Stadt Mainz in den Jahren 1428– 1430, die kurz nach den Ereignissen entstanden ist und sich dann im Besitz der Familie Zum Jungen befand, deren männliche Mitglieder selbst in die Auseinandersetzungen involviert waren.

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 Überlieferungskontexte

Fall, dass Russes anfänglicher Beweggrund für seine Sammel- und Schreibtätigkeit auch in einer Form des Schlachtgedenkens bestand, so ist dieser durch die nach und nach hinzugefügten Notate, aus denen zudem sehr viel eher der vaterländische Stolz des Dithmarschers spricht, schließlich überlagert worden. Bemerkenswert ist, dass Russe zu den drei Liedern keine Quellenangaben machte, wie er es für beinah jedes andere Stück seiner Sammlung tat. Darauf, dass die drei Lieder in einem sehr engen Rezeptionsverhältnis standen, deutet die jeweils variant ausgeprägte Verwendung der Strophen hin, die einen Dialog zwischen König und Herzog gegen Ende der Schlacht beinhalten. Als offenbar beliebtes Versatzstück ist dieses Handlungsmotiv in der ereignisbezogenen Lieddichtung Dithmarschens also wiederholt aufgegriffen worden.87 2.1.2 Textbearbeitung durch Interpolation In den fehlenden Provenienzvermerken einen Hinweis für direkt vorausgehende mündliche Gebrauchszusammenhänge zu sehen, aus denen heraus Russe die Lieder auf direktem Wege in die Schriftlichkeit überführt hätte, wäre eine voreilige Schlussfolgerung. Immerhin gibt es Indizien dafür, dass die Lieder über mindestens einen vorgängigen Schriftträger an die Kollektaneen vermittelt wurden: Die metrische Analyse von Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6 deutet nämlich auf erhebliche Eingriffe in den Wortlaut der Texte hin.88 Doch schlagen sich diese nicht im Schriftbild der Kollektaneen – etwa durch Streichungen oder interlineare Ergänzungen – nieder.89 Die Bearbeitungen betreffen vornehmlich die ereignisbezogenen Propositionen der Liedtexte; häufig betreffen sie Personenbezüge. Sie können zumeist auf das Bedürfnis des Rezipienten nach Konkretisierung zurückgeführt werden; im Ergebnis verstärken sie den Wirklichkeitsbezug der betreffenden Ereignisdichtungen. Die Ursache für die Eingriffe ist zum einen wohl die distanzsprachliche Rezeptionssituation,90 beispielsweise bei der Markierung des Sprecherwechsels in direkter dialogischer Figurenrede.91 Die Überführung der

87 Vgl. den Kommentar zu den Strophenvarianten im Zusammenhang mit der Kommentierung von Nr. 5 in Teil 2: Kap. I.2. 88 Vgl. hierzu die Kommentare zur Metrik von Nr. 4, 5 und 6 in Teil 2: Kap. I.2. 89 Mit Ausnahme der Interpolation von Nr. 4, Str. 23, V. 4. 90 Die ‚Sprache der Distanz‘ ist eine Kommunikationsform, die im Gegensatz zur ‚Sprache der Nähe‘ gekennzeichnet ist durch die ‚Situationsentbindung‘ der Äußerung sowie die ‚räumliche und zeitliche Trennung‘ der Kommunikationspartner. Vgl.  dazu: Koch, Peter / Oesterreicher, Wulf: Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. In: Romanistisches Jahrbuch 36 (1985), S. 15–43, bes. S. 19–24. 91 Zum Beispiel bei Nr. 5 und Nr. 6.

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Lieder aus ihrem ursprünglichen oralen Verwendungszusammenhang in einen neuen skripturalen ging mit dem Verlust der Informationen einher, die in der Aufführungssituation mit Stimme und Körper vermittelt werden konnten.92 Dieser Verlust musste im Schriftmedium durch den Einsatz entsprechender sprachlicher Ausdrücke im Text kompensiert werden. Zum anderen deuten die konkretisierenden Interpolationen auf eine deutlichere Attribuierung der Gegner der Dithmarscher als Angehörigen des Adels hin.93 Hier ist der Eingriff nicht mehr mit der Notwendigkeit für das Textverständnis zu begründen, sondern mit der Möglichkeit des Bearbeiters, durch eine schärfere Konturierung und Kontrastierung der Konfliktparteien – Adel und Bauern – die politische Programmatik und Tendenz des Textes in seinem Sinne zu modifizieren oder zu intensivieren.94 Diesem Anliegen war vermutlich auch die Erweiterung von Lied 6 um Strophe 5 mit einer Reizrede der Dithmarscher an ihre Gegner geschuldet. Schließlich ist noch einmal auf die Amplifizierung des Mariengebetes in der Reimpaarrede Nr. 1 hinzuweisen, die weder der Konkretisierung noch der Tendenzintensivierung diente, sondern im Zusammenhang mit den unmittelbar folgenden Gefallenenverzeichnissen auf eine Form des privaten Schlachtgedenkens hindeutet. 2.1.3 Verwendungsoffenheit für Textauswahl, Exzerpt und Paraphrasierung Koordinationsprinzip und fehlende Textbindung als Charakteristika des Handschriftentyps, zu dem die Kollektaneen von Russe zu zählen sind, begünstigten Benutzungsszenarien, die es dem Rezipienten offenließen, welche Teile der Sammlung er übernehmen wollte und welche nicht. Diese Verwendungsoffenheit der historiographischen Sammelhandschrift dokumentieren zumindest jene Handschriften, die nachweislich von Russes Sammlung abhängen. So trafen der unbekannte Schreiber der Hamburger Abschrift (Hs  4, Faszikel 5) und Carsten Schröder aus Lunden (Hs  7) zunächst nur eine Auswahl aus dem Bestand der fünf von Russe aufgezeichneten Ereignisdichtungen. Ersterer zeigte lediglich ein Interesse an der Reimpaarrede Nr. 1 sowie an den Liedern Nr. 4 und Nr. 5, letzterer ging sogar soweit, lediglich die Nr. 1 aus dem Korpus auszuwählen und alle

92 Die Aufführung oder performance ist nach Zumthor 1990, S. 73, der Hauptfaktor mündlicher Dichtung. Zu den Parametern ‚Stimme (Vokalität)‘ und ‚Körperlichkeit‘ vgl. ebd., bes. S. 143–182. Die Aufführung mündlicher Dichtung ist mit Koch / Osterreicher als ‚Sprache der Nähe‘ zu charakterisieren, die im Unterschied zur ‚Sprache der Distanz‘ auch nonverbal durch Mimik, Gestik und Intonation realisiert wird. Vgl. Koch / Oesterreicher 1985, S. 22f. 93 Zum Beispiel in Nr. 4 und Nr. 5. 94 Zur tendenziösen Bearbeitung ereignisbezogener Dichtung im Zuge ihrer historiographischen Rezeption siehe Rattay 1986, bes. Kap. III.1, S. 61–90.

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 Überlieferungskontexte

anderen Stücke zu vernachlässigen. Der anonyme Schreiber von Hs 4 beließ es darüber hinaus nicht bei der Textauswahl: Er fertigte von den Liedern und dem Reimpaartext obendrein Auszüge an und übertrug Teile von letzterem zudem in lateinische Paraphrasen. Einhergehend mit der auszugsweisen Übernahme modifizierte der Schreiber die den Liedern vorgeschalteten Titel entsprechend. Mit dem Vermerk Ex cantilena Dytmarsica bzw. Ex alia cantilena Dytmarsica wies er jeweils auf das Exzerpt und auch auf die metrisch gebundene Form der Prätexte hin, die nun nicht mehr ohne weiteres im Schriftbild zu erkennen war. Wie die Interpolationen so bekunden auch die Exzerpte ein vordergründiges Interesse des Rezipienten an ereignisbezogenen Propositionen, die sich mit Zeit-, Orts- und Personenangaben konkret auf die Schlacht bei Hemmingstedt beziehen. In dem einen wie dem anderen Fall ging dieses Interesse einher mit dem Interessensverlust an der Poetizität der Ereignisdichtungen als Produkten der Lied- und Reimpaarredendichtung, die sich nicht zuletzt an der gravierenden Beeinträchtigung ihrer Sangbarkeit zeigt. Noch stärkeren Ausdruck fand die Reduzierung der Ereignisdichtungen auf ihre historiographie-relevanten Aussagen zuletzt in den ‚Monument[is] inedit[is]‘ von Westphalen.95

2.2 Die Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8) Mit der ‚Dithmersche[n] Historische[n] Geschichte‘ von Johannes Neocorus begann die Geschichtsschreibung in Dithmarschen im engeren Sinne,96 indem von ihm diverse Schriftzeugnisse der Vergangenheit zu einer Darstellung in erzählender Form verarbeitet wurden. Schon mit dem Titel weist der Verfasser sein Werk als Historie aus.97 Wie Johann Russe tradierte auch Neocorus ein

95 Westphalen 1745, Sp. 1447f. Im Grunde handelt es sich bei der Arbeit von Westphalen um eine gelehrte Exzerptsammlung im Druck als Pendant zu handschriftlichen Exzerptsammlungen. 96 Das war ihm selbst auch sehr bewusst, beispielsweise problematisierte er in der Vorrede, dass die Geschichtsschreibung Dithmarschens bisher von Historiographen außerhalb des Landes betrieben worden wäre (Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 12): „Konnen demnha weinig van olden Dingen berichten, ahne wat froembde Historici melden; den uth dersulven Schrifften am meisten dit thosamen gedragen, de dißem Lande mehrendehels vient, edder ock sulvest mit ehnen in Haren gelegen unde tho schaffen gehatt, de den alles tho ehrem Rohme unde Ehren, averst des Jegendels Ungelimpff unde Vorkleinering geduedet unde gelencket hebben.“ 97 Die Bezeichnung ‚Geschichte‘ löste flächendeckend erst im 18. Jahrhundert den der ‚Historie‘ ab (Melville 2007, S. 51), Neocorus verwendete ihn schon um 1600. Der Begriff ‚Historiographie‘ bezeichnet aus heutiger Perspektive nicht allein den Typ der komplexen sachbezogenen und deutenden Historie (historia, historiographia) in Abgrenzung zur Chronik (chronica, chronographia), deren Bezugspunkt, Ordnungs- und Gliederungsprinzip die Zeit ist, sondern begreift

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Kompilat ereignisbezogener Dichtungen über die Schlacht bei Hemmingstedt. Während beide Sammlungen in Hinsicht auf die Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 übereinstimmen  – wenngleich ihren Notaten jeweils andere Druckfassungen zugrunde gelegen haben – divergiert der Liedbestand gänzlich. Damit nicht genug zeichnete Neocorus auch Lieder ganz anderen Typs auf: Die Stücke Nr. 8, Nr. 9 und Nr. 10 zeigen Merkmale des fiktionalen Erzählliedes, und Nr. 11 bezieht sich religiös-deutend auf das Ereignis. Für keines der Lieder liegen ältere Textzeugen vor, allerdings geht aus einer Anmerkung des Schreibers unmissverständlich hervor, dass Lied 11 aus einer bislang unbekannten älteren Büsumer Handschrift eines Johann Fink rezipiert wurde. Auch der Verbundtitel deutet auf ältere schriftliche Vorlagen der Ereignisdichtungen hin. Kennzeichnend für ihre Tradierung bei Neocorus und typisch für die Rezeption von Ereignisdichtungen in Überlieferungsformaten, die sein Autograph vertritt, ist ihr subordiniertes Verhältnis zum Kontext und die feste referenzielle Einbindung in denselben sowie damit zusammenhängend die Aufzeichnung der Texte in einem Zuge und ihre enge verbundinterne Fügung.98 2.2.1 Verbundaufzeichnung mit Titelformulierungen Wesentlich für die Verbundbildung ist bei Neocorus nicht allein die räumliche Nähe und Reihung der Textnotate, sondern überdies ein deskriptiver Titeltext, der dem Kompilat vorgeschaltet ist und es als Ganzes ankündigend und inhaltlich-beschreibend referenziert. Mit diesem Verbundtitel exponierte der Schreiber diverse Eigenschaften der Ereignisdichtungen: zum einen, dass es sich um metrisch gebundene Texte handelt (Carmina unde Rimen), zum anderen, dass diese das Ereignis gut nachvollziehen würden (daruth men den gantzen Handell mit allen sinen ummestenden ock in leffliche Rimen gefatet vormercken möge). Zum dritten bekräftigte er letzteres gleich am Beginn mit diversen Garanten für die Authentizität der Texte, und zwar mit dem Hinweis auf ihr Alter (olde Antiquiteten) und auf ihre Quellen (uth ehren Originalen).99 Im Ganzen bekundet sich in dieser Hinführung zu den Ereignisdichtungen ihre Würdigung und Verwendung als glaubhafte Zeugnisse der Schlacht bei Hemmingstedt.

beide Formen als Genera der mittelalterlichen Geschichtsschreibung. Vgl. hierzu ebd., S. 49–52; Schmale 1985, S. 108–111. 98 Der Beschreibung als „unfester Verbund“ (Kellermann 2000, S. 226) kann ich mich deshalb nicht anschließen. 99 Der vollständige Verbundtitel ist abgedruckt im Eintrag zu Hs 8, Teil 2: Kap. II.2; die Auszüge wurden hier normalisiert wiedergegeben.

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 Überlieferungskontexte

Neben dem Titel für das Kompilat stattete Neocorus die Texte jeweils zusätzlich mit eigenen Überschriften aus. Für die Reimpaarreden griff er zu diesem Zweck auf die Titelformulierungen zurück, die ihnen schon in den Drucken beigegeben worden waren, wie im Übrigen auch Johann Russe verfahren war; für die Lieder führte er hingegen eigene Titel ein. Diese textbezogenen Titel erfüllen unterschiedliche Funktionen: Zum ersten exponieren sie die Zeugniskraft und Authentizität der Ereignisdichtungen und korrelieren hierin mit dem Verbundtitel.100 Insbesondere in Hinsicht auf die zum fiktionalen Erzähllied tendierenden Stücke Nr. 8, 9, 10 (und später bei Detleff auch 12A) kompensieren die Titeltexte den Mangel an textimmanentem Wahrheitsanspruch und explizitem Wirklichkeitsbezug, der die Lieder zunächst in ein inkohärentes Verhältnis zu ihrem Faktizität behauptenden Kontext stellte. Die Beglaubigung des Ereignisbezugs in den bewussten Liedern durch Verbund- und Titeltexte in Kombination mit der Betonung ihrer Kürze daselbst sowie auch ihre eindeutige Zuordnung zum historischen Vorfall vor Hemmingstedt im Jahr 1500 gehören zu eben jenen historischen Narrativierungsstrategien, die Reuvekamp-Felber unter dem Begriff ‚Historiographische Erzählgrammatik‘ zusammenfasst.101 Während er allerdings die rhetorischen Techniken des Wahrheitspostulats, der brevitas sowie der Verankerung der Darstellung in konkreten Zeit-Raum-Bezügen auf der Textebene meinte, die etwa in Chroniken Faktizität und Wahrheitsanspruch an den Rezipienten vermittelten, wurden dieselben Techniken von Neocorus und Detleff für die Lieder 8, 9, 10 und 12A auf der Ebene des Kontextes eingesetzt. Schon in der Vorrede an den Leser betont Johannes Neocorus, dass er die Lieder für ebenso glaubwürdig halte wie etwa die Chroniken und Urkunden und dass er sie aus Liebe zur Wahrheit in Gänze in die Chronik aufnehmen wolle: So will ick doch vor mine Person ditt reden, dat ick dußem unangesehen, de eigentlicke Wahreit, welche ick in geloffwerdigen Historien, Geschichtsboͤkern, schrifftlicken Ohrkunden, schonen Gedichten unde Lederen, so vele ick der hebben moͤgen, erkundet, edder wat ick suͤlvest an sick richtich edder thom geringesten der Warheit ehnlick befunden, in geleveder Korte unde Eintfolt schlecht unde recht antekenen unde an den Dach geven will, edder ock

100 Nr. 8: welches den gantzen handel gaar kortt unde kunstlick in sick begript unde vormeldet, Nr. 9: Sehr aardich unde kunstlich den gantzen handel wo de vorlopen Inholdende, Nr. 10: sehr kortlick doch richtich unde ardich De schlachtung affmahlet. – Das einzige Lied, dessen Titeltext nicht auf die Akzentuierung der Faktizität abhebt, ist Lied Nr. 11. Stattdessen schrieb Neocorus es dem ersten protestantischen Pfarrer auf Büsum, Andreas Brus, zu, da das Lied den rechten Glauben bekunden würde (Welckes ick erachte de Selige herr Andreas Brues gedichtet hebbe dewill itt eines rechten reinen Christengelovens). So streicht Neocorus – selbst protestantischer Pfarrer – hier im Ganzen die Kongruenz des Liedes mit dem protestantischen Glauben heraus. 101 Reuvekamp-Felber 2013, S. 432f.

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desulven Monumenta sulvest, dar itt sick jummer liden unde schicken will, gar unde gantz hieher setten, ock de Auctores und Oerder, uth den solckes genhamen, am Rande allegeren, up dat men in Collation unde Vorgelikung mine Leve unde Gunst thor Warheit spoͤren moͤge.102

Zum zweiten gab Neocorus mit dem Titeltext von Lied 8 einen Hinweis auf seine Melodie und den mündlichen Gebrauchskontext, indem er darauf hinwies, es verwende die Melodie eines Dithmarscher Tanzes (Nha arrt eines Dithmerschen Dantzes). Die musikalische Seite der Lieder und ihre Performanz werden von den Schreibern kaum reflektiert. Aus diesem Grund ist Neocorus‘ Hinweis auf die Musikalität von Nr. 8 bemerkenswert. Vergleichbare Indizien auf den Gebrauch der Lieder jenseits der Schriftlichkeit gaben lediglich Hans Detleff (Hs  9) zu Lied  12A, das als Tanzlied vorgestellt wird (Wert vor einen Ditmarschen dantz gebruket), und Peter Sax (Hs  10) zu Lied 12B, das zur Zeit seiner Niederschrift noch im Land gesungen worden sein soll (welches noch heutiges Tages in dem Lande wird gesungen). Die einstige oder wie im Fall der Fassungen von Lied 12 parallel bezeugte Performanz tritt in den historiographischen Überlieferungskontexten Dithmarschens hinter der Darstellungs- und Dokumentationsfunktion der Ereignisdichtungen zurück – in keinem Textzeugen finden sich Melodienotationen oder Tonangaben, geschweige denn Hinweise auf Bewegungsmuster und Schrittfolgen. Doch die Funktion der Chroniken bestand auch nicht darin, die Ereignisdichtungen für performative Verwendungszwecke vorzuhalten, sondern sie im Wissen der Chronisten um die aus dem Gedächtnis geschwundenen Lieder, die nicht rechtzeitig aufgezeichnet worden waren, als Zeugnisse der Dithmarscher Liedkultur festzuhalten und im handschriftlichen Kontext abzubilden.103 So wurden die Reimpaardichtungen und Lieder durch vers- und strophenweise Ausrichtung auf der Seite vom Fließtext der Prosadarstellung abgesetzt und die Lieder mehr oder minder deutlich als solche in den Titeltexten ausgezeichnet.104 Mit Verweis auf das Zeugnis von Tacitus, wonach die Germanen sich durch ihre Gesänge besonders ausgezeichnet hätten,105 streicht Neocorus in seiner Vorrede

102 Zitiert nach: Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 14f. 103 So Neocorus in seiner Vorrede, vgl. Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 11. 104 Neocorus bevorzugte die Bezeichnung ‚Carmen‘, verwendete diese jedoch auch für die Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2. Präziser sind die Begriffe ‚Ode‘ für Lied Nr. 5 bei Johann Russe (Hs 3) sowie ‚Cantilena‘ für die Lieder 4 und 5 in der Russe-Abschrift Hs 4. Der unbekannte Schreiber verwendete diesen zwar auch für die Reimpaarrede Nr.  1, jedoch kann das mit dem Umstand erklärt werden, dass die Rede im ersten Teil ein älteres Lied tradiert. Allein Peter Sax benennt Lied 12B in der Titelformulierung mit dem Begriff lied. Hans Detleff schließlich betitelt Lied 12A als Poema. 105 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 11. Zu diesem Topos vgl. auch Soltau 1836, S. VI.

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die besondere, weil natürliche Neigung und Kunstfertigkeit der Dithmarscher zum Dichten und Singen heraus: Wowol ick vor gewiß holde, dat kein Volck jemals so groff, idt hebbe dennoch alle Tidt sine Lust und Natur thom Dichten unde Singen gehatt, efft schon in dem einen mehr Jnclination und lefflichere Thonegunge gesporet worden als im anderen: Darumme den ock ahne Twiffel de Ditmerschen, als de sonderliche Natur und Jnclination thom Dichten unde Singen gehatt, vor anderen velen Volcken in diesem sick bearbeidet, wo se beide herliche Daden thom Exempel und grave Laster thom Affschuw106 in fine Rimen bringen unde dwingen mochten: Denn wat de Natur in ehnen vormocht, dar se doch keinen Behelp unde Anleidungen van jennigen frien Kunsten gehadt, geven guden Ogenschin ehre olde Leder, so vele der noch vorhanden, de mit solcher Kunst, Rhetorischer Artt unde Lefflicheit gesettet und vorsettet, dat gelerde Lude dergelicken tho richten even so wol tho schaffen, als itz tho vorwunderen geven scholde.107

Die Aufnahme der Ereignisdichtungen in die Chroniken, darauf deutet das Zitat hin, ist demzufolge nicht allein auf ihre Glaubwürdigkeit und Zeugniskraft bezüglich der Dithmarscher Geschichte zurück zu führen, sondern auch auf die Würdigung um ihrer selbst willen, zumal die Konzeption der Chroniken von Johannes Neocorus (Hs 8) und Hans Detleff (Hs 9) neben der politischen Ereignisgeschichte auch die Landesbeschreibung vorsah. So überrascht es denn auch nicht, dass Hans Detleff das Anliegen seines Vorgängers Johannes Neocorus fortführte, indem er eine Reihe weiterer Lieder, darunter Tanzlieder, in seine historische Darstellung einfügte.108 Neben der Akzentsetzung auf den glaubwürdigen Ereignisbezug und den weit weniger stark ausgeprägten Hinweisen auf ihre Performanz fungieren die Texttitel zum dritten mittels inbegriffener Zählung als Bindeglieder zwischen den Elementen des Kompilats und sind Ausdruck der Fügung jedes Stückes an den jeweils vorausgehenden Text.109 In der auf diese Weise realisierten Reihung der Ereignisdichtungen gibt sich ein bestimmter Ordnungs- und Gruppierungswille des Schreibers zu erkennen. An Position 1 und 2 stehen die ereignisdeutenden Reimpaarreden Nr.  1 und Nr.  2, an dritter, vierter und fünfter Stelle folgen die

106 grave Laster thom Affschuw: schwere Laster zur Abschreckung (wörtlich: ‚Abscheu‘). 107 Zitiert nach: Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 10f. 108 Abgedruckt: Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S.  568–570. – Zur Liedsammlung in Detleffs Chronik vgl. auch Brandt, Doreen: Die Herabsetzung des Königs. Darstellungsverfahren und Funktion der Komik in einem Lied mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. In: Schriften und Bilder des Nordens. Niederdeutsche Medienkultur im späten Mittelalter. Hrsg. von Monika Unzeitig / Christine Magin / Falk Eisermann. Stuttgart 2019(b). (ZfdA Beihefte 28), S. 51–66, bes. S. 57. 109 Nr. 2: Ein Anders, Nr. 8: Ein ander, Nr. 9: Dat veerde Carmen, Nr. 10: Dat vöffte Pöema, Nr. 11: Datt Soste Carmen.

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am fiktionalen Erzähllied partizipierenden Gesangsstücke Nr. 8, 9 und 10, bevor sich an sechster Stelle das ereignisdeutende geistlich konturierte Lied Nr.  11 anschließt. Wenngleich Neocorus unterschiedslos allen Elementen des Verbundes in Bezug auf das historische Ereignis dokumentarische Bedeutung zuschrieb und die unspezifische Bezeichnung ‚Carmen‘ sowohl für Reimpaar- als auch für strophische Texte einsetzte, spricht die beschriebene Anordnung der Texte doch ganz deutlich für ein Bewusstsein von den Unterschieden bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den Ereignisdichtungen in formal-metrischer, inhaltlich-struktureller und funktionaler Perspektive. Das zeigt sich auch in der Aneignung des Textverbundes durch Hans Detleff (Hs 9). Dieser erweiterte das Korpus um Lied 12A. Doch statt es lediglich an die bestehende Reihe anzufügen, setzte er Lied 11 an die dritte Stelle hinter die Reimpaartexte110 und dafür das neue Lied an die letzte Stelle. Auf diese Weise gruppierte er einerseits die Ereignisdichtungen mit deutender Themenentfaltung und andererseits die erzählenden Lieder zueinander. 2.2.2 Textbearbeitung durch Interpolation Wie in den Kollektaneen von Johann Russe (Hs 3), sind auch in den Chroniken von Johannes Neocorus (Hs 8) und Hans Detleff (Hs 9), den ich an dieser Stelle hinzufügen möchte, Textbearbeitungen dokumentiert, die teils auf die Chronisten selbst zurückgeführt werden können, teils auch von einer Vorlage übernommen worden sein können. Je ein Beispiel für den ersten Fall soll im Folgenden näher erläutert werden. Die Bearbeitung von Lied 8 in der Chronik von Neocorus erweist sich aufgrund des Schriftbefundes eindeutig als Eingriff von der Hand des Chronisten, der zunächst die erste Strophe notierte und dann im Nachhinein den ersten Vers bearbeitete und zwischen Vers 1 und Vers 2 einen dritten Vers ergänzte.111 Nr. 8 (Str. 1)

Nr. 8 (Str. 1) mit Interpolation111

Wille gi hören einen nien sang? Ick will ehn juw singen, alß ick en kan.

Wille gi hören im einen nien sang, watt unß hefft koning Johan gedan? Ick will ehn juw singen, alß ick en kan.

Die Bearbeitung wirkt sich zunächst auf die Ausgestaltung der textinternen kommunikativen Situation aus, indem sie mit dem personaldeiktischen Ausdruck unß das Äußerungspersonal des Liedes – Sänger und Hörer – mit den Dithmarschern

110 Diese Umgruppierung hatte wohl auch schon Neocorus im Sinn, der neben dem Titeltext zu Lied 11 notierte, dass es das dritte in der Reihe sein sollte. 111 Textabdruck nach den Editionsrichtlinien Teil 2: Kap. I.1.

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 Überlieferungskontexte

identifiziert. Ohne den interpolierten Vers bleiben Äußerungs- und Publikumsinstanz weitgehend unkonturierte Gruppen. Zudem trägt die deiktische Bindung der Liedhandlung an die Erlebnis- und Erfahrungswelt der Dithmarscher zur Authentifizierung der im Text vermittelten Informationen bei. Mit der Bearbeitung wird fernerhin von Anfang an die Aufmerksamkeit auf die Taten eines Königs namens Johann gelenkt. Diese Information in Verbindung mit der Kenntnis des Äußerungspersonals legt schon am Textbeginn das Thema der Liedhandlung offen – die Schlacht bei Hemmingstedt. Damit konterkariert die Interpolation einerseits die für das Lied charakteristische kataphorische Informationsentwicklung: Denn zunächst ist lediglich von dem Zug einer ungekennzeichneten Personengruppe die Rede; erst nach und nach stellt sich mit Attributen des Militärs wie dem Bungenschleger (St. 5) der Eindruck ein, dass von dem Marsch eines Heeres erzählt wird; und noch etwas später gewinnt die Handlung mit den Ortsreferenzen auf Windbergen (Str. 7) und Meldorf (Str. 8) Konturen, die auf ein Geschehen in Dithmarschen hinweisen, bevor endlich von einem König mit Namen Hans die Rede ist (Str. 9) usw. Andererseits verstellt die aus der Textbearbeitung resultierende Ankündigung eines Liedes über die Taten König Johanns zunächst den Blick auf die Figuren, um die es in der Handlung eigentlich geht – auf die Dithmarscher Carsten Holm und Isebrandt. Zumindest legen dies die mit diesen Figuren verbundenen Darstellungsmittel nahe, die Unmittelbarkeit und Kontrast erzeugen.112 In Summa hat Johannes Neocorus‘ Eingriff in den Text den ästhetischen Reiz und das thematische Spannungspotential des Liedes verringert. Hierin deutet sich an, dass für den Chronisten nicht mehr die Unterhaltungs-, sondern die Dokumentationsfunktion des Liedes im Vordergrund stand; die durch den kataphorischen Verweischarakter ursprünglich erzeugte Spannung in der Handlung mag auf die Performanz des Liedes abgestimmt gewesen sein; mit der Überführung in den historiographischen Kontext schwand das Interesse an einem allmählichen Spannungsaufbau. Wichtiger für den Chronisten war der Bezug des Liedes auf die Schlacht bei Hemmingstedt und nicht zuletzt auch die Exposition der Liedhandlung als etwas, das sich in der Vergangenheit Dithmarschens tatsächlich zugetragen hat. Und noch etwas verbindet sich mit der durch die Interpolation veränderten Deixis des Liedes. Das Pronomen unß ist in Hinsicht auf seinen Refe-

112 Vgl. hierzu den literarischen Kommentar zu Nr. 8 und Brandt, Doreen: Min Leuer Her Hans, wo haget juw tho? – Formen und Funktionen politischer Figurenreden im ereignisbezogenen Lied. In: Oratorik und Literatur. Politische Rede in fiktionalen und historiographischen Texten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Malena Ratzke / Christian Schmidt / Britta Wittchow. Berlin u. a. 2019(a). (Hamburger Beiträge zur Germanistik 60), S. 303–321, bes. 306– 312.

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renten zweideutig: In textinterner Perspektive bezieht es sich auf das Personal der Äußerungsebene, in textexterner Perspektive auf Johannes Neocorus (als den Urheber der Interpolation) und seine Leser. Hans Detleff erweiterte das Lied Nr. 9, das er aus der Chronik von Johannes Neocorus übernahm, um zwei gegenüber dem Herzogtum Holstein äußerst provokante Verse:113 Nr. 9 (Str. 12) in Hs 8

Nr. 9 (Str. 12) in Hs 9113

De sick jegen ditmerschen setten will, De stelle sick woll thor wehre! Ditmerschen dat scholen Buren sin? It mögen wol wesen Heren!

de sick jegen Ditmarschen setten will, de stelle sick thor wehre! Ditmerschen dat schölen Bueren sin? idt mögen woll Heren wesen! Leven de Ditmerschen noch Söven Jahr, Se werden der Holsten Heren.

Die betreffenden Verse werden von zwei weiteren ereignisbezogenen Liedern verwendet, die Hans Detleff auf Blatt 169v seiner Chronik eingetragen hatte und die sich auf das Jahr 1531 beziehen lassen, als die Dithmarscher einen Angriff Herzog Christians von Holstein, des späteren Königs Christian II. von Dänemark (1481–1559), abwehren und sich damit nach der Schlacht bei Hemmingstedt erneut gegenüber Holstein behaupten konnten.114 Bezieht man die programmatische Aussage der zwei Verse auf das Jahr 1500 bzw. auf 1531, so präsentiert sich damit eine mit den Dithmarschern sympathisierende Äußerungsinstanz, die aus der Situation der politischen Unabhängigkeit Dithmarschens vom Herzogtum Holstein spricht. Setzt man für die Interpolation von Lied Nr. 9 hingegen als zeitlichen Referenzpunkt das Jahr 1634 an, in dem Hans Detleff seine Chronik schrieb und im Zuge dessen auch Lied Nr. 9 rezipierte, dann gewinnt die Amplifikation eine andere Bedeutung. In der sogenannten ‚Letzten Fehde‘ von 1559 hatte Dithmarschen nämlich endgültig seine Unabhängigkeit verloren und war in das Herzogtum Holstein inkorporiert worden.115 Der Landesherr im Jahr 1634 war Herzog Christian IV. (1577–1648), in Personalunion König von Dänemark. Dieser nun hatte erst wenige Jahre zuvor als Oberst des Niedersächsischen Reichskreises im niedersächsisch-dänischen Krieg (1625–1629) gegenüber den kaiserlichen Truppen

113 Textabdruck nach den Editionsrichtlinien Teil 2: Kap. I.1. 114 Vgl. die Lieder Nr. 15 und 16 in Teil 2: Kap. I.4. Zum politischen Verhältnis zwischen Dithmarschen und Holstein bzw. Dänemark nach der Schlacht bei Hemmingstedt und vor dem Verlust der Unabhängigkeit 1559 vgl. Stoob 1959, S. 108–125. 115 Vgl. Stoob 1959, S. 125–137.

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 Überlieferungskontexte

von Tilly (1559–1632) und Wallenstein (1583–1634) eine schwere Niederlage erlitten.116 Was Hans Detleff angesichts dessen mit der provokanten Erweiterung von Lied Nr. 9 zum Ausdruck bringen wollte – ob das Gedächtnis an die einstige Freiheit und Schlagkraft Dithmarschens gegenüber Holstein oder den Spott gegenüber dem aktuellen, militärisch erfolglosen Landesherrn, das zu beantworten, erfordert weitere Untersuchungen.117 Worauf es zunächst bei der Deutung von Textbearbeitungen wie der von Hans Detleff und auch von Johannes Neocorus ankommt, ist die Ambiguität der Wirkungsintention der Ereignisdichtungen im Überlieferungskontext, je nachdem, ob man als interpretativen Rahmen die Liedhandlung und die textintern verwirklichte Kommunikationssituation ansetzt, oder aber die Aufzeichnungssituation respektive die Gegenwart des Chronisten, der den Eingriff in den Text verantwortet und damit zugleich seine Betroffenheit und seine Haltung, mithin sich selbst, in den Text eingeschrieben hat. 2.2.3 Texterschließung durch Glossierung Johannes Neocorus‘ Rezeption der Reimpaarreden und Lieder mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt zeichnet sich vor allen anderen Überlieferungskontexten dadurch aus, dass er die Texte mit Marginalglossen versehen hat,118 wobei diese je andere Funktionen für die Bedeutungskonstitution erfüllen. Bezüglich der Reimpaarrede Nr.  1 kommentierte der Chronist diverse Textstellen mit dem Hinweis auf vergleichbare Begebenheiten in der älteren und jüngeren Geschichte. Die Singularität der Schlacht – von der Äußerungsinstanz in Nr. 1 verschiedentlich betont – wird mit der Glossierung im Rezeptionszusammenhang demnach unterlaufen. Die Kritik an den Dithmarschern, die sich nicht um die Toten auf dem Schlachtfeld gekümmert hätten (Nr. 1, V. 323–333), relativiert Neocorus mit einem Seitenblick darauf, wie die Römer mit ihren Gefangenen umgegangen wären. Einen anderen Charakter haben die Glossen zur Reimpaarrede Nr.  2. Neben der Kommentierung von Anspielungen auf die Bibel und einer umfangreichen, ausführlichen Sacherläuterung zur Geschichte und Bedeutung des Gnadenjahrs handelt es sich bei den Glossen überwiegend um Konkretisierungen von Ereignisreferenzen (Zeit- und Personenangaben). Sie legen nahe, dass die betreffende Reimpaarrede im unkommentierten Zustand dem Bedürfnis des

116 Zum niedersächsisch-dänischen Krieg und der Rolle Christians IV. dabei siehe Lange 1996, S. 231–235. 117 Etwa zur Haltung des Chronisten zu Christan IV. in seinen Aufzeichnungen zu den Jahren 1625 bis 1629 in Hs 9, Bl. 227r–231r. 118 Diese sind für Nr. 1 und Nr. 2 im Anhang zur Edition dieser Texte (Teil 2: Kap. I.2) dokumentiert, für die Lieder jeweils im Vorlagenapparat.

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Chronisten nach exakter Ereignisdokumentation nicht entsprach. So weist er im vorangestellten Titeltext auch ausdrücklich darauf hin, die Reimpaarrede durch seine Glossierung verbessert zu haben: Ein Anders mitt schonen gloßlin nun erst vorbetert und vormehret. Die Lieder sind im Vergleich zu den Reimpaarreden nur spärlich glossiert worden. Bei den wenigen Randbemerkungen handelt es sich um Kategorisierungen von konkreten Ereignisreferenzen in den Texten. So vermerkte Neocorus etwa zum Personennamen Ißbrannt in Lied Nr. 8 die Kategorie Nomen Ducis Ditmarsici, zur Angabe Junker Slens in Lied 9 entsprechend Nomen Prefecti Guardiae. 2.2.4 Textverarbeitung in der historiographischen Darstellung des Ereignisses Mithilfe des Verbundtitels und dessen Bezugnahme auf die Schlacht bei Hemmingstedt wurde das Korpus der Ereignisdichtungen referenziell an seine Textnachbarschaft in der Handschrift, genauer: an die vorangehende erzählende Prosadarstellung des Vorfalls, gekoppelt. Doch findet die Bezugnahme ausgehend von der Darstellung zudem auch in umgekehrter Richtung statt. Denn die Reimpaarreden und Lieder wurden in der Darstellung verarbeitet und in diesem Zusammenhang immerhin viermal mit den Angaben Cant. und Poema direkt referenziert. Dies betrifft die Nennung von Isebrandt im Zusammenhang mit dem Bau der Schanze vor Hemmingstedt (Nr. 8),119 die demutsvollen Handlungen der Dithmarscher vor der Schlacht (Nr. 2),120 die Drohrede der Garde an die Dithmarscher (Nr. 2)121 sowie auch die Angabe zur Anzahl der Gefallenen auf der gegnerischen Seite (Nr. 1).122 Ganz überwiegend erfolgte die Integration der Ereignisbezüge aus den Liedern und Reimpaarreden jedoch ohne Verweis auf das der Darstellung nachgeordnete Kompilat, etwa zur Aussage, das königliche Heer hätte auf seinem Zug die erste Nacht in Alberstorf gelagert (Nr.  1),123 oder die Tatsache, dass Junker Slentz, der Anführer der Garde, dem König geraten hätte, den Zug nicht fortzusetzen, sondern stattdessen umzukehren (Nr. 9).124 Andere Inhalte hingegen, die mit den Ereignisdichtungen übereinstimmen, können dem Chronisten indes auch

119 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 468. 120 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 470. 121 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 476. 122 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 491. 123 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 461. Nach Lammers (31987, S. 131, Anm. 1) bieten die Historiographen vor Neocorus diese Information nicht. 124 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 471. Nach Lammers (31987, S. 136, Anm. 32 und 33) findet sich diese Information nur in Lied 9 und bei Neocorus.

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 Überlieferungskontexte

aus anderen Quellen vermittelt worden sein. So findet sich die Beschreibung der ungünstigen Wetterverhältnisse und des unwegsamen Geländes, wie sie unter den Ereignisdichtungen die Nr. 1 am deutlichsten ausführt,125 auch in der Chronik von Johann Petersen,126 die Neocorus vorlag.127 Drei Verarbeitungsformen können nach einem vorläufigen Abgleich der Ereignisdichtungen mit der Darstellung von Neocorus beobachtet werden: Auswahl, Zusammenfügung und Umdeutung. Der Chronist verarbeitete die Ereignisdichtungen nicht in Gänze; er traf eine Auswahl aus den Ereignispropositionen und setzte die Angaben aus verschiedenen Texten anschließend in ein temporales und kausales Verhältnis, das so in den Prätexten nicht explizit besteht. Mit der Übernahme des Späher-Motivs aus Nr. 1 (V. 127–142) und des Motivs über den Bau der Schanze vor Hemmingstedt aus Nr. 8 (Str. 20–23) führte er letzthin die Tatsache, dass die Dithmarscher vor Hemmingstedt eine Schanze errichteten und dort die Ankunft des feindlichen Heeres abwarteten, darauf zurück, dass sie zuvor einen königlichen Späher hatten abfangen können, der ihnen die geplante Marschroute des Königs von Meldorf über Hemmingstedt nach Heide verraten hatte.128 Das Motiv, welches in Lied Nr. 8 die Handlung auf das Zusammentreffen der beiden Heere vor Hemmingstedt zutreiben lässt, nämlich die Empfehlung Carsten Holms an den König, die Marschroute von Meldorf Richtung Heide einzuschlagen (Str. 17–19), bleibt von Neocorus hingegen unberücksichtigt. Andere Angaben werden mit ihrer Integration in die Darstellung umgedeutet. Dies betrifft etwa die Tatsache, dass sich die Dithmarscher in der Schlacht ihrer Waffen und Kleidung entledigt hätten und der Garde barfuß gegenübergetreten wären. Die Information stammt aus der Reimpaarrede Nr.  2 (V. 123–126). Während sie dort dazu dient, die Frömmigkeit und das Gottvertrauen der Dithmarscher als Zeichen ihrer Demut zu exponieren, wird sie bei Neocorus als taktisches Handeln geschildert, das auf eine verbesserte Beweglichkeit und Kampffähigkeit angesichts des Gedränges auf den engen Wegen in der Marsch abzielte.129 Im Ergebnis stehen mit der Prosadarstellung von Neocorus und den sich anschließenden Ereignisdichtungen ganz verschiedene Repräsentationen des historischen Vorfalls nebeneinander, doch scheint dies aus der Sicht des Chronisten kein Hindernis für die Anbindung des Kompilats an seine Darstellung gewesen zu sein.

125 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 472f. 126 Petersen 1557, S. 166. 127 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. X. 128 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 467, 468f. 129 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 476.

Die Ereignisdichtungen und die Dithmarscher Historiographie 

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2.2.5 Verwendungskonditionierung durch Textbindung Die Tradierung der Ereignisdichtungen mit der kopialen Rezeption der ‚Dithmersche[n] historische[n] Geschichte‘ von Johannes Neocorus kann als weitgehend konstant charakterisiert werden. Durch Textbindung fest integriert in den Kontext und untereinander verknüpft130 wurden die Ereignisdichtungen als ein Teil des Chronikganzen in die Abschriften von Hs 8 übernommen, wobei die Rezipienten weder an ihrem Bestand und ihrer Reihung noch an ihren Titelformulierungen und ihrem Wortlaut gravierende Änderungen vornahmen. Die bedeutendste Bearbeitung des von Neocorus initiierten Kompilats verantwortete Hans Detleff in seiner ‚Dithmarsische[n] Historische[n] Relation‘ (Hs  9). Doch ging sie hier einher mit einer Rezeption der ‚Dithmerschen historischen Geschichte‘, die Hans Detleff nicht mehr als Abschrift auffasste, sondern als eigene Arbeit. Nicht zuletzt die veränderte Werkkennzeichnung auf dem Titelblatt dokumentiert dieses Bewusstsein, doch auch in seiner Vorrede an den Leser gab Detleff zu verstehen, dass er die Geschichte von Neocorus nicht einfach kopiert, sondern gekürzt, korrigiert und fortgesetzt hätte.131 In der Folge kann für die Rezeption des durch Detleff modifizierten Verbundes Hemmingstedter Ereignisdichtungen ebenfalls überwiegend eine verstetigende Tradierung beobachtet werden,132 die sogar so weit ging, dass selbst dort, wo die Produzenten der Abschriften in die hochdeutsche Schriftsprache wechselten (Hs 9.4, Hs 9.5, Hs 9.8, Hs 9.10), sie die Ereignisdichtungen ungeachtet weniger Anpassungen bei ihrem niederdeutschen Sprachstand beließen. Alles in allem deutet sich deshalb an, dass die Techniken der Textbindung und das Prinzip der Subordination den Umgang mit den Ereignisdichtungen dahingehend konditioniert haben, dass das Kompilat stets vollständig im Bestand und bei gleichbleibender Reihung übernommen wurde. Der Chronik von Hans Detleff (Hs 9) kommt in der Gesamtschau eine besondere Rolle in der Dithmarscher Historiographie und Überlieferung der Ereignisdichtungen zu, denn kein anderes Manuskript wurde in so großer Anzahl handschriftlich hauptsächlich in- aber auch außerhalb Dithmarschens verbreitet wie dieses. Immerhin sind neben dem Autograph mindestens 22 weitere Handschrif-

130 Die Textbindung wird bei Neocorus auch durch eine Paragraphenzählung der Ereignisdichtungen geleistet. Das ganze Buch über Hemmingstedt ist in kleinere Abschnitte untergliedert, die unter Verwendung von Paragraphenzeichen durchgezählt sind. In dieser Hinsicht wurden die Ereignisdichtungen der Darstellung der Schlacht koordiniert. Mit Blick auf ihre Position innerhalb der Chronik als Ganze sowie auch auf ihre der Darstellung der Schlacht nachgestellte Position wirkt jedoch das Subordinationsprinzip. 131 Vgl. Bl. IXr in der Inhaltsangabe zu Hs 9 im Katalog der Überlieferungsträger (Teil 2: Kap. II.2). 132 Hiervon sind lediglich die Handschriften Hs 9.6 und Hs 9.7 auszunehmen, Hs 9.11 rezipiert wiederum das veränderte Kompilat von Hs 9.7.

140 

 Überlieferungskontexte

ten aus dem 17. und 18. Jahrhundert nachweisbar. Und doch konstatierte Johann Adrian Bolten in der Vorrede zum ersten Teil seiner ‚Ditmarsische[n] Geschichte‘ von 1781 „die Beschwerlichkeit, die handschriftlichen Chroniken, welche hie und da in groͤßern und kleinern Bibliotheken versteckt liegen, aufzuspuͤren und derselben habhaft zu werden“.133 Wie nachgefragt und schwer zu erlangen die ‚Historische Relation‘ von Detleff selbst noch im 19. Jahrhundert war, geht auch aus dem anschaulichen Bericht von Rudolf Hartmann (1816–1893) in Marne hervor, wie dieser 1860 endlich in den Besitz von Hs 9.7 gekommen war. So darf die beachtliche Zahl von Reproduktionen nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwar nicht das Wissen um die Existenz der ‚Historischen Relation‘, wohl aber ihre Zugänglichkeit und Lektüre nur auf einen begrenzten Personenkreis beschränkt geblieben war. Letzteres gilt nicht zuletzt auch für die Kenntnis und den Gebrauch der Hemmingstedter Ereignisdichtungen.

2.3 Die Überlieferung bei Russe und Neocorus im Vergleich Beide Typen historiographischer Schriftlichkeit – sowohl die handschriftliche Textsammlung als auch die Chronikhandschrift – waren offen für die Aufnahme der Lieder und Reimpaarreden mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. Zugleich deutet die Rezeption in den durch die Kollektaneen von Russe (Hs  3) und die Chronik von Neocorus (Hs  8) repräsentierten Überlieferungskontexten darauf hin, dass die Ereignisdichtungen von den Rezipienten als glaubwürdige Dokumente der Vergangenheit gewürdigt wurden. Gemeinsam ist beiden Überlieferungskontexten zudem, dass den Reimpaarreden jeweils der Vorrang vor den Liedern eingeräumt wurde: Während die Reimpaartexte Nr. 1 und Nr. 2 in zeitlicher bzw. räumlicher Abfolge zuerst aufgezeichnet wurden, ist die Liedüberlieferung in dem einen wie dem anderen Fall als nachgeordnet zu charakterisieren. In Bezug auf die Kollektaneen von Johann Russe ließe sich sogar davon sprechen, dass die Notate von Nr.  1 und Nr.  2 den Kern seiner Aufzeichnungen bildeten, an den sich die Liedüberlieferung dann später anlagerte und die ursprüngliche Gebrauchsfunktion der Reimpaarreden und Gefallenenlisten – das Schlachtgedenken – überlagerte. Allerdings setzten Russe und Neocorus hinsichtlich ihrer Bedeutungszuschreibung unterschiedliche Akzente: Während der eine die Ereignisdichtungen letztlich als Reden und Lieder akzentuierte, die den Sieg der Dithmarscher feierten, zeigt sich in der Ausstattung und Verwendung der Ereignisdichtungen bei dem anderen ein regelrechter Fokus auf ihre dokumentarische

133 Bolten I 1781, [Bl. 7r].

Die Ereignisdichtungen und die Dithmarscher Historiographie 

 141

Funktion, was sich bei Neocorus nicht zuletzt auch darin zeigt, dass er die Texte teils aufwendig kommentierte. Vor allem fällt jedoch auf, dass die Kompilate von Russe und Neocorus im Bestand divergieren. Aus verschiedenen Druckausgaben rezipierten beide die Reimpaarreden Nr.  1 und Nr.  2. Russe ergänzte die Reden nach und nach um Stücke vom Typ des ereignisnahen, expliziten und faktualen Liedes, während die Chroniken von Neocorus (Hs 8) und Detleff (Hs 9) stattdessen die Lieder dokumentieren, welche – abgesehen von Nr. 11 – in unterschiedlich starker Intensität am fiktionalen Erzähllied partizipieren. Die Korrelation von Rezeptionszeitpunkt und Wirklichkeitsbezug legt nahe, dass der faktuale Liedtyp ein Phänomen des ereignisnahen frühen politischen Diskurses war, während das zur Fiktionalität tendierende Lied eine späte Erscheinung der Bezugnahme auf den längst vergangenen historischen Vorfall darstellt. Tatsächlich finden sich denn auch kaum textinterne Indizien, die eine Entstehung der Lieder dieses Typs während oder kurz nach dem Ereignis plausibel machten. Einzig die Deixis von Lied Nr. 8 würde dafür sprechen,134 Nr. 9 und Nr. 12A hingegen bieten keine entsprechenden Hinweise. Im Gegenteil gibt es im Fall von Lied 12 verschiedene Anhaltspunkte, die für die Diskussion seiner Entstehung in der Spätzeit der Korpusgeschichte wenigstens in Betracht gezogen werden sollten.135 Erstens: Die Fassungen A von Detleff und B von Sax (Hs 10) waren zur Zeit ihrer Verschriftung noch in mündlichem Gebrauch; das geht aus den Titeltexten hervor sowie auch aus der Graphie, die im Gegensatz zu den früheren Aufzeichnungen bei Russe und Neocorus schon eine hochdeutsche Beeinflussung des Sprachstandes belegt. Zweitens: Die Redewendung ‚mit Ketten an den Himmel gebunden‘ in Lied 12A kann als Rezeption der Lieder verstanden, die sich mit der erfolglosen Belagerung Stralsunds durch die Truppen von General Albrecht von Wallenstein im Jahr 1628 auseinandersetzten und im Druck verbreitet wurden. Drittens: Neocorus berichtete in seiner Darstellung der Schlacht zwar schon von dem später legendären Zweikampf zwischen Junker Slentz und einem Dithmarscher, indem letzterer obsiegte,136 überlieferte aber noch kein Lied, dass diese Episode verarbeitete; dies tat erst Hans Detleff mit Lied 12A.137 Gegen den durchaus naheliegenden Einwand, dass die von Russe

134 Der Präsensbezug auf Isebrandt als Teilnehmer an der Schlacht. Vgl. den literarischen Kommentar zu Hs 8 in der Edition (Teil 2: Kap. I.2). 135 Kerth 1997, S. 303–306, stellt verschiedene Liedbeispiele vor, für die sich eine spätere Aktualisierung, Umdichtung bzw. Neudichtung aus Anlass eines neuerlichen politischen Konflikts nachweisen lässt. 136 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 474f. Vgl. den Stellenkommentar zu Lied 12A in der Edition (Teil 2: Kap. I.2). 137 Vgl. hierzu auch Brandt 2019(b), S. 63f.

142 

 Überlieferungskontexte

aufgezeichneten Lieder Nr.  4, 5 und 6 nur im Norden Dithmarschens bekannt gewesen wären, auf welche Region sich seine Sammeltätigkeit nachweislich in den 1530er Jahren konzentriert hatte, wohingegen die Lieder Nr. 8, 9, 10 und 12 lediglich weiter südwestlich bzw. südlich auf Büsum und um Windbergen herum in Gebrauch gewesen wären, spricht die Tatsache, dass die Fassung B von Lied 12 auch in Eiderstedt bekannt war, das im Norden unmittelbar an Dithmarschen grenzte. Die Verteilung der Liedüberlieferung auf die Kollektaneen von Russe einerseits und auf die Chroniken von Neocorus und Detleff mit unterschiedlichen Produktions- und Rezeptionszentren in Dithmarschen zu erklären, ist deshalb nur mit Einschränkung haltbar. Wenngleich auch immer mit Kontingenzphänomenen zu rechnen ist, spricht am Ende deshalb einiges mehr für eine Erklärung, die auf der Annahme liedtypenabhängiger Entstehungszeiten fußt.138

3 Fazit Die schriftliche Verbreitung und Tradierung der Hemmingstedter Ereignisdichtungen vollzog sich in vier Phasen, die jeweils eine je eigene Kombination von Text- und Überlieferungstypen kennzeichnet: So ist zu beobachten, dass die Überlieferung mit den überregional verbreiteten Drucken noch im Jahr 1500 einsetzte (Phase 1), sich im 16. Jahrhundert sowohl innerhalb als auch außerhalb Dithmarschens vornehmlich in Sammelhandschriften unterschiedlichen inhaltlichen Zuschnitts vollzog (Phase 2), um sich am Ende des 16. Jahrhunderts fast ausschließlich auf den Raum Dithmarschen zu konzentrieren. Mit der räumlichen Verengung korreliert die Erweiterung des Textkorpus, das in dieser Phase in die Schriftlichkeit gelangte. Träger und Ort dieser literarischen Schriftlichkeit war die Dithmarscher Regionalchronistik, die mit der ‚Dithmerschen historischen Geschichte‘ des Büsumer Pfarrers Johannes Neocorus von 1598 ihren Anfang nahm und in der ‚Dithmarsischen Historischen Relation‘ des Bauern Hans Detleff aus Windbergen 1634 ihre Fortsetzung fand (Phase 3). Diese Chroniken und mit ihnen die Hemmingstedter Ereignisdichtungen wurden schließlich im 17. und 18. Jahrhundert in großer Zahl reproduziert (Phase 4).

138 Die Vermutung der Forschung, ereignisferne, enthistorisierte Lieder würden auf ältere ereignisnahe Lieder zurückgehen (Honemann 1997, S. 103; Kellermann 2000, S. 104), kann mit Blick auf das Hemmingstedter Korpus nicht gestützt werden. Statt den am Erzähllied partizipierenden Typ des ereignisbezogenen Liedes als durch mündliche Tradierung verändertes Derivat des historisch-politischen Liedes aufzufassen, sollte man ihn künftig besser als eigenständige Form der Bezugnahme auf ein historisches Ereignis in Gesangsform begreifen und bewerten. – Vgl. hierzu auch oben die Anmerkungen zu Kap. II.2.2.2.

Fazit 

 143

Die Hemmingstedter Überlieferungsbefunde bestätigen den Stand der Forschung in mehrfacher Hinsicht: Zum ersten bekräftigt der Vergleich mit den Überlieferungsprofilen des Markgrafenkrieges und des Burgunderkrieges139 die Annahme, dass es ein typisches Profil von Verbreitungs- und Tradierungsmedien ereignisbezogener Dichtung nicht gibt. Zum zweiten zeigt sich jedoch auch bezüglich der Hemmingstedter Dichtungen wiederum ein Rezeptionsschwerpunkt auf der regionalen historiographischen Schriftlichkeit, wobei sich eine Reihe verschiedener Gebrauchsfunktionen abzeichnet: In den Kollektaneen von Johann Russe (Hs  3) dienten die Ereignisdichtungen dem privaten Schlachtgedenken; sie waren Dokumente des Sieges und ihre Rezeption und Würdigung ein Ausdruck von Patriotismus. Bei Johannes Neocorus (Hs 8) und Hans Detleff (Hs 9) wurden die Ereignisdichtungen einerseits in der historiographischen Darstellung der Schlacht als historische Quellen verarbeitet, andererseits aber auch als poetische Vergegenwärtigungen der Vergangenheit gewürdigt. Darüber hinaus sind vorrangig die Lieder im Zusammenhang mit weiteren Liedaufzeichnungen in den Chroniken als Zeugnisse einer reichen regionalen Liedkultur aufgefasst worden, welche Neocorus in seiner Vorrede an den Leser als Besonderheit Dithmarschens exponierte. Hans Detleff entsprach der Auffassung seines Vorgängers, indem er die Liedreihe um Tanzlieder und weitere Stücke erweiterte. Zum dritten haben die Dithmarscher Schreiber Rezeptionstechniken zur Anwendung gebracht, die Beate Rattay bezüglich der Rezeption eidgenössischer Ereignisdichtungen im ‚Chronicon Helveticum‘ von Aegidius Tschudi ebenfalls beobachtet hat: die Einbindung in einen bestimmten chronikalischen Zusammenhang,140 die Aufzeichnung mit Rücksicht auf die metrische Strukturiertheit und die Voranstellung von Titeltexten, so dass die Lieder und Reden deutlich von der Textumgebung abgesetzt wurden,141 sowie auch die Interpolation des Wortlautes mit Einfluss auf die politische Tendenz der Ereignisdichtungen.142 Jedoch gingen Johann Russe (Hs 3), Johannes Neocorus (Hs 8) und Hans Detleff (Hs 9) nicht soweit, dass sie glättend in die Metrik eingriffen, wie Tschudi es tat.143 Auch beschränkt sich die Modifizierung der Parteilichkeit auf die Verstärkung, während die Verkehrung der Tendenz,144 denkbar etwa bei der durchaus kritisch mit den Dithmarschern ins Gericht gehenden Reimpaarrede Nr. 1, nicht beobachtet werden kann.

139 Vgl. Schanze 1999. 140 Rattay 1986, S. 71. 141 Rattay 1986, S. 161. 142 Rattay 1986, S. 63. 143 Rattay 1986, S. 164. 144 Rattay 1986, S. 65, 75.

144 

 Überlieferungskontexte

Mit der deutlicheren Konturierung von zwei Typen historiographischer Schriftlichkeit weist die vorliegende Arbeit auch über den Stand der Forschung hinaus: 145 Danach ist zwischen zwei Rezeptionsformaten zu unterscheiden: den verwendungsoffenen Sammlungen, welche die Ereignisdichtungen in koordinierter und loser Reihung darbieten und den Rezipienten dadurch nicht auf eine geschlossene und vollständige Übernahme festlegten, sondern ihm in ihrer Funktion als Reservoire der Geschichte die Auswahl einzelner Stücke erlaubten (Hs 3, Johann Russe), sowie verwendungskonditionierenden Einzelhandschriften, welche die nachfolgende Rezeption der Ereignisdichtungen vermittels Subordination und Textbindung in starkem Maße vorprägten (Hs 8, Johannes Neocorus). Mit Blick auf die Handschriften, die die Sammelhandschrift respektive die Einzelhandschrift rezipierten, offenbart sich eine Wirkungsdimension der Überlieferungstypen, die bislang gar nicht in das Blickfeld der Forschung gelangt ist: die größere Überlieferungschance derjenigen Texte, die einmal in die chronikalische Einzelhandschrift – materialisiert als neuzeitliche Buchhandschrift – gelangt waren, und infolge dessen die Verarbeitung der betreffenden Ereignisdichtungen in der Dithmarscher Regionalgeschichtsschreibung vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die sprichwörtliche Ironie der Überlieferungsgeschichte besteht darin, dass für das Liedkorpus bei Johann Russe (Hs  3) durchaus die Chance bestanden hätte, schon im Verbund mit den anderen Liedern in den engeren historiographischen Diskurs Dithmarschens hineinzugelangen, hätte Carsten Schröder (Hs 7) seine Rezeption des Kompilats bei Russe nicht auf die Abschrift der Reimpaarrede Nr. 1 beschränkt, sondern stattdessen das gesamte Korpus der Ereignisdichtungen an Neocorus vermittelt.146

145 Schanze weist mit Blick auf den zweiten Städtekrieg (1449/1450) und den Burgunderkrieg (1474–1477) zwar auf das weite Spektrum historiographischer Schriftlichkeit hin („von mehr oder weniger geordneten Materialsammlungen unterschiedlicher Art […] bis hin zum repräsentativ ausgearbeiteten Chronikwerk mit offiziöser Geltung“ [Schanze 1999, S. 327]), verfolgt diesen Gedanken in Hinsicht auf jeweils ausgeprägte Aufzeichnungstechniken und ihre Relevanz für die Tradierung der Ereignisdichtungen jedoch nicht weiter. 146 Zur Benutzung des Manuskriptes von Carsten Schröder durch Neocorus siehe Lüdtke 1992, S. 141–143. Das Autograph der Kollektaneen von Johann Russe war Neocorus bekannt, aber nicht zugänglich; er ging davon aus, es sei bei der Eroberung des Landes 1559 von den Feinden zerstört worden (Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S.  12). Dass ihm Russes Aufzeichnungen in der Handschrift von Carsten Schröder indirekt vorgelegen haben, war ihm offenbar nicht bewusst. (Lüdtke 1992, S. 143) – So lagen die Lieder Nr. 4, 5 und 6 der Dithmarscher Geschichtsschreibung lange Zeit lediglich in den Auszügen der Hamburger Abschrift (Hs 4) und in der darauf zurückgehenden jüngeren Abschrift Hs 12 vor sowie auch in den noch knapperen Auszügen bei Westphalen 1745, Sp. 1447f. Auf der Grundlage von Westphalens Abdruck konnten sie von Bolten III 1784 benutzt werden; nach den Auszügen in der Hamburger Abschrift (Hs 4) druckte Dahlmann

Fazit 

 145

Dem historiographischen Rezeptionsschwerpunkt in Dithmarschen kommt ein besonderes Gewicht in der Überlieferungsgeschichte der Hemmingstedter Ereignisdichtungen zu. Neben ihm können allenfalls für die Frühzeit der Textkorpusgeschichte andere Formen der Verbreitung und Tradierung nachgewiesen werden, wie die aktuelle, überregionale Publikation und die folgende individuelle und dauerhafte Aufbewahrung der Reimpaarreden in typographischen Mehrblattdrucken (D 1, D 2, D 3, D 4), der Eintrag der Reimrede Nr. 3 im Verbund mit zwei weiteren ereignisbezogenen Reimreden in die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ des Ernst von Kirchberg (Hs  1) sowie die Integration von Spruchexzerpten aus Nr.  1 und Nr.  2 in eine geistliche Sammelhandschrift (Hs  2). Ereignisaktuelle respektive zeitnahe Rezeptionsformen wie die Liedpublikation im Einblattdruck, die Gegenwartschronik oder auch die literarische Sammelhandschrift sind im Hemmingstedter Überlieferungskorpus nicht dokumentiert. Das Fehlen des typographischen Einblattdrucks korrespondiert mit Brednichs Feststellung, dass kein einziges Flugblatt mit niederdeutscher Liedüberlieferung dokumentiert sei.147 Dass die anderen beiden Überlieferungsformen, die Schanze im Korpus des Markgrafenkrieges und des Burgunderkrieges nachgewiesen hat,148 nicht belegt sind, ist damit zu begründen, dass Formen literarischer Schriftlichkeit in Dithmarschen um 1500 wohl noch nicht hinreichend ausgeprägt waren.149

die Lieder 1827 im zweiten Band seiner Neocorus-Ausgabe ab (Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 560–562); ausgehend von Dahlmanns Abdruck fanden Nr. 4 und 5 lediglich in Auszügen, die Nr.  6 gar nicht Eingang in die Anthologie von Liliencron (II 1866, Nr.  216 und 215), die in der Folge für die Forschung zu ereignisbezogener und politischer Dichtung so wichtig werden sollte. Noch Chalybaeus 1888, S. 177f., griff auf die Exzerpte in Hs 12 zurück, obgleich die direkte Rezeption der Lieder in der Dithmarscher Historiographie bereits möglich gewesen wäre, und zwar aufgrund des ergänzenden Abdrucks der Lieder aus dem Kopenhagener Autograph der Kollektaneen von Russe durch Ludwig Weiland 1867, S. 107–116. Doch tatsächlich erlangten die Lieder 4, 5 und 6 erst mit der umfassenden heuristischen Arbeit von Walther Lammers im Zusammenhang mit seiner Untersuchung der Schlacht bei Hemmingstedt aus dem Jahr 1953 eine ähnliche Aufmerksamkeit in der Historiographie wie die anderen Lieder. Vgl. Lammers 31987 (1. Auflage von 1953), S. 23. 147 Brednich I 1974, S. 155. 148 Schanze 1999. 149 Zu diesem Zusammenhang vgl. oben Kap. III.2.

Fazit: Aspekte der Überlieferung Ereignisbezogener Dichtung Das Charakteristikum des Ereignisbezugs hat seit den Anfängen der Forschung zu ereignisbezogener Dichtung im 19. Jahrhundert den Fluchtpunkt des Erkenntnisinteresses determiniert: den referenzierten politischen Vorfall, auf den die funktionale Charakterisierung der ganzen Textgruppe und die Interpretation ihrer einzelnen Vertreter seither zulief.1 Infolge dessen geriet einerseits die Rezeption nach dem referenzierten Vorfall aus dem Blick sowie in Verbindung damit die Tatsache, dass für einen Großteil der Textgruppe keinesfalls eine ereignisaktuelle Entstehung und Verbreitung dokumentiert ist; andererseits tendierte die Forschung mit dem einseitigen Rekurs auf die politische Zweckbindung zur Binnenkonsolidierung einer formal, strukturell wie auch intentional auffallend disparaten Textgruppe. Mit der vorliegenden Arbeit zu ereignisbezogener Dichtung im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit wurden deshalb zwei Ziele verfolgt: zum einen die bisher noch nicht hinreichend ausgeleuchtete Wirkungsgeschichte der Textgruppe zu erhellen und in bewusstem Anschluss an die überlieferungsgeschichtliche Forschung die Ereignisdichtungen in ihrem jeweiligen Verwendungszusammenhang als Texte im Gebrauch zu würdigen, nicht aber als Repräsentationen ereignisaktueller Lieder und Reden, zum anderen ein Beschreibungsmodell zu entwerfen, mit dem sich die Binnendifferenzen innerhalb der Textgruppe sichtbar machen lassen, und dieses Modell sogleich am Beispiel zu erproben. Für die exemplarisch angelegte Untersuchung wurde nach dem Vorbild von Frieder Schanze2 ein Textkorpus zusammengestellt, das der Bezug auf dasselbe Ereignis konstituiert. Mit der Wahl der Ereignisdichtungen, die sich auf die Schlacht bei Hemmingstedt in Dithmarschen im Jahr 1500 beziehen, verband sich zugleich die Absicht, erstmals ein mittelniederdeutsches Korpus in das Zentrum des Interesses zu stellen. Notwendige Voraussetzung für die Erarbeitung der Texttypologie und der Überlieferungskontexte waren umfangreiche Erschließungsarbeiten des überlieferten Materials in Form einer Edition und Kommentierung der zwölf Texte und eines Katalogs der 37 Überlieferungsträger. Wenngleich die Texte mehr oder minder deutlich die Merkmale der ‚historisch-politischen Ereignisdichtung‘3 ausprägen und die zeitgenössischen Drucke sowie auch die späteren historiographischen Handschriften im Korpus charak-

1 Vgl. hierzu die Evaluierung des Forschungsstandes in Kap. I.1.1. 2 Schanze 1999. 3 Kellermann 2000. https://doi.org/10.1515/9783110652888-005

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 Fazit: Aspekte der Überlieferung Ereignisbezogener Dichtung

teristisch für die Verbreitung und Tradierung ereignisbezogener Dichtung sind, zeitigt die exemplarische Untersuchung im Ergebnis sowohl in text- als auch in überlieferungstypologischer Hinsicht eine bemerkenswerte Vielfalt der ästhetischen, funktionalen und medialen Figurationen ereignisbezogener Dichtung – von der religiösen Unterweisung in der Reimrede, die in illustrierten Quartheften ereignisaktuell und überregional publiziert wurde (Nr. 2), bis zum unterhaltenden Erzähllied, das noch zum Zeitpunkt seiner Niederschrift in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts räumlich begrenzt auf Dithmarschen und das benachbarte Eiderstedt zum Tanz gesungen worden ist und dann erst seinen Weg in die Regionalgeschichtsschreibung gefunden hat (Nr. 12), um dort zusammen mit besagter Reimrede schließlich demselben Kompilat von Reden und Liedern auf die Schlacht bei Hemmingstedt hinzugefügt und mit diesem in der chronikalischen Umgebung zugleich thematisch und zweckmäßig determiniert zu werden. Im bewussten Verzicht auf eine erneute Zusammenfassung und Kontextualisierung der Ergebnisse zu den Texttypen und Überlieferungskontexten im Hemmingstedter Korpus sollen stattdessen abschließend drei Aspekte herausgestrichen werden, die vor dem Hintergrund der eingangs referierten und diskutierten Forschung nicht nur für das Exemplarkorpus, sondern für die Überlieferung ereignisbezogener Dichtung insgesamt charakteristisch sein dürften. Diese Aspekte betreffen die Tendenz zur Assimilation der Ereignisdichtungen in der Regionalgeschichtsschreibung, die Zusammenhänge zwischen Texttypen und Überlieferungskontexten sowie die Handschrift als Faktor der produktiven Rezeption ereignisbezogener Dichtung.

1 D  ie Assimilation der Ereignisdichtungen in der Regionalhistoriographie In der Rezeptionsgeschichte vollzieht sich mit Blick auf die historiographischen Verwendungskontexte eine Entwicklung, in der die Ereignisdichtungen in der Materialität zusehends an optischer Präsenz verlieren, je intensiver sie für die Zwecke der Regionalgeschichtsschreibung in Dienst genommen werden. Am eindrücklichsten veranschaulicht dies die Überlieferungsgeschichte der Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 aus dem Hemmingstedter Korpus: Ihre Geschichte beginnt im Jahr 1500 mit der Repräsentation in gedruckten Quartheften ohne Co-Textualisierung (Phase 1), setzt sich fort mit der Einreihung in das Textensemble schmaler Sammelhandschriften, die nach dem Koordinationsprinzip organisiert sind (Phase 2), mündet danach in die umfangreichen chronikalischen Einzelhandschriften, wo sie der Landesgeschichtsdarstellung in Form des Inserats subordiniert werden (Phase 3), und endet schließlich in den Werken der gedruckten

Das Verhältnis zwischen Texttypen und Überlieferungskontexten 

 149

Geschichtsschreibung, wo die Texte nur mehr in atomisierter Gestalt in der Darstellung selbst sowie im Annotationsbereich der Seite Berücksichtigung finden (Phase 4). In gewisser Weise stellen die handschriftlichen Chroniken der dritten Phase ein Übergangsstadium dar, da sie die Texte zum einen noch wie die Sammelhandschriften als poetische Artefakte vollständig und sichtbar als solche dokumentieren, sie jedoch parallel dazu in der historiographischen Ereignisdarstellung verarbeiten wie später die gedruckten Vertreter der Regionalgeschichtsschreibung im 18., 19. und 20. Jahrhundert. Der Verlust ihrer Sichtbarkeit mit der Intensivierung ihrer historiographischen Zweckbindung geht einher mit weiteren Entwicklungen in der Überlieferungsgeschichte der Ereignisdichtungen, wie der Tendenz zur räumlichen Verengung ihrer Rezeption auf die Region, in der sich der von ihnen thematisierte Vorfall ereignet hat, sowie der thematischen und funktionalen Festschreibung auf eben diesen Vorfall und die Ereignisbezüglichkeit schlechthin. Diese Reduktion der räumlichen und diskursiven Entfaltungsmöglichkeiten kennzeichnet vor allem die Überlieferungsgeschichte der bewussten Reimpaarreden, da diese sich am Beginn durch die überregionale Verbreitung im Druck, die deutende Themenentfaltung und die Ansprache mehrerer Adressatengruppen viel größeren Wirkungsmöglichkeiten gegenübersahen.

2 Das Verhältnis zwischen Texttypen und Überlieferungskontexten In der Zusammenschau von Texttypen und Überlieferungskontexten im Untersuchungskorpus treten Verhältnisse zutage, die m. E. eine stärkere Binnendifferenzierung innerhalb der Gruppe ereignisbezogener Dichtung rechtfertigen, wobei nicht vorrangig die metrische Strukturierungsform in Anschlag zu bringen ist, sondern die Ausprägung der gruppenspezifischen Kategorie ‚Ereignisreferenz‘. Erstens indizieren diverse Überlieferungsgemeinschaften sowie Verbundbildungen auf Seiten der Rezipienten die Gruppierung von Texten gleichen respektive die Trennung von Texten unterschiedlichen Typs. Die ereignisdeutenden Reimreden Nr. 1 und Nr. 2 beispielsweise treten von Anfang an in Symbiose auf: die Druckexemplare gingen eine materielle Verbindung ein, aus beiden Texten wurden Auszüge gemacht und zueinander gruppiert in dieselbe geistliche Sammelhandschrift eingetragen und beide Texte wurden später an mindestens zwei Orten in Dithmarschen direkt aus den Drucken abgeschrieben und im Verbund in die historiographischen Handschriften aufgenommen. Die narrativen Lieder mit explizitem und faktualem Ereignisbezug hat allein Johann Russe aus Lunden in den 1530er Jahren in seine Kollektaneen aufgenommen (Hs 3); die Lieder, die am fiktionalen Erzähllied partizipieren, finden sich wiederum nur in den Chro-

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 Fazit: Aspekte der Überlieferung Ereignisbezogener Dichtung

niken von Johannes Neocorus aus Büsum aus dem Jahr 1598 (Hs  8) sowie von Hans Detleff aus Windbergen aus dem Jahr 1634 (Hs  9). Johann Russe, Johannes Neocorus und Hans Detleff gruppierten die Lieder jeweils zu den Reimreden, wobei sie letzteren im Aufzeichnungsverlauf jeweils den Vorrang vor den Liedern einräumten. Am auffälligsten zeichnet sich das Bewusstsein für die Diversität der kompilierten Texte bei Hans Detleff ab, der im Zuge der Verbunderweiterung durch Lied 12A eine Neuordnung des von Johannes Neocorus initiierten Kompilats vornahm, als deren Resultat einerseits die deutenden, andererseits die narrativen Ereignisdichtungen zu kleineren Gruppen zusammengestellt wurden. Zweitens deuten die Text- und Überlieferungsbefunde auf einen Zusammenhang zwischen räumlicher Verteilung und typenabhängiger Ausprägung der Ereignisreferenz hin: Ausnahmslos die ereignisdeutenden Reimreden sind überregional verbreitet worden. Die Rezeption der Lieder hingegen blieb weitgehend auf die Region Dithmarschen beschränkt. Dieser Befund korreliert mit der Ausprägung der Themenentfaltung und der textinternen kommunikativen Situation in den Texten als Komponenten der Ereignisreferenz: Die Reimreden exemplifizieren den militärischen Vorfall und deuten ihn vor dem Hintergrund christlicher Ethik und in der Absicht religiöser Unterweisung. Ferner adressieren sie mit ihrer Moraldidaxe mehrere sozial und lokal differente Gruppierungen – die Allgemeinheit, die Fürsten, die Dithmarscher sowie auch den einzelnen Leser respektive Hörer. Die Lieder sind hingegen in sehr viel stärkerem Maße auf den narrativen Nachvollzug des konkreten Ereignisses fokussiert, ergreifen Partei für die Dithmarscher und richten sich, wenn überhaupt, an eine unkonturierte, doch implizit mit Dithmarschen sympathisierende Publikumsinstanz. Diese Diversität der Reimreden und Lieder beschreibt zwei Ausprägungsmöglichkeiten der Publizität ereignisbezogener Dichtung, worunter ich mit Karina Kellermann die textintern reflektierte Verfasserintention des Öffentlich-Machens verstehe.4 Danach unterscheiden sich die Texttypen bezüglich ihres Potentials der Adressierung und Konstituierung okkasioneller Öffentlichkeiten.5 Was demzufolge mit der Verteilung von Texttypen und Überlieferungskontexten greifbar wird, ist die soziale und räumliche Reichweite der Ereignisdichtungen in Abhängigkeit von ihrer Publizität. Diese hat die Ausprägung der Ereignisreferenz determiniert und wird gleichsam in ihr manifest. Die Verfasser der Reimreden haben demzufolge ein lokal weites und sozial vielschichtiges Publikum vor Augen gehabt; so erklärt sich denn auch die Affinität der Reimreden zum Druck, doch ebenso ihre spätere Tradierung in Dithmarschen. Die Liederdichter haben im Gegensatz dazu einen

4 Kellermann 2000, S. 353–360. 5 Kellermann 2000, S. 337.

Die Handschrift als Träger produktiver Rezeption ereignisbezogener Dichtung 

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Wirkungsraum anvisiert, der auf die Region Dithmarschen und die benachbarten Territorien begrenzt war; die auf dieses Gebiet konzentrierte Rezeption der Lieder kann deshalb nicht überraschen.

3 D  ie Handschrift als Träger produktiver Rezeption ereignisbezogener Dichtung Die Ereignisdichtungen werden sowohl von Drucken als auch von Handschriften überliefert. Die Forschung geht von einer allmählichen Verdrängung der Handschrift durch den typographischen Ein- oder Mehrblattdruck aus bzw. von einer Entwicklung hin zum Druck als Hauptüberlieferungsmedium seit dem Ende des 15. Jahrhunderts,6 doch davon kann nicht die Rede sein. Vielmehr bestätigt sich mit Blick auf die Überlieferungsbefunde des Hemmingstedter Korpus, was sich mit den bislang dokumentierten Überlieferungsdaten bereits abzeichnete, dass nämlich kein funktionales Konkurrenzverhältnis zwischen Druck und Handschrift als notwendige Bedingung für einen Verdrängungsprozess beobachtet werden kann, sondern dass im Anschluss an die buch- und mediengeschichtlich orientierte Forschung auch im Bereich der medialen Repräsentationen ereignisbezogener Dichtung von der funktionalen Ausdifferenzierung der Überlieferungsträger auszugehen ist.7 Danach diente der Druck zunächst der ereignissynchronen oder bezüglich der eidgenössischen Spätrezeption im Druck8 auch der retrospektiven, in jedem Fall jedoch überregional wirksamen Veröffentlichung und Verbreitung ereignisbezogener Dichtung an ein anonymes Publikum, um nach Verlust seiner Aktualität entweder als Einbandmakulatur und für Federproben verwertet zu werden oder besitzerseitig ausgestattet und in spezifische Sammlungskontexte integriert zu werden. Letztere sind insofern interessant, als sie zumindest in Hinsicht auf das Hemmingstedter Untersuchungskorpus die Ereignisdichtungen mit anderen mittelniederdeutschen Reimdichtungen aus norddeutschen Offizinen vergesellschafteten und ein Benutzerinteresse offenbaren, das anders als in den historiographischen Verwendungszusammenhängen gerade nicht auf die faktuale Ereignisbezüglichkeit gerichtet war. Darauf deuten auch die in den überlieferten Exemplaren dokumentierten Benutzungsspuren hin, die nur in einem

6 Vgl. Kap. I.1.2. 7 Vgl. Kap. I.1.2. 8 Vgl. Schanze 1999, S. 319: „Eine besonders auffällige und historisch bedeutsame Eigenart der eidgenössischen Überlieferung ist die Publikation der alten, aus den Chroniken bekannten Lieder in Gestalt von Oktav-Einzeldrucken seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts.“

152 

 Fazit: Aspekte der Überlieferung Ereignisbezogener Dichtung

einzigen Fall die Auseinandersetzung mit dem Ereignisbezug der betreffenden Reimpaardichtung aufzeigen.9 An diesem Punkt zeigt sich die funktionale Differenz zwischen Druck und Handschrift, denn letztere zeichnet sich als Medium ereignisbezogener Dichtung gerade durch die Möglichkeiten für die Arbeit am Text aus – sei es in Form der Übersetzung, Paraphrasierung, Exzerpierung, Interpolation oder metrischen Harmonisierung, sei es in der Ausstattung mit Titeltexten, Marginalglossen und Kolophonen oder sei es auch mit der Verbundbildung und mit der referenziellen und zweckentsprechenden Bindung der Ereignisdichtungen an die jeweilige Textumgebung. Voraussetzung für diese produktive und an den individuellen Gestaltungswillen des Schreibers angepasste Form der Textaneignung war die Abschrift vom Druck oder – je nachdem, auf welche Quellen der Schreiber Zugriff nahm – die Abschrift der handschriftlichen Vorlage oder die Überführung aus der Mündlichkeit respektive dem Gedächtnis in das handschriftliche Medium. Ging es demzufolge nicht um das einmalige oder gelegentliche Lektüre-, Gesangs- oder Hörerlebnis, sowie auch nicht um die Aufbewahrung und Archivierung, sondern wie im Fall der ereignisbezogenen Dichtung um die interessegeleitete und bedürfnisorientierte Aneignung der Texte, dann setzte dies die handschriftliche Rezeption der Ereignisdichtungen nachgerade voraus. Nur so war es dem Schreiber etwa möglich, die Ereignisdichtungen in spezifischer Weise zu funktionalisieren und im Verwendungszusammenhang teils auch neu zu perspektivieren, d. h. sie an bestimmter Stelle in die Chronik einzubinden, sie mit anderen Texten zu kompilieren, in Titeltexten ihre Glaubwürdigkeit zu akzentuieren, in Kolophonen seinen Patriotismus zum Ausdruck zu bringen, durch Glossierung die Ereignisreferenzen zu parallelisieren, zu kategorisieren oder zu konkretisieren, durch Interpolation distanzsprachlich bedingte Verständnislücken zu schließen, die politische Tendenz zu stärken oder sich auf diesem Wege nicht zuletzt auch selbst in den Text einzuschreiben. Zweifelsohne sind die beschriebenen Techniken der Textarbeit an sich nicht spezifisch für die ereignisbezogene Dichtung, ihre Anwendungsbereiche und Ausdrucksabsichten sind es umso mehr, als sie vorrangig in historiographischen Verwendungskontexten die Ereignisreferenz und politische Tendenz der Lieder und Reimreden betreffen. Dies hat Beate Rattay für die Rezeption der eidgenössischen Ereignisdichtungen durch Aegidius Tschudi gezeigt;10 die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen dies und sprechen dafür, die Handschrift als Bedingung und Ausdruck einer individuellen und produktiven Rezeption ereignisbezogener Dichtung in der Überlieferungsge-

9 Vgl. Kap. III.1.1.1. 10 Vgl. Kap. I.1.2.

Die Handschrift als Träger produktiver Rezeption ereignisbezogener Dichtung 

 153

schichte dieser Textgruppe zu exponieren – nicht ausschließlich, aber auch mit ausdrücklicher funktionaler Abgrenzung vom Druck.

Teil 2: Texte und Überlieferungsträger

I Edition Anliegen der Edition ist der erstmalige Abdruck sämtlicher mittelniederdeutscher Lieder und Reimpaardichtungen mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt als Korpus sowie nach rezenten editionsphilologischen Standards einschließlich der Dokumentation des Textzustandes in der Editionsgrundlage sowie der bedeutungsrelevanten Lesarten in zwei nachgeschalteten Apparaten (Kap. 2). Die Reihung der Texte richtet sich nach der Chronologie ihrer schriftlichen Überlieferung; entsprechend werden sie nummeriert. Im Anschluss an den Textabdruck und die Apparate werden die Stücke umfangreich kommentiert. Ein Glossar der Orte und Personen (Kap. 3), die in den Ereignisdichtungen genannt werden, ergänzt einerseits die Stellenkommentare und erschließt das Textkorpus andererseits in Hinsicht auf seine historisch verifizierbaren Bezüge auf das Ereignis ‚Schlacht bei Hemmingstedt‘. Zusätzlich werden zwei lateinische Stücke auf den Vorfall und drei weitere mittelniederdeutsche Lieder im Anhang abgedruckt (Kap. 4); diese stehen in unterschiedlichen textgeschichtlichen Zusammenhängen mit den Hemmingstedter Liedern und Reimpaardichtungen und werden verschiedentlich in den Kommentaren genannt.

1 Anlage und Richtlinien 1.1 Textabdruck Abgedruckt werden die Lieder und Reimpaardichtungen einschließlich der ihnen in der Editionsgrundlage beigeordneten Texte (Titeltext, Schreiberkolophon etc.).

Editionsgrundlage Die Wahl der Editionsgrundlage richtet sich nach der Überlieferungssituation der Texte, wobei zwischen drei Textgruppen unterschieden wird: – (1) Die ereignisbezogenen Dichtungen Nr. 3, Nr. 6, Nr. 7 und 12C sind unikal überliefert, so dass es keiner weiteren Überlegungen zur Wahl der Textgrundlage bedarf. – (2) Die Texte Nr. 1 und Nr. 2 wurden zunächst in Drucken aus dem Jahr 1500 verbreitet und in der Folge handschriftlich tradiert. Es liegen jeweils mehrere zeitlich nahe beieinanderliegende Druckausgaben vor. Die Überlieferung ist hier zunächst horizontal ausgerichtet; die Menge der zwischen den Druckausgaben variierenden Textstellen gemessen am Textumfang fällt verhältnishttps://doi.org/10.1515/9783110652888-006

158 

 Edition

mäßig gering aus. Aus diesem Grund wird in Anlehnung an das Leithandschriftenprinzip die Edition nach dem Prinzip des Leitüberlieferungsträgers gewählt. Maßgeblich ist nach Kollation der einzelnen Druckausgaben der mutmaßlich frühere Druck. Bei mehreren Exemplaren dieses Druckes wird das mit dem besten Erhaltungszustand ausgewählt. Die Varianten zu den anderen Überlieferungszeugen werden im Variantenapparat dokumentiert. – (3) Die größte Gruppe beinhaltet die Stücke, die ausschließlich handschriftlich und zudem auch mehrfach bezeugt sind (Nr. 4, Nr. 5, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10, Nr.  11, Nr.  12A und 12B). Das Manuskript mit der jeweils ältesten bekannten Aufzeichnung, von der die jüngeren Notate abhängen, wird dem Textabdruck zugrunde gelegt. Unter der Sigle Nr. 12 werden drei Lieder abgedruckt, deren Gemeinsamkeiten in metrischer und motivischer Hinsicht so evident hervortreten, dass sie als Ausprägungen einer Liedtradition aufgefasst werden können. Aufgrund der markanten Unterschiede, die gleichwohl auf makrostruktureller (Vers- und Motivbestand) wie auch auf mikrostruktureller Ebene (Wortlaut) beobachtet werden können, werden diese Stücke jedoch unter den Siglen 12A, 12B und 12C separat abgedruckt und mit einem textgeschichtlichen, sprachlichen sowie mit einem Stellenkommentar präsentiert. Die literarische Kommentierung wird hingegen für alle drei Texte gemeinsam erarbeitet. Die skizzierten Überlegungen führen zur Wahl der folgenden Editionsgrundlagen: Hergestellter Text

Editionsgrundlage

Nr. 1

D 1, Exemplar Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 8o Inc 1487.3

Nr. 2

D 4a, Exemplar Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 8o Inc 1487

Exzerpte aus Nr. 1 und Nr. 2

Hs 2

Nr. 3

Hs 1

Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6

Hs 3

Nr. 7

Hs 6

Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10, Nr. 11

Hs 8

Nr. 12A

Hs 9

Nr. 12B

Hs 10

Nr. 12C

Hs 11

Anlage und Richtlinien 

 159

Richtlinien der Textherstellung Die Texte werden vorlagennah abgedruckt; lediglich die folgenden Eingriffe werden vorgenommen: – Zeilenumbrüche und Absätze werden entsprechend der metrischen Struktur der Texte realisiert. Besonderheiten der Textpräsentation in der Editionsgrundlage (z. B. Initialen, Schriftartwechsel, Unterstreichungen) werden nicht in der Edition abgebildet, sondern ggf. im Vorlagenapparat vermerkt oder aber im textgeschichtlichen Kommentar berücksichtigt. – Bei den stichischen Texten werden beginnend mit der Ziffer 5 die Verse gezählt; bei den strophischen die Strophen durchnummeriert. Lediglich mit der Nr. 12 wird anders verfahren: Da die ursprüngliche strophische Gliederung nicht mehr rekonstruiert werden kann, werden die Langzeilen, umgebrochen nach der Zäsur, in Fünferschritten durchgezählt. – Abkürzungen werden aufgelöst und kursiv gesetzt. – Buchstaben in Ligaturen werden ohne Kennzeichnung und Anmerkung unverbunden wiedergegeben. – Diakritisches o über u wird nicht übernommen, wo das u konsonantisch gebraucht wird. Alle anderen Diakritika zur Kennzeichnung von Diphthongen, Langvokalen und Umlauten werden entsprechend der Vorlage abgedruckt. – Zur besseren Lesbarkeit wird die moderne Interpunktion eingeführt. Passagen direkter Rede werden entsprechend in doppelte Anführungszeichen gesetzt. – Die Verwendung von i/y und j sowie u und v wird dahingehend geregelt, dass i/y und u an Vokal- und j und v an Konsonantenposition gesetzt werden bzw. dort verbleiben. – Schaft-s und Rund-r werden als s und r wiedergegeben. Bei der Wiedergabe der lateinischen Gedichte Nr. 13 und Nr. 14 (Kap. 4) aus den Drucken D 5 und D 6 handelt es sich um Transkriptionen mit Auflösung der Abkürzungen in runden Klammern und unter Verzicht auf Schaft-s und Rund-r zugunsten von s und r.

Apparate Den edierten Texten werden ein Vorlagenapparat und ein Variantenapparat beigefügt. Im Vorlagenapparat werden Emendationen dokumentiert sowie besondere Befunde des Textzustandes in der Vorlage, wie z. B. Hervorhebungen, Streichungen, interlineare Ergänzungen und Glossen. Der Variantenapparat vermerkt die

160 

 Edition

Varianz in den übrigen Zeugen des edierten Textes. Berücksichtigt werden dabei nur solche Varianten, die Einfluss auf die Bedeutungsebene des Textes haben. Dies können Ergänzungen, Auslassungen, Ersetzungen oder Umstellungen von Wörtern, Wortgruppen, Versen oder Strophen sein. Stimmen mehrere Textzeugen in einer Variante überein, wird stellvertretend der Beleg aus dem ältesten Textzeugen wiedergegeben, nicht aber die graphischen Varianten dieses Belegs in den übrigen Drucken und Handschriften. Bei den Belegzitaten handelt es sich um Transkriptionen mit stillschweigender Auflösung der Abkürzungen. Ebenfalls im Variantenapparat vermerkt werden satz- und textwertige Beitexte, die dem edierten Text in anderen Überlieferungsträgern als der Editionsgrundlage beigegeben wurden; diese werden entsprechend den Editionsrichtlinien abgedruckt; dies gilt im Übrigen auch für die Glossen im Vorlagenapparat. Die Randbemerkungen, die in Hs 8 die Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 flankieren, werden aus Gründen ihres Umfangs nicht im Apparat vermerkt, sondern im Anschluss an Edition und Kommentar der betreffenden Texte abgedruckt; ihr Abdruck folgt der Ausgabe der Chronik von Friedrich Christoph Dahlmann.1 Die Reproduktionen von Hs 8 und Hs 9 werden im Variantenapparat zugunsten der Übersichtlichkeit nicht berücksichtigt.

Übersetzung Die Übersetzungen werden zusammen mit den hergestellten Texten synoptisch abgedruckt. Sie verstehen sich in erster Linie als Hilfe zur Bedeutungserschließung der mittelniederdeutschen Ausgangstexte. Die Klanggestalt der durchweg metrisch gebundenen Texte wird in der Übersetzung nicht rekonstruiert. Phraseologismen, die heute nicht mehr lexikalisiert sind oder in anderer Bedeutung verwendet werden, werden mehrheitlich sinngemäß in den Zieltext übertragen (z. B. Nr.  5, Str. 9,1: in hant gân – ‚sich ergeben‘); im Stellenkommentar erfolgt hierzu eine Erläuterung. Anders wird mit Sprüchen mit Satz- und Textwertigkeit verfahren; diese werden wörtlich übertragen (z. B. Nr. 11, Str. 13,5: Droch sleit sinen Herrn – ‚Betrug schlägt seinen Herrn‘) und im Stellenkommentar erklärt. Ferner werden leichte Anpassungen in Bezug auf die Syntax des Ausgangstextes vorgenommen: Die Satzgliedfolge wird nach den gegenwärtig geltenden Normen geregelt; grammatische Inkongruenzen zwischen aufeinander bezogenen Wörtern werden ausgeglichen.

1 Johann Adolfi’s, genannt Neocorus, Chronik des Landes Dithmarschen. Aus der Urschrift hrsg. von Friedrich Christoph Dahlmann. 2 Bde. Kiel 1827.

Anlage und Richtlinien 

 161

Mit dem Ziel, in Ansätzen auch stilistische Charakteristika im Zieltext abzubilden, werden auf syntaktischer und lexikalischer Ebene bestimmte sprachliche Erscheinungen beibehalten. Dazu zählt erstens die pronominale Verweisstruktur; weder werden deshalb kataphorische Referenzen (z. B. in Nr. 7 und Nr. 8) umformuliert zu anaphorischen, noch werden uneindeutige Referenzen vermittels symbolischer Ausdrücke vereindeutigt. Um etwaige Missverständnisse zu vermeiden, werden die Bezugsverhältnisse stattdessen im Stellenkommentar geklärt. Zweitens wird die in einigen Texten markant ausgeprägte Wiederholungsstruktur in den Zieltext übernommen.

1.2 Kommentar Textgeschichte Der textgeschichtliche Kommentar sieht die Darstellung der zeitlichen und räumlichen Ausdehnung der schriftlichen Tradierung vor und stützt sich hierzu auf die Datierung und Lokalisierung der Textzeugen, die zu Beginn mit ihren Siglen aufgezählt werden; im Zusammenhang damit werden nachweisbare Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Textzeugen dokumentiert. Ferner erfolgt im textgeschichtlichen Kommentar die Charakterisierung der Überlieferung hinsichtlich der medialen Formate, in denen die Lieder und Reimpaartexte verschriftet wurden.

Sprachstand Mit Hilfe des ‚Katalogs sprachlicher Merkmale zur variablenlinguistischen Erforschung des Mittelniederdeutschen‘ und des ‚Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete‘ (ASnA)2 wird der Sprachstand der edierten Texte untersucht. Die Bestimmung kann dabei nur als Annäherung verstanden werden, denn einerseits berücksichtigen die

2 Peters, Robert: Katalog sprachlicher Merkmale zur variablenlinguistischen Erforschung des Mittelniederdeutschen. Teil I. In: Niederdeutsches Wort 27 (1987), S.  61–93; Teil II. In: Niederdeutsches Wort 28 (1988), S. 75–106; Teil III. In: Niederdeutsches Wort 30 (1990), S. 1–17. Ders. / Fischer, Christian / Nagel, Norbert: Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete. Band 1: Einleitung und Karten. Berlin / Boston 2017. Die Daten des Atlas-Projektes konnten nur noch stellenweise in den Schreibsprachenkommentaren berücksichtigt werden.

162 

 Edition

bewussten Hilfsmittel lediglich Sprachzeugnisse bis einschließlich 15003 und andererseits handelt es sich bei ihrem Quellenkorpus ausschließlich um Textsorten aus dem Bereich Recht und Verwaltung (Urkunden, Stadtbucheinträge usw.), da nur diese Materialien die notwendige Voraussetzung erfüllten, sicher datiert und lokalisiert werden zu können.4 Neben regionalspezifischen Varianten wird im Kommentar zum Sprachstand auf spätmittelniederdeutsche Formen, auf hochdeutsche Einflüsse sowie auf Mündlichkeitsmerkmale (Apokopen, Synkopen, Klitika) aufmerksam gemacht.

Stellenkommentar Der Stellenkommentar dient wie die Übersetzungen dem Textverständnis.5 Kommentiert werden zum einen Wörter, die nicht in den Wörterbüchern lemmatisiert sind (besondere Derivate, ungewöhnliche Flexionsformen und Klitika), ferner uneindeutige pronominale Bezugsverhältnisse im Text, besondere syntaktische Phänomene, Phraseologismen sowie metaphorische und metonymische sprachliche Ausdrücke. Zum anderen werden Erläuterungen zu Realien, wie z. B. Waffen und Rüstung, zu bestimmten Begriffen, z. B. aus dem Bereich der Theologie, sowie zu den Datumsangaben, die in den Ereignisdichtungen nach dem Kirchenfestkalender erfolgen, gegeben. Die Orts- und Personennamen werden hingegen in einem textübergreifenden Glossar behandelt (vgl. Kap. 3). Zum dritten werden identifizierbare Intertexte nachgewiesen. Dies betrifft Textstellen, die hinsichtlich des Wortlautes oder der Motivausprägung markante Übereinstimmungen mit Texten innerhalb und außerhalb des Hemmingstedter Korpus’ zeigen, Referenzen auf die Bibel, Übernahmen aus bekannten Prätexten und die Verwendung von allgemeingültig formulierten Sprüchen, die auch außerhalb des Hemmingstedter Korpus zirkulierten.

3 Peters / Fischer / Nagel 2017, S. 2. 4 Peters / Fischer / Nagel 2017, S. 6. 5 Der Stellenkommentar (wie auch der Kommentar zum Sprachstand) arbeitet mit Kurzverweisen auf die benutzten Hilfsmittel. Zu den am häufigsten benutzten Titeln zählen: Schiller, Karl Christian / Lübben, August: Mittelniederdeutsches Wörterbuch. 6 Bde. Bremen 1875–1881. Mittelniederdeutsches Handwörterbuch. Begr. von Agathe Lasch und Conrad Borchling, fortgef. von Gerhard Cordes und Dieter Möhn, hrsg. von Ingrid Schröder. Neumünster 1956ff. Lasch, Agathe: Mittelniederdeutsche Grammatik. 2., unveränderte Aufl. Tübingen 1974. (Sammlungen kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A: Hauptreihe. 9). Lexikon des Mittelalters. Studienausgabe. 9 Bde. Stuttgart / Weimar 1999. Grotefend, Hermann: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit. 14. Aufl. Hannover 2007.

Anlage und Richtlinien 

 163

Literarischer Kommentar Metrik Der Kommentar zur Metrik der Hemmingstedter Ereignisdichtungen unterscheidet grundsätzlich zwischen nicht-strophischen und strophischen Versverbindungen. Liegt ein strophischer Text vor, so wird mit Bezug auf das Handbuch der Strophenformen von Horst Joachim Frank6 die Bauform beschrieben. Anschließend werden auffallende Schemaabweichungen kommentiert. Äußerungsinstanz Der Kommentar zur Äußerungsinstanz sieht die Identifizierung und Evaluation der äußerungsbezogenen Textstellen vor, und zwar in Hinsicht auf den Standpunkt der Äußerungsinstanz im Verhältnis zu Zeit und Ort des thematisierten Vorfalls, auf ihre soziale und professionelle Konturierung, ihre Haltung zu den Konfliktparteien, die Absicht ihrer Äußerung über die Schlacht bei Hemmingstedt und die persuasiven Strategien, die sie zu diesem Zweck einsetzt. Inhalt und Aufbau Der Kommentar zu Inhalt und Aufbau legt mit Rücksicht auf äußerungsbezogene und kommentierende Textsequenzen und solchen, die das Thema ‚Schlacht bei Hemmingstedt‘ demgegenüber narrativ oder verzeichnend entfalten, die Makrostruktur der Ereignisdichtungen offen. Bei den narrativen Texten und Textteilen wird das Hauptaugenmerk darüber hinaus auf die Struktur, die Motive und die Akteure der Handlung gelegt sowie auf charakteristische sprachliche, rhetorische und literarische Verfahren, mit denen die Handlung zur Darstellung gebracht wird. Angestrebt wird damit eine textimmanente Lektüre der Ereignisdichtungen. Ihre Interpretation im Kontext und als Teil des historischen Vorfalls ‚Schlacht bei Hemmingstedt‘ erfolgt hingegen nicht.

Literatur In chronologischer Folge werden zunächst jene Titel verzeichnet, in denen die Texte vollständig oder in Auszügen abgedruckt sind. An zweiter Stelle werden Forschungsbeiträge zu den Ereignisdichtungen vermerkt.

6 Frank 21993.

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 Edition

2 Textabdruck und Kommentar Nr. 1: Wat in hundert jaren unde nu is ghescheen 1 2

Wat in hundert jaren unde nu is ghescheen In dethmerschen, dat mach me hyr lesen unde seen.

Was vor hundert Jahren und nun in Dithmarschen geschehen ist, das kann man hier lesen und sehen.

3 4

Alze me schref dusent iiij hundert unde vere, Do quam in dethmerschen eyn groter heer,

Als man das Jahr 1404 schrieb, da kam ein mächtiger Herr nach Dithmarschen, und zwar der Sohn Heinrichs des Eisernen, ein großer, mächtiger Fürst, Herzog Gerhard, ein tüchtiger Mann, ein Herr aus Schleswig.

5 Alze Iseren hinrikes sone, eyn grot vorste rike, 6

Hartich Gert eyn vramer man, eyn here van Sleßwike.

7 8

He heft vorbadet alle sine gude mennen. He woͤlde in dethmerschen, ghaff he en to erkennen. 9 „Wylle gy ock nu by my bliven?“ 10 Se seden alle: „gnedige here, myt gude unde myt live.“

Er ließ alle seine Vasallen zusammenrufen. Er gab ihnen bekannt, dass er nach Dithmarschen ziehen wollte. „Wollt ihr nun treu zu mir halten?“ Sie antworteten alle: „Gnädiger Herr, mit unserem Besitz und mit unserem Leben.“

11 12 13 14

Fünfzehn Ritter hatten sich versammelt und vierhundert ausgewählte Vasallen, ohne Bauern und andere Kriegsknechte. Ihrem Herrn wollten sie Beistand leisten und den Aufgaben gerecht werden.

16 17 18 19

21

Vyfteyn ridders sint tosamende wesen Unde veer hundert gude menne uth ghelezen, Ane bure unde ander krighes knechte. Erem heren wolden se bystant doen unde doen den dyngen rechte. 15 Alzus sint se in dat lant ghetaghen. De dethmerschen sint alle ghevlaghen. Uth dem weghe dar se sleken. Se lepen alle tor hamme to myt eren langen peken.

Und so sind sie in das Land gezogen. Die Dithmarscher sind alle geflohen. Sie schlichen sich davon. Sie liefen alle zur Hamme mit ihren langen Spießen.

De holsten tasteden alle menliken tho, 20 Id was perd, osse, swyn effte koe.

Die Holsten griffen alle gemeinsam zu, ganz gleich, ob es Pferd, Ochse, Schwein oder Kuh war. Nichts davon wurde ausgelassen.

Dat wart alle nicht vorgheten.

1–2 Auf dem Titel, darunter Titelholzschnitt. 1 Wat] ¶ Wat. 3 Alze] das A als drei Zeilen hohe Initiale, das folgende L als Majuskel. 1–2 Wat … seen] + Anno a nato Christo 1404 Wat … seen Hs 3, De anno 1404 Ex alia cantilena Dytmarsica Hs 4, fehlt Hs 7, Titull Wat … sehen Carmen (daneben auf dem Rand: Paragraph 22) Hs 8, Hs 9 (ohne den Randvermerk), Titul Wat … sehen Hs 11. 13 ander] ane Hs 9, Hs 11. 14 fehlt Hs 4. unde doen] fehlt Hs 7. 17 dar] dat D 3, Hs 3, Hs 4, Hs 7. se] de Hs 9.

Textabdruck und Kommentar 

22

Kleder al wat dar was; dat smyde wart aff gespleten.

 165

Sämtliche Kleider, die dort vorhanden waren; die metallenen Beschläge wurden abgerissen.

Do se eren market sus hadden ghedaen, De schutten mosten myt deme rove gaen 25 Al na deme holsten lande. 26 Se menden, se hedden guden koep; de here bleff to pande.

Als sie ihren Handel getrieben hatten, mussten die Schützen mit dem Raubgut nach Holstein ziehen. Sie meinten, sie hätten ein gutes Geschäft gemacht; der Herr blieb als Sicherheit zurück.

27 28 29

Als sie wieder in die Hamme kamen, sahen die Dithmarscher sie dort. Mit Armbrüsten und mit ihren Spießen durchbohrten sie den Fürsten in größter Wut.

23 24

31 32 33 34

36 37 38

Do se wedder in de hamme quemen, De dethmerschen erer do waer nemen. Myt armborsten unde myt eren peken 30 In so groter grimmicheyt se den vorsten dorsteken. De wech de was to male gantz enge, Dat se quemen in so grote dwenge. Nemant mochte dem anderen entwyken. De meste hope blef dar doet, de arme myt dem ryken.

Der Weg war sehr schmal, so dass sie in großes Gedränge kamen. Niemand konnte dem anderen ausweichen. Die meisten starben dort, der Arme zusammen mit dem Reichen.

35 Her hinrick van siggen, eyn ridder gued, De hadde tomale eynen vryghen moet. He enwolde nicht vortzaghen. De banre brachte he myt macht dar doͤr, effte he hadde vlagen.

Herr Heinrich von Siggen, ein edler Ritter, der war ganz und gar unerschrocken. Er wollte nicht verzagen. Das Banner brachte er unter großer Kraftanstrengung da hindurch, so als wäre er geflogen.

Do de ridder dat vornam, 40 Dat syn gnedighe here nicht na enquam, 41 Em was uthermaten bange. 42 He wolde sik lever laten doetslaen, wen he were vangen.

Als der Ritter bemerkte, dass sein gnädiger Herr nicht folgte, war ihm außerordentlich ängstlich zumute. Er wollte sich lieber totschlagen lassen, wenn er gefangen wäre.

43 44

He is wedder to deme hupen ghereden Unde heft myt sinen twen soens in sinen doed ghestreden. 45 Dat hoͤrt eynem eddelen manne van eren.

46

Sus heft he dar sin lyff ghelaten by sinem eddelen heren.

Er ritt wieder zu dem Haufen zurück und kämpfte mit seinen beiden Söhnen bis in den Tod. Das gehört sich so für einen ehrenhaften Mann von Adel. Und so hat er dort bei seinem edlen Herrn sein Leben verloren.

39

38 vlagen] in der vorangehenden Zeile über hadde. 36 De] He D 3, Hs 3, Hs 4, Hs 7, Hs 8, Hs 9, Hs 11. 42 wen] de Hs 7. 46 Sus heft he] he hefft alle Hs 7. by] hy D 3.

166  47 48 49

 Edition

Dar worden ghevangen xxx gude man in al. Her wulff puwisck quam ock mede in den tal. „Och vrunde, latet uns nu leven. 50 Esschet sulver unde gholt, wy willent gerne gheven.“

51

De dethmerschen makeden do eyn vorbunt;

52

Se breken marienborch beth in de grunt.

53 54

Se wolden dar nene sloͤte liden. Wen de holsten wedder quemen, se scholden dar nicht to tyden.

56

55 Se wolden de vangen al wol bewaren. Se seten daer in so groten varen.

57

Se dachten mennighe wunderlike weghe.

58

Se schreven eren vrunden to, dat me yd doch fleghe.

59

Id is ghesettet teyn jaer in gud bestant, 60 De eyne mochte vorsoeken des anderen land.

61

In eynen guden salighen vrede

62

Mochten se so vort myt ruste sitten, were wol ere bede.

63 64

Dat hefft ghestaen so mennich leve jaer, Koͤninck kersten reysede to rome apenbaer.

66

65 Do heft em de keyser gnedigen ghegeven, De dethmerschen scolden em gaen in hant; dat was alzo geschreven.

67 68

De koͤninck heft sinen baden uth ghesant. He bad, dat se em wolden gaen in hant

69

Unde maken sik nicht alto vordraten.

Insgesamt dreißig Vasallen wurden dort gefangen genommen. Herr Wulf Pogwisch geriet auch darunter. „Ach Freunde, lasst uns nun am Leben. Fordert Silber und Gold, wir wollen es euch bereitwillig überlassen.“ Die Dithmarscher schlossen daraufhin ein Bündnis; sie rissen die Marienburg bis zu ihren Grundmauern nieder. Sie wollten dort keine Burg dulden. Wenn die Holsten noch einmal wiederkämen, dann sollten sie dort nicht hineilen. Sie wollten die Gefangenen gut verwahren. Diese befanden sich da in großen Schwierigkeiten. Sie dachten über die erstaunlichsten Möglichkeiten nach. Sie schrieben an ihre Verbündeten, dass diese in der Angelegenheit einen Vergleich anstreben sollen. Zehn Jahre lang währte die Waffenruhe, seit der eine des anderen Land herausgefordert hatte. In einem guten und glücklichen Zustand des Friedens wollten sie weiterhin mit Sicherheit leben, das war wohl ihre Bitte. So hat es viele gute Jahre gestanden, bis König Christian öffentlich nach Rom reiste. Da hat ihm der Kaiser gnädig gewährt, dass die Dithmarscher sich ihm ergeben sollten; so stand es geschrieben. Der König sandte seinen Boten aus. Er bat darum, dass sie sich ihm ergeben wollten und sich nicht allzu sehr ärgern sollten.

55 Se] So. 66 geschreven] ſchreuen in der folgenden Zeile unter alzo ge. 50 gerne] jw gern Hs 4, jw Hs 7. 60 vorsoeken] hir vorsoken Hs 7. 62 so] fehlt Hs 9, Hs 11. vort] drade Hs 7. 63–111 lateinische Paraphrasen Hs 4. 65 gnedigen] fehlt Hs 7.

Textabdruck und Kommentar 

70 He wolde en eyn gnedich here syn, by erer privileie laten. 71

Den baden hebben se sere vorsmaet.

72 73

Wat se antwerdeden, dat was quaet. Unde boͤden dem gnedighen vorsten siner kronen,

74

Ift he sick wolde nuͦghen laten myt einem schepel bonen.

75 Int jaer MCCCCC wolde dyt koͤnink Hans wreken 76 Unde myt velen heren eyn vorbunt spreken, 77 Dat he wolde horsam maken etlike lande. 78

Vele volkes was em wilkame, dat me em sande.

 167

Er wollte ihnen ein gnädiger Herr sein, ihnen ihre Freiheiten lassen. Den Boten haben sie entschieden zurückgewiesen. Was sie antworteten, war böse. Und sie entgegneten gegenüber seiner königlichen Majestät, dem gnädigen Fürsten, ob er sich zufrieden geben wollte mit einem Scheffel Bohnen. Im Jahr 1500 wollte König Hans dafür Rache nehmen und mit vielen Herren ein Bündnis schließen, weil er sich etliche Lande untertan machen wollte. Viele Söldner, die man ihm schickte, waren ihm willkommen.

Do nu de stede dat hebben vornamen, 80 Sulke eyne grote vorsammelinge tosamende kamen, 81 Se hebben under malkanderen ghespraken: 82 „Toͤrne, muͦren, walle wylle wy al vaste maken.“

Als davon nun die Städte erfuhren, dass sich so ein großes Heer versammelte,

83

De koͤnink is myt hertich Frederik overeyn ghekamen, 84 De oldenborgheschen heren hebben se mede ghenamen, 85 Her hans van anevelde, de wart nicht vorgheten, 86 Riddere unde gude menne, de al hoech weren beseten.

Der König hat sich mit Herzog Friedrich geeinigt, die Oldenburgischen Herren haben sie mitgenommen, Herr Hans von Ahlefeldt wurde nicht vergessen, auch nicht Ritter und Vasallen, die alle reich begütert waren.

87 88 89

Als sie nun derart versammelt waren, die großen mächtigen Fürsten und Herren, ein jeder gemäß seinem Stand, da sah man so viele prächtige Männer; das ging über das gewöhnliche Maß hinaus.

79

Do se nu alzus tosamende weren, De groten mechtigen vorsten unde heren, Eyn jewelik na sineme state, 90 Dar sach me so mennigen schonen man; dat was baven mate.

haben sie sich untereinander beraten: „Türme, Mauern und Wälle werden wir befestigen.“

70 wolde] wel Hs  7. gnedich] gudt Hs  7. 75–76 Int … spreken] Dyth hefft konynck Hanse so seer vordraten / He hefft mit velen heren eyn vorbunt gheslaten D 3, Hs 3, Hs 4, Hs 7. 75 Int] Jm Hs 9. 76 Unde] Dede Hs 9, Hs 11. 78 wilkame] wol bokant Hs 7. 82 al] fehlt Hs 11. 90 man] fehlt Hs 7.

168 

 Edition

91

Des toͤnde sick de koͤninck up der holsten erde

92 93

Myt groter manheyt to vothe unde to perde, Uthestrecket sine floͤghel tho beyden enden,

94

Ghewapent van hoͤvet to vothe beth up de lenden.

Da zeigte sich der König auf dem Boden der Holsten mit großem Gefolge zu Fuß und zu Pferd, seine Flügel zu beiden Seiten weit ausgebreitet, von Kopf bis Fuß gerüstet einschließlich der Lenden.

95 Sus sint se ghetaghen in dethmerschen unvortzaghet 96 Des dinxstedaghes na scolastice der reyne maghet 97 Myt alzo grotem ghesmuͦchte uthermaten. 98 Se hadden dat so vorgeset: se wolden nemande leven laten.

So sind sie am Dienstag nach Scholastika, der reinen Jungfrau, furchtlos nach Dithmarschen gezogen

99

Die erste Nacht sind sie in Albersdorf geblieben. Dort konnte ihnen niemand entkommen. Der eine lief gen Süden, der andere gen Norden, denn die Garde wollte sie alle umbringen.

De erste nacht sint se to alverstorpe ghebleven. 100 Dar mochte nemant vor en streven. 101 De eyne leep int suden, de ander int norden, 102

wente de gharde wolde yd alle morden.

mit auffällig großem Gepränge. Sie hatten sich das so vorgenommen: Sie wollten niemanden am Leben lassen.

103

Des middewekens sint se int suden na wyntberge toghen. 104 Allent, dat dar was, is wech ghevloghen, 105 Eyn jewelick wor he sick mochte beschuren, 106 Wente yd weren alle arme nakede buren.

Am Mittwoch sind sie gen Süden nach Windbergen gezogen. Jeder, der dort war, ist geflohen, ein jeder dahin, wo er sich verstecken konnte, denn es waren alles arme schutzlose Bauern.

107

Des donredaghes toͤghen se na meldorp unvordraten. 108 Dar hebben se sik myt den dethmerschen schaten. 109 De gharde was ghar unvortzaghet. 110 De armen luͦde worden van dem eren ghejaget.

Am Donnerstag zogen sie unbekümmert weiter nach Meldorf. Dort haben sie mit den Ditmarschern Schüsse gewechselt. Die Garde war überaus unerschrocken. Die armen Leute wurden von ihrem Besitz vertrieben.

111

De kranken, de nu nicht lopen enkonden,

112

Blinden, bedderedeghe, se seten efte stunden,

Die Kranken, die aber nun nicht weglaufen konnten, die Blinden und die Bettlägerigen, ganz gleich, ob sie saßen oder standen,

109 De] Da.  97 ghesmuͦchte] hupen Hs  7, geschmucke Hs  8, Hs  9, Hs  11. 98 se … laten] Se haddent also bospraken se wolden nichtes leuen laten Hs 7. 100 en] fehlt Hs 3, Hs 7. 102 yd] se Hs 7, Hs 9, Hs 11. 104 dat] wat Hs 11. 106 arme] fehlt Hs 7. 110 De armen … ghejaget] Alzo dat de armen lude van dem eren worden gheiaget D 3, Hs 3, Hs 7. 112 Blinden … stunden] bederedige Hs 4.

Textabdruck und Kommentar 

113 114

dar en is nicht ghespaert de moder myt dem kynde, Alle sint se vormordet dar ghelijk eynem vetten rynde.

 169

selbst Mutter und Kind wurden nicht verschont, ausnahmslos alle sind sie getötet worden wie ein fettes Rind.

115 Sus hebben se do meldorpe inghenamen 116 Unde ock de kerken tho erem vramen. 117 Dar hebben se der hande mechtighen ghebruket. 118 wat in schappen unde kisten was, hebben se dar uth gepuket.

Auf diese Weise haben sie Meldorf erobert und auch die Kirche zu ihrem Vorteil. Da haben sie kräftig von ihren Händen Gebrauch gemacht. Was in Schränken und Kisten war, haben sie geraubt.

119

Tor stunt is de torne ghetzyret myt eynem teken: 120 Eyn cruͦtze myt gholde unde parlen besteken, 121 Alzo de keyser constantinus eer hefft ghebaden, 122 Up dat em god deste luckelyker wolde raden.

Zur selben Zeit wurde der Turm mit einem Zeichen geschmückt: ein Kreuz mit Gold und Perlen bestickt, wie jenes, das der Kaiser Konstantin vor Zeiten dargebracht hatte, damit ihm Gott desto glücklicher beistehen wollte.

123 124

Da haben sie Meldorf sehr sicher befestigt. Dort hätte man den armen Leuten die Erlaubnis geben sollen zu gehen, damit sie auf diese Weise viel geneigter wären, ihrem lieben, gnädigen Herrn zu dienen.

Do hebben se meldorpe so vaste begraven. Dar scholde me den armen luͦden vele vor laven, 125 Up dat se so vele willigher weren,

126

To denende erem gnedighen leven heren.

127

Des sonnavendes wart dar eyn man uth ghesant, 128 De in deme lande was wol bekant, 129 Umme tho vorspeende de weghe na henninkstede 130 Unde denne vort na der heyde dar mede. 131 132 133 134

De sulve man wart ghevangen. Se wolden ene beyde morden unde hangen. Se grepen ene by den haren, by halße unde kynne: „Segge uns, wat heft de koͤninck in deme sinne!“

Am Sonnabend wurde da ein Mann ausgesandt, der sich in dem Land gut auskannte, um den Weg nach Hemmingstedt und dann weiter nach Heide auszukundschaften. Derselbe Mann wurde gefasst. Sie wollten ihn ermorden und hängen. Sie packten ihn bei den Haaren, am Hals und am Kinn: „Sag uns, was der König vorhat!“

127 sonnavendes] ſonnanendes.  113 dar en] Daran Hs 11. nicht] fehlt Hs 3, Hs 4. 114 dar] fehlt Hs 3, Hs 4, Hs 7. 115 Sus … do] Do hebben se Hs 7. 118 se] fehlt Hs 11. 121–122 fehlt Hs 4. 123–126 fehlt Hs 7. 126 leven] fehlt Hs 11. 127 sonnavendes] sonnedages Hs 3, Hs 4, Hs 7, Donredages Hs 9. 130 dar] fehlt Hs 3, Hs 4, Hs 7. 134 deme] fehlt Hs 11.

170 

 Edition

135 136 137 138

„Och leven vrunde, latet my nu leven. Ick wyl juw apenbar tho erkennen gheven. Yd schal juw altomale doen baten, So verre gy my myn lyf willen laten.“

„Ach liebe Freunde, lasst mich leben. Ich werde es euch rückhaltlos wissen lassen. Es soll gänzlich zu eurem Vorteil sein, sofern ihr mich am Leben lassen wollt.“

139

Dar heft he bekent unde tho staen rechte vort,

140 Wo de koͤnink myt deme hertighen hadden wort, 141 De heyde unde lunden in thonemen up eynen dach, 142 Dat ick in der warheyt wol seggen mach.

Da hat er unverzüglich bekannt und eingestanden, dass der König sich mit dem Herzog verabredet hat, an einem Tag Heide und Lunden einzunehmen, was ich wahrheitsgetreu sagen kann.

143 144

Alze nu dorch rades etliker vorghangen nacht Se sick up den soventeyn Februario hadden bedacht, 145 Se seghen den mandach myt dunkerheyt an staen, 146 Do se wolden tho strijde alle riden unde ghaen.

Als sie sich nun nach nächtelanger Beratung auf den 17. Februar geeinigt hatten,

147

Andrengende sint se kamen myt groter schaer. 148 (Dat duchte en do wesen sunder vaer 149 Myt des koͤninges grote bescherminge.) 150 Dat in veler heren bekarminge.

Sie kamen mit einer großen Heerschar herangedrängt. (Das schien ihnen ungefährlich zu sein mit dem mächtigen Schutz durch den König.) Dies geschah zum Leidwesen vieler Herren.

151 152 153 154

Dar sint ghehort trummitten unde bungen, De buͦssen in dem hemmel klungen. Up evender erden myt groteme schalle De schoͤte weren by neneme talle.

Da wurden Trompeten und Trommeln gehört, die Feuerwaffen schallten bis in den Himmel. Auf ebener Erde mit großem Schall waren die Schüsse zahllos.

155 156 157 158

Alzus hebben se nu laten witlick doen, Dat se hedden de nature lijk eynem swoen. Wan em kumpt des dodes dwanck, So hevet he up unde singet eynen sanck.

So haben sie nun erkennen lassen, dass sie das Wesen eines Schwans hatten. Wenn diesen der Zwang des Todes erreicht, dann erhebt er sich und singt ein Lied.

159 160 161 162

De dethmerschen dar al stylle to sweghen. Doͤrch ere listighe unde seker weghen Nemen se der gharden al even waer. Se quemen en alle under oghen daer.

Die Dithmarscher schwiegen dazu still. Von ihrem klugen und sicheren Hinterhalt aus nahmen sie die Garde gerade wahr. Sie kamen ihnen da alle entgegen.

163

In eynem engen weghe, slymich unde dreckich,

Auf einem schmalen, glitschigen und dreckigen Weg,

sahen sie dem Montag mit Blindheit entgegen, als sie zum Gefecht reiten und gehen wollten.

135–138 fehlt Hs  4. 140 hadden] fehlt Hs  7. 143–146 lateinische Paraphrasen Hs  4. 143 rades] fehlt Hs  7. 147 Andrengende] Andrengen D 3, Hs  3, Hs  4, An Hs  7. 155–158 fehlt Hs 4. 156 de nature lijk eynem] de naturliken D 3, Hs 3, Hs 7. 

Textabdruck und Kommentar 

164

De dijk hoech, de graven deep unde slickich,

165 Reghen, snee, wynt was en alle enteghen, 166

Dar van se so groten vruchten kreghen.

167

 171

der Deich war hoch, die Gräben tief und schlammig, kamen ihnen Regen, Schnee und Wind entgegen, wodurch sie in große Furcht gerieten.

Alze do de vorsammelinge den strijd scholden slaen, 168 Sint se alle myt der schare der perde umme ghedaen. 169 Van halven beyder groter vorsammelinge 170 Was dat land in groter mangelinge.

Als die versammelte Menge die Schlacht schlagen sollte, sind sie alle von dem Reiterheer umzingelt worden. Vonseiten der beiden großen Heerscharen geriet das Land in ein heftiges Gefecht.

171

Derart in den Kampf verwickelt, hätte leicht anders kommen können, worauf man sich so viel einbildet. Sie meinten, sie wären alle betrogen. Obgleich sie nicht wollten, sie mussten es wagen.

172 173 174

Alzus bevangen were lichtliken umme ghegaen, Dar up so drecht men groten wan. Se menden, se weren alle bedraghen. Al wolden se nicht, se mosten id waghen.

175 Huͦlpe is ghebruket mannigerleie. 176 Dar is worden witlik er droͤgherye: 177 De schuͦtten uth deme norden 178

Se dachten, se to vorquelen unde to morden.

Überall war Hilfe nötig. Da wurde ihr Trugschluss offenbar: Die Schützen aus dem Norden hatten gedacht, sie könnten sie töten und umbringen.

179 180 181 182

De dethmerschen de weghe wol bekanden, Beth alze de dar weren uth vromden landen. Des hadden se so vele beter eynen moet Unde troͤsteden sik sulven in erer noet.

Die Dithmarscher kannten die Wege gut, besser als jene, die fremd waren. Deshalb waren sie so viel zuversichtlicher und trösteten sich selbst in ihrer Bedrängnis.

183

Van erer schickinge sint se nicht gheweken.

Von ihrer Aufstellung sind sie nicht abgewichen. Das, was ihnen gesagt worden war, das wollten sie nicht brechen. Das hielten sie alle zusammen ohne jeden Scherz für ein Gebot.

184

Wat en wart ghesecht, scholden se nicht breken. 185 Dyt helden se al sunder spot 186 Al tohope vor eyn gheboth. 187 188

Marien huͦlpe, gades werdighe moder, De se vorbad tho jhesum, unser broder,

189

An en was alle er tovorlaet.

Die Hilfe Marias, Gottes verehrter Mutter, die sich für sie vor Christus, unserem Bruder, einsetzte, auf sie war ihre ganze Hoffnung gerichtet.

182 sulven] ſnluen.  164 deep unde] fehlt Hs  7. 167 do] nu D 3, Hs  3, Hs  4, Hs  7. 171 bevangen] de vangen Hs  7. ghegaen] gedaen Hs  3, Hs  4, Hs  7. 179–182 lateinische Paraphrase Hs  4. 179 de] en de Hs  3. de weghe] weren de weghe Hs  7. bekanden] bekannt Hs  7. 180 alze] wen alze D 2.  181 eynen] eyner D 2. 187–198 lateinische Paraphrasen Hs 4. 

172 

 Edition

190 Se enachten se nicht, al weren se noch so quaet. 191 192

Des hebben se myt vasten unde myt beden Unde andere gude werke, de se deden.

193 194

Up dat se worden ghevryet van smerten, Hebben se gebichtet van alle erem herten.

195 Ock hebben se entfangen alle ghemene 196 Den licham jhesu cristi in der ostien klene, 197

Up dat en god so vele gnediger wolde wesen,

198

Dat se erer vyende mochten ghenesen.

199

Sie bestraften sie nicht, wären sie auch noch so schlecht gewesen. Das haben sie durch Fasten und Beten und andere gute Werke, die sie vollbrachten, erreicht. Damit sie von ihren Schmerzen erlöst würden, haben sie aus tiefstem Herzen gebeichtet. Außerdem haben sie alle gemeinsam den Leib Jesu Christi in Form der kleinen Hostie empfangen, damit Gott ihnen umso mehr Gnade zuteilwerden ließe, so dass sie gerettet werden könnten vor ihren Feinden.

Eyne reyne kuͦsche junckfrowe se dar tho kofte. 200 Myt entholdende erer kuͦscheyt dede se eyn ghelofte. 201 Desse de was er banrefoͤrersche up dem weghe, 202 Der jennen, dede behelden den zeghe.

Eine reine, keusche Jungfrau gewannen sie dazu. Mit der Bewahrung ihrer Keuschheit gab sie ein Versprechen. Diese war ihre Bannerträgerin auf dem Zug,

203

Da wurde ihre Schlachtreihe in zwei Teile geteilt, die Wagen, die angreifenden Pferde und Söldner vernichtet durch die Wucht ihrer Büchsen und Bogen und das mit Hilfe der außergewöhnlichen Macht Gottes.

Ere spisse is dar entwey ghedelet,

204

De waghen, bestande pert unde volck vornelet 205 Myt bussen unde mit eren baghen macht 206 Unde dat dorch sunderger gades kraft. 207

Och, wo sere worden se do vorveret,

208 Do se van eren perden worden ghekeret, 209 Dat en hande unde voͤte begunden tho beven. 210 Dar mochte nemant wedder streven. 211

Se sint gheweken up eynem smalen weghe,

212

Wente se nicht enwusten de steghe.

derjenigen, die den Sieg erlangten.

Ach, wie heftig wurden sie dort in Schrecken versetzt, als sie von ihren Pferden gestürzt wurden, so dass ihnen Hände und Füße zitterten. Dagegen konnte niemand etwas tun. Sie sind auf einen schmalen Pfad ausgewichen, denn sie kannten die Wege nicht.

209 tho beven] thobeuen.  194 se] fehlt Hs 7. 201 banrefoͤrersche] banner de voret se Hs 7. 204 bestande … volck] best vnd pert vnd volck Hs 4, beste perde ein volck Hs 7. 206 dat] fehlt D 3, Hs 3, Hs 4, Hs 7. 

Textabdruck und Kommentar 

213 214

In drange sint se over malkander ghevallen; Dat makede de velheyt van en allen.

215 Dar is der heren ridderlike schaer; 216

So se quemen, so sint se bleuen daer.

217 218

In schonem harnsche, in kostlikem ghewade Synt se kamen to eynem jamerliken bade.

219

Se stunden vortzaget myt eren buͦssen unde peken. 220 Nu hoͤret van gade eyn wunderlik teken:

221

Alze men malet de hylghen vaken,

222

De dar drouwet to scheten unde nicht enraken.

223

In unsen daghen dyt wunder is geboert,

224 Dat in velen olderen nicht is ghehoert, 225 Dat heren unde knechte in velen striden vorvaren, 226 So wunderliken hebben den zeghe vorlaren. 227

Nu is dyt ghescheen dorch gades raed.

228 Al were wy denne noch so quaed, 229 Eyn yderman schal sick sulven tuͦchten, 230 So dorve wy des dodes nicht vruchten. 231 232 233 234

Ock endarff sick nemant in siner sterkede laven. Wen god uthstrecket sine hant van baven, Unde were he ok noch so schone, He wert towreven alze eyne bone.

235 Hadden se juw averkamen dorch eren nijd, 236

Se hadden juw maket lyff unde gudes quijd.

 173

Im Gedränge sind sie übereinander gefallen; ihre große Anzahl war die Ursache dafür. Da ist es nun, das ritterliche Gefolge der Herren; wie sie gekommen waren, genauso sind sie dort geblieben. In prächtiger Rüstung und kostbaren Kleidern sind sie in ein beklagenswertes Unglück geraten. Sie standen verängstigt da mit ihren Büchsen und Spießen. Jetzt hört von einem erstaunlichen Zeichen Gottes: Genauso, wie man die Heiligen häufig abbildet, die zu schießen drohen, aber nicht treffen: In unserer Zeit ist dieses Wunder hervorgebracht worden, das in älteren Tagen nicht bekannt war, dass nämlich Herren und Knechte, die in vielen Kämpfen erfahren waren, erstaunlicherweise den Sieg verloren haben. Dies ist nun geschehen durch den Willen Gottes. Wären wir aber auch noch so schlecht, jeder soll sich selbst erziehen, dann brauchen wir den Tod nicht fürchten. Außerdem darf sich niemand seiner Stärke rühmen. Wenn Gott seine Hand von oben ausstreckt, dann wird er zerquetscht wie eine Bohne, wäre er auch noch so herrlich. Hätten sie euch überwältigt mit ihrer Feindseligkeit, dann hätten sie euch um Leben und Besitz gebracht.

222 to scheten] toſcheten.  214 velheyt] rechticheit Hs 7. 215 heren ridderlike schaer] her vnd ridderschar Hs 7. 222 nicht en] fehlt Hs  7. 227–238 fehlt Hs  4. 229 sick] em D 3, hem Hs  3, he Hs  7. 230 wy] fehlt Hs 7. 233 schone] koͮne Hs 3, Hs 7. 

174 

 Edition

237

Sus is ghewandelt ere grote welde,

238

So dat se dar fuste sint bleven in deme velde.

239 Wat is dar scheen eyn grot gheschal 240 Manck den ridderen unde gude mans al, 241 Do se seghen, dat dat moes was vorgaten, 242

Dat se lyff unde gud scholden dar laten.

243

Alsus is de meste hope al dar ghebleven

244

Dorch buͦssen, loͤde, pile, peke; merket even.

245 Ock etlike dorch harde yseren worden gheslagen. 246 Der pyle was meer wen der ledderne baghen. 247

Ne by unsen tyden efte vor is dat gedacht.

248 249

Alzodane strijd unde doetslacht Ock in dessem ort landes nicht is ghescheen,

250 Noch van jenigen mynschen ny is geseen. 251

Doch so hat sich nun ihre große Macht ins Gegenteil verkehrt, so dass sie zahlreich auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben sind. Was für ein großer Lärm ist dort entstanden unter den Rittern und Lehnsmännern, als sie erkannten, dass die Mühe vergeblich war, dass sie dort Leben und Besitz verlieren sollten. Und so sind die allermeisten dort zurückgeblieben unter Feuerwaffen, Bleikugeln, Pfeilen und Spießen; das nehmt zur Kenntnis. Viele wurden auch durch rauhe Eisenwaffen getötet. Es waren mehr Pfeile als lederne Bogen. Nie war so etwas in unserer Gegenwart oder zuvor vorstellbar. So eine Schlacht und so ein Gemetzel sind weder in diesem Teil des Landes je geschehen, noch von irgendeinem Menschen je gesehen worden.

252

Off du nu vragedest, wo vele dar sint gewesen, God late se jo der ewighen pyne ghenesen,

Wenn du jetzt fragtest, wie viele dort gewesen sind, Gott möge sie vor der ewigen Höllenstrafe bewahren, ich glaube zweimal sechstausend. Gott möge ihre Seelen verschonen.

253 254

Ick loͤve sos dusent by paren. God wille se alle an erer selen sparen.

255 256 257 258

Hebben se dar int erste gemysset, De sick dar hadden up ghespisset, Dat se dar alle wolden wat halen, Se mostent al sulven myt der huth betalen.

Haben sie sich anfangs geirrt, die darauf aus gewesen waren, dass sie dort alle etwas holen könnten, so mussten sie es mit ihrer eigenen Haut bezahlen.

259 Se quemen dar alle umme sulver unde golt. 260 De bitter doet dat was er solt.

Sie kamen dahin wegen Silber und Gold. Der bittere Tod war ihr Sold.

238 So] fehlt Hs 8, Hs 9, Hs 11. fuste sint bleven … velde] vnse bleuen sinth velde Hs 7. 244–250 fehlt Hs 4. 246 was] worden Hs 7. wen] dan Hs 3, Hs 7. 247 Ne] Ny D 3, nuͦ Hs 3, Hs 7. efte vor] vnd wort Hs 7. dat] dar Hs 7. 252 fehlt Hs 4. late] lath D 3. yo] in Hs 11. 253 sos dusent by paren] sos dusent offte ij by paren D 3, Hs 3, Hs 4, Hs 7. 254–265 fehlt Hs 4. 254 God … sparen] God wil alle er zele sparen D 3, Hs 3, Hs 7. an] bi Hs 11. 256 De … ghespisset] dar se sich hadden … Hs 7.

Textabdruck und Kommentar 

 175

261 262

Hebben se ghekregen vor er loen, Al moste yd mennich van dwange doen.

Haben sie ihren Lohn auch vorher erhalten, so mussten es doch viele gezwungenermaßen tun.

263 264 265 266

Dar worden ok gheseen de gardeners. De leveden alze de weldeners. Se wolden dar grot gud vorwerven. Se leveden alle sunder ee, men sach er dar vele sterven.

Auch die Söldner wurden dort gesehen. Sie lebten wie Gewalttätige. Sie wollten dort zu großem Besitz gelangen. Sie lebten allesamt ohne Gesetz, viele von ihnen sah man dort sterben.

267

Weldeners mach ik byldeliken wol spreken,

268

Wente se kerken unde kluͦse tobreken,

Von Gewälttätigen kann ich wohl mit Recht sprechen, weil sie Kirchen und Einsiedeleien aufbrechen, die Klöster zerstören und die Nonnen schänden und Gott in jeder Hinsicht verhöhnen.

269

De klostere vorstoren unde de junkfrouwen schenden 270 Unde gade hoenspraken in allen enden.

271 272

Villichte weren de gadesvorgeten na ghebleven, Dem koͤninge were meer victorie ghegeven.

273

Doch wol kan de richte gades undersoeken,

274

Al hadde he ghelesen alle de boͤke!

275 Ock mochte he alle berghe over kliven, 276 Nochtan enmochte he nicht beschriven,

Wären die Gottvergessenen zurückgeblieben, dann wäre dem König vielleicht mehr Erfolg beschieden gewesen. Doch wer kann schon das Gericht Gottes ergründen, hätte er auch alle Bücher gelesen!

277 278

Worumme god eyn dinck vake vorhenget, Dat uns dickwil alle gud inbringet.

Auch könnte er alle Berge besteigen, dennoch wäre er nicht in der Lage zu beschreiben, warum Gott eine Sache oft verfügt, die uns häufig Gutes einbringt.

279 280 281 282

Nu alsus vort seggen summighe licht, Dat der dethmerschen over al nicht Baven twe hundert is efte sin ghebleven. Sodan summighe wol hebben beschreven,

Nun geben einige ferner leichthin an, dass von den Dithmarschern insgesamt nicht mehr als zweihundert gefallen sind. So haben es einige wohl beschrieben,

283 284

De dyt gade van hemmele nicht tho enlede Umme der othmodighen bede.

die das Gott im Himmel nicht wegen der demütigen Gebete anrechnen.

278 dickwil] dick wil. 282 Sodan] So dan.  261 Hebben] dat hebben Hs 7. 262 Al] Noch D 3, Hs 3, Hs 7. 264 de] fehlt Hs 7. 266 Se] De garden Hs 4. men … sterven] men sach se dar alle steruen Hs 3, Hs 4. Se … sterven] se bleuen dar se mosten dar steruen Hs  7. 272 meer] ene Hs  7. 273 Doch] dar he Hs  7. undersoeken] vndersteken Hs  11. 275–278 fehlt Hs  7. 275–279 fehlt Hs  4. 279 vort seggen summighe] summig alle Hs 7. 280–281 Dat … ghebleven] Der Dytmarschen nicht bauen 200 syn gebleuen Hs 4. 280 over al] fehlt D 3, Hs 3, Hs 7. 282–290 fehlt Hs 4. 

176 

 Edition

285 Dorch sunderge gades barmeherticheit 286

Vorgyft he uns alle unse boßheyt.

287

Ock dorch unser sunde wol vele weren wert,

288

Dat god dorch sine gnade van uns kert.

289

So men hyr schynbarliken mach merken,

290 Is god to laven in alle sinen werken,

Durch die außerordentliche Barmherzigkeit Gottes, vergibt er uns all unsere Bosheit. Außerdem wären es aufgrund unserer Sünden viele wert, dass Gott sich mit seiner Gnade von uns abwendet. Wie man hieran augenfällig erkennen kann, ist Gott für alle seine Taten zu preisen,

291

De en desse grote victorie hefft ghegeven.

der ihnen diesen großen Sieg beschert hat.

292

So mennich stolt man is dar ghebleven

293 294

Unde so grote klenoͤde ane mathe Van gholde, parlen, eddele stene unde sulveren vathe.

So viele stolze Männer sind dort zurückgeblieben und so übermäßig viele Kostbarkeiten aus Gold, Perlen, Edelsteinen und Silbergeschirr.

295 Lavet gade unde marien, de vor juw heft ghestreden, 296 Up dat gy dyt besitten moͤghen myt vreden. 297 Unde legget gade alletijd tho de ere, 298 Wente van juwer macht were id verne.

Lobt Gott und Maria, die für euch gekämpft haben, damit ihr das im Frieden besitzen könnt. Und rechnet die Ehre stets Gott an, denn aus eurer eigenen Kraft wäre es nicht zu erreichen gewesen.

299 Sunder twivel wolde yd god alzo vorhengen, 300 Dat dorch sine alderscharpesten strengen, 301 Dorch der gharden unde ander hates unde nijdes 302 Sin vorslaghen in iij uren tijdes.

Ohne Zweifel wollte es Gott genauso verfügen, dass durch seine allerschärfste Strenge und wegen des Söldnerheeres und anderer sämtliche Feindseligkeiten in nur drei Stunden besiegt wurden.

303

Enwyllet juw nicht tho seer vorhaven,

304

wente dorch marien vorbiddent van baven

Es wird euch nicht allzu sehr zur Ehre gereichen, denn allein durch die Fürbitte Marias von oben ist euch dieser Sieg zuteilgeworden. Vielleicht könntet ihr das wohl künftig bedenken. Wollen es die Besiegten auch nicht versprechen,

305 Is juw desse victorie ghescheen. 306 Villichte gy mochten yd noch wol vorseen. 307

Willet ock de vorwinners nicht vorspreken,

287 sunde] frunde Hs  3, Hs  7. 291 De en] Got Hs  4. en] em D 3, Hs  3, Hs  7. 295–301 fehlt Hs 4. 295 unde marien] fehlt Hs 7. juw] vns iuw Hs 9. 298 were id verne] idt nicht geschenen were Hs  7. 299 alzo] fehlt Hs  11. 300 alderscharpesten] olderstrengesten Hs  7. 301 Dorch] dat Hs  9, Hs  11. 303–306 fehlt Hs  4. 303 tho] so Hs  7. 304 vorbiddent] biddent D 3, Hs  3, Hs 7. 306 wol] fehlt Hs 9. 307 vorwinners] verwunnen Hs 4, Hs 11.

Textabdruck und Kommentar 

308

Villichte de denken yd noch tho wreken,

309

Dede nu sint efte noch werden ghebaren.

310 Dat rad kan gheringe umme varen.

 177

vielleicht denken sie doch noch über Rache nach, die jetzt noch leben oder erst noch geboren werden. Das Rad kann ganz schnell umschlagen.

311

Och god, wo wandelbaer is unse tijd!

312

Wen wy menen vrede, so hebbe wy strijd,

313

Aldus du unse schip gheringe vorwandelst

314

Unde broderlike leve voranderst.

315 316 317 318

O wo duͦre is de victorie ghestaen, De myt blodstoͤrtinge wart ghedaen, Alze do se ghingen myt bevenden speren! Nicht lude to ropen, helpet dy tho den eren.

Oh, wie teuer ist der Sieg erkauft, der mit Blutvergießen erkämpft wurde, als sie mit zitternden Speeren voranschritten! Der Verzicht auf lautes Geschrei verschafft dir Ehre.

319

Gy lande, enwyllet juw nicht to seer vorheven,

Ihr Lande, es wird euch nicht viel Ansehen einbringen, nachdem euch Gott nun einen derartigen Sieg beschert hat. Ich bitte euch, legt euren hochmütigen Schmuck ab und bedenkt stattdessen die traurigen Pfade.

320 Nu juw god hefft sulk eynen zeghe ghegeven. 321 322

Ick bidde juw, legget aff juwen homodigen fleghe Unde denket up de droͤvighen weghe.

323

Dar du seghest de groten schar der doden,

324 De dynen dar mede in groten noden, 325 Ere menlike kunne naket unde bloet, 326 Dar was nicht tho synde men jamer groet. 327 328

Dyt is van dessen dingen nu ghespraken. Wolde yd god nu noch an der zelen wraken,

329 Dat were gantz swaer to betrachten. 330 God moͤthe en ere pyne entsachten

Ach Gott, wie unbeständig ist doch unsere Zeit! Wenn wir die Gedanken auf Frieden richten, dann haben wir Krieg, in der Weise, dass du unserem Schiff plötzlich eine andere Richtung gibst und unsere brüderliche Liebe veränderst.

Dort, wo du die große Menge der Toten gesehen hast, die deinen darunter in großer Bedrängnis, ihre männliche Scham nackt und entblößt, da war nichts anderes zu sehen als gewaltiges Elend. Das ist nun von diesen Begebenheiten gesagt. Wollte es Gott nun auch noch an den Seelen rächen, das wäre kaum in Betracht zu ziehen. Gott solle ihre Qualen lindern

308 wreken] wr ken. 313 vorwandelst] vorwandels. 308 denken] dencket Hs 3, Hs 4, Hs 7. 309 noch] fehlt Hs 3, Hs 4. efte … ghebaren] vff erden gebaren Hs 7. 310 gheringe] balde Hs 7. 311–322 fehlt Hs 4. 314 broderlike] vnse broderlike Hs  7. 315 de] dy de D 3, Hs  3, Hs  7. 318 helpet] halp Hs  9, Hs  11. 319 nicht] nu nicht D 3, Hs 3. 327–331 fehlt Hs 4. 328 Wolde] wert Hs 7. 

178 

 Edition

331

Unde laten en nu dessen smeliken doet,

332 333

Dar se noch liggen naket unde bloed In dem velde vor wylden besten unde hunden. God moͤthe se loͤzen van alle eren sunden.

334

335 Des help en du moder der barmeherticheyt, 336

De du byst den armen sunderen bereyt.

337

Vorbidde uns to dynem leven kynde altosamen, Dat wy uns mit em moͤgen vrouwen to ewigen tyde. Amen.

338

und ihnen diesen schmachvollen Tod erlassen, da sie noch nackt und schutzlos vor wilden Tieren und Hunden auf dem Schlachtfeld liegen. Gott solle sie erlösen von all ihren Sünden. Deshalb hilf ihnen, du Mutter der Barmherzigkeit, die du den armen Sündern mit deiner Hilfe beistehst. Bitte für uns alle vor deinem lieben Kind, sodass wir uns mit ihm freuen können bis in Ewigkeit. Amen.

331 laten] boten Hs  7, baten Hs  8, Hs  9, Hs  11. 334–338 fehlt Hs  4. 335 du] de Hs  7. Zwischen 336 und 337 de sych to dy myt vlite wyllen keren, / kanstuͦ vorbidden tho jesuͦm unsen leven heren. / Och vorlaet uns nycht in der stunde unses dodes, / wente eynen jewelicken sunder des nodt is Hs  3, Hs  7. In Hs  3 folgt der Schlussvermerk des Schreibers: τέλος. Exaravit autem hec Joannes Russius Theomartius in paterna domo, nostre salutis anno 1533 Kalendis januarijs, Russius scripsit, Floreat Theomartia (‚Ende. Dies hat Johann Russe, ein Dithmarscher, im Jahre 1533 unseres Heils, am 1. Januar, in seinem väterlichen Haus geschrieben. Russe hat das geschrieben. Es blühe Dithmarschen!‘).

Textabdruck und Kommentar 

 179

Textgeschichte Überlieferungsträger: D 1; D 2; D 3; Hs  2, Bl.  301v (Exzerpt V.  311–316); Hs  3, S.  43–62; Hs  4, S.  156–168; Hs  7, S.  231–241; Hs  8, Bl.  221v–226r; Hs  8.1, Bd. 1, S.  1069–1086; Hs  8.2, S. 736–749; Hs 8.3, S. 385–394; Hs 9, Bl. 130r–135r; Hs 9.1, Bl. 123v–128v; Hs 9.2, S. 201–209; Hs 9.3, Bl. 130r–135r; Hs 9.4, S. 227–239; Hs 9.5, S. 459–476; Hs 9.7, S. 180–188; Hs 9.8, S. 265–286; Hs 9.9, S. 123–130; Hs 9.10, S. 170–179; Hs 9.11, S. 178–187; Hs 11, Bl. 91r–97r; Hs 12, S. 5–19.

Die frühesten Zeugnisse der Reimpaardichtung Nr. 1 liegen mit drei Lübecker Drucken vor, die auf das Jahr 1500 datiert werden (D 1, D 2, D 3). Danach wird sie bis weit in das 18. Jahrhundert hinein handschriftlich tradiert. Doch reicht die Geschichte des Textes weiter zurück, denn er ist das Ergebnis der Verarbeitung und Zusammenführung zweier Dichtungen, die ihm in Entstehung und Verbreitung vorausgegangen sind. Dies ist zum einen ein volksprachiges Lied, das sich auf die Schlacht in der Hamme im Jahr 1404 und die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500 bezieht,7 und zum anderen eine lateinische Elegie mit Bezug auf das letztere Geschehen (vgl. Nr. 13). Auf das ältere Lied deutet die Bauform der in den Drucken jeweils zu vierzeiligen Blöcken arrangierten Verse (V. 3–118) hin, welche dem Muster der Lindenschmidtstrophe entspricht (vgl. Kommentar zur Metrik).8 Markante Übereinstimmungen in Hinsicht auf Motive, Motivreihung und -ausprägung im zweiten Teil des Textes weisen auf die lateinische Vorlage hin (V. 151–334). Zusammen mit der Reimrede Nr.  3 belegt das vorliegende Stück somit die Rezeption der lateinischen Elegie von Heinrich Boger in der volkssprachigen Schriftlichkeit. Anders als bei jener Übertragung fehlt bei Nr. 1 jedoch der Prolog des Prätextes. Darüber hinaus werden die Dithmarscher weniger scharf adressiert. Stattdessen werden sie mit Blick auf die Toten lediglich ermahnt, ihren Hochmut abzulegen (V. 319–326). Mit Rücksicht auf die Überlieferungsformate können insgesamt drei Tradierungsphasen der Reimpaardichtung voneinander unterschieden werden, und zwar (a) die anfängliche Verbreitung des Textes im Jahr 1500 im Druck, (b) die Verwertung der Drucke und die handschriftliche Rezeption im 16. Jahrhundert

7 Zur Aktualisierung älterer ereignisbezogener Lieder im Zusammenhang mit jüngeren politischen Situationen vgl. Kerth 1997, S. 303–308, mit Beispielen aus der Reihe der eidgenössischen Ereignisdichtungen. 8 Auf diese besondere Bauform der Vierzeiler im ersten Teil der Reimpaarrede hatten auch Liliencron (II 1866, S. 436, Anm. 1), Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 223) und Hansen (1899, S. 38) hingewiesen und daran die Annahme geknüpft, dass der Text ein älteres Lied verarbeite.

180 

 Edition

in Überlieferungsträgern unterschiedlichen Zuschnitts und (c) die reproduktive handschriftliche Tradierung in den Dithmarscher Landeschroniken im 17. und 18. Jahrhundert. a) Mit nicht weniger als drei zeitnah nach dem Ereignis entstandenen Drucken zeichnet sich eine gewisse Popularität der Reimpaardichtung infolge der Geschehnisse vor Hemmingstedt ab. Alle Drucke wurden jeweils mit einem Titelblatt am Bucheingang ausgestattet, welches am Kopfende der Seite den Titeltext trägt (V. 1–2) und darunter einen hochrechteckigen Holzschnitt mit einer Landsknechtsfigur zeigt (vgl. D 1). Als pars pro toto referenziert diese Darstellung auf dem Titel das Thema ‚Krieg‘; damit stellt die Typographie der Drucke die Reimpaardichtung Nr. 1 in eben diesen militärischen Kontext. Die handlichen Drucke haben Quartformat und einen Umfang von acht Blättern. Der Text wurde jeweils einspaltig, linksbündig und in Einheiten zu je vier paarweise reimenden Versen gesetzt; die Seiten zählen jeweils 24 (D 1 und D 2) bzw. 26 (D 3) Zeilen. Bei D 1 und D 2 setzt der Haupttext auf der Rückseite des Titelblattes ein und endet auf Blatt 8a; die letzte Seite ist unbedruckt geblieben. In D 3 beginnt der Haupttext auf Blatt 2a; ob er auf Blatt 8a oder auf der Rückseite des Druckes endete, lässt sich aufgrund der nur fragmentarisch überlieferten Exemplare nicht sicher sagen. Die Gemeinsamkeiten von D 1 und D 2 auf der typographischen Seite finden ihre Entsprechung auf der Textebene: Die Realisierungen des Stückes Nr.  1 weichen hier im Wortlaut bis auf zwei Stellen (V. 180 und 181) kaum voneinander ab. Hingegen bietet D 3 einige Varianten, von denen die markanteste im Folgenden herausgestrichen werden soll. Sie betrifft die Verse 75 und 76 in der nachfolgenden vierversigen Einheit: D 1 und D 2 75 Int jaer MCCCCC wolde dyt koͤnink Hans wreken Unde myt velen heren eyn vorbunt spreken,

D3 Dyth hefft konynck Hanse so seer vordraten.

He hefft mit velen heren eyn vorbunt gheslaten, Dat he wolde horsam maken etlike lande. Dat he wolde horsam maken etlike lande. Vele volkes was em wilkame, dat me em sande. Vele volkes was em wilkame, dat me em sande.

Die Verse schließen an die Episode an, die von der bösartigen und spöttischen Zurückweisung des königlichen Boten seitens der Dithmarscher handelt, der von König Christian beauftragt wurde, bei den Dithmarschern um die Anerkennung der Lehnshoheit zu bitten (V. 67–74). Sie handeln von der Reaktion König Hans’, des Nachfolgers, darauf, der sich nun entschließt, gegen Dithmarschen zu Felde zu ziehen, sich zu diesem Zweck mit anderen Herren verbündet und weitere

Textabdruck und Kommentar 

 181

Krieger mobilisiert. Mit der Textstelle endet die Darstellung der Ereignisse, die dem Feldzug des Königs von Dänemark nach Dithmarschen vorausgegangen sind; erst mit ihr setzt der Bezug auf die militärische Unternehmung im Jahr 1500 ein. Doch nur in D 1 und D 2 wird dies auch mit der Jahresangabe 1500 im Text explizit gemacht, während in D 3 lediglich die namentliche Referenz auf König Hans den Beginn der nächsten Etappe in der Chronologie der Ereignisse anzeigt. b) Im 16. Jahrhundert wurden die Drucke nach ihrer Produktion und Distribution weiter verwertet. Drei Benutzungsformen können beobachtet werden: Ein Teil der umlaufenden Exemplare verlor bald nach seinem Erscheinen an Wert und wurde daraufhin von Buchbindern als Makulaturmaterial verwendet (D 1, Exemplar Rostock). Eine weitere Gruppe verblieb bei ihren Besitzern, die sie entweder mit Glossen und Rubrizierungen individualisierten (z. B. D 2, Exemplar Kopenhagen; D 3, Exemplar Bremen) oder zusammen mit anderen Drucken in Sammelbänden archivierten (D 1, Exemplar Berlin, D 3/D 4 Exemplar Bremen). Eine dritte Gebrauchsweise bekunden die handschriftlichen Aufzeichnungen von Nr. 1, die im 16. Jahrhundert angefertigt wurden. Die Drucke dienten hier als Vorlage für die Abschriften von Nr. 1, sind selbst jedoch nicht erhalten geblieben. Die Handschriften Hs 3, Hs 4, Hs 7 und Hs 12 folgen D 3, während Hs 8, Hs 9 und Hs 11 den Textzustand von D 1 dokumentieren. Die Vorlage von Hs 2 kann sowohl D 1 als auch D 2 gewesen sein, sicher auszuschließen ist D 3.9 Daraus folgt auch, dass beide Realisierungen von Nr. 1 in Dithmarschen zirkulierten. Die handschriftliche Rezeption von Nr. 1 im 16. Jahrhundert zeichnet sich vor allem durch divergente Überlieferungsformate und Textverarbeitungsformen aus. Daneben sind zwei weitere Phänomene herauszustreichen. Zum einen zeichnet sich die Überlieferungssymbiose mit der Reimpaarrede Nr. 2 ab, die bis in das 18. Jahrhundert fortdauern wird. Zum anderen setzt die Einbindung des Stückes in den geschichtlichen Diskurs Dithmarschens ein. Recht isoliert steht auf der einen Seite die Herauslösung einiger weniger Verse (V.  311–316) und ihre Integration in eine kleinere Sammlung von Exzerpten aus Nr. 2 (siehe dort). Die bewussten Auszüge wiederum stehen flankiert von Gebeten, Exempeln und lehrhaften Versen innerhalb einer Sammelhandschrift, die im Kern die Passion Christi enthält (Hs 2). Die Provenienz dieser Handschrift ist nicht sicher geklärt; sie ist nach 1524 entstanden und stammt vermutlich aus einem norddeutschen Frauenkloster. Auf der anderen Seite stehen die Kollektaneen von Johann Russe aus Lunden (Hs 3) sowie die Chronik von Johannes Neocorus aus Büsum (Hs 8). Diese Zeug-

9 Der Text in Hs 2 folgt in Vers 319 dem Wortlaut von D 1 und D 2.

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 Edition

nisse der dithmarsischen Geschichtsschreibung begründen jeweils einen eigenen Überlieferungsstrang. Zu diesem Vorgang gehört auch die Aufnahme des Stückes in zwei verschiedene Kompilate von Reimpaartexten und Liedern mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. Russe notierte die Reimpaardichtung Nr. 1 im Jahr 1533 zusammen mit Nr. 2 und zwei Gefallenenlisten und fügte diesen Aufzeichnungen nach und nach auch die Lieder Nr.  4, Nr.  5 und Nr.  6 hinzu. Diese Sammlung von Zeugnissen zur Schlacht bei Hemmingstedt, aufgezeichnet im Verbund mit weiteren Notizen zur Geschichte Dithmarschens in einem schmalen Oktavheft, wurde später mit weiteren Schriften von Russes Hand, die sämtlich die Geschichte Dithmarschens betreffen, zu den besagten Kollektaneen vereinigt. Sie bildete wiederum die Vorlage für die Rezeption von Nr. 1 in den Manuskritpten Hs 4 und Hs 7 und indirekt auch in Hs  12, die von Hs  4 abhängt. Das Schreiberkolophon, das Johann Russe unter den Text setzte, gibt den Zeitpunkt (1. Januar 1533) und den Ort der Niederschrift an (das väterliche Haus in Lunden). Johannes Neocorus fügte die Ereignisdichtung Nr.  1 in seine Dithmarscher Landeschronik ein, mit deren Niederschrift er 1598 begann. Das Stück lag ihm handschriftlich und im Druck (D 1) vor.10 Hier führt es eine Sammlung von zwei Reimpaardichtungen (Nr.  1, Nr.  2) und vier Liedern (Nr.  8, Nr.  9, Nr.  10, Nr.  11) über die Schlacht bei Hemmingstedt an, die sich an die Darstellung des Ereignisses anschließt. Bemerkenswert sind die Kommentare, die der Chronist dem Text beigab. Mit ihnen wurde das bewusste Ereignis in einen weiteren geschichtlichen Rahmen eingebunden; die Kommentare stellen Parallelen zwischen der Schlacht bei Hemmingstedt und Ereignissen aus der Geschichte Norddeutschlands, des Reiches oder auch aus dem Alten Testament her. Während es sich bei der Chronik von Neocorus um eine vergleichsweise sorgfältige Niederschrift handelt, bekunden die Aufzeichnungen von Nr.  1 in Hs  3, Hs 4 und Hs 7 einen eher freien Umgang mit der jeweiligen Vorlage und einen schreiberorientierten Notationsmodus. Dies äußert sich nicht allein im Vorgang der Exzerpierung und Paraphrasierung in Hs 4, sondern auch in der Isolierung des Stückes aus dem von Russe begründeten Textverbund in Hs  7 bzw. in der stellenweise zu beobachtenden Unleserlichkeit der Notationen und der Masse an

10 Dies geht aus einer Notiz Blatt 272r hervor, die den Titelholzschnitt beschreibt (hier wiedergegeben nach Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 559): „Cum effigie eines schlichten Mannes in dorchgeschneden schmalen Mouwen unde dorchgestekenen armen Klapschoen, laͤngen Haren, kortem Hode unde langen Vedder, Helbanden in beiden Handen und Schwerde up der Siden. Jß uth dem Gedruckten gesettet, wowol it erst erstlich uth dem Manuscripto geschreven, averst gecorrigeret, derhalven ick it hir darbi bliven late.“ – mouwe: Rockärmel.

Textabdruck und Kommentar 

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Varianten in diesem Überlieferungsstrang von Nr. 1. Gemeinsamkeiten bestehen hingegen in Hinsicht auf die Einrichtung des Reimpaartextes auf den Seiten der Überlieferungsträger, und zwar insofern, als die im Druck nachvollzogenen vierzeiligen Einheiten auch in die Handschriften übernommen wurden. In den Manuskripten, die von Johann Russes Kollektaneen und Johannes Neocorus Chronik (vgl. Phase c) abhängen, werden diese Einheiten schließlich auch durchgezählt. Hinweise auf den Titelholzschnitt finden sich in den bekannten Handschriften nicht. c) Die dritte Überlieferungsphase von Nr. 1 konzentriert sich mit Ausnahme von Hs 12 als spätem Rezeptionszeugnis der Kollektaneen von Johann Russe (Hs 3) auf die Reproduktion und Distribution der Chronik von Neocorus im 17. und 18. Jahrhundert in Dithmarschen und den angrenzenden Territorien. Damit einher geht der Befund, dass nun keine Aufzeichnung von Nr.  1 mehr als direkte Abschrift von einem der bekannten Drucke identifiziert werden kann. Zugleich können in dieser Phase jedoch die meisten Textzeugen von Nr. 1 gezählt werden. Zum einen entstehen Abschriften von Hs 8, die nach Ausweis ihrer Titelblätter weiter unter dem Namen des Büsumer Chronisten firmierten (Hs 8.1–3). Zum anderen diente die Chronik von Neocorus als Vorlage für die Landesgeschichte von Hans Detleff aus Windbergen (Hs 9), die laut Datierung im Titeltext des Autographs 1634 entstanden ist und in zahlreichen Reproduktionen zumeist unter dem Namen von Hans Detleff zirkulierte (Hs 9.1–Hs 9.11). Dieser vernachlässigte die von Neocorus verfassten Glossen zu Nr. 1. In das Manuskript Hs 9.6 wurde das Stück nicht aufgenommen. Eine besondere Form der Rezeption, welche den Verbund der Ereignisdichtungen Nr. 1, Nr. 2, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 11 und Nr. 12 als ganzen betrifft, dokumentiert die kleine Sammelhandschrift Hs 11. Denn sie ist das Ergebnis der Isolierung der Ereignisdichtungen aus dem historiographischen Rahmen.

Sprachstand Der Sprachstand von Nr. 1 ist mittelniederdeutsch. Die Merkmale deuten insgesamt auf das Nordniederdeutsche; zu diesen zählen: – die beinahe konsequent verwendete Schreibung für das tonlange o (Peters 1987, 1.2.2.), z. B. ghevlaghen ‚geflohen‘ (V.  16), baven (V.  90), laven (V. 231), ghebaren (V. 309),11

11 Der Text von D 3 enthält neben den Formen mit a-Graphie auch eine größere Menge mit o-Graphie als D 1 und D 2.

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– der Einheitsplural der Verben im Präsens Indikativ mit dem Endungsflexiv -en (Peters 1987, 2.1.1.), z. B. hebben (V. 71), moͤghen (V. 296), menen (V. 312), liggen (V. 332), – der Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Singular und Plural im Dativ und Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4.), z. B. my (V. 9), uns (V. 49), juw (V. 136), dy (V. 318), – die Senkung von /e/ zu /a/ vor /r/-Verbindung (Peters 1987, 1.1.5.2.): Hartich (V. 6), parlen (V. 120, 294), – die Schreibung von Doppelkonsonanten nach gekürzten Vokalen, vornehmlich vor -er und -el (Peters 1987, 1.2.3.): wedder ‚wieder‘ (V.  27, 43, 54, 210), eddelen (V. 45, 46, 294), hemmel (V. 152, 283), ledderne (V. 246), – die Ausprägung des Indefinitpronomens ‚jeder‘ (Peters 1988, 4.5.6.7.) in der Form jewelik (V. 89, 105) sowie – die Form der Interrogativadverbien (Peters 1990, 4.6.1.1. und 4.6.1.3.): wor ‚wo‘ (V. 105), wo ‚wie‘ (V. 140, 207).

Stellenkommentar 14 bystant: Begriff, der das mittelalterliche Lehnswesen und Lehnrecht betriff. Die personelle Bindung zwischen Lehnsherr und Lehnsmann gründet u. a. auf einem gegenseitigen Treueeid, der den Herrn zu ‚Schutz und Schirm‘ des Mannes und den Mann zu ‚Rat und Hilfe‘ (consilium et auxilium) des Herrn verpflichtete. Die Pflichtausübung des Lehnsmannes äußerte sich vor allem im Kriegsdienst für seinen Herrn (Diestelkamp 1999, Sp. 1809). 22 Die Aufzählung von V. 20 wird hier mit den Kleidern und geschmiedeten Metallbeschlägen fortgesetzt. Gemeint sind womöglich die Beschläge an Kisten und Schränken, in denen Kleider u. a. aufbewahrt wurden; diese Deutung vermerkten Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 221). Denkbar ist ferner auch, dass smyde die metallenen Zierstücke an den Kleidern bezeichnet. 23 Vgl. sînen market dôn ‚seinen Handel treiben‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 914); hier in euphemistischer Verwendung für den Beutezug der Holsten (V. 23–26). 30 den vorsten: Herzog Gerhard (vgl. Kap. 3.2). 49 Och vrunde: im Gesprächszusammenhang eigentlich eine höfliche Anrede; hier im Kontext der Gefangennahme und in Verbindung mit dem folgenden Lösegeldangebot (V. 50) zugleich auch eine Unterwerfungsgeste. Vgl. auch V. 135: Och leven vrunde. 50 willent: willen it. 57f. Se: Bezug unklar; die Gefangenen oder die Dithmarscher.

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58 fleghe: 3. Singular Präsens Konjunktiv von vlêigen ‚ordnen, anordnen‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 741) mit voluntativer Ausdrucksfunktion. Der Übersetzung wurde die Bedeutung des Substantivs vlēge ‚Ordnung, Schlichtung, Aussöhnung, Vergleich‘ (ebd.) zugrunde gelegt. 64 apenbar: gemeint ist ‚nicht heimlich‘ (vgl. Mnd. Hwb. II/1, Sp. 1149). 66 in hant gân ‚sich ergeben‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 221). Ähnliche Wendungen haben Nr. 5, Str. 9,1; Nr. 6, Str. 11,1 und Nr. 8, Str. 19,2. Der Ausdruck berührt das mittelalterliche Lehnswesen. Er hebt ab auf den symbolischen Akt des Handgangs, der als Ausdruck der Unterwerfung des Lehnsmannes unter die Herrschaft seines Lehnsherrn (Kommendation) seit dem 8. Jahrhundert bezeugt ist. Bei diesem Ritual legte der künftige Vasall seine Hände in die Hände des Herrn. Zusammen mit dem gegenseitigen Treueversprechen begründete die Kommendation das persönliche Lehnsverhältnis zwischen Herr und Mann (Cordes 1999, Sp. 1278). 68 Vgl. Kommentar zu V. 66. 74 myt einem schepel bonen: Die Bohne ist hier Ausdruck für etwas von geringem Wert (vgl. Mnd. Hwb. I, Sp. 315). Im Vergleich zum geforderten Lehnseid, bieten die Dithmarscher dem König also im Grunde nichts an. 77 Dat: Konjunktion, hier zur Einleitung eines kausalen Nebensatzes. Zu den syntaktisch-semantischen Funktionen von dat vgl. Mnd. Hwb. I, Sp. 401. 78 volkes: hier im Sinne von ‚Kriegsvolk, Heerhaufen‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 767); vermutlich ist das Söldnerherr, die große Garde, gemeint (vgl. Nr. 2, V. 32). 79 de stede: ‚die Städte‘, vermutlich metonymisch für die Einwohner der Städte, die von dem Zug der großen Garde durch Norddeutschland betroffen waren und deswegen vorsorglich ihre Befestigungsanlagen (V.  82) sicherten. Liliencron (II, 1866, S. 438) vermerkt an dieser Stelle die Hansestädte Hamburg und Lübeck; von den Hansestädten gehen auch Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 224) aus. 90 mennigen schonen man: Die Schönheit und die kostbare Ausstattung der Ritter wird im Folgenden mehrfach wiederaufgenommen (V.  97, 217, 233). Sie gipfelt V. 233 in der Aussage, dass niemand der Gerechtigkeit Gottes entgehen könne, sei er auch noch so schön. 93 floͤghel: ‚Flügel‘, entweder vorwegnehmende Anspielung auf den Vergleich des königlichen Heeres mit einem Schwan (vgl. Kommentar zu V. 155–158) oder Ausdruck zur Beschreibung der königlichen Streitmacht. Vgl. den Prätext Nr. 13, V. 19f.: Procedunt regis ale peditumque equitumque […]. (‚Die Flügel des Königs, der Fußsoldaten und der Reiter, […] schreiten voran.‘) 96 Des dinxstedaghes na scolastice: Dienstag, der 11. Februar 1500. Der Tag der heiligen Scholastika, der 10. Februar, fiel im Schaltjahr 1500 auf einen Montag (vgl. Grotefend 142007, S. 200).

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97 ghesmuͦchte: vgl. gesmücke ‚Schmuck, geschmückter Aufzug‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 89). 102 yd: abgeschwächte Form des Demonstrativpronomens dat (vgl. Lasch 21974, § 406, Anm. 1; Mnd. Hwb. I, Sp. 400), nimmt hier in Objektfunktion grammatisch inkongruent die Subjekte de eyne, de ander (V. 101) wieder auf. 104 dat: Relativpronomen, das grammatisch inkongruent das Bezugswort Allent ‚alle, jeder‘ referenziert (vgl. hierzu Mnd. Hwb. I, Sp. 400). 119 Aufrichtung des königlichen Banners zum Zeichen der Einnahme Meldorfs; im Prätext Nr. 13, V. 23f., heißt es übersetzt: ‚Das Banner des Siegers hängt aus dem Turm, wird von allen Seiten bejubelt.‘ Zu diesem Handlungsmotiv vgl. auch Nr. 3, V. 37, Nr. 12A, V. 22, Nr. 12B, V. 10, Nr. 12C, V. 9. 120–122 Anspielung auf die Vision Kaiser Konstantins I. (um 280–337, Ks. 306– 337) unmittelbar vor seiner siegreichen Schlacht an der Milvischen Brücke gegen Maxentius, den Usurpator Roms, am 28. Oktober 312 (Klein 1999, Sp.  1372). Danach soll er aufgefordert worden sein, auf den Schilden seiner Soldaten das Zeichen Gottes anzubringen (ebd. Sp. 1374). 124 scholde: Konjunktiv Präteritum mit irrealer Ausdrucksfunktion. Die Äußerungsinstanz verweist hier auf den mittelalterlichen Rechtsgrundsatz, wonach die siegreiche Partei die Bewohner eines eingenommenen eroberten Ortes der gegnerischen, unterlegenen Partei verschonen und friedlich abziehen lassen sollte, anstatt sie gefangen zu nehmen oder zu ermorden (freier Abzug, Schonung). Insbesondere galt dies für die nicht waffenfähige Bevölkerung, die im Text (V. 111–113) angesprochen wird. Vgl. Contamine 1999, Sp. 1529. 126 Gemeint ist wohl König Hans I. von Dänemark, der mit dem Feldzug in Dithmarschen seine Lehnsherrschaft gegenüber der Bevölkerung durchsetzen wollte. 132 Se: die Dithmarscher. 135 Och leven vrunde: vgl. Kommentar zu V. 49. 145 Das königliche Heer bricht aus Meldorf auf, ohne zu ahnen (myt dunkerheyt), was es erwartet; es wähnt sich in Sicherheit und Überlegenheit (vgl. V. 148), weil nicht bekannt ist, dass die Dithmarscher den Späher abfangen konnten und nun über die Pläne des Königs unterrichtet sind (V. 131–141). 150 Vorausdeutung auf den Ausgang der Schlacht. 152 buͦssen: vgl. Kommentar zu V. 205. 155–158: Das herannahende Heer des dänischen Königs wird in Bezug auf das Spiel der Trompeten und Trommeln und den Klang der abgefeuerten Schüsse (V. 151–154) verglichen mit dem Schwan, der der Überlieferung seit dem klassischen Altertum zufolge kurz vor seinem Tod ein Klagelied anhebt: „Die Griechen hielten den Schwan für ein prophetisches Tier, dem Apollon die Gabe der Weissagung geschenkt habe. Sie glaubten, daß die Schwäne deshalb auch ihren eigenen Tod ahnten und kurz vorher bewunderungswürdige Klagelaute hören ließen.“

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(Röhrich 1992 III, S. 1430) Der Begriff ‚Schwanengesang‘ wird auf diese Vorstellung zurückgeführt; er bezeichnet entsprechend jemandes letzten Auftritt oder letzte Handlung vor dem Tod (ebd.). In der vorliegenden Reimpaardichtung fungiert der Vergleich als erneute Vorausdeutung auf die Niederlage der Invasoren (vgl. V. 150). – Die Referenz auf den Schwanengesang geht auf den lateinischen Prätext Nr.  13, V.  33f., zurück: Sic pretendebant albi presagia cigni / Pro gemitu cantum qui moriturus habet. (‚So trugen sie die Anzeichen des weißen Schwans zur Schau, der, wenn er im Begriff ist zu sterben, als Wehklage ein Lied singt.‘); sie findet sich demzufolge auch in Nr. 3 (V. 51f.). Zu weiteren Verwendungsbelegen in der Literatur vgl. Röhrich 1992 III, S. 1430f. 163f. Charakteristisch für die Landschaft Dithmarschens ist das Nebeneinander von hoch gelegener trockener Geest und tief, auf Höhe des Meeresspiegels, gelegener feuchter Marsch. Von Meldorf führte nur ein schmaler Damm durch das Marschland vor Hemmingstedt; den musste das Heer von König Hans I. von Dänemark passieren. Zu ihrer Verteidigung sollen die Dithmarscher die Marsch durch Öffnen der Deichschleusen zudem geflutet haben (Lammers 3 1987, S. 123). Zu den landschaftlichen Verhältnissen in Dithmarschen vgl. ebd. S. 122f.; ausführlich zur Landschaftsgeschichte Dithmarschens Wohlenberg 1968. Die Gelände- und Wetterverhältnisse, die sich für die Gegner der Dithmarscher nachteilig auswirkten, werden auch thematisiert in Nr. 3, V. 56, und Nr. 6, Str. 3, V. 2–4. 167 de vorsammelinge … scholden slaen: grammatische Inkongruenz (Numerus). 168 se: die Dithmarscher. 169 beyder groter vorsammelinge: die große Garde (V.  161) und das Reiterheer (V. 168). 170 dat lant: metonymisch für die Dithmarscher (wie auch in V.  319), die vonseiten der Garde und des Reiterheers in Bedrängnis geraten (V. 168f.). Zu dieser Interpretation der Verse 167–170 war auch Liliencron (II 1866, S. 440) gelangt. 171 were lichtliken umme ghegaen: Anspielung auf die Unbeständigkeit des Glücks, das Glücksrad, vgl. Kommentar zu V. 310. 172 bezieht sich auf den Hochmut der Dithmarscher angesichts ihres Sieges, den der Sprecher mit Bezug auf seine Gegenwart im weiteren Verlauf seiner Rede feststellt und kritisiert (vgl. V. 318–326). 173f. Se: Unklar ist, ob hier noch die umzingelten Dithmarscher gemeint sind oder schon ihre Gegner. 176 droͤgherye: vgl. Kommentar zu V. 145. 183f. schickinge: Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S.  229) übersetzen ‚militärische Aufstellung‘ der Dithmarscher im Feld; entsprechend wäre dann ghesecht von seggen zu verstehen als ‚angeordnet, befohlen‘ (vgl. Mnd. Hwb. III/1, Sp. 184f.).

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189 en: Pronomen, 3. Plural Dativ von se, referenziert Maria (V.  187) und Jesus (V. 188). 190 Se: Maria (V. 187) und Jesus (V. 188). se: die Dithmarscher. Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 229) übersetzen: „Die Ditmarscher achteten der Feinde nicht, waren diese auch noch so schlimm.“ Dass der Vers das Verhältnis zwischen Maria und Jesus auf der einen und den Dithmarschern auf der anderen Seite anspricht, fügt sich m. E. besser in den Kontext ein. Dass zudem die Schlechtigkeit der Dithmarscher angesprochen wird, korrespondiert mit dem Vorwurf des Hochmutes ihnen gegenüber, v. a. V. 295–305. Erneut wird dort der Gedanke aufgegriffen, dass die Dithmarscher hochmütig wären, aber dennoch Gottes Beistand erhalten hätten. 191 se: die Dithmarscher. 199 kofte: Präteritum Indikativ von k öˆpen ‚kaufen, erwerben, gewinnen‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp.  629); hier – vermutlich aus Reimzwang (V.  200 ghelofte) – mit Ausfall des Endungsflexivs -n. 203 Ere: bezieht sich auf das Heer des Königs. 204 pert unde volck: Wiederaufnahme von Reiterheer und Garde, die die Dithmarscher zunächst in Bedrängnis gebracht hatten (V. 169f.). 205 bussen: ‚Büchse‘, eine Feuerwaffe, die erst im Spätmittelalter entwickelt wurde (vgl. Geibig / Gelbhaar 1999, Sp. 1895). Wie die Textbelege dokumentieren bezeichnet mnd. büsse (Mnd. Hwb. I, Sp.  378) nicht nur eine Handfeuerwaffe, sondern auch eine größere Schussvorrichtung, die im Feld aufgestellt wurde (Kanone). Vgl. Nr. 1: V. 152, 219, 244. Nr. 2: V. 81. Nr. 3: V. 107. Nr. 4: 5,3; 7,1; 20,2. Nr.  6: 7,2; 8,1; 9,2; 12,2. Nr.  7: V.  25, 38, 41, 44. baghen: ‚Bogen‘, wie die Büchse eine Schusswaffe aus der Gruppe der Fernwaffen. Pfeil und Bogen zählten neben anderen zur typischen Bewaffung des bäuerlichen Fußsoldaten (ebd., Sp. 1893); im Spätmittelalter wurde der Bogen zusammen mit der Armbrust allmählich durch die jüngere Feuerwaffe verdrängt (ebd., Sp. 1895). 217 Wiederaufnahme V. 90, 97. 218 Vgl. die Redewendung to bade komen ‚ins Unglück bringen‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 152). Die Textstelle ist mehrdeutig; mit dem jämmerlichen Bad kann auch der Fall auf den schlammigen Untergrund des Schlachtfeldes oder in die geflutete Marsch gemeint sein (vgl. V. 163f.). 219 buͦssen: vgl. Kommentar zu V. 205. 221 Aus dem Ausgangstext geht hervor, dass es um einen Vergleich geht (Nr. 13, V. 61–64): ‚Sie können weder Speere stoßen, noch den Bogen spannen. Sie halten die Schwerter, die geschwungen werden sollen, genau wie ihre Götzen. So viele werden unkriegerisch (eine wunderliche Sache), die mit den Fertigkeiten zu kämpfen ausgestattet waren und denen die Siegespalme so oft überreicht worden ist.‘ Der Übersetzer hat idola ‚Götzenbild‘ mit de hylghen ‚die Heiligen‘ übertra-

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gen. Wie jene gemalten Heiligen sind die Soldaten des Königs nicht imstande, die Waffen, die sie tragen, auch einzusetzen. Sie sind erstarrt, nur ein Abbild ihrer selbst. Vgl. Nr. 3, V. 89–94. 233 he: nimmt nemant (V. 231) wieder auf. schone: Wiederaufnahme V. 90, 97, 217. 234 He: wie he in V. 233. bone: vgl. Kommentar zu V. 74. Gegenüber Gott ist der Mensch gering, selbst mit Stärke und Schönheit. 235 juw: Adressierung der Dithmarscher. 241 Vgl. die Redewendung dat môs is vorgoten ‚die Mühe ist vergeblich‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 1024). 244 buͦssen, loͤde, pile, peke: Vgl. Kommentar zu V. 205. 245 harde yseren: Ausgehend von V.  244 könnten mit îseren die eisernen Pfeilund Speerspitzen gemeint sein, mit Blick auf V. 246 insbesondere die Pfeilspitzen. (Vgl. Mnd. Hwb. II/1, Sp. 467). 246 ledderne baghen: Bogen wurden aus Holz oder auch Metall hergestellt, hingegen nicht aus Leder (vgl.  Harmuth 1999, Sp.  317–322). Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 232) kommentierten: „schlechterdings unverständlich“. 247 Hier wird die Aussage des Titelreimpaars V.  1 wieder aufgegriffen und die Exzeptionalität des Geschehens akzentuiert. 252 ewighen pyne: die ewige Verdammnis, das ewige Leiden in der Hölle im Unterschied zum endlichen Leiden im Fegefeuer (vgl.  Kommentar zu Nr.  2, V.  242). Anders als in der Reimpaarrede Nr. 2, in der die Äußerungsinstanz die ewige Höllenstrafe für die Gegner der Dithmarscher fordert, insbesondere für diejenigen, die den Tod Unschuldiger zu verantworten haben, bittet der Sprecher hier, die Seelen der tausenden Gefallenen zu verschonen (V. 254). Der Sprecher begründet dies damit, dass viele unfreiwillig an dem Feldzug teilnehmen mussten (V. 262). 258 mostent: mosten it. 263 gardeners: Gartknechte, Bezeichnung für Landsknechte und Söldner während der Zeit, in der sie nicht im Dienst eines Kriegsherrn standen (Gartzeit) und auf andere Weise für ihren Lebensunterhalt sorgen mussten, etwa als umherstreifende Bettler. Vgl. hierzu Huntebrinker 2010, bes. S. 122–127. Vgl. auch mnd. garde ‚bettelhaftes Herumstreifen, bes. von herrenlosen Kriegsknechten‘, garden ‚garten, bettelnd umherstreifen‘ und gardenbrôder ‚bettelnd herumziehender, verlaufener Kriegsknecht; Landstreicher‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 17). 263–272 Wie an dieser Stelle werden die Söldner der großen Garde auch in den Texten Nr. 2 und Nr. 3 vor allem in Bezug auf ihr Verhältnis zu Gott negativ attribuiert: Sie lästerten Gott und die Heiligen, hätten keine Achtung vor Kirchen und Klöstern und schändeten Nonnen; sie seien gewälttätig und lebten gesetzlos; als Gottvergessene werden sie beschrieben. Dies deckt sich mit der Darstellung der Landsknechte in literarischen und Bildquellen des 16. Jahrhunderts (vgl.  Bur-

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schel 1994, S. 27–53; Rogg 2002, S. 178–182). Insgesamt seien die Kriegsknechte im 16. und 17. Jahrhundert von den Zeitgenossen moralisch zu Außenseitern der Gesellschaft stigmatisiert worden (Burschel 1994, S. 29). Die Reimreden mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt sind ein recht frühes Zeugnis dieses Prozesses. Zur Attribuierung der großen Garde vgl. auch Nr. 1, V. 109–114, Nr. 2, V. 21–30, V. 61f. und V. 197–208, Nr. 3, V. 121–128, Nr. 7, V. 11–17. In den Reimreden Nr. 1 und Nr. 3 gehen die Textstellen über die große Garde auf die lateinische Elegie von Heinrich Boger (Nr.  13, V.  83–86) zurück mit den Zuschreibungen von Gottvergessenheit (impietate), Gotteslästerung (blasfemos) und Gesetzlosigkeit (sectam hanc exlegem). Die Reimpaardichtung Nr. 7 vertritt gegenüber Nr. 1, 2 und 3 eine andere Haltung (vgl. Nr. 7, V. 15f.). Zu weiteren negativen moralischen Zuschreibungen an die Landsknechte, wie Müßiggang, Glücksspiel, Unkeuschheit und Hoffart, siehe Huntebrinker 2010, bes. S. 119–151. 273–278 Vgl. die Varianten des Spruches „Gottes Gerichte sind unerforschlich.“ im TPMA V, S. 156. 277f. Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 234) übersetzen: „warum Gott manchmal über andre etwas verhängt, was uns nur Vortheile einbringt.“ 283 dyt: die Tatsache, dass von den Dithmarschern nicht mehr als zweihundert auf dem Schlachtfeld gefallen sind (V. 281f.). lede: kontrahierte Präteritumform von leggen; zur Flexion von leggen vgl. Lasch 21974, § 439, 2. Die Flexionsendung ohne -n ist hier vermutlich auf den Reimzwang zu bede (V. 284) zurückzuführen. 296 dyt: die Kostbarkeiten (V. 293), die von den Besiegten zurückgelassen wurden. 301 hates: Akkusativ Plural von hate, vgl.  Lasch 21974, §  366. nijdes: Akkusativ Plural eigentlich nîde (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 1104); die Endung auf -s ist hier vermutlich bedingt durch die enge Verbindung zu hates und den Reimzwang zu tijdes V. 302. 310 Glücksrad, Rad der Fortuna, vgl. lükkerat, dat lükkerat geyt umme ‚das Glück wendet sich‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 871). Die Idee von Fortuna, die die Menschen auf ein Rad setzte und es drehte, so dass diese sich in einem beständigen Auf und Ab bewegen, stammt aus der griechischen Antike (Röhrich 1992 II, S. 1221f.). 313 Das Schiff dient hier als Metapher für das Leben und den Lebenslauf der Menschen. Die Aussage ist wie die Redensart vom Glücksrad Teil einer Klage über die Unbeständigkeit des Lebens, so wie das Schiff auf dem Meer den Wellen ausgesetzt ist und von diesen mal in die eine, mal in die andere Richtung getrieben wird (vgl. Röhrich 1992 III, S. 1332). Die Übersetzung von schip mit ‚Geschick‘ bei Kolster / Müllenhoff (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 236) kann mit den mnd. Wörterbüchern nicht gestützt werden. 319 lande: metonymische Bezeichnung für die Bevölkerung des Landes Dithmarschen.

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321 legget aff juwen homodigen fleghe: Anspielung auf Jesaja 3,16–4,1; vgl. Kommentar zu Nr. 2, V. 251f. 323–333: Die Toten liegen ihrer Kleidung und Waffen beraubt immer noch auf dem Schlachtfeld. Sie wurden von den Dithmarschern nicht bestattet. Die Stelle geht auf die lateinische Elegie von Heinrich Boger zurück (Nr. 13, V. 129–136), die die Grausamkeit dieser Tatsache beklagt. Die Kritik an den Dithmarschern fällt dort weitaus drastischer aus; ihnen wird vorgeworfen, die Toten nicht zu bestatten, und sie werden angesichts dessen aufgefordert von ihrem Hochmut abzulassen und sich in Gottesfurcht zu üben (V. 130): Pone supercilium, disce timere deum (‚Senke die Augenbraue, lerne, Gott zu fürchten‘). Die entsprechende Stelle in Nr. 3, V. 177–192, folgt dem lateinischen Prätext strenger. 326 tho synde: Partizip von sên ‚sehen‘, eigentlich sênde (Schiller / Lübben IV, Sp. 188).

Literarischer Kommentar Metrik Die typographische Einrichtung des Stückes Nr. 1 in den Drucken D 1, D 2 und D 3 bildet Struktureinheiten im Umfang von vier Zeilen ab, wobei jeweils zwei aufeinanderfolgende Zeilen durch Endreim miteinander verbunden sind. Die handschriftliche Rezeption schloss sich dieser Präsentationsform des Textes an. Bei der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um freie Knittelverse, doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Vierzeiler 1 bis 29 (V. 3–118) dem Muster der fünfzeiligen Lindenschmidtstrophe entsprechen.12 Zum einen liegt mit dem dritten Vers häufig ein Dreiheber mit Auftakt und weiblichem Versschluss vor, zum anderen handelt es sich in den besagten Strophen bei dem vierten Vers überwiegend um einen Siebenheber, der nach der vierten Hebung zäsuriert ist und sich durch Umbruch leicht in eine auftaktige Waise mit vier Hebungen und männlicher Kadenz und einen auftaktigen Dreiheber mit weiblicher Kadenz aufspalten lässt. Lediglich auf die Blöcke V.  91–94, 99–102, 103–106 sowie 107–110 treffen diese Beobachtungen nicht zu. Naheliegend ist, dass diese dem älteren Lied im Prozess seiner Zusammenführung mit der niederdeutschen Reproduktion der lateinischen Elegie hinzugefügt wurden. Die bewussten Einheiten stehen nämlich ausgerechnet im Bereich der Nahtstelle zwischen beiden Textteilen. Abgesehen von dem Titeltext (V.  1f.) am Beginn und der Doxologie am Ende

12 Frank 21993, 5.6.

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(V. 335–338) dokumentiert der Text mit Rücksicht auf seine Metrik und Motivik nämlich die folgende dreiteilige Struktur: – Teil 1 (V. 3–90) besteht in Gänze aus Lindenschmidtstrophen. Die Handlungsmotive können nicht in der lateinischen Elegie nachgewiesen werden. Auffallende Abweichungen vom genannten Bauplan deuten darauf hin, dass die Strophen stellenweise bearbeitet wurden, bevor sie in den Druck gelangten. Dies trifft beispielsweise auf V.  44 mit zwei überzähligen Hebungen (sechs statt vier) zu.13 – Teil 2 (V. 91–150) bildet die Nahtstelle zwischen den beiden in Nr. 1 verarbeiteten Prätexten. Er setzt ein mit einem Abschnitt, in dem paargereimte Vierzeiler und Lindenschmidtstrophen miteinander verzahnt sind (V.  91–118). Die ersten vier Verse (V. 91–94: Myt groter manheyt to vothe unde to perde, / Uthestrecket sine floͤghel tho beyden enden) können hier zweifelsfrei als Retext der lateinischen Vorlage bestimmt werden (Nr. 13, V. 19: Procedunt regis ale peditumque equitumque). Der zweite Abschnitt dieses Textteils fährt fort mit ausnahmslos paargereimten Vierzeilern (V. 119–150). Die Handlungsmotive, die in diesem Bereich verarbeitet sind – a) das Aufrichten des königlichen Banners in Meldorf (V. 119), b) die Sicherung Meldorfs (V. 123), c) die Gefangennahme und das Verhör eines Mannes aus dem königlichen Lager seitens der Dithmarscher (V. 127–142), d) die Fortsetzung des Marsches am Montag, dem 17. Februar (V.  144–150), korrelieren nur zum Teil mit der Motivik der lateinischen Elegie (a, d), dann jedoch auf eine Weise, die dort keine explizite Entsprechung hat. – Teil 3 (V.  151–334) ist aus vierzeiligen Einheiten aus paarweise gereimten Knittelversen aufgebaut. In Hinsicht auf die Handlungsmotive und ihre Ausprägung gibt sich in diesem Teil sehr deutlich der lateinische Prätext zu erkennen. Äußerungsinstanz Die dreiteilige Struktur des Textes auf der Produktionsebene berücksichtigend, tritt die Äußerungsinstanz in Teil 1 und 2 kaum in Erscheinung, sondern erlangt erst in Teil 3 sehr starke Präsenz. Sie wird dort hörbar, wo sie in der Narration der Ereignisse innehält und das Geschehen kommentiert. Entweder deutet sich dies allein im Wechsel des Modus (V. 123–126: von Indikativ zu Konjunktiv) oder des Tempus an (V. 155–158: von Präteritum zum Präsens) oder zusätzlich durch deik-

13 Darauf haben schon Kolster / Müllenhoff hingewiesen: Karsten Schröders Chronik 1878, S. 222.

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tische Ausdrücke, mit denen der Sprecher sich selbst, sein Publikum oder seinen Standort referenziert. Danach handelt es sich um ein Sprecher-Ich (V. 142, 253, 267, 321), das sich zu einem Zeitpunkt äußert, da sich der Vorfall vor Hemmingstedt im Februar des Jahres 1500 gerade erst ereignet hat. Mit den deiktischen Zeitangaben nu (V. 223) und In unsen daghen (V. 227) verortet es die Schlacht bei Hemmingstedt in der eigenen Gegenwart, während an anderer Stelle die Präsensreferenz auf die Besiegten (V.  307–309) die zeitliche Nähe zu dem bewussten Ereignis indiziert. Hinweise auf die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Partei finden sich nicht; überdies ergreift der Sprecher weder für die Dithmarscher noch für die Invasoren eindeutig Partei; doch nichtsdestoweniger macht er seinen Standpunkt ihnen und dem ganzen Geschehen gegenüber sehr deutlich: Zunächst stellt er vor seinem eigenen Wissens- und Erfahrungshorizont die Singularität des Kriegsereignisses heraus – einerseits hinsichtlich des Ausmaßes der Schlacht (V. 247–250) und andererseits in Bezug auf die Tatsache, dass das kriegserfahrene und insofern überlegene Heer von König Hans unfähig war zu kämpfen und deshalb verloren hat (V. 219–226). Letzteres deutet der Sprecher als Zeichen Gottes (V. 227) und leitet daraus für sich und sein Publikum die Erkenntnis ab, dass dem Willen Gottes niemand entkommen könne, ganz gleich wie stark und herrlich er auch sei (V. 231–234). Mit seiner Deutung von Verlauf und Ausgang der Schlacht geht der Sprecher anschließend noch zwei Schritte weiter: Er äußert einerseits die Vermutung, der König hätte den Sieg davontragen können, wenn er nicht das Söldnerheer engagiert hätte (V. 271f.). Dieser Gedanke steht am Ende einer kurzen Schmährede auf die Garde (V. 263–270), in welcher der Sprecher ihre Gottvergessenheit akzentuiert, und wird später noch einmal aufgegriffen (V. 299–302). Doch tritt der Sprecher hier mit einiger Bescheidenheit auf, indem er seine Vermutung mit dem Adverb Villichte (V. 271) einleitet und zudem gleich im Anschluss demütig darauf hinweist, dass niemand – und sei er auch noch so weise – Gottes Gericht ergründen könne (V. 273–278). Andererseits blickt der Sprecher auf die Dithmarscher; dass Gott den Krieg zu ihren Gunsten entschieden hat, führt er nicht auf ihre Demut und Frömmigkeit zurück, sondern allein auf die Barmherzigkeit Gottes (283–286). Diese Ansicht veranlasst ihn ein zweites Mal zur Verallgemeinerung, wonach Gott trotz der Sündhaftigkeit Vieler barmherzig sei und eben deswegen unbedingt gelobt werden müsse (V. 287–290). Schließlich geht der Sprecher so weit, die Dithmarscher direkt zu adressieren. Er fordert sie auf, Gott und Maria zu loben, denn allein ihre Hilfe habe ihnen den Sieg eingetragen (V.  295–298, 303–306). Eindringlich gibt er überdies zu bedenken, dass das Glück unbeständig sei und die Besiegten oder ihre Nachkommen eines Tages Rache nehmen könnten (V. 307–310). Ferner spricht er den Dith-

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marschern jede Ehre ab (V. 303, 319) und bittet sie – zumal angesichts der vielen Toten und des großen Elends, mit denen der Sieg teuer erkauft wurde (V. 315–318, 322–326), ihre Überheblichkeit zu unterlassen (V. 318, 321). Inhalt und Aufbau Der vorliegende Text schlägt einen Bogen zwischen zwei Ereignissen in der Geschichte Dithmarschens. Die inhaltliche Makrostruktur lässt sich ausgehend von den Ereignisreferenzen entsprechend wie folgt beschreiben: Die Reimpaardichtung setzt ein mit einem Abschnitt, der sich auf die Schlacht in der Hamme im Jahr 1404 bezieht (V.  3–58), setzt anschließend fort mit der Darstellung der Begebenheiten, die sich danach zwischen den politischen Kontrahenten zugetragen haben (V.  59–74), um sich schließlich in dem weitaus umfangreichsten Teil der Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500 zu widmen (V. 75–338). Dieser Abschnitt ist im Wesentlichen aus einem eher narrativen (V. 75–250) und einem stärker diskursiven, äußerungsbezogenen Teil (V. 251–338) aufgebaut. Die ersten beiden Teile können als Vorgeschichte zum Vorfall von 1500 aufgefasst werden, die an die Stelle des Prologs der Rede tritt. Vorgeschaltet ist überdies ein kurzer Titeltext, der mit den Ausdrücken in hundert jaren unde nu sowie In dethmerschen auf die Geschehnisse anspielt, die sich in dem zeitlichen Rahmen von hundert Jahren in Dithmarschern zugetragen haben. Die Vorgeschichte wird eingeleitet mit einer Exposition, aus der das Jahr, der Ort und die Protagonisten der Handlung hervorgehen (V.  3–6), so dass die Identifizierung der Schlacht in der Hamme von 1404, die nachfolgend dargestellt wird, sichergestellt ist. Danach setzt die Handlung mit der Mobilisierung der Streitkräfte durch Herzog Gerhard ein, der sich vor der Heerfahrt überdies der Treue und des Beistandes seiner Ritter und Vasallen vergewissert (V. 7–14). Die sich anschließende Episode handelt von dem Zug des Heeres aus Holstein nach Dithmarschen und den anfänglichen Erfolgen dort (V. 15–26). Erst der folgende Abschnitt wendet sich dem Schlachtgeschehen in der Hamme zu (V. 27–46) und zwar in drei Etappen: Das herzogliche Heer und die Dithmarscher treffen in der Hamme aufeinander; der Herzog wird von den Dithmarschern getötet (V. 27–30). Begünstigt durch die schwierigen Geländeverhältnisse erleidet der überwiegende Teil der herzoglichen Streitmacht in der Folge den Tod (V. 31–34). Schließlich fällt nach mutigem Kampf der Ritter Heinrich von Siggen, der bis dahin das herzogliche Banner in der Schlacht hochgehalten hat (V. 35–46). Der nächste Abschnitt befasst sich mit den Begebenheiten unmittelbar nach der Schlacht (V.  47–58): Die Dithmarscher nehmen dreißig Vasallen von Herzog Gerhard gefangen, auf deren Angebot, sich mit einem Lösegeld freizukaufen, sie nicht eingehen; überdies zerstören sie die Marienburg, eine herzogliche Festung.

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Mit der Begründung, sie wollten den Holsten, wenn diese noch einmal in Dithmarschen einziehen sollten, keinen Rückzugsort lassen (V.  54), nimmt der Text an dieser Stelle eine Vorausdeutung auf den Feldzug von 1500 vor. Nach einem Zeitsprung von über 70 Jahren handelt der letzte Abschnitt der politischen Vorgeschichte von 1500 davon, wie König Christian von Dänemark in Rom vom Kaiser mit Dithmarschen belehnt wird (V. 59–66). Mit der Bitte, die Dithmarscher mögen seine Lehnshoheit anerkennen, schickt König Christian einen Boten nach Dithmarschen, doch diese lehnen ab und antworten statt mit der Bereitschaft zur Huldigung mit einer Spottrede an den König (V. 67–74), mit der die Vorgeschichte endet. Der narrative Nachvollzug der Schlacht bei Hemmingstedt hebt an mit dem Racheentschluss von König Hans im Jahr 1500 (V. 75) als Reaktion auf das Verhalten der Dithmarscher gegenüber König Christian. Mit der numerischen Referenz auf das Jahr und der namentlichen Bezugnahme auf den König erhält diese Sequenz expositorischen Charakter: Sie markiert deutlich den erneuten Zeitsprung und die Hinwendung zum Konflikt zwischen König Hans und Dithmarschen im Jahr 1500. Danach wird das Ereignis in drei Teilen dargestellt: Der erste befasst sich mit der Vorbereitung des Feldzuges nach Dithmarschen (V. 76–94) – der Sammlung und Mobilisierung der Streitkräfte und der Heerschau in Holstein. Der zweite Teil beschreibt den Zug des königlichen Heeres durch Dithmarschen (V. 95–142), der von vorläufigen militärischen Erfolgen gekrönt ist, denn innerhalb von nur drei Tagen zieht das Heer durch Albersdorf (V. 99) und Windbergen (V. 103) und gelangt schließlich nach Meldorf (V. 107). Die Stadt wird gewaltsam eingenommen und der Etappensieg augenfällig mit der Aufrichtung eines Banners zur Schau gestellt (V. 119f.). Doch wird dieser Erfolg bereits mit der folgenden Episode (V. 127–142) relativiert: Die Dithmarscher können einen Späher des Gegners abfangen, als dieser den Weg von Meldorf nach Hemmingstedt auskundschaftet; um sein Leben fürchtend, verrät er die Absicht des Königs, nach Heide und Lunden marschieren zu wollen. Anschließend setzt der dritte und umfangreichste Teil ein, der sich ausschließlich dem Tag der Schlacht widmet (V.  143–250). Zunächst bewegen sich die Usurpatoren mit Zuversicht und unter lautem Klang der Trompeten, Trommeln und Schüsse fort (V. 143–158); der Vergleich mit dem Schwan, der zu seinem letzten Gesang anhebt, wenn er im Begriff ist zu sterben, nimmt die Niederlage des königlichen Heeres bereits hier vorweg. Anschließend richtet sich der Fokus der Handlung auf das Geschehen auf dem Schlachtfeld (V. 159–226): Die Gegner begegnen sich und es kommt zum Kampf (V. 163–182), der die Dithmarscher zwar zunächst in Bedrängnis bringt (V. 170), aus dem sie jedoch am Ende als Sieger hervorgehen werden. Der Text deutet dies anschließend auf zweierlei Weise an: Zum einen akzentuiert er ihre Vertrauthaut mit den Gelände- und Wegverhält-

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nissen (V. 179–182), während ihre Gegner, die eben noch so zuversichtlich heranmarschiert sind, angesichts der engen, schlammigen Pfade und der ungünstigen Wetterlage die Furcht ereilt und der Mut verlässt (V. 163–166). Zum anderen vertrauen die Dithmarscher auf den Beistand Gottes und Marias: In einer Rückblende, die zugleich den Fortgang der Handlung auf dem Schlachtfeld hinauszögert, erfährt man, dass sie vor der Schlacht gebetet, gefastet und den Leib Christi empfangen hätten; auf dem Schlachtfeld trägt überdies eine keusche Jungfrau ihr Banner voran (V.  187–202). Eben noch von ihren Gegnern in arge Bedrängnis gebracht, gewinnen die Dithmarscher nun – mit Gottes Hilfe – die Oberhand (V. 203–205). Der Blick richtet sich nun auf ihre Gegner und verharrt bei diesen (V. 207–222). Die Handlung wird beinah zeitdeckend dargestellt, indem die Erzählung sehr detailliert die Situation der übermannten Invasoren beschreibt – sie stürzen von ihren Pferden (V. 208), fallen im Gedränge übereinander (V. 213), sind zu verängstigt, um zum Gegenschlag ausholen zu können (V. 219–222). An dieser Stelle tritt die Sprecherinstanz deutlich in Erscheinung: Sie deutet die noch nie dagewesene Kampfunfähigkeit erfahrener Krieger als Zeichen Gottes (V.  223–226) und leitet aus dem Geschehen eine allgemeine Lehre ab (V. 227–234), bevor sie schließlich konstatiert, dass die Mehrheit der Invasoren durch die Waffen der Dithmarscher getötet wurde (V. 243–246). Die Singularität des Ereignisses betonend, endet die Darstellung des Schlachtgeschehens (V. 247–250). Im folgenden epilogartigen Abschnitt bleibt die Sprecherinstanz im Vordergrund (V. 251–326) und der Text greift auf diese Weise diskursiv auf das geschilderte Ereignis zu. Er kann untergliedert werden: (1) in eine Rede über die Gefallenen, die sich an ein Du richtet (V. 251–262), (2) eine Schmährede über die große Garde (V. 263–278), (3) eine Rede über die Dithmarscher und die Barmherzigkeit Gottes (V. 279–294) und (4) eine Mahnrede an die Dithmarscher (V. 295–326), in die ein kurzes klagendes Gebet zu Gott über die Unbeständigkeit des Friedens und den Wandel in der Welt eingeschoben ist (V. 311–318). Die Schlussbemerkung Dyt is van dessen dingen nu ghespraken (V. 327) leitet schließlich das Ende der textinternen Rede sowie auch des Reimpaartextes ein. Der Sprecher formuliert einerseits den Wunsch, Gött möge die Seelen der Gefallenen auf dem Schlachtfeld erlösen (V. 328–334), und wendet sich andererseits mit einem Gebet an Maria, die vor Gott für die Toten und für die Lebenden bitten soll (V. 335–338). Auch mit Blick auf den Textaufbau und die sprachlichen Mittel, die beim Zugriff auf die historischen Gegenstände zum Einsatz kommen, tritt die Prätextstruktur von Nr.  1 zutage: Teil 1 (V.  3–90), dem nach Ausweis der strophischen Form ein älteres Lied zugrundeliegt, setzt mehrfach Sequenzen direkter (V. 9f., 49f.) und indirekter (V.  66, 68–70, 74) Figurenrede, ein. Die Äußerungsinstanz

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tritt mit Ausnahme eines Kommentars in V. 45 weitgehend hinter der Narration zurück. Teil 2 (V.  91–150), der die Verknüpfungsstelle zwischen beiden Prätexten bildet, ist chronistisch angelegt; tageweise werden die Begebenheiten vor der eigentlichen Schlacht nachvollzogen – vom Einmarsch des königlichen Heeres in Dithmarschen am Dienstag, dem 11. Februar (V.  95–98), bis zum Aufbruch der Invasoren von Meldorf Richtung Hemmingstedt am Montag, dem 17. Februar (V. 143–146). Die vierzeiligen Texteinheiten, die chronologisch den Marsch durch Dithmarschen beschreiben, heben jeweils mit dem Zug der Usurpatoren an, um danach in Aussagen zu Flucht, Vertreibung und Ermordung der Dithmarscher gesteigert zu werden (V 95–98, 99–102, 103–106, 107–110, 111–114). Insgesamt exponiert der Text in diesem Abschnitt die Stärke und Brutalität der Usurpatoren im Kontrast zur Schwäche und Unterlegenheit der Dithmarscher. Doch mit der Späherepisode wendet sich das Blatt für diese; der Einschnitt im Handlungsverlauf wird an diesem Punkt akzentuiert durch den Einsatz direkter und indirekter Figurenrede zwischen den Dithmarschern und dem Späher (V. 134–142), die den Rezipienten ganz nah an das Geschehen heranführt und nur an dieser Stelle des bewussten Textabschnitts verwendet wird. Wie in Teil 1 steht auch in Teil 2 die Handlung im Vordergrund, während die Äußerungsinstanz sich im Hintergrund hält. Hiervon ist lediglich die Sequenz auszunehmen, in der sie zum gewaltsamen und gnadenlosen Vorgehen der Invasoren in Meldorf Stellung nimmt (V. 124–126). Teil 3 (V. 151–334), der auf die lateinische Elegie zurückgeht, sticht gegenüber Teil 1 und 2 vor allem in Hinsicht auf die starke Präsenz der Sprecherinstanz heraus, die sich anfangs zurückhaltender, dann immer auffälliger auf verschiedene Arten zu erkennen gibt und auf diese Weise zu dem Geschehen Position bezieht und es deutet: durch Tempus- und Moduswechsel, Interjektionen, deiktische Ausdrücke – besonders im Zusammenhang von direkt adressierten Sprachhandlungen wie Mahnung, Belehrung, Bitte und Aufforderung. Ferner hebt sich Teil 3 in narrativer Perspektive markant von den vorausgehenden Textteilen ab, und zwar in Hinsicht auf das Verhältnis von erzählter und Erzählzeit. Während in Teil 1 und Teil 2 im Verlauf weniger Verse Tage, Jahre und gar Jahrzehnte überwunden werden, fokussiert Teil 3 auf einer Länge von über 150 Versen allein die Geschehnisse auf dem Schlachtfeld am 17. Februar 1500. Die Nahführung des Rezipienten an das Geschehen wird dabei ganz ohne den Einsatz von Figurenrede erreicht. In einem Text, der auf die Darstellung und Auseinandersetzung mit der Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500 fokussiert ist und mit eben diesem Fokus rezipiert wurde, kann ferner die Integration der Vorgeschichte von 1404 und 1473 als besonderes Darstellungsmittel aufgefasst werden. Abgesehen von Lied Nr. 11, das ebenfalls den Feldzug von 1404 referenziert, handelt es sich bei der Reimpaardichtung Nr. 1 nämlich um den einzigen Text im Hemmingstedter Korpus, der diesen Bezug – zumal in diesem Umfang – vornimmt. Indem er einen

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weiteren historischen Rahmen spannt als die übrigen Ereignisdichtungen, bietet er auch als einziger Text eine Erklärung dafür an, aus welchem Grund König Hans im Jahr 1500 nach Dithmarschen zog und mit militärischer Gewalt seine Lehnshoheit durchzusetzen versuchte. Dies wird im Text auch explizit gemacht, indem am Beginn des Bezuges auf 1500 mit dem Demonstrativum dyt (V. 75) auf die höhnische Zurückweisung des Anliegens von König Christian durch die Dithmarscher im Jahr 1473 zurückverwiesen und damit zugleich die Ursache für König Hans’ Rachepläne benannt wird. Westphalen 1745, Sp. 1447 (lateinisch paraphrasierte Auszüge). Mohr 1820, S. 209–212 (Auszüge mit Versen von Nr.  2). Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S.  495–507 (nach Hs  8). Wolff 1830, S. 340–353. Schuselka 1847, S. 276f. (Auszug V. 83–98, 151–166, 211–218). Liliencron II 1866, Nr. 213 (nach D 3). Karsten Schröders Chronik 1878, S.  219–239 (mit Einleitung von Müllenhoff, nach Hs 7). – Hansen 1899, S. 38f. Sondheim 1927, S. 269–274 (S. 271 mit Abdruck V. 75–78). Schlumpf 1969, S. 62. Seibert 1978, S. 15. Lammers ³1987, S. 21. Schanze 1992(a), Sp. 693 (Nr. 4). Frank 1995, S. 130 (mit Abdruck V. 107–114).

Glossen zu Nr. 1 in der Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8)14 166 Gens nimium dilecta Deo, cui militat aether, Et conjurati militant cum grandine venti.15 187 Efft ick schone dit alß Papistisch nicht vordedinge, so hefft men deß doch ock andere Exempel. Otto Magnus, do he mit den Ungern striden scholde, hefft einen Dach thovorn eine Vasten uthropen laten, alß men volgendes Dages de Schlacht doen scholde. Hedion lib. 8. cap. 21. Ock de Jsraeliten hebben ernstlick gefastet unde gebeden unnd ock gesiget. I. Sam. 7. 199 Also hebben de Worster thovorne de grote Guardia mit Magno, Hertogen tho Saßen, ock vordreven unde vorjagt, dat se eine Jungfruwen tho einer Veltvoͤrischen gehat. Supra in hoc libro Cranz. lib. 13. cap. 23. Ao. Christi 1517 averst hebben se avermalß mit dem Ertzbischopp Christoffel einen Krig gefoͤret unde eine Jungfrouwen gelichßfals thor Vendrichen gehat, darin de Dott gemalet gewesen, hebben wol erstlich de Knechte erlecht, sind averst darnach durch de Ruter averwunnen, unnd de Bannerforische mit einem Schlachtschwerde midden van ander gehowen. Unde hefft Keiser Maximilian, alß em diße Geschicht vortellet, der Jungfruwe dapfer Gemoͤte

14 Hier abgedruckt nach Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 501–506. Ich danke Hellmut Braun herzlich für die Überprüfung der Übersetzungen der lateinischen Glossen zu Nr. 1 und Nr. 2 sowie anderer Beitexte. 15 ‚Ein Volk, das Gott sehr lieb hat, dem dient der Himmel. Und die Verschwörer kämpfen mit dem Hagel des Windes.‘

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hochlich geromet unnd se des Levendes wol werdich geachtet, darumme, dat men geliker Ardt edder Manheit Kinder darvan hebben mochte. Chytr. lib. 6. Sax. 253 Nomlich 24.000, den dat sin twe Par, unnd pluralis numerus kan jo nicht geringer sin. Ock iß sonst de Tall in andern Manuscriptis. 309 Duße Prophetie iß Ao. 1559 erfullet, do Hertoch Adolph mit Koning Frederichen unnd Hertoch Johansen den oldern Ditmerschen erovert, alß hernha volget. Wo ock de Auctor deß andern Ledeß van dem Geluckrade hirher sueth unde wiset.16 310 Hirmit sueth de Poeta up de denkwerdige Historia der Koninginnen Aegypti Semyramis, de veer averwunnene Koninge vor ehren Wagen spannen unde rucken leth, darvan de eine jummer thorugge sach, wo de Velgen am Rade up unde under gingen, worumme dan de Koninginne, als se solches gemerket unde erfharen, desulven uthspannen laten unnd sich der Unbestendicheit der minschlichen Dinge billich darbi erinnert. Also wert ock van den Heidnischen Dichtern dat Gelucke up einem Rade geliker Dinge halven gemalet. 333 Acerbum (inquies) exemplum. Fateor, sed Romanorum, inquam, apud quos triumfati hostium duces in carcere necabantur, imo in publico populi spectaculo bestiis interdum objiciebantur. Ram. de mor. Gal. f. 93.17

16 Möglicherweise verweist Neocorus hier auf die lateinische Elegie von Heinrich Boger (Nr. 13). 17 ‚Ein grausames Beispiel, wird man sagen. Ich zeige aber, bei jenen der Römer (das betone ich), die über ihre Feinde triumphiert haben, wurden die Anführer im Gefängnis getötet; manchmal wurden sie in der Öffentlichkeit zum Schauspiel des Volkes wilden Tieren ausgeliefert.‘

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Nr. 2: Van den detmerschen is dyt ghedicht unde is waer 1 2 3 4 6 7 8

Van den detmerschen is dyt ghedicht unde is waer Unde is ock van deme gnadentryken gulden jaer.

Von den Dithmarschern handelt dieses Gedicht und es ist wahr und es handelt auch von dem gnadenreichen Goldenen Jahr.

Eyn sack alto lanck, alto wyd unde seer undicht Den kan men hastyghen vullen nicht. 5 De vele wyl hebben unde dar na steyt, De kumpt ock vaken in grod vordreyt. De ghyrichlyk vullen wyl eynen sack by deme anderen, Deme scholde nicht noͤgen myt hollant unde flanderen.

Ein Sack, der viel zu lang, zu weit und dazu noch undicht ist, den kann man nicht auf die Schnelle füllen. Wer viel besitzen will und eben danach strebt, der kommt auch oft in große Schwierigkeiten. Wer gierig einen Sack nach dem anderen füllen will, der könnte selbst mit Holland und Flandern nicht zufrieden sein.

9

Men lest in der byblyen, dat de olden 10 Dat gulden jar plegen to holden 11 In groter ere unde werdicheyt, 12 13

Myt frouden, myt leve unde in groter hyllicheyt. Alle vangen unde eghene worden quyd,

14

Allen unfrede sat men aff to der tyd.

16 17 18

15 Id is nu anders in desser ee. Men deyt nu mannygem armen wee. Homod is seer grod vorwar. Des krygen se eyn deel eyn quad jar,

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De dat gulden jar nicht en achten 20 Unde ock rechticheyt nicht betrachten. 21 Men vallet over stede unde lande 22 Myt seltzeme volke mannygerhande, 23 De nicht en vruchten den almechtygen god;

Man liest in der Bibel, dass die Vorfahren das Goldene Jahr in großer Ehre und Feierlichkeit zu begehen pflegten, mit Freuden, mit Liebe und in großer Heiligkeit. Alle Gefangenen und Leibeigenen wurden in die Freiheit entlassen, alle Kriege unterbrach man während dieser Zeit. Im gegenwärtigen Zeitalter ist es anders. Man fügt nun vielen Armen Leid zu. Hochmut ist wahrlich sehr groß. Deshalb kriegen diejenigen zum Teil ein schlechtes Jahr, die das Goldene Jahr nicht achten und zudem auch das Recht ignorieren. Man überfällt Städte und Territorien mit vielen seltsamen Leuten, die Gott, den Allmächtigen, nicht fürchten;

1–8 auf der Titelseite (1a), mit Titelholzschnitt zwischen 2 und 3. 4 kan men] kanmen. 9 Men] M als drei Zeilen hohe Initiale, das folgende e als Majuskel E. 14 sat men] ſatmen.  Vor 1 + Hs 3, Ein Anders mitt schonen gloßlin nun erst vorbetert unde vormehret De Titul (rechts daneben auf dem Rand: 23. Paragraph) Hs 8, Ein Ander Des Titul Hs 9, Hs 11. 1 is dyt] ein Hs 5. Auf 2 folgt anstelle des Titelholzschnitts Emblema Hs 8, Hs 9, Hs 11. 7 ghyrichlyk] mit giricheit Hs 5, giricheit Hs 11. Auf 8 folgt Carmen Hs 8, Hs 9, Hs 11. 12 in groter] fehlt Hs 5. 16 armen] fehlt Hs 5. 22 mannyger-] alder- Hs 5. 

Textabdruck und Kommentar 

24

26 27 28 29

De hylghen rechte holden se vor spot. 25 De hovetluͦde synt sulven tyrannen, Laten syck vorschunden van oͤren mannen. Etlyke hebben ock eyn eygen hoͤvet, Nemande he ock beter loͤvet. Hir wyllen se myt dorch de muͦren. 30 Se menen, en kone neymant stuͦren.

31 32

In dessem vefteynhundersten jar Is volck ghekomen, eyne grote schar,

33

De helden dat gulden jar vor tant

34

Unde togen recht in detmerschen lant.

35 Help recht, help krum desse sulven wolden, De detmerschen etlyken vorsten huͦlden scholden. 37 Van der hylghen kerken wolden se de bryngen 36

38

Unde beghunden, de myt walt to dwyngen.

39

Se brukeden oͤren olden orden: 40 Se roveden, se branden, se slogen, se morden.

41 42

Se deden mannygem detmerschen wee. Des sette ick dyt ghedychte meyst uppe dre.

43 44

Do alse de erste intoch gheschach, Dat was in der weken de drydde dach, 45 Dyt was noch al na oͤreme synne. 46 Dre daghe hadden se meldorp ynne, 47

Dre dorper by meldorp vordorven myt brant,

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die Heiligen halten sie in Wahrheit für einen Scherz. Die Anführer selbst sind Tyrannen, lassen sich von ihren Gefolgsmännern reizen. Viele haben auch einen eigenen Anführer; niemandem vertraut dieser mehr (als sich selbst). So wollen sie die Mauern durchbrechen. Sie meinen, niemand könne sie daran hindern. In diesem Jahr 1500 ist ein Heer herangezogen, eine große Menge von Leuten, die das Goldene Jahr nur für Geschwätz hielten und geradewegs in Dithmarschen einmarschierten. Auf jede erdenkliche Weise wollten dieselben, dass die Dithmarscher einigen Fürsten huldigen sollten. Sie wollten sie von der Heiligen Kirche abbringen und begannen, sie mit Gewalt dazu zu zwingen. Sie handelten nach ihrer althergebrachten Weise: Sie raubten, sie brandschatzten, sie schlugen um sich und sie mordeten. Sie fügten vielen Dithmarschern Leid zu. Deshalb verfasse ich dieses Gedicht zum größten Teil mit der Ziffer Drei. Als sich der erste Einmarsch ereignete, das war am dritten Tag der Woche, das war noch ganz in ihrem Sinne. Nach drei Tagen hatten sie Meldorf eingenommen, drei Dörfer in der Nähe von Meldorf wurden durch Brandstiftung zugrunde gerichtet,

47 vordorven] vor doruen.  27 ock eyn eygen] öhr Hs  5. 29 myt] ock mit Hs  11. 30 en] ock en Hs  5. Vor 31 eingefügt + 1500 Hs 3. 32 eyne] in Hs 5, mit eine Hs 11. 35 sulven] fehlt Hs 5. 37 kerken] kerken Bremen D 4b, Hs 5, Hs 8, Hs 9, Hs 11. hylghen] fehlt Hs 5. de] se Hs 8, Hs 9, Hs 11. 38 de] se Hs 8, Hs 9, Hs 11. beghunden] beghynnen Hs 3. 47 myt] se mit Hs 8, Hs 9, Hs 11. 

1 Textabd

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48 49

Dre myle weges quemen se int lant, Dre daghe na sunte valentyn 50 Toghen se in homodygem schyn 51 Uth meldorp, dre stunde up den dach, 52 Dre ferndel weges dar de slachtynge schach, 53 54

Dre sware heere, stolt van mode, To vothe, to perde, myt wagen, myt gude. 55 God gaff den detmerschen sunderlyke sterke.

56 57

Dre hundert quemen allenen to werke. De vechteden unde slogen; se repen an god.

58 59

De garde heldent int erste vor spot. Men altohant betaleden se, 60 Dat se mannygem hadden daen we. 61 Se plegen to beroven de godes huse, 62 Se sparden wer nonnen, kerken efte kluse. 63 64

66 67 68 69

Eyn yslyk de krech hir syn deel. Quemen welke wech, der was nicht veel. 65 Dar na ghyngen se dat ander heer an. Dar storte mannych eddel man. Dat drydde heer syck do vorverde; Desse de weren meyst to perde. Hir weren mede vele stolter heren; 70 De mosten dar nye hoffewerck leren.

71

Sodane buͦthe, alze dar ward ghenomen,

72

Darumme weren se dar nicht ghekomen.

73

Uthe dren kaspelen meyst dyt deden,

74

In dren stunden was yd ghescheden. 75 Van twyntych dusenden dre dusent wech quemen,

drei Meilen zogen sie landeinwärts, drei Tage nach St. Valentin brachen sie hochmütig auf aus Meldorf, nach drei Stunden und nach drei Vierteln der Strecke kam es zur Schlacht, drei bedrohliche stolze Heere, zu Fuß, auf Pferden, mit Wagen, mit beweglicher Habe. Gott verlieh den Dithmarschern besondere Stärke. Nur dreihundert kamen zum Kampf. Die kämpften und schlugen um sich; sie riefen Gott an. Die Garde hielt das zuerst für einen Scherz. Aber sogleich bezahlten sie dafür, dass sie vielen Leid zugefügt hatten. Sie pflegten die Gotteshäuser auszurauben; sie machten weder vor Nonnen und Kirchen noch vor Klöstern halt. Jeder bekam hier seinen Anteil. Konnten auch einige fliehen, so waren es doch nicht viele. Danach griffen sie das zweite Heer an. Da stürzten viele Edelmänner. Das dritte Heer bekam daraufhin Angst; die meisten darunter waren beritten. Dabei waren viele stolze Herren; die mussten dort eine neue Art von Kriegsdienst kennen lernen. Für diese Art von Beute, wie sie dort gewonnen wurde, waren sie nicht gekommen. Männer aus drei Kirchspielen haben dies größtenteils vollbracht, nach drei Stunden war es entschieden. Von zwanzigtausend entkamen dreitausend,

67 vorverde] vor verde.  50 schyn] sin Hs 11. 53, 54 vertauscht Hs 5. 54 erstes myt] fehlt Hs 9, Hs 11. zweites myt] vnd Hs 5. 61 plegen to beroven] beroueden Hs 5. 67 do] ock do Hs 8, Hs 9, Hs 11. 75 twyntych] dortich über twintich Hs 8, dörtich Hs 9. 

Textabdruck und Kommentar 

76 77 78 79

De de flucht unde dat refugium nemen. Wagen, perde, dre dusent myt gude, Dar al by weren volck unde luͦde, Golt, sulver, kleder, dre kamerwagen; 80 Hir wyl ick nu nicht meer na fragen,

81

Wat buͦssen, harnß, perde dar bleven.

82

Homod heft yd dar hen ghedreven.

83 84

Dre heren nemen de flucht in noet Unde ock dre greven lyggen dar doet.

86 87

85 Dremalen teyn rydders sere stolt De lyggen dar doet, dede droghen golt, Dre styge daggen unde swerde myt golde.

88

Dre waghen myt honren, de men braden scholde Den sulven dach, want en were gheluͦcket.

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die die Flucht nahmen und Zuflucht suchten. Wagen, Pferde, dreitausend mit Besitztümern, bei denen auch Gesinde und Leute waren, Gold, Silber, Kleider, drei Kammerwagen; an diesem Punkt will ich nun nicht weiter nachfragen, wie viele Geschütze, Rüstungen und Pferde zurückblieben. Hochmut hat dazu geführt. Drei Herren ergriffen in der Not die Flucht und ferner liegen dort drei Grafen tot auf dem Schlachtfeld. Dreimal zehn überaus stolze Ritter, die Gold bei sich trugen, drei Stiegen von mit Gold beschlagenen Dolchen und Schwertern, liegen dort tot. Drei Wagen mit Hühnern, die noch am

96

So moghe wy de juͦchen mede supen.“

selben Tag gebraten werden sollten, wenn es ihnen geglückt wäre. Diese Hühner waren bereits gerupft, mit Rosinen und Kräutern gefüllt. Aber die Dithmarscher sind sonderbare Leute. Sie hatten keine Zeit, die Hühner zu braten. Sie sprachen: „Wir werden doch wohl mit ihnen fertig werden. Wir werden die Hühner in großer Menge abkochen, dann können wir die Brühe mitschlürfen.“

97 98 99 100 101 102

Dre wagen myt tortysyen, de men vor heren Plecht to bernen en to eren, De worden nu in dren kerken ghebrent Unde in den denst Marien ghewent. Dat hebbe ick gheseen, se synt van wasse, So warlyken alse ick byn eyn sasse.

Drei Wagen mit Fackeln, die man zu Ehren der Herren anzuzünden pflegt, die wurden nun in drei Kirchen entfacht und in den Dienst Marias gestellt. Das habe ich gesehen, sie sind aus Wachs, so wahr wie ich ein Sachse bin.

103

Dre sunderlyke wyse, de wunderlyk syd,

Drei besondere Handlungsweisen, die ganz erstaunlich sind,

91 92 93 94

90 Desse honre weren alrede ghepluͦcket, Ghevullet myt rosynen unde kruͦde. Men de detmerschen synt seltzene luͦde. Se hadden neyne tyd, de honre to braden. Se spreken: „wy wyllen en doch wol raden. 95 Wy wyllen de seden in eyneme hupen,

88 de men] demen. 93 to braden] tobraden. 97 de men] demen. 79 dre] fehlt Hs 9, Hs 11. 84 lyggen] bleuen Hs 5. 91 rosynen] honer Rosinen Hs 11. 95 de] se Hs 3, Hs 8, Hs 9, Hs 11. 98 en] fehlt Hs 5. 99 nu] do Hs 5. dren] der Hs 3. 100 Marien] gades Hs 5. 103 sunderlyke] wunderliche Hs 11. de wunderlyk syd] dre sonderlike sitte Hs 11. 

204 

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104 105 106 107 108 109 110 111

Brukeden de detmerschen in deme stryd. Dat erste leet seer othmodichlyck. Eyn crucifix, dat was seer barmelyk, Dat leten se vor syck henne dregen. Myt ynnygem ghebede se dat an segen, Ghelyk de joden de erene slangen, De moyses vor se leet up hangen Jegen de boͤsen slangen in der wosteny,

112

So gheschreven steyt in deme boke numeri.

113

De ander wyse, de wunderlyk is:

114 Eyne junckfrouwe ghynck vor in der spyß. 115 Se schonde nicht dat unghevoch. 116 117 118 119 120 121

Desse sulve de banneren droch. Junckfrouweschop lovede se alle oͤre dage, Weret gode in syneme behage Unde der salygesten junckfrouwen Marien, Dat he dyt volck wolde fryen Van den ummylden unde van der nod.

122

De drydde wyse was wunderlyken grod

123

Unde is: do se den vyenden wolden moͤten,

124 Treden se to en myt barfeden voͤten. 125 Se repen alle: „help, maria mylde!“ 126

Se worpen van syck krefete, hoͤde unde schylde.

127 128 129

Wo wol de name gruwelyk leth, Dusent duͦvels werff de sulve stede heth, Dar desse mord unde slachtynge schach.

130 So heft se gheheten mannygen dach. 131 132

Dre stunde vor avende de detmerschen quemen Unde manlyken meldorp wedder in nemen.

wendeten die Dithmarscher im Kampf an. Die erste ging sehr demütig vonstatten. Ein Kruzifix, das sehr mitleiderregend aussah, das ließen sie vor sich hertragen. Mit innigem Gebet sahen sie es an, ganz so wie die Juden die kupferne Schlange, die Moses vor ihnen aufhängen ließ gegen die gefährlichen Schlangen in der Wüste, wie es im Buch Numeri geschrieben steht. Die zweite Begebenheit, die bemerkenswert ist: Eine Jungfrau führte die Spitze ihres Zuges an. Sie scheute sich dabei nicht vor der Unschicklichkeit. Diese trug das Banner. Keuschheit gelobte sie ihr Leben lang, wenn es Gott und der heiligsten Jungfrau Maria gefiele, dass Gott dieses Volk befreien wollte von den Grausamkeiten und von der Bedrängnis. Die dritte Handlungsweise war außergewöhnlich wirkungsvoll und ist es noch: Als sie den Feinden entgegentreten wollten, schritten sie barfuß voran. Sie riefen gemeinsam: „Hilf, barmherzige Maria!“ Brustharnisch, Hüte und Schilde warfen sie von sich. Obwohl der Name grauenhaft erscheint, Dusentdüwels-Warf heißt eben dieser Ort, wo sich dieser Mord und Totschlag ereignet hat. So hat er lange Zeit geheißen. Drei Stunden, bevor es Abend wurde, kamen die Dithmarscher und eroberten Meldorf mutig wieder zurück.

119 junckfrouwen] yunckfronwen. 128 Dusent duͦvels werff] Dusent duͦuels werff ✠.  107 syck] fehlt Hs  8, Hs  9, Hs  11. 119 salygesten] saligen Hs  8, Hs  9, Hs  11. 128 werff] berch Hs 11. 

Textabdruck und Kommentar 

 205

133 134 135 136

Vele spyse, ghedrencke se dar vunden, Dre vathe wyns grod wol ghebunden. Se druncken unde seden oͤm gude nacht, De en den wyn dar hadde ghebracht.

Dort fanden sie viele Speisen und Getränke, drei große gut gebundene Fässer Weins. Sie tranken und sagten ihm gute Nachte, der ihnen den Wein gebracht hatte.

137 138

Sennacheryb, Pharo unde Josue, Wunder dede god dessen alle dre:

139

Myt eynem was god, den anderen entjegen.

Sanherib, Pharao und Josua, allen dreien ließ Gott Erstaunliches widerfahren: Einem stand Gott bei, den anderen stellte er sich entgegen. Von Zeichen dieser Art ist ein Teil am selben Tag in dem Land geschehen, einigen zur Ehre, anderen zur Schande.

140 Van dessen teken eyn deel dar schegen 141 Den sulven dach in deme lande, 142 Etlyken to eren, etlyken to schande. 143 De detmerschen spreken int ghemeyn: 144 „Dyt sulve hir nu is ghescheyn. 145 Dat legge wy to der gotlyken macht, 146 147

Wente uns vele quades was to ghedacht.“ Dyt hebben de detmerschen dem sulven bericht, 148 De ersten schreff dyt kleyne ghedycht 149 Dar sulvest in deme detmerschen lande. 150 Wowol de wunder syn mannigerhande, 151

Doch sunderlyk syn dre sere grod.

152 153 154

Dre hylgen repen se an in nod: Marien, sunte Jurgen unde Valentyn. Dre maente scholde noch de frede syn.

155 De wart den detmerschen nicht gheholden. 156

Dar umme storven junge unde olden,

157 158

Ja vele volkes mannigerleye, Wente yd stunt in daghe wente tome meye.

159 160 161 162

De desses al eyn hovetman iß, Antworden mod he al ghewyß. Vor desse, de dar synt ghestorven, Ock vor al dat, hir umme wert vordorven,

Die Dithmarscher sagen alle: „Dasselbe ist nun hier geschehen. Das führen wir auf die göttliche Macht zurück, denn uns sollte viel Böses zugefügt werden.“ Dies haben die Dithmarscher demselben berichtet, der als erster ebendort in Dithmarschen dieses kurze Gedicht niederschrieb. Obwohl die erstaunlichen Begebenheiten so zahlreich und verschieden sind, sind doch im Besonderen drei sehr bedeutend. Drei Heilige riefen sie in ihrer Bedrängnis an: Maria, St. Georg und St. Valentin. Drei Monate sollte der Frieden noch andauern. Der wurde den Dithmarschern aber nicht gehalten. Aus diesem Grund starben junge und alte Leute, ja unzählige Menschen, denn der Frieden wurde vertagt bis zum Monat Mai. Derjenige, welcher der Anstifter all dessen ist, der muss sich zweifellos verantworten. Für diejenigen, die dort gestorben sind, ferner für all das, was dafür verwüstet wurde,

133 se dar vunden] fehlt Hs  3. 134 wol] vnde wol Hs  8, Hs  9, Hs  11. 135 oͤm] ehne Hs  9, Hs  11. 136 hadde] hedden Hs  9, Hs  11. 138 alle] fehlt Hs  11. 139 den] dußen Hs  8, Hs  9, Hs 11. 151 sere] fehlt Hs 5. 162 fehlt Hs 5. hir umme] darumme Hs 11. 

206  163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174

 Edition

Ja, vor dat alder mynste hoen Mod he gode rekenschop doen, Dat hir umme sus wert vorherd, Wol is dat jo nicht vele werd, Noch meer vor vader unde vor kynder, De desses hebben groten hynder. Wan god en esschet unde anklopt, Wente unschuldich blod in den hemmel ropt, Hir vor mod he setten pand, Dat mere is dan voet unde hand. Dyt derf men nicht holden vor spot, Wente rechtferdich is de almechtyghe god.

175 De detmerschen ghyngen meyst tor bycht 176 Unde hebben syck ock myt gode bericht,

ja, für den allergeringsten Hohn muss er vor Gott Rechenschaft ablegen, für das, was hier zugrunde gerichtet wurde, obwohl das keinen großen Wert besitzt, mehr noch für Väter und Familien, die dadurch großen Schaden erlitten haben. Wenn Gott ihn ruft und an seine Tür klopft, weil unschuldiges Blut zum Himmel schreit, muss er hierfür ein Pfand geben, das größer ist als Fuß und Hand. Dies darf man nicht als Scherz auffassen, denn der allmächtige Gott ist gerecht.

177 178 179 180 181 182

Dre maente unde ock vor desser tyd. Unde beden gode myt allem flyd, Dat he dem rechten helpen scholde. Dar moste vasten beyde junck unde olde In dren maenten etlyke daghe. Dre lofte loveden se gode to behaghe

183 184

Marien unde oͤren hylgen patronen, Up dat god oͤrer wolde schonen.

Die meisten Dithmarscher gingen zur Beichte und haben außerdem die heilige Kommunion empfangen, drei Monate lang und auch vor dieser Zeit. Und sie haben eifrig zu Gott gebetet, dass er dem Gerechten beistehen sollte. Jung und Alt musste dort drei Monate lang viele Tage fasten. Drei Versprechen gaben sie ab, um Gottes Gunst zu erlangen, gegenüber Maria und ihren Schutzheiligen, damit Gott sie schonen wollte.

185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196

In detmerschen hebbe ick desse word Van mannygem fynen manne ghehord, De se my sulven hebben ghesecht. Se spreken: „ach god, hebbe wy recht, Laet uns denne jo nicht vorderven. Sy wy unrecht, so laet uns sterven. Sy wy ock recht, so wyl uns fryen Dorch vorbyddent der junckfrouwen marien, De wy hebben vor unse patronen. Wyl desses armen volkes schonen. Do unsen vyenden sodans to wetten Dar myt se uns moghen vorgetten.“

In Dithmarschen habe ich diese Worte von vielen rechtschaffenen Männern gehört, die sie mir selbst wiedererzählt haben. Sie sprachen: „Ach Gott, haben wir recht, dann lass’ uns nicht zu Grunde gehen. Sind wir im Unrecht, dann lass’ uns sterben. Wenn wir gerecht sind, dann befreie uns durch die Fürbitte der Jungfrau Maria, die unsere Patronin ist. Verschone dieses arme Volk. Lass dies unsere Feinde wissen, damit sie uns vergessen mögen.“

197 198

Mannygem hadde de garde ghedan wee. Se achteden nicht vele der kristene ee.

Vielen hatte die Garde Leid zugefügt. Sie hatten keine Achtung vor den christlichen Geboten.

169 anklopt] an klopt. 173 derf men] derfmen. 175 tor bycht] torbycht.  166 jo] fehlt Hs 5. 176 ock] fehlt Hs 5. 178 Unde beden gode] Gadt repen se ahn Hs 5. 180 beyde] fehlt Hs 5. 182 Dre] Dutt Hs 8, Hs 9, Hs 11. 187 De] Dat Hs 3. 189 Laet … jo] so laet vns jo Hs 5. 190, 191 Sy] heb Hs 5. 191 uns] wi vnß Hs 8, Hs 9, Hs 11. 192 vorbyddent] de ehre Hs 5. 

Textabdruck und Kommentar 

199

Se vruchteden ock weynich den almechtygen god. 200 Se heelden eyn deel de hylghen vor spot. 201 Se repen: „o bur, amechtygher wycht, 202 Vorlaet dy nu up de hylghen nicht. 203 De kele schal dy aff in desser stunt; 204 Ick wyl dy morden alze eynen hunt. 205 Dyn wyff, dyn gud wyl ick dar tho 206

Hebben, eer yd wert morgen vro!“

207 208

Myt sodaneme volcke vul veler schande Wyl men nu dwyngen stede unde lande.

209

Want nu hir noch mochte by blyven!

210 Doch desse konen nicht meer bedryven, 211 212 213 214 215 216 217

De dar nu sus nedder lyggen In deme drecke alze andere snyggen. God wes gnedich den selen al, Den dar men vor bydden schal, Wente mannich ward dar hen ghebracht, De ghedwungen wart darto myt macht, De dar ock jammerlyck is vorslagen.

218

Desse mach men wol meyst beklagen.

219 De vorste is aller ere werd, 220 De der krystenheyt vromen begherd. 221 Em behoret to dencken dach unde nacht, 222

Wo de krystenheyt moghe blyven by macht,

223 224 225 226

De seer affbryckt nu tor tyd. Se swaket gantz sere up alle syd. Dyt scholden de vorsten alle keren, Dar umme hetet men se gnedyghe heren.

 207

Sie fürchteten auch kaum den allmächtigen Gott. Sie verhöhnten einige der Heiligen. Sie riefen: „Ach Bauer, du machtloser Wicht, verlass dich bloß nicht auf die Heiligen. Die Kehle soll dir jetzt durchgeschnitten werden; ich werde dich wie einen Hund ermorden. Deine Frau und deinen Besitz will ich auch haben, noch ehe der Morgen anbricht!“ Mit Söldnerheeren voller Schande wie diesem will man gegenwärtig die Leute in Stadt und Land unterdrücken. Wenn es nun wenigstens hierbei bleiben könnte! Doch zumindest diejenigen können nichts mehr ausrichten, die jetzt dort im Dreck liegen wie sonst nur Schnecken. Gott erweise alljenen Seelen Gnade, für die man dort beten wird, denn viele hat man dort hingeführt, die mit Gewalt dazu gezwungen wurden und die dort ebenso einen erbärmlichen Tod fanden. Diese mag man wohl am meisten beklagen. Derjenige Fürst verdient jede Ehre, der danach strebt, der Christenheit zu dienen. Für ihn gehört es sich, Tag und Nacht darüber nachzudenken, wie die Christenheit bei ihrer Geltung bleiben könne, die derzeit deutlich abnimmt. An allen Enden wird sie schwächer. Das sollten die Fürsten abwenden, darum nennt man sie gnädige Herren.

202 Vorlaet] Vor laet. 208 Wyl men] Wylmen. 214 dar men] darmen. 218 mach men] machmen. 226 hetet men] hetetmen.  199 ock] fehlt Hs 5. 200 heelden] hebben Hs 5. 202 nu] fehlt Hs 11. 207 veler] sodaner Hs 5.

208 

 Edition

227

Vele vorsten hir nu entjegen doet,

228

Vorgheten ane noet krystene bloet.

229 Se scholden up de unkristene slan; 230 So sprickt nu de ghemeyne man. 231 Se boren jo up der werlde plycht! 232

Dat men dyt sprickt, en achten de heren nicht.

233 234 235 236 237 238

O, gy eddelen stede unde lande, Bedencket godes woldaet mannygerhande. Jhesus, unse here unde unse broder, Dar to Maria, syne werdyghe moder, Vul aller gnaden, hyllich der hyllyghen, Weren meer othmodich – unde dat gantz wyllyghen, 239 So jennich mynsche juͦ is ghewest, 240 So men in deme waren ewangelio lest. 241 242 243

Worumme wyl wy dan hofardich syn? Na homod volget ewyghe pyn. Eyn homodich mynsche nicht lange stath,

244

He vallet gantz draden, wo yd ock ghath.

245 Vor gode is homod ewyghe schande. 246 Dorch homod vorderven stede unde lande. 247 248

Up dat uns ock so nicht enschee, Id is rad, eyn yslyck by tyden to see

249 Up syck sulven, up wyff, up kynt, 250 Up alle, de in syneme bevele synt. 251 Legget wech den fleghe, de sundyghen dracht, 252 Dar myt god in tornicheyt wert ghebracht.

Viele Fürsten handeln hierzu entgegengesetzt, vergießen ohne jede Notwendigkeit Christenblut. Sie sollten gegen die Unchristen kämpfen; das sagt jetzt der gemeine Mann. Sie nehmen doch den Dienst an der Welt auf sich! Dass man dies sagt, beachten die Herren nicht. Oh, ihr guten Leute in Stadt und Land, denkt an Gottes vielfältige Wohltaten. Jesus, unser Herr und unser Bruder, dazu Maria, seine würdevolle Mutter, reich an Gnaden, heilig unter den Heiligen, diese waren demütiger – und dies ganz bereitwillig, als irgendein Mensch jemals gewesen ist, wie man im wahrhaften Evangelium lesen kann. Warum wollen wir dann hochmütig sein? Auf Hochmut folgt die ewige Verdammnis. Ein hochmütiger Mensch steht nicht lange aufrecht, er fällt ganz schnell, in welcher Art und Weise auch immer. Vor Gott bedeutet Hochmut ewige Schande. Wegen Hochmuts gehen Stadt und Land zugrunde. Damit uns das nicht auch geschieht, ist es ratsam, dass ein jeder beizeiten Acht gibt auf sich selbst, auf Frau und Kind und auf alle, die ihm anvertraut sind. Legt euren Schmuck und eure sündhafte Kleidung ab, womit Gott in Zorn versetzt werden kann.

228 Vorgheten] Vor gheten. 230 sprickt nu] ſpricktnu. 232 Dat men] Datmen. 234 Bedencket] Be dencket. 240 So men] Somen. 227 nu] fehlt Hs  5. 232 de heren] se Hs  8, Hs  9, Hs  11. 238 dat] fehlt Hs  5. 239 juͦ] it Hs  9, Hs  11. 241 dan] doch Hs  5. 247 ock] fehlt Hs  3. 249 up wyff, up kynt] vp syne vndersaten Hs 2. 252 tornicheyt] truricheit Hs 9. 

Textabdruck und Kommentar 

 209

253 254 255 256

De hir nu meer wyl van weten, De lese Jesayam den hyllygen profeten. In deme drydden capittel vynstu dat stan, Wor umme Jherusalem eyns moste vorghan.

Wer hier nun mehr von wissen will, der soll Jesaja, den heiligen Propheten, lesen. Im dritten Kapitel findest du festgehalten, warum Jerusalem einst untergehen musste.

257 258 259 260 261 262

Dyt kleyne ghedychte is sus bereth, In korter tyd tho samende gheseth Gode to love unde to eren, To werdicheyt allen kristlyken heren, Ock allen eddelen unde meenheyt vorware, Unde is gheendyghet in deme guldene jare.

263 264

God gyff dynen krystenen eyndrechticheyt, Dynen frede unde ewyghe salicheyt.

Dieses kleine Gedicht ist nun fertiggestellt und in kurzer Zeit zusammengesetzt worden zum Lobe und zu Ehren Gottes, zur Würdigung aller christlichen Herren, ferner für alle Adligen und die Allgemeinheit, und es wurde vollendet in dem Goldenen Jahr. Gott, gib deinen Christen Eintracht, deinen Frieden und ewiges Heil.

265 Dat gulden jar plach ane var 266 In olden tyden to wesen. 267 Men nu ysset so nicht, so hir wert berycht, 268 269

De dyt ghedychte wyl lesen. Wol ysset ghewyß, mannich forste nu is,

270 De node dar entjegen dede, 271 Unde is dar na, wo yd ock gha, 272 273 274 275 276 277

Belevet alle tyd den frede. Homod unde ghyricheyt, de dar na steyt, Den kan men nicht wol saden. Hir van kumpt vele quad in alleme stad, Desse anrichten vele des quaden. Wor eyn yslyck na rynget, dat sulve em brynget, 278 He kricht dar van eyn stucke. 279 God wyl en gheven, dede frede beleven, 280 In oͤreme vortgange ghelucke.

Das Goldene Jahr pflegte in der Vergangenheit eine gefahrlose Zeit zu sein. Aber nun ist es das nicht mehr, wie hiermit demjenigen kundgetan wird, der dieses Gedicht lesen wird. Es ist aber auch gewiss, dass es heutzutage viele Fürsten gibt, die ungern dagegen handeln würden, die im Gegenteil vielmehr danach streben, ganz gleich wie es auch kommen mag, und die stets den Frieden vorziehen. Wer auf Hochmut und Gier aus ist, den kann man nicht sättigen. Hieraus ersteht überall viel Böses, das wiederum viel Böses anrichtet. Wonach ein jeder strebt, das wird ihm zuteil, davon bekommt er ein Stück. Gott wird denen, die den Frieden vorziehen, auf ihrem weiteren Weg Glück bringen.

254 Jesayam] Jsayam. 264 salicheyt.] salicheyt ✠, darunter Holzschnitt. 265–280 auf der Rückseite (6b). 274 kan men] kanmen. 253 nu] um Hs 8. 254 hyllygen] fehlt Hs 5. 255 dat] fehlt Hs 8, Hs 9, Hs 11. 262 guldene] fehlt Hs 3. 263 eyndrechticheyt] einicheit Hs 5. 264 salicheyt] ſalicheyt τέλος Hs 3, Salicheit. Amen Hs 8, Hs 9, Hs 11. Folgt nach 264 Epigramma / vam Gulden Jahre Hs 8, Hs 9, Hs 11. 267 erstes so] fehlt Hs 8, Hs 9, Hs 11. 275 vele] fehlt Hs 5. 277 eyn yslyck] einer Hs 5. em brynget] en linget Hs 5. 279 frede] freue Hs 9. 280 In … ghelucke] de Salicheit, vnd hir gelücke / amen Hs 5.

210 

 Edition

Textgeschichte Überlieferungsträger: D 4; Hs 2, Bl. 300r–301v (Exzerpte); Hs 3, S. 23–38; Hs 5, Bl. 42r–43v; Hs 8, Bl. 226r–229v; Hs 8.1, Bd. 1, S. 1087–1101; Hs 8.2, S. 749–760; Hs 8.3, S. 394–401; Hs 9, Bl. 135r–139v, Epigramm Bl. 140v; Hs 9.1, Bl. 128v–132v, Epigramm Bl. 133v; Hs 9.2, S. 210–216, Epigramm S. 218; Hs 9.3, Bl. 135r–139v, Epigramm Bl. 140v; Hs 9.4, S. 240–249, Epigramm S. 251; Hs 9.5, S. 476–487, Epigramm S. 494; Hs 9.6, S. 156–161; Hs 9.7, S. 188 (Exzerpt: V. 3–8); Hs 9.8, S. 287–303, Epigramm S. 308–309; Hs 9.9, S. 130–136, Epigramm S. 138; Hs 9.10, S. 180–185, Eprigramm S. 187; Hs 9.11, S. 187 (Exzerpt: V. 3–8); Hs 11, Bl. 97r–102r. – Cod. Holm. D 8, KB Stockholm, S. 413–425.

Die schriftliche Überlieferung der Reimpaardichtung Nr. 2 begann noch im Jahr 1500 und reichte bis weit in das 18. Jahrhundert hinein. Die räumliche Verbreitung erstreckte sich vor allem auf Norddeutschland; eine schwedische Übertragung aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts bildet hier die Ausnahme und belegt mit der Handschrift Cod. Holm. D 8 die Rezeption des Textes im skandinavischen Raum. Mit Blick auf die handschriftliche Rezeption im 17. und 18. Jahrhundert ist eine Konzentration auf das Land Dithmarschen zu beobachten. Die Befunde zur Distribution des Textes einerseits und zu den medialen Formaten seiner Überlieferung andererseits geben die Umrisse von drei textgeschichtlichen Phasen zu erkennen: (a) die Verbreitung des Textes im Jahr 1500 in mehrblättrigen, illustrierten Quartdrucken, (b) die Rezeption im 16. Jahrhundert in Handschriften unterschiedlichen Zuschnitts, (c) die Tradierung in den Dithmarscher Landeschroniken im 17. und 18. Jahrhundert. a) Am Beginn steht die Publikation der Reimpaardichtung in einem Druck aus dem Jahr 1500 aus der Lübecker Offizin von Steffen Arndes (D 4). Er bezeugt den Text in zwei verschiedenen Varianten: Variante a hat in Vers 37 den Wortlaut: Van der hylghen kerken wolden se de bryngen; in Variante b wird die Angabe kerken erweitert um den Ortsnamen Bremen. Die Varianz rührt nicht aus dem Neusatz der Druckform her, sondern aus der Bearbeitung des Satzes während des Druckvorgangs (vgl. Katalogeintrag zu D 4). Aus diesem Umstand folgt, dass von Anfang an beide Textvarianten in Umlauf waren. Die Inkunabel ist ausgestattet mit einem Titelblatt, auf dessen Vorderseite ein Titeltext (V. 1f.), ein Holzschnitt sowie eine sechszeilige Reimpaarversgruppe (V. 3–8) untereinander angeordnet wurden. Die letzte Seite des Druckes enthält ein Epigramm (V.  265–280)18. Aus der typographischen Gestaltung des Druckes

18 Weitere Beispiele für Epigramme (zur Begriffsverwendung siehe unten ‚Literarischer Kommentar‘) gibt Kieslich 1958, S. 29.

Textabdruck und Kommentar 

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erhellt, dass die genannten Textteile auf den Außenseiten des Mediums als Beitexte aufzufassen sind. Daraus folgt wiederum, dass der Text, der die Verse 9 bis 264 umfasst und auf den Innenseiten angeordnet ist, als Haupttext anzusprechen ist. Neben dem Holzschnitt auf der Titelseite weist der Druck einen weiteren Holzschnitt auf der vorletzten Seite auf. Beide Darstellungen finden sich auch in dem Lübecker Narrenschiff-Druck von 1497. Die typographische Gestaltung des Druckes, vor allem die Gestaltung des Titelblattes, indiziert die Zugehörigkeit der Reimpaardichtung zur moraldidaktischen Literatur des Spätmittalters.19 b) An die erste Phase der Entstehung und Verbreitung von Nr.  2 im Jahr 1500 schließt sich die handschriftliche Tradierung im 16. Jahrhundert an, die nicht allein hinsichtlich der divergenten Formen der Textverarbeitung auffällt, sondern auch durch die Vielfalt der Überlieferungsformate. An ihrem Beginn steht die schwedische Bearbeitung des Stückes, die 1503 in Stockholm von Sven Mansson besorgt wurde und in einer Handschrift aus dem Ende des 16. Jahrhunderts bezeugt ist.20 Es folgt die Aufnahme in eine Sammelhandschrift mit der Passion Christi als Hauptstück und weiteren religiösen Texten, die nach 1524 enstanden ist und vermutlich aus einem norddeutschen Frauenkloster stammt (Hs  2). Die Berücksichtigung von Nr. 2 in diesem Manuskript ist dabei in zweierlei Hinsicht besonders: Zum einen handelt es sich lediglich um Auszüge aus der Reimpaardichtung, die keinen Bezug zum Ereignis in Dithmarschen aufweisen, sondern für sich genommen teils als apodiktische, belehrende oder klagende Reimpaarversgruppen mit Gott- und Weltbezug charakterisiert werden können, und die als solche zu einer Reihe von weiteren Kleintexten dieses Typs gruppiert wurden.21 Zum anderen erscheinen die Exzerpte aus Nr. 2 hier in einer Symbiose mit einem Auszug aus der Reimpaardichtung Nr. 1 (vgl. unten Exzerpt 3), womit die bewusste Handschrift eine frühe Ausprägung der Überlieferungsgemeinschaft von Nr.  1 und Nr.  2 belegt, die sich später auch bei Johann Russe (Hs  3) und Johannes

19 Siehe hierzu die Beschreibung der Holzschnitte im Katalogeintrag von D 4 und der Beitexte im literarischen Kommentar unten. Vgl. auch Brandt, Doreen: Typographie und Aufführung. Annäherungen an die Performativität einer gedruckten Reimpaarrede in sprachlicher und materieller Perspektive. In: Sprechen, Schreiben, Handeln. Interdisziplinäre Beiträge zur Performativität mittelalterlicher Texte. Hrsg. von Annika Bostelmann / Doreen Brandt / Kristin Skottki. Unter redaktioneller Mitarbeit von Hellmut Braun. Münster / New York 2017, S. 15–45. 20 Die Handschrift wird beschrieben von Blomqvist, Gunnar (Hrsg.): Den fornsvenska dikten om ett gyllene år. Uppsala 1970, S. 46–49. 21 Vgl. Abdruck der Exzerpte unten.

212 

 Edition

Neocorus (Hs 8) zeigt und sich auf der Grundlage des letzteren bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts fortgesetzt hat (Hs 9, Hs 11).22 Der in Lunden lebende Dithmarscher Johann Russe zeichnete das Stück Nr. 2 1533 in einem Zuge mit Nr.  1 und zwei Gefallenenlisten der Schlacht bei Hemmingstedt in einem schmalen Heft auf; die Lieder Nr.  4, 5 und 6 fügte er nach und nach in den folgenden Jahren hinzu. Das besagte Heft wurde später zusammengebunden mit weiteren Schriften von Russes Hand, darunter überwiegend Abschriften, welche die Geschichte Dithmarschens betreffen. Das heißt, mit der kleinen Sammelhandschrift von Johann Russe liegt das älteste bekannte Zeugnis für die Rezeption von Nr. 2 im historiographischen Kontext vor, während D 4 und Hs 2 die Zirkulation und Aneignung des Textes im Zusammenhang von religiöser Unterweisung und Erbauung indizieren. Um eine aus einzelnen Faszikeln zusammengesetzte Handschrift mit historischem Sammelschwerpunkt handelt es sich auch bei dem nach 1554 im niederdeutschen Raum entstandenen Manuskript Hs 5. Anders als bei Hs 3 sind die ursprünglich selbständigen Hefte hier jedoch unterschiedlicher Provenienz. Die Reimpaardichtung Nr. 2 steht hier im Verbund und von gleicher Hand niedergeschrieben mit der Chronik der nordelbischen Sachsen sowie mit chronikalischen Aufzeichnungen zur Geschichte Dithmarschens und Holsteins. Am Ende der Tradierung im 16. Jahrhundert steht die Dithmarscher Landeschronik von Johannes Neocorus (Hs 8), die derselbe nach Ausweis des Titelblattes, das dem Autograph vorgeschaltet ist, im Jahr 1598 in Büsum verfasste. Wieder erscheint das Stück Nr.  2 in Gemeinschaft mit der Reimpaarrede Nr.  1; zudem notierte Neocorus die Lieder Nr. 8, 9, 10 und 11. Anders als Russe erfasste Neocorus die Ereignisdichtungen nicht als Sammelstücke zusammen mit anderen Quellen zur Dithmarscher Geschichte, sondern inserierte sie in seine Chronik als Anhang zur Darstellung der Schlacht bei Hemmingstedt. Die Reimpaarrede Nr. 2 nimmt bei ihm hinter der Nr. 1 und vor Lied Nr. 8 die zweite Stelle im Textverbund ein. Neocorus war vermutlich in Besitz eines Druckexemplars von Nr.  2. Dies geht aus einer Notiz Bl.  272r hervor, mit der der Chronist noch einmal auf den Text Bezug nahm und in diesem Zusammenhang eine Anmerkung zum Titel-

22 Ein anderes Zeugnis dieser Symbiose, in materieller Ausprägung, liegt mit dem Bremer Exemplar des Druckes D 4 vor, dem das Titelblatt eines Exemplars von D 3 vorgeheftet wurde. Zu welchem Zeitpunkt die beiden Drucke verbunden wurden, lässt sich allerdings nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Federproben auf D 3 lassen sich zwar aufgrund des paläographischen Befundes auf den Beginn des 16. Jahrhunderts datieren, können jedoch schon älter sein als die Zusammenführung beider Drucke. Ungeklärt ist überdies, wann diese materielle Einheit an das Bremer Exemplar des Lübecker ‚Reynke de vos‘-Druckes von 1498 erfolgt ist, auf welche Prien 1884, S. 89, hinweist.

Textabdruck und Kommentar 

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holzschnitt machte: Hic inserta erat imago aliquot implentium saccum.23 Darüber hinaus indiziert auch die Einrichtung des Textes die Kenntnis des Druckes: Zum einen entspricht die Gliederung des Textes durch Absätze und Leerzeilen der typographischen Einrichtung der Reimpaardichtung – was im Übrigen auch auf die Aufzeichnungen von Nr. 2 in Hs 3 und Hs 5 zutrifft. Zum anderen setzte Neocorus die Paratexte deutlich vom Haupttext ab: Das Titelreimpaar überschrieb er mit Titull; vor die Reimpaarversgruppe setzte er das Wort Emblema, womit er vermutlich auf die Text-Bild-Verbindung von Holzschnitt und Spruchkette auf dem Titel des Druckes anspielte, die als graphisch-literarische Kunstform im 16. Jahrhundert etabliert wurde;24 den Beginn des Haupttextes (V. 9) zeichnete er mit der Überschrift Carmen aus und den Text auf der Rückseite des Druckes (V. 265–280) wies er schließlich als Epigramma Vam Gulden Jahre aus. Die Niederschrift von Nr.  2 in Hs  8 indiziert neben der schreiberseitigen Reflexion des Textaufbaus und der Texteinrichtung in der gedruckten Vorlage auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Reimpaardichtung. Denn der Chronist reicherte den Text mit umfangreichen erläuternden und kommentierenden Anmerkungen an (vgl. unten). Dass Neocorus der Urheber dieser Glossen ist, legt auch die Überschrift von Nr. 2 nahe: Ein Anders mitt schonen gloßlin nun erst vorbetert und vormehret. Die umfangreichste Randbemerkung beschäftigt sich mit der Geschichte und der Bedeutung des Jubeljahrs und bezieht sich auf Vers 2, in dem von dem Goldenen Jahr die Rede ist. Darüber hinaus weist Neocorus mehrfach die Stellen des Alten Testaments nach, die in der Reimpaarrede alludiert werden. Mehrheitlich handelt es sich bei seinen Kommentaren jedoch um die Konkretisierung von Angaben, die den Hergang des Vorfalls bei Hemmingstedt betreffen (Glossen zu V.  44, 45, 53, 73, 83, 84, 125, 154). Insgesamt belegt der Überlieferungsbefund in Hs 8 eine Rezeptionsform, die nicht etwa auf die bloße Textsammlung abzielt, wie das die Aufzeichnungen von Nr. 2 in den Manuskripten Hs 3 und Hs 5 zum Ausdruck bringen. Vielmehr manifestiert sich in Hs 8 ein Umgang mit der Reimpaardichtung, dessen wesentliches Merkmal in der Texteinbindung und -erschließung zu sehen ist. c) Die Chronikhandschrift von Neocorus ist textgeschichtlich gesehen End- und Anfangsspunkt zugleich: Sie beschließt einerseits die Reihe der divergenten Rezeptionsformen im 16. Jahrhundert und bildet andererseits die Voraussetzung

23 ‚Hier war ein gefüllter Geldsack auf einem Bild eingefügt.‘ 24 Zum Emblem als Vertreter der lehrhaften Dichtung „mittels einer Kombination von Wort und Bild“ vgl. Scholz, Bernhard F.: Emblem. In: RL 1 (2007), S. 435–438, hier S. 435.

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für die Rezeption der Reimpaardichtung im 17. und 18. Jahrhundert, denn ausnahmslos alle Aufzeichnungen dieser Phase lassen sich auf diesen Codex zurückführen. Zum ersten sind dies die Abschriften vom Autograph Hs  8 (Hs  8.1–3), zum zweiten die Bearbeitung des Dithmarscher Chronisten Hans Detleff aus Windbergen aus dem Jahr 1634 (Hs 9) und die zahlreichen Reproduktionen, die unter seinem Namen firmierten (Hs 9.1–11), und zum dritten die kleine Sammelhandschrift aus dem 17. Jahrhundert von einem unbekannten Schreiber, die als Faszikel zusammen mit anderen Schriften in Hs 11 eingebunden ist. Wo Provenienzvermerke vorhanden sind, verweisen diese überwiegend auf Entstehung und Gebrauch der Handschriften in Dithmarschen und vereinzelt in Holstein (Hs 8.1–3, Hs 9.1, Hs 9.3, Hs 9.5, Hs 9.7–11). Die Überlieferungsbefunde von Nr. 2 zeigen danach nicht allein eine Konzentration auf das Medium der Chronikhandschrift in Codexform, sondern auch auf die Distribution des Textes in Dithmarschen. Da es sich bei den bewussten Manuskripten mit Ausnahme von Hs 11 um Dithmarscher Landeschroniken handelt, überrascht dieser Zusammenhang nicht. Hinsichtlich der Textsituierung in der Chronik und im Verbund der Reimpaardichtungen und Lieder, die sich auf die Schlacht bei Hemmingstedt beziehen, folgen die Niederschriften jeweils dem Autograph von Neocorus. Dies trifft auch zu auf die Ausstattung des Textes mit der von Neocorus vergebenen Überschrift, ferner auf die Auszeichnung der betreffenden Textteile mit den Begriffen ‚Titel‘, ‚Emblem‘, ‚Carmen‘ und ‚Epigramm‘ und schließlich auch auf die Gliederung der Reimpaarrede nach Inhaltsabschnitten mittels Einzug oder Absatz. Die Manuskripte Hs 8.1–3 tradieren darüber hinaus auch die Glossen zu Nr. 2. Diese generelle Konstanz in der Rezeptionsweise von Nr. 2 ist sicherlich damit zu erklären, dass die Ereignisdichtungen jeweils als feste Bestandteile der Chronik wahrgenommen und aus diesem Grund mit abgeschrieben wurden. Sie sollte jedoch nicht zu dem einseitigen Schluss verleiten, die Rezeption von Nr. 2 im 17. und 18. Jahrhundert als reines Nebenprodukt der eigentlich intendierten Vervielfältigung und Bearbeitung der Dithmarscher Landeschroniken zu bewerten. So hat zunächst Hans Detleff bei aller Vorlagentreue diverse Veränderungen vorgenommen, die die Präsentation der Reimpaarrede betreffen: An erster Stelle ist die folgende Glosse zu nennen: umme einen löckerichen Sack stunden etliche ummeher, densulven thofüllen, wat se averst baven in stoppeden, dat floch alles tho allen siden und fill gahr tho nedden uth.25 Die Zuordnung

25 Aufgrund von Seitenbeschnitt ist die Glosse in Hs 9 unvollständig. Der Abdruck erfolgt hier deshalb nach der Aufzeichnung in Hs 9.3, Bl. 135r.

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dieser Anmerkung zum Wort ‚Emblema‘ führt zu dem Schluss, dass es sich in ihrem Fall um eine Bildbeschreibung handeln sollte. Allerdings entspricht diese keinesfalls der Darstellung auf dem Holzschnitt, der sich im Druck an dieser Stelle befindet. Zwar zeigt dieser zwei Figuren, die links und rechts von einem Sack stehen, doch weder ist dieser Sack löchrig, noch fällt der Inhalt heraus. Was Hans Detleff hier beschreibt, ist nicht der Titelholzschnitt des Druckes D 4, sondern vermutlich eine Assoziation zu dem Reimpaar Eyn sack alto lanck, alto wyd unde seer undicht / Den kan men hastyghen vullen nicht (V. 3f.), das auf das Wort Emblema folgt. An zweiter Stelle ist der Blick auf das Epigramm zu richten: Im Zuge der Neuordnung und Erweiterung des bei Neocorus vorgefundenen Verbundes der Ereignisdichtungen trennte Hans Detleff den bewussten Beitext von Nr. 2, indem er im Anschluss an Vers 264 zunächst das Lied Nr. 11 notierte. Erst nach diesem folgt die Aufzeichnung des Epigramms. Diese Vorgehensweise kann damit erklärt werden, dass Hans Detleff das Epigramm als eigenständige Textentität auffasste und eben nicht mehr als Beitext von Nr.  2. Der Befund bestätigt überdies das, was schon die oben abgedruckte Glosse nahelegt; Hans Detleff hat definitiv kein Exemplar von D 4 vorgelegen. Seine Kenntnis von Nr. 2 gründete allein auf der Chronik von Neocorus (Hs 8). Unter den von Hans Detleff abhängigen Chronikhandschriften gibt es alsdann einen Überlieferungszweig, der das Stück Nr. 2 nur mehr als Fragment tradiert. Es handelt sich hierbei um die Handschriften Hs 9.7 und Hs 9.11. Genau genommen bezeugen diese Manuskripte lediglich die drei sentenzenhaften Reimpaare über die Gier (V.  3–8). Überschrieben sind diese mit dem bekannten Ausdruck Emblema; am Rand daneben findet sich jeweils die oben besprochene Glosse aus der Feder von Hans Detleff. Herausgelöst aus den Landeschroniken – und damit aus dem historiographischen Kontext – und als Sammlung in einem kleinen und gut handhabbaren Heft niedergeschrieben, erscheinen die Ereignisdichtungen einschließlich der Nr.  2 in Hs 11 schließlich in einem Überlieferungsformat, das mit seiner inhaltlichen Ausrichtung und seiner materiellen Konzeption den Beweis erbringt für ein zielgerichtetes Interesse an den Ereignisdichtungen und dies noch im zweiten Jahrhundert nach der Schlacht bei Hemmingstedt.

Sprachstand Der Sprachstand ist mittelniederdeutsch. Auffallend ist das Nebeneinander von typisch ostfälischen und typisch nordniederdeutschen Varianten. Ostfälisch sind:

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– die gerundeten Varianten der Personalpronomen (Peters 1988, 4.5.1.13.): oͤm ‚ihm‘ (V. 135), oͤren ‚ihren‘ (V. 26, 39, 183), oͤreme ‚ihrem‘ (V. 45, 280) und oͤrer ‚ihrer‘ (V. 184), – die Varianten mit Doppelkonsonanz nach Kürzung des vorangehenden Vokals (Peters 1987, 1.2.3.): eddel (V.  66), wedder (V.  132), hemmel (V.  170), wetten ‚wissen‘ (V. 195), vorgetten (V. 196), nedder (V. 211) und eddelen (V. 233, 261) und – die Varianten derf ‚darf‘ (V. 173) und wert ‚wurde‘ (V. 162, 165) mit e statt a vor r-Verbindung (Peters 1987, 1.1.5.3.). Zusammen mit dem Westfälischen ist dem Ostfälischen darüber hinaus die Variante en ‚ihnen‘ (V. 30, 89, 98, 124, 136, 279) eigen, während das Nordniedersächsische für den Dativ Plural von sê die Variante em hat (Peters 1988, 4.5.1.14.). Ferner deutet die konsequente o-Graphie für das tonlange o auf westniederdeutschen Einfluss (Peters 1987, 1.2.2.) hin, wie die Varianten over (V.  21), lovede (V.  117), loveden (V. 182) und love (V. 259) zeigen. Auf die nordniederdeutsche Prägung des Sprachstandes weist das folgende Merkmalsensemble hin: – die finiten Verbformen des Plural Präsens Indikativ mit der Endung -en (Peters 1987, 2.1.1.): z. B. plegen (V. 10), vruchten (V. 23), moghen (V. 196), vorgheten (V. 228), – die Ausprägung der Personalpronomen der 1. und 2. Singular und Plural im Dativ und Akkusativ auf Dativbasis: my (V. 187), dy (V. 202, 203, 204) und uns (V. 146, 189, 190, 191, 193, 195, 196, 235, 247) (Peters 1987, 2.4.), – das Demonstrativpronomen desse (V. 15, 31, 35, 68, 129, 138, 140, 159, 161, 168, 177, 185, 194, 203, 210, 276) (Peters 1988, 4.5.4.1.), – die Interrogativadverbien wor ‚wo‘ (V. 277) und wo ‚wie‘ (V. 222, 244) (Peters 1990, 4.6.1.1., 4.6.1.3.) und – die Variante mynsche ‚Mensch‘ (V. 239, 243) (Peters 1988, 4.2.2.1.). Eine Kennform des Ostelbischen und des Südmärkischen ist das Indefinitpronomen yslyk ‚jeder‘ (V. 63, 248, 277) (Peters 1988, 4.5.6.7.).

Stellenkommentar 2 gnadentryken gulden jaer: Das Gnadenjahr, auch Goldenes Jahr, Jubeljahr oder Heiliges Jahr genannt, wurde erstmals im Jahr 1300 von Papst Bonifatius VIII. (1235–1303) ausgerufen und sollte anfänglich alle 100, später alle 50 und schließlich alle 25 Jahre stattfinden. Die Gläubigen erhielten in diesem Jahr vollkomme-

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nen Ablass, sofern sie die Kirchen der Apostelfürsten in Rom besuchten (Schimmelpfennig 1999, Sp.  2024f.). Auch bei dem Jahr 1500 handelt es sich um ein Gnadenjahr. Neocorus kommentierte das Gnadenjahr in seinen Glossen (siehe unten). 8 Mit den Namen ‚Holland‘ und ‚Flandern‘ wird vermutlich auf den großen Reichtum der Territorien angespielt. Schon im Hochmittelalter war der u. a. auf Zolleinnahmen beruhende Reichtum der Grafen von Holland sprichwörtlich geworden (Blok 1999[a], Sp.  91). Weder im DWB noch im TPMA sowie auch nicht in den Lexika von Wander (1867/1987) und Röhrich (1992) können jedoch Sprüche dieser Art nachgewiesen werden. Die ‚Künstliken Werltspröke‘, eine Sammlung kleinerer Reimpaartexte aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (vgl. Bostelmann / Brandt 2017; Bostelmann / Brandt / Braun 2019) überliefern folgenden Spruch: Junge Geselle, sehe vor dick! / De Junckfrouwen synt bedrechlick. / Se synt uth Flandern / Und geven einen umm den andern (zitiert nach: Seelmann 1885, S. XVI, Nr. 24). Der Spruch beschreibt die Frauen aus Flandern als besonders geschäftstüchtig. 9–14 Vgl. Kommentar zu Vers 2 und 3Mose (Levitikus) 25,10 (EÜ): „Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus.“ 21–30 Thematisierung zeitgenössischer Söldnerheere. Vgl. hierzu Stellenkommentar Nr. 1, V. 263–272. Vorliegend werden Fragen des Gehorsams und der Subordination innerhalb des Söldnerheers problematisiert, wenn von Gefolgsmännern der Söldnerführer die Rede ist, die einen eigenen Anführer haben. Zu Hierarchie und innerer Ordnung der Söldnerheere in der Frühen Neuzeit vgl. Huntebrinker 2010, Kapitel IV, bes. 201–204. 21 stede unde lande: Die Formel ist mehrfach im Text belegt (V. 21, 208, 233, 246). In Vers  21 kann sie im eigentlichen Sinne mit ‚Städte und Dörfer‘ übertragen werden; darauf deutet hinsichtlich des Bestandteils stede der Vers 29, in dem von den Mauern die Rede ist, durch die das Kriegsvolk hindurch will. In Vers 208 und mehr noch in Vers 233, wo stede unde lande von der Sprecherinstanz adressiert werden, handelt es sich jedoch viel eher um eine metonymische Bezeichnung für die Bevölkerung in den Städten (DWB XVII, Sp. 434, 13c) und auf dem Land (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 735–736, 4). 22 volke: ‚Kriegsvolk, Heer‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 767, 1), hier als Bezeichnung für das Söldnerheer der großen Garde. Die Entsprechung ‚volk – Söldnerheer‘ ergibt sich aus V. 32 und V. 207. 23 De: Plural, grammatisch inkongruente, aber semantisch kongruente Wiederaufnahme von volke in V. 22. 24 se: wie De in V. 23. 28 he: bezieht sich auf eyn eygen hoͤvet (V. 27). 29 dorch de muͦren: wörtlich ‚durch die Mauer, durch die Wand‘, übertragen ‚ein Hindernis überwinden‘; bezogen auf den Söldnerverband, der vorliegend the-

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matisiert wird, bezieht sich der Ausdruck womöglich auch auf das militärische Agieren auf dem Schlachtfeld, speziell auf das Durchbrechen der gegnerischen Schlachtordnung. 30 en: Dativ Plural des Pronomens sê (vgl. Lasch 21974, § 404). 32 volck: vgl. V. 22. 35 Help recht, help krum: ‚auf jede Weise, recht oder unrecht‘ mit krum in der Bedeutung von ‚unredlich, unehrlich, unecht‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 687). 36 huͦlden: ‚Gefolgschaft und Treue schwören‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp.  382, 1). Der Vers hebt ab auf die Ursache des politischen Konflikts, und zwar darauf, dass die Dithmarscher den König von Dänemark, der zugleich Herzog von Holstein und als solcher mit Dithmarschen belehnt war, als Lehnsherrn nicht anerkennen wollten (vgl. Kap. 3.1: Dithmarschen). 37 Anspielung auf die Lehnsabhängigkeit Dithmarschens vom Erzbistum Bremen, die im 13. Jahrhundert begründet wurde, im 15. Jahrhundert aber nur mehr nominell bestand (Lammers ³1987, S. 50, 55; vgl. Kap. 3.1: Dithmarschen). Die Variante b von D 4 konkretisiert die Angabe kerken mit dem Zusatz Bremen. 42 Zur Verwendung der Dreizahl gibt Prien (1884, S. 94) an: „Dies Spielen mit der Dreizahl, in der wir vielleicht eine Hindeutung auf die Dreieinigkeit als diejenige Macht zu suchen haben, unter deren Beistande die Ditmarschen den sonst unerklärlich scheinenden Sieg erfochten hätten, hat nicht nur die historische Wahrheit, sondern auch die ganze Darstellungsweise beeinträchtigt.“ 44 in der weken de drydde dach: der dritte Tag der Woche (feria tertia) ist der Dienstag (Grotefend 142007, S. 18), hier Dienstag, der 11. Februar 1500 (Lammers ³1987, S. 131). 49 Montag, 17. Februar 1500, d. h. drei Tage nach dem 14. Februar 1500 (Grotefend 14 2007, S. 200). 53 Dre sware heere: Gemeint sind die große Garde (V. 58), ein Heer von Adligen (V. 65f.) und das Reiterheer (V. 67f.). 54 myt wagen, myt gude: Gemeint sind wohl die Fuhrwerke mit den Nachschubund Versorgunsgütern des Heeres als Teil des Trosses (vgl.  V.  77f.). Außerdem wird gude in V. 79 konkretisiert mit Golt, sulver, kleder. 58 heldent: helden it; grammatische Inkongruenz zum Satzsubjekt De garde. 61f. topische Attribuierung der Söldner wie in Nr. 1, vgl. dort Stellenkommentar zu V. 263–272; vgl. außerdem hier die Darstellung der Garde V. 197–208. 68 desse de: Plural, grammatisch inkongruente, aber semantisch kongruente pronominale Wiederaufnahme von heer in V. 67. 77f. Umschreibung für den sogenannten Tross (Meumann 2019), der im Heer des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit die Wagen mit den Nachschub- und Versorgungsgütern (Munition und Proviant), die Ersatzpferde sowie die Personen umfasste, die nicht zum militärischen Personal im engeren Sinne gehörten, dar-

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unter Angehörige der Soldaten, Hilfstruppen für Pferde und Rüstungen, Gewerbetreibende etc. 79 kamerwagen: Wagen, in denen auf Reisen Wertgegenstände, Geld, Ausrüstung etc. mitgeführt wurden (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 510). 81 buͦssen: ‚Büchsen‘, Feuerwaffen. Vgl. Stellenkommentar zu Nr. 1, V. 205. 87 Dre styge daggen: 60 Dolche. stige = Menge von 20 Stück (Schiller / Lübben IV, S. 400). 89 want: wan it. 94–96 Über die Hühner aus den Proviantwagen der Besiegten machen sich die Dithmarscher auch her in Lied 8, Str. 29–31. 108 an segen: eigentlich ansên ‚ansehen‘, hier mit Hiattilgung (Schiller / Lübben I, S. 102). 108–112 Numeri 21,6–9. Mose führte die Israeliten durch die Wüste. Nachdem diese sich gegen Gott und Mose aufgelehnt hatten, sandte Gott zur Strafe giftige Schlangen, die die Israeliten bissen. Einige starben daran. Daraufhin besannen sich die Israeliten und baten Mose um Hilfe. Mose betete Gott um Hilfe an. Dieser befahl ihm, eine Schlange aus Kupfer zu formen und an einer Stange aufzuhängen. Wer gebissen worden ist, sollte diese Schlange ansehen und würde dann unversehrt und am Leben bleiben. Das Kreuz, welches die Dithmarscher in der Schlacht vor sich hertragen, wird in Hinsicht auf seine schützende und heilende Kraft verglichen mit eben dieser Kupferschlange. Die Gegner der Dithmarscher entsprechen den giftigen, bissigen Schlangen. 118 weret: were it. 128 Im Druck steht hinter werff ein Tatzenkreuz (✠). Das Kreuz wurde dort vermutlich für die körperlich zu vollziehende Kreuzgebärde eingesetzt, nachdem der Name des Teufels genannt wurde. Zur Funktion des Kreuzzeichens zur Abwehr des Bösen vgl. Heinz 1997, Sp. 468. 134 vathe … wol ghebunden: Ausdruck, der sich auf die Herstellung der Fässer bezieht, vgl. die Berufsbezeichnung vatebinder ‚Fassbinder‘, die auf den Bindevorgang abhebt, d. h. auf das Zusammenfügen und -ziehen der gebogenen Holzlatten (Dauben) zum Fasskörper mit Hilfe von außen umgelegten Reifen aus Holz oder Metall. Zum Böttcherhandwerk und zur Herstellung von Fässern vgl. Baum 1999, Sp. 490f. 135 oͤm: Vermutlich Referenz auf König Hans I. von Dänemark, den Herrn und Anführer der Besiegten, der abgesehen von dieser Textstelle in der Reimpaarrede nicht genannt wird. 137–139 Sennacheryb: Sanherib, König von Assyrien. Jesaja 36–37 berichtet von Sanheribs Feldzug gegen Juda und die Stadt Jerusalem. Hiskija, König von Juda, rief Gott um Hilfe an, der in der Nacht seinen Engel in das Lager der Assyrer

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aussandte und alle töten ließ. Sanherib kehrte um und wurde später von seinen Söhnen getötet. Pharo: Pharao, vermutlich Anspielung auf den König, der den von Mose angeführten Auszug der Israeliten aus Ägypten (Exodus) zu verhindern suchte. Gott spaltete das Rote Meer, so dass die vom Pharao und seiner Streitmacht verfolgten und bedrohten Israeliten es durchqueren und sich in Sicherheit bringen konnten. Als die Ägypter herannahten, flutete Gott das Meer jedoch wieder, so dass alle ertranken (Exodus 14). Josue: Josua. Nach dem Tod von Mose setzte Gott Josua zum Anführer der Israeliten ein (Josua 1). Jenseits des Jordans hatte Gott ihnen Land zugewiesen, auf dem sie siedeln und sesshaft werden sollten. Als sie den Jordan überschreiten wollten, bewirkte Gott auch diesmal, dass das Wasser wich und alle trockenen Fußes den Fluss überqueren konnten (Josua 3). 143–146 Heißt es in den Reimreden Nr. 1 (V. 295–305) und Nr. 3 (V. 179–182), dass die Dithmarscher ihren Sieg allein Gott zu verdanken hätten und dass sie aus diesem Grund ihren Hochmut lassen sollten, so wird denselben hier ebendiese demütige Einsicht in den Mund gelegt, den Sieg allein durch die Macht Gottes erlangt zu haben. Auch Lied Nr. 11, ein Gesang zum Lob und Dank Gottes für die gewonnene Schlacht, kontrastiert in dieser Hinsicht mit Nr. 1 und Nr. 3. 144 Dyt sulve: bezieht sich auf die alttestamentarischen Wunderzeichen V. 137– 139. 147 bericht: Partizip Präteritum von berichten mit Synkope des Nebensilbenvokals zwischen gleichartigen Konsonanten (vgl.  Lasch 21974, §  217, IV.); vgl.  die Vollform berichtet. 151 Rückbezug auf die drei zuvor geschilderten erstaunlichen Vorgänge auf Seiten der Dithmarscher: das vorangetragene und angesehene Kruzifix, die Jungfrau mit dem Banner an der Spitze des Zuges, das waffen- und schutzlose Herantreten der Dithmarscher an die Feinde (V. 103–126). Prien (1884, S. 98) kommentiert hingegen: „Hier kommt der Verf. wieder mit seiner Dreizahl in Konflikt: in Wirklichkeit zählt er nur zwei Dinge auf […].“ Er verweist auf das Gebet an die Heiligen (V. 152f.) und das nicht eingehaltene Friedensabkommen (V. 154–158). 154–158 Ein Friedens- oder Waffenstillstandsabkommen zwischen den Dithmarschern und König Hans I. von Dänemark wird in den Darstellungen zur Schlacht bei Hemmingstedt nicht erwähnt. Chalybaeus (1888, S. 170) nennt ein Waffenstillstandsabkommen, das auf Vermittlung der Hansestädte Anfang 1500 geschlossen worden sein soll, zieht so ein Abkommen aber sogleich in Zweifel: „Dies ist aber im höchsten Grade unwahrscheinlich, denn einmal erfolgte der Einfall des Königs schon am 11. Februar, es müßte also ein Bruch des Waffenstillstands stattgefunden haben, wovon sonst nichts bekannt ist, was aber weder die Ditmarscher, noch der König stillschweigend hingenommen haben würden, andererseits wollte der letztere ja eben die Zeit des Frostes benutzen, um die

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gefürchteten ditmarsischen Gräben leichter überwinden zu können.“ Letzteres gibt auch Nehlsen (1908, S. 286) zu bedenken; er erwähnt einen Waffenstillstand, kann aber als Quelle dafür nur die vorliegende Reimpaarrede Nr.  2 benennen. Prien (1884, S. 99) vermerkt: „Eine dänische Gesandtschaft schloss mit den Ditmarschen vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten einen Vertrag, nach welchem dieselben bis zum 1. Mai 1500 vertagt wurden.“ Er beruft sich hierzu auf Johannes Neocorus (Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S.  454), der keine Quelle nennt. Dass er die Information der Reimpaarrede Nr. 2 entnommen hat, muss in Betracht gezogen werden. 158 yd stunt in daghe: in dage stân ‚befristet sein, aufgeschoben sein, vertagt sein‘ (Schiller / Lübben I, S. 470–471; Mnd. Hwb. I, Sp. 386). 162 wert: 3. Singular Präteritum von ‚werden‘ (eigentlich wart), vgl. Sprachstand. 165 wert: Vgl. Kommentar zu V. 162. 170 Ruf nach Rache. Vgl. Gen. 4,10 (EÜ): „Der Herr sprach [zu Kain]: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden.“ Siehe auch die Varianten im TPMA II, S. 48. 172 voet unde hand: Anspielung auf die mittelalterliche Hochgerichtsbarkeit, die durch König und Territorialfürsten ausgeübt wurde. Im Gegensatz zur niederen Gerichtsbarkeit war das Hochgericht mit Delikten wie Mord, Totschlag, schwerer Körperverletzung, Brandstiftung, Diebstahl und Raub befasst. Charakteristisches Merkmal ist die Bestrafung des Beschuldigten an Leib und Leben. Die Rede ist deshalb seit dem 12. Jh. auch von der Blutgerichtsbarkeit (Drüppel 1999, Sp. 1324). Mit dem im Text beschriebenen Pfand, das über die Leibesstrafe hinausgeht, ist die Bestrafung der Seele für Zerstörung (V.  162), für Hohn (V.  163) und für den Tod Unschuldiger (V. 170) gemeint. Bestraft werden soll derjenige, der all das zu verantworten hat. Mittel der Bestrafung ist nach V. 242 die ewyghe pyn ‚ewige Verdammnis‘ (vgl. den Stellenkommentar dort). 176 bericht: vgl. Kommentar zu V. 147. 182 Dre lofte: bezieht sich vermutlich auf das Gebet der Dithmarscher V. 188–196. Anders Prien (1884, S. 99): „Die drei Gelübde kennen wir nicht.“ 186 fynen: eigentlich ‚fein, schön‘ (Schiller / Lübben V, S. 253) als äußere Attribute, hier im Kontext der sprecherseitigen Charakterisierung der Gewährsleute mit ‚lauter‘ übersetzt, als Ausdruck ihrer inneren rechtschaffenen Haltung (DWB III, Sp. 1454, 11). 191 wyl: Imperativ Singular ‚wolle, entscheide dich dazu‘ (Lasch 21974, §  421, § 447). 194 Wyl: vgl. Kommentar zu V. 191. 197–208 Attribuierung der Garde vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Kritik am Söldnerwesen, vgl.  hierzu in diesem Text auch V.  21–30 und V.  61f., sowie Stellenkommentar Nr. 1, V. 263–272.

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207 volcke: vgl. Kommentar zu V. 22 208 stede unde lande: vgl. Kommentar zu Vers 21. 219–232 Teile dieses Abschnitts wurden aus dem Lübecker Narrenschiff von 1497 übernommen, vgl. Brandes 1914, S. 188 (Kapitel 99, V. 5), S. 191 (Kapitel 99, V.  88), S.  192 (Kapitel 99, V.  137–140). Das betreffende Kapitel Van affganck des gheloven handelt von der Bedrohung und Schwächung der Christenheit durch die Heiden. Der Vorwurf, die Fürsten würden Christenblut vergießen, anstatt gegen die Feinde der Christenheit zu kämpfen, findet sich auch in einer Reimpaarrede über den Feldzug Herzog Karls des Kühnen von Burgund (1433–1477) gegen die Stadt Neuss im Jahr 1474 (Lil. 134, V.  437f.) und darüber hinaus in einem Lied mit Bezug auf die Schlacht bei Granson im Jahr 1476 (Lil. 141, Str. 49). Kerth (1997, S.  248) stellt fest, dass die Klage über vergossenes Christenblut in der politischen Ereignisdichtung des 14. und 15. Jahrhunderts nur selten vorkomme. 229 unkristene: ‚Heiden‘. Mit dem Vorwurf, Christen würden Christenblut vergießen, statt gegen Heiden zu kämpfen, bedient sich der Text einer in den Türkenreden des 15. Jahrhunderts – nach dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453 – bemühten Argumentation. Vgl. hiezu Döring 2011, S. 438f., 441. 230 de ghemeyne man: Ausdruck in der ereignisbezogenenen politischen Dichtung des Spätmittelalters; „bezeichnet die Teile der Bevölkerung, die an der Herrschaft nicht partizipieren“ (vgl. Kellermann 2000, S. 348). Dies können Bauern sein, aber auch die nicht ratsfähige Bevölkerung in der Stadt. 231 Anspielung auf die eigentlichen Pflichten der Fürsten (vgl. V. 219–222). Diese werden der Tatsache entgegengehalten, dass die Führungsschicht gegen Christen Krieg führt, anstatt der Christenheit zu dienen. 233 stede unde lande: Vgl. Kommentar zu Vers 21. 242 ewyghe pyn: die ewige Verdammnis, das ewige Leiden in der Hölle im Unterschied zum endlichen Leiden im Fegefeuer (vgl. DWB XIII, Sp. 1524, 1) in Abhängigkeit von der Schwere der Sünde: Lässliche Sünden wurden mit dem Fegefeuer bestraft, wo die Seelen der Verstorbenen durch das Feuer geläutert werden sollten. Todsünden hingegen wurden mit der ewigen Verdammnis der Seelen in der Hölle bestraft. Diese Ausdifferenzierung der Sünden setzte ab dem 12. Jahrhundert ein. In der Reimpaarrede Nr. 2 soll Hochmut, als eine der Sieben Todsünden, mit ewiger Verdammnis bestraft werden (vgl. Rasmussen 1986). Wiederaufgegriffen wird dies in V. 245: Vor gode is homod ewyghe schande. 246 stede unde lande: Vgl. Kommentar zu Vers 21. 251f. Mögliche Anspielung auf Jesaja 3,16–4,1 (EÜ): „Der Herr sprach: Weil die Töchter Zions hochmütig sind, ihre Hälse recken und mit verführerischen Blicken daherkommen, immerzu trippelnd daher stolzieren und mit ihren Fußspangen klirren, darum wird der Herr den Scheitel der Töchter Zions mit Schorf bedecken

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und ihre Schläfen kahl werden lassen. An jenem Tag wird ihnen der Herr ihren Schmuck wegnehmen: die Fußspangen, die kleinen Sonnen und Monde, die Ohrgehänge und Armkettchen, die Schleier und Turbane, die Fußkettchen und die Prachtgürtel, die Riechfläschchen und die Amulette, die Fingerringe und Nasenreife, die Festkleider und Umhänge, die Umschlagtücher und Täschchen und die Spiegel, die feinen Schleier, die Schals und Kopftücher […].“ Eine ähnliche Wendung mit flege ‚Zierde, Schmuck, Putz, bes. Kopfputz‘ (Schiller / Lübben V, S. 268) findet sich in Nr. 1, V. 321. 254–256 Beispielsweise heißt es in Jesaja 3,8 (EÜ): „Ja, Jerusalem stürzt und Juda fällt, denn ihre Worte und ihre Taten richten sich gegen den Herrn, sie trotzen den Augen seiner Majestät.“ 269–272 Das Epigramm räumt ein, dass es durchaus Fürsten gebe, die den Frieden dem Krieg vorziehen, und relativiert auf diese Weise die Fürstenschelte im Epilog der Reimpaarrede V. 219–232. 270–272: Relativsätze zu mannich forste nu is (V. 269). dar entjegen, dar na: Rückbezug auf die Aussage V.  265f., dass das Goldene Jahr früher einmal eine Zeit ohne Gefahr, also eine Zeit des Friedens gewesen sei. Unde: Adverb, das einen Gegensatz oder eine Richtigstellung in Bezug auf die Aussage in V. 270 ausdrückt (vgl. hierzu etwa Mnd. Hwb. III/2, Sp. 208): Die gemeinten Fürsten handeln nicht gegen das Goldene Jahr, sondern trachten vielmehr nach seiner Beachtung.

Literarischer Kommentar Metrik Die Klangeinheit, die dem Titelreimpaar, der Reimpaarversgruppe auf dem Titelblatt und der Reimpaarrede zugrunde liegt, ist die des Freien Knittelverses.26 Mit dem Epigramm hingegen liegt ein strophisch gebauter Text vor: Es besteht aus vier metrisch gleich gebauten Einheiten, welche zusammenfallen mit inhaltlichsyntaktischen Textabschnitten. Jede Einheit umfasst vier überwiegend auftaktige Verszeilen. Die Verse 1 und 3 sind vierhebig und wechseln mit den dreihebigen Versen 2 und 4. Während letztere konsequent weiblich kadenzieren und durch Endreim miteinander verbunden sind, handelt es sich bei ersteren um Waisen. Die beschriebene Strophenform entspricht dem Aufbau der Vagantenstrophe,27 die ihren Ursprung in der mittelalterlichen lateinischen Vagantendichtung hat

26 Heusler 1929, S. 42–47; Wagenknecht 52007(b), S. 62. 27 Frank 21993, 4.36.

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und im Spätmittelmittelalter vornehmlich für Liebeslieder und Balladen mit Liebesthematik in Gebrauch genommen worden ist:28 Jedoch weisen die Vierheber (V.  265, 267, 269, 271, 273, 275, 277, 279) ein besonderes Merkmal auf: Sie sind strukturiert durch einen Binnenreim. Werden die betreffenden Verszeilen entsprechend umgebrochen und aufgezeichnet, so zeigt sich das Schema einer sechszeiligen Strophe, in der zwei zweihebige und mit Ausnahme der vierten Strophe männlich ausklingende Reimpaare mit den bekannten Dreihebern wechseln. Hierbei handelt es sich um eine Spielart der Schweifreimstrophe.29 Der Sechszeiler wurde im 16. Jahrhundert und vermutlich schon früher zu einer Form des Kirchenliedes. In dieser Verwendung ist der Ton im 17. Jahrhundert am häufigsten zu beobachten.30 Bemerkenswert ist, dass die strophische Gliederung im Layout von D 4 nicht nachvollzogen wurde; stattdessen wurden die Verse en bloc auf der Seite angeordnet. Die Reflexion der metrischen Binnengliederung der vierhebigen Verse findet hingegen ihren typographischen Ausdruck darin, dass hinter das jeweils erste Reimwort ein Punkt gesetzt wurde. Dass dieser als Reimpunkt und nicht als syntaktisch bedingte Interpunktion aufzufassen ist, legen Vers 265 und Vers 275 nahe, in denen der Binnenversschluss nicht mit dem Ende eines Haupt- oder Nebensatzes zusammenfällt wie in den übrigen Vierhebern.31 Äußerungsinstanz Mit der Reimpaardichtung Nr. 2 liegt ein Text vor, in dem sich sowohl die Umrisse der Äußerungssituation als auch die der Sprecherinstanz nachvollziehbar abzeichnen. Die textinterne Sprechhandlung vollzieht sich zu einem vergleichsweise ereignisnahen Zeitpunkt nach dem Kriegsereignis im Jahr 1500. Hierauf deuten diverse Textstellen hin: – Am Beginn des Textes nimmt der Sprecher mit folgender Zeitadverbiale Bezug auf das Jahr 1500: In dessem vefteynhundersten jar (V.  31). Am Ende des Textes wird die Vollendung desselben auf einen unbestimmten Termin innerhalb des Goldenen Jahres datiert (V. 262: Unde is gheendyghet in deme guldene jare). Als terminus ante quem des Äußerungsereignisses ist demnach der 31. Dezember 1500 anzusetzen.

28 Frank 21993, S. 148f. 29 Frank 21993, 6.2. 30 Frank 21993, S. 412f. 31 Ein Text dieser metrischen Bauform ist auch auf der Rückseite des ‚Henselyn boek‘ abgedruckt. Vgl. Walther, Christoph (Hrsg.): Das Fastnachtspiel Henselin oder Von der Rechtfertigkeit. In: NdJb 3 (1877), S. 9–36, hier S. 23.

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– Hinzu kommen alsdann zwei Textstellen, in denen die Toten auf dem Schlachtfeld in der Sprecherrede im Präsens referenziert werden (V. 84–86; 210–211). – Die indirekte Adressierung des Verantwortlichen für die Schlacht vervollständigt die Indizien für die Ereignisnähe der Äußerung (V. 159–164). Anders als der Zeitpunkt wird der Ort der Sprechhandlung im Text nicht so explizit gemacht. Es finden sich lediglich Hinweise darauf, dass das Äußerungsereignis nicht in Dithmarschen zu lokalisieren ist. Diese Information vermittelt der Text durch die Verwendung des Lokaladverbs dar ‚dort‘, mit dem der Sprecher auf Dithmarschen als einen Ort referiert, der zum Zeitpunkt der Äußerung nicht sein eigener Standort ist, z. B. in der Wendung Dar sulvest in deme detmerschen lande (V. 149).32 Doch geht aus der Aussage So warlyken alse ick byn eyn sasse (V. 102) deutlich hervor, dass der Sprecher ein Niederdeutscher ist. Sein Publikum adressiert der Sprecher in der 2. Plural, und zwar im Zusammenhang mit einem Appell im Epilog. Die Absicht dieses Appells besteht darin, die Adressaten zur Demut zu bekehren und vom Hochmut abzubringen. Hierzu bedient sich der Sprecher folgender Überzeugungsstrategien: – Er verschafft sich mit der Anrede gy eddelen stede unde lande (V. 233) zum ersten die Aufmerksamkeit seiner Hörer/Leser und macht sie sich ferner geneigt, indem er ihnen mit dem Epitheton eddelen in der Anrede schmeichelt (V.  233) und mit dem Wechsel der Adressierungsform von der 2. zur 1. Plural signalisiert, einer von ihnen zu sein (V. 241, 247). – Zum zweiten appelliert er an ihr Gewissen als Christenmenschen, indem er ihnen die Güte Gottes und die Demut Jesu und Marias ins Gedächtnis ruft (V. 234–240) und dies effektvoll mit der rhetorischen Frage Worumme wyl wy dan hofardich syn? (V. 241) unterstreicht. – Zum dritten greift er auf allgemeingültig und lehrhaft formulierte Sprüche über Hochmut zurück (V. 242–246), die das in der Narratio geschilderte Beispiel, welches gezeigt hat, dass Gott für die Demütigen einsteht, die Hochmütigen jedoch zu Fall bringt, zugleich in die Sphäre universeller Geltung heben. In diesem Zusammenhang ist auf die Beglaubigungsstrategien der Sprecher-Instanz hinzuweisen, die in der Narratio gerade dort zur Anwendung gebracht werden, wo es um die Exponierung der Frömmigkeit der Dithmarscher geht: Mit der Aussage Dat hebbe ick gheseen, se synt van wasse, / So warlyken alse ick byn eyn sasse (V.  101f.) verbürgt sich die Äußerungs-

32 Vgl. auch V. 70, 72, 81, 84, 86, 140, 161, 211, 214, 215, 217.

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instanz mit einem Wahrheitspostulat für die fromme Stiftung des von den Dithmarschern erbeuteten Kerzenwachses; die Aussagen Dyt hebben de detmerschen dem sulven bericht, / De ersten schreff dyt kleyne ghedycht / Dar sulvest in deme detmerschen lande (V.  147–149) sowie auch In detmerschen hebbe ick desse word / Van mannygem fynen manne ghehord, / De se my sulven hebben ghesecht (V. 185–187) stehen demgegenüber bei den Figurenreden der Dithmarscher, in denen sie zum einen ihren militärischen Erfolg auf die Hilfe Gottes zurückführen und zum anderen um Gottes Beistand bitten. Hier beruft sich der Sprecher nicht allein auf Aussagen aus erster Hand, sondern unterstreicht die Authentizität seiner Angaben zur Frömmigkeit der Dithmarscher zusätzlich mit dem Hinweis, dass er selbst vor Ort in Dithmarschen gewesen sei. – Am Ende geht der Sprecher indes dazu über, seinen Adressaten konkrete Ratschläge zu erteilen, wie der Gefahr und den negativen Folgen des Hochmuts zu entgehen sei: Er mahnt sie zur Vorsicht (V. 247–250) und zur Abkehr vom Hochmut (V. 251f.). Zudem verweist er in der Form eines gut gemeinten Ratschlags auf den in Jesaja 3 beschriebenen Verfall von Jerusalem (V. 253– 256) und benennt damit zugleich ein weiteres Beispiel für die Auswirkungen des Hochmuts. Quellenberufungen auf die Bibel fügt der Sprecher auch an anderer Stelle in seine Rede ein: Im Prolog (V. 9–14) ist ihm das Alte Testament normative Richtlinie für die Achtung des Gnadenjahrs und damit Folie, vor deren Hintergrund er seine Gegenwartsklage33 entwirft. Mit dem Verweis auf das Neue Testament in Vers 240 des Epilogs benennt er das Zeugnis für die Demut Jesu und Marias. Der Vergleich der Dithmarscher mit den Juden in Vers 109–112 sowie ferner der Fingerzeig auf weitere Beispiele für das Eingreifen Gottes auf der Seite der Gerechten in Vers 137–139 fungieren zusammen mit dem Rückgriff auf Jesaja 3 im Epilog und im Kontext des Vorfalls in Dithmarschen insgesamt als Beweis für die Allgemeingültigkeit seiner Grundposition, dass Hochmut ins Verderben führt. Denn das, was sich in Dithmarschen ereignet hat, wird in eine Reihe gestellt mit Begebenheiten, in denen sich Gottes Gerechtigkeit offenbart hat, wovon die Bibel als Autorität beredtes Zeugnis ablegt. Abgesehen von ihrer Beweisfunktion konturieren die genannten Textstellen den Sprecher überdies als gelehrte bibelkundige Person.

33 Zur Gegenwartsklage in der politischen Lyrik vgl. Müller 1974, S. 486–488.

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Inhalt und Aufbau Mit Rücksicht auf die typographische Einrichtung in D 4 ist der Text zunächst in einen Haupttext – die Reimpaarrede – und mehrere beigeordnete Textelemente – Titeltext, Reimpaarversgruppe und Epigramm – aufzugliedern. Der Haupttext beginnt mit dem 9. und endet mit dem 264. Vers und soll im Folgenden hinsichtlich seines Inhalts und seines Aufbaus beschrieben werden. Im Anschluss folgen die Ausführungen zu den Beitexten. Der Prolog der Reimpaarrede setzt ein mit einem prologus praeter rem (V.  9–30) in Form einer Gegenwartsklage. Unter anfänglicher Berufung auf das Alte Testament als Zeugnis für die Achtung des Goldenen Jahres in der Vergangenheit moniert der Sprecher die Missachtung desselben in seiner Zeit. Er führt dies auf das Laster des Hochmuts zurück und benennt mit gewissen vagabundierenden und brutalen Heerscharen eine hochmütige, d. h. Gott nicht fürchtende, Personengruppe. Der prologus ante rem (V.  31–42) leitet anschließend über zu einem konkreten Beispiel, und zwar zu dem Söldnerheer, das im Jahr 1500 in Dithmarschen eingefallen ist. Die Narratio als Hauptteil der Rede kann in zwei größere Abschnitte untergliedert werden. Der erste Abschnitt (V. 43–136) vollzieht das Geschehen in Dithmarschen narrativ nach, wobei die Handlungsmotive jeweils mit dem Zahlwort Dre eingeleitet und auf diese Weise aneinandergereiht werden. Zu diesen Motiven zählen a) der Einzug des Heeres in Dithmarschen (V.  43–45), b) die Eroberung Meldorfs (V.  46), c) die Brandschatzung von Dörfern in der Umgebung von Meldorf (V.  47f.), d) die Fortsetzung des Zuges (V.  49–51), e) die Schlacht und der Sieg der Dithmarscher (V. 52–74), f) die Flucht einiger Überlebender (V. 75f.), g) die personellen und materiellen Verluste der Besiegten (V.  77–96), i) die Stiftung des erbeuteten Kerzenwachses für Maria (V.  97–102) und j) die Rückeroberung Meldorfs durch die Dithmarscher (V. 131–136). Zwischen den Motiven i und j wird die chronologische Ereignisdarstellung durch einen eingeschobenen Rückblick zu dem Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Schlacht unterbrochen (V. 103–130). Dieser befasst sich mit der Art, wie die Dithmarscher ihren Feinden gegenübergetreten sind, und wird eingeleitet mit den Worten Dre sunderlyke wyse, de wunderlyk syd, / Brukeden de detmerschen in deme stryd (V. 103f.): Zum einen trugen sie ein Kruzifix vor sich her und beteten es an, zum anderen führte eine Jungfrau die Spitze ihres Zuges an und trug ihr Banner und zum dritten schritten sie barfuß und unbewaffnet zum Kampf und flehten die Gottesmutter Maria um Hilfe an. Abgeschlossen wird der Einschub mit einem Verweis auf den Namen des Kampfschauplatzes (V. 127–130). Im zweiten Abschnitt der Narratio (V.  137–218) tritt der Sprecher stärker in den Vordergrund. Zunächst ruft er erneut den biblischen Kontext auf und stellt das eben geschilderte Geschehen in Dithmarschen in Hinsicht auf das Eingrei-

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fen Gottes in eine Reihe mit Ereignissen, die das Alte Testament bezeugt (V. 137– 142). Anschließend lässt er die Dithmarscher selbst mit einem Resümee zu Wort kommen, die ihren Sieg auf die Hilfe Gottes zurückführen (V.  143–158). Darauf folgt unter Verweis auf die Gerechtigkeit Gottes (V. 174) eine Mahnrede, die indirekt (V. 159: De desses al eyn hovetman iß) den Verantwortlichen für die Schlacht adressiert (V. 159–174). Dieser müsse sich vor Gott für die Toten und die Zerstörung verantworten und dies in einer Weise, die über die weltliche Hochgerichtsbarkeit hinausgehe. Mit einem Absatz, der sich teils rückblickend mit der Frömmigkeit und Demut der Dithmarscher befasst, setzt der Text fort (V. 175–194). Hier heißt es, dieselben würden beichten und die heilige Kommunion empfangen und hätten Gott vor der Schlacht gebeten, dem Gerechten zur Seite zu stehen. Dieses Gebet wird nachfolgend in direkter Figurenrede wiedergegeben (V. 185–196). Des Weiteren wendet sich die Narratio mit der Garde anschließend effektvoll den Gegnern der Dithmarscher zu, und zwar u. a. mit einer Reizrede an dieselben vor Beginn der Kampfhandlungen (V. 197–206). Das Ende der Narratio mit den Versen 207 bis 218 wird auf zwei Arten markant im Text ausgewiesen: Zum einen verlässt der Sprecher unter Rückbezug auf die Garde mit der Wendung Myt sodaneme volcke (V. 207) und Tempuswechsel vom Präteritum zum Präsens das Beispiel von der Schlacht in Dithmarschen und kommt auf das eingangs geschilderte Gegenwartsszenario der Bedrohung von Stadt und Land durch Söldnerheere zurück. Zum anderen äußert er den Wunsch, Gott möge den Seelen der Toten auf dem Schlachtfeld gnädig sein (V. 213) und fordert zur Klage über die Toten auf (V. 218). Der Epilog schließlich umfasst eine Fürstenschelte (V. 219–232), einen an das Publikum gerichteten Appell (V.  233–256) sowie zuletzt einen Schlussvermerk (V.  257–264). Die Fürstenschelte34 beginnt mit der Verhaltensnorm der christlichen Fürsten in Hinsicht auf ihre Verantwortung gegenüber dem christlichen Abendland, das sie beschützen und erhalten sollen (V. 219–222). Die Dringlichkeit und Bedeutung dieser Verantwortung wird anschließend mit dem Fingerzeig auf die geschwächte Christenheit herausgestellt (V.  223–226). Am Schluss wird der Norm vorwurfsvoll die Realität gegenübergestellt, wonach christliche Fürsten gegen Christen Krieg führten, statt gemeinsam gegen die Heiden zu Felde zu ziehen (V.  227–232). Mehr noch präsentiert der Text die in der Narratio thematisierte Schlacht in Dithmarschen im Nachhinein als ein Beispiel für den Krieg von Christen gegen Christen und für das Fehlverhalten christlicher Fürsten und bindet das Ereignis an einen spezifischen zeitgenössischen politisch und religiös motivierten Diskurs an, der nach dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453 ein-

34 Zum Redetypus der Schelte in der politischen Lyrik des Mittelalters vgl. Müller 1974, S. 464– 467.

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setzte und sich vor allem in Reden niederschlug, die „eine klare Argumentation der Aus- und Abgrenzung der Türken [verfolgen], die wiederum auf die Christen gemeinschaftsstiftend, identitätsbildend wirken sollte“.35 In dem folgenden Appell (V. 233–256) an das Publikum tritt die Sprecher-Instanz besonders markant in Erscheinung und verfolgt damit das Ziel, die Adressaten zur Demut zu bewegen und vom Hochmut abzubringen. Er gipfelt in drei aufeinanderfolgenden Reimpaarsprüchen über Hochmut, deren apodiktische und sentenziöse Formulierung im Dienste der didaktischen Funktion des Redeschlusses steht. Der Akzent auf das Laster des Hochmuts schließt darüber hinaus den Kreis zum Prolog, dessen Gegenwartsklage eben dieses Laster zum Gegenstand hat (V. 17–20). Sowohl die Verfehlungen der christlichen Fürsten als auch ihre Exemplifizierung mit der Schlacht in Dithmarschen werden in diesen diskursiven Rahmen gestellt und als Ausprägungen des Hochmuts in der Welt gedeutet. Nicht zuletzt die in der Narratio akzentuierte Dichotomie von Demut und Hochmut, welche die generalisierende Conclusio im Epilog vorbereitet, macht dies deutlich. Sie äußert sich in der kontrastierenden Charakterisierung der Dithmarscher und der Garde in Hinsicht auf ihr Verhältnis zu Gott, die den Hauptteil der Rede insgesamt dominiert, wohingegen der narrative Nachvollzug des Geschehens – zumal mit Blick auf die stark geraffte Darstellung – in den Hintergrund rückt. Einerseits werden die Handlungen der Personengruppen beschrieben, wonach das Tun der Dithmarscher ganz auf Gott hin ausgerichtet und Ausdruck ihres Gottvertrauens und ihrer Demut ist, was vor allem in den Rückblenden V. 103–126 und V. 175–184 vermittelt wird. Hingegen heißt es von den Söldnern, sie würden Kirchen und Klöster berauben und zerstören (V. 61f.), die christlichen Gesetze missachten, Gott nicht fürchten und die Heiligen verspotten (V. 197–200). Andererseits werden die Protagonisten vermittels direkter Figurenreden charakterisiert: Herauszustreichen sind hier vor allem das Gebet der Dithmarscher, das diese vor der Schlacht an Gott richteten (V. 88–196) und die Reizrede der Garde an die Dithmarscher unmittelbar vor Beginn der Kampfhandlungen (V.  201–206). Der Kontrast äußert sich jedoch nicht allein in den divergenten Redetypen, sondern auch in den unterschliedlichen Äußerungsintentionen, die damit korrelieren – hier die demütige Bitte um Beistand, dort die rohe Drohung mit Gewalt. Die kontrastierende Wirkung wird zudem noch dadurch gesteigert, dass beide Figurenreden direkt aufeinander folgen. Die Figurencharakterisierungen vermitteln vor dem Hintergrund des Ausgangs der Schlacht, dass die Demütigen, wenngleich ihren Gegnern an Menge und Erfahrung weit unterlegen, Gott

35 Müller 1974, S. 451.

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auf ihrer Seite hatten und so den Sieg davongetragen haben, während die Hochmütigen gestrauchelt sind. Auf diese Weise führt der Text mit der Narratio und dem Bezug auf die Schlacht in Dithmarschen zunächst anschaulich vor Augen, was im Epilog schließlich als allgemeine Wahrheit und Lehre postuliert wird. Der Schlussvermerk mit Widmung, Datierung und Doxologie beendet den Text. Beigeordnete Texte der Reimpaarrede Der Titeltext (V.  1f.) kündigt unter Bezugnahme auf Dithmarschen und das Goldene Jahr die Reimpaarrede als Haupttext an und verbürgt sich mit dem Postulat is waer überdies für ihre Authentizität. Die markante Referenzierung des Hauptextes weist ihn als deskriptiven Titel aus.36 Die drei en bloc abgedruckten Reimpaarsprüche (V.  3–8) auf der Titelseite gehen der Reimpaarrede unmittelbar voraus, aber sie weisen im Gegensatz zum Titeltext keine Bezüge auf den Haupttext auf. In Hinsicht auf ihre apodiktische und pointierte sprachliche Verfasstheit korrelieren sie allerdings mit den Sprüchen über Hochmut im Epilog der Reimpaarrede (V.  242–246), thematisieren jedoch jeweils mit der Gier einen anderen Gegenstand aus dem Lasterkatalog. Ferner treten sie in ein enges Verhältnis zum Titelholzschnitt: zum einen mit dem Ausdruck sack (V.  3, 7), der seine bildliche Entsprechung auf dem Holzschnitt findet, zum anderen – wenn auch weniger offenkundig – durch den beiderseitigen Bezug auf das bewusste Laster: Der Holzschnitt illustriert im NarrenschiffDruck, in dem er 1497 zuerst verwendet wurde, das Kapitel ‚Wucher und Vorkauf‘, die, wie dem Kapitel selbst zu entnehmen ist, von den Zeitgenossen auf Habgier zurückgeführt wurden.37 Das Epigramm38 (V.  265–280) ist wie der Titeltext auf die Reimpaarrede bezogen. Dies leisten zum einen die Ausdrücke gulden jar (V. 265) und mehr noch die deiktische Formulierung dyt ghedychte (V. 268) und zum anderen der Rückgriff auf einige in der Reimpaarrede formulierte Gedanken. So beginnt das Epigramm mit der Wiederholung der Gegenwartsklage aus dem Prolog (V. 265–268),

36 Zu diesem Begriff vgl. Rautenberg 2008, S. 48. Aus der Perspektive der typographischen Gestaltung zeigt auch die Positionierung des Reimpaars am oberen Seitenrand der Bucheingangsseite die Titelfunktion an. (Ebd., S. 41) 37 Sodmann, Timothy (Hrsg.): Dat narren schyp. Lübeck 1497. Fotomechanischer Neudruck der mittelniederdeutschen Bearbeitung von Sebastians Brants Narrenschiff. Bremen 1980, Bl. 191a. 38 Der Begriff ‚Epigramm‘ ist nicht aus der gedruckten Vorlage übernommen; er geht auf die Notation von Nr. 2 in Hs 8 zurück. In der vorliegenden Arbeit dient er der Bezeichnung eines kurzen pointiert formulierten Textes in Versform, der als Auf- oder Inschrift von Gegenständen verwendet wird. Vgl. Werweyen, Theodor / Witting, Gunther: Epigramm. In: RL 1 (2007), S.  459–461, hier S. 459.

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um anschließend darauf bezogen die Fürstenkritik aus dem Epilog wiederaufzunehmen (V.  269–272); allerdings ist hier im Gegensatz zur Fürstenschelte in der Reimpaarrede von den guten Fürsten die Rede, die sich für den Frieden einsetzten. An dritter Stelle folgt ein apodiktischer Spruch über das Verhängnis von Hochmut und Gier (V. 273–276), womit das Eprigramm beide Laster referenziert, welche in der Reimpaarrede und in der vorgeschalteten Reimpaarversgruppe thematisiert werden. Besonders aufschlussreich für die funktionale Bestimmung des Epigramms ist die Wendung wyl lesen (V.  268), denn diese deutet auf die Rezeptionsform des Lesens ebenso hin, wie auch auf die produzentenseitige Intention, dass die Lektüre des Epigramms der Rezeption der Reimpaarrede idealiter vorausgehen sollte. Mit Blick auf die typographische Gestaltung der Drucke (D 4), die das Epigramm auf der hinteren Außenseite präsentieren, ermöglicht die materielle Konzeption diese Absicht; hier korrelieren Materialität und Textualität. In den späterhin entstandenen Handschriften aber kann der hier in Rede stehende Beitext seine ursprünglich angedachte Wirkung nicht mehr entfalten, denn ausgehend von der Seitenfolge des Druckes von Anfang bis Ende aufgezeichnet im Heft- oder Buchinneren nahm er im Rezeptionsprozess von Nr. 2 eine nachgeordnete Position ein und wurde später sogar von der Reimpaarrede räumlich separiert (Hs 9). Eine handschriftliche Rezeption, welche sich an der Funktionalität der Texte und nicht an ihrer Positionierung im Druck orientiert hätte, würde das Epigramm womöglich an die erste Stelle noch vor Titeltext und Reimpaarversgruppe gesetzt haben. Westphalen 1745, Sp.  1447f. (Auszüge, teils lateinisch paraphrasiert). Mohr 1820, S.  209–212 (Auszüge mit Versen von Nr.  1). Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S.  507–518 (nach Hs  8). Wolff 1830, S.  361–369 (ohne das Epigramm). Schuselka 1847, S.  277–279 (Auszüge V.  31–136). Prien 1884, S. 89–102 (nach D 4, Variante b). Blomqvist 1970, S. 50–69 (Abdruck nach Hs 3), S. 71–88 (Abdruck aus Cod. Holm. D 8). – Hansen 1899, S. 37f. (Nr. 12, 13). Lammers ³1987, S. 22. Schanze 1992(a), Sp. 692f. (Nr. 3). Brandt 2017.

Glossen zu Nr. 2 in der Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8)39 2 Dieser Tidt waß Pawest Alexander Sextus. Jt wert averst alle hundert Jahr geholden unnd dan de gulden Porte tho Rome eropenet. Welches Bonifacius 8. erstlich angestifftet, de ock de Decreta colligert, van dem man sede: Intravit ut vulpes,

39 Hier abgedruckt nach Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 507–515.

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regnavit ut lupus, mortuus est ut canis.40 De Stifftung kumbt averst int Jahr Christi 1300, under Henrico, dem 7. Romischen Keiser, alß nha Funcii Rekening in Chronol. 156. de Welt gestaen 5262 Jahr, unnd iß dat gantze Jahr aver eine unuthspreckliche Summa Volkes thogelopen, sin also nicht allein vam Gelde, sondern van Liff unde Gudt, Frouwen unde Kind, Frunden unde Vorwanten, ja van der Sehlicheit absolveret worden. Jck meine, dat se absolveret sin, unnd dat heedt ein Jubel holden, up dat men ewig wedder huele. Clemens VI. hefft Anno Christi 1350 dit up dat 50 Jar getagen, darvan diese Versch sin: Hic jubilaeos centum celebrarier annos, Adsuetos primus ad quadraginta redegit.41 Unnd sin alle Dage 5000 froͤmbde Luͦde binnen Rohm getellet worden. Jn siner Bulla edder Breve, so domals angeschlagen, iß diese Gotteßlestering gewesen: Mandamus angelis paradisi, ut animas morientium, in itinere ad jubilaeum a purgatorio penitus absolutas, in paradisi gloriam introducant.42 Averst na diesem Jubel-Jahr iß eine schreckliche Pest, dat kume 10 van 1000 tho Rome levendich gebleven, erfolget. Item Amurathes 3. immanis Turcarum tyrannus int Regimente getreden. Paulus 2. hefft dat Jubel alle 25 Jare tho holden befalen; alß nha ehm Julius 2. Jder tein Jar, ut hominibus indulgentiarum, Papae autem pecuniarum largior esset proventus.43 Den uth Superstition unnd umme Gitz iß angerichtet. 44 Den 11. Februarii, welker waß de Dingeßdach nha B. Scholasticae wo vorn. 46 Den 13. Februar wart Meldorp gewunnen, alß Donnerßdages, des Mandages averst, alß 17. Febr., togen se dar wedder uth, sick tho Ungelucken. 53 Alß sick de Auctor sulvest erkleret: 1. de grote Garde, 2. dat ander Vottvolk, unnd thom 3. de Ruter tho Perde. 73 Alß Oldenworden, Hemmingstede unde Nienkerken vornemlich. 83 Alß Koning Johan van Dennemark, Hertoch Frederich van Holstein unnd 84 Alß Junker Adolph unnd Otto van Oldenborch unnd Delmenhorst, ock Junker Schlenß, de Hovetman van der Garde. Den desulvige wert herna de junge Man Greve genoͤmet. Carm. 4.44 114 Hoc admirationem enim auget, quod virgo non foeminas modo virtute, sed etiam viros anteit: Itemque, ut in viris muliebrem timorem, ita in virgine virilem audaciam cerneres45 I. 1. 2. 125 Dit, achte ick, si int erste der Ditmerschen Lose

40 ‚Er schlich sich herein wie ein Fuchs, regierte wie ein Wolf und starb wie ein Hund.‘ 41 ‚Dieser setzte die Jubeljahre, bei denen man gewöhnt war, dass sie alle hundert Jahre gefeiert werden, als Erster auf vierzig herab.‘ 42 ‚Wir befehlen den Engeln des Paradises, dass die Seelen der Verstorbenen, die auf dem Weg zum Jubeljahr aus dem Fegefeuer voll und ganz erlöst wurden, in die Ehre des Paradises eintreten.‘ 43 ‚damit für die Menschen der Ertrag an Ablässen, für den Papst aber der Ertrag an Geld reichhaltiger ist‘ 44 Gemeint ist Lied 9. 45 ‚Das vergrößert die Bewunderung nämlich, weil die Jungfrau nicht nur Frauen, sondern auch

Textabdruck und Kommentar 

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gewesen, wo den solche Lose plegen gegeven werden, wowol men up der Garde Geschrig: wahr di, Buer, de Garde de kumbt, hernach geropet: ware di, Garde, de Buere de kumbt. 126 Nudi nimirum contra Argyraspidas regios.46 131 Tantum virtutis paupertas adversus insolentes divitias habet, tantoque insperata interdum sperata Victoria certior est.47 I. 20. 139 Duplex horum verborum sensus esse potest; verus autem hic est:48 den einem halp Got, den andern beiden averst wedderstrevede he. Deme Sennacherib legt he einen Ring in de Nese unde ein Bete in de Munt, voret ehn den Wech wedder tho Huß, den he gekamen. Es. 37. Pharao vorsoͤpet he im roden Mehre. Ex. 14. Mit Josua iß he Jos. 1. 3., voͤret ehn droͤges Votes dorch den Jordan. Jos. 3. 4. 147 Derohalven iß de Auctor unpartiesch, dewile he kein Ditmerscher. 154 Den dit iß gescheen im Anfange deß Februarii, volgett darnach noch Martius und Aprilis. 165 In usum hominis, den Menschen tho Gude sin se geschapen. Gen. 1. Unnd men schal se mit Danksegging geneten. 1. Tim. 4. Sonst schrien unnd wachten se engstiglich up ehre Vorlosinge, dat se deßer Jdelheit frig werden. Rom. 8. 170 Quaelibet enim gutta Abelis a Caino profusa ad DEUM clamat. Gen. 4, et Deum ultorem excitat.49

Männern mit Tapferkeit vorangeht. Und ebenso wie bei den Männern die weibliche Furcht hättest Du auch bei Frauen die männliche Kühnheit erkennen können.‘ 46 ‚Die Nackten allerdings gegen die königlichen Silberschildträger.‘ 47 ‚Soviel wie der Mangel an Tapferkeit gegen den ungewöhnlichen Reichtum hat, desto sicherer ist der unverhoffte, mitunter erhoffte, Sieg.‘ 48 ‚Der Sinn dieser Worte kann zweideutig sein; dies ist jedoch wahr:‘ 49 ‚Jeder Blutstropfen Abels, der von Kain vergossen wurde, schreit zu Gott (Genesis 4), und er lässt den Gott als Bestrafer sich erheben.‘

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Exzerpte aus Nr. 1 und Nr. 2 in Hs 2 Exzerpt 1 En sack alto lanck, alto wyd unde ser undicht Den kanmen hastigen vullen nicht. De vele wil hebben unde dar na steyt, De kumpt ock vaken yn grot vordreyt. 5 De ghyrichlick vullen wil eynen sack by deme anderen, Dem scholde nicht nogen myt hollant unde flanderen.

Nr. 2, V. 3–8

Exzerpt 2 

5

10

15

20

Nota bene sequentes: Homod unde ghiricheit de dar na steit, Den kan men nicht wol saden. Hir van kumpt vele quat in alleme stad, Desse anrichten vele des quaden. Wor eyn islick na rynget, dat sulve em brynget, He kricht dar van eyn stucke. God wil en geven, dede frede beleven, In ereme vortgange gelucke. De vorste is aller ere wert, De der kristenheit vramen begerd. Em behoret to dencken dach unde nacht, Wo de kristenheit moge bliven by macht, De seer af brickt nu tor tid. Se swaket gantz sere up alle syd. Dit scholden de forsten alle keren, Dar umme hetetmen se gnedige heren. Vele vorsten hir nu entjegen doet, Vorgeten ane not krystene blot. Se scholden up de unkristene slan, So sprickt nu de gemeyne man. Se boren jo up der werlde plicht, Datmen dit sprickt, en achten de heren nicht.

Nr. 2, V. 273–280 (Epigramm)

Nr. 2, V. 219–232 (Fürstenschelte)

Exzerpt 3 Nota bene: O gi eddelen stede unde lande Bedencket godes woldat mannigerhande. Ihsus unse here unde unse broder, Dar to Maria syne werdige moder 5 Vul aller gnaden, hillich der hilligen, Weren mer othmodich, unde dat gantz willige, So jenich mynsche ju is gewest, So men in deme waren ewangelio lest.

Nr. 2, V. 233–252 (Epilog)

Textabdruck und Kommentar 

Worumme wil wy dan hofardich syn? 10 Na homod volget ewige pyn. Eyn homodich mynsche nicht lange stad, He vallet gantz drade, wo id ok ghath. Vor gade is homod ewige schande, Dorch homod vorderven stede unde lande. 15 Up dat uns so nicht enschee, Id is rad, eyn yslick by tiden to see Up sick sulven, up syne undersaten, Up alle de in syneme bevele synt. Legget wech den flege, de sundigen dracht, 20 Dar myt god in tornicheit wert ghebracht. Och god, wo wandelbar is unse tid. Wen wy menen vrede, so hebbe wi strid. Aldus du unse schip gerynge vorwandelst Unde broderlike leve voranderst. 25 O, wo dure is de victorie gestan, De myt blotstortinge wart gedan. God gif dynen kristenen endrechticheit, Dynen frede unde ewige salicheit.

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Nr. 1, V. 311–316

Nr. 2, V. 263f.

3,9 wil wy] wil wil wy. 3,17 Vor sick] gestrichenes syne. 3,25 Vor O] gestrichenes Och. Zwischenüberschriften und Versanfänge rubriziert, Reimpaare rot geklammert, vor den Versanfängen abwechselnd rote und blaue Paragraphenzeichen.

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 Edition

Nr. 3: My vorverden van swarheit der dinger Nr. 3 T Dat dridde van der wunderwijsen lesten slachtinge in dem lande to Dethmerschen. 1

My vorverden van swarheit der dinger,

2 3 4

Stumpet de sin, dat ghemote vorsaghet, Stummet de munt unde beͤvet vingher. To scrivende bin eck alse vorjaghet. 5 Under den Kelken gades des heren 6 Is eyner, den he vaken vorhenget, 7 Dar dorch grimmicheide sek meren, 8 Wen eyner den anderen enghet. 9 Ummeher wanket hefft de smoeck 10 Mit syneme venynschen dramme. 11 An unse oͤrde is he ghekamen ock. 12 Vil mennighen toͤch de ramme. 13 Westwert kam he krupende heͤr 14 Unde schulpede went ant noͤrden. 15 Twe broder daͤr bestunt dat weͤr. 16

Undank hebben, de se vorvoͤrden.

17 18

Her Konning hans to Denemarck, Wol hefft he vil grote rijke,

19

Mit Frederike synem broder starck 20 Anheͤrdet do worden to lijke. 21 In tornigheme mode bevededen se 22 Detmerschen lant dorch graven: 23 24

26 27 28 29

Mennighem waͤrt tom herten we, Malkem was leyde vor snaven. 25 Kunstigher sinne were wol noet, Scholde me et rechte bescriven. Wor met den dichtern by dem belte boͤt, Malk provede sek dar ut to wriven. Suß is myn vedder ock gantz trach. 30 Doch wil eck jo wes beroren.

Das dritte von der denkwürdigen kürzlich geschehenen Schlacht im Land Dithmarschen. Von der Schwere dieser Angelegenheiten wurde ich in Furcht versetzt, mir wird der Verstand träge, verzagt der Mut, verstummt der Mund und zittern die Hände. Zum Schreiben bin ich wie eingeschüchtert. Unter den Kelchen Gottes des Herrn ist einer, den er oft verhängt, wodurch sich der Zorn verstärkt, wenn einer den anderen in die Enge treibt. Der Rauch mit seinem giftigen Ungestüm ist umhergegangen. Zu uns ist er auch gekommen. Viele zog der Schafbock mit sich. Er kam kriechend von Westen her und wälzte sich weiter vorwärts bis nach Norden. Die Verteidigung hielt dort zwei Brüdern stand. Undank empfinden diejenigen, die sie fehlgeleitet haben. Herr König Hans zu Dänemark, der ohne Zweifel über mächtige Reiche verfügt, und Friedrich, sein starker Bruder, wurden da auf die gleiche Weise angetrieben. Voller Zorn führten sie Krieg gegen das Land Dithmarschen entlang der Wassergräben: Vielen wurde übel zumute, jeder fürchtete sich davor zu fallen. Ein gebildeter Verstand wäre sicher notwendig, wenn man es auf die richtige Weise beschreiben sollte. Wo man es den Dichtern an der Ostsee antrug, war jeder bemüht, sich herauszuwinden. Und so ist auch meine Feder sehr träge. Dennoch werde ich etwas dazu schreiben.

T Rubriziert. 3–214 Rubrizierte Versanfänge. 3 My] M als rote, zwei Zeilen hohe, schlichte Fleuronnée-Initiale. 21 bevededen] beuͦededen. 

Textabdruck und Kommentar 

31 32 33 34

36 37 38 39

41 42 43

He sy denne vromede edder mach, He willet int beste al voren. De geschickeden spisse der hern gud, Gherustet to vote unde perde, 35 Voͤrt tredende hadden eynen vrischen muͦd. Na Meldorp was de verde. Se wunnent, vort de banner uth, Hopen me to der volghe droch. Se schrackeden alle overluth, 40 Den dar bescheen was er ghevoch. Des mandages kort dar na geschach, Ame seventeenden februarij, De mochte wol heten eyn vorworpen dach,

44

Wo et der Kerken nicht to na ensij. 45 Se wankeden uth wol ordinert. 46 Ime lande wolden se wesen. 47 Galm wart in der lucht gemeͤrt. 48 Se truweden al to ghenesen. 49 Id is der witten swanen ard: 50 Vor dem dode plecht se to singen. 51 De detmerschen leghen up erer vard 52

Unde dachten, me woldet one bringen.

53

Nu sint de weghe also ghetacht:

54 56 57 58 59

Enghe, vuͤl, unlijck unde slimich, 55 Mit graven, dammen ummebewracht, Moͤr, brockte by acker sijlich. Dar betengede seck de mangel snel, Erst mit unglikem trede, Solanghe des landes kanße vel,

61 62 63

60 Dat se komen konden tobrede. Den id do gar lichtlick was, De anderen umme her beringen. Ock hadden se eyn luckich stundeglaß

64

Alse hulpe to dussen dinghen.

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Er sei fremd oder ein Vertrauter, er wird es ins Beste führen. Die zum Kampf aufgestellten Heere der edlen Herren, die zu Fuß und zu Pferd gerüstet waren, waren unbeschwert, während sie voranschritten. Der Weg führte sie nach Meldorf. Sie gewannen es, das Banner wurde sogleich aufgerichtet, hoffnungsvoll war man danach. Sie tanzten mit großem Lärm, zu deren Zufriedenheit es sich dort gefügt hatte. Am Montag kurz darauf geschah es, also am 17. Februar, den man zurecht einen Unglückstag nennen sollte, wie es auch im Sinne der Kirche sein würde. Sie schritten wohl geordnet los. In dem Land wollten sie sein. Der Lärm wurde lauter in der Luft. Sie vertrauten darauf, unversehrt zu bleiben. Es ist dies das Wesen des weißen Schwans: Vor dem Tod singt er für gewöhnlich. Die Dithmarscher bezogen auf ihrer Marschroute Position und dachten, man würde es ihnen schon bringen. Nun sind die Wege folgendermaßen beschaffen: eng, schmutzig, uneben und schlammig, begrenzt von Gräben und Dämmen, Moor und Bruchlandschaft auf Sieläckern. Dort nahm der Kampf zügig seinen Anfang, zuerst mit ungleichem Geschick, solange bis sich das Glück des Landes einstellte, so dass sie die Oberhand gewinnen konnten, für die es mühelos war, die anderen zu umzingeln. Außerdem hatten sie ein glückliches Stundenglas zur Hilfe in dieser Angelegenheit.

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 Edition

65 Eyn vor gevanghen uͤt des konniges heͤr 66 67

De hadde ed one vormeldet, Wor se seck scolden setten tor weͤr.

68

Suß wern se ock beth beveldet.

69

Se wusten beth aff unnde an

70 Wen de anderen uthlender. Wesselinge, de der bekamen kan, Tom sture is deß to behender. Tovorn Maria de reyne maghet Entsettinghe one dar dede. 75 Der hadden se al or noet geclaghet 76 Mit ghelofften inn der vede, 77 Langhe unde vlitigen vor ghevastet, 78 Mit ruwenne wol ghebichtet. 79 Suß dorch sunde borden umbelastet 80 Mit dem sacramente na berichtet. 81 Ghelech der stede, der waghen gespeͤr, 71 72 73 74

82

Hopen des winstes unde starke schote

83 84

Brochten de spisse uth der weer. Hart weͤr he, dem des nicht vordrote. 85 Dar dwelt de rider, de voͤtman vluth,

86 87 88 89

De peͤrde gewundet ok pedden. Ime enghen nemande hulpe schuͤt. Ok kan me sek sulves nicht redden. Dar sach me mennig wapen schoͤn 90 Ane brukinge in malkes handen, 91 Ghelick de ghemalden bilde doͤn. 92 Doch waß et en nicht to schanden, 93 Unstrijtber dar torer stede werden, 94 96 97 98 99

In mennighem stride gheprovet. 95 De oghen up, de hande torer erden Holden se nicht ringhe bedrovet. Vame hemmel vorsuffet boven dal, Wat modes konden se beholden? Teghen gades kraft en is neyn mal;

65 gevangen] geuͦangen. 

Einer aus dem Heer des Königs, den sie zuvor abgefangen hatten, der hatte es ihnen verraten, wo sie sich zur Verteidigung bereithalten sollten. Sie waren zudem auch besser mit der Gegend vertraut. Sie wussten sich sehr viel besser hin und her zu bewegen als die anderen Fremden. Wer Ablösung bekommen kann, der kann umso geschickter Abwehr leisten. Zuvor hatte ihnen Maria, die reine Magd, Beistand geleistet. Ihr hatten sie mit Versprechen für den Krieg ihr ganzes Leid geklagt, lange und eifrig vorher gefastet und reuevoll gebeichtet. Auf diese Weise von der Last der Sünde befreit wurden sie mit dem Sakrament gestärkt. Die Beschaffenheit des Schauplatzes, die Behinderung durch die Wagen, die Hoffnung auf den Sieg und heftige Geschosse machten die Spitze des Heeres wehrlos. Hartherzig wäre der, den das nicht verärgern würde. Da irrt der Ritter umher, der Fußsoldat ergreift die Flucht und die verwundeten Pferde schlagen aus. Im Gedränge wird niemandem Hilfe zuteil. Außerdem kann man sich selbst nicht retten. Da sah man viele prächtige Waffen unbenutzt in jedermanns Händen, genauso wie es gemalte Abbilder tun. Doch es war keine Schande für sie dass sie gerade dort unfähig werden zu kämpfen, die in vielen Kriegen erfahren sind. Die Augen hielten sie auf, die Hände zur Erde, auf das Äußerste betrübt. So vollkommen bestürzt, an welcher Hoffnung sollten sie festhalten? Gegen die Macht Gottes gibt es keine Grenze;

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100 Beth mach heß aver wolden. 101 Worden de loße vormenget dar, 102 103 104

Alse me secht, dat gescheen sy, Dat konde bringhen grote var, Unde leyde des jegeners macht by.

105 So stolt se dar tor bane kemen, 106 107

So vuͤl worden se ghelenket Unnde meyst schaden van bussen nemen,

108 109 110 111 112 113 114

Na mennigerleye wijß gekrenket. By unsenn daghen nuͤ sodanne val In strijde hir is vormerket. Den tal ick bilken vorswigen schal. Twydonicheit sodans werket: Seß dusent de eyne part besteyt. Nicht endwelst, nympstu se twie.

115 Ifft menniges tal dar enboven gheit, 116 117

Den anderen ist eyn ghehye. De adel ute holstenn dar sere vel,

118 119 120 121 122 123

Borgher, buͤr unde ruter mede. Der soldener ok ick nicht entel, De alle weren inne dem glede. De garde ghenomet eyn groter tal Ame reye ock mede waren. Se leyden byna intsamen eynen val.

124

Sunder se hedde me bet ghevaren.

125 126 127 128 129 130

Uneelick was erer sammenunge gar, Gadeßvorgheten unde hoͤnspreker. Neyneme state se vogheden dar. Des moste gad syn eyn wreker. Ifft der detmerschen in der slacht Villichte hin by hundert bleven,

131

Vorwar dat was eyn ringhe acht,

132

Eynenn umme hundert tho geven.

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er kann sie gewiss überwältigen. Wurden die Parolen dort durcheinander gerufen, wie man sagt, dass es geschehen sei, dann konnte das große Gefahr herbeiführen, und es setzte die Macht des Gegners außer Kraft. So stolz wie sie zum Kampfplatz gekommen waren, so fehlgeleitet wurden sie, nahmen größtenteils Schaden von Feuerwaffen und wurden geschwächt auf vielerlei Art. Zu unserer Zeit ist nie so eine Niederlage im Kampf gesehen worden. Die Zahl kann ich mit Recht verschweigen. Widersprüchliche Aussagen bewirken das: Die einen räumen sechstausend ein. Du irrst nicht, wenn du diese Zahl verdoppelst. Wenn die Anzahl von vielen darüber hinausgeht, ist das für die anderen Hohn und Spott. Der Adel aus Holstein erlitt dort eine schmerzliche Niederlage, und mit ihm Bürger, Bauern und Reiter. Die Söldner zähle ich auch nicht, die alle von der Niederlage betroffen waren. Eine große Menge, die Garde genannt, war auch an dem Tanz beteiligt. Sie erlitten beinah alle zusammen eine Niederlage. Ohne sie wäre die Heerfahrt erfolgreicher gewesen. Ihre Gemeinschaft war gesetzlos, Gottvergessene und Gotteslästerer. Sie fügten sich keiner Ordnung. Deshalb musste Gott ein Rächer sein. Wenn von den Dithmarschern möglicherweise etwa einhundert in der Schlacht fielen, dann war das wirklich eine unerhebliche Rechnung, einen für hundert zu geben.

132 Eynenn] Nasalstrich über Doppelkonsonant. tho geven] thogeuen. 

240 

 Edition

133 134 135 136

Dat ik nu sette, en is neyn ghedicht: Eyn juncfruwe droch de banner, Williger reyne sterven, wen mit ticht Alse ghevangen leven wanner.

137 138 139 140 141 142 143

Gades kraft overtred alle dinck Unde bsundern in dessem handel. Mynschen upsate rekent he eyn twinck, Unde synen innighen scaffet eynen wandel. Stolte licham, wapen, enge wech Den winst nicht vullen dreven. Et was al gades swepen ghelech,

144 Dar so veͤl in dren stunden bleven. 145 Redeschop der, dar syn vorslaghen, 146

Bleff al to der winner beste.

147 148

Me willet to schimpe, to ernste draghen, Se letent dar alse tuͤr gheste.

149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159

De strantmannen dar in der sulven stunt Meldorp wol wedder begrepen. Wat nicht blef doͤt, dat wart ghewunt; Gar wenich, de id vorlepen. Nu horet my, gy detmerschen stolt: Belevet gy gick nicht alto sere. Hedde gades vorhenginge nichte wolt, De zeghe were juw ummere. Unsecker is schachtafelen spel, Dat luckerad gheit umme, Sluͦmp wendet seck, wen gad wel.

160 161 162 163 164 165 166 167 168 169

Danket deme, so myde gy krumme. Dar al man swicht unde ek alleyn Desset ghedichte doͤr singhen, Vorwundert sek jderman ghemeyn. Ghelovet des, leve kan dwingen. Ick meynet wol unde bin vorplicht, De warheit jummer meldenn. De itzunt steit, morgen balde licht, Dar umme wuͦchet ghar selden. Strijd, veͤdem swack de laten glippen.

156 juw] jw.

Was ich jetzt sage, ist nicht erfunden: Eine Jungfrau trug das Banner voran, eher dazu bereit, unbefleckt zu sterben, als zu irgendeinem Zeitpunkt schuldig wie eine Gefangene zu leben. Die Macht Gottes übertrifft alles und ganz besonders in dieser Angelegenheit. Anschläge der Menschen schätzt er gering, aber seinen Gläubigen bringt er Besserung. Stolze Gestalten, Waffen und enge Wege führten den Sieg nicht herbei. Es war ausschließlich die Beschaffenheit der Geißel Gottes, als so viele in drei Stunden starben. Die Ausrüstung derer, die dort getötet wurden, blieb vollständig zum Nutzen der Gewinner zurück. Man wird es für Spaß oder Ernst halten, sie ließen es dort zurück wie ausgezeichnete Gäste. Zur selben Zeit nahmen die Strandmannen Meldorf wieder ein. Wer nicht starb, der wurde verwundet; es gab nur wenige, die flüchten konnten. Nun hört mir zu, ihr stolzen Dithmarscher: Seid nur nicht allzu eingebildet. Hätte es Gottes Fügung nicht gewollt, wäre der Sieg für euch verloren gewesen. Das Schachspiel ist unsicher, das Glücksrad dreht sich, der glückliche Zufall wendet sich, wenn Gott es so will. Dankt ihm, so vermeidet ihr Unglück. Während jedermann schweigt und ich allein es wage, dieses Gedicht zu singen, verwundert sich jeder im Allgemeinen. Glaubt es, Liebe kann zwingen. Ich meine es gut und bin verpflichtet, zu jeder Zeit die Wahrheit zu berichten. Der jetzt noch steht, fällt morgen schon, deshalb jubelt gar nicht erst. Der Krieg und der schwache Faden haben sie im Stich gelassen.

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170 Wendehoͤke enhelt neyne verwe; 171

Des zeghes waghe suͤth me wippen;

172 173 174 175 176 177 178 179 180

Nicht kornich is or gherwe. Hijr uth malk wol vormanet sy, Bede hoghenne unde de sijden, Eyn jowelk sta der rechticheit by, So enkan he nichte gliden. Du land, suß winnende int ende, Eynes dinghes eck dy wite: Dyne oghenbrauen nedderwende Upgheslaghen den doden to spite!

181 182 183 184 185 186 187 188

Anvalliken winstu dorch gades vorheng Unde vorghest der minschliken plege. De vorslaghen so lest liggen leng Naket leyder an deme weghe. Ghedenke hedenscher mildicheit, Dar du eyn cristen wult heten, Do ne eyn deme anderen in twiparticheit Der grafft doch leyt gheneten.

189 190 191 192

Isset billick, dat eyn twye lyde, De syn recht hefft uthstanden? Twivelstu an derer zelen sijde, De knaken wille doch nicht panden.

193 194 195 196 197 198 199

Der Hern, Ritter offte eddel man, De dar all sint ghebleven, Enscrive ek neyn unde denke dan, Me kant my beth vorgheven. Doch ift twe hern van oldenburgh, De bannervorer her Aneveld, Juͦncher Slegnß, ein Capitene kurch

200 201 202 203 204 205

Unde ritter, dar bleven my ungeteld, Wolde ek dat vorswighen geͤrn, Dat rochte beropt seck hulpen: Van velen paͤr sporen de vorgulden steͤrn Willen de Meldorper nicht bestulpen. Dar ek alleyn vortelle de schicht

206

In lutterer warheit wijse,

 241

Wer den Mantel nach dem Wind dreht, der hält keine Farbe; die Siegeswaage sieht man, wie sie sich auf und nieder bewegt; ihrer Garbe mangelt es an Körnern. Hierdurch sei jeder gewarnt, sowohl die Hohen als auch die Niedrigen, ein jeder stehe der Gerechtigkeit bei, dann kann er nicht zu Fall kommen. Du Land, das du am Ende gewonnen hast, eine Sache rate ich dir: Senke deine Augenbrauen, die du den Toten zum Hohn hochgezogen hast! Unerwartet gewinnst du durch Gottes Fügung und vergisst die menschliche Fürsorge. Schlimmer noch lässt du die Getöteten nackt auf dem Weg liegen. Bedenke die heidnische Mildtätigkeit, sofern du ein Christ genannt werden willst, da der eine dem anderen in Zwietracht dennoch nicht das Begräbnis zuteil werden ließ. Ist es gerecht, dass einer zweimal leidet, der das Urteil bereits ertragen hat? Zweifelst du auch in Bezug auf ihre Seelen, die Knochen werden doch nicht als Pfand dienen. Von den Herren, Rittern oder Edelleuten, die alle dort gefallen sind, schreibe ich keinen auf und denke ferner, man wird es mir gewiss verzeihen. Doch wenn zwei Herren von Oldenburg, der Bannerträger Herr Ahlefeldt, Junker Slentz, ein ausgezeichneter Hauptmann und Ritter, für mich ungezählt blieben, wollte ich das auch gern verschweigen, doch das Gerücht weiß sich zu helfen: Von vielen Paar Sporen wollen die Meldorfer die vergoldeten Sterne nicht bedecken. Weil ich allein entsprechend der reinen Wahrheit von diesem Geschehen erzähle,

177 int ende] jntende. 187 ne] übergeschrieben. 203 paͤr sporen] paͤrsporen.

242 

207 208 209

 Edition

Kan me my partyes vordenken nicht. Dat betrachtet mennich lijse. Wol beghert der tijd: Id is gheschein

210 Veffteynhundert ime gulden jare 211 Na gades ghebord, de gheve, dat neyn 212 213

Desser sy in vordomeder vare. Amen.

kann man mir keine Parteilichkeit vorwerfen. Das ziehen viele kaum in Betracht. Wer das Datum wissen möchte: Es hat sich zugetragen im goldenen Jahr 1500 nach der Geburt Gottes, der dafür sorgen möge, dass keiner von diesen verdammt sei. Amen.

Textabdruck und Kommentar 

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 1, Bl. 221vb–224rb.

Die Reimrede ist unikal überliefert. Sie findet sich im Verbund mit zwei weiteren Texten ähnlichen Zuschnitts, d. h. mittelniederdeutschen ereignisbezogenen Reimreden, als Nachtrag auf den letzten Seiten des Codex, der die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ von Ernst von Kirchberg aus dem Ende des 14. Jahrhunderts tradiert (vgl. Hs 1).50 Bei diesen Texten handelt es sich um Übertragungen lateinischer Dichtungen; darauf verweist zum einen die Vorrede, die den Nachtragsstücken vorgeschaltet wurde (vgl. unten V. 4), zum anderen eine Provenienzangabe an ihrem Ende (vgl. Hs 1, Bl. 224rb): Zwei dieser Prätexte – und zwar die Nummern 2 und 3 über die Hostienschändung in Sternberg und die Schlacht bei Hemmingstedt (vgl. Nr. 13) – können im Œuvre des Dichters Heinrich Boger (gest. 1505)51 nachgewiesen werden; sie stehen nicht nur in seiner 1506 in Rostock bei Barkhusen gedruckten Werkausgabe mit dem Titel ‚Etherologium‘ (D 7), sondern auch in einer kleinen Handschrift aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts (Hs 13). Ferner ist die lateinische Klage über die Schlacht bei Hemmingstedt in zwei Einblattdrucken aus dem Jahr 1500 unter Bogers Namen überliefert (D 5, D 6). Die Verfasserfrage der drei mittelniederdeutschen Reimreden in der Kirchberg-Chronik galt bislang als ungeklärt.52 Ihre Vorrede indiziert jedoch, dass Heinrich Boger nicht nur der Autor des dritten lateinischen Gedichts über die Rostocker Domfehde ist, sondern dass er darüber hinaus auch die Übersetzungen der lateinischen Stücke ins Mittelniederdeutsche verantwortet hat. Denn hier heißt es (V. 3f.) sinngemäß, dass derjenige, der für die deutschen Dichtungen verantwortlich zeichnet, diese dem Leser zuvor auf Latein präsentiert hatte. Da nun für zwei der drei Nachtragsstücke Bogers Autorschaft der lateinischen Vorlagen als gesichert gelten darf, so muss es sich bei ihm eben auch um den Übersetzer handeln. Dies kann gestützt

50 Abdruck der Nachträge: Koepke, David Heinrich: Memoria Conradi Lostii Wismariensis duabus disputationibus e fide dignissimis monumentis renovata. Rostock 1707, S.  84–88 (Hostienschändung Sternberg 1492); Saß, Ernst: Die Reimchronik über die Rostocker Domhändel. In: MJbb 45 (1880), S.  33–52 (Rostocker Domfehde 1487–1491); Krause 1881, S.  3–24 (Schlacht bei Hemmingstedt 1500). 51 Zu Boger vgl. Eintrag D 5 in Kap. II.3. 52 Zur Verfasserfrage der nachgetragenen Texte vgl. Krause 1881, S. 3–24; ders.: Dr. theol. Hinrich Boger oder Hinricus Flexor, der Begleiter Herzogs Erich nach Italien 1502–1504. In: MJbb 57 (1882), S. 111–140, hier S. 135; Lisch, Georg Christian Friedrich: Buchdruckerei des rostocker Stadt-Secretairs Hermann Barckhusen. In: MJbb 4 (1839), S.  63–91, hier S.  89f.; ders.: Hinrici Bogher Etherologium, Rostock 1506. In: MJbb 9 (1844), S. 480–484, hier S. 480; Saß 1880, S. 35.

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werden mit dem westniederdeutsch-ostfälischen Sprachstand von Nr.  3 (siehe unten), denn Boger stammte nachweislich aus Höxter. Hinsichtlich der Aufzeichnung der Stücke folgte der Nachtragsschreiber der mise en page der ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ aus dem Ende des 14. Jahrhunderts: Die Texte wurden zweispaltig erfasst und die Zeilen nach dem Versende umgebrochen. Vers 1 eines jeden Reimpaars wurde durch Ausrückung der initialen Majuskel vor den eigentlichen Schriftraum sowie durch Rubrizierung derselben jeweils hervorgehoben. Einrichtungsunterschiede bestehen lediglich hinsichtlich der Zeilenzahl, die in den Nachträgen etwas umfangreicher ausfällt (36 statt 30 Zeilen), sowie hinsichtlich der Schriftart: Während die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ in einer Textualis notiert wurde, verwendete der Nachtragsschreiber entsprechend des späteren Aufzeichnungszeitpunktes die jüngere schleifenlose Bastarda. Einige Stellen und Passagen von Nr.  3 werden von keinem der Textzeugen der lateinischen Elegie Nr.  13 dokumentiert: Hierzu zählt die Episode mit dem Mann aus dem königlichen Heer, den die Dithmarscher vor der Schlacht gefangen nehmen und aushorchen konnten (V.  65–67), ferner der Hinweis auf die Mildtätigkeit der Heiden in der Mahnrede an die Dithmarscher (V.  185) sowie auch der Abschnitt, in dem einige der Gefallenen namentlich genannt werden (V. 197–200).53 Hingegen ist von der Rückeroberung Meldorfs durch die Dithmarscher (V. 150) in nur einem Druck der Elegie die Rede, und zwar im ‚Etherologium‘ von 1506 (D 7). Anhand der Angaben in der Vorrede und im Provenienzvermerk zu den Nachtragsstücken in der ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ kann die konkrete Vorlage von Nr. 3 nicht eindeutig identifiziert werden. Die dargelegten Textunterschiede lassen sich daher auch nicht zweifelsfrei als Erweiterungen der Übersetzung gegenüber dem lateinischen Prätext einordnen. Dies verbietet sich auch deshalb, weil die Varianten, hinsichtlich derer die Textzeugen der Elegie voneinander abweichen, tatsächlich auf mindestens einen weiteren, heute jedoch nicht mehr greifbaren, Druck hinweisen.54 Für die mutmaßliche Entstehungszeit von Nr.  3 kann aus diesem Grund auch nur der 17. Februar 1500, das Datum der referenzierten Schlacht bei Hemmingstedt, als terminus post quem angegeben werden. (Immerhin heißt es in der Vorrede, dass die Schlacht erst kürzlich stattgefunden habe [V. 25].) Handelt es sich bei Heinrich Boger um den Verfasser der drei Reimreden, wie es die Vorrede nahelegt, so muss die Reimrede Nr. 3 vor dessen Tod Anfang des Jahres 1505 ent-

53 Darüber hinaus haben auch die Aussagen in den folgenden Versen keine Entsprechung im lateinischen Ausgangstext: V. 31f., 84, 92, 157, 159. 54 Zu dieser Frage siehe Krause 1881, S. 3–5.

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standen sein. Auf den Zeitpunkt der Niederschrift in dem mittelalterlichen Codex trifft dasselbe zu. Auf den Ort der Niederschrift kann aus der Vorrede geschlossen werden. Hier heißt es (V.  13f.): Ghescreven suß to wolghevalle / To Mecklnburg dem eddelen hueß. Der Nachtrag kann entweder noch in der Regierungszeit Herzog Magnus’ II. (1477–1503) vorgenommen worden sein oder auch erst nach dem Regierungsantritt seiner Söhne, Heinrichs V. (1503–1552) und Albrechts VII. (1503–1547).55

Sprachstand Mit der Reimrede Nr.  3 liegt ein mittelniederdeutscher Text vor, der einen Mix aus überregional verbreiteten Varianten einerseits und westniederdeutsch-ostfälischen Merkmalen andererseits dokumentiert. Zur ersten Gruppe zählen die nachfolgenden Erscheinungen: – Formen mit Doppelkonsonanz nach gekürzten Vokalen (Peters 1987, 1.2.3.): vedder ‚Feder‘ (V. 29), edder (V. 31), hemmel (V. 97), wedder (V. 150), nedder (V.  179), eddel (V.  193). Vom Ostfälischen ausgehend setzte sich diese Entwicklung – zumindest vor den Endungen -el und -er – auch im Nordniederdeutschen durch. – Die Ausprägung des verbalen Einheitsplurals im Präsens Indikativ mit dem Endungsflexiv -en, wie bei hebben (V. 16), pedden (V. 86), laten (V. 169) und willen (V.  204). Diese Variante der verbalen Formenbildung ist charakteristisch für die ostniederdeutschen Varietäten, verbreitete sich im 15. Jahrhundert jedoch auch im niederdeutschen Altland westlich der Elbe, wo die Endung -et galt (Peters 1987, 2.1.1.; ders. 2000, S. 1478). – Die Realisierung der Personalpronomen der 1. und 2. Person im Dativ und Akkusativ auf Dativgrundlage (V. 153, 156, 178, 196, 200, 207). Diese Varianten galten im gesamten mittelniederdeutschen Sprachraum mit Ausnahme des ostfälischen Gebietes, wo die Akkusativformen eingesetzt wurden (Peters 1987, 2.4.). Mit gick (V. 154) belegt nur eine einzige Form den typisch ostfälischen Einheitskasus auf Akkusativbasis. Damit zählt das Pronomen zur zweiten Merkmalsgruppe, die einen markanten westniederdeutschen Einfluss ostfälischer Prägung auf den Sprachstand von Nr. 3 belegt. Hierunter fallen folgende Varianten:

55 Zu den Regierungsdaten: Karge / Münch / Schmied 42004, S. 203.

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– Formen mit o-Graphie für tonlanges o (Peters 1987, 1.2.2.): Hopen (V. 38, 82), overluth (V. 39), komen (V. 60), boven (V. 97), enboven (V. 115), overtred (V. 137). Neben diesen können aber auch solche mit a-Graphie nachgewiesen werden, die besonders charakteristisch für die nordniederdeutschen Schreibidiome sind. Dies sind ghekamen (V. 11), bekamen (V. 71), gades (V. 99, 126, 137, 143, 155, 181, 211), aver (V. 100), gad (V. 128), knaken (V. 192). – Pronominale Formen (Peters 1988, 4.5.1.1.; 4.5.2.; 4.5.1.13.; 4.5.1.14.; 4.5.4.1.; 4.5.6.7.): ek/eck ‚ich‘ (V. 30, 161, 178, 195, 201, 205), sek/seck ‚sich‘ (V. 7, 57, 67, 88, 159, 163, 202), or ‚ihre‘ (V. 75), one ‚ihnen‘ (V. 52, 66, 74), dussen ‚diesen‘ (V. 64), malk, jowelk ‚jeder‘ (V. 24, 28, 90, 173, 175). – Formen aus dem Paradigma von willen ‚wollen‘ (Peters 1987, 2.1.10.1.): wult ‚willst‘ (V. 186), wel ‚will‘ (V. 159). – Einzelne Lexemvarianten (Peters 1990, 4.6.3.9.; ders. 1988, 4.2.7.4., 4.2.7.6.): lucht ‚Luft/Licht‘ (V. 47), nuͤ ‚nie‘ (V. 109), rochte ‚Gerücht‘ (V. 202). Neben der ostfälischen Färbung charakterisieren diverse Mündlichkeitsmerkmale die Notation der vorliegenden Reimrede. Hierunter fällt in erster Linie die enklitische Realisierung der Pronomen it/et ‚es‘ und du sowie des Artikels dat, und zwar – bei finiten Verben: willet (V. 32, 147), wunnent (V. 37), woldet (V. 52), nympstu (V. 114), letent (V. 148), meynet (V. 165), winstu (V. 181), Isset (V. 189), Twivelstu (V. 191), kant (V. 196), – Präpositionen: ant (V. 14), int (V. 32), und – Pronomen: met (V. 27), heß (V. 100). Jedoch weist die Aufzeichnung von Nr. 3 in vergleichbaren Positionen auch Belege der vollen Realisierung von it/et auf, z. B. mit me et (V. 26), hadde ed (V. 66), de id (V. 152). Neben klitischen Formen bildet die Aufzeichnung von Nr. 3 auch solche mit synkopierten Nebensilbenvokalen ab; dies sind wern (V.  68), bilken (V.  111) neben billick (V.  189) und bsundern (V.  138). In der überwiegenden Anzahl der Fälle ist auch die Enklise mit dem Ausfall einer Silbe verbunden (ausgenommen willet, nympstu, winstu und Twivelstu). Eine metrische Begründung der beschriebenen Silbenausfälle kann nur für Einzelfälle plausibel gemacht werden (vgl. V. 37 wunnent).

Stellenkommentar T Dat dridde: Nr. 3 ist das dritte Stück in der Reihe der drei Texte, die als Nachtrag an die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ angefügt wurden (vgl. Textgeschichte).

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1 Der Satz ist unvollständig; es fehlt das Subjekt zu vorverden; Infinitiv vorvēren (Mnd. Hwb. I, Sp. 814). Aus diesem Grund wurde in der Übersetzung das Objekt My als Subjekt ich umgesetzt; das aktive Prädikat wurde entsprechend durch sein passives Äquivalent ersetzt. der dinger: Nominativ Singular dinc (Mnd. Hwb. I, Sp. 430). Der Genitiv Plural lautet korrekt dinge (Lasch 21974, § 371). Das Endungsflexiv -er muss hier reimbedingt sein (vgl. V. 3: vinger). 5f. Der Begriff ‚Kelch‘ bezeichnet im eigentlichen Sinne ein liturgisches Trinkgefäß, in welches der Wein gefüllt wird, der bei der Eucharistiefeier erst zum Blut Christi gewandelt und anschließend ausgespendet wird (Berger 1996, Sp. 1384). In der vorliegenden Textstelle wird der Begriff uneigentlich im Sinne von etwas verwendet, das den Menschen von Seiten Gottes zuteilwird; Belege für diese Verwendungsweise finden sich im Alten und Neuen Testament (z. B. Matthäus 26,39) sowie in der Literatur des Mittelalters (vgl. DWB XI, Sp. 505f.). Die Rede ist u. a. vom Kelch des Heils und vom Kelch des Zorns (ebd.; vgl.  Offenbarung 14,9–10: „Wer das Tier [das Lamm, Anm. d. Vf.] und sein Standbild anbetet und wer das Kennzeichen auf seiner Stirn oder seiner Hand annimmt, der muss den Wein des Zornes Gottes trinken, der unverdünnt im Becher seines Zorns gemischt ist.“). Darauf zurückgehend bezeichnet ‚Kelch‘ ferner das Los oder Schicksal des Menschen (DWB XI, Sp. 506). Mit Rücksicht auf V. 6–8 ist mit dem „einen unter den Kelchen Gottes“ der Kelch des Zorns gemeint. 9–14 Der Abschnitt beschreibt ein dämonisches Wesen; Aussehen und Eigenschaften dieses Wesens entsprechen der mittelalterlichen Vorstellung von der Erscheinung des Teufels (vgl.  DWB XXI, Sp.  267): Es wird mit den Begriffen smoeck, ramme und venynschen dramme vorgestellt; die Art seiner Fortbewegung wird mit den Verben krûpen und schülpen beschrieben und damit als niedrig attribuiert. Die angegebene Bewegungsrichtung des teuflischen Wesens von Westen nach Norden (V. 13f.) kongruiert mit der Marschrichtung der großen Garde, die sich nachweislich in Friesland aufgehalten hatte, bevor sie im Januar 1500 durch das Herzogtum Lüneburg bis an die Elbe und weiter nach Holstein zog (Lammers ³1987, S. 64f.). Daraus folgt, dass der vorliegende Text das Söldnerheer zum Teufel stilisiert. 10 dramme: nicht im Mnd. Hwb., vgl. aber drammen ‚lärmen; ungestüm drängen‘ und dramminge ‚Lärm; Ungestüm‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 467). 15 dat weͤr: were ‚Verteidigung, Widerstand, Abwehr‘, eigentlich Femininum (Schiller / Lübben V, S. 677f.). 16 Die zwei Brüder haben die Männer in ihrem Heer in die Irre geleitet, indem sie sie in einen Krieg geführt haben, von dem sie dachten, sie könnten ihn gewinnen. Das Motiv wird V. 105f. erneut aufgegriffen. 20 Das, was die Brüder gleichermaßen angetrieben hat, wird in V. 21 ausgesagt: Zorn.

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22 dorch graven: Präpositionalphrase aus dör ‚durch, hindurch (lokal)‘ und grâve ‚Graben, Kanal‘, die vermutlich auf die Beschaffenheit des Kampfschauplatzes abhebt, d. h. auf die „am Meer gelagert[e], tief[e], von Gräben und Wasserflächen zerrissen[e] Marsch“ (Lammers ³1987, S. 123). Vgl. auch unten den Kommentar zu V. 56. 27 met: men et. 28 wriven: eigentlich ‚reiben‘, ‚scheuern‘, reflexiv ‚gegen einander stoßen‘ (Schiller / Lübben V, S.  597); die Verbindung mit dem Adverb dar ut und dem Verb provede (vgl. prö̂ven Mnd. Hwb. II/2, Sp. 1725) legt die Bedeutung ‚sich aus einer Situation/einem Zustand befreien‘, ‚sich aus einer Situation herauswinden‘ nahe. 31f. Indirekt adressiert wird hier der dem Sprecher unbekannte oder auch bekannte Rezipient. Der Sprecher setzt auf dessen Wohlwollen angesichts der schwierigen Herausforderung, von dem Vorfall bei Hemmingstedt zu schreiben. 33 geschickeden: Partizipialadjektiv von schicken ‚zurecht stellen, ordnen, fügen‘ (Schiller / Lübben IV, S. 87f.). 37 wunnent: wunnen it. de banner uth: Es fehlt das Verb. Die Aufrichtung des königlichen Banners zum Zeichen der Einnahme Meldorfs wird gegenüber dem Prätext, Nr. 13, V. 23f. (‚Das Banner des Siegers hängt aus dem Turm, wird von allen Seiten bejubelt.‘) hier reduzierter dargeboten. Zu diesem Handlungsmotiv vgl. auch Nr. 1, V. 119, Nr. 12A, V. 22, Nr. 12B, V. 10, Nr. 12C, V. 9. 44 nicht to na ensij: positiv enem to nâ sîn ‚zuwider, schädlich, nachteilig‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 1049). Der Vers drückt vermutlich aus, dass die Kirche der Bezeichnung des 17. Februars 1500 als vorworpen dach ‚Unglückstag‘ zustimmen würde. 45 wankeden: das Verb wanken dient auch V. 9 zur Kennzeichnung der Bewegung der großen Garde. 49–50 Referenz auf den Schwanengesang. Vgl. hier Kommentar zu Nr. 1, V. 155– 158. se: Personalpronomen (Femininum), das das schwache Genitivattribut swanen (V.  51) wiederaufnimmt. swān, mnd. eigentlich Maskulinum, ist hier selten belegtes Femininum (vgl. Mnd. Hwb. III/1, Sp. 635); zur Deklination und zum grammatischen Geschlecht von ‚Schwan‘ in den germanischen Sprachen siehe auch DWB, XV, Sp. 2201. 51f. Vermutlich wird hier auf die Schanze angespielt, die die Dithmarscher vor Hemmingstedt errichteten, hinter der sie anschließend in Stellung gingen und das Herannahen des feindlichen Heeres abwarteten. Vgl. etwa Lied 8, Str. 21–23. Welche Marschroute das Heer des Königs einschlagen würde, hatte ihnen zuvor ein Mann des Königs verraten (vgl. V. 65–67). woldet: wolde it. Das enklitische Pronomen bezieht sich auf den Kampf, den das Heer des Königs den Dithmarschern bringen würde, wenn es erst einmal herangezogen war. 54 unlijck: Gegenteil von lîk ‚gleichmäßig‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 819).

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56 sijlich: Adjektivderivat von sîl ‚Siel, Schleuse, Deichschleuse‘ (Schiller / Lübben IV, S. 206f.; Mnd. Hwb. III/1, Sp. 230), entsprechend also sijlich ‚den Siel/ die Deichschleuse betreffend‘. Es liegt nahe, dass das Attribut dazu dient, die Feldmark zu beschreiben, die mit Hilfe von Deichschleusen entwässert werden kann; dies entspricht zumindest dem Begriff ‚Sielland‘ (vgl. DWB XVI, Sp. 957). Im Zusammenhang mit der Schlacht bei Hemmingstedt geht man im Übrigen davon aus, dass die Dithmarscher zur Abwehr und Schwächung des Feindes das tief gelegene Marschland fluteten, indem sie die Deichschleusen öffneten und das Meerwasser einströmen ließen (Lammers ³1987, S. 123). Zu den Geländeverhältnissen in der Marsch vgl. auch den Stellenkommentar zu Nr. 1, V. 163f. 59 des landes: metonymische Referenz auf die Dithmarscher. des landes kanße vel: hier vallen im Sinne von ‚eintreten, sich fügen‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 638) aufgrund des Erfolgs der Dithmarscher, der anschließend beschrieben wird (vgl. v. a. V. 62–74). 71 Wesselinge: ‚Vertauschung‘ (Schiller / Lübben V, S. 698); vgl. auch afwesselent ‚Auswechselung‘ (Mnd. Hwb. I, Sp.  47). Gemeint ist wohl das Auswechseln von Männern, das auf der Seite der Dithmarscher sehr viel besser bewerkstelligt werden konnte, weil diese sich im Gelände besser auskannten als ihre Kontrahenten (vgl. V. 70–72). Die Übersetzung mit ‚Ablösung‘ erfolgt hier mit Krause 1881, S. 18. 76 Versprechen oder Gelübde, zu deren Verwirklichung sich die Dithmarscher im Falle des Sieges verpflichten. 81 Die Wagen im Tross verstellten den engen Damm, auf dem sich das Heer Hemmingstedt näherte (vgl. V. 53–56). 82 hopen des winstes: vgl. Prätext Nr. 13, V. 54: spes vincendi. Gemeint sind wohl die Zuversicht und die falsche Siegesgewissheit, mit denen das Heer durch Dithmarschen zog (vgl. V. 38). 93, 95 torer: to der. 97 Variante der Wendung van bōven dāl ‚von oben bis unten‘, ‚von Anfang bis Ende‘, ‚alles ohne Unterschied‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 337). 100 Dass Gottes Macht alles überwindet, wird in V.  137 wieder aufgegriffen. Beth: eigentlich ‚besser‘, ‚weiter‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 256), hier zur Verstärkung der Aussage; in dieser Funktion auch in V. 196. heß: Personalpronomen he und enklitisches Pronomen is, das sich als Neutrum im Genitiv Singular nur auf mal (V. 99) beziehen lässt. 101 de loße vormenget: de lôse vormengen ‚Parolen durcheinander rufen‘ und in Folge dessen Verwirrung auf dem Schlachtfeld stiften (vgl. Mnd. Hwb. I, Sp. 880). 107 bussen: ‚Büchsen‘, Feuerwaffen. Vgl. Stellenkommentar Nr. 1, V. 205. 112 Twydonicheit: ‚Zweitönigkeit‘; zur bildhaften Beschreibung, dass es keine Übereinstimmung (Einstimmigkeit) in Hinsicht auf die Angaben zur Anzahl der Gefallenen gibt.

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121–128 topische Beschreibung der großen Garde wie in Nr. 1 und Nr. 2, vgl. Stellenkommentar Nr. 1, V. 263–272. 122 reye: ‚Reigen, Tanz‘, übertragen auch ‚Kampfhandlung‘ (Mnd. Hwb. II/2, Sp. 1998f.). Zur Stilisierung von Kampfhandlungen als Reigentanz in der ereignisbezogenen Dichtung vgl. Kerth 1997, S. 234. 148 letent: leten et (Redeschop, V. 145). tuͤr: mnd. eigentlich dûr ‚teuer‘, ‚kostbar‘, ‚ausgezeichnet‘, ‚selten‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 498). 162 Einzige Stelle, in der sich die Äußerungsinstanz als Sänger gebärdert. Dies dürfte mit dem engen Vorlagenbezug zusammenhängen. Die Konturierung der Äußerungsinstanz als Sänger und der Äußerung als Gesang ist in der lateinischen Elegie Nr. 13 weitaus stärker ausgeprägt. 167 Sprichwort innerhalb der Mahnrede an die Dithmarscher (V. 155–194). Vgl. 1 Kor. 10,12 (EÜ): „Wer also zu stehen meint, der gebe Acht, dass er nicht fällt.“ Vgl. auch Röhrich 1992 III, S. 1533f. Im Unterschied zum biblischen Spruch, der direktiv formuliert ist, handelt es sich hier um eine assertive Variante. 169 veͤdem swack: ‚schwacher Faden‘, der demnach unzuverlässig ist und zu jeder Zeit reißen kann; im Prätext Nr.  13, V.  121: pendula stamina ‚schwache/zweifelhafte/ungewisse Fäden‘, die vom Krieg (Bellona) gezogen werden. de: Satzobjekt, hier wohl allgemein bezogen auf Kriegsteilnehmer. laten glippen: glippen ‚entgleiten‘, ênen glippen lâten: ‚jemanden im Stich lassen‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 121f.). 170 wendehoͤke: ‚der den Mantel nach dem Winde dreht‘ (Schiller / Lübben V, S.  668); geht zurück auf den Aufforderungssatz wende de hoike (ebd.); vgl.  die Redewendung „den Mantel nach dem Wind drehen/kehren“ (Duden, S.  1050) zur abschätzigen Beschreibung einer charakterlichen Disposition, wonach sich ein Mensch zur Erlangung persönlicher Vorteile stets der herrschenden Meinung anschließt (ebd.); ähnlich auch „die Fahne nach dem Winde drehen/hängen“ (ebd., S. 512) und der Begriff ‚Wendehals‘ als abwertende Bezeichnung für eine politisch opportunistische Person (ebd., S. 1802). wendehoͤke enhelt neyne verwe: wörtlich ‚der Mantel, der nach dem Wind gedreht wird, hält keine Farbe‘; vgl. die Redensart den stēke unde de varwe nicht hōlden ‚unzuverlässig sein‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 661). Krause (1881, S. 22) liest werwe ‚Geschäft, Auftrag, Unternehmen‘ (vgl. Schiller / Lübben V, S. 574). 172 gherwe: garve, gerve ‚Garbe, Bündel von Getreidehalmen‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 22). körnich ‚voller Körner‘ (ebd. Sp. 643). Gemeint ist hier demnach eine Garbe, die aus bereits gedroschenen Getreidehalmen, d. h. aus Stroh, gebunden wurde. Die Garbe bietet keine Frucht, keinen Ertrag mehr. or: Bezug auf die Sieger; was sie erreicht haben, wird nicht nachhaltig sein. Krause (1881, S. 23) liest gherwe ‚Kleidung, Rock‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 82) und übersetzt ‚Anzug‘: „kann nur die Haltung der Wage sein […] ihre Haltung läßt das Korn (die Zunge) nicht ruhig einspielen“ (ebd.).

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174 Formel für ‚alle, jeder‘. 177 land: metonymische Apostrophierung der Dithmarscher. 181–192: Zum Umgang mit den Toten auf dem Schlachtfeld vgl. Stellenkommentar Nr. 1, V. 323–333. 187 ne: Negationspartikel ohne Ergänzung. twiparticheit: Derivat von twepartich ‚uneinig‘ (Schiller / Lübben IV, S. 641), vgl. auch twepartinge ‚Entzweiung, Streit‘ (ebd.). 203f. Die vergoldeten Sterne der Sporen sind hier Attribut des Adels. Die Dithmarscher werden diese nicht verdecken, sondern offen zur Schau stellen. Auf diese Weise wird die Anzahl der gefallenen Adligen bekannt, auch ohne dass der Sprecher sie nennt. 205 schicht: neutral für ‚Geschehen‘, ‚Ereignis‘, daneben auch ‚unangenehmes Ereignis‘, ‚Zwist‘, ‚Aufruhr‘ (vgl. Blume 1985, S. 57).

Literarischer Kommentar Metrik Das Stück Nr. 3 ist aus 212 kreuzreimenden Versen aufgebaut, wobei Struktureinheiten im Umfang von jeweils vier Versen nach dem Muster der Vagantenstrophe (A4ma A3wb A4ma A3wb) erkennbar sind.56 Unter den ungeraden Verszeilen ragen jene mit vier Hebungen und männlicher Kadenz hervor, während die geraden Zeilen häufig dreihebig sind und weiblich ausklingen. Ungeachtet mehrsilbiger Senkungen und fehlender Auftakte – Phänomenen der Musterabweichung, die im Bereich des volkssprachigen Liedes häufig beobachtet werden können, – entsprechen immerhin 21 der 53 vierzeiligen Einheiten der genannten Bauform (9–12, 17–20, 21–24, 29–32, 45–48, 57–60, 65–68, 69–72, 85–88, 89–92, 97–100, 121–124, 129–132, 141–144, 149–152, 153–156, 161–164, 173–176, 185–188, 193–196, 205–208). Die Mehrheit der Vierzeiler, insgesamt 32 von 53, weicht jedoch auffällig von der Vagantenstrophe ab – entweder in Hinsicht auf die Gestaltung der Versschlüsse oder mit Blick auf die Anzahl der Hebungen. So hat es den Anschein, als habe die bewusste Strophenform dem Übersetzer durchaus als Vorbild und zur Orientierung gedient, doch ohne dass er sich damit zugleich formale Zwänge auferlegt hätte. Vielmehr sprechen die Befunde für einen recht freien Umgang mit dem im Spätmittelalter so populären Ton.57 Dies zeigt sich auch darin, dass hypotaktische Satzeinheiten mehrfach über die metrische Größe des beschriebenen Vierzeilers

56 Zur Strophenform: Frank 21993, 4.36. 57 Frank 21993, S. 148f.

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hinausgehen (z. B. V.  57–62) und inhaltlich-syntaktische Gefüge demzufolge keinesfalls an die Grenzen metrischer Struktureinheiten gebunden sind. Äußerungsinstanz Mit der Reimrede Nr. 3 liegt ein Text mit einer ausgesprochen präsenten Äußerungsinstanz vor. Es handelt sich um einen Sprecher, der sich als Dichter und Schreiber gebärdet, indem er vor allem auf seine Schreibtätigkeit referiert (V. 4: To scrivende bin eck alse vorjaghet; V. 29: Suß is myn vedder ock ganz trach). Mit dem Bezug auf die Dichter an der (südlichen) Ostsee (V. 27) könnte zudem ein weiterer Fingerzeig auf die eigene Zunft vorliegen. Zugleich legt diese räumliche Bezugnahme nahe, dass der Standort der Äußerungsinstanz in einem der Territorien an der Ostsee oder nahe dabei zu lokalisieren ist. Auf seinen und den Standpunkt seiner Rezipienten referiert der Sprecher überdies mit der Aussage An unse oͤrde is he ghekamen ock (V. 11) und meint mit he den smoeck (V. 9), dessen Bewegungsrichtung er kurz darauf mit der Angabe konkretisiert, er sei von Westen heran und dann weiter nach Norden gezogen (V.  13f.). Identifiziert man den smoeck mit der großen Garde, so kann sich die deiktische Äußerung unse oͤrde nur auf ein Gebiet im Norden des Reiches beziehen, das die Söldner auf ihrem Weg von Friesland nach Holstein durchquert haben. Ihr Ziel – das nördliche Holstein bzw. Dithmarschen – kann nicht gemeint sein, denn dieses referenziert der Sprecher mit dem Lokaladverb daͤr ‚dort‘ (V. 15). Mecklenburg und Pommern als Ostseeanrainer fallen heraus, da die große Garde hier nachweislich nicht durchmarschiert ist (vgl. Lammers 31987, S. 62–67.). Der Zeitpunkt der Äußerung ist kurz nach der Schlacht in Dithmarschen anzusetzen; das legt vor allem die Formulierung lesten slachtinge in der Überschrift nahe. Doch auch der Appell an die Dithmarscher (v. a. V.  177–184), die gerade erst den Sieg davongetragen haben, evoziert die Aktualität des referenzierten Geschehens und die zeitliche Nähe des Äußerungsereignisses zu diesem. Der Sprecher gibt sich in verschiedenerlei Absicht dem Rezipienten zu erkennen und bezieht sich in eben diesen Zusammenhängen meist auf sich selbst. Zum einen bekundet er gleich zu Beginn seine starke Betroffenheit aufgrund des Geschehens, dem sich seine Rede widmet, indem er seine psychische und physische Verfasstheit thematisiert (V.  2 und 3): Stumpet de sin, dat ghemote vorsaghet, / Stummet de munt unde beͤvet vingher. Zum anderen drückt er seine Bescheidenheit angesichts der anspruchsvollen Aufgabe aus, von dem bewussten Ereignis zu schreiben (V. 25f.): Kunstigher sinne were wol noet, / Scholde me et rechte bescriven. Doch steht dieser Geste zum dritten die wiederholte Betonung gegenüber, er sei der einzige, der sich dieses Unterfangens annehme, während andere sich der Aufgabe entzogen hätten und stattdessen schweigen würden. Der

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Seitenblick auf diese anderen – die Dichterkollegen an der Ostsee – erfolgt schon im Prolog (V. 27f.): Wor met den dichtern by dem belte boͤt, / Malk provede sek dar ut to wriven. Ein zweites Mal bringt der Sprecher seine Alleinstellung nach der Schilderung des Geschehens zum Ausdruck (V.  161f.): Dar al man swicht unde ek alleyn / Desset ghedichte doͤr singhen. Im Epilog akzentuiert er dann noch ein drittes und letztes Mal seine Position (V. 205): Dar ek alleyn vortelle de schicht. All diese sprachlichen Gebärden – der Betroffenheit, Bescheidenheit und Isolation – haben den Zweck, den Rezipienten geneigt zu machen, ihn von dem Mut und der Entschlossenheit der Äußerungsinstanz zu überzeugen. Diese bringt ihre Hoffnung auf das Wohlwollen des Lesers bzw. Hörers im Prolog auch direkt zum Ausdruck (V. 31f.): He sy denne vromede edder mach, / He willet int beste al voren. Die persuasiven Strategien des Sprecher-Ichs zielen ferner ab auf seine Glaubwürdigkeit. Dies äußert sich am auffälligsten in den Wahrheitspostulaten Dat ik nu sette en is neyn ghedicht (V. 133), Ick meynet wol unde bin vorplicht, / De warheit jummer meldenn (165f.) und Dar ek alleyn vortelle de schicht / In lutterer warheit wijse (V. 205f.), mit denen der Sprecher zugleich auch sein Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl an den Rezipienten vermittelt. Darüber hinaus tragen auch ortsspezifische Detailkenntnisse, wie beispielsweise die Beschreibung der für das Marschland typischen Geländeverhältnisse (z. B. V. 53–56), dazu bei, der Ereignisschilderung Authentizität und der Äußerungsinstanz Integrität zu verleihen. Diese Eigenschaften gehen Hand in Hand mit den Ereigniskommentaren der Äußerungsinstanz, die sich über den gesamten Text verstreut finden. Teils handelt es sich hierbei um Äußerungen, mit denen der Sprecher das Ereignis in seinem eigenen Erfahrungshorizont verortet und bewertet: By unsenn daghen nuͤ sodanne val / In strijde hir is vormerket (V. 109f.). Teils sind es sprachliche Gesten der Betroffenheit und des Mitleids mit den Gefallenen, z. B. Hart weͤr he, dem des nicht vordrote (V.  84). An mehreren Stellen kommen überdies sprichwort- oder sentenzenartige Sprüche zum Einsatz, die mit dem Anspruch auf universelle Geltung und Normativität formuliert sind: Unsecker is schachtafelen spel, / Dat luckerad gheit umme, / Sluͦmp wendet seck, wen gad wel. (V. 157–159). Letztere thematisieren vordergründig die Unbeständigkeit und Eitelkeit des Glücks und kulminieren in dem Teil der Rede, der sich mahnend an die Dithmarscher richtet (V. 153–192). Dahinter verbirgt sich die Absicht des Sprechers, die Dithmarscher mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass nicht sie den Sieg herbeigeführt hätten, sondern allein Gott (z. B. V. 153–156). Aus diesem Grunde sollten sie von ihrem hochmütigen Gebaren ablassen, dass sie vor allem den Gefallenen entgegenbrächten (V. 177–180). Doch weitet der Sprecher an einer Stelle den Adressatenkreis der Paränese kurzzeitig aus auf alle und jeden (V. 173– 176), um sich gleich danach wieder an die Dithmarscher zu richten (V. 177). Dies und die in der Ereignisdarstellung verschiedentlich eingeflochtenen Reflexionen

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und Sprüche führen zu dem Schluss, dass neben der Vermittlung der Geschehnisse in Dithmarschen in erster Linie die Mahnungen und Lehren, die sich von diesem ableiten und verallgemeinern lassen, die Äußerungsintention des Sprechers bestimmen. Inhalt und Aufbau Der Text kann untergliedert werden in einen Prolog (V.  1–32), eine Narratio (V. 33–152) und einen Epilog (V. 153–212). Der Prolog hat einen zweiteiligen Aufbau: Der prologus praeter rem (V. 1–16) exponiert zum einen die körperliche und geistige Lähmung der Sprecherinstanz (V.  1–4) angesichts der Schlacht, die sich in Dithmarschern ereignet hat. Zum anderen widmet sich der Sprecher hier einer dämonischen Erscheinung, die sich von Westen nach Norden bewegt hat. Es bleibt anfangs rätselhaft, was er dabei im Sinn hat; doch deutet einiges darauf hin, dass die große Garde gemeint ist oder vielmehr das Böse, was ihr anhaftet (vgl.  Kommentar zu V.  9–14). Erst im prologus ante rem (V.  17–32) führt der Sprecher zum Gegenstand der Rede hin, indem er hier mit den Ausdrücken Her Konning hans to Denemarck (V. 17), Frederike (V. 19) und Detmerschen (V. 22) die Konfliktparteien und den Schauplatz des verhandelten Geschehens namentlich referenziert und auf diese Weise dessen Identifizierung mit der Schlacht bei Hemmingstedt ermöglicht. In der Narratio greifen der chronologische Nachvollzug des Ereignisses und seine Kommentierung durch den Sprecher ineinander. Sie setzt ein mit einem Abschnitt, der den anfänglichen Erfolg des königlichen Aufgebotes zum Gegenstand hat (V. 33–52), bevor sich die Schlacht zuträgt: Das Heer marschiert in Dithmarschen ein, erobert Meldorf (V. 36f.) und setzt seinen Zug am 17. Februar (V. 42) – dem Tag der Schlacht – zuversichtlich und geräuschvoll fort (V. 45–48). Mit dem Spruch vom weißen Schwan, der einem alten Mythos zufolge vor dem Tod ein Lied anhebt (V. 49f.), greift die Äußerungsinstanz den Hinweis auf das weithin hörbare Heer auf, setzt dieses entsprechend mit dem sterbenden Schwan gleich und nimmt auf diese Weise die kommende Niederlage der Invasoren vorweg. Hieran schließt sich eine längere Passage der Narratio an, die sich mit den Geschehnissen während der Schlacht befasst (V. 53–108). Hier verlegt der Sprecher seinen Fokus zunächst auf die Dithmarscher (V.  53–80), die bald schon nach Beginn der Kampfhandlungen die Oberhand gewinnen. Die Gründe hierfür werden – teils in der Rückschau – sogleich mitgeliefert: Erstens hatten sie Glück (V. 63: luckich stundeglaß), denn sie hatten zuvor einen Mann aus dem feindlichen Heer abfangen können, der ihnen die Marschroute des Königs verraten hatte (V.  65–67); zweitens waren sie als Einheimische dem Gegner gegenüber im Vorteil, denn sie waren vertraut mit dem unwegsamen Kampfgelände und

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konnten dort folglich besser agieren (V. 68–72); drittens waren sie durch Fasten und Beichten bei Beginn der Schlacht rein und frei von Sünden und gestärkt mit dem Leib Christi (V. 77–80). In einem weiteren Abschnitt nimmt der Sprecher nun die Kontrahenten der Dithmarscher in den Blick (V. 81–108) und setzt hier – nicht ohne deutlich sein Mitleid zu artikulieren (V. 84) – vor allem deren Wehrlosigkeit, Lähmung und Bestürzung ins Bild, die unter anderem auf die Beschaffenheit des Schlachtfeldes, die Enge und die wohl nicht erwartete Schlagkraft der Dithmarscher zurückgeführt werden (V. 81–83). Der nächstfolgende Absatz verlässt das Kampfgeschehen und wendet sich seinen Folgen zu (V. 109–152); er akzentuiert anfangs die traurige Einzigartigkeit des Ereignisses (V. 109f.) und befasst sich dann mit den Gefallenen (V. 111–132). Zum einen problematisiert der Sprecher die divergierenden Aussagen, die in Bezug auf die Menge der Toten kursierten (V.  112: Twydonicheit). Zum anderen macht er Angaben zur Zusammensetzung der Gefallenenmenge und nennt an erster Stelle den Adel aus Holstein (V.  117), an zweiter Stelle Bürger, Bauern, Reiter und Söldner ohne Angaben zu ihrer Herkunft (V. 118f.), an dritter Stelle die Garde (V. 121–128) und schließlich an vierter Stelle die Dithmarscher (V. 129f.). Am längsten hält er sich bei der Gefallenenschau mit der Garde auf, die er als ehrlos, gotteslästerlich und gottvergessen beschreibt (V. 125f.). Der Sprecher geht sogar so weit zu behaupten, dass das königliche Heer erfolgreicher gewesen wäre ohne sie (V.  124); mit den Söldnern der großen Garde musste Gott um ihrer Verachtung willen für ihn jedoch zum Rächer werden und in das Geschehen eingreifen (V. 128). Diesen Gedanken setzt der Sprecher fort (V. 137–144): Den Verlauf und den Ausgang der Schlacht führt er mit Nachdruck allein auf Gottes Wirken zurück: Et was al gades swepen ghelech (V. 143). Der Absatz schließt mit dem Hinweis auf die Ausrüstung der Verlierer, die den Siegern zuteilwurde (V. 145f.), und auf die Rückgewinnung der Stadt Meldorf durch die Dithmarscher (V. 149–152). Hiermit endet der narrative Nachvollzug des Ereignisses, wie er begonnen hat – mit der Eroberung Meldorfs (V. 36f.). Im folgenden Epilog wendet sich der Sprecher mit einer Rede an die Dithmarscher (V. 153–192), wobei zwei Absichten zu unterscheiden sind: Seine Haltung zum Ausgang der Schlacht erneut aufgreifend, gemahnt er sie zuerst daran, dass sie den Sieg allein Gottes Fügung zu verdanken hätten (V. 155f.). Dieser Teil der Rede ist gespickt mit Sprüchen, die sämtlich die Vergänglichkeit des Glückes zum Thema haben (V. 157–159, 167, 170–172). Sie dienen einerseits der Belehrung der Adressaten, also der Dithmarscher; andererseits evozieren sie die Zustimmung der Rezipienten. So bereitet der Text mit einem Spruch wie De itzunt steit, morgen balde licht (V. 167), den Nährboden, auf dem der Sprecher schließlich seine an die Allgemeinheit gerichtete Lehre formuliert (V. 173–176), der zufolge jeder der Gerechtigkeit beistehen solle, denn nur dann könne er nicht fallen. Danach hebt

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ein zweiter Appell an die Dithmarscher an (V.  177–192). Dieser gemahnt sie zur Demut (V. 179) und geht mit ihnen ins Gericht angesichts der Tatsache, dass sie die Toten schutzlos auf dem Schlachtfeld liegen gelassen haben, statt sie zu begraben. Mit der Absicht, nicht sämtliche Edelleute, die in der Schlacht gefallen sind, aufzählen zu wollen, um dann doch einige namentlich herauszustreichen, läutet der Sprecher das Ende der Reimrede ein (V. 193–200). Ein letztes Mal betont er die Wahrhaftigkeit seiner Ausführungen (V.  206), versichert seine Neutralität (V. 207), um zuletzt das Ereignis zu datieren (V. 209f.) und um Gottes Beistand für die Toten zu bitten (V. 211f.). Krause 1881, S.  1–10, 15–24 (nach Hs  1). – Lammers ³1987, S.  24f. Schanze 1992(a), Sp.  691f. (Nr. 1 b).

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Vorrede auf den Nachtrag in der Mecklenburgischen Reimchronik (Bl. 218ra) T Eyn vorreͤde up der nabescreven ghedichte

Eine Vorrede zu den folgenden Gedichten

De dusser ghedichte bist eyn leser, Dar up int erste vorwarnet sy, Dat er ansettende vorweser De voͤr to latine bescrivet dy. 5 Dar uth seck denne wol beghifft Na rechtem ordenschen gheschicke, Dat dusse sulve dudesche scrifft Des to harder is im gheblicke

Der du ein Leser dieser Gedichte bist, sei zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Verwalter, der sie eingerichtet hat, sie dir vorher auf Latein geschrieben hat. Daher verhält es sich wohl der rechten Ordnung entsprechend, dass dieselbe deutsche Schrift desto strenger in Augenschein genommen wird und ausgehend von gewöhnlichen Gedichten fremdartiger erscheint. Doch sei dadurch niemand abgeschreckt. Er wird sie leicht verinnerlichen, wenn er etwas Fleiß darauf verwendet. Geschrieben zum Wohlgefallen zu Mecklenburg, dem edlen Haus, sind es der Anzahl nach drei Gedichte, gestaltet wie ein Rauschen. Das erste handelt davon, wie dieselben Herren unter großen Schwierigkeiten zu Ehren Gottes den Dom zu Rostock stifteten. Blutvergießen musste ihn benetzen. Das andere handelt von dem Sakrament, das in Sternberg geschändet und zu Wunderblut gewandelt wurde, durch Juden, verfluchte Gesellen. Das dritte handelt von der kürzlichen Schlacht nicht weit von hier im Land Dithmarschen. Wohl dem, der nicht dort gewesen ist, so blieb er nicht als Pfand dort zurück.

Unde vromeder van gemeynem dichte. 10 Doch nemand dar uth sy vorveͤrt. He wert der vorinnert lichte, Wen he dar vlÿt ankeert. Ghescreven suß to wolghevalle To Mecklnburg, dem eddelen hueß, 15 Dre is der dichte in dem talle Formert ghelick alß eyn rueß. Dat erste wo de sulven heren Den doͤm to Rostock ansetten Mit swarheit to gades eren. 20 Bloͤtstortinge moste on netten. Dat ander van dem Sacramente To dem Sterneberge mishandelt Dorch joden vorvlokede vente, An wuͦnderblod ghewandelt. 25 Dat dridde van der slachtinge lest Nicht veͤrn in detmerschen lande. Wol deme, dar nicht is ghewest, So bleff he dar nicht to pande.

23 vorvlokede] voruͦlokede. 26 Nicht veͤrn] Nichtueͤrn. 28 to pande] topande.

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3f. ansettende vorweser: Die Äußerungsinstanz beschreibt ihr Verhältnis zu den drei mittelniederdeutschen Reimreden, die in der ‚Mecklenburgischen Reimchronik‘ als Nachtrag aufgezeichnet wurden. Er hat die Gedichte angefangen und eingerichtet (vgl. ansetten Mnd. Hwb. I, Sp. 103) und begreift sich als derjenige, der für sie verantwortlich zeichnet und die Obhut über sie hat (vgl. vorwēser und vorwēsen Mnd. Hwb. I, Sp. 969f.). In Vers 4 gibt er ferner an, derselbe zu sein, der die Gedichte zuvor auf Latein geschrieben hat. Daraus folgt, dass Heinrich Boger als der Verfasser von Nr. 3 gelten darf (vgl. Textgeschichte). 16 Formert: vgl. 2formêren ‚gestalten‘, ‚herstellen‘, ‚bilden‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 881). rueß: Das Mnd. Hwb. verweist unter 1rûs auf 1rûsch ‚Rausch‘, ‚Trunkenheit‘ (Mnd. Hwb. II/2, Sp. 2349). Die Übersetzung stützt sich hingegen auf die Bedeutung von rûschen ‚rauschen‘ (Mnd. Hwb. II/2, Sp. 2350). Der Vers hebt womöglich auf den Klangeffekt ab, der mit der reimenden Durchbildung der mnd. Nachtragsstücke gegenüber ihren lateinischen Vorlagen erreicht wurde. 17 de sulven heren: bezieht sich auf das Haus Mecklenburg V. 14. 18 ansetten: Form der 3. Plural Präteritum von ansetten mit Ausfall des Nebensilbenvokals zwischen gleichartigen Konsonanten (vgl.  Lasch 21974, §  217, IV.); vgl. die Vollform ansetteden.

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Nr. 4: Eyn wuͦnderlick gheschichte wyl ick heven an

T Aliud Carmen gratulatoriuͦm

Ein anderes Glückwunschlied

1 Eyn wuͦnderlick gheschichte wyl ick heven an,

Eine bemerkenswerte Geschichte will ich beginnen, die allerbeste, die ich kenne. Mit Freuden wollen wir singen. Nun hilf uns, Gott im Himmelreich, dann wird es uns gut gelingen.

Dat alderbeste, dat ick kan. Myt vrowden wylle wy synghen. Nuͦ help uns ghodt van hemelryck, so mach uns wol ghelinghen. 2 Gode, myt froweden wylle wy laven dy, Deme rechte steystuͦ stede by Myt dyner rechtverdicheyt ungheswyndt. Dat mach me huden unde immer meer in der waerheyt vynden.

Gott, mit Freuden wollen wir dich preisen, der rechten Ordnung stehst du stets bei mit deiner sanften Gerechtigkeit. Das kann man heute und für immer als Wahrheit anerkennen.

3 In dytmerschen is dat gheworden waer, Do me schreff dusent vyffhundert jaer, An eynem manendage nach sunte Valentyn, dat is waer, so ick juw vorwaer mach sagen.

In Dithmarschen ist dies wahr geworden, als man das Jahr 1500 schrieb, an einem Montag nach St. Valentin, das ist wahr, wie ich euch wahrheitsgemäß sagen kann.

4 Koͤnigck hans was uthghetaghen in dythmersche lant. De reyse hat he nycht wol bewant.

König Hans war ausgezogen nach Dithmarschen. Den Kriegszug hat er zu keinem guten Ende geführt. Meldorf hatte er eingenommen. Er wollte weiter nach Heide und dann nach Lunden.

Meldorp hadde he ghewunnen. He wolde na der heyde vordan unde vort na Luͦnde. 5 Doe de dythmerschen dat vornemen, Wo drade dat se tho henningstede quemen Myt peken, bussen unde sweerden! Dat schach an eyner halven nacht. Se begroͤven sich under der eerden.

Als die Dithmarscher das erfuhren, wie schnell kamen sie da nach Hemmingstedt Mit Spießen, Büchsen und Schwertern! Dies geschah innerhalb einer halben Nacht. Sie verschanzten sich hinter Erdwällen.

Neben T Marginalglosse Anno / 1500. 1,4–5 Virgel hinter hemelryck, Umbruch Zeile 4 hinter mach. 2,4–5 Umbruch Zeile 4 hinter der. 3,3–5 in zwei Zeilen, Umbruch hinter dat, Virgel nach waer. 3,5 juw] jw. 4,4–5 Virgel hinter vordan, Umbruch Zeile 4 hinter vort. 5,5 nach Se] gestrichenes gh.  T Aliud Carmen gratulatoriuͦm] Ex alia cantilena Dytmarsica cuius autor fuit Presbyter quidam (‚Aus einem weiteren Dithmarscher Lied, dessen Verfasser ein gewisser Priester war.‘) Hs 4, Hs 12 (hier aus dem Codex Hoyensis am Rand nachgetragen: Aliud carmen gratulatorium). 1–3,2 fehlt Hs 4, Hs 12 (hier aus dem Codex Hoyensis nachträglich am Rand notiert). 4,1–2 fehlt Hs 4, Hs 12 (hier von gleicher Hand am Rand nachgetragen aus dem Codex Hoyensis). 4,3 he] Koͤnig Hans Hs 4, Hs 12 (hier nachträglich von gleicher Hand gestrichen und interlinear he ergänzt).

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6 Koͤnick hans quam upghedrungen myt groter macht, De gharde hadde he myt syck ghebracht Unde ander kryghes knechte. Holsten, Vresen, Denen, de was oͤrer so vele, Me konde se jo nycht tellen. 7 De dythmerschen hadden de bussen dar tho ghestelt. Se schoten also vry tho ehme int velt, Myt eynem vryen mode. Des de eddele so sere vorschrack; Dar quam erer so vele to doede. 8 De guͦarde quam up drenghen myt der tydt, Se quemen westwaert teghens de lyt.

König Hans zog heran mit einem großen Heer, die Garde hatte er mit sich gebracht und andere Kriegsknechte. Holsten, Friesen und Dänen, die waren so zahlreich, man konnte sie ja nicht einmal zählen. Die Dithmarscher hatten die Büchsen aufgestellt. Sie feuerten die Geschosse auf jene auf dem Schlachtfeld ab, ungehindert und aus freien Stücken. Dies erschrak die Adligen so sehr; sehr viele von ihnen kamen dort zu Tode.

Ghy moten noch alle van avende sterven.“

Die Garde zog heran mit der Zeit, sie näherten sich von Westen der sumpfigen Niederung. Sie wollten dort zu Besitz gelangen. Sie riefen: „Auf geht’s, ihr Bauern aus Dithmarschen, ihr sollt alle noch diesen Abend sterben.“

9 Do repen de dythmerschen alle ghemeyn: „Nuͦ help, Maria, duͦ maget reyn, Wy laven dy myt ghantser truwen, Beholde wy nuͦ de averhant, Eyn kloester wylle wy dy buwen.“

Da riefen die Dithmarscher alle zusammen: „Nun hilf, Maria, du reine Jungfrau, wir geloben dir mit ganzer Treue, wenn wir die Oberhand behalten, dann werden wir dir ein Kloster bauen.“

se wolden daer ghudt vorwerven. Se repen: „wolan, ghy dythmerschen buͦren,

10 Daermede lepen de dythmerschen uth Recht so de grymmyghen lowen doet, Den oͤre junghens syn ghenamen. Dorch hulpe gades, des starken ghades Syn se van der gharden ghekamen. 11 Eyn cruͦcifix hadden se al myt sick ghebracht, Daer sick de gharde so sere vorschraek. An eyner korten ure Der gharde bleeff soͤvendusent doet. Dat dede godt dorch dythmersche buͦren.

Damit stürmten die Dithmarscher los, genauso wie die grimmigen Löwen es machen, denen man ihre Jungen weggenommen hat. Durch die Hilfe Gottes, des starken Gottes, sind sie die Garde losgeworden. Ein Kruzifix hatten sie mit sich gebracht, wovor sich die Garde sehr erschrak. In kurzer Zeit kamen siebentausend von der Garde zu Tode. Das bewirkte Gott durch die Bauern aus Dithmarschen.

8,3 vorwerven] vorweruͦen. 10,1 uth] wth. 11,3 ure] wre.  9,5 dy] fehlt Hs 12.

Textabdruck und Kommentar 

12 Do repen de dythmerschen hoghen muͦdt: „Wol an, ghy helde, idt wyl werden guͦdt, Unde ghaet nuͦ men an de kryghesknechte! Holsten, Vresen unde denen moͤghe wy slaen, Dat do wy al myt rechte.“

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Da riefen die Dithmarscher in bester Stimmung: „Auf geht’s, ihr Helden, es wird gut werden, und jetzt greift die Kriegsknechte an! Holsten, Friesen und Dänen können wir besiegen, das tun wir mit Recht.“

13 Se sloͤghen so mennighen krighesman doet, Holsten, Vresen, denen, all quemen se in grote noet. De Adel beghuͦnde tho wyken. Der denen bleff so vele doet; Se leghen daer an deme slycke.

Sie schlugen so manchen Krieger tot, Holsten, Friesen, Dänen, sie alle gerieten in große Bedrängnis. Der Adel begann zurückzuweichen. Von den Dänen starben sehr viele; sie lagen dort im Schlamm.

14 Koͤnynck hans tho hartich Frederick sprack: „Her godt, wo kame wy in dyt grote unghemack?“ „Her hans, dyt heffstuͦ uns ghebruwen! Beholden de dythmerschen de averhant,

König Hans sprach zu Herzog Friedrich: „Herr Gott, wie sind wir nur in diese ungünstige Lage geraten?“ „Herr Hans, du hast uns dieses Bier gebraut! Wenn die Dithmarscher die Oberhand behalten, werden wir es für lange Zeit bereuen.“

Idt wert uns werlick ruwen.“ 15 Do reep daer eyn van Aneveldt: „Her koͤnnck, dyt is nycht wol bostelt. Laet uns men wedder keren.“ Se toͤghen eyn weynich tho rugge wedder aff, Daer quemen se mannich gherne.

In dem Moment rief dort einer von den Ahlefeldts: „Herr König, es ist nicht gut um uns bestellt. Lasst uns besser wieder umkehren.“ Sie wichen wieder ein Stück zurück, dahin kamen sie bereitwillig in großer Zahl.

16 Daer quemen de Dythmerschen heer ghedrungen; Myt peken unde swerde dat se runghen Al an eynem cleynen velde. Daer wart jo de adel neddergheslaghen. dat deden de dythmerschen helde.

Dahin drangen die Dithmarscher vor;

17 Daer wort gheslaghen so mennich fyn eddelman, Den ick juw hyr nycht noͤmen kan, Greven, Ridders unde knechte alle tho ghelycke.

Dort wurden viele stattliche Edelmänner getötet, die ich euch hier nicht alle nennen kann, Grafen, Ritter und Knappen, alle gleichermaßen.

mit Spießen und Schwertern kämpften sie auf einer schmalen Fläche. Dort wurde der Adel niedergeschlagen. Das taten die Dithmarscher Helden.

17,2 juw] jw. 17,3 Greven] Greuͦen. tho] über der Zeile zwischen alle und ghelycke. 12,3 de] gy Hs 12, nachträglich korrigiert zu de. 13,2 se] interlinear ergänzt Hs 12. 15,5 mannich gherne] mannche int gehren Hs 12 (unterstrichen).

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 Edition

Gade moet den leven selen voͤrstaen Undt neme se al in syn rycke.

Gott soll für die lieben Seelen sorgen und möge sie alle in sein Reich aufnehmen.

18 Do dusse gheschit weren ghescheen, Der vyende weren vele, se wolden vleen An eyne korten wyle. Des volgheden oͤme de dythmerschen na; Se sloghen se an der myle.

Nachdem sich diese Vorfälle ereignet hatten, gab es viele Feinde, die noch eilig fliehen wollten. Deshalb folgten ihnen die Dithmarscher nach; an der Miele schlugen sie sie.

19 Vyffhundert bynnen Meldorpe weren ghebleven. De hadde de koͤnynck de macht ghegheven;

Fünfhundert waren in Meldorf geblieben.

De stadt scholden se bewaren. Do se hebben gheseen dusse grote noet, De vlucht hebben se ghekaren.

Denen hatte der König die Vollmacht gegeben; sie sollten die Stadt verteidigen. Als sie diese große Gefahr erkannt hatten, haben sie sich zur Flucht entschieden.

20 De strantman quam up drengen myt groter macht, Peke, buͦssen unde swerde myt sick ghebracht, Tho Meldorp inghedruͦnghen. Se hebent daer al doet gheslaghen, Allent, wes se daer hebben ghevuͦnden.

Die Strandmannen drangen mit einem großen Heer, Spieße, Feuerwaffen und Schwerter bei sich tragend, in Meldorf ein. Da haben sie jeden totgeschlagen, jeden, den sie dort vorgefunden haben.

21 Ach, hadden se twe stuͦnde vroͤgher ghekamen,

Ach, wären sie nur zwei Stunden früher gekommen, das wäre von sehr großem Nutzen gewesen, wie ich euch wahrheitsgemäß sagen kann. König und Herzog mit dem ganzen Heer hätte man schlagen können.

Dat hadde ghedaen so groten framen, Also ick vorwaer mach saghen. Koͤnnck unde hartich myt alleme volck Mochte men hebben gheslaghen. 22 Daer noch so vele aff entlopen; Dat en is gheen wunder van so groten hopen. So ick hebbe vornamen, Se hebben gheswaren eynen duͦren eeth, In dythmerschen nimmer wedder tho kamen.

Davon sind noch so viele geflohen; das ist kein Wunder bei so einer großen Menge. Wie ich gehört habe, haben sie einen teuren Eid geschworen, nie wieder nach Dithmarschen zurückzukehren.

17,4 leven] leuͦen.  17,4–5 fehlt Hs 4, Hs 12 (hier aus dem Codex Hoyensis unter 17,3 nachgetragen). 20,1 De strantman] darüber nachgetragen Süderstrantman Hs  4, in runden Klammern nachgestellt al. Süderstrandmann Hs  12. 20,4 hebent] hebben Hs  12. 20,5 ghevuͦnden] gefungen Hs  12 (unterstrichen und am Rand nach dem Codex Hoyensis ergänzt ghevunden). 21,1 vroͤgher] to vöer Hs 12 (unterstrichen und am Rand nach dem Codex Hoyensis ergänzt: vröghe). 21,2 groten] goet Hs 12 (unterstrichen und am Rand nach dem Codex Hoyensis ergänzt: grote). 22,2 van] vor Hs 12.

Textabdruck und Kommentar 



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23 Dyt leitlyn is ghesungen unde vullenghebracht, Dat hat eyn preester gheselle bedacht. Den mothe godt gheleyden. Ach Gade van hemmel, sta duͦ uns allen by, Alse wy van henne moten scheyden.

Dieses kleine Lied ist nun gesungen und vollendet, das hat sich ein Priestergeselle ausgedacht. Den möge Gott geleiten. Ach Gott im Himmel, steh du uns allen bei, wenn wir von hier scheiden müssen.

K Russiuͦs scripsit. 1536

Russe hat das geschrieben. 1536

23,4 Ach] außerhalb des Schriftspiegels vor Gade. allen] ursprünglich alleyne mit gestrichenem yne und ergänztem Nasalstrich über alle. 23 fehlt Hs 4, Hs 12 (hier als Nachtrag aus dem Codex Hoyensis unter 22,5 notiert). K fehlt Hs 4, in Hs 12 ergänzt aus dem Codex Hoyensis: Russius fecit 1536.

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 3, S. 38–41; Hs 4, S. 151–155 (Exzerpt); Hs 12, S. 1–4 (Exzerpt mit marginalen Ergänzungen aus einer dritten Handschrift).

Die älteste bekannte Niederschrift von Lied Nr.  4 stammt aus der Feder von Johann Russe aus Lunden und wurde von diesem auf das Jahr 1536 datiert (Hs 3). Eine Abschrift von Russes Autograph findet sich in Auszügen in einer etwas jüngeren Handschrift von 1553, deren Schreiber unbekannt ist (Hs 4). Die Auslassung bestimmter Verse und Strophen (1– 3,2; 17,4–5; 23) deutet darauf hin, dass dieser Schreiber vor allem auf jene Textteile fokussiert war, die sich mit der Darstellung des Ereignishergangs beschäftigen. Von der Handschrift Hs 4 wiederum hängt ein Manuskript ab, das im Zeitraum von 1745 bis 1749 von Friedrich Adolph Reinboth (gest. 1749) angefertigt wurde (Hs 12). Diesem lag eine weitere Abschrift der Kollektaneen von Johann Russe vor, aus der er die Textstellen am Rand ergänzte, die vom Schreiber von Hs 4 vernachlässigt worden waren. Hieraus wird ersichtlich, dass Lied Nr.  4 in mindestens einer weiteren Handschrift rezipiert wurde, und zwar in der Russe-Abschrift, die Reinboth in seinen Marginalglossen Andreas Hojer (1690–1739) zuschrieb (vgl. hierzu Katalogeinträge zu Hs 3 und Hs 12). Wie die Lesarten vermuten lassen, enthielt diese Handschrift recht vorlagennahe Reproduktionen der Ereignisdichtungen aus Hs 3. Russe fügte das Lied ein zwischen die Reimpaardichtungen Nr. 2 und Nr. 1, die schon 1533 von seiner Hand in ein schmales Heft eingetragen worden waren, das nach der Vereinigung mit weiteren Schriften heute die Lagen 3 bis 8 seiner Kollektaneen (Hs  3) umfasst. Als Nachtrag in dem bewussten Heft weist auch die Schriftgröße das Lied Nr. 4 aus, die deutlich kleiner ausfällt als bei Nr. 1 und Nr. 2. Die Gruppe der drei genannten Ereignisdichtungen vermehrte Russe 1537 um das Lied Nr. 5 und in etwa demselben Zeitraum um Lied Nr. 6. Einen evidenten Überlieferungszusammenhang zwischen diesen Liedern und Nr. 4 bekunden, abgesehen von der Tradierung in derselben Handschrift, auf der Textebene auch der Dialog zwischen König und Herzog (Str. 14) sowie die Gestaltung der Schlussstrophe (Str. 23). Johann Russe zeichnete das Lied Nr. 4 mit einer Überschrift aus, die es als Glückwunschlied klassifiziert, und schloss es mit einem Kolophon ab, der ihn als Schreiber sowie das Datum der Niederschrift benennt. Die Niederschrift ist recht einfach gehalten: Russe hat die Strophen zwar erkennbar voneinander abgesetzt, indem er anfangs die fünfte Zeile einrückte und dann zu einer Vergrößerung der Majuskel am Strophenbeginn überging, doch hat er die strophischen Einheiten weder nummeriert noch auf übereinstimmend große Leerräume zwischen ihnen geachtet. Hinzu kommt, dass die Aufzeichnung regelmäßig über den Schriftspie-

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gel hinaus in den Bereich von Bund- und Schnittsteg ragt. Ferner hat er in den Strophen 1 bis 4 die Zeilen nicht konsequent nach dem Versende umgebrochen. Die Abweichungen vom Muster der Lindenschmidtstrophe durch markant amplifizierte Verse machen es wahrscheinlich, dass der Liedtext bearbeitet wurde im Zuge seiner schriftlichen Tradierung (vgl. Kommentar zu Metrik); dasselbe kann für die Lieder 5 und 6 beobachtet werden.

Sprachstand Lied Nr. 4 wurde in einem nordniederdeutschen Idiom aufgezeichnet, worauf die folgende Gruppe von Varianten verweist: – die Graphie für das tonlange o (Peters 1987, 1.2.2.): laven (2,1; 9,3), uthghetaghen (4,1), averhant (9,4; 14,4), ghenamen (10,3), gades (10,4), ghekamen (10,5), ghekaren (19,5), vornamen (22,3), gheswaren (22,4), kamen (22,5), Gade (23,4). – der Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Dativ und Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4.): uns (1,4; 1,5; 14,3; 14,5; 15,3; 23,4), juw (3,5; 17,2), dy (9,3; 9,5). – die Doppelkonsonanz nach Kürzung tonlanger Vokale vor -er und -el (Peters 1987, 1.2.3.): eddele (7,4), neddergheslaghen (16,4), eddelman (17,1), hemmel (23,4). – die Senkung von e zu a vor r-Verbindung (Peters 1987, 1.1.5.2.): hartich (14,1; 21,4). Um eine spezifisch nordniedersächsische Form, im nordniederdeutschen Gebiet westlich der Elbe, handelt es sich bei der 3. Plural Dativ ehme ‚ihnen‘ (7,2), die gegenüber der häufigsten Variante en (ASnA, Karte 115) auf -m auslautet (Peters 1988, 4.5.1.14). Im nordniederdeutschen Sprachgebiet ist sie in Oldenburg, Bremen, Hamburg, Lübeck und Kiel belegt (ASnA, Karte 115). Mit gerundetem Anlaut findet sich außerdem die Variante oͤme für ‚ihnen‘ in der vorliegenden Aufzeichnung (18,4). Sie ist im Nordniedersächsischen nur in Oldenburg, im Ostfälischen nur in Einbeck belegt; alle anderen Belege weisen in das mittelniederländisch-mittelniederdeutsche Übergangsgebiet (ebd.). Die Pronomen oͤrer ‚ihrer‘ (6,4) sowie oͤre ‚ihre‘ (10,3) zeichnen sich ebenfalls durch Rundung im Anlaut aus. Sie werden zu den ostfälischen Kennformen gerechnet (Peters 1988, 4.5.1.13.), sind darüber hinaus aber auch im Westen des mittelniederdeutschen Sprachraums nachweisbar; im Nordniederdeutschen sind sie hingegen ungewöhnlich; nur vereinzelt sind sie etwa für Kiel, Lübeck und Hamburg dokumentiert (ASnA, Karte 118). Auch dusse (18,1; 19,4) als Ausprägung des Demonstrativpronomens

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‚diese(r)‘ weicht vom nordniederdeutschen Sprachstand der Aufzeichnung von Lied 4 ab, denn sie ist vor allem im Ostfälischen und Westfälischen bezeugt (ebd., Karte 119); erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts soll sich diese Form auch im Nordniederdeutschen ausgebreitet haben (Peters 1988, 4.5.4.1.), d. h. deutlich nach dem Aufzeichnungszeitpunkt von Lied Nr.  4 (1536). Ob es sich schließlich auch bei der Form hat (4,2; 23,2) um eine ostfälisch oder doch eher um eine hochdeutsch beeinflusste Variante handelt, ist fraglich (vgl.  hierzu Lasch 2 1974, § 78 und § 439, 1.). Für den Einfluss überregional verbreiteter Formen sprechen die zahlreichen Varianten des verbalen Einheitsplurals im Präsens Indikativ mit dem Endungsflexiv -en (8,5: Ghy moten; 23,5: wy moten; 9,3: Wy laven; 19,4, 19,5, 20,5, 22,4: se hebben). Diese Varianten waren anfangs charakteristisch für die ostniederdeutschen Dialekte und verbreiteten sich im 14. Jahrhundert auch in den niederdeutschen Gebieten westlich der Elbe, zu denen auch das Land Dithmarschen zählt (Peters 1987, 2.1.1. und 2.1.2). Hinzu tritt in Nr. 4 die Pluralform doet (10,2) mit der Endung -t, die auf in Dithmarschen erwartbaren westniederdeutschen Einfluss hindeutet.

Stellenkommentar T Aliud: Dem Lied Nr.  4 geht in Hs  3 die Reimpaarrede Nr.  2 voran und folgt die Reimpaardichtung Nr.  1 nach. Es wurde nachträglich zwischen die Aufzeichnungen dieser beiden Texte eingetragen. Das heißt, dass sich das Pronomen Aliud entweder auf Nr. 2 allein oder aber auf Nr. 1 und Nr. 2 beziehen kann. gratulatoriuͦm: Neutrum des Adjektivs gratulatorius. Carmen gratulatoriuͦm: ‚Glückwunschlied‘. 1,1 gheschichte: im Mnd. Femininum und Neutrum (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 84), hier Neutrum (vgl. 1,2 Dat). 1,2 Dat: Relativpronomen, das sich auf das Neutrum gheschichte in 1,1 bezieht. 2,3 ungheswyndt: durch Präfigierung mit un- gebildetes Derivat des Adjektivs geswinde ‚stark; gewaltig, heftig, ungestüm; aufgeregt‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp.  94). Mit der Vorsilbe un- wird das Basisadjektiv negiert und sein Gegenteil zum Ausdruck gebracht (Klein / Solms / Wegera 2009, §  A 32). rechtverdicheyt ungheswyndt: Die Gerechtigkeit Gottes wird demzufolge nicht als eine gewaltige und heftige, sondern als eine sanfte Gerechtigkeit beschrieben. 2,5 in der waerheyt vynden: mit der Präposition in in modaler Bedeutung ‚als‘ (vgl.  Schiller / Lübben II, S.  353) und vynden in der Bedeutung von ‚erkennen, anerkennen‘ (ebd. V, S. 254). 3,2–4 Montag, 17. Februar 1500. Vgl. Grotefend 142007, S. 200.

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5,3 bussen: ‚Büchsen‘, Feuerwaffen. Vgl. Stellenkommentar Nr. 1, V. 205. 5,5 begraven in der Bedeutung von ‚mit Gräben umziehen, umgeben‘ (Schiller / Lübben I, S. 187); die Präposition under mit der räumlichen Bedeutung ‚hinter‘, vgl.  hierzu auch Nr.  8, Str. 22, V.  1. In beiden Fällen handelt es sich um eine Anspielung auf die von den Dithmarschern aufgeworfene Schanze in der Marsch zwischen Meldorf und Hemmingstedt (vgl. Lammers ³1987, S. 140, S. 145–156). 7,1 bussen: vgl. Kommentar zu 5,3. 7,4 Des: Demonstrativpronomen ‚das‘ (Schiller / Lübben I, S. 509) als Satzsubjekt, das die Aussage in 7,1–3 wieder aufgreift. 8,2 lyt: 1. als Bezeichnung für ‚sumpfige Niederung‘ (Schiller / Lübben II, S. 704f.) oder 2. als Name des Dorfes Lieth, 1 km nordwestlich von Hemmingstedt (Lammers ³1987, S.  149). westwaert teghens de lyt: Angabe der Marschrichtung der großen Garde. Legt man die Bedeutung 2 von lyt zugrunde, dann besagt der Vers, dass sich das Söldnerheer in der Nähe von Hemmingstedt in westlicher Richtung auf den Ort Lieth zu bewegte, bevor es von den Dithmarschern überwältigt wurde. Mit der bewussten Orts- und Richtungsangabe läge demnach eine lokalspezifische und in diesem Sinne authentische Angabe vor, wenngleich damit noch nichts über ihre historische Faktizität hinsichtlich der Schlacht bei Hemmingstedt ausgesagt werden kann. (Zur Frage nach der Lokalisierung des Schlachtfeldes vgl. Lammers ³1987, S. 145–156.) 11,1 Dieses Motiv findet sich auch in Nr. 2, V. 106f. 11,5 Die Dithmarscher werden hier zu Gottes auserwähltem Volk stilisiert. Zu diesem Darstellungsmittel in den eidgenössischen Ereignisdichtungen siehe Schlumpf 1969, S. 73–77. 14,1–5 Der Dialog zwischen Herzog Friedrich und König Hans während der Schlacht ist auch Handlungsmotiv in Nr. 5 (Str. 8f.) und Nr. 6 (Str. 10f.). 14,3 dyt heffstuͦ uns ghebruwen: mit brûwen ‚brauen‘ in der Bedeutung von ‚anstiften, verursachen‘ (Mnd. Hwb. I, Sp.  363), d. h. ‚für etwas verantwortlich sein‘. Vermutlich ist diese Verwendung von brûwen zurückzuführen auf das Sprichwort „Das Bier hast Du gebraut.“, wie es in Lied Nr.  5 (8,3: Dat ber heffstuͦ bruwen) sowie auch in Lied Nr. 6 (10,3: dit beer hebbet gi gebruͦwen) in einem ähnlichen Kontext zum Einsatz kommt. Vgl. das Sprichwort: „Er hat sich das Bier selbst gebraut.“ (Wander 1867 I, Sp.  377). Das Partizip Präteritum ghebruwen mit der Endung -en deutet auf die starke Ausprägung der Flexion hin. Im Mnd. flektierte bruwen sowohl stark als auch schwach (Lasch 21974, § 426, 2.). 15,5 se: Es ist unklar, worauf das Pronomen sich bezieht. Möglich ist, dass der Adel im Gefolge des Königs gemeint ist, von dessen beginnendem Rückzug schon in 13,3 die Rede ist. Dieser Interpretation entspricht auch die Handlung in Strophe 16, wo es heißt, dass die Dithmarscher sich ebenfalls dorthin aufmachen, wohin die Männer des Königs zurückgewichen sind, und dass sie ebendort den

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Adel schlagen. Denkbar ist auch die Lesart, nach der sich das Pronomen auf die Dithmarscher bezieht. Danach würde mit Vers 15,5 das Motiv vorweggenommen werden, das wiederholt in Vers 16,1 vermittelt wird, und zwar, dass die Dithmarscher ihren Feinden auf dem Rückzug nachfolgen. 16,5 de dythmerschen helde: Es handelt sich hier um die einzige Stelle in den Ereignisdichtungen, in der die Dithmarscher als Helden bezeichnet werden. In Strophe 12, Vers 2, bezeichnen sich die Dithmarscher in der Figurenrede darüber hinaus selbst als Helden. Nachweislich in den eidgenössischen Ereignisdichtungen ist die heroische Darstellung der Bauern gegenüber dem Adel (vgl. hier 16,4) stark ausgeprägt. Vgl. hierzu Schlumpf 1969, S. 147–154. Die Stilisierung des Kampfes als Gefecht zwischen Adel und Bauern kennzeichnet neben Nr. 4 auch Lied Nr. 5; in den übrigen Ereignisdichtungen spielt die Gegenüberstellung von Dithmarschern bzw. Bauern einerseits und Garde andererseits in der Kampfdarstellung die größere Rolle. 17,1 wort: 3. Singular Präteritum Indikativ von werden, eigentlich ward; die o-Formen sind beeinflusst durch den Wurzelvokal o in den Plural Präteritum-Formen (Lasch 21974, § 427, Anm. 9). 18,1 gheschit: eigentlich geschichten, Plural von geschicht (vgl.  Mnd. Hwb. II/1, Sp.  84). Der Ausdruck bezieht sich auf die zuvor geschilderten erfolgreichen Angriffe der Dithmarscher. 18,5 an der myle: Bezug auf den Dithmarscher Fluss ‚Miele‘ (vgl. Kap. 3.1). Wie in 8,2 liegt auch hier eine ortsspezifische Situierung der Kampfhandlungen vor, für deren Verifizierung Lammers (31987, S. 180f.) allerdings keine weiteren Belege beibringen kann. Dennoch folgert er (ebd.) aus der bewussten Angabe: „An der Mielebrücke unweit der Stadt [Hemmingstedt] entstand beim Überschreiten des Flusses noch ein Halt und Gemetzel.“ pars pro toto-Formulierung für eine Gruppe der Strandmannen (vgl. Kap. 3.2). 20,2 buͦssen: vgl. Kommentar zu 5,3. 20,4 hebent: hebben et. 20,5 Allent: nach Mnd. Hwb. I, Sp. 51, eine Variante von al, alle, die ausschließlich in jüngeren Texten ab dem späten 16. Jahrhundert belegt ist. 22,1 Der Satz ist elliptisch; es fehlt das Hilfsverb zum Partizip Präteritum entlopen. 22,2 gheen: westliche Variante des Indefinitpronomens ‚kein‘ (vgl. Mnd. Hwb. II/1, Sp. 66).

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Literarischer Kommentar Metrik Das Lied Nr.  4 ist aus 23 Strophen aufgebaut, die der Bauform der Lindenschmidtstrophe entsprechen.58 Die fünfzeiligen Einheiten beginnen jeweils mit einem Reimpaar aus auftaktigen und männlich kadenzierenden Vierhebern, an die sich zwei ebenfalls auftaktige weiblich ausklingende Dreiheber anschließen, die eine vierhebige, männliche Waise mit Auftakt umschließen. Nur vereinzelt reimt Vers 4 auf Vers 1 und 2. Mit Ausnahme der Strophen 9, 16 und 18 stimmen keine Strophen exakt mit dem beschriebenen Schema überein: Die Abweichungen betreffen in den meisten Fällen die Anzahl der Hebungen, in weniger Fällen auch den fehlenden Auftakt und assonante Endreime (2,3 und 2,5; 6,3 und 6,5; 11,1 und 11,2; 15,3 und 15,5; 20,3 und 20,5). Lied Nr.  4 enthält vergleichsweise viele überfüllte Verse. Mindestens zwei überzählige Hebungen haben 1,1; 4,1; 6,1; 6,4; 12,4; 13,2; 14,2; 17,1; 17,3; 20,2. Die erweiterten Verse lassen auf eine Bearbeitung des Textes schließen. Jedoch deutet der Aufzeichnungsbefund in Hs  3 nicht auf die Textbearbeitung durch Johann Russe hin; auszunehmen hiervon ist die Interjektion Ach in Strophe 23, Vers 4, die außerhalb des Schriftspiegels auf dem Bundsteg notiert wurde. In der Gesamtschau zeigt sich ein merklicher Zusammenhang zwischen Amplifizierung und Personenreferenzierung. So entsteht der Eindruck, dass die Bearbeitung in der Absicht vorgenommen wurde, den Ereignishergang hinsichtlich der sich gegenüberstehenden Protagonisten im Nachhinein schärfer zu konturieren. Dies betrifft einerseits den Fokus auf die Herkunft der Invasoren, wie in den Versen 6,4, 12,4 und 13,2, wobei es sich zudem um eine Wiederholung handelt. Andererseits indizieren die Verserweiterungen in Strophe 17 eine Präzisierungsabsicht in Hinsicht auf den sozialen Status der Gegner der Dithmarscher, womit der Krieg in Dithmarschen als Kampf der Dithmarscher gegen den Adel stilisiert wird. Gleich zwei Hinweise sprechen dafür, dass in Strophe 17, Vers  1, das Subjekt man um die Wörter fyn und eddel ergänzt wurde: Erstens handelt es sich in ihrer attributiven Funktion gerade um jene Elemente, die mit dem Ergebnis eines regelmäßig alternierenden jambischen Verses herausgelöst werden können, ohne den betreffenden Satz in seiner syntaktischen Vollständigkeit zu beeinträchtigen. Zweitens liegt bei den genannten Wörtern Hebungsprall vor. Daneben fungiert die Interpolation im Zusammenhang mit Personenbezügen als Markierung des Sprecherwechsels bei Sequenzen direkter Figurenrede, wie zum Beispiel in Strophe 14.

58 Frank 21993, 5.6.

1 Texta

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Unter den auftaktlosen Versen dominieren jene mit konkreten Personenreferenzen in Form von Eigen- und Gattungsnamen (4,1; 6,1; 6,4; 12,4; 13,2; 14,1; 17,3; 21,4). Mit Ausnahme von 21,4 betrifft die Auftaktlosigkeit zudem die Verse mit überzähligen Hebungen. Die Eingriffe in den Wortlaut der bewussten Verse mit dem Ziel, Personenreferenzen in einer bestimmten Hinsicht zu präzisieren, ging demnach einher mit der Akzentuierung der Protagonisten auf der Klangebene des Textes – zum einen durch den Auftakt, zum anderen durch die Repetition bestimmter Ausdrücke. Äußerungsinstanz Die Äußerungsinstanz in Lied Nr. 4 tritt mit sehr deutlichen Umrissen in Erscheinung. In der Form eines Gesangsvortrags (23,1) verfolgt ein Ich die Absicht, sein direkt adressiertes Publikum (3,5; 17,2) von der Gerechtigkeit Gottes zu überzeugen und in Erfüllung dieses Zwecks von dem Ereignis in Dithmarschen zu berichten. Den Eindruck eines Berichts vermittelt bereits zu Beginn des Liedes die Ankündigungsformel Eyn wuͦnderlick gheschichte wyl ick heven an (1,1). Ferner dokumentiert die räumliche und zeitliche Identifizierung des Ereignisses in Strophe 3, dass es der Äußerungsinstanz um die Mitteilung einer bestimmten Begebenheit geht. Allen Indizien voran müssen hier jedoch die Ausdrücke genannt werden, die auf die Beglaubigung der ereignisbezogenen Darstellung abzielen: Dies sind zum einen Wahrheitsbehauptungen, wie nach sunte Valentyn, dat is waer, / so ick juw vorwaer mach sagen (3,4f.) und Also ick vorwaer mach saghen (21,3), zum anderen der Hinweis auf den Erhalt der Informationen, wie in So ick hebbe vornamen (22,3), und zum dritten der Rückgriff auf lokalspezifische Ortsbeschreibungen, wie Se quemen westwaert teghens de lyt (8,2) und Se sloghen se an der myle (18,5). Im Zusammenhang mit diesen Strategien der Authentifizierung nimmt die Äußerungsinstanz gehäuft auf sich selbst Bezug. An anderer Stelle steht die Selbstreferenzierung im Zusammenhang mit Wendungen, die der Aufmerksamkeitserregung (1,2) sowie dem Ausdruck der Bescheidenheit (17,1f.) und als solche wohl auch insgesamt der Sympathieheische dienen. Die Ereignisdarstellung ist parteilich gefärbt; aus ihr geht unmissverständlich hervor, dass das Sänger-Ich mit den Dithmarschern sympathisiert: Es bezeichnet sie als Helden (16,5) und bringt mit Emphase sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass bei der Rückeroberung Meldorfs nicht alle Belagerer überwältigt werden konnten (Str. 21). Die Frage, ob der Sänger selbst ein Dithmarscher ist, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten: Er selbst geriert sich an keiner Stelle als Teilnehmer an der Schlacht, während die Dithmarscher zugleich ausschließlich in der 3. Person referenziert werden. Hinzu kommt, dass es keinerlei

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Hinweise auf den Ort der Äußerung gibt. Dies trifft im Übrigen auch auf ihren Zeitpunkt zu, der aufgrund der präteritalen Bezugnahme auf das Ereignis lediglich nach diesem angesetzt werden kann. Die tendenziöse und mit einem deutlichen Wahrheitsanspruch vermittelte Ereignisdarstellung fungiert in dem Liedganzen auch als Beispiel für die Gerechtigkeit Gottes, von deren Wirksamkeit das Publikum überzeugt werden soll. Dies geht aus den Strophen 2 und 3 hervor: Hier wird der Lehrsatz, dass Gottes Gerechtigkeit ewige Gültigkeit besitze, im Zusammenhang mit Gottes Lob artikuliert (Str. 2) und mit dem Satz In dytmerschen is dat gheworden waer (3,1) die Schlacht bei Hemmingstedt als Beweis für das göttliche Wirken in der Welt eingeführt. Die religiöse Perspektivierung der Schlacht bei Hemmingstedt findet ihre Entsprechung denn auch in der Vorstellung des Sängers als preester gheselle (23,2), in gelegentlich plazierten religiös motivierten Kommentaren zum Geschehen in Dithmarschen (10,4f.; 11,5) sowie auch in verschiedenen Äußerungen, die sich unter Verwendung des inklusiven ‚wir‘ an die göttliche Instanz richten (1,4f.; 23,4f.). Inhalt und Aufbau Das Lied beginnt mit einer Einleitung im Umfang der ersten drei Strophen, welche die folgenden Funktionen erfüllt: Das Sänger-Ich erweckt zunächst die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen des Publikums, indem es eine merkwürdige Begebenheit ankündigt (1,1) und vorausschickt, dies sei das Beste, was es aufbieten könne (1,2). Daran schließt sich im Sinne des gelingenden Vortrags die Bitte um göttlichen Beistand an (1,4f.). In der zweiten Strophe wird Gottes Lob und mit ihm der Lehrsatz von der sanften Gerechtigkeit Gottes formuliert (2,2f.). Schließlich führt das Sänger-Ich mit der dritten Strophe zum Ereignis in Dithmarschen hin: Es wird einerseits lokal (dytmerschen) und temporal (dusent vyffhundert jaer / An eynem manendage / nach sunte Valentyn) identifiziert sowie andererseits – darauf wurde oben bereits hingewiesen – als Beispiel für Gottes gerechtes Wirken vorgestellt und auf diese Weise zugleich in einen religiösen Deutungsrahmen eingefügt. Mit den Strophen 4 bis 22 folgt der narrative Nachvollzug der Begebenheiten in Dithmarschen. Dieser beginnt mit einer knappen Schilderung dessen, was sich vor der Begegnung beider Kampfparteien zutrug: Während König Hans nach der geglückten Einnahme Meldorfs seinen Zug in Richtung Lunden fortsetzte (Str. 4), verschanzten sich die Dithmarscher vor Hemmingstedt und warteten seine Ankunft ab (Str. 5). Unmittelbar darauf wird von dem Aufeinandertreffen der Kontrahenten berichtet, wobei die zahlenmäßige Stärke des königlichen Heeres besonders akzentuiert wird (6,1; 6,4f.), doch wohl nur deshalb, um die ersten Ver-

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luste an den adligen Kämpfern, die die zahlenmäßig unterlegenen Dithmarscher ihren Gegnern beibringen können (7,5), und auch um den folgenden Siegeszug der Dithmarscher überhaupt umso markanter in den Vordergrund der Ereignisdarstellung treten zu lassen. Danach wird mit den Strophen 8 bis 13 die Begegnung zwischen der heranrückenden großen Garde und den Dithmarschern in den Blick genommen. Die Funktion dieses Abschnitts besteht in der Veranschaulichung und Entfaltung des eingangs geäußerten Lehrsatzes von der Gerechtigkeit Gottes, die auf zwei Wegen erreicht werden: Zum einen werden beide Parteien (ähnlich wie in der Reimpaarrede Nr. 2) in kontrastiver Weise charakterisiert mit dem Ergebnis, dass die Dithmarscher als besonders demütig und gottesfürchtig exponiert werden: Die Beschreibungsstrategie besteht darin, dass das Söldnerheer und die Dithmarscher in direkter Aufeinanderfolge selbst zu Wort kommen. Während die einen ihren Kontrahenten mit Mord drohen (8,4f.), erwidern die anderen diese Reizrede nicht etwa mit einer entsprechenden Ansage, sondern wenden sich stattdessen an Gottes Mutter, Maria, und bitten diese um Hilfe (9,2–5). Nicht nur dieses Gebet kann als Zeichen für die Demut und Gottesfurcht der Dithmarscher aufgefasst werden, sondern auch die Tatsache, dass sie in der Schlacht ein Kruzifix vor sich hertragen (11,1), das seine Wirkung gegenüber den Söldnern obendrein nicht verfehlt: Diese erschrecken und kommen sämtlich zu Tode. In Dithmarschen wirkt Gott Wunder. Zum anderen bringt die Äußerungsinstanz zwei Kommentare an, die gleich Fingerzeigen die Begebenheiten markieren, mit denen sich Gottes gerechtes Wirken in der Welt tatsächlich und wahrhaftig offenbart hat. Hierbei kann sogar noch eine Steigerung beobachtet werden: Heißt es im ersten Kommentar, die Dithmarscher seien mit Gottes Hilfe dem Tod durch das Söldnerheer entkommen (10,4f.), so werden dieselben nach dem Fall der Garde sogar als Gottes Waffe auf Erden stilisiert (11,5: Dat dede godt dorch dythmersche buͦren). Der Gedanke von der Gerechtigkeit Gottes wird in Strophe 12 fortgeführt. Hier geben sich die Dithmarscher nach ihrem Sieg über die große Garde in einer Ermutigungsrede zuversichtlich, auch die Kriegsknechte zu schlagen, denn sie sind sich gewiss, Dat do wy al myt rechte (12,5). Und mit dieser Gewissheit bringen sie weitere Kämpfer aus dem königlichen Heer zu Fall (13,1; 13,4f.) und drängen den Adel zur Flucht (13,3). Die Strophen 14 und 15 lenken den Blick für kurze Zeit weg von den Kampfhandlungen der Dithmarscher hin zu König, Herzog und Bannerträger. Die Niederlage bereits vor Augen, zeigt sich der König hier fassungslos (14,2), während der Herzog vor den Konsequenzen warnt, sollten die Dithmarscher so schlagkräftig wie bisher bleiben (14,4f.). Der Bannerträger Hans von Ahlefeldt rät dem König schließlich zum Rückzug (15,2f.). Sofort danach richtet sich der Fokus wieder auf

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die Dithmarscher, die nun auch den fliehenden und zurückweichenden Adel übermannen und besiegen (Str. 16–18). Den Höhepunkt und Abschluss ihres Siegeszuges stellt die Rückeroberung Meldorfs dar, die in den Strophen 19 bis 21 thematisiert wird. Hier greift die Darstellung in varianter Form das Handlungsmotiv auf, mit dem die Ereignisschilderung in Strophe 4 begann. Hieß es dort, der König hätte Meldorf eingenommen, so ist hier von den Dithmarschern respektive den Strandmannen die Rede, die in die Stadt eindringen und alles töten, was ihnen in den Weg kommt (Str. 20). Auch diese Begebenheit wird von dem Sänger kommentiert, der sich sicher ist, dass bei frühzeitigerem Eintreffen in Meldorf auch der König und der Herzog mit ihrem ganzen Kriegsvolk hätten geschlagen werden können (Str. 21). Er bleibt bei diesem Gedanken von den entkommenen Feinden (22,1f.) und beendet seine Darstellung von den Ereignissen in Dithmarschen schließlich mit der ihm zugegangenen Information, dass die Flüchtigen geschworen hätten, nie wieder nach Dithmarschen zu kommen (22,3–5). In der Schlussstrophe wird der Sänger des Liedes als Priester referenziert (23,1f.), um Gottes Geleit für ihn gebeten (23,3) und eine Bitte um Gottes Beistand in der Stunde des Todes formuliert (23,4f.). Der Absicht folgend, das Publikum von Gottes Wirksamkeit zu überzeugen, bedient sich der Text verschiedener sprachlicher Mittel. Zuvorderst wird die zahlenmäßige Übermacht des königlichen Heeres konstatiert (Str. 6) und das Gottvertrauen der Dithmarscher akzentuiert (Str. 9; Str. 11). Während das eine den Sieg der Dithmarscher wie die außergewöhnliche Begebenheit erscheinen lässt, als die sie in Strophe 1 dem Publikum angekündigt wird (1,1), liefert das andere die Erklärung für den militärischen Erfolg der Dithmarscher. Aufgrund ihres Glaubens und ihrer Demut stand Gott auf ihrer Seite und hat durch sie die Niederlage des mengenmäßig weit überlegenen Heeres bewirkt. Dies erklärt auch den merklichen Fokus auf die Kampfhandlungen, die gut die Hälfte der ereignisbezogenen Strophen umfassen. Hier steht die Demonstration der Offensivität und Schlagkraft der Dithmarscher gegenüber der Defensivität und Schwäche ihrer Gegner im Vordergrund. Dieser Eindruck wird auf unterschiedliche Weise vermittelt: Die Handlungen der Dithmarscher werden vorwiegend mit Verben des Voranschreitens beschrieben (z. B. 10,1: lepen; 16,1: quemen heer ghedrungen; 16,2: runghen; 18,4: volgheden na; 20,1: quam up drengen; 20,3: inghedruͦngen), wohingegen die Verben, mit denen die Handlungen ihrer Kontrahenten ausgedrückt werden, fast sämtlich auf Rückzug und Flucht deuten (13,3: wyken; 15,3: keren; 15,4: thoͤgen tho rugge; 18,2: vleen; 19,5: vlucht ghekaren; 22,1: entlopen). Hiervon ist lediglich der zweimalige Gebrauch des Verbs drengen (6,1; 8,1) auszunehmen, über das sich weitere Beobachtungen anstellen lassen. Das bewusste Verb gehört neben slan zu den Worten, die mehrfach in der Darstellung des Ereignisses wiederholt werden und auf diese Weise bestimmte

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Motive und Episoden der Handlung pointieren. Bemerkenswert ist hierbei, dass das mit ihm realisierte Handlungsmotiv des Heereszuges in Hinblick auf das Subjekt variiert. Zuerst beschreibt es den Zug von König Hans und seiner Streitmacht nach Hemmingstedt: Koͤnick hans quam upghedrungen myt groter macht (6,1), um wenig später für die Ankunft der großen Garde wieder aufgegriffen zu werden: De guͦarde quam up drenghen myt der tydt (8,1). Beide Belege stehen ganz am Beginn der Kampfdarstellung; der Ausgang der Schlacht ist hier noch nicht entschieden. Die anderen drei Belege von drengen stehen in Verbindung mit den Dithmarschern als Subjekten der Handlung. Der erste folgt unmittelbar auf die kurze Beratungssequenz zwischen König, Herzog und Bannerträger, in deren Ergebnis sie den Rückzug antreten (Str. 14f.): Daer quemen de Dythmerschen heer ghedrungen (16,1). Der Satz markiert hier den Auftakt der letzten Handlungsepisode auf dem Schlachtfeld, wo die Dithmarscher den Flüchtigen hinterherjagen und am Ende den Sieg davontragen können. Hingegen sind die übrigen zwei Belege an die Episode von der Rückeroberung der Stadt Meldorf geknüpft: De strantman quam up drengen myt groter macht, / Peke, buͦssen unde swerde myt sick ghebracht, / Tho Meldorp inghedruͦnghen (20,1–3). Das Verb slan erscheint im Text in je anderer grammatischer Ausprägung und teils ergänzt um doet und nedder. Die Rolle des Subjekts ist hier jeweils mit den Dithmarschern besetzt. Aufgrund der Häufigkeit und Konsequenz dieser Verbindung entsteht der Eindruck einer festen Kopplung zwischen der Personengruppe der Dithmarscher und dem Handlungsmotiv des Schlagens und Tötens. Objekte dieser Handlung sind in jedem Fall die Heerhaufen des Königs. So entspricht auch die hohe Frequenz und der Einsatz des Verbs slan der Absicht, die militärische Überlegenheit der Dithmarscher und damit das Eingreifen Gottes in die Schlacht zur Schau zu stellen. Doch kann mit Blick auf ihre Verteilung im Text eine weitere Funktion der beschriebenen Wiederholungsfigur in Betracht gezogen werden: Das Tötungsmotiv begegnet in den Strophen 12 (V. 4), 13 (V. 1), 16 (V. 4), 17 (V. 1), 18 (V. 5), 20 (V. 4) sowie 21 (V. 4). Dieser Befund überrascht zunächst wenig, da es sich um die Strophen handelt, die das Kampfgeschehen auf dem Schlachtfeld vor Hemmingstedt und in der Stadt Meldorf zum Thema haben. Indes zeigen sich bei näherem Hinsehen zwei Besonderheiten: Erstens erfolgt die Motivwiederholung in den Strophenpaaren 12 und 13 sowie 16 und 17 jeweils in der Weise, dass mit Vers 1 der zweiten das Motiv von Vers 4 der ersten Strophe in abgewandelter Form erneut formuliert wird. Dergestalt werden die Strophen jeweils miteinander verkettet, so dass im Ergebnis zweistrophige Einheiten entstehen, die aufgrund der Repetition des Tötungsmotivs durch eine ausgeprägte inhaltliche Kohärenz gekennzeichnet sind. Zweitens sind gerade diese Einheiten um die bereits genannte Beratungsszene (Str. 14f.) gruppiert. Hand in Hand mit dem Wechsel von der vermittelten

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Erzählung der Schlacht zur unmittelbaren Erzählung der Figurenreden verleiht diese spezifische Distribution des Verbs slan der Beratungsszene eine exponierte Stellung in der Episodenreihe. Doch auch diese unterstreicht letztlich die Dominanz der Dithmarscher in der Schlacht. Denn was hier hervorgehoben wird, ist die Reaktion der Invasoren angesichts des Verlaufs ihrer militärischen Unternehmung: Sie räumen indirekt die Überlegenheit der Dithmarscher ein (14,4: Beholden de dythmarschen de averhant), die sich ihnen allenthalben auf dem Schlachtfeld zeigt. Westphalen 1745, Sp. 1448 (Auszüge). Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 560–562 (nach Hs 4). Wolff 1830, S. 333–336. Liliencron II 1866, Nr. 216. Weiland 1867, S. 110f. (nach Hs 3). – Jacobsohn 1914, S. 53. Hansen 1899, S. 38 (Nr. 14), S. 39 (Abdruck Str. 23). Lammers ³1987. Schanze 1992(a), Sp. 694 (Nr. 5–7).

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Nr. 5: Dat gheyt hyr jeghen de sommer tydt

T Anno 1500 Ode

Im Jahr 1500 Lied

1 Dat gheyt hyr jeghen de sommer tydt, Dat sick mannich man in dem velde lydt To Dythmerschen in deme lande. Dar weren de buren er lant; se slaen de heren to schande.

Es geschieht jetzt zur Sommerzeit, dass sich viele Männer im Land Dithmarschen auf dem Schlachtfeld befinden. Da verteidigen die Bauern ihr Land; sie treiben die Herren in die Schande.

2 De dythmerschen vasten, deden ere bycht, Myt gades lycham worden se berycht. Se deden ghodt loff unde ehre. do de koͤning de gharde vorschreff, He meende, he wolde se vorveren.

Die Dithmarscher fasteten, beichteten und empfingen den Leib Christi. Sie erwiesen Gott Lob und Ehre. Als der König die Garde schriftlich anforderte, glaubte er, er würde sie damit einschüchtern.

3 Meldorp hadden se inghenamen; Dar inne so schaffeden se eren vramen.

Meldorf hatten sie eingenommen; darin ordneten sie alles zu ihrem Nutzen und Vorteil. Das taten sie ganz offensichtlich. Alles, was sie mit sich brachten, das ließen sie vollständig zurück.

Dat deden se apenbaer. Allent, wat se mede brachten, Dat leten se altho mael. 4 Juncker Jurgen, de eddelman, De steckede de ersten slanghen an; Den steen hoͤrdeme brummen. Men sach so mennighen dethmerschen staen Up rechten benen, up krummen.

Junker Jürgen, der Edelmann, zündete das erste Geschütz an; das Geschoss hörte man donnern. Man sah so viele Dithmarscher stehen, sowohl junge als auch alte.

5 Juncker slens de sprack wol ghudt: „Ghesellen draghet enen vryen moet. Wy hebben ghenoech der langhen spiessen In er blanck harnesch tho schissen.“

Junker Slentz der sprach zuversichtlich: „Gesellen seid ohne Sorge. Wir haben genug von den langen Spießen, um diese gegen ihre glänzenden Rüstungen zu schleudern.“

6 Dat hoͮvet van dem busche dat sprack ock also: „Ghesellen, draghet enen vryen moet, jo, Unse vyende wylle wy bedwynghen.“ Do dat int karnappent ghynck, Do kondeme ene nerghen vynden.

Der Hoft von dem Busche sagte das auch:

1,4–5 ohne Umbruch in einer Zeile. 4,2 de] den Hs 12.

„Ja, Gesellen, seid ohne Sorge, unsere Feinde werden wir überwinden.“ Als es ans Kämpfen ging, da konnte man ihn nirgends finden.

Textabdruck und Kommentar 

7 Hans van Herpen hadde syck recht bedacht, Hadde de lantsknechte in den graven ghebracht. De karckmisse wolde he kopen. De syn rede ghelt dar hadde ghebracht, De moste it daer vorlopen.



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Hans van Herpen hatte es sich gut überlegt, hatte die Landsknechte ins Verderben geführt. Er wollte etwas auf dem Jahrmarkt kaufen. Derjenige, der sein bares Geld dahin mitgebracht hatte, musste es dort zurücklassen.

8 Hartich Fredereck de sprack nuͦ also: „Koͤnynck Hans, broder, wo rade wy nuͦ? Dat ber heffstuͦ bruwen! Treden de stede van hynden to, Dat wert uns langhe ruwen.“

Herzog Friedrich sprach nun wie folgt: „König Hans, Bruder, wie gehen wir jetzt vor? Dieses Bier hast du gebraut! Nähern sich die Städte von hinten, werden wir das für lange Zeit bereuen.“

9 „Ick hadde ghemeent, se scholden in hant hebben gheghaen, Recht so de Swedenschen voermaels hadden ghedaen, Dat mach uns nycht wedder varen.“ Daer hefft so mannighen stolten eddelman Syn levent umne vorlaren.

„Ich hatte geglaubt, sie würden sich ergeben haben, wie das die Schweden zuvor getan hatten, und dass uns das nicht geschehen kann.“ Darum haben viele stolze Edelmänner ihr Leben verloren.

10 Dat let is ghesunghen unde vullenghebracht; Dat hefft eyn fyner gheselle ghedacht. Gode helpe ene uth leyden. Unser ghode de sta uns by, Wen wy van hyr scholen scheyden.

Das Lied ist gesungen und vollendet; das hat sich ein guter Geselle ausgedacht. Gott möge ihm aus der Not helfen. Unser Gott stehe uns bei, wenn wir von hier gehen müssen.

K Russius scripsit 1537

Russe hat das geschrieben. 1537

9,2 hadden] vom Schreiber verbessert aus hebben. Strophenanfang jeweils mit größerer Majuskel ausgezeichnet. 9,1 ghemeent] gedacht Hs 12. 9,2 hadden] hebben Hs 4, Hs 12.

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 3, Bl. 11r–11v (S. 21f.); Hs 4, S. 150f. (Exzerpt); Hs 12, S. 1 (Exzerpt).

Die älteste bekannte Niederschrift des anonym überlieferten Liedes datiert in das Jahr 1537 und stammt von der Hand Johann Russes aus Lunden in Dithmarschen (Hs 3). Dieser notierte das Lied auf der Vorder- und Rückseite von Blatt 1 eines Heftes, in das er 1533 schon die Reimpaarreden Nr. 2 und Nr. 1 sowie 1536 auch das Lied Nr. 4 eingetragen hatte. Abgesehen von der besagten Datierung im Schreiberkolphon weist der Aufzeichnungsbefund die Verschriftung von Lied Nr. 5 deutlich als Nachtrag aus: Schriftgrad und Zeilenabstand fallen geringer aus, gelegentlich finden sich überdies Streichungen und Korrekturen. Wie bei den anderen Stücken berücksichtigte der Schreiber jedoch auch hier die Versform des Textes und setzte überdies die Strophen deutlich voneinander ab. Schließlich findet sich in dem bewussten Manuskript auch die einzige Aufzeichnung von Lied Nr. 6, dies allerdings undatiert. Später wurde das Heft zusammen mit anderen Schriften von Russe zu einem Sammelband, den Kollektaneen, vereint. Von Russes Konvolut entstanden in der Folge diverse Abschriften (vgl. Hs 3). Eine davon wurde bereits im Jahr 1553 in Dithmarschen von einem unbekannten Schreiber angefertigt (Hs 4) und enthält neben der Reimpaardichtung Nr. 1 und dem Lied Nr. 4 auch das Stück Nr. 5. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um ein Exzerpt. Übernommen wurden die Beschreibung der Dithmarscher hinsichtlich ihrer Frömmigkeit und Gottesfurcht (2,1f.), die Namen der handlungstragenden Männer aus dem Gefolge von König Hans (4,1f. [vollständig]; 5,1; 6,1; 7,1 [jeweils nur die Personennamen]) sowie der Dialog zwischen diesem und Herzog Friedrich (Str. 8f. [vollständig]). Die Liedform des Prätextes ist nur noch zu erahnen, allerdings hat der Schreiber sein Exzerpt mit der Überschrift Ex cantilena Dytmarsica auch als solches ausgewiesen. In dieser Form findet sich Lied Nr. 5 ferner in einer von Hs 4 abhängigen Handschrift aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Hs 12). Bemerkenswert ist der Überlieferungszusammenhang zwischen Lied 5 und den Liedern 4 und 6. Dieser findet seinen Ausdruck nämlich nicht nur auf materieller Ebene mit der sukzessiven Aufnahme der genannten Stücke in dieselbe Handschrift und durch denselben Schreiber. Er zeigt sich auch auf der Textebene (vgl.  unten Kommentar zu den Strophenvarianten). Dies betrifft zum einen das Motiv der Einnahme Meldorfs durch König Hans (Str. 3), ferner das Motiv des Dialogs zwischen König und Herzog gegen Ende der Schlacht (Str. 8f.) und schließlich die Signaturstrophe am Ende (Str. 10). In ihrer inhaltlichen Gesamtkonzeption unterscheiden sich die genannten Stücke. Hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten dokumentieren sie jedoch die Zirkulation und Rezeption von einzel-

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nen Motivausprägungen und Strophen etwa zur gleichen Zeit und in derselben Region. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den drei Liedern besteht in der Amplifizierung mehrerer Verse, die nahelegen, dass die Lieder im Zuge ihrer schriftlichen Rezeption bearbeitet wurden (vgl. Kommentar zu Metrik).

Sprachstand Lied Nr. 5 ist mittelniederdeutsch mit einem Merkmalsbündel, das typisch ist für die nordniederdeutschen Schreibsprachen. Zu diesen Merkmalen zählen – die Realisierung des gedehnten o mit der Schreibung a (Peters 1987, 1.2.2.): gades (2,2), inghenamen (3,1), vramen (3,2), apenbaer (3,3), vorlaren (9,5), – die Senkung von er zu ar (Peters 1987, 1.1.5.2.): karckmisse (7,3), – die Doppelkonsonanz vor -er und -el nach Kürzung tonlanger Vokale (Peters 1987, 1.2.3.): wedder (9,3), eddelman (4,1; 9,4), – der Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Dativ Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4.): uns (8,5; 9,3; 10,4), – der verbale Einheitsplural im Präsens Indikativ mit der Endung -en (Peters 1987, 2.1.1.): weren (1,4), hebben (5,3), scholen (10,5), sowie – die Variante wo (8,2) für das Interrogativpronomen ‚wie‘ (Peters 1990, 4.6.1.3.). Die Konsonantenverdopplung bei tydt (1,1) und lydt (1,2) deutet ferner hinsichtlich der Graphie schon spätmittelniederdeutschen Einfluss an (Lasch 21974, § 18, 3.; §  236); hingegen ist die für das späte Mittelniederdeutsch charakteristische Schreibung in bestimmten Konsonantenverbindungen (Peters 1987, 1.4.7.) nicht festzustellen. Bemerkenswert sind schließlich die Formen spiessen ‚Spieße‘ (5,3) und schissen ‚schießen‘ (5,4), deren Schreibung hochdeutschen Lautstand im Vokalismus und Konsonantismus reflektiert. Die niederdeutschen Äquivalente lauten in der Grundform spêt (Mnd. Hwb. III/1, Sp. 371) und schêten (Mnd. Hwb. III/1, Sp. 87). Reflexe der gesprochenen Sprache liegen mit dem zum Enklitikon -me abgeschwächten Pronomen men vor, und zwar bei hoͤrdeme (4,3) und kondeme (6,5), sowie auch mit der klitischen Form heffstuͦ (8,3).

Stellenkommentar T Ode: Der Begriff hebt vermutlich ab auf die gleichmäßige strophische Form und die Sangbarkeit des Stückes als zwei wesentlichen Merkmalen der Ode (Burdorf 2007, S. 735) und diente dem Schreiber als Äquivalent für den Begriff let ‚Lied‘, mit dem der Text in Strophe 10, Vers 1 zudem auf sich selbst referiert. Dies entspricht

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auch der generellen Verwendungsweise des aus dem Griechischen ins Lateinische entlehnten Begriffes in Spätantike und Mittelalter (ebd. S. 736; Pöhlmann 1997, Sp. 562). Mit der metrischen Bauform in der Tradition der antiken Ode korrespondiert die Bezeichnung nicht, zumal die deutschsprachige Odendichtung nach antikem Vorbild erst im 17. Jahrhundert einsetzte (Burdorf 2007, S. 738). 1,1f. Die Schlacht bei Hemmingstedt hat nachweislich im Februar 1500 stattgefunden. Danach zogen die Söldner in das Herzogtum Holstein (Rendsburg und Itzehoe) sowie in das Herzogtum Schleswig (Husum, Gottorf) zurück und sammelten sich dort. Noch bis hinein in den Mai wurden die Gardisten von König Hans besoldet; ein Teil der Söldner überquerte dann um den 20. Mai 1500 herum die Elbe und verließ damit das Herzogtum Holstein in Richtung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg (Lammers ³1987, S.  206f.). Hieraus folgt, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine historisch referenzialisierbare Zeitangabe handelt, sondern stattdessen um den Topos des sommerlichen Natureingangs. In beinah wortgleicher Form finden sich die Verse beispielsweise in einem ereignisbezogenen Lied auf die Schlacht bei Pavia 1525, und zwar am Beginn der sechsten Strophe: Es geht wohl gegen die Sommerzeit / da mancher knecht zu Felde leit. (Erk / Böhme II 1893, Nr. 274) Vers 1 ist fernerhin auch als Eingangszeile in einem Dithmarscher Tanzlied aus dem 16. Jahrhundert bezeugt: Dat geith hir jegen den Sommer, jegen de leve Sommertidt (vgl. Anhang, Kap. 4, Nr. 17). Bei diesem Lied handelt es sich um eine Adaption von Neidharts Sommerliedern vom Typus der Mutter-Tochter-Gesprächslieder (Schweikle 1990, S.  74f.). Angelockt von der Musik möchte die Tochter zum Abendtanz gehen, was ihr die Mutter jedoch verbietet. Als die Tochter insistiert, bittet die Mutter darum, die Tochter möge nicht allein gehen, sondern ihren jüngeren Bruder mitnehmen. Auch das lehnt die junge Frau ab, woraufhin die Mutter schließlich aufgibt und die Tochter gehen lässt. Auf dem Abendtanz angekommen, sucht die junge Frau nach dem Reiter und erblickt ihn schließlich. Dieser zieht höflich vor ihr den Hut und küsst sie auf den Mund. 1,1 Dat: Platzhalter-Element für den Subjektsatz 1,2. 1,2 Dat: Konjunktion ‚dass‘, die einen Subjektsatz zu 1,1 einleitet. in dem velde lydt: vgl. to velde liggen ‚Krieg führen‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 818). 1,5 heren: entweder allgemein ‚Adliger, Ritter‘ oder im engeren Sinne ‚Fürst, Landesherr, Lehnsherr‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp.  281f.). schande: im weiten Sinne ‚Schaden, Beschädigung, Beeinträchtigung‘ (DWB XIV, Sp.  2128), im engeren Sinne ‚Schädigung der Ehre, Ehrverlust, Ehrminderung‘ (DWB XIV, Sp.  2130), entsprechend auch im rezenten Sprachgebrauch ‚Demütigung, Entehrung; Zustand des Verachtetseins‘ (Wahrig, S. 1277). Im Lied Nr. 5 sind beide Deutungen möglich: Entweder ist der Schaden an Leib, Leben und Gut gemeint, den die Dithmarscher ihren Feinden zufügen (vgl.  3,4f.; 7,4f.; 9,4f.), oder der Ehr-

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verlust speziell des Königs, nachdem die Dithmarscher seinen Angriff vereitelt haben. – Als Dativ mit der Präposition to und in Verbindung mit einem transitiven Verb (slaen) wird der Vorgang ausgedrückt, jemanden (de heren) in den Status der Schande zu versetzen. – Die Programmatik eines Kampfes zwischen Bauern und Adel, die sich hier (1,4f.) manifestiert, bestimmt auch Lied Nr.  4 (vgl. bes. 16,4f.). 2,1 vasten: synkopierte Form der 3. Plural Präteritum Indikativ des schwachen Verbums vasten (vgl. Lasch 21974, § 217, IV). 2,2 Empfang der heiligen Kommunion. 3,4f. Vermutlich liegt mit dieser Textstelle eine Vorausdeutung auf die Niederlage von König und Garde vor, die u. a. auch einen großen Verlust an mitgeführten Gütern (Waffen, Geld, Speisen usw.) mit sich brachte (vgl. Nr. 7). Das Verlustmotiv findet sich auch in Str. 7, V. 4f., und Str. 9, V. 4f. 4,2 slanghen: ‚Feldschlangen‘, 2 bis 4 Meter lange kanonenähnliche Geschütze (Lammers ³1987, S. 105). 4,3 hoͤrdeme: hörde men. 4,5 ‚jung und alt‘ abgeleitet von krumm ‚krumm in Bezug auf die Gliedmaßen, die körperliche Gebrechlichkeit oder das Alter‘ (DWB XI, Sp. 2443) im Gegensatz zu recht ‚aufrecht, gerade‘ (Schiller / Lübben III, S. 429). 6,1 Dat: bestimmter Artikel, der sich auf den folgenden Personennamen bezieht, sich aber hinsichtlich des grammatischen Geschlechts zu diesem inkongruent verhält; zur geringschätzigen Bezeichnung einer Person (DWB II, Sp.  965, hier allerdings ohne die konkrete Benennung der Person). Die Verwendung des Neutrums Dat kann jedoch auch in der Homonymie des Vornamens mit dem mnd. Neutrum hö̂vet ‚Haupt‘ begründet liegen. 6,4 dat: Subjekt ‚es‘ im unpersönlichen Satz. int karnappent: ‚ans Kämpfen/ ans Schlagen/ans Prügeln‘. karnappent ist Verbalsubstantiv zu karnappen mit der übertragenen Bedeutung ‚hauen, prügeln‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp.  522f.). Die bedeutungsgleiche hd. Variante karnöffeln (ebd. Sp. 523; DWB XI, Sp. 221) ist vom skatähnlichen Kartenspiel ‚Karnöffel‘ abgeleitet (ebd.). Richey (1755, S. 110) verzeichnet das Verb karnuͤffeln ebenfalls und gibt die gleiche Bedeutung an: ‚mit Fäusten schlagen, prügeln‘. Zur Darstellung von Kampfhandlungen als Kartenspiel vgl. Kerth 1997, S. 231f. 6,5 kondeme: konde men. 7,2 in den graven ghebracht: Redewendung ‚ins Verderben/Unglück geführt‘ (Schiller / Lübben II, S.  141). Die Wendung ist mehrdeutig; sie kann auch als Bezugnahme auf die Geländeverhältnisse vor Hemmingstedt verstanden werden und als Beschreibung dafür, dass die Söldner von dem schmalen Damm, der von Meldorf nach Hemmingstedt durch die Marsch führte, in die Wassergräben abgedrängt wurden. Die Dithmarscher sollen die Marsch zur Abwehr geflutet haben

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(vgl. Lammers ³1987, S. 123). Eine ähnlich doppeldeutige Redewendung verwendet Nr. 1, V. 218. 7,3 karckmisse: ‚jährliches Kirchweihfest, Jahrmarkt‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp.  547); en k. kopen ‚etwas auf dem Jahrmarkt kaufen‘ (Richey 1755, S.  110), in anderer Variante ‚einen Jahrmarkt kaufen‘ (DWB X, Sp. 2245; Wander 1867 II, Sp. 1000) mit ‚Jahrmarkt‘ in der Bedeutung von ‚die auf dem Jahrmarkt gekaufte Ware; die Ware, die man zum Andenken an den Besuch mit nach Hause nimmt und jemandem schenkt‘ (DWB X, Sp. 2246). Bei dem Phraseologismus handelt es sich um eine Synekdoche; das Ganze (das Kirchweihfest, der Jahrmarkt) steht für einen Teil (das, was auf dem Kirchweihfest, dem Jahrmarkt erworben wird). 8,2 rade: 1. Plural Präsens Indikativ von raden, hier ohne Objekt und Präposition gebraucht: ‚zu Rate gehen, sich beratschlagen; einen Beschluss fassen, entscheiden‘ (Mnd. Hwb. II/2, Sp. 1837). 8,3 sprichwörtlich für „Dafür bist Du verantwortlich.“ Vgl. „Er hat sich das Bier selbst gebraut.“ (Wander 1867 I, Sp. 377) und holländisch: „Dat biertje hebt gij zelf gebrouwd, en moet het ook uitdrinken.“ (ebd.). Vgl. Nr. 4, Str. 14,3; Nr. 6, Str. 10,3. 8,4 de stede: Vermutlich sind die Hansestädte Lübeck, Hamburg und Lüneburg gemeint. Zwischen Dithmarschen und Lübeck bestand seit 1468 ein festes militärisches Bündnis, das bis 1554 andauerte (Dollinger 62012, S. 124). Erst am 29.  September 1493 war dieses Bündnis erneuert worden; noch im selben Jahr, am 20.  Oktober und am 28. November, waren schließlich auch Lüneburg und Hamburg diesem Pakt beigetreten (Lammers ³1987, S.  45, Anm. 13, vgl.  auch S. 121). Vgl. Nr. 6, Str. 10,4. 9,1 in hant gân ‚sich ergeben‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 221). Der Phraseologismus geht zurück auf den symbolischen Akt des Handgangs im mittelalterlichen Lehnswesen. Vgl. Nr. 1, Kommentar zu V. 66. Ähnliche Wendungen auch in Nr. 6, Str. 11,1, und Nr. 8, Str. 19,2. 10,2 fyner: fîn Adjektiv zur positiven Attribuierung einer Person: a) hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung: ‚schön, hübsch, stattlich‘, b) ihrer inneren Haltung: ‚anständig, gut, zuverlässig‘, oder c) ihres Standes: ‚von vornehmer Herkunft‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 721); hier vermutlich Bedeutung b. 10,3 ene: Personalpronomen 3. Singular Dativ Maskulin ‚ihm‘, nimmt das Subjekt eyn fyner gheselle in 10,2 wieder auf; zu den Varianten em und en vgl. Lasch 21974, § 263, § 404.

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Literarischer Kommentar Metrik Lied Nr. 5 besteht aus 10 Strophen, deren Bauplan dem der Lindenschmidtstrophe entspricht.59 Eröffnet werden die fünfzeiligen Einheiten mit einem Verspaar aus auftaktigen und männlich kadenzierenden Vierhebern. An diese schließen sich zwei durch Endreim verbundene weibliche Dreiheber mit Auftakt an, die eine ebenfalls auftaktige und vierhebige männliche Waise umschließen. Abgesehen von Strophe 5, die ohne die Waise nur vier Verse aufweist, sowie von Strophe 3, mit klingenden Vierhebern und stumpfen Dreihebern, weichen die Strophen in Lied 5 hinsichtlich der Hebungszahl (1,4; 7,1; 7,2; 8,2; 9,1; 9,2; 9,4) sowie des Versbeginns vom Schema der Lindenschmidtstrophe ab. Die überzähligen Hebungen sind vermutlich die Folge von Interpolation. Zumindest legt dies der Vergleich mit Lied Nr.  6 nahe, das wie Nr.  5 ebenfalls aus Lindenschmidtstrophen aufgebaut ist und mit diesem inhaltlich hinsichtlich der Strophen übereinstimmt, die das Gespräch zwischen König Hans und Herzog Friedrich wiedergeben (vgl.  unten Kommentar Strophenvarianten). Im Folgenden werden daraus jene Verse synoptisch abgedruckt, welche im Gegensatz zu Lied 5 bei Lied 6 in der Hebungszahl dem Muster der Lindenschmidtstrophe entsprechen: Nr. 5

Nr. 6

8,2 Koͤnynck Hans, broder, wo rade wy nuͦ?

10,2 Her kóninck, bróder, wat dúncket juw thó?

9,2 Recht so de Swedenschen voermaels hadden ghedaen,

11,2 Alse dé van Swéden hádden gedáen.

9,4 Daer hefft so mannighen stolten eddelman

11,4 dar héft so mánnich stólter mán

Der Vergleich der einander entsprechenden Verse zeigt, dass in Nr. 5 die Zeilen mit einer überzähligen Hebung zugleich auch konkretere Angaben enthalten: In 8,2 ist nicht allein von einem König die Rede, sondern von einem König namens Hans; der Bezug auf die Schweden in 9,2 wird nicht nur mit der Tempusausprägung des Finitums in die Vergangenheit situiert, sondern darüber hinaus mit dem Temporaladverb voermals; in 9,4 schließlich wird auf die Gefallenen nicht mit dem statusneutralen Nomen man referiert, sondern mit dem Kompositum eddelman, dessen Bestimmungswort eine soziale Konturierung der Toten als Angehörigen des Adels vornimmt. Ausgehend von diesem Befund liegt es nahe, dass auch die übrigen Verse mit ein oder zwei zusätzlichen Hebungen aus dem Bedürfnis nach

59 Frank 21993, 5.6.

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Konkretisierung und Verdeutlichung bearbeitet worden sind. Der Kontext dieser Bearbeitungen war der Vorgang der Verschriftung. Dafür spricht, dass die überzähligen Hebungen in Konsequenz die Sangbarkeit des Stückes beeinträchtigt haben, was in besonderem Maße Vers 9,1 mit zwei zusätzlichen betonten Silben betrifft. Hier zielte die Konkretisierungsabsicht womöglich ab auf die Markierung des Sprecherwechsels innerhalb des kurzen Dialogs zwischen Herzog und König. Denn die Redeeinleitung Ick hádde gheméent zählt genau zwei Hebungen. Der fehlende Auftakt geht jedesmal einher mit bestimmten sprachlichen Ausdrücken, und zwar mit der Subjunktion do, die einen temporalen Nebensatz einleitet (2,4; 6,4), mit Namen und Namensbestandteilen: Méldorp (3,1), Júncker Júrgen (4,1), Júncker sléns (5,1), Háns van Hérpen (7,1), Hártich Frédereck (8,1), Kónynck Háns (8,2), sowie mit finiten Verben: Hádde (7,2), Tréden (8,4). Äußerungsinstanz Die Äußerungsinstanz tritt in der letzten Strophe des Liedes deutlich in Erscheinung. Hier stellt sie sich als Sänger und ferner auch als Dichter des Liedes vor. Zudem charakterisiert sie sich selbst als fyner gheselle (10,2), was zum einen der Sympathieheische dient und zum anderen eine emotionale Bindung zum Auditorium evoziert. Diese wird gesteigert mit dem gemeinschaftsstiftenden Wechsel der Selbstreferenz von der 3. Singular (10,2f.) zur inklusiven 1. Plural (10,4: uns; 10,5: wy) im Zusammenhang mit der Bitte um göttlichen Beistand für sich und das Publikum am Schluss des Liedes. Hinweise auf den Ort und den Zeitpunkt des textinternen Äußerungsereignisses werden schon in der Eingangsstrophe gegeben: Die Sängerinstanz befindet sich nicht in Dithmarschen, denn sie bezieht sich auf den Schauplatz des Kampfgeschehens in Dithmarschen mit dem lokalen Zeigwort Dar (1,4). Damit korrespondiert das Fehlen jedes Hinweises darauf, dass es sich bei der Sängerinstanz selbst um einen Dithmarscher handelt. Die textinterne Äußerung ereignet sich, noch während die Schlacht im Gange ist; dies indiziert die Präsensausprägung der Verben in der ersten Strophe (1,2: lydt; 1,4: weren; 1,5: slaen). Die programmatische Aussage Dar weren de buren er lant / se slaen de heren to schande (1,4f.) deutet schließlich die parteiliche Haltung des Sängers gegenüber den Kontrahenten an, vor allem die Antipathie gegenüber den als heren konturierten Gegnern der Dithmarscher. Inhalt und Aufbau Der Liedbeginn im Umfang der ersten Strophe ist als Einleitung konzipiert. Hier führt der Sänger zum Gegenstand des Liedes hin, indem er mit dem Zeitpunkt (1,1: jeghen de sommer tydt), dem Schauplatz (1,3: To Dythmerschen), der Art des

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Ereignisses (1,2: sick mannich man in dem velde lydt) und den daran beteiligten Personengruppen (1,4: buren, 1,5: heren) in Beantwortung der klassischen W-Fragen (Wann? Wo? Was? Wer?) die Eckdaten des Vorfalls benennt. Mit den kollektiven Bezeichnungen buren und heren werden die Protagonisten hinsichtlich ihres gesellschaftlichen Standes attribuiert. Der letzte Vers nimmt bereits die Niederlage der heren vorweg. Der Hauptteil des Liedes (Str. 2–9) wendet sich ausgehend vom Gegenwartsbezug in der ersten Strophe retrospektiv den Vorgängen vor und während der Schlacht zu. In Strophe 2 setzt die Rückblende an einem Zeitpunkt vor dem Einzug des Königs in Dithmarschen ein. Zum einen werden hier die Personenreferenzen buren und heren aus Strophe 1 mit den Ausdrücken De dythmerschen und de koͤning konkretisiert, zum anderen die Dithmarscher vermittels ihrer religiösen Handlungen und im Kontrast zum erfolgsgewissen König, der das Söldnerheer verpflichtete, als besonders fromm und gottesfürchtig vorgestellt. Die dritte Strophe bezieht sich auf den Zug von König und Garde durch Dithmarschen, berichtet hierbei aber sehr reduziert lediglich von der Eroberung Meldorfs als dem vorläufigen Höhepunkt der königlichen Unternehmung in Dithmarschen. Die folgenden Strophen (4–9) handeln endlich von dem Schlachtgeschehen selbst. Wie in einem Reigen wird mit jeder Strophe eine andere Person aus dem Heer des Königs in den Blick genommen, wobei es sich mit Rücksicht auf die Namen und Namensbestandteile jedesmal um einen Adligen handelt. Die Sängerinstanz bietet dem Rezipienten eine Heerschau und reiht eben jene heren (1,5) auf, denen in der Einleitung ein schändliches Ende zugeschrieben wird. Die Handlung der ersten drei Strophen (4–6) dieses Abschnitts ist unmittelbar an den Beginn der Schlacht zu situieren. Hier geben sich die Protagonisten mit ihren Taten und Worten noch entsprechend zuversichtlich: Juncker Jurgen feuert die ersten Geschosse gegen die Dithmarscher ab (Str. 4), während Juncker slens (Str. 5) und Dat hoͮvet van dem busche (Str. 6) im Angesicht der Gegner zuversichtlich und siegessicher zu ihren Männern sprechen, um an deren Tapferkeit und Mut zu appellieren. Ihre Entschlossenheit wird jedoch sogleich verhöhnt, indem von dem letzten behauptet wird, er wäre auf dem Schlachtfeld am Ende gar nicht zu sehen gewesen (Str. 6,4f.). Die Vorgänge, die in den darauffolgenden drei Strophen (Str. 7–9) geschildert werden, ereignen sich zu einem späteren Zeitpunkt, als das Kampfgeschehen zwar noch im Gange ist, aber sich die unabwendbare Niederlage des Königs bereits deutlich abzeichnet. Der Abschnitt wird eingeleitet mit einer Strophe, die sich auf den Landsknechtsführer Hans van Herpen bezieht. Die Schlacht wird hier mit einem Jahrmarkt verglichen. Auf der Literalebene heißt es, dass Hans van Herpen auf dem Jahrmarkt etwas erwerben wollte, um es als Andenken oder als Geschenk für jemanden mit nach Hause zu bringen (10,3). Setzt man dies in

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Bezug zu dem Krieg in Dithmarschen, so kann die bewusste Aussage in der Weise interpretiert werden, dass Hans van Herpen in der Absicht nach Dithmarschen gekommen ist, um dort entweder materielle oder aber ideelle Güter wie Ruhm und Ehre zu erwerben. Dass er dieses Vorhaben nicht verwirklichen konnte, geht aus Vers  4 und 5 der siebten Strophe hervor. Hier ist die Rede von dem hohen Bargeldverlust, der mit dem Jahrmarktsbesuch einhergeht und nun auch denjenigen getroffen hat, der sich wie Hans van Herpen auf den Jahrmarkt nach Dithmarschen begeben hat. Das Bild dient an dieser Stelle dazu, auf den Verlust aller anzuspielen, die in die Schlacht mit den Dithmarschern gezogen sind und in Folge dessen alles verloren haben. Die Brüder Herzog Friedrich und König Hans beschließen den Figurenreigen an vorletzter und letzter Stelle (Str. 8f.). Die bevorstehende Niederlage vor Augen, werden beide allein durch ihre Reden als fassungslos und handlungsunfähig charakterisiert. Der Herzog wendet sich fragend (8,2), vorwurfsvoll (8,3) und warnend (8,4f.) an den König, während dieser nicht etwa adäquat auf die Worte seines Gegenübers reagiert, sondern stattdessen erwidert, dass er fest mit der Unterwerfung Dithmarschens gerechnet hatte (9,1–3). Im Anschluss an diese Worte wird der König schließlich von Seiten des Sängers für die vielen Gefallenen verantwortlich gemacht (9,4f.). Zugleich wird damit das Verlustmotiv aus dem Jahrmarktsbild (7,4f.) wieder aufgegriffen und diesmal auch in Bezug auf die Schlacht ausgedeutet: Was auf dem Jahrmarkt das Geld, das ist demnach im Krieg das Leben. An dieses Ende des Hauptteils schließt sich der letzte Abschnitt des Liedes (Str. 10) an, in dem sich die Sängerinstanz in oben ausgeführter Weise selbst charakterisiert und zuletzt für sich und das Publikum eine Bitte um göttlichen Beistand formuliert. Die Form, welche der Darstellung des historischen Vorfalls in Lied Nr.  5 zugrunde liegt, ist die bereits genannte Form des Figurenreigens.60 Auf der Klangebene wird die Reigenstruktur zudem akzentuiert durch die Kopplung der Personenreferenzen an auftaktlose Verszeilen. Die Funktion der Figurenrevue besteht wohl vordergründig darin, den eingangs proklamierten Ehrverlust des Adels in der Dithmarscher Schlacht (1,5) zu veranschaulichen: Hoft von dem Busche hält große Reden (Str. 6) an seine Männer, taucht dann aber im Kampfgeschehen gar nicht auf; Hans van Herpen (Str. 7) erhofft sich vor allem Gewinn aus dem Feldzug, verliert dann aber alles; Herzog Friedrich (Str. 8) begnügt sich mit Vorwürfen an seinen Bruder, statt im Angesicht der Niederlage zu handeln;

60 Ähnlich angelegt sind Lil. Nr.  101 (Lied mit Bezug auf den Lüneburger Prälatenkrieg) und Lil. Nr. 184 (Lied mit Bezug auf die Braunschweiger Fehde).

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König Hans (Str. 9) ist ob seiner anfänglichen Siegesgewissheit fassungslos; ihm wird obendrein die Schuld an den vielen Toten zugewiesen.

Kommentar zu den Strophenvarianten Die Lieder 4, 5 und 6 stimmen hinsichtlich bestimmter Motive der Ereignisdarstellung und ihrer Ausprägung überein. Die betreffenden Strophen werden, abgesehen von graphischen und lexikalischen Varianten, nachfolgend einem knappen Vergleich unterzogen: Das Motiv der Einnahme Meldorfs durch König Hans wurde in Nr. 5, Strophe 3, und Nr. 6, Strophe 2, mit Ausnahme des handelnden Subjektes beinah identisch realisiert. Denn während in Nr. 5 das Pronomen se die Personenbezüge de koͤning de garde aus der vorangehenden Strophe 2 wieder aufgreift, wird in Nr. 6 mit dem Pronomen He lediglich der zuvor genannte König referenziert. In Nr. 4 findet die Eroberung Meldorfs ebenfalls Berücksichtigung, dies jedoch in weit reduzierterer Form mit dem Vers Meldorp hadde he ghewunnen. (4,3). Allerdings ist die sprachliche Ausgestaltung des Motivs so knapp und unspezifisch, dass hier zwar die Rede von einer Motiv-, jedoch schwerlich von einer Strophenvariante sein kann. Auch hinsichtlich des Dialogs zwischen König und Herzog zeigen Lied 5 (Str. 8f.) und Lied 6 (Str. 10f.) die größere Ähnlichkeit: Hier wie dort wirft der Herzog dem König in direkter Figurenrede vor, für den unglücklichen Ausgang des Anschlags auf die Dithmarscher verantwortlich zu sein, woraufhin dieser in der folgenden Strophe mit Verweis auf die Schweden erwidert, sich der Unterlegenheit der Dithmarscher sicher gewesen zu sein. Doch die Anrede des Königs durch den Herzog in der ersten Dialogstrophe erfolgt in Nr. 6 höflich-formell mit Her koninck (10,2) sowie mit der 2. Plural hebbet gi (10,3), während sie in Nr. 5 eher informell gestaltet ist, d. h. ohne den Titel ‚Herr‘, dafür jedoch mit dem Personennamen Hans (8,2) sowie mit der 2. Singular heffstuͦ (8,3). Die Realisierung der zweiten Dialogstrophe variiert in der Weise, dass Nr. 5 die Rede des Königs direkt, Nr. 6 jedoch indirekt wiedergibt. In Lied Nr. 4 umfasst der Dialog lediglich eine Strophe, wobei der König sich zunächst verzweifelt an den Herzog wendet (14,1f.) und dieser sich daraufhin wie in den Stücken Nr. 5 und Nr. 6 vorwurfsvoll an sein Gegenüber richtet (14,3–5). Die sprachliche Realisierung dieses Vorwurfs im Rückgriff auf die Redewendung vom Bierbrauen legt diesmal nahe, dass ungeachtet der Unterschiede, welche die Motivausprägung in Nr.  4 zu den entsprechenden Textstellen in Nr. 5 und Nr. 6 aufweist, hier tatsächlich von einem textgeschichtlichen Zusammenhang zwischen allen drei Liedern ausgegangen werden kann. Hinsichtlich des informellen Anredemodus (heffstuͦ) korrespondiert Lied 4 im Übrigen mit Lied 5.

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Die Differenzen zwischen den diesmal in allen drei Liedern sehr ähnlich realisierten Signaturstrophen betreffen zunächst Vers 2: Während der Sänger in Lied 4 als Priester figuriert, heben die Attribute fyner in Lied 5 und gut in Lied 6 nicht auf dessen sozialen Stand ab, sondern auf die Hervorhebung seiner inneren oder äußeren Eigenschaften. Die jeweils in Vers  3 formulierte Bitte wiederum betrifft in Lied 5 die Hilfe Gottes aus der Not, in Lied 4 und 6 hingegen Gottes Geleit. Das Gebet in Vers 4 schließlich richtet sich in Nr. 4 und 5 an Gott, in Nr. 6 jedoch an Maria. Was für die Schlussstrophe beobachtet werden kann, lässt sich auch für die zuvor besprochenen Textstellen konstatieren – zumal wenn man auch die rein lexikalischen Varianten in Betracht zieht: Jeweils zwei Lieder stimmen danach in Bezug auf den Wortlaut einer Textstelle überein oder ähneln sich zumindest, während das dritte Lied eine andere Lesart bezeugt. Weder hat man es demnach mit einem vertikalen Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Liedern zu tun, noch prägen die drei Lieder hinsichtlich der besprochenen Textstellen jeweils drei verschiedene Varianten aus und können auf einen gemeinsamen Prätext zurückgeführt werden. Westphalen 1745, Sp. 1448 (Auszüge). Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 560 (nach Hs 4). Wolff 1830, S. 333. Liliencron II 1866, Nr. 215. Weiland 1867, S. 108f. (nach Hs 3). – Hansen 1899, S. 37 (Nr. 11), S. 39 (Abdruck Str. 10). Lammers ³1987, S. 23. Schanze 1992(a), Sp. 694 (Nr. 5.–7.).

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1 Textabd

Nr. 6: Wille gy hoͤren ein nyge gedicht 1 Wille gy hoͤren ein nyge gedicht, Al wo idt koninck Hans hefft uthgericht Tho dythmerschen in deme lande? He hadde sine banren dar up gericht, de leet he dar tho pande.

Wollt ihr ein neues Gedicht darüber hören, wie König Hans bezahlt hat im Land Dithmarschen? Er hatte seine Banner dort aufgestellt, die ließ er dort als Pfand zurück.

2 He hadde Meldorp ingenamen, dar in so schaffede he sinen vramen.

Er hatte Meldorf erobert und bestimmte dort alles zu seinem Nutzen und Vorteil. Das ist wohl bekannt. Alles, was er mitbrachte, das blieb dort zurück.

dat is wol apenbaer. Allent, wat he mede brochte, dat bleeff alle daer. 3 De garde was willich unde wolgemuͦth. Se hodden sick nicht der waterfloͤt, Dat se kamen scholde so drade. Do se in deme water stunden, Begerden se alle gnade. 4 De Dythmarschen weren alle wol gemuͦt,

Die Garde war entschlossen und in fröhlicher Stimmung. Sie nahmen sich nicht vor der Wasserflut in Acht, dass die so schnell kommen würde. Als sie im Wasser standen, flehten sie alle um Gnade.

Se wolden prijs vorwerven. Se repen Marien, gades moder, an, dat se se nicht lete vorderven.

Die Dithmarscher waren alle in fröhlicher Stimmung, nüchtern und barfuß schritten sie zum Kampf. Sie wollten Ruhm erlangen. Sie riefen Maria, Gottes Mutter, an, damit diese sie nicht zu Grunde gehen ließe.

5 Se spreken tho der garden: „wo sint gi her gekamen? wil gy wynnen unse vuͦl gude lant, Gij moten hijr laten ein pant. des wille wij hijr beginnen.“

Sie riefen der Garde zu: „Wie seid ihr hierhergekommen? Wenn ihr unser schönes Land erobern wollt, dann müsst ihr dafür ein Pfand hierlassen. Das wollen wir hier in Angriff nehmen.“

6 Se slogen der garde dat meiste part doet. Se quemen nuͦwerle in sulcke noet;

Den größten Teil der Garde schlugen sie tot. Sie waren nie zuvor in solch eine Notlage geraten; das wurde ihnen wohl bewusst. Hätten sie sich doch nur jenseits der Elbe befunden! Sie hätten sich gern dafür entschieden.

Se gingen tho strijde nuͦchteren unde barvot.

des worden se wol en waere. Hadden se aver de Elve gewest! Se hadden dar wol tho karen.

4,2 barvot] baruͦot. 6,1 Nach slogen] gestrichenes dat. 6,4 Elve] Eluͦe.

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7 De ditmarschen weren wolgemuͦt.

Die Dithmarscher waren in fröhlicher Stimmung. Sie hatten ihre Büchsen angelegt; sie hießen sie willkommen. Das haben die berittenen Kriegsleute aus Holstein und aus Mecklenburg gewiss vernommen.

Se hadden ere bussen wol bereit; Se heten se willekamen. dat hebben de Holsten havelude unde Mekelenborger wol vornamen. 8 Se brukeden ere buͦssen also wol,

Sie machten so guten Gebrauch von ihren Feuerwaffen, dass König Hans sich ein Versteck suchte. Sie nahmen sich nicht in Acht vor den Gräben. Er ließ alles zurück, wie er es vorgefunden hatte. Nach Holstein ritt er.

dat koninck Hans koes ein hol. Se hodden seck nicht vor de graven. He let staen, so he it vant. Na Holstenlant dede he draven. 9 De bannervorer bleeff darsulvest doet; Her Hans van Anevelde rakede ein bussen kloet Al tho den sulfften stunden. Heft he dat spil wol angehaven, dat hefft he wol bevuͦnden. 10 Hertich Frederick sprack also: „Her koninck, broder, wat duncket juw tho? dit beer hebbet gi gebruͦwen! Treden de stede nuͦ mit eme tho, dat wurde uns werlick ruͦwen.“

Der Bannerführer kam ebendort zu Tode; das Geschoss einer Feuerwaffe traf Herrn Hans von Ahlefeldt zur selben Zeit. Hat er das Spiel angefangen, dann hat er das gewiss erfahren. Herzog Friedrich sprach wie folgt: „Herr König, Bruder, was gedenkt ihr zu tun? Dieses Bier habt ihr gebraut! Wenn die Städte jetzt mit ihnen hinzutreten würden, dann würde uns das für lange Zeit leidtun.“

11 He mende, se scholden em in hant hebben gegaen, Alse de van Sweden hadden gedaen. dat wolde eme nicht weddervaren. dar heft so mannich stolter man Sin lijff umme vorlaren.

Er meinte, sie hätten sich ihm ergeben sollen,

12 Se wunnen eme aff sine kamerwagen. Mit den bussen konde he en nicht entjagen.

Sie nahmen ihm seine Kammerwagen ab. Mit den Büchsen konnte er sie nicht wieder von ihnen zurückgewinnen. Sie blieben dort alle an Ort und Stelle. Sein Silber und sein bares Geld, das blieb alles dort.

Se bleven dar alle thor stede. Sin sulver unde sin rede gelt, dat bleeff dar alle mede.

8,3 graven] grauͦen. 8,5 draven] 11,3 weddervaren] wedderuͦaren.

so wie die aus Schweden es getan hatten. Das sollte ihm nicht passieren. Darum haben viele stolze Männer ihr Leben verloren.

drauͦen. 9,4 angehaven]

angehauͦen. 10,2 juw]

jw. 

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13 Hertich Frederick de eddele Furste guͦt, Sin kamerwagen bleeff dar ock; dat heft he wol vornamen. Sin sulversmide unde sin rode golt, dat is eme al entkamen.

Herzog Friedrich, der edle gute Fürst, sein Kammerwagen blieb auch dort; das hat er gewiss vernommen. Sein Silbergeschmiedetes und sein rotes Gold, das ist ihm alles abhandengekommen.

14 Se vunden dar vitallie genoech. Se eten unde druncken er gevoch Tho Meldorpe in der stede. Mathies Muͦlingk brochte em gudes genoch,

Sie fanden dort reichlich Proviant. Sie aßen und tranken nach ihrem Bedarf in der Stadt Meldorf. Matthias Mulich brachte ihnen ausreichende Güter, die nahmen sie dahin mit.

dat nemen se dar mede. 15 De ditmerschen vorworven prijs unde danck Van steden unde aver alle lant. dar van so wille wij singen. Maria sta em truͦwelick bij Mit orem leven kinde.

Die Dithmarscher erwarben sich Ruhm und Dank in den Städten und im ganzen Land. Davon wollen wir singen. Maria stehe ihnen in Treue bei mit ihrem lieben Kind.

16 Koninck Hans, de Eddele Forstlicke man, dit spil hefft he gehaven an Tho dessem nyen jare. He heft dat nicht gegeven an. wol meer mach es em weddervaren.

König Hans, der edle fürstliche Mann, der hat in diesem neuen Jahr zur Schlacht angestiftet. Er hat es noch nicht aufgegeben. Es kann ihm durchaus noch ein weiteres Mal widerfahren.

17 Dit leet is rede unde vuͦllenbracht, dat hefft ein gut geselle bedacht. den mote god geleiden. Maria sta uns alle bij, wan wij van hijr moten scheiden.

Das Lied ist zu Ende und vollbracht, das hat ein guter Geselle bedacht. Den möge Gott geleiten. Maria stehe uns allen bei, wenn wir von hier scheiden müssen.

Finis.

Ende.

14,2 gevoch] geuͦoch. 14,4 Mathies Muͦlingk] 16,5 weddervaren] wedderuͦaren. 17,3 den] deme.

unterstrichen. 16,2 gehaven]

gehauͦen. 

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 3, Bl. 35r–36r (S. 69–71).

Das Lied Nr. 6 ist unikal überliefert. Wie die Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 und die Lieder Nr. 4 und Nr. 5 gehört es zu den Stücken, die der in Lunden lebende Dithmarscher Johann Russe im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts zur Geschichte Dithmarschens nach und nach gesammelt und aufgezeichnet hat (Hs 3). Zusammen mit den genannten Ereignisdichtungen wurde es in den Faszikel, der die Lagen 3 bis 8 dieser Handschrift umfasst, eingetragen. Während die Aufzeichnungen jener vom Schreiber datiert wurden auf die Jahre 1533 (Nr. 1, Nr. 2), 1536 (Nr. 4) und 1537 (Nr. 5), blieb der Eintrag von Lied Nr. 6 hingegen undatiert. Da dieser zudem weder hinsichtlich des Schriftbefundes (Tintenfarbe, Strichstärke, Federführung und Schriftgröße) noch mit Blick auf das Seitenlayout in Gänze mit den Notationen der anderen Ereignisdichtungen übereinstimmt, kann ausgeschlossen werden, dass das Lied Nr. 6 in einem Zuge mit diesen erfasst worden wäre. Der nachweisliche bzw. mutmaßliche Aufzeichnungszeitpunkt der Textumgebung deutet allerdings darauf hin, dass auch Nr. 6 in den 30er Jahren des 16.  Jahrhunderts in die Handschrift aufgenommen wurde. Die im Jahr 1553 in Lunden angefertigte Abschrift (Hs  4) der Kollektaneen Russes enthält das Lied Nr. 6 nicht. Hieraus auf ein Aufzeichnungsdatum nach 1553 zu schließen, erweist sich jedoch als unsicher, erst recht vor dem Hintergrund, dass auch die Reimpaardichtung Nr. 2, deren Niederschrift durch Russe auf das Jahr 1533 datiert wurde, nicht in dem genannten Manuskript bezeugt ist. Das Aufzeichnungsniveau von Lied Nr.  6 ist insgesamt höher als das der Liedeinträge Nr. 4 und Nr. 5. Dies äußert sich vor allem im elaborierteren Nachvollzug metrisch-musikalischer Einheiten im Schriftbild, der in Lied 4 und 5 nicht gegeben ist: Die Strophen wurden durchgezählt und die Zeilenumbrüche fallen konsequent mit den Versenden zusammen. Zudem wurde das aus Vers 3 und 5 bestehende Reimpaar jeweils durch Einzug hervorgehoben. Der textgeschichtliche Zusammenhang mit den Liedern Nr. 4 und Nr. 5 geht über die Tradierung in derselben Handschrift hinaus. Auch auf der Textebene zeigen sich nämlich auffällige Gemeinsamkeiten (vgl. Nr. 5: Kommentar zu den Strophenvarianten). Diese betreffen die Ausgestaltung der Motive ‚Einnahme Meldorfs durch König Hans‘ (Str.  2) und ‚Dialog zwischen König und Herzog‘ (Str.  10f.) sowie der Signaturstrophe am Ende (Str.  17). Wie bei Nr.  4 und Nr.  5 deuten die Abweichungen vom Strophenbauplan der Lindenschmidtstrophe auch in Nr. 6 auf die Bearbeitung des Textes im Zuge seiner schriftlichen Rezeption hin (vgl. Kommentar zu Metrik).

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Sprachstand Der Sprachstand ist mittelniederdeutsch mit vornehmlich nordniederdeutscher Merkmalsausprägung: – Graphie für tonlanges o (Peters 1987, 1.2.2.): ingenamen (2,1), vramen (2,2), apenbaer (2,3), kamen (3,3), gades (4,4), gekamen (5,2), aver (6,4; 15,2), karen (6,5), willekamen (7,3), havelude (7,4), vornamen (7,5; 13,3), vorlaren (11,5), entkamen (13,5), – Realisierung des Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Dativ Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4.): juw (10,2), uns (10,5; 17,4). Eine eindeutigere Verortung in das Nordniedersächsische erlaubt die Kennform em (10,4; 14,4; 15,4) für die 3. Plural Dativ (Peters 1988, 4.5.1.14.; zu dieser Form vgl. auch Sprachkommentar zu Nr. 4). Interessant ist darüber hinaus die Varianz in der Ausprägung des verbalen Einheitsplurals im Präsens Indikativ. Denn neben den Formen moten (5,4; 17,5) und hebben (7,4) findet sich auch die Variante hebbet (10,3). Ihr Auftreten ist damit zu erklären, dass Dithmarschen zum niederdeutschen Altland zählt, wo im Gegensatz zum Neuland östlich der Elbe die Pluralformen mit dem Flexiv -et endeten. Im 15. Jahrhundert breitete sich von Osten her die Bildung des Plurals mit der Endung -en auch in den Gebieten westlich der Elbe aus, ohne dort die et-Formen jedoch gänzlich zu verdrängen. Diese haben sich in den Dialekten des Altlandes bis in die Gegenwart erhalten (Peters 2000, S. 1478, 1484). Vor dem Hintergrund dieser mit Rücksicht auf Schreiber und Aufzeichnungsort erwartbaren Varianten fällt die ostfälische Form orem ‚ihrem‘ (15,5) besonders auf (vgl. hierzu den Sprachkommentar zu Nr. 4). Um eine frühneuhochdeutsch beeinflusste Form handelt es sich bei wurde (10,5; vgl. Reichmann / Wegera § M 127).

Stellenkommentar 1,2 uthgericht: utrichten, neben ‚ausrichten‘, ‚ausstatten‘ usw. auch mit der Bedeutung ‚bezahlen‘, ‚entrichten‘ (vgl. Schiller / Lübben V, S. 167), die in der Übersetzung angesetzt wird. Sie stützt sich auf die Aussagen in Str. 1, V. 5, Str. 2, V. 4f., Str. 5, V. 4, und Str. 12–14, die sämtlich die materiellen Verluste des königlichen Heeres in Dithmarschen thematisieren. 3,2–4 Die Schlacht fand in der tief gelegenen Marsch statt, die von den Dithmarschern geflutet worden sein soll (vgl. Lammers ³1987, S. 123). Zu den Geländeverhältnissen in Dithmarschen siehe auch die Stellenkommentare zu Nr. 1, V. 163f., und Nr. 3, V. 56.

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4,2–5 stellt die Frömmigkeit und Demut der Dithmarscher heraus; vgl.  hierzu auch die Reimpaarreden Nr. 1, 2 und 3 sowie die Lieder Nr. 4, 5 und 11. 6,2 Se: Pronomen, das den partitiven Genitiv garde (6,1) semantisch kongruent wiederaufnimmt. Dass das Pronomen sich wie Se in 6,1 und 5,1 auf das Subjekt De Dythmarschen in 4,1 bezieht, kann aufgrund der Aussage in 6,4–5 ausgeschlossen werden. 7,2 bussen: ‚Büchsen‘, Feuerwaffen. Vgl. Kommentar zu Nr. 1, V. 205. 7,4 havelude: ‚berittene Kriegsleute‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 368); Plural zu hoveman ‚Reiter, reitender Kriegsmann‘, auch ‚ritterlicher Ministeriale, adliger Gutsbesitzer‘ (ebd.). Beide Bedeutungen weisen auf Kriegsleute, die dem niederen Adel entstammen. Dies indiziert auch die Bedeutung von Grund- und Bestimmungswort des Kompositums: man ‚Lehnsmann‘ (ebd., Sp. 894f.); hof ‚Adelshof, Adelssitz‘ (ebd., Sp. 326f.). 8,1 Se: bezogen auf De ditmarschen in 7,1. buͦssen: vgl. Kommentar zu 7,2. 8,3 Se: nimmt das Subjekt Se aus 8,1 wieder auf, das sich auf De ditmarschen in 7,1 bezieht. Die Dithmarscher müssen nicht auf die Gräben achtgeben, weil sie sich im Gelände gut auskennen (vgl. Nr. 1, 179f.). 9,2 bussen: vgl. Kommentar zu 7,2. 9,3 bezieht sich auf Strophe 8, d. h. auf den Zeitpunkt der Flucht von König Hans (8,4f.). 9,4f. Konditionalsatzgefüge mit uneingeleitetem Bedingungssatz. Die Aussage ist unklar: „Wenn er die Schlacht angestiftet hat, dann ist ihm die Tragweite dessen jetzt bewusst geworden (d. h. in dem Moment, als ihn das Geschoss der Dithmarscher dafür trifft).“ (?) spil: hier bezogen auf den Kampf respektive die Schlacht zwischen den Dithmarschern und ihren Gegnern in der Bedeutung ‚Unternehmen mit ungewissem Ausgang, Wagnis, Risiko, kriegerisches Unternehmen‘ (Mnd. Hwb. III/1, Sp. 363). angehaven: Inf. anhēven ‚anfangen, anstiften‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 91). bevuͦnden: vgl. bevinden ‚wahrnehmen, herausfinden, erfahren‘ (ebd., Sp. 171). Die Wendung dat spil anhēven findet sich – diesmal in Bezug auf den König – auch in 16,2. 10,3 Sprichwort ‚Dafür bist Du verantwortlich.‘ Vgl. „Er hat sich das Bier selbst gebraut.“ (Wander 1867 I, Sp.  377); holländisch: „Dat biertje hebt gij zelf gebrouwd, en moet het ook uitdrinken.“ (ebd.). Vgl. Nr. 4, Str. 14,3; Nr. 5, Str. 8,3. 10,4 Treden: Konjunktiv Präteritum des starken Verbums treden (vgl. Lasch 21974, § 429). eme: 3. Dativ Plural von se ‚ihnen‘. Gemeint sind die Dithmarscher. Vgl. 14,4 und 15,4. de stede: vermutlich die Hansestädte Lübeck, Hamburg und Lüneburg. Ein militärisches Schutzabkommen zwischen Dithmarschen und Lübeck bestand seit 1468 (Dollinger 62012, S. 124); es wurde 1493 erneuert. Im selben Jahr schlossen sich Lüneburg und Hamburg diesem Bündnis an (Lammers ³1987, S. 45, Anm. 13, vgl. auch S. 121). Vgl. Nr. 5, Str. 8,4.

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10,5 wurde: 3. Singular Präteritum Konjunktiv von werden, nach der Senkung von u zu o vor r + Konsonant im Frühmnd. (Peters 1987, 1.1.5.1.) eigentlich wörde (vgl. Lasch 21974, § 427). Die Form mit u ist hd. beeinflusst (vgl. Sprachstand). 11,1 in hant gân ‚sich ergeben‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 221), idiomatischer Ausdruck mit Ursprung im sogenannten Handgang, einem symbolischen Akt im Kontext des mittelalterlichen Lehnswesens (vgl.  Nr.  1, Kommentar zu V.  66). Vgl. auch Nr. 5, Str. 9,1, und Nr. 8, Str. 19,2. 12,1 kamerwagen: Wagen, in denen auf Reisen Wertgegenstände, Geld, Ausrüstung etc. mitgeführt wurden (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 510). 12,2 Das Akkusativobjekt (die Kammerwagen) fehlt; in der Übersetzung ergänzt. bussen: vgl. Kommentar zu 7,2. 12,3 Se: die Kammerwagen (12,1). 14,4 em: vgl. Kommentar zu 10,4. 15,4 em: vgl. Kommentar zu 10,4. 16,2 Vgl. Kommentar zu 9,4. 16,5 es: Pronomen, zu beziehen auf die Niederlage des Königs; hd. Form.

Literarischer Kommentar Metrik Lied Nr.  6 umfasst 17 Strophen, die mehrheitlich dem Muster der Lindenschmidtstrophe entsprechen:61 Diese zählt fünf auftaktige Verse, von denen die vierhebigen und stumpf kadenzierenden Verse 1 und 2 sowie die dreihebigen und klingend kadenzierenden Verse 3 und 5 durch Endreim miteinander verbunden sind. Bei Vers  4 handelt es sich um eine vierhebige männliche Waise. Nur vereinzelt (Str. 1, 10, 11, 14, 16) reimt dieser Vers in Lied 6 am Ende auf Vers 1 und 2. Von dem beschriebenen Muster weichen einige Verse des Liedes hinsichtlich der Hebungszahl ab: 1,2; 4,1; 5,1; 5,2; 5,3; 7,5; 9,1; 9,2; 11,1; 12,2; 13,1; 14,4; 16,1; 16,5. Die überzähligen Hebungen deuten auf die Interpolation des Textes hin. Mit Rücksicht auf die dadurch beeinträchtigte Sangbarkeit des Liedes muss der Eingriff in den Wortlaut auf den Verschriftungsprozess zurückgeführt werden. Dies gilt vor allem für die Verse 9,2 und 11,1 mit jeweils sechs anstelle der musteradäquaten vier Hebungen. In Vers 9,2 wird anstelle der erwartbaren anaphorischen Referenz auf De Bannervorer (9,1) mit einem Pronomen (z. B. den ‚den‘) der Per-

61 Frank 21993, 5.6.

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sonenbezug mit dem Namen Her Hans van Anevelde wiederholt. Als Ursache für diesen Eingriff kommt das schreiberseitige Bedürfnis nach Konkretisierung des Personenbezugs durch namentliche Identifizierung des Bannerführers in Frage. Eine andere Form der Interpolation liegt bei Vers 11,1 vor, wo die Textbearbeitung mit der Markierung des Sprecherwechsels erklärt werden kann (vgl. hierzu Kommentar zur Metrik bei Nr. 5). Neben überzähligen Hebungen können auftaktlose Verseingänge beobachtet werden; sie sind gekoppelt an spezifische sprachliche Ausdrücke. Dies sind finite Verbformen (1,1: Wílle; 5,3: wíl; 6,4: Hádden; 10,4: Tréden), Pronomen (2,4: Állent; 2,5: dát; 8,4: Hé) sowie Namen und Namensbestandteile (10,1: Hértich; 13,1: Hértich; 14,4: Máthies; 16,1: Kóninck). Hinzu kommt der fehlende Auftakt bei der temporalen Subjunktion Dó (3,4). Gemessen an der Abweichungsdichte ist Strophe 5 am weitesten vom Bauplan der Lindenschmidtstrophe entfernt. Dies betrifft zum einen die Verslängen und zum anderen die Endreimverhältnisse. So beginnt die Strophe statt mit einem vierhebigen mit einem dreihebigen Verspaar; zudem weist Vers 3 vier statt drei Hebungen auf und beginnt auftaktlos. Die Verse 1 und 2 sind nur mehr durch einen unreinen Reim miteinander verbunden (garden – gekamen); im Fall der Verse 3 und 5 kann demgegenüber gar nicht mehr von einem Reim die Rede sein (lant – beginnen). Alles in allem fällt die Strophe deshalb aus der Reihe der übrigen Strophen heraus. Tatsächlich nähme die Logik der Darstellung keinen Schaden, ließe man den bewussten Versverbund unberücksichtigt. Beide Befunde machen es wahrscheinlich, dass mit Strophe 5 eine nachträglich eingefügte Strophe und damit eine weitere Interpolation vorliegt. Da der Gesang auf die gleiche Melodie wie die übrigen Strophen aufgrund der dargelegten Differenzen vom Muster der Lindenschmidtstrophe vermutlich nicht oder nur bedingt möglich war, muss es sich bei dieser nachträglichen Textveränderung ebenso wie bei den oben genannten Interpolationen in 9,2 und 11,1 um ein Ergebnis der schriftlichen Rezeption von Lied Nr. 6 handeln. Ein möglicher Grund für die Amplifizierung des Liedes mit Strophe 5 wird greifbar, wenn man sich die Funktion der Strophe im Handlungsverlauf vergegenwärtigt. Mit ihr wird die Reizrede der Dithmarscher gegenüber der großen Garde wiedergegeben. Die Strophe verstärkt demnach die mutige und schlagkräftige Konturierung der Dithmarscher im Liedganzen und damit zugleich auch die politische Tendenz des Liedes.

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Äußerungsinstanz In Lied Nr. 6 äußert sich eine Sängerinstanz. Auf die Aufführungsart des Singens deuten die Beschreibung der Äußerungshandlung mit dem Verb singen (15,3) und die Bezugnahme auf den eigenen Diskurs mit dem Begriff leet (17,1) hin. Der Liedvortrag wird in Gegenwart eines Auditoriums vollzogen. Dieser Umstand lässt sich der Frage Wille gy hoͤren ein nyge gedicht am Liedeingang (1,1) entnehmen, mit der die Sängerinstanz ihr Publikum in der 2. Plural adressiert und auf den Rezeptionsakt des Hörens verweist. Die bewusste Adressierung vermittelt den Eindruck der Trennung von Aufführungs- und Rezeptionspersonal im Lied. Aus diesem Grund kann das ‚wir‘ in der Aussage dar van so wille wij singen (15,3) als Hinweis darauf aufgefasst werden, dass es sich bei der Sängerinstanz genauer um ein Gesangskollektiv handelt. Allerdings ist eine zweite Lesart in Betracht zu ziehen, wonach es sich bei dem besagten ‚wir‘ nicht um eine exkludierende, d. h. die textinterne Publikumsinstanz ausschließende Selbstreferenz handelt, sondern um eine inkludierende. Im Anschluss an diese Lesart kann hinter der Äußerungsinstanz auch die Person eines einzelnen Sängers vermutet werden, die in Vers 15,3 sowie auch in dem Mariengebet am Ende des Liedes (17,4f.) unter Einschluss des Auditoriums mit der 1. Person Plural auf sich selbst referiert. Diese Deutung wird gestützt durch die 3. Singular am Ende des Liedes (17,2f.), die dann als Selbstreferenz des Sängers verstanden werden muss. Folgt man jedoch der Lesart von einer Sängergemeinschaft, müsste die besagte Textstelle in der Weise interpretiert werden, dass das Kollektiv hier für denjenigen bittet, aus dessen Feder das Lied stammt. Abgesehen davon ist der Ausdruck gut geselle (17,2) herauszustreichen, mit dem auf die herstellende bzw. singende Instanz referiert wird. Der Begriff geselle impliziert oder unterstellt eine vertraute Beziehung und Gleichgesinntheit zwischen Textproduzent und -rezipient und dient in Verbindung mit dem Attribut gut darüber hinaus der Sympathieheische beim Publikum. Dies betrifft die textintern simulierte Aufführungssituation ebenso wie eine denkbare reale Performanz des Liedes. Der politisch-militärische Konflikt kann aufgrund der konsequenten Bezugnahme darauf unter Verwendung des Präteritums sicher in die Vergangenheit des Äußerungsereignisses situiert werden. Es finden sich ferner sprachliche Hinweise, die den Eindruck vermitteln, dass der Gesangsvortrag nur kurz nach dem Schlachtereignis stattfindet. Hierzu zählen das Neuigkeitssignal nyge gedicht (1,1) sowie auch die deiktische Referenz auf das Jahr des politischen Konflikts mit dem Demonstrativpronomen dessem (16,3). Für die lokale Situierung der Äußerung gibt die erste Strophe deutliche Anhaltspunkte, denn hier wird zweifach mit dem deiktischen Lokaladverb dar ‚dort‘ (1,4f.) auf das Land Dithmarschen als einen Ort, der nicht identisch mit dem Aufführungsort ist, verwiesen. Die konsequente

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Referenzierung der Dithmarscher in der 3. Person unterstreicht diesen Befund. Denn sie kann als Indiz dafür gedeutet werden, dass die Sängerinstanz nicht zu den Dithmarschern zu zählen ist und sich folglich auch nicht in Dithmarschen befindet. Dessen ungeachtet finden sich deutliche Anzeichen, die für eine Parteinahme der Sängergemeinschaft für die Dithmarscher sprechen. Neben einer grundsätzlich positiven Attribuierung der Dithmarscher als zuversichtlich (4,1; 7,1), gottesfürchtig (Str.  4), entschlossen und tapfer im Angesicht des Gegners (Str. 5), geübt im Kriegshandwerk (8,1) und nicht zuletzt siegreich in der Schlacht (6,1; 12,1) sprechen die Aussagen in Strophe 15 in signifikanter Weise von der Sympathie mit ihnen: Zum einen werden die Dithmarscher hier von der Sängerinstanz gerühmt, indem die Feststellung, sie hätten landauf, landab Ruhm erworben und Dank erhalten (15,1f.), zum Anlass genommen werden soll, diese Tatsache zu besingen (15,3) und sich damit an die allerorten zu beobachtende Verehrung der Dithmarscher anzuschließen. Zum anderen wird die Ehrerweisung gegenüber den Siegern hier ergänzt um ein Gebet an Maria, die den Dithmarschern beistehen soll (15,1f.). Für die Parteinahme mit den Dithmarschern spricht ex negativo nicht zuletzt auch die eher abschätzige Zeichnung des Königs, der u. a. als Flüchtiger (8,2; 8,4f.) sowie auch als Verursacher des politischen Konflikts (16,2) und als Verantwortlicher für den Tod vieler Männer (11,4f.) vorgestellt wird. Die Aussage He heft dat nicht gegeven an. / wol meer mach es em weddervaren. (16,4f.) kann schließlich als eine indirekt an den König adressierte Mahnung begriffen werden. Die Strophen 15 und 16 vermitteln die zentralen Äußerungsintentionen des Liedes – die Mahnung gegenüber dem König auf der einen Seite und dann vor allem die lobende Anerkennung des Siegers auf der anderen. Die auffällige Fokussierung der Dithmarscher seitens der Äußerungsinstanz und ihre damit einhergehende Dominanz als Akteure in der Schlacht (Str.  4–8, Str.  12, Str.  14) haben hierin ihre Ursache. Inhalt und Aufbau Das Lied Nr. 6 setzt ein mit einer Einleitungssequenz im Umfang der Strophen 1 und 2, an welche sich die ereignisdarstellenden Strophen 3 bis 14 sowie die kommentierenden Strophen 15 und 16 anschließen. Den Schluss bildet eine Signaturstrophe mit einem Mariengebet. Die Einleitung beginnt mit einer Ankündigung, die das Publikum adressiert und auf die folgende Darbietung mit dem Ausdruck nyge gedicht referiert (1,1). Damit wird das Lied textintern als Vortrag innerhalb einer Aufführungssituation konturiert und der Liedgegenstand als aktuell ausgewiesen; zugleich dient die

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Neuigkeitsformel der Aufmerksamkeitsheische. Die Einleitung gibt ferner den Gegenstand des Liedes bekannt: Es soll um die Verluste eines Königs namens Hans im Land Dithmarschen gehen (1,2f.). Im Anschluss daran wird dies konkretisiert, indem in Vorwegnahme der Niederlage die anfänglichen Erfolge – das Aufrichten des Banners (1,4), die Einnahme Meldorfs (2,1–3) – den Verlusten des Königs gegenübergestellt werden (1,5; 2,4f.). Der umfangreichste Teil des Liedes mit der Darstellung der Schlacht kann in vier kleinere Abschnitte untergliedert werden. Der erste umfasst die Strophen 3 bis 5 und schildert die Situation unmittelbar vor Beginn der Kampfhandlungen. Er beginnt mit einem Blick auf die noch tatendurstige und zuversichtliche (willich unde wolgemuͦth) Garde (3,1), die angesichts der Flut allerdings bald um Gnade fleht (3,4f.). Ein Blick auf die Dithmarscher schließt sich an: Auch diese sind zuversichtlich (4,1); demutsvoll und Maria um Hilfe bittend (4,4f.) schreiten sie in dem Wunsch, Ruhm zu erlangen (4,3), in den Kampf. Am Ende dieses Handlungsabschnitts steht die Begegnung beider Heere auf dem Schlachtfeld, die im Text akzentuiert wird durch die an die Garde adressierte Reizrede der Dithmarscher (Str. 5). Die unvermittelte Wiedergabe als direkte Figurenrede zögert den Fortgang der Handlung mit dem Beginn des Kampfgeschehens überdies hinaus. Umso drastischer und rasanter wirkt deshalb die folgende Episode (Str. 6–9): Zuerst töten die Dithmarscher die Garde (6,1) und machen damit ihre eben ausgesprochene Drohung Gij moten hijr laten ein pant. / des wille wij hijr beginnen (5,5) sofort wahr. In ihrem Kampfeswillen und ihrer Tapferkeit ungebremst (7,1) setzen sie ihre Angriffe dann nacheinander gegen die Reiterei aus Holstein und Mecklenburg (7,4f.), König Hans (8,1f.) und Hans von Ahlefeld (9,1f.) erfolgreich fort. Mit dem Tod des letzten, dem Träger des königlichen Banners, endet die Gefechtsdarstellung. Der nächste Abschnitt, der die Strophen 10 und 11 umfasst, rückt die Brüder Herzog Friedrich und König Hans in den Fokus. Den missglückten Ausgang der militärischen Unternehmung bereits vor Augen, fragt der Herzog den König, was weiter zu tun sei, und warnt vor den negativen Folgen, sollten die Hansestädte den Dithmarschern zu Hilfe eilen. Anders als die Rede des Herzogs, wird die Antwort des Königs im Folgenden indirekt wiedergegeben: Dieser weiß keinen Rat, sondern erinnert stattdessen an den erfolgreichen Feldzug in Schweden, der ihn auch nach Dithmarschen siegessicher ziehen lassen hatte. In Strophe 8 war bereits von der Flucht des Königs nach Holstein die Rede. Das bewusste Gespräch findet handlungslogisch demzufolge auf der Flucht der beiden Fürsten statt. Der vierte und letzte Abschnitt, der sich mit der Darstellung des Schlachtereignisses in Dithmarschen beschäftigt, bietet eine Beuteschau der Dithmarscher nach Abschluss des eigentlichen Kampfgeschehens. Unter den erbeuteten Gütern befinden sich der Kammerwagen des Königs samt Silberzeug und Bargeld

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(12,1; 12,4), der Kammerwagen des Herzogs mit dessen Silber und Gold (13,2; 13,4) sowie die Vorräte an Speisen und Getränken in der Stadt Meldorf (14,1–3). Der eingangs vorweggenommene Verlust des Königs (1,3; 2,4f.), wird hier – am Ende der Handlung – wiederaufgenommen und präzisiert. Danach, in den Strophen 15 und 16, wechselt die Äußerungsinstanz von einem narrativen zu einem kommentierenden Zugriff auf das Ereignis. Während zunächst die Dithmarscher im Mittelpunkt stehen, deren Sieg mit dem Lied geehrt werden soll, wendet sich die Sängerinstanz danach kontrastiv dem König zu, dem die Rolle des Ereignisurhebers zugeschrieben wird. Darauf folgt die oben bereits erläuterte Schlussstrophe (vgl. Kommentar zur Äußerungsinstanz). Der Äußerungsstil von Lied Nr. 6 zeichnet sich vor allen Dingen durch zwei Mittel aus, und zwar durch die Fokussierung der Dithmarscher als Akteure in der Schlacht und durch den häufigen Einsatz von Wiederholungsfiguren. Beide Phänomene greifen ineinander: Die Dithmarscher werden sehr häufig in der Darstellung der Schlacht referenziert. Dabei stehen die sprachlichen Ausdrücke, mit denen die Referenz auf sie hergestellt wird, beinah jedesmal in Subjektposition aktivischer Aussagesätze (Str.  4–8, 12, 14, 15). Damit nicht genug, überwiegen in diesen Sätzen solche Verben, die eine körperliche Tat (4,2: Se gingen; 4,4: Se repen; 5,1: Se spreken; 6,1: Se slogen; 14,2: Se eten) oder einen Erfolg (12,1: Se wunnen eme aff; 14,1: Se vunden) beschreiben. Die Dithmarscher figurieren auf die genannte Weise als diejenigen Protagonisten der Handlung, die die Schlacht entscheidend dominieren und in ihrem Sinne vorantreiben. Unter den Ausdrücken, mit denen auf sie Bezug genommen wird, überwiegt das Personalpronomen der 3. Plural im Nominativ, se. In der Funktion des Subjektes steht es fast immer an der Spitze des Satzes und infolge dessen am Versbeginn. So erzeugt die wiederholte Referenzierung der Dithmarscher mit dem bewussten Ausdruck auf der Lautseite des Liedes die Repetitionsfigur der Anapher. Die auffallende Konzentration auf die Dithmarscher in der Darstellung der Schlacht hallt in dieser Gestalt im Klangbild wider. Obendrein fungiert der wiederholte Gebrauch des Personalpronomens se am Satz- und Versbeginn als Syntagma der Handlungsmotive, die mit den betreffenden Sätzen vermittelt werden. Konjunktionen oder Adverbien leisten dies im Zusammenhang mit der Darstellung des Kampfgeschehens hingegen kaum (vgl. Do in 3,4). In die Reihe der Wiederholungsfiguren in Lied Nr.  6, die wie die Anapher se die Tatkraft sowie auch den Erfolg der Dithmarscher akzentuieren, gehört schließlich auch die Wiederaufnahme der Formulierung De Dythmarschen weren alle wol gemuͦt (4,1 und 7,1). Diese teilt die Kampfhandlungen der Dithmarscher in zwei Etappen, die im Umfang von jeweils drei Strophen geschildert werden: In der ersten Etappe (Str.  4–6) leitet die besagte Wendung das Gefecht mit der Garde ein, in der zweiten Etappe (Str. 7–9) markiert sie den Beginn des siegrei-

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chen Manövers gegen die adlige Reiterei, den König und den Bannerträger, wofür die Dithmarscher nun zu den Gewehren greifen. Neben dieser handlungsstrukturierenden Funktion unterstreicht der erneute Hinweis auf die Zuversicht der Dithmarscher am Beginn der zweiten Etappe ihre ungebrochene Entschlossenheit und Tapferkeit. In leicht varianter Ausprägung wurde die hier in Rede stehende Formulierung zuvor auch zur Beschreibung der Garde verwendet: De garde was willich unde wolgemuͦth (3,1). Anders als in Bezug auf die Dithmarscher kommt es in Bezug auf die Garde allerdings nicht zu ihrer Wiederholung, was wesentlich mit ihrer zügigen Niederlage zu tun hat. Wie zum Hohn auf die Söldner wird die Formulierung stattdessen in den Dienst der Attribuierung der Dithmarscher gestellt. Weiland 1867, S. 111–113 (nach Hs 3). – Hansen 1899, S. 39 (Nr. 17), S. 40 (Abdruck Str. 17). Lammers ³1987, S. 23. Schanze 1992(a), Sp. 694 (Nr. 5.–7.).

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Nr. 7: Wylle gi wetenn, wath dar geschach 1 2 3 4 6 7 8 9

11 12 13 14 16 17 18 19 21 22 23 24 26 27 28 29 31 32 33

Wylle gi wetenn, wath dar geschach Des mandages for suͦnte peters dach, De dar kuͦmpt kort for suͦnte matyes? Nuͦ moge gi horenn wath nyess. 5 Do schreff menn 1 duͦsennt 500, Des syck mannich man vorwuͦndert, Wo Johann konynck tho dennemarckenn Boguͦnde syck gantz sere tho starckenn Mydt synen Forstenn unde heren, 10 De dar do mydt ehme werenn. Ock qwemen ehme de gardenn. De het de koninck Behardenn Mydt gollde unde ock mydt gellde. De Rechtenn, snodenn hellde 15 De honedenn noch klostere noch kerckenn, Noch wedewen offt wesenn, moge gi merckenn! Se togenn dar inn eynn landt, Dat Detmerschenn ys genandt. Do se dar inne qwemenn, 20 Ungelucke se dar vornemenn. Se menden, se wolden dath wynnen, Se fuͦndenn huͦde dar Bynnenn. De wolldenn se vorhatenn; dath mostenn se werlyck latenn. 25 Ere Buͦssenn de wolldenn se proppenn; Dath schloch eme van den klappenn. Se qwemenn an suͦlcke nodt; Se worden alle schlagenn Dodt, Dat dar nycht velle qwemen fon dannen. 30 Woll Bauenn 20 duͦsent mannenn De wordenn alle dar nedder schlagen. Ock nemen se den konynck 2 kamer wagen.

De werenn mydt klenode, sülver undt golde laden. 34 Dath dede dem koninck groten schadenn. 35 Ock wuͦnnen se melldorpe wedder

Wollt ihr wissen, was dort geschah am Montag vor St. Petri, der St. Matthie unmittelbar vorangeht? Jetzt könnt ihr was Neues hören. Man schrieb das Jahr 1500, als viele darüber erstaunt waren, wie König Johann von Dänemark anfing mächtig aufzurüsten zusammen mit seinen Fürsten und Edelleuten, die dort bei ihm waren. Auch die Garde kam zu ihm. Die ließ der König mit Gold und Geld anwerben. Die rechtschaffenen, verachteten Helden schädigten weder Klöster noch Kirchen, weder Witwen noch Waisen, das merkt euch! Sie zogen in ein Land, das man Dithmarschen nennt. Als sie dort ankamen, erkannten sie das Unglück. Sie meinten, sie würden es gewinnen, sie fanden aber Bewachung darin. Die wollten sie zugrunde richten; das mussten sie wahrlich geschehen lassen. Sie wollten ihre Geschütze laden; das haute sie aus ihren Pantoffeln. Sie gerieten in solche Not; sie wurden allesamt erschlagen, so dass nicht viele von ihnen davonkamen. Wohl über 20000 Männer wurden dort erschlagen. Sie nahmen dem König auch zwei Kammerwagen ab. Die waren mit Kostbarkeiten, Silber und mit Gold beladen. Das verursachte dem König großen Schaden. Außerdem gewannen sie Meldorf wieder zurück

1 Wylle] das W als drei Zeilen hohe, ausgerückte Majuskel in Fraktur. 5 1 duͦsennt 500] 1 duͦsennt 500 vnd 15. Der Zusatz vnd 15 ist nach Ausweis des Schriftbefundes kein Nachtrag; schon die Vorlage, aus der der Text abgeschrieben wurde, muss demnach fehlerhaft gewesen sein. 

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36 37 38

Unde schlogenn se alle dot dar nedder, De dar werenn inn gekamenn. Ock hebbenn se alle ehre Buͦssen namenn:

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Der halvenn schlangenn synn verteynn,

41 42 43

40 Achte helle schlangenn nycht alleyne. Veer hovet Bussenn syndt dar mede, Ane de dar lygget up den Bedenn, Der synt vele Beyde klen unde grot,

44

Dar tho mannygen Buͦssen klot, 45 Ock 4 last kruͦdes inn tuͦnnenn. 46 Duͦt hebbet se all tho mall gewuͦnnenn. 47 Enen moser grodt hebbet se genamenn; 48 De was dar ock ynn dath landt gekamenn. 49

Ock werenn dar verde hallff duͦsent wagen, 50 Dar vor weren 14 duͦsent pagenn.

51

De weren geladenn alle mydt ratschop unde guͦde spise 52 Alle na konincklycker wyse. 53 De werenn inn ere handt gekamenn; 54 De hebbet se alle tho malle genamenn. 55 Duͦt hefft de koninck vorlarenn. 56 He hedde dath woll inn denn hillygenn swarenn, 57 Dath ydt so nycht schollde hebbenn gegann. 58 Duͦt hebbenn Ohme de Frien Detmerschen gedan. 59 Dath geit ohme nha, dat moge gi merckenn. 60 Syn hovet Banner hanget tho wessellbuͦren in der kercken. 61 Tho Oldenn wordenn dar hanget er ock ene. 62 Noch ys dar wuͦnders mehr gescheenn: 63 64

Vann Olldennborch de herenn, De dar Beyde mede werenn, 65 Juͦncker Otte wart geschlagenn dot, 66 Juͦncker Aleff let de sulwyge nodt. 67 Se mostenn dar vorlesenn, 68 Nycht anders kondenn se kesenn.

66 sulwyge] swlwyge. 

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und schlugen alle tot, die dort eingedrungen waren. Auch haben sie all ihre Feuerwaffen an sich genommen: Von den halben Feldschlangen sind es vierzehn, und dazu acht ganze Feldschlangen. Ferner zählen hierzu vier Hauptbüchsen, ohne jene, die auf dem Schlachtfeld liegen, von denen gab es sowohl kleine als auch große, dazu viele Geschosse aus Feuerwaffen, auch vier Ladungen Schießpulver in Tonnen. Alles das haben sie gewonnen. Einen großen Mörser haben sie genommen; der war auch mit in das Land gebracht worden. Außerdem waren dort viereinhalbtausend Wagen, vor die vierzehntausend Pferde gespannt waren. Die waren ganz nach königlicher Art beladen mit Gerätschaften und guten Speisen. Die waren in ihre Hände gelangt; die haben sie alle an sich gebracht. Das hat der König verloren. Er hatte es wohl bei den Heiligen geschworen, dass es nicht auf diese Weise ausgehen sollte. Das haben ihm die freien Dithmarscher angetan. Das geht ihm nahe, das sollt ihr wissen. Sein Hauptbanner hängt in Wesselburen in der Kirche. In Oldenwöhrden hängt auch eines. Weitere Denkwürdigkeiten haben sich dort zugetragen: Von den Herren von Oldenburg, die beide mit dort waren, wurde Junker Otto totgeschlagen, Junker Alfred erlitt dieselbe Not. Sie mussten dort verlieren, sie hatten keine andere Wahl.

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Her Hans van arnevellde 70 Mydt 6 guͦde mans stollter hellde,

71 72 73 74

Deme was des konynges Banner gedann. Dar ys idt ehme ovell mede gegann. Se worden dar alle doth geschlagenn; Ere fruͦnde dath sere klagenn. 75 De Banner was mydt gollde dorchwracht. 76 De nemen se ehme mydt groter macht. 77 Ere vanekenn se tho spletenn, 78 In allen stuͦcken tho retenn. 79 Umme ehre hode se Buͦndenn 80 Alle, de se dar fuͦndenn. 81 Des konynges segell und syn swerdt 82 Synt grotes guͦdes wert. 83 Syn Bonnyt ys kostell unde schone; 84 Daruͦp gesticket ene guͦlldenn krone. 85 Duͦt hebbet se dem koninck genamenn 86 Unde schaffet dar mede eren framenn. 87 88 89

Dar tho alle ere harnsche unde were, Allse se dath hadden in dem here, Ock ere kledere unde ere gellt, 90 Dath nemenn se all ungetellt. 91 Warth my mehr tho wetenn, 92 Dath wyll yck nycht vorgetenn. 93 Nuͦ wyll yck juͦw Borychtenn, 94 Unde nycht tho Ryme dychtenn, 95 Unde wyll juͦw erenn namenn, 96 De dar in dat landt weren kamen. 97 Wo se heten, de ere lyff dar letenn, 98 Des Latet juͦw nycht vordretenn. 99

11 Ridders

100 101 102 103 104 105 106 107 108

Her Clawes Krüdmeck Her Hinrick Akessenn Her Unsen Block Her Juͦrgen Ruͦter Her Juͦrgenn Fetnezer Her Hinrick Block Her Kurten gujenn Her Kordt Andersen Her Hinrick Kuͦntessen

Herrn Hans von Ahlefeldt mit sechs edlen Männern, die stolze Helden waren, dem war das Banner des Königs anvertraut. Damit ist es ihm übel ergangen. Sie wurden dort alle getötet; ihre Verbündeten beklagen das sehr. Das Banner war mit Goldfäden durchwirkt. Das nahmen sie ihm mit großer Gewalt. Ihre Fähnlein zerrissen sie in kleine Stücke. Um ihre Hüte banden sie alle, die sie da finden konnten. Das Siegel des Königs und sein Schwert sind sehr viel wert. Sein Bonnet ist kostbar und schön; darauf ist eine goldene Krone gestickt. Das haben sie dem König genommen und es zu ihrem Nutzen und Vorteil eingesetzt. Dazu ihre sämtlichen Rüstungen und Waffen, wie sie sie im Heer hatten, auch ihre Kleider und ihr Geld, das nahmen sie alles ungezählt. Wenn ich noch mehr in Erfahrung bringe, dann werde ich das nicht auslassen. Nun will ich euch berichten, aber nicht in Reimform aufzeichnen, und will euch ihren Namen nennen, die da in das Land gekommen waren. Wie sie heißen, die dort ihr Leben ließen, davon lasst euch keinen Verdruß bereiten.

91 Warth] das W als zwei Zeilen hohe, ausgerückte Majuskel in Fraktur. 99–110 in Frakturschrift. 100–110 zweispaltig. 

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109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141

Her Juͦrgen van Anevelde Her Lauͦrenzeuͦs Albrecht Hynryck vann anevelde tho der stenborch Luͦder hastenn unde wollder hastenn Luder unde Otte van Buͦckwollde Hynryck Blome, Faget tho gottenstorpe Hans Blome Henneke starcke Benedictuͦs van qwallenn Detlleff van qwallen brodere Vredeke Rantsouw Jacuͦp syn Broder Bogge tho etesen, vaget yn eyderstett Borchert sestede Benedyctuͦs sestede mydt dre Broderen Borchert kruͦdynck mydt 6 guͦde mannen Wuͦllff Pogewysch mydt 2 guͦde mannen Klawes Ratlowe mydt den sone Twe Benedyctuͦs van anevellde vedderen Juͦrgen vann Anevellde Hynryck Wallstorp Dyryck Bardewysch vann halverstat Hollt van mandellslouͦw Ludeleff vann torney Her gosen ketlers sone Hans van Bockwolde Gert van Botmer Emwold Buͦlow Jaemen poggewick Marqwart swan Hinryck swan Broder Juͦncker slens mydt synenn mede gesellenn, genomet de grote garde, bi nha al vorschlagenn 142 De lütke hynrick van weye 143 Arp van Weye 144 Hinryck knygge 145 Hinryck hiltens sone 146 Hilmer fan otbargen 147 Elmer van baruesten 148 Enne van Reventlouͦwe

110 Albrecht] t abgeschnitten und ergänzt. 112, 113, 123–127, 154 Ziffern am Zeilenende von der gleichen Hand, entsprechen der Anzahl der in der Zeile genannten Gefallenen. 121 eyderstett] tt abgeschnitten und ergänzt. 139 Broder] steht nach geschweifter Klammer hinter Z. 138 und 139. 

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149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174

harmen synn Broder Wollter Brede Gert Walstorp Hans Gryse Juͦncker ummeken sone yn Freslanndt Hynryck Bolwysch mydt 3 sone Benedyctuͦs Bolwysch Hans poggewisch sone Detleff hollste Wendorp fan snesen Otte fan der wysch Hynrick van der wysch Broder Reymer Barsenn Item ute dem Lande tho Luͦnennborch Hans fan der stenn Borch Hennynck Baden Dorff Merckwert Bonynck Emke van der Dannen Hans Elkesenn vaget Benedictuͦs van der wysch Detleff van sygenn Syvert Brocstorp Johann Gossen Eugen Ratlove Arp kesenn Hynrick van der wysch

175 176 177 178 179

Duͦsse vorgeschreven herenn unde Rydder unde guͦdenn mans syndt alle ynn detmerschenn vorschlagenn, dar tho alle ere knechte, der gantz vele syndt gewesenn – dath woll tho merckenn

180 steyt, vort mehr 25 grote sulverenn fate unde 181 ock schouͦwere unde ander suͦlver warck, 182 des gantz vele ys, 183 184

Item ock 12 kamerwagen, De denn Rydders unde guden mans tho horden.

185 Item duͦt vorgeschreven ys my alduͦs Berichtet. 186

Des hebbe yck duͦt tho hope gedichtet.

Diese Herren, Ritter und Adligen, die eben schriftlich verzeichnet wurden, sind alle in Dithmarschen erschlagen worden, außerdem auch all ihre Knechte, von denen sehr viele dabei waren – das sollte man sich gut merken, ferner sind 25 große silberne Teller und auch Trinkbecher und anderes Silberzeug, das in großen Mengen vorhanden ist, verloren gegangen, des Weiteren auch zwölf Kammerwagen, die den Rittern und Adligen gehörten. Das, was hier aufgezeichnet ist, ist mir genau so berichtet worden. Daher habe ich es zusammengetragen und schriftlich niedergelegt.

160  Broder] steht nach geschweifter Klammer hinter Z. 159 und 160. Zwischen 160 und 161 gestrichen Hans gryse. 172 Ratlove] Ratlouͦe. 179 sulverenn] swluerenn. 

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187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204

Ock werenn dar 8 knechte; De werenn fann Duͦdeschenn schlechte. In eynen hope se stuͦndenn Unde nargen kamen kondenn. De vellen vor eme up de kne; Mydt Folden handen Beden se. Ere were se van syck ledenn; Umme gades wyllenn se Bedenn. Se wolldenn syck Fangenn gevenn, Up dath se mochten Levenn. Dath mochte ehme nicht Boschenn, Se letenn erer leven nergen nene. Ock nemenn se noch 2 kamer wagenn. Dath ys war unde Ungelagenn. De werenn kostell unde Rycke; De horedenn den hartoch van slesewicke. Wor he sulven ys gebleven, Dath hebbe yck nycht geschrevenn.

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Auch waren dort acht Knechte; die waren deutscher Abstammung. Sie standen in einem Haufen und konnten nirgendwohin entkommen. Die fielen vor ihnen auf die Knie; mit gefalteten Händen beteten sie. Ihre Waffen legten sie ab; um Gottes Willen beteten sie. Sie wollten sich gefangen geben, damit sie am Leben blieben. Das sollte ihnen nicht widerfahren, sie ließen keinen von ihnen am Leben. Auch nahmen sie noch zwei Kammerwagen. Das ist wahr und nicht gelogen. Die waren kostbar und reich; die gehörten dem Herzog von Schleswig. Wo er selbst geblieben ist, das habe ich nicht geschrieben.

201 sulven] swluen. Unter 202 Schnörkel als Textabschluss.

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 6, Bl. 27r–30v.

Der Reimpaartext Nr. 7 ist unikal überliefert. Er wird in einer Handschrift bezeugt, die aus mehreren zunächst selbständigen Faszikeln aus dem Besitz der Bremer Schottherren zusammengesetzt wurde (Hs 6). Die Niederschrift von Nr. 7 in Faszikel 4 dieses Manuskripts ist frühestens um 1590 erfolgt. Sie stammt wie fast sämtliche Eintragungen in die Faszikel 1 bis 4, worunter sich zuvorderst die Statuten der Schottherren von 1573 und 1588 in den Faszikeln 1 und 2 befinden, von einem der Hauptschreiber der Handschrift, dessen Schreibtätigkeit sich auf die Zeit um 1590 datieren lässt (vgl. Hs 6). Dieser notierte den Text einspaltig und versweise; den Beginn zeichnete er mit einer auf den Bundsteg ausgerückten drei Zeilen hohen Majuskel in Frakturschrift aus, das Ende mit einem Schnörkel, der sich an die letzte Verszeile anschließt; die Versanfänge heben jeweils mit einer Majuskel an. Die Namen der elf Ritter am Beginn der Gefallenenliste (V. 100–110) hat er im Schriftbild hervorgehoben: Sie wurden statt mit einer Kursive mit einer Frakturschrift in zwei Spalten niedergeschrieben; überdies geht ihnen die Überschrift 11 Ridders (V. 99) voran. Bemerkenswert ist ferner der auf die Geschichte Bremens fokussierte Kontext, in dem die Reimpaardichtung Nr. 7 rezipiert wurde: In dem Faszikel 4 gehen ihr u. a. eine Reimpaarrede über den Bremer Abendmahlstreit (1555–1561) und dessen Protagonisten Albert Hardenberg (um 1510–1574) voran, während Aufzeichnungen über die Verurteilung und Hinrichtung von 34 Seeräubern in Bremen im Jahr 1590 u. a. auf sie folgen. Es liegt nahe, dass die Reimpaardichtung bald nach der Schlacht bei Hemmingstedt am 17. Februar 1500 entstanden ist; dies indizieren die sprachlichen Hinweise der Aktualität und Ereignisnähe (vgl. ‚Äußerungsinstanz‘) ebenso wie auch die in den Text inserierte Gefallenenliste als eine von mehreren Verzeichnissen dieser Art, die nach der Schlacht bei Hemmingstedt im Umlauf waren:62 Ins-

62 Einen Überblick über die Listen und ihre Überlieferungszeugen bietet Lammers 31987, S. 33f., 167 (Anm. 182), 168f., der sich vor allem auf die Untersuchung von Weber von Rosenkrantz, Woldemar (Hrsg.): Verzeichnis der bei Hemmingstedt gefallenen Ritter und Knappen nach zwei unveröffentlichten Gefallenenlisten. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 35 (1905), S.  117–150, stützt. Vgl. auch Rodenberg, Carl: Nachschrift [zum Abdruck von Nr. 7 durch Claussen 1911]. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 41 (1911), S. 283–286, und Weber von Rosenkrantz, Woldemar: Zu dem Verzeichnis der bei Hemmingstedt gefallenen Ritter und Knappen. In: Zeitschrift der Gesellschaft für SchleswigHolsteinische Geschichte 42 (1912), S.  412–415. Zu dieser Quellengruppe allgemein vgl.  Erben,

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gesamt fünf Listen sind in den Kollektaneen von Johann Russe (Hs 3) bezeugt.63 In Bezug auf den Namensbestand weist die Gefallenenliste in Nr. 7 mit allen Verzeichnissen bei Russe auffallende Schnittmengen auf. Hinsichtlich der Angaben zu Kriegsgerät, Kammerwagen und königlichen Insignien, die König Hans I. von Dänemark und sein Heer nach der Niederlage in Dithmarschen zurückgelassen haben, besteht die größte Nähe zur Verlustliste Nr. 5 bei Russe (Hs 3, 91v–94r). Denkbar ist, dass die Reimpaardichtung auf der Grundlage dieser oder einer vergleichbaren Liste verfasst wurde.

Sprachstand Der Reimpaartext Nr. 7 ist mittelniederdeutsch mit überwiegend nordniederdeutscher Merkmalsausprägung: – Das tonlange o wird überwiegend mit realisiert (Peters 1987, 1.2.2.): gekamenn (V. 37, 48, 53), namenn (V. 38), genamenn (V. 47, 54, 85), vorlarenn (V. 55), swarenn (V. 56), framenn (V. 86), Ungelagenn (V. 200). – Die Personalpronomen der 1. und 2. Person im Dativ und Akkusativ werden auf Dativbasis ausgeprägt (Peters 1987, 2.4): juͦw (V. 93, 95, 98), my (V. 185). – Für das Personalpronomen der 3. Plural Dativ erscheint die Variante eme (V. 26, 191, 195) (Peters 1988, 4.5.1.14; vgl. auch Sprachkommentar zu Nr. 4). – Eine Reihe von Formen dokumentieren ferner die Senkung von er zu ar (Peters 1987, 1.1.5.2.): starckenn (V. 8), Behardenn (V. 12; Reimpartner gardenn), Warth (V. 91), warck (Z. 181), nargen (V. 190), hartoch (V. 202). Die Formen des verbalen Einheitsplurals im Präsens Indikativ, die mehrheitlich auf -et enden (V. 42: lygget; V. 46, 47, 54, 85: hebbet; V. 86: schaffet), bekunden eine westniederdeutsche Färbung des Sprachstandes (Peters 1987, 2.1.1.), die entweder auf die Entstehung des Textes im nordniederdeutschen Raum westlich

Wilhelm: Kriegsgeschichte des Mittelalters. In: Historische Zeitschrift. Beiheft 16 (1929), S. I–VIII, 1–136, hier S. 50f. 63 Vgl. Katalogeintrag Hs 3: Liste 1, Bl. 32v–35r (= Hansen 1899, Nr. 16); Liste 2, 36v–39r (= Hansen 1899, Nr. 18); Liste 3, 57r (= Hansen 1899, Nr. 27); Liste 4, 74v–75v (= Hansen 1899, Nr. 42); Liste 5, 91v–94r (= Hansen 1899, Nr. 51). Liste 3 findet sich laut Hansen (1899, S. 79) auch in der zweiten Johann Russe zugeschriebenen Sammelhandschrift, die in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen unter der Signatur GKS 802 fol. aufbewahrt wird. – Ein Gefallenenverzeichnis enthalten auch die Darstellungen der Schlacht bei Hemmingstedt in den Chroniken von Johannes Neocorus (Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 491–493) und Hans Detleff (Hs 9, S. 127v–129r). Eine Liste der Gefallenen auf der Dithmarscher Seite findet sich bei Bolten III 1784, S. 136–140.

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der Elbe zurückgeführt werden kann oder aber mit der Niederschrift durch den Bremer Schreiber zu begründen ist. Bemerkenswert vor dem Hintergrund des nordniederdeutschen Sprachstandes und des Aufzeichnungsortes Bremen sind die pronominalen Varianten Ohme ‚ihm‘ (V. 58, 59), Duͦsse ‚diese‘ (Z. 175) und Duͦt ‚dies‘ (V. 46, 55, 58, 85, 185, 186). Die erste Variante ist charakteristisch für das Ostfälische, ist aber auch vereinzelt im Nordniederdeutschen (Bremen, Hamburg, Uelzen, Lüneburg) belegt (ASnA, Karte 113; Peters 1988, 4.5.1.9). Die zweite und die dritte Variante gelten ebenfalls als ostfälisch (Peters 1988, 4.5.4.1.; 4.5.4.2.; vgl. auch Sprachkommentar zu Nr. 4). In Übereinstimmung mit der Niederschrift am Ausgang des 16. Jahrhunderts finden sich in Nr. 7 schließlich auch einige spätmittelniederdeutsche Schreibvarianten: die häufigen Konsonantenverdopplungen in der Schreibung (Lasch 21974, § 18, 3.; § 236): z. B. wetenn (V. 1), gollde (V. 13), mydt (V. 10); das h als Dehnungszeichen (Lasch 21974, § 18, 3.): ehme (V. 10), ehre (V. 79); die gelegentliche Graphie im Anlaut vor l (Peters 1987, 1.4.7.): z. B. schloch (V. 26), schlangenn (V. 39), schlechte (V. 188).

Stellenkommentar 2 Montag, der 17. Februar, Montag vor Cathedra Petri, dem 22. Februar, der im Jahr 1500 auf einen Samstag fiel (Grotefend 142007, S. 200). 3 Matthie, im Schaltjahr 1500 Dienstag, der 25. Februar (Grotefend 142007, 200). 6 vorwuͦndert: 3. Singular Präteritum mit reimbedingter Apokope der Endung -e. 11 Der Plural gardenn (entsprechend dem Prädikat qwemen) ist ungewöhnlich, es sei denn, er referenziert mehrere verschiedene Söldnerheere oder mehrere Einheiten eines Söldnerheeres. Er könnte auch reimbedingt sein (V.  12 Behardenn). 12 Behardenn: behērden eigentlich ‚festhalten; sichern‘ (Mnd. Hwb. I, Sp.  184). Gemeint ist die Anwerbung des Söldnerheeres durch den König gegen Geld. 14 snodenn: snö̂de, hier im Sinne von ‚nicht angesehen‘ (Mnd. Hwb. III/1, Sp. 312). Weshalb die Söldner nicht angesehen sind und verachtet werden, ergibt sich aus den folgenden Versen (15f.), die sich gegen die Ansicht wenden, die Söldner vergingen sich gegen Kirchen und Klöster, Witwen und Waisen. Der Text kommuniziert damit eine Haltung zum Söldnerwesen, die der Position in den Reimreden Nr. 1, 2 und 3 völlig entgegengesetzt ist. Vgl. hierzu den Stellenkommentar Nr. 1, V. 263–272. 22 Gemeint ist wohl, dass die Garde dachte, sie hätten in Dithmarschen leichtes Spiel, doch dann mussten die Söldner feststellen, dass Dithmarschen bewacht wurde und sich zur Wehr setzte.

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23 De: kataphorischer Bezug auf die Dithmarscher, die erst in V. 58 mit dem symbolischen Ausdruck de Frien Detmerschen benannt werden. 25 Buͦssenn: ‚Büchsen‘, Feuerwaffen. Vgl. Stellenkommentar zu Nr. 1, V. 205. 32 kamer wagen: Wagen, in denen auf Reisen Wertgegenstände, Geld, Ausrüstung etc. mitgeführt wurden (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 510). 38 Buͦssen: vgl. Kommentar V. 25. 39f. schlangenn: ‚Feldschlangen‘, 2 bis 4 Meter lange, Kanonen vergleichbare Geschütze, die im Feld leichter zu transportieren waren als die schweren Hauptbüchsen (Lammers ³1987, S.  105). „Ganze Schlangen schossen Kugeln von 8–10  Pfund, wogen etwa 20 Zentner und wurden mit etwa 6 bis 8 Pferden bespannt.“ (Ebd.) „Bei halben Schlangen […] betrug das Geschoßgewicht etwa 6 Pfund, das Rohrgewicht etwa 10 Zentner. Zum Transport des Zubehörs für jede Feldschlange rechnete man 2 Fahrzeuge.“ (Ebd.) 41 hovet Bussenn: ‚Hauptbüchse‘, schweres Belagerungsgeschütz (Lammers ³1987, S. 104). 42 Bedenn: eigentlich ‚Gebiet‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 157). Liegen noch Waffen in dem Gebiet, muss es sich hierbei um den Ort handeln, an dem die Schlacht stattgefunden hat. Aus diesem Grund wurde ‚Schlachtfeld‘ übertragen. 44 Buͦssen: vgl. Kommentar V. 25. 45 4 last kruͦdes inn tuͦnnenn: Im Hansehandel entsprach die Gewichtseinheit einer Last einer Menge von zwölf Tonnen (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 748). Demnach ist im Text die Rede von insgesamt 48 Tonnen Schießpulver. 47 moser: ‚Mörser‘, Belagerungsgeschütz des 14. und 15. Jahrhunderts, mit dem Steinkugeln größeren Durchmessers verschossen werden konnten (Gabriel 1999, Sp. 846). 76 De: bezieht sich auf das Femininum Banner (V.  75); zum grammatischen Geschlecht von banner vgl. Mnd. Hwb. I, Sp. 143. 83 Bonnyt: ‚Bonnet‘, mützenartige Kopfbedeckung (Kühnel 1992, S. 34f.). 95 Es fehlt die Ergänzung zu wyll. Vgl. hierzu Schiller / Lübben V, S. 720. 100–174 Namen der Gefallenen aus dem Heer von König Hans I. von Dänemark. Claussen (1911, S. 278–281) normalisiert (bis auf wenige Ausnahmen) wie folgt: 100: Claus Krummendiek zu Hoeby. 101: Hinrick Erickson. 102: Jens Block (Brock). 103: Jürgen Rute (Rüter). 104: Jurgen Wernersen Parsberg. 106: Knud Goje. 107: Trut Anderssen. 108: Hinrich Knutsen. 109: Jürgen von Alefeld zu Seegaard. 110: Laurens Albertsen. 111: Heinrich von Alefeld, Amtmann zu Steinburg. 112: Luder Heesten zu Tremsbüttel. 113: Luder und Otto von Buchwald. 114: Hinrich Blome, Amtmann zu Gottorf. 115: Hans Blome zu Seedorf, Testorf und Hornstorf. 116: Henning Stacke (Schack) zu Nütschau. 117: Benedictus von Qualen. 118: Detlev von Qualen zu Coselau. 119: Breide Ranzau, Sohn Heinrichs von Ranzau, Kanzler. 120: Jachim Ranzau zu Ascheberg. 121: Boje Tetens, Vogt von Eiderstedt. 122: Bur-

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chard Sehestedt. 123: Benedictus Sehestede zu Cluvensieck. 124: Burchard Krummendiek. 125: Wulf Pogwisch. 126: Claus Ratlow zu Hohenfeld und Lindau. 127: Benedictus von Alefeld. 128: Jürgen Alefeld zu Seegard. 129: Hinrich Wallstorp. 131: Holt von Mandelsloh. 132: Wulf Torney. 133: Goswyn Kettelssen (?). 134: Hans von Buchwald. 135: Gert von Bothmer. 136: Ewolt Bülow. 137: Jochim Pogwisch. 138, 139: Marquard und Hinrich Schwabe. 142: Hinrich von Weyge (Wigger). 144: Hinrich Knigge. 145: Hinrich van Iltens Sohn. 146: Hilmer von Oborch. 148: Sven von Reventlow. 149: Jochim Reventlow (Claussen liest Jacmen in der Handschrift.) 151: Gert Walstorp. 152: Hans Gries. 153: Junker Omekens Sohn in Friesland. 154: Hinrich Pogwisch. 155, 156: Benedictus Pogwisch, Sohn von Hans Pogwisch. 157: Detleff Heeste (?). 158: Erp van Swensse? 159, 160: Otto und Hinrich von der Wisch. 163: Hans von Steinberg. 165: Marquard Boninck. 166: Emeke vam Damme. 169: Detlef von Siggen. 170: Sievert Brockdorf. 171: Johann Gaas. 172: Emicke Ratlow. 173: Erp Exsen (?). 174: Hinrich von der Wisch.

Literarischer Kommentar Metrik Der vorliegende Text besteht aus freien Knittelversen, d. h. aus endreimenden Verspaaren unterschiedlichen Silbenumfangs.64 Ganz überwiegend sind die Verse auftaktig und zählen drei oder vier Hebungen. Die Folge aus insgesamt 59  Reimpaaren wird jedoch unterbrochen von einem Einschub einer umfangreichen Namenliste (Z. 99–174) und von einem sich unmittelbar anschließenden kürzeren Abschnitt in Prosa (Z. 175–184). Äußerungsinstanz Bei der Äußerungsinstanz in Nr. 7 handelt sich um einen Ich-Sprecher (V. 91–93, 185, 186, 204), der sich gegenüber einem in der 2. Plural adressierten Publikum (V. 1, 4, 16, 59, 93, 95, 98) äußert. Er geriert sich als Berichterstatter (V. 93) und als Vermittler aktueller Nachrichten (V. 4), der seine Informationen zur schriftlichen Weitergabe (V. 175, 185, 186, 203) niederlegt, sobald er zu ihrer Kenntnis gelangt ist (V.  91f.). Allerdings beruht diese Kenntnis nicht auf der Teilnahme an dem thematisierten Schlachtereignis, sondern auf den Mitteilungen anderer darüber (V. 91, 185), deren gelegentliche Erwähnung – neben der Wahrheitsbehauptung in Vers 200 – auch der Beglaubigung des Mitgeteilten dient.

64 Heusler 1929, S. 42–47; Wagenknecht 52007(b), S. 62.

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Im Verlauf seines Berichts tritt der Sprecher immer wieder hervor, um die Aufmerksamkeit seines Publikums auf bestimmte Gedanken zu lenken (V. 16, 59, 179, 200) und seine Äußerung durch Abschluss-, Überleitungs- und Einleitungssequenzen nachvollziehbar zu strukturieren (V.  62, 91f., 93–98, 185f.). Zugleich bekundet sich in diesen Zusammenhängen sein Bedauern über die Niederlage des Königs, wenn er sich etwa zu dessen Befinden äußert und dies gegenüber dem Publikum mit der Bemerkung dat moge gi merckenn (V. 59) akzentuiert oder wenn er sich vor der namentlichen Bekanntgabe der Gefallenen aus dem königlichen Heer beschwichtigend an die Rezipienten wendet, sie sollten nicht verärgert sein (V. 98). Hingegen finden sich keine anerkennenden Worte über den Sieg und die Beute der Dithmarscher, so dass alles in allem der Eindruck entsteht, der Sprecher sympathisiere mit den Besiegten. Mehr noch stellt er – auch diesmal unter Verwendung der Direktive moge gi merckenn (V. 16) – klar, dass die Garde, die der König für seinen Feldzug anwerben ließ, weder Klöster noch Kirchen, Witwen noch Waisen schädigt (V.  15f.), und widerspricht hierin dem Urteil von der Gottlosigkeit und Brutalität des Söldnerheers, das in den Texten Nr.  1 (V. 263–270), Nr. 2 (V. 197–200), Nr. 3 (V. 120–128) und Nr. 11 (Str. 6, V. 3f.) formuliert wird. Diverse sprachliche Mittel legen ferner nahe, dass sich die Äußerung des Sprechers unmittelbar nach der Schlacht ereignet. Neben dem Neuigkeitstopos am Beginn (V. 4) zählen die Präsensbezüge auf das Befinden des Königs in Folge des Ausgangs der Schlacht (V.  59), auf den Verbleib der königlichen Banner in Dithmarschen (V.  60f.) sowie auf die klagenden Verbündeten der gefallenen Adligen aus dem Gefolge des Königs (V.  74). Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang die Anspielungen auf die Unvollständigkeit der Informationen (V. 91, 203–204), die dem Sprecher vorliegen, zu berücksichtigen. Mit ihnen suggeriert er, dass zum Zeitpunkt des Berichts das ganze Ausmaß der Verluste noch gar nicht bekannt ist. Inhalt und Aufbau Der Reimpaartext Nr. 7 ist auf die Verluste König Hans’ von Dänemark fokussiert; er stellt unter Einbindung umfangreicher Verzeichnisse und mit einem deutlichen Akzent auf quantifizierende Angaben das Ausmaß der königlichen Niederlage in der Schlacht bei Hemmingstedt dar. Der Texteingang (V. 1–4) ist als Auftrittssituation gestaltet, in der ein Sprecher sein Publikum adressiert und mit dem Hinweis auf seine Aktualität einen Bericht über das Geschehen ankündigt, welches sich am 17. Februar zugetragen hat. Daran schließt sich ein Abschnitt an, der nicht allein die Protagonisten (V. 7: Johann konynck tho dennemarckenn; V. 11: de gardenn), den Ort (V. 18: Det-

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merschenn) und das Jahr (V.  5: Do schreff menn 1 duͦsennt 500) des Ereignisses benennt, sondern es zugleich auch in kurzen Zügen darstellt (V.  5–37). Zu den Motiven, die chronologisch aneinandergereiht sind, zählen die Mobilisierung der Streitkräfte aufseiten König Hans’ von Dänemark (V.  5–16), der Zug nach Dithmarschen (V. 17–20), das Gefecht mit dem Sieg der Dithmarscher (V. 21–31), die Erbeutung der königlichen Kammerwagen (V.  32–34) sowie die Rückeroberung Meldorfs seitens der Sieger (V. 35–37). An dritter Stelle wird in Versform die Artillerie des Königs verzeichnet, welche in die Hände der Dithmarscher gelangt ist (V. 38–54). Unter Rückbezug auf das Verlustverzeichnis folgt ein kurzes Resümee seitens der Sprecher-Instanz (V. 55–61), in dem diese sich zur Betroffenheit des Königs angesichts der Verluste äußert (V.  59) und die Dithmarscher erstmals namentlich referenziert als jene, die für diese Verluste verantwortlich zeichnen (V. 58: Duͦt hebbenn Ohme de Frien Detmerschen gedan). Mit der Ankündigung Noch ys dar wuͦnders mehr gescheenn (V. 62) leitet der Text den nächstfolgenden Abschnitt ein, der zum einen die Gefallenen aus der Spitze des königlichen Gefolges nennt (V.  63–74) und zum anderen von dem Verbleib ihrer Kleidung und Rüstung sowie der königlichen Insignien (Banner, Siegel, Schwert) handelt (V. 75–92). Hieran schließt sich mit dem Verzeichnis der getöteten Ritter und Vasallen aus dem Heer des Königs der umfangreichste Teil des Textes an (V. 93–174), der mit drei an das Publikum adressierten Reimpaaren eingeleitet und danach mit der Auflistung der Namen fortgesetzt wird. Die Einleitung erfüllt die Funktion, das Publikum auf den folgenden neuen Gegenstand – die Gefallenen – hinzuweisen (V.  93: Nuͦ wyll yck juͦw Borychtenn), und kündigt überdies den Wechsel in der Darbietungsform an (V. 94: Unde nycht tho Ryme dychtenn). Ein kürzerer Abschnitt in Prosa ergänzt die Gefallenenliste um die materiellen Verluste der getöteten Ritter und Vasallen (Z. 175–184). Danach hebt der Text erneut in Reimpaarform an, zunächst mit einer Anmerkung des Sprechers, dass ihm das Vorgenannte berichtet worden sei (V.  185f.), danach mit einem Bericht über die Hinrichtung von acht Knechten durch die Dithmarscher (V. 187–198) und über den Herzog von Schleswig (V. 199–204). Am Ende bricht der Text unvermittelt ab. Die Besonderheit der sprachlichen Textgestalt von Nr. 7 besteht in der schon erwähnten Einbindung detaillierter und quantifizierender Verlustkataloge, die auf unterschiedliche Weise – teils in Versform in den Text integriert (V.  35–54, 63–90), teils als Namenliste inseriert (V. 100–174) – realisiert wurde. Dieses Vorgehen unterstreicht den Berichtscharakter des Textes, der sich auch in der Konturierung der Sprecher-Instanz zeigt, und verleiht demselben über weite Strecken den Charakter einer Aufzählung.

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Innerhalb des Verstextes sowie auch im Prosaabschnitt fungieren das Adverb Ock (V. 11, 32, 35, 38, 45, 48, 49, 89, Z. 181, V. 187, 199) und gelegentlich auch die Äquivalente Dar tho (V. 44, 87, Z. 178), Noch (V. 62), vort mehr (Z. 180), Item ock (Z. 183) und Item (V. 185) als Syntagmen dieser Aufzählung. Mit ihnen wird sprachlich vermittelt, dass dem bereits Genannten eine weitere Information hinzugefügt wird. Doch zeigt ein Blick auf die Verteilung der Adverbien im Text, dass sie nicht allein in den Verlustverzeichnissen eingesetzt wurden, sondern auch die narrativen Textabschnitte einleiten, und zwar (1) über die Anwerbung, den Zug und den Fall der Garde (V. 11–31), (2) über die Erbeutung der königlichen Kammerwagen durch die Dithmarscher (V. 32–34), (3) über die Hinrichtung der acht Knechte in Dithmarschen (V. 187–198) sowie (4) über den Verbleib des Herzogs von Schleswig und seiner Kammerwagen (V. 199–204). Die Makrostruktur des Textes – dies indiziert der skizzierte Einsatz der kumulierenden Adverbien – entspricht nach all dem der einer Zusammenstellung von Informationen über die Schlacht in Dithmarschen, zu deren Elementen einzelne Begebenheiten, die sich in Dithmarschen ereignet haben, ebenso zählen wie die Waffen und Güter der Invasoren und die Namen der Gefallenen. Die Abfolge, in der diese Elemente seitens der Textproduzenten angeordnet wurden, richtete sich vermutlich nach der Chronologie des Informationszugangs. Die Sukzessivität der Informationsverschriftung zeigt sich vor allem darin, dass die Mitteilungen der narrativen Textelemente nicht in eine chronologische Ordnung gebracht wurden; das Anfügen der Nachrichten über die ermordeten Knechte und den verschwundenen Herzog von Schleswig, nachdem der Bericht bereits mit dem resümierenden Reimpaar Item duͦt vorgeschreven ys my alduͦs Berichtet. / Des hebbe yck duͦt tho hope gedichtet (V.  185f.) das Ende erreicht zu haben scheint, deutet in die gleiche Richtung. Claussen 1911, S.  273–282 (nach Hs  6). – Rodenberg 1911, S.  283–286. Lammers ³1987, S.  25. Schanze 1992(a), Sp. 692 (Nr. 2).

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Nr. 8: Wille gi horen einen nien sang? T Ein ander kortt Carmen Nha arrt eines Dithmerschen Dantzes, welches den gantzen handel gaar kortt unde kunstlick in sick begript unde vormeldet.

Ein weiteres kurzes Lied in der Art eines dithmarsischen Tanzes, welches den ganzen Vorgang sehr kurz und verständig festhält und verkündet.

1 Wille gi horen einen nien sang? Ick will ehn juw singen, alß ick en kan.

Wollt ihr ein neues Lied hören? Ich will es euch singen, so gut ich es kann.

2 Se hebben also thosamende gespraken, Se wolden tho Brüßel ein Samlent maken.

Sie haben nämlich gemeinsam besprochen, in Brüssel eine Versammlung abzuhalten.

3 Se konden sick dar nicht alle besehen, do wolden se up eine grone heide theen.

Sie konnten dort keine Vorsorge treffen, da wollten sie auf eine grüne Heide ziehen.

4 Se togen up eine grote heide; de heten se vor eine jitten weide.

Sie zogen auf eine große Heide; die hielten sie für eine Ziegenweide.

5 Sille Johanß Jacob de waß darmede. dat waß jo ehr Bungenschleger.

Des seligen Johanns Jakob war mit dabei. Das war nämlich ihr Trommelschläger.

6 De Bungenschleger de schloch an; darmit so toegen se vordan.

Der Trommelschläger der schlug an; damit zogen sie vorwärts.

7 Se kemen tho Wintbergen in dat blick; dar jageden se uth beide arme und Rick.

Sie kamen in den kleinen Ort Windbergen; dort vertrieben sie sowohl die armen als auch die reichen Leute.

8 Se toegen tho Meldorp in de Stadt; dar weken uth beide Borger unde Radt.

Sie zogen in die Stadt Meldorf; von dort flohen sowohl die Bürger als auch die Ratsleute.

9 De olde Radt iß uthgewaken, Koning Johan iß ingebraken.

Der alte Rat ist geflohen, König Johann ist eingedrungen.

10 Carsten Holm de quam dartho: „Min Lever Her Hans, wo haget juw tho?“

Carsten Holm kam dazu: „Mein lieber Herr Hans, wie gefällt es euch?“

11 „Min Lever Carsten, ick love juwe wort.

„Mein lieber Carsten, ich vertraue auf euer Wort. Ich meine, es wird hier gut werden.

ick meine, it schall hir werden gott.

Neben T Marginalglosse Paragraph 24 von gleicher Hand. T in Frakturschrift. 1,1 über einen] jm von gleicher Hand. Zwischen 1,1 und 1,2 interlinearer Nachtrag von gleicher Hand watt unß hefft koning Johan gedan. 2,1–2 Marginalglosse Occasio Belli (,Gelegenheit des Krieges‘) von gleicher Hand. 8,1 weken] von gleicher Hand über gestrichenem jageden se vth.  T kortt unde] fehlt Hs 9. 1,2 Ick … kan] wat vns heft köninck Johan gedahn Hs 9, Hs 11. 2,1 hebben] hadden Hs 9, Hs 11. 2,2 maken] waken Hs 11. 3,2 theen] fehlt Hs 11. 

Textabdruck und Kommentar 

12 Min lever Carsten, schnacket eine wile, ick will juw geven dat Schlott thom Tile.“ 13 „Min Lever Her Hanß, ick kanß nicht wesen, ick moth all mang de Bueren wesen.

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Mein lieber Carsten, schwatzt noch eine Weile, ich werde euch dafür die Tielenburg geben.“ „Mein lieber Herr Hans, ich kann nicht bleiben, ich muss mitten unter den Bauern sein.

14 Den worden se hir miner enwar, Wo drade dat ick min levent vorlar!

Denn würden sie mich hier bemerken, wie schnell ginge es, dass ich mein Leben verlöre!

15 All up der Heide dar iß ein blick; dar wahnet Peterß Hans unde ick.

Auf der Heide da gibt es eine kleine Siedlung; dort wohnen Hans Peters und ich.

16 Morgen fro kamett tho unß tho gaste; ick will juw doen dat alder best.

Morgen Früh kommt und seid unser Gast; ich werde euch das allerbeste geben.

17 Ick will juw schenken Mede unde win;

Ich werde euch Met und Wein zu trinken geben; so sollt ihr nach Lunden ziehen.

darmitt schole gi nha Lunden theen. 18 Unde steket an de groten dorp, dar liggen de buren also starck.

Und steckt die großen Dörfer an, wo die Bauern so zahlreich liegen.

19 Unde stecket an dat halve Lantt; datt ander geitt juw woll in de hantt.“

Und steckt das halbe Land an; die andere Hälfte wird sich euch gewiss ergeben.“

20 Ißbrannt dat iß ein framer man, de will woll bi loven staen.

Isebrandt, das ist ein rechtschaffener Mann, der wird gewiss treu bleiben.

21 He gaff dem Lande eine wise Lehr to Hemmingstede all vor der doer:

Er gab dem Land bei Hemmingstedt gleich vor dem Tor einen klugen Rat:

22 „Legget juw ein Luttick hir under den wall, dat juw nemant hir scheten schall.

„Legt euch eine Weile hier hinter den Wall, damit euch hier niemand mit einem Geschoss treffen kann.

23 Unnd legget de spere watt bi juw neder Unde latet se tehen bewesten vör.“

Und legt die Speere eine Zeitlang bei euch ab und lasst sie von Westen heranziehen.“

24 Datt horeden wol dordehalff hundert man; de gingen de groten Garden an.

Das hörten gut 250 Männer; feindlich näherten diese sich der großen Garde.

20,1 Marginalglosse Nomen Ducis Ditmarsici (‚Name des Anführers der Dithmarscher‘) von gleicher Hand. Ißbrannt] in Frakturschrift. 21,1 gaff] in der Handschrift nicht mehr lesbar, ergänzt nach Hs  9. 24,1 Marginalglosse Numerus virorum Dithmarsorum (‚Anzahl der Dithmarscher Männer‘). 16,2 ick will] Wi willen Hs 9. 19,2 in de] thor Hs 9, Hs 11.

318 

 Edition

25 De buren repen averlueth: „Schlaet de bugden Garden doott!“

Die Bauern riefen lautstark: „Schlagt die gebeugte Garde tot!“

26 Se schlogen de bugden garden doott. De Rueter quam in groter Noott.

Sie schlugen die gebeugte Garde tot. Der Reiter geriet in große Not.

27 De Ruter greep einen schnellen radt; He wolde upriden nha der Stadt.

Der Reiter fasste einen schnellen Entschluss; er wollte in Richtung Stadt fortreiten.

28 It wart ehn averst belecht dat Paß. de buren schlogen, wat dar waß.

Ihm wurde jedoch der Weg versperrt. Die Bauern schlugen, was da auch war.

29 Se gingen ein weinig wat mank de wagen;

Sie gingen ein wenig zwischen den Proviantwagen umher; darin fanden sie Gekochtes und Gebratenes.

dar funden se Saden unde Braden. 30 „Segget dem koninge gude nacht; He hefft unnß braden Höner gebracht.

„Wünscht dem König eine gute Nacht; er hat uns gebratene Hühner gebracht.

31 Tastet tho gi leven gesten; dit gifft uns koning Hanß thom besten.

Greift zu ihr lieben Gäste; dies gibt uns König Hans zum Besten.

32 Gistern weren se alle rike; Nu steken se hir in dem Schlike.

Gestern waren sie alle reich; nun stecken sie hier im Schlamm.

33 Gistern do voreden se einen Hogen moott; Nu hacken ehn de raven de ogen uth.“

Gestern da waren sie hochmütig; heute hacken ihnen die Raben die Augen aus.“

27,1 De Ruter greep] doch he hadde Hs 9, Hs 11. 28,1 wart] was Hs 9, Hs 11.

Textabdruck und Kommentar 

 319

Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs  8, Bl.  229v–230v; Hs  8.1, S.  1101–1105; Hs  8.2, S.  760–763; Hs  8.3, S. 401–403; Hs 9, Bl. 141r–142r; Hs 9.1, Bl. 134r–135r; Hs 9.2, S. 218–220; Hs 9.3, Bl. 141r–142r; Hs 9.4, S. 251–253; Hs 9.5, S. 494–497; Hs 9.6, S. 163f.; Hs 9.8, S. 309–313; Hs 9.9, S. 138–140; Hs 9.10, S. 188f.; Hs 11, Bl. 102v–103v.

Lied Nr. 8 ist anonym überliefert. Das früheste Zeugnis seiner schriftlichen Tradierung liegt mit dem Autograph der dithmarsischen Landeschronik von Johannes Neocorus vor (Hs 8), welche dieser 1598 in Büsum verfasste. In der Überschrift, die der Chronist dem Text vorangestellt hat, wird auf die Ähnlichkeit des Stückes mit einem nicht genauer benannten Dithmarscher Tanzlied hingewiesen. Auf das Manuskript von Neocorus zurückgehend, findet sich das Stück ferner einerseits in den Reproduktionen von Hs  8, die unter dem Namen von Neocorus firmierten (Hs 8.1–3), und andererseits in der Chronik von Hans Detleff aus Windbergen von 1634 (Hs 9) und den Abschriften und Bearbeitungen, die auf sein Autograph zurückgeführt werden können und in der Mehrzahl seinen Namen im Titel tragen (Hs 9.1–6, Hs 9.8–10). Die genannten Manuskripte wurden sämtlich im 17. und 18. Jahrhundert geschrieben; die Provenienzvermerke indizieren zudem, dass Entstehung und Gebrauch der Handschriften vorwiegend in Dithmarschen und Holstein zu verorten sind (Hs 8.1–3, Hs 9.1, Hs 9.3, Hs 9.5, Hs 9.8–10) und sich demzufolge auch die handschriftliche Rezeption von Nr. 8 auf diese Gebiete konzentriert hat. Im Überlieferungszweig Hs  8 tritt Lied Nr.  8 jedesmal im Verbund mit den Reimpaartexten Nr. 1 und Nr. 2 sowie mit den Liedern Nr. 9, 10 und 11 auf und nimmt in dieser Reihe stets die dritte Stelle hinter Nr. 2 und vor Nr. 9 ein. Einzelüberlieferungen des Stückes sind nicht belegt. Nach Erweiterung und Neuordnung des bewussten Textensembles durch Hans Detleff rückte Lied Nr. 8 im Überlieferungsstrang Hs 9 in beinah allen Überlieferungsträgern an die fünfte Position hinter Nr. 1, Nr. 2, Nr. 11 und das Epigramm von Nr. 2 und vor Nr. 9 und Nr. 12. Bezüglich der Situierung des Textverbundes innerhalb der Chroniken stimmen beide Tradierungszweige überein: Die Reimpaartexte und Lieder wurden jeweils an die Darstellung der Schlacht bei Hemmingstedt angefügt. Hinsichtlich der Einrichtung des Liedtextes Nr. 8 wich Hans Detleff indes von Neocorus ab. Reflektierte dieser durch Einzug der zweiten Zeile eine Strophenform aus zwei Versen, so rückte jener nur jeden vierten Vers ein und zeichnete damit eine vierzeilige metrisch-musikalische Einheit im Schriftbild nach. Ferner divergieren die Aufzeichnungen von Lied Nr. 8 in Abhängigkeit von den genannten Überlieferungssträngen auch mit Blick auf den Wortlaut der ersten Strophe: Johannes Neocorus notierte zwischen Vers  1 und 2 der ersten

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 Edition

Strophe einen dritten Vers: watt unß hefft koning Johan gedan. Im Zuge dessen ergänzte er in Vers 1 über dem Artikel einen die Präposition jm. Auf diese Weise wurde aus dem Satzobjekt einen nien sang in Vers 1 die adverbiale Bestimmung des Ortes im einen nien sang, während die Stelle des Objektes von dem interlinear notierten Nebensatz besetzt wurde. In der durch Neocorus begründeten handschriftlichen Tradierung des Liedes wird unterschiedlich mit der Interpolation der ersten Strophe verfahren: – Der nachgetragene Vers wird an die dritte Stelle gesetzt; mit der Konjunktion oder wird angezeigt, dass die Strophe mit dem einen oder mit dem anderen Vers gelesen werden kann (Hs 8.1, Hs 8.2). Die Aufzeichnungen dieses Typs bilden demnach die Variabilität der Strophenausprägung ab, statt eine Variante zu privilegieren: Wille jy hören en nyen sang Jck will ju en singen als ick kan, oder, wat uns hefft könig Johann gedahn65

– Der interlinear ergänzte Vers bleibt unberücksichtigt (Hs 8.3): Wille gy hören einen nien Sang ick will en iuw singen als ick kann66

– Der interpolierte Vers wird übernommen, der ursprünglich zweite Vers der Strophe hingegen weggelassen (Hs 9, Hs 9.1–6; Hs 9.8–10, Hs 11): Wille gi hören ein nien sang wat vns heft köninck Johan gedahn67

Ein ganz anderes Überlieferungsformat von Lied Nr. 8 als das der historiographischen Einzelhandschrift in Codexform liegt mit der kleinen Sammelhandschrift in der zusammengesetzten Handschrift Hs  11 vor. Diese enthält ausschließlich die Reimpaarreden und Lieder über die Schlacht bei Hemmingstedt. Hinsichtlich der Textentitäten und ihres Wortlautes richtet sich diese Handschrift nach Hs 9, mit Blick auf die Reihenfolge und Gruppierung der Texte folgt das Manuskript hingegen Hs 8. Die Einrichtung von Lied 8 wechselt allerdings: Der unbekannte Schreiber setzte anfangs durch Einrückung der zweiten Zeile zweizeilige Textein-

65 Diplomatisch abgedruckt nach Hs 8.1. 66 Diplomatisch abgedruckt nach Hs 8.3. 67 Diplomatisch abgedruckt nach Hs 9.

Textabdruck und Kommentar 

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heiten ab wie in Hs 8 und ging dann ab Strophe 9 dazu über, jeden vierten Vers einzuziehen wie in Hs 9.

Sprachstand Lied Nr.  8 ist mittelniederdeutsch mit Varianten, die charakteristisch für das Nordniederdeutsche sind: – die a-Graphie für tonlanges o (Peters 1987, 1.2.2.): gespraken (2,1; Reimpartner maken), ingebraken (9,2; Reimpartner uthgewaken), vorlar (14,2; Reimpartner enwar), wahnet (15,2), kamett (16,1), framer (20,1), averlueth (25,1), averst (28,1), – der Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Dativ und Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4): juw (1,2; 10,2; 12,2; 16,2; 17,1; 19,2; 22,1; 22,2; 23,1), unß (16,1; 30,2; 31,2) und zudem – der verbale Einheitsplural im Präsens Indikativ mit dem Endungsflexiv -en (Peters 1987, 2.1.1.): hebben (2,1), liggen (18,2), steken (32,2), hacken (33,2), vgl. aber wahnet (15,2). Einige Varianten dokumentieren überdies die spätmittelniederdeutsche, respektive frühneuhochdeutsche Prägung des Liedes und korrespondieren hierin mit dem Aufzeichnungszeitpunkt des Stückes am Ende des 16. Jahrhunderts: – die Graphie im Anlaut vor n und l (Peters 1987, 1.4.7.): Bungenschleger (5,2; 6,1), schloch (6,1), schnacket (12,1), Schlott (12,2), Schlaet (25,2), schlogen (26,1; 28,2), schnellen (27,1), Schlike (32,2), – die Konsonantenverdopplung in der Schreibung (Lasch 21974, § 18, 3.; § 236), z. B. bei Radt (8,2; 9,1), kamett (16,1), Lantt (19,1), geitt (19,2), will, woll (20,2), gaff (21,1), dordehalff (24,1), gifft (31,2), und außerdem – das h als Dehnungszeichen (Lasch 21974, § 18, 3.): ehn (1,2), ehr (5,2), wahnet (15,2).

Stellenkommentar 3,2 heide: einerseits ‚flache, trockene Landstrecke mit sandigem Boden‘, andererseits ‚mit Nadelholz bewachsenes, bewaldetes Gebiet‘ (DWB X, Sp. 797f.; Mnd. Hwb. II/1, Sp.  251). Die Verortung des königlichen Heeres auf der heide ist vermutlich nicht auf die Oberflächenbeschaffenheit einer konkreten Landschaft zu beziehen, sondern viel eher als eine spezifisch literarische Raumkonturierung zu verstehen, und zwar als Bezeichnung für das weite, nicht urbar gemachte Gefilde

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 Edition

im Gegensatz zum Acker- und Gartenland sowie auch in Abgrenzung zu Waldgebieten (mit diversen Beispielen DWB X, Sp. 795–797; vgl. auch Würzbach 1985, S. 50). Mit Wendungen wie ‚grüne Heide‘ (3,2) und ‚über die Heide ziehen‘ (4,1) liegen in Nr. 8 ferner – zumal auch im Zusammenhang mit der Darstellung von Feldzügen und Schlachten – literarische Gemeinplätze vor (vgl. die Beispiele in DWB X, Sp. 796f.). Die heide und der Zug über die Heide spielen auch in Nr. 12A, (V. 8, 10) und 12C (V. 5) eine Rolle. Siehe ferner 4,1. 4,1 Vgl. Kommentar zu 3,2. 5,2 Bungenschleger: ‚Trommelschläger, Trommler, Tambour‘. Trommeln waren seit dem ausgehenden Mittelalter zusammen mit Pfeiffen die typischen Instrumente der Landsknechtsheere (Höfele 1997, Sp.  273). Als Militärmusiker hatten die Trommler die Aufgabe, die Übermittlung von Befehlen mit Signalmusik zu unterstützen (Hofer 1997, Sp. 269). Darüber hinaus diente das Trommelspiel der Ermunterung der Soldaten auf ausgedehnten Märschen (Höfele 1997, Sp. 273). Die Militärmusik spielt neben Lied Nr. 8 auch in Nr. 1, V. 151, sowie in Nr. 12A, V. 10 und V. 17, eine Rolle. 6,1f. Ähnlich auch in Nr. 12A, V. 10: De trummenschleger de schlog woll an; / se togen aver de grone heide (vgl. auch 12A, V. 17) und Nr. 16, Str. 3 (vgl. Kap. 4): Se mosten wedder to Wege, / De Trummenschleger de schloeg an. Eng verbunden mit der Funktion des Trommelns als Befehlssignal und als Marschbegleitung (Hofer 1997, Sp.  269; Höfele 1997, Sp.  273) ist das Motiv des Trommelanschlags in den anzitierten Liedern jeweils an das Motiv des Los- oder Weiterziehens des Heeres gekoppelt. Das Anschlagen der Trommel durch den Trommelschläger markiert demnach, dass das Heer zum Feldzug aufbricht bzw. den Feldzug fortsetzt. 13,1 kanß: kan eß. 14,2 vorlar: 1. Singular Präteritum Konjunktiv von vorlēsen ‚verlieren‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 863). 15,1 All up der Heide: Anders als in 3,2 und 4,1 wird hier auf den Ort Heide in Dithmarschen angespielt (vgl. Kap. 3.1). 19,2 in hant gân ‚sich ergeben‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp.  221), Ausdruck, der seinen Ursprung im symbolischen Akt des Handgangs im Rahmen des mittelalterlichen Lehnswesens hat (vgl.  Nr.  1, Kommentar zu V.  66). Vergeichbare Wendungen haben Nr. 5, Str. 9,1, und Nr. 6, Str. 11,1. 25,2 bugden: Partizipialadjektiv, das auf das schwach gebildete Partizip Präteritum von bûgen ‚beugen, biegen‘ (Schiller / Lübben I, S.  373f.; Mnd. Hwb. I, Sp.  365f.) zurückgeht. bugden garden: ‚die gebeugte Garde‘ im Sinne von ‚die in ihrem Hochmut gebrochene Garde‘ (vgl. die Belege in DWB I, Sp. 1743f., und Schiller / Lübben I, S. 374). Die Wendung bugden garde korrespondiert in dieser Hinsicht mit dem Schluss des Liedes (Str. 33), wo der Hochmut der Garde vor der Niederlage und die Schmach danach einander gegenübergestellt werden.

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26,2–28,2 rûter ‚berittener und bewaffneter Edelmann‘, ‚berittener Söldner‘ (Mnd. Hwb. II/2, Sp.  2361f.). Das Motiv ‚Kampf zwischen einem Reiter und den Dithmarschern‘ findet sich in anderer Ausprägung auch in Nr.  9, Str.  9 (Havemann), sowie in Nr. 12A, V. 28–34. 26,2 in groter Noott: Präposition in zur Beschreibung eines Übergangs von einem Zustand in einen anderen; in dieser Funktion steht in eigentlich mit Akkusativ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 414), nicht wie vorliegend mit Dativ. 28,1 ehn: Variante des Maskulinums der Personalpronomen im Dativ Singular (Lasch 21974, § 404). 30,2 braden Höner: Das Handlungsmotiv des gemeinsamen Mahls nach der gewonnenen Schlacht findet sich in varianter Ausprägung auch in Nr. 2, V. 88–96, sowie auch in Nr. 6, Str. 14. Die betreffenden Textstellen in Nr. 2 und Nr. 8 stimmen zudem darin überein, dass den Dithmarschern seitens der Verlierer jeweils Hühner – als typische Speise des Adels (Bumke 112005, S. 242f.) – beschert werden. 31,1 gesten: Nominativ Singular vom starken Maskulinum gast, eigentlich geste ‚Gäste‘ (Lasch 21974, § 363). Entweder handelt es sich um eine schwach realisierte Form der Flexion (vgl. ebd., Anm. 4) oder die Endung -n erklärt sich aus Zwang zum Gleichklang mit dem Reimpartner besten (31,2).

Literarischer Kommentar Metrik Lied Nr. 8 zählt insgesamt 33 Strophen, deren Bauform als Verbindung aus zwei überwiegend auftaktigen und stumpf ausklingenden jambischen Vierhebern beschrieben werden kann. Dieses Muster entspricht einer im 16. Jahrhundert äußerst beliebten Strophenform.68 Der metrische Befund von Nr. 8 differiert insofern von diesem Schema, als auch weiblich kadenzierende Strophen nachgewiesen werden können (Str. 2, 4, 9, 12, 13, 29, 31, 32), wenngleich diese zahlenmäßig deutlich hinter den männlichen Versen zurückbleiben. Ferner ist eine Reihe von Verszeilen ohne Auftakt zu beobachten, wobei auffällt, dass diese Erscheinung jedes Mal an spezifische sprachliche Ausdrücke am Versbeginn gebunden ist, und zwar an Namen und Namensbestandteilen in der Sängerrede: Sílle Jóhanß Jácob (5,1), Kóning Jóhan (9,2), Cársten Hólm (10,1), Íßbrannt (20,1); an Imperative in der Figurenrede Isebrandts und der Dithmarscher: Légget (22,1), Schláet (25,2), Ségget (30,1), Tástet (31,1) sowie an das Temporaladverb Gístern ebenfalls in der direkten Figurenrede der Dithmarscher am Schluss des Liedes (32,1; 33,1).

68 Frank 21993, 2.5.

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 Edition

Weitere metrische Besonderheiten liegen vor mit Strophe 5, deren Versenden nicht reimen, sowie mit Strophe 33, deren Verse fünf Hebungen aufweisen. Äußerungsinstanz Der Beginn von Lied Nr.  8 ist als Auftrittssituation gestaltet: Ein Sänger-Ich kündigt seinem in der 2. Plural adressierten Publikum ein neues Lied an. Zeit und Ort dieses textimmanenten Auftritts werden in dem Stück nicht benannt. Doch es gibt Hinweise darauf, dass das Äußerungsereignis zeitlich kurz nach dem historischen Vorfall bei Hemmingstedt zu verorten ist. Hierzu zählt zum einen die Aktualitätsformel nien sang (1,1) und zum anderen die Referenz auf einen Teilnehmer an der Schlacht (Ißbrannt) im Präsens (20,1: iß) und Futur (20,2: will staen). Die Art und Weise, wie die Sängerinstanz sich über diese Person äußert, bekundet ferner ihre Gleichgesinntheit mit den Dithmarschern. Denn Ißbrannt wird in Bezug auf seinen Einsatz auf der Seite der Dithmarscher als ein frommer (20,1: framer), treuer (20,2: will … bi loven staen) und kluger (21,1: wise Lehr) Mann gelobt. Obwohl als Sympathisant wird das Sänger-Ich doch nicht als Landsmann der Dithmarscher oder gar als Teilnehmer oder Betroffener der Schlacht bei Hemmingstedt konturiert. Hierin unterscheidet sich der edierte Text von der oben (vgl. Textgeschichte) beschriebenen Variante im Überlieferungszweig von Hs 9. Mit den Versen Wille gi hören ein nien sang / wat vns heft köninck Johan gedahn69 am Liedeingang wird die Auftrittssituation in ganz anderer Weise gezeichnet: Zum einen ist nicht mehr das Lied an sich Gegenstand der Ankündigung in der ersten Strophe, sondern das Handeln des Königs, womit zugleich von Anfang an der Fokus auf diese Figur gerichtet wird. Zum anderen werden mit dem Pronomen ‚uns‘ eine Sänger- und auch Hörerinstanz vorgestellt, die zu den Dithmarschern und zu den Betroffenen des Vorfalls vor Hemmingstedt zu zählen sind, worauf der Text abgesehen davon keine sprachlichen Hinweise gibt. Inhalt und Aufbau Auf die oben bereits genannte Eingangsstrophe mit Auftrittsgestus und Aktualitätsformel, die auf die Erregung der Publikumsaufmerksamkeit abzielen, folgen 32 weitere Strophen, in denen die Sängerinstanz demgegenüber weder selbstreferenziell noch adressierend in Erscheinung tritt. Die Strophen lassen sich zu den folgenden Inhaltskomplexen zusammenstellen: Die ersten drei Abschnitte (Str. 2–23), im Umfang von etwa zwei Dritteln des Liedes, befassen sich mit den Begebenheiten vor dem Aufeinandertreffen der

69 Diplomatisch abgedruckt nach Hs 9.

Textabdruck und Kommentar 

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Konfliktparteien bei Hemmingstedt: Im ersten Abschnitt (Str.  2–8) ist die Rede von einer nicht namentlich, sondern nur pronominal mit se referenzierten Personengruppe, die sich in Brüssel versammeln wollte und dann über Windbergen bis nach Meldorf zog. Dass es sich hierbei um ein Heer handelt, indizieren u. a. die Strophen 5 und 6, in denen mit dem Bungenschleger ein Angehöriger des Militärmusikkorps erwähnt wird. Der folgende Abschnitt (Str. 9–19) besteht fast vollständig aus direkter Figurenrede. Nach knappen einleitenden Bemerkungen zum Einzug des Königs in Meldorf (Str. 9) und zur Ankunft Carsten Holms daselbst (Str. 10,1) schließt sich ein umfangreicher Dialog zwischen beiden Figuren an (Str. 10,2–19), der darauf hinausläuft, dass Carsten Holm dem König rät, nach Lunden zu ziehen (17,2), auf dem Weg dorthin die Dörfer und das Land in Brand zu setzen (18,1; 19,1) und sich die Dithmarscher auf diese Weise untertan zu machen (19,2). Das Entscheidende an dieser Szene ist der Umstand, dass Carsten Holm, der hier als Ratgeber und Vertrauter des Königs auftritt, selbst ein Dithmarscher ist. Dies ist seinen Äußerungen zweifelsfrei zu entnehmen, wie etwa bezüglich seines Wohnortes (Str. 15) und auch bezüglich der Sorge um sein Leben, sollten die Dithmarscher Bauern erfahren, dass er sich bei dem König aufhält (Str. 14). Daraus folgt, dass mit der Figur Carsten Holms ein Landesverräter vorgestellt wird und mit dem Dialog zwischen ihm und König Hans der Vorgang des Landesverrats. Im dritten Abschnitt (Str. 20–23) wechseln der Schauplatz und die Protagonisten: In der Nähe von Hemmingstedt steht ein Dithmarscher namens Isebrandt vor mehreren hundert seiner Landsleute und gibt ihnen den Rat, sich hinter dem Wall zu verstecken und das feindliche Heer heranziehen zu lassen. Dieser Ratschlag wird nach zwei Preisstrophen auf Isebrandt (Str. 20f.) in wörtlicher Rede wiedergegeben (Str. 22f.). An vierter Stelle (Str.  24–28) schließt sich endlich die knappe Schilderung des Kampfgeschehens an, wobei die Bauern nun als Akteure von der Sängerinstanz fokussiert werden. Die Handlung dieses Abschnitts beginnt damit, dass die Bauern zum Angriff auf das Söldnerheer übergehen (24,2). Erst an diesem Punkt der Handlung, als die Dithmarscher kurz vor der Schlacht der heranziehenden Söldner ansichtig werden, werden diese zum ersten Mal mit dem symbolischen Ausdruck de groten Garden benannt. In der Folge überwältigen die Bauern nach einem Schlachtruf zunächst das bewusste Söldnerheer und hindern dann einen nicht näher beschriebenen Reiter an der Flucht. Auch in der letzten Episode (Str.  29–33) treten die Bauern als Handlungsträger in Erscheinung. In den zurückgelassenen Proviantwagen der Gefallenen und Geflohenen finden sie verschiedene Speisen (Str. 29). Zu Beginn des gemeinsamen Mahls am Abend nach der gewonnenen Schlacht verspotten sie als triumphierende Sieger den König, indem sie ihm für die gebratenen Hühner ihren

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 Edition

Dank aussprechen (Str. 30f.). Mit der Ausweitung ihrer Häme auf die Toten auf dem Schlachtfeld (Str. 32f.) an exponierter Stelle am Liedausgang endet der Text. Die Darstellung des Ereignisses in Lied Nr.  8 zeichnet sich zunächst durch eine gewisse Gleichförmigkeit und Einsträngigkeit aus, die zum einen durch die streng chronologische Reihung der Motive ohne Rück- oder Vorausschau und zum anderen durch die sprachlichen Techniken der Motiv- bzw. Strophenverkettung erzeugt werden. Zu diesen zählt an erster Stelle die Anapher: Besonders hervorzuheben ist hierbei die Wiederholung des Subjekts se jeweils am Strophenanfang des Liedabschnitts, der den Zug des gegnerischen Heeres nach Meldorf schildert, zumal nicht allein das Pronomen, sondern mit ihm auch jedes Mal die Satzstruktur wieder aufgegriffen wird (Str. 2–4, 7f.). Im Rahmen des Gesprächs zwischen König Hans und Carsten Holm wird ferner gleich in vier aufeinander folgenden Strophen am Satzbeginn die höfliche Anredeformel Min lever in Gebrauch genommen, die jedoch auch die Funktion hat, den Sprecherwechsel zu markieren (Str. 10–13). Ebenfalls durch Anaphern verbunden sind in der Rede Carsten Holms die Strophen 16 und 17 (Ick will juw) und die Strophen 18 und 19 (Unde steket an), in der Darstellung der Schlacht die Verspaare 26 und 27 (De Rueter) sowie außerdem in der Spottrede der Bauern am Schluss die strophischen Einheiten 32 und 33 (Gistern). An zweiter Stelle findet sich im Text eine Wiederholungsfigur, die durch das positionsunabhängige Wiederaufnehmen eines Wortes oder einer Wortgruppe über die Strophengrenzen hinweg gekennzeichnet ist, und zwar im Fall von heide (3,2 und 4,1), Bungenschleger (5,2 und 6,1), Radt (8,2 und 9,1) und bugden Garden (25,2 und 26,1). Schließlich tragen auch formelhafte Wortfügungen, die verschiedentlich in den Text eingestreut sind, zum gleichförmigen Sprachstil des Liedes bei, und zwar arme und Rick (7,2), Borger unde Radt (8,2), Mede unde win (17,1) sowie Saden unde Braden (29,2). Die beschriebene Gleichförmigkeit wird durch den Wechsel von vermittelt und gerafft dargestellten Ereignissen (Str.  2–8, 24–28) mit überwiegend unvermittelt und zeitdeckend erzählten Begebenheiten (Str.  9–19, 20–23, 29–33) aufgelockert. Den Eindruck von Unmittelbarkeit und Zeitdeckung erzeugt in den bewussten Passagen vor allem der Einsatz direkter Figurenrede. Überdies werden im Zusammenhang damit auf der Klangebene deutliche Akzente gesetzt, und zwar durch den Zusammenfall auftaktloser Verseingänge mit Personenreferenzen in der Sängerrede und direktiven Äußerungen in der Figurenrede. Unter den derart gestalteten Textabschnitten ragt vor allem die Episode hervor, in der der Dithmarscher Carsten Holm den Usurpator König Hans hinsichtlich seiner nächsten militärischen Schritte berät, nachdem dieser mit der Einnahme Meldorfs einen ersten Etappensieg für sich verbuchen konnte. Diese Episode dominiert die Handlung zunächst aufgrund ihres Umfanges. Damit nicht genug tritt sie aber auch in ein gewisses Spannungsverhältnis mit dem folgenden Abschnitt, der

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von Isebrandts Rat an seine Landsleute handelt. Mit Carsten Holm auf der einen und Isebrandt auf der anderen Seite werden zwei Akteure der Handlung vorgestellt, die in Bezug auf ihre Treue gegenüber Dithmarschen nicht unterschiedlicher gezeichnet werden könnten. Mit der kontrastierenden Nacheinanderordnung beider Episoden wird durch den klugen und erfolgreichen Rat des einen der Verrat des anderen besonders akzentuiert. Neben der Häme gegenüber dem erfolglosen König und der gefallenen Garde und dem Triumph der siegreichen Dithmarscher, die beide ihren Ausdruck in den Worten des letzten Textabschnitts finden, gewinnt der Landesverrat in der Frage nach dem dominierenden Aussageinhalt des Liedes damit erhebliches Gewicht. Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 518–520 (nach Hs 8). Wolff 1830, S. 359–361. Müllenhoff 41845, S.  59–61. Schuselka 1847, S.  280 (Auszug 20,1–33,2). Bracklow 1848, S.  26f. (Auszug 25,1–33,2). Liliencron II 1866, Nr. 220. Müller 21867, S. 201 (Auszug 22,1–33,2). – Jacobsohn 1914, S. 43. Stoob 1959, S.  87–89. Lammers ³1987, S.  22. Lammers 1991, S.  156 (mit Abdruck Str.  20–21). Schanze 1992(a), Sp. 694 (Nr. 8). Brandt 2019(a) (mit Textabdruck).

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 Edition

Nr. 9: De wolgebarne koning uth dennemarcken reeth T Datt Veerde Carmen, Ock Sehr aardich unde kunstlich den gantzen Handel, wo de vorlopen, Inholdende.

Das vierte Lied, ebenfalls in sehr kunstvoller und kenntnisreicher Ausführung die Unternehmung, so wie sie verlaufen ist, enthaltend.

1 De wolgebarne koning uth dennemarcken reeth, Wo wol dat ehm geluste. He wolde theen in dat ditmersche beeth, Dar sin vader nuwerle in dorste.

Der wohlgeborene König ritt aus Dänemark aus, wie es ihm gerade gefiel. Er wollte in Dithmarschen einziehen, wohin es sein Vater nie gewagt hatte.

2 He leeth wol schriven einen breeff; He sende ehn in freßlande, Dat dar scholde kamen de junge Man Greve Mitt vofftein dusent mannen.

Er ließ wohl einen Brief schreiben; er sandte diesen nach Friesland, damit dorthin der junge Graf käme zusammen mit fünfzehntausend Männern.

3 De junge Man Greve dat nicht en lathe; He quam all mitt den ersten. Se tögen aldar tho Meldorp drade, To Meldorpe in dat kloster.

Der junge Graf zögerte dies nicht hinaus; er kam auf der Stelle. Sie zogen auf schnellstem Wege nach Meldorf in das Kloster.

4 Dar eten se dat kruth, dar drunken se de meden, Dar eten se de schonen wilden braden. Unde do se wol geteret hadden, Do scholden se dar van staden.

Dort aßen sie Kraut und tranken Met,

5 Se toegen aldar vor Hemmingstede; Ehn ankede ock also harde. Do Sprack juncker Slens aldar, De averste all mang der Garde:

Sie zogen bis vor Hemmingstedt; das kostete sie sehr viel Anstrengung. Da sprach Junker Slentz, der Oberste innerhalb der Garde:

6 „Dat iß mi in den Sinn gekamen: Wi willen unß ummewenden.“ „Neen“, sprak koning Hannß mitt nhamen, „Juw solt schöle gi vordehnen.“

„Das ist mir in den Sinn gekommen: Wir werden umkehren.“ „Nein“, sprach König Hans, „euren Sold müsst ihr euch verdienen.“

7 „Wy willen den ditmerschen jegen staen; Wy willen unß dar wol wehren; Se scholen unß garr nicht entgaen; Wi willen se wol vorvehren!“

„Wir werden den Dithmarschern standhalten; wir werden uns dort gut verteidigen; sie werden uns bestimmt nicht entkommen; wir werden sie gewiss einschüchtern!“

dort aßen sie herrlichen Wildbraten. Und nachdem sie so gut gespeist hatten, mussten sie sofort weiter.

T in Frakturschrift. Marginalglosse Paragraph 25. 1,2 Wo wol] Wowol. 5,3 Slens] unterstrichen. Marginalglosse Nomen Prefecti Guardiae (‚Name des Anführers der Garde‘).  T Veerde] Vöffte Hs 9. Ock … inholdende] fehlt Hs 11. 5,1 aldar] van dar Hs 9, Hs 11. 6,1 gekamen] gefallen Hs 9, Hs 11. 6,3 mitt nhamen] vor allen Hs 9, Hs 11. 7,2 dar] fehlt Hs 9, Hs 11.

Textabdruck und Kommentar 

 329

8 Do se den ditmerschen jegen kemen, De schloegen also sere. Se schloegen de Garde (woll vöfteindusent man) doot; Dar waß ock jo neen mere.

Als sie auf die Dithmarscher trafen, schlugen diese sehr heftig zu. Sie schlugen die Garde tot (gewiss fünfzehntausend Männer); da blieb wirklich keiner mehr übrig.

9 Do se de Garde all dott geschlagen hadden,

Nachdem sie die Garde bis auf den letzten Mann erschlagen hatten, da mussten sie den Reiter angreifen. Sie schlugen den Reiter auf einer kleinen Ebene in kurzer Zeit tot.

Do scholden se den Haveman beginnen. Se schlogen den Haveman schnelle tho doot Up einem kleinen Plane. 10 Deß wart de koninginne enwaer. Se weende ock also sehre: „Sin gy knechte nu tho Hueß gekamen, Wor late gi juwen Eddelen Heren?“ 11 „De ditmerschen hebben ehn aldoott geschlagen, Deß konne wi nicht enkeren. Se dragen sinen Helm, se voren sinen schilt, Dartho sine stolte Banneren.“ 12 De sick jegen ditmerschen setten will, De stelle sick woll thor wehre! Ditmerschen, dat scholen Buren sin? It mögen wol wesen Heren!

Dies erfuhr die Königin. Sie weinte auch sehr heftig: „Da ihr Knechte nun nach Hause gekommen seid, wo lasst ihr dann euren edlen Herrn?“ „Die Dithmarscher haben ihn mausetot geschlagen, das können wir nicht rückgängig machen. Sie tragen seinen Helm, sie führen seinen Schild und dazu sein stolzes Banner.“ Wer sich gegen Dithmarschen stellen will, der möge sich gut zur Wehr setzen! Dithmarscher, das sollen Bauern sein? Sie können wohl Herren sein!

8,3 vöfteindusent] in Frakturschrift. 11,2 Marginalglosse Eleganter hic elegans Poeta fingit obstupefactam vel lamentantem etiam reginam et dissipatos palantes equites, adeo quod alter alterum nescierit; reginae itaque roganti nihil aliud respondere potuerint quam regem occisum vel alter alteri plane contraria narraverit. (‚Geistreich erdichtet dieser geistreiche Dichter die in Erstaunen versetzte und auch wehklagende Königin und die versprengten Reiter, so sehr, dass ein anderer nichts anderes wissen könnte und dass sie daher der fragenden Königin nichts anderes antworten könnten, als dass der König gefallen wäre, und ein anderer könnte einem anderen nur genau das Gegenteil erzählen.‘) 8,3 doot] fehlt Hs 9, Hs 11. 12,2 woll] fehlt Hs 9. 12,4 It] Dat Hs 11. Nach 12,4 folgt Leuen de Ditmerschen noch Söuen Jahr / Se werden der Holsten Heren Hs 9, Hs 11.

330 

 Edition

Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 8, Bl. 230v–231r; Hs 8.1, Bd. 1, S. 1105–1107; Hs 8.2, S. 763–765; Hs 8.3, S. 403f.; Hs 9, Bl. 142r–142v; Hs 9.1, Bl. 135r–135v; Hs 9.2, S. 220f.; Hs 9.3, Bl. 142r–142v; Hs 9.4, S. 254f.; Hs 9.5, S. 498–500; Hs 9.6, S. 161f.; Hs 9.7, S. 188f.; Hs 9.8, S. 313–316; Hs 9.9, S. 140f.; Hs 9.10, S. 189f.; Hs 9.11, S. 187–189; Hs 11, Bl. 103v–104v.

Die schriftliche Überlieferung von Lied Nr. 9 setzte um 1598 ein. Auf dieses Jahr datierte Neocorus die Niederschrift der von ihm verfassten Chronik des Landes Dithmarschen (Hs 8) als ältesten schriftlichen Überlieferungszeugen. Die räumliche Verbreitung konzentriert sich ausgehend von den nachweisbaren bzw. mutmaßlichen Entstehungsorten der Handschriften auf Dithmarschen, wenngleich einige Handschriften späterhin in norddeutschen und dänischen Besitz außerhalb Dithmarschens gelangten. Lied Nr. 9 wird bei Neocorus (Hs 8) im Verbund mit den Reimpaarreden Nr. 1 und 2 sowie mit den Liedern Nr. 8, 10 und 11 überliefert. Hans Detleff (Hs 9) fügte diesem Verbund um 1634 mit der Nr. 12A ein weiteres Stück hinzu, ließ dafür aber die Nr. 10 unberücksichtigt. Einzelüberlieferungen sind für Lied 9 nicht bezeugt. In Hs 8 und ihren diversen Reproduktionen erscheint es stets an vierter Stelle des Textverbundes hinter Nr. 1, Nr. 2, Nr. 8 und vor Nr. 10 und Nr. 11. In Hs 9 nimmt die Aufzeichnung von Lied 9 die sechste Stelle hinter Nr.  1, Nr.  2, Nr.  11, dem Epigramm von Nr. 2 und Nr. 8 vor Nr. 12A ein. Insgesamt erstreckt sich die nachweisbare handschriftliche Tradierung des Liedes auf den Zeitraum von 1598 (Hs 8) bis in das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts (Hs 9.11). Hinsichtlich der Überlieferungsformen dominiert mit den Dithmarscher Landeschroniken von Johannes Neocorus (Hs 8) und Hans Detleff (Hs 9) einschließlich ihrer zahlreichen Bearbeitungen die chronikalische Einzelhandschrift in Codexform. Hier wurde der Verbund der Lieder und Reimpaardichtungen mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt jeweils als Appendix zur Darstellung der Schlacht in die Chronik eingefügt. Mit Hs 11 liegt nur eine einzige Sammelhandschrift im Heftformat vor, in der Lied Nr. 9 als gleichgeordnetes Sammelobjekt neben Nr. 1, Nr. 2, Nr. 8, Nr. 11 sowie Nr. 12C und Nr. 12A erscheint. Sämtliche Aufzeichnungen von Lied 9 gehen auf den Text von Neocorus in Hs  8 zurück. Zwei Überlieferungszweige gibt es: zum einen die Verschriftung des Liedes in den Reproduktionen von Hs 8, zum anderen die Aufnahme in die Chronik von Hans Detleff (Hs 9) und von dort aus in die von seinem Autograph abhängigen Manuskripte. Auf den zuletzt genannten Zweig ist auch die Notation von Nr.  9 in der Sammelhandschrift Hs  11 zurückzuführen; zumindest belegen dies die Wortlautvarianten, hinsichtlich derer die Textrealisierungen in Hs 9 und Hs  11 übereinstimmen. Mit Blick auf die Positionierung des Liedes im Textver-

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bund folgt die Aufzeichnung in Hs 11 allerdings der Chronik von Neocorus (Hs 8) bzw. dem ersten Überlieferungsstrang. Denn wie dort steht das Lied auch hier an vierter Stelle hinter Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 8. Entsprechend stimmen auch die Überschriften zum Lied in Hs 8 (Datt Veerde Carmen) und Hs 11 (Dat verde Carmen) überein, während es in Hs 9 heißt: Dat Vöffte Carmen. Die auffälligste Wortlautvarianz liegt mit den Versen Leven de Ditmerschen noch Söven Jahr / Se werden der Holsten Heren vor, die Hans Detleff (Hs 9) dem Lied am Ende hinzufügte. Keiner der Textzeugen reflektiert die strophische Gliederung von Lied 9 im Seitenlayout, weder durch Absätze und Leerräume noch durch eine Strophenzählung. Stattdessen wurden die Verse jeweils en bloc untereinander gesetzt. Neocorus (Hs 8) rückte jeden zweiten Vers ein, wonach sich auch die Notation in Hs 11 richtete; Hans Detleff (Hs 9) hingegen schrieb die Verszeilen linksbündig nieder. Ohne die Verse 12,1f., dafür aber ergänzt um die in Hs 9 und Hs 11 hinzugefügten zwei Verse findet sich die Äußerung auch in Lied 15 (Str. 5) und Lied 16 (Str. 6). Beide Lieder beziehen sich auf den Landungsversuch Herzog Christians von Holstein in Dithmarschen im Jahr 1531. Überliefert sind sie lediglich in der Chronik von Hans Detleff, nicht aber bei Johannes Neocorus. Vermutlich angeregt durch diese zwei Lieder hat Hans Detleff Lied 9 um die besagten zwei Verse erweitert.

Sprachstand Der Sprachstand ist nordniederdeutsch. Dies indiziert das Ensemble aus folgenden Varianten: – die Graphie für gedehntes offenes o (Peters 1987, 1.2.2): wolgebarne (1,1), kamen (2,3), averste (5,4), gekamen (6,1; 10,3), Haveman (9,2), – der Einheitskasus der 1. und 2. Person Dativ und Akkusativ auf Dativbasis bei den Personalpronomen (Peters 1987, 2.4): mi (6,1), unß (6,2; 7,2; 7,3), und – der Einheitsplural Präsens Indikativ mit der Endung -en (Peters 1987, 2.1.1.): willen (6,2; 7,1f.; 7,4), scholen (7,3), hebben (11,1), dragen, voren (11,3). Spätmittelniederdeutschen Einfluss belegen vereinzelte -Schreibungen in bestimmten Konsonantenverbindungen (Peters 1987, 1.4.7.): schloegen, schlogen (8,2f.; 9,3), geschlagen (9,1; 11,1), schnelle (9,3).

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 Edition

Stellenkommentar 1,1 koning uth dennemarcken: Hans I., König von Dänemark? (vgl. Kap. 3.2) 1,2 wo wol: hier adverbial ‚wie sehr, wie wohl‘ (vgl. DWB XXIX, Sp. 1636). geluste: 3. Singular Präteritum von gelüsten ‚Lust haben an etwas, belieben, gefallen‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 61), mit synkopiertem Nebensilbenvokal zwischen gleichartigen Konsonanten (vgl. Lasch 21974, § 217, IV.). 1,4 sin vader: König Christian I. (vgl. Kap. 3.2). 2,3 dar: ‚dorthin‘. Gemeint ist Dithmarschen, wohin der König einen Feldzug unternehmen will (1,3). de junge Man Greve: Figur, die im Lied als Führer eines Heeres von fünfzehntausend Männern eingeführt wird und sich zunächst in Friesland befindet. Ausgehend von 2,2 und 5,3f. kann es sich hierbei nur um den in 5,3 juncker Slens genannten Anführer der großen Garde handeln (vgl. Kap. 3.2). Der Grafentitel ist für die historische Person Thomas Slentz allerdings nicht belegt und an dieser Stelle als fiktive Ergänzung aufzufassen. 3,1 De junge Man Greve: vgl. 2,3. lathe: 3. Singular Präteritum (mit Rückumlaut) vom schwachen Verbum letten ‚hinauszögern, verhindern, aufhalten‘ (Schiller / Lübben II, S. 674f.; Mnd. Hwb. II/1, Sp. 797); mit synkopiertem Nebensilbenvokal zwischen gleichartigen Konsonanten (vgl. Lasch 21974, § 217, IV.). 4,1–4 Vgl. Nr. 16, Str. 2f. (vgl. Kap. 4). Wildbret zählte im Mittelalter zu den typischen Speisen des Adels (Herrenspeisen). Vgl. Bumke 112005, S. 242f. 4,4 van staden: Adverb ‚auf der Stelle, sofort‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 642). Der Satz ist unvollständig; es fehlt die Infinitivergänzung zu scholden. Dem Kontext zufolge beschreibt der Satz jedoch das Aufbrechen zum Weitermarsch nach Hemmingstedt (vgl. Str. 5). Dies deckt sich auch mit der Strophenvariante in Lied 16 (Str. 3): Se mosten wedder to Wege. 5,2 ankede: 3. Singular Präteritum Indikativ von anken ‚seufzen, stöhnen‘ (Schiller / Lübben I, S. 93; Mnd. Hwb. I, Sp. 92). Ohne Subjekt und in Verbindung mit dem Dativobjekt Ehn ‚ihnen‘ ist anken an dieser Stelle transitiv etwa mit ‚anstrengen, Mühe machen, Anstrengung kosten‘ zu übertragen. 9,2 Havemann: ‚Edelmann‘ oder ‚Reiter, reitender Krieger‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 368). Der Reiter, der von den Dithmarschern in der Schlacht zu Fall gebracht wird, findet sich auch im Figureninventar der Lieder Nr. 8 (Str. 26–28) und Nr. 12A (V. 28–34). 9,3 Aus der Verbindung mit dem Motiv der klagenden Königin durch das Pronomen Deß in 10,1 ist zu schließen, dass es sich bei dem Erschlagenen um den König handeln muss. Vorausgesetzt, man bezieht die Figur des Königs auf König Hans I. von Dänemark, handelt es sich bei der Aussage in 9,3 um einen fiktiven Sachverhalt. Denn König Hans ist nicht in der Schlacht gefallen, sondern lebte bis 1513 (Lange 1996, S. 154). Liliencron verweist in Bezug auf den erschlagenen

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Haveman auf eines der dänischen Folkeviser, das ebenfalls vom Tod des Königs spricht (Liliencron II 1866, S. 454). 9,4 Plane: von plan ‚Ebene, Fläche‘ (DWB XIII, Sp. 1883), auch ‚Kampfplatz‘ (ebd., Sp. 1883f.). Auf die Verwendungshäufigkeit des Wortes plan in letzterem Sinne in der Heldenepik sowie auch in den eidgenössischen ereignisbezogenen Dichtungen verweist Schlumpf 1969, S. 29. 10,1–4 Zur Klage der Angehörigen als wiederkehrendes Element in den eidgenössischen Ereignisdichtungen vgl.  Schlumpf 1969, S.  49; weitere Beispiele bei Jacobsohn 1914, S. 34–36. 11,3f. Metrisch und inhaltlich ähnliche Wendungen, die den Verbleib der königlichen Insignien und Waffen thematisieren, haben auch die Fassungen von Lied Nr. 12: in der Sprecherrede in A (V. 36) und C (V. 13), in der Figurenrede in B (V. 12). 12,1–4 Mit der programmatischen Äußerung, die Dithmarscher könnten Herren sein, greift der Text eine typische Argumentation aus städtefeindlichen Ereignisdichtungen vonseiten des Adels auf – die Anmaßung adliger Lebensformen (vgl.  hierzu Kerth 1997, S.  23f.), formuliert damit aber gerade keinen Vorwurf gegenüber den Bauern, weil diese sich adlige Lebensweisen und die Kriegsführung anmaßten, sondern spricht ihnen aufgrund ihres Sieges ausdrücklich das Herrschaftsrecht zu. Die Mahnung wird in der Edition als Äußerung auf der Ebene der Sprecherinstanz wiedergegeben. Denkbar ist jedoch auch, dass mit Strophe 12 die Figurenrede der Knechte aus Strophe 11 fortgesetzt wird. Die Verse 12,3f. zusammen mit den durch Hans Detleff ergänzten Versen werden auch von Lied 15 (Str. 5) und Lied 16 (Str. 6) bezeugt (vgl. Kap. 4).

Literarischer Kommentar Metrik Zwar wurde Lied Nr. 9 nicht strophisch aufgezeichnet, jedoch lässt sich recht deutlich ein sich regelmäßig wiederholendes metrisches Muster erkennen. Danach wechseln längere, meist vierhebige, männlich oder weiblich ausklingende Verse mit kürzeren, überwiegend dreihebigen und weiblich kadenzierenden Verszeilen; auftaktige Verse überwiegen. Mit Rücksicht auf inhaltliche Sinn-einheiten und auf die Endreimverhältnisse kann der Text in zwölf Strophen aus jeweils vier Zeilen untergliedert werden, deren Schema dem Bauplan der Vagantenstrophe entspricht.70 Neben den erwartbaren Abweichungen von diesem Schema hinsichtlich Versanfang, Versschluss und Endreim fallen anstelle der Vierheber die

70 Frank 21993, 4.36.

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gelegentlichen Sechsheber mit Zäsur nach dem dritten Takt auf, die allerdings nicht an eine bestimmte Zeile innerhalb des Versverbundes gekoppelt zu sein scheinen: 1,1: De wólgebárne kóning | uth dénnemárcken réeth 4,1: Dar éten sé dat krúth, | dar drúnken sé de méden 11,3: Se drágen sínen Hélm, | se vóren sínen schílt

Ferner treten sporadische Übertretungen der Hebungszahl auf (4,2; 8,3; 9,1; 10,4). Im Falle von 8,3 können die zwei überzähligen Hebungen mit einiger Sicherheit auf Interpolation zurückgeführt werden. Neocorus (oder gegebenenfalls der Schreiber seiner Vorlage) hat die in 2,4 metrisch passend geäußerte Anzahl der Söldner (vofftein dusent) wiederaufgenommen und hier eingesetzt (vöfteindusent). Ursprünglich wird an dieser Stelle wohl ein ähnlich lautender Vierheber wie in 9,3 gestanden haben (Se schlogen den Havemann schnelle tho doot). Dies legt zumindest die generelle konzeptionelle Ähnlichkeit der Strophen 8 und 9 hinsichtlich ihrer syntaktischen Struktur und ihres Wortlautes nahe. Äußerungsinstanz Ort und Zeitpunkt des textinternen Äußerungsereignisses werden weder durch symbolische, noch durch deiktische Ausdrücke im Text vermittelt. Lediglich der präteritale Zugriff auf die Handlung drückt aus, dass diese relativ zum Äußerungszeitpunkt in die Vergangenheit situiert werden muss. Auch die textinternen Sprecher- und Adressateninstanzen bleiben weitgehend ohne sichtbare Konturen. Allenfalls Strophe 12, sofern diese wie im vorliegenden Fall als Aussage des Sprechers aufgefasst wird, bietet einige Anhaltspunkte: Hier abstrahiert die Äußerungsinstanz von dem zuvor vermittelten Vorfall und formuliert die generelle Aufforderung an alle Feinde Dithmarschens, sich gut zu wappnen (12,1f.). Sprachlicher Indikator für die Aufforderung ist der Konjunktiv stelle in der Verbalphrase stelle sick woll thor wehre (12,2). Die vorhergehende Schilderung von dem Sieg der Dithmarscher über ein Heer von 15000  Männern verleiht dieser Aufforderung schließlich die Dringlichkeit und Nachdrücklichkeit einer Mahnung. Sowohl diese Mahnung als auch der programmatische letzte Vers It mögen wol wesen Heren! (12,4) lassen überdies keinen Zweifel an der Sympathie der Äußerungsinstanz mit den Dithmarschern aufkommen.

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Inhalt und Aufbau Der Text besteht aus einem erzählenden Teil mit Fokus auf den dänischen König und seinen Feldzug in Dithmarschen (Str. 1–11) und einem kommentierenden Teil im Umfang einer Strophe am Schluss (Str.  12). Der Erzählteil lässt sich in fünf kleinere Handlungsabschnitte aufgliedern: Das Lied beginnt in medias res mit einem Abschnitt (Str. 1f.), der zunächst die Absicht des dänischen Königs konstatiert, einen Feldzug nach Dithmarschen zu unternehmen (1,1–3), und sich dann mit den Vorbereitungen befasst, die der König zu dieser Unternehmung trifft. Mit dem Ortswechsel in der dritten Strophe vom nicht näher bestimmten Aufenthaltsort des Königs zu den Schauplätzen von Feldzug und Schlacht im Land Dithmarschen wird der zweite und umfangreichste Abschnitt des Erzählteils eingeleitet. Dieser reicht von Strophe 3 bis 9 und kann wiederum in drei kleinere Abschnitte untergliedert werden: In Strophe 3 bis 5 wird in geraffter Weise der Zug des Heeres durch Dithmarschen geschildert: Zunächst ist davon die Rede, dass der vom König um Hilfe ersuchte Graf (Str. 2) sehr schnell eintrifft und zusammen mit seinen Männern ebenso schnell nach Meldorf in das Kloster zieht (Str. 3). Dort tun sie sich gütlich an Honigwein und Wildbraten, bevor sie gut gestärkt weiterziehen müssen (Str.  4). Strophe 5 kann als Scharnier zwischen diesem und dem nächsten in Dithmarschen situierten Handlungsabschnitt (Str. 6f.) aufgefasst werden, da einerseits mit der Ankunft vor Hemmingstedt zunächst die Beschreibung des Feldzuges fortgesetzt wird (5,1), jedoch andererseits schon die Rede von Junker Slentz eingeleitet wird (5,3f.). Zudem deutet sich in der besagten Strophe ein Stimmungswechsel seitens des Heeres an: War der Feldzug mit seinem schnellen Voranschreiten und dem reichen Mahl im Meldorfer Kloster bisher grundsätzlich positiv attribuiert, so zeigt sich nun vor Hemmingstedt die Erschöpfung der Männer (5,2). Es folgen in Strophe 6 und 7 die direkten Figurenreden von Slentz und König Hans. Diese sind Ausdruck des Innehaltens kurz vor dem Aufeinandertreffen des königlichen Heeres mit den Dithmarschern und kontrastieren mit dem zügigen Voranschreiten des Heeres im vorigen Abschnitt. Zunächst meldet Junker Slentz gegenüber dem König Bedenken hinsichtlich des Kriegszugs an und schlägt vor, wieder umzukehren. Der König hingegen wehrt diesen Vorschlag ab (Str. 6). In Strophe 7 setzt er seine Rede fort; hier deutet der Wechsel in der Adressierungsform von der 2. Plural Juw (6,4) zur 1. Plural Wy und ihre beinah beschwörende Wiederholung in der Phrase Wy willen (7,1f.; 7,4) jedoch auf einen anderen Redetypus hin: Im Angesicht der unmittelbar bevorstehenden Konfrontation mit den feindlichen Truppen spricht der König nun in der Absicht, sich und vor allem seine Kombattanten von der Überwindbarkeit und Besiegbarkeit der Dithmarscher zu überzeugen und damit an die Tapferkeit der Männer zu appellieren. Nach

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der Eingangsstrophe wird mit dieser Feldherrenrede ein zweites und schließlich letztes Mal die Entschlossenheit des Königs zum Krieg gegen die Dithmarscher hervorgehoben. Nachdem die Figurenreden in Strophe 6 und 7 den weiteren Handlungsverlauf zunächst hinausgezögert haben, kommt es gleich im Anschluss an die zuversichtliche Ansprache des Königs zur Begegnung mit den Dithmarschern (Str. 8f.). Kurz und knapp werden der Kampf und die Niederlage des königlichen Heeres dargestellt. Träger der Handlung sind an diesem Punkt nicht mehr der König, der Anführer der Garde und das königliche Heer, sondern die Dithmarscher, die zuerst die Garde schlagen und anschließend den König töten. Der letzte Abschnitt des Erzählteils wird wieder mit einem Wechsel des Handlungsschauplatzes eingeleitet: Wo zu Beginn der König ins Auge gefasst wurde, erscheint nun am Schluss die Königin als Akteurin der Handlung. Sie stellt fest, dass die Knappen ohne den König aus der Schlacht zurückgekehrt sind und beklagt ihren Verlust (Str. 10). Mit Strophe 12 werden schließlich nicht mehr der König von Dänemark und seine militärische Unternehmung in Dithmarschen fokussiert, sondern das Land Dithmarschen und seine Bewohner selbst. Zudem handelt es sich nicht mehr um eine narrative Äußerung, sondern um eine kommentierende. Durch die tendenziöse (mahnende) und gegenwartsbezogene Aussage am Ende erhalten die Darstellung des vergangenen Vorfalls und der Vorfall selbst politische Relevanz. Der Ereignisbezug zeichnet sich zum einen durch die Unvermitteltheit des Geschehens aus, die durch den Beginn in medias res, den Einsatz direkter Figurenrede sowie die über weite Strecken des Liedes unkonturiert und im Hintergrund verbleibende Äußerungsinstanz erreicht wird. Zum anderen fällt die streng chronologische Reihung der Handlungsmotive auf. Zum dritten schließlich ist der besonders häufige Einsatz von Wiederholungsfiguren zu nennen. Letztere lassen sich nach Position und Distribution im Text unterteilen in binnenstrophische und strophenübergreifende Wiederholungen. Wiederholungen innerhalb der Strophengrenzen finden sich in Strophe 3 (3,3: tho Meldorp; 3,4: To Meldorpe) und in Strophe 4 (4,1 und 4,2: Dar eten se). Strophenübergreifende Wiederholungsfiguren verbinden die aufeinanderfolgenden Strophen 2 und 3 (2,3 und 3,1: de junge Man Greve) sowie auch die Strophen 3 und 5 (3,3 und 5,1: Se tögen aldar). An drei Stellen im Lied greifen binnenstrophische und strophenübergreifende Repetition endlich ineinander, und zwar in den Strophen 1 und 2 mit der Anapher He (1,3; 2,1f.), in den Strophen 6 und 7 mit der Anapher Wy willen (6,2; 7,1f.; 7,4) sowie in den Strophen 8, 9 und 11 mit Formen aus den Paradigmen von ‚schlagen‘ und ‚totschlagen‘ (8,2: schloegen; 8,3: schloegen […] doot; 9,1: dott geschlagen; 9,3: schlogen … doot; 11,1: aldoott geschlagen).

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Charakteristisch für die Wiederholungsfiguren in Lied Nr.  9 ist ihre Kopplung an bestimmte Episoden der Handlung: Die Anapher des Pronomens He in Strophe 1 und 2 fällt zusammen mit Abschnitt 1; die Wiederholung von Se tögen aldar in Strophe 3 und 5 betrifft Abschnitt 2; die Distribution der Anapher Wi willen in den Strophen 6 und 7 deckt sich mit Abschnitt 3; die Wiederholungsfigur auf der Grundlage von ‚schlagen‘ und ‚tot schlagen‘ in den Strophen 8, 9 und 11 prägt vornehmlich Abschnitt 4 und verklammert diesen zudem mit Abschnitt 5 der Handlung. Aus diesem Befund folgt, dass durch die Repetitionsfiguren die Handlungsstruktur auf der Klangebene des Liedes nachvollzogen wird. Daneben erfüllen die Wiederholungen mit der Emphase bestimmter Handlungsmotive und Figurenzeichnungen eine weitere Funktion. Mit Blick auf die Informationsvermittlung ist hier zunächst eine Unterscheidung zu treffen zwischen den Anaphern einerseits und der Repetition von ‚schlagen‘ und ‚totschlagen‘ andererseits. Mit den Anaphern in den Strophen 1 und 2, 3 und 5 sowie 6 und 7 werden zwar zugleich bestimmte syntaktische Muster wiederaufgegriffen. Die durch den initialen Gleichklang verbundenen Verse unterscheiden sich jedoch jedesmal in der Ausprägung der folgenden Satzglieder. Das heißt, die Emphase besteht hier nicht in einer mit der Wortwiederholung einhergehenden Wiederholung der Satzaussage. Insofern erzeugen die Repetitionsfiguren in den betreffenden Episoden keine Redundanz. Vielmehr akzentuieren sie – da es sich in jedem Fall um die Wiederholung von Satzsubjekten sowie in den Strophen 3 und 5 sowie 6 und 7 auch um das Wiederaufnehmen der finiten Verbform handelt – den Tatendrang und die Entschlossenheit der Figur des Königs (Str. 1f.; Str. 6f.) sowie auch den zügigen Marsch des königlichen Heeres durch Dithmarschen (Str. 3; Str. 5). Mit den Wiederholungen in den Handlungsabschnitten 4 und 5 hingegen korrespondiert die Mehrfachvermittlung von Informationen; diese Abschnitte sind als redundant anzusprechen. Zweimal wird ausgesagt, dass die Dithmarscher die Garde totgeschlagen haben (8,3; 9,1). Zweifach wird überdies auch die Information formuliert, dass die Dithmarscher den König erschlagen haben (9,3; 11,1). Die emphatische Funktion der Wiederholungsfiguren äußert sich in den Abschnitten 4 und 5 demnach vordergründig in der Akzenturierung von Informationen. Verbunden mit der Hervorhebung der Akteure dieses Handlungsabschnitts durch die Anapher Se schlogen/schloegen (8,3; 9,3) sowie mit der Wiederholungsdichte der Flexionsformen von ‚schlagen‘ und ‚totschlagen‘ dienen die Repetitionsfiguren auch in diesem Textabschnitt der Hervorhebung von Handlungsmotiven und Figurenattribuierungen: Sie heben ab auf das Schlachtmotiv der Handlung sowie auch auf die Tatkraft und die Stärke der Dithmarscher.71

71 Zum Schlacht- und Tötungsmotiv vgl. auch Inhalt und Aufbau von Nr. 4.

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 Edition

Eine dritte Funktion der Wiederholungsfiguren zeichnet sich schließlich ab mit ihrer Ausprägung in den Strophen 6 und 7 sowie in den Strophen 8 und 9. Nachdem Junker Slentz dem König vorgeschlagen hat, den Rückzug anzutreten (Str. 6), erreicht die Vermittlung der Entschlossenheit des Königs ihren vorläufigen Höhepunkt, der in der Anapher Wy willen (Str. 7) und im Verbund mit dem Typ der Feldherrenrede kurz vor der Schlacht seinen deutlichen Ausdruck findet. Der folgende Abschnitt kontrastiert in zweifacher Hinsicht mit dieser Episode: Wurden zuvor der König und sein Heer als Handlungssubjekte fokussiert, so treten nun erstmals die Dithmarscher als Akteure in Erscheinung. Mit ihnen, die das Kampfgeschehen klar dominieren und für sich entscheiden können, wird die Feldherrenrede des Königs sogleich auf drastische Weise ad absurdum geführt. Mit diesem krassen Wandel im Handlungsverlauf korrespondiert schließlich der Wechsel der Wiederholungsfigur von der Anapher zur Wiederaufnahme des Tötungsmotivs. Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 521f. (nach Hs 8). Wolff 1830, S. 353f. Müllenhoff 41845, S. 61f. Liliencron II 1866, Nr. 219. – Jacobsohn 1914, S. 30. Lammers ³1987, S. 22. Lammers 1987, S. 63 (Abdruck Str. 11f.). Schanze 1992(a), Sp. 694 (Nr. 9). Frank 1995, S. 131 (Abdruck Str. 10f.). Brandt 2019(a) (mit Textabdruck).

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Nr. 10: Dre dage Vor Sunte Valentin T Datt Vöffte Pöema welches Nichtes weiniger wen de vorigen alle sehr kortlick doch richtich unde ardich De schlachtung affmahlet.

Das fünfte Gedicht, welches nicht weniger als die vorigen sehr kurz und dabei dennoch richtig und vortrefflich die Schlacht schildert.

1 Dre dage Vor Sunte Valentin Tooch koning Hanß tho Wintbergen in Mit Dortich dusent Mannen. He schloͤch de kleinen kinder doedt, Dat de schilt vloet in dem blode roott. Dat mochte wol Gott erbarmen!

Drei Tage vor St. Valentin zog König Hans mit dreißigtausend Männern in Windbergen ein. Er schlug die kleinen Kinder tot, sodass der Schild voll von rotem Blut war. Dessen möchte sich Gott erbarmen!

2 He tooch tho Meldorp, in dat Blick. He vorede dar vele gudes mit sick Bi einem Aventsterne.

Er zog nach Meldorf, in den kleinen Ort. Er führte dorthin viele Güter mit sich beim Leuchten eines Abendsterns.

T in Frakturschrift. Daneben Marginalglosse 26. Paragraph 1,3 Marginalglosse Numerus copiarum Regis (‚Truppenstärke des Königs‘). Nach 2,3 bricht der Text ab.

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 8, Bl. 231r–231v; Hs 8.1, S. 1107f.; Hs 8.2, S. 765; Hs 8.3, S. 404f.

Der Verfasser des Liedes ist unbekannt. Die früheste Aufzeichnung stammt von dem Büsumer Pfarrer und Chronisten Johannes Neocorus in Dithmarschen, der das Lied zusammen mit den Reimpaarreden Nr. 1 und 2 sowie mit den Liedern Nr. 8, 9 und 11 in seine auf das Jahr 1598 datierte und in Büsum verfertigte ‚Dithmersche historische Geschichte‘ (Hs 8) aufnahm. Ausgehend von Neocorus’ Autograph gelangte Lied 10 im Verbund mit den anderen Ereignisdichtungen in die Reproduktionen Hs 8.1, Hs 8.2 und Hs 8.3, die im 17. und 18. Jahrhundert vermutlich in Dithmarschen angefertigt wurden. In sämtlichen Manuskripten wurde das Stück an die fünfte Stelle des Ensembles der Hemmingstedter Ereignisdichtungen positioniert, die als Anhang zur Prosadarstellung der bewussten Schlacht in die Chronik inseriert wurden. Im Gegensatz zu den anderen bei Neocorus überlieferten Ereignisdichtungen hat Hans Detleff das Lied nicht in seine Chronik (Hs 9) aufgenommen. Die Notation des Liedes in Hs  8 bricht mitten in der zweiten Strophe nach Vers 3 ab. Es folgt ein Leerraum mit Platz für mindestens viereinhalb weitere Strophen, bevor sich auf derselben Seite die Aufzeichnung von Lied Nr. 11 anschließt. Die Überschrift gibt an, dass das Stück ebenso wie die vorangegangenen Reimpaarreden und Lieder die Schlacht darstellen würde. Dies indiziert, dass Neocorus der gesamte Text vorlag bzw. bekannt war und dass er ursprünglich beabsichtigt hatte, das ganze Stück aufzuzeichnen.

Sprachstand Der Sprachstand ist mittelniederdeutsch. Regional charakteristische Varianten können nicht beobachtet werden; mit der Form Sunte (1,1) etwa liegt eine überregional verbreitete Ausprägung von ‚sanctus‘ vor (Peters 1988, 4.3.5.). Charakteristisch für die hochdeutsch beeinflusste Spätphase des Mittelniederdeutschen, in der das Lied verschriftet wurde, ist u. a. die Graphie vor Liquid /l/ in schloͤch (1,4) (Peters 1987, 1.4.7.).

Stellenkommentar 1,1 11. Februar. Im Verlauf des historischen Ereignisses erfolgte der Einmarsch des königlichen Heeres in Windbergen am 12. Februar 1500 (Lammers ³1987, S. 131).

Textabdruck und Kommentar 

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1,4f. Das Motiv des Kindermordes geht zurück auf Matthäus 2,16: Nachdem Herodes durch die Sternendeuter von der Geburt des Messias in Bethlehem erfahren hatte, diese seiner Bitte aber nicht Folge geleistet hatten, ihm den Aufenthaltsort des Kindes zu nennen, befahl er, alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren in Bethlehem und Umgebung töten zu lassen. „Die Rolle als Kindermörder hat Herodes einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis der Christen gesichert.“ (Baltrusch 2012, S.  354) Als „Personifikation des Bösen schlechthin“ (ebd., S.  358) zählt Herodes beispielsweise im Zusammenhang mit dem Kindermord von Bethlehem seit dem 11. Jahrhundert zum festen Figureninventar des geistlichen Spiels (ebd., S. 358–364). In Lied 12 wurde das Motiv besonders drastisch ausgestaltet, indem die Figur des Königs nicht allein zum Kindermord aufruft, sondern diesen sogar selbst begeht. – Im Zusammenhang mit der Eroberung von Meldorf am 13. Februar 1500 berichtet der Chronist Reimar Kock (gest. 1569) von „Herodiansche[r] Tyrannie“ (Lammers ³1987, S. 133). 2,3 Zeitangabe ‚zur Zeit der Abenddämmerung‘, wenn nach Sonnenuntergang mit dem Abendstern das hellste Gestirn am Himmel sichtbar wird. Dabei handelt es sich gemeinhin um den Planeten Venus (vgl. DWB I, Sp. 26). Der unbestimmte Artikel deutet jedoch darauf hin, dass im Lied kein bestimmtes Gestirn gemeint ist, sondern eben lediglich das hellste.

Literarischer Kommentar Metrik Dem Lied Nr.  10 liegt das Schema der Schweifreimstrophe zugrunde:72 Dieses ist aus zwei Terzinen aufgebaut, die jeweils aus einem männlichen vierhebigen Reimpaar bestehen und mit einem weiblichen dreihebigen Vers schließen. Die zwei Dreiheber bilden ebenfalls ein Reimpaar und verklammern auf diese Weise die zwei Strophenteile miteinander. Sämtliche Verse des Sechszeilers beginnen mit einem Auftakt. Äußerungsinstanz Im überlieferten Textfragment werden weder die Umrisse der Sprecher- und Hörerinstanz sichtbar gemacht noch der Zeitpunkt und der Ort der textinternen Äußerung durch deiktische oder symbolische Ausdrücke benannt. Auszunehmen hiervon ist die Tagesangabe nach dem Heiligenkalender in 1,1. In 1,6 schaltet

72 Frank 21993, 6.19.

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 Edition

sich die Äußerungsinstanz zudem kommentierend ein, indem sie angesichts des abscheulichen Kindermordes in Windbergen ihre Hoffnung auf göttliches Erbarmen in Worte fasst. Inhalt und Aufbau Das Lied setzt ohne Einführung und unvermittelt mit der Handlung ein. Strophe 1 schildert den Einzug König Hans’ in Windbergen und den anschließenden Kindermord; Strophe 2 setzt fort mit der abendlichen Ankunft des Königs in Meldorf, bevor der Text abbricht. Der König wird als Kindermörder in die Liedhandlung eingeführt und figuriert damit in der Tradition der Herodes-Figur im geistlichen Spiel als besonders grausamer Herrscher. Die Schilderung von seinem blutübertrömten Schild unterstreicht die Brutalität seiner Tat und kontrastiert mit der Barmherzigkeit Gottes, die die Sprecherinstanz am Ende der ersten Strophe erbittet. Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 522f. (nach Hs 8). Müllenhoff 41845, S. 64. Liliencron II 1866, Nr. 214. Beeck 1956, S. 61 (Str. 1) – Lammers ³1987, S. 22. Schanze 1992(a), Sp. 695 (Nr. 10).

Textabdruck und Kommentar 

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3 Te

Nr. 11: De Herr hefft sick erbarmet T Datt Soste Carmen, Welckes ick erachte, de Selige Herr Andreas Brues gedichtet hebbe, dewill itt eines rechten reinen Christengelovens.

Das sechste Lied, von welchem ich denke, dass es der selige Herr Andreas Brus gedichtet hat, weil es von einem wahren, reinen Christenglauben zeugt.

1 De Herr hefft sick erbarmet Thor Tidt deß angstes grot. Ditmerschen iß bescharmet Vaken in siner nodt Vor köning unnd Forsten grott.

Der Herr hat sich in der Zeit großer Furcht erbarmt. Dithmarschen wurde in seiner Not oft vor Königen und mächtigen Fürsten beschützt.

2 Unse koning hefft unß gereddet, De Gott vam Hemmelrick. De Viende sint thotreddet, Erdödet jammerlick. So halp Gott gnedichlich.

Unser König hat uns gerettet, der Gott des Himmelreichs. Die Feinde sind zertreten, wurden jämmerlich getötet. So half Gott voller Gnade.

3 Sonderlich do unß deed Moye De Hochbarn Hertog Gerdt Unnd leth wech driven de koye, Bleve wi doch Unvorvertt Vor sinem Bagen unnd schwertt.

Besonders damals, als uns der hochgeborene Herzog Gerhard Mühe machte und die Kühe wegtreiben ließ, blieben wir vor seinem Bogen und Schwert dennoch unerschrocken.

4 Doem schreeff 400 negst dusent Unnd veer im Sommer, he quam. He makd nen lange brusent; Gar drade wart he tam. He wart geschlagen in der Ham.

Als man das Jahr 1404 im Sommer schrieb, da kam er. Er machte nicht sehr lange Lärm; recht bald wurde er zahm. Er wurde in der Hamme geschlagen.

5 Sine Edlen unnd Landsknechte Se mosten mede tho. Wi lehrden ehn recht vechten, Nemen wedder Perd unnd koh. Noch mosten se dar tho.

Die Adligen und die Landsknechte bei ihm traf es gleichfalls. Wir brachten ihnen richtiges Kämpfen bei, nahmen uns Pferd und Kuh wieder zurück. Dennoch traf es sie ebenso.

6 Men schreff dusent Viffhundert Umm Valentini Tidt.

Man schrieb das Jahr 1500 um den Valentinstag herum.

T in Frakturschrift, auf dem Rand von gleicher Hand die Glosse: Iste tertium erit in ordine. (‚Dieses wird das dritte in der Reihe sein.‘) In Johan Vinkß Scharteken gefunden gar older schrifft up Busen. Marginalglosse paragraf 27 von anderer Hand. T Datt … Christengelovens] Dat Drüdde Carmen Welches men vormeinet, de Selige herr Andraeas Bruhs gedichtet hebbe Hs 9, Dat Vofte Carmen, welches Selig Herr Andreas Bruß gemaket Hs 11. 4,4 drade] balde Hs 9, Hs 11. 5,5 dar tho] suluen dar tho Hs 9, Hs 11. 

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De Gard, se hadd geplundert Vell Volk unnd Lande witt, Mit Koning Hans ging thom stritt.

Die Garde, die viele Leute und Landstriche ausgeplündert hatte, zog mit König Hans in den Krieg.

7 Se sint tho Meldorp kamen, Darna tho unß int Velt. De Heide wolden se ramen. Se kregen erst ehr gelt. Ehre Maent weren getelt.

Sie sind nach Meldorf gekommen, danach zu uns auf das Schlachtfeld. Heide wollten sie erreichen. Zuvor bekamen sie ihre Bezahlung. Ihre Monate waren gezählt.

8 Wi offerden unse Herte Gott dorch Christum vorwar, Vorvullet mit groter schmerte Vor dußer bösen schar, Dat wi nicht quemn in gfarr.

Um Christi willen brachten wir Gott unsere Herzen dar, die erfüllt waren von großer Furcht vor diesem bösen Heer, auf dass wir nicht in Gefahr geraten würden.

9 Dat hefft Gott angenamen Na siner gnaden artt. Grott Heil iß unß gekamen; Ein jeder tröstet wart, Vor sinen Viend bewartt.

Das hat Gott angenommen nach seiner Gnadenart. Großes Heil wurde uns zuteil; ein jeder wurde getröstet, vor seinem Feind bewahrt.

10 Der gnaden döre stunt apen. Wi weren Gades radt. Gar wol sin se gestupet, Men waded in ehren blott. Im Hupen legen se dodt.

Die Gnadentür stand offen. Wir handelten nach Gottes Lehre. Zurecht wurden sie gegeißelt, man watete durch ihr Blut. Zuhauf lagen sie tot auf dem Schlachtfeld.

11 De ruter sint vordrucket, Ja mennich Eddelman. De koning iß entrucket, Hertoch Fredrich floch darvan; Hebben unß de bute gelahn.

Die Reiter und viele Adlige wurden überwältigt. Der König hat sich entfernt, Herzog Friedrich eilte davon; sie haben uns die Beute zurückgelassen.

12 Se quemn in fredes dagen, Vam koning uthgesantt. Deß moste se Gott plagen Mit siner starcken Hantt Und maken se tho schandt.

Sie kamen in Friedenstagen, vom König geschickt. Deshalb musste Gott sie mit seiner starken Hand bestrafen und sie vernichten.

13 Loven unnd Truw Gott Levet, Alß he sulfst truwe iß. De darin wedderstrevet, Wert nicht inleggen Priß.

Glauben und Treue liebt Gott, da er selbst treu ist. Wer sich dagegen sträubt, wird keinen Ruhm auf die Waage legen können. Betrug schlägt seinen Herrn gewiss.

Droch sleit sinen Herrn gwiß.

6,5 Koning Hans] in Frakturschrift. 9,4 jeder] jder. 6,3 se] fehlt Hs 9, Hs 11. 6,5  ging] giengen Hs 11.

Textabdruck und Kommentar 

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14 Up roßen unde wagen Hadden se ehren modt, Gedachten uns tho Plagen, To voren in grote nodt Unnd nemen godt unnd blott.

Auf Streitrössern und Wagen waren sie zuversichtlich, hatten die Absicht, uns zu quälen, in große Bedrängnis zu bringen und uns Besitz und Leben zu nehmen.

15 Se wolden unß umbringen, Tho böten ehren Sinn. It mochte ehn nicht gelingen; Wi schlogen Vrisch darin. It waß men ein beginn.

Sie wollten uns umbringen, um ihrem Entschluss Genüge zu tun. Das konnte ihnen nicht gelingen; wir schlugen kräftig zu. Das war aber erst der Anfang.

16 Gott waß schilt, borg unnd wapen. Se sint nedder gestortt. Wi hebbn se recht gedrapen, Ehr levent ehn vorkortt All aver ein Hupen gestortt.

Gott war Schild, Burg und Waffe. Sie sind zu Boden gestürzt. Wir haben sie mit Recht getroffen, ihnen ihr Leben verkürzt und sie über einen Haufen geworfen.

17 Im Levend sin wi gebleven, Ja alle schir gesund. Den Priß wi Gade geven, Laven mit unsem Munt, Nu unnd tho aller stundt.

Wir haben überlebt, ja sind alle unversehrt bei Gesundheit. Wir rühmen Gott dafür, loben ihn mit unserem Mund, jetzt und für alle Zeit.

18 Wi willen unß erheven, O Her, in dinem Heill, Marien kind Priß tho geven, De Halp ahn allen feill Tho unsem nutt unnd Heill.

Wir wollen uns erheben, oh Herr, in Deinem Heil, um das Kind Marias zu preisen, das uns ohne jeden Mangel zu unserem Nutzen und Glück verhalf.

19 Ehr banner unde wapen Bi unß vorhanden sin. Ehr kertzen, de se vorlopen, Unnd ander klenott fin Ein Zier der kercken sin.

Ihre Banner und Waffen befinden sich bei uns. Ihre Kerzen, die sie zurückgelassen haben, und andere schöne Kostbarkeiten sind eine Zierde der Kirche.

20 Hiruth wi mercken kontt: Wol up Gott vast vortruwt, De wert nummer vorhöntt. Wol up siner gnaden buwtt, Solckß nummer ehm geruwt.

Daraus konnten wir lernen: Wer auf Gott fest vertraut, der wird niemals verhöhnt. Wer auf seine Gnade baut, der wird das niemals bereuen.

21 Christe, du rechte notthelper, Du Herr an allem endt, Vortt iß nu unse begehr, Van unß din gnad nicht wend;

Christus, du wahrer Nothelfer, du Herr über alles, für die Zukunft ist unser Wunsch, dass du deine Gnade nicht von uns abwendest; sende deine Engel zu Hilfe.

Tho Hulp din engel send. 22 De duvel iß nicht gedödet, Grym he tho söken plecht.

Der Teufel ist nicht getötet, er trachtet nach Zorn.

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He iß ock nicht vormödet. Giff, so he wedder secht, Wy mögen winnen recht.

Er ist auch nicht ermüdet. Sorge dafür, dass, sofern er den Frieden beendet, wir Recht erlangen werden.

23 Giff recht in unsem Lande, Alß wi gereddet gaen, Dat wi nummer mit schande Unß sulven nedder slaen Unnd werdn tho spott und hohn.

Sorge für Recht in unserem Land, nachdem wir gerettet wurden, auf dass wir uns niemals schändlich selbst zugrunde richten und damit zu Spott und Hohn werden.

24 Homott unß ock nicht plage, Gutt radt unß feile nicht. Dat unß din wortt behage, Dem volgen underrichtt In freed unnd thovorsicht.

Auch Hochmut soll uns nicht plagen, an gutem Rat soll es uns nicht mangeln. Damit uns dein Wort erfreuen möge, folgen ihm Unterweisung in Frieden und Zuversicht.

Textabdruck und Kommentar 

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs  8, Bl.  231v–232v; Hs  8.1, S.  1109–1115; Hs  8.2, S.  766–770; Hs  8.3, S. 405–409; Hs 9, Bl. 139v–140v; Hs 9.1, Bl. 132v–133v; Hs 9.2, S. 217–218; Hs 9.3, Bl. 139v–140v; Hs  9.4, S.  249f.; Hs  9.5, S.  488–493; Hs  9.6, S.  154f.; Hs  9.8, S.  303–308; Hs  9.9, S.  136–138; Hs 9.10, S. 186f.; Hs 11, Bl. 104v–106v.

Die schriftliche Überlieferung von Lied Nr. 11 konzentriert sich auf die Chroniken des Landes Dithmarschen, die seit dem Ausgang des 16. Jahrhunderts dort entstanden sind. Die älteste, heute erhaltene Aufzeichnung des Liedes findet sich in der im Kern 1598 in Büsum verfassten Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8). Von hier aus gelangte das Lied einerseits in die unter dem Namen von Neocorus firmierenden Reproduktionen von Hs 8 (Hs 8.1–3) sowie in die Chronik von Hans Detleff aus Windbergen (Hs  9) und von dort aus in die mit dessen Namen verbundenen Bearbeitungen seines Manuskripts (9.1–6, 9.8–10). In diesen Überlieferungsträgern wurde das Lied im Verbund mit weiteren Hemmingstedter Ereignisdichtungen im Anschluss an die Darstellung der Schlacht bei Hemmingstedt notiert. Das Manuskript Hs 11 repräsentiert eine andere Überlieferungsform; hier findet sich der Verbund der Hemmingstedter Reimpaardichtungen und Lieder in einem schmalen Heft, das nachträglich mit Schriften anderer Provenienz zusammengebunden wurde. In Hs 8 und auch Hs 9 wurde das Lied unter Absatz der strophischen Einheiten zweispaltig aufgezeichnet. Die Strophen wurden zudem von den Schreibern durchnummeriert. Die Verschriftung in Hs  11 unterscheidet sich in der Weise von den Aufnahmen in die Chroniken, dass sie einspaltig erfolgte, was mit dem kleineren Format des Manuskripts zu erklären ist. Nimmt das Stück bei Neocorus (Hs 8) jedesmal die sechste Stelle im Verbund mit den Reimpaartexten Nr. 1 und Nr. 2 sowie mit den Liedern Nr. 8, Nr. 9 und Nr. 10 ein, so rückt es bei Hans Detleff (Hs 9) hinter Nr. 2 und vor die Liedreihe, die durch das Lied Nr. 12A erweitert wurde, an die dritte Stelle. Die Position des Textes in Hs 11 stimmt mit der in Hs 8 überein. Einzelüberlieferungen des Stückes sind nicht bekannt. Allerdings indiziert die Randbemerkung von Neocorus zum Fundort des Liedes in der Handschrift eines gewissen Johann Fink in Büsum (In Johan Vinkß Scharteken gefunden gar older schrifft up Busen), dass es diese Überlieferungsart gegeben hat. Die Notiz bezieht sich allein auf das vorliegende Stück, während Neocorus in Hinsicht auf die anderen Lieder seine Quellen nicht benannt hat. Einen weiteren Hinweis darauf, dass Lied 11 aus einer gesonderten Quelle aufgezeichnet wurde, vermitteln die Befunde zum Sprachstand des Liedes in der Aufzeichnung von Neocorus, denn nur hier zeigt sich die regelmäßige und wohl metrisch zu begründende Vernachlässigung schwachtoniger Nebensilben im verschrifteten Text.

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 Edition

In der Überschrift zu Nr.  11 äußert der Chronist fernerhin, dass es sich bei dem Verfasser des Liedes um Andreas Brus handelte, der von 1493 bis zu seinem Tod im Jahr 1532 das Amt des Pfarrers in Büsum an der St. Clemens-Kirche inne hatte (Bünz 2005, S. 13). Danach müsste das Lied vor 1532 in Büsum entstanden sein. Was bei Neocorus noch vermutet wurde, wird später in den modifizierten Überschriften zum Lied Nr. 11 in Hs 9 und Hs 11 als Tatsache ausgegeben. Nachweisen lässt sich die Verfasserschaft von Brus allerdings nicht.

Sprachstand Der Sprachstand von Lied Nr. 11 ist mittelniederdeutsch. Charakteristisch für das Nordniederdeutsche ist das folgende Merkmalsensemble: – die überwiegende Realisierung des gedehnten offenen o mit der Graphie (Peters 1987, 1.2.2.): z. B. Hochbarn (3,1), Bagen (3,5), kamen (7,1), angenamen (9,1), gekamen (9,3), apen (10,1), Gades (10,2), gedrapen (16,3), aver (16,5), Gade (17,3), Laven (17,4), – der Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Dativ Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4.): unß (3,1; 14,3; 18,1; 19,2; 21,4; 24,1; 24,3), – der verbale Einheitsplural im Präsens Indikativ mit der Endung -en (Peters 1987, 2.1.1.): Hebben (11,5), geven (17,3), Laven (17,4), willen (18,1), mögen (22,5), werdn (23,5), – die Senkung von er zu ar (Peters 1987, 1.1.5.2.): bescharmet (1,3), und – die Doppelkonsonanz vor -er und -el nach Kürzung tonlanger Vokale (Peters 1987, 1.2.3.): wedder (5,4; 13,3), Eddelmann (11,2), nedder (16,2). Die Aufzeichnung in Hs 8 ist in Übereinstimmung mit dem Zeitpunkt ihrer Anfertigung am Ende des 16. Jahrhunderts deutlich spätmittelniederdeutsch beeinflusst. Dies belegen die nachfolgend aufgelisteten graphischen Besonderheiten: – das Dehnungs-h (Lasch 21974, § 18, 3.): z. B. ehren (14,2), – die Konsonantenhäufungen und (Lasch 21974, § 18, 3.; § 236): z. B. grott (1,5) und radt (10,2) und – die Schreibung vor den Konsonanten l, m und w (Peters 1987, 1.4.7.): z. B. geschlagen (4,5), schmerte (8,3) und schwertt (3,5). Jedoch belegen sleit (13,5) und slaen (23,4) augenscheinlich die ältere Schreibweise , die erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von verdrängt wurde (ebd.) und deshalb kaum auf den Schreiber von Hs  8, Neocorus, zurückgeführt werden kann, sondern auf einen älteren Textzustand.

Textabdruck und Kommentar 

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Häufig werden in der Aufzeichnung als Reflex von Apokopierung und Synkopierung in der Mündlichkeit die Nebensilbenvokale nicht realisiert: makd (4,3), Gard (6,3), hadd (6,3), quemn (8,5; 12,1), gfarr (8,5), sulfst (13,2), gwiß (13,5), hebbn (16,3), kontt (20,1), vortruwt (20,2), buwtt (20,4), geruwt (20,5), Solckß (20,5), werdn (23,5). Die überwiegende Zahl der Vokalausfälle kann rhythmisch begründet werden, denn sie ermöglichen regelmäßig alternierende jambische Verse. Hiervon ist lediglich gwiß (13,5) auszunehmen, wo der Ausfall des e in der Vorsilbe Hebungsprall zur Folge hat. Die Apokope bei kontt (20,1) und vorhöntt (20,3) wiederum ist vermutlich mit Reimzwang zu erklären, da die Vollformen konten und vorhönet nicht gleich klingen. Allerdings widerspricht diese Lösung dem Strophenschema, das an dieser Stelle weibliche Kadenzen vorsieht (vgl. Metrik). Im Fall der Versschlüsse in Strophe 20 (V. 2, 4, 5) kann der Vokalausfall in der Nebensilbe mit der dem metrischen Muster entsprechenden stumpfen Kadenz begründet werden.

Stellenkommentar 1,1 Die Barmherzigkeit Gottes meint die „freie u. freigiebige, nicht geschuldete, liebend vergebende Hinwendung Gottes zum Geschöpf“ (Salmann 1994, Sp. 15). Insofern steht das Konzept von der Barmherzigkeit Gottes in einem Spannungsverhältnis zur Gerechtigkeit Gottes, „die jedem das Geschuldete zukommen lässt“ (ebd.). Vgl. Psalm 145, 8–9 (EÜ): „Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade. Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.“ Psalm 103,13 (EÜ): „Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten.“ 4,1 Doem: Do men. 5,2 Bezieht sich auf 4,5, wo es heißt, dass Herzog Gerhard geschlagen wurde. Ausgedrückt werden soll demnach, dass den Adligen und Landsknechten in seinem Gefolge (5,1) das gleiche geschah, d. h. dass sie zusammen mit ihrem Herrn geschlagen wurden. Vgl. 5,5. 10,4 waded: Infinitiv waden, starkes Verbum der Klasse VI. Mit Blick auf den Wurzelvokal und die Flexionsendung 3. Singular Präsens Indikativ oder 3. Singular Präteritum einer schwachen Nebenform von waden (Lasch 21974, §  430, Anm. 7) mit Apokope der Flexionsendung -e. Die zweite Variante liegt näher, da es sich auch bei den anderen Verben in der Strophe um Vergangenheitsformen handelt. 13,4 inleggen: ‚einlegen, zurücklegen‘, hier vermutlich ‚auf die Waage legen/in die Waagschale legen‘ (Mnd. Hwb. II/1, Sp. 439). Da es in der Strophe um Tugenden und Laster geht, ist die zweite Übersetzungsvariante vorzuziehen. Die Äußerungsinstanz spricht hier von der Beziehung des Christen zu Gott; nach dem Tod

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wägt Gott die guten gegen die schlechten Taten ab. Vgl. die Redensart „etwas in die Waagschale werfen“ (Röhrich 1992 III, S. 1686). 13,5 Sprichwort im Zusammenhang mit 13,4. Herrn ist der Urheber des Betrugs (Droch), also derjenige, der betrügt. Dieser wird am Ende seines Lebens vor Gott keine Ruhmestaten auf die Waage legen können. Und dies ist die Situation, in der der Betrug sich zuungunsten für seinen Herrn auswirkt. Der Gedanke, wonach der Betrug am Ende auf den Betrüger selbst zurückfällt, zirkulierte in zahlreichen Sprüchen des Mittelalters (vgl. TPMA XII, S. 5, bes. Nr. 69, 83, 100). 16,1 Vgl. Psalm 3,4 (EÜ) „Du aber, Herr, bist ein Schild für mich, du bist meine Ehre und richtest mich auf.“ 17,3f. Vgl. Psalm 145,21 (EÜ) „Mein Mund verkünde das Lob des Herrn. / Alles, was lebt, preise seinen heiligen Namen immer und ewig.“ 18,4 De: Maskulines Relativpronomen ‚der‘, das sich grammatisch inkongruent verhält zum Neutrum kind (18,3), auf das es sich bezieht. Semantisch liegt jedoch Kongruenz vor, da mit kind Jesus Christus bezeichnet wird. 19,5 der kercken: Mit Rücksicht auf den Auftritt eines Sängerkollektivs im Lied, das den Lobpreis Gottes singt, ließe sich hier an eben jenen Kirchenraum denken, in dem die Gemeinschaft den Lobpreis vollzieht. Diese Deutung wird gestützt durch die Aussage, dass sich die Banner und Wappen der Feinde im Besitz des Sängerkollektivs (Bi unß) befinden (19,1f.) und dass diese Gegenstände Teil einer Aufzählung sind, die mit den zurückgelassenen Kerzen und Kostbarkeiten, die nun die Kirche zieren, fortgesetzt wird (19,3–5). 20,2–5 Der Vierzeiler dokumentiert eine Erweiterung des Spruches „Wer auf Gott vertraut, hat wohl gebaut.“, der in unzähligen Varianten im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit im Gebrauch war. Vgl. TPMA V, S. 200. 21,1 notthelper: Als Nothelfer wurden seit dem 12. Jahrhundert Heilige bezeichnet, die in Notsituationen um Schutz und Hilfe und um die Fürbitte vor Gott angerufen wurden. Im späten Mittelalter bildete sich eine feste Gruppe von 14 Nothelfern heraus: Achatius, Aegidius, Barbara, Blasius, Christophorus, Cyriacus, Dionysius von Paris, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina von Alexandrien, Margaretha, Pantaleon und Vitus. Die Zusammensetzung konnte jedoch regional variieren. (Kirchhoff 1998, Sp.  924f.; Kraus 2003, Sp.  399f.). In Lied Nr.  11 wird Jesus Christus als „wahrer Nothelfer“ apostrophiert, womit es eine deutliche protestantische Prägung erhält; Luther empfahl zwar die alltägliche Orientierung am Leben der Heiligen, denn sie seien Zeugen für die Gnade Gottes, lehnte jedoch (wie auch Zwingli und Calvin) die Verehrung der Heiligen als Fürbitter und Helfer ab, weil diese „[der] alleinige[n] Mittlerschaft Christi“ widersprach (Barth 2000, Sp. 1544f.). 24,4 dem: bezogen auf din wortt (24,3).

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Literarischer Kommentar Metrik Lied Nr. 11 umfasst 24 Strophen. Diese bestehen aus fünf meist dreihebigen, jambischen Versen. Nur vereinzelt weichen einige Verse hiervon ab (4,5; 6,5; 11,4; 13,5; 16,1; 21,1). Es wechseln weibliche Kadenzen in Vers  1 und 3 mit männlichen in Vers 2 und 4, die jeweils auch durch Endreim miteinander verbunden sind. Vers 5 entspricht in Kadenz und Endreim den Versen 2 und 4. Die Merkmale ergeben folgendes Strophenschema: A3wa, A3mb, A3wa, A3mb, A3mb. Bei diesem Schema handelt es sich um ein Derivat des vierzeiligen halben Hildebrandstons,73 indem die metrische Struktur von Vers 4 mit Vers 5 wiederholt wurde. Bekannte Vorbilder hierfür gibt es nicht.74 Belegt ist lediglich ein fünfzeiliger Derivationstyp des Tons, bei dem Vers 3 metrisch nachgebildet ist.75 Der halbe Hildebrandston entstand aus der Hildebrandstrophe der mittelalterlichen Heldenepik und wurde im Spätmittelalter die strophische Form von Balladen und Liebesliedern sowie auch von geistlichen Liedern.76 Äußerungsinstanz In Lied Nr. 11 äußert sich ein Sprecher-Wir. Es lobt und dankt Gott für seine Hilfe in den Dithmarscher Kriegen von 1404 und 1500 (Str.  17f.) und bittet Christus, ihm auch in Zukunft seine Gnade zu erweisen (Str. 21f.). Ferner leitet es für sich aus der Historie Dithmarschens die verbindlich formulierte Erkenntnis ab, dass niemand bereuen muss, der sein Vertrauen in die Gnade Gottes setzt (Str.  20). Sowohl die apostrophierte göttliche Instanz als auch die genannten Illokutionen deuten zusammen mit der besagten personaldeiktischen Ausprägung auf eine Äußerung im Rahmen gemeinschaftlich vollzogener Frömmigkeitsspraxis hin und vermitteln das Bild von einem frommen und gläubigen Sprecherkollektiv. Für eine textintern simulierte Performanz der Äußerung sprechen nicht zuletzt auch die Aussagen Laven mit unsem Munt (17,5) und Wi willen unß erheven (18,1), die auf den körperlichen Vollzug der Sprechhandlung hindeuten. Dass die Sprechergemeinschaft mit den Dithmarschern identifiziert werden kann, zeigt sich darin, dass die 1. Plural nicht nur im Zusammenhang von Lobpreis, Gebet und Lehre verwendet wird, sondern darüber hinaus auch beim knappen Nachvollzug der militärischen Ereignisse: Die Dithmarscher danken für

73 Frank 21993, 4.20. 74 Zumindest nicht nach Ausweis von Frank 21993. 75 Frank 21993, 5.2. 76 Frank 21993, S. 106.

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den göttlichen Beistand, der ihnen im Verlauf ihrer Geschichte selbst zuteilgeworden ist. Der Text macht jedoch nicht explizit, zu welchem Zeitpunkt sie dies tun. Die Schlacht von 1500 wird im Präteritum referenziert; die Zeitangabe Men schreff dusent Viffhundert / Umm Valentini Tidt (6,1f.) vermittelt den Eindruck von einer gewissen historischen Distanz zwischen den Sprechern und dem Gegenstand ihrer Äußerung. Hingegen legt der Präsensgebrauch beim Bezug auf die erbeuteten Gegenstände (Str. 19), die sich zum Zeitpunkt des Sprechereignisses noch in Dithmarschen und im Besitz des Äußerungskollektivs befinden (19,2), wiederum eine zeitliche Nähe zum Vorfall von 1500 nahe. Mit Rücksicht auf den Krieg von 1404 zeigt sich fernerhin, dass die Selbstreferenzen der Sprechergemeinschaft nicht auf ihre Partizipation an der Schlacht hindeuten sollen (5,3 Wi lehrden ehn recht vechten.), sondern als Ausdruck ihrer Identifizierung mit den siegreichen Vorfahren aufgefasst werden müssen. Deshalb muss auch in Hinsicht auf die Personaldeixis beim Bezug auf die Schlacht von 1500 in Betracht gezogen werden, dass die Sprecher nicht zwingend gleichzusetzen sind mit den Teilnehmern an der Schlacht. Vielmehr dient die beschriebene personaldeiktische Ausprägung in Lied 11 der Entfaltung einer gemeinschaftsstiftenden und identitätsbildenden Wirkung unter den Dithmarschern, die dem im Text realisierten Sprechereignis beiwohnen. Inhalt und Aufbau Das Lied hebt an mit der Aussage De Herr hefft sick erbarmet (1,1) und entwirft auf diese Weise gleich zu Beginn den Rahmen, in den das Folgende zu stellen ist. Gemeint ist die Offenbarung Gottes in Dithmarschen in der Weise, dass er an der Not der Dithmarscher Anteil genommen hat, denn der Text setzt fort mit der Angabe, dass Gott den Dithmarschern mehrfach beigestanden und sie vor ihren Feinden beschützt hat (Str. 1f.). In den Strophen 3 bis 11 wird diese Aussage mit dem Bezug auf die Kriege von 1404 und 1500 präzisiert. Das frühere Ereignis wird in den Strophen 3 bis 5 nur sehr kurz bedacht: Hier ist lediglich davon die Rede, dass Herzog Gerhard im Sommer 1404 zusammen mit seinem adligen Gefolge und seinen Landsknechten von den Dithmarschern besiegt wurde. Hingegen gestaltet sich die Bezugnahme auf den Vorfall im Jahr 1500 (Str. 6–16) etwas ausführlicher. Nach der Hinführung zum neuen Gegenstand im Rückgriff auf die Jahresangabe dusent Viffhundert / Umm Valentini Tidt (6,1f.) werden folgende Ereignismotive aneinandergereiht: der Zug der Garde und des Königs in den Krieg (Str. 6), der Zug nach Meldorf und weiter bis auf das Schlachtfeld (Str. 7), die Bitte der Dithmarscher um göttlichen Beistand (Str. 8), die Bewahrung der Dithmarscher vor ihren Feinden mit Hilfe Gottes (Str.  9), die Überwältigung der Garde und der

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Adligen durch die Gnade Gottes (Str. 10f.) und die Flucht von König und Herzog (Str. 11). Der Ausgang der Schlacht wird in der folgenden Strophe 12 gedeutet, wonach Gott die Feinde der Dithmarscher zu Fall gebracht hat, weil diese den Frieden gestört haben. Im nächsten Schritt wird der Einzelfall verallgemeinert und in sentenziöser und sprichwörtlicher Rede ausgeführt, was den erwartet, der sich gegen Gott stellt (Str. 13); zugleich indiziert diese Generalisierung ein Bewusstsein davon, dass Gottes Eingreifen in Dithmarschen nicht singulär war, sondern sein Offenbarwerden dort lediglich als ein Beispiel für sein Wirken aufzufassen ist. Die nächsten Strophen (14–16) greifen noch einmal den Vorfall von 1500 auf. Sie können als Ausdeutung des Sprichwortes gelesen werden, mit dem Strophe 13 endet: Droch sleit sinen Herrn gwiß. Hier werden die grausamen Absichten und der Optimismus der Invasoren (14,1–15,2) eindrücklich als Trugschluss hingestellt, indem ihnen nach der Feststellung It mochte ehn nicht gelingen (15,3) der durch Gott unterstützte Gegenschlag seitens der Dithmarscher (15,3–16,5) gegenübergestellt wird. Im Anschluss daran wird mit den Strophen 17 bis 19 ein an Gott adressierter Lobpreis formuliert zum Dank für seine den Dithmarschern im Krieg erwiesene Gnade. Mit dem verbalisierten Gestus des erhobenen Zeigefingers (20,1: Hiruth wi mercken kontt) wird ein zweites Mal von dem Ereignis in Dithmarschen abstrahiert und in apodiktischer Redeweise postuliert, dass niemals bereuen muss, wer auf Gott vertraut (Str. 20). Doch sind diesmal die Sieger, nicht die Verlierer, Gegenstand der Generalisierung. Das Lied endet mit einem Gebet zu Jesus Christus (Str. 21–24), der mit dem Fingerzeig auf das Wirken des Teufels in der Welt gebeten wird, den Dithmarschern auch in Zukunft gnädig zu sein und beizustehen. Ferner wird er darum ersucht, die Betenden vor Hochmut zu bewahren und für Recht und Eintracht in Dithmarschen zu sorgen. Im Gegenzug wollen sie sich um Frieden und Zuversicht bemühen. Mohr 1820, S. 203–208. Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 523–525 (nach Hs 8). Wolff 1830, S. 355– 359. Liliencron II 1866, Nr. 217. – Lammers ³1987, S. 22. Schanze 1992(a), Sp. 695 (Nr. 11). Bünz 2005, S. 29f. (mit Abdruck Str. 22–24). Hoffmann 1990, S. 321 (Abdruck Str. 1). Kerth 1997, S. 273, Anm. 50. Kellermann 2000, S. 225f.

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Nr. 12A: De König woll tho dem Hertogen sprack T Das Söste Poema Wert vor einen Ditmarschen dantz gebruket.

Das sechste Gedicht wird für einen dithmarsischen Tanz verwendet.

1 De König woll tho dem Hertogen sprack: „Ach broder, harteleve broder,

Der König sprach wohl zu dem Herzog: „Ach Bruder, geliebter Bruder,

2 Ach broder, hartlevester broder min, Wo wille wi dat nu beginnen,

ach Bruder, mein innig geliebter Bruder, wie wollen wir es nun anfangen,

3 dat wi dat frie rike Ditmarschen landt

dass wir das freie und reiche Land Dithmarschen ohne unseren Schaden erobern können?“

Ane unsen schaden mögn gewinnen?“ 4 So balt dat Reinholt van Meylant vornam Mit sinem langen gelen barde,

Sobald dies Reinhold von Mailand mit seinem langen blonden Bart hörte,

5 De sprack: „willn maken einen baden bereit

sprach dieser: „Wir werden einen Boten bereit machen und zur großen Garde schicken.

Und schicken na der groten Garde. 6 Will uns de grote Garde bistandt dohn, Ditmarschen schal unse woll werden.“

Steht uns die große Garde bei, dann wird Dithmarschen gewiss unser werden.“

7 So bald de Garde dise mehr vornam, Se rüstede sich so mechtig sehr.

Sobald die Garde diese Nachricht vernahm, machte sie sich sehr schnell bereit.

8 Se rüste sick woll vöfftein dusent Man starck,

Sie rüstete sich mit einer Truppenstärke von etwa 15000 Männern, um über die grüne Heide zu ziehen.

Aver de grone heide tho trecken. 9 „Köne wy men des Königs besoldung erwarven, Unse Fröukens de schölen sulvest wol mede.“

„Können wir die Besoldung durch den König erlangen, dann sollen auch unsere geliebten Frauen mit.“

10 De trummenschleger de schlog woll an; Se togen aver de gronen heide.

Der Trommelschläger schlug kräftig an; sie zogen über die grüne Heide.

11 Und do de Garde thom Könige wol quam: „Ach König, min lever Her,

Und da kam die Garde schließlich zum König: „Ach König, mein lieber Herr,

9 wol mede] Textverlust durch Beschnitt des Buchblocks, ergänzt nach Hs 9.3.  1 De …sprack] De Konig de sprack dem Herthoge wol tho Hs  11. harteleve] hertleveste Hs  11.  3 unsen] allen vnsern Hs  11. 7 So bald] Vnd do Hs  11. dise] de Hs  11. 9 erwarven] verdenen Hs 11. wol] fehlt Hs 11. 11 min] Ach Hs 11.

Textabdruck und Kommentar 

12 Wor licht doch nu dat Ditmarschen landt, Im heven odr up schlichter erden?“ 13 Dem Könige befihl de rede nicht woll, He dede balt wedder spreken:

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wo befindet sich denn nun das Land Dithmarschen, im Himmel oder auf ebener Erde?“ Dem König gefiel diese Äußerung überhaupt nicht, schnell erwiderte er darauf:

14 „It is nicht mit keden an den heven gebunden, It ligt woll an der siden erden.“

„Es ist nicht mit Ketten an den Himmel gebunden, es befindet sich selbstverständlich auf der ebenen Erde.“

15 Der Garde Her sprack do mit mode starck:

Der Anführer der Garde sprach daraufhin mit selbstbewusstem Auftreten: „Ach König, mein lieber Herr,

„Ach König, min lever Her, 16 Is it nicht gebunden an den heven hoch, Ditmarschen dat schal unse bald werden.“

wenn es nicht mit Ketten an den hohen Himmel gebunden ist, dann wird Dithmarschen bald unser werden.“

17 He leeth de trummeken umme schlan, De Fänlin de leth he flegen.

Er ließ die kleinen Trommeln schlagen, die Fähnlein ließ er wehen.

18 Darmit togen se einen langen breden wech,

So zogen sie einen langen breiten Weg entlang, bis ihnen das Land vor Augen kam.

Beth se dat landt int gesichte kregen. 19 „Ach, lendeken deep, nu bin ick dy nicht wyth, Du schalt min nu balde werden.“

„Ach, weites ersehntes Land, jetzt bin ich nicht mehr weit von dir entfernt, du wirst nun bald mir gehören.“

20 Darmit togen se tho hoger Wintbergen in;

So zogen sie in das hoch gelegene Windbergen ein; dort blieben sie nun eine kurze Zeit.

Se legen dar men eine kleine wile. 21 Se togen do vordahn na Meldorp tho; Eren avermoth den deden se driven.

Dann zogen sie weiter in Richtung Meldorf; ihrer Überheblichkeit ließen sie freien Lauf.

22 Se steken des Königs banner thom hogen torne uth Den Ditmarschen dar tho gramme.

Zum Ärger der Dithmarscher hingen sie das Banner des Königs aus dem hohen Turm hinaus.

23 Se hengeden er schilt woll aver de muhrn,

Sie hängten ihre Wappenschilde wohl an die Mauern, das ist ihnen nicht gut bekommen.

Daraver ist en nicht woll ergangen.

14 siden] schlichter Hs 11. heven] Hemmel Hs 11. 15 Der Garde Her] De Garde Hs 11. min] ach Hs 11. 16 hoch] hart Hs 11. 17 He leeth] Se lethen Hs 11. leth he] leten se Hs 11. 19 min] mi Hs 11. 21 zwischen An- und Abvers folgt Jn einer korten ile / Do se tho hogen Meldorp binnen quemen Hs 11. 22 uth] henuth Hs 11. dar] dat Hs 11. 

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24 Se togen noch ein weinig wieder vorth Woll na der Hemmingsteder Velde.

Sie zogen noch ein wenig hin und her in Richtung des Hemmingstedter Feldes.

25 Dar bleff ock de grote Garde geschlagen Mit eren dapperen helden.

Dort wurde auch die große Garde geschlagen mit ihren tapferen Helden.

26 Dat wedder was nicht klar, de wech was ock schmal, De graven weren vull water.

Das Wetter war nicht klar, der Weg war dazu noch schmal, die Gräben waren voller Wasser.

27 Nochthen toch de Garde noch wieder vorth Mit einem trotzigem mode.

Dennoch zog die Garde hin und her in trotziger Stimmung.

28 He hadde einen harnisch aver sinen liff getagen, De schinede van golde so rode.

Er hatte eine Rüstung über seinen Leib gezogen, die goldrot schimmerte.

29 Daraver was ein pantzer geschlagen, Darup dede he sick vorlathen.

Darüber war ein Panzer geschlagen, auf den verließ er sich.

30 Mit dem do spranck dar ein Landtsman hertho Mit einem langen sper.

Plötzlich sprang ein Einheimischer heran

31 He stack so starck, dat druth ein krum hake wart Und hangede in dem pantzer so schwere.

Er stach so heftig zu, dass aus der Spitze ein krummer Haken wurde und der Speer fest im Panzer hängen blieb.

32 Dem Landesman ein ander tho hülpe quam, Dat speer wolden se wedder halen.

Dem Einheimischen eilte ein anderer zu Hilfe, den Speer wollten sie zurückholen.

33 De Garde was starck, Drei hadden vulle wargk, Ehr se en konden averwinnen.

Der Anführer der Garde war stark, drei von ihnen hatten große Mühe, ehe sie ihn überwinden konnten.

34 Se togen en mit Sadel und Roß herdal wohl in den depen graven.

Sie zogen ihn samt Sattel und Ross herunter in den tiefen Graben.

35 Dar wart ock der Holsten König geschlagen

Außerdem wurde dort auch der König der Holsten geschlagen zusammen mit seinem großen Heer.

Mit alle sinem groten Heere.

mit einem langen Speer.

35 sinem] sinen. 25 Dar … helden] Do se nah Hemmingstede reisen wollen / Wo kort wurd en dar de mile Hs  11. 27 toch de Garde] tögen se Hs  11. 28 He] De Feltherr Hs  11. 31 so starck] fehlt Hs 11. 32 Dem … halen] fehlt Hs 11. 33 De Garde] De Feltherr Hs 11. Drei … wargk] dre dithmarschen hedden ehre wargk Hs 11. 35 Dar … Heere] Do wart he aldar dothgeschlagen / midt allen sinen dappern helden Hs  11. Es folgen auf 35 zwei weitere Langverse: Dar wart ock de grote Garde geschlagen / Mitt vöfftein dusent mann, / Ock wart der köning vnd de bröder veriagt / vnd vele des Adels erschlagen. Hs 11.

Textabdruck und Kommentar 

36 Dar lach do sin pert, dar lach ock sin schwert, Dartho de Königlike Krone. 37 De Krone de schal uns Maria dragen Tho Aken wohl in dem Dome.

36 do sin] des konigs Hs 11.

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Dort lag nun sein Pferd, dort lag nun sein Schwert, dazu noch die königliche Krone. Die Krone wird unsere Maria im Dom von Aachen tragen.

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Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs  9, Bl.  143r; Hs  9.1, Bl.  136r; Hs  9.2, S.  222; Hs  9.3, Bl.  143r; Hs  9.4, S.  256f.; Hs  9.5, S.  500; Hs  9.6, S.  162f.; Hs  9.7, S.  190f.; Hs  9.8, S.  316–321; Hs  9.9, S. 141f.; Hs. 9.10, S. 191f.; Hs 9.11, S. 189–191; Hs 11, Bl. 107r–[108v].

Die erste bekannte Niederschrift des Liedes 12A wurde 1634 von dem Dithmarscher Chronisten Hans Detleff aus Windbergen angefertigt (Hs  9), der es dem Korpus der Reimpaardichtungen und Lieder über die Schlacht bei Hemmingstedt hinzufügte, das er aus der Chronik von Johannes Neocorus (Hs 8) übernommen hatte. Hinter den Reimpaartexten Nr. 1 und Nr. 2 und den Liedern Nr. 11, Nr. 8 und Nr. 9 besetzt das Stück die letzte Position in der Reihe der Ereignisdichtungen. Wie sein Vorgänger notierte auch Hans Detleff den Verbund im Anschluss an die Darstellung der Schlacht bei Hemmingstedt. Bemerkenswert ist, dass Johannes Neocorus in seiner Chronik (Hs 8) zwar schon von einem Zweikampf zwischen Slentz und einem Dithmarscher berichtete,77 aus welchem Letzterer als Sieger hervorging (V. 28–34), jedoch noch keine Aufzeichnung von Lied 12A bietet, die diesen Zweikampf schildert. Dies und die Verwendung der Unsinnsredewendung „mit Ketten an den Himmel gebunden“ im Lied (V. 12–16), die im Zusammenhang mit der Belagerung Stralsunds durch General Albrecht von Wallensteins (1583– 1634) Truppen in zwei 1630 publizierten ereignisbezogenen Liedern verwendet wurde,78 deutet darauf hin, dass Lied 12A, so wie es Hans Detleff aufzeichnete, erst um 1630 herum entstanden sein könnte. Auffallend ist die Textgestalt des Liedes in Hs 9, denn der Schreiber hat das Stück nicht nach strophischen Einheiten, sondern en bloc notiert. Der Textblock besteht aus 37 untereinander geschriebenen Zeilen, die je zwei Verse beinhalten. Die Versanfänge – sowohl jene am Zeilenbeginn als auch jene im Zeilenverlauf – wurden stets mit einer Majuskel gekennzeichnet. Die Versgrenze innerhalb der Zeile wurde durch Komma und größeren Wortabstand markiert. Alles in allem reflektiert das Schriftbild die metrische Einheit des Langverses, jedoch nicht die der Strophe. Als Teil des Ensembles gelangte das Lied später in die Reproduktionen der Landeschronik von Hans Detleff, die im 17. und 18. Jahrhundert überwiegend in Dithmarschen hergestellt wurden. Auf eine dieser Bearbeitungen geht schließlich die Niederschrift des Textverbundes in einer kleinen Sammelhandschrift zurück, die heute Teil eines umfangreicheren Handschriftenkonvoluts ist (Hs 11).

77 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 474f. 78 Vgl. hierzu den Stellenkommentar zu V. 14.

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Die Aufzeichnung von 12A in Hs 11 weist zwei weitere Besonderheiten auf: Zum einen hat der Schreiber den Wortlaut verändert: Besonders auffallend sind die Eingriffe in die Episode, die davon handelt, wie drei Dithmarscher einen Reiter in goldenem Harnisch überwältigen (V.  28–34). Die unklaren Personenbezüge wurden in Hs  11 ersetzt durch den sprachlichen Ausdruck De Feltherr (V.  28, V. 33). Hierin deutet sich das Bestreben des Schreibers an, den Text in Hinsicht auf seine grammatische Kohärenz und zugunsten seiner Verständlichkeit zu bearbeiten. Zum anderen wird Lied 12A in der besagten Handschrift in Gemeinschaft mit der weitaus kürzeren Fassung 12C überliefert, die ihm vorausgeht. Zu dieser Überlieferungssituation passt denn auch die Überschrift zu 12A in der bewussten Handschrift; sie lautet Dat vorige ledt uthforlig. Eine weitere Fassung des Liedes liegt mit 12B vor, mit der 12A und 12C jedoch in keinerlei materieller Verbindung stehen.

Sprachstand Der Sprachstand von Lied Nr.  12A ist mittelniederdeutsch. Das folgende Merkmalsbündel ist charakteristisch für das Nordniederdeutsche: – die überwiegende Realisierung des gedehnten offenen o mit der Graphie (Peters 1987, 1.2.2.): Ane (V. 3), baden (V. 5), Aver (V. 8, 10, 23, 28), avermoth (V. 21), Daraver (V. 23, 29), getagen (V. 28), halen (V. 32), averwinnen (V. 33), – der Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Dativ und Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4.): uns (V. 6), dy (V. 19), – der verbale Einheitsplural im Präsens Indikativ mit der Endung -en bzw. -n (Peters 1987, 2.1.1.): mögn (V. 3), willn (V. 5), schölen (V. 9), – die Senkung von er zu ar (Peters 1987, 1.1.5.2.): harteleve (V. 1), hartlevester (V. 2), erwarven (V. 9), wargk (V. 33), und – die Doppelkonsonanz vor -er und -el nach Kürzung tonlanger Vokale (Peters 1987, 1.2.3.): wedder ‚Wetter‘ (V. 26), wedder ‚wieder‘ (V. 32). Entsprechend des Aufzeichnungszeitpunktes von 12A im Jahr 1634 finden sich auf graphischer Ebene zahlreiche Formen mit spätmittelniederdeutscher Ausprägung: – die konsequente Schreibung vor den Konsonanten l, m und w (Peters 1987, 1.4.7.): trummenschleger (V. 10), schlog (V. 10), schlichter (V. 12), schlan (V. 17), geschlagen (V. 25, 29, 35), schmal (V. 26), schwere (V. 31), schwert (V. 36), – das Dehnungs-h zur gelegentlichen Markierung der Vokallänge (Lasch 21974, § 18, 3.): z. B. mehr, sehr (V. 7), befihl (V. 13), vordahn (V. 21), muhrn (V. 23), Ehr (V. 33), wohl (V. 34, 37), und

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– die nur vereinzelt realisierten Konsonantenhäufungen und im Auslaut (Lasch 21974, § 236): landt (V. 3, 12, 18), bistandt (V. 6). Desweiteren enthält der Text Varianten, deren Graphie hochdeutschen Lautstand indiziert: weinig (V. 24), wieder (V. 24, 27), trotzigem (V. 27), pantzer (V. 29, 31), Drei (V. 33). Hochdeutsch beeinflusste Formen wie diese weist in der Editionsgrundlage (Autograph von Hans Detleff, Hs 9) ausnahmslos die Aufzeichnung von 12A auf, während die von Neocorus abgeschriebenen Stücke diese Besonderheit nicht zeigen. Vereinzelt reflektiert die schriftliche Realisierung einiger weniger Formen schließlich den mündlichen Gebrauch des Textes mit Ausfall des e in schwachtonigen Nebensilben: mögn (V. 3), willn (5), rüste (V. 8), odr (V. 12), muhrn (V. 23).

Stellenkommentar 6 bistandt: Begriff, der einen zentralen Aspekt des Treueverhältnisses zwischen Lehnsherrn und Lehnsmann beschreibt, und zwar die Bereitschaft des letzteren seinem Herrn mit Rat und Hilfe zu dienen (vgl. Nr. 1, Kommentar zu V. 14). Die Verwendung in Bezug auf das Verhältnis zwischen König und Garde ist unpassend, weil dieses sich gerade nicht auf gegenseitige Treue und Loyalität stützt, sondern auf vertragsbasiertem Dienst und Gehorsam des Söldners gegenüber dem Kriegsherrn gegen Sold. Vgl. Rink 2019. 8 rüste: 3. Singular Präteritum des schwachen Verbs rüsten mit synkopiertem Nebensilbenvokal zwischen gleichartigen Konsonanten (vgl.  Lasch 21974, §  217, IV.); vgl. die Vollform rüstede in V. 7. de grone heide: Raumtopik, vgl. Stellenkommentar zu Nr. 8 (3,2). Siehe auch V. 10. 9 Fröukens: Diminutiv von vrouwe; hier entweder zum Ausdruck der Zuneigung des Mannes zu seiner Ehefrau oder zur Bezeichnung einer Dirne (Mnd. Hwb. I, Sp.  1011). Mit Rücksicht auf die sich deutlich abzeichnende Emotionalität der Figuren in Lied 12A (vgl.  V.  1f., 19) folgt die Übersetzung der zuerst genannten Bedeutungsvariante. Familien und auch Dirnen waren Teil des Trosses spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Söldnerheere (Meumann 2019). 10 aver de gronen heide: Raumtopik, vgl. Stellenkommentar zu Nr. 8 (3,2). Siehe auch V. 8. 14 mit keden an den heven gebunden: wörtlich „mit Ketten an den Himmel gebunden“. Motiv des Verkehrte-Welt-Schemas (vgl.  Curtius 111993, S.  104–108), als solches in ähnlicher Ausprägung belegt im Wachtelmäre: Daz land ist durh frid / an himl gepunten mit wid, / daz im nieman mak geschaden. (Brunner 2014, S. 39) Das Wachtelmäre, deren ältester handschriftlicher Überlieferungszeuge aus dem 1. Viertel des 14. Jahrhunderts stammt, zählt zu den so genannten Unsinnsdich-

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tungen, „die ausschließlich oder wenigstens überwiegend zweck- und tendenzfrei unterschiedlich anspruchsvoll dem Vergnügen der Hörer und Leser dienen sollen“. Unsinnsdichtungen „verweigern sich konsequent jeglichem tieferen Sinn und jeder gültigen Logik, sind auf oft überraschende Weise komisch oder witzig und wollen damit zum Lachen reizen“ (Brunner 2014, S. 143). Das DWB führt vergleichbare Formulierungen in der Bedeutung ‚stark, fest, standhaft‘ an (vgl. DWB XI, Sp. 631), vor allem in ereignisbezogenen Liedern, die wie Lied 12A jeweils von einer Eroberungs- oder Belagerungssituation handeln.79 Dies betrifft auch zwei Lieder über die Belagerung Stralsunds durch General Albrecht von Wallensteins (1583–1634) Truppen im Jahr 1628, die von Hans Georg von Arnim (1581–1641) angeführt wurden. Mit Hilfe von Schweden konnte Stralsund die Belagerung letztlich abwehren (Schmied 42004, S.  70f.; Schormann 2001, S. 230, 313, 320). Beide Lieder wurden zusammen mit weiteren Stücken, die sich auf die Belagerung beziehen, in einem Druck von 1630 publiziert.80 Das erste Lied ist als Gespräch zwischen General von Arnim und der Stadt Stralsund konzipiert. Die bewusste Formulierung ist Teil der Rede von Arnims an die Stadt; sie steht in der zehnten Strophe: „Arnheimb spricht, das acht ich gering, / Wann Stralsund mit Ketten am Himmel hieng, / So will Jchs doch herunder bringn, / Meinen Stuhl darein setzen, / Vnd mich an jhnen ergetzen.“81 Das andere Lied enthält einige an Wallenstein adressierte Strophen, darunter auch die neunte Strophe mit der genannten Redewendung: „Du hast deins Gottes gar vergessn, / Jn dem du dich so schlecht vermessn, / Die gute Stadt vmbzreissen. / Ja wann sie schon am Himmel hoch, / Mit Kettn gebunden, wolstu doch, / Sie schleiffn vnd gar zerschmeissen.“82 Bei dem Dialog zwischen dem Anführer der Garde und dem König scheint es sich um eine landläufig bekannte Anekdote gehandelt zu haben, denn schon Johannes Neocorus, der das Lied nicht aufzeichnete, berichtete in seiner Darstellung der Schlacht von dem Gespräch: „...unde, wowol de Averste van der Guardia, Junker Schlenß, uth Vormetenheit gefragt: effte Ditmerschen in den Wolken lege? Und de Koning ehm berichtet, Neen, hefft he angelavet, so men allein darin tho

79 Das DWB gibt an, dass die Redewendung schon für das Jahr 1500 belegt werden könne, stützt sich hierbei jedoch auf Lied 12A (DWB XI, Sp. 631), dessen Entstehungszeit nicht sicher bestimmt werden kann. 80 Allerhand lustige KriegsLieder / Der sehr starcken Stralsundischen Belagerung betreffend Geschehen im Jahr 1628 Monats Maii / Junii und Julii. 1630 (= VD17 12:650019M). 81 Abgedruckt nach Soltau, Friedrich Leonard von (Hrsg.): Deutsche historische Volkslieder. Zweites Hundert. Aus Soltau’s und Leyser’s Nachlaß und anderen Quellen hrsg. von H. R. Hildebrand. Leipzig 1856, S. 364–368, danach hier S. 366. 82 Abgedruckt bei Soltau 1836, S. 472–478, danach hier S. 474.

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kamen were, so wolde he siner Koningl. Mayt dat Lant wol levern ahne alle Sorge […]“. (Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 452) 19 Apostrophe an Dithmarschen mit Merkmalen, die charakteristisch sind für den Liebesgruß. Als spezifische Form der Minnerede (vgl. grundlegend Brandis 1968, S. 8–12, und Klingner / Lieb II 2013, S. 1–4) charakterisiert den Liebesgruß im Besonderen die Grußgebärde in der Rede eines Minnenden oder einer Minnenden (Brandis 1968, S. 10). In der vorliegenden Figurenrede wendet sich der König als Minnender an das Land Dithmarschen als den Gegenstand und das Ziel seiner Liebe und Sehnsucht. Die Gruß-Illokution wird in der Figurenrede zwar nicht durch das entsprechende Verb markiert, ergibt sich jedoch aus der Äußerungssituation, in der sich das Heer dem Land Dithmarschen bereits bis auf Sichtweite angenähert hat. lendeken: ‚ersehntes Land‘. Das Diminutiv drückt hier die emotionale Haltung des Königs zum Land Dithmarschen aus, dessen Eroberung und Einnahme er sich sehnlichst wünscht. deep: ‚weit, in der Fläche ausgedehnt‘ (vgl. DWB XXI, Sp. 481). 22 Die Aufrichtung des königlichen Banners zum Zeichen der Einnahme Meldorfs kommt als Handlungsmotiv auch vor in Nr. 1, V. 119; Nr. 3, V. 37 (vgl. hier auch den Prätext Nr. 13, V. 23f.); Nr. 12B, V. 10, und Nr. 12C, V. 9. 23 Wie die sichtbare Anbringung des königlichen Banners am Turm (V. 22), dient den Eindringlingen die Anbringung und Zurschaustellung der Wappenschilde an den Hauswänden hier vermutlich ebenfalls dazu, die Einnahme und Besetzung Meldorfs zu demonstrieren. Ähnliche Formulierungen in der mittelalterlichen höfischen Epik legen nahe, dass es sich dort bei der sichtbaren Anbringung der Wappenschilde um eine übliche Praktik der Ritter gehandelt hat, wenn diese auf Reisen waren (DWB XV, Sp. 111f.). 24 wieder vorth: vgl. wedder vnde vōrt ‚hin und her, hin und zurück‘ (Mnd. Hwb. I, Sp. 950). 27 de Garde: Liliencron interpretiert diesen Ausdruck (und entsprechend auch He in Vers 28) als Bezugnahme auf Junker Slentz, den Anführer der großen Garde (Liliencron II 1866, S. 452). wieder vorth: vgl. Kommentar zu V. 24. 28–34 In der Episode wird der Zweikampf zwischen einem Reiter in goldener Rüstung und einem Dithmarscher geschildert, dem nach und nach zwei weitere Männer zu Hilfe eilen. Der Kampf hat möglicherweise ein historisches Vorbild, denn von einem Zweikampf, allerdings zwischen Junker Slentz, dem Anführer der Garde, und einem Dithmarscher, schrieb auch Johannes Neocorus (Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S.  474; vgl.  auch Brandt 2019[b]). Der Zweikampf ist typisches Element höfischer Kampfschilderungen (Kerth 1997, S. 228–231), bleibt nach Kerth jedoch „die große Ausnahme in den politischen Ereignisdichtungen“ (ebd., S. 231). 28 He: Bezugnahme auf den Reiter, den die Dithmarscher überwältigen. Er wird in der Folge mit De Garde (V. 33) referenziert. Hs 11 hat an beiden Positionen De

Textabdruck und Kommentar 

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Feltherr. harnisch: Der Begriff ‚Harnisch‘ bezeichnet eigentlich eine Form der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Plattenpanzerung (Krenn 1992, S.  101). Allerdings muss im vorliegenden Zusammenhang das hochmittelalterliche Panzerhemd gemeint sein, das aus Eisenringen gefertigt und am Ende seiner Entwicklung über dem ganzen Körper (Arme, Hände, Beine, Füße, Kopf, Mund und Kinn) getragen wurde (Bumke 112005, S. 213f.). Davon ist deshalb auszugehen, da der Reiter über dem Harnisch noch einen Panzer trägt (V. 29). De schinede van golde so rode: ‚goldener Harnisch, der rot schimmert‘. Aufgrund seiner Seltenheit und seiner materiellen Eigenschaften wie Glanz und Härte ist das Edelmetall Gold aber auch die daraus gefertigten Gegenstände in der Literatur zeichenhaft für das Edle, das Herrliche, das Besondere und Wertvolle, für das Schöne und Anmutige, ferner für Beständigkeit und Unzerstörbarkeit sowie auch für Reichtum und Macht (vgl. DWB VIII, Sp. 698, 743, 749; Horn 1987, Sp. 1357). 29 pantzer: Metallplatten, die als zusätzlicher Schutz im Brustbereich über dem Harnisch (Ringelpanzer, V. 28) getragen wurden (Bumke 112005, S. 214). 33 De Garde: vgl. Kommentar zu V. 28. 35 der Holsten König: Der Bezug des Liedes auf die Schlacht bei Hemmingstedt, der sich durch die Ortsreferenzen Dithmarschen landt (V. 3), Wintbergen (V. 20), Meldorp (V. 21) und Hemmingsteder Velde (V. 24) sowie auch durch die Personenreferenz groten Garden (V. 5) eindeutig herstellen lässt, impliziert, dass es sich bei dem König um König Hans I. von Dänemark handeln muss. Allerdings besaß die historische Person mit Blick auf Holstein lediglich die Herzogs-, nicht die Königswürde (vgl. Kap. 3.2). 36 Vgl. Nr. 9, Str. 11, V. 3f. Ähnlich auch in 12B, V. 12, und 12C, V. 13. Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 562–564 (nach Hs 9). Wolff 1830, S. 338–340. Uhland I.1 1844, S.  444–447. Müllenhoff 41845, S.  62–64. Groth 51856, S.  288–294 (stark bearbeitet und mit hd. Übertragung; zuerst in der 4. Aufl. von 1856). Liliencron II 1866, Nr. 218. Erk / Böhme II 1893, Nr. 254 (auf 1504 datiert). Alpers 21960, S. 81f. (verkürzt um V. 7–9, 20–21 und 26–34). Steinitz I 1979, Nr. 3. Krause 1875(b), S. 369–371 (nach Hs 11). – Liliencron I 1865, S. XXVIII. Lammers ³1987, S. 24. Schanze 1992(a), Sp. 695 (Nr. 12). Frank 1995, S. 130f. (Abdruck V. 1–3, 17–19, 25–27, 28–29). Weddige 1995, S. 83f. (mit Abdruck von V. 4–6). Brandt 2019(b) (mit Textabdruck).

364 

 Edition

Nr. 12B: Hertzog Hans wol tho sinem Broder sprack T Umb Und in der Zeit ist dis lied gemachet, welches noch heutiges Tages in dem lande wird gesungen.

Etwa in dieser Zeit wurde das Lied gedichtet, welches noch heute in dem Land gesungen wird.

1 Hertzog Hans wol tho sinem Broder sprack: „Ach Broder, leve Broder min, wat willen wi nu beginnen?“

Herzog Hans sprach wohl zu seinem Bruder: „Ach Bruder, mein lieber Bruder, was wollen wir nun anfangen?“

2 „Wi willen hentehen na dat Adeliche dithmarscher also gutt, efft wi dat mogen gewinnen.

„Wir werden gut vorbereitet in das edle Dithmarschen ziehen, wenn wir es gewinnen können.

3 Wi willen hentehen na de Guardi und will uns dan de Guardi Bistandt dohn, so möge wi dat landt wol gewinnen.“

Wir werden zu der Garde ziehen und wenn uns die Garde Beistand leistet, dann können wir das Land sicher gewinnen.“

4 Se schickeden einen Baden so wol bereit all na der groten Guardi.

Sie schickten einen gut vorbereiteten Boten zur großen Garde.

5 „Ick bin dar ein Bade tho juw gesandt wol van den Holsten Herren.

„Ich bin ein Bote, der zu euch gesandt wurde von den Herren von Holstein.

6 Und wille gi nu leisten uns truwliken Bistandt, dat landt schall uns wol werden.“

Und wenn ihr uns nun treuen Beistand leisten wollt, wird das Land gewiss unser werden.“

7 De grothe Guardi rustede sich also fort und mendiret sich thom Felde.

Die große Garde rüstete sich daraufhin und stellte sich für den Feldzug auf.

8 De grothe Guardi toch also balde fort mit allen ihren tapfferen Helden.

Die große Garde zog bald darauf fort mit all ihren tapferen Helden.

9 Se maken sich up, se tögen fort wol na hohen Meldorp binnen.

Sie brachen auf, sie zogen los hinein in das erhöht gelegene Meldorf.

10 Dar stecken se des koniges Fahne tho dem Torne uth dem dithmarscher lande tho schanden.

Dort hängten sie das Banner des Königs aus dem hohen Turm hinaus zur Schande des Landes Dithmarschen.

11 Se tögen tho Hemmingstett up dat Feldt.

Sie zogen nach Hemmingstedt auf das Schlachtfeld. Dort wurde die große Garde totgeschlagen mit all ihren tapferen Helden.

Dar wardt de grothe Guardi dodt geschlagen mit allen ehren tapfferen Helden.

Neben 9–10 auf dem Schnittsteg zwei weitere mit vulgo eingeleitete Verse: Se tögen tho Iperstett aver dat Feldt / darnedden an dem Strande. / Se stecken ehre Fehnlin baven uth / alle na dem dithmarscher lande. 5 Holsten] holsteinschen Hs 10.1.

Textabdruck und Kommentar 

 365

12 „Dar ligt nu min Perdt, dar ligt nu min Schwerdt, dar ligt nu min Adeliche Krone.

„Da liegt nun mein Pferd, da liegt nun mein Schwert, da liegt nun meine edle Krone.

13 Dat will ich Mariae verehren dohn tho Schleswig in dem dohme.“

Das werde ich Maria im Dom von Schleswig verehren.“

14 De uns de grothe Guardi dodt schlog, dat wil ick juw wol seggen.

Wer uns die große Garde totschlug, das möchte ich euch gern sagen.

15 Dat heft de grothe Reymer von Wimerstett gedahn, de hefft de grothe Guardi dodt geschlagen.

Das hat der große Reimer von Wiemerstedt getan, der hat die große Garde erschlagen.

16 De uns dat nye leedtlin sang, von nien hefft he idt gesungen.

Der für uns dieses neue Lied gesungen hat, hat es von Neuem gesungen.

17 dat heft de grothe Reymer von wimerstett gedahn mit sinen langen geelen krusen Haaren.

Das hat der große Reimer von Wiemerstedt mit seinen langen, blonden und lockigen Haaren getan.

366 

 Edition

Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 10, Bl. 316r–317r; Hs 10.1, Bl. [103r]–104r.

Die handschriftliche Tradierung von Lied 12B beginnt mit der Chronik ‚Dithmarsia‘ von Peter Sax (Hs  10), die dieser im Jahr 1640 in Koldenbüttel (Eiderstedt) niederschrieb. Darüber hinaus wird das Stück von einer in das 18. Jahrhundert datierenden Abschrift davon (Hs 10.1) bezeugt. In beiden Fällen wurde der Text im Anschluss an die Darstellung des historischen Vorfalls in Dithmarschen bei Hemmingstedt notiert, allerdings ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Strophenform. Aufschlussreich für die Rezeption des Liedes sind die Texte, die Peter Sax, seiner Aufzeichnung von 12B beigeordnet hat: Die Überschrift gibt an, das Lied wäre schon im Jahr 1500 entstanden und würde noch in der Gegenwart des Chronisten, also im Jahr 1640, in Dithmarschen gesungen werden. Überdies schrieb Sax auf den Schnittsteg neben die Verse 9 und 10 eine Variante der betreffenden Textstelle, in der anstelle Meldorfs der nordfriesische Ort Ipernstedt als Ziel der Usurpatoren besungen wird. Der Marginalie stellte Sax zudem den Hinweis vulgo (‚im Volk, allgemein‘) voran, woraus zu schließen ist, dass die Ipernstedt-Variante diejenige war, die nach den Kenntnissen des Schreibers landläufig gesungen wurde. In jedem Fall spricht die Existenz der Strophenvariante für eine Aneignung des Liedes 12 außerhalb Dithmarschens in Nordfriesland zur Zeit seiner Niederschrift durch Peter Sax.

Sprachstand Mit Lied 12B liegt ein mittelniederdeutscher Text vor. Eine spezifisch nordniederdeutsche Ausprägung dokumentiert das folgende Merkmalsensemble: die Realisierung des tonlangen o mit der Graphie (Peters 1987, 1.2.2.): Baden (V. 4f.); der Einheitskasus der Personalpronomen der 1. und 2. Person Dativ und Akkusativ auf Dativbasis (Peters 1987, 2.4.): juw (V. 5, 14), uns (V. 14, 16); der verbale Einheitsplural im Präsens Indikativ mit der Endung -en (Peters 1987, 2.1.1.): willen (V. 1f.). Angesichts der Niederschrift des Textes im Jahr 1640 sind spätmittelniederdeutsche Varianten kaum überraschend, und zwar die Formen mit der Graphie bei folgendem l, m oder w (Peters 1987, 1.4.7.): geschlagen (V. 11, 15), Schwerdt (V. 12), Schleswig (V. 13), schlog (V. 14), mit Dehnungs-h nach Langvokal (Lasch 2 1974, § 18, 3.): dohn (V. 3, 13), ehren ‚ihren‘ (V. 11), verehren, dohme (V. 13), gedahn (V. 15, 17), sowie mit den Konsonantenhäufungen und im Auslaut (Lasch 2 1974, § 236): landt (V. 3, 6), Bistandt (V. 3, 6), Feldt, wardt (V. 11), Perdt, Schwerdt (V. 12), dodt (V. 14f.), leedtlin, idt (V. 16).

Textabdruck und Kommentar 

 367

Nur gelegentlich finden sich hingegen hochdeutsche Varianten im Text Hertzog (V. 1), ihren (V. 8), tapfferen (V. 8, 11) und ich (V. 13). Diese können auf den Schreiber zurückgeführt werden, der seine Chronik in einem frühneuhochdeutschen Idiom verfasste. Davon zeugt auch der konsequent hochdeutsch realisierte Sprachstand der von Sax beigegebenen Liedüberschrift.

Stellenkommentar T Umb Und in der Zeit: Die Angabe bezieht sich auf das Jahr der Schlacht bei Hemmingstedt, also auf das Jahr 1500, deren Darstellung dem Liedeintrag vorangeht. in dem lande: Dithmarschen. 3 Bistandt: Begriff, der auf das Treueverhältnis zwischen Lehnsherrn und Lehnsmann abhebt, insbesondere auf die Bereitschaft des letzteren seinem Herrn mit Rat und Hilfe zur Seite zu stehen (vgl. Nr. 1, Kommentar zu V. 14; Nr. 12A, Kommentar zu V. 6). 7 mendiret: vgl. lat. mandare ‚auftragen, anweisen, befehlen‘. In Vers 7 wird das Verb im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Zuges nach Dithmarschen verwendet (thom felde); aus diesem Grund wurde übersetzt mit „sich für den Feldzug aufstellen“. 9 maken: durch Ausfall des Nebensilbenvokals gebildete Form der 3. Plural Präteritum des schwachen Verbs maken; Vollform makeden (vgl. Lasch 21974, § 217). 10 Aufrichtung des königlichen Banners zum Zeichen der Einnahme Meldorfs; vgl. zu diesem Handlungsmotiv auch Nr. 1, V. 119; Nr. 3, V. 37 (vgl. hier auch den Prätext Nr. 13, V. 23f.); Nr. 12A, V. 22, und Nr. 12C, V. 9. 13 Bei dem Sprecher dieser Zueignungsabsicht muss es sich handlungslogisch und mit Rücksicht auf die verlorene Krone (V.  12) um den gefallenen Herzog handeln. Dass dieser die Insignien seiner Herrschaft und Herzogswürde dem Dom in Schleswig schenken will, da er doch gar nicht mehr in ihrem Besitz ist, ist widersinnig und dient wohl der Verspottung der Figur. 17 mit sinen langen geelen krusen Haaren: Das Haar lang und gelockt zu tragen, entsprach der Mode des Adels im Hochmittelalter seit dem 11. Jahrhundert (Bumke 112005, S. 109, 201). Die lange und blonde Haartracht wiederum signalisiert in der Erzählliteratur die vornehme Herkunft der damit attribuierten Figur (Gobrecht 2014, Sp. 1226). Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 565 (nach Hs 10.1). Wolff 1830, S. 337f. Müllenhoff 41845, S. 64 (V. 14–17). Liliencron II 1866, S. 452. Peter Sax Dithmarsia 1986, S. 146 (nach Hs 10). – Lammers ³1987, S. 24. Schanze 1992(a), Sp. 695 (Nr. 12).

368 

 Edition

Nr. 12C: De Hertoch sprack dem köninge tho T Dat Söste Pöema

Das sechste Gedicht

1 De Hertoch sprack dem köninge tho: „O Koning, leveste Broder,

Der Herzog sprach zum König: „Oh König, liebster Bruder,

2 wo wille wi dat frie dithmarsche land ane groten Schaden gewinnen?“

wie können wir das freie Land Dithmarschen ohne großen Schaden gewinnen?“

3 „Wi willen maken einen baden bereit und schicken in de grote Garde.

„Wir werden einen Boten bereit machen und zur großen Garde senden.

4 desulve will balde by uns wesen; dithmarschen schal unse balde werden.“

Dieselbe wird bald bei uns sein; Dithmarschen wird bald schon uns gehören.“

5 Und do de grote Garde de mere vernam,

Und als die große Garde diese Nachricht hörte, bereitete sie sich auf den Zug über die Heide vor.

se rusteden sick balde aver de heyde. 6 „köne wi des konings besoldung verdehnen, unse froven schölen sulvest mede.“

„Können wir den Sold des Königs verdienen, dann sollen auch unsere Frauen mitkommen.“

7 Se tögen tho hogen Winbergen in,

Sie zogen in das hoch gelegene Windbergen ein, dort blieben sie für kurze Zeit.

dar legen se eine kleine wile. 8 Se tögen tho hogen Meldorp inne in einer korten ile.

In großer Eile zogen sie in das hoch gelegene Meldorf ein.

9 Se steken ere banner thom hogen thorne uth

Sie hängten ihre Banner aus dem hohen Turm hinaus zur Schande für die Dithmarscher.

den dithmarschen dar thor schande. 10 Se hengenden eren schilt woll aver de mueren, daraver is it enen nicht woll ergangen.

Sie hängten ihre Wappenschilde über die Mauern, das ist ihnen nicht gut bekommen.

11 Do se na Hemmingstede reisen wolden, Wo kort wart en dar de mile!

Als sie nach Hemmingstedt ziehen wollten, wie kurz wurde ihnen der Weg dahin!

12 dar wurd de grote Garde dothgeschlagen mit allen eren dapperen helden.

Dort wurde die große Garde totgeschlagen mit all ihren tapferen Helden.

13 dar legen ere Perde, dar legen ere Schwerde all up der Hemmingsteder velde.

Da lagen ihre Pferde, da lagen ihre Schwerter auf dem Schlachtfeld vor Hemmingstedt.

3 außerhalb des Schriftspiegels vorangestellt K. Absatz in der Vorlage hinter 2 gewinnen, 4 werden, 6 mede, 10 ergangen.

Textabdruck und Kommentar 

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14 Ock wurd dar de feldherr erlecht mit allen Riddern gar schone.

Auch der Feldherr wurde dort geschlagen zusammen mit all den herrlichen Rittern.

15 Wi hebben ock tho groter bute dar van gebracht de koniglicke krone.

Wir haben auch als bedeutende Beute

16 de krone schal Maria dragen tho Aken in dem dohme.

Die Krone soll Maria im Dom von Aachen tragen.

die königliche Krone davongebracht.

370 

 Edition

Textgeschichte Überlieferungsträger: Hs 11, Bl. [106v]–107r.

Das Lied 12C ist unikal überliefert. Im Verbund mit den Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 sowie mit den Liedern Nr. 8, 9, 11 und 12A wurde es im 17. Jahrhundert in ein schmales Heft eingetragen, das später mit anderen Schriften unterschiedlicher Provenienz zu einem Konvolut zusammengebunden wurde (Hs 11). Hier steht das Lied an vorletzter Position der Sammlung hinter Nr. 1, Nr. 2, Nr. 11, Nr. 8 und Nr. 9 und vor der Fassung 12A. Die Notation des Liedes erfolgte nicht nach Strophen, sondern in unterschiedlich langen Textblöcken (V.  1–2, V.  3–4, V.  5–6, V.  7–10, V. 11–16).

Sprachstand Das Lied 12C ist in einem nordniederdeutschen Schreibidiom aufgezeichnet worden; darauf deuten die Varianten des Einheitsplurals im Präsens Indikativ mit der Endung -en (Peters 1987, 2.1.1.) hin, wie bei willen, schicken (V. 3), sowie die Schreibung für das tonlange o (Peters 1987, 1.2.2.) in den Formen baden (V. 3), aver (V. 5, 10) und daraver (V. 10). Die spätmittelniederdeutschen Merkmale, wie das Dehnungs-h (Lasch 21974, §  18, 3.) in vordehnen (V.  6) und dohme (V.  16) wie auch die Graphie vor Konsonant (Peters 1987, 1.4.7.) in Schwerde (V. 13), korrespondieren mit dem Aufzeichnungszeitpunkt im 17. Jahrhundert. Auf hochdeutschen Einfluss ist wohl die Variante wurd ‚wurde‘ (V. 12, 14) anstelle von ward (Lasch 21974, § 427, C.) zurückzuführen.

Stellenkommentar 5 de grote Garde … se rusteden: Inkongruenz in Bezug auf die Kategorie Numerus bei semantischer Kongruenz. aver de heyde: Raumtopik des Erzählliedes. Vgl. Stellenkommentar zu Nr. 8 (3,2). 9 Aufrichtung des königlichen Banners zum Zeichen der Einnahme Meldorfs; vgl. zu diesem Handlungsmotiv auch Nr. 1, V. 119; Nr. 3, V. 37 (vgl. hier auch den Prätext Nr. 13, V. 23f.); Nr. 12A, V. 22, und Nr. 12B, V. 10. 10 Se ... mueren: Vgl. Stellenkommentar 12A, V. 23. Krause 1875(b), S. 368. – Schanze 1992(a), Sp. 695 (Nr. 12).

Textabdruck und Kommentar 

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Literarischer Kommentar für 12A, 12B, 12C Die Aufzeichnungen von 12A, 12B und 12C in den Manuskripten Hs  9, Hs  10 und Hs  11 dokumentieren die Existenz von drei zeitgleich kursierenden Fassungen eines Liedes. Dies legen die markanten Übereinstimmungen von Motivbestand, Motivfolge und Motivausprägung nahe, die teils bis auf die Ebene des Wortlautes reichen, während mit Blick auf dieselben Aspekte ebenso deutliche Unterschiede festgestellt werden können, die den Liedern jeweils ein eigenes charakteristisches Gepräge geben. In Verwendung des Fassungsbegriffs schließe ich mich Joachim Bumke an, der in Bezug auf mittelalterliche Epen von Fassungen sprach, wenn 1. ein Epos in mehreren Versionen vorliegt, die in solchem Ausmaß wörtlich übereinstimmen, daß man von ein und demselben Werk sprechen kann, die sich jedoch im Textbestand und/oder in der Textfolge und/oder in den Formulierungen so stark unterscheiden, daß die Unterschiede nicht zufällig entstanden sein können, vielmehr in ihnen ein unterschiedlicher Formulierungs- und Gestaltungswille sichtbar wird; und wenn 2. das Verhältnis, in dem diese Versionen zueinander stehen, sich einer stemmatologischen Bestimmung widersetzt, also kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der klassischen Textkritik vorliegt, womit zugleich ausgeschlossen wird, daß die eine Version als Bearbeitung der anderen definiert werden kann; vielmehr muß aus dem Überlieferungsbefund zu erkennen sein, daß es sich um ‚gleichwertige Parallelversionen‘ handelt.83

Hinsichtlich der Überlieferungsbefunde können A und B zweifelsfrei als parallele Ausprägungen aufgefasst werden und entsprechen demzufolge auch in dieser Perspektive dem Fassungsbegriff von Bumke. Lied A wurde 1634 von Hans Detleff in Windbergen in Dithmarschen aufgezeichnet (Hs 9), Lied B hingegen 1640 von Peter Sax (Hs  10) in Koldenbüttel im benachbarten Eiderstedt; beide Aufzeichnungen stehen in keinem erkennbaren Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Überdies indizieren die Überschriften, die den Liedern von den Schreibern jeweils beigegeben wurden, dass beide Versionen zum Zeitpunkt ihrer Verschriftung in Hs 9 und Hs 10 noch in mündlichem Gebrauch waren: Hans Detleff gab zu 12A an Wert vor einen Ditmarschen dantz gebruket, Peter Sax schrieb, 12B [wird] noch heutiges Tages in dem lande gesungen. Etwas anders verhält es sich mit C, denn hier besteht immerhin ein enger Überlieferungszusammenhang mit A. Beide Texte

83 Bumke, Joachim: Die vier Fassungen der „Nibelungenklage“. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik der höfischen Epik im 13. Jahrhundert. Berlin / New York 1996. (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 8. 242), S. 32.

372 

 Edition

stehen zusammen mit Nr. 1, Nr. 2, Nr. 8, Nr. 9 und Nr. 11 in der Sammelhandschrift Hs 11, so dass es nicht ganz sicher ist, ob mit dem verhältnismäßig kurzen Stück 12C am Ende nicht doch eine Bearbeitung von 12A vorliegt und die von Bumke formulierten Fassungs-Kriterien zumindest für C nicht in Gänze erfüllt sind. Metrik Keine Aufzeichnung der Varianten von Nr. 12 bildet im Schriftbild die Gliederung nach Strophen nach. Die Rekonstruktion eines wiederkehrenden metrischen Musters gestaltet sich deshalb vergleichsweise schwierig. Es zeigt sich jedoch ein regelmäßiger Wechsel von längeren, gelegentlich vierhebigen, und kürzeren, oft dreihebigen weiblich kadenzierenden Versen. In der Zusammenschau von inhaltlich-syntaktischen Texteinheiten und den Endreimverhältnissen treten in der beschriebenen Versabfolge sehr vereinzelt schließlich die Konturen der Vagantenstrophe hervor,84 indem zwei auftaktige und männlich ausklingende Vierheber mit zwei ebenfalls auftaktigen und weiblich ausklingenden Dreihebern wechseln, welche überdies durch Endreim miteinander verbunden sind. Eine Besonderheit, die vor allem in 12A sehr stark ausgeprägt ist, bilden die gelegentlichen, aber nicht in regelmäßiger Folge auftretenden Vier- und Fünfheber mit Zäsur und Binnenreim: 12A V. 15: Der Gárde Her spráck | do mit móde stárck: V. 19: Ach léndeken déep, | nu bín ick dý nicht wýth V. 26: Dat wédder was nicht klár, | de wéch was ock schmál V. 31: He stáck so stárck, | dat drúth ein krúm hake wárt V. 33: De Gárde was stárck, | Drei hádden vulle wárgk V. 36: Dar lách do sin pért, | dar lách ock sin schwért 12B V. 12: Dar lígt nu min Pérdt, | dar lígt nu min Schwérdt 12C V. 13: dar légen ere Pérde, | dar légen ere Schwérde

In Verbindung mit den Vier- und Dreihebern der Vagantenstrophe deuten diese Verse auf eine siebenzeilige Strophenform hin, die den bekannten Vierzeiler um ein zweihebiges Verspaar mit Auftakt und männlicher Kadenz und einen abschlie-

84 Frank 21993, 4.36.

Textabdruck und Kommentar 

 373

ßenden klingenden Dreiheber erweitert. Dieser Dreiheber kann mit Vers 2 und 4 reimen oder als Waise ausgeprägt sein (A4ma/x A3wb A4ma/x A3wb A2mc A2mc A3wb/x).85 Äußerungsinstanz Im Entwurf der Äußerungsinstanz stimmen die drei Fassungen weitgehend überein: Zu Beginn und im Verlauf des Liedes nicht wahrnehmbar, gibt sich jeweils erst am Ende ein Sprecher-Wir zu erkennen, das zudem in allen drei Fällen mit den Dithmarschern gleichgesetzt werden kann. In 12A (V.  37) und 12C (V.  15) erfolgt die Selbstreferenz zusammen mit der Bemerkung über die geplante Verwendung der königlichen Krone, die nach Ausgang der Schlacht in Dithmarschen verblieben ist. In 12B steht die Selbstreferenz im Zusammenhang mit den Aussagen über Reimer von Wiemerstedt, der für die Dithmarscher (uns) die Garde erschlagen hat (V.  14) und der als Sänger des Liedes benannt wird (V. 16). Ferner entsprechen die drei Fassungen auch hinsichtlich des Äußerungszeitpunktes einander, der jedesmal unmittelbar nach Ende der Schlacht angesetzt werden kann. Wieder finden sich die Indizien hierfür jeweils am Schluss der Liedfassungen. In A (V.  37) und C (V.  16) wird die Aussage über die Zueignung der Krone an Maria im Präsens und damit folglich als Absicht formuliert. In Fassung B indiziert zum einen die Neuigkeitsformel De uns dat nie leedtlin sang (V. 16) den aktuellen Bezug auf den Hergang des Ereignisses. Zum anderen legt die namentliche Übereinstimmung (Reimer von Wiemerstedt) von Liedsänger (V.  17) und Teilnehmer an der Schlacht (V. 14f.) die Ereignisnähe der im Lied verwirklichten Aufführung nahe. Inhalt und Aufbau Neben den Korrespondenzen auf metrischer Ebene dokumentieren vor allem die Übereinstimmungen im Textbestand, dass es sich bei den Liedern 12A, B, C um Fassungen eines Liedes handelt. So deutet schon der jeweils unvermittelte Liedbeginn in Form eines Beratungsgesprächs zwischen König und Herzog (= Motiv 1) unmissverständlich auf die Verwandtschaft der Lieder hin:

85 Frank 21993, 7.4.

374 

 Edition

12A (V. 1–6)

12B (V. 1–3)

De König woll tho dem Hertzog Hans wol tho sinem Hertogen sprack: „Ach broder Broder sprack: harteleve broder,

12C (V. 1–4) De Hertoch sprack dem köninge tho: „O Koning, leveste Broder,

Ach broder, hartlevester broder „Ach Broder, leve Broder min, wo wille wi dat frie min, Wo wille wi dat nu wat willen wi nu beginnen?“ dithmarsche land ane groten beginnen, Schaden gewinnen?“ dat wi dat frie rike Ditmarschen landt Ane unsen schaden mögn gewinnen?“

„Wi willen hentehen na dat Adeliche dithmarscher also gutt, efft wi dat mogen gewinnen.

So balt dat Reinholt van Meylant vornam Mit sinem langen gelen barde, De sprack: „willn maken Wi willen hentehen na de einen baden bereit Und Guardi schicken na der groten Garde.

„Wi willen maken einen baden bereit und schicken in de grote Garde.

Will uns de grote Garde bistandt dohn, Ditmarschen schal unse woll werden.“

desulve will balde by uns wesen; dithmarschen schal unse balde werden.“

und will uns dan de Guardi Bistandt dohn, so möge wi dat landt wol gewinnen.“

Die Eroberung Meldorfs mit der Aufrichtung des königlichen Banners (= Motiv 3) stimmt im Wortlaut beinah überein: 12A (V. 22)

12B (V. 10)

12C (V. 9)

Se steken des Königs banner thom hogen torne uth Den Ditmarschen dar tho gramme.

Dar stecken se des koniges Fahne tho dem Torne uth dem dithmarscher lande tho schanden.

Se steken ere banner thom hogen thorne uth den dithmarschen dar thor schande.

Textabdruck und Kommentar 

 375

Das gleiche trifft auf das Motiv des Falls der großen Garde zu (= Motiv 4), die in den drei Fassungen als tapfere Helden beschrieben werden: 12A (V. 24–25)

12B (V. 11)

12C (V. 11–12)

Se togen noch ein weinig wieder vorth Woll na der Hemmingsteder Velde.

Se tögen tho Hemmingstett up dat Feldt.

Do se na Hemmingstede reisen wolden, Wo kort wart en dar de mile!

Dar bleff ock de grote Garde geschlagen Mit eren dapperen helden.

Dar wardt de grothe Guardi dodt geschlagen mit allen ehren tapfferen Helden.

dar wurd de grote Garde dothgeschlagen mit allen eren dapperen helden.

Schlussendlich wird mit dem Motiv, das zum Liedende hin von dem Verlust und der Widmung von Pferd, Schwert und Krone handelt (= Motiv 5), der enge textgeschichtliche Zusammenhang der drei Lieder evident: 12A (V. 36–37)

12B (V. 12–13)

12C (V. 13, 16)

Dar lach do sin pert, dar lach ock sin schwert, Dartho de Königlike Krone.

„Dar ligt nu min Perdt, dar ligt nu min Schwerdt, dar ligt nu min Adeliche Krone.

dar legen ere Perde, dar legen ere Schwerde all up der Hemmingsteder velde.

De Krone de schal uns Maria dragen Tho Aken wohl in dem Dome.

Dat will ich Mariae verehren dohn tho Schleswig in dem dohme.“

de krone schal Maria dragen tho Aken in dem dohme.

Die dokumentierten Übereinstimmungen in Textbestand und Wortlaut sind ferner gekoppelt an einen identischen Grundstock von Handlungsmotiven. Dies sind (1)  das Beratungsgespräch der Usurpatoren vor der Schlacht, das jeweils den Auftakt des Liedes in medias res bildet, (2) der Aufbruch der großen Garde zum neuen Dienstherrn, (3) der Zug des fremden Heeres durch Dithmarschen bis nach Hemmingstedt, (4) die Schlacht mit dem Fall der großen Garde sowie (5) die Niederlage des Feldherrn. Danach handeln die drei Fassungen von Nr. 12 von einem Brüderpaar, einem König und einem Herzog, die den Wunsch und die Absicht hegen, das Land Dithmarschen zu erobern und die zu diesem Zweck beratschlagen, wie das Vorhaben zum Erfolg geführt werden könne. Sie kommen zu dem Schluss, die große Garde zu engagieren; ein Bote soll dem Söldnerheer das Dienstangebot überbringen. Die Garde nimmt an und zieht nach Dithmarschen. Als vorläufiger Erfolg wird Meldorf eingenommen und die Eroberung mit der Aufrichtung des königlichen Banners zur Schau gestellt. Das Heer der

376 

 Edition

Invasoren setzt seinen Zug fort; auf dem Schlachtfeld vor Hemmingstedt erleiden sowohl die Söldner als auch der Feldherr die Niederlage, die mit Verlust von Pferd, Schwert und Krone symbolisiert wird. Die Unterschiede der drei Fassungen betreffen zum einen die Erweiterung des genannten Motivbestands um zusätzliche Motive und zum anderen die divergente Ausprägung der gemeinsamen Motive. Die folgende Übersicht zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Motivbestand in der Zusammenschau: 12A Motiv 1

12B

12C

Beratungsdialog der Usurpatoren V. 1–6

V. 1–3

V. 1–4

Entsendung eines Boten zur großen Garde V. 4 Motiv 2

Kenntnisnahme der großen Garde vom Dienstangebot und folgender Aufbruch V. 7–10

V. 5–8

V. 5–6

Ankunft der Garde beim König und Dialog zwischen Garde und König V. 11–16 Aufbruch von König und Garde nach Dithmarschen V. 17–19 Motiv 3

Zug des Heeres durch Dithmarschen bis nach Hemmingstedt V. 20–24

Motiv 4

V. 7–11

V. 11

V. 12–13

Fall der großen Garde V. 25–27

Motiv 5

V. 9–11

Fall und Niederlage des Feldherrn V. 28–37 V. 12–13 (ausgestaltet als Kampf zwischen einem Reiter in goldener Rüstung und drei Dithmarschern) Signaturstrophe V. 14–16

V. 14–16

Textabdruck und Kommentar 

 377

Aus der Darstellung wird ersichtlich, dass die Fassung C auf den Motivgrundstock reduziert bleibt. In der Motivausprägung korrespondiert C zwar weder mit A noch mit B in Gänze, zeigt jedoch mit A einige merkliche Gemeinsamkeiten in der Wortwahl, die beide Texte textgeschichtlich näher zusammenrücken lassen. Dies betrifft Motiv 1 (A, V. 3 – C, V. 2; A, V. 5 – C, V. 3), Motiv 3 (A, V. 22 – C, V. 9; A, V. 23 – C, V. 10) und Motiv 5 (A, V. 37 – C, V. 16). Die Unterschiede zwischen A und C nehmen vordergründig Einfluss auf die Konturierung der Figur des Königs. In der Beratungsszene am Liedeingang sind die Rollen vertauscht: Während in A der König den Herzog um Rat fragt (V. 1–3), nimmt in C der Herzog die Rolle des Fragenden ein, wohingegen der König als Ratwissender figuriert (V. 1–4). Überdies wird der Verlust von Pferd und Schwert in A als Verlust des Königs dargestellt (V. 36) und damit seine Niederlage akzentuiert; in C dagegen werden Pfert und Schwert der geschlagenen Garde zugeschrieben (V. 13). In Fassung B ist die Kernmotivreihe erweitert um eine Botenszene, welche die Nachrichtenübermittlung des Königs an die Garde in direkter Figurenrede ausgestaltet (V. 5–6), während in A und C im Rahmen der Beratungsszene lediglich das Vorhaben, einen Boten zur großen Garde zu entsenden, zum Ausdruck gebracht wird (A, V. 5; C, V. 3). Ferner unterscheidet sich B mit Rücksicht auf das Liedende markant von A und C, indem hier eine Äußerungsinstanz in den Vordergrund tritt, die ihr Publikum in der Absicht adressiert, ihm mit Reimer von Wiemerstedt den Helden der Schlacht und den Sänger des Liedes zu präsentieren (V. 14–17). Durch die starke Präsenz der Äußerungsinstanz erreicht die Ereignishandlung in B insgesamt einen höheren Grad der Vermitteltheit als die Handlung in A und C. Die umfangreichsten Erweiterungen der Kernhandlung weist die Fassung A auf. Hervorzuheben sind insbesondere der Dialog zwischen dem Anführer der großen Garde und dem König (V.  11–16) sowie die Grußapostrophe seitens des Königs an das Land Dithmarschen (V. 18f.). Beide Passagen lassen die Figur des Königs insgesamt schwach und lächerlich erscheinen und verleihen der Fassung A damit gegenüber B und C ein besonderes Gepräge: Das Gespräch zwischen dem König und dem Anführer der großen Garde wird von Anfang an von Letzterem dominiert; er ist dem König weit überlegen, hat das erste und auch das letzte Wort. Im Fall der Grußapostrophe ruft die Diskrepanz zwischen dem militärischen Kontext, in dem sich der König als Feldherr bewegt, und der Art und Weise, wie er sich beim Anblick Dithmarschens gebärdet, die lächerliche Wirkung hervor.86

86 Vgl. hierzu Brandt 2019(b), S. 51–66.

378 

 Edition

3 Glossar der Orts- und Personenreferenzen 3.1 Orte Aachen: seit dem 8. Jahrhundert Königspfalz, seit der Krönung von Otto I. (912– 973) im Jahr 936 bis 1531 Krönungsort der deutschen Könige. Die Krönungen fanden in St. Marien statt, einer von Karl dem Großen (gest. 814) begründeten Stiftskirche (Aachener Dom) neben der Pfalz, in der er 814 selbst und nach ihm Otto III. († 1002) beigesetzt wurden.87 Mit der Schlacht bei → Hemmingstedt lässt sich die Stadt nicht in Verbindung bringen.88 → Nr. 12A: 37. Nr. 12C: 16. Albersdorf: Ort im Osten → Dithmarschens in Grenznähe zu → Holstein. Die Tatsache, dass das Heer von König → Hans nach seinem Einmarsch im Februar 1500 hier die erste Station einlegte, ist in mehreren Chroniken dokumentiert. Doch fußen deren Darstellungen letztlich auf der Reimpaardichtung Nr.  1, während andere zeitgenössische Quellen die Information nicht bieten.89 → Nr. 1: 99. Bremen, Erzbistum: Der Erzbischof von Bremen war seit den Verhandlungen nach der Schlacht bei Bornhöved 1227 Lehnsherr von → Dithmarschen; sein Einfluss wurde von den Landesbewohnern jedoch zurückgedrängt. „Über lange Jahre hin kümmerten die Dithmarscher sich überhaupt nicht um den Erzbischof und entsannen sich seiner und seiner nominellen Landesherrschaft erst dann wieder, wenn ihre Freiheit von Holstein her bedroht wurde. Dem Argument gegenüber, Dithmarschen sei ein ‚herrenloses‘ Land, betonten sie dann, daß der Erzbischof ihr Herr sei, und zeigten darauf kurzfristig Bereitschaft, diesem geringe Zahlungen zu leisten.“90 → Nr. 2: 37 (Apparat). Brüssel: Im Zusammenhang mit der Schlacht bei → Hemmingstedt ist kein Treffen von König → Hans von Dänemark oder der großen → Garde in Brüssel bezeugt.91 → Nr. 8: 2,2. Dithmarschen: 782 erstmals erwähntes Land an der Nordseeküste, begrenzt von der → Elbe im Süden und der Eider im Norden, zählte im Frühmittelalter zu den drei sächsischen Stammesgebieten nördlich der Elbe, die unter Karl dem Großen (gest. 814) in das fränkische Reichsgebiet eingegliedert wurden. Dithmarschen wurde 1181 von Kaiser Friedrich I. (gest. 1190) dem → Erzbistum Bremen zugesprochen; nach kurzzeitiger dänischer Herrschaft in Nordelbingen, die mit der

87 Vgl. Brückner, Wolfgang: Aachen. In: LMA 1 (1999), Sp. 1–4. 88 Vgl. Lammers ³1987. 89 Vgl. Lammers ³1987, S. 131, Anm. 1. 90 Hoffmann 1990, S. 311. 91 Vgl. Lammers ³1987.

Glossar der Orts- und Personenreferenzen 

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Schlacht bei Bornhöved von 1227 beendet wurde, verblieb die Herrschaft über das Land nominell beim Erzbischof von Bremen. König → Christian I. von Dänemark erlangte im Jahr 1473 die Belehnung mit Dithmarschen seitens Kaiser Friedrichs III. (1415–1493), die von den Dithmarschern allerdings nicht anerkannt wurde. Der Erzbischof von Bremen als ihr rechtmäßiger Lehnsherr appellierte daraufhin an den Papst, der 1476 die Landesherrschaft des Erzbistums über Dithmarschen bestätigte und jedes Zuwiderhandeln mit Bann und Interdikt zu bestrafen drohte. Schließlich zog Friedrich III. die Belehnung von 1473 zurück. Christian und nach ihm seine Söhne → Hans und → Friedrich rückten jedoch nicht von ihren Ansprüchen auf Dithmarschen ab; der Konflikt mündete am 17. Februar 1500 in die Schlacht bei → Hemmingstedt. Schon zuvor war Dithmarschen das Ziel militärischer Eroberungsversuche gewesen: Die Angriffe der Schauenburger aus der Grafschaft → Holstein von 1319 (Schlacht bei → Oldenwöhrden) und 1403/1404 (Schlacht in der → Hamme) konnten vereitelt werden. Holstein grenzte im Osten unmittelbar an das Land Dithmarschen und die Grafen waren beständig bestrebt, ihren Machtbereich in westlicher Richtung bis zur Nordseeküste auszuweiten. Dithmarschen war in 14 Kirchspiele aufgeteilt, die sich unter der Leitung von ‚Schlütern‘ (Schließern) und ‚Schwaren‘ (Geschworenen) selbst verwalteten; darüber hinaus ernannten die Kirchspiele Ratgeber, welche die Interessen des Landes nach Außen vertraten. Die Verwaltung des Landes lag faktisch in den Händen der in → Meldorf tagenden Landesversammlung der Kirchspielvertreter. Geleitet wurde das Gremium von fünf Vögten, die überdies die Verantwortung für das Heeresaufgebot der fünf Döffte (Amtsbezirke) hatten sowie die Blutgerichtsbarkeit in ihren Amtsbezirken ausübten. Die Vögte wurden von den Dithmarschern aus dem Geschlecht der Vogdemannen rekrutiert. Einen erzbischöflich eingesetzten und im Sinne des Lehnsherrn agierenden Vogt gab es seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert nicht mehr; die Lehnsherrschaft des Bremer Erzbischofs in Dithmarschen bestand damit nur mehr nominell. Mit dem Dithmarscher Landrecht von 1447 wurde der Rat der Achtundvierziger geschaffen – ein Gremium von 48 auf Lebenszeit gewählten Richtern, das der Landesversammlung, d. h. den Kirchspielen, als rechtsprechende Instanz übergeordnet wurde und das Land in der Folge auch nach Außen vertrat. Die Mitglieder entstammten den wohlhabenderen und einflussreicheren Bauernfamilien und waren weitgehend identisch mit den Ratgebern der Kirchspiele. Landesversammlung und Achtundvierziger tagten seit dem Landrecht von 1447 in → Heide.92 → Nr. 1: 4. 8.

92 Vgl. Hammel-Kiesow, Rolf / Pelc, Ortwin: Landesausbau, Territorialherrschaft, Produktion und Handel im hohen und späten Mittelalter (12.–16. Jh.). In: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Ulrich Lange. Neumünster 1996, S. 59–134, hier

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 Edition

95. Nr. 2: 34. 149. 185. Nr. 3: 22. Nr. 4: 3,1. 4,1. 22,5. Nr. 5: 1,3. Nr. 6: 1,3. Nr. 7: 18. Nr. 9: 1,3. 12,1. Nr. 11: 1,3. Nr. 12A: 3. 12. 16. Nr. 12B: 2. 10. Nr. 12C: 2. 4. Dusentdüwels-Warf: Name des Ortes zwischen → Meldorf und → Hemmingstedt, an dem am 17. Februar 1500 die Schlacht der Dithmarscher gegen das Heer von König → Hans I. von Dänemark stattgefunden haben soll. Die Bezeichnung findet sich in der Chronik von Heinrich Rantzau (1526–1598), dann bei Johannes Neocorus (Hs 8) und danach auch in den jüngeren Chroniken.93 Das früheste Zeugnis liegt mit der Reimpaarrede Nr. 2 vor, aus der hervorgeht, dass der Ort schon vor dem Krieg von 1500 nach dem Teufel benannt worden wäre. Die exakte Lokalisierung des Ortes ist umstritten.94 → Nr. 2: 128. Elbe: Fluss, der im Mittelalter die südliche Grenze des Landes → Dithmarschen bildete. → Nr. 6: 6,4. Friesland: Bezeichnung für das Siedlungsgebiet der Friesen an den Mündungen von Rhein und Ems, das nach Süden (bis an die Sincfal) und Osten (bis an die Weser), seit dem 8. Jahrhundert auch nach Norden (Wursten, Nordfriesische Inseln) und noch später bis an die Nordseeküste → Schleswigs ausgedehnt wurde; keine politische Einheit. Das Gebiet östlich der Vlie war während des Mittelalters immer wieder Ziel von Expansionsversuchen angrenzender Gewalten, darunter z. B. auch die Grafen von → Oldenburg.95 Unmittelbar vor der Schlacht bei → Hemmingstedt hielt sich die große → Garde im friesischen Gebiet östlich der Ems auf. Die Söldner sollten für Herzog Magnus I. von Sachsen-Lauenburg (gest. 1543) kämpfen, der sich in einer Fehde mit dem Bremer Erzbischof (→ Bremen, Erzbistum) um die Lande Hadeln und Wursten befand. Zuletzt lagerten sie in Lehe an der östlichen Wesermündung (heute Stadtbezirk von Bremerhaven) und brachen von dort am 26. Dezember 1499 zum Angriff auf Wursten auf, der jedoch infolge einer Gegenwehr der Friesen in Weddewarden etwas weiter nördlich von Lehe vorzeitig scheiterte. Am 1. Januar 1500 unternahm das Heer einen weiteren Feldzug gegen Hadeln und konnte es für Herzog Magnus einnehmen. Danach berief König → Hans I. von Dänemark die große Garde in seine Dienste. Die Söldner zogen durch das Herzogtum Lüneburg bis an die → Elbe; Ende Januar erreichten die Truppen das Herzogtum → Holstein.96 → Nr. 9: 2,2.

S. 74; Hoffmann 1990, S. 309–314; Lammers ³1987, S. 43–56; Wülfing, Inge-Maren: Dithmarschen. In: LMA 3 (1999), Sp. 1130–1132. 93 Vgl. die Übersicht bei Lammers ³1987, S. 146f. 94 Vgl. hierzu Lammers 31987, S. 145–156. 95 Vgl. Blok, Dirk P.: Friesen, Friesland. (A. Siedlungsgeschichte und Archäologie, I.–III.). In: LMA 4 (1999[b]), Sp. 970f., hier Sp. 970; Lengen, Hajo van: Friesen, Friesland. (B. Allgemeine und politische Geschichte). In: LMA 4 (1999), Sp. 972–976. 96 Lammers ³1987, S. 64f.

Glossar der Orts- und Personenreferenzen 

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Hamme: Landschaft im Norden → Dithmarschens, westlich und nordwestlich von → Heide, Schauplatz der Schlacht in der Hamme von 1404, in der die Dithmarscher → Gerhard VI., Graf von → Holstein und Herzog von → Schleswig, schlugen.97 → Nr. 1: 18. 27. Nr. 11: 4,5. Heide: erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts gegründeter Ort in Norderdithmarschen. Seit dem Dithmarscher Landrecht von 1447 tagten hier wöchentlich der neu eingesetzte Rat der Achtundvierziger sowie auch die Landesversammlung. Das administrative Schwergewicht → Dithmarschens verschob sich damit von Süden mit dem Hauptort → Meldorf auf den Norden des Landes mit Heide als Zentrum. Zur Zeit der Schlacht bei → Hemmingstedt hatte Heide vor Meldorf die größere politische Bedeutung im Land.98 Nach der Eroberung Meldorfs soll Heide das nächste Ziel des Feldzugs von König → Hans I. gewesen sein,99 der vor Hemmingstedt durch die Dithmarscher vereitelt wurde. → Nr. 1: 130. 141. Nr. 4: 4,4. Nr. 8: 15,1. Nr. 11: 7,3. Hemmingstedt: Ort etwa auf halber Strecke zwischen → Meldorf im Süd- und → Heide im Nordteil → Dithmarschens, in dessen Nähe am 17. Februar 1500 das Heer von König → Hans I. von Dänemark von den Dithmarschern geschlagen wurde.100 → Nr.  1: 129. Nr.  4: 5,2. Nr.  8: 21,2. Nr.  9: 5,1. Nr.  12A: 24. Nr.  12B: 11. Nr. 12C: 11. 13. Holstein: im Früh- und Hochmittelalter mit Stormarn und → Dithmarschen einer der norddeutschen Gaue Sachsens, der politisch seit 810 zum Fränkischen bzw. Deutschen Reich gehörte und kirchlich zum Erzbistum Hamburg-Bremen. Seit der Belehnung Adolfs von Schauenburg (gest. 1128) mit den Grafschaften Stormarn und Holstein im Jahr 1111 durch den sächsischen Herzog Lothar von Supplinburg (1075–1137) hatten die Schauenburger (mit kurzer Unterbrechung von 1201 bis 1225) dauerhaft die Herrschaft über Holstein inne, bis diese mit → Christian I., König von Dänemark, im Jahr 1460 an das Geschlecht der Oldenburger überging. Nominell waren Stormarn und Holstein zunächst lehnsabhängig vom Herzogtum Sachsen und später vom Bischof von Lübeck. Erst 1474 erreichte König Christian I. die Erhebung Holsteins mit Stormarn und Dithmarschen zum Reichslehen und Herzogtum. Nach mehreren erfolglosen Versuchen (1319, 1404, 1500) gelang

97 Vgl. Lammers ³1987, S. 125f. 98 Vgl. Hoffmann 1990, S. 312f. 99 Vgl. Lammers ³1987, S. 135 (ohne Quellenangabe). 100 Vgl. Lammers ³1987. Zur Diskussion über die genaue Lage des Schlachtgeschehens vgl. ebd., S. 142–157.

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 Edition

jedoch erst 1559 die militärische Eroberung und faktische Eingliederung Dithmarschens in das Herzogtum.101 → Nr. 1: 25. Nr. 3: 117. Nr. 6: 8,5. Nr. 12B: 5. Ipernstedt: Ort in Eiderstedt im Herzogtum → Schleswig, spielte in der Schlacht bei → Hemmingstedt keine direkte Rolle.102 → Nr. 12B: Apparat. Lieth: Dorf, 1 km nordwestlich von → Hemmingstedt.103 → Nr. 4: 8,2. Lunden: Ort im Norden → Dithmarschens an der Grenze zu Eiderstedt, 1529 zur Stadt erhoben.104 Die Ereignisdichtungen Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 8 handeln übereinstimmend von der Absicht König → Hans’, nach der Einnahme von → Meldorf weiter über → Heide bis nach Lunden zu ziehen; von diesem Plan spricht auch Lammers, gibt jedoch keine Quelle dazu an.105 → Nr. 1: 141. Nr. 4: 4,5. Nr. 8: 17,2. Marienburg: Burganlage in Dithmarschen am Landweg von → Albersdorf nach → Meldorf.106 → Nr. 1: 52. Meldorf: Stadt in → Dithmarschen, ältester Pfarrort und bis in das 15. Jahrhundert als Tagungsort der Landesversammlung politisches Zentrum in Dithmarschen, bevor mit dem Landrecht von 1447 → Heide Sitz der Achtundvierziger und der Landesversammlung wurde.107 Auf dem Feldzug König → Hans’ I. von Dänemark in Dithmarschen wurde Meldorf am 13. Februar 1500 eingenommen und besetzt.108 Davon, dass das Heer drei Tage lang bis zum Weitermarsch Richtung Norden hier Quartier bezog und das königliche Banner zum Zeichen des Etappensieges aufgerichtet wurde, handeln lediglich die Ereignisdichtungen; andere Quellen bringt Lammers dafür nicht bei.109 Nach dem Sieg bei → Hemmingstedt eroberten die Dithmarscher die Stadt zurück.110 → Nr. 1: 107. 115. 123. Nr. 2: 46. 47. 51. 132. Nr. 3: 36. 150. Nr. 4: 4,3. 19,1. 20,3. Nr. 5: 3,1. Nr. 6: 2,1. 14,3. Nr. 7: 35. Nr. 8: 8,1. Nr. 9: 3,3. 3,4. Nr. 10: 2,1. Nr. 11: 7,1. Nr. 12A: 21. Nr. 12B: 9. Nr. 12C: 8. Miele: Fluss in → Dithmarschen. Die zwei Flussarme der Miele – die Nordermiele (Fiele) und die Südermiele – vereinen sich in der Nähe von → Meldorf und fließen von dort in die Meldorfer Bucht. Die Nordermiele entspringt im Fieler Moor

101 Vgl. Hoffmann, Erich: Holstein. In: LMA 4 (1999[c]), Sp. 100–102; Lange 1996, S. 154. 102 Vgl. Lammers ³1987. 103 Lammers ³1987, S. 149. Der Ort wird auch in einem lateinischen Gedicht genannt, das in den Kollektaneen von Johann Russe überliefert ist (vgl. Hs 3, 74v). 104 Hammel-Kiesow / Pelc 1996, S. 132. 105 Lammers 31987, S. 135. 106 Vgl. Lammers ³1987, Tafel 7. 107 Vgl. Hoffmann 1990, S. 311, 312f. 108 Lammers ³1987, S. 132. 109 Lammers ³1987, S. 133f. 110 Lammers ³1987, S. 181.

Glossar der Orts- und Personenreferenzen 

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wenige Kilometer östlich von → Hemmingstedt und fließt von dort in südwestlicher Richtung an Hemmingstedt vorbei.111 → Nr. 4: 18,5. Oldenwöhrden: Ort in → Dithmarschen, südwestlich von → Heide, bei Lammers im Zusammenhang mit dem Feldzug von 1500 nicht genannt.112 Nur in Nr. 7 wird Oldenwöhrden neben → Wesselburen als Ort erwähnt, in dem nach der Schlacht eines der Hauptbanner des Königs aufgehängt worden sein soll. → Nr. 7: 61. Schleswig: 1. Herzogtum nördlich der Eider im Süden Jütlands, zunächst unter Einfluss des dänischen Königreichs. Seit ca. 1261 nahm der Einfluss der Grafschaft → Holstein in Schleswig zu, zum einen durch Pfandbesitz der Schauenburger Grafen, zum anderen durch die Übersiedlung des holsteinischen Adels. 1386 nach Aussterben des Abelgeschlechts in Schleswig traten die Schauenburger die Herrschaftsnachfolge an und wurden mit dem Herzogtum belehnt. Schleswig und Holstein wuchsen politisch mehr und mehr zu einem Territorium zusammen. Dieses wurde im Vertrag von Ripen 1460 in Personalunion mit dem Königreich Dänemark zusammengeschlossen, so dass → Christian I. aus dem Geschlecht der Oldenburger zugleich König von Dänemark, Herzog von Schleswig und Graf von Holstein wurde.113 → Nr.  1: 6. 2. Stadt an der Schlei im Herzogtum Schleswig, besiedelt im 11. Jahrhundert in der Nachfolge des Siedlungsortes Haithabu der Wikingerzeit am südlichen Schleiufer; mit Königspfalz und Bischofsdom (St. Petri); anfänglich auch Residenz der Herzöge von Schleswig, die 1268 auf die Burg Gottorf verlegt wurde.114 → Nr. 12B: 13. Tielenburg: Burg an der Eider, d. h. an der Grenze zur Landschaft Stapelholm in → Holstein.115 → Nr. 8: 12,2. Wesselburen: Ort in → Dithmarschen, westlich von → Heide, im Zusammenhang mit dem Feldzug und der Schlacht von 1500 nicht erwähnt.116 In Nr. 7 ist die Rede davon, dass das königliche Hauptbanner nach der Schlacht in der Kirche von Wesselburen aufgehängt worden sein soll; daneben soll ein weiteres Banner laut Nr. 7 in der Kirche von → Oldenwöhrden angebracht worden sein. → Nr. 7: 60. Wiemerstedt: Ort im Nordteil → Dithmarschens, wenige Kilometer nördlich von → Heide. Vgl. → Reimer von Wiemerstedt.

111 Vgl. Lammers ³1987, Tafel 7. 112 Vgl. Lammers ³1987. 113 Vgl. Hoffmann, Erich: Schleswig. II. Herzogtum und Bistum. In: LMA 7 (1999[d]), Sp. 1486– 1488, hier Sp. 1486. 114 Vgl. Hoffmann, Erich: Schleswig. I. Stadt. 2. Geschichte. In: LMA 7 (1999[e]), Sp. 1485f. 115 Vgl. Lammers ³1987, Tafel 7. 116 Vgl. Lammers ³1987.

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Windbergen: Ort im Südteil von → Dithmarschen, südlich von → Meldorf, am 12. Februar 1500 von König → Hans I. von Dänemark und seinem Heer eingenommen.117 → Nr. 1: 103. Nr. 8: 7,1. Nr. 10: 1,2. Nr. 12A: 20. Nr. 12C: 7. 3.2 Personen Ahlefeldt, Hans von: Ritter, entstammte einem schleswig-holsteinischen Adelsgeschlecht, war Feldmarschall König → Hans’ I. von Dänemark und Amtmann von Segeberg.118 In den Ereignisdichtungen Nr.  3, 6 und 7 wird ihm zudem die Funktion des Bannerführers des dänischen Königs zugeschrieben. In den Gefallenenlisten, die in den Kollektaneen von Johann Russe enthalten sind (Hs 3), wird Hans von Ahlefeldt ebenfalls genannt. Zwar ist er hier nicht als Bannerträger dokumentiert, doch wird er ebenso wie in Nr. 7 gleich an dritter Stelle hinter den Grafen von Oldenburg (→ Alfred, → Otto) genannt, was indirekt auf seinen hohen Rang unter den Männern im Gefolge des Königs von Dänemark hinweist. → Nr. 1: 85. Nr. 3: 198. (Nr. 4: 15,1.) Nr. 6: 9,2. Nr. 7: 69. Alfred: Graf von Oldenburg-Delmenhorst, in der Schlacht bei Hemmingstedt am 17. Februar 1500 gefallen, wie sämtliche Gefallenenlisten in den Kollektaneen von Johann Russe dokumentieren (Hs 3); Bruder von → Otto, Graf von Oldenburg-Delmenhorst.119 → Nr. 1: 84. Nr. 3: 197. Nr. 7: 66. Christian: Christian I., König von Dänemark (1426–1481), seit 1460 Herzog von → Schleswig und Graf von → Holstein;120 hatte 1473 die kaiserliche Belehnung mit dem Land → Dithmarschen erreicht und 1474 die Erhebung der Grafschaft Holstein einschließlich der Lande Stormarn und Dithmarschen zum Herzogtum.121 Die tatsächliche Unterwerfung des Landes gelang ihm jedoch nicht. Denn die Dithmarscher beriefen sich auf ihre Lehnsabhängigkeit vom Bremer Erzbischof (→ Bremen, Erzbistum). Gemeinsam mit diesem wandten sie sich in der Angelegenheit an den Papst. Dieser bestätigte nicht nur die Lehnshoheit des Erzbischofs, sondern „bedrohte mit Bann und Interdikt jeden, der Vögte und Achtundvierziger Dithmarschens in ihrer Amtsausführung behindern würde“.122 → Nr. 1: 64. (Nr. 9: 1,4.)

117 Lammers ³1987, S. 131. 118 Lammers ³1987, S. 64, 81, 95, 225. 119 Vgl. auch Lammers ³1987, S. 90, Anm. 161. 120 Lange 1996, S. 154. 121 Lammers ³1987, S. 44; Hoffmann 1990, S. 304. 122 Hoffmann 1990, S. 314.

Glossar der Orts- und Personenreferenzen 

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Dänen: Ein ordentliches Aufgebot zum Kriegsdienst erging von Seiten König → Hans’ I. von Dänemark an den Adel von Dänemark und → Holstein sowie auch von Jütland und → Schleswig, die den Hauptteil der berittenen Truppen bildeten.123 → Nr. 4: 6,4. 12,4. 13,2. 13,4. Dithmarschen: Bewohner des Landes → Dithmarschen. → Nr. 1: 16. 28. 51. 66. 108. 159. 179. 280. Nr. 2: 1. 36. 41. 55. 92. 104. 131. 143. 147. 155. 175. Nr. 3: 51. 129. 153. Nr. 4: 5,1. 7,1. 8,4. 9,1. 10,1. 11,5. 12,1. 14,4. 16,1. 16,5. 18,4. Nr. 5: 2,1. 4,4. Nr. 6: 4,1. 7,1. 15,1. Nr. 7: 58. Nr. 9: 7,1. 8,1. 11,1. 12,3. Nr. 12A: 22. Nr. 12C: 9. Friedrich: 1471–1533, 1482 Herzog von Schleswig und Holstein (zusammen mit seinem Bruder → Hans), 1523 König von Dänemark.124 → Nr. 1: 83. Nr. 3: 19. Nr. 4: 14,1. Nr. 5: 8,1. Nr. 6: 10,1. 13,1. Nr. 7: 202. Nr. 11: 11,4. Friesen: → Friesland gilt als Stammland der großen → Garde.125 → Nr. 4: 6,4. 12,4. 13,2. Garde: große Garde, Ende des 15. Jahrhunderts auftretender Verband von Söldnern unterschiedlicher Nationen, zuerst 1488 im Dienst von Albrecht von Sachsen (1443–1500) gegen die niederländischen → Friesen; unmittelbar vor der Besoldung durch König → Hans im Februar 1500 in Diensten von Herzog Magnus I. von Sachsen-Lauenburg (gest. 1543) in → Friesland.126 → Nr. 1: 109. 263. Nr. 2: 58. 197. Nr. 3: 121. Nr. 4: 6,2. 8,1. 10,5. 11,4. Nr. 5: 2,4. Nr. 6: 3,1. 5,1. 6,1. Nr. 7: 11. Nr. 8: 24,2. 25,2. 26,1. Nr. 9: 8,3. 9,1. Nr. 11: 6,3. Nr. 12A: 5. 6. 7. 11. 15. 25. 27. 33. Nr. 12B: 3. 4. 7. 8. 11. 14. 15. Nr. 12C: 3. 5. 12. Gerhard: Gerhard VI., Graf von → Holstein (Rendsburg), aus dem Geschlecht der Schauenburger, 1386 durch Königin Margarethe von Dänemark (1353–1412) mit dem Herzogtum → Schleswig belehnt, vermutlich 1404 in der Schlacht in der → Hamme in → Dithmarschen gefallen.127 → Nr. 1: 6. Nr. 11: 3,2. Hans van Herpen: vom Schreiber der Handschrift 4 zusammen mit Juncker slens (Nr. 5: 5,1) und hoͮvet van dem busche (Nr. 5: 6,1) als capitanej bezeichnet; bei Lammers nicht als Hauptmann aufgeführt und auch sonst nicht erwähnt.128 Der Namenszusatz van Herpen deutet auf die regionale Herkunft der Figur hin. Herpen ist ein Dorf in Nordbrabant in den Niederlanden, das im Mittelalter Sitz der Herren von Herpen im gleichnamigen Land war.129 → Nr. 5: 7,1.

123 Lammers ³1987, S. 90. 124 Hoffmann, Erich: Friedrich I. In: LMA 4 (1999[a]), Sp. 943f; Lange 1996, S. 154. 125 Lammers ³1987, S. 62. 126 Zur Geschichte der Garde vgl. Lammers ³1987, S. 62–67. 127 Hoffmann, Erich: Gerhard VI. In: LMA 4 (1999[b]), Sp. 1309f.; Hammel-Kiesow / Pelc 1996, S. 119. 128 Vgl. Lammers ³1987, Anlage 3. 129 Künzel, R. E. / Blok, D. P. / Verhoeff, J. M.: Lexicon van nederlandse toponiemen tot 1200.

386 

 Edition

Hans (Johann): 1455–1513, aus dem Haus der Oldenburger, Sohn von →  Christian I., 1481 König von Dänemark, 1482 Herzog von → Schleswig und → Holstein. Mit der Landesteilung von 1490 erhielt Hans die Herrschaft über die Ämter im Gottorfer Teil im Norden, sein Bruder → Friedrich über den Segeberger Teil im Süden.130 Mit Hilfe der großen → Garde gelang ihm 1497 die Unterwerfung Schwedens (→  Schweden, die) und damit bis 1501 die kurzzeitige Wiederherstellung der Union der drei nordischen Königreiche Dänemark, Norwegen und Schweden. Nach der Niederlage in → Dithmarschen am 17. Februar 1500 erhob sich in Schweden 1501 erneut Widerstand.131 → Nr. 1: 75. Nr. 3: 17. Nr. 4: 4,1. 6,1. 14,1. 14,3. Nr. 5: 8,2. Nr. 6: 1,2. 8,2. 16,1. Nr. 7: 7. Nr. 8: 9,2. 10,2. 13,1. 31,2. Nr. 9: 1,1. 6,3. Nr. 10: 1,2. Nr. 11: 6,5. (Nr. 12B: 1.) Heinrich der Eiserne: Heinrich II., Graf von → Holstein aus dem Geschlecht der Schauenburger (Rendsburger Linie), gest. ca. 1384, Vater von → Gerhard VI.132 → Nr. 1: 5. Herzog von Schleswig: → Friedrich, → Schleswig. Hoft von dem Busche: Offizier in der Söldnergruppe von Thomas → Slentz, einer von drei Söldnergruppen, in die die große → Garde unterteilt war.133 Von dem Offizier wird angenommen, dass er wie Thomas Slentz in der Schlacht bei →  Hemmingstedt den Tod gefunden hat. Zumindest erscheint sein Name nach dem Ereignis nicht mehr in den Soldabrechnungen.134 → Nr. 5: 6,1. Holm, Carsten: ein Dithmarscher, der im Vertrag von Hamburg vom 15. Mai 1500 als Teilnehmer an den Friedensverhandlungen auf der Seite der Dithmarscher bezeugt ist.135 Im Zusammenhang mit dem Sturz der Dithmarscher Landesverwaltung, dem Rat der Achtundvierziger (→ Dithmarschen), im Jahr 1509 soll auch das Haus von Carsten Holm in → Heide beschädigt worden sein, so dass anzunehmen ist, dass dieser zu besagtem Rat gehört hat.136 Carsten Holm erscheint im Lied Nr. 8 als Landesverräter. Lammers hält es im Rückgriff auf die Chronik von Reimar Kock (gest. 1569) hingegen für „nicht ausgeschlossen, daß Carsten Holm mit einem geheimen Auftrag ins königliche Lager kam, der zusammenzusehen ist mit dem grundsätzlichen Plan der Dithmarscher, das dänische Heer

Tweede, gewijzigde druk. Amsterdam 1989. (Publikaties van het P. J. Meertens-Instituut 8), S. 177. 130 Lange 1996, S. 154, 164. 131 Vgl. Lange 1996, S. 154, 164; Riis, Thomas: Hans (Johann). In: LMA 4 (1999), Sp. 1920f. 132 Vgl. Hammel-Kiesow / Pelc 1996, S. 60. 133 Lammers ³1987, S. 74, 197. 134 Lammers ³1987, S. 165. 135 Lammers ³1987, S. 140, Anm. 55. 136 Lammers ³1987, S. 140, Anm. 55.

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unbedingt in die Marsch hineinzuziehen“.137 Dafür spreche nach Lammers auch, dass Carsten Holm 1509 noch bezeugt ist und gelebt haben muss und folglich nach der Schlacht nicht von den Dithmarschern wegen Fahnenflucht und Landesverrats hingerichtet worden sein kann.138 Stoob würdigt Lammers Argumentation und Schlussfolgerung, diskutiert aber mit Blick auf Lied Nr. 8 und vor dem Hintergrund von Holms Rolle in der Politik des Landes vor und nach der Schlacht weitere Erklärungsmöglichkeiten.139 → Nr. 8: 10,1. 11,1. 12,1. Holsten: 1. Bewohner → Holsteins. → Nr. 1: 91. Nr. 12A: 35. 2. Teil der Truppen von → Gerhard VI. in der Schlacht in der → Hamme 1404 und von König → Hans I. von Dänemark im Jahr 1500.140 → Nr. 1: 19. Nr. 4: 6,4. 12,4. 13,2. Nr. 6: 7,4. Isebrandt: Wulf Isebrandt soll aus Holland stammen und bis zu seinem Tod im Jahr 1506 in → Dithmarschen (Eppenwöhrden) gelebt haben.141 Da von seiner Rolle in der Schlacht lediglich Lied Nr. 8 berichtet und darüber hinaus nur einige Chroniken von seinem Tod im Jahr 1506,142 „konnte wohl der Gedanke aufkommen, es handle sich um eine erdichtete, mythische Gestalt oder doch um einen Fremdling“.143 Gestützt auf den Stammbaum des Jeronymus Witte aus Schlichting (1575–1647), der Wulf Isebrandt zu seinen Vorfahren mütterlicherseits zählte, ging zumindest Lammers jedoch sicher davon aus, dass es sich bei Isebrandt um eine historische Person handelt.144 → Nr. 8: 20,1. Jungfrau: unbekannte Frau, die an der Spitze des Dithmarscher Heeres das Banner vorangetragen haben soll, später Telse von Hohenwöhrden genannt,145 heute als Telse Kampen bekannt und populär.146 Von den Ereignisdichtungen mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt erwähnen sie nur die Reimpaarreden Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3. Die Erwähnung in Nr. 1 und Nr. 3 ist auf Heinrich Bogers (gest. 1505) Elegie (Nr. 13) zurückzuführen, die den mittelniederdeutschen Texten nachweislich als Vorlage diente. In dem lateinischen Stück Nr. 14 von Hermann

137 Lammers ³1987, S. 140. 138 Lammers ³1987, S. 140, Anm. 54. 139 Stoob 1959, S. 87–94. 140 Lammers ³1987, S. 90. 141 Lammers ³1987, S. 203. 142 Lammers ³1987, S. 141, Anm. 57. 143 Lammers ³1987, S. 141. 144 Lammers 31987, S. 142, 201–204. 145 Lammers ³1987, S. 176, Anm. 222. 146 Trende, Frank: Die Schlacht bei Hemmingstedt. Ein deutscher Mythos zwischen Politik, Poesie und Propaganda. Heide 2000, S. 7. Siehe auch: Kobelt-Groch, Marion: Telse und die Schlacht bei Hemmingstedt. Die Entstehung einer Dithmarscher Heldin. In: Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe. Hrsg. von Bea Lundt. Köln / Weimar / Wien 2004. (Beiträge zur Geschichtskultur 27), S. 179–196.

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 Edition

von dem Busche (um 1468–1534) ist die Jungfrau mit dem Banner das Hauptthema, wie schon der deskriptive Titel ausweist (vgl. D 6). Hier wendet sich die Jungfrau mit einer Ermutigungsrede an die Dithmarscher (V. 11–18). Lammers weist darauf hin, dass eine Jungfrau als Bannerführerin bei Albert Krantz (1448–1517) sowie auch in den dänischen Chroniken keine Erwähnung findet.147 Neocorus vermerkt mit der Glosse zu Nr. 1, V. 199, dass zuvor auch die Wursten im Krieg gegen Herzog Magnus I. von Sachsen-Lauenburg (gest. 1543) eine Jungfrau als Anführerin im Feld gehabt hätten. → Nr. 1: 199. Nr. 2: 114. Nr. 3: 134. Jürgen (Junker Jürgen): womöglich ist damit Georg (Jürgen) Slentz gemeint, der Bruder von Thomas → Slentz, dem Kapitän der großen → Garde. Jürgen Slentz bekleidete den Rang eines Offiziers innerhalb des Söldnerheeres.148 → Nr. 5: 4,1. Konstantin: Kaiser Konstantin I., um 280–337, Kaiser 306–337.149 → Nr. 1: 121. Mecklenburger: Nach Ausweis der Gefallenenlisten nahmen auch Angehörige des mecklenburgischen Adels auf der Seite von König → Hans I. von Dänemark an dem Feldzug nach → Dithmarschen teil.150 → Nr. 6: 7,5. Meldorfer: Einwohner → Meldorfs. → Nr. 3: 204. Mulich, Matthias: Mulich (gest. 1528) entstammte einer Nürnberger Kaufmannsfamilie, die „auf der Linie Nördlingen-Nürnberg-Erfurt-Lüneburg-Lübeck mit oberdeutschen und italienischen Luxustextilien, mit Gewürzen und Metallen und neben dem thüringischen Kupfer vor allem mit Messingwaren, Waffen und Harnischen handelte“.151 Sein Vater, Kunz Mulich d. Ältere (gest. vor Sept. 1474), war das erste Familienmitglied, das in Lübeck Handel trieb; sein Bruder, Hans Mulich (gest. nach 1528), besaß seit 1476 als erster der Mulichs das Lübecker Bürgerrecht und heiratete in eine Lübecker Ratsfamilie ein; später wurde auch ein weiterer Bruder, Paul Mulich (gest. 1521/1522), Lübecker Bürger.152 Matthias Mulich, seit 1490 in Lübeck bezeugt, nahm dort 1514 das Bürgerrecht an. Er war u. a. seit 1515 Vollmitglied der Lübecker Zirkelgesellschaft und heiratete wie sein Bruder in Lübecker Ratsfamilien ein. Seine Geschäftsbeziehungen reichten bis nach Reval und Dorpat. Enge Geschäftsbeziehungen bestanden zum dänischen Königshaus. So belieferte er den dänischen Hof mit kostbaren venezianischen Stoffen, 1515 löste er die dänische Krone und die dänischen Reichskleinodien, die beim Lübe-

147 Lammers ³1987, S. 176, Anm. 222. 148 Lammers ³1987, S. 70, 199f. 149 Klein, Richard: Konstantin I. (d. Gr.) (I.–III.). In: LMA 5 (1999), Sp. 1372–1375, hier Sp. 1372. 150 Lammers ³1987, S. 91. 151 Meyer, Günter: Mulich, Matthias. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Hrsg. v. der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek unter Mitwirkung des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 12. Neumünster 2006, S. 321–324, hier S. 321. 152 Meyer 2006, S. 321f.

Glossar der Orts- und Personenreferenzen 

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cker Rat hinterlegt waren, gegen 3000 Mark aus, 1520 erhielt er von Christian II. (1481–1559) den Auftrag für Waffenlieferungen und darüber hinaus wickelte er für die dänischen Könige → Hans I., Christian II. und → Friedrich I. Finanzgeschäfte ab.153 Denkbar ist, dass der Name in Lied 6 ein Ergebnis von Interpolation ist, also erst im Zuge der Aufzeichnung in den Liedtext eingearbeitet wurde.154 → Nr.  6: 14,4. Otto: Graf von Oldenburg-Delmenhorst, in der Schlacht bei → Hemmingstedt am 17. Februar 1500 gefallen, wie sämtliche Gefallenenlisten in den Kollektaneen von Johann Russe (Hs 3) dokumentieren; Bruder von → Alfred, Graf von OldenburgDelmenhorst.155 → Nr. 1: 84. Nr. 3: 197. Nr. 7: 65. Peters, Hans: nach Stoob aus dem Geschlecht der Meldorfer Peters, neben Carsten → Holm einer der Dithmarscher Regenten und als solcher 1475, 1479 und 1488 bezeugt;156 bei Lammers nur in Bezug auf Lied Nr. 8 genannt.157 → Nr. 8: 15,2. Pogwisch, Wulf: Angehöriger des schleswig-holsteinischen Adelsgeschlechtes Pogwisch.158 Hier im Zusammenhang mit der Schlacht in der → Hamme 1404 erwähnt. → Nr. 1: 48. Angehörige des Geschlechts werden auch in der Gefallenenliste von Nr. 7 genannt. Nicht zu verwechseln mit Wulf Pogwisch (um 1485–1554), Rat von Herzog → Friedrich I. von → Schleswig und → Holstein (1471–1533).159 Reimer von Wiemerstedt: Eine Person dieses Namens ist nicht historisch bezeugt und gilt, anders als → Isebrandt (vgl.  Nr.  8), in der Dithmarscher Geschichtsschreibung als sagenhafte Figur.160 Mit dem äußeren Attribut der langen, blonden und gelockten Haare wird die Figur als Angehörige des Adelsstandes in den Text eingeführt (siehe Kommentar zu 12B, V. 17). Der Namenszusatz Wimerstett (→ Wiemerstedt) bezeichnet den Dithmarscher Ort nördlich von → Heide.161 → Nr. 12B: 15. 17.

153 Meyer 2006, S. 322f. Vgl. auch Lammers ³1987, S. 183, Anm. 251. 154 Vgl. Kommentar zur Metrik von Nr. 6. 155 Vgl. auch Lammers ³1987, S. 90, Anm. 161. 156 Stoob 1559, S. 323. 157 Lammers ³1987, S. 28. 158 Vgl. GhdA 119 (1999), S. 455f. 159 Zu diesem vgl. Venge, Mikael: Pogwisch, Wulf. In: Biographisches Lexikon für SchleswigHolstein und Lübeck. Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 7. Neumünster 1985, S. 168f. 160 Vgl. Lammers ³1987, S. 175. 161 Vgl. Kobelt-Groch 2004, S. 183.

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Reinhold von Mailand: Figur der mittelhochdeutschen Dietrichepik162, zum einen in der Gruppe der aventiurehaften Dietrichepik,163 zum anderen in Vertretern der historischen Dietrichepik.164 Ferner erscheint Reinhold in der ‚Thidreksaga‘165 und in der mittelniederdeutschen Ballade ‚Van Dirick van dem Berne‘ (‚Koninc Ermenrîkes Dôt‘).166 Letztere verdient im Zusammenhang mit der Erwähnung Reinholds von Mailand in Lied 12A besondere Aufmerksamkeit, denn sie ist in zwei norddeutschen Drucken aus dem 16. Jahrhundert überliefert, zum einen in einem Druck aus der Offizin von Johann Balhorn d. Ä. in Lübeck, der auf das Jahr 1540 datiert wird (A), zum anderen in einer gedruckten Liedsammlung aus dem Ende des 16. Jahrhunderts (B).167 Das Stück handelt von Dietrich von Bern, der mit elf seiner Mannen zum König von Armentriken zieht, weil dieser ihnen mit dem Galgen gedroht hatte. Sie töten den König und alle seine Gefolgsleute. Lediglich Reinhold von Mailand, der treue Torwächter des Königs, wird von ihnen verschont. Weddige sieht in der bewussten Personenreferenz einen Hinweis darauf, dass es von der Dietrichballade eine ältere Fassung aus der Zeit vor 1500 gegeben habe.168 Diese Annahme ist jedoch nur haltbar, wenn man die Entstehungszeit

162 Zur Dietrichepik vgl. Heinzle, Joachim: Mittelhochdeutsche Dietrichepik. Untersuchungen zur Tradierungsweise, Überlieferungskritik und Gattungsgeschichte später Heldendichtung. München 1978. (MTU 62); ders.: Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik. Berlin / New York 1999; Lienert, Elisabeth: Die ›Historische‹ Dietrichepik. Untersuchungen zu ›Dietrichs Flucht‹, ›Rabenschlacht‹ und ›Alpharts Tod‹. Berlin / New York 2010. (Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik 5); dies.: Mittelhochdeutsche Heldenepik. Eine Einführung. Berlin 2015. (Grundlagen der Germanistik 58), S. 96–141. 163 ‚Virginal‘: Stark, Franz (Hrsg.): Dietrichs erste Ausfahrt. Stuttgart 1860. (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 52); ‚Rosengarten‘: Lienert, Elisabeth / Kerth, Sonja / Nierentz, Svenja (Hrsg.): Rosengarten. Teilband III: ‹Rosengarten› C, ‹Rosengarten› F, ‹Niederdeutscher Rosengarten›, Verzeichnisse. Berlin / München / Boston 2015. (Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik 8, III). 164 ‚Dietrichs Flucht‘: Lienert, Elisabeth / Beck, Gertrud (Hrsg.): Dietrichs Flucht. Textgeschichtliche Ausgabe. Tübingen 2003. (Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik  1); ‚Rabenschlacht‘: Lienert, Elisabeth / Wolter, Dorit (Hrsg.): Rabenschlacht. Textgeschichtliche Ausgabe. Tübingen 2005. (Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik 2); ‚Alpharts Tod‘: Lienert, Elisabeth / Meyer, Viola (Hrsg.): Alpharts Tod, Dietrich und Wenezlan. Tübingen 2007. (Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik 3); ‚Biterolf und Dietleib‘: Schnyder, André (Hrsg.): Biterolf und Dietleib. Stuttgart 1980. (Sprache und Dichtung, N.F. 31). 165 Weddige, Hilkert: Koninc Ermenrîkes Dôt. Die niederdeutsche Flugschrift ›Van Dirick van dem Berne‹ und ›Van Juncker Baltzer‹. Überlieferung, Kommentar, Interpretation. Tübingen 1995. (Hermaea. Germanistische Forschungen N.F. 76), S. 82. 166 Ausgabe: Weddige 1995. 167 Nachweis, Beschreibung und Datierung der Drucke bei Weddige 1995, S. 2–11. 168 Weddige 1995, S. 83.

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von Lied 12A auf das Jahr 1500 als das Jahr der Schlacht bei → Hemmingstedt, festsetzt, wofür die Überlieferungsdaten jedoch keine belastbaren Anhaltspunkte bieten. → 12A: 4. Schweden, die: Im Jahr 1497 unternahm König → Hans I. von Dänemark an der Spitze der großen → Garde einen Feldzug gegen die Schweden. Mit dieser Unternehmung war es ihm gelungen, nach jahrelangen fruchtlosen Verhandlungen mit dem schwedischen Reichsverwalter Sten Sture d. Älteren (gest. 1503) die schwedische Krone zu erlangen und die nordische Union wiederherzustellen.169 → Nr. 5: 9,2. Nr. 6: 11,2. Siggen, Heinrich von: unbekannt; ein Geschlecht namens Siggen wird im GHdA nicht erwähnt; hier im Zusammenhang mit der Schlacht in der Hamme 1404 genannt. → Nr. 1: 35. Slentz, Junker: → Slentz, Thomas. Slentz, Thomas (Junker Slentz): Anführer der großen → Garde, trat in den 1490er Jahren verschiedentlich als Söldnerführer im Norden in Erscheinung (in → Friesland, an der Ems, in → Schweden). Unter anderem war er von König →  Hans I. von Dänemark 1497 schon für den Feldzug gegen Schweden angeworben worden.170 Slentz wird in den Gefallenenlisten, die nach der Schlacht verbreitet wurden, verzeichnet,171 u. a. in der Reimpaardichtung Nr. 7. → Nr. 3: 199. Nr. 5: 5,1. Nr. 7: 140. Nr. 9: 5,3f. Strandmannen: wehrfähige Bewohner der Strandmannsdöfft, des südlichsten von fünf Verwaltungsbezirken (Döfften) → Dithmarschens.172 Sie sollen nach der Schlacht bei → Hemmingstedt die Stadt → Meldorf zurückerobert haben.173 → Nr. 3: 149. Nr. 4: 20,1.

169 Lange 1996, S. 164. 170 Lammers ³1987, S. 68–71. 171 Lammers ³1987, S. 165, Anm. 175. 172 Lammers ³1987, S. 111. 173 Lammers ³1987, S. 181.

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 Edition

4 Anhang Nr. 13 T Hinrici Bogerij Theologi super nouissima strage in Theomarcia Elegia precipitata 1 2 3 4 6 7 8 9 11 12 13 14 16 17 18 19 21 22 23 24 26 27 28 29 31 32 33 34 36 37 38 39

5

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Perculso grauitate rei vox faucibus heret: Mens ebet:et tremulu(m) cor stupet ecce michi. Est vnus calicu(m) domini.datur vnde propina Gentibns:et fecis pocula quando furent. Pridem gorgoneu(m) circum liuescere virus Expertus:nostros sentio adisse lares. Occidua id venisse plaga.longos modo tractus Perrepens.certum est:alliut arcto(n) item. Unde citus nuper Rex oldenburgia proles Danica sceptra tenens:cum duce fratre sibi Jndicit bellu(m) terre.Theomarcia nomen Cui late pollet:fit metus:horror adest: Esset opus pingui vena:tragicoq(ue) boatu: Nil digne tenuis prorsus auena canet. Grande sophocleo carmen canture coturno. Aut pede meo nio. Cur pie phebe fugis? Qui resonis fidibus canat id.cis baltica stagna Non est:fundo elegos segniter ergo meos. Procedunt regis ale peditu(m)q(ue) equitumq(ue) Cultu spectande:protinus arma micant Congressu primo Meldorpim infestat et arcet. Artatamq(ue) tenet sub dicione sua. Prominet e turri labarum victoris:ouatur Undiq(ue):spes belli faustior inde venit: Mox lune sectante die tibi turbide. que tunc Februe post decima(m) septima quippe fuit (Et poterat suspecta dies egiptia dici Vana superstitio ni modo pulsa foret) Egressi:stipante ducem regemq(ue) caterua Ordine quisq(ue) suo villica tecta petunt Ethere echonantes passim quibus aera pulsant Quis nume(re)t lituos:timpana:plectra:tubas Sic pretendebant albi presagia cigni Pro gemitu cantum qui moriturus habet. Pars aduersa.silent Theomarci.limite certo Quo plaudens acies regis itura fugit. Hic via stricta nimis.squalens:limosa:reclinis Agger fossatu(m):scrobs:lacus:arua:palus: Hic circu(m) haud equo vallant marte agmina p(ri)mu(m) Dimidie terre dum manus iret eo

Anhang 

41 42 43 44 46 47 48 49 51 52 53 54 56 57 58 59 61 62 63 64 66 67 68 69 71 72 73 74 76 77 78 79 81 82 83 84 86 87

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Hic circu(m)clusas facile est a(m)bire phalanges Jmplexa captas vt modo casse feras. Auxilio his fuerat no(n)nulla satellitis arcti Proditio:seriem qui male pandit heri Et situs indigenis satis agnit(us), hinc anima(n)tur Nempe solo fisi.quod iuga ferre negat Non minus alterne statio mutata per illos Quis prope:deinde procul fas ibi stare fuit. Precipue iuuit hos virgo puerpera:cui se Uotiuos dederant relligione pari Confecti macie:confessi corde sereno Et delibuti qua(m) bene pane poli: Disiungunt cuneos habitudo loci mora currus: Et spes vincendi:telaq(ue) dura nimis. Circumerrant equites.palantes turba pedestres Obuia consternit:Bestialesa strepit Jn stricto coeunt:bellandi nulla facultas: Sese conculcant:nec fuga presto patet. Militiam regis vidisses arma sine ictu Ducere:vel stupidam brachia mitte(re) humi Non hastas quatere:non arcus tendere p(ossu)nt Vibrandos gladios ydola vt ipsa tenent Jmbelles fiunt (res mira) tot artibus apti Bellandi:tociens est data palma quibus Nam contra d(omi)n(u)m non est vis:consiliu(m) ve Quisq(uam) aut conatus:equanimu(m) esse decet Celitus attonitis anim(us) quis ma(n)serit hauris Pes tremit:exerrant arma.manusq(ue) riget: Quid si constiterint hostilia simbola parti Aduerse:id referunt damnifer error hic est Heu mox casuri quanta splendescere pompa Nisi sunt:tanta postmodo sorde iacent. Hinc tormentali cecidit pars maxima glande At reliqui ferro:turbine:fuste:iaclo: Nu(n)q(uam) tanta manus euo seu climate nostro Vno in conflictu strage ruisse datur. Quot forsan queris.sex milia circiter:et bis Hos cano:vult me plus scribere fama dicax. Ex acie regis proceres holtsatia perdit. Conplures pereunt ciuis:arator:eques: Ereq(ue) conducti sumpsere stipendia mortem: His internitio cepit adesse minax Jntererant.iam magna cohors et guardia dicti Sectam hanc exlegem sed vocitare licet Sacrilegos facto blasfemos ore notasses: Et desertores impietate truces: Quoru(m) de meritis non ausim dicere iuste

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 Edition

Sublata(m) reliquis su(m)mitonantis opem Juditium domini multam quis nescit abissum: Maiestatis opus nemini in vngue liquet Altera tunc acies si centum perdidit istic Contuitu prime sospita nonne redit: Virgo pudica mori malens q(uam) viuere feda Hic vexillifere munia gessit ouans Quis nunc diuinu(m) sibi nume(n) defore planget Cum sic supplicibus fauerit omnimode Nil ibi procerum corpus:nil rumphea:nilque Strictum iter egisset forte vacante sibi Nemo flagru(m) d(omi)ni dubitet strepuisse tot horre(n)s Armigeros horis succubuisse tribus Plaudunt victores:spoliis letantur opimis Nec graios teucris tanta tulisse putant Omne patamentu(m) regis cetusq(ue) perempti Jure manet prede carum ibi quicquid erat Scilicet ornatus et belli et pacis abundus Uestes:ge(m)me:aurum:machina:currus:equi Armoru(m) genus omne decens vnius et omnis Jam tutos censent se retinere lares At vos non vobis temere blandiminor oro Cornu impresu(m)ptu(m) celitus ecce patet Nec probra deuictis date:nec preconia vobis: Migrat circumiens precipite axe rota Ceteri vbi non sunt ausi mutire:stupetis Cur laxem calamu(m) (Credite) zelus agit: Quisquis ades lector ponatur passio.et audi Si verus gesti sim modo preco tui Nos minus ingenio famant q(uam) sorte beari Talibus in rebus:Te modereris eo Segnis ouatio:rara trophea:minorq(ue) triu(m)phus Sint tibi.die supplex exitus ille dei est O bellona potens q(uam) pendula stamina ducis Principio est finis consona raro tuo. O vertumne vices protheo qui remige vertis Cur pia bifrontis vincula fratris odis? O quanti co(n)stas victoria sanguine parta Ancipiti titubans lance.nec vsq(ue) rata. Discite iusticiam moniti hinc seruare potentes Discite subiecti non relatrare nimis Et tu terra quidem fatali munere victrix Pone supercilium disce timere deum Quando tuos in tot seuire cadauera cernis Nudatis vt vix ipsa verenda tegant Nec post fata datur patria tellure potiri Extinctos durum est tela secunda pati

Anhang 

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Cunctorum elisios animas gaudere per agros Si dubium est:saltem molliter ossa cubent Gra(m)mata numeri in hoc distico dant memore(m) annu(m) domini 1.5.0.0 Hostiles exosa vices Theomarcia:valde Vlta suos flexit [obu]ia tela deo. Abgedruckt nach D 5 – Exemplar Rostock, Universitätsbibliothek, Cf-2224(7):35.

Nr. 14 T De q(uae)dam virgine.que apud Theomar cios patriam armis tege(n)tes.in acie pro pu dicicia et libertate vexillu(m) tenuit.Herma(n)ni Buschij Monasterien(sis) Carmen. 1 2 3 4 6 7 8 9 11 12 13 14 16 17 18 19 21 22 23 24 26 27 28 29 31

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Res noua·sed lepido Musarum digna relatu Contigit·et studijs non aliena meis· Cum nuper populos Maitortis nomine dictos Cingeret·armatis·Dania tota·globis Cunctaq(ue) rapturus·spacio Rex agmina longo Dunderet·curue precinerentq(ue) tube Et male venturo Theomarcia fideret hosti Sopiretq(ue) viru(m)·pectora lassa timor· Virgo suos animis sic est hortata leuatis Femineoq(ue) potens calcat in ore fuit Quo vos terror agit? nil formidanda timeris Arma· fauent nostre Numina mota preci Numina dico faue(n)t·custe mollissima cause· Nec pessum rectos sustinet ire deus Vincimus in causa·spes est vincemus et armis· Auertetq(ue) nouus·bella timenda·modus Nos pro diuorum templis·patria q(ue) parati Stamus·et hic superis mos pietas q(ue) placet· Obuia castra·domos properant versura deorum Et sparsura pio tela cruore ruunt Presertim fama est conductos stipe latrones Exuperent auidos qui feritate lupos· Hi sitiunt aurum·tacito q(ue) immania vultu Presumunt·rabidas exacuuntq(ue) minas· Addite q(uod) nobis sola est fiducia Christus Omnia qui digito destruet arma suo· Plus illi teretes hastas mirantur·et hec·que Vasa sub horrendo turbine saxa rotant· Vim pro iure tenent·et ama(n)t pro pace furorem Proq(ue) pudicitia·gaudia feda probant O vtinam liceat prius ha(n)c effundere vitam

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 Edition

Q(uam) fiam senis·preda iocusq(ue)·viris· Q(uam) mea virginitas violati damna pudoris Sentiat·et tumido capta sub hoste gemat· Corripite o ferrum·pro libertate viuamus· Auspice me belli sumite vota viti Jn medias acies fatis ducentibus ibo Jmbelles q(ue) ferent martia signa manus Hec ait·et crinem galea subtingit ab[..]a Et subit audati vix subeunda viro Vexillum tollit teneris animo[..] lacertis Vt solet ad festos ire puella choros· Talis amaso[..]d[..] t[urn]is regina secutis Jmperat·et scythico stremia pugnat equo· Talis decepto quondam romana tyranno Clelia per tuscas brachia flexit aquas Exemplum melius·erit o pulcherrima Judith Hec victrix animos est imitata tuos Quid non sperassent·vbi femina pignora anta Exhibuit·nati fortia ad arma viri? Finis Abgedruckt nach D 6 – Exemplar Brüssel, Bibliothèque Royale, Signatur Inc. C. 400.

Nr. 15 1 Dar is ein nie Raet geraden To Rostorp up der Heide. Dat hebben de Achtunveertig gedaen, De besten in unsen Lande, Dat dar scholden viefhundert Man To Brunsbuttel up der Wachte. 2 Klaes Marcus Hergen stund im Dore, He sprack: „Gott sy gelavet! Jk seh so mannigen finen Man Van Norden her gedravet.“ 3 Se togen ein lüttik bi Dike lang Wol na der Dikes Horne: Dar schlogen se de Speisen schwank Wol na der Landsknecht Wise. 4 Wiben Peter und Klaes Marx Hergen De schoten de groten Bussen aff Darto de witten Schlangen. Se stelden de Bussen up dat Sant,

Anhang 

Se schoten aver int Kedinger Lant: Den Kedingern den wart bange. 5 „Dat hebben de ditmarschen Buren gedaen, Se mögen wol Heren wesen: Leveden se noch söven Jaer, Ditmarschen worden Landesheren.“ Überliefert in Hs 9, Bl. 169v. Hier abgedruckt nach Müllenhoff 41845, S. 68.

Nr. 16 1 Will gi hören einen nien Gesang? Konde ik een juw man ramen. Jk sach so mennigen finen Man Van Norden her kamen. 2 Se togen to hogen Meldorp in, Se wolden ein kleine Wile teren: Se eten Krut, se drunken Win, De Braden deden se keren. 3 Do se wol geteret haddn, Se mosten wedder to Wege; De Trummenschleger de schloeg an, Eer Fenlin leten se flegen. 4 Se togen den Süderstrant enlank Wol na der Dikes Horne. Se stelden eer Bussen an ein Sant, Se schoten wol an dat Kedinger Lant: All na dem nyen Huse. 5 Dat vorhorde de Koning ut Engelant Und eem wart also bange. Do sprak dar ein guet Landesmann: „Dat sin de ditmerschen Buren all, De driven de klare Schande. 6 Ditmerschen, dat schölen Buren sin, Jt mögen wol wesen Heren: Leveden de Ditmerschen noch söven Jaer, Jt worden der Holsten heren.“ Überliefert in Hs 9, Bl. 169v. Hier abgedruckt nach Müllenhoff 41845, S. 68f.

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 Edition

Nr. 17 1 Dat geith hir jegen den Sommer, jegen de leve Sommertidt, De kinderken ghan spelen an dem Dale, dat sprak ein Wiff: 2 „Och Momken, min leve Moder, mogte ick aldar thom Aventdtdantze gahn, Dar ick hore de Pipen gahn, und de leven Trummen schlan?“ „Och neen, du min Dochter, nichten dat du schalt, du schalt schlapen gahn.“ 3 „Och Momeken min, dat deith mi de Noth, dat deith mi de Noth, Kame ick thom Avendtdantze nicht, so moth ick sterven doett.“ 4 „Och neen, du min Dochter, alleine schalstu nicht gahn, So wecke du up dinen Broder und lath ehn mit di gahn.“ 5 Min Broder is junk, is men ein Kindt, ick wecke ehn allße nicht, Vellever wecke ick einen andern Mann, den ick spreken schal.“ 6 „O Dochter min, Godt geve di groth Heil, Gott geve di groth Heil, Nu ick di sturen nichten kam, so gha du all darhen.“ 7 Do se thom Avendtdantze kam, tho dem Kinderspele kam, Se leth er Ogen herummer ghan, eher se den Ruther fandt. 8 De Ruther de was guedt, he toch af sinen Hoedt, He toch af sinen Hoedt, he kußede se vor dem Mund, An dem Dantze dar se stundt. Überliefert in Hs 9, Bl. 27r. Hier abgedruckt nach Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 569f.

II Katalog der Überlieferungsträger 1 Anlage und Richtlinien Der Katalog der Überlieferungsträger verzeichnet die bekannten Drucke und Handschriften (Kap.  2), welche die volkssprachigen ereignisbezogenen Lieder und Reimpaardichtungen mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt tradieren.1 Hiervon sind lediglich die Abschriften der Chroniken von Johannes Neocorus und Hans Detleff auszunehmen, die u. a. in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen aufbewahrt werden und auf deren Sichtung und Katalogisierung aus Gründen des Arbeits- und Zeitaufwandes hier verzichtet werden musste. Die Überlieferungsträger der lateinischen Gedichte Nr.  13 von Heinrich Boger und Nr. 14 von Hermann von dem Busche werden im Anhang (Kap. 3) beschrieben. Der Katalog folgt in erster Linie einer chronologischen Ordnung, indem er die Überlieferungsträger aufsteigend nach dem Alter der Verschriftungen der Ereignisdichtungen anführt. Die Siglen der Drucke und Handschriften setzen sich zusammen aus den Buchstaben ‚D‘ bzw. ‚Hs‘ und einer laufenden Nummer. Die Katalogisate der Handschriften, die sich als Abschriften bzw. vorlagennahe Bearbeitungen der Chroniken von Johannes Neocorus (Hs 8), Hans Detleff (Hs 9) und Peter Sax (Hs 10) erweisen, folgen ungeachtet ihres Entstehungszeitpunktes unmittelbar auf die Beschreibung des Originals, wobei bei mehreren vorhandenen Abschriften bzw. Bearbeitungen wiederum die chronologische Folge angestrebt wird. Die bewussten Manuskripte erhalten die Sigle des jeweiligen Originals, an die abgetrennt durch einen Punkt eine weitere fortlaufende Nummer angefügt wird.

1.1 Drucke Die Drucke werden nach dem Vorbild des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke verzeichnet.2 Ergänzt werden die Katalogisate um einen Kommentar, ggf. um die Beschreibung des Bildmaterials sowie um den Nachweis und die Beschreibung der bekannten Exemplare.

1 Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bedanken bei Cornelia Chamrad, Christiane Michaelis und Heike Tröger aus den Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Rostock; sie haben die Erarbeitung dieses Katalogs mit Rat und Tat unterstützt. 2 Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW). Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz [Onlineausgabe]. URL: http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de, siehe hier die ‚Anleitung‘. https://doi.org/10.1515/9783110652888-007

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 Katalog der Überlieferungsträger

Bibliographische Angaben Aufgeführt werden in normalisierter Form Verfasser, Titel, Druckort, Drucker, Druckjahr und das Format nach der Brechung des Bogens. Erschlossene Angaben werden in eckige Klammern gesetzt.

Kollation Die Kollation gibt den Umfang (Anzahl der Blätter) des Druckes an, ferner die Zählung, Lagen und Bogensignaturen (in Originalform oder in alphabetischer Reihenfolge in eckigen Klammern; mit Anzahl der Blätter einer Lage als hochgestellte Ziffer dahinter), die Seiteneinrichtung (Spalten, Zeilen, bei Einblattdrucken Maße des Satzspiegels) und schließlich die Ausstattung des Druckes (Typen, Initialen, Rubrikzeichen, Holzschnitte u. a.).3

Textbeschreibung Titelformulierung, Textanfang, Textschluss und Schlussbemerkung werden transkribiert, die Abkürzungen in runden Klammern aufgelöst. Bei ähnlichen Drucken und Druckvarianten werden zur besseren Vergleichbarkeit überdies die varianten Textstellen aufgenommen. Buchstaben, die im Druck als Initiale ausgeführt sind, werden in runde Klammern gesetzt; die hochgestellte Ziffer bezeichnet die Anzahl der für die Initiale zurückgetretenen Zeilen; Vorder- und Rückseite der Blätter werden mit den nachgestellten Buchstaben ‚a‘ und ‚b‘ kenntlich gemacht, Rubrikzeichen mit dem Zeichen ¶ wiedergegeben und Zeilenenden durch zwei senkrechte Striche (||) markiert. Gegebenenfalls wird eine Übersetzung in runden Klammern an die Textbeschreibung angefügt.

3 Für ihre Hilfe bei der Typenbestimmung danke ich herzlich Dr. Falk Eisermann und Dr. Oliver Duntze von der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Weitere Angaben zu den Typen sind den Einträgen der Drucke im Gesamtkatalog der Wiegendrucke entnommen oder wurden erschlossen mit Hilfe des Typenrepertoriums: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Typenrepertorium der Wiegendrucke. http://tw.staatsbibliothek-berlin.de/ma13218 (16.5.2020). Erschlossene (unsichere) Angaben stehen in eckigen Klammern.

Anlage und Richtlinien 

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Kommentar Der Kommentar enthält ggf. biographische Angaben zu den Verfassern, eine Stellungnahme zur Druckerzuordnung und zu Übereinstimmungen und Unterschieden zu ähnlichen Drucken sowie eine Beschreibung der verwendeten Holzschnitte.

Exemplarbeschreibung Die Exemplarbeschreibungen werden nacheinander mit Aufbewahrungsort und Signatur ausgewiesen; das Sternchen kennzeichnet die Exemplare, die in Autopsie beschrieben wurden. Die Beschreibungen umfassen im Einzelnen die Blattgröße, den Erhaltungszustand bei markanten Schäden, den Nachweis von Benutzerspuren (Besitzereinträge, ältere Signaturen, Glossen usw.) und die Einbandbeschreibung. Bei früheren oder gegenwärtigen Buchbindereinheiten werden die beigebundenen Drucke mit bibliographischen Angaben aufgelistet.

Bibliographische Nachweise Immer angegeben werden die Katalogisate in der ‚Niederdeutschen Bibliographie‘4 und im ‚Gesamtkatalog der Wiegendrucke‘ sowie wichtige Beiträge der Forschung.

1.2 Handschriften Bei den meisten Handschriften im Überlieferungskorpus der Hemmingstedter Ereignisdichtungen handelt es sich um neuzeitliche Buchhandschriften, also „handgeschriebene Texte und Textsammlungen aus der Zeit nach 1520/30, die wie mittelalterliche Codices oder das neuzeitliche gedruckte Buch in gebundener Form auftreten“.5 Die Deutsche Forschungsgemeinschaft empfiehlt in ihrem Fall kürzere Katalogisate, etwa auch aus dem Grund, dass diese Handschriften

4 Borchling, Conrad / Claussen, Bruno: Niederdeutsche Bibliographie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800. Bd. 1: 1473–1600. Neumünster 1936. 5 Deutsche Forschungsgemeinschaft. Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung (Hrsg.): Richtlinien Handschriftenkatalogisierung. 5., erweiterte Aufl. Bonn-Bad Godesberg 1992, S. 35.

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 Katalog der Überlieferungsträger

zumeist die Daten ihrer Entstehung selbst ausweisen würden und beispielsweise umfangreiche Wasserzeichenbestimmungen folglich entfallen könnten. Ungeachtet dessen bietet der vorliegende Katalog möglichst ausführliche und detaillierte Aufnahmen zur Materialität der neuzeitlichen Buchhandschriften und orientiert sich damit im Wesentlichen an den Richtlinien für die Katalogisierung mittelalterlicher Handschriften der Deutschen Forschungsgemeinschaft.6 Wenngleich diese Form der Katalogisierung nicht unmittelbar die Frage nach der Tradierung der Hemmingstedter Ereignisdichtungen zu beantworten hilft, geben die erhobenen Daten wichtige und interessante Aufschlüsse über die Faktur neuzeitlicher Buchhandschriften, über den Umgang mit ihnen und den Wert, den man ihnen zugeschrieben hat. Ihre ausführliche Katalogisierung versteht sich deshalb auch als eine Datenerhebung für weiterführende Untersuchungen zur Materialität und Funktionalität der Buchhandschrift im 17. und 18. Jahrhundert. Das Schema der Katalogisate besteht neben der Überschrift, der Schlagzeile und den Literaturangaben aus den vier Abschnitten ‚Anlage‘, ‚Benutzung‘, ‚Kommentar‘ und ‚Inhalt‘. Die einzelnen Abschnitte werden mittels Leerzeilen voneinander abgesetzt.

Überschrift Genannt werden die Sigle des Überlieferungsträgers sowie der normalisierte bzw. inhaltlich deskriptive Titel der Handschrift und ggf. der Name des Verfassers bzw. Kompilators. Handelt es sich um ein Autograph, wird dies hinter dem Titel in runden Klammern vermerkt.

Schlagzeile Die Schlagzeile gibt den Aufbewahrungsort und die Signatur des Manuskripts an, den Beschreibstoff, den Umfang (Anzahl der Blätter des Buchblocks ohne Vorsatzblätter bei neueren Einbänden) und das Format (Höhe × Breite des Buchblocks in cm) sowie ferner Datierung, Lokalisierung und Sprache. Sind Datierung und Lokalisierung erschlossen, so erfolgt die Angabe in eckigen Klammern.

6 Deutsche Forschungsgemeinschaft 51992.

Anlage und Richtlinien 

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Anlage Erfasst werden die Merkmale der Handschrift, die auf ihre Produktion zurückgehen: – Wasserzeichen: bei verschiedenen mit Lokalisierung in der Handschrift (Angabe von Lagen und Blättern), Kurzbeschreibung (Bildaufbau, Höhe und Breite, Beizeichen) und ggf. Nachweis bei Piccard, Briquet oder Churchill7 mit entsprechender Datierung in runden Klammern nach der WasserzeichenNummer, – Lagen: Lagenverhältnis, Lagenzählung, Reklamanten, Dokumentierung besonderer Befunde (fehlende Blätter, fehlende Lagen, Textverlust, nicht gezählte Lagen bei sonst konsequenter Lagenzählung, vertauschte Lagen usf.),8 – Foliierung/Paginierung: bei zeitgenössischer Zählung, Zählung von der Hand des Schreibers; mit Angaben zum Umfang (z. B. 1–263), zur Ausführung, sofern die Zählung nicht oben links oder rechts steht, zu Besonderheiten (ungezählte Blätter/Seiten, fehlerhafte Zählung, korrigierte oder fortgesetzte Zählung von anderer Hand). Römische Ziffern referieren auf ungezählte Blätter vorn, arabische in eckigen Klammern bezeichnen ungezählte Blätter/ Seiten hinten oder aber solche in der Handschrift, die weggeschnitten sind. Ziffern mit hochgestellten Kleinbuchstaben in eckigen Klammern referieren auf ungezählte Blätter/Seiten innerhalb der Handschrift, wobei die Ziffer das letzte gezählte Blatt/die letzte gezählte Seite davor benennt. Ziffern mit hochgestellten Kleinbuchstaben, aber ohne eckige Klammern, referieren auf Blätter/Seiten mit fehlerhafter, weil wiederholter Zählung. – Schriftraum: mit Angabe von Höhe × Breite in cm, – Spalten: mit Angabe der Anzahl bei zwei oder mehr Spalten, – Zeilenzahl, – Liniierung: mit Angabe der Ausführung (Zeilen, Ränder, beide Seitenränder, nur äußerer Seitenrand, blind oder Bleistift usw.), – Schriftarten: Angabe von Grund- und Auszeichnungsschriften, – Marginalglossen von der gleichen Hand: mit summarischer Angabe,

7 Piccard-Online. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand J 340, Wasserzeichensammlung Piccard. http://www.piccard-online.de/start.php. Briquet, Charles M.: Les filigranes. Dictionnaire historique des marques du papier. Leipzig 1923. Nachdruck Hildesheim u. a. 1991. Churchill, William A.: Watermarks in Paper in Holland, England, France, etc., in the XVII an XVIII Centuries and their Interconnection. Amsterdam 1935. Reprint Nieuwkoop 1990. 8 Vereinzelt konnte das Lagenverhältnis wegen fehlender Autopsie oder aufgrund des schlechten Zustandes der Handschriften nicht exakt bestimmt werden; in solchen Fällen erfolgt eine summarische Angabe.

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 Katalog der Überlieferungsträger

– leere Blätter/Seiten: sofern diese nicht in der Inhaltsbeschreibung ausgewiesen werden, – Rubrizierung.

Benutzung An dieser Stelle werden die Eigenschaften verzeichnet, die von dem Gebrauch der Handschrift zeugen: – Besitzer- und Provenienzvermerke: mit Angabe von Blatt/Seite und Transkription, – Marginalglossen: von späterer Hand, ggf. summarisch, – Federproben: mit Angabe von Blatt/Seite und Transkription, – lose Blätter/Zettel: mit Transkription und ggf. Datierung, – Nachträge von anderer Hand: summarisch, ggf. mit Angabe von Blatt/Seite, Transkription und Datierung. Umfangreichere Nachträge werden bei der Inhaltsangabe berücksichtigt. – Foliierung/Paginierung von späterer Hand, – Zustand: entsprechender Vermerk bei markanten Beschädigungen, – Einband: Beschreibung, Benutzerspuren (Rückentitel, Signaturen, Zustand usw.), bei neueren Vorsatzblättern Beschreibung bzw. Bestimmung und Datierung der Wasserzeichen (wie oben), Angaben zum Buchblock (Beschnitt, Farbschnitt usw.).

Kommentierung Der Kommentar enthält zum einen biograpische Angaben zu bekannten Verfassern, Schreibern und Besitzern und erläutert zum anderen die Zusammensetzung der Handschriften, die nach Ausweis des Verhältnisses von Hand-, Lagen- und Textgrenzen usw. aus verschiedenen Faszikeln bestehen. Darüber hinaus werden Angaben oder Erläuterungen zu erschlossenen, approximativen Datierungen und Lokalisierungen in der Schlagzeile gemacht.

Nachweis Die Handschriften werden in den einschlägigen Katalogen nachgewiesen; darüber hinaus werden wichtige Textausgaben genannt, bekannte Abschriften verzeichnet und Hinweise auf Sekundärliteratur gegeben.

Anlage und Richtlinien 

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Inhalt Umfang und Tiefe der inhaltlichen Erschließung hängen im Einzelnen davon ab, inwiefern die Manuskripte bereits in Katalogen und Ausgaben erschlossen worden sind. Zum Teil wird auf die Inhaltsbeschreibung vorhandener Katalogisate zurückgegriffen. Bei zusammengesetzten Handschriften erfolgt die Inhaltsangabe gegliedert nach Faszikeln. Immer nachgewiesen werden die Lieder und Reimpaartexte mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt mit Titeltexten (T) und Schlussbemerkungen (K [Kolophon]).

1.3 Allgemeine Hinweise Textwiedergabe Texte aus den Drucken und Handschriften – dies gilt auch für benutzerseitige Notate – werden als vorlagennahe Transkriptionen abgedruckt. Abkürzungen werden in runden Klammern aufgelöst, Schaft-s und Rund-r werden durch die Buchstaben s und r wiedergegeben. Auslassungen seitens der Herausgeberin werden durch drei Punkte gekennzeichnet; unsichere Lesungen werden in eckige Klammern gesetzt; Stellen, die nicht entzifferbar sind, werden durch Pünktchen in eckigen Klammern gekennzeichnet. Spitze Klammern markieren solche Stellen im Text, die seitens der Setzer oder Schreiber ausgespart wurden.

Personennachweise Sofern nicht anders angegeben, wurden die Lebensdaten und normalisierten Namensformen sämtlicher genannter Personen ermittelt mit Hilfe der ‚Deutschen Biographie‘, der ‚Gemeinsamen Normdatei‘, des ‚Lexikons des Mittelalters‘, der ‚Verfasserdatenbank‘, des ‚Biographischen Lexikons für Schleswig-Holstein‘, der ‚Geschichte Mecklenburgs‘ sowie der ‚Geschichte Schleswig-Holsteins‘.9 Histori-

9 Deutsche Biographie. Verantwortet von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Bayerischen Staatsbibliothek. www.deutsche-biographie. de. – Lexikon des Mittelalters. Studienausgabe. 9 Bde. Stuttgart / Weimar 1999. – Verfasser-Datenbank. De Gruyter. www. https://www.degruyter.com/view/db/vdbo. – Karge, Wolf / Münch, Ernst / Schmied, Hartmut: Die Geschichte Mecklenburgs von den Anfängen bis zur Gegenwart. 4., erweiterte Aufl. Rostock 2004. – Lange, Ulrich (Hrsg.): Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster 1996. – Schleswig-Holsteinisches biographisches

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 Katalog der Überlieferungsträger

sche Personen, die in den Inhaltsangaben genannt werden, sind im Personenregister mit Lebensdaten erfasst. In Einzelfällen werden sie am Ort identifiziert.

Digitale Reproduktionen Konnten digitale Reproduktionen der Überlieferungsträger recherchiert werden, die über einen persistenten Link online zugänglich sind, so wird dieser Link im Katalogartikel angegeben.

2 Katalog D1 Reimpaardichtung (Nr. 1) mit Bezug auf die Schlacht in der Hamme 1404 und die Schlacht bei Hemmingstedt 1500 in Dithmarschen. [Lübeck: Steffen Arndes, nach 17. Februar 1500]. 4o 8 Bll. Ungezählt. [ab4]. 24 Zeilen. Type 5:92G. Initiale: Majuskel A. Bl. 1a Rubrikzeichen. 1 Holzschnitt.

Bl. 1a, Titel: ¶ Wat in hundert iaren vnde nu is ghescheen. || Jn dethmerschen/dat mach me hyr lesen vn(de) seen || Holzschnitt || Bl. 1b, Z. 1: (A3) Lze me schref dusent. iiij.hundert vnde vere || Do quam in dethmerschen eyn groter heer || … Bl. 3a, Z. 1: Jnt iaer M.ccccc.wolde dyt koͤnink Hans wreken || Unde myt velen heren eyn vorbunt spreken || … Lage b, Bl. 5a, Z. 1: Alzus beuangen were lichtliken vmme ghegaen. || Dar vp so drecht men groten wan || … Z. 10: Beth alze de dar weren vth vromden landen || … Endet Bl. 8a, Z. 23: Uorbidde vns to dynem leuen kynde altosamen || Dat wy vns mit em moͤge(n) vrouwe(n) to ewige(n) tyde Ame(n) || Bl. 8b leer.

Lexikon. Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte v. Olaf Klose. Bd. 1–5. Neumünster 1970–1979. Fortgesetzt als: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde (ab Bd. 11 hrsg. von der Schleswig-holsteinischen Landesbibliothek). Bd. 6–13. Neumünster 1982–2011.

Katalog 

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Borchling / Claussen10 und danach wohl der Gesamtkatalog der Wiegendrucke11 unterscheiden nicht zwischen den Drucken D 1 und D 2. Der Vergleich der Exemplare zeigt jedoch, dass das Berliner Exemplar und das Kopenhagener Exemplar zwar bis einschließlich Blatt 4b identisch sind, sich aber ab Blatt 5a, d. h. mit Beginn der zweiten Lage, unterscheiden. Die Unterschiede betreffen in erster Linie die Ausprägung einzelner Majuskeln am Versanfang sowie die Schreibung der Wörter. Lediglich Blatt 5a, Zeile 10 variieren die Drucke auch im Wortlaut. Da die zweite Lage folglich neu gesetzt worden sein muss, liegen mit den genannten Exemplaren zwei verschiedene Druckausgaben eines Textes vor. Das Rostocker Fragment stimmt mit dem Berliner Exemplar überein. Der Titelholzschnitt mit einer Höhe von 14,2 cm und einer Breite von 8,2 cm zeigt in einem vierseitig begrenzten schwarzen Rahmen das Bild eines Landsknechtes.12 Der Mann hat schulterlanges, krauses Haar. Er ist an den Beinen mit enganliegenden Strumpfhosen bekleidet. Nach der Mi-parti-Mode ist der linke Oberschenkel längsgestreift, während der rechte ungemustert ist. Am Oberkörper trägt der Mann ein hüftlanges, enges Wams mit einem Ausschnitt, unter dem ein Hemd mit einem mit Rautenmuster verziertem Kragen zu erkennen ist. Die Ärmel sind an den Oberarmen weit, an den Unterarmen eng geschneidert und enden in trichterförmigen Manschetten. Über dem Wams trägt der Landsknecht einen weiten, knielangen und vorn offenen Überrock ohne Ärmel.13 Ein Hut mit großer Straußenfeder bedeckt seinen Kopf. Der Mann hält in der linken Hand in Brusthöhe eine Hellebarde. Die rechte Hand umschließt auf gleicher Höhe den Knauf eines Schwertes, das auf der linken Seite am Taillengürtel befestigt getragen wird. Die Figur steht aufrecht auf freier, unebener Fläche, die im unteren Viertel des Bildes durch entsprechende Schraffuren angedeutet ist und sich vor dem weiß belassenen Hintergrund deutlich abhebt. Ihre Haltung kann als stolz und entschlossen beschrieben werden: Die Arme sind angewinkelt, so dass die Unterarme fast einen rechten Winkel zum Körper bilden und die Ellenbogen nach außen zeigen. Die Beine stehen so weit auseinander, dass der Abstand zwischen den Füßen dem Abstand zwischen den Ellenbogen gleicht. Der linke Fuß ist dabei etwas vorangestellt. Der Kopf ist nach links gedreht, der Blick schweift in die

10 Borchling / Claussen 1936, Sp. 145, Nr. 324. 11 GW M18277. 12 Bekleidung und Bewaffnung entsprechen den zahlreichen Darstellungen von Landsknechten aus der Zeit von 1500 bis 1540. Vgl. Seggern, Birgit: Der Landsknecht im Spiegel der Renaissancegraphik um 1500 bis 1540. Diss. Bonn 2003, bes. S. 57. Borchling / Claussen 1936, Sp. 145, Nr. 324, beschreiben die Figur als Bauern. 13 Bei der Darstellung des Mantels ist dem Zeichner oder dem Formschneider offenbar ein Fehler unterlaufen: Es fehlt die Ausführung des Überrockes zwischen den Beinen der Figur.

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Ferne, in Richtung der Lichtquelle. Die relativ niedrig angesetzte Horizontlinie impliziert einen Betrachter, der aus der Froschperspektive zu dem Mann hinaufblickt, als stünde dieser auf einem Postament. Diese Perspektive korrespondiert mit der stolzen Haltung des Mannes und unterstreicht sie zugleich. *Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, 8o Inc 1487.3 Blattgröße: 13,8 × 19 cm.

Bl.  1a, Fußsteg: Zahl 22 von zeitgenössischer Hand. Ebd., Kopfsteg: Akzessionsnummer 1910.4205. Bl.  1b: zeitgenössische Marginalglosse zu Z. 15 oder 16 (entspricht Nr.  1, V.  17, 18) duͤc roͤſn̄. Ebd., oben links: Stempel der besitzenden Bibliothek Ex Biblioth. Regia Berolinensi. Neuere Foliierung mit Bleistift, 1–8, vermutlich 19. Jh. Bl. 7, unten: ein Riss, über den Bl. 7b ein rechteckiges Stück Papier geklebt wurde. Es handelt sich um das Fragment eines Druckes: Textura, mindestens zwei Spalten. Bei dem Text handelt es sich um einen Teil von Psalm 7. Neuerer Einband, Marmorpapier über Pappe, 19.  Jh. Rückentitel Van den Detmerschen Lübeck. Auf dem Vorderdeckel, oben links: Etikett mit Signatur Jnc. 1487,3. Ebd., Mitte: goldfarbenes, aufgeprägtes Supralibros der Staatsbibliothek Berlin (Adler). Spiegel vorn: Signatur Jnc. 1487,3 × 8o. Ebd.: Notiz auf Bl. 3a Kom(m)t d(as) J(ahr) 1500 vor. Spiegel hinten, unten links: Stempel des Buchbinders H. Digitalisat: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00015FEF00000000

Nach Ausweis des Akzessionsjournals (vgl. Bl. 1a Akzessionsnummer) gelangte die Inkunabel als Einzelfaszikel im Jahr 1910 in die Staatsbibliothek Berlin und stammte aus der Privatsammlung eines Dr. Zerbst, Kirchenrat aus Gebhardshagen, heute Salzgitter.14 Die Ziffer 22 auf Blatt 1a deutet darauf hin, dass das Exemplar in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit anderen Drucken zu einem Sammelband zusammengebunden worden war. Zu dieser Buchbindereinheit müssen auch die unten folgenden Inkunabeln gehört haben. Denn auch sie tragen an gleicher Stelle eine Ziffer von gleicher Schriftart und Tintenfarbe und waren laut Akzessionsjournal Teil des Nachlasses des Kirchenrates Zerbst. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Drucke:

14 Akzessionsjournal 1910/I, Nr.  4205, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abt. Historische Drucke.

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1. Passio Pragensium, [Magdeburg: Simon Koch, 1484]. Mnd. 4o. 4 Bll. Bl.  1a, Fußsteg: hsl. Ziffer 16.15 2. Die vier Kaufleute, [Lübeck: Matthäus Brandis, um 1495]. Mnd. 4o. 12 Bll. Bl. 1a, Fußsteg: hsl. Ziffer 17.16 3. Salomon et Marcolfus, Stendal: Joachim Westval, 1489. Mnd. 4o. 16 Bll. Titelholzschnitt. Bl. 1a, Kopfsteg: hsl. Ziffer 18.17 4. Geschichte der Juden zu Sternberg, [Magdeburg: Simon Koch, nicht vor 24.10.1492]. Mnd. 4o. 6 Bll. Titelholzschnitt. Bl. 1a, Fußsteg: hsl. Ziffer 19.18 5. Berthold Mager: Bericht vom Türkeneinfall in Krain. 7.11.1483, [Magdeburg: Simon Koch, nicht vor 7.11.1483]. Mnd. 4o. 4 Bll. Bl. 1a, Fußsteg: hsl. Ziffer 20.19 *Rostock, Universitätsbibliothek, Cf-8391(6)19 Blattgröße: ca. 14,7 × 19,5 cm.

Neuere Paginierung mit Bleistift, 1–4 (S. 1 = Bl. 6a), 19. Jh. S. 1: Besitzvermerke der Universitätsbibliothek Rostock, älterer Stempel Ex Bibliotheca Academiae Rostochiensis und jüngerer Stempel Universitätsbibliothek Rostock. Ebd., unten links: Signatur Ink. Cf-8391(6)19. S. 3, oben: Regist CCLIIII fol. CLVI fol. Ebd.: mit schwarzer Tinte [s. a. 2]. Ebd., unten: Besitzvermerk der Universitätsbibliothek Rostock wie S.  1, jüngerer Stempel. Ebd.: Signatur Ink. Cf-8391(6)19. Ebd.: von anderer Hand Signatur des Trägerbandes Eb-10231.2 und Notiz Cf. Hain, Repertorium II.2. page 320. num. 14719 et II.1. – 322. – 10479. S. 4, unten: Besitzvermerk der Universitätsbibliothek Rostock wie S. 1, älterer Stempel. Digitalisat: http://purl.uni-rostock.de/rosdok/ppn168815292X

Bei dem Rostocker Exemplar handelt es sich um ein Fragment. Von den acht Blättern haben sich lediglich die Blätter 6 und 7 erhalten. Trägerband war eine Inkunabel von 1499 aus der Straßburger Offizin von Johann Grüninger.20 Den Einband

15 Akzessionsjournal 1910/I, Nr. 4200 (= 8° Inc 1496.4), vgl. GW M35246. 16 Akzessionsjournal 1910/I, Nr. 4204 (= 8° Inc 1479.5), vgl. GW 12619. 17 Akzessionsjournal 1910/I, Nr. 4201 (= 8° Inc 2083.5), vgl. GW 12788. 18 Akzessionsjournal 1910/I, Nr. 4207 (= 8° Inc 1496.2), vgl. GW M44009. 19 Akzessionsjournal 1910/I, Nr. 4199 (= 8° Inc 1495.5), vgl. GW M 19811. 20 Krüger, Nilüfer: Die Inkunabeln der Universitätsbibliothek Rostock mit den Inkunabeln der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin und der Kirchenbibliothek Friedland. Wiesbaden 2003. (Kataloge der Universitätsbibliothek Rostock 2), S.  18: Sibylla, Bartholoma-

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dieses Bandes schreibt man dem so genannten Akademischen Buchbinder in Rostock zu.21 Als Makulatur verwendet sind die Blattkanten des Exemplars stark beschädigt und die Flächen stark beeinträchtigt durch die Reste des Klebers. Verzeichnisse: BC 324. GW M18277 (mit Hinweis auf weitere Verzeichnisse). Krüger 2003, Fragm. L 1. Literatur: Krause 1881, S. 8.

D2 Reimpaardichtung (Nr. 1) mit Bezug auf die Schlacht in der Hamme 1404 und die Schlacht bei Hemmingstedt 1500 in Dithmarschen. [Lübeck: Steffen Arndes, nach 17. Februar 1500]. 4o 8 Bll. Ungezählt. [ab4]. 24 Zeilen. Type 5:92G. Initiale: Majuskel A. Bl. 1a Rubrikzeichen. 1 Holzschnitt.

Bl. 1a, Titel: ¶ Wat in hundert iaren vnde nu is ghescheen. || Jn dethmerschen/dat mach me hyr lesen vn(de) seen || Holzschnitt || Bl. 1b, Z. 1: (A3)Lze me schref dusent. iiij.hundert vnde vere || Do quam in dethmerschen eyn groter heer || … Bl. 3a, Z. 1: Jnt iaer M.ccccc.wolde dyt koͤnink Hans wreken || Unde myt velen heren eyn vorbunt spreken || … Lage b, Bl. 5a, Z. 1: Alzus beuangen were lichtliken vmme ghegaen || Dar vp so drecht men groten wan || … Z. 10: Beth we(n) alze de dar weren vth vromden landen || … Endet Bl. 8a, Z. 23: Uorbidde vns to dynem leuen kynde altosamen || Dat wy vns myt em moͤge(n) vrowe(n) to ewighe(n) tyde(n) Ame(n) || Bl. 8b leer. Zur Unterscheidung von D 1 und D 2 und zu dem Holzschnitt vgl. Kommentar zu D 1. *Kopenhagen, Königliche Bibliothek, Inc. 4261 Blattgröße: [ca. 13 × 19,5 cm].

1a: über Zeile 1 mit Tinte, von zeitgenössischer Hand Jn o(m)nibus b(e)n(e)d(i)c(tus) sit de(us) fortissi(mus) (‚In allem sei der allmächtige Gott gelobt.‘). Ebd.:

eus: Speculum peregrinarum quaestionum. Straßburg: Johann Grüninger, 1499 Aug. 19., 4o. Vgl. GW 03460. 21 Krüger 2003, S. 387.

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mit gleicher Tinte Hut des Landsknechts nachschraffiert. Ebd.: Zeile 1 und 2 rot unterstrichen. Bl. 1a bis 8a: Versanfänge rubriziert, von Hand senkrecht rot angestrichen. 8b: Stempel der Königlichen Bibliothek Kopenhagen BIBLIOTHECA REGIA HAFNIENSIS. Neuerer Einband, Pergament auf Pappe. Auf dem Vorderdeckel in Goldprägung der Titel: Plattysk Vise om Slaget ved Hemmingstedt ca. 1500 (‚Niederdeutsches Gedicht über die Schlacht bei Hemmingstedt, ca. 1500‘). Das Exemplar wurde 1905 von der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen angekauft.22 Es handelt sich um dasselbe, das noch 1905 im Besitz des Antiquariats Joseph Baer & Co. in Frankfurt am Main war23 und das man später in Braunschweiger Privatbesitz vermutete.24 Das hat ein Vergleich des Titels des Kopenhagener mit dem Titelfaksimile des Frankfurter Exemplars25 ergeben, welche dieselben Benutzerspuren aufweisen. Schanze ging davon aus, dass es sich bei Blatt 1–4 und Blatt 5–8 um zwei Teile von zwei verschiedenen Drucken handelt26 – vermutlich aufgrund des Befundes, dass die erste Lage des Kopenhagener Exemplars mit der ersten Lage von D 1 übereinstimmt, aber die zweite Lage von D 1 abweicht (vgl. Kommentar D 1). Weder Sondheim27 noch Madsen28 erkannten in dem Exemplar zwei verschiedene Drucke. Gegen die Vermutung von Schanze spricht zudem die einheitliche zeitgenössische Rubrizierung der Versanfänge über die Lagengrenze hinweg. Verzeichnisse: BC 324. Madsen 1938, Nr.  4261. GW M18277 (mit Hinweis auf weitere Verzeichnisse). Literatur: Sondheim 1927, S. 269–274.

22 Madsen, Victor: Katalog over det Kongelige Biblioteks Inkunabler. Bd. 2. København 1938, S. 288, Nr. 4261. 23 Sondheim, Moritz: Das Lied von der Schlacht bei Hemmingstedt. In: Gesammelte Schriften. Buchkunde – Bibliophilie – Literatur – Kunst u. a. von Moritz Sondheim. Frankfurt a. M. 1927, S. 269–274. 24 GW M18277, siehe dort Digitalisat des handschriftlichen Katalogeintrags, danach wohl Borchling / Claussen 1936, Sp. 145, Nr. 324, und Schanze 1992(a), Sp. 693. 25 Sondheim 1927, Abb. S. 273. 26 Schanze 1992(a), Sp. 693. 27 Sondheim 1927, S. 269–274. 28 Madsen 1938, S. 288, Nr. 4261.

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D3 Reimpaardichtung (Nr.  1) mit Bezug auf die Schlacht in der Hamme 1404 und die Schlacht bei Hemmingstedt 1500 in Dithmarschen. [Hamburg: Drucker des Jegher, nach 17. Februar 1500]. 4o 8 Bll. Ungezählt. [ab4]. 26 Zeilen. Type 1:92G. Initiale: Majuskel A. 1 Holzschnitt.

Bl. 1a, Titel: Wat in hundert yaren vnde nu is ghescheen. || Jn dethmersche(n):dat mach me(n) hyr leze(n) vn(de) seen || Holzschnitt || Bl. 1b leer || Bl. 2a, Z. 1: (A3)Lse me schreff dusent iiij.hundert vnde veer || Do quam in Dethmerschen eyn groter heer || … Bl. 3a, Z. 21: Dyth hefft konynck Hanse so seer vordraten || He hefft mit velen heren eyn vorbunt gheslaten || … Lage b, Bl. 5a, Z. 1: De dethmerschen dar al stylle tho swegen || … Text bricht ab Bl. 8a, Z 13: Dyt is van dessen dingen […] spraken || Wolde id god nu || Bl. 8b leer ? Bei dem Holzschnitt handelt es sich um einen Nachschnitt des Holzschnitts von D 1 und D 2 (oder umgekehrt). Es fehlt die rechte Längsseite des Rahmens. Außerdem unterscheiden sich besonders deutlich die Schwertscheide, die Modellierung des Gesichts, die Schraffur des Haars sowie der Saum des Mantels und nicht zuletzt die Höhe des Holzschnitts, die hier 14,4 cm (vgl. D 1: 14,2 cm) beträgt. Die Typen von D 3 stimmen laut ‚Typenrepertorium der Wiegendrucke‘ mit den Typen von D 5 überein.29 Beide Drucke – der vorliegende mit der Reimpaarrede Nr. 1 und D 5 mit der Elegie von Heinrich Boger (Nr. 13) – stammen demnach vermutlich aus derselben Offizin. *Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, 8o Inc 1190.20 Blattgröße: 13,1 × 18,4 cm.

Bl. 1a, unten: ältere, unvollständige Signatur L 208. Bl. 1b, Mitte: Exlibris-Stempel Ex Biblioth. Regia Berolinensi. Ebd.: Akzessionsnummer NZ.2011.4. Neuere Foliierung mit Bleistift, 0–7. Blätter fleckig und vielfach am Falz ausgebessert. Bl. 6 und 7: mit transparentem Material überklebte Risse. Bl. 8, untere Hälfte: herausgerissen, fehlt.

29 Vgl. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Typenrepertorium der Wiegendrucke. http://tw.staatsbibliothek-berlin.de/ma13218 (16.5.2020).

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Neuerer Einband, Kiebitzpapier auf Pappe. Vorderer Deckel, oben links: Etikett mit alter Rara-Signatur Ye 2145a, darunter Etikett mit Buchstabe R. Ebd., Mitte: aufgeprägtes, goldfarbenes Supralibros der Staatsbibliothek zu Berlin (Adler). Rückenetikett aus Papier mit Titel Wat in hundert yaren vnd nu is geschen. Neuere Vorsatzblätter. Spiegel vorn, oben links: alte Rara-Signatur Ye 2145a: R. Ebd., Mitte: ältere Signatur L 2085. Fliegendes Blatt vorn, verso: jüngere handschriftliche Notiz Untere Hälfte des Blattes 8 weggerissen, mit den beiden letzten und der zweiten Hälfte der drittletzten Strophe. Hinterer Spiegel, unten links: Buchbinder-Stempel B. Ebd., unten rechts: Deutsche Literatur 3. 445. Digitalisat: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001642700000000

Das Exemplar wurde erst im April 2011 in die Sammlung der Inkunabeln der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz aufgenommen. Davor zählte es unter der Signatur Ye 2145a zum Bestand Rara. *Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, 8o Inc 1190.20a Blattgröße: 13,1 × 18,3 cm.

Bl. 1b: Glosse, Bastarda von zeitgenössischer Hand Anno d(omi)ni M C enes jares […] synt der tyd hebben de holsten heren ghekriget myt den kon(n)igen von d(en) de(n)nemarken vnde dat warde bet to der tydt dat men screff M cccc xxxix. Darunter: von derselben Hand Ite(m) de lubeske(n) croneke holt da xx stige ma(n)ne worden gheslagen jn der ha(m)me myt Her Hartich gerde. Darunter: Federprobe (?), Kursive, 16.  Jh. von anderer Hand Vndt […] daß ist mein geschrieben. Bl.  4b: Federproben, Kursive 16. Jh. Neuere Foliierung, 0–7. Bl. 1b, unten: Exlibris-Stempel der Königlichen Bibliothek Berlin Ex Biblioth. Regia Berolinensi. Darunter: Akzessionsnummer NZ 2011.3. Einband: Pergament auf Pappe, Fragment einer liturgischen Handschrift mit Text in Antiqua notam fecisti in Gentibus virtutem tuam. ALeluia (Ps 76,15) sowie schwarzer Mensuralnotation in einem Vierliniensystem und mit quadratischen Noten. Ein weiteres Fragment dieser Handschrift wurde für den Einband des Eckenliedes, das 1491 in Augsburg in der Offizin von Johann Schaur gedruckt wurde, verwendet.30 Vorsatzpapier jünger als Einband. Spiegel vorn, oben links: alte Rara-Signatur Ye 2145:R. Ebd., Mitte: 154/326. Fliegendes Blatt vorn, verso:

30 Standort: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Signatur: 8o Inc 321. Digitalisat: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0000A92200000000 (7.8.2013). (GW 09238)

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handschriftliche Notiz Ergänzt aus: Jo. Adolfi’s gen. Neocorus Chronik Bd. I 1827. pag. 495 ff. Buchschnitt rot koloriert, ausgenommen die Blätter 5, 7 und 8. Digitalisat: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001642600000000

Der Druck ist als Fragment überliefert. Die Blätter sind in einem allgemein schlechten Zustand. Am Falz und an den Kanten wurden sie ausgebessert. Die Blätter 5, 7 und 8 fehlen. Unter Benutzung der Chronik von Johannes Neocorus in der Ausgabe von 182731 wurden sie im 19. oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts handschriftlich ersetzt. Das Exemplar hat sich ursprünglich unter der alten Signatur Ye 2145 in der Rara-Abteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz befunden und wurde erst im März 2011 unter der neuen Signatur in die Inkunabelsammlung aufgenommen. Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek, II.b.34a Blattgröße: [13,1 × 18,3 cm].

Von dem Exemplar ist lediglich das Titelblatt überliefert, das dem Bremer Exemplar des Druckes D 4 vorgeheftet ist. Der Holzschnitt ist koloriert und von zeitgenössischer Hand glossiert mit den Worten Ego voor32 Joanne Husem (‚Ich werde gelesen von Johannes in Husum.‘), wobei es sich um einen Besitzeintrag handeln könnte. Die rechte, fehlende Längsseite des Rahmens wurde von Hand mit brauner Tinte ergänzt. Mit derselben Tinte wurde die Hellebarde über den oberen Bildrahmen hinaus um eine Speerspitze verlängert, ferner wurden im Bild zusätzliche Schraffuren angebracht. Auf der Rückseite stehen neben Federproben auch Briefentwürfe von derselben Hand wie auf der Vorderseite: Hennyng(us) Lundis est in ciuitate luneborgensis et discit bonis littris. Darunter folgt: Ex tuis litteris […] intellexi vt frater meus mortu(us) est et soror mea laborat vsq(ue) in [.]tem q(ue) […] […]plicit aute(m) d(omi)ni voluntas fiat wale (‚Henning aus Lunden ist in der Stadt Lüneburg und erfährt gute Nachrichten. – Deinen Worten […] habe ich entnommen, dass mein Bruder gestorben ist und meine Schwester in […] arbeitet […]. Der Wille des Herrn geschehe. Lebe wohl.‘)

31 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 495–507. 32 voor: möglicherweise verschrieben für ‚voror‘, 1. Singular Präsens Indikativ Passiv von ‚vorare‘ (‚gierig lesen‘).

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Verzeichnisse: GW M1827720 (mit Hinweis auf weitere Verzeichnisse). Literatur: Krause 1881, S. 8f. Prien 1884, S. 89 (Anm.). Sondheim 1927, S. 274. – Vgl. Kommentar D 4, Exemplar Bremen

D4 Reimpaardichtung (Nr.  2) mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt am 17. Februar 1500. [Lübeck: Steffen Arndes, nach 17. Februar 1500]. 4o 6 Bll. aa6. Ungezählt. 29 Zeilen. Type 5:92G. Initiale: Majuskel M. Rubrikzeichen, durchgehend. 2 Holzschnitte. 2 Varianten.

Bl. 1a, Titel: ❡ Van den detmersche(n) is dyt ghedicht. vn(de) is waer || Vnde is ock van dem(e) gnadentryken gulden yaer || Holzschnitt || ❡ Eyn sack alto lanck.alto wyd.vnde seer vndicht || … Dem(e) scholde nicht noͤgen.myt hollant vn(de) flanderen || Bl. 1b, Z. 1: (M3)En lest in der byblyen.dat de olden || … Z. 29, Variante a: Van der hylghen kerken wolden se de bryngen || Z. 29, Variante b: Va(n) der hylghe(n) kerke(n) Breme(n). wolde(n) se de bryngen ||  … Bl.  6a, Z. 10: Dynen frede vnde ewyghe salicheyt ✠ || Holzschnitt || Bl. 6b, Z. 1: ❡ Dat gulden yar. plach ane var || … Endet Z. 16: Jn oͤrem(e) vortgange ghelucke || Im Katalog des British Museum33 und in der ‚Niederdeutschen Bibliographie‘ von Borchling und Claussen34 wird der Druck als Produkt der Mohnkopf-Offizin ausgewiesen. Dieser Zuordnung folgte auch Timothy Sodmann.35 Dem Eintrag in der ‚Niederdeutschen Bibliographie‘ von Borchling und Claussen lag das Bremer Exemplar zugrunde. Das Titelblatt des Bremer Exemplars von D 3 wurde dort als Titelblatt von D 4 beschrieben.36 Der Druck D 4 ist in zwei unterschiedlichen Varianten überliefert. Die Varianz betrifft in erster Linie den Text Blatt 1b, Zeile 29, sowie die Form der Majuskel E,

33 Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Museum (BMC). Part 2: Germany, Eltvil–Trier. Edited by Alfred W. Pollard. Londen 1912, S. 559, IA. 9959. 34 Borchling / Claussen 1936, Sp. 144f., Nr. 323. 35 Sodmann 1980, S. 14f.; ders.: Die Druckerei mit den drei Mohnköpfen. In: Franco-Saxonica. Münstersche Studien zur niederländischen und niederdeutschen Philologie. Jan Goossens zum 60. Geburtstag. Hrsg. von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Niederländischen Seminars und der Niederdeutschen Abteilung des Germanistischen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität und der Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens. Redaktion: Robert Damme u. a. Neumünster 1990, S. 343–360, hier S. 350. 36 Borchling / Claussen 1936, Sp. 144f., Nr. 323.

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die Blatt 1b, Zeile 1, auf die Initiale M folgt. Die Unterschiede sind Ergebnis von so genannten Presskorrekturen, d. h. von Eingriffen in den Satz während des laufenden Druckprozesses ohne völligen Neusatz der Druckform.37 Im Fall der Textvarianz ist unklar, welche Textvariante den ursprünglichen Zustand repräsentiert und welche den Zustand nach der Korrektur. Bei den zwei Holzschnitten handelt es sich um die Wiederverwendung zweier Bilder, die für den Druck des niederdeutschen Narrenschiffs von 1497 angefertigt worden waren.38 Der Titelholzschnitt befindet sich dort auf Blatt 191a und ist Teil des Kapitels über Wucher und Vorkauf (woker vn̄ vorkoep). Abgebildet sind zwei männliche, interagierende Figuren in einem Raum, der durch einen dunklen Hintergrund mit zwei Fensteröffnungen angedeutet wird. Die Figur auf der vom Betrachter aus rechten Seite trägt einen Kittel – die typische Bauernkleidung des Mittelalters,39 schwarze Beinlinge und auf dem Kopf einen Hut mit vorn schiffartig zulaufender und hinten aufgeschlagener Krempe. Vor dieser Figur stehen zwei gefüllte Säcke, denen sie etwas entnimmt und es ihrem Gegenüber reicht. Die Figur auf der linken Seite ist in der adligen Mode des späten Mittelalters gekleidet. Sie trägt Beinlinge in Mi-parti, ein kaum bis zu den Hüften reichendes, aufwendig gemustertes Wams mit weiten, geschlitzten Ärmeln, darüber einen knielangen an einer Seite offenen Mantel und auf dem Kopf eine Haube in Mi-parti-Musterung. Diese Figur greift mit der einen Hand in eine Tasche und mit der anderen zu dem Gegenstand, den die bäuerlich gekleidete Figur ihr reicht. Offenbar ist hier eine Kaufszene zwischen einem Bauern und einem Adligen oder Angehörigen der städtischen Oberschicht dargestellt. Die Narrenkappe trägt der Bauer.

37 Rockenberger, Annika: Produktion und Drucküberlieferung der editio princeps von Sebastian Brants Narrenschiff (Basel 1494). Eine medienhistorisch-druckanalytische Untersuchung. Frankfurt a. M. u. a. 2011. (Europäische Hochschulschriften 1: Deutsche Sprache und Literatur 2009), S. 56. Presskorrekturen betreffen den Austausch verschlissenen Typenmaterials (im vorliegenden Fall wohl den Austausch der Majuskel E), das Beheben von Presskorruptelen, d. h. z. B. von Leerstellen, die durch das Herauslösen von Typen während des Druckes entstanden sind, sowie die Berichtigung orthographischer, syntaktischer oder anderer Fehler im Text. Auch inhaltliche Korrekturen gehören dazu, sollen allerding eher selten vorgekommen sein. Ebd., S.  65. Eine vollständige vergleichende Analyse der Exemplare von D 4 in Hinblick auf Typenverschleiß und -austausch sowie Presskorruptelen ist im Rahmen dieser Untersuchung nicht durchgeführt worden. 38 GW 05053. 39 Jaritz, Gerhard: Kittel. In: Bilderwörterbuch der Kleidung und Rüstung. Vom alten Orient bis zum ausgehenden Mittelalter. Hrsg. von Harry Kühnel u. a. Stuttgart 1992. (Kröners Taschenausgabe 453), S. 132.

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Der zweite Holzschnitt ist im Narrenschiff auf Blatt 199a abgedruckt und dort dem Kapitel über ausländische Narren vorangestellt (Van uthlendygen narren). Das Bild zeigt fünf einander zugewandte, miteinander sprechende und zum Teil gestikulierende männliche Figuren. Gemeinsam ist allen Figuren der Turban als Kopfbedeckung. Mit diesem Attribut werden ihre Zugehörigkeit zum orientalischen Kulturkreis und zugleich ihre Fremdheit aus der Perspektive des abendländischen Betrachters markiert. Doch sind die Figuren in Hinblick auf die Art des Turbans und hinsichtlich anderer ihnen zugeordneter Attribute weiter zu unterscheiden: Die Figur ganz links im Bild trägt an ihrer rechten Seite einen stark gekrümmten Säbel, dessen Klinge am vorderen Ende breiter wird. Die zweite Figur trägt einen langen Bart, länger als der der anderen, und eine besondere Form des Turbans. Es folgt die dritte, dem Betrachter mit dem Rücken zugewandte Figur, die ein bodenlanges Gewand mit besonderer Musterung an Schultern und Rücken trägt. Die vierte Figur hält eine Hellebarde in der heraldisch linken Hand und ist mit einem Turban mit Quaste bekleidet. Die Figur ganz rechts im Bild schließlich, auch sie wendet dem Betrachter den Rücken zu, hat einen vierzackigen Stern auf dem Gewand. Sie steht auf der Narrenkappe, die rechts im Bild auf dem Boden liegt. Auffallend ist die Beinbekleidung der zwei Figuren links und rechts im Bild in der Mode des Mi-Parti. Entweder fungiert auch sie neben der typischen Kappe als Attribut des Narren oder sie ist Reflex abendländisch-spätmittelalterlicher Modevorstellungen der Produzenten. Im Narrenschiff, Blatt 199b, wird der Begriff der uthlendygen narren konkretisiert; dort ist die Rede von Sarracenen, Turken und Heyden. In der vorliegenden Inkunabel korrespondiert der Holzschnitt mit einem Vers am Ende der Fürstenschelte auf der gegenüberliegenden Seite, Blatt 5b, Zeile 2, wo es über die christlichen Fürsten heißt: Se scholden up de unkristene slan (Nr. 2, V. 229).40

40 Derselbe Holzschnitt wurde auch im ‚Henselyn boek‘ (nicht vor 1497) verwendet. Vgl. GW 12267 und Walther 1877, S.  11 (Beschreibung des Holzschnitts). Dort repräsentieren die fünf Figuren keine Fremden aus dem Orient, sondern den Vater, seine drei Söhne sowie den Narren Henselin. Zum ‚Henselyn boek‘ siehe auch: Schulte, Brigitte: Das Henselynsboek als Erbauungsschrift. Versuch einer Interpretation. In: Franco-Saxonica. Münstersche Studien zur niederländischen und niederdeutschen Philologie. Jan Goossens zum 60. Geburtstag. Hrsg. von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Niederländischen Seminars und der Niederdeutschen Abteilung des Germanistischen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität und der Kommission für Mundartund Namenforschung Westfalens. Redaktion: Robert Damme u. a. Neumünster 1990, S. 319–342.

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Variante a *Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, 8o Inc 1487 Blattgröße: 13,8 × 18,2 cm.

Bl.  1a, oben rechts: die Zahl 106. Ebd., unten rechts: L 2084. Bl.  1b, Fußsteg: Stempel der besitzenden Bibliothek Ex Biblioth. Regia Berolinensi. Neuerer Einband, 19.  Jh., Kiebitzpapier über Pappe. Vorderdeckel mit goldenem Supralibros der Staatsbibliothek zu Berlin. Ebd., oben links: Etikett mit Signatur Inc. 1487. Rückentitel: handschriftlich Van de Detmersche is dyt gedicht (1500). Neueres Vorsatzpapier. Spiegel vorn, Notizen von verschiedenen Händen: Signatur (durchgestrichen) Ye 2486; Signatur Inc. 1487 8o; Konkordanzen Copinger 2011. Proctor 2639; Annotation Titelblatt u. letztes (leeres?) fehlen!; L 2084. Fliegendes Blatt vorn, verso: vgl. Jo. Adolfi’s gen. Neocorus Chronik Bd. 1. 1827 pag. 507 ff. Hinterer Spiegel, oben rechts: Buchstabe J. Ebd., unten links: Stempel des Buchbinders B. Ebd., unten rechts: Deutsche Literatur 3. 463. Digitalisat: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001642800000000

Variante b Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek, II.b.34a Blattgröße: [13,1 × 18,3 cm].

Dem Exemplar ist das Titelblatt eines Exemplars von D 3 vorgebunden (zu weiteren Benutzerspuren siehe dort). Der Kopfsteg wurde beschnitten, was auf den Blättern 4a und 4b zu Textverlust in der ersten Zeile geführt hat. Die Holzschnitte wurden koloriert, die Versanfänge rubriziert. Auf Blatt 4b, Zeile 10 wurde lofte (Nr. 2, V. 182) rot unterstrichen, auf Blatt 3a die Zeilen 17 und 18 nach slangen bzw. hangen (Nr. 2, V. 109, 110) mit rotem Zeilenfüllsel verlängert. Die Blätter sind zum Teil stark verschmutzt. Neuerer Einband, 19. Jh., Halbleder mit Lederecken.

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Das Exemplar bildete laut Friedrich Prien noch 1884 eine Buchbindereinheit mit dem Bremer Exemplar des Lübecker Druckes von ‚Reynke de vos‘ von 1498.41 Der Band stammte aus der Bibliothek der Bremischen Deutschen Gesellschaft42, die 1748 von Schülern des Gymnasium Illustre in Bremen als Sprach- und Gelehrtengesellschaft gegründet wurde.43 Nach Auflösung der Gesellschaft im Jahr 1793 gelangte ihre Bibliothek in den Besitz der Bibliothek des Gymnasiums Illustre,44 der 1660 gegründeten Vorgängerin der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen.45 *London, British Library, IA. 9959 Blattgröße: 13,8 × 19,8 cm.

Bl. 1a, oben: Bleistiftnotiz Ditmarschen. Bl. 1b, Fußsteg: Stempel BRITISH MUSEUM mit Wappen. Bl. 6b, Fußsteg: anderer Stempel BRITISH 14.00.90 MUSEUM. Bl. 1a und 6b stärker verschmutzt/abgenutzt als die Innenseiten. Am Falz und an den Kanten zum Teil Insektenfraß. Neuerer Einband, 19. Jh., Halbleinen mit Leinenecken. Vorderdeckel mit Signatur I.A. 9959. Neuere Vorsatzblätter. Spiegel vorn mit Besitzvermerken: Exlibris Volckmann & Jerosch Rostock i. M., darunter anderes Exlibris Volckmann & Jerosch Rostock i/M. Ebd.: über den Besitzvermerken die Bleistiftnotiz Druck v. Arndt in Lübeck. Das Exemplar war in Besitz des Rostocker Antiquariats Volckmann und Jerosch, bevor es das British Museum 1890 erwarb.46 Nach der Gründung der British Library im Jahr 1973 ist die Inkunabel in deren Bestände gelangt.47

41 Prien 1884, S. 89. Zum Druck des ‚Reynke de vos‘ vgl. GW 12733. 42 Elsmann, Thomas: Bremen 1. Staats- und Universitätsbibliothek. In: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Hrsg. von Bernhard Fabian. Bd. 1: Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen. Hrsg. von Paul Raabe. Hildesheim / Zürich / New York 1996, S. 289–308, hier S. 298 (Abschnitt 2.46). – Zu den Mitgliedern der Bremischen Deutschen Gesellschaft zählte auch Johann Philipp Cassel (1707–1783). Vgl. Eintrag Hs 6. 43 Schwarzwälder, Herbert: Das Große Bremen-Lexikon. 2., aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Aufl. Bd. 1: A–K. Bremen 2003, S. 136. 44 Elsmann 1996, S. 290. 45 Elsmann 1996, S. 289. 46 BMC II, S. 559, IA. 9959. 47 Paisey, David: London 1. The British Library. In: Handbuch der historischen Buchbestände in Europa. Eine Übersicht über Sammlungen in ausgewählten Bibliotheken. Hrsg. von Bernhard Fabian. Bd. 10: A Guide to Collections of Books Printed in German-speaking Countries before

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Verzeichnisse: BC 323. BMC II IA 9959. GW M18279 (mit Hinweis auf weitere Verzeichnisse). Literatur: Prien 1884, S. 89–102. Brandt 2017, S. 15–45.

Hs 1 Ernst von Kirchberg ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ Schwerin, Landeshauptarchiv, 1.12–1 Chroniken. Pergament. 225 Bll. 42,5 × 32,5  cm. 1378/79. Mecklenburg. Hd.

Lagen: überwiegend aus Quaternionen; am Ende fehlende Blätter und Textverlust; Blatt 225 auf den hinteren Buchdeckel geklebt. Lagenzählung: rote Kustoden (röm. Ziffern) auf der letzten Lagenseite in der Mitte des Fußstegs zw. zwei Punkten; vereinzelt (51v, 88v) mit brauner Tinte Wortreklamanten auf der letzten Lagenseite, die überwiegend nach dem Binden weggeschnitten wurden. Schriftraum: 29 × 24 cm. 2 Spalten. 30 Zeilen (Nachtrag: 36 bzw. 38 Zeilen). Liniierung von Bund-, Schnitt-, Kopf- und Fußsteg sowie Zeilen mit Tinte, Punkturen. Textualis von einer Hand (Nachtrag: schleifenlose Bastarda von einer Hand). Rubrizierung. 1v: ganzseitiges Widmungsbild. Bis 42v: 15 acht Zeilen hohe historisierte Initialen, Raum für 46 weitere ausgespart. Bis 41v: 22 zwei Zeilen hohe FleuronéeInitialen, Raum für 90 weitere ausgespart. Spiegel hinten (225r): lateinisches Gedicht, zwölf Verse, aufgezeichnet mit einer Kursive, teils unter Verwendung von Versalien der Kapitalis, A: Quid miser infectum contendis sordibus ade. Vereinzelt Marginalglossen von mindestens zwei Händen der ersten und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Spiegel vorn, auf dem Kopfsteg die Ziffer 37. Ebd., unten: Eintrag des Archivars Johann Schultz (1650–1727):48 Detestandus et vere injuriosus manus, hoc magno studio, Anno 1378, ab Ernesto de Kirchberg compositum volumen, ut […] totius Archivi effugere nequivit, Siquidem id non Selum maxima parte jndicis denudarunt, verum etiam aliquot aliis foliis spoliarunt, quæ quantum observare licuit sunt pertinentia ad Caput 23 & 24. Ad 25 & 27. 33 & 34, 35, 36, 53, 54 & 55, 56 & 57, 85 & 86, 98 & 99, 105 &

1901 (or in German elsewhere) Held by Libraries in Great Britain and Ireland. Edited by Graham Jefcoate / William A. Kelly / Karen Kloth with Assistance of Holger Hanowell and Matthias Bauer. Index by Karen Kloth. Hildesheim / Zürich / New York 2000, S. 41–90, hier S. 41. 48 Röpcke, Andreas: Zu guter Letzt: Alte Archivare in Schwerin: Johann Schultz (1650–1727) bis Hermann Grotefend (1845–1931). In: Alt werden in Mecklenburg im Wandel der Zeit. Hrsg. v. Matthias Manke / Ernst Münch. Lübeck 2012. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg, Reihe B, N.F. 3), S. 277–284.

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106, 108 & 109, 185 & 186. In fine autem hujus quæ addita, temporibus Henrici & Alberti puleri Ducum Meclenburgensium facta reor, Siquidem historia miraculi Sternbergensis sub illorum regimine accidit. Obiter notandum, auctorem nostrum in hoc opera Helmoldum in vernaculam n(ost)ram rythmiæ traducendam allaborasse, textib(us) serie capitum & materiarum & Iohann Schultz p. t. Archivari(us) a(nn)o 1701 calend(is) Novemb(ris); ebd., am Rand von anderer Hand: Cap. 105, et 106 sind complet […] it. 108 et 109; ebd., darunter von dritter Hand Hinweis auf fehlerhafte Zählung: Die Reihenfolge der Capitel weicht von der Zahl der Capitel in dem Abdruck bei Westphalen um zwei ab. Dies kommt daher, dass in dem Originale XCVII auf XCV, und C auf XCVIII folgt. Daher ist das letzte Capitel am Orig(inal) 185, bei Westphalen 183. Neuere Foliierung mit Bleistift, 1–224, Bl. 125 ungezählt. Ledereinband auf Holz mit Messingbeschlägen, ursprünglich rot, jetzt stark verblasst und abgenutzt, Reste von Metallschließen am hinteren Deckel. Die ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ wurde von Ernst von Kirchberg verfasst, der einem niederhessischen Rittergeschlecht entstammte.49 Laut seiner Vorrede hatte ihn Herzog Albrecht II. von Mecklenburg (1318–1379) mit dieser Arbeit beauftragt. Ebenfalls in der Vorrede heißt es, dass Kirchberg am 8. Januar 1378 mit der Arbeit an der Chronik begonnen hätte.50 Abschriften existieren nicht. Der Codex soll nach seiner Anfertigung in der Bibliothek der mecklenburgischen Herzöge in Schwerin aufbewahrt worden sein. Erst im 16.  Jahrhundert wurde er dort bestimmten Gelehrten zugänglich gemacht. Sicher ist davon auszugehen, dass Herzog Heinrich V.  (1479–1552) 1505 den Gelehrten Nikolaus Marschalk (1460/70–1525) als herzoglichen Rat an den Hof in Schwerin berief.51 Marschalk hatte nachweislich Zugang zur Bibliothek und hat die Reimchronik von Ernst von Kirchberg als Vorlage für sein spätestens 1512 fertiggestelltes ‚Chronicon der Mecklenburgischen Regenten Reim-Weise‘ (auch ‚Mecklenburgische

49 Zur Herkunftsfrage siehe Petersohn, Jürgen: Ernst von Kirchberg. In: 2VL 2 (1980), Sp. 618– 620, hier Sp. 618; Schmidt, Roderich: Zur Mecklenburgischen Reimchronik des Ernst von Kirchberg. In: Gedenkschrift für Reinhold Olesch. Hrsg. von Hans Rothe / Roderich Schmidt / Dieter Stellmacher. Köln / Wien 1990. (Mitteldeutsche Forschungen 100), S. 71–101, hier S. 77f., 87; Auge 2008, S. 38. 50 Cordshagen, Christa / Schmidt, Roderich (Hrsg.): Mecklenburgische Reimchronik des Ernst von Kirchberg. Im Auftrag der Historischen Kommission für Mecklenburg und in Verbindung mit dem Mecklenburgischen Landeshauptarchiv Schwerin. Köln / Weimar / Wien 1997, S. 2, V. 46–60, S. 3, V. 81–94. 51 Cordshagen, Christa: Der Einfluss der Kirchberg-Chronik auf die Geschichtsschreibung, insbesondere die Reimchronik Nikolaus Marschalks. In: MJbb 115 (2000), S. 25–41, hier S. 30.

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Reimchronik‘) benutzt.52 Nach ihm arbeitete der herzogliche Rat Andreas Mylius (1527–1594) mit der Chronik, der sich seit 1548 am Hof in Schwerin aufhielt und dessen Hand ein Großteil der Marginalglossen sicher zugeordnet werden kann.53 Verzeichnisse: Borchling 1900, S. 200f. KdiH 2000, S. 219f. Stiewe 2011 (Handschriftencensus, mit weiterer Literatur). Ausgabe: Cordshagen / Schmidt 1997 (zu weiteren vgl. Stiewe). Abdruck der Nachträge: Koepke 1707, S. 84–88 (Hostienschändung Sternberg). Saß 1880, S. 33–52 (Rostocker Domfehde). Krause 1881, S. 3–24 (Schlacht bei Hemmingstedt). Literatur: Petersohn 1980, Sp. 618–620. Schmidt 1990, S. 71–101. Scheibe 1997, S. 23–61. Cordshagen 2000, S. 25–41. Auge 2008, S. 33–60. Malm 2012, Sp. 442f. Mierke 2016, S. 197–224, bes. 212–221. Zu den Nachträgen vgl. Kommentar zur Reimrede Nr. 3. Digitalisat: https://digitale-bibliothek-mv.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:gbv:9-g-518482

1r: leer. 1v: Widmungsbild. 2ra: ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ des Ernst von Kirchberg. Bis 217v. 223r–v. Register. 218ra: Die drei kleinen Chroniken. 1. Vorrede: Eyn vorreͤde vp der nabescreue(n) ghedichte. A: De dusser ghedichte bist eyn leser … E: … So bleff he dar nicht topande. 2. Von der Errichtung des Kollegiatstifts zu Sankt Jakobi 1487/91 in Rostock. T: Dat erste van des Domes stichti(n)ge to Rost(ok). A: Der eddelen forste(n) van hogher bord  … 220va E:  … Viff jm su(m)men ek tosande besta. 3. Vom Hostienfrevel in Sternberg 1492. T: Dat ander van der mishandelinghe Des werden Sac(ra)mentes tom Sterneb(erg). 220vb A: Id is ghescheen nu eynst der iar … 221vb E: … Went he gar boetlike(n) gheberde. 4. Über die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500. T: Dat dridde van der wund(er)wijsen leste(n) slachtinge jn dem lande to Dethm(erschen). A: My voruerden van swarheit der ding(er) … 224rb E: … Desser sy jn vordomeder vare. Amen. 5. Ende des Nachtrags: Jm latine De ambeginn̄ der drier vorscreue(n) dichte Des ersten Ordior acta ducuͦm e(t) c(etera) Des andern Conuolat i(n) monte(m) stelle. Des dridden Perculso grauitate rei. 224v: leer. 225r: jüngere Glosse.

52 Cordshagen 2000, S. 30. Bischoff 2006, S. 11, 20. Zu Leben und Wirken Marschalks vgl. ebd., S. 24–27. 53 Cordshagen 2000, S.  29. Zu Mylius vgl.  Krause, Karl Ernst Hermann: Mylius, Andreas. In: ADB 23 (1886), S.  133f. [Onlineausgabe]. https://www.deutsche-biographie.de/gnd117205907. html#adbcontent. (15.3.2017).

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Hs 2 ‚Passion Christi‘, ‚Geistlicher Rosengarten‘, Exempel, Gebete u. a. Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Ms I 239. Papier. 316 Bll. 14,5 × 10 cm. Nicht vor 1524. [Norddeutschland]. Nd., Lat.

Wasserzeichen: P ähnlich Briquet 8738, Hand ähnlich Briquet 11428, Kanne ähnlich Briquet 12628. Lagen: 2 V20 + IV28 + V38 + 2 IV54 + V64 + II68 + V78 + 20 IV238 + 2 V258 + 6 IV306 + V316, hinten ca. 10 fehlende Lagen (vgl. Einbandbeschreibung). Lagenzählung jeweils auf dem ersten Blatt der Lage: I–XXIV, XXVI–XXXVII, Lagen 25, 38 ungezählt. Alte Foliierung 192r–194r am Seitenende: 9II, 9III, 9IIII. Schriftraum wechselnd: ca. 10,5 × 8 cm. 19 Zeilen. Lagen 1, 9–13: Schwache, wohl nachträglich ausradierte Liniierung des Schriftraums. Schleifenlose Bastarda von mehreren Händen. Rubriziert. Rote Paragraphenzeichen. Lagen 2–8, 14–38: Liniierung der Zeilen und des Schriftraums mit Tinte, Punkturen am Außenrand. Textualis gothica von mehreren Händen. Rubriziert. Abwechselnd rote und blaue Paragraphenzeichen am Zeilenanfang, bes. 300r–301v. 269v: sechs Zeilen hohe, blaue Initiale mit Fleuronnée in Rot. Vereinzelt rote Zeigehände. Koperteinband, zeitgenössisch, aus starkem, biegsamem Pergament. Lederband, als ursprünglicher Verschluss, abgerissen. Buchblock vom hinteren Gelenk des Pergamentumschlags abgelöst. Rückentitel: [P]assio Chri[sti], zeitgenössisch. Rückenetikett: Signatur I 239. Deckelinnenseite vorn, oben: Signatur I 239. 2r: Stempel BIBLIOTHEKA REGIA HANNOVERANA. Neuere Foliierung mit Bleistift. Buchblock beschnitten. Der Codex enthält eine Kompilation geistlicher erbaulicher Texte; der durch den Rückentitel des Bandes ausgewiesene Haupttext im Umfang von ca. 170 Blättern ist die Geschichte der Passion Christi; weitere umfangreichere Texte schließen sich an: der Traktat vom ‚Geistlichen Rosengarten‘ mit der Lebensgeschichte der Heiligen Katharina von Siena (ca. 25 Bll.), eine Exempelsammlung (ca. 40 Bll.), die Passion der heiligen Margaretha (ca. 20 Bll.) sowie die Legende über die Bekehrung Maria Magdalenas (ca. 10 Bll.). Im Hinblick auf die materielle Konzeption liegt mit Hs  2 ein homogenes Produkt vor: Die Lagenzählung ist konsequent und gleichförmig. Abgesehen von wenigen Ausnahmen besteht die Handschrift fast durchgehend aus Lagen zu vier Doppelblättern. Lagen- und Textgrenzen fallen nicht zusammen. Die zwei verschiedenen Schriftarten belegen zwar, dass mindestens zwei Schreiber an der Entstehung der Handschrift mitgewirkt haben, jedoch sind diese Schriften textübergreifend. Die Texte der Lage 1 (2r–10v) stammen von Schreiber 1. An der

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Entstehung des Haupttextes, der Passion Christi, in den Lagen 2 bis 23 (11r–187r) haben beide Schreiber mitgewirkt. Die Seiten der übrigen Lagen gehen auf den Schreiber 2 zurück. Das Datum 288v, der 6. August 1524, bezieht sich vermutlich auf die Fertigstellung des Textes der Vorlage, nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Niederschrift in Hs 2. Denn alle anderen Texte sind nicht datiert. Unter Berücksichtigung der homogenen Konzeption der Handschrift kennzeichnet dieses Datum nicht nur den terminus post quem der Niederschrift dieses einen Textes, sondern den der gesamten Handschrift. Verzeichnisse: Bodemann 1867, S. 43. Borchling 1899, S. 205–208. Härtel / Ekowski 1982, S. 87–90. Krug 2011, Ms I 239 (mit weiterführender Literatur).

Die Inhaltsangabe erfolgt hier gekürzt nach Härtel / Ekowski und ergänzt um Textnachweise und -ausgaben. 1r: Bis 1v leer. 2r: Traktat vom Palmbaum. Bis 10r. Vgl. Fleischer 1989, Sp. 277–287. 10r: Über Sanguiniker, Melancholiker und Choleriker. Bis 10v. 11r: Passion Christi mit Pfingstgeschichte. A: O alder soteste here Ihesu Christe als du na den lesten auent mal geghan werst buten der stat … 142v E: … Wor van wy em dancken vnn lauen yn der ewicheyt amen. Hir endiget sick de passye vnses leuen heren. T: Wo dat Ihesus in vorborchte der. A: Unn do Ihesus gecruciget vnn gestoruen was er … 187r E: … Dar so mote vns to bryngen de almechtige vader vnde mogende vnn de gebenediede gades sone konninck der glorien vnnde ewige troster de guderterenheit god de hilge gest. Amen. 187r: Traktat vom geistlichen Rosengarten. T: Hir begynt de rosen garde. A: Wultu nu dat vnse here Jhesus Christus vaken kamen an dynen garden vnn … 213v E: … so komestu sunder twyueuele in dat ewige leuent. Amen. Vgl. Brakmann 2011; Williams-Krapp 1989, Sp. 982–986; ders. 2004, Sp. 1289. Weder Brakmann noch Williams-Krapp erwähnen Hs 2 als Textzeugen. 213v: Kürzere lehrhafte Texte: Über die Nichtigkeit menschlichen Urteils. Über die böse Nachrede. Über die Anbiederung. Autoritäten zu Sünde und Spott aus Aristoteles (384–322 v. Chr.) u. a. Über die Seligkeit. Bis 219v. 220r: Exempla. T: Eyn exempel. A: Wy hebben waraftichliken gehort dat by vnsen tiden  … 224v T: Eyn ander exempel. A: Men lest in den boke der apenbaringe der hilgen Juncfrouwen Metheldis  … 226r T: Van XV kameren dat gans mercklick is. A: Up ene tid reysede sunte Dominicus van Rome to Parys vnn seyde auer al dat lant dat wort godes … 232v T: Eyn exempel. A: In enen winter do al dat lant van Brabant vmme belecht was myt sne … 234r T: Eyn ander exempel. A: By vnse tide is in Vlan-

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deren en dinck geschen … 238v T: Eyn ander exempel. A: Do ik was in dat bischopdom van Camerick in Brabant … 241r T: Eyn ander exempel. A: Twe kyndere worden geboren in eynen lande de hade got also lyck gemaket dat numment … 246r T: En ander exempel. A: Eyn wys mester lach in synen lesten ende vnn sprack to synen sone … 248r T: Eyn exempel. A: Eyn abbet quam to sunte Ancelmuse vnn sprack to eme Leue vader wat schole wy don van den kynderen de we entfan … 248v T: Eyn exempel. A: Eyn broder wolde na der mettene sitten vnn studeren … 249r T: Eyn exempel. A: Ick hebbe ok waraftelic gehort van enen marteler de by vnsen tiden gemartert is … 249v T: Eyn exempel. A: In enen closter in Brabant van den orden van Cistercien was en seet broder genomt Hermen de stedeliken … 250r T: Eyn ander exempel. A: Eyn gestlick broder wart vaken ser voruolget van enen bosen mynschen vormidst worden vnn wercken … 250v T: Eyn exempel. A: It was eyn broder geheten Wolfert dat eyn pryor was van der prediker orden in ener stede in dudesche lant genomt Stratsberch … 252r T: En exempel. A: In iar vnses heren MCC vnn LX do de alder ynnigeste konninck van vrancriken Lodewicus … 255v T: Eyn exempel. A: It was en gestlick gotdenstich man cannonick to insulen Fulco genomt. Bis 260r. 260v: Kürzere lehrhafte Texte: Über das Leiden. Über das Bett. 269v: Passion der Heiligen Margaretha. T: Hir begynt sunte Margareten passien. A: Na deme lydende vnn vpstandynge vnses heren Jhesu Christi … synt gemartert vele marteler in synem namen … 288v E: … dar de vntenliken [!] ewicheit der ewicheit Amen. Ex est. Finitum et completum anno domini M CCCCC XX IIII sabbato post Dominici. 288v: Legende von Maria Magdalena. T: Van sunte Marien Magdalenen bekerynghe. 289r A: Scrift de meyster Ysodorus de dar scrift van deme dode der hilgen … 297v E: … bauen de erde veerde halue elne hoch. Hir is en ende van der bekerynge Marien Magdalenen. Vollständiger diplomatischer Abdruck nach Hs 2 bei Boxler 1996, S. 507–510. Ebd., S. 219: Kurzbeschreibung der Handschrift (Sigle Hv1) mit fehlerhafter Angabe zu den Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 („Reimchronik auf den Sieg der Dithmarschen im Jahr 1500“), die hier (vgl. 299v) nur in knappen Auszügen aufgezeichnet wurden. Zur Überlieferung der Maria Magdalena-Legenden vgl. ebd., S. 67–80, 213–225, und Williams-Krapp 1985, Sp. 1258–1264, Sp. 1263 mit Hinweis auf Hs 2. 297v: Gebete an Maria und Maria Magdalena. T: Eyn beth. A: O du hilge vrouwe sunte Maria also du in dem graue sochtest  … 299r Gebet an Maria Magdalena. T: En ander bet. A: O du eddele iuncfrouwe Maria Magdalena ick arme sundersche vormane dy der vroude de du haddest … 299v: Lehrhafte Verse. Darunter Exzerpte aus Nr. 1 und Nr. 2: 300r A: En sack alto lanck alto wyd …. 301v E: … God gif dyne(n) kristen(en) endrechticheit / Dyne(n) frede vnde ewige salicheit. Vgl. Edition und Kommentar Nr. 2 mit Abdruck dieser Exzerpte.

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Es folgen kleinere lateinische und mittelniederdeutsche Stücke: 301v: De Sponso Vero i.e. Christo. 302r: Augustinus (354–430). T: De gaudia [!] celorum dicit sanctus Augustinus. A: Ibi fratres videbitis sanctam civitatem que est omnium in presente lugentium mater … 302v: Verse. 303v: T: De dominica annunciacione. 305v: Exempel. 306r: De Christo sive Sponso. 306r: Prosalegende von Mechthild von Schottland. T: De sancta Mechtelde et fratre eius Alexandro, qui fuit monachus cisterciensis. 306v A: Sunte Mechteldis de was des konynges dochter van Schotland. 310r E: Se dede vele miraculen yn eren leuende vnn ock na eren dode. Vgl. Williams-Krapp 1987, Sp.  270, der auf eine weitere Handschrift in Bonn hinweist (Bonn, UB, cod. S 302, 197r). Abdruck: Stammler 1921, S. 50f. 310r: Verse. 310r: Prophezeiung auf Karl V. (1338–1380). 312v: Über das Erdbeben in Konstantinopel 1509. 315r: De nativitate Christi. 316r: De circumcisione domini. 316v: Text bricht ab.

Hs 3 Johann Russe ‚Collectanea de rebus Dithmarsicis‘ (Autograph) Kopenhagen, Königliche Bibliothek, Thott. 1802 4o. Papier. 147 Bll. 21,5 × 15  cm. 1533–1555. Lunden, Dithmarschen. Nd., Lat.

Wasserzeichen: Nr.  1 (Lagen 1–5, 19–22): Kanne mit Schnabel, darüber Krone, darüber vierblättrige Blume, etwa wie Piccard 31841 (1538). Nr.  2 (Lagen 6–13, 15): Buchstabe P, gebrochen, zweikonturig, darüber einkonturige Stange mit vierblättriger Blume, gespaltener Schaft mit nach innen gekrümmten Enden, ähnlich Piccard 109242–109245 (1531–1532). Nr. 3 (Lage 14): Buchstabe P wie WZ Nr. 2 aber mit nach außen zeigenden Schaftenden, etwa wie Piccard 109321 (1544). Nr.  4 (Lagen 16–18): Wappenschild mit Buchstaben, darüber Krone, darüber vierblättrige Blume, darunter Schriftzug P[.]IH, Höhe ca. 5 cm. Lagen: II4 + III10 + 3 IV34 + (V+1)45 + II49 + IV57 + (I+1)61 + V71 + II75 + (V+1)86 + IV94 + 112 5 II + 4 IV143 + I145. Blatt 35 jetzt mit Fließpapier fixiert am Falz der 6. Lage. Blatt 58 Pergamentblatt, eingeheftet zw. Lage 8 und Lage 9. Blatt 76 mit Fließpapier befestigt am Falz der 12. Lage. Blatt 81 nachträglich auf den Falz eines rausgetrennten

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Blattes geklebt. 107v–111r Wortreklamanten jeweils unten rechts. Schriftraum wechselnd. Zeilenzahl wechselnd. Liniierung von Bund- und Schnittsteg, blind, nicht konsequent; 107v–111r mit rot-brauner Liniierung des Schnittstegs. Kursive auf der Grundlage der Bastarda und Fraktur bei Überschriften von der Hand Johann Russes. 81r Bastarda von anderer Hand. 107v–111r Deutsche Kurrentschrift von dritter Hand. Marginalglossen auf Bund- und Schnittsteg von Russes Hand, zum Teil diagonal oder senkrecht zur Schriftrichtung. Paginierung, vor 1899, jeweils oben links bzw. rechts mit schwarzer Tinte, 1–80, fortgesetzt mit Bleistift von anderer Hand, 80a–286, fehlerhaft, später mit Bleistift korrigiert. Foliierung, nach 1899, mit Bleistift jeweils recto unten rechts, 1–145. Fehlerhafte Zählungen: auf Blatt 96 folgen zwei ungezählte Blätter, hier [96a] und [96b], zwischen Blatt 113 und Blatt 114 ein leeres Blatt (hier [213a]). Marginalglossen von verschiedenen Händen: Hand 1: 38r; Hand 2: 39v (D. Christian Seueken); Hand 3: 90r (expeditio contra Nanniam familiam); Hand 4: nach 1830, Bleistift, betrifft hauptsächlich Referenzen auf die gedruckte Ausgabe der Chronik von Johannes Neocorus von Dahlmann, 1827, auf den Seiten 5v, 12r, 19v, 22r. Federproben von verschiedenen Händen: 94r (Clawes Pederßen), 101r, 106r, 128r. Schreibübung und Gekritzel von einer Hand: 112r. Kaufvermerk mit Bleistift auf 1r Ex auctione A. Reinboth. Rot-braune Bleistiftzeichnungen, 113r: zwei Frauenfiguren, die linke stehend, die rechte sitzend, beide einander zugewandt, 145v: Figur einer alten Frau, Rückenansicht. Halbledereinband mit Lederecken, Leinen auf Pappe, 20. Jh. Neue Vorsatzblätter, 20.  Jh. Hinteres Fliegendes Blatt: Restaureret og nyindbundet 1975 af Birgitte Dall. Nach Hansen trug der alte Einband 1899 noch den Rückentitel Collectanea de rebus Dithmarsicis. Buchblock nicht beschnitten. Johann Russe (um 1506 – um 1555) lebte in Lunden und war Mitglied des Rates der Achtundvierziger in Dithmarschen.54 Die Kollektaneen bestehen aus acht Einzelfaszikeln. Diese enthalten die Aufzeichnungen Russes aus über 20 Jahren Sammeltätigkeit: Seine frühesten Aufzeichnungen datierte er auf 1533 (u. a. die Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2, vgl. 31v); die späteste Notiz betrifft das Jahr 1555 (vgl. 104v, 106v). Russe dokumentierte die Fundorte seiner Notizen und in einigen Fällen auch den Zeitpunkt ihrer Niederschrift. Daraus wird ersichtlich, dass sich seine Sammeltätigkeit in den 1530er Jahren zunächst auf Dithmarschen beschränkte, während er in den 1540er und 1550er Jahren auch Aufzeichnungen

54 Lüdtke 1992, S. 143.

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in Braunschweig, Lüneburg, Hamburg und Lübeck machte (vgl. Faszikel 7).55 Der überwiegende Teil der Notizen betrifft die Geschichte Dithmarschens und ist annalistisch verfasst, indem jeweils die Jahre genannt und knapp die dazugehörigen Ereignisse beschrieben werden. Die besagten Faszikel waren in dauerhafter Benutzung; dies deuten verschiedentlich gemachte Nachträge von Russes Hand an, z. B. in Heft 2, in das er 1533 die Reimpaarreden Nr. 1 und 2 und erst 1536 und 1537 die Lieder Nr. 4 und Nr. 5 eintrug. Die Kollektaneen befanden sich im 18.  Jahrhundert in Besitz von Friedrich Adolph Reinboth (gest. 1749), der seit 1739 Direktor des Waisenhauses in Schleswig und königlicher Justizrat war. Nach Reinboths Tod wurde seine Bibliothek einer testamentarischen Verfügung entsprechend auf einer öffentlichen Auktion versteigert und mit ihr auch das bewusste Manuskript von Johann Russe (vgl. Kaufvermerk 1r). Erworben wurde es von dem dänischen Grafen Otto Thott (1703–1785); mit einem Großteil seiner Sammlung gelangten die Kollektaneen noch vor 1788 in den Besitz der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen.56 Verzeichnisse: Borchling 1900, S.  95f. Auszüge gedruckt bei Westphalen 1745, S.  1439–1484. Abschriften: 1. Abschrift in Auszügen von 155357 (= Hs  4); 2. Abschrift in Auszügen in der Chronik von Carsten Schröder58 (= Hs  7); 3. Abschrift von Andreas Hojer, unbekannter Aufbewahrungsort,59 wird in Abschrift 5 (Hs 12) in Marginalglossen referenziert; 4. Abschrift im Besitz von Ernst Joachim von Westphalen, Aufbewahrungsort unbekannt,60 wird in Abschrift 5 (Hs  12) in Marginalglossen referenziert, in Auszügen abgedruckt in Westphalens Monumenta inedita;61 5. Abschrift von Friedrich Adolph Reinboth (= Hs 12). 6. Abschrift in Auszügen, Folio, 12 Bll., ehemals Schleswig, Staatsarchiv, Signatur No. 2, jetzt verschollen.62 Literatur: Hansen 1899, S. 3–85.

55 Zu den Aufzeichnungsetappen vgl. Hansen 1899, S. 14–21. 56 Hansen 1899, S. 12. Grønbæk, Jacob H. / Stauning, Birgit: Königliche Bibliothek (Kopenhagen). In: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa. Hrsg. von Bernhard Fabian. Digitalisiert von Günter Kükenshöner. Hildesheim 2003. Online: https://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Koenigliche_Bibliothek(Kopenhagen) (1.5.2020), Abschnitt 1.4. 57 Hansen 1899, S.  22–25. Horváth, Eva: Die historischen Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Cod. hist. 101–240. Hamburg 1973. (Katalog der Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg VI), S. 2, hält die Hamburger Abschrift und die Westphalen zugeschriebene Abschrift 4 anders als Hansen für ein und dasselbe Manuskript. 58 Hansen 1899, S. 25f. 59 Hansen 1899, S. 26f. 60 Hansen 1899, S. 27. 61 Westphalen 1745, S.  1439–1484. Zu den Abweichungen vom Autograph vgl.  Hansen 1899, S. 27f. Neben einer Abschrift lag Westphalen auch das Autograph von Johann Russe vor (ebd.). 62 Abschrift 6 im Staatsarchiv Schleswig erwähnt bei Prien 1884, S. 90, und Borchling, Conrad: Mittelniederdeutsche Handschriften in Skandinavien, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und

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Faszikel 1 1r: Notizen mit Bezug auf die Jahre 1199, 1209, 1322, 1404, 1474, 1480. Bis 3r. Hansen (1899, S. 28f.) hält das Chronicon Sclavicum für die Quelle Russes. Vgl. Ausgabe Laspeyres 1865. (= Hansen 1899, Nr. 1) 3v: Über Dithmarscher Geschichte 1044, 1116, 1161, 1183, 1322, 1404, 1500. Navolgendes js jn Lub. Boschreuen geuuͦnden. Bis 4r. Vgl. Lappenberg 1861, S. 381f., 388, 384, 396, 402. (= Hansen 1899, Nr. 2) 4r: Kurze Notiz über die Erhebung Holsteins zum Herzogtum einschließlich Dithmarschens im Jahr 1474. Vgl. hierzu Lammers 31987, S. 44; Hoffmann 1990, S. 304. Ex descriptione cuiusdam scribae Lubecensis saeculij superioris. (= Hansen 1899, Nr. 3) 4r: Notiz zu 1477. Hec d. Nicolaus Mildius circa annu(m) salutis 70 et 80 post mille quadring(en)tos vicerector Ecclesie Lundensis literis ma(n)dauit. (= Hansen 1899, Nr. 4) 4v: Lateinische Disticha, teils mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt 1500. Abschrift von einem Pergamentblatt (vgl.  Hansen 1899, Nr.  30). Quae sequntur carmina Codex quidam semesus ecclesiae Oldenwurdanae habuit. Abgedruckt bei Hansen 1899, S. 31f. (= Hansen 1899, Nr. 5) 5r: Notiz über die Schlacht bei Hemmingstedt 1500. (= Hansen 1899, Nr. 6) 5v: Notizen, hauptsächlich mit Bezug auf die Geschichte Dithmarschens, zu den Jahren 1187, 1436, 1319, 1362, 1436, 1414, 1433, 1434, 1500, 1518. Navolgendes hebbe jck vth eynem boke geschreuen, so wol eer Her Dirck Holting kerckher tho Tellingstede seligen behorich gewesen. Bis 7v. Hansen 1899, S.  32f., gibt verschiedene Quellen an. (= Hansen 1899, Nr. 7) 8r: Aufzeichnung, vornehmlich zur Geschichte Dithmarschens, über die Jahre 1044, 1116, 1183, 1420, 1451, 1455, 1464, 1520, 1523. Navolgendes hefft mj mede gedelet Johan Borcholt tho Hamborch. Bis 9v. Vgl. Lappenberg 1861, S. 253–384. (= Hansen 1899, Nr. 8) 9v: Aufzeichnungen zur Geschichte Dithmarschens 1362, 1414, 1431, 1433, 1424, 1532, 1545. 11v: Bauengeschreue achte stuͦcke hebbe jck vth eynem kalender eynes Missebokes der karke thor Nyenkarke geschreuͦen. Bis 10v. (= Hansen 1899, Nr. 9) 10v: Notiz zu 1524. Ex Nicolaj Vilij descriptione. (= Hansen 1899, Nr. 10)

Vorpommern. Zweiter Reisebericht. Göttingen 1900. (Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse. 1900. Beiheft), S. 148f. Laut Mitteilung von Herrn Dr. Malte Bischoff vom 31.3.2011 befindet sich keine Abschrift der Kollektaneen von Johann Russe im Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig.

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Faszikel 2 11r: Aufzeichnungen mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. Lied Nr.  5 (= Hansen 1899, Nr. 11): T: Anno 1500 Ode. A: Dat gheyt hyr jeghen de som(m)er tydt … 11v E: Wen wy va(n) hyr scholen scheyd(en). K: Russius s(cripsi)t 1537. 12r Reimpaarrede Nr. 2 (= Hansen 1899, Nr. 12): A: Van den Dethmerschen js dyt ghedycht vnde js waer … 19r E: … dynen vrede vnde ewyghe salicheyt. 19v, Nr. 2, Epigramm (= Hansen 1899, Nr. 13): A: Dat ghulden jaer … E: … jn oͤreme vortgange ghelucke. Lied Nr. 4 (= Hansen 1899, Nr. 14): T: Aliud Carm(en) gratulatoriuͦ(m). A: Eyn wuͦnderlick gheschichte wyl ick heue(n) an … 21r E: … Alse wy va(n) henne moten scheyden. K: Russiuͦs s(crip)s(i)t 1536. 21v: leer. 22r Reimpaarrede Nr. 1 (= Hansen 1899, Nr.  15): T: + Anno a nato Christo 1404 Wat jn huͦndert iare(n) vn(de) nuͦ js gesceen / Jn dithmerscen machmen hir lese(n) vnde seen. + A: Alseme screef duͦsent verhuͦndert vn(de) veer … 31v E: … dat wy vns myt eme moghen vrowen to ewighen tyde(n) Amen. K: τέλος Exarauͦit aut(em) hec Joannes Russiuͦs Theomartiuͦs in paterna domo, nostre salutis anno 1533 k(a)l(endis) januarijs Russiuͦs s(crip)s(i)t Floreat Theomartia. 32r Gefallenenliste (= Hansen 1899, Nr.  16): Als Nachtrag auf dem Kopfsteg T: Copie ener schryfft so myn vader boschreue(n) de sulff voffte broder vn(de) syne(n) vader jn dusser schlacht [m]ede ghewes(en). A: 1500 Duͦsse naghescreue(n) riddere vnde gudemans syn jn dythmerschen alle verslage(n) jn der slacht […] Juͦncker Otte va(n) Oldenborch  … 35r E:  … perdt vnde grodt gudt darr ghevunden worde(n). Lied Nr. 6 (= Hansen 1899, Nr. 17): A: Wille gy hoͤren ein nyge gedicht  … 36r E:  … wan wij van hijr moten scheiden. Finis. 36v Gefallenenliste und Verlustverzeichnis (= Hansen 1899, Nr. 18). A: Dusse nagheschreuͦen Greuͦen, Ridder vn(de) ghudemans, synt doet gheslaghen jn detmerschen do me schreeff 1500 vor Hemmingstede. Juncker Otte van Oldenborch … 39r E: … Dartho alle syne bussen klene vnde grothe. 39v: Über Dithmarscher Geschichte 1402, 1404, 1318, 1319. Ex chronica Slauonisorum, L. Seuekio collectore ad verbu(m). Abdruck Westphalen 1745, Sp.  1444 (Nr. XVI). Bis 40r. (= Hansen 1899, Nr. 19) 40r: Über die Schlacht bei Hemmingstedt 1500. Haec M. Nicolaus Dyck quondam ecclesiae Weslenburaniae pastor in membranis sacris Weslenburij annotauit. Bis 40v. Abdruck bei Hansen 1899, S. 41f. (= Hansen 1899, Nr. 20) 40v: Über Dithmarscher Geschichte 1144, 1319, 1404, 1414, 1481. Quae sequu(n)tur in membranis sacris aedis sacrae Tellingstedensis Scripta invenj, ad verbum. (= Hansen 1899, Nr. 21) 41r: Abschrift eines Totenverzeichnisses von 1144. Jam quae sequuntuͦr codex quidam habuit ecclesiae Bökelenburgianae ad verbum. A: Anno 1144 Memoria defunctor(um). Abdruck und Darstellung bei Hansen 1897, S. 265–267. (= Hansen 1899, Nr. 22)

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41r: Über Dithmarscher Geschichte 1319. Haec quae sequntuͦr codex vetust(us) ecclesiae Oldenwurdanae dedit. (= Hansen 1899, Nr. 23) 41v: Über Dithmarscher Geschichte 1319–1532. Navolghende 4 blade hebbe ick gheschreuͦen vth enen boke so Reymer gholtsmyt tho Luͦnde myt eghener hant boschreuͦen, des he thom dele thosamende ghelesen ock wes, bi syner tijt merklikes jn Lande, ock sunders jn Luͦnde ghescheen, kortlick vortekent. 45v Schlussbemerkung: Hactenus ille. (= Hansen 1899, Nr. 24) 45v: Über Dithmarscher Geschichte 1148–1200, 1402–1459, 1133–1389, 1491, 1400– 1550, 1519, 1521, 1469, 1475, 1319. 57r: Nachtrag einer Gefallenenliste. Nachvolghende 12 blade [= Bll. 46–57] hebbe ick gheschreuen vth enen böckschen vast olt Johan Roden bynne(n) Lunde tho behörich ghewest  … Bis 57r. (= Hansen 1899, Nr. 25, 26, 27, 28) Bl. 58: eingeheftetes Pergamentblatt, von dem Russe Bl. 4v (Hansen 1899, Nr. 5) abgeschrieben hat. (= Hansen 1899, Nr. 30). 58v: leer. Faszikel 3 59r: leer. 59v: Über 1436–1497, u. a. die Flut von 1436 und die Geschichte Lundens betreffend. Ex vetusto codice precum cantionumq(ue) Ecclesiasticarum aedis sacri oppidi Lundensis. Bis 60r. (= Hansen 1899, Nr. 31) 60r: Über 1319, 1471. Ex descriptione M. Nicolaj Mildij pastoris ecclesiae Lundensis. (= Hansen 1899, Nr. 32) 60v: Urkunde. Bann über die Mörder von Heinrich Grove (gest. 1451), Pastor in Lunden, durch Johannes Middelmann, Dompropst. Bis 62v. (= Hansen 1899, Nr. 33) 63r: Über Dithmarscher Geschichte 800–1542. 1544 Navolgende 6 blade hebbe jck gheschreuen vth Enem bocke welck Her Nicolaus Vile tho Weslingburen myt egener hant hadde boschreuen vnde tho samende gerapet vn(de) is van wort to wort so He it beschreuen hadde. 68v Schlussbemerkung: Hactenus ille. (= Hansen 1899, Nr. 34) 69r: 1. Drei Notizen über Lübeck. 2. Über den Tod von König Christian I. von Dänemark (1426–1481). (= Hansen 1899, Nr. 35, 36) 69v: Über Schenkungen und Stiftungen der Dithmarscher für das Kloster Marienau nach der 1404 gewonnenen Schlacht in der Hamme. Copie ener schrift der Broͤder des Klosters tho Mergennouͦwe. A: Do de karcke tho Wurden brande, dat jn dem sulfften jare schach do me schreff 1303 … 70v E: … vnde myt den hillighen lichamme alse jn voͤrtyden ghelauͦet js. Abgedruckt bei Westphalen 1745, Sp. 1455; Vieth 1733, S. 288. (= Hansen 1899, Nr. 37)

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71r: Über 1134, 1209, 1204, 1209, 1218, 1483, u. a. über Kaiser Friedrich Barbarossa (gest. 1190) und König Waldemar II. (vor 21.3.1168–1241). (= Hansen 1899, Nr. 38) 71v: Aufzeichnungen zu den Jahren 839, 853, 860, 1006, 1166, 1201, 1401, 1495, 1498, 1491, Marginalglossen zu 840, 833, 1434. Navolgendes vth eynem vtgeretenen blade my dorch Mester Gunter behandit geschreuen. Teils abgedruckt bei Westphalen 1745, Sp. 1454 (Nr. XXVI). (= Hansen 1899, Nr. 39) Faszikel 4 72r: Über die Stürme und Fluten von 1529/21 und Geschichte Dithmarschens 1523. Navolghendes hefft Eynen her john Erp ghenant tho hemme boschreuͦen des van worden tho worden also luͦt. Bis 74r. Teils abgedruckt bei Hansen 1899, S. 48–50. (= Hansen 1899, Nr. 40) 74r: Drei Notizen über 1525, 1552, 1553. Ex descriptione J. M. (= Hansen 1899, Nr. 41) 74v: Über Dithmarscher Geschichte. Des so hir na volget js dorch D: Jacobum Boetium, den broder des lofflicken D: Nicolaij Boetij tho Weslingburen angetekent wurden, Ad Verbum. 1. Lateinische Verse auf die Schlacht bei Hemmingstedt: Anno milleno quingenteno Polotroni / Hans rex cum Danis cum gardia non bene sanus / Dithmariae populum stipabant sternere nostrum, / Sed tandem victa Danorum gens maledicta / Cecidit in campo prope Lijt pago derelicto. Abgedruckt Hansen 1899, S. 50. 2. Liste der Gefallenen: 74v A: Dusse nabeschreuen worden gheslagen jn dithmerschen des Mandages na Valentinij jnt jar dusent vijffhundert jnt gulden jaer, Juncker Otto van Oldenborch … 75v E: … Jte(m) dre Ridder vth denn stychte van Collen myt twehundert vn(de) + achtentich perde. 3. Aufzeichnungen u. a. zu 1512 und 1531, abgedruckt bei Hansen 1899, S. 51f. 76r Schlussbemerkung: Haec ex schedis Jacobj Boetij. (= Hansen 1899, Nr. 42) 76v: Über 1162, 968, 836, 853, 791, 778, 802, 966, 1006. Abdruck bei Hansen 1899, S. 52. (= Hansen 1899, Nr. 43) 77r: Rede von Nicolaus Boie, 1542 in Meldorf gehalten. T: Dat Dythmarschen nene ingedrungene vnde sulff vpgewurpene ouericheit hefft Sunder dorch ordentlicker gewalt erwelet confirmeret vnde bostediget, vnde der karken van Bremen jngeliuet js Dorch Mag: Nicolauͦm Boyen Pastorn tho Meldorp, vor deme Lande dithmerschen am Temp(er) sonnauende vor Michaelis Anno 1542 geholden. Bis 78r. Abdruck Westphalen 1745, Sp. 1458, und Michelsen 1834, S. 111f. (= Hansen 1899, Nr. 44) 78r: Schrift von Gunther Wernher. T: Eyne vryheit so dat Lant tho Dythmarschen is bogauet mit priuͦilegien tho ewigen dagen vnde vxij gestoruen Dorch Mester Guͦnther Wernher Secreterer des Landes voruatet. Bis 79v. Abgedruckt bei Westphalen 1745, Sp. 1459. Bl. 80 leer. (= Hansen 1899, Nr. 45)

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81r: Inhaltsangabe zur Bulle Papst Leos X. (1475–1521) vom 4. Januar 1516, die Russe ab Bl.  82r aufgezeichnet hat. Gekürzter Abdruck bei Westphalen 1745, Sp. 1457 (Nr. XXVIII). (= Hansen 1899, Nr. 46) 81v: Über die Aufhebung der Minoritenklöster, 1528–1532. Ex descriptione cuiusdam Franciscanj. Abgedruckt bei Westphalen 1745, Sp. 1457 (Nr. XXIX). (= Hansen 1899, Nr. 47) 82r: Abschrift der Bulle Papst Leos X. vom 4. Januar 1516. Bis 86r. 86v leer. Abgedruckt bei Westphalen 1743, Sp. 1786–1789 (Nr. XXIII). (= Hansen 1899, Nr. 48) Faszikel 5 87r: Über 1522–1533 und 1506–1522, vornehmlich mit Bezug auf Lunden, teils die Familie Swyn betreffend. Copie der ghescheffte, so dorch den dapperen Raetwisen, gheschickden vnde vorstendighen seligher dechtenisse Hennig Swyn (so am 8 Octobris anno 1533 in god vorstarff) boschreuen vnde vorbatet. Bis 90v. Abdruck (nach Hs 4 lt. Hansen 1899, S. 53) in Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 459–462, und Hansen 1899, S. 54. (= Hansen Nr. 49) 91r: Über die Teilung Holsteins im Jahr 1544. T: Delinge der Lande tho Holsten Anno 1544. (= Hansen 1899, Nr. 50) 91v: Liste der in der Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500 Gefallenen mit Verlustverzeichnis: T: Dusse nageschreuen greue(n) Ridders vnde gudemans scholen alle so ruͦchtich is doet syn vnde in dytmerschen alle vorslage(n) syn do men schreff xv des manendages na Sunte Valentin. A: Juͦncker Otte van Oldenborch … 94r E: … Ock wu(n)nen de dythmarschen deme koninge sine houet banner aff mit seuͦen veneken. (= Hansen 1899, Nr. 51) 94r: Über 1436–1500, teils über Naturereignisse, zuletzt mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt 1500. Dyt nauolgende hebbe Jck thom nye(n) kloster bij Buͦckxstehude erlanget, vnde is thor wilster jm vorigen saeculo van eynen olden papen boschreuen. Bis 94v. Abgedruckt bei Hansen 1899, S. 54f. (= Hansen 1899, Nr. 52)

Faszikel 6 95r: Epitaphien auf Nicolaus Boie den Älteren (gest. 1542, Wesselburen) und Nicolaus Boie den Jüngeren (gest. 1542, Meldorf), verfasst von Henricus Sibeus Olphenius, Rektor der Gelehrtenschule in Meldorf. Bis 96v. [96ar]–[96bv] leer. Abgedruckt bei Rolfs 1892, S. 74, 78, und Hansen 1899, S. 56–59. Zu Nicolaus Boie dem Älteren vgl. Jensen 1955a, S. 424; zu Nicolaus Boie dem Jüngeren ders. 1955b, S. 424. (= Hansen 1899, Nr. 53)

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 Katalog der Überlieferungsträger

Faszikel 7 97r: Über Braunschweig und die Braunschweiger Fürsten, 861–1514. Des so hir navolget hebbe ick tho Brunswyck A. 46 vam koster des domes Sancti Blasij darsuluest scrifftlick erlanget. Bis 98v. Auszug abgedruckt bei Westphalen 1745, Sp. 1457 (Nr. XXX). (= Hansen 1899, Nr. 54) 99r: Abschrift einer Inschrift im Braunschweiger Dom St. Blasii über die Gründung des Domes 1173, die Beisetzung Heinrichs des Löwen (gest. 1195), seiner Gattin Mathilde (gest. 1189) sowie Ottos IV. (gest. 1218) daselbst. T: Inscriptio in aede dominica Brunswigiae. A: Anno 1173 fundata est Ecclesia S. Blasij ab Henrico Leone … E: … virginis cum vxore sua Beatrice heic est sepult(us). (= Hansen 1899, Nr. 55) 99v: Abschrift von Grabinschriften im Hamburger Dom. Ü: Affschrift des so men tho Hamborch im Dome by der begreffnisse der greuen tho Holsten, Stormaren vn(de) Schowenborch in eyner tafelen an eme piler sut angetekent. A: Doet dorch Godt vnde biddet vor de Eddelen  … 100r E:  … na Gades boert M. CCC. darna in deme LXXXX jare jn Sunte Policarp(us) dage. Vgl. Anckelmann 1663, S. 2f. (= VD17 14:076784B) (= Hansen 1899, Nr. 56) 100v: Aufzeichnungen zur Geschichte Lübecks, die Jahre 1394, 1405, 1407 und 1408 betreffend. Ex munificentia Nicolaj Carstens viri consularis. Bis 101r. (= Hansen 1899, Nr. 57) 101v: Über die in Lüneburg am 21. Oktober 1371 Erschlagenen. Dyt nabeschreuene js my van deme gelerten, vorsichtigen, wijsen vnde beredet(en) Herren M. Nicolao Karstens, Raetsherren tho Lunenborch, mytgedelet wurden. Affschrift vt der statboke tho Lune(n)borch. Bis 102r. Der Text aus dem Stadtbuch von Lüneburg ist abgedruckt bei Volger 1875, S. 95–97. Die Provenienzangabe bezieht sich vermutlich auch auf die folgenden Nummern 59 und 60, die keinen eigenen Provenienzvermerk haben und sich ebenfalls auf Lüneburg beziehen. (= Hansen 1899, Nr. 58) 102v: Notizen zur Geschichte von Braunschweig-Lüneburg bis 1330. Bis 104v. (= Hansen 1899, Nr. 59) 104v: Aufzeichnungen über Manngeld und Münzverhältnisse, vornehmlich in den Hansestädten Lübeck, Lüneburg, Hamburg und Schwerin. Bis 105v. Auf die Aufzeichnung in Lüneburg deutet die Formulierung: Rynsche goltgulden, so etzunt Anno 1555 tho gelde maket twe marck enen schilling, de heft Anno 1417 hir tho Lunenborch nicht meer gegulden alse dorteyn schilling vnde veer penning. Dieselbe legt überdies den Aufzeichnungszeitpunkt im Jahr 1555 nahe.63 (= Hansen 1899, Nr. 60)

63 Das hat auch Hansen 1899, S. 61, aus der Formulierung geschlussfolgert.

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106r: Über den Fund einer römischen Münze bei Nordhasted in Süderdithmarschen im Jahr 1545. Abdruck bei Hansen 1899, S. 62. (= Hansen 1899, Nr. 61) 106v: 1. Aufzeichnungen über den Sachsenspiegel. 2. Notizen über Todesfälle bis 1555 u. a. Bis 107r. Abgedruckt bei Hansen 1899, S. 62f. (= Hansen 1899, Nr. 62) 107v: Nachtrag von anderer Hand, Ende 16./17. Jh., aus einer Chronik von Johannes Petreus (1540–1603). T: Eine kurtze Beschreibung des Ländleins Nordtstrand vnd deßen gelegenheit von den Einwohnern, Sitten, Gebreüchen, Nahrung, Arbeit Beschwerung vnnd Regiment &c. per Johannem Petrejum Pastorem zu Odenbüll. a(nn)o 1565. A: De Strandt ist ein Eilandt oder Jnsell vmb vnd vmb vom Saltzen waßer belegt … 111r E: … daß sie nicht mit den andern Rebellib(us) müßen wegs geführet sein. 111v leer. 112r Federproben. 112v leer. Bei Hansen 1899 nicht berücksichtigt. Faszikel 8 113r: Zeichnung von zwei Frauen. 113v leer. [113ar]: Urkunden zur Geschichte Dithmarschens, 14. und 15. Jh. Habes Candide Lector aliquot nostry Theomartiy Priuͦilegia (vt borant) quae quonda(m) ab Holsatioruͦm principibuͦs extorsit + Floreat Theomartia nostra. [113av] leer. 143v K: Joann(es) Russ(ius) Theomart(ius) exara(n)te an(n)o […] […] post mille quingentes 33 J. Russius s(crip)s(i)t. Bis 145v. Auf derselben Seite folgt nach Abschluss des Textes die Zeichnung einer Frau in der Ausführung wie die Zeichnung 113r. (= Hansen 1899, Nr. 63) Hs 4 Adam von Bremen ‚Gesta Hammaburgensis ecclesiae‘, Johann Russe ‚Collectanea de rebus Dithmarsicis‘, Cyriacus Spangenberg ‚Adelsspiegel‘ Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Hist. 102. Papier. 166 Bll. 29,5 × 20 cm. 1550–1560. Dithmarschen. Nd., Lat.

Wasserzeichen: Nr.  1 (Lage 2): Hand/Handschuh, darüber Krone, Höhe 6,5  cm. Nr. 2 (Lage 3): Hand/Handschuh, darüber einkonturige Stange mit vierblättriger Blume, Höhe 6 cm. Nr. 3 (Lage 4): Bock, darunter Schriftband, um 90° gedreht, Höhe 5  cm, ähnlich Piccard 85745 (1565). Nr.  4 (Lage 5): Krug mit Deckel und einem Henkel, daran bogenförmige Verzierungen, darüber vierblättrige Blume, Höhe 4,6 cm, ähnlich Piccard 31432–31436 (1557–1559). Nr. 5 (Lage 6): Buchstabe P, gebrochen, zweikonturig, mit gespaltenem Schaft und nach außen zeigenden Schaftenden, darüber einkonturige Stange mit vierblättriger Blume, darunter ein-

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 Katalog der Überlieferungsträger

konturiger Stern, Höhe 9,3 cm, ähnlich Piccard 114217 (1535). Nr. 6 (Lagen 7, 8): Buchstabe P, gebrochen, zweikonturig, mit gespaltenem Schaft und nach innen zeigenden Schaftenden, darüber einkonturige Stange mit Kleeblatt, darunter Marke, Höhe 8,2 cm, ähnlich Piccard 114234 (1553). Nr. 7 (Lage 9): Wappenschild, Tartsche, darin Herz mit Doppel-Kreuz, im Schildfuß die Buchstaben PG, darüber Krone, Höhe 8 cm (1595).64 Lagen: IV/VI + XXIII91/92 + II99/100 + IV115/116 + I119/120 + (I+1)127/128 + XXV227/228 + (XXV-1)327/328 + I331/332. Bl. 127/128 auf den Bundsteg von Bl. 125/126 geklebt; zwischen Bl.  293/294 und Bl.  297/298 ein Blatt herausgeschnitten. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Schriftraum wechselnd. Zeilenzahl wechselnd. Liniierung von Bund- und Schnittsteg, blind, nicht durchgehend. Verschiedene Hände. Hand 1: Kursive auf der Grundlage der Bastarda, 1–76, 101–103, 105–108, 117–120, 129–291. Hand 2: Deutsche Kurrentschrift, 77–92, 104, 109–116, 297–331. Hand 3: 93–100. Hand 4: 123–128. Hand 5: 293–294. Keine Auszeichnungsschriften. Jüngere Paginierung, 1–332, 18.  Jh., teils fehlerhaft. Ältere Paginierung mit römischen Ziffern S. 131–256: I–CXXV. Das Vorsatzblatt zusammen mit einem vorgebundenen Doppelblatt mit Paginierung I–VI (bei Horváth *1–*6); zw. Vorsatzblatt und Doppelblatt eingehefteter Brief von Wilhelm Heinrich Kolster (1804– 1887), 2. H. 19. Jh. S. IV: Inhaltsverzeichnis von Johann Christian Wolf (1690–1770) unter Bezugnahme auf die jüngere Paginierung, 18.  Jh. Korrespondierend zum Inhaltsverzeichnis Textnummern von 1 bis 8 von der Hand Wolfs auf den Seiten 1, 77, 93, 129, 150, 188, 257, 297. S. 332: Signatur 71a von der Hand Wolfs. S. V–VI: Inhaltsverzeichnis von Ulrich Hübbe (geb. 1805) von 1823. S. III, S. 332: Stempel BIBLIOTHECA HAMBURG. PUBL. Vorderer Spiegel: Signatur Cod. ms. Hist 102 2o. Neuerer Einband, Halblederband mit Lederecken, 19. Jh. Marmorpapier auf Pappe. Kein Rückentitel. Buchblock nicht beschnitten. Die äußeren Lagenseiten jeweils stärker verschmutzt als die inneren. Neben der jüngeren ersten Lage mit den Inhaltsverzeichnissen besteht die Handschrift aus fünf ursprünglich selbständigen Faszikeln unterschiedlicher Provenienz: Faszikel 1 = Lage 2, geschrieben von Hand 1 und Hand 2; Faszikel 2 = Lage 3, geschrieben von Hand 3; Faszikel 3 = Lagen 4–5, geschrieben von Hand 1 und Hand 2; Faszikel 4 = Lage 6, geschrieben von Hand 4; Faszikel 5 = Lagen 7–9, geschrieben von Hand 1, Hand 2 und Hand 5. Von dem Hauptschreiber, Hand 1, stammen die Lagen 2, 4, 5, 7 und 8, deren Entstehung mit Hilfe der Wasserzeichen in die 1550er datiert werden kann. Auf

64 Horváth 1973, S. 1.

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die leer gebliebenen Seiten der Lagen 2, 4 und 8 sowie auf die Blätter der Lage 9 schrieb der spätere Besitzer, Erpold von Lindenbrog (1540–1616), nach 1595 (vgl. WZ Nr. 7) Abschnitte aus dem 1591 gedruckten ‚Adelsspiegel‘ von Cyriacus Spangenberg (1528–1604).65 Den weitaus umfangreichsten Teil der Handschrift bildet die 1553 entstandene Abschrift (vgl. Titeltext S. 129) der Kollektaneen von Johann Russe (vgl. Hs 3) auf den Seiten 129 bis 255 der Lagen 7 und 8 (= Faszikel 5). Die Handschrift, zumindest mit den Faszikeln 1, 3 und 5, stammt aus dem Besitz von Erpold Lindenbrog, Domkanoniker und Notar in Hamburg66, und gelangte nach dessen Tod in den Besitz seines Sohnes Friedrich Lindenbrog (1573–1648), Philologe und Jurist.67 Letzterer vermachte seine Bibliothek der Hamburger Stadtbibliothek,68 der Vorgängerin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Zwischen 1746 und 1770 bekleidete Johann Christian Wolf das Amt des Stadtbibliothekars.69 Aus dieser Zeit stammen das ältere Inhaltsverzeichnis, die Textnummern und die ältere Signatur. Verzeichnisse: Borchling 1899, S.  135f. Horváth 1973, S.  1–3. Abdruck: vgl.  Inhalt. Literatur: Hansen 1899, S. 22–25.

Das Inhaltsverzeichnis übernehme ich teils gekürzt dem Katalogeintrag von Horváth.70 Erweitert wird es um die Zuordnung der Schreiberhände. Zudem wird das Verzeichnis nach Faszikeln gegliedert. Faszikel 1 1: Auszüge aus Adams von Bremen ‚Gesta Hammaburgensis ecclesiae‘. Bis S. 52. Hand 1. Abdruck: Schmeidler 1917, S. 1–283.

65 Gedruckt: Schmalkalden: Schmuck, Michael, 1591 (VD16 S 7472). 66 Krause, Karl Ernst Hermann: Lindenbrog, Erpold. In: ADB 18 (1883), S. 691f. [Onlineausgabe]. http://www.deutsche-biographie.de/pnd128349220.html#adbcontent. (15.3.2017) 67 Neef, Friedhelm: Lindenbrog, Friedrich. In: NDB 14 (1985), S. 596f. [Onlineausgabe]. https:// www.deutsche-biographie.de/gnd11901484X.html#ndbcontent. (15.3.2017); Halm, Karl Ritter von: Lindenbrog, Friedrich. In: ADB 18 (1883), S. 692f. [Onlineausgabe]. http://www.deutschebiographie.de/pnd11901484X.html#ndbcontent. (15.3.2017) 68 Gerecke, Richard: Hamburg 1. In: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Hrsg. von Bernhard Fabian. Bd. 1: Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen. Hrsg. von Paul Raabe. Hildesheim / Zürich / New York 1996, S. 189–194, hier S. 189f. 69 Jacobs, Eduard: Wolf, Johann Christian. In: ADB 43 (1898), S. 761f. [Onlineausgabe]. http:// www.deutsche-biographie.de/pnd117444766.html#adbcontent. (15.3.2017) 70 Horváth 1973, S. 1–3.

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53: Auszüge aus 2 Eiderstedtischen Kollektaneen über die Jahre 1081 bis 1533 und 801 bis 1475. Nd. Bis S. 74. Hand 1. 74: Walfischarten-Verzeichnis. Bis S. 77. Hand 1. 77: Abschnitte aus dem ‚Adelsspiegel‘ von Cyriacus Spangenberg von der Hand Lindenbrogs (Hand 2). Bis S. 92. Faszikel 2 93: Bruchstück aus den Schriften, die die streitenden Parteien, Herzog Adolf VIII. von Schleswig-Holstein (gest. 1459) und die Dithmarscher, 1447 ihren Schiedsrichtern, dem Hamburger Dompropst Johannes Middelmann und den Räten von Hamburg und Lübeck vorlegten. Bis S. 100. Hand 3. Vgl. Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. 637–642. Faszikel 3 101: Bemerkungen über schleswig-holsteinische Gegenden und Orte, besonders ihre kirchliche Stellung. Bis S.  120. Hand 1. Dazwischen S.  104, 109–116: Teile aus dem ‚Adelsspiegel‘ von Cyriacus Spangenberg von der Hand Lindenbrogs (Hand 2). Faszikel 4 123: Über den indischen Ursprung der Friesen und ihr Recht. Bis S. 128. Hand 4. Faszikel 5 129: Abschrift der Kollektaneen von Johann Russe zur Geschichte Dithmarschens. Dyt naschreuen jn duͦssem bock hefft my de Erbar vnd woll gelerte Witten Johans Johan Ruͦsse selig(en) Peter Swyn suͦsterson boͤrger tho Lund(en) fruntlich und gut willich mitgedelt an(n)o 1553 me(n)se Augusto, des ick ohm billich danck wet. Inhalt (nach der Nummerierung bei Hansen 1899, S. 28–64): Nr. 1, 2, 5, 7, 8, 11, 14–16, 18, 42, 27, 19–22, 24, 25, 31, 32, 34, 37–40, 46, 47, 54, 49, 53, 44, 45, 63. Darunter S. 150 Lied Nr. 5 mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt (= Hansen 1899, Nr. 11): T: De an(n)o 1500 Ex cantilena Dytmarsica. A: De dytmarsch(en) vast(en) deden ehre bicht  … S.  151 E:  … syn leuent vmb vorlaren. Lied Nr.  4 mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt (= Hansen 1899, Nr.  14). T: Ex alia cantilena Dytmarsica (darunter von gleicher Hand nachgetragen: cuius autor fuit p[re]sbyter quidam). A: An eine(m) mandage na S. Valentin … S. 155 E: … jn dytmarsch(en) nimer wedder tho kamen. S. 156 Reimpaarrede Nr. 1 mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt (= Hansen 1899, Nr.  15). T: De an(n)o 1404 Ex alia cantilena Dytmarsica. A: Alse me schreff duͦsent verhundert vnd ver  … S.  168 E:  … jn dem

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felde vor wild(en) best(en) vnd hund(en). Bis 291. S. 292 leer. Abdruck: Westphalen 1745, S. 1439–1460. Dazwischen S. 256: Notiz über die Ermordung von Peter Swyn (1481–1537). Hand 1. 293: Nebenflüsse der Eider, Nachricht über ein altes Schlachtfeld bei Rendsburg. Bis S. 294. S. 295–296 leer. Hand 5. 297: Über den Ursprung der Friesen. Bis 299. Hand 2. 300: Abschrift aus dem ‚Adelsspiegel‘ von Cyriacus Spangenberg von der Hand Lindenbrogs (Hand 2). Bis S. 331. 332: leer. Hs 5 Hermann Korner ‚Chronica novella‘, ‚Nordelbische Chronik‘, ‚Holsteinische Reimchronik‘ u. a. Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Ms XXI 1283. Papier. 84 Bll. Ende 15. Jh. (nach 1495) und Mitte 16. Jh. (nach 1554). [Norddeutschland]. Nd.

Aus zwei Handschriften zusammengesetzt: Handschrift 1: Bll. I, II, 1–46. 32 × 21,5 cm. Wasserzeichen: Nr. 1 (Lagen 1, 11): Ochsenkopf Piccard I 290 (1547–1550). Nr. 2 (Lagen 2, 5–12): Ochsenkopf Piccard I 289 (1549, 1550). Nr. 3 (Lagen 3–5): Krone Piccard I 60 (1541–1554).71 Lagen: III + II4 + III10 + II14 + III20 + 2 I24 + 2 III36 + 2 II44 + I46. 2 Spalten. Liniierung der Spaltenränder blind. Lagen 1–5: zeitgenössische Foliierung mit arabischen Ziffern unten rechts 1r–20r. Schriftraum: ca. 25,5 × 14,5  cm. Zeilenzahl wechselnd: 45–50. Kurrentschrift 16. Jh. von einer Hand. Zeitgenössische Marginalglossen, Jahreszahlen. 1r rubriziert. Lagen 6–12: Schriftraum: ca. 26 × 16 cm. 32 Zeilen. Kurrentschrift 16. Jh. von anderer Hand. Marginalglossen von verschiedenen Händen. Unterstreichungen von Jahreszahlen und Namen. Handschrift 2: Bll. 47–82. 29 × 21 cm. Wasserzeichen: Nr. 1: Buchstabe P Piccard XIII 103 (1495–1498). Nr. 2: Buchstabe P Piccard XIII 122 (1499).72 Lagen: IV54 + I56 + XIII82. Schriftraum: ca. 22 × 14  cm. Rubriziert. Lagen 1–2: 49 Zeilen. Liniierung blind. Bastarda von einer Hand. Lage 3: 35 Zeilen. Liniierung blind. Bastarda von anderer Hand. Zeitgenössische Marginalglossen. Rote Lombarden mit gespaltenem Stamm.

71 Wasserzeichenbestimmung übernommen aus: Härtel, Helmar / Ekowski, Felix: Handschriften der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. Teil II: Ms I 176a–Ms Noviss. 64. Hrsg. von Helmar Härtel. Wiesbaden 1982, S. 241. 72 Härtel / Ekowski 1982, S. 241.

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Neuere Foliierung der ersten zwei ungezählten Blätter, a–b (im Folgenden Bl. I und II). Fortsetzende neuere Foliierung ab 21r unten rechts mit arabischen Ziffern. Ir: Signatur XXI 1283. Ebd, unten (und 82v): Stempel BIBLIOTHEKA REGIA HANNOVERANA. Ebd., Seitenende: Vergl. Die Chronik der norddeutschen Saßen S. VIIIff u. S. XVIIIff., wohl 19. Jh. Jüngere Marginalglossen, Bleistift, 19. Jh., 20r: Corner; 21r: Nordelb. Chronik [...]; 42r: Neocorus I. 507ff.; 47r: Nordt. Chr[…]. Bll. 55, 56: lose, stark verschmutzt und beschädigt. Neuerer Einband: 19. Jh., Halbleinen, vorderer Deckel abgerissen. Buchblock unbeschnitten. Die Handschrift ist aus zwei Handschriften zusammengesetzt, von denen die erste aufgrund des Schriftbefundes sowie der Wasserzeichen in die Zeit nach 1554 datiert werden kann, die zweite in die Jahre nach 1495. Offenbar sind beide Manuskripte zu einem späteren, nicht bekannten Zeitpunkt nach dem Pertinenzprinzip zusammengebunden worden, denn beide versammeln vornehmlich historiographische Texte mit Bezug auf die Geschichte Schleswig-Holsteins. Die jüngere Handschrift besteht aus zwei ursprünglich selbständigen Faszikeln (Lagen 1–5, Lagen 6–12). Diese unterscheiden sich hinsichtlich der Schreiberhände und der Seiteneinrichtung. Zudem fällt das Ende der niederdeutschen Übersetzung der Chronik von Hermann Korner (gest. vermutl. 1438) mit dem Ende der fünften Lage zusammen (20rb, 20v leer). Zwei besonders starke Indizien für die Konzeption und Nutzung der Lagen 1–5 als selbständige Handschrift sind zum einen die alte Blattzählung und zum anderen der Titel auf Blatt I, der sich eindeutig auf die Texte der Blätter 1–20 bezieht. Die Verteilung der Wasserzeichen zeigt jedoch, dass die zwei Faszikel durchaus gleicher Provenienz sein können. Auch die ältere Handschrift besteht aus zwei Faszikeln. Der Faszikel aus den Lagen 1 und 2 und der Faszikel aus Lage 3 unterscheiden sich ebenfalls in Hinblick auf die Schreiberhände und die Seiteneinrichtung voneinander. Auch hier legt die Verteilung der Wasserzeichen aber nahe, dass beide Teile gleicher Provenienz sein können. Verzeichnisse: Bodemann 1867, S. 265f. Borchling 1899, S. 214. Härtel / Ekowski 1982, 241–243. Ausgaben: Vgl. die Angaben im Inhaltsverzeichnis.

Das folgende Inhaltsverzeichnis wird teils gekürzt wiedergegeben nach Härtel / Ekowski73 und nach Faszikeln gegliedert.

73 Härtel / Ekowski 1982, S. 241–243.

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Handschrift 1 Faszikel 1 Ir: Titel in großer Frakturschrift. Chronica des Hertichdoms Sles: Iv–IIv leer. 1ra: T: Uth der chronyken der Wenden. Van Sleszewyck. A: Anscharius de Ertzebysschop tho Hamborch … 1vb E: … Anno 1326 wart gebwett dat slott Trittow dorch grawen Johannesche to Holsten.74 Vgl. Lappenberg 1861, S. 229–320. 1vb: Hermann Korner: ‚Chronica novella‘ (Auszug). Bis 4va. Ungedruckte niederdeutsche Fassung. 5ra: Hermann Korner: ‚Chronica novella‘ (Auszug). Bis 20rb. 20v leer. Ungedruckte niederdeutsche Fassung. Faszikel 2 21ra: Chronik der nordelbischen Sachsen (Auszug). Bis 40vb. Edition unter Heranziehung dieser Handschrift: Lappenberg 1865. 41ra: Dithmarscher Nachrichten zu den Jahren 1144, 1430, 1500. Bis 41vb. 42ra: Reimpaarrede Nr. 2 mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500. T: Van den dytmerschen ein gedicht vnd is war / vnd is ock van dem gnadenriken gülden jar. A: Eyn sack altolang wyt vn ser vndicht … 43vb E: … de Salicheit vnd hir gelücke / Ame(n). 44 leer. 45ra: Aufzeichnungen zur Geschichte Holsteins betreffend die Jahre 1402 bis 1531. Bis 46r. 46v leer.

Handschrift 2 Faszikel 1 47r: Chronik der nordelbischen Sachsen (Fragment). Bis 56v. Lappenberg 1865, S. 9 Note w bis S. 26 Note n, S. 40 Note o bis S. 80 Note b1. Faszikel 2 57r: Holsteinische Reimchronik (Fragment). Unter Benutzung dieses Fragments gedruckt bei Weiland 1877, S. 626, V. 623–651.

74 Johann III., Graf von Holstein-Kiel (ca. 1297–1359).

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57r: Erzählung vom Tod des Dänenkönigs Erich IV.75 Plogpenning (1216–1250). Abgedruckt nach dieser Handschrift: Reuter 1875, S. 439–441, und Weiland 1877, S. 632f. 58r: Holsteinische Reimchronik (Fragment). Bis 60v. Abgedruckt unter Benutzung dieses Fragments bei Weiland 1877, S. 617–621, V. 105–309, S. 625f., V. 513–622. 61r: Chronik der nordelbischen Sachsen (Fragment). Bis 78r. 78v–82v leer. Gedruckt unter Benutzung dieser Aufzeichnung bei Lappenberg 1865, S. 85–156. Hs 6 Statuten der Bremer Schottherren u. a. Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek, C. S. 70 Nr. 7. Papier. 90 Bll. 21,8 × 17 cm. 1573–1701. Bremen. Nd., Hd.

Wasserzeichen: Nr. 1 (Lagen 1, 2): Heraldischer Adler, mit zweikonturigen Fängen und vom Körper abgegrenzten, hochgereckten Flügeln, ähnlich Piccard 162355 (1594). Nr. 2: Krone mit zweikonturigem Bügel mit Perlen, darüber einkonturige Stange mit Kleeblatt/Blume, darunter Lilie, darunter Schriftband [..OVA..], Höhe ca. 8 cm. Lagen: III6 + 2 IV22 + III28 + V38 + III44 + (III-1)48 + 2 IV64 + 2 II72 + III78 + II82 + (IV-1)89. Keine Lagenzählung. Keine Wortreklamanten. Lagen 10–14 mit alter, lückenhafter Blattzählung, verso. Schriftraum wechselnd: ca. 11 × 15,5 cm (Lagen 1 u. 2), sonst ca. 13 × 17 cm. Zeilenzahl wechselnd: 19–21. Kurrentschrift des 16., 17. und 18. Jahrhunderts von mehreren Händen: Hand 1: 2r–9r, 15r–22r, 23r–38v; Hand 2: 10r–13r (Lage 2), 39r–43r (Lage 6), 49v–63v (Lagen 8, 9); Hand 3: 13v (Lage 2); Hand 4: 14r (Lage 2); Hand 5: 22v (Lage 3), 43v–44r (Lage 6); Hand 6: 45r, 47r–48v (Lage 7); Hand 7: 45v–46r, 49r (Lage 7); Hand 8: ab 63v (Lagen 9–14). 2r: Titel in Frakturschrift und mit ausgezierten Majuskeln in der ersten Zeile. Ausgerückte und ausgezierte Majuskeln jeweils zur Markierung der Textanfänge bei Hand 1. 1r: jüngerer Titel, 18.  Jh., Verordnung der Schott-Herren von 1573 [mit Nachtrag von anderer Hand: und 1588] die Freischützen betreffend Nebst verschiedenen Anhängen. Ebd.: p. III 88. Ebd.: Signatur, 19. Jh., C. S. 70. Ebd.: Stempel STADTBIBLIOTHEK BREMEN. Neuere Foliierung, 1–89, ein ungezähltes Blatt zw. Bl. 47 und Bl. 48. Bl. 1 und Bl. 89 stark verschmutzt. Bl. 89 beschädigt, auf ein neueres Blatt geklebt.

75 Härtel / Ekowski 1982, S. 242, schreiben Erich III.

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Neuerer Einband, Halbleinen, Pappe, 19./20. Jh. Rückentitel: Verordnung der Schottherren von 1573 CS 70 Nr. 7. Fliegendes Blatt vorn: Signatur C. S. 70 Nr. 7. Drei vorgebundene leere Blätter, eines nachgebunden. Buchblock beschnitten. Buchschnitt koloriert. Die Handschrift besteht aus mehreren ursprünglich eigenständigen Faszikeln aus dem Besitz der Bremer Schottherren, die als Mitglieder des Rates die Oberaufsicht über die Schützenkompanie hatten:76 Die Lagen 1 und 2 enthalten die Verordnungen der Schottherren von 1573 und 1588. Zusammen mit den Aufzeichnungen in den Lagen 3, 4 und 5 wurden sie vermutlich von einem der Schottherren (Hand 1) selbst geschrieben. Dessen Schreibtätigkeit kann anhand der zeitlichen Bezüge in seinen Aufzeichnungen auf die Zeit um 1590 datiert werden;77 in diese Zeit fällt auch die Niederschrift des Reimpaartextes Nr. 7 über die Schlacht bei Hemmingstedt. Die Einträge in den Lagen 6, 8 und 9 stammen u. a. von Berendt Roesingk (Hand 2), der auf 62v von seiner Wahl zum Fähnrich der Schottherren berichtet.78 Seine chronikalischen Aufzeichnungen beziehen sich auf die Jahre 1592 bis 1643. An seine letzte Eintragung 63v schließen sich auf derselben Seite die Aufzeichnungen des dritten Hauptschreibers namens Witte (Hand 8) an, die mit dem Jahr 1695 beginnen und bis zum Jahr 1719 reichen. Bei den Eintragungen der übrigen Schreiber (Hand 3–7) handelt es sich fast ausschließlich um Nachträge auf den letzten Seiten einzelner Lagen. In dem jüngsten Nachtrag auf Seite 14r geht es um einen Stadtbrand in Bremen im Jahr 1767. Die Handschrift stammt aus dem Nachlass des Bremer Gelehrten Johann Philipp Cassel (1707–1783), der seit 1749 Professor am Pädagogium und seit 1764 Professor am Gymnasium Illustre in Bremen war.79 Der Nachtrag auf Seite 14r ist nicht von seiner Hand. Demnach ist die Handschrift wohl erst nach 1767 in seinen Besitz gelangt. Nach seinem Tod 1783 erwarb die Bremer Stadtbibliothek die Handschrift.80 Aus dieser Zeit stammt vermutlich der jüngere Titel auf Seite 1r, der auch schon auf die „verschieden[en] Anhäng[e]“ referiert. Das heißt, zu

76 Vgl. mnd. schothere ‚Aufseher über das grobe Geschütz u. Zeughaus‘. (Schiller / Lübben IV 1878, S. 126) 77 Zu diesem Schluss kam auch Claussen 1911, S. 273. 78 1634 wart jck Berendt Roesingk tho einen Schottenfenderich gekahren … 79 Prüser, Friedrich: Cassel, Karl Philipp. In: NDB 3 (1957), S.  166f. [Onlineausgabe]. https:// www.deutsche-biographie.de/gnd135719089.html#ndbcontent. (15.3.2017); Schwarzwälder 2003, S. 166. 80 Elsmann 1996, S. 290.

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diesem Zeitpunkt waren die einzelnen Lagen und Faszikel schon miteinander verbunden. Literatur: Claussen 1911, S. 273f.

Unter Berücksichtigung von Text- und Lagengrenzen sowie ursprünglich leer gebliebenen Seiten am Lagenende, häufig mit jüngeren Aufzeichnungen von anderer Hand, kann die Handschrift in die folgenden Faszikel unterteilt werden: Faszikel 1 1r: Ursprünglich leer. Jüngerer Titel. 1v leer. 2r: Verordnungen der Bremer Schottherren von 1573, Hand 1. T: Anno Nha der heilsamenn gebordt vnsers HEREN Christi Voffteinhündert Dre vnnd Soüentich am Sonnaüende na der hilligenn Dreüoldicheit js Dorch de vam Erbarenn Rade tho Breme(n) vorordente Schotherenn als Nomptlich Her Carstenn Stedingk Berendt Speckhane vnnd Meinerdt Kopmann mit todadt der Oldenn Frygschüttenn tho affschaffunge vnd vorminderung der grotenn Schwarenn vnnd vast vnnütlich bethert tho vpgewandtenn vnkost vnnd terunge mit einhelliger bewillung der Samptenn Frygschuttenn Statueret vnnd vpgerichtet Nafolgender Ordenünge. 2v leer. 3r A: Nachdeme de Schüttenn jahlikes ehre sampt kumpfte vnnd … 6v E: … vnnd Vnuorbrakenn woll tho holdende gelauet vnnd vorsprakenn hebbenn Actum ut sup(er). Faszikel 2 7r: leer. Bis 7v. 8r: Verordnungen der Bremer Schottherren vom 30. Mai 1588, Hand 1. A: Anno 88 des Donnerdages ihnn denn Hilli Pingestenn, welcker was de 30 des Mants May … 9r E: … vnnd einenn jdernn recht wedderfarenn moge. 9v leer. 10r: Einträge von Berendt Roesingk (Hand 2) zu den Jahren 1602–1622. Bis 13r. 13v: Eintrag von Harmanus Buchen (Hand 3) mit Bezug auf das Jahr 1590. 14r: Nachricht über einen Brand in Bremen am 30. Dezember 1767 von Hand 4. 14v leer. Faszikel 3 15r: Abschrift einer Urkunde, Datum: 1433, Hand 1. Bis 20v. 20v: Abschrift einer Urkunde, Datum 1433, Hand 1. 22r: Text bricht ab. 22v: Aufzeichnung von Hand 5.

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Faszikel 4 23r: Über den Bremer Domherren Albert Hardenberg (um 1510–1574) und den Bremer Abendmahlstreit von 1555–1561, Hand 1. 1. Reimpaarrede: 23r A: Wath nu tho Bremenn ann de verteynnjarenn, / Doctor Albert gelleret hefft ys apenbare  / Mydt wath flyte vnde eyckenn vorstannde, / Dath ewangeleum gepredyget jm dussen lande … 25r E: … Dath wylle wy godt jmm hemmell klagenn, / Dede allse eynn allmechtygergodt, / Dussenn modtwyllenn vorgellt vnde eren spot, / Vnde troste vnns allejnn dusser nodt / Dorch syne hyllygenn vyff wundenn Rodt, / Amenn. 2. Doktor Albert Hardenbergs Bekenntnisse von 1557. 25v A: Borkentenysse vam hochwerdygenn, Sacramente des altars des lyues vnde Blodes vnsers heyllandes vnde sallychmackers Jesu chrysti Doctor Albert … 26r E: … Allsedath wordeckenn (dath) vp twe dynge denn oge vnde der vornufft, vpps Brot denn gellouenn (so vp dath wordt Riech) vp yt ware naturlycke lyff des herenn Anno Dominny 1557. Zu Hardenberg vgl. Schwarzwälder 2003, S. 358. 26r: Chronikalische Aufzeichnungen zu den Jahren 1274 bis 1492. Hand 1. Bis 26v. 27r: Reimpaartext Nr. 7 mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500. Hand 1. A: Wylle gi wetenn wath dar geschach … 30v E: … Dath hebbe yck nycht geschreuenn. 31r: Über die Gefangennahme, Verurteilung und Hinrichtung von Kapitän Franz Böhm und seiner Mannschaft im Jahr 1539, Seeräuber unter dem Oberbefehl des Junkers Balthasar von Esens (gest. 1540) in der Fehde mit der Stadt Bremen. 1. Abschrift einer Urkunde, Aussteller: Königin Maria von Ungarn und Böhmen (1505–1558), Adressat: Bremen, Datum: Den Haag, 28. August 1539. Hand 1. A: Marya van der gratzien gades Connigynne van hungeren vnde Behmen regente / vnde gubernante. 1539 An denn Erbaren Rade der stadt Bremen … E: … geschreuen jn den hagen, jn hollant vp den 28 dach augustij Anno 1539. 31v 2. A: Dusse jegenwardygenn Serauers hebbenn … 32r E: … wurden des se ock in der warheit nycht vorlech enenn konntenn. 32r 3. Liste der im Jahr 1539 gefangen genommenen Seeräuber. A: Jn deme Jharr 1539 vp den dach laurentij, do wart frantz bheme mydt syner gesellschup … erwelldyget … Jtem Der Fangen Name Follgenn Frantz Bheme Capteyne … 33v: Ende der Liste. 4. Verurteilung und Hinrichtung. A: Jtem dusse gefangenn wurdenn yn eyner eckenn gebundenn vp den 8. dach laurentij de wesser seeup gebracht … 35r E: … Der almechtyge sy eme gnedych vnde Behode alle frame Leue gesellenn vor bose geselschap, Wenthe eyn bose schallck vnde Boue kann vele quades anrychtenn. Vgl. Schwarzwälder 2003, S. 239. Zu Balthasar von Esens vgl. Krause 1875(c). 35r: Über die Geschichte Bremens und des Heiligen Römischen Reiches, betreffend die Jahre 995 bis 1553, ungeordnet. Hand 1. Bis 37v. 37v: Über die Erschaffung der Welt in 7 Tagen. Hand 1. 38r: Merkverse zur Bibel. Hand 1.

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38v: Ereignisbezogene Aufzeichnungen zum Jahr 1590. Hand 1. 1. Über die Anbringung einer neuen Kirchtumspitze auf St. Ansgari. 2. Nachricht über die Gefangennahme und Hinrichtung von 34 Seeräubern im August 1590 in Bremen mit Liste ihrer Namen. Faszikel 5 39r: Chronikalische Aufzeichnungen, 1599–1617, teils Stadtchronik, teils Familienchronik, von Berendt Roesingk (Hand 2). Bis 43r. 43v: Über den Bau des Bremer Rathauses im Jahr 1410. Hand 5. 44r: Über den Einzug des Erzbischofs in die Stadt Bremen am 22. März 1634. Hand 5. 44v leer. Faszikel 6 45r: Aufzeichnung von Harmen Hemerling (Hand 6) mit Bezug auf das Jahr 1614. 45v: Persönliche Aufzeichnungen von Hinrich Boete (Hand 7) zu den Jahren 1604 und 1613. Bis 46r. 46v: Zeichnung eines Kirchturms mit Kirchturmuhr, Tinte. 47r: Aufzeichnungen von Harmen Hemerling (Hand 6), Baumeister der Kirche Unser Lieben Frauen, 1606 bis 1611. Bis 48v. Faszikel 7 49r: Familienchronik Hinrich Boete (Hand 7), 1606–1610. 49v: Familienchronik Berendt Roesingk (Hand 2), 1592 bis 1643. Bis 63v. 63v: Familienchronik Witte (Hand 8), 1695–1701. Bis 64r. 64v: Zeichnung, Tinte. Faszikel 8 65r: leer bis 80v. 81r: Rechnungsbuch mit Einträgen von der Hand Wittes bis 1719. Bis 89r. Hs 7 Carsten Schröder, Chronik des Landes Dithmarschen (Autograph) Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, SH 237. Papier. 66 Bll. 27,3 × 18 cm. 1576–1613. Lunden, Dithmarschen. Nd.

Wasserzeichen: Nr. 1: Hahn im Wappenschild, darüber Krone, darüber vierblättrige Blume, Höhe 8,5 cm. Nr. 2: Zwei Türme, gezinnt und mit Fenster, dazwischen

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zweikonturiger Torbogen, im Sockel der Buchstabe M, Höhe ca. 6,5  cm. Nr.  3: Krug mit Deckel und einem Henkel, auf dem Deckel bogenförmige Verzierungen, darüber vierblättrige Blume, darüber Hufeisen, vom Typ Piccard Nr. 31770 (1645), Höhe ca. 9,5  cm. Lagen: (IV+1)233/234 + II241/242 + IV257/258 + II265/266 + V285/286 + (III+1)299/300  + 3 IV347/[348]. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Schriftraum wechselnd. Liniierung des Schnittstegs, blind. Deutsche Kurrentschrift von drei verschiedenen Händen: Hand 1: S. 219–276; Hand 2: S. 277–283; Hand 3: S. 218, 283–347. Häufiger Wechsel von Tintenfarbe, Federführung und Zeilenabstand. Keine Auszeichnungsschrift. Handschrift angebunden an: Johann Petersen: Chronik der Lande zu Holsten, Stormarn, Dithmarschen und Wagern, Franckfurt am Main: Peter Braubach, 1557,81 mit Besitzeintrag [..] Christiani auf der Rückseite des stark beschädigten und abgenutzten Titelblattes. In der Handschrift vereinzelt Interlinearglossen von Hand 3. Häufig Markierungen am Rand und Unterstreichungen im Text. S. 245, unten: Name Johan Hein von anderer Hand (Federprobe?). Neue, durchgehende Paginierung von Druck und Handschrift, nur verso. Ledereinband, wohl nach 1619, ursprünglich auf Holz, jetzt auf Pappe, mit drei echten Bünden und Blindprägung. Ursprünglich mit Schließen. Buchdeckel mit Streicheisenlinien, die einen Doppelrahmen um ein Mittelfeld bilden. Beides verziert mit floralen Einzelstempeln (Lilien). Jüngerer Rückentitel: Holsten Chronika. Buchblock beschnitten, teilweise mit Textverlust für die Handschrift. Dreiseitiger roter Farbschnitt. Neue Vorsatzblätter. Auf dem Vorderspiegel Zettel mit der Notiz: Chronik Ditmarschen von Carsten Schröder geschrieben um 1580, fortgeführt bis 1616, ältestes erhaltenes Stück dithmarscher Geschichtsschreibung, schon von Neocorus benutzt. D 60A. Der Einband weist Schäden durch Wurm-/ Insektenfraß auf. Buchblock und Einband wurden kürzlich restauriert. Carsten Schröder (um 1531/32–1615), Bauer und Chronist in Lunden, hatte am Krieg von 1559 teilgenommen und wird 1560 und 1588 urkundlich in Lunden bezeugt.82 Mit seinen Aufzeichnungen begann er um 1570 – zunächst mit Korrekturen zur Chronik von Johann Petersen (gest. 1552) und mit Auszügen aus der Sammlung von Johann Russe,83 die er mit der Abschrift der Reimpaardichtung

81 VD16 P 1694 (ohne das Meldorfer Exemplar). 82 Lohmeier, Dieter: Schröder, Carsten. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte v. Olaf Klose / Eva Rudolph / Ute Hayessen. Bd. 5. Neumünster 1979(c), S. 239f. 83 Lohmeier 1979(c), S. 239f. Vgl. hierzu auch Hansen 1899, S. 25f.

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Nr.  1 abschloss. Danach beginnen sukzessiv gemachte Einträge mit häufigem Wechsel von Schreibduktus und Tintenfarbe. Diese reichen von 1571 bis 1616. Das Autograph von Schröder benutzte Johannes Neocorus für seine Chronik (vgl. Hs 8).84 Nach Schröders Tod gelangte die Handschrift in den Besitz seines Schwiegersohnes Philipp Struck (vgl.  Eintrag von Hand 2, S.  277), der die Chronik bis 1619 fortsetzte (vgl. S. 283). Danach folgen die Aufzeichnungen von Hand 3, die Kolster Samuel Rachel, einem Pastor in Wesselburen, zuschreibt.85 Es liegt nahe, dass Druck und Handschrift erst im 17. Jahrhundert zusammengebunden wurden,86 denn zum Teil reicht der Text am Bundsteg recht weit in den Falz hinein und kann unmöglich in eingebundenem Zustand der Papierlagen geschrieben worden sein. Im späten 18. und 19.  Jahrhundert galt die Handschrift als verschollen,87 bis der Jurist und Historiker Andreas Ludwig Jacob Michelsen (1801–1881)88 sie angebunden an ein Exemplar der Chronik von Johann Petersen 1868 wiederentdeckte.89 Unter Vernachlässigung der Fortsetzungen von Struck und Rachel gab Kolster die Chronik 1878 heraus.90 Als Vorarbeit dazu fertigte er 1876 eine eigene Abschrift davon an, die unter der Signatur Nr.  4 im Dithmarscher Landesmuseum in Meldorf aufbewahrt wird.91 Verzeichnisse: Borchling 1900, S. 151. Ausgabe: Karsten Schröders Chronik 1878, S. 179, 198–205.

84 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. XII; Karsten Schröders Chronik 1878, S. 179, 200. 85 Karsten Schröders Chronik 1878, S.  202. Hier muss Kolster ein Fehler unterlaufen sein. In Wesselburen war zu der Zeit Joachim Rachel (gest. 1664) Pastor, sein Bruder, Samuel Rachel (1603–1666), hingegen war Pastor in Tellingstedt. Ein weiterer Bruder, Mauritius (1594–1637), war Pastor in Lunden. Vgl. Lohmeier, Dieter: Rachel-Familie. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 6. Neumünster 1982, S. 227–229, hier S. 228. 86 Kolster (Karsten Schröders Chronik 1878, S. 201f.) nimmt an, dass Rachel Druck und Handschrift zusammenbinden ließ. 87 Bolten I 1781, S. 88; Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. XII. 88 Zu Michelsen vgl. Bünz, Enno: Historiker, Jurist, Politiker. Zur Erinnerung an Andreas Ludwig Jacob Michelsen (1801–1881). In: Demokratische Geschichte. Jahrbuch für Schleswig-Holstein 14 (2001), S. 99–109. 89 Karsten Schröders Chronik 1878, S. 179. Leider gibt Kolster hier nicht an, wo die Handschrift wiederentdeckt wurde. 90 Karsten Schröders Chronik 1878, S. 206–263. 91 Höhnk, Helene: Die Dithmarscher Landesbibliothek in Meldorf. In: Jahrbuch des Vereins für Dithmarscher Landeskunde 6 (1926), S. 65–101, hier S. 75.

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218: Einträge von Hand 3. 219: Beginn der Aufzeichnungen von Carsten Schröder. Verweis auf die Chronik von Johann Petersen: Acta in Dimaria lege folio 168. Beginn der Chronik. T: Anno 1500. A: Der Ditmarsken sinth doth gebleue(n) 60 männer des landes vnd 8 fromde lansknechte … Bis. S. 230. 231: Reimpaarrede Nr. 1 mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. A: Alse men schref dusent verhundert vnd ver  … S.  241 E:  … dat wy vns mit eme mogen vrowen tho ewigen tyden. [Amen]. 241: Fortsetzung der Chronik. Anno 71 js to rendesborch dorch de konnigli[ke] vnd fürstlicken reden dat lant tho ditmerschen jn dre dele gedelet … S. 243 Eintrag über den Tod von Markus Swyn (1523–1585). Anno 1585 den 11 dach des mantes Junius ys de achtbare vnde vorneme man markes swyn yn goth den heren vorscheden, den gott wyll gnedich synn … S. 276 Ende der Aufzeichnungen von Carsten Schröder. Nachricht über den Tod von Herzog Johann Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf (1575–1616) Ostern 1616. 277: Fortsetzung der Aufzeichnungen durch Philipp Struck. Beginn mit Eintrag über den Tod von Carsten Schröder. A: Anno 1615 Dingestdageß vor Micheli waß den 26t(en) Septenbris, js der Erbare vnd vornehmer Olde Karsten Schröder jn Lunden, Sineß olderß 84 Jahres … E: …requiescat in pace. Eintrag über den Erhalt der Chronik. A(nn)o 1615 Nach dothlich affgange des in gott ruhenden myner husfruwen vader Carsten Schreders he[bbe] jnn decembre ick Philip Struck duße Cronic tho minen henden bekamen, vnd van dehro tidt an darin tho vortekenen angefangen watt gedenckwerdig vorgefallen, Sowoll ock vornehmer lude dodtlichen Affgang, wo volget. Letzter Eintrag zum Jahr 1619 S. 283 A: Noch ditt Jahr js Meigister Nicolai Chri[…] tho tellingstede sin sohne Karsten Selichlich jn den heren vorscheden … 283: Beginn der Aufzeichnungen von Hand 3. Bis S. 347. S. 348 leer. Hs 8 Johannes Neocorus ‚Dithmersche historische Geschichte‘ (Autograph) Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 187. Papier. 463 Bll. 31,5 × 19  cm. 1598–1619. Büsum, Dithmarschen. Nd., Lat.

Wasserzeichen: Nr.  1 (Lage 1, Bl.  1): Jungfrau von Dordrecht, ähnlich Churchill Nr.  135 (1755): steigender Löwe in einem Palisadengehege, in der Rechten ein Schwert, in der Linken ein Bündel von sieben Pfeilen haltend, rechts eine sitzende Frauenfigur, an einem Stab einen Hut haltend, über dem Löwen der Schriftzug PRO PATRIA, Höhe 10 cm, Breite 10 cm. Nr. 2 (Lage 1, Bl. 4): Schriftzug C&I HONIG, Höhe 1,8 cm, Breite 8,8 cm. Nr. 3 (Lage 1, Bll. 6, 8, 10): Wappenschild,

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gespalten, heraldisch rechts halber Adler, links fünfmal schräggeteilt, darüber die Buchstaben OS, Höhe 5,2 cm, Breite 3,4 cm. Nr. 4: Wappenschild, zweikonturig, im Mittelfeld dreiblättriges Blatt mit Stängel, Höhe 5 cm, Breite 4,5 cm. Nr. 5: Krone, fünfzackig, auf zweikonturigem Reif, in der Mitte ein Blatt mit Stängel, Höhe: 2,2  cm, Breite 3,9  cm. Nr.  6: Wappenschild, gespalten, heraldisch rechts halber Adler, links ein Kreuz, ähnlich Piccard 25621 (1598). Nr.  7: Kreis, zweikonturig, mit umlaufendem Schriftzug DILLERSBACH, in der Mitte die Buchstaben IO, Höhe: 4,1 cm. Nr. 8: Herz, darin die Buchstaben KL, darüber fünfzackige Krone mit Perlen auf dem Reif, Höhe: 5,3 cm, Breite 2,6 cm. Lagen: (III+2)11 + 3 I17 + 2 Bll.19 + 35 IV299 + (IV+1)308 + 15 IV427 + II431 + 2 III443 + 453 V + (V+2)465. Der ersten Lage sind zwei Blätter (paginiert mit 1 und 4) vorgebunden, von denen das erste in die Mitte des 18. Jahrhunderts datiert (vgl. WZ Nr. 1). Keine Lagenzählung. Wortreklamanten ab 21r jeweils unten rechts. Zeitgenössische Paginierung 1–869 auf den Blättern 20r–430r, z. T. nur recto, lückenhaft fortgesetzt von anderer Hand 870–895 auf den Blättern 430v–463r. Schriftraum wechselnd: 26 × 14 bis 27 × 14 cm. Zeilenzahl wechselnd: 35 bis 39. Liniierung von Bund- und Schnittsteg, blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. 11v: Vermerk zum Vorbesitzer von der Hand Olaus Heinrich Mollers: Joh. Neocori Chronica des landes ditmarschen itzo mit unseren additamenten illustrieret v. ump einige jahre weiter extendiret herfürgegeben von Iohanne Steinmann A. C. 1680. Postedit inf. [sevel] v. catal. Ms. n. 903. 20r: Besitzereintrag Olai Henr. Molleri Hafniæ 1739 ex donat[ion]e fratris unici optimique Bern[ha]rdi Molleri, V.  D. M. Drelsdorff. 1r: Signatur Cod. MS. S. H. 187 fol. 11r, 11v, 14r, 20r: Stempel KIELER UNIVERSITAETS BIBLIOTHEK. Marginalglossen von zwei verschiedenen Händen. Neuere Foliierung, 1–465; fehlerhaft: auf 1 folgt 4, auf 4 folgt 6, auf 322 folgt 322 vor 323. 463r: Nachträge von anderer Hand, u. a. mit Bezug auf die Jahre 1698 und 1709. Brauner Ledereinband, Mitte 18.  Jh., mit Blindpräge-Verzierungen auf den Deckeln sowie Goldverzierungen, goldgeprägtem Titel und goldgeprägten FileteLinien auf dem Rücken. Rückentitel in Goldprägung: Joh: Neocori Dithmarische Geschichte MSS. Vor einigen Jahren wurde der Codex restauriert und in diesem Zusammenhang mit neuen Vorsatzblättern ausgestattet. Die Schrift ist auf vielen Seiten stark verblasst, das Papier fleckig. Buchblock beschnitten. Digitalisat: urn:nbn:de:gbv:8:2-1119518

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Johannes Adolf Köster, genannt Neocorus, geboren zw. ca. 1555 und 1560, gestorben nach dem 6.12.1630, war evangelischer Pfarrer in Büsum und Chronist.92 Nach eigener Angabe im Titeltext hat er im Jahr 1598 mit der Chronik begonnen. Seine Aufzeichnungen reichen bis in das Jahr 1619.93 Besitzer der Handschrift waren laut Besitzeinträgen bis 1680 ein nicht weiter identifizierbarer Johann Steinmann, von 1680 bis 1739 Bernhard Moller (gest. 1750) und von 1739 bis 1797 dessen Bruder Olaus Heinrich Moller (1715–1796). Nach dessen Tod wurde das Manuskript auf einer Auktion zum Preis von zwei Mark und einem Schilling verkauft.94 Fast zwei Jahrzehnte danach, 1816, wurde die Handschrift von Anton Christian Friedrich Griebel (1782–1855), Landvogt Norderdithmarschens,95 im Landvogteiarchiv in Heide aufgefunden. Griebel überließ den Codex 1817 dem Kieler Professor Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860), der ihn später der Kieler Universitätsbibliothek schenkte.96 Olaus Heinrich Moller, ab 1737 Hauslehrer, ab 1744 Professor in Kopenhagen und ab 1749 Rektor der Gelehrtenschule in Flensburg, war Verfasser verschiedener Arbeiten zur Geschichte Dänemarks und der Herzogtümer Schleswig und Holstein.97 Moller war 1739 während seines Aufenthaltes in Kopenhagen in den Besitz der Handschrift gelangt. Er erhielt sie als Geschenk seines Bruders Bernhard Moller, der Diakon in Drelsdorf war.98 Neben dem Autograph von Neocorus besaß Olaus Heinrich Moller wohl auch zwei Abschriften davon (Hs 8.3, Hs 8.4) sowie auch eine von ihm selbst angefertigte Abschrift der Chronik von Peter Sax (vgl. Hs 10.1). Die Handschriften Hs 8 und Hs 10.1 weisen Übereinstimmungen in der Einbandgestaltung auf, vor allem in Hinblick auf die identischen Filete-Linien an den Rückenenden. Zudem verwenden beide Papier mit dem Wasserzeichen der Jungfrau von Dordrecht aus

92 Lohmeier, Dieter: Johannes Neocorus. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte v. Olaf Klose / Eva Rudolph / Ute Hayessen. Bd. 5. Neumünster 1979(b), S. 169–172. 93 Lüdtke 1992, S. 14. 94 Ratjen, Henning: Verzeichnis der Handschriften der Kieler Universitätsbibliothek, welche die Herzogthümer Schleswig und Holstein betreffen. Bd. 2: Zur speciellen Geschichte einzelner Districte und zu dem Rechte der Herzogthümer. Mit Nachträgen, Berichtigungen und Register. Separat-Ausgabe aus den Nordalbingischen Studien. Kiel 1858, S. 1. 95 Vgl. Korth, Dietrich: Griebel-Familie. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 9. Neumünster 1991, S. 129. 96 Lüdtke 1992, S. 22. 97 Carstens, Carsten: Moller, Olaus Heinrich. In: ADB 22 (1885), S.  128–130 [Onlineausgabe]. http://www.deutsche-biographie.de/pnd117122017.html#adbcontent. (15.3.2017) 98 Carstens 1885, S. 129.

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der Mitte des 18. Jahrhunderts, das bei Hs 8 vermutlich auf den ursprünglichen Vorsatz zurückgeht, bei Hs 10.1 für den Buchblock verwendet wurde. Als Besitzer beider Bände zu der Zeit kommt Moller als Auftraggeber der Einbände in Frage. Verzeichnisse: Ratjen 1858, S.  1–3. Ausgabe: Johann Adolfi’s Chronik 1827.99 Abschriften: Hs 8.1–4. Weitere Abschriften in Kopenhagen, Königliche Bibliothek: NKS. f. 933, NKS. 4o. 1467 (Auszug), NKS. 4o. 1470 (2 Bände).100 Literatur: Lüdtke 1992. Simonsen 1911.

1r: leer bis 11r. 12r: Briefe an Dahlmann. 12r: Absender Landvogt Anton Christian Friedrich Griebel, Datum: Heide, 15. Mai 1817. 14r: Absender: I. E. Gazert, Datum: Büsum, 7. Januar 1817. 16r: Absender: Scholtz, Prediger, Datum: Busdorf vor Schleswig, 4. Mai 1818. 19r: Absender: V. I., Datum: Augustenburg, 13. Februar 1819. 20r: Beginn der Chronik. Titel: Dithmersche Historische Geschichte Van Ehrer Ankumbft, Seden, Gebruken, Geschlechten, Klufften, Lande, Steden, Flecken, Dorpern. It(em) Van ehrem Regimentt, Rellgionn, Policien, Krigen, Vorruckingen, Vormehringen, Hendelen, vnde dapferen, Manlich(en) Daden Vth Velen geloffwerdigen Historicis, Olden geschreuenen Chronicis, eigentlicken Vortekenissen, Breuen, Jnstrumenten, Priuilegien, Verdregen vnde Monumenten thosamende gedragen, ock einessdehels nun erstlick angemercket vnde vpgetekenet Mith Sonderbaren mechtigen Vlite grother schwerer Moyte vnde arbeith Dorch Johannem Neöcorum Ettahulphidem in demsuluigen Lande Bordich Anno 1598. 221v: Lieder und Reimpaarreden mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. T: Wollen nun etliche olde Antiquiteten vnsem geloffte nha alse fine dudesche Carmina vnde Rimen nha einander vth ehren Originalen hirher setten: daruth men den gantzen Handell mit allen sinen vmmestend(en) ock in leffliche Rimen gefatet vormercken möge. Nr. 1, T: Titull Wat in hundert Jahren vnnd nu is gescheen Jn Dithmerschen dat mag men hir lesen vnd sehen Carmen. A: Alß men schreff dusent Verhundert vnde Vere … 226r E: … dat wi vnß mit ehm mögen frowen tho ewig(en) tiden Amen. Nr. 2, T: Ein Anders mitt schonen gloßlin nun erst vorbetert vnde vormehret De Titul Van den Dithmerschen is dit gedicht vnd is wahr Vnnd is ock van dem gnadenricken Gulden Jahr. Emblema. A: Ein sack altholang, althowith vnnd sehr vndicht  … 229r E:  … dinen frede vnde ewige Salicheit. Amen. 229v Nr.  2 Epigramm, T: Epigramma Vam Gulden Jahre. A: Dat gulden Jahr  … E: … Jn ehrem vorgange gelücke. Nr. 8, T: Ein ander kortt Carmen Nha arrt eines Dithmerschen Dantzes welches den gantzen handel gaar kortt vnde kunstlick in

99 Zu weiteren gedruckten Ausgaben vgl. Lüdtke 1992, S. 30–35. 100 Borchling 1900, S. 93.

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sick begript vnde vormeldet. A: Wille gi horen einen nien sang  … 230v E:  … Nu hacken ehn de rauen de ogen vth. Nr. 9, T: Datt Veerde Carmen Ock Sehr aardich vnde kunstlich den gantzen Handel wo de vorlopen Jnholdende. A: De wolgebarne koning vth dennemarcken reeth  … 231r E:  … Jt mögen wol wesen Heren. Nr.  10, T: Datt Vöffte Pöema welches Nichtes weiniger wen de vorigen alle sehr kortlick doch richtich vnde ardich De schlachtung affmahlet. A: Dre dage Vor Sunte Valentin  … 231v E:  … Bi einem Auentsterne. Nr.  11, T: Datt Soste Carmen Welckes ick erachte de Selige H. Andreas Brues gedichtet hebbe dewill itt eines rechten reinen Christengelouens. 232r A: De Herr hefft sick erbarmet … 232v E: … Jn freed vnnd thouorsicht. 464v: leer bis 465v. Hs 8.1 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 191. Papier. Bd. 1: 588 Bll. Bd. 2: 558 Bll. 21,5 × 16,5 cm. Vor 15.8.1643. [Dithmarschen]. Nd., Hd., Lat.

Schriftraum wechselnd: 16,5 × 12,5 bis 17 × 13 cm. Zeilenzahl wechselnd: 17 bis 19. Liniierung des Schnittstegs, blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. Titel, Kapitel- und Zwischenüberschriften mit ausgezierten Großbuchstaben. Band 1: Wasserzeichen: Nr. 1 (Lage 1, Bl. II): Buchstaben ADP, Höhe 1,2 cm, Breite 3,2 cm. Nr. 2 (Lagen 1, 2, 51): Wappen von Amsterdam, vgl. Churchill Nr. 1–70 (1635–1808): Wappenschild, darin ein mit drei Schragenkreuzen belegter Pfahl, über dem Schild Bügelkrone mit akanthusartiger Blattzier und Reichsapfel, links und rechts Löwen als Schildhalter, Höhe ca. 10 cm. Nr. 3: Wappenschild wie Nr. 2, darüber Bügelkrone mit Reichsapfel, seitlich Löwen als Schildhalter, darunter die Buchstaben EP, Höhe ca. 10 cm. Lagen: Lage 1 besteht aus sechs Blättern; es handelt sich um ein Binio, dessen zwei erste Blätter auf den Spiegel geklebt sind; in seine Lagenmitte wurden nacheinander zwei Lagen aus je einem Doppelblatt geheftet (Bll. I und II, Bll. III und IV). Es schließen sich an: 16 IV260/261; danach folgen im Wechsel 2 Ternionen und 2 Quinternionen: 2 (III+V)326/327; es folgen (III+1)338/339 + V358/359; es folgen im Wechsel 21 Ternionen und 21 Quinternionen: 21 (III+V)1030/1031; danach: III1042/1043 + (V-1)1060/1061 + 6 IV1156/1157 + III[1168/1169]. Keine Lagenzählung. Keine Wortreklamanten. Zeitgenössische Paginierung von der Hand des Schreibers, 1 (= IVv) bis 1157, vorn vier, hinten sechs Blätter, zwischen 326/327 und 328/329 ein Blatt ungezählt. Band 2: Wasserzeichen: Nr. 1 (Lagen 1, 71): wie Bd. 1, WZ Nr. 2. Nr. 2: wie Bd. 1, WZ Nr. 3, aber mit Buchstaben AK. Nr. 3 (Lage 70): Sieben Provinzen, ähnlich Churchill Nr. 115 (1698) und Nr. 117 (1707): Doppelkreis mit Adels-

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krone, darin Wappenschild, darin Löwe mit Schwert in der Rechten und einem Bündel von sieben Pfeilen in der Linken, Höhe ca. 9 cm. Lagen: III + (IV+1)15/16 + 68  IV[1103/1104] + (I+1)[1109/1110]. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Zeitgenössische Paginierung, 1–1087, fortgesetzt von anderer Hand, 1088–1101; vorn drei, hinten vier Blätter ungezählt. Band 1: IIIr (Titel), oben rechts: Ziffer 54. Ebd., untere Hälfte rechts: Besitzvermerk A. Viethen. IIIv, IVr, 503, 1157: Stempel KIELER UNIVERSITAETS BIBLIOTHEK. Band 2: IIIr (Titel), oben rechts: Ziffer 55. Ebd., untere Hälfte rechts: Besitzeintrag A. Viethen. S. 1088–1099: Nachtrag von anderer Hand, abgeschlossen mit dem Vermerk Inceptum die 15. August 1643. S. 1099–1102: Nachtrag von einer Hand des 19. Jahrhunderts zu den Jahren 1713, 1813, 1814. Ir, oben: Signatur Cod. Ms. S.H. 191. 4to. IIIr, IIIv, 1, [1102]: Stempel (wie Bd. 1). Ältere Einbände. Pergament auf Holz, mit durchgezogenen Bünden. Handgeschriebener Rückentitel ANNALES DITMARSORUM VOL I. und ANNALES DITMARSORUM VOL II, zeitgenössisch. Auf dem Rücken unten jeweils Papieretikett mit Signatur Cod. MS. S. H. 191. Band 2 mit neuerem Vorsatzpapier: Einhorn auf einem Podest, steigend, mit Mähne und Kette, Höhe 10 cm, Breite 11 cm. Buchblock nicht beschnitten. Der Nachtrag Band 2, S. 1088–1099, ist datiert auf den 15. August 1643 als dem terminus ante quem der Entstehung der Handschrift. Es handelt sich um die Vorrede aus der Chronik von Neocorus, die hier – so der Nachtragsschreiber S.  1088 – vom „Original“ abgeschrieben wurde; weiter heißt es S. 1089, dass der „Copist“ die Vorrede aus „Nachlässigkeit“ nicht mit abgeschrieben hätte, weshalb sie nun ergänzt werden müsste. Vermutlich handelt es sich bei dem besagten Nachtragsschreiber demnach um den Auftraggeber und Besitzer der Reproduktion von Hs 8. Das „Original“, das diesem für die Vorrede vorlag, kann nicht das Autograph von Neocorus gewesen sein, sondern eine weitere Reproduktion. Denn die Stellen, die in der Vorlage des Nachtragsschreibers wegen Mottenfraß nicht lesbar waren (S. 1088), sind in Hs 8 gut zu lesen. Der unmittelbar folgende, jüngere Nachtrag (Band 2, S. 1099–1102), weist inhaltliche Übereinstimmungen mit den Aufzeichnungen von Johann Paulsen in Hs  9.5 auf; auch Ähnlichkeiten in der Schrift können beobachtet werden, so dass der Lundener Kantor Paulsen auch als Besitzer von Hs 8.1 in Frage kommt. Der Vorbesitzer beider Handschriften, Anton Vieth, ist Verfasser einer Dithmarscher Chronik, die 1733 in Hamburg gedruckt wurde.101

101 Vieth 1733.

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Er war der Sohn von Georg Vieth, dem Landvogt von Norderdithmarschen, und lebte als Kammerrath bis zu seinem Tod in Heide.102 Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 2f. Literatur: Lüdtke 1992, S. 24.

Hs 8.2 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 188. Papier. 680 Bll. 34 × 19,8 cm. Nach 1634. [Dithmarschen]. Nd.

Wasserzeichen: Buchstaben ES, zweikonturig, Höhe ca. 1,8 cm, Breite ca. 2,6 cm. Lagen: 25 VI595/596 + V615/616 + 3 VI687/688 + IV703/704 + 17 VI1111/1112 + V1131/1132 + III1143/1144 + 5 VI1263/1264 + VII1291/1292 + 4 IV[1355]/[1356]. Die Reihenfolge der Lagen ist fehlerhaft: auf die 20. Lage, Bll. 453/454 bis 475/476, folgt die 23. Lage, Bll. 501/502 bis 523/524. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Zeitgenössische Paginierung, 1–1350, vorn zwei, hinten drei Blätter ungezählt. Schriftraum wechselnd: 23 × 13,5 bis 25 × 15 cm. Zeilenzahl entsprechend wechselnd: 23 bis 32. Liniierung des Schnittstegs blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von gleicher Hand. Auszeichnungsschriften Fraktur und Antiqua. Titel, Kapitel- und Zwischenüberschriften mit ausgezierten Großbuchstaben. Schnörkel als Textabschluss S. 1276, 1342, 1346. IIr: Besitzereinträge Nicolauj Claesen D. Heide Ditmarsus Borealij professor, Nunc Henr. Fried. Zieglerus Past. Heydensis mit Ergänzung von anderer Hand: etc Verfasser des Jdioticon Dithm. bei Richey.103 S. 1346: Besitzereintrag Nicolaus Claesen D. Ir: Signatur Cod. MS. S H. 188 fol. Vereinzelt Marginalglossen von verschiedenen Händen. Iv: Verf. dieser noch ungedrukten Chronik ist Johannes Neocorus, s. Bolten Th. 1, S. 48ff. IIr, IIv, S. 1, 1059, 1346: Stempel KIELER UNIVERSITAETSBIBLIOTHEK. Neuerer Einband, nach 1850. Halbpergament mit Pergamentecken, Marmorpapier auf Pappe. Goldgeprägter Rückentitel Neocorus Ditmarsche Geschichte. Rückenetikett mit Signatur Cod. M.S. S. H. 188. Vorsatzblätter mit Wasserzeichen:

102 Bolten I 1781, S. 75. 103 Richey, Michael: Idioticon Hamburgense oder Wörter-Buch, Zur Erklärung der eigenen, in und um Hamburg gebräuchlichen, Nieder-Sächsischen Mund-Art. Jetzo vielfältig vermehret, und mit Anmerckungen und Zusätzen Zweener berümten Männer, nebst einem Vierfachen Anhange, ausgefertiget von Michael Richey, P.P. Hamburg 1755, darin S. 405–430 das Idiotikon Dithmarschens von Hinrich Friedrich Ziegler, Pastor in Heide.

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Wappenschild mit Meiler (?), an den Seiten, oben und unten mit akanthusartiger Zier, oben eine Blüte, Höhe ca. 14,7 cm, rechts vom Wappen der Schriftzug JW ZANDERS (wie Hs 8.3, Hs 9, Hs 9.2, Hs 9.6). Buchblock nicht beschnitten. Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 2. Literatur: Lüdtke 1992, S. 23.

Hs 8.3 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 189. Papier. 378 Bll. 35 × 22 cm. Nach 1711. [Dithmarschen]. Nd., Hd., Lat.

Wasserzeichen: Doppeladler mit hochgereckten Flügeln und Herzrumpf, darüber Bügelkrone, Höhe ca. 10,5 cm. Lagen: 23 VIII735/736 + V755/756. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils unten rechts. Zeitgenössische Paginierung von der Hand des Schreibers, 1–756; fehlerhafte Zählung: auf S. 261 folgt 263, auf S. 286 folgt 288; erstes Blatt (Titel) ungezählt. Schriftraum wechselnd: 29 × 18 bis 30,5 × 17 cm. Zeilenzahl entsprechend wechselnd: 39 bis 30. Liniierung des Schnittstegs blind. Überwiegend deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand, z. T. senkrecht zum eigentlichen Schriftverlauf. Auszeichnungsschrift Fraktur. Ir, oben: mit Tinte die Signatur Cod. MS.  S.  H. 189 fol; darüber mit Bleistift die Signatur SH 189; rechts daneben: Anmerkung Coll. cum Mscto / CXC Fol.; links am Rand, Papieretikett mit der Nummer 189. Vereinzelt Lesezeichen (Papierzettel) zwischen den Seiten. Ir und S. 756 verhältnismäßig stark verschmutzt. Einband, nach 1850. Halbpergament mit Pergamentecken, Marmorpapier auf Pappe. Auf dem Rücken Papieretikett mit Signatur Cod. MS. S. H. 189, darunter Rückentitel Neocorus Dithmarsche Geschichte. Vorsatzpapier mit Wasserzeichen wie bei Hs 8.2. Weder Lagen noch Buchblock beschnitten. Die Handschrift, laut Ratjen aus dem Nachlass von Olaus Heinrich Moller (1715– 1796),104 ist nach 1711 (vgl. S. 737) entstanden. Ihre Vorlage war nicht das Autograph von Neocorus, sondern wie bei Hs 8.1 eine ältere Abschrift aus dem Jahr 1643 (S.  755). Dem Gleichmaß in der Anlage der Handschrift (Wasserzeichen, Lagen) steht die Tatsache entgegen, dass sie von ihrem Besitzer später nicht mit einem Einband ausgestattet wurde.

104 Ratjen 1858, S. 2. Zu Moller vgl. auch Eintrag zu Hs 8.

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Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 2. Literatur: Lüdtke 1992, S. 23.

737: Ergänzung von der Hand des Schreibers zum Jahr 1611 mit Bezug auf das Jahr 1711. 755: Ende der Chronik von Johannes Neocorus, mit Schreiberkolophon: Absolvi et hic usque p(er)duxi 23o (Octo)br(is) 1643 Soli Deo Gloria (‚Vollendet und bis hierher fortgeführt, 23. Oktober 1643. Gott allein die Ehre‘). S. 756 leer. Hs 8.4 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 190. Papier. 42 Bll. 33,5 × 21 cm . Frühestens Ende 17. Jh. [Dithmarschen]. Nd.

Wasserzeichen: Wappen von Amsterdam, ähnlich Churchill Nr. 13, 14, 28, 29, 34 und 36 (1672–1705): Wappenschild, darin ein mit drei Schragenkreuzen belegter Pfahl, an den Seiten Löwen als Schildhalter, darüber Bügelkrone mit seitlichem Rollwerk und Reichsapfel oben, Höhe ca. 10 cm; auf der gegenüberliegenden Seite Beizeichen ACH der Papiermüller Adriaan Cornelis und Jan Honig, vgl. Churchill Nr. 18 (1682). Lagen: 21 I42. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils unten rechts. Schriftraum: ca. 27 × 17 cm. Zeilenzahl wechselnd: 42 bis 45. Liniierung von Bund- und Schnittsteg blind. Jüngere Foliierung, 1–42, nicht durchgehend. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. 1r, unter dem Titel: von anderer Hand hinzugefügt Von Neocoro einem Dittmarscher; darunter von dritter Hand NB geht […] nur bis pag. 37 der doch in allem 755 beträgt. Ebd., oben: ältere Signatur No. 3, darunter Signatur Cod. MS. S. H. 190. fol. Ebd., oben rechts: Signatur mit Bleistift S H 190. Ebd., unten: Stempel Kieler Universitaets Bibliothek. Neuerer Einband, 19.  Jh., Marmorpapier auf Pappe. Schwarz eingeprägter Rückentitel: Neocorus Dithmarsche Geschichte. Rückenetikett mit Signatur Cod. MS SH 190. Weder Lagen noch Buchblock beschnitten. Laut Ratjen stammt die Handschrift aus dem Nachlass von Olaus Heinrich Moller (1715–1796).105 Die zweite Anmerkung auf 1r bezieht sich auf die Handschrift

105 Ratjen 1858, S. 2. Zu Moller vgl. auch Eintrag zu Hs 8.

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Hs 8.3, in der die Chronik insgesamt 755 Seiten umfasst. Auch diese Handschrift soll sich im Besitz von Moller befunden haben.106 Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 2. Literatur: Lüdtke 1992, S. 23.

Hs 9 Hans Detleff ‚Dithmarsische Historische Relation‘ (Autograph) Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 192. Papier. 309 Bll. 28,5 × 18,5 cm. 1634–1655. Windbergen, Dithmarschen. Nd., Lat.

Wasserzeichen: Nr. 1 (Bl. I–IV und [264]–[301]): Doppelkreis mit Pferd in Ganzfigur und umlaufendem Schriftzug WALSROD, Durchmesser 6,5 cm. Nr. 2 (ab Bl. X): Wappenschild, Tartsche, mit gespaltenem Schrägrechtsbalken, im Schildfuß die Buchstaben PC, unter dem Schild Ligatur aus den Buchstaben H und B, Höhe 8 cm. Nr. 3 (vereinzelt): Narr, Kappe mit zwei Schellen und fünf langen Zipfeln mit Schellen, darunter Marke, darunter drei Kreise, Höhe 10,5 cm. Lagen: Aufgrund der Verklebung des Rückens mit Makulatur und des allgemein schlechten Zustands der Handschrift kann das Lagenverhältnis nicht exakt ermittelt werden. Bei den Lagen der 38 nachgebundenen Blätter handelt es sich um Ternionen und Quaternionen. Der ältere Teil der Handschrift besteht vermutlich überwiegend aus Binionen, wie Stichproben am Anfang und am Ende gezeigt haben. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils verso unten rechts. Zeitgenössische Foliierung, 1–263, teilweise weggeschnitten, vereinzelt später mit Bleistift ergänzt, vorn 10, hinten 38 Blätter ungezählt; fehlerhafte Zählungen: auf 63 folgt 63 vor 66, auf 114 folgt 117, auf 244 folgt 246 (Bl. 254 herausgetrennt und falsch herum wieder eingeheftet). Schriftraum wechselnd: 23,5 × 12 und 25 × 12 cm. Zeilenzahl entsprechend wechselnd: 30 und 38. Liniierung von Bund- und Schnittsteg, nur recto. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Vereinzelt Marginalglossen von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. Ergänzende Nachträge von verschiedenen Händen: ab 214v: Hand 1, nach 1648 bis vor 1670; 253v: Hand 2 mit Nachtrag zum Verzeichnis der Superintendenten und Pröpste, bezüglich 1670 bis 1691; auf einem nachträglich eingehefteten Blatt zw. Bl.  249 und Bl.  250: Hand 3 mit Nachträgen zum Verzeichnis der Landvögte, Bezug nehmend auf die Jahre 1670 bis 1717. Vereinzelt Marginal-

106 Ratjen 1858, S. 2.

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glossen und Anstreichungen von einer Hand (Dahlmann?). Ir, oben: Signatur Cod. MS. S. H. 192 fol. IVr, Vr, 214v, 256v: Stempel Kieler Universitaets Bibliothek. Neuerer Einband, nach 1850. Halbpergament mit Pergamentecken, Marmorpapier auf Pappe. Rückentitel: Goldprägung Detleff Dithmarsische historische Relation 1634. Auf dem Rücken oben Papieretikett mit Signatur Cod. MS. S. H. 192. Vorsatzblätter mit Wasserzeichen wie bei Hs  8.2. Buchblock nicht beschnitten, Lagen einzeln beschnitten, zum Teil mit Textverlust bei Marginalglossen. Dreiseitiger rot gesprenkelter Farbschnitt. Digitalisat: urn:nbn:de:gbv:8:2-826233

Hans Detleff (um 1600 – vermutl. 1659), Bauer in Windbergen,107 gelangte in den Besitz der Chronik von Johannes Neocorus (vgl. Hs 8) und beabsichtigte, diese fortzusetzen (IXv). Laut Titeltext (Vr) hat er 1634 mit der Arbeit an der Chronik begonnen. Die Aufzeichnungen von seiner Hand reichen bis zum Jahr 1655 (263v). Vorbesitzer war laut Ratjen der Meldorfer Advokat Peter Matthias Böckmann.108 Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 3, Nachträge S. 259. Auszüge abgedruckt: Johann Adolfi’s Chronik II 1827, S. 463–510 (Ergänzungen zur Chronik von Johannes Neocorus). Abschriften/Reproduktionen: Hs  9.1–11. Weitere Abschriften in Kopenhagen, Königliche Bibliothek: Thott. fol.   034, NKS.  fol. 929b, GKS.  fol. 1035, Thott. fol. 1033, Thott. 4o 1807, NKS.  fol. 929, NKS.  fol. 930, NKS. fol. 931 (Nachträge zu NKS. fol. 930), NKS. fol. 932, NKS. 4o 1471 (Auszug).109 Literatur: Braak 1930, S. 6–13.

Ir: leer bis IVv. Vr: Titel. Dithmarsische Historische Relation Van erer Ankunfft, Religion, Seeden vnd Kriegeshandelungen. Vth glofwirdigen Historicis, Olden geschreuenen Chronicis, olden Brefen, Privilegien Vordregen, vnd andern eigentligen Vortekenißen vnd Monumenten thosamen gedragen, ock einßdehls nu erstlich angemerckett dorch Hanß Detleff tho Windtbergen angefangen a(nn)o 1634. Vv–VIr leer. VIv: Zeichnung einer männlichen Figur, aufgeklebt. Beischrift Olde Ditmarsische Kleydung. VIIr: zwei lateinische und ein hochdeutsches Motto. VIIv leer.

107 Lohmeier, Dieter: Hans Detleff. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte v. Olaf Klose / Eva Rudolph / Ute Hayessen. Bd. 5. Neumünster 1979(a), S. 106f. 108 Johann Adolfi’s Chronik I 1827, S. XXII. Ratjen 1858, S. 3. 109 Borchling 1900, S. 94f.

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VIIIr: Zeichnungen von zwei weiblichen Figuren, aufgeklebt. Beischrift links: Dittmarsische Jungfruw. Beischrift rechts: Dittmarsische Fruw. VIIIv leer.110 IXr: Vorwort. Gunstiger Leser, jdt wert itziger tiedt nicht ... danckbarheit erkennen vnd annehmen. IXv: … heft ein gelahrter vnd in Historien wollgeloueter Mann, mit nahmen Johannes Adolph etwan Prediger vp Büsen, vor vngefehr 40 Jahren sich vndernahmen eine Ditmarsische Chronicon, van erer ersten Ankumpst an beth vp sine tiedt tho vorfathen vnd an den dach thobringen,  …, ist sölch werck beth vp sinen doedt vnvollenföhret vorbleuen, darmit nu auerst solche des Sg. Mannes nützlige vnd Rohmswerdige Arbeidt (worinnen he vnderschedene Meinungen van der Sassen vndt Ditmarschen herkumpst, anfencklig inföhret, ock welcher gestalt de grote Garde in Ditmarschen erschlagen, vnd wat sich ferner vam 1500 Jahre beth a[nn]o 1524 begeven vnd thogedragen) nicht gentzlich vndergedrücket vnd vorborgen bliuen mochte, hebbe ick datsülue dorch bidde an mi gebracht, vndt wiln it fast wietlöfflig in kürtzere form getagen, an etligen örden auerst vp entfangenen beteren bericht, geendert vnd vorbetert, vnd folgends dat auerige, so bede vth gloffwerdigen Chroniken vnd Vortekenissen, ock des benanten S. Authoris anderwerts particular schrifften, vndt sonsten bithobringen gewest, vnd ock van mi süluest etlige Jahr her angemercket, ferner hentho gedahn, vnd in folgende gestalt, so best ick gekönt, gebracht … Bis Xr. Xv leer. 1r: Erstes Buch. De lender benorden der Elue belegen ... 3v: Van Ankunfft vnd Orttsprunck der Ditmarschen. 26r: Folgen etlige Ditmersische gesange vnd Leeder. 27v: leer. 28r: Beschriuung des Landes Dithmarschen Welche Johan Petersen in sinem Hollsteinisch(en) Chronico Anno 1557 vthgangen, settet. 29r: Andere Beschrifung van der gröthe vnd grentzen des Landes Dithmarschen. 29v: Der Dithmarschen egene vhralte Meynung vnd Beschriuung van erer Herrkumpft vnd Nahmen. 30v: leer. 31r: Wovehle Carspele vnd Kercken in Dithmarsch(en). 39v, 53v–54v leer. 55r: Zweites Buch. Dat Ander Boeck Ditmarsischer Historischer Geschichte Belangende De Nahmhafften vnd denckwürdige Kriegeßhandelingen … Beth vp de grote Schlacht so a(nn)o 1500 … 63, 97v leer. 114r: Drittes Buch. Dat Drüdde Boeck Van der groten Schlacht vnd Nedderlage, so künnick Johannes vth Dennemarcken, vnd hertoch Fredrich tho Holstein in Ditmarschen a(nn)o 1500 erleden Vndt wat ferner beth vp de erouerünge des landes vnd 1559 jahr sich im lande thogedragen. Darin Lieder und Reimpaardichtungen mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. 130r T: Willen ock etlige Antiquiteten, vnd fine olde Dudesche Carmina vnde Rihmen, nacheinander vth eren Originalen hirher setten Woruth men den gantzen handel mit allen sinen vmmestenden oek

110 Das Bild weist große Übereinstimmungen mit einem Kupferstich in der Chronik von Anton Vieth auf, vgl. Vieth 1733 (Seite vor der Titelseite).

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in leeffliger Poeterie vorsathet, desto bether mercken konne. Nr. 1, T: Titull Wat in hundert Jahren, vnd nu is geschehen Jn Dithmarsen, dat mach men hir lesen vnd sehen. Carmen. A: Alse men schreeff Dusent Veer hundert vnd Veer  … 135r E:  … dat wi vns mit ehm mögen fröuwen tho ewigen tiden Amen. Nr. 2, T: Ein Ander Des Titul Van den Dithmarschen is dit gedicht, vnd iß wahr vnd is ock van dem Gnadenriken Gülden Jahr. Emblema. A: Ein Sack altho lang, altho wieth vnd sehr vndicht ... 139v E: … dinen frede vnd ewige Selicheit. Amen. Nr. 11, T: Dat Drüdde Carmen Welches men vormeinet de Selige herr Andraeas Bruhs gedichtet hebbe. A: De Here heft sich erbarmet ... 140v E: … Jn freed vnd thouorsicht. Nr. 2 Epigramm, T: Epigramma Vam Gülden Jahr. A: Dat gülden Jahr ... E: … Jm erem Vorgange gelücke. 141r Nr. 8, T: Ein ander kort Carmen Na ardt eines Ditmarschen Dantzes. Welches den gantzel handel gahr künstlich in sich begript vnde vormeldett. A: Wille gi hören ein nien sang ... 142r E: … Nu hacken ehn de Rauen de Ogen vth. Nr. 9, T: Dat Vöffte Carmen Oek Sehr ardich vnd kunstlich den gantzel handel wo de vorlopen, jnholdende. A: De Wollgebarne Köninck vth Dennemarcken reeth ... 142v E: … Se werden der holsten heren. 143r Nr.  12A, T: Dat Söste Poema. Wert vor einen Ditmarschen dantz gebruket. A: De König woll tho dem Hertogen sprack, Ach broder harteleue broder ... E: … De krone de schal vns Maria dragen, tho Aken wohl in dem Dome. 156r: Das vierte Buch. Dat Vöffte [!] Boeck Van dem Dode B. Hinrichs111, welcher vmme des hilligen Euangelij haluen in Ditmarschen vorbrandt. Vndt wat Sich darbeuenst sunderlich auerst beth in dat Negen vnd Vöfftigiste Jahr darin thogedragen. 172v, 174r,v leer. 176r: Historia van Wiben Peter. 184v–185v leer. 186r: Das fünfte Buch. Dat 5 Boeck Beschriuunge, welcher gestalt könnick Frederich de ander tho Dennemarcken Vnd hertzoch Johan vnd hertoch Adolff tho Holstein, dat Landt Ditmarsch(en) a(nn)o 1559 eröuert vnd vnderdwungen. 201, 213 leer. [214r]: Chronikalische Aufzeichnungen, 1559–1650. Des Sonnavendes na der Heimsökinge Marye … [245r] … den 18. Juny [1650] is Christianus … thom Printzen erwehlet.112 245v leer. 246r: Verzeichnis der Landvögte. Nadehme dat Landt Ditmarschen A(nn)o 1559 im Junio van Frederico 2 koninge in Dennemarcken, vnd den beiden hertogen van Holstein, hertoch Johansen vnd hertoch Adolpho erauert, vnd darup in 3 dehle gedehlet worden, sint nachbenante Landtvögede beth vp diese tiedt darinn gewesen. Tho Melldorp im Königl. Suderndehle … Bis Eintrag 246v Nicolaus Bruhn … gestoruen

111 Heinrich Zütphen (1488/89–1524). 112 Gemeint ist Christian V., Herzog von Schleswig und Holstein, König von Dänemark (1646– 1699).

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a(nn)o 1649 den 30 Junij. Folgender Eintrag, durchgestrichen: Jacobus Bruhn des … Nicolai Sohn … is a(nn)o 1649 den 15 Octob(e)r … int ambt gekahmen. 247r Heyde … Hertoch Johansen dehl. Bis Eintrag Christianus Boye der Rechten Doctor … 1592 … gestoruen. 247r Lunden … Hertoch Adolphn dehl. Bis Eintrag 248r Johannes Vieth … jetziger tiedt im Ambte … 1623 thom Landtvagede … erkahren … heft sinen Sytz tho Norttdike gehadt. Das Jahr des Endes der Amtszeit hat der Schreiber vorgetragen mit 164, ohne es später zu vervollständigen. Letzter Eintrag ohne weitere Angaben: Doctor Johannes Boye. 248v: Verzeichnis der Landschreiber. Folgende Landschriuere sint na eröueringe im Lande gewesen Jm Suderndehle … Georgius Reiche Kilensis … 649 … int Ambt gekahmen. 249r Jm Middeln vnd Norderndehle. 250r … Ludwig Wippermann … ein framer bescheidener vnd nicht giriger Mann. 250v leer. 251r: Verzeichnis der Superintendenten und Pröpste. Vortekeniße der Superintendenten vnd Prauwste so van a(nn)o 1520 beth vp jetzo im gantzen Lande Ditmarschen gewesen Erstlich der Pastoren tho Meldorp … 253v Naamannus Bernhardinus Husem … Jß an de Parre gekahmen a(nn)o 1634 … Es folgt 254r das Verzeichnis der Superintendenten vor 1559: Jdt sind vor Jnnehmung des Landes … H. Andreas Bruhs … 254v … Vmmet Jahr 1570 heft noch geleuet ein Capellan tho Tellingstede … Georgium Hennings, so tho Lübeck Prester geworden. Es folgt das Verzeichnis der Superintendenten nach 1559: Na der Veihde is de Inspectur vnd Superintendentz gelecht … na den dehlen … Erstlich im Königl. Druddendehle Efte woll Henningus Mule … vorher erwehnet worden. Jn Hertoch Hansen Middel Drüddendehle … H. Johannes Spelbergius … 255r … Johannes Creisbachius … vorrichtet D. Stephanus Ramm. Jm Norderndehle … 256r … Petrus Ludenius … Senior des Geystl. Consistorij im Norderdehl. 256v: Verzeichnis der Doktoren. Doctores so in dithmarschen van den Jngebahrnen gewesen. Letzter Eintrag: D. Johannes Boye heft  … den gradum Doctoris tho Helmstede a(nn)o 636 bekahmen, herna Landtvagt geworden. 257r: Chronik der Stürme und Fluten 866–1655. Stormwinde vndt Watersfloeth van etligen hundern Jahren here … 263v … A(nn)o 1655 … besondern ock vorschedene Jnnbröke und schaden den Diken thogeföget. [264r]–[301v] leer.

Hs 9.1 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 193. Papier. 246 Bll. 30 × 19,8 cm. Nach 1655, vor 1670. [Dithmarschen]. Nd.

Wasserzeichen: Nr. 1: Krug mit Deckel vom Typ Piccard 31769 (1657), aber mit den Buchstaben FO statt LB und vierblättriger Blume statt Lilie im Sockel. Nr. 2: Krug mit Deckel, vom Typ Piccard 31770 (1645), Kreis zw. Deckel und Hufeisen, auf dem

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Hals eine Lilie, Höhe 12 cm. Lagen: Das Lagenverhältnis der Handschrift lässt sich aufgrund ihres Zustandes (am Bund verklebte Blätter) nicht exakt bestimmen. Es handelt sich jedoch um ein unregelmäßiges Lagenverhältnis. Die Lagen sind sehr stark; sie umfassen bis zu 18 Doppelblätter. Zeitgenössische Foliierung von der Hand des Schreibers, 10–255; Bll. 52, 53 fehlen. Schriftraum wechselnd: 23,7 × 14,5 bis 25,7 × 14,5 cm. Zeilenzahl wechselnd: 32 bis 34. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von der gleichen Hand. Keine Auszeichnungsschrift. 30r: stark verschmutzt. Vereinzelt Federproben von anderer Hand, z. T. entgegen dem Schriftverlauf; 50v:  … Paulßen  … 51v:  … Johann Hoffman Hinech Hoffman Johan Paulßen … 54r: … Johann Paulsen … 93v: Hans Paulsens. 51v, 54r: stärkere Verschmutzung. Zw. Bl.  51 und Bl. 54: Zettel mit Besitzeintrag diese Chronica Mst. ist dem Hern Regierungsrath Polmann zuständig in Glückstadt. Bl. 10: stark verschmutzt und beschädigt. 10r, 221v: Stempel KIELER UNIVERSITAETSBIBLIOTHEK. Spiegel vorn: Signatur S H 193. Ebd. Hans Detleff. Mehrere beschädigte Blätter mit Papier an Ecken und Kanten ausgebessert. Zeitgenössischer Pergamenteinband auf Holz, mit Stehkanten und durchgezogenen Bünden. Kein Rückentitel. Auf dem Rücken oben Papieretikett mit Signatur Cod. MS. S. H. 193. Vorsatzpapier mit Wasserzeichen: Wappen von Amsterdam, vgl. Churchill Nr. 1–70 (1635–1808): Wappenschild, darin ein mit drei Schragenkreuzen belegter Pfahl, darüber Bügelkrone, seitlich Löwen (?) als Schildhalter, Höhe: 10 cm. Buchblock beschnitten, mit dreiseitigem, blau gesprenkeltem Farbschnitt (betrifft auch die Papierausbesserungen). Der unbekannte Schreiber von Hs  9.1 hat die chonikalischen Aufzeichnungen sowie die Verzeichnisse der Landvögte, Landschreiber und Superintendenten von Hans Detleff nach Beendigung der Abschrift um weitere Angaben ergänzt, worauf jeweils der Wechsel von Tintenfarbe und Schreibduktus hindeutet. Die bewussten Nachträge betreffen die Jahre 1667 bis 1670. Der jüngste diesbezügliche Eintrag in Hs 9 betrifft das Jahr 1655 (vgl. Hs 9, Bl. 263v). Daraus folgt, dass die Abschrift Hs 9.1 zwischen 1655 und 1670 angefertigt wurde. Der Besitzer Heinrich Pohlmann (1635–1719) war gebürtiger Hamburger, wo er als Jurist für den Senat tätig war. Später ernannte ihn der dänische König zum königlichen Regierungs- und Justizrat am Oberappellationsgericht in Glückstadt.113 Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 3.

113 Beneke, Otto: Pohlmann, Hinrich. In: ADB 26 (1888), S. 374 [Onlineausgabe]. http://www. deutsche-biographie.de/pnd124765416.html#adbcontent. (15.3.2017)

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 Katalog der Überlieferungsträger

Hs 9.2 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 193 A. Papier. 208 Bll. 32,3 × 20,5 cm. Nach 1657. [Dithmarschen]. Nd.

Wasserzeichen: Nr. 1: Krug mit Deckel vom Typ Piccard 31769 (1657) bzw. 31770 (1645), auf dem Bauch die Buchstaben QR, auf dem Sockel dreiblättrige Blume, Höhe 11,8 cm. Nr. 2 (Lagen 1–4): Sieben Provinzen, ähnlich Churchill Nr. 111 (1669– 1755): Doppelkreis mit Adelskrone, darin Wappenschild, darin Löwe mit einem Schwert in der Rechten und einem Bündel von sieben Pfeilen in der Linken, Höhe 9,3  cm. Lagen: die ersten drei Blätter am Bund miteinander verklebt, danach 51 Binionen, der letzte mit einem angeklebten Blatt (Bl. 401/402). Zeitgenössische Zählung von Faszikeln aus jeweils zwei Lagen, nicht durchgehend. Schriftraum wechselnd: 25,5 × 16,5 und 27,7 × 17,5 cm. Zeilenzahl wechselnd: 35 bzw. 44. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand. Keine Auszeichnungsschrift. S. 8: Nachgetragener Titeltext der Chronik von Hans Detleff von anderer Hand. Ebd. von der gleichen Hand: Sieh. Johann Adrian Bolten dithmarsische Geschichte 1 ster Theil pag. 55. Ir: Signatur Cod. MS. S. H. 193 A. fol. Neuere Paginierung, 1–402, nur recto, später korrigiert von anderer Hand, vorn sieben Blätter ungezählt. Neuerer Einband, nach 1850. Halbpergament mit Pergamentecken, Marmorpapier auf Pappe. Goldgeprägter Rückentitel: Detleff Dithmarsische historische Relation 1634. Auf dem Rücken oben Papieretikett mit Signatur: Cod. MS. S. H. 193 A. Vorsatzblätter mit Wasserzeichen wie bei Hs 8.2. Buchblock und Lagen nicht beschnitten. Der Schreiber von Hs 9.2 führte die chronikalischen Aufzeichnungen von Hans Detleff (vgl.  Hs  9, [214r]–[245r]) fort mit Angaben zu den Jahren 1651 bis 1657 (S.  360–366), womit das Jahr 1657 als terminus post quem der Entstehung von Hs 9.2 aufgefasst werden kann. Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 259.

Hs 9.3 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, 66 Extravagantes. Papier. 277 Bll. 31,2 × 21  cm. Nach 1670. [Dithmarschen]. Nd.

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Wasserzeichen: Nr.  1: Wappen von Amsterdam, vgl.  Churchill Nr.  1–70 (1635– 1808): Wappenschild, darin ein mit drei Schragenkreuzen belegter Pfahl, darüber Bügelkrone, seitlich Löwen als Schildhalter, Höhe ca. 10 cm, auf der gegenüberliegenden Seite das Beizeichen AR. Nr.  2: Wappenschild mit Schildhaltern wie Nr. 1, mit anderer Bügelkrone, auf der gegenüberliegenden Seite Beizeichen PC/ MB. Lagen: (VI-1)7 + VII21 + V31 + VII45 + V56 + VI68 + V78 + VIII94 + V104 + 11 VI236 + VII248 + VI260 + (VI-1)271. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Zeitgenössische, teilweise weggeschnittene Foliierung, 1–271, vorn vier Blätter ungezählt, zw. Bl.  238 und 239 sowie zw. 246 und 247 je ein Blatt ungezählt. Schriftraum wechselnd: ca. 24,5 × 14,5  cm. Zeilenzahl wechselnd: 32 bis 38. Liniierung von Bund- und Schnittsteg anfangs mit Bleistift, dann blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Zeitgenössische Marginalglossen von gleicher Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur, vereinzelt ausgezierte Anfangsbuchstaben. Spiegel vorn: Kaufvermerk Ex auct: Lub: 20 f. Ebd.: Signatur 66 Extr. mit Tinte und Extravag. No. 66 mit Bleistift, von verschiedenen Händen. Vereinzelt korrigierende Marginal- und Interlinearglossen von anderer Hand. IIv: Stempel BIBLIOTHEK ZU WOLFENBÜTTEL. Zeitgenössischer Einband, Ganzpergament auf Pappe, mit durchgezogenen Bünden und Stehkanten. Rückentitel: Hans Detleffs Ditmarsische Chronic geschr. Rückenetikett mit Signatur Extr. 66. Buchblock beschnitten. Terminus post quem der Entstehung des Manuskriptes ist das Jahr 1670, denn der Schreiber hat das Verzeichnis der Landvögte ergänzt um Angaben, die sich auf eben dieses Jahr beziehen (Bl. [246av]). Verzeichnisse: Borchling 1900, S. 123. Otte 1986, S. 180.

Hs 9.4 Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, M (4) Nr.  3. Papier. 268 Bll. 20 × 16  cm. Februar 1676. Meldorf, Dithmarschen. Hd., Nd., Lat.

Wasserzeichen: Nr. 1 (Bl. I): Wappen von Amsterdam, vgl. Churchill Nr. 1–70 (1635– 1808): Wappenschild, darin ein mit drei Schragenkreuzen belegter Pfahl, über dem Schild Bügelkrone mit Blattzier und Reichsapfel, links und rechts Löwen als Schildhalter, darunter die Buchstaben REP, Höhe ca. 13 cm, Breite 11,8 cm. Nr. 2: Wappen von Amsterdam, vgl.  Churchill Nr.  1–70 (1635–1808), über dem Schild Bügelkrone mit Reichsapfel und seitlichem Rollwerk, Höhe 8,5  cm, Breite ca.

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 Katalog der Überlieferungsträger

12 cm. Nr. 3: Wappen von Amsterdam, vgl. Churchill Nr. 1–70 (1635–1808), über dem Schild Bügelkrone mit Reichsapfel und akanthusartiger Blattzier, darunter die Buchstaben IB, Höhe 10,2 cm, Breite ca. 10 cm. Lagen: Die Handschrift besteht überwiegend aus Quaternionen, vereinzelt aus Ternionen und Quinternionen; eine exakte Lagenbestimmung ist wegen ihres Zustands nicht möglich. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Zeitgenössische Paginierung von der Hand des Schreibers, vielfach wegen beschädigter Blattränder nicht mehr vorhanden, vorn zwei ungezählte Blätter, hinten neuere Fortsetzung der Paginierung mit blauer Tinte. Schriftraum wechselnd: ca. 19 × 12 cm. Zeilenzahl wechselnd: 27 bis 28. Liniierung des Schnittstegs blind. Überwiegend Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Vereinzelt Marginalglossen von derselben Hand. Keine Auszeichnungsschrift. Verschiedene Nachträge von einer Hand, Ende 18.  Jahrhundert, u. a. S.  [490] Nachtrag zur Chronik der Stürme und Fluten mit Bezug auf die Jahre 1717–1774 und S.  518 Nachtrag zum Verzeichnis der Landvögte mit Bezug auf die Jahre 1668–1777. Spiegel vorn: ältere Signatur D63. Ir: Stempel: Museum Dithmarsischer Alterthümer. Neuerer Interimseinband, Halbleinen mit Leinenecken, Marmorpapier auf Pappe. Kein Rückentitel. Rückenetikett aus Papier mit älterer Signatur D 63 b. Papieretikett auf vorderem Buchdeckel mit Titel Hochdeutsche Uebertragung des Hans Dethleffs 1634 und älterer Signatur von gleicher Hand No. 364. Ebd.: ältere Signatur D63 bm. Ebd.: aktuelle Signatur Nr.  3. Oben rechts auf dem vorderen Buchdeckel jüngeres Papieretikett mit aktueller Signatur M (4) Nr. 3. Buchblock nicht beschnitten. Der Einband ist nicht mit dem Buchblock verbunden und zeigt auch keine Spuren einer früheren Verbindung. Zwei am vorderen und hinteren Buchdeckel befestigte Stoffbänder dienten als Verschluss. Die Lagen sind lose. Am Rücken weisen sie jedoch regelmäßige und parallele Heftlöcher auf, die belegen, dass sie früher zu einem Buchblock verbunden und auf Bünde genäht waren. Die Blätter sind vielfach lose. Die jeweils ersten und letzten Seiten der Lagen zeigen stärkere Verschmutzungen als die Seiten im Lageninneren. Auf Blatt Ir findet sich ein Schreiberkolophon mit Invocatio und Datum: Mihi Prospice Deus descript(um) Meldorff A(nn)o 1676 Mens(e) Febr(uario) (‚Gott, gib auf mich Acht. Abgeschrieben Meldorf, im Februar 1676.‘) Verzeichnisse: Höhnk 1926, S. 75. Literatur: Braak 1930, S. 12.

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Hs 9.5 Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, M (4) Nr. 2. Papier. 471 Bll. 21,4 × 16,5 cm. Um/nach 1676. [Dithmarschen]. Hd., Nd., Lat.

Wasserzeichen: Wappen von Amsterdam, wie Hs  9.3, WZ Nr.  3, vgl.  Churchill Nr. 1–70 (1635–1808). Lagen: (III+1)7/8 + 31 IV505/506 + III517/518 + 8 IV645/646 + III657/658 + IV673/674 + III685/686 + 15 IV[925/926] + III[937/938]. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Zeitgenössische Paginierung von der Hand des Schreibers, 1–923, beginnend auf Blatt 4 der ersten Lage, recto. Erstes und drittes Blatt der ersten Lage (im Folgenden I und II) ungezählt, zweites Blatt der ersten Lage mit Paginierung 9 (recto) und 10 (verso) auf Falz von Blatt IIr geklebt. Fehlerhafte Zählung: auf 8 folgt 11. Die letzten 15 Seiten ungezählt. Schriftraum wechselnd: ca. 17 × 13 cm. Zeilenzahl wechselnd: überwiegend 20 bis 22. Liniierung des Schnittsteges blind. Überwiegend Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Vereinzelt Marginalglossen von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. Besitzereinträge: Ir: A Viethen; fliegendes Vorsatzblatt vorn, recto: Johann Paulsen in Lunden den 8ten August 1802; ebd.: Ch. H. L. Harms Hamburg 1/7 1850; ebd.: Waldemar v Eggen Hamburg März 1896; ebd. und Ir: Stempel Dr. Max Kirmis Neumünster i/H. Ir: Stempel Museum Dithmarsischer Alterthümer. Nachträge von der Hand Johann Paulsens: 1. S.  829: Über die Besetzung der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch die Russen im Jahr 1713. Jm Jahr 1713 besetzten die Rußen … die beiden Herzogthümer unter dem General Bauer… S.  831  … ohne die vielen schönen Pferde. 2. Über die Neuordnung des Schulwesens in Lunden im Jahr 1820. Jm Jahr 1820 ging hier in Lunden die wichtige Veränderung mit den Schulen vor  … S.  832  … der itzige Cantor Johann Paulsen bin ich und stehe das Cantorat nach meines Selg. Vaters Ende, 1820, 29 Jahr vor nämlich 1791 den 27  Dec. wurde ich adjungirt, gebohren 1768 den 29 November von nun an den 18ten April … 1820 werde die Trennung der beiden Geschlechter in den Hauptschulen vorgenommen  … die Mädchen von demselbigen Alter beim Kantor. 3. Verschiedene Aufzeichnungen zu den Jahren 1821 bis 1824, S. 833–837. 4. Letzte Aufzeichnung von Johann Paulsen zum Deichbruch 1825, S.  837: Von dem deichbruche bei Preil in der Nacht vom 3ten auf den 4ten Februar 1825 u der darauf folgende Ueberschwemmunge. Am 3ten Februar Abends ward der Sturm zum Orkan… S. 838 … Mögen Erd u Himmel auch vergehn Jesu Wort bleibt ewiglich bestehn. Weitere Benutzereinträge von verschiedenen Händen: Ir, oben rechts: 89; Spiegel vorn, senkrecht zum Schriftverlauf: Ditmarsch. Cronica Dithm; ebd.: ältere Signatur D 63 m; ebd., oben links: Signatur Nr. 2; ebd. 91/96 54.

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 Katalog der Überlieferungsträger

Zeitgenössischer Einband, Pergament auf Holzdeckeln. Rückentitel, Tinte auf Pergament CHR[ONIC]A. Auf dem Rücken unten Papieretikett mit älterer, gestrichener Signatur D 63 m. Der Einband befindet sich in einem schlechten Zustand. Mit dem Buchblock ist er nur noch durch das vordere Gelenk verbunden. Buchblock nicht beschnitten. Das Manuskript muss nach 1676 angefertigt worden sein; darauf deuten die Fortsetzungen des Verzeichnisses der Landvögte von der Schreiberhand hin, die das besagte Jahr referenzieren (S. 890). Die Handschrift stammt aus dem Besitz von Anton Vieth, der auch eine zweibändige Abschrift gleicher Ausstattung von Hs 8 (Hs 8.1) besaß. In der Vorrede zu Vieths Chronik des Landes Dithmarschen, die 1733 in Hamburg gedruckt wurde, wird die Chronik von Hans Detleff als die „vornehmste“ bezeichnet und als eine seiner Hauptquellen ausgewiesen.114 Alle drei Bände gelangten später zusammen in den Besitz des Lundener Kantors Johann Paulsen. Zuletzt hatte sich die Handschrift im Besitz von Max Kirmis in Neumünster115 befunden. Verzeichnisse: Höhnk 1926, S. 75. Literatur: Braak 1930, S. 12.

Hs 9.6 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 194. Papier. 140 Bll. 31,2 × 19,2 cm. Nach 1685, vor 1691. [Dithmarschen]. Nd.

Wasserzeichen: Nr. 1 (Lagen 1, 14): Zweikonturiger Kreis mit am Rand umlaufendem Schriftzug 88 STATI IN ZWENITZ (= Zwönitz), darin Wappenschild, Tartsche, mit zwei gekreuzten Hämmern, über dem Schild ein Vogel, Durchmesser 5 cm. Nr. 2 (Lagen 2–10, 15): Kopf eines Narren, ähnlich Churchill Nr. 364 (1702): Kappe mit zwei Schellen und sieben langen Zipfeln mit Schellen, darunter Marke, darunter drei Kreise, Höhe ca. 10 cm. Nr. 3 (Lagen 11, 12): Horn, Höhe 2 cm, Breite 4 cm. Nr. 4 (Lage 13): Wappenschild, geviert, mit Herzschild, im 1. und 4. Feld eine vielblättrige Rose, im 2. und 3. Feld eine Schwalbe auf einem sechsstrahligen

114 Vieth 1733. Die Vorrede ist ungezählt; der Verweis auf die Chronik von Hans Detleff findet sich auf den Seiten 8 und 9. 115 Wohl identisch mit dem Philologen Max Kirmis (1851–1926), Studienrat in Neumünster, dessen Nachlass im Landesarchiv Schleswig-Holstein aufbewahrt wird. Vgl. Kirmis, Max, Indexeintrag. In: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116187670.html. (3.5.2020)

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Stern, über dem Schild Bügelkrone, seitlich Löwen mit jeweils zwei Schwänzen als Schildhalter, Höhe ca. 11 cm. Lagen: IIIVI + XII47/48 + 7 IV159/160 + (IV-2)171/172 + 3 V231/232 + VI[255/256] + III[267/268]. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils unten rechts S.  1–171 und S.  222–253, nicht S.  172–221. Zeitgenössische Paginierung, 1–253; vorn sechs, hinten sieben Blätter ungezählt. Schriftraum wechselnd: 27,5 × 16 cm (Hand 1) und 28,5 × 16 cm (Hand 2). Zeilenzahl wechselnd: 45 (Hand 1) und 34 (Hand 2). Liniierung der Seitenränder. Deutsche Kurrentschrift von zwei verschiedenen Händen: Hand 1: S. 1–172 und S. 223–251, Hand 2: S. 173–222 [Textverlust zw. 172 u. 173?]. Farbschnitt-, Wasserzeichen- und Handgrenze S. 172/173 fallen nicht mit einer Textgrenze zusammen. Marginalglossen von jeweils gleicher Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. Ir: Signatur Cod. MS.  S.  H. 194 fol. S. 1, 232: Stempel KIELER UNIVERSITAETSBIBLIOTHEK. Neuerer Einband, nach 1850. Marmorpapier auf Pappe. Schwarz geprägter Rückentitel: Detleff Dithmars. histor. Relation. Auf dem Rücken oben Papieretikett mit Signatur Cod. MS.  S.  H. 194. Vorsatzpapier mit Wasserzeichen wie bei Hs 8.2. Die zwei Teile des Buchblocks jeweils beschnitten. Die Lagen 1–10 sowie 15 mit dreiseitigem roten Farbschnitt. Die Handschrift überliefert im Unterschied zu Hs 9 lediglich die Ereignisdichtungen Nr. 11, Nr. 2, Nr. 9, Nr. 12A und Nr. 8 (in dieser Reihenfolge). Am Ende enthält sie eine Chronik der Jahre von 1661 bis 1685 (S. 239–253), welche keine Entsprechung in Hs  9 hat. Zudem wurden die verschiedenen Verzeichnisse gegenüber Hs 9 bis zum Jahr 1684 fortgesetzt (S. 238). Weitere Ergänzungen zum Verzeichnis der Superintendenten betreffen die Jahre 1691 bis 1710, doch deuten ihre Positionierung auf dem Fußsteg S. 235 und der veränderte Schreibduktus darauf hin, dass es sich in ihrem Fall um spätere Zusätze des Schreibers handelt. Demnach dürfte die Entstehung des Manuskriptes in die Jahre zwischen 1685 und 1691 zu datieren sein. Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 3.

Hs 9.7 Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, M (3) Nr. 5a. Papier. 236 Bll. 31,2 × 19,2 cm. 1707–1713. Dithmarschen. Nd., Hd., Lat.

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 Katalog der Überlieferungsträger

Wasserzeichen: Nr.  1 (Lagen 1–15): Doppeladler mit Herzrumpf, Höhe ca. 3  cm, Breite ca. 3,5  cm. Nr.  2 (Lagen 16–18): Wappen von Amsterdam, vgl.  Churchill Nr. 1–70 (1635–1808): Wappenschild mit drei Schragenkreuzen auf einem Pfahl, darüber Bügelkrone mit Reichsapfel, seitlich Löwen als Schildhalter, Höhe ca. 10 cm, Breite ca. 9,5 cm, mit Beizeichen H. C. Holsing, Breite 9,8 cm, Höhe 1,2 cm. Lagen: III + V19/20 + VII47/48 + V67/68 + VII95/96 + V115/116 + VII143/144 + V163/164 + VII191/192 + IV207/208 + VIII239/240 + X279/280 + XIV335/336 + IV351/352 + V371/372 + (XI+2)419/[420] + VI[443/444] + (VII-2)[467/468]. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten, nur verso, bis S. 366. Paginierung von zwei verschiedenen Händen. Hand 1: S. 2–370, Hand 2: S. 371–419. Vorn zwei, hinten 24 Blätter ungezählt. Schriftraum wechselnd: 27,4 × 16,3 bis 30,5 × 17 cm. Zeilenzahl wechselnd: 33 bis 41. Liniierung des Schnittstegs blind. Überwiegend Kurrentschrift von zwei verschiedenen Händen. Hand 1: S. [1]–370, Hand 2: S. 371–418. Daneben vereinzelt zwei weitere Hände: S. 386–388, 403–405, 407. Marginalglossen von Hand 1. Als Auszeichnungsschrift vereinzelt Fraktur mit ausgezierten Anfangsbuchstaben bei Hand 1, Fraktur bei Hand 2. Fliegendes Vorsatzblatt vorn, verso: Eintrag des Besitzers Rudolph Hartmann zur Provenienz der Handschrift: Diese Chronik von Hans Dethleff ist per varios casus, per tot discrimina rerum 1860 endlich in meinen Besitz gekommen. Es ist dasselbe Exemplar, dessen Bolten in seiner Ditmarscher Geschichte Bd. I pag. 56 in der Anmerkung als Nr. 2 erwähnt. 1769 hat es Siem Peters in Kannemoor, Kirchsp(iel) Marne, besessen, wie der auf dem alten Umschlag befindliche, hinten aufgeklebte Name desselben beweist. Nach ihm 1777 Claus Peters daselbst, dessen Name auf dem Umschlags-Pergament befindlich. Von dessen Sohn Hans hat wahrscheinlich Bolten es geliehen. Als ich in den 40er Jahren nach diesem Exemplar forschte, hörte ich, dass ein Witten Carstens in […] dasselbe besessen, auf deren Auction der Kirchspielvogt Maarsen es gekauft. Als Letzterer mir dasselbe schenkte, erhob Apotheker Lessen hies(elbst) Einspruch dagegen, dem bereits der alte Maarsen es nach des Letzteren Tode vermacht hatte. Jch überredete Leesen, mir nach seinem Tode die Chronik zu vermachen, welches er auch versprach. Da fand ich dann im Jahre 1860 zufällig in der Apotheke den Knecht beschäftigt, Schachteln in ein altes Manuscript einzuwickeln, in welchem ich sogleich Bruchstücke von Hans Dethleff erkannte. Mit Leesen’s Bewilligung sammelte ich in dessen Bibliothekzimmer die bereits zerrissenen Bogen zusammen, liess sie einbinden und annectirte mir die Chronik noch vor Leesen’s Tode, indem ich ihm mit seiner schliesslichen Bewilligung einige ihm fehlende Bände von Falk’s Staatsbürgerl(ichem) Magazin dafür gab. Marne d(en) 1 December 1860 Rud(olph) Hartmann Dr. med. Ebd., IIr, S.  [1], 367: Stempel Dr. R.  Hartmann Marne. S.  367: Notiz von Rudolph Hartmann hier endigt Hans Dethleff’s Chronik.

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Neuerer Halbledereinband von 1860. Pappe. Rückentitel in Goldprägung: Hans Detleff Dithmarsische Historien. Mit dem neuen Einband ist der Buchblock um die oben genannten ungezählten Blätter erweitert worden. Vorn und hinten hellgrünes Vorsatzpapier. Buchblock beschnitten. Dreiseitiger blauer Farbschnitt. Anders als Hs 9 enthält Hs 9.7 lediglich die Ereignisdichtungen Nr. 1, Nr. 2 (V. 3–8), Nr. 9 und Nr. 12A und stimmt hierin mit Hs 9.11 überein. Auf Seite 337 setzte der Schreiber 1, ohne Wechsel der Tintenfarbe, das Verzeichnis der Landvögte bis in das Jahr 1707 fort. Die Fortsetzungen von seiner Hand zum Kapitel ‚Sturmwinde und Wasserfluten‘ Seite 367 bis 370 beziehen sich auf die Jahre 1679 bis 1713 und brechen dann ab. Der wiederholte Wechsel von Tintenfarbe und Schreibduktus zeigt an, dass diese Aufzeichnungen sukzessive gemacht wurden. Die Entstehung der Handschrift in ihrem Grundstock kann demnach auf die Jahre zwischen 1707 und 1713 datiert werden. Die Herstellung in Dithmarschen ist deshalb naheliegend, weil sich die Fortsetzungen von Schreiber 1 ausschließlich auf Dithmarschen beziehen. Die sich auf Seite 371 anschließenden Aufzeichnungen des zweiten Hauptschreibers beziehen sich auf die Jahre 1713 bis 1780. Eine Ergänzung von seiner Hand zum Verzeichnis der Landvögte Seite 338 referiert auf das Jahr 1781. Ebenfalls von Hand 2 stammt die Zueignung auf Seite 419: Chronica pro Siem Peters in Cannemohr, d(en) 10ten Marty, anno 1769. Rudolph Hartmann (1816–1893), aus einer Apothekerfamilie in Marne stammend, studierte in Kiel und Halle Medizin, wurde in Kiel promoviert und ließ sich 1841 als praktischer Arzt in Marne nieder. Neben seiner Tätigkeit als Arzt sammelte Hartmann Gegenstände aus der Dithmarscher Geschichte.116 Verzeichnisse: Im Verzeichnis von Höhnk 1926, S. 72, wird unter Nr. 5a eine andere Handschrift als diese aufgeführt. Literatur: Braak 1930, S. 12.

Hs 9.8 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 195. Papier. 422 Bll. 19,3 × 17  cm. Vor dem 4.12.1725. Dithmarschen. Hd., Nd.

116 Korth, Dietrich: Hartmann, Ernst Gotthilf Rudolph. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte von Olaf Klose / Eva Rudolph. Bd. 2. Neumünster 1971, S. 167f., hier S. 167.

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 Katalog der Überlieferungsträger

Wasserzeichen: Nr.  1 (Lage 1): Wappen von Amsterdam, ähnlich Hs  9.7 WZ 2, vgl. Churchill Nr. 1–70 (1635–1808): Wappenschild, darin ein mit drei Schragenkreuzen belegter Pfahl, darüber Bügelkrone, seitlich Löwen als Schildhalter, Höhe 8,5  cm, Breite 9,2  cm. Beizeichen: Buchstaben BB, zweikonturig, Höhe 1,4 cm, Breite 3,5 cm. Nr. 2 (Lagen 2–106): Eiche mit Blättern und Früchten, darunter Schriftzug WOLFHAGEN, Höhe ca. 8 cm, Breite 11 cm. Lagen: III + 105 II839/840. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils unten rechts. Zeitgenössische Paginierung von der Hand des Schreibers, 1–840. Vorn zwei Blätter ungezählt. Schriftraum: 14,5 × 13,7  cm. 15 Zeilen. Ab S.  677 Kolumnentitel (Jahreszahlen). Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. Ir: Besitzereintrag Jacob Hacke 1725 d(en) 4 (Decem)ber, daneben No. 59. IIv: Besitzereintrag Anno 1746 den 30. Sept(ember): habe dieses Buch von Seel. Direck Haacken in Ketelsbüttel Güterverlegung erhandelt und dafür bezahlet 2 P Lüb A. G. Hichtel. Ir: Signatur Cod. MS. S. H. 195 4to. IIv, 1, 563, 840: Stempel KIELER UNIVERSITAETSBIBLIOTHEK. Neuerer Einband, nach 1850, Halbpergament mit Pergamentecken, Marmorpapier auf Pappe. Rückentitel: Goldprägung Detlef Dithmarsische historische Relation. Rücken unten Papieretikett mit Signatur Cod. MS. S. H. 195. Vorsatzblätter vorn und hinten mit Wasserzeichen wie bei Hs 8.1, Bd. 2. Buchblock beschnitten. Dreiseitig dunkelblau gesprenkelter Farbschnitt. Verzeichnisse: Ratjen 1858, S. 4.

Hs 9.9 Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, M (3) Nr. 6. Papier. 219 Bll. 31,5 × 21 cm. 1749. Deichhausen, Dithmarschen. Nd., Hd.

Wasserzeichen: Jungfrau von Dordrecht, ähnlich Churchill Nr. 135 (1755), steigender Löwe in einem Palisadengehege, in der Rechten ein Schwert, in der Linken ein Bündel von sieben Pfeilen, rechts eine sitzende Frauenfigur, an einem Stab einen Hut haltend, über dem Löwen der Schriftzug PRO PATRIA, Höhe 10  cm, Breite 10,8  cm, Beizeichen CR mit Krone darüber, Höhe 3,5  cm, Breite 2  cm. Lagen: III + (I+2)VI + 34 III395/396 + (IV+1)[413/414]. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils unten rechts bis S. 403, nicht auf S. 390. Paginierung von der Hand des Schreibers in der Mitte des Kopfstegs, 1–405; vorn 12, hinten 4 ungezählte Blätter. Schriftraum wechselnd: 28 × 17 bis 28,5 × 19 cm. Zeilenzahl wechselnd:

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ca. 40 bis 45. Liniierung des Schnittstegs blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen und Fußnoten von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. Mit Schnörkeln ausgezierte Anfangsbuchstaben bei Überschriften. S. 371, 390 Schnörkel als Textabschluss. Ab S. 308 hochdeutscher Lautstand. IIv: Besitzereinträge [P]. Elvers und Ein Geschenk […] von Elvers an mich. Pet. Mohr. IIIr: Stempel Museum Dithmarscher Alterthümer. Neuerer Halbledereinband mit Lederecken, Marmorpapier auf Pappe. Rückentitel auf Papier: Marxen Chronica. Auf dem Rücken unten: Papieretikett mit alter, durchgestrichener Signatur D 66 A [m], wiederholt auf dem Fliegenden Blatt vorn, recto. Neueres Vorsatzpapier. Buchblock beschnitten. Dreiseitiger roter Farbschnitt. Auf Seite 390 markieren der Schnörkel am Seitenende sowie der fehlende Wortreklamant den Abschluss der Arbeit, die laut Kolophon auf IIv in den August des Jahres 1749 zu datieren ist: Anno 1749 d(en) 25ten Augusty ist diese geschriebene Cronica auf Verlangen Hans Numcke Schipper Deput. verfertiget, und geschrieben von Marx Martens Praecept(or) in Teichhausen. Die Aufzeichnungen auf den folgenden Seiten sind anhand des zeitlichen Bezugs (bis 1752) und des wechselnden Schreibduktus deutlich als Nachträge derselben Hand zu erkennen. Der Schreiber namens Marx Martens, Lehrer in Deichhausen (Büsum), hat demnach sowohl die Abschrift als auch die Nachträge im Auftrag von Hans Numcke besorgt. Der zweite Besitzereintrag auf IIv geht vermutlich auf Peter Mohr (1777–1822) zurück, der 1820 ‚Zur Verfassung Dithmarsens alter und neuer Zeit‘ veröffentlichte und darin auch Lied Nr. 11 sowie die Reimpaarreden Nr. 1 und Nr. 2 nach einer Fassung der Chronik von Hans Detleff abdruckte.117 Mohr bewirtschaftete in Wennemannswisch (Norderdithmarschen) den väterlichen Bauernhof, er betätigte sich als Dichter in niederdeutscher (und hochdeutscher) Sprache, betrieb u. a. historische und agrarwissenschaftliche Studien und war Gevollmächtigter des Kirchspiels Norderwöhrden in Norderdithmarschen.118 Verzeichnisse: Höhnk 1926, S. 72. Literatur: Braak 1930, S. 12.

117 Mohr 1820, S. 203–208, 209–212 (Teil II. Erster Nachtrag. Stellen und Lieder aus Hans Dethlefs; als einige Belegstücke zu unserer Vorfahren gesellschaftlichen Verfassung; auf die Zeit vor der Eroberung sich beziehend). 118 Vgl. Kudnig, Margarete: Mohr, Peter. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte v. Olaf Klose. Bd. 1. Neumünster 1970, S. 204.

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 Katalog der Überlieferungsträger

Hs 9.10 Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, M (3) Nr. 5. Papier. 158 Bll. 32,2 bzw. 31,5 (ab Lage 6) × 20,4 cm. 1765. [Dithmarschen]. Hd., Nd., Lat.

Wasserzeichen: Nr.  1 (Bl.  I): Buchstaben VI, Höhe 1,2  cm, Breite 3  cm. Nr.  2 (Lagen 1–5): Jungfrau von Dordrecht, ähnlich Churchill Nr. 135 (1755), steigender Löwe in einem Palisadengehege, in der Rechten ein Schwert, in der Linken ein Bündel von sieben Pfeilen, rechts eine sitzende Frauenfigur, an einem Stab einen Hut haltend, über dem Löwen der Schriftzug PRO PATRIA, Höhe 10,2 cm, Breite 11 cm, mit Beischrift C&I Honig, Höhe 1,6 cm, Breite 11,5 cm. Nr. 3 (ab Lage 6): Jungfrau von Dordrecht, Bildaufbau wie WZ Nr. 1, Höhe 10 cm, Breite 10,5 cm, mit Beizeichen MPS, Höhe 1,1 cm, Breite 5 cm. Lagen: (III+1)9/10 + (V+1)31/32 + 17 IV303/304 + 2 I[311/312]. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils unten rechts. Zeitgenössische Paginierung von der Hand des Schreibers, 1–305, beginnend auf Blatt 3 der ersten Lage; vorn zwei, hinten drei ungezählte Blätter. Schriftraum wechselnd: 27,5 × 16 bis 27,5 × 17 cm. Zeilenzahl entsprechend wechselnd: 36 bis 41. Liniierung von Bund- und Schnittsteg blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Vereinzelt Marginalglossen von derselben Hand. Keine Auszeichnungsschrift. Ir: Besitzereintrag Walther Eugenius Dührssen Dithmarsus 1859. Fliegendes Blatt vorn, recto: ältere Signatur D 63a m. IIr: Stempel Museum Dithmarsischer Alterthümer. Neuerer Halblederband mit Lederecken, Marmorpapier auf Pappe. Kein Rückentitel. Auf dem Rücken unten: Papieretikett mit älterer Signatur D [63a m]. Oben rechts auf dem vorderen Buchdeckel: jüngeres Papieretikett mit aktueller Signatur M (3) Nr. 5. Buchblock nicht beschnitten. An das Verzeichnis der Landschreiber schließt sich Seite 305 eine Datumszeile an: Ende 15/V. Anno 1683/1765. Das Jahr 1765 datiert vermutlich die Fertigstellung von Hs 9.10, das Jahr 1683 dagegen die Fertigstellung der Vorlage. Walther Eugenius Dührssen (1837–1914), aus einer Meldorfer Arztfamilie stammend, studierte Jura in Kiel und Heidelberg und war ab 1870 Amtsrichter in Mölln, später Amtsgerichtsrat. Er engagierte sich in der Heimat- und Familienforschung. Ab 1884 gab er das ‚Vaterländische Archiv für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg‘ heraus.119

119 Korth, Dietrich: Dührssen, Walther Eugenius. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches

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Verzeichnisse: Höhnk 1926, S. 72. Literatur: Braak 1930, S. 12.

Hs 9.11 Kiel, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Cp 63. Papier. 280 Bll. 31,5 × 20 cm. Zw. 1769 und 1781. [Dithmarschen]. Nd., Hd.

Wasserzeichen: Nr.  1: Jungfrau von Dordrecht, ähnlich Churchill Nr.  135 (1755), steigender Löwe in einem Palisadengehege, in der Rechten ein Schwert, in der Linken ein Bündel von sieben Pfeilen, rechts eine sitzende Frauenfigur, an einem Stab einen Hut haltend, über dem Löwen der Schriftzug PRO PATRIA, Höhe ca. 9,5 cm, Breite ca. 12 cm, mit Beizeichen CP oder GP. Nr. 2: Wappen von Amsterdam, vgl. Churchill Nr. 1–70 (1635–1808), Wappenschild mit drei Schragenkreuzen auf einem Pfahl, darüber Bügelkrone, seitlich Löwen als Schildträger, Höhe 12,2 cm, Breite 10,7 cm, mit Beizeichen CL. Lagen: III11/12 + X53/54 + III65/66 + IX101/102 + III113/114 + IX149/150 + III161/162 + IX197/198 + 209/210 III + IX245/246 + III257/258 + IX293/294 + III305/306 + IX341/342 + III353/354 + IX389/390 + III401/402 + 433/434 IX + II441/442 + VIII473/474 + IV489/490 + V509/510 + (III-1)519/520 + I521/522 + (VIII-1)551/552. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten bis S. 385 jeweils unten rechts, ab S. 386 ohne. Zeitgenössische Paginierung, 1–517; ab S. 170 oben zentriert mit Pag: vor der Zahl. Neuere Fortsetzung S. 518–552. Fehlerhafte Zählung: auf S. 33 folgt 36, auf S. 421 folgt 419 nach einer ungezählten Seite, zw. S. 517 u. 518 zwei weitere ungezählte Seiten. Schriftraum wechselnd: 27 × 14,5 bis 29,5 × 16 cm. Zeilenzahl wechselnd: 40 bis 49. Liniierung von Bund- und Schnittsteg bis S. 385. Überwiegend Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand. Auszeichnungsschrift Fraktur. Rubrizierung S. 74–76, 82. S. 552: Besitzereintrag Peter Peters Darenwurth 1781. Spiegel hinten: Besitzereintrag Peter Peters. Spiegel vorn, S. 1: Besitzereintrag (Stempel) Georg Müllenhoff Marne. Ebd.: Besitzereintrag (Stempel) L. Müllenhoff Domainenrath […] Holstein. Ebd.: Geschenk von Helene Dörffel geb. Müllenhoff Dez. 1951. Spiegel vorn: Signatur Cp 63. S. 1, 69: Stempel Landesb. Kiel. Zeitgenössischer Einband, Ganzpergament auf Pappe. Spiegel vorn mit undeutlich zu erkennendem Wasserzeichen: Jungfrau von Dordrecht, Bildaufbau

Lexikon. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte v. Olaf Klose. Bd. 1. Neumünster 1970, S. 135f., hier S. 135.

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 Katalog der Überlieferungsträger

wie WZ Nr.  1 (vgl.  oben). Buchblock beschnitten mit dunkelbraunem Sprenkelschnitt. Anders als Hs  9 enthält Hs  9.11 lediglich die Ereignisdichtungen Nr.  1, Nr.  2 (V. 3–8), Nr. 9 und Nr. 12A und stimmt hierin mit Hs 9.7 überein. Die Chronik von Hans Detleff wird in Hs 9.11 überdies um umfangreiche Aufzeichnungen zu den Jahren 1708 (S. 375) bis 1769 (S. [421a]) erweitert, darunter auch mit Nachrichten über das Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755 (S. 401–420). Mit Rücksicht auf den Besitzeintrag von 1781 (S. 552) ist die Entstehung des Manuskripts demzufolge auf den Zeitraum zwischen 1769 und 1781 zu datieren. Hs 10 Peter Sax ‚Dithmarsia‘ (Autograph) Kopenhagen, Königliche Bibliothek, Gl. kgl. Saml. 1027 2o. Papier, Pergament. 421 Bll. 33 × 21,5 cm. 1640. Koldenbüttel, Eiderstedt. Hd., Lat., Nd.

Wasserzeichen: Nr. 1: Narr, Kappe mit zwei Schellen und fünf langen Zipfeln mit Schellen, darunter Marke, darunter drei Kreise, Höhe ca. 10 cm (ähnlich Hs 9, WZ Nr.  3). Nr.  2: Wappenschild, Tartsche, mit Rollwerk, im Mittelfeld Zipfelmütze/ Kappe, darüber Krone, darunter die Buchstaben VA bzw. AV, Höhe: ca. 10,3 cm. Nr. 3: Horn mit Schnörkel und Lilien oberhalb und seitlich des zweikonturigen Bandes, darunter die zweikonturigen Buchstaben BCM, Höhe 4,7  cm. Nr.  4: Wappenschild, Tartsche, mit Rollwerk, im Mittelfeld eine stilisierte Schwertlilie, darüber Krone, darunter Marke, darunter Ligatur aus den Buchstaben HP, Höhe 12,5 cm. Lagen: Das Lagenverhältnis ist schwer zu bestimmen, da der Buchrücken in neuerer Zeit mit Makulatur verklebt wurde. Stichproben haben ergeben, dass der Buchblock aus unterschiedlich starken Lagen besteht, und zwar aus Ternionen, Quaternionen, Quinternionen und Sexternionen. Die Papierlagen wurden teils um zusätzlich eingeheftete Blätter erweitert, und zwar um kleinformatige Pergamentblätter (Bll. 19, 29, 46, 50, 53, 55, 78, 102 und 153), gedruckte Karten (Bll. 15, 146, [146a], 150, [150a]) sowie handbeschriebene kleinere Blätter (Bll. 172, 172b, 326, [326a]). Wortreklamanten jeweils unten rechts. Zeitgenössische Paginierung von 2 bis 10 auf den Blättern 11v bis 16v. Schriftraum wechselnd: 23 × 12 bis 24,5 × 13,5 cm. Zeilenzahl wechselnd: 15 bzw. 16. Liniierung des Schnittstegs blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Marginalglossen von derselben Hand. Zahlreiche, meist kolorierte Bilder: Zeichnungen auf eingehefteten Pergamentblättern mit Beschriftung von der Hand Peter Sax’

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sowie Zeichnungen auf Papierblättchen, die überwiegend auf den Schnittsteg, vereinzelt in den Text geklebt wurden. Drei eingebundene, auf Papier gedruckte Karten.120 Titel (2r) in Frakturschrift mit ausgezierten Buchstaben und Schnörkeln, in ovaler, aus einem Druck ausgeschnittener Rollwerkkartusche. Titel des zweiten Teils (152r) in rechteckiger, aus einem anderen Werk ausgeschnittener Kartusche mit Pflanzen- und Tiermotiven. Einträge von verschiedenen Händen: 2r, unten rechts: Besitzereintrag […]ielmanseg[k]. Bll. 172, 172b: Notizen zum Inhalt der Chronik. 415r: Eintrag mit Erwähnung von Johann Samuel Heistermann von Ziehlberg. 1r: Signatur Gl. k. S. Fol. 1027. Neuere Foliierung, 1 bis 416, teils fehlerhaft: auf 172 folgt 172b, auf 292 folgt 292 vor 293. 15v, 146r, [146av], 150r, [150ar]: Stempel der besitzenden Bibliothek BIBLIOTHECA REGIA HAFNIENSIS. 1r: sehr stark verschmutzt. Blätter teils beschädigt durch Wurm- oder Insektenfraß. Neuerer Einband, Halbleder, vermutlich 19.  Jh. Rückentitel, goldgeprägt: PETRUS SAX DITHMARSIA 1640. Neueres, grobes Vorsatzpapier, ohne Wasserzeichen. Spiegel vorn: Signatur Gl. kgl. Sml. 1027 – 2o und Stempel der besitzenden Bibliothek (wie oben). Buchblock nicht beschnitten. Peter Sax (1597–1662), Bauer und Chronist in Koldenbüttel (Eiderstedt), studierte in Wittenberg u. a. Jura, ließ sich 1621 in Koldenbüttel nieder und war dort ab 1630 Ratmann.121 Sax verfasste neben der vorliegenden Chronik mehrere Arbeiten zur Geschichte Nordfrieslands.122 Die Originale, die sich heute in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen befinden, hatte er Johann Samuel Heistermann von Ziehlberg (1621–1670) vermacht.123 Heistermann war ab 1651 Hof- und Kanzleirat des Herzogs von Schleswig-Holstein-Gottorf und Staller (Beamter) der Landschaft Eiderstedt.124 Nach ihm besaß ein Mitglied der Familie Kielmann von Kielmansegg die Handschrift (vgl. 2r). Vermutlich handelte es sich um den Schwiegervater von Heistermann, Johann Adolph Kielmann von Kielmansegg (1612–1676), der 1676

120 Unter anderem eine Europakarte des flämischen Kartographen Abraham Ortelius (1527– 1598). Vgl. auch weiterführende Literatur zu den Karten bei Lohmeier, Dieter: Sax, Peter. In: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte v. Olaf Klose. Bd. 4. Neumünster 1976, S. 199–201, hier S. 201. 121 Lohmeier 1976, S. 199. 122 Lohmeier 1976, S. 200. 123 Lohmeier 1976, S. 200. 124 Schindler, Wolfgang: Geschichte und Stammfolge der Familie Heistermann (Heistermann von Ziehlberg). In: Westfälische Zeitschrift – Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 158 (2008), S. 235–350, hier S. 274.

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 Katalog der Überlieferungsträger

Regierungspräsident und Kanzler des Herzogs Christian Albrecht von SchleswigHolstein-Gottorf (1641–1694) war.125 Ausgabe: Peter Sax Dithmarsia 1986. Abschrift: Hs 10.1.

1r: leer bis 1v. 2r: Titel: Dithmarschen Anno 1640. 2v leer. 3r: Beginn Teil 1. Titel: Dithmarsia, Ein nötiger Vorbericht, vnd Historische Erzehlung, deß Zustandes, im Lande Dithmarschen, Auß Latein- Teuth- vnd Jnländischen Scriptorib(us), zusammen gezogen von Petro Sax zu Coldenbüttell in Eyderstett A(nn)o C. M. DC. XL. 152r: Beginn Teil 2. Titel: Annales Dithmarsorum, zusammen gebracht, von Petro Sax zu Coldenb(üttel) in Eyderst(ett). Darin 316r: Lied mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt. Nr. 12B, T: Vmb, Vnd, in der Zeit ist dis lied gemachet, welches noch heutiges Tages in dem Lande wird gesungen. A: Hertzog Hans wol tho sinem Broder sprack: Ach Broder, leve Broder min, wat willen wi nu beginnen  … 317r E: … de vns dat nye leedtlin sang, von nien heft he idt gesungen, dat heft de grothe Reymer von Wimerstett gedahn, mit sinen langen geelen krusen Haaren. Hs 10.1 Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. SH 198 B. Papier. 137 Bll. 20,3 × 25,8 cm. Vor 1796. [Schleswig-Holstein]. Hd., Lat.

Wasserzeichen: Jungfrau von Dordrecht wie Hs  8, WZ Nr.  1, ähnlich Churchill Nr. 135 (1755). Lagen: VI11 + 2 IV27 + III33 + 2 IV49 + V59 + 7 IV115 + II119 + IV126 + (VI-5)133 + (III-3)[135]. Die fünf letzten Blätter der vorletzten Lage und die drei ersten Blätter der letzten Lage herausgeschnitten. Das letzte Blatt der letzten Lage auf den hinteren Buchdeckel geklebt. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Schriftraum wechselnd: ca. 18 × 11 bis 19 × 11 cm. Zeilenzahl wechselnd: 30 bis 35. Liniierung

125 Carstens, Carsten Erich: Kielman, Johann Adolf. In: ADB 15 (1882), S.  719f. [Onlineausgabe]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118722204.html#adbcontent (3.5.2020); Schöningh, Enno: Kielmansegg. In: NDB 11 (1977), S.  579 [Onlineausgabe]. https://www.deutsche-biographie.de/gnd129199427.html#ndbcontent. (15.3.2017); Lange 1996, S.  257. Borchling, 1900, S. 85f., verzeichnet drei Autographe von Peter Sax (Gl. kgl. Saml. 2o 1023–1025) in Kopenhagen, die aus dem Besitz eines Geheimrats v. Kielmansegg stammen, dessen Bibliothek in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Hamburg versteigert wurde. Hs 10 wird bei Borchling nicht erwähnt.

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von Bund- und Schnittsteg blind. Deutsche Kurrentschrift von einer Hand. Keine Auszeichnungsschrift. Vereinzelt Marginalglossen von derselben Hand. Ir: Signatur SH 198 B mit Bleistift. Ebd., 26r: Stempel KIELER UNIVERSITAETS BIBLIOTHEK. Vereinzelt Marginalglossen von zwei verschiedenen Händen. Jüngere Foliierung mit Bleistift, 1–133, beginnend auf dem zweiten Blatt recto; ungezählte Blätter: Ir, [124a], [134], [135]. Halbledereinband mit Lederecken, zweite Hälfte 18.  Jh. Kiebitzpapier auf Holz. Vier echte Bünde. Goldene Filete-Linien an den Rückenenden. An den Gelenken beschädigt. Rückentitel in Goldprägung PET: SAX DITMARSIA & ANNAL. DITHMAR. Auf dem Rücken unten Papierschild, 19. Jh., mit der Signatur Cod. MS. S. H. 198 B. Vorderes Vorsatzblatt mit Wasserzeichen: ähnlich Churchill Nr.  90 (1772), Doppelkreis mit Bügelkrone (Königskrone), darin ein Löwe auf einem Sockel, in der Rechten einen Stab mit Hut, in der Linken ein Bündel von sieben Pfeilen haltend, Umschrift PRO PATRIA EIUSQUE LIBERTATE, auf dem Sockel VRYHEYT, Höhe ca. 12  cm. Hinteres Vorsatzblatt mit Wasserzeichen wie oben. Buchblock beschnitten. Dreiseitiger dunkelgrüner Sprenkelschnitt. Die Handschrift wurde von Olaus Heinrich Moller (1715–1796) geschrieben; die Schreiberhand in Hs 10.1 stimmt mit derjenigen der Besitz- und Provenienzeinträge Mollers in Hs 8 (11v und 20r) überein, in deren Besitz Moller seit 1739 war. Die Einbände von Hs 8 und Hs 10.1 stammen vermutlich aus derselben Werkstatt, sie wurden an den Rückenenden mit denselben Filete-Linien verziert. Als Besitzer von Hs 8 und Hs 10.1 handelt es sich bei Moller deshalb wohl auch um den Auftraggeber der Einbände dieser beiden Handschriften.126 Verzeichnisse: Ratjen 1866, S. 426.

Hs 11 Rostocker Chroniken, ereignisbezogene Lieder und Reden u. a. Rostock, Universitätsbibliothek, Ms. Meckl. O 551–98. Papier. 570 Bll. 21,5 × 16,5 cm. 16. und 17. Jh. Norddeutschland. Nd., Hd., Lat.

126 Zu Moller vgl. Katalogeintrag zu Hs 8 und Carstens 1885, S. 128–130.

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Wasserzeichen127: Nr. 1 (Lagen 1–6): Krug mit einem Henkel, darüber Deckel mit bogenförmigen Verzierungen, darüber vierblättrige Blume, Höhe ca. 4,2 cm, sehr ähnlich Briquet Nr. 12520 (1555–1572). Nr. 2 (Lage 9): Wappenschild(?), darüber Krone, Höhe ca. 4,5 cm. Nr. 3 (Lage 9): Doppelkreis mit unleserlicher Umschrift, darüber Krone, Höhe ca. 5,5 cm. Nr. 4 (Lage 9): Wappenschild, einmal gespalten, eine Hälfte mit Rechtsschraffur, die andere ohne, Höhe 5 cm. Nr. 5 (Lage 10): Wappenschild, geteilt, oben Schnörkel, unten die Buchstaben HS, darüber Krone, Höhe ca. 6,5 cm. Nr. 6 (Lage 12): Wappenschild, viergeteilt, im 1. und 4. Feld ein Stierkopf, im 2. Feld ein Greif, im 3. Feld ein Adler, darüber die Buchstaben AV, Höhe ca. 7,2 cm. Nr. 7 (Lage 13): Wappenschild, geteilt, mit den Buchstaben RR oben und LH unten, darüber Krone, Höhe ca. 5,5 cm. Nr. 8 (Lage 14): Schere(?), Zange(?), Höhe ca. 5,5 cm. Nr. 9 (Lagen 17–18): Zwei Türme mit Zinnen und Fenstern, dazwischen zweikonturiger Torbogen, im Sockel der Buchstabe M, Höhe ca. 6,5 cm, sehr ähnlich Piccard Nr. 104259 (1622), 104260 (1623) und 104266 (1621). Lagen: 5 IV40 + (III+1)47 + II51 + III57 + VIII73 + (III+1)80 + I82 + IV90 + IX108 + IV116 + 128 VI + (IX+1)147 + 2 V167 + (II+1)172 + XII196 + XV226 + II230 + (IV+1)239 + IV247 + III253 + II257 + 3 IV281 + III287 + IV295 + (III+1)302 + (IV+2)312 + (IV+2)322 + VII336 + (II-1)339 + IV347 + 2 II355 + 4 IV387 + (I+3)392 + I394 + (II+2)400 + 2 II408 + III414 + 2 IV430 + (II+1)435 + 2 IV451 + (III+7)464 + II468 + (II+2)474 + II478 + IV486 + (III+1)493 + VI505 + 2 II513 + III519 + 8 II551 + (III+1)558 + II562 + I564 + (I+4)570. Zwischen Bl. 337 und 338 ein Blatt herausgeschnitten. Keine Lagenzählung. Überwiegend Wortreklamanten. Blätter 1–44 mit alter Foliierung auf dem Fußsteg von der Hand des Schreibers, zum Teil weggeschnitten. Schriftraum wechselnd. Zeilenzahl wechselnd. Vereinzelt Blindliniierung des Schnittstegs. Deutsche Kurrentschrift des 16. und 17. Jahrhunderts von verschiedenen Händen, überwiegend von Hand 2. Lateinschrift für lateinischen Text. Vereinzelt Fraktur als Auszeichnungsschrift. 1r: Historia Megapolitana ab anno 1305. 108v unten, senkrecht zum Schriftverlauf: Dihtmarsche sachen. 493v: Bettina Lauretta Teulgenhorst Albertina Rostock d(en) 20 Juni 1833. 83r: Federproben. Ältere lücken- und fehlerhafte Foliierung mit Bleistift, 19. Jh. Sechs vorgebundene Blätter mit einem Register, mit jüngerer Zählung I–VI, 19. Jh. Blattweiser aus Papier, 19. Jh. 1r, 2r: Stempel Ex Bibliotheca Academiae Rostochiensis, 19.  Jh. 1v, 2r: Stempel Universitätsbibliothek Rostock, 20. Jh. Neue Foliierung mit Bleistift, 2012, 1–570, beginnend 1r. Die Lagenaußenseiten zum Teil stark verschmutzt. Lage 12 stark beschädigt.

127 Berücksichtigt werden hier nur die Lagen, welche die im Inhaltsverzeichnis nachgewiesenen Texte enthalten.

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Halbledereinband mit Lederecken, Marmorpapier auf Pappe, 19. Jh. Goldgeprägter Rückentitel: Varia historica [Chronik von Rostock] 16. u. 17. Jhdt. Rücken unten die goldgeprägte Signatur Mss. Meckl. O 55. An den Rückenenden goldgeprägte Filete-Linien. Vorsatz aus Industriepapier. Vorderer Spiegel: Dieser Band soll nach Schröter (wöch. Rost. Nachr. u. Anz. 1824 S. 198) i(m) J(ahr) 1824 einen merkwürdigen Einband gehabt haben, zu dem „ein Bogen des seltenen Pergamentdruckes des Psalters von 1457 verwendet“ war. Ebd., unten: Mss. Meckl. O. 55.1–98. Auf dem hinteren Spiegel Etikett des Buchbinders: Gebunden L. A. Garbe Rostock Breite Str. 25. Buchblock nicht beschnitten. Die Handschrift besteht aus ursprünglich selbständigen Faszikeln mit niederdeutschen, hochdeutschen und lateinischen Aufzeichnungen aus dem 16. und 17.  Jahrhundert, die sich u. a. auf die Geschichte Rostocks, Mecklenburgs und des Heiligen Römischen Reiches beziehen. Die ältesten Aufzeichnungen auf den Seiten 2r bis 44r von 1558 stammen von der Hand des Rostocker Ratsherrn Valentin Gerdes (vgl. 44r). Der überwiegende Teil der Aufzeichnungen wurde im 17. Jahrhundert von der Hand eines unbekannten Schreibers gemacht (= Hand 2). Im Jahr 1740 wurde die Handschrift in der Rostocker Gelehrtenzeitschrift ‚Rostocker Etwas‘ zum ersten Mal erwähnt.128 Dort ist die Rede von „eine(m) alten Band voller geschriebener Rariteten“ in der Universitätsbibliothek.129 Noch 1824 soll die Handschrift eingebunden gewesen sein in einen Bogen eines seltenen Pergamentdruckes von 1457,130 der heute verschollen ist. Im Zuge der Reorganisation der Universitätsbibliothek ab etwa 1838131 erhielt die Handschrift in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihren heutigen Einband. Signatur, Register, ältere Stempel und Blattweiser stammen aus dieser Zeit. Die Lieder und Reimpaarreden mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt sind im 17. Jahrhundert in einem Heft aus neun ineinander gelegten Doppelblättern aufgezeichnet worden, das heute die 13. Lage der Handschrift bildet. Der Vermerk auf 108v, seine Ausrichtung und Anbringung weisen darauf hin, dass das Heft, ursprünglich eine kleine Sammelhandschrift, nach der Aufzeichnung der Texte ohne Einband abgelegt und benutzt worden ist.

128 Etwas 1740, S. 680–682. 129 Etwas 1740, S. 680. 130 Siehe Eintrag vorderer Spiegel. 131 Jügelt, Karl-Heinz: Rostock 1. Universitätsbibliothek (1. Bestandsgeschichte). In: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Hrsg. von Bernhard Fabian. Bd. 16: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg. Hrsg. von Friedhilde Krause. Mecklenburg-Vorpommern bearbeitet von Gerhard Heitz. Brandenburg bearbeitet von Ina-Maria Treuter. Register von Karen Kloth. Hildesheim / Zürich / New York 1996, S. 117–133, hier S. 129.

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Besonders hinzuweisen ist auf die Sammlung zum Teil unbekannter niederund hochdeutscher Lieder und Reimpaardichtungen mit historischem Bezug, in deren Verbund die Ereignisdichtungen über die Schlacht bei Hemmingstedt in der zusammengesetzten Handschrift Hs  11 überliefert sind. Hauptsächlich handelt es sich um Texte mit Bezug auf die Geschichte des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel im 16. und 17.  Jahrhundert, die sämtlich von Hand 2 aufgezeichnet wurden. Derselbe Schreiber war auch in Besitz der ältesten Aufzeichnungen von Valentin Gerdes, denn die Eintragungen von seiner Hand beginnen auf den von Gerdes nicht mehr beschriebenen, leergebliebenen Seiten 44v–47v der 6. Lage. Verzeichnisse: Borchling 1900, S. 190. Abdruck in Auszügen: Etwas 1740, S. 680–682. Schröter 1826, S. XIII–XVI (Beschreibung der Handschrift), S. 1–48. Literatur: Schröter 1824, S. 197–200. Krause 1873, S. 3, 9. Ders. 1875(b), bes. S. 363. Ders. 1880(a), S. IV. 

Lagen 1–6 1r: ursprünglich leer bis 1v. 2r: Rostocker niederdeutsche Chronik von 1305–1314 von Hand 1. Bis 11v. Schröter 1824, S. 201–204. 12r: Chronik von 801 bis 1484 von Hand 1. Bis 18r. Auszüge im Rostocker Etwas 1740, S. 680–682. 18r: Hinweis auf die folgende Chronik von der Rostocker Fehde: Relicto vno folio et […] amplius in eidem libro deinde erat vt sequetur. Vnd is van der Rostocker veide. 18v: Chronik von der Rostocker Fehde 1487–1490 von Hand 1. Bis 44r: Das geschribene buch, darauss ich Valentinus Gerdes der Rechtenn Doctor diese vorige Historien … hab mit meiner aigen handt geschriben, hatt mhjr … gelenet der Ersame vnnd Boscheidener Hinrick Wedeman Bürger zu Rostockh. Vnnd is geschehen Anno nach der gepurtt vnnsers lieben Hern, Heilandts vnnd ainichen Seligmachers Jhesu Christi 1558 den 13 tag des Monats July welcher war der tag Margaretæ Virginis … Darunter Nachtrag von derselben Hand: Das ander geschriben buch van der Rostcker veide darmit ich disse mein exemplar conferire och gegen ein ander vorlesen habe het mhyr geleint den mitwochen jn den Heilig(en) Pfingst(en) anno tausent funffhundert zwei vnd sechsigk, Hans Berman, mein Schwager vnd burger zu Rostock … Abgedruckt bei Krause 1880(a), S. 1–24. 44v: Spruch über die Rostocker Sieben und anderes von Hand 2. 45r: Lied mit Bezug auf den Rostocker Accisestreit von 1566 von Hand 2. Bis 47v. Krause 1875(a), S. 58–65.

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Lagen 9–11 58r: Lied mit Bezug auf den Streit zwischen Heinrich Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1564–1613), und der Stadt Braunschweig, 1607, von Hand 2. Bis 60v. Hinz 1977, S. 6–14, 106. Abschrift von einem Druck, vgl. VD17 23:310573N. Danach abgedruckt bei Hassebrauk 1901, Nr. 128. 62r: Lied mit Bezug auf den Streit zwischen Heinrich Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel, und der Stadt Braunschweig, 1607, von Hand 2. Bis 69v. 61r–61v: Melodienotation. Hinz 1977, S. 6–14. Abschrift von einem Druck, VD17 23:312383S. Danach bei Hassebrauk 1901, Nr. 130. 70r: Lied über Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1528– 1589) und die Alchimisten Philipp Sömmering (verst. 1575), Anna Maria von Ziegler (verst. 1575) u. a., von Hand 2. A (Strophe 1): Ein Edel bluet von Braunschweigk her / kom ich und bring ganz seltzam mehr / Der Newen mehr bring ich so viell / Davon ich singn und sagen will ... 80v E (Strophe 112): Den Fürsten er wünschet alleß heyll / daß er sein hertz nicht habe feyll / die buben hören an den galgen doch / Ade, biß ich mehr singen mach / Finis. 81r: Bericht über die Hinrichtung von Philipp Sömmering, Anna Maria von Ziegler u. a. 1575 in Wolfenbüttel als Betrüger, von Hand 2. Bis 81v. 82r: Reimpaardichtung mit Bezug auf das Jahr 1505 und Herzog Heinrich den Älteren von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1463–1514) sowie auf Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel und auf den Alchimisten Philipp Sömmering, von Hand 2. A: Fünffzehnhundertfünff Jahr / da hertogk Heinrich verrathen wahr … 82v E: … Ein Vogelhauß zugerichtet so guett / Jnnehalten die Feste in guter huett. Darunter das Datum: A(nn)o Dom(ini) 1574 12 Jun. Lage 12 83r: Lied von Hand 3. T: Ein Liedt welches D. Mayor soll gemacht haben Daruber er wieder zur Rochlitz Jn seine alte Herberge eingelosiret worden. 83v A (Strophe 1): Ein mahll thett Jch spatziren / Jn einen grunen waldt / Da hortt jch iubiliren / Viel voglein jung vnd altt, / Sie schrijen alleso seher / Vnd sungen mannigfaltt, / Dem lieben Gott zue ehren / Das es jm landt erschall ... 89v E (Strophe 26): … Die Vogel die herein kommen, / Da zue die Fledermauß / Die muß man auf den Sommer / doch wieder treiben hinauß / Dann [jhn] jn jhren hertzen / dartzue jn jhrem gemuth, / Gottes wortt nur ist ein schertzen / Sie lahn sich alle fretzen / Vnd glauben alle nitt. 90r, 90v leer. Lage 13 91r: Lieder und Reimreden mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500, von Hand 4. Titel: Sic sic Dithmarsi Veterem cecinere triumphum (‚So

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haben die Dithmarscher den alten Sieg besungen.‘). Nr. 1, T: Titul Wat in hundert jahren vnd nu is geschehen jn dithmarschen, dat mach men hir lesen vnd sehen Carmen. A: Alse men schreff Dusent verhundert vnd veer  … 97r E:  … dat wi vns mit ehm mögen frewen tho ewigen tyden Amen. Nr.  2, T: Ein Anderß Titul Van den dithmarschen is dit gedicht vnd ist war vnd ist ock van dem gnadenricken gulden Jahr Emblema. A: Ein sack altho lang, altho with vnd sehr vndicht … 102r E: … dinen Frede vnd ewige Selicheit. Amen. Nr. 2 Epigramm, T: Epigramma Vam gulden Jahre. A: Dat Gulden Jahr plag ahn gefahr … E: … Jn erem Vorgange glücke. 102v Nr. 8, T: Ein ander kort Carmen Na arth eines Dithmarschen dantzes Welches den gantzen handel gar kort vnd künstlich in sich begript vnd vermeldet. A: Wille gi horen einen nyen sang … 103v E: … nu hacken en de Raven de Ogen vth. Nr. 9, T: Dat verde Carmen. A: De wolgebahrne köning vth Dennemarcken reth … 104v E: … se werden der Holsten Heren. Nr. 11, T: Dat Vofte Carmen welches Selig He(rr) Andreas Bruß gemaket. A: De here heft sich erbarmet … [106v] E: … Jn fred vnd thoversicht. Nr. 12C, T: Dat Söste Pöema. A: De Hertoch sprack dem köninge tho … 107r E: … tho Aken in dem dohme. Nr. 12A, T: Dat vorige ledt vthforlig. A: De konig de sprack dem Herthoge wol tho … [108v] E: … tho Aken wohl in dem dohme. Lage 14 109r: Lied mit Bezug auf den Überfall auf die Stadt Braunschweig am 16. und 17. Oktober 1605, von Hand 2. Bis 116r. Abschrift von einem Druck, VD17 1:691879M und 23:310679P. Danach bei Hassebrauk 1901, Nr. 121. 116v leer. Lagen 17 und 18 148r: Lied mit Bezug auf den Dreißigjährigen Krieg von Hand 5. T: Ein Pfaltzischer Nachtigalen Gesang Vom betrübtem Zustandt Jhres unnd des benachbarten Böhmer Landes, auch des ganzen heiligen Reichs, erhöret vnnd auffgeschrieben von einem frommen Pfaltzer am Reinstrome, Anno 1621. 148v leer. 149r Vorrede, T: Pfaltzischer Nachtigaln Vorred. A: Bevor ich heb zu singen an / Muß ich bereiten mir die bahn … 150v E: … Wehrs aber nicht verstehen kann, / der klag sein eigen ehren an / Daß die vom Kopff zuweit [gesegt]. 150v Haupttext, T: Pfaltzischer Nachtigalen gesang. 151r A: Ach Teutsches Reich du edles Landt / durch deine tapfferkeit bekandt … 172v E: … Diß ist mein Gesang, mein Wunsch vnnd Gbeth, / Diß ist mein hulff, mein Raht, mein red. In Auszügen abgedruckt bei Becker 1904, S. 68–72.

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Hs 12 Johann Russe ‚Collectanea de rebus Dithmarsicis‘ (Auszug) Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum, M (4) Nr. 6a. Papier. 23 Bll. 21 × 16,2 cm. 1. Hälfte 18. Jh. [Hamburg]. Nd., Lat.

Wasserzeichen: Nr.  1: Sieben Provinzen, ähnlich Churchill Nr.  115 (1698) und Nr. 117 (1707), Doppelkreis mit Adelskrone, darin Wappenschild, darin Löwe mit Schwert in der Rechten und einem Bündel von sieben Pfeilen in der Linken, Höhe ca. 9 cm. Nr. 2 (Bll. 7/8–13/14): Jungfrau von Dordrecht, ähnlich Churchill Nr. 135 (1755), steigender Löwe in einem Palisadengehege, in der Rechten ein Schwert, in der Linken ein Bündel von sieben Pfeilen, rechts eine sitzende Frauenfigur, an einem Stab einen Hut haltend, über dem Löwen der Schriftzug PRO PATRIA, Höhe ca. 9 cm, Beizeichen Buchstabe P. Lagen: I3/4 + (I+4)15/16 + I19/20 + III31/32 + I35/36 + (III-1)45/46. In die zweite Lage wurde nachträglich ein Binio eingefügt (Bll. 7/8–13/14). Das letzte Blatt der Lage 6 fehlt. Keine Lagenzählung. Wortreklamanten jeweils unten rechts, Seite 6 gestrichen und ersetzt. Die alte Paginierung von der Hand des Schreibers begann ursprünglich auf der Vorderseite des ersten Blattes der Handschrift mit 9. Nachdem sie auf diesem und dem zweiten Blatt weggeschnitten und in die zweite Lage zwei weitere unpaginierte Doppelblätter eingefügt worden waren, wurde die Zählung dort von anderer Hand mit Bleistift ergänzt von 1 bis 15. Auf Seite 15 fallen alte und neue Seitenzählung zusammen. Danach folgt konsequent die alte Zählung von 16 bis 46. Schriftraum: ca. 16,7 × 12 cm. Zeilenzahl wechselnd: 33 bis 35. Liniierung von Kopf-, Fuß-, Bund- und Schnittsteg mit Bleistift. Ergänzungen auf den nachträglich eingefügten Blättern 7/8–13/14 sowie zahlreiche Marginal- und Interlinearglossen von der Hand des Schreibers mit dunklerer Tinte. Referieren passim auf einen Codex Hoyen(sis), S. 4 auf einen Codex Westphalen, S. 14 mit … de Westphalen in Coll. mon. ined. T. IV. p. 1448 … auf Westphalens Monumenta inedita, Band 4, von 1745 und S. 28 mit s. Vieth. P. 337 auf Anton Vieths ‚Beschreibung und Geschichte des Landes Dithmarschen‘ von 1733. Neuerer Halbledereinband mit Lederecken, Marmorpapier auf Pappe. Kein Rückentitel. Auf dem Rücken unten: Papieretikett mit älterer Signatur D 21. Auf dem Vorderdeckel oben links: Papieretikett mit aktueller Signatur M (4) Nr. 6a. Neuere Vorsatzblätter. Spiegel vorn, oben links: mit Rot durchgestrichene Signatur Nr. 6a, daneben mit Rot Signatur D 21. Buchblock beschnitten.

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Die Abschrift wurde von Friedrich Adolph Reinboth (gest. 1749) angefertigt132 und gelangte vor 1878 als Geschenk von Andreas Ludwig Jacob Michelsen (1801–1881), Jurist und Professor für Geschichte in Kiel,133 an ihren heutigen Standort.134 Die Evaluierung der Ereignisdichtungen Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 hat ergeben, dass ihre Vorlage nicht das Autograph von Russe (Hs  3), sondern die 1553 in Dithmarschen entstandene und seit 1648 in Hamburg aufbewahrte Abschrift davon war (vgl. Hs 4). Der Schreiber hat den Text mit den Russe-Abschriften, die Andreas Hojer (1690–1739) und Joachim Ernst von Westphalen (1700–1759) zugeschrieben werden,135 verglichen und entsprechend korrigiert und ergänzt. Terminus post quem dieses Vorgangs ist das Jahr 1745 (vgl. Glosse S. 14), terminus ante quem das Jahr 1749, in dem Reinboth verstarb. Die Entstehung der Glossen kann danach wesentlich in die Jahre zwischen 1745 und 1749 datiert werden. Dies deckt sich mit der Wasserzeichen-Datierung der nachträglich eingefügten Lage aus zwei Doppelblättern in die Mitte des 18. Jahrhunderts, welche den Nachtrag zur Reimpaarrede Nr. 1 enthält (vgl. Inhalt S. 7–14). Die Abschrift muss davor entstanden sein. Da die Vorlage Hs 4 nachweislich seit 1648 in Hamburg aufbewahrt wurde, lässt sich vermuten, dass die Abschrift Hs 12 dort entstanden ist. Reinboth war auch in Besitz des Autographs der Kollektaneen von Johann Russe (vgl.  Provenienzvermerk Hs 3). Laut Kolster soll er an den ‚Monumenta inedita‘ von Westphalen mitgewirkt haben.136 Verzeichnisse: Borchling 1900, S. 151. Höhnk 1926, S. 75. Literatur: Karsten Schröders Chronik 1878, S. 185, Anm. 1, S. 192–196. Hansen 1899, S. 3–85, bes. S. 27.

1: Lied mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt, Nr. 5. T: De A(nn)o 1500 ex cantilena Detmarsicis. A: de dytmerschen se vasten deden ere bicht … E: … Sein Levent um verlahren. (= Hansen 1899, Nr. 11)

132 Karsten Schröders Chronik 1878, S.  185; Hansen 1899, S.  27. Zu Reinboth vgl.  Carstens, Carsten: Reinboth, Friedrich Adolph. In: ADB 28 (1889), S. 6f. [Onlineausgabe]. http://www.deutsche-biographie.de/pnd143627961.html#adbcontent. (15.3.2017). – Höhnk 1926, S. 75, gibt an, der Schreiber der Handschrift wäre ein gewisser Wesselhöfft gewesen. In der Handschrift finden sich darauf keine Hinweise. 133 Bünz 2001, S. 99. 134 Karsten Schröders Chronik 1878, S. 181, 185. 135 Hansen 1899, S. 26f. Zu Westphalen: Carstens, Carsten: Westphalen, Ernst Joachim von. In: ADB 42 (1897), S. 218–221 [Onlineausgabe] https://www.deutsche-biographie.de/pnd10097841X. html#adbcontent. (3.5.2020). Zu den Abschriften von Hojer und Westphalen vgl. Katalogeintrag Hs 3. 136 Karsten Schröders Chronik 1878, S. 185.

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1: Lied mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt, Nr. 4. T: ex alia cantilena Ditmarsica cuius autor fuit Presbyter quidam. A: An einem Mandag na S. Valentien… S. 4 E: … Jn dytmarschen nimmer wedder tho kamen. (= Hansen 1899, Nr. 14) 5: Reimpaarrede mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt, Nr.  1. T: de A(nn)o 1404 ex alia cantilena Ditmarsica. A: Alse men schreeff dusend veerhundert und veer … S. 6 … Mochten se so fort mit rusten Sitten, were wohl ere Beede. S.  7: Nachträglicher Einschub des Textes von Nr.  1 nach dem Codex Hoyensis, eingeleitet S. 6 unten: Quae sequuntur ex Codice Hoyeriani fuit depromta. A: dat hefft gestaen so mannich leve Jare … S. 14 Ende des Einschubs: … dat wy uns myt om mögen vrowen to ewigen tyden. Amen. K: Exaravit Jo. Russius Theomartius in paterna domo nostrae salutis anno 1533 Kal. Januar. Russius fecit. Floreat Theomartia. S.  15: Fortsetzung des Textes nach dem Einschub: Versus sequentes ex eadem cantilena decerpta … S. 19 E: … jn dem wilden Felde vor wilden beesten und hunden. (= Hansen 1899, Nr. 15) 19: 1. Liste der Gefallenen. T: Copia einer Schrifft so witten Johanns Johann RussenVader beschreven de sülvest sosse broder und sinem Vader in dißer Schlacht mede gewesen A(nno) 1500. A: düße nageschreven Riddere und Gudemanns sind in ditmarschen alle vorschlagen in der Schlacht baven geschehen. Juncker Otto von Oldenborg ... S. 22 E: … Perde und grot gut dar gefunden word(en). (= Hansen 1899, Nr. 16) 22: 2. Liste der Gefallenen. A: düße nageschreuene Ridder und Gudemanns sind doetgeslagen in ditmerschen, do me schreff 1500 vor Hemmingstede … S.  26 E: … alle sine Büßen klein und grot. (= Hansen 1899, Nr. 18) 26: Lateinische Notiz über die Schlacht bei Hemmingstedt 1500. des so hier nafolget is dorch Jacobum Boethium den Broder des lofflicken D. Nicolai Boethy tho Weßlingburen angetekent wurden ad verbum. A: Anno milleno quingenteno … E: … Jn campo cedidit prope … derelicto. (= Hansen 1899, Nr. 42) 26: 3. Liste der Gefallenen. düße nabeschrevene wurden geslagen in ditmarschen des Mandages na S. Valenty int Jar 1500 int gülden Jahr. A: Juncker Otto … S. 28 E: … item dree Ridder uth dem Stichte Colln mit 280 Perden. (= Hansen 1899, Nr. 42) 28: A: A(nno) 1512 achte dage vor Vasteldage abende hadden se … S. 29 E: … Haec praecedentia ex Schedis Cl. Jacobi Boethy. (= Hansen 1899, Nr. 42) 29: 4. Liste der Gefallenen. T: Aliud Catalogus interfectorum A(nno) 1500. A: Detlev Bocxwoldt thor Haselborg … S. 31 E: … Ane Borger und Buren by sweren Talle Gott spare Se in der Seelen Alle. (= Hansen 1899, Nr. 27) 31: T: ex Chronica Slavorum. A: A(nno) 1404 die Oswaldi Regis Dux Gerardus  … S. 32 E: … volueribus ad devorandum relictis et devoratis. (= Hansen 1899, Nr. 19) 32: Sequentia M. Nicolaus Derek quondam Pastor Weslenburensis in membranis sacris ibidem annotavit. A: A(nno) 1499 praefectus in Hilligeland … E: … vel ipso die Policronij. (= Hansen 1899, Nr. 20)

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 Katalog der Überlieferungsträger

32: Ex membranis sacris ecclesiae Tellingstedensis descripta. A: A(nno) 1404 Dux Gerhardus interfectus est in parva Hamme … E: … qui multum insidiabatur terrae nostrae. (= Hansen 1899, Nr. 21) 32: Ex Codice ecclesiae Bockelburgianae ad verbum. A: A(nno) 1144  … S.  33  … Memoria defunctorum … E: … Edo, Lefolt, Haricke. (= Hansen 1899, Nr. 22) 33: ex libello eines Goldschmedes tho Lunden, so he mit egener Hand angetekenet hadde. A: A(nno) 1319 do worden de heren van Mecklenborg dotgeschlagen … S. 35 E:  … Jtem do wert de Meße in der kercken tho Lunden bylecht. (= Hansen 1899, Nr. 24) 35: Sequentia ex libello Johannis Roden Lundensis descripta. A: A(nno) 1148 do tog Hartwich Bischoff to Bremen mit hertich Heinrikes hülpe int Land ditmarschen … S. 41 E: … A(nno) 1475 do lag hertog Carl vor Nusse. (Hansen 1899, Nr. 25) 41: Ex vetusto codice precum cantionumque ecclesiasticarum aedis sacrae oppidi Lundensis. A: A(nno) 1436 in festo omnium sanctorum … E: … A(nno) 1492 do golt de Tonne Roggen twee Punt, de Tonne Gersten 1 gulden, de haver 14 s. (= Hansen 1899, Nr. 31) 42: Ex description M. Nicolai Mildij Pastoris Lundensis. A: A(nno) 1319 … E: … et laboribus suis 24 marcas. (= Hansen 1899, Nr. 32) 42: ex libello Domini Nicolai Vile in Weslingburen. A: Na Gades Bort achtenhundert do quam Konig Carolus … S. 44 E: … A(nno) 1542 … starf herr Nicolaus Boetii … vir egregious. (= Hansen 1899, Nr. 34) 44: Copie einer Schrifft der Broder des Closters Mergenewe. A: de de kercken tho Worden brande … S. 46 E: … A(nno) 1218 … mit dem groten Alberto. (= Hansen 1899, Nr. 37) 46: Ut enem utgeretenen Blade Magni Gunthers geschreven. A: A(nno) 1481 … E: … A(nno) 1498 … Konig Johannes Schweden. (= Hansen 1899, Nr. 39) 46: ex libello Domini Johannes Erp in Hemme. A: A(nno) 1520 … so dat de lede grote Noth [Text bricht ab]. (= Hansen 1899, Nr. 40)

3 Anhang D5 Heinrich Boger: Super novissima strage in Theomarcia elegia praecipitata (Nr. 13). [Hamburg: Drucker des Jegher, nach 17. Februar 1500]137.

137 Alte Zuordnung: Lübeck, Steffen Arndes. Vgl. hierzu: Schanze, Frieder: Inkunabeln oder

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1 Bl., einseitig bedruckt. Satzspiegel 340 × 190 mm. 72 Zeilen. Zeilen 2–69 in 2 Spalten. Type 1:92G.

Z. 1: Titel Hinrici Bogerij Theologi super nouissima strage in Theomarcia Elegia precipitata || Sp. 1, Z. 1: Perculso grauitate rei vox faucibus heret: || Mens ebet:et tremulu(m) cor stupet ecce michi. || … Endet Sp. 2, Z. 67: Cunctorum elisios animas gaudere per agros || Si dubium est:saltem molliter ossa cubent || Unter den Spalten: Gra(m)mata numeri in hoc distico dant memore(m) annu(m) domini 1.5.0.0. || Hostiles exosa vices Theomarcia:valde || Vlta suos:flexit [obu]ia tela:deo || (Titel: ‚Eilig vollendete Elegie über das jüngste Blutbad in Dithmarschen von dem Theologen Heinrich Boger.‘) Heinrich Boger stammte aus Höxter. Ab 1471 studierte er an der Universität Erfurt, wo er 1473 zum Bakkalaureus artium und 1485 zum Magister artium promoviert wurde. Boger hielt sich mehrmals in Italien auf. Dort erwarb er 1489/90 den Grad eines Doktors der Heiligen Schrift. Nach einer Lehrtätigkeit in Braunschweig kam er 1499 nach Rostock und wurde Lehrer Herzog Erichs von Mecklenburg (1483– 1508). An der Universität Rostock wurde er 1501 ehrenhalber immatrikuliert. Im selben Jahr erhielt er eine Pfründe am St. Jakobi-Stift. Bei Gelegenheit seiner letzten Italienreise als Begleiter Herzog Erichs zwischen 1502 und 1504 krönte ihn Kaiser Maximilian I. (1459–1519) in Bologna zum Poeta laureatus. Wichtigstes Zeugnis seines literarischen Schaffens ist das ‚Etherologium‘, eine Sammlung seiner zahlreichen Gelegenheitsdichtungen, die 1506 in Rostock posthum gedruckt wurde (vgl. D 7). Heinrich Boger war schon Anfang 1505 auf dem Hof der Kartäuser in Marienehe verstorben.138 Die Typen von D 5 stimmen mit den Typen von D 3 überein.139 Beide Drucke – der vorliegende mit der Elegie von Heinrich Boger (Nr. 13) und D 3 mit der Reimpaarrede Nr.  1, die die lateinische Elegie verarbeitet, – stammen demnach vermutlich aus derselben Offizin.

Postinkunabeln? In: Einblattdrucke des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Probleme, Perspektiven, Fallstudien. Hrsg. von Volker Honemann u. a. Tübingen 2000, S. 45–122. 138 Fasbender 2008, Sp. 217–219. Zur Italienreise 1502–1504 vgl. auch Krause 1882, S. 111–140. 139 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Typenrepertorium der Wiegendrucke. http://tw.staatsbibliothek-berlin.de/ma13218 (16.5.2020).

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Rostock, Universitätsbibliothek, Cf-2224(7):35140 Hsl. Streichungen und Marginalkorrekturen: Sp. 1, Z. 9 arctō] arcton, Z. 65 Bellandi] pugnādi, Sp. 2, Z. 32 strepuisse] iā nosse. Sp. 1, Z. 37 fugit] g gelöscht. Z. 72 durch Loch beschädigt. Auf der Rückseite: Klebespuren. Ebd.: Vermerk aus Fe 74 (4). Ebd.: 2 Exlibris-Stempel der besitzenden Bibliothek Ex Bibliotheca Academiae Rostochiensis und UNIVERSITATSBIBLIOTHEK ROSTOCK. Ebd.: Signatur Cf-2224(7)35 Ink. Das Exemplar wurde nachweislich nach dem 6. Juni 1520 und vor 1557 in der Kartause Marienehe zum Einbinden eines Baseler Druckes von 1516 verwendet. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurde es von dem Universitätsbibliothekar Adolph Hofmeister (1848–1904) darin aufgefunden141 und herausgelöst.142 Bei dem Trägerband mit der Signatur Fe-74(4) handelt es sich um den vierten Band der insgesamt sieben Bände umfassenden Werkausgabe des Eusebius Hieronymus (ca. 345–420). Die Bände 1–6 wurden 1516 in Basel gedruckt, der Indexband 7 im Jahr 1520.143 Sämtliche Bände tragen den Besitzvermerk der Kartause Marienehe, so Band 4, Bl. 1r, oben: Liber fr(atru)m carthusiensiu(m) dom(us) legis marie p(ro)p(te)r rostoc (‚Buch der Kartäuserbrüder in Marienehe bei Rostock‘). Die übereinstimmende Einbandgestaltung legt die Annahme nahe, dass die Bände zur gleichen Zeit und in derselben Werkstatt eingebunden wurden. Ein handschriftliches Fragment, das für den Einband von Band 1 verwendet wurde, datiert auf den 6. Juni 1520 als dem terminus post quem des Einbindezeitpunktes.144 Der Vergleich der Hieronymus-Einbände mit einem Einband, der sicher der Einbandwerkstatt der Kartause Marienehe zugeordnet werden kann,145 führt zu dem Schluss, dass

140 Neben dem Rostocker wird ein verschollenes Prager Exemplar erwähnt: VE15 B-62. Der Eintrag im Gesamtkatalog der Wiegendrucke enthält den Hinweis auf das Prager Exemplar nicht, vgl. GW 04605. 141 Krause 1881, S. 4. 142 Ein entsprechender hsl. Vermerk darüber findet sich im Trägerband Fe-74(4) auf der Deckelinnenseite, oben: Jn disem Bande früher eingeklebt: 1. Ein Blatt Hinrici Bogerii super novissma 2. Ein Blatt de novo mendo Jetzt in besondrer Mappe. 143 Omnium Operum Divi Eusebii Hieronymi Stridonensis … Basel: Frobenius, 1516–1520. (VD16 H 3482), Standort: Rostock, Universitätsbibliothek, Signatur: Fe-74. 144 Heydeck, Kurt: Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Rostock. Wiesbaden 2001. (Kataloge der Universitätsbibliothek Rostock 1), S. 345: Fragm. theol. 15. 145 Dionysius Cartusianus: In quatuor Evangelistas enarrationes, Köln: [Drucker?], 1532. Standort: Rostock, Universitätsbibliothek, Signatur: Fd-125. Dieser Band zeigt dieselben Stempel, gleich gearbeiteten Schließen und den Abdrücken zufolge die gleiche Form von Beschlägen wie der Band Fe-74(4).

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die Hieronymus-Bände nicht allein aus der Bibliothek der Kartäuser stammen, sondern auch in Marienehe gebunden wurden. Das vorliegende Exemplar hat sich demnach schon vor 1520 in der Kartause Marienehe befunden. Möglicherweise stammte es aus dem Besitz Heinrich Bogers,146 der in der Kartause verstorben war. Dies würde auch die Marginalkorrekturen erklären. Im Jahr 1557, nach der Aufhebung des Klosters durch den mecklenburgischen Herzog, Johann Albrecht I. (1525–1576), am 15. März 1552, gelangte die Bibliothek der Kartäuser an die Bibliothek von St. Marien in Rostock.147 Im Jahr 1842 wurde die Marienbibliothek von der Universitätsbibliothek Rostock erworben148 und der Einblattdruck gelangte auf diese Weise mit seinem Trägerband in die Universitätsbibliothek Rostock. Verzeichnisse: GW 04605 (mit Hinweis auf weitere Verzeichnisse). Krüger 2003, B 61. Ausgabe: Krause 1881, S. 3–24.

D6 Heinrich Boger: Super novissima strage in Theomarcia, vulgariter Dietmerschen (Nr. 13). Mit Carmen des Hermannus Buschius: De quaedam virgine etc. (Nr. 14). [Köln: Ludwig von Renchen, nach 17. Februar 1500]. 1 Bl., einseitig bedruckt. Satzspiegel 365 × 256 mm. 78 Zeilen. Zeilen 3–78 in 3 Spalten. Typen 4:93G, 8:97G. Initiale für Majuskel P, ca. 54 × 52 mm, historisiert (ein in einem gotischen Lehnstuhl am Schreibpult sitzender Gelehrter), Sp.  1, Z. 1. Rubrikzeichen Sp.  2, Z. 53. Lombarde R Sp. 3, Z. 14.

Z 1: Henrici Bogerij Theologi super nouissima strage in Theomarcia·vulgariter Dietmerschen || magne cohortis que se nuncupabat Die groit garde Elegia precipitata. || Sp. 1, Z. 1: (P12)Erculso graui‐||tate rei vox fau||cibus heret. || Mens hebet || et tremulum cor || stupet ecce mihi || … Sp. 3, Z. 4: Si dubium est·saltem molliter ossa cubent· || Z. 5: Grammata numeri in hoc distico || dant memorem annum do(mi)nu(m) Mil||lesimumquingentesimum· || Endet Z. 8: Hostiles exosa vices

146 Das nimmt auch Krüger 2003, S. 165, an, begründet diese Annahme jedoch nicht. 147 Creutz, Ursula: Bibliographie der ehemaligen Klöster und Stifte im Bereich des Bistums Berlin, des Bischöflichen Amtes Schwerin und angrenzender Gebiete. Leipzig 1988. (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 26), S. 439; Schlegel, Gerhard / Hogg, James: Monasticon Cartusiense. Bd. 2. Salzburg 2004. (Analecta Cartusiana 185:2), S. 758. 148 Jügelt 1996, S. 130.

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Theomarcia·valde || Vlta suos·flexit obuia tela·deo || Z. 10: De q(uae)dam virgine. que apud Theomar||cios patriam armis tege(n)tes.in acie pro pu||dicicia et libertate vexillu(m) tenuit.Herma(n)ni || Buschij Monasterien(sis) Carmen Z. 14: Res noua·sed lepido Musarum digna relatu || Contigit·et studijs non aliena meis· || … Endet Z. 63: Exhibuit·nati fortia ad arma viri ? || Finis. || (Z. 1–2: Titel ‚Eilig vollendete Elegie von dem Theologen Heinrich Boger über das jüngste Blutbad der großen Söldnerschar, die sich selbst ‚Die große Garde‘ nannte, in Theomarcia, zu Deutsch Dithmarschen.‘) (Sp. 3, Z. 10–13: ‚Gedicht über eine gewisse Jungfrau, die im Namen von Keuschheit und Freiheit bei den Dithmarschern, die mit Waffen ihr Land verteidigten, an der Spitze des Heeres die Fahne trug, von Hermann von dem Busche aus Münster.‘) Zu Heinrich Boger vgl. D 5. Hermann von dem Busche (1468–1534) war Angehöriger der münsterländischen Linie eines schaumburgischen, erloschenen Adelsgeschlechts, humanistischer Gelehrter, Professor für Poetik an den Universitäten Köln, Wittenberg und Marburg, außerdem Dichter von lateinischer Kasualpoetik und marianischer Lyrik. Busche kam um 1500 nach Rostock und ist dort vermutlich Heinrich Boger begegnet. Außerdem geriet er dort in einen Streit mit Tilemann Heverling (vgl. D 7), der Schmähgedichte auf Busche verbreiten ließ, was dieser einige Zeit später mit der Spottgedichtsammlung Oestrum in Tilemannu(m) Heuerlingu(m) (Roßbremse) erwiderte.149 Sein Aufenthalt in Rostock war vermutlich auch wegen dieses Streites nur von kurzer Dauer. Nach Stationen in Greifswald und Leipzig wurde er schon zum Wintersemester 1502/1503 an der neugegründeten Universität Wittenberg immatrikuliert.150

149 Vgl. VD16 B 9950. 150 Kühlmann, Wilhelm: Buschius, Hermann(us). In: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon. Hrsg. von Franz Josef Worstbrock. Bd. 1: A–K. Berlin u. a. 2008, Sp. 313–336. Laut Hofmeister (Hofmeister, Adolph [Hrsg.]: Die Matrikel der Universität Rostock. Teil II. Mich. 1499– Ost. 1611. Rostock 1891.) wurde 1501 kein Hermann von dem Busche in Rostock immatrikuliert, wie Kühlmann 2008, Sp. 314, angibt, auch nicht unter einer anderen Herkunftsangabe wie z. B. ‚Münster‘ oder ‚Diözese Münster‘. Der 1501 eingeschriebene Hermannus Martini aus der Diözese Münster (Hofmeister 1891, S. 10a) kommt nicht in Frage, da Busches Vater lt. Kühlmann 2008, Sp. 313, Burkhardt hieß. Auch eine Immatrikulation Busches in den Jahren vor und nach 1500 ist nicht in der Matrikel der Universität Rostock bezeugt.

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Brüssel, Bibliothèque Royale, Inc. C. 400 Auf dem Fußsteg Stempel der besitzenden Bibliothek BIBLIOTHECA REGIA BELGICA. Das Exemplar ist als Makulatur zum Einbinden der Inkunabel Avicenna: Canon medicinae, Padua: [Johannes Herbort], 19. August–6. September 1479151 verwendet worden. Verzeichnisse: GW 0460510N (mit Hinweis auf weitere Verzeichnisse). Literatur: Schanze 2000, S. 66f., Nr. 18 (Typenbestimmung), S. 118, Abb. 6.

D7 Heinrich Boger: Etherologium. Rostock: [Hermann Barkhusen]152, 1506. 8o 241 Bll. Foliiert ab Bl. 13 in der Form Fo. 1 bis Fo. 229, teils fehlerhaft. Kolumnentitel. Gotische Drucktype. Bl. 229 mit Zierleisten auf Kopf- und Fußsteg in Blinddruck.

Titelbl.: therologium Eximij et || disertissimi viri domini et magistri Hinrici || Boger theologie doctor(is) Ecclesie Colle||giate Sancti Jacobi Rostochiensis || Decani/no(n) minus ad legentiu(m) eru||dit(i)o(nem) q(uam) solatiu(m) ab eode(m) Jn ordi||ne(m) digestum Anno Christia||ne salutis Quinto supra || Millesimumquingen||tesimum. (‚Etherologium des ausgezeichneten und redegewandtesten Mannes, Herrn und Magisters Heinrich Boger, Doktor der Theologie, Dekan des Kollegiatstifts zu St. Jakobi in Rostock, ebenso zur Bildung der Lesenden wie auch zum Trost von demselben der Reihe nach zusammengestellt im Jahr des christlichen Heils 1505.‘) Bl. 229a, Impressum: Finis vberrimi operis Heterologij Hin||rici Boger/ quod sollicitudine (et) hortatio||ne Clarissimi viri (et) domini Nicolai Scho||maker Jn lune prepositi (et)c(etera) Jn ordinem || redactum e(st)/ Jmp(re)ssumq(ue) Rostochij Anno || salutis nostre/sexto supra millesimumquin||gentesimum.

151 GW 3117. Exemplar Brüssel, Bibliothèque Royale, Signatur: Inc. C 399. 152 Die Zuordnung geht zurück auf: Lisch, Georg Christian Friedrich: Hinrici Bogher Etherologium, Rostock 1506. In: MJbb 9 (1844), S. 480–484, hier S. 481.

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(‚Ende des Etherologiums, des inhaltsreichen Werkes von Heinrich Boger, das mit peinlicher Genauigkeit und auf Anregung des überaus ruhmreichen Mannes und Herrn Nikolaus Schomaker, des Propstes von Kloster Lüne nämlich, in eine Ordnung gebracht worden ist und gedruckt wurde in Rostock im Jahre unseres Heils 1506.‘) Enthält: Iv–IIr Empfehlungsgedichte von Caspar Hoyer, Barthold Moller, Johannes Rode und Tilemann Heverling. IIv–Xr Register. XII leer. 34r–36r Elegie mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt (Nr. 13). 229r Schlussgedicht des Verfassers, Impressum. 229v leer. Bei dem Etherologium handelt es sich um eine kaum erschlossene Sammlung von lateinischen Gelegenheitsgedichten Heinrich Bogers.153 Die Beiträger Hoyer, Moller und Heverling waren 1506 Angehörige der Universität Rostock.154 Im Sommersemester des genannten Jahres bekleidete Hoyer als Nachfolger Mollers das Amt des Rektors der Universität und Moller das Amt des Dekans der Philosophischen Fakultät.155 Johannes Rode wird in der Überschrift zu seinem Widmungsgedicht als Magister und Lübecker Kanoniker bezeichnet.156 Ein Johannes Rode aus Stadthagen war im Wintersemester 1490/91 an der Universität Rostock zum Magister artium promoviert worden157 und könnte mit dem genannten identisch sein.

153 Vgl. Fasbender 2008, Sp. 219–223. 154 Caspar Hoyer, aus Lübeck stammend am 23.4.1478 in Rostock immatrikuliert, später Doktor beider Rechte und Stadtsyndikus von Stralsund, April bis Oktober 1506 Rektor der Universität Rostock (Hofmeister, Adolph [Hrsg.]: Die Matrikel der Universität Rostock. Teil I. Mich. 1419– Mich. 1499. Rostock 1889, S. 208a, 221b, 231b; ders. 1891, S. 24). Barthold Moller: aus Hamburg stammend am 7.4.1486 immatrikuliert in Rostock, später Doktor der Theologie und Dekan des Kollegiatstifts St. Jakobi zu Rostock, 1504–1514 sechsmal Dekan der Philosophischen Fakultät u. a. im Sommersemester 1506, 1505–1530 neunmal Rektor der Universität, † 12.3.1530 (Hofmeister 1889, S. 244a, 250a, 255; ders. 1891, S. 21, 23, 26, 32, 40, 44, 47, 50, 56, 66, 74, 75, 90). Tilemann Heverling: aus Göttingen stammend am 1.5.1495 immatrikuliert in Rostock, lehrte 1501–1506 als Magister artium und Bakkalaureus der Theologie, war Rektor der Regentie Roter Löwe, las und erläuterte lateinische Dichter, bes. Juvenal, in niedersächsischer Sprache, was ihm den Spott von Hermann von dem Busche (vgl. D 6) eintrug (Hofmeister 1889, S. 276a, 284b, 293b; Krause, Karl Ernst Hermann: Heverlingh, Tileman. In: ADB 12 (1880[b]), S. 344 [Onlineausgabe]. http://www. deutsche-biographie.de/pnd137568150.html#adbcontent. (15.3.2017) 155 Hofmeister 1891, S. 23f., 26. 156 Bl. IIr: Magistri Johannis Rode Canonici Lubicen(sis) Epigramma ad lectorem. 157 Johannes Rode: aus Stadthagen, immatrikuliert im Sommersemester 1486 (Hofmeister 1889, S. 246b, 252a, 255).

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Nikolaus Schomaker, der laut Impressum die Herausgabe des Etherologiums veranlasst hatte, entstammte einer Lüneburger Patrizierfamilie. Er war seit 1494 Probst des Benediktinerinnenklosters Lüne.158 Schomaker starb am 2. Februar 1506159 und erlebte wie Boger, der etwa ein Jahr zuvor verstorben war (vgl. D 5), die Herausgabe des Etherologiums vermutlich nicht mehr. Nach Auskunft des Titeltextes ist das Etherologium 1505 noch von Boger selbst zusammengestellt worden. *Braunschweig, Stadtbibliothek, C 57 4o Titel: zeitgenössische, handschriftliche Ergänzung des E am Beginn des Titels als gotische Majuskel. Darüber die jüngeren Varianten Æ und He. Ebd.: unter dem Titel jüngere handschriftliche Ergänzung Rostochii 1506 in einer Kursive des 16. Jh. Ebd.: zwei Exlibris-Stempel der besitzenden Bibliothek STADTBIBLIOTHEK BRAUNSCHWEIG. Teils Unterstreichungen im Text sowie durch gefalzte Ecken und eingelegte Papierzettel markierte Seiten. Spätgotischer Einband, helles Leder über Holz mit Messingschließen und Blinddruck. Vorderer Buchdeckel: Streicheisenlinien, die einen Doppelrahmen um ein Mittelfeld bilden, der äußere Rahmen verziert mit abwechselnd aneinandergereihten Blüten- und Staudenstempeln, der innere Rahmen mit kleinen Blütenstempeln an den Seiten und Kreisstempeln mit steigendem Löwen darin in den Ecken, das Mittelfeld mit Granatapfelmuster aus Rautenranken und Pflanzenstempeln. Hinterer Buchdeckel: durch Streicheisenlinien gebildeter breiter Rahmen um ein Mittelfeld, der Rahmen verziert wie der äußere Rahmen des vorderen Buchdeckels, das Mittelfeld mittels Streicheisenlinien in vier Dreiecke gegliedert, in jedem ein großer Rosettenstempel. Spiegel vorn und hinten herausgerissen. Rückentitel: Kursive, 16. Jh., schwer lesbar, beginnend mit Henr. Boger […], danach die Incipits der beigebundenen Drucke. Terminus post quem der Einbandentstehung ist das Jahr 1506, in dem das Etherologium und die beigebundene Schrift Nr. 5 gedruckt wurden. Beigebundene Drucke: 1. Auisamentum de concubinarijs non absoluendis. Köln: Heinrich Quentel Erben, 1504. 4o. 6 Bll. (VD16 A 3764). Titel: hsl. Zusatz Coloniæ Ao 1504.

158 Krause, Karl Ernst Hermann: Schomaker, Nikolaus. In: ADB 32 (1891), S. 234–235 [Onlineausgabe]. http://www.deutsche-biographie.de/pnd120335492.html#adbcontent. (15.3.2017) 159 Krause 1891, S. 235.

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 Katalog der Überlieferungsträger

2. Johannes Heynlin: Resolutorium dubiorum circa celebrationem missarum occurentium. Köln: Heinrich Quentel, 1501. 4o. 24 Bll. (VD16 H 3452). Titel: hsl. Zusatz Coloniæ Ao 1501. 3. Telomonius Ornatomontanus (Tilemann vom Zierenberg): Brunsuicij Belli nouissime gesti Descriptio incipit feliciter. [Magdeburg: Brandis, 1494]. 4o. 18 Bll. (GW M28400). 4. Geschichte der Juden zu Sternberg. [Magdeburg: Simon Koch, nicht vor 24.10.1492]. 4o. 6 Bll. Titelholzschnitt. (GW M44009). 5. Van den nyge Jnsulen vnd landen so ytzundt kortliken befunden sindt dorch den koningk van Portugal. Magdeburg: Jakob Winter, 1506. 4o. 8 Bll. Titelholzschnitt. (VD16 V 932). Titel: hsl. Nachtrag Mahdeborg Ao 1506. Die handschriftlichen Glossen auf den Titelblättern der Drucke stammen von einer Hand. Auf denselben Schreiber könnte der Rückentitel zurückgehen. Zumindest handelt es sich bei beiden Schriften um die Kursive des 16. Jahrhunderts. Das Exemplar stammt aus der Bibliothek des Braunschweiger Stadtsyndikus Johann Camman d. J. (1584–1649), die sich bis zur Übernahme durch die Stadt Braunschweig in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Familienbesitz befand und mit der Gründung der Stadtbibliothek im Jahr 1861 in den Bestand derselben aufgenommen wurde.160 *Köln, Universitäts- und Stadtbibliothek, AD+S77 Titel: Nachtrag der Majuskel E mit roter Tinte im dafür ausgesparten Raum und Glossen von zeitgenössischer Hand, schleifenlose Bastarda. Ebd.: Angaben mit Bleistift B. II. 2. und 77, 19. Jh. Zeitgenössische Paginierung, beginnend mit 569, nicht konsequent, zum Teil fehlerhaft und mit jüngeren Ergänzungen. Nahezu konsequente, zeitgenössische lateinische Glossierung des Exemplars von derselben Hand wie auf der Titelseite. Zahlreiche Hervorhebungen durch Unterstreichungen im Text. Letzte Seite außerdem mit jüngerem Besitzereintrag von anderer Hand: Possidet hunc libru(m) dictus qui nomine uero Est ioannes sed Monthabur

160 Camerer, Luitgard: Braunschweig 2. Stadtbibliothek. In: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Hrsg. von Bernhard Fabian. Bd. 2.1: Niedersachsen A–G. Hrsg. von Paul Raabe. Hildesheim / Zürich / New York 1998, S. 54–64, hier S. 54f., zur Bibliothek von Camman vgl. ebd., S. 59. Zu Camman vgl. auch: Cammann, Johann, Indexeintrag. In: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd12006068X.html (3.5.2020).

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is itidem (‚Der, der mit richtigem Namen Johannes genannt wird, jedoch ebenso Monthabur, besitzt dieses Buch.‘). Neuerer Einband, Leder auf Pappe, 19. Jh. Die zahlreichen zeitgenössischen Glossen zusammen mit den Unterstreichungen deuten darauf hin, dass das Exemplar intensiv benutzt worden ist. Ein Johannes Monthabur hat nachweislich zwischen 1507 und 1524 als Kanoniker des Stiftes St. Severus in Gemünden, heute Westerwaldkreis in Rheinland-Pfalz, gewirkt161 und könnte mit dem Schreiber des Besitzeintrags identisch sein.162 *Schwerin, Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern, Ncc V 175 Titel, oben: von zeitgenössischer Hand Quid agit (‚Was es behandelt.‘). Ebd.: jüngere Angabe des Kaufpreises 36 f., geschrieben über die gesamte untere Hälfte der Seite. Ebd.: Exlibris-Stempel des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde und der Großherzoglichen Bibliothek Schwerin. Ebd.: Nachtrag des Druckers von Hand, 19. Jh., Rostock: Barkhusen 1506. Titel vergilbt. Neuerer Einband, Halbleinen, Marmorpapier auf Pappe. Rückentitel, Papieretikett: Hinrici Boger Heterologium Impressum Rostochii 1506. Auf dem Rücken, unten: Papieretikett mit Signatur Ncc V 175. Vorderer Spiegel: Vgl. Jahrbb. d. Ver. f. Mekl. Gesch. 9. 1844 S. 480. Ebd.: Verein für Meklenb. Geschichte in Schwerin; darunter von gleicher Hand: H. Boger: Etherologium Rostock: Barkhusen 1506; darunter: Signatur Ncc V 175. Fliegendes Blatt vorn, recto: Stempel Mecklenb. LANDESBIBLIOTHEK Schwerin. Ebd., verso: Stempel der Großherzoglichen Bibliothek Schwerin, wie auf dem Titel. Das Exemplar stammt aus der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und gelangte vor 1844 durch Tausch in die Bibliothek des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.163 Eingebunden wurde das Exemplar vermutlich erst in Schwerin, denn Buchdeckel und Vorsatzblätter tragen ausschließlich Benutzerspuren aus der Zeit nach dem Besitzerwechsel. Das vergilbte Titelblatt deutet darauf hin, dass das Exemplar zuvor nicht eingebunden war. Der

161 Struck, Wolf Heino: Die Stifte St. Severus in Gemünden, St. Maria in Diez mit ihren Vorläufern St. Petrus in Kettenbach, St. Adelphus in Salz. Berlin u. a. 1988. (Germania Sacra N.F. 25. Erzbistum Trier 5), S. 187. 162 Monthabur deutet auf seine Herkunft aus dem Ort Montabaur hin, der sich wie Gemünden ebenfalls im Westerwald befindet. 163 Lisch 1844, S. 480.

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 Katalog der Überlieferungsträger

Vermerk des Verkaufspreises auf dem Titelblatt und die Art und Weise seiner Ausführung stützen diese Annahme. *Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, A: 85.3 Quod. (1) Titelblatt: Ergänzung der Majuskel E zu Beginn des Titeltexts. Ebd.: Stempel der besitzenden Bibliothek HERZOG AUGUST BIBLIOTHEK WOLFENBÜTTEL. Vereinzelt Marginalglossen. Zeitgenössischer Koperteinband aus festem Kalbspergament mit Messingschließe. Dem Buchblock jeweils ein Pergament- und ein Papierblatt zum Schutz vor- und nachgebunden. Auf dem Rücken die Signatur 85.3 Quod, wiederholt auf der Innenseite des Umschlags. Auf dem vorderen Pergamentblatt recto der Vermerk Ein zweites Exemplar, das die herzogliche Bibliothek besaß, ist von Schönemann an die Großherzogl. Bibliothek in Schwerin abgegeben worden. 18. VII. 1916 (vgl.  Exemplar Schwerin). Auf dem vorgebundenen Papierblatt verso, oben: Verweis auf den Eintrag im Bücherradkatalog Pag 6940. Ebd., Mitte: Vermerk, 19. Jh., Rarissimum! Lt. ADB III, 39 soll sich nur noch ein Ex. außer diesem in Schwerin befinden. Ebd., unten: Hinweis (1–6) / (5) fehlt 1985. Deckelinnenseite hinten: Herzog August Bibliothek Restaurierungswerkstatt 1989. Bei den Pergamentblättern handelt es sich um zwei Teile einer Urkunde oder einer Urkundenabschrift von 1493 in einer Bastardaschrift. Die Rectoseite des hinteren Blattes und die Versoseite des vorderen Blattes bilden die Vorderseite des Dokuments, die Versoseite des hinteren Blattes und die Rectoseite des vorderen Blattes seine Rückseite. An den Kanten wurden die Blätter beschnitten, was zu Textverlust geführt hat. Der Text beginnt auf dem hinteren Blatt recto mit der Invocatio und dem Datum, dem 12. Oktober 1493. Aussteller des Dokuments ist eine Person namens Liborius Meyer. Es handelt sich um den aus Lübeck stammenden Liborius Meyer, der als Lizenziat beider Rechte am 1. Oktober 1477 in Rostock immatrikuliert wurde.164 Zuvor hatte er in Köln studiert und gelehrt und in Lübeck als Stadtschreiber gewirkt.165 Im Zeitraum von 1478 bis 1497 war er insgesamt viermal Rektor der Universität Rostock.166 Zusammen mit Johannes Berchmann, ebenfalls Ordinarius der Rechte an der Uni-

164 Hofmeister 1889, S. 204. 165 Liborius Meyer, in: Repertorium Academicum Germanicum (RAG). http://www.rag-online. org/gelehrter/id/2062344070. (16.9.2013) 166 Hofmeister 1889, S. 207, 245, 266, 286.

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versität Rostock, hatte sich Liborius Meyer während der Auseinandersetzungen um die Errichtung des Kollegiatstifts zu St. Jakobi in Rostock für die Interessen der Stadt Rostock eingesetzt.167 Aufgrund der Bezüge des Dokuments auf Rostock und Mecklenburg ist davon auszugehen, dass es ebendort makuliert und zum Schutz des Druckes verwendet wurde. Demnach liegt es nahe, dass sich der Besitzer des Druckes, der diesen Schutzeinband veranlasst hat, in Rostock oder zumindest in Mecklenburg aufgehalten hat. Das Exemplar bildet den ersten Teil einer buchbinderischen Einheit, zu welcher außerdem die folgenden Drucke zählen: 1. Epistola potentissimi ac invictissimi Emanuelis Regis Portugaliae et Algarbiorum etc. de victorijs habitis in India et Malacha. [Rostock: Ludwig Dietz, ca. 1513]. 4o. 4 Bll. (VD16 P 4370. Exemplar Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: A: 85.3 Quod. [2]). 2. Theodoricus Vlsenius Phrisius Medicus Vnisuersis Litterarum Patronis in Communem Peregrinationem Viaticum Sacrat. Rostock: Hermann Barkhusen, 1509. 4o. 4 Bll. Titelholzschnitt. (VD16 U 117. Exemplar Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: A: 85.3 Quod. [3]). 3. Historia de venerabili sacramento in Gustrow. [Rostock: Hermann Barkhusen], 1510. 4o. 12 Bll. Holzschnittillustration. (VD16 H 3893. Exemplar Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: A: 85.3 Quod. [4]). 4. Petri de monte artium liberalium professoris satyrae. [Deventer: de Breda], 1501. 4o. 32 Bll. (Exemplar Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: A: 85.3 Quod. [6]).168 Der Band wurde vermutlich im Jahr 1690 von der Herzog August Bibliothek erworben, denn in diesem Jahr erfolgte sein Eintrag in den Bücherradkatalog Herzog Augusts.169 Nach Ausweis dieses Eintrags enthielt der Band ursprünglich an vorletzter Stelle die folgende Druckschrift:

167 Pluns, Marko A.: Die Universität Rostock 1418–1563. Eine Hochschule im Spannungsfeld zwischen Stadt, Landesherren und wendischen Hansestädten. Köln 2007. (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte N.F. 58), S. 103. 168 Das VD16 verzeichnet diesen Druck nicht. 169 Bücherradkatalog (Kopie), Band 24, Seite 6940, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: Cod. Guelf. BA I, 322–327 KA 00–0120. Datierung des Eintrags: Katte, Maria von: Herzog August und die Kataloge seiner Bibliothek. In: Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek 1 (1972), S. 168–199, hier S. 182.

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 Katalog der Überlieferungsträger

Albert Krantz: Oratio funebris in commemoratione principis Magni Ducis Megapolensis habita Wismarie Jan. 16 Anno 1504. Antwerpen: Bac, 1504.170 Verzeichnisse: VD16 ZV 2222. Literatur: Lisch 1844, S. 480–484. Ders. 1847, S. 499f. Fasbender 2008, Sp. 219–223.

Hs 13 Papst Calixt III (1378–1458), Bulle über das Fest der Wandlung u. a. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: 15. 8. Aug. 4to. Papier. 52 Bll. 21,5 × 16 cm. Ende 15. Jh. bzw. nach 1500. [Norddeutschland]. Lat.

Wasserzeichen: Nr.  1 (Lage 1): Ochsenkopf mit Augen, darüber einkonturige Stange mit Blume, darunter Marke aus Schaft, zwei Kreuzsprossen und Dreieck, etwa wie Piccard 66221 (1459) und 66412 (1464). Nr. 2 (Lage 2): Ochsenkopf mit Augen, darüber Krone. Nr. 3 (Lagen 3, 5, 6): Ochsenkopf mit Augen, darüber einkonturige Stange mit Krone (nicht vollständig erkennbar), darunter einkonturige Stange mit Antoniuskreuz, ähnlich Piccard 68378 (1481) und 68384 (1480). Nr. 4 (Lage 3): Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange mit Schlange, ähnlich Piccard 70937 (1497). Nr.  5 (Lage 4): Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange mit Beizeichen (nicht zu erkennen). Lagen: IV8 + (VI-3)17 + V27 + (II+1)32 + VI44 + IV52. Keine Lagenzählung. Keine Reklamanten. Schriftraum: wechselnd, überwiegend ca. 15,5 × 9,5 cm, Lage 1 ca. 17,5 × 11 cm, Lage 4 ca. 17 × 12 cm. Zeilenzahl wechselnd: 40–43. Liniierung von Bund-, Schnitt-, Kopf- und Fußsteg, überwiegend mit Tinte, vereinzelt blind. Bastarda von verschiedenen Händen, z. T. schleifenlos. Handwechsel/Wechsel des Schreibduktus: 9r, 18r, 20r, 26r, 28r. Textura als Auszeichnungsschrift: 1r, 20r. Marginalglossen: 22v, 28r, 30r, 30v. Rubriziert: 4r–7r, 20r–25v, 33r–52r. Initialen: 5r, 34r. Lombarden 4r, 5v–6v, 28r, 33r, 36v, 46v, 48r. 1r, unten: alte Signatur 15.8. Ms. qu. 46v: Glosse Impressum in Bogeri Etherologio Rost. 1506 4 fol. 26–27. 48r: Glosse von gleicher Hand Jn Etherol. Fol. 27b hoc loco insertum: Quorum p(re)sidentia facinus e(st) plexu(m) cu(m) recordio anni. 20r: Marginalglosse von anderer Hand Steph. Brulefer.

170 Ein Exemplar dieses Druckes bewahrt die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen unter der Signatur 8 H MECKL 1600 auf. Im VD16 ist der Druck nicht nachweisbar.

Anhang 

 501

Neuerer Einband, Pappe. Vorgebundenes Register und neuere Foliierung, 19. Jh. Deckelinnenseite vorn, oben: constat foll LII. Ir, oben: Olim 74. 6 Theol. 4to von der gleichen Hand wie das Register. Bl. 1r, 7v, 9r, 52v: Stempel BIBLIOTHEK ZU WOLFENBÜTTEL. Buchblock beschnitten. Die Handschrift besteht aus mehreren ursprünglich selbständigen Faszikeln, wie der Zusammenfall von Text- und Lagengrenzen zeigt sowie der Wechsel der Hände bzw. des Schreibduktus und des Papiers jeweils zu Beginn einer neuen Lage (ausgenommen Lage 6). Die Faszikel sind teils als kleine Sammelhandschriften anzusprechen. Faszikel 4 versammelt drei Texte zum Blutwunder in Wilsnack. Faszikel 5 enthält Texte von Heinrich Boger. Darunter befindet sich auch eine Abschrift der lateinischen Elegie mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt im Jahr 1500 (Nr. 13). Die Entstehung dieses Teils der Handschrift kann demnach sicher in die Jahre nach dem genannten Ereignis datiert werden. Die Handschrift war ursprünglich angebunden an folgende Inkunabel: Franciscus de Mayronis: Sermones de sanctis, Basel: Jacobus de Pforczen, 1498.171 Diese ist eingebunden in einen spätgotischen Ledereinband mit Eckbeschlägen und Schließen aus Messing sowie Blinddruck-Verzierungen. Die Buchdeckel zeigen einen Doppelrahmen aus Streicheisenlinien um ein Mittelfeld. Im äußeren Rahmen wechseln Rosetten- und Staudenstempel, den inneren Rahmen schmücken kleine Blütenstempel und das Mittelfeld ein Muster aus Rautenranken und Staudenstempeln. Die verwendeten Einzelstempel sind identisch mit denen des Braunschweiger Exemplars von D 7. Hinzu kommt eine große Ähnlichkeit der Messingschließen. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass die Inkunabel zusammen mit Hs 13 und das genannte Exemplar des Etherologiums (D 7) in derselben Buchbinderwerkstatt eingebunden wurden. Um das Jahr 1635 gelangte die Handschrift zusammen mit dem Trägerband in die Bibliothek Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1579–1660). Aus dieser Zeit stammt der Eintrag des Trägerbandes in den Bücherradkatalog von der Hand des Herzogs.172 Die buchbinderische Einheit bestand nachweislich noch bis 1841.173 Verzeichnisse: Heinemann 1900, S. 193f. (Nr. 3070).

171 GW M22461, mit anderer Bezeichnung des Druckers: Jakob Wolff. Standort: Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: 74.6 Theol. 172 Bücherradkatalog (Kopie), Band 10, Seite 2742, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: Cod. Guelf. BA I, 322–327 KA 00–0120. Datierung und Hand des Eintrags: Katte 1972, S. 180. 173 Schönemann, Karl P. C.: Nachträge zur Geschichte der Buchdruckerkunst in Meklenburg. Teil B. In: MJbb 6 (1841), S. 195–198, hier S. 195.

502 

 Katalog der Überlieferungsträger

Die Inhaltsangabe erfolgt nach dem Katalogeintrag bei Heinemann.174 Sie weicht nur mit dem Nachweis der Ereignisdichtung Nr. 13 und in der Gliederung nach Einzelfaszikeln von diesem ab. Faszikel 1 1r: Calixti III pape bulla super festo transfigurationis. d. d. Rome, 1457. Aug. 6. Bis 4r. 4r: Legenda de eodem festo. Bis 5v. 5v: Historia sive cantus de eodem festo. Bis 6v. 6v: Missa de eodem festo. Bis 7r. 7v: leer bis 8v. Faszikel 2 9r: Dicta Sibyllarum. 10r: Donatus theologus. Faszikel 3 18r: De interdicto auctoritate apostolica in diocesi Mindensi lato et posito confutatio quorundam dubiorum iuris. Bis 19r. 19r: Item de interdicto in oppido Brunswicensi lat. 10v: Unterschrift Doctor T. Brandenb. prepositus. Bis 19v. 20r: Stephani Brulefer positio decem propositionum, an persone in divinis sint depingende, ut usus habet, et que personarum sit depingibilis. Bis 25v. Gedruckt: Stephanus Brulefer: Opuscula theologica. Paris: André Bocard [für Jean Petit], 24.4.1500, Bl. 18b ff.175 26r: Articuli oblate episcopo Havelbergensi per dominos doctors in theologia magistrum Hinricum Tage (Toke) et magistrum Hinricum Zolte nomine archiepiscopi Magdeburgensis anno Domini mo.coccc.xlvi. Bis 27r. Faszikel 4 28r: Confutatio articulorum precedentium (contra adorationem sacri cruoris in Wilsnack promulgatorum) per Matthiam Doringh doctorem. Bis 31v.

174 Heinemann, Otto: Die augusteischen Handschriften. Teil: 4: Codex Guelferbytanus 77.4 Aug. 2° bis 34 Augusteus 4°. Wolfenbüttel 1900, S. 193f. 175 GW 05587.

Anhang 

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31v: De concursu hominum in Wilsnack, auctore reverendo patre, sacre theologie doctore Erfordensi, ordinis s. Augustini, Johanne Dorsten. Bis 32r. 32r: De eodem negotio sive concursu, auctore Jacobo de Juterbok Carthusiensi (excerptum ex eisudem tractatu de erroribus et moribus Christianorum). Bis 32v. Faszikel 5 33r: Hinrici Bogher, atrium et philosophie magistri, academie Erfordensis alumpni, in degradation domini Petri Denen, sacrilegi maximi, ad clerum fieri destinata sed ex causa ad populum Rostochii dedneta oratio. Bis 46r. 46v: Eiusdem H. Bogheri in faciuerosos Judeos Sternebergenses supradicti sacrilegii principales auctores, acris invectiva. Bis 48r. 48r: Eiusdem carmina aliquot. Bis 48v. 48v: Eiusdem laus roseae guttae sanguinis Christi in ecclesia Zwerinensi recondite. Bis 49v. 49v: Lateinische Elegie mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt (Nr.  13). T: Henrico flexore tue nu(n)c judici laudis jnsons luctisone sa(n)guis adesto (chris)ti. A: Eiusd(em) Henrici bogerij theology sup(er) strage in theomarcia elegia p(re)cipitata. / Perculso grauitate rei vox faucib(us) heret … E: … Gramata numeri in hoc distico da(n)t / memore(m) annu(m) d(omi)ni 1500. / Hostiles exosa vices theomarcia valde / Vlta suos: flexit obuia tela deo. Bis 52r. 52v leer.

Verzeichnisse Abkürzungsverzeichnis Bl./Bll. Blatt/Blätter Gf. Graf H. Hälfte Hd. Hochdeutsch Hl. Heiliger/Heilige hsl. handschriftlich Hzg./Hzgn. Herzog/Herzogin K Kolophon Kg. König Ks. Kaiser Lat. Lateinisch Mgf. Markgraf Mnd. Mittelniederdeutsch Nd. Niederdeutsch Str. Strophe T Titeltext V. Vers WZ Wasserzeichen Z. Zeile

https://doi.org/10.1515/9783110652888-008

506 

 Verzeichnisse

Abgekürzt zitierte Literatur ADB ASnA

BC

BMC DWB EÜ GhdA

GW GAG KdiH

Lil. LMA MGG

MJbb Mnd. Hwb.

MTU NDB NdJb OBST RL

TPMA

Allgemeine deutsche Biographie. Hrsg von der Historischen Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften. 56 Bde. Leipzig 1875–1912. Peters, Robert / Fischer, Christian / Nagel, Norbert: Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete. Band 1: Einleitung und Karten. Berlin / Boston 2017. Borchling, Conrad / Claussen, Bruno: Niederdeutsche Bibliographie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800. Bd. 1: 1473–1600. Neumünster 1936. Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Museum (BMC). Part 2: Germany, Eltvil–Trier. Edited by Alfred W. Pollard. Londen 1912. Grimm, Jacob / Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961. Nachdruck München 1984. (dtv 5945) Einheitsübersetzung der Bibel Genealogisches Handbuch des Adels. Adelslexikon. Hrsg. von der Stiftung Deutsches Adelsarchiv. Bearbeitet unter Aufsicht des Deutschen Adelsrechtsausschusses. 158 Bde. Limburg/Lahn 1951–2015. Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW). Staatbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz [Onlineausgabe]. http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de. Göppinger Arbeiten zur Germanistik Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters. Begonnen von Hella Frühmorgen-Voss. Fortgeführt von Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann und Gisela Fischer-Heetfeld. Bd. 3. Lieferung 3: 26. Chroniken. München 2000. Liliencron, Rochus von (Hrsg.): Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert. 4 Bde. Leipzig 1865–1869. Lexikon des Mittelalters. Studienausgabe. 9 Bde. Stuttgart / Weimar 1999. Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Begründet von Friedrich Blume. 2., neubearb. Ausgabe. 24 Bde. Kassel u.a. 1994–2008. Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Mittelniederdeutsches Handwörterbuch. Begr. von Agathe Lasch und Conrad Borchling, fortgef. von Gerhard Cordes und Dieter Möhn, hrsg. von Ingrid Schröder. Neumünster 1956ff. Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters Neue deutsche Biographie. Hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1953ff. Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung (Niederdeutsches Jahrbuch) Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie Weimar, Klaus / Fricke, Harald / Müller, Jan-Dirk (Hrsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Unter Mitarbeit von Georg Braungart, Klaus Grubmüller und Friedrich Vollhardt. 3 Bde. Berlin / New York 2007. Thesaurus proverbiorum medii aevi. Lexikon der Sprichwörter des romanischgermanischen Mittelalters. Hrsg. vom Kuratorium Singer der Schweizerischen



Abgekürzt zitierte Literatur 

VD16

VD17

VE15

VL

2

ZfdA ZfdPh

 507

Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Begründet von Samuel Singer. 13 Bde. Berlin u.a. 1995–2002. Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts. 25 Bde. Hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Stuttgart 1983–2000. http://vd16.de. Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts. Hrsg. von der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, der Bayerischen Staatsbibliothek in München und der Staatsbibliothek Berlin. http://www.vd17.de. Eisermann, Falk: Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. VE 15. 3 Bde. Wiesbaden 2004. Ruh, Kurt / Wachinger, Burghart (Hrsg): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler, fortgeführt von Karl Langosch. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil, Werner Schröder, Burghart Wachinger, Franz Josef Worstbrock. 2., völlig neu bearb. Aufl. 14 Bde. Berlin / New York 1978–2008. Zeitschrift für deutsches Altertum Zeitschrift für deutsche Philologie

508 

 Verzeichnisse

Literaturverzeichnis Ahrend, Hinrich: Die historische Ballade. Ein Forschungsbericht. In: Geschichtslyrik. Ein Kompendium. Hrsg. von Heinrich Detering / Peer Trilcke, unter Mitarbeit von Hinrich Ahrend / Alena Diedrich / Christoph Jürgensen. Bd. 1. Göttingen 2013, S. 240–250. Akzessionsjournal 1910/I, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abt. Historische Drucke. (handschriftlich) Alpers, Paul (Hrsg.): Alte niederdeutsche Volkslieder mit ihren Weisen. Gesammelt und mit Anmerkungen versehen von Paul Alpers. 2., stark veränderte Aufl. Münster 1960. Anckelmann, Theodor: Inscriptiones antiquissimae et celeberrimae urbis patriae Hamburgensis. Heidelberg 1663. von Arnim, Achim / Brentano, Clemens (Hrsg.): Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder. 3 Bde. Heidelberg / Frankfurt a. M. 1806–1808. Arnold, Klaus: Quellenkritik. In: Lexikon der Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe. Hrsg. von Stefan Jordan. Stuttgart 2002, S. 255–257. Auge, Oliver: Mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichtsschreibung als verlängerter Arm der Politik? Eine Spurensuche bei Ernst von Kirchberg, Albert Krantz und Nikolaus Marschalk. In: MJbb 123 (2008), S. 33–60. Baltrusch, Ernst: Herodes. König im Heiligen Land. Eine Biographie. München 2012. Barbarics-Hermanik, Zsuzsa: The coexistence of manuscript and print: Handwritten newsletters in the second century of print: 1540–1640. In: The book triumphant. Print in transition in the sixteenth and seventeenth centuries. Leiden u.a. 2011. (Library of the written word 15: The handpress world 9), S. 347–368. Barth, Hans-Martin: Heilige/Heiligenverehrung (III. Dogmatisch, 3. Evangelisches Verständnis). In: Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. Hrsg. von Hans Dieter Betz u.a. Tübingen 2000, Sp. 1544f. Baum, Hans-Peter: Böttcher. In: LMA 2 (1999), Sp. 490–492. Beck, Wolfgang: Deutsche Literatur des Mittelalters in Thüringen. Eine Überlieferungsgeschichte. Stuttgart 2017. (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Beihefte 26) Becker, Julius: Über historische Lieder und Flugschriften aus der Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät der Landes-Universität Rostock. Rostock 1904. Beckers, Hartmut: Die Erforschung der niederdeutschen Literatur des Mittelalters. In: NdJb 97 (1974), S. 37–60. Beckers, Hartmut: Mittelniederdeutsche Literatur – Versuch einer Bestandsaufnahme. Teil I. In: Niederdeutsches Wort 17 (1977), S. 1–58. Teil II. In: Niederdeutsches Wort 18 (1978), S. 1–47. Teil III. In: Niederdeutsches Wort 19 (1979), S. 1–28. Beckers, Hartmut: Dat Narrenschyp. In: 2VL 6 (1987), Sp. 863–865. Beeck, Hans: Die Chronik von Windbergen. Rendsburg 1956. Beifuss, Helmut: Politische Lyrik – Dichter zwischen Propaganda und Selbstdarstellung. Die deutschsprachige Auseinandersetzung des 15. Jahrhunderts mit den Hussitenkriegen als Fallbeispiel. In: Böhmen als ein kulturelles Zentrum deutscher Literatur. Hrsg. von Petra Hörner. Frankfurt a. M. 2004. (Deutsche Literatur in Mittel- und Osteuropa. Mittelalter und Neuzeit 3), S. 63–107.

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Register Personenregister Das Register verzeichnet die Namen von sämtlichen in der Arbeit genannten historischen Personen und literarischen und biblischen Gestalten mit Ausnahme der Autorinnen und Autoren der Forschungsliteratur sowie der Drucker, sofern diese lediglich in der bibliographischen Angabe älterer Drucke genannt werden und nicht darüber hinaus. Die Schreibung der Namen und die Angabe der Lebensdaten richtet sich nach den einschlägigen biographischen Lexika (vgl. Teil 2: ‚Katalog der Überlieferungsträger‘, 1.3). Können Personen nicht auf diese Weise nachgewiesen werden, so wird ihr Name nach der in den Quellen belegten Schreibung kursiviert wiedergegeben; wenn möglich, wird eine Datierung und Lokalisierung nach dem Quellenbefund vorgenommen. Bei Personen oder Figuren, die in den Hemmingstedter Ereignisdichtungen genannt werden, wird hier durch Fettdruck der Seitenzahl auf den jeweiligen Eintrag im Glossar (Teil 2: ‚Edition‘, 3.2) verwiesen. Nicht aufgenommen sind die Namen, die in der Gefallenenliste der Reimpaardichtung Nr. 7 aufgeführt sind. Abel 233 Achatius, Hl. 350 Achtundvierziger (Dithmarschen) 120, 379, 381f., 384, 386, 427 Adam von Bremen (gest. nach 1081) 435 Adolf I., Gf. v. Holstein (gest. 1128) 381 Adolf I., Hzg. v. Schleswig-Holstein-Gottorf (1526–1586) 199, 461 Adolf VIII., Hzg. von Schleswig, Gf. von Holstein (gest. 1459) 438 Aegidius, Hl. 350 Ahlefeldt, Hans von (gest. 1500) 384 Akademischer Buchbinder (Rostock, 15. Jh.) 410 Albrecht II., Hzg. v. Mecklenburg (1318–1379) 104, 421 Albrecht III., Hzg. v. Mecklenburg, Kg. v. Schweden (gest. 1412) 105 Albrecht VII., Hzg. v. Mecklenburg (1486–1547) 105, 245, 421 Albrecht, Hzg. v. Sachsen, Mgf. v. Meißen (1443–1500) 385 Alexander VI., Papst (1431–1503) 231 Alfred, Gf. v. Oldenburg-Delmenhorst (gest. 1500) 384, 389 Anselmus, Hl. 425 Ansgar, Ebf. v. Hamburg-Bremen (um 801–865) 441 https://doi.org/10.1515/9783110652888-009

Aristoteles (384–322 v. Chr.) 424 Arnim von Boitzenburg, Hans Georg (gest. 1641) 361 August der Jüngere, Hzg. v. BraunschweigLüneburg-Wolfenbüttel (1579–1660) 501 Augustinus (354–430) 426 Avicenna (gest. 1037) 493 Barbara, Hl. 350 Balhorn, Johann, d. Ä. (gest. 1573) 77, 390 Balthasar von Esens (gest. 1540) 445 Bauernfeind (15. Jh.): 40f. Beatrix, Gemahlin Ks. Ottos IV. (gest. 1212) 434 Beheim, Michel (gest. ca. 1474/78) 86 Berchmann, Johannes (Rostock, 2. H. 15. Jh.)  498 Berman, Hans (Rostock, 16. Jh.) 482 Bernhardinus, Naamannus (Dithmarschen, 17. Jh.) 462 Billugh, Kg. der Obotriten 104 Blasius, Hl. 350 Böckmann, Peter Matthias (Meldorf, 18./19.Jh.) 459 Boete, Hinrich (Bremen, 17. Jh.) 446 Boetius, Jacob (Wesselburen, 1. H. 16. Jh.)  119, 432, 487 Boetius, Nicolaus (Wesselburen, 1. H. 16. Jh.)  432, 487f.

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 Register

Boie, Nicolaus der Ältere (gest. 1542) 433 Boie, Nicolaus der Jüngere (gest. 1542) 432f. Boger, Heinrich (gest. 1505) 54, 58, 65, 100, 106f., 179, 190f., 199, 243f., 258, 387, 392, 399, 412, 489–495, 497, 500f., 503 Böhm, Franz (16. Jh.) 445 Bolten, Johann Adrian (1742–1807) 66, 111–113, 117–121, 140, 464, 470 Bonifatius VIII., Papst (1235–1303) 216 Borcholt, Johan (Hamburg, 16. Jh.) 429 Bote, Hermann (um 1460–ca. 1520) 60 Boye, Christianus (Dithmarschen, 16. Jh.) 462 Boye, Johannes (Dithmarschen, 17. Jh.) 462 Bremer Schottherren (16./17. Jh.) 308, 442–444 Brulefer, Stephanus (gest. 1499) 500, 502 Bruhn, Jacobus (Dithmarschen, 17. Jh.) 462 Bruhn, Nicolaus (Dithmarschen, 17. Jh.) 461f. Brus, Andreas (Büsum, 16. Jh.) 54, 64, 130, 343, 348, 453, 461f., 484 Buchen, Harmanus (Bremen, 16. Jh.) 444 Busche, Hermann von dem (um 1468–1534) 54, 59, 399, 491f., 494 Busse von Erxleben 22, 61 Calixt III., Papst (1378–1458) 500, 502 Camman, Johann, d. J. (1584–1649) 496 Carstens, Nicolaus (Lüneburg, 16. Jh.) 434 Cassel, Johann Philipp (1707–1783) 419, 443 Claesen, Nicolaus (Heide, 17./18. Jh.) 455 Clemens VI., Papst (1292–1352) 232 Cloelia 396 Christian I., Kg. v. Dänemark, Hzg. v. Schleswig, Gf./Hzg. v. Holstein (1426–1481) 53, 180, 195, 198, 332, 379, 381, 383, 384, 386, 431 Christian II., Kg. v. Dänemark, Hzg. v. Schleswig und Holstein (1481–1559) 135, 331, 389 Christian IV., Kg. v. Dänemark, Hzg. v. Schleswig und Holstein (1577–1648) 135f. Christian V., Kg. v. Dänemark, Hzg. v. Schleswig und Holstein (1646–1699) 461 Christian Albrecht, Hzg. v. SchleswigHolstein-Gottorf (1641–1694) 478 Christoph, Ebf. v. Bremen (1487–1558) 198

Christophorus, Hl. 350 Creisbachius, Johannes (Dithmarschen, 16. Jh.) 462 Cyriacus, Hl. 350 Dahlmann, Friedrich Christoph (1785–1860) 55f., 121, 144f., 160, 427, 451f., 459 Däne, Peter (gest. 1493) 503 Dänen 385 Detleff, Hans (um 1600 – vermutl. 1659) 55, 112f., 115–118, 120f., 130–133, 135f., 139–143, 150, 183, 214f., 309, 319, 330f., 333, 340, 347, 358, 360, 371, 399, 458f., 463–465, 468–471, 473, 476 Detlev Bocxwoldt thor Haselborg (gest. 1500)  487 Dietrich von Bern 390 Dionysius von Paris, Hl. 350 Dithmarschen 385, 425 Dominikus, Hl. 424 Dörffel, Helene (20. Jh.) 475 Döring, Matthias (gest. 1469) 502 Dorsten, Johannes von (1435–1481) 503 Dührssen, Walther Eugenius (1837–1914) 474 Dyck, Nicolaus (Wesselburen, 1. H. 16. Jh.)  119, 430, 487 Eggen, Waldemar von (Hamburg, 19. Jh.) 467 Elvers (18./19. Jh.) 473 Erasmus, Hl. 350 Erich, Hzg. v. Mecklenburg (1483–1508) 489 Erich IV., Kg. v. Dänemark (1216–1250) 442 Ermenrîk 390 Ernst von Kirchberg (14. Jh.) 53, 99, 103, 145, 243, 420–422 Erp, Johann (Hemme, 1. H. 16. Jh.) 119, 432, 488 Eusebius, Sophronius Hieronymus (ca. 345–420) 490 Fink, Johann (Büsum, 16 Jh.) 129, 347 Fontane, Theodor (1819–1898) 56 Franciscus von Meyronnes (ca. 1288–1327/28) 501 Friedrich I. (Barbarossa), Ks., dt. Kg. (gest. 1190) 378, 432 Friedrich I., Hzg. v. Schleswig und Holstein, Kg. v. Dänemark (1471–1533) 52, 267, 278, 283, 286, 299, 379, 385, 386, 389, 460

Personenregister 

Friedrich II., Hzg. v. Schleswig und Holstein, Kg. v. Dänemark (1534–1588) 199, 461 Friedrich III., Ks., dt. Kg. (1415–1493) 53, 379 Friesen 385 Fulco, Kanoniker 425 Garbe, L. A. (Rostock 19. Jh.) 481 Gazert, I. E. (Büsum, 19. Jh.) 452 Georg, Hl. 205, 350 Gerdes, Valentin (Rostock, 16. Jh.) 481f. Gerhard III., Gf. v. Holstein, Hzg. v. Schleswig (um 1292–1340) 106 Gerhard VI., Gf. v. Holstein, Hzg. v. Schleswig (gest. 1404) 184, 194, 349, 352, 381, 385, 386f., 488 Gholtsmyt, Reymer (Lunden, 1. H. 16. Jh.) 119, 431, 488 Griebel, Anton Christian Friedrich (1782–1855) 451f. Groth, Klaus (1819–1899) 56 Grove, Heinrich (gest. 1451) 431 Große Garde (um 1500) 52, 54, 137f., 185, 187–190, 193, 196, 217f., 221, 228f., 232f., 247f., 250, 252, 254f., 267f., 272, 274, 281, 285, 294, 296, 299–301, 310, 313, 315, 322, 325–327, 332, 336f., 352, 360–363, 370, 372f., 375–378, 380, 385, 386, 388, 391, 432, 460, 491f. Grüninger, Johann (um 1455 – um 1533) 409 Haacken, Direck (Ketelsbüttel, 18. Jh.) 472 Hacke, Jacob (Dithmarschen, 18. Jh.) 472 Hans van Herpen 285f., 385 Hans (Johann) I., Hzg. v. Schleswig und Holstein, Kg. v. Dänemark (1455–1513) 52f., 95, 106, 125, 134, 180f., 186f.,193, 195, 198, 219f., 254, 267, 271, 274, 278, 280, 283, 286f., 292, 294, 299, 309, 311, 313f., 325f., 332, 335, 342, 363, 378–382, 384f., 386, 387–389, 391, 406, 410, 412, 432, 460, 478, 488 Hardenberg, Albert (um 1510–1574) 308, 445 Harms, Ch. H. L. (Hamburg, 19. Jh.) 467 Hartmann, Rudolph (1816–1893) 140, 470f. Hartwig I., Ebf. v. Bremen (vor 1118–1168) 488 Hebbel, Christian Friedrich (1813–1863) 56 Hein, Johan (Dithmarschen) 447

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Heynlin, Johannes (um 1428/31–1496) 496 Heinrich II. (der Eiserne), Gf. v. Holstein (gest. ca. 1384) 386 Heinrich II. (der Löwe), Herr von Mecklenburg (um 1266–1329) 106 Heinrich V., Hzg. v. Mecklenburg (1479–1552) 105f., 245, 421 Heinrich, d. Ä., Hzg. v. BraunschweigLüneburg-Wolfenbüttel (1463–1514) 483 Heinrich Julius, Hzg. v. BraunschweigLüneburg-Wolfenbüttel (1564–1613) 483 Heinrich der Löwe, Hzg. v. Bayern und Sachsen (1129/30–1195) 434 Heistermann von Ziehlberg, Johann Samuel von (1621–1670) 477 Hemerling, Harmen (Bremen, 17. Jh.) 446 Henning (Lunden, 16. Jh.) 414 Hennings, Georgius (Dithmarschen, 16. Jh.) 462 Hermen, Zisterziensermönch 425 Herodes 341f. Heverling, Tilemann (gest. nach 1506) 492, 494 Hichtel, A. G. (Dithmarschen?, 18. Jh.) 472 Hiskija, Kg. v. Juda 219 Hoffman, Hinech (Dithmarschen?, 17./18. Jh.?) 463 Hoffman, Johann (Dithmarschen?, 17./18. Jh.?) 463 Hofmeister, Adolph (1848–1904) 490 Hoft von dem Busche 286, 386 Hojer, Andreas (1690–1739) 264, 428, 486 Holm, Carsten (Heide, 16. Jh.) 134, 138, 325–327, 386, 387, 389 Holsten 387 Holting, Dirck (Tellingstedt, 15./16. Jh.)  429 Hornburg, Lupold (1. H. 14. Jh.) 46 Hoyer, Caspar (Rostock Ende 15./Anfang 16. Jh.) 494 Hübbe, Ulrich (geb. 1805) 436 Isebrandt, Wulf 134, 137, 141, 325, 327, 387, 389 Joannes (Husum?, Anf. 16. Jh.) 414 Johann I., Hzg. v. Mecklenburg (gest. 1392/93) 105

538 

 Register

Johann III., Gf. v. Holstein-Kiel (ca. 1297–1359) 441 Johann Adolf, Hzg. v. Schleswig-HolsteinGottorf (1575–1616) 449 Johann Albrecht I., Hzg. v. Mecklenburg (1525–1576) 491 Johann der Ältere, Hzg. v. Schleswig-Holstein (Hadersleben) (1521–1580) 199 Josua 205, 220, 233 Judith 396 Julius, Hzg. v. Braunschweig-LüneburgWolfenbüttel (1528–1589) 483 Julius II., Papst (1443–1513) 232 Jungfrau mit dem Banner 196, 220, 227, 232, 387, 492 Jüterbog, Jakob von (1381–1465) 503 Kain 221, 233 Kampen, Telse, s. Jungfrau mit dem Banner Karl V., Kg. v. Frankreich (1338–1380) 426 Karl der Große, Kg. der Franken, Ks. (gest. 814) 378 Karl der Kühne, Hzg. v. Burgund (1433–1477) 222 Kartäuser, Marienehe 489, 490, 491 Kasimir III., Hzg. v. Pommern (gest. 1372) 61, 93 Katharina von Alexandrien, Hl. 350 Katharina von Siena, Hl. 110, 423 Kielmann von Kielmansegg, Johann Adolph (1612–1676) 477 Kirmis, Max (1851–1926) 467, 468 Koch, Simon (gest. nach 1503) 102 Kock, Reimar (gest. 1569) 121, 341, 386 Kolster, Wilhelm Heinrich (1804–1887) 436 Konstantin I., röm. Ks. (um 280–337) 186, 388 Kopmann, Meinerdt (Bremen, 16. Jh.) 444 Korner, Hermann (gest. vermutl. 1438)  439–441 Kramer, Mauritius (1646–1702) 120 Krantz, Albert (1448–1517) 121, 388, 500 Kröll, Simprecht (Augsburg, 1. H. 16. Jh.) 42 Lessen (Marne, 19. Jh.) 470 Leo X., Papst (1475–1521) 433 Liliencron, Detlev von (1844–1909) 56 Lindenbrog, Erpold von (1540–1616) 437–439 Lindenbrog, Friedrich von (1573–1648) 437

Lindenschmidt 92, 95 Lothar III. (v. Süpplingenburg), Ks., dt. Kg., Hzg. v. Sachsen (1075–1137) 381 Ludenius, Petrus (Dithmarschen, 16. Jh.) 462 Ludwig IX., Kg. v. Frankreich, Heiliger (1214–1270) 425 Luther, Martin (1483–1546) 90, 350 Maarsen (Dithmarschen, 19. Jh.) 470 Mager, Berthold (2. H. 15. Jh.) 409 Magnus I., Hzg. v. Sachsen-Lauenburg (gest. 1543) 198, 380, 385, 388 Magnus II., Hzg. v. Mecklenburg (gest. 1503) 105f., 245, 500 Mähl, Albert (1893–1970) 56 Mansson, Sven (Stockholm, Anfang 16. Jh.) 211 Manuel I., Kg. v. Portugal (1469–1521) 499 Margaretha, Hl. 350, 423, 425 Margarethe, Kgn. v. Dänemark (1353–1412) 105, 385 Maria, Hl. 124, 171, 176, 188, 193, 196, 203–206, 208, 225–227, 234, 238, 260, 272, 288f., 291, 298f., 345, 357, 365, 369, 373, 375, 425, 461 Maria, Kgn. v. Ungarn und Böhmen (1505–1558) 445 Maria Magdalena, Hl. 110, 423, 425 Marschalk, Nikolaus (1460/70–1525): 106, 421f. Martens, Marx (Deichhausen, 18. Jh.) 473 Mathilde, Hzgn. v. Bayern und Sachsen (1157–1189) 434 Maximilian I., Ks., dt. Kg. (1459–1519) 198, 489 Mechthild von Schottland, Hl. 424, 426 Mecklenburger 388 Meldorfer 388 Meyer, Johann Heinrich Otto (1829–1904) 56 Meyer, Liborius (Rostock, 2. H. 15. Jh.) 498f. Michelsen, Andreas Ludwig Jacob (1801–1881) 432, 448, 486 Middelmann, Johannes (15. Jh.) 431, 438, Milde, Nicolaus (Lunden, 1. H. 16. Jh.) 119, 429, 431, 488 Mohr, Peter (1777–1822) 473 Moller, Barthold (Rostock Ende 15./Anfang 16. Jh.) 494

Personenregister 

Moller, Bernhard (gest. 1750) 450f. Moller, Olaus Heinrich (1715–1796) 450–452, 456–458, 479 Monthabur, Johannes von (1. H. 16. Jh.) 496 Moses 204 Mule, Henningus (Dithmarschen, 16. Jh.) 462 Mulich, Hans (gest. nach 1528) 388 Mulich, Kunz d. Ä. (gest. vor Sept. 1474) 388 Mulich, Matthias (gest. 1528) 388 Mulich, Paul (gest. 1521/1522) 388 Müllenhoff, Georg (Marne 18./19. Jh.) 475 Müllenhoff, L. (Holstein, 18./19. Jh.) 475 Murad I., osman. Herrscher (1319/1326–1389) 232 Mylius, Andreas (1527–1594) 422 Muskatblut (1. H. 15. Jh.) 86 Neidhart (13. Jh.) 32, 280 Neocorus, Johannes (1555/1560 – nach 6.12.1630) 55f., 102, 111–113, 115f., 118, 120–122, 128–145, 150, 181–183, 198f., 212–215, 217, 221, 231, 309, 319f., 330f., 334, 340, 347f., 358, 360–362, 380, 388, 399, 414, 427, 447–449, 451f., 454–457, 459f. Numcke, Hans (Dithmarschen?, 18. Jh.) 473 Olphenius, Henricus Sibeus (Meldorf, 16. Jh.) 433 Ortelius, Abraham (1527–1598) 477 Otto I., Ks., dt. Kg. (912–973) 198, 378 Otto III., Ks., dt. Kg. (980–1002) 378 Otto, Gf. v. Oldenburg-Delmenhorst (gest. 1500) 232, 384, 389, 430, 432f., 487 Otto IV., Ks., dt. Kg. (1175/76–1218) 434 Pantaleon, Hl. 350 Paulsen, Johann (Dithmarschen?, 17./18. Jh.?) 463 Paulsen, Johann (Lunden, geb. 1768) 454, 467f. Paulus II., Papst (1417–1471) 232 Pederßen, Clawes (Dithmarschen?) 427 Peters, Claus (Kannemoor, 18. Jh.) 470 Peters, Hans (Kannemoor, 18. Jh.) 470 Peters, Hans 389 Peters, Peter (Darenwurth, 18. Jh.) 475 Peters, Siem (Kannemoor, 18. Jh.) 470f. Petersen, Johann (gest. 1552) 138, 447–449, 460

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Petreus, Johannes (1540–1603) 435 Pogwisch, Wulf (Schleswig-Holstein, 1404)  389 Pogwisch, Wulf (um 1485–1554) 389 Pohlmann, Heinrich (1635–1719) 463 Rachel, Joachim (gest. 1664) 448 Rachel, Mauritius (1594–1637) 448 Rachel, Samuel (1603–1666) 448 Ramm, Stephanus (Dithmarschen, 16. Jh.) 462 Rantzau, Heinrich (1526–1598) 380 Reden, Heinrich von (Danzig, 16. Jh.) 114 Reiche, Georg (1618–1663) 462 Reimer von Wiemerstedt 373, 377, 389, 478 Reinboth, Friedrich Adolph (gest. 1749) 264, 427f., 486 Reinhold von Mailand 390 Richey, Michael (1678–1761) 455 Rode, Johann (Lunden, 1. H. 16. Jh.) 119, 431, 488 Rode, Johannes (Lübeck, Anfang 16. Jh.) 494 Roesingk, Berendt (Bremen, 17. Jh.) 443f., 446 Rosenplüt, Hans (um 1400 – ca. 1460)  46, 86 Rudolf von Ems (13. Jh.) 103 Russe, Johann (um 1506 – um 1555) 55, 112, 119–124, 128, 130f., 133, 140, 143f., 149f., 178, 181–183, 211f., 263f., 269, 277f., 292, 309, 382, 384, 389, 426–431, 433, 435, 437f., 447, 485–487 Sanherib, Kg. v. Assyrien 205, 219f. Sax, Peter (1597–1662) 55, 112f., 116, 118, 121, 131, 141, 366f., 371, 399, 451, 476–478 Schaur, Johann (gest. 1520) 413 Schneider, Hans (gest. 1513/14) 36, 46 Scholtz (Busdorf, 19. Jh.) 452 Schomaker, Nikolaus (gest. 1506) 494f. Schröder, Carsten (um 1531/32–1615) 120, 127, 144, 428, 446–449 Schultz, Johann (1650–1727) 420f. Schweden 391 Semiramis 199 Seueken, Christian 427 Seuekius, L. 430 Siggen, Heinrich von 194, 391 Slentz, Georg (Bruder von Thomas Slentz, Junker Jürgen) 388

540 

 Register

Slentz, Thomas (gest. 1500) 52, 137, 141, 332, 335, 338, 358, 362, 386, 391 Sömmering, Philipp (gest. 1575) 483 Spangenberg, Cyriacus (1528–1604) 435, 437–439 Speckhane, Berendt (Bremen, 16. Jh.) 444 Stedingk, Carstenn (Bremen, 16. Jh.) 444 Spelbergius, Johannes (Dithmarschen, 16. Jh.) 462 Steinmann, Iohannes (17. Jh.) 450f. Strandmannen 268, 273, 391 Stricker (13. Jh.) 46, 103 Struck, Philipp (Dithmarschen, 17. Jh.) 448f. Sture, Sten d. Ältere (gest. 1503) 391 Suchenwirt, Peter (14. Jh.) 45, 86 Swyn, Henning (Lunden, gest. 1533) 119, 433 Swyn, Markus (1523–1585) 449 Swyn, Peter (1481–1537) 438f. Tacitus (ca. 55–116/120) 131 Teulgenhorst, Bettina Lauretta (Rostock, 19. Jh.) 480 Thott, Otto, Graf (1703–1785) 428 Tilly, Johann Tserclaes Graf von (1559–1632) 136 Toke, Heinrich (um 1390–1454) 502 Tschudi, Aegidius (1505–1572) 10, 24, 29f., 68, 143, 152 Ulsenius, Theoderich (gest. 1508) 499 Valentin, Hl. 205 Vieth, Anton (Heide, 18. Jh.) 120f., 454, 467f. Vieth, Georg (Dithmarschen, 17./18. Jh.) 455

Vieth, Johannes (Dithmarschen, 17. Jh.) 462 Vile, Nicolaus (Wesselburen, 1. H. 16. Jh.) 119, 431, 488 Vitus, Hl. 350 Waldemar II., Kg. v. Dänemark (vor 21.3.1168–1241) 432 Wallenstein, Albrecht Graf von (1583–1634) 136, 141, 358, 361 Wedeman, Hinrick (Rostock, 16. Jh.) 482 Wernher, Gunther (Dithmarschen, 2. H. 15. Jh.?) 432 Westphalen, Ernst Joachim von (1700–1759) 112, 128, 428, 486 Wiben, Peter (gest. 1545) 121, 396, 461 Wick, Johann Jakob (1522–1588) 42 Wippermann, Ludwig (Dithmarschen, 17. Jh.) 462 Witte (Bremen, 17. Jh.) 443, 446 Witte, Jeronymus (1575–1647) 387 Witten Carstens (Dithmarschen, 19. Jh.) 470 Wolf, Johann Christian (1690–1770) 436f. Wolfert, Dominikaner 425 Wolleber, David (1555–1597) 114 Ysodorus 425 Zerbst (Gebhardshagen, 19./20. Jh.) 408 Ziegler, Anna Maria von (gest. 1575) 483 Ziegler, Heinrich Friedrich (Heide, 18. Jh.) 455 Zierenberg, Tilemann von (gest. 1494) 496 Zolter, Heinrich (15. Jh.) 502 Zum Jungen, Familie (Mainz, 15. Jh.) 125 Zütphen, Heinrich von (1488/89–1524) 461



Register der Toponyme 

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Register der Toponyme Das Register listet alle Toponyme auf mit Ausnahme der in bibliographischen Angaben genannten Orte und der Aufbewahrungsorte der Handschriften und Drucke. Soweit nicht anders angegeben, handelt es sich um Eigennamen von Städten, Dörfern, Landschaften, Ländern, Territorien und Flüssen. Handelt es sich um Toponyme, die in den Hemmingstedter Ereignisdichtungen belegt sind, so wird hier durch Fettdruck der Seitenzahl auf den entsprechenden Eintrag im Glossar (Teil 2: Kap. I.3.1) verwiesen. Aachen 378 Albersdorf 195, 378, 382 Ägypten 220 Altona 117 Assyrien 219 Augustenburg 452 Bologna 489 Bornhöved 53, 378f. Braunschweig 61, 97, 411, 428, 434, 483f., 489, 496 Braunschweig-Lüneburg, Herzogtum 280 Bremen  53, 210, 265, 308, 310, 419, 443–446 Bremen, Erzbistum 53, 218, 378, 380, 384, 432 Bremerhaven 380 Brüssel 325, 378 Busdorf 452 Büsum 54, 64, 113, 120, 129f., 142, 150, 181, 183, 212, 319, 340, 347–449, 451f., 460, 473 Dänemark 52f., 95, 125, 135, 181, 218, 328, 336, 383–386, 451 Darenwurth 475 Deichhausen 472f. Den Haag 445 Dithmarschen 6, 53–55, 57, 64f., 70, 78, 91, 99–101, 106, 108, 111f., 115–121, 123, 126, 128, 131, 134–136, 139, 142–145, 147–151, 178, 181–183, 186f., 190, 194f., 197f., 210–212, 214, 218, 225–230, 249, 252, 254, 266, 269–273, 278, 282, 284–286, 292–294, 297–299, 309f.,313–315, 319, 322, 327, 330–332, 334–337, 340, 347, 351–353, 358, 362f., 366f., 371, 373, 375–377, 378, 380–388, 391, 406, 410, 412, 419, 426–430, 432,

435, 438, 446f., 449–451, 453, 455–458, 460–462, 464–469, 471–475, 478, 484–489, 492 Dorpat 388 Drelsdorf 450f. Dusentdüwels-Warf 380 Eider 52, 378, 383, 439 Eiderstedt 113, 121, 142, 148, 366, 371, 382 Einbeck 265 Elbe 52, 245, 247, 265f., 378, 280, 293, 310, 380 Ems 380, 391 Eppenwöhrden 387 Erfurt 388, 489 Fieler Moor 382 Flandern 200, 217, 415 Flensburg 117, 451 Friesland 247, 252, 366, 380, 385, 391, 477 Gemünden 497 Glückstadt 463 Gottorf 280, 383, 386 Granson 222 Greifswald 492 Güstrow 106, 499 Hadeln 380 Haithabu 383 Hamburg 99f., 185, 265, 282, 294, 310, 386, 428f., 433f., 437f., 454f., 463, 467f., 478, 485f., 494 Hamburg-Bremen, Erzbistum 381 Hamme 53, 179, 194, 379, 381, 385, 387, 389, 391, 406, 410, 412, 431, 488 Heide 138, 379, 381–383, 386, 389, 451f., 455 Helmstedt 462 Hemme 119, 432, 488

542 

 Register

Hemmingstedt 6, 52–54, 56, 58, 61, 63f., 66, 68, 70, 73, 77–80, 99–101, 106–108, 112, 116–119, 121f., 124, 128–130, 132, 134–140, 145, 147f., 157, 163, 179f., 182, 187, 190, 193–195, 197, 212–215, 220, 243f., 248f., 254, 267f., 271, 274, 280f., 308f., 313, 319f., 324f., 330, 335, 347, 358, 363, 366f., 375f., 378–380, 381–384, 386f., 389, 391, 399, 405f., 410–412, 415, 422, 429f., 432f., 438, 441, 443, 445, 449, 452, 460, 478, 481–483, 486f., 494, 501, 503 Herpen 385 Hohenwöhrden 387 Holland 200, 217, 387, 415, 445 Holstein 52f., 57, 106, 115, 135f., 194f., 212, 214, 247, 252, 255, 280, 299, 319, 363, 378–380, 381, 383–385, 387, 429, 433, 441, 447, 451, 467, 475 Höxter 244, 489 Ipernstedt 366, 382 Italien 489 Itzehoe 280 Husum 280, 414 Jerusalem 209, 219, 223, 226 Jordan 220, 233 Juda 219, 223 Jütland 383, 385 Kannemoor 470 Ketelsbüttel 472 Kiel 55, 265, 451, 471, 474, 486 Koldenbüttel 113, 366, 371, 476–478 Köln 100, 492, 498 Konstantinopel 222, 228, 426 Kopenhagen 309, 399, 411, 428, 451f., 459, 477f. Krakow am See 106 Lehe 380 Leipzig 117, 492 Lieth 267, 382 Lissabon 476 Lübeck 77, 99, 102, 185, 265, 282, 294, 381, 388, 390, 408, 419, 428, 431, 434, 438, 462, 494, 498 Lunden 119, 127, 149, 181f., 195, 212, 264, 271, 278, 292, 325, 382, 414, 426f., 429, 431, 433, 446–449, 454, 462, 467f., 488

Lüneburg 61, 97, 282, 294, 310, 388, 414, 428, 434, 495 Lüneburg, Herzogtum 247, 380 Magdeburg 102 Mainz 125 Marburg 492 Marienburg 194, 382 Marienehe 489–491 Marne 140, 470f., 475 Mecklenburg 100, 103–106, 252, 290, 299, 420, 481, 499 Meldorf 52, 54f., 134, 138, 186f., 192, 195, 197, 227, 244, 248, 254f., 267, 270f., 273f., 278, 281, 285, 287, 292, 299f., 314, 325f., 335, 341f., 352, 362, 366f., 370, 374f., 379–382, 384, 388, 391, 432f., 448, 459, 465f., 474 Miele 268, 382 Minden, Diözese 502 Neuenkirchen (Dithmarschen) 232 Neumünster 467f. Neuss 222 Niederlande 385 Nordbrabant 385 Norddeich 462 Nordelbingen 378 Norderwöhrden 473 Nordfriesische Inseln 380 Nordhasted 435 Nördlingen 388 Nordstrand 435 Norwegen 386 Nürnberg 11, 388 Odenbüll 435 Oldenburg 265 Oldenwöhrden 53, 379, 383 Pavia 280 Rendsburg 280, 385, 439 Reval 388 Rhein 380, 484 Rheinland-Pfalz 100 Ripen 383 Rom 166, 186, 195, 217, 231f., 424, 502 Rostock 100, 243, 257, 410, 419, 422, 480–482, 489–494, 498f. Rostock, Herrschaft 105 Sachsen 381 Salzgitter 408



Schlei 383 Schleswig, Stadt 383, 428, 452 Schleswig, Herzogtum 52f., 57, 115, 380, 382, 383, 385, 451, 467 Schlichting 387 Schweden 99, 105f., 299, 361, 386, 391, 488 Schwerin, Stadt 99, 105, 421f., 434, 497f. Schwerin, Grafschaft 105 Segeberg 384 Sempach 9 Sincfal 380 Skandinavien 106 Stapelholm 383 Sternberg 106f., 243, 257, 409, 421f., 496, 503 Stormarn 53, 381, 384, 447

Register der Toponyme 

 543

Stralsund 141, 358, 361, 494 Strandmannsdöfft 391 Tellingstedt 429f., 448f., 462, 488 Tielenburg 383 Uelzen 310 Vlie 380 Weddewarden 380 Weser 380 Wesselburen 119, 383, 431f., 433, 448, 488 Wiemerstedt 383 Wilsnack 501–503 Windbergen 113, 120, 134, 142, 150, 183, 214, 319, 347, 358, 371, 384, 458f. Wittenberg 477, 492 Wöhrden 117 Wursten 380

544 

 Register

Sachregister Das Sachregister ist nicht auf Vollständigkeit hin angelegt. Es bietet eine Zusammenschau und einen Zugriff auf Begriffe, die in Teil 1 der Arbeit zur Beschreibung der Texte und der Überlieferungsphänomene verwendet, aber nicht hinreichend im Inhaltsverzeichnis ausgewiesen werden. Amplifizierung 127 Äußerungsereignis 81, 92f. Äußerungsinstanz 19, 74, 76f., 81–84, 89, 91–93, 96, 135f. Ballade 49, 62, 93–95 Binnendifferenzierung 24, 43, 74, 98, 149 Binnenkonsolidierung 23, 98, 147 Briefzeitung 88 Buchbindersynthese 107 Chronikhandschrift 25, 31f., 36, 54, 93, 114–116, 121, 140 Deixis, deiktisch 76, 78, 81f., 89, 93, 116, 125, 133f., 141 Deskriptiver Titeltext 100, 116, 129 Einbandmakulatur 100f., 151 Einblattdruck 11–13, 24f., 27f., 33–35, 37, 39–41, 101, 145 Einzelhandschrift 32, 112f., 144, 148 Einzelüberlieferung 108 Ereignisbezug (Ereignisreferenz, Ereignisbezüglichkeit) 5, 15, 22f., 43, 54, 62, 64, 66, 71, 75, 77–80, 84, 86, 89–91, 93, 96–98, 106, 117, 124, 130, 132, 136f., 147, 149–152 Ereignisproposition (ereignisbezogene Proposition) 68, 81, 91, 118, 138, Erzähllied 49f., 62, 93–95, 112, 129f., 133, 141f., 148f. Faktizität 68, 79, 92, 102, 123, 130 Faktualität 5 Fiktionalität 5, 78f., 96, 122, 141 Fiktivität 78f. Flugblatt 11, 13, 25, 27, 37, 40, 145 Funktionale Ausdifferenzierung 39, 151 Funktionales Konkurrenzverhältnis 151 Gattungspartizipation 51 Gebrauchshandschrift 110, 114f. Gemeindelied 90f. Geschichtsdichtung 23, 104, 122 Geschichtslyrik 23

Geschichtsschreibung (siehe auch Historiographie) 26, 33, 55, 64f. 104, 112, 117, 118, 120–123, 128f., 144, 148f. Glossierung: S. 102, 136f., 152, Handschriftliches Einzelblatt 36, 39–41 Haupttext 100f., 113, 118f. Historiographie 26, 35, 79, 99, 119f., 122, 128, 139, 145, 148 Historiographische Erzählgrammatik 79, 130 Historisch-politische Ereignisdichtung 6, 15, 17–20, 22, 24, 32f., 35, 39, 44, 47, 64, 67, 69, 73–76, 79, 82, 85, 88, 92, 95–97, 147 Historische Narrativierungsstrategien 79, 130 Hymnus 90, 97 Individualisierung 41, 102f. Inkunabel 58, 100, 102 Inszenierte Ereignisnähe 5, 19f., 22 Interpolation 29, 92, 126–128, 133–135, 143, 152 Kirchenlied 90 Kolophon 100, 123–125, 152 Konkretisierung 126f., 136 Koordinationsprinzip 109, 116, 127, 148 Materielle Freistellung 112, 116f. Medienkonkurrenz 39 Medienmischung 102, 114 Mehrblattdruck 24, 28, 31, 33f., 36–39, 51, 68, 145, 151 Nachahmung 41, 114 Neue Zeitung 25, 87f., 97 Neuzeitliche Buchhandschrift 26, 41, 114f., 144 Okkasionelle Öffentlichkeit 21, 150 Paratext 29, 38, 103 Performanz 76, 94, 131f., 134 Politische Dichtung 12, 15–17, 21, 23, 30, 35, 37f., 44, 47, 60, 74, 145 Politische Lyrik 9, 11f., 23, 47–49, 74, 85 Prachtcodex 107, 114

Sachregister 

Publizität 5, 15, 20f., 51, 96, 150 Reduzierung auf den Materialwert 101 Reimrede 17, 45–48, 85f., 95–97, 99f., 103, 105f., 145, 148–150, 152 Sammelhandschrift 31f., 36, 40, 107, 112, 116, 123, 127, 142, 144f., 148f. Schreibort 120 Sentenz 85 Sprichwort 85 Strukturelle Performativität 76, 90, 110 Subordinationsprinzip 116, 139 Symbolischer Ausdruck 78 Textbindung 116, 127, 139, 144 Textinterne Kommunikationssituation 71, 74f., 82, 136 Textsicherung 105, 109

 545

Themenentfaltung 51, 75, 80f., 84f., 91f., 94, 98, 111, 133, 149f. Titelblatt 41, 100–102, 109f., 114, 118, 139 Titelformulierung 100f., 125, 129–131, 139 Titelholzschnitt 100f. Verbundbildung 117, 129, 149, 152 Verbundtitel 116f., 129f., 137 Vorrede 43, 105, 107, 114f., 118, 121, 128, 130f., 139f., 143 Verwendungsoffenheit 109, 127 Wahrheitsanspruch 20, 75, 77, 93, 96f., 130 Weiterschreiben 115 Wirklichkeitsbezug 6, 64, 73, 75, 77f., 91–93, 95, 97f., 126, 130, 141 Zeitungsbrief 40f., 88 Zusammengesetzte Handschrift 107

546 

 Register

Register der abgedruckten Texte Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 12A Nr. 12B Nr. 12C Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17

Wat in hundert jaren unde nu is ghescheen 164 Van den detmerschen is dyt ghedicht unde is waer 200 My vorverden van swarheit der dinger (Heinrich Boger) 236 Eyn vorreͤde up der nabescreven ghedichte 257 Eyn wuͦnderlick gheschichte wyl ick heven an 259 Dat gheyt hyr jeghen de sommer tydt 276 Wille gy hoͤren ein nyge gedicht 289 Wylle gi wetenn, wath dar geschach 302 Wille gi horen einen nien sang? 316 De wolgebarne koning uth dennemarcken reeth 328 Dre dage Vor Sunte Valentin 339 De Herr hefft sick erbarmet 343 De König woll tho dem Hertogen sprack 354 Hertzog Hans wol tho sinem Broder sprack 364 De Hertoch sprack dem köninge tho 368 Perculso gravitate rei vox faucibus heret (Heinrich Boger) 392 Res nova sed lepido Musarum digna relatu (Hermann von dem Busche) 395 Dar is ein nie Raet geraden 396 Will gi hören einen nien Gesang? 397 Dat geith hir jegen den Sommer, jegen de leve Sommertidt 398



Register der beschriebenen Überlieferungsträger 

 547

Register der beschriebenen Überlieferungsträger Register nach der Aufstellung im Katalog D 1

Reimpaardichtung (Nr. 1) mit Bezug auf die Schlacht in der Hamme 1404 und die Schlacht bei Hemmingstedt 1500 in Dithmarschen. [Lübeck: Steffen Arndes, nach 17. Februar 1500]. 406 D 2 Reimpaardichtung (Nr. 1) mit Bezug auf die Schlacht in der Hamme 1404 und die Schlacht bei Hemmingstedt 1500 in Dithmarschen. [Lübeck: Steffen Arndes, nach 17. Februar 1500]. 410 D 3 Reimpaardichtung (Nr. 1) mit Bezug auf die Schlacht in der Hamme 1404 und die Schlacht bei Hemmingstedt 1500 in Dithmarschen. [Hamburg: Drucker des Jegher, nach 17. Februar 1500]. 412 D 4 Reimpaardichtung (Nr. 2) mit Bezug auf die Schlacht bei Hemmingstedt am 17. Februar 1500. [Lübeck: Steffen Arndes, nach 17. Februar 1500]. 415 D 5 Heinrich Boger: Super novissima strage in Theomarcia elegia praecipitata (Nr. 13). [Hamburg: Drucker des Jegher, nach 17. Februar 1500] 488 D 6 Heinrich Boger: Super novissima strage in Theomarcia, vulgariter Dietmerschen (Nr. 13). Mit Carmen des Hermannus Buschius: De quaedam virgine etc. (Nr. 14). [Köln: Ludwig von Renchen, nach 17. Februar 1500]. 491 D 7 Heinrich Boger: Etherologium. Rostock: [Hermann Barkhusen], 1506. 493 Hs 1 Ernst von Kirchberg ‚Mecklenburgische Reimchronik‘ 420 Hs 2 ‚Passion Christi‘, ‚Geistlicher Rosengarten‘, Exempel, Gebete u. a. 423 Hs 3 Johann Russe ‚Collectanea de rebus Dithmarsicis‘ (Autograph) 426 Hs 4 Adam von Bremen ‚Gesta Hammaburgensis ecclesiae‘, Johann Russe ‚Collectanea de rebus Dithmarsicis‘, Cyriacus Spangenberg ‚Adelsspiegel‘ u. a. 435 Hs 5 Hermann Korner ‚Chronica novella‘, ‚Nordelbische Chronik‘, ‚Holsteinische Reimchronik‘ u. a. 439 Hs 6 Statuten der Bremer Schottherren u. a. 442 Hs 7 Carsten Schröder, Chronik des Landes Dithmarschen (Autograph) 446 Hs 8 Johannes Neocorus ‚Dithmersche historische Geschichte‘ (Autograph) 449 Hs 8.1 Reproduktion von Hs 8 453 Hs 8.2 Reproduktion von Hs 8 455 Hs 8.3 Reproduktion von Hs 8 456 Hs 8.4 Reproduktion von Hs 8 457 Hs 9 Hans Detleff ‚Dithmarsische Historische Relation‘ (Autograph) 458 Hs 9.1 Reproduktion von Hs 9 462 Hs 9.2 Reproduktion von Hs 9 464 Hs 9.3 Reproduktion von Hs 9 464 Hs 9.4 Reproduktion von Hs 9 465 Hs 9.5 Reproduktion von Hs 9 467 Hs 9.6 Reproduktion von Hs 9 468 Hs 9.7 Reproduktion von Hs 9 469 Hs 9.8 Reproduktion von Hs 9 471 Hs 9.9 Reproduktion von Hs 9 472 Hs 9.10 Reproduktion von Hs 9 474

548  Hs 9.11 Hs 10 Hs 10.1 Hs 11 Hs 12 Hs 13

 Register

Reproduktion von Hs 9 475 Peter Sax ‚Dithmarsia‘ (Autograph) 476 Reproduktion von Hs 10 478 Rostocker Chroniken, ereignisbezogene Lieder und Reden u. a. 479 Johann Russe ‚Collectanea de rebus Dithmarsicis‘ (Auszug) 485 Papst Calixt III, Bulle über das Fest der Wandlung u. a. 500

Register nach Aufbewahrungsorten und Signaturen Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz 8o Inc 1487.3 (D 1) 408 8o Inc 1190.20 (D 3) 412 8o Inc 1190.20a (D 3) 413 8o Inc 1487 (D 4, Variante a) 418 Braunschweig, Stadtbibliothek C 57 4o (D 7) 495 Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek II.b.34a (D 3 und D 4, Variante b) 414, 418 C. S. 70 Nr. 7 (Hs 6) 442 Brüssel, Königliche Bibliothek Inc. C. 400 (D 6) 493 Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Hist. 102 (Hs 4) 435 Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek Ms I 239 (Hs 2) 423 Ms XXI 1283 (Hs 5) 439 Kiel, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Cp 63 (Hs 9.11) 475 Kiel, Universitätsbibliothek Cod. ms. SH 187 (Hs 8) 449 Cod. ms. SH 188 (Hs 8.2) 455 Cod. ms. SH 189 (Hs 8.3) 456 Cod. ms. SH 190 (Hs 8.4) 457 Cod. ms. SH 191 (Hs 8.1) 453 Cod. ms. SH 192 (Hs 9) 458 Cod. ms. SH 193 (Hs 9.1) 462 Cod. ms. SH 193 A (Hs 9.2) 464



Register der beschriebenen Überlieferungsträger 

Cod. ms. SH 194 (Hs 9.6) 468 Cod. ms. SH 195 (Hs 9.8) 471 Cod. ms. SH 198 B (Hs 10.1) 478 Köln, Universitäts- und Stadtbibliothek AD+S77 (D 7) 496 Kopenhagen, Königliche Bibliothek Inc. 4261 (D 2) 410 Thott. 1802 4o (Hs 3) 426 Gl. kgl. Saml. 1027 2o (Hs 10) 476 London, British Library IA. 9959 (D 4, Variante b) 419 Meldorf, Dithmarscher Landesmuseum SH 237 (Hs 7) 446 M(3) Nr. 5 (Hs 9.10) 474 M(3) Nr. 5a (Hs 9.7) 469 M(3) Nr. 6 (Hs 9.9) 472 M(4) Nr. 2 (Hs 9.5) 467 M(4) Nr. 3 (Hs 9.4) 465 M(4) Nr. 6a (Hs 12) 485 Rostock, Universitätsbibliothek Cf-2224(7):35 (D 5) 490 Cf-8391(6)19 (D 1) 409 Ms. Meckl. O 551–98 (Hs 11) 479 Schwerin, Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Ncc V 175 (D 7) 497 Schwerin, Landeshauptarchiv 1.12–1 Chroniken (Hs 1) 420 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek A: 85.3 Quod. (1) (D 7) 498 15. 8. Aug. 4to (Hs 13) 500 66 Extravagantes (Hs 9.3) 464

 549