Entwicklung im Konflikt: Die EWG und der Senegal 1957-1975 9783412214975, 9783412208516

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Entwicklung im Konflikt: Die EWG und der Senegal 1957-1975
 9783412214975, 9783412208516

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Entwicklung im Konflikt

Industrielle Welt Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte Herausgegeben von Andreas Eckert und Joachim Rückert Band 81

Martin Rempe Entwicklung im Konflikt

Martin Rempe

Entwicklung im Konflikt Die EWG und der Senegal 1957–1975

2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung der FAZIT-Stiftung sowie der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar. Umschlagabbildung: Baustellenschild eines Straßenbauprojekts des EEF in der Casamance, 1964. Nachweis: Europe France Outremer Nr. 419 (1964), S. 14.

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20851-6

Inhalt Danksagung ...................................................................................................................... 7 Einleitung ........................................................................................................................ 11 Prolog: Koloniale Entwicklungspolitik, Assoziierung und Dekolonisation .............................................................................................................. 33 I. Eurafrika, Emanzipation und Expertise: Die Grundlegung gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik .................................................. 53 1. Alte und neue Kontakte: Die Bildung eurafrikanischer Netzwerke ............. 53 2. Die Überwindung von Planungshindernissen ................................................... 63 3. Katalysator wissensbasierter Zusammenarbeit: Die Anfänge des EEF ........ 73 4. Fazit ............................................................................................................................. 87 II. Entwicklung im Konflikt: Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren ........................................................................................................ 91 1. Harmonische Entwicklung: Senegalesische Pläne nach der Unabhängigkeit ........................................................................................................ 91 2. Planänderung: Dakarer Dezemberkrise und Erneuerung des Assoziationsabkommens ......................................................................................... 109 3. Peanuts: Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ............................................................................................................... 125 4. Modernisierung in Public Private Partnership: Die Intervention der SATEC in der Erdnusswirtschaft .................................................................. 139 5. Siegeszug der Entwicklungsökonomie: Diversifizierungspläne für die Landwirtschaft ................................................................................................... 163 6. Wissen und Macht: Die Wasserversorgung in Dakar ...................................... 178 7. Senegalesische Industrialisierung oder zum Janusgesicht der EWG ............. 199 8. Zweischneidige Angelegenheit: Die Ausbildungsprogramme der Gemeinschaft ............................................................................................................ 223 9. Fazit ............................................................................................................................. 240

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Inhalt

III. Entwicklung in der Krise: Die 1970er Jahre .............................................. 247 1. Programmation und planification: Zur Harmonisierung der Zusammenarbeit ...................................................................................................... 247 2. Geteilte Verantwortungslosigkeit: Verlauf und Auswirkungen landwirtschaftlicher Diversifizierung ................................................................... 262 3. Zwischen malaise paysan und Saheldürre: Doppeltes Krisenmanagement in der Erdnusswirtschaft .................................................... 278 4. Senegalesische Globalisierung: Neue Industrialisierungspläne und die Dakarer Freihandelszone ......................................................................... 301 5. Fazit ............................................................................................................................. 310 Schluss .............................................................................................................................. 317 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................... 332 Quellen- und Literaturverzeichnis ............................................................................... 336 Personenregister ............................................................................................................... 361 Ortsregister ....................................................................................................................... 364 Sachregister ....................................................................................................................... 366

Danksagung Dieses Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Herbst 2010 von der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin angenommen wurde. Die Disputation fand am 29. November 2010 statt. Neben dem Vorsitzenden der Promotionskommission, Alexander Nützenadel, möchte ich zuerst den drei Gutachtern sehr herzlich danken: Hartmut Kaelble, der die Entstehung der Arbeit konstruktiv begleitet hat und als hilfreicher Ratgeber stets zur Verfügung stand; Andreas Eckert, der mir nicht nur die afrikanische Geschichte mit wertvollen Anregungen näherbrachte, sondern auch als Herausgeber der Reihe „Industrielle Welt“ die Aufnahme der Arbeit vorgeschlagen und mit Nachdruck unterstützt hat; schließlich Kiran Patel für die sehr zuverlässige, weiterführende, vor allem fördernde Betreuung – und für einiges mehr: Ohne ihn wäre dieses Projekt vielleicht erst gar nicht zustande gekommen. Er hat mich seit Beginn meines Studiums für die Geschichte begeistert und nicht unwesentlichen Anteil daran, dass ich dabei geblieben bin. Die Arbeit ist im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Verfassung jenseits des Staates“ entstanden; dessen Sprecher Ingolf Pernice sei freundlich gedankt. Daneben verschaffte mir die von Jakob Vogel dankenswerterweise angeregte Mitgliedschaft im deutsch-französischen Doktorandenkolleg „Wege der Repräsentationen“ der Deutsch-Französischen Hochschule zusätzliche Austauschmöglichkeiten. Am Ende sorgten die FAZIT-Stiftung mit einem Abschlussstipendium sowie Hubertus Büschel dafür, dass ich die Dissertation in Ruhe fertigstellen konnte. Gedankt sei außerdem den Sprechern der Kolleg-Forschergruppe „The Transformative Power of Europe“, Tanja A. Börzel und Thomas Risse, sowie Jürgen Osterhammel, die mir seit Abgabe der Dissertation die nötigen Freiräume gewährten, um das Promotionsverfahren und schließlich auch das Manuskript abzuschließen. Erneut die FAZIT-Stiftung wie auch die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften haben die Publikation mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss unterstützt. Ihnen möchte ich ebenso danken wie einmal mehr Andreas Eckert, der gleichfalls beträchtliche finanzielle Mittel für die Drucklegung zur Verfügung gestellt hat. Die Anfertigung einer Doktorarbeit ist ein einsames Geschäft, und dennoch wäre diese Studie ohne die Mithilfe vieler anderer nie soweit gediehen. Zunächst möchte ich den verständigen und hilfsbereiten Mitarbeitern der verschiedenen besuchten Archive danken, insbesondere Ruth Ingeborg Meyer-Belardini vom Archiv der EU in Florenz, Mareike Fossenberger vom Politischen Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin, Josephine Faye von der EU-Delegation in Dakar, Mamadou Ndiaye vom senegalesischen Nationalarchiv und Pascal Geneste von den Archives nationales in Paris. Für aufschlussreiche Gespräche und Hinweise danke ich Christoph Kalter, Stephan Malinowski, Pierre-Yves Saunier, Johan Schot, Erik van der Vleuten und Michael Werner.

Darüber hinaus haben Karin Becker, Hubertus Büschel, Samuël Coghe sowie Antje, Burkhard und Clara Rempe Teile dieser Arbeit gelesen und mich mit zahlreichen Kommentaren und Korrekturen aus der ein oder anderen gedanklichen oder sprachlichen Sackgasse wieder herausgeführt, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Mein ganz besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang Heike Wieters und Daniel Maul, die die gesamte Arbeit kritisch und zugleich äußerst konstruktiv durchgelesen haben und dabei stets mit freundschaftlichem Rat zur Seite standen, wenn es mal nicht weiter ging. Bei der Überarbeitung des Manuskripts haben mir außerdem Christine Schroth und Wolfgang Egner wertvolle Dienste geleistet. Ungeachtet all der Unterstützung versteht es sich von selbst, dass alle verbliebenen Fehler und Mängel ausschließlich mir zur Last zu legen sind. Dorothee Rheker-Wunsch und Sandra Hartmann vom Böhlau-Verlag sei schließlich für die angenehme und freundliche Zusammenarbeit gedankt. Das Projekt hat mal mehr und mal weniger, oft auf erfreuliche, mitunter aber auch auf einschneidende Weise mein Leben geprägt. Neben denjenigen Freunden, die bereits Erwähnung fanden, möchte ich deshalb allen anderen danken, die mich in dieser Zeit begleitet, für Ablenkung und den nötigen Ausgleich gesorgt haben – einige möchte ich hier nennen: Lena Hartung, Ina Jacobi, Konstantin Jonas, Sarah Krieg, Peter Kuhlmann, Tina Rempe, Tillmann Schneider, Philip Topolovac – und Rolf Exner. Meinen Geschwistern Clara, Julia und Tobi sowie meinen Eltern gilt ein letzter und ganz besonderer Dank für ihre rege Anteilnahme und meist sorglose Unterstützung. Schlussendlich: Keine Widmung. Lieber eine Ode an den zeitlosen wundervollen Herbst, den mir Sabine Müller geschenkt hat. Konstanz / Berlin, im Dezember 2011.

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Der Senegal

Einleitung Wie viele Liter Wasser benötigen Dakars Stadtbewohner pro Tag und Kopf ? An dieser Frage entzündete sich in den 1960er Jahren ein langwieriger Konflikt, an dem die senegalesische, deutsche und französische Regierung, die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), ein französisches Forschungsinstitut, Experten aus den Wasserämtern von Brüssel und Den Haag sowie ein großer deutscher Industriekonzern beteiligt waren. Eine Entscheidung wurde schließlich in den Gremien der EWG gefällt. Den institutionellen Rahmen dieser Auseinandersetzung bildete die Assoziierung des Senegal an die EWG, aus der das aktivste und folgenträchtigste Politikfeld der frühen Gemeinschaft nach der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hervorging: die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik.1 Die im März 1957 mit dem EWG-Vertrag besiegelte Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete hatte die französische Regierung zur Bedingung gemacht, um an der europäischen Integration mitzuwirken. Als abhängiges französisches Territorium wurde der Senegal wie viele andere Kolonien und Mandatsgebiete Frankreichs und weiterer Mitgliedsstaaten handelsrechtlich an den Gemeinsamen Markt angebunden und erhielt Zuwendungen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Nachdem die meisten der assoziierten Gebiete im Lauf des Jahres 1960 unabhängig geworden waren, erfuhr die Assoziierung mit der Einigung auf das erste Abkommen von Yaoundé im Sommer 1963 eine Bestätigung. Sechs Jahre später wurde diese Konvention erneuert, ehe 1975 das erste Abkommen von Lomé, nicht zuletzt auch aufgrund des britischen Beitritts zur EWG zwei Jahre zuvor, eine neue Ära in der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft einläutete. Dass derart detaillierte und zugleich essentielle Fragen wie der angemessene Wasserbedarf der Dakarer Stadtbevölkerung am Brüsseler Verhandlungstisch geklärt wurden, verweist zum einen darauf, dass die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik für die assoziierten Staaten und ihre Gesellschaften eine gewisse Bedeutung erlangte. Zum anderen illustriert der zähe Aushandlungsprozess, der dieser Entscheidung vorausging, dass Entwicklungspolitik kein domaine réservé der Außenpolitik respektive der internationalen Diplomatie war, sondern ebenso maßgeblich von wissenschaftlichen Experten, Unternehmen sowie weiteren nichtstaatlichen Akteuren mitgestaltet wurde. 1 Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang auch die Wettbewerbspolitik, in dem die EWG rasch aktiv wurde. Bis in die 1970er Jahre konnte sie jedoch keine durchgreifende Wirkung entfalten, vgl. Hambloch (2009), S. 114–124; Brunn (2002), S. 162f.; mit dem Begriff ,gemeinschaftliche Entwicklungspolitik‘ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich im Gegensatz zur Gemeinsamen Agrarpolitik um kein supranationales Politikfeld handelte. Zur Auseinandersetzung um die Wasserversorgung von Dakar vgl. Kap. II.6.

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Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass sich die Integrationshistoriographie der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik bisher ausschließlich aus einer eurozentrischen und überwiegend aus einer diplomatiegeschichtlichen Perspektive genähert hat. Dementsprechend standen die Verhandlungen über die Entstehung der Assoziierung sowie über die nachfolgenden Abkommen von Yaoundé im Vordergrund, zu denen inzwischen mehrere Studien vorliegen. Umgekehrt erfolgte die Aufarbeitung der senegalesischen Entwicklungspolitik bislang aus einem nationalstaatlichen Blickwinkel, weshalb deren trans- und internationale Dimensionen bislang kaum reflektiert worden sind. In einer Zeit, in der die Kritik am methodischen Nationalismus Hochkonjunktur hat und die Geistes- und Sozialwissenschaften verstärkt über Globalgeschichte, Europäisierung, Governance, Verfassungen jenseits des Staates und viele weitere Konzepte nachdenken, welche die zunehmende internationale und transnationale Verflechtung des Planeten einschließlich ihrer Auswirkungen thematisieren, ist gerade auch die europäische Integrationsgeschichte dazu aufgerufen, diese Prozesse stärker in den Blick zu nehmen. Allgemein hat diese Teildisziplin bislang nur wenig Interesse daran gezeigt, die Bedeutung nichtstaatlicher Akteure für die Gemeinschaftspolitiken zu würdigen und konkrete Wechselwirkungen zwischen der EWG und binnengesellschaftlichen Entwicklungen zu erfassen.2 Nicht zuletzt deshalb möchte die vorliegende Studie die außenpolitische und die materielle, mithin innerstaatliche Dimension von Entwicklungspolitik integriert betrachten und dadurch zugleich eine Brücke zwischen europäischer und afrikanischer Geschichtsschreibung schlagen. Anhand einer detaillierten Analyse der Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal wird sie versuchen, ersten wegweisenden Pfaden zu einer transnationalen Integrationsgeschichte einen weiteren hinzuzufügen und zugleich die senegalesische Zeitgeschichte für jene Perspektive zu öffnen. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen werden alle für die Zusammenarbeit maßgeblichen Akteure in die empirische Analyse einbezogen. Neben der senegalesischen Regierung, der EWG-Kommission sowie der französischen und der deutschen Regierung als einflussreichsten Mitgliedsstaaten zählen dazu auch verschiedene nichtstaatliche Akteure.3 Zum anderen erstreckt sich die Analyse nicht nur 2 Vgl. Patel (2009b), S. 9f.; zur Kritik am methodischen Nationalismus schon Smith (1979); zur Globalgeschichte Conrad/Eckert (2007); Eckert/Randeria (2009); zu Europäisierung Hirschhausen/Patel (2010); Kaelble (2007a); Börzel/Risse (2006); zu Governance Schuppert (2008); Risse/Lehmkuhl (2007); zu Verfassungen jenseits des Staates Pernice (2008). 3 Die restlichen Mitgliedsstaaten wurden ausgeschlossen, da eine Berücksichtigung zum einen den Rahmen dieser Arbeit gesprengt und zum anderen in keinem Verhältnis zum Ertrag gestanden hätte, zumal kein weiteres Mitgliedsland der EWG im Senegal prominent in Erscheinung getreten ist. Mit nichtstaatlichen Akteuren sind, wie eingangs erwähnt, vor allem Forschungsinstitute, Experten, Unternehmen, Entwicklungsgesellschaften und

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auf den Planungsprozess, sondern ebenso auf die Durchführung entwicklungspolitischer Maßnahmen. Untersucht wird also, von wem, wie und mit welchen Zielen Entwicklung geplant, verhandelt, durchgesetzt und umgesetzt wurde. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob und aus welchen Gründen diese Formen der Zusammenarbeit einem Wandel unterlagen. Nicht zuletzt wird der Fokus darauf gerichtet, welche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen die Zusammenarbeit im Senegal und, zumindest in politischer Hinsicht, auch in Europa hatten. Kurzum bilden Funktionsweisen, Praktiken und Folgen der entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen der EWG und dem Senegal einschließlich ihres Wandels zwischen 1957 und 1975 den Analysehorizont dieser Arbeit.4 Dass die Studie die Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal in den Blick nimmt, ist aus der Perspektive der afrikanischen Geschichte ebenso begründungsbedürftig wie aus der Sicht der Integrationshistoriographie: Läge es nicht näher, die weitaus bedeutsameren Beziehungen zwischen dem Senegal und Frankreich zu untersuchen, wird erstere einwenden, während sich letztere fragen mag, warum nicht andere assoziierte Staaten wie Madagaskar oder Ruanda herangezogen wurden. Dem kann zum einen entgegengehalten werden, dass die Bedeutung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik von beiden Teildisziplinen bislang unterschätzt worden ist. In der Tat avancierte die EWG für den Senegal nach Frankreich zum wichtigsten entwicklungspolitischen Partner. Dakar erhielt zwischen 1957 und 1975 aus Brüssel weit mehr finanzielle Leistungen als etwa von der Bundesrepublik, den USA oder der Weltbank. Keine Institution (auch nicht das französische Entwicklungsministerium) investierte darüber hinaus mehr in Entwicklungsprojekte und beteiligte sich somit stärker an einer eng verstandenen senegalesischen Entwicklungspolitik als die EWG. Kurzum, gemeinschaftliche Entwicklungspolitik did matter, und dies nicht nur für die Gewährleistung einer angemessenen Wasserversorgung in Dakar.5 Zum anderen können zahlreiche Gründe benannt werden, warum sich der Senegal in besonderem Maße für diese Untersuchung anbietet: Erstens hat der Senegal weitere private Institutionen gemeint, die angesichts ihrer Anzahl hier nicht näher aufgezählt werden. 4 Anregend für diese Fragestellung Ferguson (1994), S. XIIIf. 5 Vgl. ANS 1R 665: RdS, La place d’aide financière de la CEE dans le développement économique et social du Sénégal, o.D. [1970]; Art. Sénégal. Principales réalisations au 31 décembre 1974, in: Le Courrier Nr. 36 (1976), S. 60; Art. L’aide financière de la CEE: au deuxième rang après celle de la France, in: Europe France Outremer Nr. 482 (1970), S. 54–56; im Zeitraum zwischen 1960 und 1974 machte der Anteil der EWG an den gesamten ausländischen finanziellen Leistungen an den Senegal etwa 22 Prozent aus. Frankreichs jährliche bilaterale Zuwendungen waren ungefähr dreimal so hoch wie jene des EEF. Darunter fielen aber vor allem Personal- und Unterhaltskosten, etwa für die Dakarer Universität. Daher erklärt sich, dass die EWG in Bezug auf Investitionen im Senegal den Spitzenplatz belegte.

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sämtliche entwicklungspolitischen Instrumente der EWG in Anspruch genommen. Eng damit verbunden hat der Senegal zweitens so hohe Zuwendungen erhalten wie kaum ein anderes assoziiertes Land. Beide Faktoren bieten Gewähr für eine breite empirische Untersuchungsgrundlage.6 Drittens hatte der Senegal unter den assoziierten Staaten eine herausgehobene Position und nahm zeitweise eine gewisse Führungsrolle ein. Dies lag auch daran, dass der Senegal Frankreichs älteste Kolonie überhaupt war. Die Gründung von St. Louis als erstem französischen Handelsstützpunkt auf afrikanischem Boden datiert aus dem Jahre 1659. Infolgedessen und nicht zuletzt aufgrund der Sonderstellung der senegalesischen Quatre communes erwuchsen besonders enge Beziehungen, die auch die Unabhängigkeit des westafrikanischen Landes im Juni 1960 lange überdauern sollten.7 Viertens, und dies ist eher als forschungspragmatische Überlegung zu verstehen, blieben die politischen Strukturen des Senegal im Untersuchungszeitraum vergleichsweise stabil. In ebendiesem Sinne verfügt der Senegal schließlich fünftens im Gegensatz zu vielen anderen assoziierten Staaten über ein leicht zugängliches Nationalarchiv in Dakar, das für die Studie auch konsultiert worden ist. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 1957 bis 1975. Im März 1957 wurde die EWG gegründet. Gut ein Jahr später setzten zudem erste Initiativen zu einer eigenständigen senegalesischen Entwicklungspolitik ein, die nach der Unabhängigkeit des Landes im Sommer 1960 zur Grundlage des ersten senegalesischen Entwicklungsplans wurden. Auch der Endpunkt der Studie ergibt sich aus übergreifenden Entwicklungen, die sich sowohl in Europa wie in Afrika abzeichneten. Aus europäischer Perspektive machte es der Beitritt Großbritanniens zur EWG im Januar 1973 notwendig, dessen ehemalige Kolonien in das bisherige System zu integrieren. Dadurch weitete sich nicht nur der geographische Fokus der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik aus, was in der Wendung von der Atlantik-Karibik-Pazifik-Partnerschaft zum Ausdruck kam. Die erste Erweiterung wirkte sich auch maßgeblich auf die inhaltliche Konzeption gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik aus, da auf beiden Seiten der Partnerschaft neue Akteure mit eigenen Vorstellungen hinzukamen.8 In Afrika endete Mitte der 1970er Jahre zugleich die von Frederick Cooper so bezeichnete „development era“, die um 1940 mit ersten konkreten Entwicklungsmaß6 Vgl. die Tabelle bei Cosgrove-Twitchett (1978), S. 138. 7 Vgl. Chafer (2003); Corbett (1972), S. 129; die Quatre communes waren St. Louis, Gorée, Rufisque und Dakar. Diese ersten französischen Stützpunkte im Senegal erhielten im Lauf des 19. Jahrhunderts denselben Status wie metropolitane Kommunen. Für die (dort geborenen) Einwohner galt das französische Bürgerrecht, und den Städten wurde das Recht auf die Wahl eines Parlamentsabgeordneten eingeräumt. Es dauerte jedoch bis 1914, ehe dieses Statut mit der Wahl des ersten senegalesischen Abgeordneten Blaise Diagne zur Nationalversammlung vollständig durchgesetzt wurde, vgl. Cruise O’Brien (1972), S. 29–47; Riesz (2006), S. 45–58. 8 Dies schlug sich bereits im Verhandlungsprozess zum ersten Lomé-Abkommen nieder, vgl. Milward (2005); Dimier (2004c).

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nahmen der europäischen Kolonialmächte eingesetzt hatte und generell von gemäßigtem Wirtschaftswachstum, einer steigenden Lebenserwartung und zunehmenden Alphabetisierungsraten gekennzeichnet war. Wenngleich der Niedergang dieser Ära maßgeblich durch den Ausbruch der Ölkrise 1973 und dem damit einhergehenden rapiden Anstieg der Staatsverschuldung in Afrika befördert wurde, so fällt es dennoch schwer, den Endpunkt der „development era“ aufs Jahr genau zu datieren.9 Folglich setzt sich die Studie das Jahr 1975 nur als ungefähren Fluchtpunkt: Während die zukunftsweisenden Veränderungen, die der britische Beitritt 1973, der daran anschließende Lomé-Prozess und nicht zuletzt der zeitgleich verabschiedete vierte senegalesische Entwicklungsplan mit sich brachten, nicht mehr in die empirische Analyse einfließen, werden demgegenüber Prozesse, die mit dem zweiten Abkommen von Yaoundé von 1969 in Gang gesetzt wurden, teilweise auch über 1975 hinaus dargestellt.10 Zugleich verweist die Annahme einer afrikanischen „development era“ zwischen den 1940er und den 1970er Jahren darauf, dass der gewählte Untersuchungszeitraum, die politischen Zäsuren der Gründung der EWG und der senegalesischen Unabhängigkeit außer Acht gelassen, lediglich einen Teilabschnitt einer längeren historischen Epoche bildet. Deshalb wird der Studie ein Prolog über die Ära spätkolonialer Entwicklungspolitik vorangestellt. *** Das Stichwort Spätkolonialismus weist zugleich auf ein erstes und übergreifendes Problem hin, dem sich die vorliegende Studie stellen muss, zumal eine Hauptwurzel von Entwicklungspolitik in dieser Epoche zu suchen ist. Allen voran Frankreich und Großbritannien initiierten seit Ende der 1930er Jahre entwicklungspolitische Programme in Reaktion auf zunehmende soziale Unruhen in ihren Kolonien und beabsichtigten damit, ihre überseeischen Besitzungen zu stabilisieren und langfristig zu erhalten.11 Während die Entwicklungspolitik der europäischen Kolonialmächte nach dem Zweiten Weltkrieg unter nahezu unveränderten Zielsetzungen intensiviert wurde, entdeckten parallel dazu die USA unter den Vorzeichen des Kalten Krieges und des einsetzenden Dekolonisationsprozesses Entwicklungspolitik als Instrument, um neue Verbündete in der systemideologischen Auseinandersetzung zu gewinnen. Letztlich verhalfen sie dadurch dem Entwicklungskonzept zum globalen Durchbruch; kurz darauf wandte sich auch die UdSSR stärker der entstehenden Dritten Welt zu. Infol9 Vgl. Cooper (2002), S. 85–90. 10 Vgl. zum vierten senegalesischen Plan Rocheteau (1982), S. 259–280. 11 Vgl. Cooper (1996); Cooper (2004); Eckert (2009b); zu Frankreich außerdem Genova (2004); Chafer (2002); zu Großbritannien Hodge (2007); Sieberg (1985).

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gedessen, aber auch aufgrund der Aneignung des Konzepts durch die kolonisierten Gesellschaften erhielt die Entwicklungsidee einen emanzipatorischen, antikolonialen Bedeutungsgehalt und strukturierte nach der Dekolonisation die Beziehungen zwischen entwickelten und sich entwickelnden Ländern, zwischen Nord und Süd, mithin zwischen Europa und Afrika.12 Entwicklungspolitik stand somit in der Tradition des Spätkolonialismus und beanspruchte zugleich, sich von diesem abzusetzen und ein neues Paradigma in den internationalen Beziehungen zu begründen. Die daraus resultierende Dialektik verdichtete sich nirgendwo so sehr wie in der EWG-Assoziierung: So wollte einerseits die französische Regierung mit der Assoziierung die übrigen europäischen Partner zu einem burden sharing bewegen, um ihren kolonialen Einflussbereich in Afrika zu stabilisieren. Das institutionelle Design der Assoziierung wurde nach dem Vorbild der Union française konzipiert. Der koloniale Fonds d’investissement de développement économique et social (FIDES) diente als Modell für den Europäischen Entwicklungsfonds. Nicht zuletzt wechselten französische und belgische Kolonialbeamte in die Generaldirektion VIII (DG VIII) der EWG-Kommission nach Brüssel und prägten dort die Anfänge europäischer Entwicklungspolitik.13 Andererseits standen die Bundesrepublik und die Niederlande der Assoziierung skeptisch bis ablehnend gegenüber, weil sie befürchteten, dadurch in koloniale Angelegenheiten verwickelt zu werden. Sie willigten in erster Linie vor dem Hintergrund des Kalten Krieges als auch aufgrund eines drohenden Scheiterns der gesamten Vertragsverhandlungen in eine gemeinschaftliche Entwicklungspolitik ein.14 Ferner sahen sich die französischen und belgischen Mitarbeiter der EWG-Kommission einer Mehrheit von Bediensteten aus den restlichen Mitgliedsstaaten gegenüber. Gleiches galt für die Ebene der Regierungsvertreter. Die Unabhängigkeit des Senegal und die daraus resultierende Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem afrikanischen Land und der EWG respektive der sechs Mitgliedsstaaten bildete schließlich den letzten Schritt zu einem neuartigen und wesentlich komplexeren Beziehungsgeflecht im Vergleich zu den Mechanismen der Union française oder auch der kurzlebigen Communauté.15 Bei der Analyse dieses Beziehungsgeflechts wird die Dialektik, die der Entwicklungspolitik der EWG aufgrund ihrer Entstehungsbedingungen zugrunde lag, stets zu berücksichtigen sein. Ausgehend von diesem übergreifenden Kontext schenkt die Studie vier Analysedimensionen verstärkte Aufmerksamkeit: den Handlungsspielräumen der verschiedenen Akteure in der Zusammenarbeit; der Herkunft, Bedeutung 12 Vgl. Mommsen (1990); Eckert (2008a); Cooper (1997); Rist (2008). 13 Vgl. Dimier (2008); Turpin (2005); Lister (1988). 14 Vgl. zur Bundesrepublik Thiemeyer (2005); Rempe (2006); Vahsen (2010), S. 70–99; zu den Niederlanden Harryvan/Harst (2006). 15 Vgl. dazu schon Coquery-Vidrovitch (1982), S. 119f.

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und Funktion von wissenschaftlichem Wissen; den Mentalitätslagen in der Zusammenarbeit; schließlich den Auswirkungen dieser Politik im Senegal und in Europa. Handlungsspielräume in den Beziehungen zwischen der EWG und dem Senegal auszuloten, heißt zuerst einmal, eine problemorientierte Präzisierung der Begriffe ,Entwicklungspolitik‘ und ,Entwicklungszusammenarbeit‘ vorzunehmen: Gemeinhin bezieht sich Entwicklungspolitik auf theoretische Strategien und Konzepte sowie daraus abgeleitete konkrete Planungen eines Geberlandes, eines Empfängerstaates oder auch einer internationalen Organisation, mit denen der Anspruch verbunden ist, die Lebensbedingungen der in Frage stehenden Zielgruppe zu verbessern. In diesem Verständnis konzipierten die EWG und die senegalesische Regierung ihre je eigene Entwicklungspolitik. Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet demgegenüber praktische Umsetzungen von Entwicklungspolitik.16 Diese Unterscheidung ist einerseits sinnvoll und bringt andererseits massive Probleme mit sich: Sicherlich fühlte sich der Senegal ebenso wie die EWG einer bestimmten Entwicklungspolitik verpflichtet. Die Abgrenzung zwischen Planung und Umsetzung lässt jedoch offen, wessen Entwicklungspolitik eigentlich umgesetzt wurde. Anders gewendet, verdeckt diese Differenzierung die Tatsache, dass es bereits auf Planungsebene zur Zusammenarbeit kam. Darüber hinaus wurde auch in ganz anderen Bereichen als bei der Umsetzung von Entwicklungsprojekten kooperiert, so etwa in der Außenhandelspolitik. Zusammenarbeit fand nicht nur zwischen beauftragten Entwicklungsgesellschaften und Adressaten beziehungsweise der örtlichen Verwaltung statt, sondern auch zwischen der senegalesischen Regierung, der EWG-Kommission und Vertretern der Mitgliedsstaaten. Deswegen fasst die Studie jegliche Verflechtungen, die sich aus diesem Dreiecksverhältnis ergaben, unter dem Begriff ,Zusammenarbeit‘ und setzt damit zugleich Verhandlungen, Planungsprozesse und Umsetzungen vor Ort in einen Bezugsrahmen. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei dabei explizit darauf verwiesen, dass der Begriff nicht normativ, sondern wertneutral verstanden wird.17 Trotz des hier zugrunde gelegten ausgreifenden Verständnisses von Zusammenarbeit behält der Begriff ,Entwicklungspolitik‘ aus mehreren Gründen seinen analytischen Wert. Zum einen entwarfen die senegalesische Regierung und die EWG anfangs in der Tat ihre je eigenen Konzepte, Strategien und Planungen, bevor diese in 16 Vgl. Büschel (2010) sowie die Artikel zu den jeweiligen Begriffen in Nohlen (2002), S. 231–235, 264. 17 Der Begriff ,Entwicklungszusammenarbeit‘ existiert bereits seit den 1950er Jahren. In den 1980er Jahren wurde er vom eher asymmetrischen Begriff ,Entwicklungshilfe‘ in der Absicht abgegrenzt, eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen, vgl. Büschel/Speich (2009), S. 7; Eckert (2009), S. 312; diesem normativ aufgeladenen Verständnis wird hier nicht gefolgt, vielmehr zielt die Studie darauf ab, Charakteristika der Zusammenarbeit empirisch herausarbeiten.

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der Zusammenarbeit aufeinander trafen. Zum anderen waren die Partner ungeachtet der in den 1960er Jahren einsetzenden wechselseitigen Einflüsse darauf angewiesen, ihren jeweiligen Referenzrahmen – hier der senegalesischen Nation, dort den europäischen Mitgliedsstaaten – eine bestimmte Entwicklungspolitik zu präsentieren. Die Beziehungen zwischen der EWG und dem Senegal wurden somit neben den Verflechtungen zwischen den beiden Partnern auch von internen Dynamiken geprägt, die sich innerhalb der Gemeinschaft wie auch im Senegal entfalteten.18 Deshalb gilt es, die jeweiligen entwicklungspolitischen Konzepte und Strategien herauszuarbeiten, wobei in Bezug auf die EWG das Verhältnis zwischen der Kommission und den Mitgliedsstaaten sowie insbesondere das Ausmaß respektive die Grenzen französischer Einflussnahme in den Vordergrund rücken. Schließlich und übergreifend ist zu bedenken, dass die Dekolonisation den Entwicklungsländern schlagartig neue Handlungsspielräume eröffnete, um ihre Entwicklungspolitik zu realisieren. Abgesehen von den zunehmenden Aktivitäten weiterer internationaler Organisationen wie der Weltbank oder der Vereinten Nationen in diesem Bereich schienen insbesondere die wachsenden Ost-West-Spannungen den Ländern der sogenannten Dritten Welt ein Druckmittel an die Hand zu geben, um nicht nur ein größeres finanzielles Engagement bei alten Verbündeten einzufordern, sondern ebenso neue Partner zu finden. Ausgehend von der Überlegung, dass Entwicklungszusammenarbeit aus kolonialen Verbindungen hervorging und zugleich ein neues Regime ungleicher internationaler Beziehungen etablierte, wird die vorliegende Studie deshalb auch versuchen, den Stellenwert dieser globalen Dynamiken für die Beziehungen zwischen dem Senegal und der EWG zu ermitteln.19 Eine derartige Analyse von Handlungsspielräumen bliebe einseitig, wenn nicht zweitens auch die Funktion von wissenschaftlichem Wissen und entsprechender Expertise Beachtung finden würde. Dabei kann zwischen theoretischem und angewandtem wissenschaftlichen Wissen unterschieden werden. Theoretisches Wissen wurde genutzt, um übergreifende Entwicklungsstrategien zu formulieren und dadurch Entwicklungspolitik konzeptionell zu unterfüttern. Angewandtes wissenschaftliches Wissen spielte demgegenüber für die Projektzusammenarbeit eine wichtige Rolle. Theoretisch reflektierte und empirisch fundierte Entwicklungsplanung wurde so zur stärksten Triebkraft einer Verwissenschaftlichung des Sozialen in der entstehenden Dritten Welt. Anders als in den Industrienationen westlicher Prägung wurden diese wissensbasierten Interventionen in der sozialen Wirklichkeit nahezu ausschließlich von oben gesteuert, weswegen die Verwissenschaftlichung des Sozialen in den Ent18 Schon Zartman (1971), Cosgrove-Twitchett (1978) und Moser (2000) haben in ihren Werken zur Assoziierung ähnlich zwischen vertikaler (EWG versus assoziierte Staaten) und horizontaler (EWG intern beziehungsweise assoziierte Staaten untereinander) Analyseebene getrennt. 19 Vgl. Gaddis (1997), S. 152–154; Cooper/Packard (1997), S. 5; Cooper (2010), S. 15f.

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wicklungsländern untrennbar mit einer Verwissenschaftlichung der Entwicklungspolitik verbunden war.20 Vor diesem Hintergrund wird zunächst nach der Herkunft theoretischen und angewandten Wissens im Senegal wie auch in der EWG gefragt, wobei erneut der französische Spätkolonialismus den Referenzrahmen bildet: Inwieweit fußten die entwicklungspolitischen Strategien und Pläne der beiden Partner auf kolonialen Wissensbeständen oder Doktrinen, und inwiefern wurde eine neue Wissensproduktion in Gang gesetzt beziehungsweise auf strategisches Wissen zurückgegriffen, das andere Entstehungszusammenhänge aufwies? Hierbei wird insbesondere die in den USA entstandene Modernisierungstheorie, aber auch die Entwicklungsökonomie in den Fokus rücken, die beide seit den 1950er Jahren mehr und mehr den internationalen Entwicklungsdiskurs bestimmten.21 Daran anschließend wird das Gewicht zu bestimmen sein, das die Akteure wissenschaftlichem Wissen sowohl bei der gemeinsamen Planung als auch bei der Umsetzung entwicklungspolitischer Maßnahmen beimaßen. Im französischen Kolonialismus nahmen die Wissenschaften auf der ideologischen Ebene eine Legitimationsfunktion ein und bildeten so einen Grundpfeiler der mission civilisatrice. In welchem Ausmaß die späte Kolonialpolitik nach wissensbasierten Kriterien erfolgte, inwieweit also die Inwertsetzung der Kolonien nach dem Zweiten Weltkrieg ähnlich technokratische Züge annahm wie die Wirtschaftsplanung in der französischen Metropole, ist demgegenüber noch nicht eindeutig herausgearbeitet worden.22 In Bezug auf die EWG ist jedenfalls bislang die Ansicht vertreten worden, dass wissenschaftliches Wissen und Expertise nur eine untergeordnete Rolle für entwicklungspolitische Entscheidungen gespielt habe.23 Diese Auffassung gilt es ebenso zu überprüfen, wie über senegalesische Perzeptionen des Vorgehens der EWG zumindest indirekt Rückschlüsse auf die wissenschaftliche Grundierung kolonialer Entwicklungspolitik gezogen werden können. 20 Vgl. Raphael (1996); Ash (2002); Weingart (2001), S. 127–131; ferner auch Vogel (2004). 21 Vgl. zur Modernisierungstheorie Gilman (2003); zur Entwicklungsökonomie Speich (2008); freilich standen diese Großtheorie und die wirtschaftswissenschaftliche Teildisziplin in einem engen Zusammenhang. Ulrich Menzel subsumiert unter einem Oberbegriff der Modernisierungstheorie die Entwicklungsökonomie, Theorien zur Nationalstaatsbildung sowie eine Modernisierungstheorie im engeren Sinne, die sich dem sozialen und mentalen Wandel in traditionellen Gesellschaften widmet, vgl. Menzel (1993), S. 21; dieser Binnendifferenzierung folgt auch die vorliegende Studie. 22 Vgl. affirmativ Bonneuil (2000); differenzierter Cooper (2004); skeptisch Dimier (2004a); allgemein zur ideologischen Stellung der Wissenschaften im französischen Kolonialismus Petitjean (2005) sowie ferner Brahm (2010); zum Begriff der ,Technokratie‘ Laak (2004a), S. 440–442; zur französischen Wirtschaftsplanung nach dem Zweiten Weltkrieg Gosewinkel (2008). 23 Vgl. Dimier (2008), S. 448f.

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Freilich bildete die Verwissenschaftlichung von Entwicklung keinen machtfreien Prozess, bei dem sich die ,besten‘ Erkenntnisse durchsetzten. Vielmehr ging diese Dynamik mit politischen Konflikten im Senegal, innerhalb der EWG und nicht zuletzt zwischen den beiden Partnern einher und führte so zu einer Politisierung vermeintlich objektiver Wissensbestände.24 Gerade aufgrund der einzigartigen Organisationsund Entscheidungsstrukturen der EWG folgte der auf diesem Wechselspiel beruhende „Imperialismus des Wissens“25 komplexeren Logiken als etwa in der bilateralen Zusammenarbeit, da mitunter europäische Experten verschiedener Mitgliedsstaaten zu unterschiedlichen Auffassungen gelangten.26 Auseinandersetzungen um das ,richtige‘ Wissen ermöglichten, begrenzten und strukturierten somit letztlich bis zu einem gewissen Grad Handlungsspielräume in der Zusammenarbeit. Nicht zuletzt deshalb wird die politikgeschichtliche Analyse um wissensgeschichtliche Perspektiven ergänzt und die Aufmerksamkeit auch auf die Rolle und Einflussmöglichkeiten von Experten und Forschungsinstituten gelenkt. Schließlich werden die entwicklungspolitischen Strategien, die der Kooperation zwischen der EWG und dem Senegal zwischen 1957 und 1975 zugrunde lagen, mit den übergreifenden Trends des internationalen Entwicklungsdiskurses abgeglichen und dadurch in einen breiteren Kontext gestellt. In der Tat haben die Aktivitäten der EWG in ideengeschichtlichen Darstellungen bislang keine Beachtung gefunden. Vielmehr wurde dabei überwiegend auf Strategien anderer internationaler Organisationen wie der Weltbank, der Vereinten Nationen und der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) rekurriert, was auf den ersten Blick auch naheliegend erscheint, da diese im Vergleich zur EWG globale Institutionen waren. Knapp skizziert dominierten in den drei genannten Organisationen in den 1960er Jahren modernisierungstheoretische Ansätze mit besonderem Schwerpunkt auf Industrialisierungsmaßnahmen, ehe zu Beginn der 1970er Jahre verstärkt Armutsbekämpfung, Beschäftigungspolitik und Strategien zur Grundbedürfnisversorgung in den Vordergrund rückten.27 Inwieweit die Zusammenarbeit zwischen dem Senegal und der EWG diesen Trends folgte, wird auch im Hinblick auf deren globale Reichweite zu diskutieren sein. Neben der Bedeutung und Funktion von Wissen rücken drittens Mentalitätslagen in der Zusammenarbeit in den Fokus, wodurch auch kulturgeschichtliche Perspektiven in den Analysehorizont integriert werden. Mit Mentalitätslagen sind dabei Denkmuster gemeint, die sich auf Meinungen, Einstellungen und Wertvorstellungen 24 Vgl. zu dieser Wechselwirkung bereits Weingart (1983), S. 235. 25 Cooper (1997), S. 64; vgl. dazu auch Escobar (1993). 26 Ein ,Experte‘ wird hier und im Folgenden mit Ronald Hitzler verstanden als „jemand, der es versteht, sozial zu plausibiliseren, daß er über besondere Kompetenzen verfügt.“ Hitzler (1994), S. 27. 27 Vgl. allgemein Rist (2008); Arndt (1987); zu den Anfängen der Weltbank Staples (2006), S. 22–63; zu deren Strategiewechsel Finnemore (1997); zu den Vereinten Nationen Jolly/ Emmerij/Ghai/Lapeyre (2004), S. 85–137; zur IAO grundlegend Maul (2007).

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stützen und je nach konkreter Situation in unterschiedlichem Ausmaß handlungsleitend werden können. Vorstellungen über Entwicklung geraten so genauso in den Blick wie wechselseitige Perzeptionen der beteiligten Akteure. Soweit die Quellen dies erlauben, gilt es, solche mental maps freizulegen und zu diskutieren, welche Folgen diese auf die Zusammenarbeit hatten.28 Bereits das Zeitalter des Kolonialismus wurde von bestimmten Mentalitätslagen geprägt, deren Kernelement die Konstruktion inferiorer Andersartigkeit bildete. Diese wurde an religiösen, technologischen, insbesondere aber auch biologischen Unterschieden festgemacht. Sie diente nicht nur als Grundlage für die Ausbildung eines europäischen Überlegenheitsgefühls, sondern rechtfertigte zugleich die koloniale Zivilisierungsmission: Die Behauptung und Herstellung von Differenz gebar die rückständigen Zivilisationen außerhalb Europas, für die es Verantwortung zu übernehmen galt. Ferner war die Vorstellung weit verbreitet, Kolonien fernab politischer Auseinandersetzungen verwalten und letztlich auch entwickeln zu können.29 Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurden demgegenüber afrikanische Eliten zunehmend in die politischen Strukturen der französischen und britischen Kolonien integriert. Daraus ergaben sich insbesondere in der Union française auf persönlichen Beziehungen aufbauende, gleichwohl hierarchisch strukturierte politisch-administrative Klientelnetzwerke. Aufgrund ihrer europäisch geprägten Ausbildung und der langjährigen Erfahrung mit der Kolonialmacht befanden sich die neuen afrikanischen Eliten in einem Zwischenraum und agierten letztlich als kulturelle Makler, was nicht nur Auswirkungen auf ihre eigenen Einstellungen und Wertvorstellungen hatte. Genauso wurden sie von den europäischen politischen Eliten auch anders wahrgenommen als etwa die afrikanische Landbevölkerung. Bis zu einem gewissen Grad brachte der Spätkolonialismus innerhalb der politischen Eliten also gemeinsame Mentalitätslagen hervor, ohne jedoch überkommene Denk- und Verhaltensmuster auf der einen wie auf der anderen Seite schon gänzlich zu verdrängen.30 Daraus folgt, dass keineswegs von statischen oder ausschließlich dichotomisch geprägten Mentalitätslagen in der Zusammenarbeit ausgegangen werden darf. Vielmehr steht zu erwarten, dass sich je nach konkreter Akteurskonstellation andere Mentalitätslagen äußerten und jene deshalb auch in unterschiedlichem Ausmaß die Zusammenarbeit beeinflussten. Vor diesem Hintergrund rückt zum einen die diplomatische Arena in den Blickpunkt. Regelmäßig beschworen senegalesische ebenso wie europäische Regierungsvertreter in politischen Verhandlungen einen diffusen „Geist der Zusammenarbeit“ und verbanden damit je eigene Erwartungen. Inwieweit solche Erwartungshaltungen durch überkommene Verhaltensmuster genährt, gepflegt, nicht zuletzt aber auch ent28 Vgl. Gilcher-Holtey (1998), S. 476–480; Kundrus (2003). 29 Vgl. zusammenfassend Osterhammel (2003), S. 112–119. 30 Vgl. Eckert (2007a), S. 19–22; Eckert (2005); Genova (2004), S. 223–271.

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täuscht wurden, gilt es detailliert zu erörtern, um dadurch den eigentlichen Geist und daraus resultierende Konsequenzen einzufangen. Eine andere Akteurskonstellation bildete sich auf Arbeitsebene zwischen der DG VIII, der senegalesischen Ministerialbürokratie sowie nichtstaatlichen Akteuren. Hier richtet sich das Augenmerk darauf, inwieweit jene ambivalenten Mentalitätslagen, wie sie sich im französischen Spätkolonialismus herausgebildet hatten, auch in der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit weiterlebten. Die Durchführung von Entwicklungsprojekten begründete schließlich eine weitere Akteurskonstellation, wobei angesichts der Quellenlage zuvörderst die Denk- und Verhaltensmuster von europäischen Projektmitarbeitern gegenüber senegalesischem Personal sowie gegenüber den betroffenen Bauern diskutiert werden. Viertens schließlich erörtert die Studie die Auswirkungen der Zusammenarbeit. Der Blick richtet sich dabei ebenso auf den Senegal wie auf die EWG und ihre Mitgliedsstaaten. Im Senegal stehen die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen im Vordergrund. Dass Entwicklungszusammenarbeit häufig scheiterte, ist banal.31 Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, die Analyse auf die Frage zu beschränken, warum entwicklungspolitische Programme und Projekte ihre gesetzten Ziele verfehlten. Vielmehr liegt der Studie die Annahme zugrunde, dass die Zusammenarbeit selbst im Scheitern Folgen für das betroffene Land hatte, auch wenn diese nicht beabsichtigt oder nicht vorhersehbar waren.32 Die Auswirkungen der Zusammenarbeit zu untersuchen heißt demnach, möglichst alle von ihr ausgelösten Dynamiken vor Ort in den Blick zu nehmen, anstatt lediglich Zielsetzungen und Resultate statisch miteinander abzugleichen. Die Zusammenarbeit beeinflusste nicht nur verschiedene Sektoren der senegalesischen Volkswirtschaft. Sie erstreckte sich im Rahmen von Projekten auch und insbesondere auf die ländlichen Regionen des Senegal. Entwicklungsexperten kamen so in direkten Kontakt mit Sozialstrukturen und Arbeitsgewohnheiten senegalesischer Bauern. Nicht zuletzt bot die Zusammenarbeit Entwicklungsgesellschaften, die längerfristig im Senegal engagiert waren, Möglichkeiten zur Einflussnahme auf innenpolitische Entscheidungsprozesse. Deshalb und im Dialog mit dem vorwiegend in den Politikwissenschaften angewandten Governance-Konzept wird die Studie auch der Debatte über den Staat in Afrika einen bislang unterbelichteten Aspekt hinzufügen.33 Wenngleich die Frage nach der Dekolonisierung in den Metropolen in letzter Zeit verstärkten Zuspruch erfahren hat,34 so scheint es auf den ersten Blick wenig erfolg31 Vgl. dazu Grill (2007) und Büschel/Speich (2009), S. 11–14. 32 So auch Pélissier (1972); ähnlich ferner Wilder (2005), S. 78f. 33 Vgl. zu dieser in der afrikanischen Geschichte geführten Diskussion Eckert (2007a), S.  1–18; Eckert (2008c); Bayart (1992); zum Governance-Konzept Schuppert (2008); Risse/Lehmkuhl (2007). 34 Vgl. dazu programmatisch Conrad (2011); zu Frankreich Kalter/Rempe (2011); ferner und europäisch vergleichend angelegt Dard/Lefeuvre (2008).

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versprechend, innerhalb der EWG Rückwirkungen der speziellen Beziehungen zum Senegal aufzuspüren. Nimmt man den Senegal demgegenüber als pars pro toto der Entwicklungszusammenarbeit der Gemeinschaft und fokussiert insbesondere auf den politischen Bereich, so drängt sich die Frage auf, inwieweit diese Aktivitäten – erneut unabhängig davon, ob intendiert oder nicht – Prozesse der Europäisierung in der EWG auslösten. Dabei wird Europäisierung weder normativ noch teleologisch verstanden in dem Sinne, dass Europäisierung an bestimmten Werten festzumachen sei oder einen linearen Prozess der Vereinheitlichung darstellen würde. Stattdessen wird einem konstruktivistischen Ansatz gefolgt: Als Europäisierung wird demnach die Aneignung und Veränderung verschiedener Verwaltungspraktiken, Wissensbestände und Methoden auf europäischer Ebene einschließlich möglicher Rückwirkungsprozesse auf nationale Vorgehensweisen bezeichnet. Folglich werden durch die Entwicklungspolitik ausgelöste bottom-up und top-down Prozesse in den Blick genommen, um Ausmaß und Grenzen solch konvergenter Dynamiken auszuloten.35 Europäisierung konnte demzufolge an vielen Orten beobachtet werden: innerhalb der EWG-Kommission, in den jeweiligen Entwicklungsministerien der Mitgliedsstaaten, aber auch in transnationalen Expertengremien, die die EWG ins Leben rief. Übergreifend eröffnet die Verwendung einer reflektierten Europäisierungsperspektive zudem die Möglichkeit, den Einfluss französischer Erfahrungen und Praktiken auf die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit von dessen Grenzen her zu erfassen und dadurch neu zu vermessen. Innerhalb dieses Analyserahmens unternimmt die vorliegende Studie den Versuch, Geberinstitution und Empfängerland, politische Entscheidungsträger und Experten, Ausführende und Adressaten, nicht zuletzt Planung, Umsetzung und Auswirkungen der Zusammenarbeit in einem analytischen Feld zusammenzuführen und eine transnationale Beziehungsgeschichte zu schreiben. Beziehungsgeschichte ist keineswegs ein komplexes theoretisches Konzept. Sie möchte lediglich mehr sein als die klassische Geschichte internationaler Beziehungen, die sich ausschließlich auf die diplomatische Arena konzentriert. Beziehungsgeschichte interessiert sich demgegenüber stärker für Inhalte, erfasst Relationales jeglicher Art und bietet sich insofern für eine Untersuchung von Entwicklungszusammenarbeit ganz besonders an, zumal dieses Politikfeld wie kaum ein zweites äußerst unterschiedliche Aspekte vereint.36 Die transnationale Dimension liegt dabei auf der Hand: Abgesehen davon, dass die EWG-Kommission als supranationale Behörde eine ganz zentrale Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit einnahm, wurde diese auch von

35 Vgl. Hirschhausen/Patel (2010); Kaelble (2007a); Börzel/Risse (2006); aufschlussreich dazu außerdem Patel/Lipphardt (2009). 36 Vgl. Osterhammel (2001), S. 9; programmatisch dazu auch Cooper/Stoler (1997); zum ausgreifenden Bedeutungsgehalt des Entwicklungskonzepts vgl. Ziai (2009).

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Experten, Forschungsinstituten, Entwicklungsgesellschaften und Unternehmen wesentlich mitgestaltet.37 Darüber hinaus nimmt die Studie Anleihen bei der entangled history, der histoire croisée und der Transfergeschichte. Wenngleich die drei Ansätze letztlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen, so fokussiert die entangled history stärker auf Rückwirkungen, wie sie etwa bei der Frage nach Europäisierungstendenzen auftreten, während die histoire croisée eher die Notwendigkeit multiperspektivischer Forschung betont, von der die Studie insgesamt geleitet ist. Die Transfergeschichte schließlich macht auf verschiedene Formen von Aneignungsprozessen aufmerksam, die es in erster Linie bei der Erörterung der Auswirkungen der Zusammenarbeit zu reflektieren gilt.38 *** Die Untersuchung ist an der Schnittstelle zwischen europäischer Integrationsgeschichte, senegalesischer Zeitgeschichte und, etwas allgemeiner, der Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit angelegt und verbindet dadurch drei Forschungsfelder, die bislang nur wenig Berührungspunkte aufwiesen. Der Forschungsstand zur Entwicklungspolitik der EWG ist rasch zusammengefasst. Die Geschichtswissenschaft hat sich bislang ebenso wie die Politikwissenschaft auf die Entstehung der Assoziierung sowie die nachfolgenden Verhandlungsprozesse zu den beiden Abkommen von Yaoundé und der ersten Lomé-Konvention konzentriert, wobei insbesondere die Erneuerung der Assoziierung im Jahr 1963 inzwischen mehrfach aufgearbeitet worden ist. Darüber hinaus liegt ein Sammelband zu den entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen der EWG und den assoziierten afrikanischen Staaten vor, der jedoch ebenso wie die anderen Arbeiten überwiegend einer klassischen diplomatiegeschichtlichen und eurozentrischen Perspektive verhaftet bleibt. Dessen ungeachtet haben diese Untersuchungen der vorliegenden Studie wichtige Impulse gegeben.39

37 Vgl. zur transnationalen Geschichte grundlegend Patel (2004); außerdem den Sammelband von Budde/Conrad/Janz (2006); den jüngsten Forschungsüberblick bietet Gassert (2010). 38 Vgl. zur Debatte Kaelble (2005); zu den einzelnen Konzepten Conrad/Randeria (2002); Werner/Zimmermann (2002); Kaelble (2003); Paulmann (2004). 39 Aus historischer Perspektive zum ersten Abkommen von Yaoundé vgl. Moser (2000); Migani (2008); jüngst, ebenfalls mit Schwerpunkt auf dem ersten Abkommen, darüber hinaus aber auch zum zweiten Abkommen Vahsen (2010); der genannte Sammelband wurde herausgegeben von Bitsch/Bossuat (2005), zu Lomé vgl. Milward (2005); Palayret (2006); Reyels (2008); zu den wichtigsten politikwissenschaftlichen Arbeiten zählen Zartman (1971); Lister (1988); Cosgrove-Twitchett (1978); Ravenhill (1985); Grilli (1993).

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Demgegenüber hat Véronique Dimiers Interpretation zur Entwicklungspolitik der EWG in jüngerer Zeit die breiteste Rezeption erfahren.40 Die belgische Politikwissenschaftlerin hat aus einer institutionengeschichtlichen Perspektive die These aufgestellt, dass die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik letztlich eine Fortsetzung französischer Kolonialpolitik gewesen sei: Ehemalige französische Kolonialbeamte hätten in Brüssel die Generaldirektion VIII dominiert und altbewährte Praktiken perpetuiert; die Vergabe von Entwicklungsprojekten sei auf der Grundlage persönlicher Beziehungen und nicht nach wissensbasierten Kriterien erfolgt; übergeordnete Entwicklungsstrategien seien nicht vorhanden gewesen, stattdessen sei eher ein pragmatischer Ansatz verfolgt worden; nicht zuletzt hätten die Mitgliedsstaaten keinen großen Einfluss auf die gemeinschaftliche Zusammenarbeit gehabt; stattdessen habe der französische Direktor des EEF, Jacques Ferrandi, die Führung in der DG VIII übernommen und von dieser Position aus die Entwicklungspolitik der Gemeinschaft maßgeblich bestimmt.41 Diese Deutung wird mit der vorliegenden Studie auf den Prüfstand gestellt. Sie dient als Ausgangs- und häufig auch als Reibungspunkt, um aus einer transnationalen und beziehungsgeschichtlichen Perspektive eine alternative Interpretation vorzulegen. Gerade dieser Ansatz ist bislang für die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit nicht angewandt worden. Mit der vorliegenden Studie wird deshalb Neuland hinsichtlich der Analyse dieses Politikbereichs der EWG, aber auch insgesamt für das Feld der europäischen Integrationsgeschichte betreten, die bislang den transnationalen Dimensionen gemeinschaftlicher Politikgestaltung wenig und deren binnengesellschaftlichen Auswirkungen keinerlei Beachtung geschenkt hat.42 In umgekehrter Blickrichtung haben weder die senegalesische noch die allgemeine afrikanische Zeitgeschichte der Assoziierung bisher besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In seiner bekannten Interpretation der senegalesischen Entwicklungspolitik erwähnt Mamadou Diouf die EWG nicht ein einziges Mal. Diouf zufolge sei der Einfluss auswärtiger Institutionen wie der Weltbank auf die senegalesische Entwicklungspolitik erst seit den späten 1970er Jahren maßgeblich geworden. Zuvor hätten vor allem innenpolitische Dynamiken den senegalesischen Entwicklungs-

40 Vgl. etwa Ludlow (2006b); Milward (2005); Palayret (2009). 41 Vgl. Dimier (2008); Dimier (2006); Dimier (2005); Dimier (2004c); Dimier (2003); Dimier (2001); ein Buchprojekt, dass diese Forschung zu einer Institutionengeschichte der DG VIII von 1958 bis heute bündelt, wird voraussichtlich in den kommenden Jahren erscheinen. 42 Als bisherige Ausnahmen aus jüngster Zeit, die gleichfalls derartige Dimensionen betonen und diese Arbeit inspiriert haben, gelten Patel (2009b) sowie Kaiser/Leucht/Rasmussen (2009); außerdem Gehler/Kaiser/Leucht (2009); vgl. dazu auch den Forschungsüberblick von Patel (2010).

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weg entscheidend bestimmt.43 Auch andere Darstellungen, die bestimmte Bereiche senegalesischer Entwicklungspolitik thematisieren, konzentrieren sich vornehmlich auf die innenpolitische Dimension.44 Vor diesem Hintergrund leistet die vorliegende Studie nicht nur einen ergänzenden Beitrag zur Geschichte senegalesischer Entwicklungspolitik, sondern verspricht ein differenzierteres Bild zu zeichnen, das interne und externe Faktoren austariert. Schließlich versteht sich die Studie auch als Beitrag zum allgemeineren Forschungsfeld der Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit. Dieses hat sich bislang überwiegend auf die Ideengeschichte, Entwicklungsdiskurse und damit verbundene Wissensformationen sowie auf das Vorgehen von Geberländern und -institutionen konzentriert. Seltener sind Arbeiten zur Praxis der Entwicklungszusammenarbeit zu finden, die häufig anthropologisch ausgerichtet sind und in der Regel lediglich ein einzelnes Entwicklungsprojekt in den Blick nehmen. Das Buch verdankt diesen Forschungen wichtige konzeptionelle Anregungen und weiterführende Einsichten.45 Nichtsdestoweniger werden hier neue Wege eingeschlagen, indem bislang isoliert untersuchte Aspekte in einer Länderstudie integriert betrachtet werden und dadurch umfassendere Aussagen über die Funktionsweisen und den Stellenwert dieses Politikfeldes getroffen werden können. Zugleich erhebt die Untersuchung nicht den Anspruch, die Entwicklungspolitik der EWG in all ihren Facetten darzustellen. Neben der Vernachlässigung der Verhandlungsprozesse zu den diversen Abkommen und der Einschränkung der quellengestützten Analyse auf zwei Mitgliedsstaaten der EWG treten aus forschungspraktischen Gründen weitere Analysedimensionen in den Hintergrund. So wird anderen assoziierten Staaten, auch wenn einige länderübergreifende Entwicklungsprogramme der EWG in dieser Studie behandelt werden, keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Ferner wäre etwa an eine genderspezifische Perspektive zu denken, die da43 Vgl. Diouf (1997). 44 Vgl. unter anderem Cruise O’Brien/Diop/Diouf (2002); Diop (1992); Gersovitz (1987); Rocheteau (1982); auch ein 2002 erschienener Sammelband mit dem programmatischen Titel „La société du Sénégal entre le local et le global“ enthält keinen Beitrag zu den entwicklungspolitischen Beziehungen des Senegal, vgl. Diop (2002). 45 Vgl. zusammenfassend die jüngsten Forschungsüberblicke von Unger (2010) und Frey/ Kunkel (2011); zur Ideengeschichte vgl. Rist (2008); Kößler (1998); Arndt (1987); zur Diskursgeschichte einführend Cullather (2000); Crush (1995); zu den damit verbundenen Wissensformationen grundlegend der Sammelband von Cooper/Packard (1997); stellvertretend für andere Geberländer etwa zu Deutschland Hein (2006); Schmidt (2008); zu Frankreich Meimon (2007); Bossuat (2003); Brüne (1995); vergleichend angelegt Lancester (2007) und Pharo/Pohle-Fraser (2008); zur Weltbank Staples (2006); aufschlussreiche Arbeiten zu einzelnen Projekten bieten Ferguson (1994) und Beusekom (2002); ebenfalls stärker die Praxis im (kulturgeschichtlichen) Blick haben Büschel (2008), einige Aufsätze aus dem Sammelband von Büschel/Speich (2009) sowie aus soziologischer Perspektive Jackson (2005).

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nach fragen müsste, inwieweit Entwicklungspolitik nicht nur eine weitgehend von Männern gemachte, sondern auch eine ausschließlich an Männer gerichtete Politik war.46 Dieser Aspekt bleibt ebenso unberücksichtigt, wie auf eine harte wirtschaftshistorische, das heißt mit eigenen Berechnungen, Statistiken und Modellen arbeitende Analyse verzichtet wurde.47 Zugleich ist es bei einem so wirtschaftslastigen Thema wie der Entwicklungszusammenarbeit unverzichtbar, ökonomische Bedingungen und Zusammenhänge gebührend zu berücksichtigen, was gerade auch in der vorliegenden historischen Entwicklungsforschung eher als Manko sichtbar wird. *** Die vorliegende Studie fußt auf einer umfangreichen Quellenrecherche in einigen Archiven Europas und des Senegal. Im Nationalarchiv in Dakar wurden die – gut erschlossenen – Bestände für den Zeitraum vor der Unabhängigkeit gesichtet. Zudem konnten für die Zeitspanne seit 1960 zumindest die Akten des senegalesischen Landwirtschaftsministeriums ausgewertet werden, das für die Zusammenarbeit mit der EWG eine übergeordnete Rolle spielte. Die Politik der EWG wurde aus Beständen des Archivs der Europäischen Union in Florenz rekonstruiert, wobei Kommissionsakten ebenso konsultiert wurden wie Dokumente des Rates und einschlägige Interviews, die im Rahmen von oral history Programmen entstanden sind. Außerdem wurden in der EU-Delegation in Dakar sämtliche Akten eingesehen, die bislang nicht den Weg in das Archiv der EU gefunden haben. Der Besuch französischer Archive ergänzte diese Arbeiten ganz wesentlich: Recherchen in Nantes, wo Bestände der französischen Botschaft in Dakar beherbergt werden, im Archiv für Zeitgeschichte in Fontainebleau, im Archiv des Quai d’Orsay in Paris und nicht zuletzt die Konsultation der sogenannten Fonds Foccart im Nationalarchiv in Paris haben zum Verständnis der senegalesisch-europäischen Beziehungen beigetragen und zugleich französische Positionen kenntlich werden lassen.48 In Fontainebleau gab zudem der Bestand der Société d’aide technique et de coopération (SATEC) detaillierten Aufschluss über eine französische Entwicklungsgesellschaft, die für die Entwicklungszusammenarbeit der EWG im Senegal eine ganz zentrale Rolle einnahm. Außerdem hat sich das Politische Archiv des Auswärtigen Amts in 46 Vgl. zur Genderperspektive auf Entwicklung Parpart (1995), hier vor allem S. 257–259 sowie das programmatisch ausgerichtete Zwischenfazit bei Unger (2010), S. 23–25. 47 Vgl. dazu für den Senegal, allerdings erneut ohne Bezug zur EWG Boye (1992); im Hinblick auf die EWG-Assoziierung d’Almeida-Topor/Lakroum (1994), S. 177–192; Grilli (1993). 48 Diese umfangreiche Recherche in Frankreich reflektiert dabei die komplizierten und häufig konfligierenden Zuständigkeiten französischer Afrikapolitik, für die Élysée-Palast, Außenministerium und Entwicklungsministerium gleichsam Kompetenzen hatten, vgl. dazu Meimon (2007), S. 32.

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Berlin als verlässliche Fundgrube erwiesen und diente zugleich als Seismograph, um Verhaltensmuster der Bundesregierung zu entschlüsseln. Schließlich wurden die senegalesischen Entwicklungspläne, einschlägige Zeitschriften wie Europe France Outremer, Memoiren einflussreicher Akteure sowie Rechtstexte und weitere offizielle Publikationen der EWG herangezogen. Freilich steht diese asymmetrische Quellenlage ein Stück weit dem Anspruch entgegen, eine multiperspektivische Analyse zu leisten. Der daraus mitunter resultierende indirekte Zugang zu senegalesischen Positionen bleibt aus quellenkritischer Sicht unbefriedigend. Mangels gangbarer Alternativen verspricht jedoch dieses Vorgehen bei behutsamer und reflektierter Anwendung allemal mehr Einsichten als eine Kapitulation vor der ungünstigen Quellenlage, zumal dadurch eurozentrische Sichtweisen auch weiter zementiert würden. Eine zweite quellenkritische Bemerkung zielt auf die genannten Interviews von Mitarbeitern der EWG-Kommission, die mit der gebotenen Vorsicht konsultiert wurden. Zum einen standen deren Aussagen nicht selten im Gegensatz zur Quellenlage. Zum anderen ist eine natürliche Skepsis angebracht gegenüber Aussagen ehemaliger Funktionsträger, die versuchen, sich an Vorgänge von vor 30 bis 40 Jahren zu erinnern. Letztlich sagen diese Interviews mehr über die Selbstzuschreibungen der befragten Zeitzeugen aus als über die Stellung ihrer Generaldirektion im komplexen Beziehungsgeflecht der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit.49 *** Der Aufbau der Arbeit ist chronologisch gestaltet und in drei jeweils leicht überlappende Hauptteile gegliedert, die in sich grundsätzlich nach thematischen Kapiteln geordnet sind. Den drei Hauptteilen ist ein Prolog vorangestellt, der sich einführend der Entwicklungspolitik im Spätkolonialismus, den Entstehungsbedingungen der Assoziierung sowie dem konkreten Dekolonisationsprozess im Senegal widmet. Der erste Teil der Arbeit konzentriert sich zunächst auf Europa und wendet sich der Grundlegung gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik zu. Das erste Kapitel widmet sich Strategien der DG VIII, alte Kontakte zu den assoziierten Gebieten zu mobilisieren und neue zu knüpfen, um dadurch der Zusammenarbeit eine eigenständige personelle Basis zu verschaffen. Das zweite Kapitel erörtert die konzeptionellen Grundlagen der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik und -planung, wie sie sich im Zusammenspiel beziehungsweise im Konflikt zwischen der Generaldirektion und Frankreich herauskristallisierten. Das dritte Kapitel wendet sich abschließend der

49 Vgl. zur oral history etwa Niethammer (1985); in der Tat geben die Zeitzeugen in den Interviews mitunter selbst zu, sich kaum erinnern zu können. Hinzu kommt, dass die Interviewer bisweilen eine gewisse Distanz zu den Befragten vermissen lassen.

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Zusammenarbeit zu und untersucht die Entstehungszusammenhänge der ersten senegalesischen Entwicklungsprojekte im Übergang zur Unabhängigkeit. Zu Beginn des zweiten Teils, der die 1960er Jahre in den Blick nimmt, wird der Scheinwerfer systematisch gedreht und die Konzeption sowie der Wandel senegalesischer Entwicklungspolitik in zwei chronologisch geordneten Kapiteln eingehend dargelegt. Der erste Abschnitt schildert die Entstehungszusammenhänge des ersten senegalesischen Entwicklungsplans, aus dem zugleich die grundsätzlichen Entwicklungsfragen des Senegal für das Jahrzehnt hervorgehen. Das anschließende zweite Kapitel analysiert daraufhin die Veränderungen, welche die senegalesische Entwicklungspolitik durch die im Dezember 1962 erfolgte Entmachtung von Premierminister Mamadou Dia einerseits und dem kurz darauf erfolgten Abschluss des ersten Yaoundé-Abkommens andererseits durchlief. Beide Abschnitte setzen dabei bereits einen Schwerpunkt auf die senegalesische Erdnusswirtschaft, da diese zum einen den wichtigsten Wirtschaftszweig des Senegal bildete und deshalb auch zentrale Bedeutung für dessen Entwicklungsplanung erlangte. Zum anderen wurde jener Sektor von der Erneuerung des Assoziationsabkommens und infolgedessen auch von der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik am stärksten tangiert. Ab dem folgenden Kapitel wird die thematische Struktur wieder aufgenommen und beibehalten, wobei zunächst der Erdnusssektor weiter im Fokus steht. Der dritte Abschnitt beleuchtet die handelsrechtlichen Auswirkungen, die die neue Konvention für senegalesische Erdnüsse hatte, und erörtert Bestrebungen der senegalesischen Regierung, gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten der EWG eine Lösung des Problems im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik herbeizuführen. Das vierte und zugleich letzte Kapitel zur Erdnusswirtschaft fokussiert schließlich auf die Entstehung, die Durchführung und die Auswirkungen eines Entwicklungsprojekts, das die Modernisierung der Erdnusswirtschaft vorantreiben sollte. Die Kapitel fünf bis acht wenden sich daraufhin anderen Bereichen der Zusammenarbeit in den 1960er Jahren zu. Zunächst analysiert der fünfte Abschnitt landwirtschaftliche Diversifizierungsmaßnahmen im Senegal, wobei insbesondere Beurteilungspraktiken der EWG und die Rolle von wissenschaftlichem Wissen in den Blick geraten. Das sechste Kapitel beleuchtet ein Vorhaben zum Ausbau der Wasserversorgung von Dakar, das einen wissensbasierten und zugleich politischen Konflikt zwischen verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren auslöste. Die Zusammenarbeit im Bereich der Industrialisierung steht im Zentrum des siebten Abschnitts. Die begrenzten senegalesischen Handlungsspielräume kommen dabei ebenso zum Vorschein wie ein Janusgesicht der EWG: Die Gemeinschaft wollte einerseits Industrialisierung fördern und bewirkte andererseits das Gegenteil. Das achte Kapitel des zweiten Teils thematisiert schließlich die Ausbildungsmaßnahmen der EWG und erörtert unter anderem Denk- und Verhaltensmuster, die sich bei der Durchführung dieser Programme offenbarten.

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Vor dem Hintergrund des bereits erwähnten Wandels im globalen Entwicklungsdiskurs gegen Ende der 1960er Jahre einerseits und der Erneuerung des Abkommens von Yaoundé im Sommer 1969 andererseits wendet sich der dritte Teil den 1970er Jahren zu und arbeitet Kontinuitäten und Veränderungen im Vergleich zur Zusammenarbeit des vorangegangenen Jahrzehnts heraus. Alle ausgebreiteten Themenbereiche werden noch einmal in vier Kapiteln aufgegriffen. Zunächst geht es erneut um die gemeinsame Entwicklungsplanung einschließlich der Planung von Ausbildungsfragen, ehe die praktische Umsetzung sowie die Auswirkungen der eingeläuteten Diversifizierungsmaßnahmen dargestellt werden. Der dritte Abschnitt kehrt zur senegalesischen Erdnusswirtschaft zurück und legt vor dem Hintergrund der um 1970 einsetzenden Saheldürre die Entstehungszusammenhänge eines neuen Nothilferegimes frei. Das vierte Kapitel konzentriert sich schließlich erneut auf Industrialisierungsbestrebungen unter veränderten Vorzeichen. Am Ende der drei Hauptteile werden die jeweiligen Ergebnisse im Hinblick auf den hier zugrunde gelegten Analyserahmen kurz zusammengefasst. Darauf aufbauend bindet der Schluss die übergreifenden Merkmale und Dynamiken der Zusammenarbeit an die drei Forschungsfelder zurück, in denen sich die Studie bewegt. *** Dem skizzierten Aufbau der Arbeit ist zu entnehmen, dass eine Beziehungsgeschichte der Entwicklungszusammenarbeit zum einen nicht davor zurückschrecken darf, agrarpolitische Fragen in den Mittelpunkt zu stellen. Gerade in der deutschen Geschichtswissenschaft ist in den letzten Jahren aus verschiedenen Blickwinkeln die zentrale Bedeutung der Landwirtschaft für die deutsche und europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts betont worden.50 Dies gilt umso mehr für die Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal, zumal der überwiegende Anteil der senegalesischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig war, der senegalesische Staat einen erheblichen Anteil seiner Einnahmen aus diesem Sektor generierte und nicht zuletzt deshalb der Landwirtschaft auch in der Kooperation der größte Stellenwert eingeräumt wurde. Zum anderen ist vorwegzunehmen, dass eine Beziehungsgeschichte der Zusammenarbeit oftmals fragmentarisch bleibt, da Verflechtungen in manchen Bereichen abrupt abbrachen. Deshalb wird bisweilen über den Tellerrand der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zu blicken sein, um einige Prozesse sinnvoll einordnen zu können. Zugleich resultierte diese Unvollendetheit aus einer Entwicklung im Konflikt: Das komplexe Beziehungsgeflecht der Assoziierung begründete auf allen Ebenen der Zusammenarbeit, aber auch innerhalb der EWG ebenso wie im Senegal selbst Konflikte um den ,richtigen‘ Entwicklungsweg. Diese Konflikte, 50 Vgl. Uekötter (2010); Patel (2009b).

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die dahinterstehenden Wissensformationen, ihre kulturellen Ausprägungen und die damit verbundenen Folgen bestellen das Feld einer kritischen historischen Entwicklungsforschung und münden in eine Interpretation der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit als gemeinsam gemachter, erlebter und nicht zuletzt zu verantwortender Geschichte.

Prolog: Koloniale Entwicklungspolitik, Assoziierung und Dekolonisation Entwicklungspolitik war ein Kind des europäischen Spätkolonialismus. Sicherlich lässt sich die Ideengeschichte des Entwicklungskonzepts bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen, als im Zuge der Aufklärung ein fortschrittsorientiertes Geschichtsdenken aufkam, das sich im Laufe des darauffolgenden Jahrhunderts endgültig gegen zyklische beziehungsweise heilsgeschichtliche Deutungen durchsetzte. Dieser Gesinnungswandel verlief jedoch vor dem Hintergrund europäischer Transformationsprozesse, insbesondere der Industrialisierung und den damit verbundenen sozialen Folgen. Demgegenüber wurden Entwicklungsfragen bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht im Zusammenhang mit den Lebensbedingungen kolonisierter Gesellschaften diskutiert. Die Kolonialpolitik europäischer Mächte zielte nicht darauf ab, die Bewohner der Kolonien am Fortschritt teilhaben zu lassen. Vielmehr sollten die Kolonien in dessen Dienst gestellt werden. Zwischen wirtschaftlicher Entwicklung zugunsten der Metropolen und dem Wohlergehen der indigenen Bevölkerung wurde streng getrennt.1 Eine koloniale Entwicklungspolitik, die auf die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen in den Kolonien abzielte, setzte erst zu Beginn der 1940er Jahre ein. Frühere Initiativen wie etwa das 1921 präsentierte Entwicklungsprogramm des französischen Kolonialministers Albert Sarraut, das eine umfassende Inwertsetzung der Kolonien vorsah und das bis dato geltende Prinzip der Selbstfinanzierung der Kolonialgebiete zur Disposition stellte, konnten sich nicht durchsetzen. Die französische ebenso wie die britische Kolonialpolitik folgten in der Zwischenkriegszeit nach wie vor ihren jeweiligen Doktrinen der association beziehungsweise der indirect rule, die einige Gemeinsamkeiten aufwiesen: Sie fußten jeweils auf einem partikularistischen Ansatz, das heißt die Ausübung kolonialer Herrschaft sollte sich in erster Linie auf indigene soziale Strukturen stützen, anstatt diese aufzubrechen. Beide Doktrinen hatten demnach eine konservative Stoßrichtung und fokussierten außerdem nach wie vor auf den wirtschaftlichen Nutzen der Kolonien für die Metropolen. Demgegenüber trat in der Zwischenkriegszeit das universalistisch fundierte französische Entwicklungskonzept der assimilation, das stärker auf Modernisierung und gesellschaftlichen Wandel abzielte, in den Hintergrund.2 1 Vgl. Eckert (2008a); Arndt (1987), S. 22–29; Rist (2008), S. 25–46; Cowen/Shenton (1995). 2 Vgl. Conklin (1997), S. 174–211; Marseille (1984), S. 326–337; Hodge (2007), S. 117– 143; abweichend Wilder (2005), S. 76–117, der für die Zwischenkriegszeit einen „colonial humanism“ konstatiert als einer Mischung aus association und assimilation; zur

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Das Einsetzen einer kolonialen Entwicklungspolitik infolge des Zweiten Weltkriegs kann im Wesentlichen auf drei Gründe zurückgeführt werden. Erstens gelangten die wirtschaftlich vom Krieg geschwächten europäischen Kolonialmächte zu der Auffassung, dass die Kolonien verstärkt zur ökonomischen Erholung der Metropolen beitragen sollten. Mit der sogenannten zweiten kolonialen Besetzung, die aus diesem Strategiewechsel resultierte, sollte die Produktivität der Kolonialwirtschaften erhöht und jene dadurch in den Dienst des europäischen Wiederaufbaus gestellt werden. Damit war die Abkehr vom Prinzip der kolonialen self sufficiency verbunden: Großbritannien beschloss bereits 1940 den Colonial Development and Welfare Act, während Frankreich 1946 den Fonds d’investissement de développement économique et social einrichtete, die jeweils finanzielle Mittel für Infrastrukturen und Entwicklungsprojekte in den Kolonien bereitstellten.3 Zweitens reagierten die Kolonialmächte mit diesem Strategiewechsel auf Entwicklungen in den Kolonien selbst. Insbesondere unter afrikanischen Lohnarbeitern regte sich seit den späten 1930er Jahren zunehmend Widerstand gegen die Kolonialadministration, der unter anderem von Forderungen nach einer Angleichung der Arbeitsbedingungen an europäische Standards getragen wurde. Mit der Gründung der Union française 1946 erhielt der Gedanke der assimilation, der bis dahin in der französischen Kolonialpolitik über eine programmatische oder legitimierende Funktion kaum hinaus gekommen war, weiter Auftrieb.4 So wurden die Bevölkerungen der Kolonien als Bürger der Union (nicht aber als französische Staatsbürger) anerkannt und erhielten das – zunächst eng umgrenzte – Recht, ihre politischen Vertreter in die französische Nationalversammlung zu wählen. Fortan saßen afrikanische Eliten wie Lamine Gueye, Léopold Sédar Senghor und Felix Houphouët-Boigny, die bereits die Ausarbeitung der Verfassung der IV. Republik maßgeblich mitgestaltet hatten, in der Assemblée nationale und konnten ihre Interessen in der Metropole artikulieren. Mit dem Übergang zu einer kostenintensiven Entwicklungspolitik und der Einbeziehung weniger afrikanischer Eliten in den politischen Entscheidungsprozess hoffte Frankreich, afrikanischen Forderungen nach mehr Gleichberechtigung entgegen zu kommen.5 Ähnliche, wenngleich in staatsrechtlicher Hinsicht längst nicht so weitreichende Dynamiken ließen sich auch im britischen Empire und dort gerade in den afrikanischen Kolonien ausmachen, die nach der Dekolonisation Indiens 1947 verstärkt in den Fokus britischer Kolonialpolitiker rückten. Auch hier trat an die Stelle der indirect rule eine interventionistische und stärker am Wohlfahrtsgedanken orienÄhnlichkeit von britischer und französischer Kolonialdoktrin bereits Kiwanuka (1970); aufschlussreich dazu auch Dimier (2004b), S. 17–37, 91–95. 3 Vgl. Shipway (2008), S. 61–68; Eckert (2008b), S. 378–382. 4 Vgl. Cooper (2004), S. 15–19; Cooper (1996), S. 277–322; zur begrenzten Politik der assimilation am aufschlussreichen Beispiel des kolonialen Ausbildungswesen vgl. Gifford/ Weiskel (1971), S. 662–711. 5 Vgl. Genova (2004), S. 202–211; Chafer (2002), S. 61–67.

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tierte Kolonialpolitik, die vor allem auf Kolonialminister Arthur Creech-Jones und die ihm nahe stehende Fabian Society zurückzuführen war.6 Zugleich stellten diese Reformen drittens eine Antwort auf die veränderten internationalen Rahmenbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Zum einen musste Frankreich seiner Kolonialpolitik – ebenso wie Großbritannien und Belgien – angesichts wachsender internationaler Kritik eine neue Legitimationsgrundlage verleihen. Mit der Gründung der Vereinten Nationen im Herbst 1945 und deren selbst auferlegter Verpflichtung zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker reihte sich eine moralische Instanz in die immer breiter werdende Abwehrfront gegen den Kolonialismus ein. Die soeben erwähnte Dekolonisation Indiens zwei Jahre später hatte zudem eine erhebliche Signalwirkung für die entstehenden Unabhängigkeitsbewegungen in den Kolonien und erhöhte einmal mehr den internationalen Rechtfertigungsdruck auf die Kolonialmächte.7 Parallel zum spätkolonialen Entstehungszusammenhang entdeckten die USA ihrerseits das Entwicklungskonzept als Waffe im aufziehenden Kalten Krieg und verliehen diesem – nicht zuletzt aus ihrem Selbstverständnis als befreite Kolonie heraus  – eine emanzipatorische Stoßrichtung. Die Systemkonkurrenz verhalf dem Entwicklungsparadigma zum globalen Durchbruch, zumal die Sowjetunion nach Stalins Tod im März 1953 ihren ideologischen und wirtschaftlichen Einfluss in der entstehenden sogenannten Dritten Welt gleichfalls über ein – freilich sozialistisch geprägtes – Entwicklungsversprechen auszuweiten suchte.8 Das Vordringen dieser alternativen Entwicklungswege ließ die Kolonialmächte einerseits weiter unter Zugzwang geraten. Gerade das amerikanische Vorgehen, das sich umfassend auf modernisierungstheoretische Annahmen stützte, bildete eine Gefahr für die Aufrechterhaltung kolonialer Herrschaft. Zwar brachte die Modernisierungstheorie in erster Linie explizit zum Ausdruck, was im französischen Spätkolonialismus seit 1946 mit dem Konzept der assimilation implizit zur Anwendung gelangen sollte: Beide Doktrinen verdankten sich einer universalistischen Sichtweise und fußten auf der Annahme, dass sozialer Wandel nach Maßgabe der Gesellschaftsformen der entwickelten Länder durch staatliche Interventionen erreicht werden könnte. Im Unterschied zur Doktrin der assimilation, die auf einer staatsrechtlichen Verbunden6 Vgl. Eckert (2007a), S. 103–110; zu den Fabiern im Detail Finsterhölzl (2010). 7 Vgl. Eckert (2008a), S. 3–6; Mommsen (1990); zum indischen Dekolonisationsprozess vgl. zusammenfassend Rothermund (2006), S. 53–67; zu Belgien, das in Reaktion auf Druck der UNO und der USA 1949 einen Entwicklungsplan für Belgisch-Kongo über zehn Jahre aufstellte, vgl. Vanthemsche (2007), S. 142–149; zu Frankreich, Großbritannien und ihrem Verhältnis zur UNO vgl. etwa Kent (1992), S. 263–285. 8 Vgl. Rist (2008), S. 70–75; zu den unterschiedlichen ideologischen Grundlagen der Supermächte vgl. Westad (2006), S. 8–72; zu ersten Erfahrungen sowjetischer Entwicklungspolitik unter Nikita Chruschtschow siehe Hilger (2008); dazu außerdem der Forschungsüberblick bei Engerman (2011).

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heit ruhte, zielte die Modernisierungstheorie jedoch zusätzlich auf Selbstbestimmung ab und beförderte so Entwicklungsvorstellungen jenseits kolonialer Bindungen.9 Andererseits erfüllte der Kalte Krieg für die europäischen Kolonialmächte auch eine Stabilisierungsfunktion. Gerade im Hinblick auf das subsaharische Afrika wusste die französische Regierung die Systemkonkurrenz für ihre kolonialpolitischen Ziele zu instrumentalisieren. Fest verankert im westlichen Lager konnte sie sich als gütiger Hegemon des frankophonen Afrika präsentieren und so zugleich ihren Status als Kolonialmacht gegenüber den USA rechtfertigen, die der Eindämmung des Kommunismus Priorität vor einer raschen Dekolonisation einräumten. Ungeachtet der zunehmenden Diskreditierung des Kolonialismus in der Weltöffentlichkeit eröffnete der Systemkonflikt somit Frankreich die Möglichkeit, die internationale Gemeinschaft ebenso wie die afrikanischen Gesellschaften für dessen Entwicklungskolonialismus zu gewinnen.10 *** Eingebettet in diesen globalen Kontext führten Frankreichs kriegsbedingte finanzielle Notlage einerseits und die zunehmenden Kosten der kolonialen Entwicklungspolitik andererseits seit Beginn der 1950er Jahre zu diversen Initiativen, Afrika zu einer „europäischen Gemeinschaftsaufgabe“11 zu machen. Bilaterale Kooperationsversuche mit Großbritannien kamen jedoch über konzertierte Aktionen gegen Einmischungsversuche von außen, insbesondere der Vereinten Nationen, nicht hinaus, da die traditionell bestehende Rivalität der beiden Kolonialmächte nicht überwunden werden konnte.12 Deshalb wandte sich Frankreich mehr und mehr dem kontinentalen Europa zu. Bereits der Schuman-Plan, den der französische Außenminister Robert Schuman Anfang Mai 1950 präsentierte, und der in erster Linie auf die Einbindung der jungen Bundesrepublik abzielte, hob die Entwicklung Afrikas als eines der zentralen Ziele eines geeinten Europas hervor. Die Bundesregierung begrüßte lebhaft die afrikanische Dimension des Plans, der zur Grundlage der Montanunion wurde. Dadurch, so Bundeskanzler Adenauer, würde dieser „eine außerordentlich große wirtschaftliche

9 Vgl. Cooper (2004), S. 24; auf Ähnlichkeiten zwischen der Theorie und spätkolonialer Entwicklungspolitik hat auch Malinowski (2008), S. 244–247 hingewiesen; zur Theorie selbst vgl. etwa einen seiner prominentesten Vertreter, Rostow (1960); zum Entstehungskontext der Theorie vgl. Gilman (2003), S. 24–41; zur Bedeutung der Modernisierungstheorie für die amerikanische Außen- und Entwicklungspolitik vgl. Kunkel (2008). 10 Vgl. Michel (2000); Rothermund (2006), S. 43; Frey (2006), S. 35–39. 11 So der Titel eines noch ganz dem spätkolonialen Diskurs verhafteten Sachbuches des österreichischen Erfolgsautors Anton Zischka, vgl. Zischka (1951); zu Leben und Werk des Autors vgl. Laak (2007). 12 Vgl. ausführlich Kent (1992), S. 328–342.

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Bedeutung auch für das überbevölkerte Westeuropa“ erhalten.13 Angesichts innenpolitischer Widerstände zog die französische Regierung diesen Teilaspekt des Plans jedoch bald wieder zurück.14 Unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Bundestagsabgeordneten Johannes Semler kam es bald darauf im Rahmen des Europarates zu einer weiteren Initiative zur Erschließung der afrikanischen Kolonien. Der sogenannte Straßburgplan, der im Herbst 1952 einstimmig angenommen wurde, sah neben der Gewährung der Niederlassungsfreiheit an alle teilnehmenden europäischen Länder eine auf Produktivitätssteigerung abzielende bessere Vernetzung zwischen europäischer Industrie und überseeischen Rohstoffproduzenten vor. Das Projekt bezweckte eine langfristige Konsolidierung und Aufrechterhaltung der Kolonialreiche, was gerade durch die Einbeziehung europäischer Partner ohne Kolonialbesitz erreicht werden sollte. Wiederum beurteilte die Bundesregierung den Vorschlag positiv, und wiederum war es die französische Regierung, die sich quer stellte, da sie unter anderem eine massenhafte Zuwanderung italienischer und deutscher Fachkräfte in die französischen Kolonien befürchtete.15 Ein dritter Anlauf, dieses Mal rein bilateraler Natur zwischen Frankreich und der Bundesrepublik, war ebenso zum Scheitern verurteilt wie die beiden multilateralen Pläne zuvor. Das deutsch-französische Wirtschaftskomitee, dessen Gründung beim Treffen zwischen Adenauer und dem französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès-France im Oktober 1954 in Celle Saint-Cloud beschlossen wurde, richtete zwar einen Unterausschuss für Afrika ein. Dieser kam jedoch kaum über das Planungsstadium für diverse Investitionen in Gabun, Guinea und anderswo hinaus; bald nach der Gründung der EWG löste sich das gesamte Gremium wieder auf.16 Die erste Hälfte der 1950er Jahre war also von verschiedenen Versuchen gekennzeichnet, eine europäische Wirtschaftskooperation in Afrika zu organisieren. Die Bundesregierung hätte diese gerne in Angriff genommen, doch die Projekte scheiterten regelmäßig an der französischen Kolonialmacht, die die wirtschaftlichen Reichtümer ihres überseeischen Besitzes noch nicht mit ihren europäischen Nachbarn teilen wollte. Damit ist zugleich auch das entscheidende Merkmal benannt, das diesen Initiativen zugrunde lag: Es ging um wirtschaftliche Interessenlagen und -sphären der europäischen Staaten. Die Diskussionen, die sich um diese Pläne rankten, folgten deutlich erkennbar einer kolonialpolitischen Logik und beinhalteten kaum emanzipatorische Perspektiven. 13 AAPD Adenauer und die hohen Kommissare, Bd. 1 (1949–51) Nr. 13, S. 208: Sitzungsprotokoll, 16.5.1950. 14 Vgl. Levèfre (1999); Moser (2000), S. 169–185; zum Schuman-Plan allgemein Lappenküper (1994). 15 Vgl. Wilkens (1999); Lefèvre (1993); Moser (2000), S. 215–225. 16 Vgl. Eck (2003), S. 271–277; Metzger (1994), S. 65–79; zum Treffen zwischen Adenauer und Mendès-France vgl. Wilkens (1993).

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Umso mehr drängt sich die Frage auf, welche Faktoren zu einem Stimmungsumschwung in Paris führten, in dessen Folge die Assoziierung der überseeischen Gebiete von der französischen Delegation letztlich als conditio sine qua non in die Verhandlungen über den EWG-Vertrag eingebracht wurde. Zum einen verschlechterte sich die finanzielle Situation der Union française im Laufe der 1950er Jahre weiter. So war die Metropole auch nach den Hilfen des Marshallplans stark von Finanzspritzen aus den USA abhängig. Hinzu kamen die immensen Kosten des zwischen 1946 und 1954 währenden Indochinakriegs sowie des unmittelbar anschließenden Algerienkriegs, die erheblich die Inflation anheizten. Beide Kriege hatten negative Auswirkungen auf die Außenhandelsbilanz und ließen letztlich Frankreichs Währungsreserven rasch dahin schmelzen.17 Zum anderen brodelte es in den Kolonien gewaltig. Im Verlauf der 1950er Jahre machten sich afrikanische Eliten die Idee der assimilation verstärkt zu eigen und stellten auf dieser Grundlage Forderungen gegenüber der Metropole nach besseren Lebensbedingungen und politischer Gleichberechtigung. Weil diese Ansprüche erhebliche Kosten verursachten und zudem die imperiale Ordnung in Frage stellten, sah sich die französische Kolonialpolitik zu einer grundsätzlichen Kurskorrektur gezwungen.18 Der erste bedeutende Schritt in diese Richtung bestand in der Verabschiedung der loi cadre, die der französische Minister für die überseeischen Gebiete, Gaston Defferre, im Juni 1956 auf den Weg brachte. Das Gesetz sah die Einrichtung von Territorialregierungen und Parlamenten vor, die auf der Grundlage von allgemeinen Wahlen gebildet wurden und über Budgetrecht verfügen sollten. Der Territorialregierung stand ein afrikanischer Vizepräsident vor, der mit dem französischen Gouverneur zusammenzuarbeiten hatte. Mit dieser Verwaltungsreform ging zugleich ein beachtlicher Kompetenztransfer just in jenen Bereichen einher, die der Metropole zu kostspielig geworden waren. Forderungen afrikanischer Arbeiter richteten sich fortan nicht mehr an die französische Kolonialadministration, sondern an die neuen Territorialregierungen. „Assimilation was dead“, brachte es Frederick Cooper treffend auf den Punkt: Das Gleichheitsversprechen der Union française wurde mit der loi cadre in der Tat zu Grabe getragen.19 Das Rahmengesetz bildete den vorläufigen Abschluss einer bereits länger andauernden Reformdiskussion innerhalb französischer Kolonialkreise. Frühere Initiativen waren stets am langsamen, teils widerspenstigen französischen Parlament gescheitert. Dass die Assemblée nationale das Rahmengesetz schließlich dennoch mit breiter Mehrheit verabschiedete, wird erst vor dem Hintergrund des Algerienkrieges verständlich: Ein zweites Algerien im subsaharischen Afrika galt es unbedingt zu 17 Vgl. Frank (1992). 18 Vgl. Cooper (2005), S. 204–230; Genova (2004), S. 228–236. 19 Cooper (1996), S. 425.

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verhindern. Die Reform wurde allerdings weder von Defferre noch von anderen als erster Schritt einer geordneten Dekolonisation betrachtet, und auch nach einhelliger Auffassung des Parlaments sollte die Einheit der Union mit dem neuen Regelwerk nicht gefährdet werden.20 Mit den im Mai 1956 einsetzenden Verhandlungen über die Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eröffnete sich der französischen Regierung zeitgleich eine weitere Option, die finanziellen Probleme ein Stück weit in den Griff zu bekommen. So bot der Gemeinsame Markt eine ideale Möglichkeit, die finanziellen Auswirkungen abzufedern, die die loi cadre auf die Kolonien hatte. Erneut war Gaston Defferre der maßgebliche Ideengeber. Ursprünglich schwebte dem Minister gar eine Vollmitgliedschaft der gesamten Union française mit einigen Sonderregelungen für die afrikanischen Gebiete vor – eine Idee, die angesichts des aussichtslosen Konkurrenzkampfes, denen sich die Kolonien hätten stellen müssen, bald wieder fallen gelassen und auf die mittelfristige Zukunft verschoben wurde.21 Das entscheidende Argument, das Defferre für eine Assoziierung der Kolonien vorbrachte, folgte einer simplen Logik: Sollte Frankreich ohne seine Kolonien in den Gemeinsamen Markt eintreten, so würde dies zu einem Bruch der wirtschaftlichen Verbindungen und, in kürzester Zeit, zu einer politischen Abspaltung führen. Daraus ergab sich nahezu zwangsläufig die kompromisslose Verhandlungstaktik der französischen Regierung, die Assoziierung der überseeischen Gebiete zur unumstößlichen Bedingung für eine Vertragseinigung zu machen.22 Mit der Aussicht auf eine Lastenteilung im europäischen Rahmen hoffte Paris zudem, die Mitte der 1950er Jahre aufkommende innerfranzösische Kritik am kostspieligen Kolonialismus einzudämmen, die spätestens mit Raymond Cartiers im Wochenjournal Paris Match im September 1956 erschienenen Artikeln stärkere Verbreitung fand. Der sogenannte cartiérisme, der dafür plädierte, Krankenhäuser und Straßen lieber in ,rückständigen‘ französischen Regionen als im afrikanischen Busch zu bauen, schien seine Wirkung nicht zu verfehlen.23 Umfragen aus demselben Jahr zufolge interessierten sich lediglich 17 Prozent der Franzosen für die Stabilität der Union française, dagegen aber 32 Prozent für die Steigerung des Lebensstandards und die Ausweitung sozialer Gerechtigkeit in der Metropole. Vor diesem Hintergrund beabsichtigte die französische Regierung, die Union française mit der Assoziierung auf eine bessere wirtschaftliche Grundlage zu stellen und damit zugleich die Akzeptanz innerhalb der französischen Gesellschaft wieder zu steigern. Die Aussicht auf ein ver20 21 22 23

Vgl. Ageron (1990), S. 491f.; Girault (1978), S. 357; Cohen (1971), S. 188. Vgl. Girault (1978), S. 369. Vgl. Migani (2008), S. 50f. Vgl. Marseille (1984), S. 11; Cartier verwies dabei vor allem auf den sogenannten complexe hollondais. Gemeint war damit, dass die Niederlande nach der Dekolonisation Indonesiens 1949 einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten, vgl. ebd., S. 357–365.

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eintes Europa avancierte so in den Augen vieler französischer Politiker zum Rettungsanker des kriselnden Kolonialreichs.24 Angesichts dieser Motive hätte es wohl der Suezkrise im Herbst 1956 gar nicht mehr bedurft, um die französische Regierung endgültig von der Notwendigkeit der Assoziierung zu überzeugen. In dem Konflikt wurde den beiden großen europäischen Kolonialmächten von den USA und der Sowjetunion deutlich vor Augen geführt, dass derartige imperiale Interventionen im Zeitalter des Kalten Krieges nicht mehr geduldet wurden. Diese Demütigung verbreiterte und stabilisierte allerdings den Konsens innerhalb der französischen Politik, die subsaharischen Territorien in einem europäischen Rahmen zu verankern. Kurz nach dem erzwungenen Rückzug vom Suezkanal brachte die französische Delegation im November 1956 einen mit Belgien abgestimmten konkreten Vorschlag über die Assoziierung in die Verhandlungen zum EWG-Vertrag ein. Er enthielt unter anderem Abnahmeverpflichtungen tropischer Erzeugnisse für alle teilnehmenden europäischen Länder sowie die Einrichtung eines Investitionsfonds, dessen Mittel von den je zuständigen Kolonialmächten vergeben werden sollten.25 Der Vorschlag stieß jedoch nicht nur bei den Niederlanden auf wenig Gegenliebe, sondern löste insbesondere innerhalb der Bundesregierung heftige Diskussionen aus. Vertreter aus dem Wirtschafts- und Finanzministerium verbündeten sich mit der handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amts. Sie warnten vor den finanziellen Lasten einer Assoziierung und fürchteten eine unnötige Verstrickung der Bundesrepublik in spätkoloniale Angelegenheiten. Die Befürworter sammelten sich in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amts. Auf einer Kabinettssitzung im Januar 1957 wurde schließlich ein Kompromiss erzielt: Die Einbeziehung der überseeischen Gebiete wurde im Grundsatz gebilligt, Abnahmeverpflichtungen für afrikanische Erzeugnisse auf Drängen von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard jedoch eine klare Absage erteilt.26 Die grundsätzliche Zustimmung der Bundesregierung zur Assoziierung gründete in erster Linie auf politischen Erwägungen. Nicht nur galt es ein mögliches Scheitern der Verhandlungen zu verhindern. Insbesondere das befürchtete Vordringen des Kommunismus auf dem afrikanischen Kontinent bildete am Bonner Kabinettstisch ein schwergewichtiges Argument für die Unterstützung Frankreichs in dessen afrikanischen Gebieten.27 Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Adenauer und 24 Vgl. Frank (1992), S. 169f. 25 Vgl. Moser (2000), S. 339, der die Funktion der Suezkrise allerdings überschätzt, da die französische Forderung nach einer Assoziierung der überseeischen Gebiete bereits seit der Konferenz von Venedig bekannt war. Plausibler erscheint Engels Erklärung, der zufolge Frankreich erst spät einen konkreten Vorschlag einbrachte, um die Partnerländer unter Druck zu setzen, vgl. Engel (2000), S. 226; vgl. dazu auch Vahsen (2010), S. 75. 26 Vgl. PAAA B 10-916: AA, Kabinettsvorlage, 10.1.1957; Rempe (2006), S. 28–32. 27 Vgl. Thiemeyer (2005), S. 269–285; Engel (2000), S. 225–230.

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andere Regierungsmitglieder durchaus auch außenwirtschaftspolitische Ziele mit der Assoziierung verfolgten und diesen Priorität gegenüber einer raschen Dekolonisation des frankophonen Afrikas einräumten. Adenauers Überzeugung zufolge eröffneten die afrikanischen Gebiete „für das arme Europa einfach großartige Möglichkeiten“ und zugleich war sich der Bundeskanzler sicher, dass „der sogenannte antikolonialistische Gedanke“ auf dem Rückzug sei.28 Nach zähen Verhandlungen gelangten die sechs europäischen Staaten im Februar 1957 zu einer Einigung, die letztlich einem deutsch-französischen Kompromiss glich. Die Abnahmeverpflichtungen wurden gestrichen, die Verwaltung des Fonds der EWG-Kommission übertragen und bestimmt, dass dessen Mittel die bisherigen bilateralen Zuwendungen ergänzen und keinesfalls ersetzen würden. Die Bundesrepublik steuerte mit 200 Millionen Rechnungseinheiten (RE)29 denselben Betrag zum EEF bei wie Frankreich; zusammen mit den Beiträgen der weiteren Mitgliedsstaaten wurde der erste Fonds über eine Laufzeit von fünf Jahren mit 581,25 Millionen RE ausgestattet. Außerdem wurden die assoziierten Staaten an das Zollsystem der EWG angeschlossen. Sie mussten ihre Zölle gegenüber den EWG-Staaten im selben Rhythmus wie letztere untereinander abbauen, während der Außenzolltarif der überseeischen Gebiete gegenüber Drittländern nicht angetastet wurde. Die Assoziierung folgte somit dem Prinzip einer Freihandelszone, in der sich die assoziierten Territorien und die EWG-Länder gegenseitig Zollpräferenzen einräumten.30 Kurz nach dem Verhandlungsmarathon ließ der deutsche Außenminister Heinrich von Brentano verlauten, dass „die Bundesrepublik in den wirtschaftlichen Genuss der überseeischen Gebiete kommt, ohne an den Verwaltungskosten beteiligt zu sein.“ Jede Investition würde „unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob ihre Errichtung im Interesse aller Teilnehmerstaaten liegt.“ Schließlich hob von Brentano noch folgendes Detail hervor: „Aus dem Investitionsfonds erbaute Erschließungsprojekte bleiben das Eigentum der Gemeinschaft der Teilnehmerstaaten.“31 Freilich sollte es dazu in der Praxis nicht (mehr) kommen. Die finanzierten Bauten gingen stattdessen in das Eigentum der überseeischen Territorien über. Die Aussagen von Brentanos verdeutlichen jedoch einmal mehr, dass mit der Assoziierung keine Pläne für eine zügige Dekolonisation verbunden waren – nicht einmal bei solchen

28 Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung Bd. 10 (1957), S. 101: Protokoll der 167. Sitzung des Bundeskabinetts, 15/16.1.1957; zu Adenauers hier geäußerten Einstellungen vgl. auch Küsters (1983), S. 668f. und Schwarz (1979), S. 518f. 29 1 Rechnungseinheit entsprach 1 US-Dollar beziehungsweise zu jener Zeit etwa 4 Deutscher Mark. 30 Vgl. zum Verhandlungsprozess Vahsen (2010), S. 70–79, 85–104; Moser (2000), S. 325– 372; ferner Migani (2008), S. 49–63. 31 Art. Gesamtdeutscher Vorbehalt zum Gemeinsamen Markt, in: Die Welt, 22.2.1957.

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Staaten wie der Bundesrepublik, die zumindest auf keine unmittelbare Kolonialvergangenheit zurückblickte.32 Nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Einbeziehung der assoziierten Gebiete in den Verhandlungsprozess kann die Entstehungsgeschichte der Assoziierung kaum anders als ein neuerlicher pacte colonial bezeichnet werden. Die französische Nationalversammlung lehnte es ab, lokale Gremien zu informieren oder gar zu konsultieren. Dass weder der Vertrag noch das Durchführungsabkommen eine Regelung für den Fall vorsah, dass ein assoziiertes Gebiet die Unabhängigkeit erlangte, fügt sich nahtlos ein ins Bild: 1957, beim europäischen Frühling in Rom, stand Dekolonisation noch nicht auf der politischen Agenda.33 *** Eingedenk der Tatsache, dass einerseits Ghana zur selben Zeit als erstes subsaharisches afrikanisches Land die Unabhängigkeit erlangte und sich andererseits die sogenannte Dritte Welt auf der Konferenz von Bandung zwei Jahre zuvor zu organisieren begonnen hatte,34 scheint es bemerkenswert, dass mit der Assoziierung keine expliziten dekolonisationspolitischen Absichten verbunden waren. Indirekten Anteil daran hatten letztlich auch die politischen Eliten in Afrika, die ebenso wie einige europäische Regierungen anderen Zukunftsvorstellungen anhingen als einer schnellstmöglichen Unabhängigkeit von der Kolonialmetropole. Gut eine Woche vor der feierlichen Unterzeichnung der Römischen Verträge und knapp zwei Wochen vor den ersten allgemeinen Parlamentswahlen im Senegal beklagte der Abgeordnete der französischen Nationalversammlung und Parteiführer des Bloc populaire sénégalais (BPS), Léopold Sédar Senghor, auf einem Parteitag in St. Louis die konträren politischen Entwicklungen auf den beiden Kontinenten: „They are correct, the French, the Germans, the English, or all the other good Europeans to desire to unite Europe, but how are we to accept that they are trying to unite Europe while they are attempting to disunite Africa?“35

Senghor war einer der schärfsten Kritiker der loi cadre, weil er, wie er es selbst nannte, eine Balkanisierung der Region befürchtete. In der Tat verloren die föderalen Verwal32 Vgl. allgemein zu Nachwirkungen des deutschen Kolonialismus auf die deutsche Politik und Gesellschaft Eckert/Wirz (2003); speziell im Zusammenhang mit der Assoziierung ausführlich Rempe (2006) 33 So auch Dimier (2008), S. 441–443; dagegen Vahsen (2010), S. 104–107 und Migani (2008), S. 249–251, die die wenig überzeugende und letztlich vom Ende her gedachte These vertreten, dass die Assoziierung fester Bestandteil einer französischen Dekolonisationsstrategie war. 34 Zum Kontext vgl. Rothermund (2006), S. 47, 132–135. 35 Zitiert nach: Genova (2004), S. 252.

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tungseinheiten Französisch-Westafrika und Französisch-Äquatorialafrika mit dem Rahmengesetz erheblich an Bedeutung; deren Aufgabenbereiche wanderten entweder nach Paris oder auf die territoriale Ebene. Damit büßte Dakar als Hauptstadt FranzösischWestafrikas seine politische, aber auch wirtschaftliche Vormachtstellung in der Region ein. Senghor ging es also nicht nur um die Bewahrung der afrikanischen Einheit, die er durch das Rahmengesetz in großer Gefahr sah, sondern auch darum, die übergeordnete wirtschaftliche und politische Stellung des Senegal in der Union française zu erhalten.36 Dieses Motiv äußerte sich auch deutlich in Senghors Zukunftsvision einer auf echter politischer Gleichberechtigung aufbauenden französisch-afrikanischen Konföderation. Sie sah unter anderem zwei Parlamente vor, ein metropolitanes in Paris und eines für das gesamte französische Afrika, das für diese Region ebenso wie für die die ,Bundesebene‘ betreffenden Politikfelder zuständig sein und seinen Sitz in Dakar haben sollte. Dass der spätere senegalesische Staatspräsident die privilegierte Stellung seines Heimatlandes aufrechterhalten wollte, ist wenig überraschend. Vielmehr ist an seiner Konzeption hervorzuheben, dass sie auf eine dauerhafte staatsrechtliche Verbindung mit der Kolonialmacht abzielte. Ebenso wie eine Dekolonisation des französischen Afrikas in Europa und insbesondere in Frankreich im Frühjahr 1957 noch nicht auf der politischen Agenda stand, blieben Planspiele zur künftigen politischen Ordnung innerhalb der afrikanischen Eliten gleichfalls einem imperialen respektive föderalen Rahmen verhaftet. Nicht schnellstmögliche Unabhängigkeit, sondern die gleitende Transformation eines imperialen Kolonialreichs in eine (kon)föderale Ordnung dominierte die Debatten der sich beständig neu formierenden regionalen und überregionalen afrikanischen Parteien.37 Senghors schärfster Widersacher in diesen Diskussionen war Felix HouphouëtBoigny aus der Elfenbeinküste, der wie Senghor seit 1946 in der französischen Nationalversammlung saß. Als Vertreter eines vergleichsweise reichen Landes trat Houphouët-Boigny entschieden für eine Territorialisierung Französisch-Westafrikas ein und beriet als Minister im Kabinett von Premierminister Guy Mollet ab Februar 1956 seinen Kollegen Defferre bei der Ausarbeitung des Rahmengesetzes. Den konföderalen Visionen Senghors setzte er die Idee einer Föderation entgegen, in der autonome afrikanische Staaten ohne eine afrikanische Zwischenebene direkte Verbindungen zu Frankreich unterhalten und mit der Metropole eine Gemeinschaft bilden sollten. Houphouët-Boigny wollte mit diesem Konzept verhindern, dass sein Land wie bisher über die innerafrikanische föderale Ebene finanziell für andere westafrikanische Länder aufkommen müsste. An einer raschen Unabhängigkeit war jedoch auch ihm zunächst nicht gelegen.38 36 Vgl. Hesseling (1985), S. 163. 37 Vgl. Cooper (2007), S. 365f.; Chafer (2002), S. 207–217. 38 Vgl. Chafer (2002), S. 155; James Genova schreibt diese Einstellung den afrikanischen Eliten ganz allgemein zu. Ihm zufolge trat bei diesen im Laufe der 1950er Jahre keine grund-

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In diesen Diskussionen erschien die Assoziierung an die EWG manchen afrikanischen Politikern als Bedrohung für die Union française. Der spätere senegalesische Regierungschef Mamadou Dia, seit Januar 1956 ebenfalls Abgeordneter der Nationalversammlung, warnte die französischen Verhandlungsführer Anfang 1957 davor, die afrikanischen Besitzungen als Mitgift in den Gemeinsamen Markt einzubringen, was er angesichts der bevorstehenden Halbautonomie für inakzeptabel und dem Lauf der Zeit unangemessen hielt. Er beharrte darauf, dass „une politique d’intégration de l’ensemble franco-africain n’est possible que dans le cadre de l’édification d’une économie socialiste élargie aux dimensions du monde. Hors de cette perspective, le marché commun sera une impasse pour la France ou une incommensurable hypocrisie pour l’outremer.“39

Auch Senghor sparte nicht mit Kritik an der Assoziierung. Er beklagte nicht nur mangelnde Konsultationen während der Verhandlungen, sondern auch das institutionelle Design, das den assoziierten Gebieten keinerlei Mitspracherechte einräumte. Nicht zuletzt fürchtete er, dass sich Paris mit der Assoziierung ein Stück weit der Verantwortung entziehen wolle.40 Während die Perspektive einer vollständigen Unabhängigkeit innerhalb der politischen Eliten Französisch-Westafrikas lange Zeit kaum diskutiert wurde, fand sie in Teilen der Bevölkerung zunehmend Anklang. Zu den aktiven Trägern einer antikolonialen Nationalbewegung zählten seit Mitte der 1950er Jahre insbesondere Gewerkschaftskreise, aber auch Studenten- und Jugendbewegungen. Es ginge zu weit, die komplexen Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den eher konservativen politischen Eliten und den stärker auf Unabhängigkeit drängenden gesellschaftlichen Strömungen hier darzulegen. Hingewiesen sei jedoch darauf, dass die verschiedenen Bewegungen ihre Forderungen nach ernst gemeinter Assimilation und zugleich mehr Autonomie artikulierten, ohne zunächst den imperialen Rahmen der Union française in Frage zu stellen. Erst die Enttäuschungen über die zögerliche und halbherzige fran-

legende Wandlung von einer pro-assimilationistischen zu einer nationalistischen Haltung ein, was im Übrigen deren enges Verhältnis zu Frankreich erklärt, das in der Regel auch nach der Unabhängigkeit Bestand hatte, vgl. Genova (2004), S. 254–256. 39 Mamadou Dia, Les territoires d’outremer et le projet du Marché Commun, in: France Outremer Nr. 326 (1957), S. 17f.; auf gleicher Quellengrundlage nicht nachvollziehbar Vahsen (2010), S. 109. 40 Vgl. Intervention Senghor, in: Journal officiel de la République française Nr. 3, 19.01.1957, S. 166–167, eingesehen unter http://www.ena.lu, zuletzt aufgerufen: 16.1.2010; Dimier (2008), S. 442; Senghors Kritik wog umso schwerer, weil er grundsätzlich ein glühender Verfechter der eurafrikanischen Idee war, vgl. dazu Martin (1979), S. 92–94; Senghors Einschätzung, dass Frankreich sich zurückziehen könnte, wurde schließlich von vielen afrikanischen Eliten geteilt, vgl. Ageron (1990), S. 496f.

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zösische Reformpolitik ließ diese Gruppierungen seit Mitte der 1950er Jahre einen radikaleren Weg einschlagen.41 Erstmals deutlich spürbar wurde die Forderung nach unmittelbarer und bedingungsloser Unabhängigkeit während des Übergangs zur V. Republik. Die innenpolitischen Auseinandersetzungen um die Zukunft Algeriens lösten im Mai 1958 eine Verfassungskrise aus und führten zur Rückkehr von Charles de Gaulle an die französische Staatsspitze. Er erhielt den Auftrag, eine neue Verfassung auszuarbeiten, die auch das Verhältnis zu den überseeischen Gebieten neu regeln sollte. Senghor blieb der Abstimmung über de Gaulle im französischen Parlament fern und lehnte kurz darauf ein Angebot ab, in dessen Übergangsregierung einzutreten. Sein ivorischer Rivale Houphouët-Boigny hingegen folgte dem Ruf des Generals zum Staatsminister und gestaltete den ersten Verfassungsentwurf mit.42 Bald darauf unterrichtete de Gaulle die afrikanischen Vizepräsidenten über seine Pläne, das Amt des französischen Präsidenten in den afrikanischen Territorien abzuschaffen und diesen dadurch volle Autonomie zu gewähren.43 Sein Entgegenkommen weckte Hoffnungen bei den afrikanischen politischen Eliten. Eine gemeinsame Erklärung der beiden größten überregionalen afrikanischen Parteien, Senghors Parti du regroupement africain (PRA) einerseits und Houphouët-Boignys Rassemblement démocratique africain (RDA) andererseits, versammelte die wichtigsten Forderungen: Anerkennung des Rechts auf Unabhängigkeit, volle innere Autonomie, Gleichberechtigung in einer noch näher zu bestimmenden Föderation sowie wirtschaftliche und finanzielle Solidarität der Metropole, zu gewährleisten durch ein neues Investitionsprogramm für das frankophone Afrika. Die Vokabel ,Unabhängigkeit‘ fand somit Eingang in die politische Auseinandersetzung, wenn auch in einer klar eingegrenzten Art und Weise: Man verband damit das Recht auf eine freie und unabhängige Entscheidung darüber, einer überstaatlichen Gemeinschaft beizutreten, die die Werte von Freiheit und Gleichheit achten würde.44 Allerdings stieß dieser Wunschzettel bei de Gaulle, dem neuen Überseeminister Bernard Cornut-Gentille, aber auch bei Houphouët-Boigny auf wenig Gegenliebe. Ein erster Vorentwurf der Regierung, der Ende Juli publik gemacht wurde, beinhaltete gerade nicht die Anerkennung des Rechts auf Unabhängigkeit. Darüber hinaus 41 Vgl. zur Entstehung der verschiedenen Bewegungen und ihrem Verhältnis zur Politik allgemein Chafer, (2002), S. 117–141; zur Arbeiterbewegung in Französisch-Westafrika ausführlich Cooper (1996), S. 408–423. 42 Vgl. Zuccarelli (1988), S. 64f.; zur Algerienkrise, die zur Rückkehr de Gaulles führte, vgl. Planchais (1990), S. 283–287. 43 Nach den Regelungen des Rahmengesetzes stand dem afrikanischen Vizepräsidenten ein von der französischen Regierung ernannter Präsident in jedem Territorium vor, der im Zweifel Entscheidungen der afrikanischen Regierung dem französischen Überseeminister in Paris zur Widerrufung vorlegen konnte, vgl. Hesseling (1985), S. 165. 44 Vgl. Migani (2008), S. 69; Foltz (1965), S. 89.

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entpuppte sich de Gaulles Präsidentenversprechen als Taschenspielertrick, da dem ersten Verfassungsentwurf zufolge jene Titeländerung für die afrikanischen Vizepräsidenten lediglich einen Zuwachs an Prestige, kaum aber an Kompetenzen mit sich brachte.45 Auf dem ersten Parteitag der PRA in Cotonou, der unmittelbar auf die Bekanntmachung des Vorentwurfs Ende Juli folgte, versuchte Senghor, seine Parteikameraden trotz der enttäuschenden Aussichten von radikaleren Schritten abzuhalten: „Il est temps pour nous de dégonfler les ballons rouges, de regarder les réalités en face, lucidement, de nous ceindre les reins pour affronter nos problèmes concrets, comme des hommes forts. L’indépendance n’a pas de contenu positif, ce n’est pas une solution.“46

Für Senghor hatte der Verbleib an Frankreichs Seite Priorität; im Zweifel mussten gegenüber diesem Imperativ Forderungen nach politischer Gleichberechtigung weichen. Mit dieser Auffassung stand er in seinem Heimatland jedoch zunehmend allein da. In der Enttäuschung über den Vorentwurf plädierten Vizepräsident Mamadou Dia, Lamine Gueye und weitere bedeutende senegalesische Mitglieder der PRA für eine bedingungslose und sofortige Unabhängigkeit, was schließlich auch Eingang in die Schlussresolution des Parteitags fand. Damit hatten sich die politischen Prioritäten, so schien es auf den ersten Blick, umgekehrt. Allerdings waren auch die Befürworter der Schlussresolution keineswegs an einem Bruch mit Frankreich interessiert. Vielmehr ging es ihnen darum, im Prozess der Verfassungsgebung klar und deutlich Stellung zu beziehen. Wie ernst es ihnen wirklich mit der sofortigen Unabhängigkeit war, sollte sich wenige Monate später beim Referendum über die neue Verfassung zeigen.47 Kurz nach dem Parteitag der PRA von Cotonou lud de Gaulle zum ersten Treffen des Comité consultatif constitutionnel. Das Beratergremium, in dem der General in erster Linie politische Freunde versammelt hatte, erlangte kaum übergeordnete Bedeutung für die Ausarbeitung der Verfassung, diente aber als Diskussionsforum für die zukünftigen Beziehungen zu den überseeischen Gebieten. Der alte Streit zwischen Senghor und Houphouët-Boigny, das heißt zwischen einer konföderalen, die afrikanische Einheit stärkenden und einer föderalen, die einzelnen afrikanischen Territorien stärkenden Ordnung, ging in eine neue Runde, und wiederum waren es die Vorstellungen des Staatsministers aus der Elfenbeinküste, die sich im abschließenden Verfassungsentwurf niederschlugen. So sollte sich die künftige Communauté aus Frankreich und den überseeischen Gebieten, fortan Mitgliedsstaaten der Communauté tituliert, zusammensetzen. Präsident der Communauté blieb der französische Staatspräsident. Ihm gebührte der Vorsitz in einem Exekutivrat, dem die afrikanischen Staatschefs 45 Vgl. Chafer (2002), S. 173f. 46 Zitiert nach: Zuccarelli (1988), S. 65. 47 Vgl. ebd., S. 65–67.

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sowie die zuständigen französischen Minister samt Premier angehörten. Zu den ausschließlichen Kompetenzen der Communauté zählten die Außen- und Verteidigungspolitik, Währungs- und Finanzfragen sowie die Handhabe strategisch bedeutender Rohstoffe. Den afrikanischen Mitgliedsstaaten stand es frei, untereinander Föderationen zu bilden – die einzige Konzession, die Senghor zugestanden wurde. Ein Recht auf Unabhängigkeit der Mitgliedsstaaten war im Verfassungstext ebenso wenig vorgesehen wie eine parlamentarische Vertretung der afrikanischen Staaten in der französischen Nationalversammlung. Es nimmt nicht Wunder, dass Senghor diese krude Mischung aus Bundesstaat und Staatenbund, in der alle Macht dem französischen Staatspräsidenten zukam, für einen eklatanten Rückschritt im Vergleich zur Verfassung der IV. Republik hielt.48 Noch bevor dieser Verfassungsentwurf publik gemacht wurde, begab sich de Gaulle auf Rundreise durch alle afrikanischen Territorien, um für seine Communauté zu werben. Für den 28. September 1958 war ein Referendum in allen afrikanischen Territorien anberaumt, in dem über die Verfassung abgestimmt werden sollte. Das Plebiszit war derart gefasst, dass eine Ablehnung der Communauté zugleich volle Unabhängigkeit von Frankreich zur Konsequenz haben würde. De Gaulle ließ im Vorfeld genauso wie in seinen zahlreichen Auftritten in Afrika keine Zweifel aufkommen, dass ein non nicht nur die politischen, sondern auch die wirtschaftlichen und finanziellen Bande lösen würde. Kurz vor der Ankunft des Generals in Brazzaville, der Hauptstadt Französisch-Äquatorialafrikas, übten sämtliche überregionalen afrikanischen Parteien mit den Gewerkschaften und Jugendbewegungen den Schulterschluss und rangen sich zu einer gemeinsamen Erklärung durch: Sie forderten de Gaulle erneut auf, das Recht auf Unabhängigkeit in der neuen Verfassung zu verankern. Daraufhin lenkte der französische Staatschef ein Stück weit ein und versprach, dass sich Frankreich einer späteren Dekolonisation von Mitgliedsländern der Communauté nicht in den Weg stellen würde.49 Dies führte zu der paradoxen Situation, dass der Schlüssel zur Unabhängigkeit Seite an Seite mit der Kolonialmacht in einem einstweiligen Verzicht auf ebenjene Perspektive lag. Die Reaktionen auf de Gaulles Auftritte in den afrikanischen Hauptstädten fielen recht unterschiedlich aus. In Französisch-Äquatorialafrika wurde er insgesamt wohlwollend begrüßt, in der Elfenbeinküste organisierte ihm Houphouët-Boigny gar einen frenetischen Empfang. Dagegen zeigte sich der starke Mann Guineas, Ahmed Sékou Touré, fest entschlossen, für die Unabhängigkeit zu mobilisieren und ließ de Gaulle bei seiner Stippvisite wissen, dass sein Volk die Armut in Freiheit dem Wohlstand in Knechtschaft vorziehe. Im Senegal hatte Abdoulaye Ly, der den linken Flügel 48 Vgl. Foltz (1965), S. 91; Vaïsse, (1998), S. 93f.; Hesseling, (1985), S. 168; Chafer, (2002), S. 186. 49 Vgl. Migani (2008), S. 73–81; die Zeitdimension umriss de Gaulle wie folgt: „au bout d’un certain temps que je ne précise pas“, zitiert nach: ebd., S. 77.

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von Senghors Union progressiste sénégalaise (UPS) anführte, seit dem Parteitagsbeschluss der PRA immer wieder zu Demonstrationen für die sofortige Unabhängigkeit aufgerufen. Gewerkschaften und Studenten mobilisierten ebenso, sodass sich Innenminister Valdiodio Ndiaye genötigt sah, alle Beteiligten zur Räson zu rufen. Er war es auch, der de Gaulle in dieser politisch aufgeladenen Atmosphäre in Dakar empfing, da sowohl Senghor als auch Mamadou Dia im Ausland weilten.50 Das Ergebnis des Referendums vom 28. September 1958 war eindeutig: Außer Guinea stimmten alle Territorien für die Communauté und den Verbleib bei Frankreich mit teils atemberaubenden Zustimmungsquoten von über 95 Prozent.51 Der Stimmungsumschwung im Senegal im verbleibenden Monat bis zum Referendum hatte mehrere Gründe. Zum einen kam den einflussreichen Sufi-Bruderschaften eine fortgesetzte Zusammenarbeit mit den Franzosen besser zupass als die unabsehbaren Folgen einer Sezession. Insbesondere die Muriden-Bruderschaft hatte sich seit langer Zeit mit der französischen Kolonialadministration arrangiert. Überseeminister Cornut-Gentille versüßte ihnen das profranzösische Engagement im Wahlkampf mit 200 Millionen F CFA; Zeitgenossen bewerteten das Ergebnis im Senegal denn auch als „oui des marabouts“.52 Zum anderen erhöhten die Franzosen den politischen Druck. So ließ der Hohe Kommissar von Französisch-Westafrika, Pierre Messmer, keine Gelegenheit aus, vor den negativen Folgen einer Abspaltung von Frankreich zu warnen. Gleichzeitig wurden die französische Garnison im Senegal verstärkt und ostentativ Manöver durchgeführt. Hinzu kam die Drohung der alteingesessenen französischen Einwohner der Quatre communes, sich ihrerseits vom Senegal abzutrennen, sofern für eine sofortige Unabhängigkeit gestimmt würde. Diese Umstände brachten Dia und Senghor in eine delikate Lage: Wären sie für eine Trennung von Frankreich eingetreten und hätten verloren, wäre ihre politische Karriere wohl zu Ende gewesen. Ein Sieg hätte dagegen nicht in erster Linie sie, sondern vor allem den radikalen Flügel der UPS um Abdoulaye Ly gestärkt und zudem eine politische Spaltung des Landes hervorgerufen. Deshalb bemühten sich Senghor und Dia entgegen ihrer früheren Position, letztlich aber mit Erfolg, ihre Partei auf Linie zu bringen und für die Communauté zu stimmen.53 50 Teils wird in der Literatur vertreten, dass sie fernblieben, um keinerlei Position beziehen zu müssen, teils heißt es, dass es zwingende private Gründe waren, die Senghor zur Familie in die Normandie und Dia nach Genf führten, vgl. Planchais (1990), S. 199f.; Hesseling (1985), S. 169. 51 Im Senegal waren es 97,6 Prozent, vgl. dazu und zu den genauen Abstimmungsergebnissen der übrigen Territorien Brüne (1995), S. 54. 52 Vgl. Coulon (1980), S. 346–350; Hesseling (1985), S. 169f.; zur Herausbildung der übergeordneten Stellung der Muriden in der senegalesischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit dem späten 19. Jahrhundert vgl. Loimeier (2001), S.113–143 und Diop (1981), S. 321–335. 53 Vgl. Foltz (1965), S. 93f; Zuccarelli (1988), S. 67–69.

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Kurz nach der Gründung der Communauté ergriffen die Föderalisten erneut die Initiative, auf der Grundlage des von de Gaulle konzedierten Artikels 76 der neuen Verfassung eine innerafrikanische Föderation ins Leben zu rufen. Über Parteigrenzen hinweg einigten sich Vertreter des Senegal, des Sudan, von Dahomey und von Obervolta im Dezember 1958 auf die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung.54 Der Entwurf der geplanten Mali-Föderation orientierte sich an den Kompetenzen des Grand Conseil Französisch-Westafrikas, wie sie vor der loi cadre bestanden hatten, was eine vergleichsweise starke Bundesregierung bedeutet hätte. Die Föderalisten verstanden sich selbst als Nukleus einer künftigen westafrikanischen Einheit und betonten in den Beratungen immer wieder, dass der Zusammenschluss allen anderen Staaten der Communauté offen stehe. Die Territorialisten, allen voran Houphouët-Boigny, lehnten jedoch innerafrikanische Zusammenschlüsse nach wie vor entschieden ab. Dem Ivorer gelang es mit tatkräftiger Unterstützung der französischen Regierung, Dahomey und Obervolta von einem Beitritt zur Mali-Föderation abzubringen und sie zusammen mit dem Niger in einem losen, lediglich auf wirtschaftliche Kooperation abzielenden Bund, dem Conseil de l’entente, zu vereinen. Dadurch verkam das ehrgeizige Projekt der Mali-Föderation zu einem rumpfartigen Zusammenschluss zwischen dem Sudan und dem Senegal, der kaum Anziehungskraft entfalten konnte.55 Die erste Bewährungsprobe der Föderation entzündete sich an der Frage der Unabhängigkeit.56 Auf dem Gründungsparteitag der neuen überregionalen Parti de la Fédération africaine im Juli 1959 nahm Senghor als Vertreter seiner UPS dazu erneut eine abwartende Haltung ein und pries die Föderation als erste Etappe auf dem Weg zu einer „nation négro-africaine librement associée à la France dans une confédération.“57 Das abschreckende Beispiel Guinea schien bei Senghor offenbar Wirkung gezeigt zu haben: Nachdem Guinea als einziges Territorium im Referendum vom September 54 Gemeint ist der französische Sudan, aus dem 1960 der Staat Mali hervorging. Dahomey hat sich nach der Dekolonisation in Benin, Obervolta in Burkina Faso umbenannt. Zu den unterschiedlichen Hintergründen der Namensänderungen vgl. Marx (2004), S. 283f. 55 Vgl. Mytelka (1974); ausführlich zur Gründung der Mali-Föderation Foltz (1965) S. 97– 119. 56 Nachdem de Gaulle in Brazzaville versprochen hatte, den treuen Territorien eine spätere Unabhängigkeit nicht zu verwehren, stellte die schließlich verabschiedete Verfassung der Communauté in der Tat verschiedene Wege in Aussicht. Art. 96 der Verfassung knüpfte die Loslösung von Frankreich an drei Bedingungen: einen dementsprechenden Antrag seitens des Parlaments des antragstellenden Staates, ein Referendum sowie die Zustimmung des französischen Parlaments und des Senats der Communauté. Art. 78 eröffnete die Möglichkeit, sämtliche Kompetenzen der Communauté auf einen Mitgliedsstaat zu übertragen. Art. 86 bestimmte allerdings, dass unabhängige Staaten automatisch aus der Communauté ausgeschlossen würden, ein Passus, der wesentlich zur Kurzlebigkeit des neuen Staatenverbundes beitrug, vgl. Hesseling (1985), S. 173; Migani (2008), S. 85f. 57 Zitiert nach: Zuccarelli (1988), S. 70f.

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1958 für die unmittelbare Unabhängigkeit votiert hatte, setzte Frankreich die angedrohte Politik der verbrannten Erde konsequent um; sogar die Steckdosen sollen die rückkehrenden Kolonialbeamten aus den Verwaltungsgebäuden abgeschraubt und mitgenommen haben.58 Allerdings stieß Senghors Position, ähnlich wie bereits ein Jahr zuvor in Cotonou, auf wenig Gegenliebe, insbesondere bei den sudanesischen Vertretern, die die Notwendigkeit einer sofortigen Unabhängigkeit betonten. Die Abschlussresolution forderte dementsprechend die Umwandlung der Communauté in eine multinationale Konföderation souveräner Staaten.59 Nachdem über inoffizielle Kanäle in Erfahrung gebracht worden war, dass sich die französische Regierung einer Unabhängigkeit nicht mehr in den Weg stellen würde, schickten der Senegal und der Sudan im September 1959 einen gemeinsamen formalen Unabhängigkeitsantrag nach Paris.60 Es sollte allerdings bis Dezember dauern, ehe de Gaulle in St. Louis verkündete, dass Frankreich bereit sei, mit der Mali-Föderation über Modalitäten der Unabhängigkeit zu verhandeln. Darüber hinaus, so der General, gedenke die französische Regierung, auch künftig mit der Föderation zusammenzuarbeiten und Hilfestellung beim Aufbau eines souveränen Nationalstaats zu leisten. Nur ein Jahr später wurde also möglich, was Guinea noch verwehrt geblieben worden war: der Weg in die Unabhängigkeit an der Seite Frankreichs.61 Freilich knüpfte Frankreich seine Bereitschaft an eine ganze Reihe von Bedingungen. Zu diesen zählten unter anderem die Aufrechterhaltung von Militärstützpunkten, garantierte Niederlassungsrechte und privilegierter Marktzugang, aber auch die Gewähr, dass der französische Botschafter im Senegal zugleich Doyen des diplomatischen Korps wurde. Die Verhandlungen fanden schließlich am 4. April 1960 mit der Unterzeichnung zahlreicher Kooperationsabkommen ihr Ende. Letztere bildeten die Voraussetzung dafür, dass die Mali-Föderation am 20. Juni 1960 ihre Unabhängigkeit erklären konnte. Albert Bourgi hat dieses Vorgehen in Anlehnung an Clausewitz etwas überspitzt als „la poursuite de la colonisation par d’autres moyens“62 beschrieben. Zweifellos aber bot die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit den geeigneten Rahmen, um Frankreichs Interessen- und Einflusssphäre in Afrika langfristig zu sichern.63 58 Vgl Marx (2004), S. 259. 59 Vgl. Zuccarelli (1988), S. 71. 60 Nicht die Föderation, sondern die Einzelstaaten waren Mitglied der Communauté geworden, da de Gaulle der Mali-Föderation trotz mehrfacher Versuche die Anerkennung als politischer Entität verweigerte, vgl. Zuccarelli (1988), S. 73f. 61 Vgl. Foltz, (1965), S. 166f. 62 Bourgi, (1979), S. 7. 63 Vgl. Bossuat (2003), S. 455f.; Chafer (2002), S. 183; Bourgi (1979), S. 13f.; einen Überblick über die Kooperationsabkommen gibt Brüne (1995), S. 58–66; für eine detaillierte Auflistung senegalesisch-französischer Abkommen und ihrer Ergänzungen vgl. CAD Dakar MCAC 64: Conventions et accords d’assistance passés entre la France et le Sénégal, o.D.

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Kurz nach der Unabhängigkeit der Mali-Föderation brach das Bündnis auseinander. Der Senegal und der Sudan, der den Namen der Föderation übernahm und fortan Mali hieß, gingen ab August 1960 getrennte Wege. Unterschiedliche Auffassungen über die Kompetenzverteilungen zwischen Bundes- und Landesebene waren der Anlass für den Bruch. Während der spätere malische Staatschef Modibo Keita für einen starken Einheitsstaat votierte, plädierte Senghor für eine lockerere Struktur, um anderen afrikanischen Staaten den Beitritt zu erleichtern. Die Kontrahenten beanspruchten darüber hinaus beide das Präsidentenamt der Föderation für sich. Als Keita versuchte, die senegalesischen Sufi-Bruderschaften für sich zu vereinnahmen, entschlossen sich Senghor und seine Vertrauten für die Trennung. Mit Unterstützung des französischen Militärs wurde Keita am 20. August in Dakar in Arrest genommen und zwei Tage später in den Zug nach Bamako gesetzt. Der Senegal gab sich am 26. September 1960 eine neue Verfassung und wählte Senghor kurz darauf zu seinem ersten Staatspräsidenten.64 *** Die seit Januar 1958 wirksame Assoziierung des Senegal an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft spielte für den konkreten Unabhängigkeitsprozess kaum eine Rolle – weder für Paris noch für Dakar. Die rechtlich fixierten Beziehungen zwischen den assoziierten Gebieten und der EWG bildeten für die französische Regierung kein entscheidendes Argument, ihre afrikanischen Besitzungen in die Unabhängigkeit zu entlassen. Gewiss stabilisierte die Assoziierung ein Stück weit die französische Vormachtstellung in den überseeischen Territorien. Wesentlich größere Bedeutung in dieser Hinsicht kam jedoch den bilateralen Kooperationsabkommen zu, mit denen Frankreich seinen Einflussbereich zu sichern wusste. Außerdem besaß die Assoziierung für Frankreich nicht ausschließlich eine Stabilisierungsfunktion, sondern löste, wie noch ausführlich zu erörtern sein wird, zugleich eine Konkurrenzsituation zwischen gemeinschaftlicher und französischer Entwicklungspolitik aus. Schließlich konnte Paris auch nicht ohne weiteres auf den Fortbestand der Assoziierung nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder vertrauen. Im EWG-Vertrag wurden für dieses Szenario keine Regelungen festgelegt. Tatsächlich kursierten innerhalb der Bundesregierung im Frühjahr 1960 Überlegungen, ob und wie man sich in Anbetracht der staatsrechtlich geänderten Lage der Assoziierung entledigen könnte. Allerdings wurden diese Gedankenspiele im Auswärtigen Amt aus übergeordneten politischen Gründen rasch wieder ad acta gelegt. Erneut war es in erster Linie die Furcht vor einem Vordringen des Kommunismus in Afrika, die Bonn bald dazu bewog, für eine Fortsetzung der Assoziierung einzutreten. Demgegenüber stellten sich die Niederlande lange Zeit ganz offen auf den Standpunkt, dass eine Unabhängigkeit der 64 Vgl. Chafer, (2002), S. 185; zu den Geschehnissen im Detail Foltz (1965), S. 166–184.

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überseeischen Gebiete die Assoziierung beenden würde. Nicht zuletzt war es nun den souveränen afrikanischen Staaten vorbehalten, die Beziehungen mit Brüssel fortzusetzen oder abzubrechen.65 Dass die Assoziierung letztendlich eine Fortführung erfuhr, war zum einen der Einsicht aller Mitgliedsstaaten zu verdanken, dass ein abruptes Ende der Beziehungen von den jungen afrikanischen Staaten als Bestrafung für die erkämpfte Unabhängigkeit aufgefasst werden würde. Zugleich zeichnete sich ab, dass alle bisher assoziierten Gebiete aufgrund der Möglichkeiten, die der EEF sowie die zollrechtliche Vorzugsbehandlung im Gemeinsamen Markt zu bieten schienen, weiterhin mit der Gemeinschaft verbunden bleiben wollten. Dennoch beharrten die Bundesrepublik und die Niederlande darauf, dass eine provisorische Weiterführung der Assoziierung bis zum Ende der Laufzeit des Durchführungsabkommens, das heißt bis Ende 1962, keinerlei präjudizierende Wirkung für ein neu zu verhandelndes Abkommen haben dürfe.66 Die Zukunft Eurafrikas war demnach nie ungewisser als zu Beginn der 1960er Jahre. Deshalb wäre es irreführend, der Assoziierung eine übergeordnete Bedeutung im Dekolonisationsprozess des frankophonen Afrika zuzuschreiben. Im Ergebnis begründete die Dekolonisation eine neue Konstellation, die weder den ursprünglichen strategischen Zielen Frankreichs noch jenen der senegalesischen Eliten entsprach. De Gaulles Konzept der Communauté, in der Frankreich weiterhin die außenpolitischen Interessen vertreten wollte, scheiterte ebenso wie Senghors innerafrikanische Konföderationspläne. Nachdem die Union française das von der Doktrin der assimilation und damit einhergehenden entwicklungspolitischen Maßnahmen genährte Egalitätsversprechen nicht einlösen konnte, begruben die afrikanischen Eliten ihre Hoffnungen auf eine Transformation des Kolonialreiches in eine gleichberechtigte föderative Ordnung und sprachen sich für die Unabhängigkeit aus. In der daraus hervorgehenden postkolonialen Staatenordnung gewann die EWG-Assoziierung für die afrikanischen Länder rasch und in einem Ausmaß an Bedeutung, die ihre französischen Architekten so nicht vorgesehen hatten. Frankreich einmal außer Acht gelassen, stieg die Gemeinschaft in den kommenden 15 Jahren zum wichtigsten entwicklungspolitischen Partner des Senegal auf. Dass diese Partnerschaft ganz eigenen politischen Dynamiken unterlag, wird im Folgenden zu zeigen sein.

65 Vgl. Rempe (2006), S. 62–68; Vahsen (2010), S. 283–285. 66 Vgl. Vahsen (2010), S. 233–245; Migani (2008), S. 199–202.

I. Eurafrika, Emanzipation und Expertise: Die Grundlegung gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik 1. Alte und neue Kontakte: Die Bildung eurafrikanischer Netzwerke Die EWG-Kommission nahm im Januar 1958 ihre Arbeit auf. Im Windschatten der Dekolonisierung legte sie in wenigen Jahren die Grundlinien der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik fest, die zugleich das Fundament der Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten Ländern bildete. Die EWG-Kommission wurde in neun Generaldirektionen gegliedert, für die jeweils ein Kommissar verantwortlich war. Die Generaldirektion VIII für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete unterteilte sich in vier Direktionen mit den Zuständigkeiten Allgemeine Angelegenheiten (A), Studien und Projekte (B), Entwicklungsfonds (C) sowie Handel (D).1 Wenig überraschend bekleidete ein Franzose das Amt des Kommissars, was sich im Übrigen bis in die frühen 1980er Jahre nicht ändern sollte. Ursprünglich war der ehemalige französische Premierminister Antoine Pinay für den Posten vorgesehen, doch dieser zog es aufgrund der eng mit dem Algerienkrieg verbundenen französischen Regierungskrise im Herbst 1957 vor, in Paris zu bleiben. Der Conseil national du patronat français (CNPF) reagierte daraufhin am Schnellsten und brachte Robert Lemaignen ins Spiel. Lemaignen war im französischen Arbeitgeberverband bislang unter anderem als Vizepräsident der Wirtschaftskommission tätig gewesen und hatte bis zu diesem Zeitpunkt seiner beruflichen Karriere kein politisches Amt bekleidet. Dank seiner zahlreichen Kontakte, die er im Laufe seiner Tätigkeit beim CNPF mit afrikanischen Führungspersönlichkeiten geknüpft hatte, schien er in den Augen der französischen Regierung dennoch der richtige Mann für diese Aufgabe zu sein.2 Im ersten Halbjahr des Jahres 1958 ging Lemaignen daran, ein Team von rund 50 Mitarbeitern zusammenzustellen, die aus allen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft kamen. Auf die Einhaltung der für alle Generaldirektionen geltende 25-Prozent-Regel – je ein Viertel der Mitarbeiter sollte deutscher, französischer sowie italienischer Staatsangehörigkeit sein, das letzte Viertel war für Bedienstete aus den drei Beneluxstaaten reserviert – wurde von Anfang an penibel geachtet. Dennoch bestand ein gra1 Vgl. CAC 19950281-44: DG VIII, Organigramm, o.D. [1962]; zum Aufbau der Kommission vgl. auch Ludlow (2006b), S. 37–44. 2 Vgl. Lemaignen (1964), S. 24–27; Migani (2005), S. 150f.; Hodeir (2003), S. 71–73; zu den Hintergründen der französischen Regierungskrise vgl. Grosser (1986), S. 170f.

I. Eurafrika, Emanzipation und Expertise: Die Grundlegung gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik 1. Alte und neue Kontakte: Die Bildung eurafrikanischer Netzwerke Die EWG-Kommission nahm im Januar 1958 ihre Arbeit auf. Im Windschatten der Dekolonisierung legte sie in wenigen Jahren die Grundlinien der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik fest, die zugleich das Fundament der Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den assoziierten Ländern bildete. Die EWG-Kommission wurde in neun Generaldirektionen gegliedert, für die jeweils ein Kommissar verantwortlich war. Die Generaldirektion VIII für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete unterteilte sich in vier Direktionen mit den Zuständigkeiten Allgemeine Angelegenheiten (A), Studien und Projekte (B), Entwicklungsfonds (C) sowie Handel (D).1 Wenig überraschend bekleidete ein Franzose das Amt des Kommissars, was sich im Übrigen bis in die frühen 1980er Jahre nicht ändern sollte. Ursprünglich war der ehemalige französische Premierminister Antoine Pinay für den Posten vorgesehen, doch dieser zog es aufgrund der eng mit dem Algerienkrieg verbundenen französischen Regierungskrise im Herbst 1957 vor, in Paris zu bleiben. Der Conseil national du patronat français (CNPF) reagierte daraufhin am Schnellsten und brachte Robert Lemaignen ins Spiel. Lemaignen war im französischen Arbeitgeberverband bislang unter anderem als Vizepräsident der Wirtschaftskommission tätig gewesen und hatte bis zu diesem Zeitpunkt seiner beruflichen Karriere kein politisches Amt bekleidet. Dank seiner zahlreichen Kontakte, die er im Laufe seiner Tätigkeit beim CNPF mit afrikanischen Führungspersönlichkeiten geknüpft hatte, schien er in den Augen der französischen Regierung dennoch der richtige Mann für diese Aufgabe zu sein.2 Im ersten Halbjahr des Jahres 1958 ging Lemaignen daran, ein Team von rund 50 Mitarbeitern zusammenzustellen, die aus allen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft kamen. Auf die Einhaltung der für alle Generaldirektionen geltende 25-Prozent-Regel – je ein Viertel der Mitarbeiter sollte deutscher, französischer sowie italienischer Staatsangehörigkeit sein, das letzte Viertel war für Bedienstete aus den drei Beneluxstaaten reserviert – wurde von Anfang an penibel geachtet. Dennoch bestand ein gra1 Vgl. CAC 19950281-44: DG VIII, Organigramm, o.D. [1962]; zum Aufbau der Kommission vgl. auch Ludlow (2006b), S. 37–44. 2 Vgl. Lemaignen (1964), S. 24–27; Migani (2005), S. 150f.; Hodeir (2003), S. 71–73; zu den Hintergründen der französischen Regierungskrise vgl. Grosser (1986), S. 170f.

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Eurafrika, Emanzipation und Expertise

vierender Unterschied hinsichtlich der Rekrutierungspraxis zwischen französischen Mitarbeitern und solchen aus den übrigen Ländern. Während Lemaignen und vor allem sein Kabinettschef Jacques Ferrandi bestens mit der französischen Ministerialbürokratie einschließlich der Kolonialverwaltung vertraut waren und insofern ganz gezielt vorgehen konnten, hatten sie zugleich kaum Einflussmöglichkeiten auf die Besetzung derjenigen Posten, die den übrigen Mitgliedsstaaten vorbehalten waren. Laut Ferrandi führte dies dazu, dass Franzosen ausschließlich nach ihrer Eignung ausgewählt wurden, während Bedienstete anderer Länder Stellen in erster Linie nach Maßgabe ihres vormaligen Dienstranges erhielten.3 Mit Eignung meinte Ferrandi eine gewisse Erfahrung im afrikanischen Feld allgemein sowie konkret im Umgang mit Afrikanern – eine Eigenschaft, über die seines Erachtens vor allem Kolonialbeamte verfügten. Dementsprechend hatten die meisten französischen Mitarbeiter der DG VIII vormals einen Posten in der französischen Kolonialadministration bekleidet oder waren wie Lemaignen in der Kolonialwirtschaft tätig gewesen.4 Insbesondere Ferrandi, der später Direktor des EEF werden sollte, hatte eine Vorzeigekarriere in der französischen Kolonialadministration hingelegt. Als Absolvent der École coloniale wurde Ferrandi Anfang der 1940er Jahre Distriktverwalter in der Casamance, der südlich von Gambia liegenden Region des Senegal. 1943 meldete er sich freiwillig und kämpfte als Offizier im Regiment der tirailleurs sénégalais. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und einem kurzen Intermezzo im Pariser Überseeministerium wechselte er 1953 nach Dakar, wo er Generaldirektor für wirtschaftliche Fragen von Französisch-Westafrika wurde. Nachdem das Rahmengesetz zu einem erheblichen Machtverlust der föderalen Ebene einschließlich Ferrandis Aufgabenbereich führte, fand er bei der EWG ein neues und ideales, weil auf den ersten Blick ähnliches Betätigungsfeld.5 Lemaignen teilte Ferrandis Auffassungen zum Anforderungsprofil seiner Dienststelle vorbehaltlos. Zugleich bescheinigte er den nicht-französischen Mitarbeitern unermüdlichen Einsatz, ihre angeblichen Wissens- und Erfahrungslücken zu schließen. Als Hilfestellung gab der Kommissar im April 1958 eine Direktive aus, in der 3 Vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 12; Vahsen (2010), S. 120f.; Bitsch/Loth (2007), S. 66. 4 Dies hat zuerst Véronique Dimier detailliert herausgearbeitet, vgl. Dimier (2008); Dimier (2005); Dimier (2004c); Dimier (2003). 5 Vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 3f.; das Regiment der tirailleurs sénégalais wurde 1857 von General Louis Faidherbe gegründet, um nach der Eroberung des Senegal weiteres Territorium unter französische Kontrolle zu bringen. Es setzte sich zunehmend aus Afrikanern der gesamten französischen Kolonialgebiete zusammen und fungierte unter anderem auch als Besatzungsarmee in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, vgl. dazu und zum Einsatz des Regiments im Zweiten Weltkrieg Echenberg (1991), S. 1–6, 87–104; vgl. außerdem zur Geschichte der École coloniale, die 1934 in École nationale de la France d’outre-mer (ENFOM) umbenannt wurde, Enders (1993).

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den Mitarbeitern der DG VIII grundlegende Strategien und Verhaltensweisen nahegelegt wurden, darunter auch folgende: „Dans ces pays, toute controverse politique ou économique sera plus profondément influencée par la confiance que vous saurez inspirer à votre interlocuteur, que par la logique de vos raisonnements.“6

Eine weitere wies auf den neuartigen Charakter der EWG hin und forderte die Beamten auf, in ihrer Arbeit die nationale Brille abzulegen. Offenbar sah Lemaignen keinen Widerspruch darin, die DG VIII auf eine gemeinsame Mission einzuschwören, in der Mitarbeiter jedweder nationaler Couleur Strategien zur Netzwerkbildung anwenden sollten, die während des französischen Kolonialismus entwickelt wurden.7 Kritik an Lemaignens Vision, ein Eurafrika nach Vorbild des bestehenden Françafrique entstehen zu lassen, hatte zunächst keine Chance. Störenfriede wie der deutsche Generaldirektor Helmut Allardt mussten rasch demissionieren. Allardt hatte in sachlicher Hinsicht andere Auffassungen über die Ausrichtung gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik als Lemaignen. Er trat für eine globale, das heißt von kolonialen Bindungen losgelöste Konzeption ein. Vor allem aber wehrte er sich grundsätzlich gegen den für selbstverständlich gehaltenen französischen Führungsanspruch.8 Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Personalie Helmut Allardt an sich schon erhebliches Polarisierungspotential barg. Der Jurist gehörte zu jener Gruppe deutscher Diplomaten in Brüssel, die ihr Handwerk im Nationalsozialismus erlernt und offensichtlich Probleme mit einem am Leitbild der Völkerverständigung orientierten Politikstil hatten. Mehr noch als inhaltliche Differenzen dürften insofern Allardts Auftreten und Führungsstil ausschlaggebend für dessen Rückkehr nach Bonn gewesen sein.9 Sein deutscher Nachfolger Heinrich Hendus war demge6 Lemaignen (1964), S. 117f. 7 Vgl. Dimier (2005), S. 397–399; dass Vertrauensbildung wichtiger für die Überzeugungsarbeit in Afrika sei als das Austauschen logischer Argumente, wurde bereits an der École coloniale in Frankreich gelehrt, vgl. de l’Estoile (2005), S. 47–52; Enders (1993). 8 Zur Allardt-Affäre aus seiner eigenen Sicht vgl. Allardt (1979), S. 188f.; zu Ferrandis Version vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 21–23; außerdem ebd. INT 722: Interview Varenne, 17.12.2003, S. 29; vgl. dazu auch PAAA B 1-43: Hallstein an von Brentano, 30.5.1960; ferner Dimier (2008), S. 444. 9 Allardt versuchte in seiner Dissertation aus dem Jahre 1935, die deutsche Staatsrechtslehre auf dem nationalsozialistischen Konzept der Volksgemeinschaft neu auszurichten, vgl. Allardt (1935), S. 7; er trat im Sommer 1939 in die NSDAP ein und war während des Krieges unter anderem Mitarbeiter von Botschafter Franz von Papen in Ankara. Französische Bedienstete der DG VIII wie Pierre Cros oder auch Ferrandi beschrieben Allardt als furchteinflößend und unkooperativ, vgl. HAEU INT 708: Interview Cros, 8.12.2003, S. 5; INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 21–23; zu Anpassungsproblemen weiterer deutscher Diplomaten mit NS-Vergangenheit in Brüssel vgl. Patel (2009a), S. 148.

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genüber bis zu seinem Wechsel nach Brüssel im Frühsommer 1960 deutscher Generalkonsul in Algier gewesen. Er besaß daher Erfahrung mit politisch brisanten Posten und war auch wesentlich frankophiler eingestellt als sein Vorgänger, was im Quai d’Orsay mit Genugtuung zur Kenntnis genommen wurde.10 *** Eine der ersten entwicklungspolitischen Initiativen Lemaignens betraf die Kontaktaufnahme und -pflege mit afrikanischen Eliten und damit einen Aspekt, der genau genommen nicht in den Zuständigkeitsbereich der EWG-Kommission fiel. Das Durchführungsabkommen, das die Modalitäten der Assoziierung im Detail regelte, entbehrte jeglicher Bestimmungen über die sogenannte technische Hilfe, zu der Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen ebenso gezählt wurden wie die technische Unterstützung für die Planung von Entwicklungsprojekten. Dies sollte Sache derjenigen Mitgliedsstaaten bleiben, die mit den assoziierten Ländern „besondere Beziehungen“ unterhielten.11 Entsprechend standen der DG VIII für die technische Hilfe keine Mittel aus dem EEF zur Verfügung. Kommissar Lemaignen zeigte sich davon jedoch weitgehend unbeeindruckt. Er war felsenfest davon überzeugt, dass die Herstellung und Pflege persönlicher Kontakte zu afrikanischen Eliten eine Grundvoraussetzung erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit sei. Insofern wurden die zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen vorerst aus dem Budget der Kommission finanziert. 12 Lemaignen dachte jedoch zunächst nicht an Ausbildungsmaßnahmen im engeren Sinn. Stattdessen wollte er reguläre Planstellen der EWG-Kommission mit Angehörigen aus den assoziierten Ländern besetzen. Diese sollten nicht nur in der DG VIII beschäftigt werden. Geplant war, bei jeder Generaldirektion mindestens zwei afrikanische Beamte anzusiedeln. Verwaltungstechnisch sollten sie ihrer Herkunft entsprechend der jeweiligen Kolonialmacht zugerechnet werden, um den intern geltenden Stellenproporz zu wahren; bezüglich der Besoldung war eine Gleichstellung mit den europäischen Kollegen vorgesehen. Im Januar 1959 segneten die Kommissare diese Initiative im Grundsatz ab. Zugleich gewährten sie der DG VIII vier bis fünf außerplanmäßige und befristete Stellen für Afrikaner. 13

10 11 12 13

Vgl. AMAEF CE 1945/60-722: Telegramm MAEF an Amb. Algier, 11.6.1960. Vgl. dazu ausführlich Kap. I.2. Vgl. Lemaignen (1964), S. 126; Cosgrove-Twitchett (1978), S. 52f. Die außerplanmäßigen Stellen wurden beantragt, weil die DG VIII für 1959 kaum Planstellen zu vergeben hatte, vgl. HAEU 25/1980-2101, S. 56: COM, Extrait du procès verbal 46ème réunion de la commission, 21.1.1959; ebd., S. 57: Solf an Allardt, 23.1.1959; ebd., S. 72: Vignes an von Goeler, 2.4.1959; ebd., S. 197: Allardt an ver Loren van Themaat, 21.10.1959; ebd. 25/1980-2102, S. 27: De la Parra an van der Lee, 13.2.1960; ebd., S. 50: Gambelli, Vermerk, 14.3.1960.

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Lemaignens Initiative erinnerte stark an Praktiken der IV. Republik, in der afrikanische Eliten in die Pariser Regierungsadministration integriert wurden – Felix Houphouët-Boigny und Léopold Sédar Senghor galten als bekannteste Beispiele. Doch anders als in der Union française war dem Vorstoß in Brüssel kein Erfolg beschieden. Zum einen hatten die übrigen Generaldirektionen für das laufende Jahr kaum mehr Planstellen zu vergeben. Auch blieb ihre Bereitschaft, Afrikaner einzustellen, äußerst begrenzt. Zum anderen bereitete es der DG VIII große Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden. Deswegen konnten bis zum Ende des Jahres lediglich zwei Planstellen der Generaldirektion mit afrikanischen Angestellten besetzt werden: Der Kongolese Thomas Kanza, der später Außenminister seines Landes werden sollte, arbeitete in der Direktion A, während der Togoer Georges Apédo Amah, zwischen 1956 und 1958 Finanzminister seines Landes, als Sachverständiger in der Abteilung des EEF tätig war. Auch die außerplanmäßigen Stellen blieben bis auf eine, die der Sudanese Adama Cissoko einnahm, vakant.14 Ungeachtet des Misserfolgs der Maßnahme ist an ihr deutlich zu erkennen, dass deren Architekten mit Lemaignen an der Spitze fest davon ausgingen, dass die assoziierten Länder auf unbestimmte Zeit mit ihren Metropolen verbunden bleiben würden. Mit einer zügigen Dekolonisation wurde demnach auch in Brüssel zunächst nicht gerechnet. Zugleich wusste sich die Generaldirektion rasch den neuen Umständen anzupassen. Als sich die Unabhängigkeit der assoziierten Länder abzeichnete, gab sie die planmäßige Einstellung von Afrikanern auf und wies die außerplanmäßigen Stellen kurzerhand als Praktika aus. Die ersten beiden Praktikanten kamen zum Jahreswechsel 1959/60 nach Brüssel. Der außerplanmäßig angestellte Cissoko sollte sich zu ihnen gesellen. Er wehrte sich jedoch gegen eine derartige Herabstufung, weshalb er zusehends vom Arbeitsgeschehen ausgeschlossen wurde. Im Herbst 1960 begann schließlich das erste reguläre Praktikantenprogramm, das zwölf Beamte aus assoziierten Ländern für ein Jahr lang in den Dienststellen der DG VIII absolvierten.15 Der Strategiewechsel hatte mehrere Gründe: Einerseits sprachen sich die Regierungen der assoziierten Länder gegen eine dauerhafte Anstellung ihrer besten Köpfe bei der EWG aus, weil sie diese dringend selbst für den Aufbau der nationalen Verwaltungen benötigten. In diesem Sinne argumentierte im Frühjahr 1960 auch der designierte senegalesische Regierungschef Mamadou Dia, der allerdings durchaus Interesse bekundete, Beamte ohne Universitätsabschluss zur Weiterbildung nach Brüssel zu schicken.16 Andererseits hatte sich mit der Unabhängigkeit der meisten assoziier14 Vgl. Rempe (2009a), S. 210–212; zu Apédo Amah vgl. Internationales Biographisches Archiv 48/1963, 18.11.1963, eingesehen unter http://www.munzinger.de, zuletzt aufgerufen: 5.4.2010; zu Kanza vgl. auch HAEU INT 654: Interview van der Lee, 14.7.1998, S. 29. 15 Vgl. HAEU 25/1980-2102, S. 50: Gambelli, Vermerk, 14.3.1960; ebd., S. 101: DG VIII, Programme de stages, 31.5.1960. 16 Vgl. CAD Dakar AMB 263: Dia an Haut Commissaire, 8.4.1960.

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ten Länder auch die Interessenlage der EWG grundsätzlich geändert. Statt kontinuierlicher Arbeit auf festen Planstellen ging es mit dem Praktikantenprogramm fortan um kompakt gestaltete Informationsvermittlung, statt symbolischer, an Einzelfällen zur Schau getragener Gleichberechtigung hatte nun die in die Breite gehende Rekrutierung von „agents de liaison“17 Priorität. Erst die Dekolonisation ließ den Aufbau neuer Netzwerke notwendig werden, weil die rückkehrenden Kolonialbeamten nicht mehr als Brückenköpfe zur lokalen Verwaltung genutzt werden konnten. Gewiss glich die Strategie wortwörtlich der Vorgehensweise im französischen Spätkolonialismus – nach wie vor lautete das Ziel, „interlocuteurs valables“ zu gewinnen. Allerdings wurde nun aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen stärker auf angemessene Qualität und ausreichende Quantität der Verbindungsmänner geachtet.18 Neben diesem konkreten Netzwerk, das die künftige Zusammenarbeit erleichtern sollte, entstand im Sommer 1959 mit dem Kolloquienprogramm ein vergleichsweise lockerer europäisch-afrikanischer Dialog, der vor allem propagandistischen Zwecken diente.19 Wie bereits angedeutet, hatte die Assoziierung insbesondere in Afrika, aber auch in Europa mit einem Imageproblem zu kämpfen. Um dem Vorwurf der Fortführung französischer Kolonialpolitik im europäischen Gewand zu begegnen, galt es, die Assoziierung in einem anderen, zukunftsträchtigen Licht erscheinen zu lassen. Deshalb lag es nahe, neue Netzwerke mit afrikanischen Eliten aufzubauen, die sich mit der Assoziierung im Allgemeinen und der Entwicklungszusammenarbeit der EWG im Besonderen identifizieren würden.20 Ähnlich wie das Praktikantenprogramm setzte das Kolloquienprogramm zunächst bei den bestehenden Eliten an, ehe es sich rasch auf den Nachwuchs konzentrierte. Im März 1959 führte die Kommission erstmals eine Gruppe hoher afrikanischer Funktionäre – darunter auch Mamadou Dia – durch ganz EWG-Europa. Die Reise stieß bei den Gästen auf eine äußerst positive Resonanz. Aufgrund dieser Erfahrung machte sich der Niederländer Jean-Jacques van der Lee, Direktor der zuständigen Abteilung A für Allgemeine Angelegenheiten, umgehend an die Orga17 HAEU 25/1980-2103, S. 55: Hendus an Lemaignen, 5.10.1960. 18 HAEU 25/1980-2129, S. 10: Kanza an van der Lee, 16.12.1959; vgl. dazu auch Chafer (2002), S. 70; zwischen 1959 und 1961 zog das französische Entwicklungsministerium derart viele Kolonialbeamte aus dem Senegal ab, dass die senegalesische Regierung bald darauf (und erfolgreich) Protest einlegte, vgl. Cruise O’Brien (1972), S. 167. 19 Propaganda wird hier und im Weiteren klassisch mit Gerhard Maletzke verstanden als „geplante Versuche [...], durch Kommunikation die Meinung, Attitüden, Verhaltensweisen von Zielgruppen unter politischer Zielsetzung zu beeinflussen“, Maletzke (1972), S. 157; vgl. zur Begriffsgeschichte von Propaganda auch Bussemer (2008), S. 25–41, der den Begriff dort noch weiter ausdifferenziert. 20 Vgl. zum Vorwurf des Neokolonialismus ausführlich Moser (2000), S. 390–398; zum Zusammenhang zwischen dem schlechten Ruf der Assoziierung und den genannten Maßnahmen vgl. Dimier (2001), S. 19–32.

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nisation eines regulären Kolloquienprogramms. Es richtete sich in erster Linie an junge afrikanische Eliten, die sich in Europa aufhielten.21 Bereits im Juli 1959 fand das erste Kolloquium in Brüssel statt, das in Zusammenarbeit mit dem Secrétariat social d’outre-mer organisiert wurde, einer französischen Vereinigung mit engen Verbindungen zur katholischen Mission, die in der gesamten Communauté präsent war und Ausbildungsarbeit im sozialen Bereich leistete.22 Zur Durchführung wurde in der DG VIII eigens eine Programmgruppe ins Leben gerufen, die einige Grundsätze für den Ablauf der Veranstaltungen festlegte. So sollten Vertreter aus allen Mitgliedsstaaten während des zweitägigen Workshops durchgehend Präsenz zeigen, um einerseits ganz EWG-Europa zu repräsentieren und andererseits eine ausführliche Kontaktaufnahme mit den afrikanischen Gästen zu ermöglichen. Auch konkrete Ziele und Art und Weise der Vorträge wurden vorab besprochen: „Il faut donc être très didactique dans certains cas et, surtout, au début, ne pas avoir peur de faire un peu le professeur avec son grand tableau noir. [...] Le but d’atteindre est essentiellement de discuter pour convaincre.“23

Schließlich diskutierten die Referenten ebenfalls im Voraus ihre geplanten Vorträge, die die Institutionen der EWG vorstellten oder auch das allgemeine Verhältnis sowie die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika zum Thema hatten. Im Verlauf der Diskussion wurden die Referate einander angepasst und Aspekte gestrichen, in denen Konfliktpotential vermutet wurde.24 Die DG VIII nahm die Angelegenheit demnach äußerst ernst und hatte angesichts der Skepsis der afrikanischen Gäste gegenüber der Assoziierung auch allen Grund dazu: In der Diskussion monierten jene etwa die fehlende diplomatische Repräsentation der assoziierten Staaten in Brüssel. Dass afrikanische Funktionäre in der Kommission arbeiten würden, wie ihnen entgegnet wurde, konnte ihren Unmut kaum verringern. Darüber hinaus beunruhigte sie der westliche Materialismus, der durch den Gemeinsamen Markt weiter gestärkt würde und kaum mit ihrem katholischen Glauben, vor allem aber der afrikanischen Mystik vereinbar sei. Für den EEF zeigten sie kaum Interesse. Stattdessen insistierten sie auf einem fairen Warenhandel zu angemessenen und stabilen Preisen, insbesondere für die Agrarerzeugnisse ihrer Heimatländer.25 Während des ersten Kolloquiums äußerten sich somit bereits zentrale Konfliktfelder der künftigen Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EWG und den as21 22 23 24 25

Vgl. zum Besuch der Gruppe im Detail Dimier (2001), S. 24; Vahsen (2010), S. 212f. Vgl. HAEU 25/1980-804, S. 106: DG VIII, Rapport sur le stage, 10.7.1959. Ebd., S. 17: DG VIII, Procès verbal de la réunion du comité de programmes, 5.6.1959. Vgl. ebd., S. 31: DG VIII, Procès verbal de la réunion du comité de programmes, 16.6.1959. Vgl. ebd., S. 106: DG VIII, Rapport sur le stage, 10.7.1959, hier S. 109–111; zum Programm vgl. ebd., S. 116: DG VIII, Programme de colloque, o.D. [1959].

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soziierten afrikanischen Staaten: fehlende politische Mitspracherechte; mangelnder Respekt vor anderen Kulturen und abweichenden Wertvorstellungen; schließlich das Problem der Herstellung fairer Wirtschaftsbeziehungen. Diese Fragen stießen jedoch auf taube Ohren bei den Mitarbeitern der DG VIII, die stärker darauf aus waren, Meinungen zu ihren Gunsten zu manipulieren, als sich mit kritischen Stimmen ernsthaft auseinanderzusetzen. In ihrer Herangehensweise folgten sie letztlich Praktiken, wie sie bereits im französischen Spätkolonialismus gang und gäbe waren.26 Neben diesem lockeren Propagandanetzwerk und dem Praktikantenprogramm richtete die DG VIII außerdem ein Stipendienprogramm ein. Die sowjetische Regierung hatte im Februar 1960 beschlossen, eine sogenannte Universität der Freundschaft unter den Völkern zu gründen, die noch im selben Jahr 500 Studenten aus Afrika, Lateinamerika und Asien aufnehmen sollte. Mit dem Stipendienprogramm wollte die EWG umgehend der Moskauer Initiative etwas entgegensetzen. Dessen Einführung bildete demnach einen der seltenen Fälle, bei denen die Generaldirektion explizit die systemideologische Konkurrenz des Kalten Krieges als ausschlaggebendes Motiv für die Initiierung einer entwicklungspolitischen Maßnahme hervorhob.27 Freilich betrachtete es die EWG-Kommission unter den Vorzeichen des Kalten Krieges grundsätzlich als ihre Aufgabe, die assoziierten Staaten im Einflussbereich des Westens zu halten. Gerade die DG VIII verstand sich allerdings nicht ausschließlich als Erfüllungsgehilfin der USA, sondern sympathisierte ebenso sehr mit der sogenannten Idee der Dritten Kraft, die insbesondere der französische Staatspräsident de Gaulle verfolgte, und die sich auch auf Europas regionale Vormachtstellung im frankophonen Afrika stützen sollte.28 Dass die DG VIII das Stipendienprogramm explizit in Reaktion auf sowjetische Pläne initiierte, war deshalb in erster Linie auf die ungewisse politische Großwetterlage zurückzuführen, die das Afrikajahr 1960 mit sich brachte. Da in dessen Verlauf zahlreiche assoziierte Länder unabhängig wurden, schenkte die Generaldirektion der Systemkonkurrenz zwischenzeitlich verstärkte Aufmerksamkeit. Mit den Stipendien wollte Kommissar Lemaignen jungen Afrikanern ein Studienjahr in Europa ermöglichen. Derartige Programme wurden bereits in der spätkolonialen Ära durchgeführt. Vor allem Absolventen höherer afrikanischer Bildungseinrichtungen waren zur Vervollkommnung ihrer Ausbildung für ein Jahr nach Frankreich geschickt worden.29 26 Vgl. Dimier (2005), S. 397f. 27 Vgl. HAEU 28/1980-491, S. 74: Lemaignen, Mitteilung, 10.6.1960. 28 Vgl. Frey (2006), S. 36; zur Bedeutung des Kalten Krieges für die Entwicklungspolitik der DG VIII vgl. Vahsen (2010), S. 204f.; zu de Gaulles Visionen vgl. zusammenfassend Martens (2000), S. 433–436; zu de Gaulles europäischem Führungsanspruch, der sich hinter der Idee der Dritten Kraft verbarg, und daraus resultierenden Spannungen mit den USA vgl. Conze (1995), insbesondere S. 312–320. 29 Vgl. HAEU 28/1980-491, S. 74: Lemaignen, Mitteilung, 10.6.1960; ebd. 19/1969-196, S. 3: DG VIII, Le développement social d’outre-mer, Juni 1959, hier S. 97f.; vgl. dazu ausführlich auch Kap. II.8.

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Die ersten Stipendien wurden schon im Dezember 1959 ad hoc für sieben Studenten aus den assoziierten Gebieten bewilligt, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Monaten an der französischen Fachschule des Institut national de la statistique et des études économiques (INSEE) eine Ausbildung erhielten.30 Das Stipendienprogramm war das einzige, das Ausbildungszwecke im engeren Sinn verfolgte. In Lemaignens Augen bot gerade die Ausbildung von Statistikern die Möglichkeit, „zu einer dauerhaften Lösung der durch den Mangel an Führungskräften [...] in den mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten Ländern hervorgerufenen Probleme beizutragen.“31

Die senegalesische und einige andere afrikanische Regierungen teilten Lemaignens Auffassung vorbehaltlos. Dies berichtete zumindest Vittorio Paretti, Direktor beim Statistikamt der EWG, nach der Rückkehr von seiner Reise nach Dakar, Abidjan, Brazzaville und Tananarive im März 1960, die der Kontaktaufnahme mit den dortigen Statistikämtern diente.32 Infolgedessen schlug Lemaignen im Frühsommer 1960 vor, neben einem allgemeinen Programm, das zunächst 100 allgemeine Studienstipendien im Jahr vergeben sollte, auch ein spezielles Statistikerprogramm aufzulegen, um jährlich 20 afrikanische Statistiker am INSEE auszubilden. Allerdings waren die Resultate, die die sieben Studenten in Paris erzielten, unbefriedigend ausgefallen. Deshalb überließ die DG VIII die Auswahl der Stipendiaten nicht länger Frankreich oder den assoziierten Ländern, sondern setzte sich fortan selbst an die Spitze des Verfahrens. Zwar sollten die Kandidaten bei den Statistikämtern der assoziierten Länder eine schriftliche Prüfung ablegen, dessen Auswertung aber „in Europa unter der Leitung der EWG“ erfolgen und auf dieser Grundlage eine Auswahl getroffen werden.33 *** Zweifellos ähnelten die von der Generaldirektion in den ersten Jahren etablierten eurafrikanischen Netzwerke jenen, wie sie sich im Rahmen der Union française herausgebildet hatten. Dies zeigte sich an der (intendierten) Einbindung afrikanischer 30 Vgl. HAEU 28/1980-491, S. 82: DG VIII, Aufzeichnung über die Ausbildung von Statistikern, o.D. [1960]; es ist davon auszugehen, dass die von der Kommission gewährten Stipendien bis dahin zu Lasten des französischen Haushalts gegangen waren. 31 Ebd. 32 Vgl. CAD Dakar AMB 263: Telegramm MAEF an Amb. Dakar, 28.2.1960; HAEU 25/1980-1429, S. 99: Vignes an Hendus, 25.4.1960; der heutzutage gängige Name von Madagaskars Hauptstadt lautet Antananarivo. 33 HAEU 28/1980-491, S. 82: DG VIII, Aufzeichnung über die Ausbildung von Statistikern, o.D. [1960]; vgl. auch ebd., S. 74: Lemaignen, Mitteilung, 10.6.1960.

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Eliten in die Bürokratie der EWG-Kommission ebenso wie an der Einrichtung des Stipendienprogramms, dessen Ausbildungsinstitutionen sich schon allein aufgrund der Sprachkenntnisse der Stipendiaten zunächst überwiegend in Frankreich befanden. Sinn und Zweck dieser Maßnahmen sowie die Strategien zur Vertrauensbildung, die im Hinblick auf die Kolloquien entworfen wurden, beruhten gleichfalls auf Ideen und Konzepten, deren Wurzeln im französischen Spätkolonialismus zu suchen sind. Dessen ungeachtet legte die Generaldirektion bereits in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem französischen Vorbild an den Tag. In den Kolloquien wurde die EWG gegenüber den neuen afrikanischen Freunden vermittelt, erklärt und auch vermarktet. Tatsächlich ging es bei der Initiative des niederländischen Abteilungsleiters van der Lee vor allem darum, sich als europäische Institution zu präsentieren. Französische Regierungsstellen registrierten relativ bald und nicht ohne Neid die professionelle PR-Arbeit, die in Brüssel für die Assoziierung auch abseits des Kolloquienprogramms betrieben wurde. So lösten in Paris Broschüren des EEF, in denen auf den Landkarten der assoziierten Länder Entwicklungsprojekte der Gemeinschaft bunt eingezeichnet waren, kritische Nachfragen aus, warum die Verantwortlichen des Fonds d’aide et de coopération (FAC) bislang nicht selbst auf solche Ideen gekommen wären.34 Zugleich setzte die Generaldirektion bereits unter Kommissar Lemaignen mit dem Spezialprogramm für afrikanische Statistiker inhaltlich eigene Schwerpunkte. Sie scheute sich dabei nicht, den französischen Stellen Paroli zu bieten und selbstbewusst einen Führungsanspruch anzumelden. So sehr die Generaldirektion Netzwerkstrukturen der Union française nacheiferte, so wenig Zweifel ließ sie von Anfang an daran, dass sie sich als eigenständiger europäischer Entwicklungsapparat institutionalisieren wollte.35 Übergreifend darf schließlich nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die DG VIII in ihrem Bemühen um den Aufbau tragfähiger Netzwerkstrukturen keineswegs von der Herangehensweise anderer Generaldirektionen unterschied. Diese knüpften gleichfalls informelle Kontakte und Netzwerke mit Experten, Interessenverbänden und Fachreferenten nationaler Regierungen in der Absicht, ihre jeweiligen Aufgabenbereiche dadurch erfolgreicher gestalten zu können. Networking gehörte folglich von Anfang an zum Arbeitsalltag der EWG-Kommission. In dieser Perspektive erscheint das Vorgehen von Lemaignen und seinen Mitarbeitern nicht mehr ausschließlich als Fortsetzung kolonialer Praktiken, sondern ebenso sehr als naheliegende Strategie ei34 Vgl. CARAN FPU 95: Note à l’attention Secrétaire Général, 10.4.1962; allgemein zur PR-Arbeit der EWG vgl. Rye (2009); zur entwicklungspolitischen PR-Arbeit der EWG vgl. Nicaise (2007), S. 135–139. 35 Damit fügte sich die DG VIII nahtlos in allgemeine Bestrebungen der frühen EWGKommission ein, Unabhängigkeit gegenüber den nationalen Ministerialbürokratien zu erlangen, vgl. Ludlow (2006b), S. 37–53; ferner Vahsen (2010), S. 121.

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ner frisch gegründeten internationalen Organisation, die ihrer Politik Geltung und Legitimität verschaffen wollte.36

2. Die Überwindung von Planungshindernissen „Entgegen der These, dass alle planen, auch die, die nicht planen, sei die Wahrheit, dass niemand plant, auch die nicht, die planen.“37 Dieses Bonmot des britischen Ökonomen Andrew Shonfield machte sich der erste Kommissionspräsident Walter Hallstein in einem Vortrag bei der deutschen List-Gesellschaft zu eigen, um die Vorzüge einer vorausschauenden Wirtschaftspolitik der EWG einem Publikum näher zu bringen, das mehrheitlich Wirtschaftsplanung noch immer mit sozialistischer Planwirtschaft gleichsetzte. Planung, so Hallsteins These, sei eine Frage der Perspektive. Stark beeinflusst von der französischen Praxis der planification, war der Kommissionspräsident ebenso wie seine Behörde der festen Überzeugung, dass jegliche Politik einer angemessenen Planung bedürfe.38 Versteht man Planung mit Dirk van Laak als „öffentlichen, verfahrensgestützten Vorgriff auf die Zukunft, der die räumliche, infrastrukturelle und daseinssichernde Ausgestaltung von Gesellschaften betreibt,“39 so wird schnell ersichtlich, dass insbesondere Entwicklungspolitik der Planung bedurfte. Dabei berührte Planung meist zwei Ebenen, eine technisch-praktische, die für die Organisation jeder arbeitsteiligen Gesellschaft notwendig war, und eine philosophische, visionäre Ebene, auf der der Plan neben seinen konkreten wirtschaftlichen und infrastrukturellen Vorhaben ein Leitbild künftigen menschlichen Zusammenlebens transportierte. Gemein war beiden Ebenen jedoch, dass sie auf die Herstellung und Sicherung einer bestimmten Herrschaftsform abzielten. Planung fand insofern keineswegs in einem machtfreien Vakuum statt, sondern war eng verbunden mit konkurrierenden Vorstellungen einer guten zukünftigen Ordnung. Dies galt umso mehr für sogenannte Entwicklungsländer wie den Senegal, die in beträchtlichem Maße auf externes Kapital angewiesen waren, um ihre eigenen Pläne zu realisieren. Zu unterschiedlichen internen Auffassungen, welcher Plan der geeignetste sei, um Entwicklung in Gang zu setzen, gesellten 36 Zur Bedeutung transnationaler Netzwerke für den europäischen Integrationsprozess grundlegend Kaiser (2009); vgl. außerdem den Sammelband von Gehler/Kaiser/Leucht (2009). 37 Hallstein (1964), S. 11. 38 Die 1963 abgehaltene Konferenz, in dessen Rahmen Hallstein referierte, trug den Titel „Planung ohne Planwirtschaft?“, vgl. zum Kontext Bröckling (2008), S. 62–64; in der Tat spielte die EWG für das Aufkommen einer Planungseuphorie in der Bundesrepublik in den 1960er Jahren eine maßgebliche Rolle, vgl. dazu und zur französischen planification Gosewinkel (2008); ferner Ruck (2000). 39 Laak (2008), S. 306.

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sich so externe Sichtweisen, die vorgaben, die Entwicklungsländer mit eigenen Konzepten in eine bessere Zukunft führen zu können.40 Vor diesem Hintergrund fügte sich die DG VIII nahtlos ein in den allgemeinen Brüsseler Planungsoptimismus und schickte sich rasch an, Pläne für die assoziierten Länder zu schmieden.41 Dazu musste sie jedoch zunächst einige Planungshindernisse überwinden, denn ihr mangelte es an Befugnissen, Zugang und Wissen. Diese unzureichenden Rahmenbedingungen werden erst vor dem spätkolonialen Entstehungskontext der Assoziierung verständlich: Die französische Regierung war der Auffassung, dass der EEF nicht eigenständig planen, sondern ihre koloniale Entwicklungspolitik finanzieren solle. Dahinter verbarg sich die Furcht vor einem Kontrollverlust in den Kolonien. Da Paris über den mit der Gründung der Communauté eingerichteten Fonds d’aide et de coopération Entscheidungsgewalt ausüben konnte und außerdem Antragsteller im Namen der frankophonen assoziierten Länder gegenüber dem europäischen Fonds war, konnte solange nicht wider französische Interessen gehandelt werden, wie keine eigenständige Planung der EWG zustande kam. Andere Finanzierungsquellen kamen für den Senegal noch nicht in Betracht, da der Senegal als autonome Republik innerhalb der Communauté keine außenpolitische Handlungsfreiheit besaß.42 Um diese starke Position zu wahren, bemühte sich die französische Regierung darum, die EWG an eigenständigen Planungen zu hindern. Deshalb waren die Befugnisse der Generaldirektion anfangs eng umgrenzt. Aus denselben Gründen verfügte die DG VIII über keinerlei Handhabe hinsichtlich der sogenannten technischen Hilfe. Die Finanzierung von allgemeinen Studien, aber auch von konkreten Untersuchungen, etwa um ein Projekt vorzubereiten, war von den Mitgliedsstaaten nicht vorgesehen worden. Das interne Reglement zur Verwaltung des EEF, das der Ministerrat im Dezember 1958 verabschiedet hatte, besagte zwar, dass die verantwortlichen Regierungen die Kommission über die in den jeweiligen assoziierten Gebieten vorgesehenen Entwicklungsprogramme und deren Stand der Ausführung informieren sollten. Darüber hinaus war die Kommission befugt, diese Informationen an den Rat oder einen interessierten Mitgliedsstaat weiterzugeben. Tatsächlich verweigerte Paris jedoch eine derartige Aufklärung, obwohl Gene-

40 Vgl. Escobar (1993); Laak (2008), S. 307; zur Planung im kolonialen Kontext vgl. Eckert (2008b) und Kap. II.1. 41 Vgl. dagegen Dimier (2008), S. 445–449. 42 Neben der Vorlage beim FAC war darüber hinaus im Rahmen der Communauté vorgesehen, die Entwicklungspläne der einzelnen Staaten vom Conseil exécutif absegnen zu lassen, wozu es freilich nicht mehr gekommen ist, vgl. HAEU 28/1980-491, S. 101: DG VIII, Les investissements dans les pays d’outre-mer, 22.7.1959, hier S. 129; vgl. dazu auch Kap. II.1.

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raldirektor Allardt bereits im Januar 1959 die französische Regierung um die Übermittlung aller Vierjahrespläne der assoziierten Territorien nachsuchte.43 Frankreichs äußerst reservierte Haltung gegenüber der DG VIII kam an verschiedenen Stellen zum Ausdruck. Als in der französischen Vertretung bekannt wurde, dass Allardt im Herbst 1958 eine erste Reise in die assoziierten Gebiete plante, wurde Paris informiert, dass diesem Herrn „l’esprit de finesse“ für eine derartige Mission gänzlich abgehe. Allardt, so der französische Ständige Vertreter in Brüssel Eric de Carbonnel weiter, wüsste sich nicht adäquat zu verhalten, sofern er nicht von Kommissar Lemaignen oder anderen französischen Mitarbeitern der DG VIII instruiert werde.44 Als der französische Mitarbeiter der Handelsabteilung und ehemalige Kolonialbeamte Henri Banicles wenige Monate später nach Dakar reiste, um die Anwendung der gemeinschaftlichen Zoll- und Kontingentbestimmungen zu überprüfen, sah sich das französische Außenministerium zu einer konkreten Stellungnahme veranlasst: Grundsätzlich war es der Auffassung, dass der Vertrag derartige Kontrollbesuche nicht vorsehe. Allerdings erklärte sich das Quai d’Orsay mit Informationsreisen von Mitarbeitern der Gemeinschaft unter der Bedingung einverstanden, dass diese von einem Beamten der Communauté begleitet würden. Auch wenn Lemaignen bald darauf Carbonnels Nachfolger Georges Gorse den Sinn und Zweck von Banicles Mission erläutern konnte, musste er dennoch versprechen, die französische Regierung frühzeitig über künftige Reisepläne der DG VIII in Kenntnis zu setzen.45 Neben fehlenden Befugnissen sowie französischen Blockaden und Gängelungsversuchen ergab sich eine weitere Planungshürde durch eine Vergaberegel des EEF: Die EWG-Kommission war verpflichtet, nach einem vom Rat jährlich festzulegenden Schlüssel soziale und wirtschaftliche Projekte vorzuschlagen – für das erste Betriebsjahr des Fonds, 1959, sollten ein Drittel wirtschaftliche Projekte und zwei Drittel soziale Projekte finanziert werden. Ganz abgesehen davon, dass die Kategorisierung einzelner Projekte Diskussionen darüber hervorrief, welche Vorhaben als sozial und 43 Vgl. Abl.EG L Nr. 33, 31.12.1958, S. 681–685: Verordnung Nr. 5/58 des Rates zur Festlegung der Einzelheiten für die Anforderung und Überweisung der Finanzbeiträge sowie für die Haushaltsregelung und die Verwaltung der Mittel des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, hier Art. 24; HAEU 28/1980-491, S.  101: DG VIII, Les investissements dans les pays d’outre-mer, 22.7.1959, hier S. 109; AMAEF CE 1945/60-721: Représentation permanente an MAEF, 7.1.1959; die französische Weigerung, Informationen zur Verfügung zu stellen, verstimmte zusehends auch das Auswärtige Amt, vgl. Rempe (2006), S. 43–51. 44 AMAEF CE 1945/60-721: Représentation permanente an MAEF, 25.10.1958. 45 Vgl. ebd.: MAEF an Représentation permanente, 20.3.1959; ebd.: Représentation permanente an MAEF, 25.2.1959; HAEU 25/1980-1432, S. 263: Banicles, Rapport de mission, o.D. [März 1959]; vgl. zur äußerst reservierten Haltung der französischen Regierung gegenüber der DG VIII auch Sicking (2004); Migani (2008), S. 193–198; Vahsen (2010), S. 215–219.

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welche als wirtschaftlich einzustufen seien, wurde dadurch auch eine vorausschauende Planung erheblich erschwert.46 *** Aufgrund dieser unkomfortablen Ausgangslage konzentrierte sich die DG  VIII zunächst darauf, eigene Wissensbestände aufzubauen. Die für Studien zuständige Direktion B erarbeitete unter ihrem französischen Direktor, dem früheren hohen Kolonialbeamten Jean Vignes, zwischen Herbst 1958 und Sommer 1959 unter anderem einen Agrar- und Sozialbericht sowie eine Studie über Kapitalinvestitionen in den assoziierten Ländern. Insbesondere diejenigen Mitarbeiter, die über keinerlei Kolonialerfahrung verfügten und dementsprechend wenig Kenntnisse über die assoziierten Länder besaßen, sollten sich dadurch einen ersten Überblick über die Lebensbedingungen in den überseeischen Gebieten verschaffen. Die Berichte fußten teils auf Daten, die das französische Statistikamt verfügbar gemacht hatte, teils auf Informationen anderer internationaler Organisationen wie der Vereinten Nationen, und sollten als Grundlage für detailliertere Länderstudien dienen. Alle drei Berichte waren deskriptiv und historisch angelegt und hoben in der Regel die Leistungen französischer spätkolonialer Entwicklungspolitik hervor. So bezeichnete der Agrarbericht die in der Vergangenheit erzielten Produktionssteigerungen als großen Fortschritt und Indiz dafür, dass sich die Marktwirtschaft langsam aber nachhaltig durchsetzen würde. Als größtes Hemmnis bei dieser Entwicklung wurde die „primitive Wirtschaftsform“ der afrikanischen Bauern identifiziert, die jeglichen Fortschritt ausschließe. Eine Strategie zur Überwindung lautete wie folgt: „Um von innen heraus wirken zu können, bedarf es der Zustimmung und der tatkräftigen Mitwirkung der Bauern bei der Anwendung der Methoden zur Verbesserung der Landwirtschaft. In dieser Hinsicht ist es wichtig, die Lehren aus den zahlreichen Experimenten zu ziehen, die in den überseeischen Ländern angestellt wurden. Es gibt deren verschiedenartige. Nicht immer waren sie von Erfolg gekrönt, aber stets waren sie lehrreich.“47

Übergreifend wurde die Modernisierung der Landwirtschaft als Schlüssel zu erfolgreicher Entwicklung und als Basis einer (späteren) Industrialisierung betrachtet, weswegen in diesem Bereich ein Schwerpunkt gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik gesetzt werden sollte.48 46 Vgl. Moser (2000), S. 432f.; Vahsen (2010), S. 144. 47 HAEU 19/1969-189, S. 32: DG VIII, Die ländliche Wirtschaft und die Förderung des Bauernstandes in den der Gemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten, 3.9.1958, hier S. 40. 48 Vgl. ebd., S. 52.

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Der Sozialbericht, der ebenfalls die bisher errungenen Leistungen der französischen Kolonialmacht herausstrich, erwähnte neben dem fortschrittsfeindlichen Traditionalismus weitere Gründe, die einer Entwicklung im Wege stünden: den Kollektivismus, das Nomadentum sowie „la médiocrité de la condition physique et matérielle des populations décimées par les endémies et épidémies, sous-alimentées, auxquelles est rendu difficile l’effort constant et régulier qu’exige l’essor économique de ces pays.“49

Trotzdem wurde davon ausgegangen, dass sich afrikanische Arbeiter durchaus zu effizienten und stabilen Arbeitskräften entwickeln könnten, sofern sie bessere Lebensbedingungen als in ihrem traditionellen Umfeld erhalten würden: eine angemessene Wohnung, eine medizinische Versorgung, einen sicheren Arbeitsplatz sowie die Aussicht auf eine Altersrente. In diesen Bereichen sollte der EEF ebenso unterstützend eingreifen wie im Bildungswesen.50 Der Bericht zu den Investitionen schließlich pries Frankreich für dessen globale Vorreiterrolle in der Entwicklungspolitik, da relativ betrachtet kein anderes Land in der Vergangenheit so umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt hätte. Zugleich wurde aber auch Kritik geübt. Die Studie machte darauf aufmerksam, dass die bisherige planification in Übersee nicht mit jener der Metropole zu vergleichen sei: „La construction de „modèles de développement“ et de comptes prospectifs se heurtait à un défaut de bases élémentaires: de sorte que, dans la planification outre-mer, il entrait jusqu’alors beaucoup plus d’expérience et du bon sens que de véritable science économique.“

Deswegen sei es umso wichtiger, dass „la planification devrait y gagner en rigueur, et la Communauté Économique Européenne pourrait, en tout cas, favoriser une telle évolution.“51 Die Aufgabe schien enorm. Ungeachtet der Annahme, dass seit dem Zweiten Weltkrieg etwa 10 Milliarden US-Dollar aus privaten und öffentlichen Quellen in den assoziierten Ländern investiert worden seien, konstatierte die Studie deutliche Entwicklungsunterschiede: Man hatte errechnet, dass das jährliche ProKopf-Einkommen in Afrika im Schnitt bei 130 US-Dollar, in Europa dagegen bei knapp 1.000 US-Dollar lag. Ein ähnliches Bild zeichnete der Bericht in Bezug auf die (privaten und öffentlichen) Investitionen, die sich in den assoziierten Gebieten mit 900 Millionen US-Dollar pro Jahr äußerst gering ausnahmen im Vergleich zum 49 HAEU 19/1969-196, S. 3: DG VIII, Le développement social d’outre-mer, Juni 1959, hier S. 186. 50 Vgl. ebd.; zum Sozialbericht und zu den Hintergründen seiner Entstehung ausführlich auch Moser (2000), S. 416–429; Vahsen (2010), S. 125f. 51 HAEU 28/1980-491, S. 101: DG VIII, Les investissements dans les pays d’outre-mer, 22.7.1959, hier S. 116; zur französischen planification nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. Bauchet (1986), S. 5–15; Gosewinkel (2008), S. 343–347.

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EWG-Gebiet, in dem die jährliche Investitionsquote auf 31 Milliarden US-Dollar taxiert wurde. Mit den 116 Millionen US-Dollar, die dem EEF jährlich zur Verfügung standen, sah sich die DG VIII dennoch gut gerüstet, einen nachhaltigen Entwicklungsbeitrag zu leisten, war diese Summe dem Bericht zufolge doch immerhin halb so groß wie die staatlichen bilateralen Mittel, die jedes Jahr in die assoziierten Gebiete flossen.52 So wenig diese Berichte konkrete Planungen enthielten, so deutlich zeichneten sich doch übergeordnete Prämissen künftiger gemeinschaftlicher Entwicklungsplanung ab. Es mag kaum überraschen, dass alle drei Studien die Errungenschaften spätkolonialer Entwicklungspolitik hervorhoben und es als Aufgabe des EEF betrachteten, dieses Werk fortzuführen. Die Ziele blieben grundsätzlich die gleichen: Herstellung einer verlässlichen Arbeiterschicht durch breite Maßnahmen im sozialen Bereich sowie Verbesserung der Produktivität in der Landwirtschaft. Während jedoch im französischen Spätkolonialismus noch konkurrierende, das heißt stärker Partikularität oder Universalität betonende Ansätze nebeneinander existierten, schien sich in der Brüsseler Behörde zunächst ein Konzept durchgesetzt zu haben: ein Modernisierungsprozess, dessen (fernes) Ziel die Industrie- und Konsumgesellschaft westlicher Prägung war. Die Berichte stellten so eine Synthese aus modernisierungstheoretischen Annahmen einerseits und Erfahrungen der spätkolonialen Entwicklungspolitik andererseits her – ebenjene Erfahrungen, die die Modernisierungstheoretiker gänzlich ignorierten. Die verhaltene Kritik an der pragmatischen Vorgehensweise kolonialer Planung kann zugleich als Plädoyer für den verstärkten Einsatz ökonomischer beziehungsweise ökonometrischer Methoden und als Forderung nach mehr technischem und statistischem Vorwissen bei der Planung entwicklungspolitischer Maßnahmen gelesen werden. Schließlich maßen die Studien Fragen der Akzeptanz gegenüber entwicklungspolitischen Projekten vor Ort eine größere Bedeutung bei und verließen damit sowohl spätkoloniale als auch bestimmte modernisierungstheoretische Pfade, deren Vertreter durchaus bereit waren, die Adressaten notfalls zu ihrem Glück zu zwingen. 53 *** 52 Vgl. HAEU 28/1980-491, S. 101: DG VIII, Les investissements dans les pays d’outre-mer, 22.7.1959, hier S. 180–183. 53 Vgl. zum Zusammenhang von Modernisierungstheorie und spätkolonialer Entwicklungspolitik Cooper (2004), S. 15–24; ebenfalls zu dieser Verbindung und der Gewaltdimension bestimmter Zweige der Modernisierungstheorie siehe Malinowski (2008), S.  244–246; vgl. ferner zur einflussreichen partikularistischen Doktrin der association Dimier (2004b) sowie den Prolog; zur Ausbreitung ökonomischer und ökonometrischer Methoden in der Entwicklungspolitik vgl. Speich (2008), S. 183–192; zur Entstehung der Modernisierungstheorie in den USA siehe Gilman (2003), S. 24–71; Lemaignens persönliche entwicklungspolitische Überzeugungen deckten sich im Wesentlichen mit der hier dargelegten Synthese, vgl. Moser (2000), S. 418–420; Vahsen (2010), S. 123–125.

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Gewiss wurde mit diesen Studien keine gemeinschaftliche Entwicklungsdoktrin in Stein gemeißelt. Vielmehr ging es in erster Linie darum, sich einen ersten Überblick zu verschaffen und ebenjene Prämissen aufzustellen, unter denen eine künftige gemeinschaftliche Entwicklungsplanung ausgearbeitet werden sollte. Neben diesen intellektuellen Vorarbeiten ging die DG VIII bald auch daran, sich aus dem engen Korsett zu befreien, in das sie aufgrund der internen Verwaltungsregeln gezwungen wurde. Im Juli 1959 gelang es ihr, die jährliche Einhaltung des Verteilungsschlüssels nach sozialen und wirtschaftlichen Projekten ein Stück weit aufzubrechen. Der Rat bestimmte, dass in den Haushaltsjahren 1958, 1959 und 1960 jeweils zu 20 bis 25 Prozent soziale und zu 70 bis 75 Prozent wirtschaftliche Vorhaben finanziert werden sollten und setzte außerdem die zur Verfügung stehenden Summen der betreffenden Jahre fest. Diese Entscheidung verhalf der Generaldirektion zu etwas mehr Handlungs- und daher auch Planungsspielraum.54 Das heikle Problem der direkten Kontaktaufnahme zu den assoziierten Ländern löste sich aufgrund der rasanten politischen Entwicklungen in Luft auf. Nachdem sich der senegalesische Weg in die Unabhängigkeit seit September 1959 abgezeichnet hatte und von de Gaulle im Dezember im Grundsatz abgesegnet worden war, stattete Kommissar Lemaignen dem westafrikanischen Land im Januar 1960 erstmals einen offiziellen Besuch ab. In Dakar wurde er unter anderem über den Stand der Arbeiten am ersten senegalesischen Entwicklungsplan sowie über gegenwärtig in Angriff genommene Entwicklungsprojekte unterrichtet. Priorität, so erfuhr der Kommissar, genoss „la création sur le Pays du climat actif (les allemands appellent cela la ,Stimmung‘) indispensable non seulement à la réussite de ce qui est actuellement entrepris, mais aussi s’en servant de support, au lancement [...] de la mise en œuvre du Plan de Développement.“55

Im Gegenzug ließ Lemaignen die senegalesische Regierung wissen, dass sie bis Ende 1962 mit ungefähr 6,5 Milliarden F CFA aus dem EEF planen könne.56 Wenige Monate später reiste eine ganze Delegation unter der Leitung von Generaldirektor Allardt in den Senegal, um Details diverser Projektanträge der Mali54 Vgl. Abl.EG L Nr. 46, 17.8.1959, S. 864: Beschluss des Rates vom 25.7.1959; die Kommission begründete ihren Vorschlag zur Veränderung des Verteilungsschlüssels auch mit dem Erfahrungswert, dass soziale Vorhaben meist mit höheren Unterhaltskosten für die assoziierten Gebiete verbunden waren, vgl. mit weiteren Details Moser (2000), S. 433; diese Regelung wurde vom Rat im September 1961 für die restliche Laufzeit des ersten EEF verlängert, vgl. HAEU CM 2/1961-582: Calmes an von Brentano, 28.9.1961. 55 ANS FM 449: Ministère du Développement et du Plan, Le Sénégal dans la voie du développement, 28.1.1960; vgl. zur Ausarbeitung des senegalesischen Entwicklungsplans ausführlich Kap. II.1. 56 Vgl. CAD Dakar AMB 263: MAC an ministre d’état chargé de l’aide et de la coopération, 9.2.1960.

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Föderation zu klären und Informationen über senegalesische Pläne und Entwicklungsprogramme zu erhalten. Widerstand von französischer Seite war nicht mehr zu vernehmen, was jedoch auch daran lag, dass die im September 1959 zur Abwicklung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit eigens eingerichtete Mission d’aide et de coopération (MAC) in Dakar von senegalesischer wie Gemeinschaftsseite in das gesamte Arbeitsprogramm eng eingebunden wurde.57 Die DG VIII erlangte mit der Dekolonisation des Senegal also freien Zugang, wenngleich die französischen Stellen nach wie vor versuchten, die Begegnungen so weit wie möglich zu kontrollieren.58 Was der Generaldirektion nun noch fehlte, waren Befugnisse, Studien zu finanzieren, ein Missstand, den im Übrigen auch die senegalesische Regierung deutlich kritisierte.59 Gewiss verfügte die DG VIII über einen eigenen Haushaltsposten, der für solche Zwecke bestimmt war. Außerdem bestand die Möglichkeit, das Budget der Kommission für derartige Untersuchungen in Anspruch zu nehmen, was zunehmend auch genutzt wurde. Bis Ende 1960 waren 20 Berichte fertiggestellt oder im Entstehen. Teils wurden sie, wie die drei bereits erwähnten Studien, von den Abteilungen selbst erstellt, teils entstanden sie im Rahmen von Expertenkolloquien, die in Brüssel stattfanden; ein dritter Teil wurde bei Forschungsinstituten in Auftrag gegeben. Die Themen waren allgemein gehalten, um relevante Erkenntnisse für möglichst viele assoziierte Staaten zu erhalten. Konsumaussichten von Kaffee, Kakao und Bananen in den sechs Mitgliedsländern wurden ebenso analysiert wie Probleme der Bodenkonservierung oder Möglichkeiten, den afrikanischen Viehbestand besser nutzbar zu machen.60 Dessen ungeachtet drängte die Generaldirektion darauf, Studien auch über den EEF finanziert zu bekommen. Zum einen waren die Mittel aus dem eigenen Haushalt relativ begrenzt. Zum anderen machten Projektanträge häufig ergänzende Untersuchungen notwendig, bevor sie bewilligt werden konnten. Bei einem ersten Versuch der DG VIII im Oktober 1959 verweigerte der Ausschuss der Ständigen Vertreter 57 Vgl. ANS FM 514: MAC an président du Conseil, 5.9.1959; diese in allen frankophonen Ländern Afrikas errichtete Institution diente als verlängerter Arm des französischen Entwicklungsministeriums, war zugleich aber eng an die diplomatischen Botschaften angebunden, vgl. Nouaille-Degorce (1982), S. 218f; Meimon (2007), S. 31f. 58 Vgl. CARAN FPU 96: MAC an SdE, 25.5.1960; vgl. zum französischen Kontrollbedürfnis auch ebd.: SdE an MAC „Nouvelle procédure de présentation de projets à la commission de la CEE“, o.D. [1960]; vgl. zur Mission der EWG-Delegation auch HAEU 25/1980-1433, S. 20: Allardt, Rapport de mission, 23.5.1960; CAD Dakar MCAC 431: MAC an SdE, 19.5.1960. 59 Vgl. ANS FM 514: RdS, Note pour la Communauté économique européenne, o.D. [1960]. 60 Vgl. HAEU 79/1982-38, S. 30: DG VIII, Action de coopération technique, prévision 1961, 16.6.1961; ebd., S. 33: DG VIII, Action de coopération technique pendant 1960, 13.6.1961, hier S. 42; ebd. 79/1982-71, S. 3: DG VIII, Liste des études rédigées, 8.11.1960.

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zwei Projektanträgen der Kommission die Zustimmung, weil der eine Vorstudien beinhaltete, der andere die Durchführung einer Generaluntersuchung in Ruanda zum Gegenstand hatte. Allerdings beauftragte der Ausschuss die Kommission, die Zulässigkeit solcher Anträge zu prüfen. Einer recht eigenwilligen Rechtsauslegung des juristischen Dienstes folgend, gelangte die Generaldirektion zu der Auffassung, dass beide Projektanträge den internen Regeln des EEF nicht entgegenstünden. Die Beharrlichkeit zahlte sich aus; fortan war es der Kommission erlaubt, Studien entweder als eigenständiges Projekt oder als Teil eines Investitionsvorhabens zur Bewilligung vorzulegen.61 Gerade die für Ruanda schließlich in Angriff genommene „Étude de programmation économique et social“ zeigt, dass sich die Generaldirektion keineswegs darauf beschränkte, konkrete Projekte zu realisieren, sondern ebenso im Bereich übergreifender Planung aktiv wurde. Obwohl die Kommission nun auch auf den EEF zugreifen konnte, gab sie sich mit diesem unflexiblen Verfahren jedoch nicht zufrieden und lancierte im Juni 1961 einen weiteren Vorstoß, um in Planungsfragen einen größeren Handlungsspielraum zu erlangen. Ihrem Vorschlag, 3 Millionen RE aus dem Fonds bereit zu stellen, um daraus Studien ohne erneute Zustimmung des Rates finanzieren zu können, stimmten die Mitgliedsstaaten ohne größere Diskussion zu.62 Innerhalb weniger Jahre war es der DG VIII somit gelungen, sich eine breite Palette an Möglichkeiten zur Studienfinanzierung zu schaffen, weshalb die Einrichtung eines internen Studienkomitees bald für notwendig erachtet wurde. Dessen Aufgabe bestand darin, über Sinn und Mehrwert der Studien zu befinden und die geeignetste Finanzierungsquelle zu erörtern. Entscheidungen des Komitees mussten vom Generaldirektor abgesegnet werden. Dass die Direktion B für Studien und Programme mit der Direktion C für den Entwicklungsfonds um den Führungsanspruch im neuen Gremium konkurrierte, verweist nicht nur auf die Bedeutung, die der Konzeption, Auswahl und Durchführung von Entwicklungsstudien beigemessen wurde. Zugleich entzündete sich an dieser Frage erstmals ein Konflikt, der das Innenleben der Generaldirektion die kommenden 15 Jahre prägen sollte. Generaldirektor Hendus’ Kompromisslösung, mit der die Leitung des Komitees bei der Studiendirektion, die Sammelstelle für Studienvorschläge jedoch bei der Direktion C angesiedelt wurde, konnte die beiden Abteilungen keineswegs auf Dauer aussöhnen.63 Mit der Ausweitung der Studien auf den EEF und ihrer auch in finanzieller Hinsicht gestiegenen Bedeutung ging ein weiteres Problem einher. Gemäß der vom Rat 61 Vgl. HAEU 25/1980-1045, S. 6: DG VIII, Note pour la Commission, 3.11.1959; ebd., S. 43: von Stein, Vermerk, 5.1.1960. 62 Vgl. ebd., S. 68: KOM, Verordnungsvorschlag an den Rat, 28.6.1961; HAEU CM 2/1961-582: Calmes an von Brentano, 28.9.1961. 63 Vgl. HAEU 25/1980-1045, S. 167: DG VIII, Vergleichende Darstellung der Vorschläge der Direktionen B und C zur Regelung des Verfahrens bei der Finanzierung von Studien, o.D. [1961]; ebd., S.173: Procès verbal de la réunion bureau Hendus, 11.12.1961.

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getroffenen Entscheidung über das beschleunigte Verfahren waren es die assoziierten Staaten, die Studienanträge einreichten und, die Bewilligung vorausgesetzt, das Studienbüro auswählten.64 Aufgabe der Kommission war es hingegen, auf eine faire Verteilung der Aufträge an Studienbüros der Mitgliedsstaaten nach Maßgabe des jeweiligen finanziellen Einsatzes der sechs Länder zu achten. Deswegen entschied sich Hendus intern für ein Verfahren, das die Verwaltungsregeln de facto umkehrte: Die Kommission sollte die Büros auswählen, die assoziierten Staaten lediglich zustimmen. Mehr noch war Hendus der Meinung, dass „l’initiative intellectuelle peut provenir des services de la Commission, mais doit – dans tous les cas – être confirmée officiellement par le pays associé qui conserve ainsi l’initiative de présentation exigée par les Règlements du Fonds.“65

*** Mit der Gründung des Studienkomitees war die Formationsphase gemeinschaftlicher Entwicklungsplanung abgeschlossen. Die DG VIII verstand es, die anfangs bestehenden Planungshindernisse zu überwinden und sich aus dem starren Korsett zu befreien, in das sie von den Mitgliedsstaaten gezwängt worden war. Da die französische Regierung die Assoziierung in erster Linie als ein europäisches Arrangement auffasste, das sich in den Dienst ihrer eigenen kolonialen Entwicklungspolitik stellen sollte, hatte sie das größte Interesse daran, Brüsseler Planungskompetenzen möglichst gering zu halten. Neben dem selbstbewussten, teils forschen Auftreten der Generaldirektion gegenüber dem Ministerrat begünstigte insbesondere die Dekolonisation eine rasche Emanzipation von Frankreich. Die politischen Entwicklungen zwangen den französischen Entwicklungsapparat zu einer etwas kooperativeren Haltung, wenngleich dessen Kontrollbedürfnis gegenüber den neuen Kollegen aus Brüssel auch nach der Unabhängigkeit der assoziierten Länder ungebrochen blieb. Der Generaldirektion gelang es jedoch nicht nur, sich graduell von französischer Bevormundung zu befreien. Zugleich versicherte sie sich selbst eines intellektuellen Führungsanspruchs gegenüber den assoziierten Staaten in Fragen der Entwicklungsplanung und legte so das Fundament für jenen „Wissensimperialismus“, der die Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal fortan prägen sollte.66 Gewiss hatten Lemaignen und seine Mitarbeiter in den Anfangsjahren keinen master plan oder gar eine starre Entwicklungsdoktrin erarbeitet, wie sie manche Mo64 Vgl. HAEU CM 2/1961-582: de Schacht an von Brentano, 17.8.1961; ebd.: Calmes an von Brentano, 28.9.1961. 65 HAEU 25/1980-1045, S. 189: Hendus, Note de service, 18.12.1961; vgl. auch ebd., S. 173: Procès verbal de la réunion bureau Hendus, 11.12.1961. 66 Den Begriff hat Frederick Cooper in die wissenschaftliche Debatte eingebracht: Cooper (1997), S. 64.

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dernisierungstheoretiker zur selben Zeit vorlegten. Auch kam es schon frühzeitig zu internen Kompetenzstreitigkeiten, die, wie noch zu erörtern sein wird, auf unterschiedliche entwicklungspolitische Auffassungen zurückzuführen waren. Doch gerade aufgrund der internationalen Zusammensetzung der Generaldirektion wehte in Brüssel ein anderer Wind als bei den heimkehrenden oder auch in Übersee gebliebenen und über Nacht zu Entwicklungsexperten umbenannten französischen Kolonialbeamten.67 Dies sollten auch erste Erfahrungen in der Projektzusammenarbeit zwischen der Gemein­schaft und dem Senegal zeigen.

3. Katalysator wissensbasierter Zusammenarbeit: Die Anfänge des EEF Die koloniale Entwicklungspolitik Frankreichs prägte die Anfänge der Projektzusammenarbeit zwischen den assoziierten Ländern und der EWG ebenso wie die Umwälzungen der Dekolonisation. Im Anschluss an die bisherige Analyse wäre es irreführend, von einer Stunde Null in der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik auszugehen. Vielmehr ging es in den ersten Jahren für die EWG-Kommission wie den Senegal darum, sich autonome Handlungsspielräume gegenüber der Kolonialmacht zu verschaffen. Für die Gemeinschaft stand dabei im Vordergrund, sich ein eigenständiges entwicklungspolitisches Profil zuzulegen, um sich dem Vorwurf rückständiger Kolonialpolitik zu entziehen. Ebenso hatte die senegalesische Territorialregierung seit Anbeginn der Assoziierung erkannt, dass sich ihr mit dem EEF eine weitere Option eröffnete und sie mit dem europäischen Fonds über flexiblere Finanzierungsmöglichkeiten verfügen konnte, wenngleich die für die EWG bestimmten Projektanträge bis zur Unabhängigkeit der Zustimmung der französischen Regierung bedurften. Ein Blick auf die Liste der im Senegal vom ersten Fonds finanzierten Projekte zeigt, dass Brüssel in erster Linie zum Ausbau der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur des Landes beitrug. Neben dem Bau von Krankenhäusern, Schulen und Ausbildungsstätten wurde vor allem das Verkehrsnetz erweitert: Straßen, Eisenbahnund Hafenanlagen. Damit fügten sich die Maßnahmen im Senegal nahtlos in den allgemeinen Trend der ersten Jahre gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik ein.68

67 Vgl. zur Transformation französischer Kolonialbeamter in Entwicklungsexperten Meimon (2007), S. 15–18. 68 Vgl. die Tabelle zur sektoriellen Verteilung der vom ersten EEF finanzierten Projekte bei Cosgrove-Twitchett (1978), S. 47–49.

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Projekte des ersten EEF im Senegal69 Datum Finanzierungsabkommen

Ausgaben (1000 RE)

Projekt Soziale Projekte

09.01.1961 14.03.1961 22.08.1961 18.11.1961 19.12.1961 19.12.1961 01.06.1962 08.06.1962 08.06.1962 22.08.1962 22.08.1962 04.06.1964

Krankenhaus St. Louis Kampf gegen Tuberkulose Bluttransfusionszentrum Dakar Institut für höhere Pädagogik Dakar Studie zur Entwicklung des Reisanbaus in der Casamance Schule für landwirtschaftliche Führungskräfte Bambey Landwirtschaftliche Ausstattung Casamance Studien zum Straßenbau Bau von Dorfschulen Tierzuchtforschungsstation Kolda Berufsbildungszentrum Dakar Wasserprogramm

4.254 122 203 891 365 365 1.758 1.094 3.659 352 764 2.431

Wirtschaftliche Projekte 04.10.1960 14.02.1961 14.02.1961 14.03.1961 08.06.1962 20.09.1962 20.09.1962 20.09.1962 26.10.196270 28.01.1965 19.07.1965 20.09.1965 70

Straßenausbesserung Casamance Hafen Dakar: Fischerkai Hafen Dakar: Aushebung des Hafenbeckens Modernisierung der Eisenbahnlinie Dakar-Niger Straßenbau Straßenbau Strecke N’Gatch-Birkelane Straßenbau Strecke St. Louis-Rosso-Richard Toll Straßenbau Strecke Bakel-Kidira Studien in der Casamance Aushebungen des Saloum-Flusses 28 Landwirtschaftszentren Zwei ländliche Ausbildungszentren Summe:

4.922 661 1.884 1.813 5.266 713 3.646 1.823 527 1.175 1.770 324 40.782

69 Vgl. CAC 19880053-223: DG VIII, Renseignements de base sur la République du Sénégal, o.D. [1967]; die Liste gibt als Stichtag den 30. September 1966 an und sagt nichts über den Stand der Realisierung aus. Obwohl der erste EEF offiziell auf den Zeitraum 1958/62 beschränkt war, wurden aufgrund seiner trägen Arbeitsweise auch danach noch einige senegalesische Projekte über den ersten Fonds finanziert. 70 Dieses Datum ist offensichtlich falsch, da diese Studien erst im Juni1964 vorgeschlagen wurden, vgl. CAC 19771468-242: DG VIII, Proposition de financement „Études en Casamance“, 17.6.1964.

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Freilich gründete diese Tendenz zur Realisierung von Infrastrukturen auf keiner ausgewiesenen entwicklungspolitischen Strategie der DG VIII, die die ersten Jahre vor allem damit beschäftigt war, die Grundlinien ihrer Tätigkeit erst festzulegen. Vielmehr ist dieser Schwerpunkt darauf zurückzuführen, dass die senegalesische Territorialregierung, insbesondere noch vor der Unabhängigkeit, ihre Prioritäten im infrastrukturellen Bereich setzte. Bis zur formalen Unabhängigkeit im Juni 196071 reichte Paris zweimal auf Geheiß der senegalesischen Territorialregierung Antragspakete in Brüssel ein. Die senegalesischen Verantwortlichen hatten es eilig. Gerade mal ein halbes Jahr nach der Gründung der EWG, zu einem Zeitpunkt also, als viele Verwaltungsfragen und Funktionsweisen des Fonds noch gar nicht geklärt waren, hatte Vizepräsident Dia nach Rücksprache mit seinem Kabinett die aus Brüssel zu erwartende Gesamtsumme in drei Projekten verplant: Der EEF sollte einen Staudamm am Senegal-Fluss, einen Krankenhausneubau in St. Louis sowie den Bau diverser Fernstraßen finanzieren. Alle drei Projekte waren Bestandteil des dritten (kolonialen) senegalesischen Entwicklungsplans, der im Frühjahr 1958 von der Territorialversammlung gebilligt worden war, und standen seit langer Zeit auf dem Wunschzettel der senegalesischen Verantwortlichen wie auch des französischen Generalgouverneurs.72 Wiederholte Versuche, für diese Unternehmungen Unterstützung vom Fonds d’investissement de développement économique et social zu erhalten, waren jedoch aus verschiedenen Gründen gescheitert. Vom Krankenhausbau war das für den Fonds zuständige französische Überseeministerium vorbehaltlos überzeugt, weil eine gemeinsam vom Ministerium und der Territorialverwaltung angestrengte Studie sowohl die Notwendigkeit als auch die technische Durchführbarkeit hinreichend belegte. Bisher hatten allerdings die Mittel gefehlt, um den Bau anzugehen. Anders verhielt es sich mit dem Staudamm, dessen Realisierung die Mission d’aménagement du Sénégal (MAS) seit langer Zeit geplant hatte.73 In dieser Frage legte sich die Rue Oudinot etwas mehr Zurückhaltung auf. Offensichtlich war das Überseeministerium – im Gegensatz zum technischen Dienst des Generalgouvernements Französisch-Westafrikas  – von der Rentabilität des Prestigeprojekts noch nicht gänzlich überzeugt. 71 An diesem Datum wurde die Mali-Föderation formal in die Unabhängigkeit entlassen. Der offizielle senegalesische Unabhängigkeitstag ist jedoch der 4. April, da an jenem Tag des Jahres 1960 die Kooperationsabkommen zwischen dem Senegal und Frankreich unterzeichnet wurden, vgl. Hesseling (1985), S. 173. 72 Vgl. ANS VP 278: Vice-Présidence, Note commune de présentation, 12.7.1958; ebd. VP 275: Haut Commissariat, Aménagement de la vallée du Sénégal, procès-verbal, 14.11.1957; die vom EEF zu erwartende Gesamtsumme wurde proportional zum Anteil errechnet, den der Senegal vom FIDES erhielt. Demnach wurde mit 8,5 Milliarden F CFA für die gesamten fünf Jahre gerechnet. 73 Diese französische Organisation ist 1938 gegründet worden, um die Nutzbarmachung des Senegal-Flusses voranzutreiben, vgl. Kipping/Lindemann (2005), S. 61–64.

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Auch hinsichtlich der geplanten Straßen bemängelte man in Paris, dass die technische Planung noch nicht weit genug gediehen sei.74 Ohne Zweifel handelte es sich bei den Vorhaben um imperiale Infrastrukturen in dem Sinne, dass sie ihren planerischen Ursprung im französischen Spätkolonialismus hatten.75 Zugleich aber identifizierte sich die senegalesische Territorialregierung unter Vizepräsident Dia zunächst ohne Abstriche mit diesen Projekten, von denen sie sich einen nachhaltigen Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes erhoffte. Straßen, Staudämme und Krankenhäuser sollten daher eher als Symbole eines gemeinsam von französischen und afrikanischen Eliten herbeigesehnten Aufbruchs in den modernen (Sozial-)Staat gedeutet werden, und weniger als fadenscheinige Entwicklungsversprechen einer ausbeuterischen Kolonialmacht.76 Der EEF sollte der finanziell schwächelnden Metropole bei diesem Aufbruch ohne großes Aufheben finanziell unter die Arme greifen – darauf hofften zumindest die Verantwortlichen in Paris und Dakar. An allen drei Projekten war darüber hinaus auch der französische Fonds finanziell beteiligt. Die Idee einer Lastenteilung, wie sie die französische Regierung mit der Assoziierung von Anfang an verbunden hatte, schlug sich demnach auch in der Praxis der Zusammenarbeit nieder.77 Parallel zum Rückgriff auf alte imperiale Projekte war das Bestreben seitens der senegalesischen Territorialregierung klar zu erkennen, sich von kolonialen Planungen zu emanzipieren und eigene Wege zu gehen. Der senegalesische Historiker Mamadou Diouf hat in diesem Zusammenhang auf die „constitution of a new ,library‘, that of the postcolony, against a colonial ,library‘“ hingewiesen, was sich vor allem in der Ausarbeitung des ersten senegalesischen Entwicklungsplans manifestierte.78 Diese Anstrengungen nahmen bereits vor der formalen Unabhängigkeit ihren Anfang und schlugen sich zunächst im regional umgrenzten „Programme intermédiaire de Casamance“ nieder. Allerdings fußte dieses Programm nicht nur auf neuen Wissensbeständen, die im Rahmen der Konzeption des nationalen Plans produziert wurden, sondern stützte sich auch auf Expertisen des Office de la recherche scientifique et technique outre-mer (ORSTOM), dem 1943 gegründeten wissenschaftlichen Flaggschiff französischer Überseeforschung. Darüber hinaus wurde das Fachwissen des Botanikers Roland Portères zu Rate gezogen. Portères hatte sich zu Beginn der 1950er Jahre 74 Vgl. CAC 19771468-242: Ministère d’Outre-mer an SGCI, 10.10.1958; vgl. zur Position des technischen Dienstes des Generalgouvernements ANS VP 275: Haut Commissariat, Aménagement de la vallée du Sénégal, procès-verbal, 14.11.1957. 75 Zur Bedeutung von Infrastrukturen im Zeitalter des Imperialismus vgl. Laak (2004b), S. 35–43. 76 Vgl. zum Export des europäischen Sozialstaatsmodells in die Kolonien, das große Erwartungen weckte und auch nach der Unabhängigkeit Referenzpunkt der afrikanischen Gesellschaften blieb, Eckert (2006), insbesondere S. 486–488. 77 Vgl. zu diesem Motiv der französischen Regierung ausführlich Turpin (2005). 78 Diouf (1997), S. 296; vgl. zum senegalesischen Plan Kap. II.1.

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als Experte der französischen Compagnie générale des oléagineux tropicaux (CGOT) einen Namen gemacht, die zu jener Zeit in der Region versuchte, den mechanisierten Erdnussanbau im großen Stil einzuführen. Eine klare Trennlinie zwischen alter und neuer Wissensproduktion existierte demnach nicht, vielmehr wurden – nicht nur in diesem Fall – Wissensbestände sowohl aus der kolonialen als auch aus der postkolonialen Ära herangezogen.79 Dessen ungeachtet war unverkennbar, dass die senegalesischen Verantwortlichen überzeugt waren, mit dem Casamance-Plan neue Wege zu gehen: „Le gouvernement, prenant l’option fondamentale de subordonner les réalisations à la connaissance préalable de son contexte économique et social, prépare son avenir selon une méthode moderne et rationnelle dont on ne trouve pas l’équivalent dans l’Ouest Africain.“80

Entsprechend präsentierte das Programm detaillierte Daten über die zwischen Gambia und Portugiesisch-Guinea liegende isolierte senegalesische Region, die in einer solchen Systematik bisher nicht vorlagen: Bodenbeschaffenheit, Bevölkerungsdichte, ethnische Zusammensetzung, Wirtschafts- und Anbaugewohnheiten, Mobilität etc. Die geplanten Entwicklungsprojekte erstreckten sich auf Landwirtschaft, Viehzucht und Fischereiwesen sowie auf Ausbildungseinrichtungen und den Ausbau des Verkehrsnetzes. Dabei machte die senegalesische Regierung traditionelle Verhaltens- und Wirtschaftsweisen der Bevölkerung als die hauptsächlichen Entwicklungshindernisse aus und schrieb sich somit nahtlos in den vorherrschenden entwicklungspolitischen Zeitgeist ein.81 *** Die DG VIII zeigte sich jedoch weder von den imperialen Infrastrukturen noch vom Programm für die Casamance beeindruckt. Obwohl Lemaignen bereits im Sommer 1958 anlässlich eines Besuchs des senegalesischen Planungsministers Ousmane Socé Diop in Brüssel auf offiziösem Wege von den ersten drei Anträgen in Kenntnis gesetzt wurde, dauerte es bis zum Oktober 1960, ehe das erste Finanzierungsabkommen mit dem Senegal zu Teilabschnitten des Straßenprojekts geschlossen werden konnte.82 Der EEF arbeitete langsam, und dies aus zwei Gründen: Zum einen dauerte es bis zum Frühjahr 1959, ehe der Fonds die Arbeit aufnehmen konnte, weil sich die Mit79 Vgl. zur Entstehung des ORSTOM ausführlich Bonneuil/Petitjean (1997); zusammenfassend Eisemon/Davis/Rathgeber (1985), S. 194f.; zum Projekt der CGOT, das zwar scheiterte, aber dennoch als Aushängeschild des FIDES galt, grundlegend Diallo Cô-Trung (1998); zu Portères Rolle ebd., S. 230–232. 80 ANS FM 471: RdS, Programme intermédiaire Casamance, 5.11.1959. 81 Vgl. ANS FM 471: RdS, Programme intermédiaire Casamance, 5.11.1959. 82 Vgl. HAEU 25/1980-1493, S. 45: DG VIII, Compte rendu de la réunion, 26.8.1958; zum biographischen Hintergrund von Diop vgl. Ndiaye/Ndiaye (2006), S. 177f.

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gliedsstaaten erst im Dezember 1958 auf interne Verwaltungsrichtlinien und eine Finanzordnung geeinigt hatten. Doch auch das darauffolgende Jahr wurde verschenkt, weil die französische Regierung entgegen der Auffassung der Kommission und aller anderen Mitgliedsstaaten darauf beharrte, die technische Kontrolle der Projekte in ihrer Einflusszone französischen Firmen vorzubehalten. Erst im Frühjahr 1960 gab Paris seine Blockadehaltung in dieser Frage auf und somit den Weg zum Abschluss von Finanzierungsabkommen frei.83 Zum anderen, und wesentlich bedeutsamer, setzte der europäische Fonds hinsichtlich der Qualität der Anträge sehr hohe Standards.84 Die von der Kommission selbst erarbeitete Verordnung zur Festlegung der Arbeitsweise des Fonds beinhaltete einen ganzen Kriterienkatalog, den es abzuarbeiten galt. Unter anderem sollte bei einem Projektantrag die zu erwartende Belastung des staatlichen Haushalts sowie die Auswirkungen auf die Kaufkraft, auf die Sparrate und auf die Zahlungsbilanz ermittelt werden. Ferner sollte geprüft werden, inwieweit das Projekt private Investitionen nach sich ziehen würde.85 Dieser Katalog war jedoch keinesfalls abschließend angelegt. Im Gegenteil differenzierte der technische Dienst des EEF die Liste weiter aus und spezifizierte sie für unterschiedliche Interventionsbereiche. So umfasste eine Checkliste für Agrarprojekte, die die technische Abteilung den assoziierten Ländern zukommen ließ, 16 Seiten mit Auflagen, die einer Totalinvestitur wirtschaftlicher, sozialer und administrativer Strukturen sowie topographischer und hydrologischer Beschaffenheiten der jeweiligen Region gleichkam. Darüber hinaus sollte jedes Projekt einer Rentabilitätsprüfung unterzogen werden, kurzum: Die Kriterien wurden so abgesteckt, dass sie kaum erfüllt werden konnten.86 Dass die Generaldirektion die Messlatte derart hoch anlegte, hatte mehrere Ursachen. Zum einen wollte sie die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik auf eine solide wissenschaftliche Grundlage stellen, um dadurch Vorwürfen entgegentreten zu können, sie würde interessengeleitete Entwicklungspolitik betreiben oder sich in den Dienst französischer Kolonialpolitik stellen. Das Etikett der Wissenschaftlichkeit diente somit insbesondere in der Kommunikation nach außen als politisches Neutralitätssiegel. Intern war sich die DG VIII zum anderen im Klaren darüber, dass das Aufstellen wissensbasierter Kriterien eine geeignete Strategie war, um möglichst gro-

83 Vgl. Cosgrove-Twitchett (1978), S. 40–44; Moser (2000), S. 429–433; Migani (2008), S. 193–196; Vahsen (2010), S. 147–152; vgl. zur französischen Haltung auch AMAEF CE 1945/60-724: Note pour le ministre, 5.11.1959. 84 Vgl. Dimier (2008), S. 440. 85 Vgl. Abl.EG L Nr. 12, 25.2.1959, S. 241–254: Verordnung Nr. 7/59 der Kommission zur Festlegung der Arbeitsweise des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, Art. 26. 86 Vgl. ANS 1R 1081: DG VIII, Matière du sous-dossier technique des projets agricoles, o.D. [1960].

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ßen Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Projekte zu erhalten, zumal derart systematische Wissensbestände in der Kolonialzeit kaum angelegt worden waren.87 Schließlich standen hinter der Einführung hoher wissenschaftlicher Standards auch echte entwicklungspolitische Überzeugungen innerhalb der DG VIII. Das für St. Louis geplante Krankenhausprojekt illustriert ebenso wie das Staudammprojekt, dass die Mitarbeiter der technischen Abteilung in Brüssel diese Vorhaben für unausgereift hielten. Der Damm wurde schlicht abgelehnt. Zu teuer, zu pompös und ganz offensichtlich ein typisches Prestigeobjekt, wurde dessen Nutzen nicht nur in Brüssel in Frage gestellt; auch die senegalesische Regierung nahm nach der Dekolonisation das Staudammprojekt nicht mehr in ihren ersten Entwicklungsplan auf.88 Das Krankenhaus, von dem sowohl Senegalesen als auch Franzosen dachten, dass rasch mit dem Bau begonnen werden könnte, schien der Generaldirektion ebenfalls überproportioniert und im Kosten-Nutzen-Vergleich zu teuer. Nach langwierigen Verhandlungsrunden mit der senegalesischen Regierung und ihren französischen Experten wurde das Projekt im Januar 1961 in abgespeckter Form bewilligt und dennoch nicht realisiert, weil der Senegal kurz darauf seine Gesundheitspolitik überdachte. Aufgrund finanzieller Engpässe wollte das Land nun stärker auf den Bau kleinerer medizinischer Versorgungsstätten statt einzelner überregionaler Großkrankenhäuser setzen und bat erfolgreich um eine Modifizierung des Projekts.89 Bei 87 Vgl. in Bezug auf diese Strategie der DG VIII auch Dimier (2008), S. 440; in Bezug auf fehlendes Wissen galt demnach für die frühe postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit ebenso, was Frederick Cooper für die spätkoloniale Entwicklungspolitik konstatierte: „The imperialism of knowledge was being pressed even before the knowledge was in place.“ Cooper (2004), S. 24; daraus folgt zugleich, dass die Produktion von Wissen im Spätkolonialismus nicht in dem Ausmaß stattgefunden hat, wie dies manche Forschung nahe legt, vgl. für solche Positionen etwa Bonneuil (2000). 88 Vgl. CAD Dakar MCAC 431: DG VIII, Compte rendu de la réunion, 8.9.1959; ebd. Dakar AMB 264: MAC, Les projets du FED au Sénégal, 30.4.1961; ebd. Dakar AMB 288: MAC, Les projets du FED au Sénégal, 25.5.1962; anstatt eines Staudamms wurde im Plan vorgesehen, neue Anbauflächen durch kleinere Deichbauten nutzbar zu machen, vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 65f.; vgl. dazu außerdem Kap. III.2. 89 Vgl. CAC 19940355-37: Réponse des architectes lors de la conférence à Bruxelles, 20.1.1960; HAEU 25/1980-1433, S. 20: Allardt, Rapport de mission, 23.5.1960; statt der ursprünglich vorgesehenen 679 Betten wurde ein Bau mit 627 Betten beschlossen, vgl. ADEUS I. FED 11021101: Convention de financement „Construction d’un hôpital à Saint-Louis“, 9.1.1961; weil der EEF im knapp 500 Kilometer entfernten mauretanischen Nouakchott ebenfalls ein Krankenhaus finanzierte und außerdem die Bundesrepublik ein Hospital 200 Kilometer weiter südlich im senegalesischen Diourbel baute, war der überregionale Einzugsbereich von St. Louis graduell geschrumpft – zu dieser Auffassung kam zumindest die DG VIII. Das Projekt wurde Ende der 1960er Jahre dahingehend modifiziert, dass je ein neues Krankenhaus in Podor und Matam im Nordosten des Landes errichtet

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beiden Vorhaben handelte es sich demnach um – vergleichsweise kleine – „weiße Elefanten“ französischer Entwicklungspolitik.90 Das Straßenprogramm schließlich erforderte weitere Studien und einige Anpassungen, wodurch sich erhebliche Verzögerungen ergaben.91 Die drei Projekte werfen kein gutes Licht auf die französische Kolonialverwaltung und speziell deren technische Abteilungen. In der Tat dauerte es nicht allzu lange, ehe strukturelle Defizite französischer Planungen auch innerhalb der DG VIII klar erkannt wurden. Das Thema enthielt freilich eine nicht zu unterschätzende Brisanz, da zahlreiche französische Mitarbeiter der Generaldirektion aus jener Kolonialverwaltung stammten, die mehr und mehr in die Schusslinie der Kritik geriet. Deshalb übermittelte ein niederländischer Mitarbeiter des technischen Dienstes, Thomas Klein Lankhorst, seinen Bericht über die Ursachen der Trägheit gemeinschaftlicher Projektarbeit Generaldirektor Hendus ganz bewusst in englischer Sprache. Der Deutsche hatte eine solche Analyse im November 1960 bei dem ausgewiesenen Entwicklungsexperten, der sich auf Erfahrungen in vier Kontinenten stützen konnte, in Auftrag gegeben.92 In einer bemerkenswert reflektierten Analyse zur jüngeren französischen Kolonialgeschichte machte Klein Lankhorst besagte mäßige Qualität der eingereichten Anträge geltend und begründete diesen Umstand in erster Linie mit historisch gewachsenen Spannungen innerhalb der französischen Kolonialverwaltung. Klein Lankhorst zufolge hätte sich deren technischer Dienst seit seiner Einrichtung mit dem Übergang zur IV. Republik der alteingesessenen Kolonialverwaltung unterordnen müssen, was dazu geführt habe, dass die fähigsten Techniker im Lauf der Zeit in die zahlreichen wissenschaftlichen Institute geflohen seien, welche Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet hatte. Weil eine Verzahnung zwischen diesen in Klein Lankhorsts Augen qualitativ exzellenten Einrichtungen und der praktischen Politik kaum forciert worden sei, sei die Kolonialverwaltung in der Entwicklungspolitik weiter tonangebend geblieben. Indem es im Zuge der Dekolonisation zu eisowie das bestehende Krankenhaus in St. Louis erweitert werden sollte. Es dauerte jedoch weitere vier Jahre, ehe mit Baumaßnahmen begonnen wurde, vgl. HAEU 25/1980-1785, S. 158: de Hoe, Rapport de mission, o.D. [1973]; CAC 19771468-242: DG VIII, Proposition d’aménagement hôpital à Saint-Louis, Juli 1969. 90 Zum Begriff Laak (1999), S. 7–12; darin außerdem zahlreiche und weitaus prominentere Beispiele für gescheiterte oder fehlgeplante Großprojekte im 20. Jahrhundert. 91 Vgl. CARAN FPU 46: MAC, La route au Sénégal, März 1961; ebd. FPU 96: MAC an ministère de la Coopération, 5.3.1962. 92 Vgl. HAEU 25/1980-1034, S. 202: Klein Lankhorst an Hendus, 3.2.1961; die Sprachwahl ist insofern bemerkenswert, weil englisch als Verkehrssprache in Brüssel zu jener Zeit sehr ungewöhnlich war, nicht zuletzt, da die französischen Mitarbeiter der DG VIII in der Regel des Englischen nicht mächtig waren, vgl. HAEU INT 708: Interview Cros, 8.12.2003, S. 5; ebd. INT 746: Interview Westhoff, 7.1.2004, S. 17.

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ner weiteren qualitativen wie quantitativen Ausdünnung der technischen Abteilungen gekommen sei, ohne dass lokale Experten an ihre Stelle getreten wären, hätten sich die strukturellen Defizite der afrikanischen Länder noch einmal verschlimmert. „Whether this goes wholeheartedly or not, the fact is that French civil servants and technicians are the discussion-partners of the European Development Fund,“ fasste der Niederländer die bisherige Praxis der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zusammen.93 Klein Lankhorsts Deutung des Problems als innerfranzösische Angelegenheit hat viel für sich. Zum einen wurde die technische Ausbildung von Afrikanern während der spätkolonialen Phase von französischer Seite stark vernachlässigt. So hatte, um nur wenige Beispiele zu nennen, die renommierte École polytechnique zu Kolonialzeiten keinen einzigen afrikanischen Studenten aufgenommen, und von den 188 senegalesischen Stipendiaten, die 1961 im Ausland studierten, waren gerade einmal 14 in Ingenieursstudiengängen eingeschrieben.94 Somit konnten die eingereichten Projekte kaum aus anderen Federn stammen als aus jenen französischer Ingenieure, Agronomen und Beamter. Zum anderen hatte der nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufene technische Dienst in der Tat keinen guten Stand gegenüber den alteingesessenen Kolonialbeamten, die sich aufgrund der neuen Konkurrenzsituation mehr und mehr als „spécialistes de l’indigène“ verstanden und die wissenschaftliche Herangehensweise ihrer neuen Kollegen beargwöhnten. Die Überzeugung, dass umfassende wissenschaftliche Expertisen die Voraussetzung für eine ,gute‘ Entwicklungspolitik bildeten, hatte sich im französischen Spätkolonialismus noch nicht vollständig durchgesetzt.95 Schließlich bestätigen die Verhandlungen über den Casamance-Plan, dass Treffen auf technischer Ebene anfangs eine rein europäische Angelegenheit blieben. Als ein weiterer niederländischer Mitarbeiter der technischen Abteilung des EEF, der Agronom Thomas Mohrman, im Frühjahr 1961 Dakar besuchte, um auf der Grundlage des Casamance-Plans geeignete Projekte festzulegen, nahm an der Sitzung

93 HAEU 25/1980-1034, S. 202: Klein Lankhorst an Hendus, 3.2.1961, hier S. 211; vgl. zu den Institutsgründungen nach dem Zweiten Weltkrieg Coquery-Vidrovitch (1982), S. 115f. 94 Vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 138; es dauerte bis 1965, ehe der erste afrikanische Student an dieser Hochschule immatrikuliert wurde. Bis 1985 haben gerade einmal fünf Senegalesen dort studiert, vgl. Karvar (1997), S.  52; vgl. zur Ausbildungsfrage außerdem Kap. II.8. 95 Dimier (2004a), S. 46–49; anderer Auffassung Bonneuil (2000), der zwar die wissenschaftlich gestützten Entwicklungsprojekte der Kolonialzeit sehr gut herausarbeitet, deren Reichweite jedoch überschätzt. Dies zeigte sich im Moment der Dekolonisation, als der Senegal seinen eigenen Entwicklungsplan ausarbeitete, und mit diesem Plan erstmals eine flächendeckende Analyse über wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten des Senegal geleistet wurde, vgl. Kap. II.1.

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im Landwirtschaftsministerium unter Vorsitz des französischen Kabinettsdirektors Maurice Guenanff kein einziger Senegalese teil.96 Ganz offensichtlich wehte bei der EWG ein anderer Wind als in Paris. Die vermeintliche Trägheit der technischen Abteilung in Brüssel war dem Bemühen geschuldet, die – nach ihrem Selbstverständnis – qualitativ mangelhaften Anträge französischer Provenienz zu präsentablen Projekten weiterzuentwickeln. Dieses Selbstverständnis ruhte auf entwicklungspolitischen Überzeugungen, die vor allem nicht-französische Mitarbeiter der DG VIII in Brüssel einbrachten. Doch nicht nur sie räumten wissenschaftlichem Wissen sowie ökonomischen Methoden einen höheren Stellenwert ein. Auch der französische Kommissar Lemaignen, der selbst nie der Kolonialverwaltung angehört hatte, befürwortete eine von technischen und ökonomischen Überlegungen geleitete Entwicklungsplanung und trug maßgeblich zur Durchsetzung eines wissensbasierten Entwicklungsansatzes bei der EWG bei.97 Dagegen machte etwa der ehemalige Kolonialbeamte Jacques Ferrandi kein Geheimnis daraus, dass er einer stärker wissenschaftlich fundierten Entwicklungspolitik ablehnend gegenüber stand.98 Das Aufstellen und die Anwendung detaillierter und wissensbasierter Evaluationskriterien spiegeln demnach nicht nur die frühe Eigenständigkeit der gemeinschaftlichen gegenüber der französischen Entwicklungspolitik wider, sondern illustrieren zugleich auch die Grenzen der Einflussmöglichkeiten, die den ehemaligen französischen Kolonialbeamten in der DG VIII anfangs gesetzt wurden. *** Die Entwicklungen in Brüssel blieben dem französischen Entwicklungsministerium nicht verborgen. Freilich war es nicht die Konkurrenz der EWG allein, die die französische Administration dazu brachte, ihr entwicklungspolitisches Vorgehen zu überdenken. Allgemein führte die Unabhängigkeit der afrikanischen Länder zu Befürch96 Dies suggerieren zumindest die Namen der teilnehmenden Herren (in Klammern ihre Posten): Mullender (Mitarbeiter der Mission d’aide et de coopération), Crouzille (Direktor im Planungsministerium), Morlet (Direktor der Abteilung für Wasser- und Forstwirtschaftsfragen), Caillaud (Stellvertretender Direktor der Abteilung für Viehzucht), Mescle (Direktor der Abteilung Landwirtschaft) Arnoux (Direktor der Abteilung Fischerei), Minjoz (Direktor der Abteilung Landbau) Martine (Mitarbeiter der Abteilung Landwirtschaft) Lesina (Direktor des Studien- und Interventionsbüros), vgl. ANS 1R 1081: MERS, Procès verbal de réunion CEE, 14.3.1961. 97 Dementsprechend gab Lemaignen seinen Memoiren den vielsagenden Untertitel „Souvenirs d’un technocrate“, vgl. Lemaignen (1964); so auch Vahsen (2010), S. 179f; zum Begriff der ,Technokratie‘ vgl. auch Laak (2004a), S. 440–442. 98 Vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 80; Ferrandis Bibel in Entwicklungsfragen war Robert Delavignettes Werk Paysans noirs aus dem Jahr 1931, das als Standardwerk der französischen kolonialen Doktrin der association galt, vgl. Dimier (2004a), S. 56f.

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tungen, dass aufgrund der neu entstandenen internationalen Konstellation über kurz oder lang die ,schlechten‘ Projekte beim FAC landen würden, während die ,guten‘, das heißt die rentablen oder spektakulären, für die Geber lukrativen Aufträge bei den strengeren Geberinstitutionen beantragt werden könnten.99 Am europäischen Fonds bekam Frankreich die neue Konkurrenzsituation erstmals zu spüren, zumal sämtliche Versuche, den EEF auch nach der Unabhängigkeit zu einem gefügigen Ergänzungsfonds des FAC zu machen, scheiterten. Ob Paris darauf hinarbeitete, die assoziierten Staaten weiterhin in Brüssel zu vertreten oder versuchte, ein internes Vorverfahren in der Projektzusammenarbeit zu institutionalisieren – jegliche Initiative der französischen Regierung, sich zwischen die EWG und die assoziierten Staaten zu schalten, stieß auf deutlichen Widerstand bei den afrikanischen Staatschefs.100 Sicherlich war die französische Mission d’aide et de coopération stets zur Stelle, wenn sich ein Beamter der EWG nach Dakar begab. Auch wurde die französische Regierung nicht müde, die entwicklungspolitische Außenstelle immer wieder darauf hinzuweisen, bei allen EWG-Fragen Präsenz zu zeigen, so auch beispielsweise bei besagter Verhandlungsrunde über den Casamance-Plan. Insofern war der bilaterale Hilfeapparat stets hervorragend darüber unterrichtet, was beim europäischen Fonds passierte.101 Dennoch avancierte die EWG zu einem – von den französischen Architekten der Assoziierung so nicht vorgesehenen – Konkurrenten, weil die DG VIII von Anfang an eine eigenständige gemeinschaftliche Entwicklungspolitik verfolgte. Aufgrund dieser neuen Konstellation durchlief die französische Hilfe innerhalb kürzester Zeit einen Anpassungsprozess an Regeln der Projektzusammenarbeit, wie sie in Brüssel üblich waren. Dazu gehörte insbesondere die Abschaffung des sogenannten globalen Ansatzes: Bisher hatte der französische Entwicklungsapparat den afrikanischen Ländern Projektmittel per Blankoscheck zur Verfügung gestellt, wodurch jene kaum mehr von der eigentlichen Budgethilfe zu unterscheiden waren. Darüber hinaus mahnte Entwicklungsminister Jean Foyer im April 1962 unter expliziter Bezugnahme auf das Vorgehen der EWG ein gewissenhafteres Vorgehen in der Projektzusammenarbeit an und gestand dabei implizit das Versagen der eigenen technischen Dienste in der Vergangenheit ein:

99 Vgl. CAD Dakar AMB 291: MAC, Objectifs de la coopération en matière d’investissements au Sénégal, 18.12.1960. 100 Vgl. AMAEF CE 1961/66-723: Représentation permanente an MAEF, 22.9.1960; ebd.: Protocole du conférence franco-africaine, 8.11.1960; CARAN FPU 95: Note à l’attention Bonfils, 22.10.1960; ebd. FPU 96: SdE an MAC, o.D. [1960]; vgl. auch Migani (2008), S. 197f.; Dimier (2008), S. 452f. 101 Vgl. CAD Dakar MCAC 431: Ministère de la Coopération an MAC, 27.11.1961; CARAN FPU 95: Telegramm Amb. Dakar an Premier ministre, 29.3.1961.

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„Il faut reconnaître que les dossiers fournis par les États sont [...] peu satisfaisants. Sans être aussi exigeants dans les détails que les services du Fonds Européen, nous nous devons d’obtenir à l’appui des demandes d’aides des dossiers justificatifs dignes de ce nom et dégageant avec suffisamment de précision, les données économiques, sociales et techniques du projet, la place qu’il tient dans le plan de développement du pays, les produits et les charges récurrentes escomptés et pour ces dernières les dispositions prises pour y faire face ...“102

Ganz so streng wie die EWG wollte Foyer nicht verfahren, was auch darauf zurückzuführen war, dass die Motive französischer Hilfe wesentlich stärker machtpolitisch aufgeladen waren.103 Dessen ungeachtet beschleunigten die Erfahrungen und die Konkurrenzsituation mit der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik einen Professionalisierungs-, Ökonomisierungs- und Verwissenschaftlichungsprozess der französischen Hilfe.104 Folglich prägte nicht nur die französische Regierung, und auch nicht ausschließlich die französischen Mitarbeiter der Generaldirektion maßgeblich die Anfangsjahre gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik. Ebenso sehr beeinflussten – zumindest auf der technischen Ebene – Funktionsträger aus anderen Mitgliedsländern mit ihrem Widerstand gegen die unwissenschaftliche Vergabepraxis der französischen Kolonialadministration die Spielregeln des EEF. Mehr noch, wirkte das Vorgehen der Gemeinschaft unmittelbar auf die aus der Kolonialzeit überkommenen Praktiken der bilateralen französischen Entwicklungspolitik zurück und bescherte dieser somit eine graduelle „Europäisierung wider Willen“.105 *** Theoretisch besehen spielte der wissensbasierte Ansatz der EWG der senegalesischen Regierung in die Karten, da sie eine stärker wissenschaftlich fundierte Entwicklungspolitik lebhaft befürwortete. So hatte sich Regierungschef Mamadou Dia schon früh über die EWG beklagt, dass diese anfangs keine Mittel für allgemeine Untersuchungen und für sogenannte Machbarkeitsstudien bereitstellen konnte, die unmittelbar 102 CAD Dakar MCAC 51: Foyer an MAC, 12.4.1962. 103 Vgl. ebd.; dazu auch Bossuat (2003), S. 455f.; Nouaille-Degorce (1982), S. 248–250; Bourgi (1979), S. 12–18. 104 Vgl. dazu auch Lanteri (1985), S. 213–218; Meimon (2007), S. 15–18. 105 So der Titel der Studie zur Bundesrepublik in der GAP von Kiran Klaus Patel. Freilich zeitigte die GAP als vergemeinschafteter Politikbereich ungleich stärkere und vielfältigere Auswirkungen in der Bundesrepublik als die lediglich ergänzend angelegte und darüber hinaus auf dritte Länder ausgerichtete gemeinschaftliche Entwicklungspolitik in Frankreich. Dessen ungeachtet scheinen die Prozesse in dem Sinne vergleichbar, dass die europäische Integration in beiden Fällen Dynamiken in den Mitgliedsstaaten auslöste, die den jeweiligen nationalen Politikpräferenzen zunächst diametral entgegenstanden, vgl. Patel (2009b), S. 510–515.

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mit geplanten Projekten in Zusammenhang standen.106 Im Detail bestanden jedoch recht unterschiedliche Auffassungen darüber, ab welchem Grad ein Projekt als wissenschaftlich geprüft gelten und für sinnvoll erachtet werden konnte, was sich am weiteren Verlauf des Casamance-Plans erstmals manifestierte. Neben den Studien des ORSTOM beruhte der Casamance-Plan unter anderem auf Untersuchungen der Food and Agriculture Organization (FAO) und hielt sich auch soweit wie möglich an das aus Brüssel vorgegebene Schema für Projektanträge.107 Dennoch hielt die technische Abteilung des EEF viele Vorhaben für unausgegoren. Insbesondere die den Reisanbau betreffenden Maßnahmen riefen Skepsis hervor. Die senegalesische Regierung hatte unter anderem vorgeschlagen, die Bauern mit neuen Techniken vertraut zu machen, weitere Anbauflächen zu erschließen und moderne Bewässerungssysteme zu schaffen. Im März 1961 stellte Mohrman in Dakar klar, dass der EEF diese Vorhaben nicht unterstützen werde. Er und seine französischen Gesprächspartner kamen überein, zunächst eine Expertise in Auftrag zu geben. Diese Vorstudie wurde aus dem Budget der EWG-Kommission finanziert und der niederländischen International Land Development Consultants Ltd (ILACO) für die maritime Casamance sowie der französischen Société centrale pour l’équipement du territoire (SCET) für den restlichen Teil der Region anvertraut.108 Dadurch blieben die senegalesischen Verantwortlichen erst einmal außen vor. Die Vorstudie geriet zu einer rein europäischen Angelegenheit. Nachdem die Expertise fertiggestellt war, wurde sie nach Dakar übermittelt, wo das Landwirtschaftsministerium überrascht feststellen musste, dass sie sich nicht allen im März vereinbarten Punkten gewidmet hatte.109 Auch wenn es sich um ein Missverständnis handelte,110 so bestimmte dennoch Mohrmans Interpretation den weiteren Lauf der Dinge. Während der Senegal darauf hoffte, so bald wie möglich konkrete Maßnahmen einzuleiten, war man in Brüssel zur Auffassung gelangt, dass keine produktive Aktionen in Angriff genommen werden könnten, bevor nicht eine Generaluntersuchung über Möglichkeiten des Reisanbaus in der Casamance vorläge.111 In der Folge beschränkte sich die EWG darauf, Teile des landwirtschaftlichen Infrastrukturprogramms des Casamance-Plans zu realisieren.112 Außerdem wurden 106 Vgl. ANS FM 514: RdS, Note pour la CEE, o.D. [1960]. 107 Vgl. ANS FM 471: RdS, Programme intermédiaire Casamance, 5.11.1959. 108 Vgl. ebd.; ANS 1R 1081: Mohrman, Rapport de Mission, 6.4.1961; ebd. 1R 417: MERS, Procès verbal de la réunion, 14.3.1961. 109 Vgl. ANS VP 274: MERS, Note à l’attention du ministre, 1.9.1961. 110 Bei dem Treffen im Frühjahr wurden keine konkreten Abmachungen getroffen, vgl. ANS 1R 1081: Mohrman, Rapport de mission, 6.4.1961; ebd. 1R 417: MERS, Procès verbal de la réunion, 14.3.1961. 111 Vgl. ANS 1R 1081: Mbaye an Hallstein, 27.6.1961. 112 Vgl. CAC 19771468-242: DG VIII, Proposition de financement „Équipement rural de la Casamance“, 8.2.1962.

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die bereits ortskundigen zwei europäischen Entwicklungsgesellschaften beauftragt, eine Generalstudie zum Reisanbau anzufertigen. Die beiden Unternehmen, die sich für diese Aufgabe eigens zur Groupement d’études rurales en Casamance (GERCA) zusammenschlossen, bekamen acht Monate Zeit, um belastbare hydrologische, pedologische und nicht zuletzt sozioökonomische Daten zu erheben. Die bestehenden Wissensbestände wurden von der DG VIII nicht gänzlich ignoriert, aber als unzureichend eingestuft: „Le caractère partiel de ces travaux a permis [...] de définir quelques orientations. Ils n’ont pas été suffisamment poussés cependant pour permettre d’établir un programme global et cohérent d’actions concrètes.“113 *** Zusammenfassend nutzte die DG VIII die Projektzusammenarbeit von Anfang an, um sich als eigenständige entwicklungspolitische Institution zu profilieren. Sie traute weder den Methoden und Erfahrungswerten der alteingesessenen französischen Kolonialadministratoren noch der – ebenfalls vorwiegend auf französischer Expertise beruhenden – Produktion neuen Wissens, die die senegalesische Territorialregierung Ende der 1950er Jahre in Auftrag gab. Dieser Befund sagt nichts über die tatsächliche Qualität der jeweiligen Wissensbestände aus. Gleichwohl war der Großteil der Generaldirektion davon überzeugt, dass französische Methoden ebenso wie senegalesische Wissensbestände nicht den Kriterien und Standards genügten, denen sich die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik verschrieben hatte. Die Durchsetzung eines wissensbasierten Entwicklungsansatzes in der EWG verdankte sich nicht nur instrumentellem Kalkül, um größere Einflussmöglichkeiten auf einzelne Projekte zu erhalten. Ebenso sollte dadurch der Vorwurf entkräftet werden, dem zufolge sich die EWG in den Dienst französischer Kolonialpolitik stellen würde. Schließlich kam dem neuartigen institutionellen Rahmen der EWG eine besondere Bedeutung zu, in dem ehemalige Kolonialbeamte mit einer Mehrheit von Bediensteten zusammenarbeiten mussten, die bis dato nie zuvor afrikanischen Boden betreten hatten. Letztere brachten einerseits ihre eigenen, stärker wissenschaftlich und ökonomisch fundierten entwicklungspolitischen Überzeugungen ein. Andererseits führte ihr Unwissen, gepaart mit ihrer Unzufriedenheit über vorhandene koloniale als auch postkoloniale Wissensbestände, zu einer neuen, europäisch angeleiteten Wissensproduktion. In diesem Sinne wirkten sie als Katalysator für eine wissensbasierte Entwicklungspolitik nicht nur in Brüssel, sondern auch für die französische bilaterale Zusammenarbeit, die sich bis zu einem gewissen Grad den Praktiken der EWG anpasste.

113 CAC 19771468-242: DG VIII, Proposition de financement „Études en vue de la riziculture en Casamance“, 10.1.1961.

Fazit

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Zugleich verbarg sich hinter dem wissensbasierten Ansatz ein neues Verständnis der allgemeinen Politikgestaltung, das wissenschaftlicher Expertise, vor allem aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, eine hervorgehobene Rolle beimaß. Angesichts ähnlicher Entwicklungen in westlichen Staaten wie den USA oder der Bundesrepublik, aber auch in Frankreich selbst, mag es nicht weiter verwundern, dass dieser Trend auch vor der EWG-Kommission nicht halt machte. Bemerkenswert daran scheint eher, dass dieser sich von Anfang an auch in der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik niederschlug, für die bislang die These vertreten wurde, dass sie von ewig gestrigen Kolonialbeamten, Bakschisch und Klientelbeziehungen geprägt wurde.114

4. Fazit Die EWG-Assoziierung war das Ergebnis spätkolonialer Ambitionen der französischen Regierung, die mit der europäischen Einbindung der Kolonien die Union française auf eine solidere finanzielle Grundlage stellen und dadurch ihren Souveränitätsanspruch in Afrika festigen wollte. Gemessen an den Entstehungsbedingungen besaß die Assoziierung keine dekolonisationspolitische Stoßrichtung, zumal auch andere Mitgliedsstaaten der EWG wie etwa die Bundesrepublik vor dem Hintergrund des Kalten Krieges darauf verzichteten, ihr einen emanzipatorischen Impetus zu verleihen. Dementsprechend vollzog sich auch die Grundlegung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik zunächst unter spätkolonialen Vorzeichen. Der Vorstoß der DG VIII, afrikanische Eliten unbefristet bei der EWG-Kommission anzustellen, illustriert eindrücklich, dass auch in Brüssel kaum jemand mit einer zügigen Dekolonisation der assoziierten Gebiete rechnete. Wenngleich Entstehung und Institutionalisierung der Assoziierung zunächst einer spätkolonialen Logik folgten, so erwuchs Frankreich mit der EWG umgehend ein entwicklungspolitischer Konkurrent in den afrikanischen Territorien. Nicht eine ausformulierte Dekolonisationsstrategie, sondern vielmehr der schiere Gestaltungswille von Kommissar Lemaignen und seinen Mitarbeitern begründete dieses Spannungsverhältnis. Dass die Generaldirektion an ihrem Selbstverständnis als eigenständiger entwicklungspolitischer Akteur von Anfang an keine Zweifel aufkommen ließ, 114 Vgl. für die Bundesrepublik Metzler (2005), S. 419–426; speziell zur Rolle wirtschaftswissenschaftlicher Expertise Nützenadel (2005), S. 353–362; für die USA, insbesondere in Bezug auf ihre Außen- und Entwicklungspolitik siehe den Überblick bei Unger (2006), S. 49–68 sowie die empirische Studie von Kunkel (2008); für Frankreich vgl. einführend Bezes/Chevailler/de Montricher/Ocqueteau (2005), S. 7–20; zur zunehmenden Bedeutung der Ökonomie für die französische Politik vgl. Fourquet (1980); ferner auch Lebaron (2000), S. 151–176; das Quai d’Orsay nahm wissenschaftliche Expertise allerdings erst seit den 1970er Jahren verstärkt in Anspruch, vgl. Kessler (2005); in Bezug auf die EWG anderer Auffassung Dimier (2008).

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führte nicht nur häufig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Brüssel und Paris, sondern hatte zudem Auswirkungen auf die Konzeption der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik. Das Abgrenzungsbedürfnis gegenüber Frankreich hatte mehrere Ursachen. Erstens musste die Generaldirektion unter Beweis stellen, dass sich die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik nicht in den Dienst französischer Kolonialpolitik stellen würde, wie in manchen Mitgliedsstaaten ebenso wie in der internationalen Staatengemeinschaft befürchtet wurde. Zweitens identifizierten sich auch die französischen Mitarbeiter der DG VIII umgehend mit der supranationalen Institution. Selbst jene, die direkt aus der Kolonialverwaltung nach Brüssel gewechselt waren, verstanden sich nicht als Erfüllungsgehilfen der französischen Politik. Vielmehr glaubten sie bei der EWG ideale Bedingungen vorzufinden, um ihre bisherige Tätigkeit in einer neuen Behörde relativ unverändert fortzusetzen. Drittens brachten die nicht-französischen Mitarbeiter der DG VIII ihre eigenen entwicklungspolitischen Erfahrungen und Überzeugungen ein, die von französischen Ansichten teilweise abwichen. Damit sind die hybriden Konturen der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik angesprochen, die sich in den ersten Jahren abzeichneten. So wurde jene auf alte koloniale Netzwerke gestützt und zugleich Initiativen ergriffen, neue Kontakte zu afrikanischen Eliten zu knüpfen. Auch wenn in den verschiedenen Programmen alte Hierarchien reproduziert und sogar, wie mit dem Praktikantenprogramm für afrikanische Beamte, neue errichtet wurden, sollte die Pfadabhängigkeit dieses Vorgehens nicht überbewertet werden: Zum einen betrieben auch andere Abteilungen der EWG-Kommission informelles networking, um ihren politischen Zielen näher zu kommen. Zum anderen gehörten Stipendien- oder Kolloquienprogramme bald zum Standardrepertoire auch solcher Geberstaaten, die auf keine Kolonialvergangenheit zurückblickten. Deutlicher kam die Ambivalenz zwischen Transfers und Abgrenzungen von französischen Vorgehensweisen bei der Entwicklungsplanung zum Ausdruck. Die Generaldirektion lobte in ihren diversen Berichten einerseits die koloniale französische Entwicklungspolitik über den grünen Klee und wies andererseits deren vergleichsweise unwissenschaftliche und im wahrsten Sinne des Wortes planlose Herangehensweise zurück. In der Tat wurde der kolonialen planification zu keiner Zeit der Stellenwert eingeräumt, den sie seit 1945 unter Jean Monnet für die Metropole erlangt hatte, da es zum einen an statistischem und angewandtem Wissen fehlte, und zum anderen die alteingesessene Kolonialverwaltung ihre Dominanz gegenüber den neu eingerichteten technischen Diensten behaupten konnte. Zugespitzt formuliert, verstand sich die DG VIII unter ihrem planungsfreudigen Kommissar Lemaignen als Avantgarde, um einer rationalen und effizienten Entwicklungsplanung in den afrikanischen Ländern zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr Vorgehen deckte sich dabei erneut mit allgemein vorherrschenden Auffassungen innerhalb der EWG-Kommis-

Fazit

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sion, die sich, gleichfalls in Anlehnung an die französische Planungstradition, für eine vorausschauende Politikgestaltung stark machte.115 Der wissensbasierte Entwicklungsansatz der DG VIII, mit dem die Zusammenarbeit stärker entlang wissenschaftlicher Expertise und ökonomischer Effizienz und nicht mehr so sehr auf der Grundlage tradierter Klientelbeziehungen ausgerichtet wurde, machte sich umgehend in der Projektzusammenarbeit bemerkbar und ließ die Differenzen zwischen dem europäischen und französischen Politikstil offen zu Tage traten. Dieser Ansatz war die unmittelbare Folge der vorherrschenden Planbarkeitsvorstellungen in der Generaldirektion, von denen neben Lemaignen insbesondere Mitarbeiter aus den Niederlanden und anderen Mitgliedsstaaten beseelt waren. Zugleich folgte die DG VIII hierbei auch einem strategischen Kalkül, da sie sich von strengen Evaluationskriterien größere Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung einzelner Projekte erhoffte. In der Tat wurden auf der Grundlage des wissensbasierten Ansatzes nicht nur Vorhaben abgelehnt, die ihren planerischen Ursprung im Spätkolonialismus hatten. Ebenso fielen senegalesische Projektanträge durch, die wie das Casamance-Programm auch auf frisch generiertem Wissen beruhten. Die Generaldirektion beanspruchte so von Anfang an die Deutungshoheit über das ,richtige‘ Wissen, obwohl sie selbst häufig über dieses nicht verfügte. Sie gründete diesen Anspruch auf den festen Glauben in ihre theoretische und methodologische Überlegenheit, die sich nicht nur gegenüber dem Senegal, sondern genauso gegenüber der spätkolonialen französischen Politik äußerte. Im Ergebnis kristallisierte sich in den ersten Jahren der Assoziierung dennoch kein grundsätzlich neues entwicklungspolitisches Konzept heraus, zumal der französische Spätkolonialismus selbst eine äußerst konfliktreiche Ära war, in der nicht nur über die Zukunft des Kolonialreichs, sondern auch über adäquate entwicklungspolitische Strategien ausführlich gestritten wurde. Vor diesem Hintergrund hat die EWG vor allem dazu beigetragen, die Beendigung dieses Richtungsstreits zu beschleunigen, der zwischen Vertretern der association und assimilation oder grosso modo zwischen konservativen Kolonialbeamten und progressiven Planungsenthusiasten ausgetragen wurde. Indem sich die EWG klar der Doktrin der assimilation und einer geplanten, wissensbasierten, mithin modernisierungstheoretisch inspirierten Entwicklungspolitik verschrieb, löste sie zusammen mit der Dekolonisierung einen Anpassungsprozess in der französischen Politik aus. Wäre es Frankreich dagegen gelungen, die Dekolonisation noch weiter hinauszuzögern, und wäre zugleich die europäische Integration 115 Vgl. zu Monnet und der planification seit der IV. Republik Gosewinkel (2008); eine ausführliche Untersuchung zur Rolle der planification im französischen Spätkolonialismus liegt bislang nicht vor, vgl. aber den Überblick von Eckert (2008b) sowie die kleine Fallstudie zu Kamerun von Antangana (2009); dass Abhandlungen zur französischen planification die koloniale Dimension regelmäßig ausblenden, kann jedoch als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass der Planung im kolonialen Kontext andere Logiken zugrunde lagen als in der Metropole, vgl. etwa Bauchet (1970); Bauchet (1986).

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nicht zustande gekommen, hätten konkurrierende Ansätze wohl noch länger jene Widersprüchlichkeiten hervorgebracht, die die Endphase des französischen Kolonialismus so sehr prägten.

II. Entwicklung im Konflikt: Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren 1. Harmonische Entwicklung: Senegalesische Pläne nach der Unabhängigkeit Ebenso wie sich die frisch gegründete EWG-Kommission in den ersten Jahren ihres Bestehens bemühte, ihre Entwicklungspolitik auf eine solide, eigenständige Grundlage zu stellen, begann die senegalesische Regierung voller Enthusiasmus, Pläne für die Zukunft des Landes zu schmieden. Der erste senegalesische Minister für Planung, Entwicklung und technische Zusammenarbeit, Karim Gaye, sprach in diesem Zusammenhang vom „Sénégal nouveau, résolument engagé dans la bataille du développement économique.“1 Mit Premierminister Dia und Präsident Senghor bestand zunächst Einigkeit darüber, wie diese Schlacht zu gewinnen sei. Zum einen bedurfte es einer umgehenden Reform der sozioökonomischen Strukturen, womit in der Praxis nichts anderes gemeint war als die Verstaatlichung der senegalesischen Erdnusswirtschaft. Zum anderen ging es darum, einen nationalen Entwicklungsplan zu erstellen, der die gesamte senegalesische Gesellschaft in eine bessere Zukunft führen sollte.2 Beide Strategien waren eng miteinander verwoben, unterschieden sich aber ihrem Wesen nach fundamental: Die Verstaatlichung der senegalesischen Erdnusswirtschaft wurde Gegenstand eines konkreten politischen Reformprozesses, während mit der Ausarbeitung des ersten senegalesischen Entwicklungsplans vor allem neue Wissensbestände angelegt wurden, auf deren Grundlage ein zukunftsträchtiges wirtschaftspolitisches Programm überhaupt erst formuliert werden konnte. Im Folgenden werden diese beiden Prozesse nacheinander untersucht, um senegalesische Entwicklungsvorstellungen und -strategien nach der Unabhängigkeit ausführlich darzulegen. *** Um die gerade gewonnene nationale Souveränität gegenüber Frankreich und der eigenen Nation zu demonstrieren, gab es für die senegalesische Regierung wohl kaum eine symbolträchtigere Maßnahme, als die Erdnusswirtschaft zu verstaatlichen. Dies wird erst vor dem Hintergrund der kolonialwirtschaftlichen Strukturen verständlich, wie sie sich Mitte des 19. Jahrhunderts nach dem Niedergang des Sklaven- und Gummi1 Karim Gaye, Le Sénégal dans la voie du développement économique, in: Europe France Outremer Nr. 374 (1961), S. 7–12, hier S. 12. 2 Vgl. ebd.; zum Enthusiasmus der senegalesischen Regierung vgl. Becker (2007).

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handels etabliert hatten. Im Jahr 1840 hatte erstmals ein französisches Schiff mit der bescheidenen Ladung von 722 Kilogramm Erdnüssen die Insel Gorée in Richtung Marseille verlassen. Mit der Lieferung war ein Handelszweig begründet worden, der die senegalesische Wirtschaft bis weit nach der Unabhängigkeit dominieren sollte.3 Um die Jahrhundertwende war der Erdnussexport auf 125.000 Tonnen pro Jahr angestiegen, hatte noch vor dem Zweiten Weltkrieg die Marke von 0,5 Millionen überwunden und erreichte 1961 schließlich die Grenze von 1 Million Tonnen. Zu Beginn der 1960er Jahre erstreckte sich der Erdnussanbau auf ungefähr die Hälfte der bewirtschafteten Flächen im Senegal und sicherte 75 Prozent der Einkommen im Agrarsektor. Herstellung und Verkauf der verschiedenen Erdnussprodukte – ungeschälte und geschälte Erdnüsse, Öl und Futterkuchen – kamen für knapp ein Viertel des Bruttosozialprodukts auf und machten 85 Prozent aller Exporte aus. Die Unternehmen, die diese Erdnussprodukte erzeugten, waren für mehr als zwei Fünftel aller industriellen Aktivitäten im Senegal verantwortlich. Schließlich waren knapp 90 Prozent der aktiven Bevölkerung im Erdnusssektor tätig.4 Die rasche Steigerung der Produktion war der économie de traite geschuldet, die auf einem simplen Austauschverhältnis basierte: Die französischen Großhandelshäuser nahmen den Bauern die Erträge ab und versorgten sie im Gegenzug mit Nahrungsmitteln und Fertigwaren aus der Metropole, was über indigene Zwischenhändler organisiert wurde.5 Diese verteilten während der Trockenzeit auf Kreditbasis Lebensmittel, Erdnusssamen und nicht selten auch wenig nützliche Fertigwaren an die Bauern und erhoben dabei horrende Zinssätze. Die Kredite mussten die Bauern in Form ihrer Ernteerträge zurückzahlen, was automatisch zu einer Ausweitung der Produktionsflächen führte. Damit ging ein Rückgang der parallel für den Eigenbedarf bewirtschafteten Felder einher; insbesondere der Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Hirse oder Sorghum waren davon betroffen. Die économie de traite wurde für die Bauern so zum Teufelskreis und trieb sie in hoffnungslose Abhängigkeit gegenüber den Zwischenhändlern respektive den Großhandelshäusern. 6

3 Vgl. Pélissier (1966), S. 33; die Erdnuss wurde im 16. Jahrhundert von portugiesischen Sklavenhändlern aus Lateinamerika importiert und verbreitete sich rasch an Senegambias Küste. Der vergleichsweise kurze Anbauzyklus von lediglich drei bis vier Monaten passte ideal zu den klimatischen Bedingungen der Region, vgl. zu den globalen Wanderungen der Hülsenfrucht auch pointiert Speich (2011). 4 Zahlen entnommen aus Diarassouba (1968), S. 69f; Pélissier (1966), S. 30f; Freud/Freud/ Richard/Thénevin (1997), S. 9. 5 Im Lauf der Zeit übernahmen libanesische und syrische Einwanderer mehr und mehr diesen Part. Zwischen 1897 und 1936 wuchs die Zahl von im Senegal ansässigen Libanesen und Syrern von 10 auf 2560, vgl. Tignor (1987), S. 99. 6 Vgl. Diarassouba (1968), S. 65–75; Mbodj (1992), S. 97f.; dagegen aber Péhaut (1984), S. 414–418, der das beschriebene Austauschverhältnis verteidigt.

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich die Situation der Bauern derart verschlechtert, dass die französische Kolonialverwaltung im Senegal sogenannte Sociétés indigènes de prévoyance (SIP) gründete. Erstmals getestet in Indochina und in Nordafrika, sollten diese Genossenschaften zum Wohle der Bauern agieren, Samenverteilung und Kreditgewährung organisieren, dem Wucher der Zwischenhändler Einhalt gebieten und letztlich ein neues Arbeitsethos innerhalb der senegalesischen Bauernschaft entstehen lassen. Doch schon kurz nach ihrer Einrichtung im Jahre 1910 wurden die Kooperativen vollständig in den kolonialen Verwaltungsapparat integriert. Als Chef der Genossenschaft wurde der commandant de cercle eingesetzt, die freiwillige Zugehörigkeit wich einer Zwangsmitgliedschaft, und die Genossenschaftsbeiträge wurden zusammen mit der Kopfsteuer eingetrieben.7 Unter diesen Umständen nimmt es nicht Wunder, dass die Bauern die SIP zu keinem Zeitpunkt als ihre Interessenvertretung anerkannten, sondern als verlängerten Arm der Kolonialverwaltung betrachteten. Einen spürbaren Beitrag zur enormen Produktionssteigerung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die kolonialen Genossenschaften tatsächlich nicht geleistet. Vielmehr gründete die Expansion des Erdnusssektors im System selbst und mehr noch in den Aktivitäten der Sufi-Bruderschaften. Insbesondere die Muriden-Bruderschaft, die eng mit der Kolonialbürokratie kooperierte, stieß weiter ins Landesinnere vor und machte dort neue Flächen für den Erdnussanbau nutzbar.8 Nach dem Übergang zur Union française und einem kurzen Intermezzo mit privat organisierten Genossenschaften wurden die SIP im Jahre 1955 nochmals umstrukturiert und in Sociétés mutuelles de développement rural (SMDR) umbenannt. Diese kümmerten sich nun um Kreditvergabe, Verteilung von Samen und Agrargerät sowie die Vermarktung der Ernte. Wenngleich der Verwaltungsrat der SMDR zu zwei Dritteln aus gewählten Mitgliedern bestand, dominierten doch insgesamt die Kontinuitäten zur alten Einrichtung der SIP: Die Mitgliedschaft der Bauern war weiterhin Pflicht, die Beitragserhebung wurde nach wie vor zusammen mit der Steuereinziehung verbunden, und die Kooperativen blieben unter der Aufsicht des commandant de cercle, auch wenn er sie nicht mehr selbst leitete, sondern lediglich deren Vorstand einsetzte. Nicht zuletzt hatten auch die SMDR von Anfang an mit erheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen, weil zum einen die Bauern selten in der Lage oder willens waren, ihre Kredite zurückzuzahlen, und zum anderen das Vermarktungssystem zu hohe Kosten verursachte.9 7 Vgl. ausführlich Tignor (1987), S. 93–101; außerdem Bonneuil (1999), der stärker den Zusammenhang zwischen dem Kontrollbedürfnis der Kolonialadministration und der Verbreitung agrarischen Wissens betont. 8 Vgl. Diarassouba (1968), S. 68, 90f.; ferner Mbodj (1992), S. 97f.; zur Rolle der Muriden im Detail Loimeier (2001), S. 114–116. 9 Vgl. Tignor (1987), S. 113–119; Péhaut (1974), S. 828–833; Diarassouba (1968), S. 92f.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich die Kolonialadministration neben der Reorganisation der Genossenschaften verstärkt auch um eine bessere Betreuung und Anleitung der Erdnussbauern. Dabei sollten neue Erkenntnisse vermittelt werden, die in der bereits im Jahr 1913 in Bambey gegründeten Forschungsstation für den Erdnussanbau über die Jahre gewonnen worden waren. Für die Vermittlung und Verbreitung neuer Agrartechniken – man nannte dies kurz Vulgarisation10 – wurden seit 1954 sogenannte Centres d’expansion rurale (CER) errichtet, die mit einer Handvoll Agrarexperten besetzt werden sollten. Jedes dieser Landwirtschaftszentren bekam ein bestimmtes Einsatzgebiet zugeschrieben, in dem im Schnitt 2000 Bauern lebten. Die Vulgarisation sollte in erster Linie die Produktivität im Erdnussanbau steigern. Allerdings blieben die CER weitgehend wirkungslos, da ihr Aufbau nur schleppend voranging und die wenigsten von ihnen so ausgestattet wurden, dass sie effektiv arbeiten konnten.11 Diese Skizze der kolonialwirtschaftlichen Organisation der senegalesischen Erdnusswirtschaft verdeutlicht, dass im Senegal koloniale Herrschaft und wirtschaftliche Ausbeutung Hand in Hand gingen. Für die meisten senegalesischen Erdnussbauern dürfte das Genossenschaftssystem der einzige Berührungspunkt mit der französischen Kolonialadministration gewesen sein. Dieses System vermochte es bis zur Dekolonisation nicht, die Mechanismen der économie de traite zu überwinden, weswegen es bei den Bauern auf strikte Ablehnung stieß. Erst vor diesem Hintergrund wird die kaum zu überschätzende Symbolik verständlich, die die Verstaatlichung der Erdnusswirtschaft nach der Unabhängigkeit verkörperte – und dementsprechend begründeten die politischen Entscheidungsträger diese Reform. Regierungschef Mamadou Dia verband mit ihr gar Hoffnungen auf eine Entwicklung von unten: „Je visais ainsi la création d’un pouvoir politique régional à partir de la base, car c’étaient les paysans qui devenaient maîtres du jeu.“12 Die senegalesische Regierung war jedoch überzeugt, dass sich diese Art Bauernbefreiung nicht ohne organisatorische Hilfestellung des Staates durchführen ließ. Deswegen gründete sie verschiedene Verwaltungseinrichtungen, die den Aufbau eines freien Kooperativenwesens gewährleisten sollten. Mit Dekret vom 13. Januar 1960 wurden das Office de commercialisation agricole (OCA) und die Banque sénégalaise de développement (BSD) gegründet. Die Bank kümmerte sich um die Kreditvergabe an die Bauern, während das Amt ein Vermarktungsmonopol erhielt, für den Export der 10 Für den Begriff ,Vulgarisation‘ gibt es keine adäquate Übersetzung im Deutschen. Die vom Übersetzungsdienst der EWG gewählte Bezeichnung ,Beratung‘ greift zu kurz. Neben Beratung ging es bei der Vulgarisation vor allem auch um Verhaltenssteuerung, Ausbildung und Propaganda. Deshalb wird der Begriff in dieser Studie eingedeutscht. 11 Vgl. Péhaut (1974), S. 816–818; Rempe (2009c), S. 346f.; Diarassouba (1968), S. 88f.; zur Forschungstätigkeit in Bambey, die sich zunächst vor allem auf die Züchtung geeigneter Erdnusssamen konzentrierte, vgl. Bonneuil (1999), S. 278–285. 12 Dia (1985), S. 116.

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Erdnüsse zuständig wurde und außerdem über die Reorganisation des Kooperativenwesens wachte. Letztere vollzog sich in der Praxis dezentral. Auf der Ebene der nach der Unabhängigkeit neu geschaffenen sieben senegalesischen Regionen übernahmen sogenannte Centres régionaux d’assistance au développement (CRAD) die Aufgaben der alten SMDR und sollten neu gegründete Kooperativen solange betreuen, bis diese im Stande waren, sich selbst zu verwalten. Die bisher nur rudimentär vorhandenen und keinesfalls voll funktionsfähigen Landwirtschaftszentren sollten zu einer flächendeckenden Institution weiterentwickelt und außerdem ihre Zuständigkeiten ausgeweitet werden. Ihre Aufgabe war es nun, den Genossenschaften bei sämtlichen technischen Fragen zur Verfügung zu stehen, was eine zahlenmäßige Aufstockung des Personals notwendig machte.13 In den Genossenschaften selbst, zu denen der Beitritt nun auf freiwilliger Basis erfolgte, sollten Eigenverantwortung und ökonomische Verhaltensweisen wie das Ansparen von erwirtschaftetem Gewinn erlernt werden. Langfristig sollten Genossenschaften so auch zur Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Dorf beitragen. Dafür wurde außerdem ein weiterer, ganz neuer Service eingerichtet, die sogenannten Centres d’animation rurale (CAR), deren Programm dem Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe ähnlich war. In ihnen bildeten Beamte Freiwillige aus den Dörfern aus. Diese erhielten in erster Linie Informationen über den senegalesischen Entwicklungsweg sowie praktische Hinweise für den Bauernalltag, die sie daraufhin in den Dörfern populär machen sollten.14 Insgesamt zielten diese neuen Strukturen laut Reformgesetz darauf ab, „à donner aux ruraux des moyens efficaces d’action pour accroître la production agricole et améliorer leur niveau de vie; à constituer des organisations solidement établies, dotées d’un statut fondé sur l’impérieuse nécessité d’adapter l’activité coopérative à l’évolution sociale et aux structures économiques nouvelles.“15

So sehr die senegalesische Regierung mit diesen Strukturreformen darauf setzte, der économie de traite und der damit einhergehenden Dominanz der französischen Groß13 Vgl. den Überblick bei Gellar (1987), S. 126–129; mit weiteren Details Péhaut (1974), S. 978–984 und Serreau (1966), S. 139–158. 14 Vgl. ANS VP 271: RdS, Stage des chefs de centres d’animation rurale, 5–12.1.1961; der Aufbau dieses Dienstes litt jedoch zunächst unter ähnlichen Schwierigkeiten wie jener der CER, vgl. ebd.: RdS, Procès-verbal première réunion animation rurale, 22.11.1960; zur animation rurale vgl. überblicksartig Diop (2007), S. 208–210 und Gellar (2005), S. 52; zum Konzept im Detail Serreau (1966), S.105–138; zum Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe vgl. Büschel (2009), S. 180–185; bis 1963 nahmen 23 CAR die Arbeit auf, darunter vier, die ausschließlich Frauen ausbildeten, vgl. dazu den aufschlussreichen Erfahrungsbericht einer US-amerikanischen Entwicklungshelferin, Forget (1999). 15 ANS VP 248: MERS, Projet de loi portant statut de la coopération rurale, exposé des motifs, 29.4.1960.

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handelshäuser ein Ende zu bereiten, so sehr war sie zugleich bestrebt, die handelsrechtlichen Verbindungen mit der ehemaligen Kolonialmacht nicht anzutasten. Die französische Regierung hatte im November 1954 eine Marktordnung für Ölpflanzen erlassen, die für die gesamte Union française Anwendung fand.16 Auf ihrer Grundlage setzte ein interministerieller Ausschuss Jahr für Jahr Abnahmekontingente fest, für die bestimmte Preisgrenzen galten. Sollte der im französischen Zielhafen tatsächlich gezahlte Preis unter die Preisgrenze fallen (bei zu großem Angebot) oder diese übersteigen (bei zu geringem Angebot), so regulierte die eigens dafür gegründete Société interprofessionnelle des oléagineux fluides alimentaires (SIOFA) den Markt. Je nach Marktlage nahm sie überschüssige Mengen aus dem Markt oder gab Einfuhren aus dem Ausland frei. Seit 1956 häufte die SIOFA allerdings regelmäßig Erdnussberge an, im Erntejahr 1957/58 alleine über 100.000 Tonnen. Die Marktordnung machte die senegalesische Erdnuss wesentlich teurer als auf dem Weltmarkt gehandelte Erzeugnisse. Dank der garantierten Abnahmekontingente und aufgrund des neu geschaffenen staatlichen Vermarktungsmonopols bot der Erdnusshandel der senegalesischen Regierung somit eine der wenigen Möglichkeiten, schnell an Devisen zu gelangen. Die Reformen der senegalesischen Regierung zielten demnach lediglich auf die internen Strukturen der Erdnusswirtschaft ab und ließen den außenwirtschaftlichen Rahmen unangetastet.17 Die französische Regierung war von den innenpolitischen Reformen nicht gerade angetan, weil der Handlungsspielraum der im Senegal angesiedelten französischen Erdnussölindustrie durch die Verstaatlichung deutlich beschnitten wurde. Die Versorgungssicherheit dieser Unternehmen hing fortan von Mechanismen ab, in deren Effektivität nicht allzu großes Vertrauen gesetzt wurde. Andererseits hatten die Preisstützungsmaßnahmen gerade im Erntejahr 1959/60, das mit 720.000 Tonnen ungeschälter Nüsse ein neues Rekordergebnis einbrachte, positive Auswirkungen. Daher gab es nach der senegalesischen Unabhängigkeit zunächst keinen Grund, das bisherige System der Absatzgarantien zu festen Preisen zu ändern. Anfang August 1960 einigten sich beide Parteien auf eine neue Abnahmekonvention. Die Rolle der SIOFA bei der Abwicklung des Handels blieb dabei unverändert. Eine Neuerung im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren betraf lediglich die Vermarktung der erwirt16 Vor diesem Zeitpunkt bestand lediglich seit 1933 eine Zollpräferenz von 10 Prozent auf Ölpflanzen aus den französischen Kolonien gegenüber gleichen Erzeugnissen aus Drittländern, da Frankreich kurz nach der Weltwirtschaftskrise 1932/33 die Einfuhrzölle für Ölpflanzen aus seinen Kolonien abschaffte, vgl. Péhaut (1974), S. 674–678. 17 Vgl. HAEU 17/1969-67, S. 270: DG VIII, Der Markt für die Ölfrüchte der assoziierten überseeischen Länder und Gebiete, 11.5.1960, hier S. 292; Péhaut (1974), S. 769–778; allerdings beruhte das Überpreissystem auf Gegenseitigkeit. Die aus Frankreich in den Senegal eingeführten Waren lagen ebenso über den üblichen Weltmarktpreisen. Die FrancZone wurde dadurch ähnlich vom Weltmarkt abgeschottet wie wenige Jahre später die EWG aufgrund ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik.

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schafteten Überschüsse, die nun ganz in den Händen der senegalesischen Regierung lag. Frankreich versprach allerdings, im Falle eines über dem garantierten Kontingent liegenden Bedarfs zuerst im Senegal einzukaufen, sofern Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag dem nicht entgegenstünden. Der Vertrag galt für das Erntejahr 1960/61, enthielt aber eine Option für eine automatische Verlängerung, solange sich im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) keine Marktorganisation für Fette und pflanzliche Öle abzeichnen würde. Die Partner kamen außerdem überein, gegenseitige Konsultationen abzuhalten, sobald eine europäische Regelung in Brüssel auf die Agenda gelangen würde.18 Die Konvention macht deutlich, dass weniger die politische Loslösung des Senegal von Frankreich Auswirkungen auf dessen Erdnusswirtschaft haben sollte, als vielmehr die Zugehörigkeit Frankreichs zur EWG. Vor allem anderen drohte die künftige Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik das bestehende Handelsregime zu Fall zu bringen. Der senegalesischen Regierung blieb dies keineswegs verborgen. In einem Strategiepapier des Planungsministeriums vom Juni 1960, das über vertrauliche Kanäle auch den Weg ins Quai d’Orsay fand, wurde festgestellt, dass erstens inzwischen mehr produziert werde, als der französische Markt aufnehmen könne. Zweitens wurde bei gleichbleibender Anbaufläche eine Produktionssteigerung um circa 20 Prozent für die kommenden fünf Jahre vorausgesagt. Drittens schließlich wurde erkannt, dass sich der Erdnuss neue Absatzmärkte vor allem im Europa der ,Sechs‘ erschließen könnten, sofern es gelänge, die Geschmacksgewohnheiten der Deutschen, Italiener und Niederländer zu ändern oder in die europäische Margarineproduktion einzusteigen.19 Aus den dargelegten Annahmen leitete das Planungsministerium die Ziele der künftigen senegalesischen Außenhandelspolitik ab: Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik müsse eine Preisgarantie erwirkt werden, die mindestens dem von Frankreich garantierten Niveau entspräche, sowie eine Abnahmegarantie, die um ein Fünftel höher als die aktuelle Produktion liegen würde. Eine solche Regelung, die letztlich eine Europäisierung der bilateralen Konvention bedeutete, sollte nach fünf Jahren überprüft werden.20 Kurz darauf unterzog das Handelsministerium den EWGVertrag einer detaillierten Analyse mit dem Ziel, die senegalesische Position aus dessen Bestimmungen heraus zu begründen. Das Ergebnis fiel eindeutig aus:

18 Vgl. CARAN FPU 73: Amb. Dakar an SdE, 24.12.1960; ebd.: Amb. Dakar an SdE, 28.4.1960; CAD Dakar AMB 292: Note pour le Haut Représentant, 3.8.1960; die Konvention wurde noch von der Mali-Föderation verhandelt, die kurze Zeit später auseinanderbrach. Infolge kurzer Nachverhandlungen trat die Konvention für den Senegal und Mali getrennt in Kraft, vgl. CARAN FPU 73: Dia an SdE, 27.8.1960; ebd.: SdE an ministère des Finances et Affaires économiques français, 7.10.1960. 19 Vgl. CAD Dakar AMB 292: Diagne an SdE, 1.6.1960. 20 Vgl. ebd.

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„Il est [...] impensable et contraire aux stipulations mêmes du Traité que l’accession du Sénégal à l’indépendance et l’éclatement au sein du Marché Commun du système économique de la zone franc, puissent avoir pour conséquence une dégradation des garanties que le paysan d’outre-mer avait obtenues.“21

Man berief sich dabei in erster Linie auf einen Grundsatz der GAP, dem zufolge die künftige Einrichtung europäischer Marktordnungen die Bauern der Mitgliedsstaaten nicht schlechter stellen dürfe. Da die senegalesischen Bauern von der nationalen französischen Regelung profitierten, so das Argument des Handelsministeriums, entstehe zumindest in Bezug auf Erdnusserzeugnisse ein Anspruch auf eine gleichberechtigte Teilnahme an der Gemeinsamen Agrarpolitik.22 *** Ohne Zweifel ruhte in einer prosperierenden Erdnusswirtschaft der Großteil der senegalesischen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Trotzdem bildete dieser Sektor nur einen Teil eines umfassenderen Entwicklungskonzepts, das Regierungschef Mamadou Dia erarbeiten ließ und sich im ersten senegalesischen Entwicklungsplan niederschlug. In seiner Inaugurationsrede vor dem frisch konstituierten senegalesischen Parlament skizzierte Dia am 4. April 1959 die Leitideen künftiger senegalesischer Entwicklungspolitik: „Nous empruntons la grande voie de l’économie humaine qui peut se résumer dans la belle formule de François Perroux: ,le développement de tout l’homme et de tous les hommes.‘“ Er führte weiter aus, dass „le développement signifie pour nous l’indépendance, la liberté et aussi la dignité humaine, car nous pensons qu’il n’y a pas d’indépendance sans développement.“23 Bereits kurz nach dem Referendum zur Communauté hatte Dia Anfang Oktober 1958 ein Comité d’études pour les problèmes économiques gegründet, das einen nationalen Entwicklungsplan vorbereiten sollte. Dem Gremium wurde wenige Wochen später ein französischer Berater mit Leitungsfunktionen vorgesetzt: Louis-Joseph Lebret, ein französischer Dominikanerpriester und ausgewiesener Entwicklungsexperte.24 Dia, Perroux und Lebret waren die drei Urheber des ersten senegalesischen Entwicklungsplans, wenngleich sie unterschiedliche Rollen einnahmen. François Perroux, einer der bedeutendsten französischen Ökonomen des 20. Jahrhunderts, war nicht direkt in die Ausarbeitung des Plans involviert, weil er ausgehend von seinem 21 ANS VP 171: Ministère du Commerce sénégalais an Senghor, 5.11.1960. 22 Vgl. ebd.; der Grundsatz war in Art. 43 EWG-Vertrag festgehalten, vgl. zur GAP auch Kap. II.3. 23 Dia (1960), S. 163; dort ist die gesamte Inaugurationsrede abgedruckt, vgl. dazu auch ANS VP 96: Présidence du Conseil, Le Sénégal dans la voie du développement, 1.6.1959. 24 Vgl. Georges Larche, Le plan de développement du Sénégal, in: Europe France Outremer Nr. 355 (1959), S. 12–16.

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Selbstverständnis weniger als einflussreicher Politikberater, sondern vielmehr als ernstzunehmender Wissenschaftler wahrgenommen werden wollte. Seine makroökonomischen Ansichten prägten jedoch Dia ebenso wie Lebret und bildeten somit das wirtschaftstheoretische Fundament des Plans. Dies ist insofern bemerkenswert, weil Perroux innerhalb der internationalen Wirtschaftswissenschaft eine Sonderrolle einnahm. Seine Arbeiten zielten darauf ab, den Gegensatz zwischen Neo-Klassik und marxistischer Ökonomie zu überwinden. Darüber hinaus versuchte er insbesondere mit seiner théorie dominante, globale Machtstrukturen in einer generellen ökonomischen Theorie zu berücksichtigen. Er war überzeugt, dass „le problème économique n’est jamais posé dans une vide social et historique“. Damit setzte er sich auch von der Lehre John Maynard Keynes ab, die Perroux in den späten 1940er Jahren als einer der ersten in Frankreich bekannt gemacht hatte.25 Den ,humanistischen Ökonomen‘, wie Perroux mitunter von seinen angelsächsischem Kollegen leicht abschätzig genannt wurde,26 lernte Dia in Paris kennen, wo er seit 1949 als Senator für den Senegal im Conseil de la République saß. Allerdings musste sich Dia im Vergleich zu Senghor oder Lamine Gueye seine Ausbildung hart erkämpfen, zählte bis 1946 zu den sujets und machte als tirailleur sénégalais im Zweiten Weltkrieg schlechte Erfahrungen mit der französischen Kolonialadministration. Nach Ende des Krieges begann Dia zunächst, als Lehrer im senegalesischen Fatick zu arbeiten, ehe Senghor ihn für die Politik entdeckte und ihm den Senatorenposten verschaffte. Dia nutzte seine neue Umgebung in Paris, um sich an der Universität weiterzubilden. Seinen Memoiren zufolge war es Senghor, der ihm auftrug, sich auf Wirtschaftsfragen zu spezialisieren, da der spätere Präsident dafür wenig Interesse aufbrachte. So besuchte er unter anderem Kurse bei Perroux und zeigte sich rasch beeindruckt davon, wie der Ökonom die gängigen Wirtschaftstheorien in Frage stellte und nach neuen Wegen suchte. Die von großer gegenseitiger Sympathie geprägten Begegnungen haben Dias wirtschaftliches Denken, seine späteren Bücher zur afrikanischen Wirtschaft und nicht zuletzt seine Entwicklungspolitik maßgeblich beeinflusst.27 Vor diesem Hintergrund war es kein Zufall, dass Dia Louis-Joseph Lebret zum Chefplaner des ersten senegalesischen Entwicklungsplans berief. Den Dominikanerpriester beschäftigte, ähnlich wie Perroux, die Suche nach einem ,dritten Weg‘. Mit der Vereinigung Économie et humanisme, in der Lebret Generalsekretär und Perroux Vizepräsident wurde, gründeten sie im September 1941 gemeinsam eine Einrichtung, die sich dieser Suche systematisch und mit wissenschaftlichem Anspruch 25 Savall (2005), S. 137–157, Zitat S. 150; vgl. zu Perroux auch die kurze Skizze bei Rist (2008), S. 104–106 sowie Hugon (1991), S. 183–186. 26 Vgl. ebd., S. 155. 27 Vgl. Diop (2007), S. 20–22, 42–49; Dia (1985), S. 62–67; Dia (1960); einen knappen Überblick zu Dias Karriere bieten außerdem Ndiaye/Ndiaye (2006), S. 32–34.

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widmete. Das Verhältnis zwischen dem generalisierenden, in Modellen denkenden Wirtschaftswissenschaftler und dem Dominikanerpriester, der eine induktive Vorgehensweise, mithin die konkrete Analyse vor Ort bevorzugte, war nicht frei von Spannungen. Dennoch verband die beiden mit der doctrine communautaire ein gemeinsames geistiges Fundament, auf dem auch Économie et humanisme ruhte. Diese Doktrin lehnte den Primat individuellen Profitstrebens ebenso ab wie das kommunistische Modell einer kollektivistisch organisierten Gesellschaft. Stattdessen stellte sie die am Gemeinwohl orientierte Gemeinschaft als soziale Organisationsform in den Mittelpunkt und differenzierte nach Grundbedürfnissen und sekundären Bedürfnissen: „Les besoins primaires doivent être satisfaits en dépit de toute objection de rentabilité et de la loi du prix, par l’organisation autoritaire et stable des relations économiques des communautés et d’une communauté à l’autre, dans le cadre des communautés de pays ou de grande région...Les besoins secondaires sont confiés à l’économie capitaliste et à ses procédés habituels; mais seule une force politique, vigoureusement indépendante, peut maintenir les organes du petit et du grand capitalisme au service des communautés de base et de la communauté nationale.“28

Nicht der abstrakte homo oeconomicus, sondern der konkrete Mensch aus Fleisch und Blut, ausgestattet mit Seele und Geist und eingebettet in eine soziale Gemeinschaft, bildeten den Ausgangspunkt von Lebrets économie humaine, die eine „science d’observation et d’élaboration, ferment de transformation sociale“ sein wollte und letztlich der Anthropologie näher stand als den Wirtschaftswissenschaften oder der entstehenden Entwicklungsökonomie.29 Die hier grob skizzierten Maximen Lebrets waren vor dem Hintergrund eines von Krieg, Hunger und Okkupation gezeichneten Frankreich entstanden. Dass sie auch und bald zuvörderst für die entstehende sogenannte Dritte Welt fruchtbar gemacht werden könnten, rückte nachhaltig in Lebrets Bewusstsein, als er 1947 von der Universität in São Paulo eingeladen wurde, um über seine économie humaine zu sprechen. Die Kontakte, die er dort knüpfte, ließen ihn mehrmals als Berater nach Brasilien und in andere Teile Südamerikas zurückkehren. Bevor er im November 1958 in den Senegal berufen wurde, war er außerdem in Dahomey und in Vietnam tätig gewesen. Auch die Vereinten Nationen nahmen zeitweise seine Beratung in Anspruch. Lebret erhielt dort die Aufgabe, zusammen mit anderen Experten eine Methode auszuarbeiten, die jenseits von Wachstumsraten oder Bruttosozialprodukt konkretere Aussagen 28 Zitiert nach: Houée (1997), S. 52. 29 Ebd., S. 56–60, Zitat S. 83; vgl. zur Vereinigung und Lebrets Entwicklungsdenken auch Puel (2004), S. 69–78; zu Lebrets Leben und Werk mit stärkerem Akzent auf sein Verhältnis zur katholischen Kirche vgl. Garreau (1997); zur Entstehung der französischen Entwicklungsökonomie nach dem Zweiten Weltkrieg, zu der freilich auch Perroux maßgeblich beitrug, vgl. Hugon (1991), S. 176–186.

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über die Lebenssituation von Menschen in Entwicklungsländern treffen sollte. Der Dominikanerpriester schuf damit letztlich einen Vorläufer des heutzutage gängigen Human Development Index.30 Während sich Lebret demnach glänzend auf dem Parkett der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zurechtfand, blieb er seinen eigenen Überzeugungen treu. In seinen Publikationen der 1950er Jahre kritisierte er wiederholt den Eurozentrismus zeitgenössischer Entwicklungstheorien und lehnte modernisierungstheoretische Ansätze kategorisch ab: „Le peuple techniquement avancé, mais qui a perdu l’harmonie du savoir, le sens de l’autre, l’aspiration spirituelle est, à tout prendre, un peuple barbare. La puissance technique ou économique ou militaire n’est pas essentielle à la civilisation (...). Il y a donc lieu de réviser notre notion de développement. Apporter ou imposer aux pays dits sous-développés notre échelle désordonnée de valeurs peut, en définitive, les faire régresser en civilisation.“31

Lebret trat entschieden für einen partikularen Entwicklungsansatz ein, denn „il y a trop de différences entre les pays et trop de facteurs agissant sur le développement pour qu’aucune théorie économique du développement soit pleinement valable.“32 Das im März 1958 von ihm gegründete Institut international de recherche et de formation en vue de développement (IRFED) sollte dabei helfen, gängige Vorstellungen von Entwicklung zu überwinden und auf Alternativen breitenwirksam aufmerksam zu machen. Auf dem Lehrplan des in erster Linie auf Studenten aus der sogenannten Dritten Welt ausgerichteten Ausbildungszentrums stand neben Lebrets économie humaine auch die Auseinandersetzung mit Frantz Fanon sowie Paulo Freires Methode der Bewusstseinsbildung.33 *** Dias Einladung nach Dakar eröffnete Lebret erstmals die Möglichkeit, seine économie humaine ganzheitlich in die Praxis umzusetzen. Es sollte ein ernsthafter Versuch werden, abseits des entwicklungsökonomischen und modernisierungstheoretischen 30 Vgl. Lavigne (2007), S. 7–10; Pelletier (1996), S. 335; zu den Lateinamerikareisen auch Garreau (1997), S. 239–246; der 1990 von den Vereinten Nationen konzipierte Human Development Index ermittelt den Entwicklungsstand einzelner Länder nicht nur auf der Grundlage des Bruttosozialproduktes, sondern bezieht auch die Lebenserwartung sowie den Bildungsgrad der Bevölkerung mit ein, vgl. dazu Srinivasan (1994), S. 238–243. 31 Zitiert nach: Houée (1997), S. 151. 32 Zitiert nach: Garreau (1997), S. 299. 33 Vgl. Lavigne (2007), S. 10; zur Gründung und den Zielen des IRFED vgl. Garreau (1997), S. 292–307 und Pelletier (1996), S. 339–343; zu Freires Methode, die auf die Entwicklung eines kritisch-transitiven Bewusstseins abzielte, sowie zu dessen Grenzen in der praktischen Umsetzung am Beispiel Brasiliens vgl. Gerhardt (1978), S. 57–60, 229–246.

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Mainstreams einen eigenen Weg zu beschreiten, der darauf abzielte, mit den Methoden der kolonialen mission civilisatrice ebenso zu brechen wie mit den Strukturen der Kolonialwirtschaft. Die so umrissene neue Strategie fand ihren Niederschlag im ersten senegalesischen Entwicklungsplan, der unter Lebrets Führung in anderthalb Jahren erstellt wurde. Als Auftraggeber des Plans übernahm die senegalesische Regierung nicht nur Lebrets Ansatz, sondern verlieh diesem einen genuin afrikanischen Charakter: „Nous constatons en effet que les théories marxistes, keynésiennes ou libérales, conçues essentiellement dans un contexte allemand, anglais, américain ou soviétique, sont parties de bases concrètes et de situations économiques et sociologiques profondément différentes de celles de l’Afrique.“34

Der Entstehungsprozess des Plans kann daher auch als Ausdruck eines neuen afrikanischen Selbstbewusstseins gelesen werden: „Il faut donc que l’Afrique trouve sa propre voie par le développement, sans faire aucun complexe vis-à-vis des autres parties du monde.“ Mit der Methode der économie humaine und gestützt auf gemeinschaftliche Werte – insbesondere dieses Element verband Dia mühelos mit afrikanischen Traditionen sozialer Organisation – sollte sich der afrikanische Sozialismus realisieren.35 Afrikanischer Sozialismus, das hieß in diesem Falle totale und harmonische Entwicklung: total insoweit, als alle Regionen, alle Wirtschaftssektoren, alle Klassen zugleich entwickelt werden sollten; harmonisch insofern, als sich diese Totalentwicklung aller Lebensbereiche im gegenseitigen Gleichgewicht vollziehen sollte. Die Ausarbeitung des Plans geriet so zu einer Generalinventur der senegalesischen Wirtschaft und Gesellschaft. Es kam zu einer regelrechten Planung des Plans samt Organigramm, Zeitplan, genau bestimmten Hierarchien und Kompetenzverteilungen.36 Dabei ebnete überwiegend französische Expertise dem afrikanischen Sozialismus den Weg: Fünf Forschungsinstitute beziehungsweise Beraterfirmen wurden aus der Metropole zur Anfertigung von General- und Spezialstudien herangezogen. Der gesamte Planungsapparat umfasste weit mehr als 100 Mitarbeiter. Mit der Compagnie 34 ANS VP 96: Présidence du Conseil, Le Sénégal à la voie du développement, 1.6.1959. 35 Vgl. ebd. Den ,einen‘ afrikanischen Sozialismus gab es freilich nicht. Hier geht es in erster Linie um Dias Vorstellungen, doch auch Senghor und weitere afrikanische Staatschefs haben sich dieser ideologischen Wendung bedient, zu Senghors afrikanischem Sozialismus vgl. Vaillant (1990), S. 267–271; Martin (1979), S. 95–99; ein anderer prominenter Vertreter war etwa der tansanische Präsident Julius Nyerere mit seinem Ujamaa-Konzept, vgl. zu dessen Eckpfeilern und Schwachstellen Eckert (2007a), S. 221–225; als weiteres Beispiel wäre die kenianische Variante Tom Mboyas zu nennen, vgl. dazu Speich (2009), insbesondere S. 456–464. 36 Vgl. ANS VP 96: Présidence du Conseil, Convention générale d’organisation de l’étude, 16.1.1959; ebd.: Présidence du Conseil, Le Sénégal à la voie du développement, 1.6.1959.

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d’études industrielles et d’aménagement du territoire (CINAM) wurde jedoch einer privaten Studiengesellschaft eine herausgehobene Rolle zugewiesen, die keinerlei Berührungspunkte zur französischen Kolonialadministration aufwies. Erst im Mai 1957 gegründet, hatte die CINAM bis zum Beginn ihres Engagements im Senegal vor allem in Frankreich Expertisen erstellt sowie Untersuchungen für den kolumbianischen Entwicklungsplan vorgenommen. Kein einziges der zehn Gründungsmitglieder hatte die École coloniale besucht; vielmehr waren es ausgebildete Ingenieure, Psychologen und Wirtschaftswissenschaftler, die sich in der Beraterfirma versammelten. Lebret wusste relativ genau, auf wen er sich einließ: Der Direktor der Studiengesellschaft, Georges Celestin, war zugleich Präsident von Économie et humanisme. Ihr unterstellt war die Société d’études et de réalisations économiques et sociales dans l’agriculture (SERESA), die insbesondere in Nordafrika aktiv war und Studien im landwirtschaftlichen Bereich realisierte. Im Gegensatz dazu wurde das ORSTOM, wie bereits erwähnt das bedeutendste koloniale und zugleich sehr staatsnahe französische Forschungsinstitut, lediglich mit der Durchführung einer speziellen sozioökonomischen Studie in der Casamance beauftragt, die mit zur Grundlage des Casamance-Plans wurde.37 Trotz der Inanspruchnahme französischer Forschungsinstitute blieb die Erstellung des Plans aufgrund der Koordination von Lebret und den Mitarbeitern der CINAM ein kohärentes Unternehmen und relativ unabhängig von Einflüssen der Kolonialadministration. Dies hing nicht nur mit der fehlenden Verzahnung zwischen französischer Kolonialverwaltung und den Forschungsinstituten zusammen, die bereits im ersten Teil detailliert geschildert wurde. Regierungschef Dia hatte außerdem dafür gesorgt, dass der Plan ausschließlich aus Mitteln der autonomen Republik Senegal finanziert wurde.38 Dessen Ausarbeitung unterschied sich demnach fundamental von vergangenen kolonialen Planungsprozessen. So lag nicht nur die Entscheidungsgewalt in letzter Instanz bei der senegalesischen Regierung. Auch wurde der Fokus ausschließlich auf den Aufbau einer nationalen senegalesischen Wirtschaft gerichtet, und der Senegal folglich nicht mehr als ein Teilbereich einer auf die Metropole ausgerichteten Kolonialwirtschaft betrachtet. Die Ausarbeitung des Plans führte schlagartig zu einer enormen Wissensproduktion und resultierte in neuen Wissensbeständen, die in diesem Ausmaß im französischen Spätkolonialismus nicht angelegt worden waren. Zunächst ging es darum, die unterschiedlichen Regionen und Subregionen samt ihrer Entwicklungsmöglichkei37 Vgl. ANS VP 96: Note d’information sur la CINAM, o.D; ebd.: Présidence du Conseil, Convention générale d’organisation de l’étude, 16.1.1959; ebd. VP 277: Dia, Directives générales pour l’élaboration du plan, 1.8.1960; Georges Larche, Le plan de développement du Sénégal, in: Europe France Outremer Nr. 355 (1959), S. 12–16; zur Gründungsgeschichte des ORSTOM vgl. überblicksartig Eisemon/Davis/Rathgeber (1985), S. 195f.; ausführlich Bonneuil/Petitjean (1997). 38 Vgl. Houée (1997), S. 158.

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ten kennenzulernen. Man bediente sich des Tiefflugs – Lebret persönlich überflog drei Tage lang den Senegal in einer Höhe von 300 Metern –, definierte verschiedene Entwicklungszonen und fertigte entsprechende Karten mit Angaben zur landwirtschaftlichen und sozialen Situation der jeweiligen Gebiete an. Außerdem führten die Planer zahlreiche Umfragen soziologischer und sozioökonomischer Art auf verschiedenen Ebenen durch; um den Zuschnitt der Fragebogen kümmerte sich ebenfalls der Dominikanerpriester. Neben der wirtschaftlichen Generalinventur widmeten sich die Spezialstudien unter anderem der Konjunkturentwicklung im Senegal, der Sanitär- und Hygienesituation sowie regionalen Sondervorhaben wie beispielsweise der landwirtschaftlichen Nutzung des Senegal-Flusses. Anfang Juli 1960 bekam die senegalesische Regierung ein vierzehnbändiges Werk samt einer Zusammenfassung in die Hand, die als Grundlage für die Erstellung des Plans dienten.39 Auf diesem Fundament entwarf Mamadou Dia zunächst eine übergeordnete Entwicklungsstrategie, die ganz im Sinne des Dominikanerpriesters Grundbedürfnissen der Allgemeinheit Priorität vor individuellen Bestrebungen einräumte. Zu diesen zählte er einen angemessenen Schutz gegen Tropenkrankheiten und Epidemien, eine „diète alimentaire permettant santé et travail“, ausreichend sauberes Wasser und sanitäre Grundausstattungen einschließlich einer angemessenen Hygieneaufklärung für die gesamte Bevölkerung. Weiter hieß es, dem Mensch solle nicht irgendein, sondern ein würdiges Leben ermöglicht werden. In einem zweiten Schritt sollten demnach unter anderem das häusliche Leben derart erleichtert werden, dass Mütter Zeit für die Erziehung ihrer Kinder hätten, und alle – Männer, Frauen und Kinder – Zugang zu Bildungseinrichtungen erhielten. Gerade aus der Gemeinschaftsperspektive hielt es Dia darüber hinaus für wichtig, zu einer gemeinsam gesprochenen, langfristig auch geschriebenen Sprache sowie zu einer einheitlichen Kultur zu gelangen. Allerdings machte sich Dia keine Illusionen darüber, dass der erste Vierjahresplan in all diesen Bereichen kaum spektakuläre Fortschritte bringen könnte, denn: „Les opérations comprises dans le premier plan devront être choisies principalement de manière à permettre l’investissement de ressources accrues au cours des plans ultérieurs ou à augmenter le rendement des ressources déjà existantes. […] Seules les carences les plus criantes pourront être abordées de front.“40

Ungeachtet dessen, dass die Befriedigung von Grundbedürfnissen in der Umsetzung des Plans demnach wieder zurückgestellt wurde, dürften diese Ideen ihren Ursprung 39 Vgl. ANS VP 96: Présidence du Conseil, Le Sénégal à la voie du développement, 1.6.1959; ebd.: Présidence du Conseil, Convention générale d’organisation de l’étude, 16.1.1959; Georges Larche, Le plan de développement du Sénégal, in: Europe France Outremer Nr. 355 (1959), S. 12–16; Karim Gaye, Le Sénégal dans la voie du développement économique, in: Europe France Outremer Nr. 374 (1961), S. 7–13; vgl. ferner Houée (1997), S. 155–160. 40 ANS VP 277: Dia, Directives générales pour l’élaboration du plan, 1.8.1960.

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in Lebrets Engagement bei den Vereinten Nationen gehabt haben. Bemerkenswert ist zudem, dass Dia und Lebret hier eine Entwicklungsstrategie theoretisch ausformulierten, die die Weltbank und die Internationale Arbeitsorganisation mehr als eine Dekade später als ,neues‘ Konzept in den internationalen Entwicklungsdiskurs einbrachten. Ebenso wie das senegalesisch-französiche Duo sprachen diese westlich dominierten Institutionen von Grundbedürfnissen, die außerdem inhaltlich gesehen den hier genannten zum Verwechseln ähnlich waren. Ebenso wie im Senegal blieb allerdings auch die Umsetzung des sogenannten basic needs approach bei den beiden internationalen Organisationen weit hinter den Erwartungen zurück.41 Für die konkrete Ausarbeitung des Plans wurde im September 1960 eine Kommission unter dem Vorsitz von Planungsminister Karim Gaye eingerichtet. Sie setzte sich aus einer Generalversammlung sowie fünf thematisch gegliederten Arbeitsgruppen zusammen und vereinte neben Regierungs- und Parlamentsmitgliedern mit Vertretern aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft ein breites Spektrum der senegalesischen Elite. Neben diesem Gremium wurden Entwicklungsausschüsse auf regionaler Ebene gebildet, die ihre Forderungen gegenüber dem Entwicklungsministerium artikulieren und so in den Plan einfließen lassen konnten.42 Ungeachtet der Strategie, dem Plan durch die Einbeziehung regionaler und gesellschaftlicher Kräfte eine möglichst breite Legitimationsbasis zu verschaffen, maß Dia dennoch der Ministerialbürokratie und nachgeordneten Verwaltung die entscheidende Rolle in der Entwicklungsplanung und ihrer Implementierung bei. Allerdings bedurften diese dazu eines „esprit nouveau“, den er seinen Ministern und Regionalgouverneuren in einem Rundschreiben so skizzierte: Besetzung der Posten gemäß den Notwendigkeiten und nicht mehr nach Gefälligkeit; Redlichkeit und Rechtschaffenheit statt Korruption und Verlogenheit; Einhaltung der Regeln und insbesondere strikte Verwendung der Haushaltsgelder gemäß ihrer Bestimmung statt laxer Mittelverschwendung. Dia war fest davon überzeugt, dass „une nation forte suppose un état fort, et cette force viendra en tout premier lieu du degré de conscience nationale de tous ceux qui ont des responsabilités.“43 Der Verwaltung kam dabei eine Vorreiterrolle zu. Bereits während der Studienphase der CINAM war sich die senegalesische Regierung dessen bewusst, dass es einer rational funktionierenden Verwaltung bedürfe, um den Plan umzusetzen. So wurden 41 Vgl. zur Einführung des basic needs approach in die entwicklungspolitische Diskussion Rist (2008), S. 162–169 und Arndt (1987), S. 100–106; zur Rolle der IAO vgl. Maul (2007), S. 344–347; zum Strategiewechsel der Weltbank in Richtung Armutsbekämpfung, allerdings ohne explizite Bezugnahme auf basic needs, vgl. Finnemore (1997). 42 Vgl. ANS VP 278: Décret instituant une commission du plan, 14.9.1960; ebd.: Gaye, Directives particulières pour le travail de la commission du plan, 10.9.1960; gewiss darf hierbei nicht vergessen werden, dass in der Kommission auch einige französische Berater der senegalesischen Regierung saßen. 43 ANS VP 262: Dia, Circulaire, 17.6.1960.

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Senegalesen während der Durchführung der Untersuchungen gezielt ausgebildet – einige unter ihnen verbrachten extra einen Kurzaufenthalt an Lebrets Institut in Paris. Mit dieser Maßnahme beabsichtigte die senegalesische Regierung einen dauerhaften Planungsstab zu errichten, „qui soit le moteur du développement du pays.“44 Der Entwicklung von unten, wie sie mit den Reformen in der Erdnusswirtschaft symbolträchtig inszeniert wurde, sollte also mit der Umsetzung des Plans ein Entwicklungsprozess von oben folgen, bei dem Regierung und Verwaltung einschließlich der nachgeordneten regionalen Landwirtschafts- und Entwicklungszentren fest das Steuer in der Hand hielten. Als Premierminister Dia den ersten senegalesischen Vierjahresplan am 4. April 1961 der Nationalversammlung präsentierte, gelang es ihm, beide Prozesse miteinander in Einklang zu bringen: „Tout ceci n’est pas du rêve ou des projets désincarnés, mais le fruit patient de calculs rigoureusement menés, et tenant compte constamment du facteur humain, du facteur sociologique. [...] Il est certain cependant que la réalisation du plan exigera un effort soutenu de tous les citoyens, une discipline constante, un sens du bien commun qui doit faire éclater les petits égoïsmes, les réflexes petits bourgeois. Sans ce style nouveau, il n’est point de plan réalisable. Seule notre éthique du socialisme africain pourra donner son sens et ses chances à cette construction technique.“45

Senegalesische Entwicklungsplanung war demnach mehr als rationale, wissensbasierte Wirtschaftsplanung. Dia verband mit seinem Plan nicht lediglich eine Bauernrevolution, sondern verstand ihn als einen umfassenden Gesellschaftsentwurf, der die im Entstehen begriffene senegalesische Nation in die Moderne führen würde. Die Strukturreformen im Erdnusssektor zielten daher auch darauf ab, dem Staat einen direkten Zugriff auf die Bauern zu verschaffen und die Vormachtstellung der SufiBruderschaften zu brechen, die bislang als Vermittler zwischen Kolonialverwaltung und Bauern aufgetreten waren.46 Entwicklungsplanung diente somit auch als zentrales Instrument zur Mobilisierung der Bevölkerung. Ihre Einbindung sollte unter anderem durch Radiosendungen und Kinos auf Rädern, die Propagandafilme zum Plan zeigten, sichergestellt werden.47 Dass Dia mit dem 4. April 1961 die Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag der Unabhängigkeit nutzte, um seinen Plan der Öffentlichkeit vorzustellen, war dementsprechend kein Zufall, sondern von langer Hand geplant. 44 Vgl. ANS VP 96: Présidence du Conseil, Le Sénégal à la voie du développement, 1.6.1959; ebd.: Présidence du Conseil, Convention générale d’organisation de l’étude, 16.1.1959. 45 Art. Documents: Le plan quadriennal du Sénégal, in: Europe France Outremer Nr. 376 (1961), S. 52. 46 Vgl. Diouf (1997), S. 297f.; Mbodj (1992), S. 100; vgl. zur Entstehung der Vermittlerrolle der Sufi-Bruderschaften, die im Übrigen beispielhaft eine Form indirekter französischer Kolonialherrschaft illustriert, Loimeier (2001), S. 114–130. 47 Vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 140f.

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Dem Enthusiasmus der Unabhängigkeit sollte ein Entwicklungsenthusiasmus folgen, dessen theoretischer Unterbau im Plan festgehalten wurde, während die neuen Institutionen die Euphorie auf dem Land verbreiten sollten.48 Der senegalesische Plan als Urdokument gesellschaftlicher Modernisierung nahm also, hierin den Plänen sozialistischer Länder ähnlich, mythische Züge an. Dennoch unterschied sich diese Art afrikanischer Sozialismus fundamental vom Sozialismus, wie er zu jener Zeit im Ostblock praktiziert wurde. Abgesehen davon, dass es die senegalesische Regierung bei einer privaten Eigentumsordnung beließ, hatte sie auch ein wesentlich pragmatischeres Verhältnis zu den Inhalten des Plans: „Le plan est donc un moyen nécessaire mais il ne constitue pas une fin en soi. Il est vain d’aborder sa conception de façon dogmatique.“49 Der senegalesische Entwicklungsweg, wie ihn Dia und Lebret unter starker Bezugnahme auf Perroux entworfen hatten, grenzte sich somit auf der programmatischen Ebene deutlich ab von gängigen entwicklungspolitischen Strategien westlich wie östlich des Eisernen Vorhangs.50 *** Ungeachtet des originellen Entstehungsprozesses, des hohen Grades an vorangegangener und begleitender theoretischer Reflexion und der verheißungsvollen programmatischen Rhetorik bewegte sich der Plan inhaltlich gesehen in einem vergleichsweise konventionellen Rahmen. Als drängende Probleme, die einer Lösung harrten, wurden unter anderem angeführt: die überragende und für die kommenden Jahre unveränderliche Dominanz der Erdnusswirtschaft, die zugleich unter geringer Produktivität litt; die dualen Wirtschaftsstrukturen und damit eng verbunden eine fehlende Integration des senegalesischen Hinterlandes in den Nationalstaat im Allgemeinen und in marktwirtschaftliche Strukturen im Besonderen; das Außenhandelsdefizit gegenüber Frankreich, das einer unzureichenden Selbstversorgung im Nahrungsmittelbereich sowie dem schwachen Industrialisierungsgrad geschuldet war; unangemessene Wohn- und Hygienezustände sowie eine mangelhafte Wasserversorgung im ganzen Land, insbesondere aber in der rasch wachsenden Hauptstadt Dakar; schließlich fehlendes qualifiziertes Personal in nahezu allen Bereichen.51 Aus der Analyse jener Probleme leiteten sich die Maßnahmen des Plans ab: Es galt, die Produktivität der Erdnusswirtschaft zu steigern und zugleich Diversifizierungsmaßnahmen einzuleiten; Kommunikationswege und vordringlich das Stra48 Vgl. Becker (2007); die Verbreitung des Plans und seiner Inhalte wurde darüber hinaus systematisch mit diversen Veranstaltungen in den Regionen in Angriff genommen, die darauf abzielten, weitere Multiplikatoren zu gewinnen, vgl. ANS VP 277: Thiam, Sessions régionales, Dezember 1960; vgl. dazu auch Diouf (1997). 49 ANS VP 277: Dia, Directives générales pour l’élaboration du plan, 1.8.1960. 50 Vgl. zur Praxis sozialistischer Planung am Beispiel der DDR Caldwell (2008), S. 360–374. 51 Vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 3–12, 168, 195–197.

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ßennetz auszubauen, um die Zirkulation von Waren und Personen zu ermöglichen; die Selbstversorgung im Nahrungsmittelbereich zu verbessern, vor allem durch eine massive Ausweitung des Reisanbaus; eine auf Importsubstitution abzielende Industrialisierung einzuleiten; Wohnungs- und Brunnenbau zu fördern sowie für eine angemessene Wasserversorgung in Dakar zu sorgen; nicht zuletzt Schulen und Fachschulen zu gründen und eine Ausbildungsoffensive auf allen Ebenen zu starten.52 Freilich wurden im Plan noch zahlreiche andere Bereiche angesprochen, weshalb sich diese Liste beliebig erweitern ließe. Die genannten Maßnahmen blieben jedoch die gesamten 1960er Jahre hindurch und teils darüber hinaus zentrale Themen senegalesischer Entwicklungspolitik. Zugleich bildeten sie den hauptsächlichen Aktionsradius der Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal, wie in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein wird. Insgesamt belief sich das Investitionsvolumen des Plans auf 92 Milliarden F CFA, von denen 27 Milliarden F CFA von externen öffentlichen Gebern und 42 Milliarden F CFA durch ausländisches Privatkapital bereitgestellt werden sollten. Die meisten öffentlichen Mittel veranschlagte der Plan für Infrastrukturen (34 Prozent), gefolgt von der Landwirtschaft (18 Prozent) und dem Ausbildungswesen (12 Prozent). Im Bereich der Industrialisierung setzte die senegalesische Regierung vorrangig auf private Kapitalinvestitionen. Derart konzipiert, rechnete der Plan mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 8 Prozent bis 1964, das sich nicht zuletzt auf eine signifikante Produktionssteigerung in der Erdnusswirtschaft stützen sollte.53 Der Optimismus, der sich bereits an den strategischen Überlegungen der senegalesischen Regierung zur Zukunft des Erdnusshandels andeutete, prägte demnach auch die Prognosen und Zielvorgaben des ersten senegalesischen Entwicklungsplans. Die vergleichsweise konventionellen Ziele des Plans machen zugleich deutlich, dass mit Dias ,drittem Weg‘ nicht in erster Linie andere Entwicklungsvorstellungen verbunden waren. Jener zeichnete sich vielmehr dadurch aus, dass Entwicklung nicht auf Wachstumsfragen reduziert, sondern in erster Linie als gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozess aufgefasst wurde. Dass Dia bald darauf scheiterte, war unter anderem auch just darauf zurückzuführen, dass er eine eigene Strategie verfolgte, den die entwicklungspolitischen Partner und insbesondere Frankreich immer weniger mitzutragen bereit waren. Wie nun zu zeigen sein wird, bildete Dias Entmachtung im Dezember 1962 allerdings nur einen Grund für eine entwicklungspolitische Neuausrichtung im Senegal. Im nahezu zeitgleich abgeschlossenen neuen Assoziationsabkommen mit der EWG lässt sich ein zweiter ausmachen. 52 Vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 20–22, 42–46, 111–115, 131–139, 168–170. 53 Vgl. ebd., S. 11–13; Art. Documents: Le plan quadriennal du Sénégal, in: Europe France Outremer Nr. 376 (1961), S. 51f; Klümper (1970), S. 109f.; zu Detailplanungen im Bereich der Industrialisierung vgl. außerdem Art. Sénégal: une industrialisation déjà très poussée et très diversifiée, in: Europe France Outremer Nr. 380/381 (1961), S. 65–69.

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2. Planänderung: Dakarer Dezemberkrise und Erneuerung des Assoziationsabkommens Der Dezember 1962 markierte eine veritable Zäsur in der senegalesischen Entwicklungspolitik. Zum einen gipfelte der seit längerem schwelende Konflikt zwischen Senghor und Dia in der Absetzung und Verhaftung des Premiers. In der Folge wurde im Senegal ein präsidentielles Regierungssystem eingeführt, das Senghor mit ungeteilten Machtbefugnissen ausstattete. Zum anderen kam es in Brüssel wenige Tage nach den dramatischen Entwicklungen in Dakar zu einer Einigung über ein neues Assoziationsabkommen zwischen der EWG und den 18 afrikanischen Staaten. Beide Ereignisse hatten wesentliche Auswirkungen auf die künftige Ausrichtung senegalesischer Entwicklungspolitik. Mit Mamadou Dia verschwand deren eigentlicher Vordenker und Hauptarchitekt von der Bildfläche. Er hinterließ eine programmatische Lücke, die die EWG bald zu füllen wusste. Die Hintergründe des erzwungenen Abtritts von Mamadou Dia sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Auslöser der Affäre war ein parlamentarischer Misstrauensantrag gegen den Regierungschef, der damit begründet wurde, dass Dia den seit dem Zusammenbruch der Mali-Föderation verhängten Ausnahmezustand mehr als zwei Jahre später noch immer nicht beendet hatte. Nachdem Dia sich mit Senghor darauf verständigt hatte, dass über seine Absetzung nur der Parteirat der UPS entscheiden könne, verhinderte er mit Hilfe senegalesischer Polizeikräfte eine Abstimmung im Parlament. Eine Minderheit von Abgeordneten traf sich dennoch in Lamine Gueyes Privathaus und votierte gegen Dia, woraufhin dieser und Senghor getrennt voneinander verschiedene Militäreinheiten in Bereitschaft versetzten. Da der Präsident jedoch vom französischen Geheimdienst über Dias Manöver unterrichtet worden war, ließ er den Truppen seines Rivalen den Zugang nach Dakar versperren. Darüber hinaus konnte Senghor den obersten senegalesischen Militärchef für seine Sicht der Dinge gewinnen, der zufolge Dia einen Staatsstreich unternehmen wolle. Der Premier wurde mit seinen Verbündeten aus der Regierung unter Hausarrest gestellt, später in einem offensichtlich politischen Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt und erst 1974 begnadigt. Der ausgewogenen Analyse der Senghor-Biographin Janet Vaillant folgend, spricht viel dafür, dass Dia keineswegs eine Machtübernahme erzwingen wollte, und Senghor die Affäre zwar nicht bewusst herbeiführte, ihren Ausgang allerdings maßgeblich beeinflusste.54

54 Vgl. Vaillant (1990), S. 306–316; Zuccarelli (1988), S. 86–91; Hesseling (1985), S. 228– 237; eine (noch) stärkere Einmischung französischer Kreise betont Coulibaly (1999), S. 59–67, der meint, dass die alteingesessenen französischen Handelshäuser Abgeordnete gekauft hätten. Auch Lebret war dieser Auffassung und zog sich nach Dias Entmachtung aus der senegalesischen Entwicklungspolitik zurück, vgl. Lavigne (2007), S. 28.

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Wichtiger als die unmittelbaren Motivlagen und Ereignisketten der Dakarer Dezemberkrise ist jedoch der grundsätzliche Konflikt, der sich während der ersten zwei Jahre senegalesischer Unabhängigkeit zwischen den beiden entwickelt hatte. Der Muslim Dia hatte sich mit seiner Vision einer senegalesischen Nation, die afrikanische Werte verteidigte und zugleich einer rationalen Moderne entgegenstrebte, einige Feinde gemacht. Insbesondere die Verstaatlichung der Erdnusswirtschaft rief Kritik hervor, die nicht nur aus der Ecke der alteingesessenen französischen Handelshäuser kam. Die Reformen stießen ebenso bei den Muriden auf deutliche Ablehnung, jener Sufi-Bruderschaft, die den Erdnussanbau seit der Kolonialzeit dominiert und unter französischer Herrschaft noch zahlreiche Privilegien genossen hatte. Es war Dias feste Entschlossenheit zum Bruch mit den aus der Kolonialzeit überkommenen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen und die daraus resultierende Entwicklungspolitik, die ihn und den kompromissbereiteren Senghor zunehmend entzweite. Senghor ging diese „politique de destruction créatrice“ schlicht zu weit.55 Darüber hinaus hatten Premier und Präsident unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Verhältnisses zur einstigen Kolonialmacht. Während Senghor eine weitgehend konziliante Haltung einnahm, war Dia eigenen Aussagen zufolge stärker daran gelegen, bestehende Abhängigkeitsverhältnisse zu überwinden. Er forderte den schrittweisen Abzug des französischen Militärs, verfolgte eine unabhängige Außenpolitik, die sich unter anderem in Staatsbesuchen in der Tschechoslowakei und der UdSSR widerspiegelte, und plädierte für eine französische technische Hilfe mit Augenmaß. Obwohl er ganz offensichtlich weder frankophob noch Kommunist war, entzog ihm die französische Regierung aufgrund seiner selbstbewussten Politik mehr und mehr das Vertrauen, das ihm im Übrigen auch davor schon nicht in überschwänglichem Maße entgegengebracht worden war.56 Die Entmachtung des Premierministers beseitigte insofern auch letzte Zweifel, dass sich der Senegal die durch den Kalten Krieg bedingte Systemkonkurrenz für entwicklungspolitische Ziele zu nutze 55 Dia (1985), S. 122; Dia zufolge soll Senghor diese Joseph Schumpeter entliehene Wendung gegenüber einem französischen Arbeitgebervertreter geäußert haben. Dies scheint plausibel, zumal die gleiche Phrase häufiger im Zusammenhang mit dem senegalesischen Plan auftauchte, vgl. etwa Cheikh Hamidou Kane, Premiers pas vers l’économie planifiée, in: Europe France Outremer Nr. 391/392 (1962), S. 39–51; insbesondere in der von Dia ins Leben gerufenen animation rurale sahen die Marabuts der Muriden-Bruderschaft einen gefährlichen Konkurrenten, da dieser Service dazu aufforderte, einen Teil des Ernteertrags für dörfliche Gemeinschaftsprojekte zu verwenden. Die damit beabsichtigte Herstellung einer Dorfsolidarität drohte somit die Klientelbeziehungen zwischen Marabuts und Talibés zu ersetzen, vgl. Cruise O’Brien (1971), S. 228f.; zum Verhältnis zwischen Dia und den Marabuts im Detail Loimeier (2001), S. 143–152. 56 Vgl. Dia (1985), S. 122–126; Hesseling (1985), S. 226–228; Diop (2007), S. 196–202; als Dia, damals senegalesischer Vizepräsident, im Sommer 1958 offenbar privat in Paris weilte, ließ ihn die französische Regierung rund um die Uhr beschatten, vgl. CARAN FPR 266: Activité de M. Dia Mamadou, 18.8.1958.

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machen könnte, zumal Senghor seine Außenpolitik fortan eng an Frankreich ausrichtete und zugleich seinem Land einen neutralen Kurs verordnete, den er in der Regel auch einhielt.57 Schließlich trugen Unterschiede in den Persönlichkeiten der beiden Kontrahenten zu einer Wende in der senegalesischen Entwicklungspolitik bei. Im Gegensatz zum studierten Ökonomen Dia hatte der Intellektuelle Senghor lange Zeit kein Interesse an wirtschaftspolitischen Fragen. Vielmehr setzte er sich in jungen Jahren mit Literatur, Philosophie und Poesie auseinander. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung während seines Studiums in Paris beschäftigte er sich ausgiebig mit den Unterschieden zwischen europäischer und afrikanischer Kultur. Das von ihm maßgeblich geprägte Konzept der négritude zielte darauf ab, die Einzigartigkeit des ,Schwarz-Seins‘ essentialistisch hervorzuheben und der europäischen Identität so eine gleichberechtigte, zugleich anders geartete afrikanische Identität entgegenzusetzen. Die négritude blieb allerdings ein äußerst widersprüchliches Projekt, zumal Senghor seit seinem politischen Aufstieg im Senegal ähnlich wie Dia darum bemüht war, europäische und afrikanische Kultur miteinander in Einklang zu bringen.58 Während Dia jedoch ganz gezielt ein vergleichsweise unorthodoxes entwicklungspolitisches Konzept aus Europa importierte, das seiner Ansicht nach am besten an afrikanische Realitäten angepasst werden konnte, war Senghor nicht so wählerisch. In wirtschaftspolitischen Fragen setzte er grundsätzlich Vertrauen in europäische Expertise, ganz gleich, auf welchen Prämissen sie beruhte. „Le problème culturel est beaucoup plus important que le problème politico-économique“ – davon war Senghor auch nach 20 Jahren Regierungstätigkeit noch überzeugt.59 Entsprechend hatte er im Dezember 1962 auch kein eigenes entwicklungspolitisches Konzept in der Schublade, als er zum alleinigen Machthaber des Senegal aufstieg. Dias erzwungener Abgang bedeutete für die senegalesische Regierung daher auch einen

57 Vgl. Martin (1979), S. 57–61; Anfang der 1960er Jahre einsetzende kulturpolitische Aktivitäten der USA im Senegal, die darauf abzielten, den Senegal enger an die USA zu binden, änderten nichts an dessen neutraler Position, vgl. Bell (2008), S. 139; dass weder die USA noch die UdSSR in größerem Umfang im Senegal aktiv wurden, belegen auch die Summen der geleisteten Hilfe in den 1960er Jahren: Die USA gewährten knapp 2 Milliarden, die UdSSR etwa 1,6 Milliarden F CFA an Krediten, während der EEF seit 1958 etwa 25 Milliarden F CFA oder mehr als 100 Millionen RE bereitstellte, von denen allerdings bis Mitte 1969 nur etwa die Hälfte ausgegeben werden konnten, vgl. Cosgrove-Twitchett (1978), S. 138; RdS, Troisième plan quadriennal de développement économique et social 1969–1973, S. 23; vgl. zu dieser Frage auch Kap. II.6. 58 Vgl. zum Konzept der négritude, das ursprünglich auf Senghors Mitstreiter Aimé Césaire zurückging, ausführlich Vaillant (1990), S.243–271; Wilder (2005), S. 149–157; einen aufschlussreichen Überblick bietet Eckert (2007b); ferner Riesz (2006). 59 Senghor (1980), S. 259; vgl. zu dieser Haltung auch Verdin (2007); Martin (1979), S. 98.

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herben Verlust an wirtschaftspolitischer Kompetenz. Er hinterließ eine Lücke, die bald von europäischen Experten geschlossen wurde. *** Der Regierungswechsel in Dakar ereignete sich wenige Tage vor der Einigung auf ein neues Assoziationsabkommen in Brüssel am 22. Dezember 1962. Die Verhandlungen standen von Anfang an unter dem Motto, dass die assoziierten Staaten die gleichen Vorteile zugestanden bekommen sollten, die sie bisher genossen hatten. Über die Inhalte dieses vagen Versprechens hatten die Mitgliedsstaaten jedoch äußerst unterschiedliche Auffassungen. In einem Punkt aber, der für die Zukunft des Senegal weit bedeutsamer und folgenreicher war als alle anderen Bestimmungen des Abkommens, waren sich die ,Sechs‘ einig: Sie lehnten, ebenso wie die EWG-Kommission, eine unveränderte Übernahme des bisher praktizierten französischen Preisstützungssystems kategorisch ab.60 Über angemessene Kompensationsmaßnahmen entbrannte jedoch ein zäher Streit, in dessen Verlauf sich zwei Lager bildeten: Deutschland und die Niederlande auf der einen Seite, Frankreich und die EWG-Kommission auf der anderen Seite; die restlichen vier Länder versuchten sich in der Vermittlerrolle. Die deutsche und die niederländische Delegation ließen kein gutes Haar an dem bisher praktizierten Preisstützungssystem, das sie als kolonialistisch und rückwärtsgewandt brandmarkten. Sie waren der Auffassung, dass die assoziierten Länder ihre Unabhängigkeit auch in wirtschaftlicher Hinsicht erreichen müssten, was nur gelänge, sofern diese ihre kolonial tradierten, einseitigen Wirtschaftsstrukturen überwinden würden. Letztlich ging es Bonn und Den Haag darum, die afrikanischen Länder mit finanzieller Hilfe der EWG möglichst schnell aus den protektionistischen Strukturen heraus- und an den freien Weltmarkt heranzuführen.61 Demgegenüber wollte Frankreich eine möglichst weiche Landung der afrikanischen Länder im Welthandel erreichen und forderte unter anderem Preisstabilisierungsmaßnahmen, Absatzgarantien und die Abschaffung bestimmter Verbrauchssteuern in den europäischen Ländern.62 60 Die mehr als ein Jahr andauernden Verhandlungen über das Assoziationsabkommen sind bereits mehrfach und ausführlich untersucht worden, vgl. grundlegend Moser (2000), S. 465–501; immer noch empfehlenswert Zartman (1971), S. 24–76; aus französischer Perspektive außerdem Migani (2008), S. 219–247; jüngst auch Vahsen (2010), S. 261– 341. 61 Vgl. zur deutschen Position Rempe (2006), S. 91–97; Vahsen (2010), S. 283–298; zur niederländischen Haltung in Bezug auf die Assoziierung vgl. Harryvan/Harst (2005), S. 319–328. 62 Mit Preisstabilisierungsmaßnahmen meinte die französische Regierung Stützungsmaßnahmen, die nur im Falle eines Absinkens der Weltmarktpreise unter eine bestimmte Grenze zum Einsatz kommen sollten. Sie unterscheiden sich insofern grundsätzlich vom

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Da die Positionen derart weit auseinander lagen, verwundert es nicht, dass der Kompromissvorschlag der europäischen Länder die afrikanischen Staaten vor vollendete Tatsachen stellte. Ihr Handlungsspielraum in den Verhandlungen blieb dementsprechend gering. Letztlich einigten sich die Mitgliedsstaaten auf die Gewährung einer sogenannten Produktions- und Diversifizierungshilfe (PDH) mit einen Gesamtbetrag von 230 Millionen RE und forderten die assoziierten Staaten auf, untereinander zu einem Verteilungsschlüssel zu gelangen. Dies führte zu Konflikten innerhalb des afrikanischen Lagers. Der Senegal konnte sich in den innerafrikanischen Verhandlungen nicht durchsetzen und erhielt letztlich 46,7 Millionen RE oder 11,4  Milliarden F CFA im Rahmen der PDH. Die Produktionshilfe war ausschließlich für den Erdnusssektor bestimmt, konnte nach bestimmten, noch näher darzulegenden Regeln für Preisstützungen und Strukturverbesserungsmaßnahmen verwendet werden und erforderte die Aufstellung eines Fünfjahresprogramms. Die Diversifizierungshilfe sollte demgegenüber die Einführung neuer Anbaukulturen fördern und wurde projektweise bewilligt. Als Gegenleistung zur PDH verpflichtete sich der Senegal, Erdnüsse ab dem 1. Juli 1964 zu Weltmarktpreisen zu handeln. Das bis dato praktizierte Abnahme- und Garantiesystem zwischen Paris und Dakar wurde damit in Brüssel zu Grabe getragen.63 Die Einigung auf die Produktions- und Diversifizierungshilfe stellte eine der folgenreichsten Neuerungen des Assoziationsabkommens dar. Darüber hinaus wurden mit der Konvention von Yaoundé einige neue Gremien geschaffen: Ein EEFAusschuss wurde gegründet, in dem Vertreter der Mitgliedsstaaten mit qualifizierter Mehrheit über die Projektanträge der assoziierten Staaten zu entscheiden hatten. Ferner sollte ein Assoziationsrat einmal jährlich tagen, bei dem hohe Regierungsvertreter zusammen kamen; untergeordnete Fragen wurden an den ebenfalls neu eingerichteten Assoziationsausschuss delegiert, der regelmäßig in Brüssel zusammenkam. Das Gesamtvolumen des EEF – ein weiterer Streitpunkt während der Verhandlungen – stieg inklusive der PDH auf 800 Millionen RE für die fünfjährige Laufzeit des Abkommens.64 bisher praktizierten System, bei dem unabhängig vom Weltmarktpreis Abnahmegarantien zu bestimmten (und in der Regel weit über dem Weltmarkt liegenden) Preisen gegeben wurden, vgl. zur französischen Position Moser (2001), S. 485f.; Migani (2008), S. 224f. 63 Vgl. ANS VP 139: Gueye an MAES, 7.12.1962; Zartman (1971), S. 51f; Moser (2001), S. 496. 64 Von den 800 Millionen RE waren 70 Millionen für die noch abhängigen Gebiete reserviert. 100 der verbleibenden 730 Millionen RE wurden als Darlehen teils von den Mitgliedsstaaten, teils von der EIB gewährt. Deutschland und Frankreich übernahmen erneut den Löwenanteil der Finanzierung (je 246,5 Millionen RE), das übrige gute Drittel verteilte sich wie folgt: Italien (100), Belgien (69), die Niederlande (66), Luxemburg (2) und die EIB (70). Die Stimmgewichtung im EEF-Ausschuss, in dem mit Zweidrittelmehrheit entschieden wurde, richtete sich in etwa nach dem finanziellen Beitrag: Deutschland und

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Die senegalesische Regierung war äußerst unzufrieden mit dem Ausgang der Verhandlungen, denn die erzielten Vereinbarungen entsprachen nicht im Entferntesten den Erwartungen, die sie in die Erneuerung der Assoziierung gesetzt hatte.65 Vor allem mit der Höhe der für die PDH veranschlagten Mittel war sie keineswegs einverstanden. Mit einem gehörigen Maß an Sarkasmus schlug der senegalesische Botschafter in Brüssel, Djime Momar Gueye, vor, angesichts der ausweglosen Situation auf Preisstützungsmaßnahmen ganz zu verzichten und alle Mittel für die Diversifizierung der Landwirtschaft zu verwenden: „C’est la solution chirurgicale, la plus dure, la plus impopulaire, la plus efficace aussi, mais aussi comme toute solution chirurgicale, elle risque d’entrainer la mort du patient.“66 Experten im Handelsministerium rechneten mit einem Einnahmeausfall des Senegal von knapp 12 Milliarden F CFA in den kommenden fünf Jahren, sofern die von Frankreich garantierten Preise wie vorgesehen zum 1. Juli 1964 wegfallen würden. Dass diese Prognosen nicht aus der Luft gegriffen waren, zeigt sich auch daran, dass die DG VIII in ihren Kalkulationen zu ähnlichen Ergebnissen kam.67 Von gleichen Vorteilen in anderen Formen konnte demnach keine Rede sein. In der Tat hatte die senegalesische Delegation bis zur letzten Sekunde gezögert, das Abkommen im Dezember 1962 zu paraphieren. Sie tat es dennoch, weil in Dakar zu diesem Zeitpunkt keiner so genau wusste, worüber in Brüssel eigentlich entschieden wurde, so zumindest das Argument von Botschafter Gueye auf einer späteren Sitzung des Assoziationsausschusses. Damit spielte er auf die eingangs geschilderte Dakarer Dezemberkrise und den damit verbundenen Regierungswechsel an. Die neu gebildete Regierung war gerade einmal wenige Tage im Amt, als die Zusage zum Abkommen bevorstand. Insofern glich die Zustimmung der senegalesischen Regierung zur Konvention in erster Linie einem politischen Bekenntnis. Jenseits schnöder Rechtstexte und Finanzierungsabkommen vertraute Dakar auf eine grundsätzliche Solidarität zwischen EWG-Europa und den afrikanischen Ländern.68 Freilich sollten sich solche Hoffnungen größtenteils als Wunschdenken erweisen. Diese Haltung erklärt jedoch, warum die neu formierte senegalesische Regierung alles daran setzte, das mühevoll zusammengebundene Gesamtpaket vom Dezember 1962 wieder aufzuschnüren. Selbst nach der feierlichen Unterzeichnung des Abkommens in Yaoundé im Juli 1963 wurde dieser Kurs noch einige Zeit beibehalten.

Frankreich verfügten über 33, Italien über 14, Belgien über 10, die Niederlande über 9, Luxemburg über 1 Stimme, vgl. Cosgrove-Twitchett (1978), S. 103, 106. 65 Vgl. dazu Kap. II.1. 66 CARAN FPU 63: Gueye an MAES, 29.12.1962. 67 Vgl. ANS 1R 669: Ministère du Commerce sénégalais, Note, 14.2.1964; HAEU 17/1969-60, S. 193: Hendus an Rabot, 23.1.1963. 68 Vgl. CARAN FPU 63: Gueye an MAES, 29.12.1962; AMAEF CE 1961/66-1551: Gueye an Fayat, 4.3.1964.

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So drängte Senghors Regierung zum einen wiederholt auf eine Neuverhandlung des Verteilungsschlüssels der PDH und startete zu diesem Zweck eine regelrechte Kampagne gegen dieses Programm. Außenminister Doudou Thiam nutzte im September 1963 die große Bühne der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York, um gegen Frankreich genauso wie gegen die EWG ordentlich vom Leder zu ziehen: „Le fait le plus significatif, c’est l’attitude de certains pays anciens colonisateurs, qui veulent se dégager de leurs responsabilités.“ Diese Verantwortungslosigkeit zeige sich insbesondere darin, dass die ehemaligen Kolonialmächte über Jahrzehnte hinweg monokulturelle Wirtschaftsstrukturen in den Kolonien geschaffen hätten und nun die Preise jener Erzeugnisse nicht mehr stützen wollten. Mancher regionale Zusammenschluss, so Thiam weiter, meine diesen Verlust durch eine sogenannte Diversifizierungshilfe wieder ausgleichen zu können, „comme si la monoculture pouvait disparaître par un coup de baguette magique“.69 Wenige Wochen später erinnerte Botschafter Gueye in Brüssel daran, dass Preis- und Absatzfragen von „überlebenswichtiger Bedeutung im wahren Sinne des Wortes“ seien für die assoziierten Länder. Gueye war der Auffassung, dass veränderte Marktbedingungen berücksichtigt werden müssten und plädierte deswegen dafür, dass „bei der Auslegung des Assoziierungsabkommens auch sein Sinn entsprechend weiterentwickelt wird.“70 Dahinter verbarg sich der Wunsch, die Aufteilung der Produktionshilfen noch einmal neu zu verhandeln. Der Senegal konnte dabei allerdings mit dem Tschad, der mit seiner Baumwollmonokultur ähnlichen Problemen gegenüberstand, nur auf einen weiteren Verbündeten zählen. Ein letzter Versuch der beiden Länder scheiterte im Juni 1964 vor allem am Widerstand der anderen assoziierten Staaten.71 Zum anderen wollte sich die senegalesische Regierung nicht mit der Verpflichtung abfinden, Erdnüsse bereits ab Juli 1964 zu Weltmarktpreisen zu handeln. Anfang März desselben Jahres brach Planungsminister Habib Thiam deshalb nach Europa auf, um persönlich für eine Verschiebung zu werben. Er kehrte mit gemischten Gefühlen nach Dakar zurück. Zunächst hatte er Schwierigkeiten gehabt, überhaupt von den zuständigen Ansprechpartnern der Mitgliedsstaaten empfangen zu werden. Gleichzeitig schien jedoch kein Land grundsätzliche Bedenken gegen einen Aufschub um ein Jahr zu haben. Allerdings forderte die französische Regierung, dass sich die anderen Mitgliedsstaaten zur Hälfte an den Subventionen beteiligen müssten, die im Aufschubjahr zu leisten wären, was diese jedoch ablehnten.72 Die Sache blieb somit 69 AMAEF, CE 1961/66-1550: Telegramm Amb. New York an MAEF, 27.9.1963; nach Protesten der französischen Regierung entschuldigte sich Senghor umgehend für das Auftreten seines Außenministers, gab aber zu bedenken, dass Thiam in der Sache nicht unrecht hatte, vgl. ebd.: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 22.10.1963. 70 HAEU 19/1969-170, S. 12: Gueye, Erklärung auf der 1. Tagung des Interimsausschusses, 19.11.1963. 71 Vgl. HAEU 25/1980-639, S. 7: Hendus, Vermerk, 25.6.1964. 72 Vgl. AMAEF CE 1961/66-1551: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 20.3.1964.

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zunächst in der Schwebe, was Senghor in einer Grundsatzrede auf dem Parteitag seiner UPS zum Ausdruck brachte. Darin kündigte er unter Bezugnahme auf die Verpflichtungen aus Brüssel an, dass Löhne und Gehälter noch im selben Jahr um 10 bis 20 Prozent sinken könnten.73 Letztlich wurde im Sommer 1964 ein Kompromiss zwischen Frankreich, der EWG und dem Senegal gefunden: Die ehemalige Kolonialmacht verpflichtete sich wie im Vorjahr zur Abnahme von 215.000 Tonnen nicht raffinierten Erdnussöls, allerdings zu einem Preis von lediglich 99 FF pro Zentner statt wie im Vorjahr 105 FF.74 Damit konnte die senegalesische Regierung zumindest vorübergehend einen Erfolg verbuchen in ihren Bemühungen, die wirtschaftlichen Konsequenzen des neuen Assoziationsabkommens abzufedern. *** Parallel zu diesen Nachverhandlungen machte sich die DG VIII im August 1963, kaum einen Monat nach der feierlichen Unterzeichnung des Assoziationsabkommens in Yaoundé, an die Umsetzung der Produktions- und Diversifizierungshilfe.75 Um einen reibungslosen Ablauf der PDH zu gewährleisten, hatte der Ministerrat der EWG die Kommission vorsorglich ermächtigt, „à prendre toute mesure appropriée pour permettre les études nécessaires à la préparation des programmes quinquennaux“76 und dafür Kredite zur Verfügung gestellt. Zugleich ließ die DG VIII dem Senegal einen Leitfaden zukommen, der bei der Ausarbeitung des Fünfjahresprogramms zu beachten war. Der Leitfaden gab detailliert die Gliederung des Programms vor und sollte die Brüsseler Beamten nebenbei mit allen Daten und Statistiken versorgen, auf deren Grundlage letztlich das vorgelegte Programm beurteilt werden sollte.77 Für die Aufteilung der Gelder zwischen der programmgebundenen Produktionshilfe und der projektgebundenen Diversifizierungshilfe stellte die DG VIII in ihrem Leitfaden einige Grundsatzregeln auf. So durfte die Produktionshilfe nicht mehr als 75 Prozent der Gesamtsumme betragen, und die in diesem Bereich veranschlagten Ausgaben mussten von Jahr zu Jahr kontinuierlich sinken. Dies galt auch dann noch, wenn Gelder nicht abgerufen wurden und ins nächste Jahr umgeschichtet werden sollten. Eine Transaktion in den Bereich der Diversifizierungshilfe war hingegen jederzeit und in unbegrenzter Höhe zulässig. Schließlich empfahl die Kommission inner73 Vgl. AMAEF CE 1961/66-1551: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 27.4.1964. 74 Vgl. ebd.: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 8.8.1964; ebd.: Direction des affaires africaines et malgaches, Note, 1.9.1964; 105 FF entsprachen 5250 F CFA. 75 Das Abkommen trat aufgrund der nationalen Ratifizierungsprozesse allerdings erst zum 1. Juni 1964 in Kraft. 76 ANS 1R 662: DG VIII, Note d’information sur l’aide à la production, 12.8.1963. 77 Vgl. ebd.: DG VIII, Application des dispositions concernant les aides à la production, o.D. [1963], annexe.

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halb der Produktionshilfe eine adäquate Aufteilung zwischen Preisstützungsmaßnahmen und Strukturverbesserungsmaßnahmen, was letztlich nichts anderes hieß, als die größtmögliche Summe letzterem Bereich zuzuteilen.78 Die abstrakten Vorschriften leiteten sich unmittelbar aus dem übergreifenden Ansinnen der PDH ab, einen Strukturwandel in den assoziierten Ländern herbeizuführen. Die Monokulturen, für die die Produktionshilfe bestimmt war, sollten an wirtschaftlicher Bedeutung verlieren. Deshalb wurde die Produktionshilfe degressiv gewährt. Die Diversifizierungshilfe sollte demgegenüber neue landwirtschaftliche Aktivitäten hervorrufen, dem Staat neue Einnahmequellen verschaffen und dadurch die Abhängigkeit vieler assoziierter Länder von einem einzigen Erzeugnis verringern.79 Zugleich wurden die afrikanischen Staaten durch das Konzept einem beträchtlichen Modernisierungsdruck ausgesetzt: Der Senegal besaß nur dann Chancen am Weltmarkt zu bestehen, sofern es innerhalb von fünf Jahren gelingen würde, die Erdnusswirtschaft mit den Mitteln der Produktionshilfe konkurrenzfähig zu machen. Modernisierung stand insofern für die Rationalisierung sämtlicher Bereiche der Erdnusswirtschaft, der Anbaumethoden und des Arbeitseinsatzes ebenso wie des Transportwesens, der Lagerungssysteme und der Handelswege. Zur Modernisierung gehörte darüber hinaus auch die Verbesserung der Qualität des Produkts, was durch den Einsatz ausgewählter Samen und Dünger, Pflanzenschutzmittel und Pestizide erreicht werden sollte, aber ebenso über die Verbreitung neuer Techniken im Rahmen der Vulgarisation.80 Die EWG gab mit der PDH somit ein entwicklungspolitisches Programm vor, das mit geringen Mitteln gleichzeitig für die Modernisierung des Erdnusssektors und die Diversifizierung der Landwirtschaft sorgen sollte. Die Festlegung eines Fünfjahresprogramms geriet für die senegalesische Regierung folglich zur Quadratur des Kreises, zumal sie zusätzlich den Wegfall der französischen Überpreise für Erdnusserzeugnisse im Blick behalten musste. Ende Juli 1964 beschloss das Kabinett, 70 Prozent der Mittel auf die Produktionshilfe und 30 Prozent auf die Diversifizierungshilfe verwenden.81 Etwas weniger als die Hälfte der Produktionshilfe wurde als Beihilfen für die Erdnussbauern veranschlagt und der größere Anteil für Strukturverbesserungsmaßnahmen in der Erdnusswirtschaft reserviert.82 78 Vgl. ANS 1R 662: DG VIII, Note d’information sur l’aide à la production, 12.8.1963; ebd.: DG VIII, Application des dispositions concernant les aides à la production, o.D. [1963]. 79 Dieser Logik folgte zumindest die Bundesregierung, vgl. PAAA B 20-508: Kabinettsvorlage AA, 15.7.1961; vgl. dazu auch Moser (2001), S. 483f.; Rempe (2006), S. 92f. 80 Vgl. ANS 1R 662: DG VIII, Note d’information sur l’aide à la production, 12.8.1963; ebd.: DG VIII, Application des dispositions concernant les aides à la production, o.D. [1963]. 81 Vgl. zum weiteren Verlauf der Diversifizierungshilfe Kap. II.5. 82 Vgl. ANS 1R 664: Thiam, Communication en Conseil du cabinet, 28.7.1964.

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Im September 1964 unterbreitete die senegalesische Regierung der Generaldirektion ihr Fünfjahresprogramm, das sie ohne die Inanspruchnahme Brüsseler Expertise erstellt hatte. Das Programm enthielt zum einen eine Kalkulation zur Absenkung der Erdnusspreise und zum anderen eine Beschreibung der Strukturverbesserungsmaßnahmen. Die für die Produktionshilfe zuständige Handelsdirektion der DG VIII hatte an dem Plan jedoch einiges auszusetzen. So äußerte sie starke Zweifel an der Preiskalkulation. Die senegalesische Regierung hatte vorgegeben, den Preis innerhalb eines Jahres von 52,5 auf knapp 44 F CFA pro Kilo senken zu wollen. Auch die niedrige Ansetzung des Weltmarktpreises von lediglich 42,5 F CFA entbehrte nach Ansicht der Handelsdirektion jeglicher Beurteilungsgrundlage. Ferner hielt sie es für unvernünftig, im ersten Jahr den bisherigen Preis von 52,5 F CFA beizubehalten; es wurde dem Senegal nahegelegt, sofort mit einer Absenkung zu beginnen. Schließlich kritisierten die Brüsseler Experten die Angaben zu den Strukturverbesserungsmaßnahmen als wenig aussagekräftig.83 Zu den Strukturverbesserungsmaßnahmen gehörte auch die action de vulgarisation der Société d’aide technique et de coopération (SATEC), ein französisches Entwicklungsprojekt, dessen Übernahme durch den EEF zum 1. Januar 1965 bereits informell vereinbart worden war.84 Der italienische Leiter der Handelsdirektion, Giovanni Ugo, nutzte dies als Druckmittel. Er drohte die Zusage zu widerrufen, falls die senegalesischen Behörden nicht bis Ende Oktober 1964 ein korrigiertes Programm einreichen würden.85 Insgesamt entstand in Dakar allein schon wegen der harschen inhaltlichen Kritik, aber auch aufgrund der Art und Weise, wie diese vorgetragen wurde, der Eindruck, dass die DG VIII die senegalesische Regierung bevormunden wolle. So beklagte sich Planungsminister Thiam mit Nachdruck beim Leiter der französischen Mission d’aide et de coopération, Jean Perilhou, über die „Eurocrates“ aus Brüssel und deren Vorgehen, das er als „tatillonne et même indiscrète“ bezeichnete.86 Die französischen Behörden in Dakar beherrschten ihre Doppelrolle in diesem Prozess hervorragend. Während Perilhou Verständnis für Thiams Klagen aufbrachte, ließ Botschafter Yves Vyau de Lagarde mit einer gewissen Genugtuung nach Paris durchgeben, dass sich der Senegal angesichts der Verpflichtungen des Assoziationsabkommens mehr und mehr über die zwingenden Reformschritte klar werde, „qui le conduiront à accroître la productivité de l’arachide, réduire la fiscalité, diminuer le prix au producteur, effectuer des reformes des structures paysannes.“87 Die in jüngerer Zeit in vielen europäischen Mitgliedsstaaten gern angewandte Strategie nationaler Regierungen, bei nicht ideal verlaufenen two-level games Brüssel zum Sündenbock 83 Vgl. ANS 1R 669: Hendus an Gueye, 1.10.1964. 84 Vgl. zu diesem Projekt im Detail Kap. II.4. 85 Vgl. ANS 1R 669: Rege (SATEC) an Thiam, o.D. [1964]; Bour (SATEC) an Thiam, 22.10.1964. 86 CAD Dakar MCAC 431: Perilhou an ministère de la Coopération français, 29.10.1964. 87 Vgl. AMAEF Sénégal 99: de Lagarde an ministère de la Coopération français, 18.11.1964.

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Dakarer Dezemberkrise und Erneuerung des Assoziationsabkommens

zu machen, konnte die französische Regierung demnach erstmals leicht abgewandelt im Dreiecksverhältnis mit den einstigen Kolonien und der Gemeinschaft erfolgreich austesten.88 Das nachgebesserte Programm, das im Dezember 1964 schließlich in Brüssel eingereicht wurde, wies 8,25 der 11,4 Milliarden F CFA umfassenden PDH für die Produktionshilfe aus. Davon sollten knapp 3,8 Milliarden F CFA für Preisstützungen und etwa 4,5 Milliarden F CFA für Strukturverbesserungsmaßnahmen verwendet werden. Ziel dieses Programms war es, den Preis für ein Kilogramm Erdnüsse von bisher im französischen Subventionssystem gewährten 52,5 F CFA innerhalb von vier Jahren auf einen prognostizierten Weltmarktpreis von 46 F CFA zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, wollte die senegalesische Regierung den Erzeugerpreis, die Transportkosten sowie die Exportsteuern sukzessive senken. Die Beihilfen der EWG dienten dazu, diesen Anpassungsprozess abzufedern.89 Schema zur Preisstützung gemäß Fünfjahresprogramm90

Tranche

Geschälte Erdnüsse Tonnen

Reeller Verkaufspreis F CFA/kg

1964/65

547.700

49,591

52,5

3

1.643

1965/66

584.750

47,5

49,5

2

1.170

1966/67

634.000

47,0

48,5

1,5

1967/68

693.900

46,5

46,514

0,014

1968/89

767.000

46,0

46,0

0

91

Zielpreis Preisstützung F CFA/kg F CFA/kg

Summe:

Summe Preisstützung Mio. F CFA

951 10 0 3.774

Obwohl die senegalesische Regierung, wie von der DG VIII gefordert, den Weltmarktpreis nach oben korrigiert hatte, war diese von der neuerlichen Kalkulation ebenso wenig überzeugt wie vom ersten Entwurf. Entgegen ihrer früheren Stellungnahme hätte 88 Vgl. zu two-level games grundlegend Putnam (1988), vor allem S. 433–435; dieses politikwissenschaftliche Modell besagt, dass nationale Regierungen in internationalen Verhandlungen auf zwei Ebenen agieren und reagieren: gegenüber den internationalen Partnern sowie gegenüber nationalen Interessengruppen. Im vorliegenden Fall gab Frankreich den europäischen Partnerländern zulasten des Senegal nach und arrangierte sich alsbald mit dem Ergebnis, zumal die Verantwortung der EWG zugeschoben werden konnte, vgl. zu letzterem Phänomen auch Karrass (2009), S. 83f.; zu jüngeren Beispielen derartigen Verhaltens aus deutscher Perspektive vgl. Mussler (2008), S. 11. 89 Vgl. ADEUS II. FED 214015032: DG VIII, Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964. 90 Vgl. ebd. 91 Dieser Preis entsprach dem französischen Garantieabkommen.

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Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren

sie es nun für besser gehalten, wenn der Senegal den für das Jahr 1969 zu erwartenden Weltmarktpreis niedriger angesetzt und höhere Summen für die Preisstützung veranschlagt hätte.92 Auch in Brüssel gingen demnach die Meinungen weit auseinander, wie die Mittel der Produktionshilfe am besten verwendet werden sollten. Der neue Optimismus der senegalesischen Regierung bezüglich der Entwicklung des Weltmarktpreises gründete allerdings nicht so sehr auf wirtschaftspolitischer Naivität, wie in Brüssel und Paris angenommen wurde. Eher verbarg sich dahinter erneut ein politisches Statement: Es sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass ein niedrigerer Preis auch durch den striktesten Reformkurs innerhalb von fünf Jahren nicht zu erreichen sei. Die im Fünfjahresprogramm vorgesehenen Strukturverbesserungsmaßnahmen flankierten ein breit angelegtes Modernisierungsprogramm der senegalesischen Regierung. Letzteres widmete sich vor allem der Versorgung der Bauern mit Hacken, Sämaschinen und weiterem Agrargerät. Den Hauptposten des von der EWG finanzierten Teils machte die bereits erwähnte action de vulgarisation aus. Dieses Entwicklungsprojekt zielte darauf ab, die technisch ,richtige‘ Verwendung neuen Agrargeräts zu vermitteln und ,moderne‘ Anbaumethoden zu verbreiten. Dazu gehörte auch der Einsatz von Düngemitteln, die von der EWG subventioniert wurden. Ferner sah das Fünfjahresprogramm die verstärkte Züchtung von Qualitätssamen vor, aber auch Infrastrukturmaßnahmen wie der Bau von Lagerhallen und die Ausweitung der Centres d’expansion rurale sollten mit dem Programm finanziert werden.93 Als die DG VIII das senegalesische Fünfjahresprogramm dem EEF-Ausschuss präsentierte, schien sie über Nacht ihre Haltung geändert zu haben. So war in ihrer Vorlage unter anderem die optimistische Einschätzung zu lesen, dass der senegalesische Bauer bei optimaler Umsetzung der Reformen sein Einkommen um 20 Prozent steigern und der senegalesische Staat insgesamt mehr Geld einnehmen würde.94 So recht glauben mochte an diese rosigen Aussichten freilich weder die Generaldirektion noch die senegalesische Regierung. Während letztere den Brüsseler Beamten ein zukunftsträchtiges Programm innerhalb der starren Regeln der PDH verkaufen musste, sahen sich erstere anschließend in eine ähnliche Rolle gezwungen, mussten sie doch die aufgebauschten Pläne dem EEF-Ausschuss schmackhaft machen und eine Bewilligung erreichen. Erwartungsgemäß zeigten sich dort die Vertreter aller Mitgliedsstaaten äußerst skeptisch gegenüber den senegalesischen Preiszielen, beließen es jedoch bei der Feststellung, dass die EWG im Falle von auftretenden Finanzierungslücken nicht einspringen könne. Die Strukturverbesserungsmaßnahmen gaben 92 Vgl. AMAEF Sénégal 99: Direction des affaires africaines et malgaches, Note, 13.2.1965; ADEUS II. FED 214015032: DG VIII, Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964. 93 Vgl. ADEUS II. FED 214015032: DG VIII, Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964. 94 Vgl. ebd.

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Anlass zu zahlreichen Bemerkungen, die in einen gemeinsamen Tenor einstimmten, dem zufolge ein strukturell derart armes Land wie der Senegal so oder so kaum ernsthafte Entwicklungschancen besäße. In scheinbar kollektiver Apathie befürwortete der Ausschuss das Programm schließlich einstimmig.95 Damit wurde ein Fünfjahresprogramm für die Erdnusswirtschaft besiegelt, das weder die senegalesische Regierung noch die EWG-Kommission und letztlich nicht einmal die Mitgliedsstaaten zufrieden stellte. *** Die Produktions- und Diversifizierungshilfe führte im Ergebnis zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung senegalesischer Entwicklungspolitik. Sie verschaffte der EWG indirekte Planungskompetenzen für die senegalesische Erdnusswirtschaft und in schwächerem Maße auch für andere Landwirtschaftsbereiche. Somit stellte sich die PDH in unmittelbare Konkurrenz zum nationalen Entwicklungsplan, die sich aus zwei Gründen zugunsten des EWG-Programms auflösen musste: Erstens waren mit der PDH, anders als bei den senegalesischen Entwicklungsplänen, konkrete Mittelzusagen verbunden. Zweitens gewann der Faktor Zeit, der in der Aufbruchstimmung der frühen 1960er Jahre eher eine nachgeordnete Rolle in der senegalesischen Entwicklungspolitik gespielt hatte, durch die neuen makroökonomischen Rahmenbedingungen, die das Abkommen von Yaoundé festlegte, immens an Bedeutung. Gewiss war das Denken in Zeiträumen Kernbestandteil jeder Planung. Der erste senegalesische Plan machte in der Annahme gleichbleibender makroökonomischer Strukturen Aussagen darüber, was in den kommenden vier Jahren passieren sollte, um eine Verbesserung des Lebensstandards zu erreichen. Der Logik folgend, dass Entwicklung nur in eine, nämlich eine bessere Richtung verlaufen könne, war es für den Senegal trotz aller Planung nachrangig, ob sich der Fortschritt zwei Jahre früher oder später einstellen würde. Das Fünfjahresprogramm für die Erdnusswirtschaft hingegen sollte in einem definierten Zeitfenster den zeitlich ebenso festgelegten Wandel der Vermarktungsbedingungen abfedern und gab daher an, was in fünf Jahren passieren musste, um eine Verschlechterung der Lebensbedingungen zu verhindern.96 Die Erneuerung des Assoziationsabkommens und die damit verbundenen Verpflichtungen prägten insofern ganz wesentlich die Marschroute des zweiten senegalesischen Entwicklungsplans, der im Juli 1965 in Kraft trat. Man wolle „donner le pas à la croissance économique sur le développement culturel ce qui représente un renversement idéologique total, par rapport au premier plan“ erklärte Senghor vor 95 Vgl. PAAA B 68-458: EEF-Ausschuss, Protokoll der 6. Sitzung, 9.3.1965. 96 Vgl. zur Bedeutung der Zeitdimension für Entwicklungspolitik grundlegend Petersson (2009).

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Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren

dem senegalesischen Conseil économique et social und fügte hinzu: „Avant de scolariser, il faut bien nourrir.“97 Er folgte damit der aus Brüssel vorgegebenen Devise, wonach der Steigerung des Wachstums und der Produktivität unbedingter Vorrang einzuräumen sei. Im Plan selbst wurde der Strategiewechsel mit neuen finanziellen und ökonomischen Zwängen gerechtfertigt. Diese hätten sich aus dem Wegfall des französischen Subventionssystems ergeben, mit dem zum 1. Juni 1965 gerechnet wurde. Ferner hieß es im Plan, dass der senegalesische Staat aufgrund des neuen Assoziationsabkommens weitere Einnahmeverluste zu erleiden hätte, da die Einfuhrzölle für Waren aus den Ländern der EWG sukzessive gesenkt werden müssten. Wenngleich im zweiten Plan auch andere Gründe für die finanzielle Notlage genannt wurden, so schlugen die Verpflichtungen aus dem Abkommen von Yaoundé zweifellos am stärksten ins Kontor.98 Inhaltlich gesehen umfasste der zweite Vierjahresplan ein Investitionsprogramm über knapp 120 Milliarden F CFA, wovon 34 Milliarden F CFA über ausländische öffentliche Gelder eingeworben werden sollten. 31 Milliarden F CFA wollte der senegalesische Staat selbst beisteuern, für den verbleibenden Betrag wurde auf private Investitionen vertraut. Der Schwerpunkt lag auf Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft, die insgesamt ein Volumen von 32 Milliarden F CFA aufwiesen. Steigerungsraten um 25 Prozent wurden im Reis- und Erdnussanbau angepeilt, außerdem sollte der Baumwoll- und Zuckerrohranbau in Angriff genommen werden. In den Ausbau der Infrastruktur sollten über 17 Milliarden, ins Ausbildungswesen etwas mehr als 8 Milliarden F CFA fließen. Wie bereits im ersten Plan wurde der sekundäre Sektor fast ausschließlich privater Initiative überlassen.99 Letztlich schlug sich das EWG-Programm zur Produktionshilfe nicht nur hinsichtlich der Strategie im zweiten Plan nieder, sondern führte zugleich zu einer finanziellen Schwerpunktsetzung in der Landwirtschaft.100 Der zweite Plan wurde jedoch nicht nur von den Bestimmungen des Assoziationsabkommens geprägt, sondern spiegelte ebenso sehr Senghors politische Intuition wider, möglichst viele Seiten zufrieden stellen zu wollen. So galt es zunächst, sich ein Stück weit von den entwicklungspolitischen Strategien seines Rivalen Dia 97 AMAEF Sénégal 88: de Lagarde an Couve de Murville, 26.3.1965. 98 Vgl. RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 44, 53; als weitere Gründe für die schwierige Finanzlage gab der Plan den raschen Abzug französischer Truppen sowie die Übernahme finanzieller Verpflichtungen für die Universität Dakar an, die bislang Frankreich getragen hatte. 99 Vgl. Habib Thiam, Le 2ème Plan quadriennal a démarré en 1965, in: Europe France Outremer Nr. 433 (1966), S. 26–30; RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 348f. 100 Neben der EWG war dafür auch der FAC verantwortlich, der am Senegal-Fluss den Reisund Zuckerrohranbau finanzierte, vgl. CAD Dakar MCAC 54: MAC, Note, 26.1.1966.

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zu distanzieren, was angesichts der enttäuschenden Ergebnisse des ersten Plans nicht besonders schwer fiel. Eine ganze Reihe von Planzielen – unter anderem die Wachstumsrate von 8 Prozent, Investitionen im Ausbildungsbereich sowie der Umfang an privaten Kapitalinvestitionen – waren nicht erreicht worden. Andere Posten wie die Investitionen zur Ausstattung der Verwaltung waren trotz zwischenzeitlicher Plananpassung doppelt so hoch ausgefallen wie vorgesehen.101 Verschiedene Faktoren trugen laut zweitem Plan zu diesen enttäuschenden Entwicklungen bei: eine unqualifizierte und ineffizient arbeitende Verwaltung; durchwachsene Erdnussernten; eine mäßige innerafrikanische Außenhandelsbilanz; unsichere politische Verhältnisse sowie wirtschaftspolitische Strategien, die Investoren abschreckten; nicht zuletzt langwierige und aufwändige Antragsverfahren im Rahmen der öffentlich finanzierten Entwicklungshilfe, womit insbesondere der EEF gemeint war. Auch am Plan selbst wurde Kritik geübt. So hieß es, er habe auf unzureichenden Statistiken basiert und dem Humanfaktor zu wenig Bedeutung eingeräumt. Mit dem zweiten Plan glaubte die senegalesische Regierung, auf der Grundlage genauerer Daten, zunehmender Professionalisierung in der Verwaltung sowie mit der Konzentration auf Wachstumsstrategien die verpassten Ziele realisieren zu können.102 Darüber hinaus versuchte Senghor, die Erarbeitung des Plans zu einem genuin nationalen Ereignis zu stilisieren. So präsentierte er den zweiten Plan als Ergebnis eines freien Aushandlungsprozesses zwischen gesellschaftlichen Gruppen, Fachleuten und der senegalesischen Politik, während der erste Plan Senghor zufolge „fut élaboré au sommet et presque entièrement par l’assistance technique étrangère.“103 In der Tat hielt sich die EWG bei der konkreten Ausarbeitung des Plans deutlich zurück und finanzierte lediglich eine Untersuchung zur regionalen Entwicklung, um die die senegalesische Regierung gebeten hatte. Dass mit deren Durchführung jedoch erneut die bereits am ersten Plan beteiligte CINAM beauftragt wurde, verweist dagegen eher auf Kontinuitätslinien, derer es noch weitere gab: Auch Mamadou Dia war 101 Die übermäßigen Kosten für die Ausstattung der Verwaltung resultierten vor allem aus der frisch gewonnenen Souveränität: Die Gelder flossen vor allem in die Einrichtung von Botschaften sowie einer flächendeckenden Verwaltung im senegalesischen Hinterland, vgl. RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 18, 28f. 102 Vgl. RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 17–37; RdS, Les orientations générales du Plan quadriennal 1961–1964, S. 2–7, 85, 130; Habib Thiam, La réorientation du premier plan et les méthodes d’élaboration du second, in: Europe France Outremer Nr. 414/415 (1964), S. 29–33; Cheikh Hamidou Kane, Premiers pas vers l’économie planifiée, in: Europe France Outremer Nr. 391/392 (1962), S. 39–49; die senegalesische Regierung hatte sich bereits im Herbst 1960 über die langsame Funktionsweise des EEF beschwert, vgl. dazu ausführlich Kap. I.2; zu den Umsetzungsproblemen des ersten Plans vgl. auch Klümper (1970), S. 109–112. 103 AMAEF Sénégal 88: de Lagarde an Couve de Murville, 26.3.1965.

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Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren

darum bemüht, gesellschaftliche Gruppen in den Planungsprozess mit einzubeziehen. Neben der CINAM war ebenso das IRFED in die Konzeption des zweiten Plans involviert.104 Darüber hinaus knüpfte Senghor persönlich im Vorwort zum zweiten Plan an Dias entwicklungspolitische Vision an: „Il s’agit, surtout, de former des citoyens conscients, qui aient la volonté de transformer leur situation collective: des hommes qui aient le goût du travail bien fait et de la novation créatrice. Par-dessus tout, des hommes qui aient le sens de l’intérêt général...La réalisation du Plan exige, au premier chef, la volonté consciente des hommes et, partant, leur formation morale et technique.“105

Schließlich bekannte sich der zweite Plan trotz aller Kritik an den Unzulänglichkeiten seines Vorgängers zu dessen übergreifenden Zielen und insbesondere zur Verstaatlichung der Erdnusswirtschaft.106 Somit geriet der Plan zu einem Dokument, das Senghors Anhänger ebenso zufrieden stellen konnte wie jene politischen Akteure und gesellschaftlichen Kräfte, die bis zur Dakarer Dezemberkrise 1962 Dias Lager angehört hatten. Die bemerkenswerte Parallelität von Kontinuität und Abgrenzung, die den zweiten Plan in inhaltlicher und programmatischer Hinsicht prägte, ist einerseits ein weiterer Beleg für Senghors Desinteresse an entwicklungspolitischen Fragen, illustriert andererseits aber auch dessen politisches Geschick, innersenegalesische Konflikte zu überdecken. Zugleich war der zweite Plan Ausdruck eines Kompromisses zwischen Prämissen des senegalesischen Entwicklungsweges und den Imperativen ausländischer Geldgeber, von denen die EWG mit ihrem Produktionshilfeprogramm den größten Einfluss ausübte. Er sollte nach außen Kompromissbereitschaft signalisieren und nach innen die entwicklungspolitischen Bemühungen der Regierung hervorheben. So entstand mit dem zweiten senegalesischen Plan ein komplexes System paralleler, wenn nicht entgegengesetzter Teilpläne, das gravierende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Senegal haben sollte. Mit den vom Assoziationsabkommen festgelegten ökonomischen Rahmenbedingungen für den Erdnusssektor, die zugleich die Stoßrichtung des zweiten Plans diktierten, wollte sich die senegalesische Regierung jedoch noch nicht endgültig abfinden. Eine letzte Chance, diese zu ändern, bot die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik.

104 Vgl. AMAEF Sénégal 88: MAC an ministère de la Coopération français, 15.7.1964; ebd. Sénégal 107: Amb. Dakar an MAEF, 26.5.1966. 105 RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 0. 106 Vgl. ebd. S. 14, 37.

Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik

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3. Peanuts: Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Nach der Einigung auf ein neues Assoziationsabkommen im Dezember 1962 stand die senegalesische Erdnusswirtschaft vor einer ungewissen Zukunft. Schließlich waren sämtliche Bemühungen, im Nachhinein bessere Konditionen für den Erdnusssektor im Rahmen der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik zu erreichen, nicht von Erfolg gekrönt. Auf positive Effekte des Produktionshilfeprogramms allein wollte sich die senegalesische Regierung jedoch nicht verlassen. Deswegen versuchte sie alsbald, die ihrer Meinung nach bestehenden Unzulänglichkeiten dieses Programms auf dem Feld der Gemeinsamen Agrarpolitik auszugleichen. Es ist weithin bekannt, dass mit der ausschließlich auf die Mitgliedsstaaten ausgerichteten GAP ein hoch protektionistisches System begründet wurde, das zulasten der Produzenten aus dritten Staaten und insbesondere derjenigen aus sogenannten Entwicklungsländern ging.107 Dass zumindest für die assoziierten Staaten in den 1960er Jahren alternative Szenarien zur Diskussion standen, hat demgegenüber bislang kaum Beachtung gefunden. Im folgenden Kapitel wird deshalb zu erörtern sein, warum sich in der GAP entwicklungspolitische Maßnahmen nicht dauerhaft durchsetzen konnten. Der Senegal versuchte, im Rahmen der GAP Garantien für eine gewisse Preisstabilität senegalesischer Erdnusserzeugnisse zu erreichen. Dieses Ansinnen war keineswegs aus der Luft gegriffen. Artikel 11 des Abkommens von Yaoundé legte fest, dass eine „angemessene Berücksichtigung der Interessen der assoziierten Staaten in der Vorbereitung und Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik“108 zu gewährleisten sei. Bereits während der letzten Ministerkonferenz im Dezember 1962, die zum Abschluss der Verhandlungen führte, forderte Botschafter Gueye eine Konkretisierung des genannten Artikels und wies darauf hin, dass „die Hoffnung auf Schaffung gemeinsamer Marktorganisation, welche die Beseitigung der Preisschwankungen bei Rohstoffen ermöglichten, [...] mehrere assoziierte Staaten darin bestärkt, ihre Assoziation mit der Gemeinschaft fortzusetzen.“109

Die rechtliche Grundlage für die senegalesische Initiative war also gegeben. Im Laufe des folgenden Jahres wiederholte Gueye sein Anliegen im Assoziationsausschuss. Er sprach sich in dem Gremium dafür aus, Konsultationen bezüglich der GAP zwischen den Mitgliedsstaaten und den assoziierten Ländern bereits auf Sachverständigenebene abzuhalten. Die Mitgliedsstaaten wurden sich allerdings rasch einig, dass die 107 Vgl. Raikes (1988), S. 146–170. 108 Abl.EG L Nr. 93, 11.6.1964, S. 1431: Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, hier Art. 11. 109 HAEU 17/1969-60, S. 247: Rat, Vermerk, 6.11.1963, Anlage, hier S. 258.

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assoziierten Staaten erst dann zu konsultieren seien, wenn sich der Rat auf einen gemeinsamen Standpunkt festgelegt hätte. Zugleich wurde der Kommission aufgetragen, die assoziierten Staaten über die Geschehnisse im Rahmen der GAP auf dem Laufenden zu halten.110 Über Art und Ausmaß der Berücksichtigung wollten die Mitgliedsstaaten demnach lieber hinter verschlossenen Türen entscheiden. Senegals Botschafter Gueye musste sich in Brüssel mit der Zuschauerrolle begnügen, und die Einflussmöglichkeiten der senegalesischen Regierung auf die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik blieben fortan auf gezielte Lobbyarbeit bei den Regierungen der Mitgliedsstaaten sowie bei der EWG-Kommission begrenzt. In der DG VIII wurde die prekäre Lage der senegalesischen Erdnusswirtschaft frühzeitig erkannt. Insbesondere der deutsche Generaldirektor Heinrich Hendus machte sich zum Anwalt der senegalesischen Erdnussprobleme und setzte, ähnlich wie die Regierung in Dakar, zunächst große Hoffnungen in die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Fettmarktes. Bereits im Januar 1963 unterrichtete er seinen Kollegen von der Generaldirektion VI für Landwirtschaft, den Franzosen Georges Louis Rabot, über die Unzulänglichkeiten des Assoziationsabkommens. Hendus berief sich dabei auf einen Vorschlag des niederländischen Agrarkommissars Sicco Mansholt zur Gründung eines gemeinsamen Fettmarktes vom Juli 1961 und stellte fest, dass die bevorstehende Produktionshilfe deutlich von den damals festgelegten Prinzipien zu Ungunsten der assoziierten Länder abwich. Man müsse vor allem bedenken, so Hendus, dass die afrikanischen Länder, anders als die europäischen Mitgliedsstaaten, stark von ihren landwirtschaftlichen Erzeugnissen abhängig seien. Deshalb sprach sich der Generaldirektor für eine prinzipielle Gleichbehandlung europäischer und afrikanischer Bauern im Rahmen der Errichtung eines gemeinsamen Fettmarktes aus.111 Rabot war jedoch gänzlich anderer Auffassung. Er ließ Hendus wissen, dass Mansholts Vorschlag seiner Generaldirektion längst nicht mehr als Arbeitsgrundlage diene und bemerkte zum Yaoundé-Abkommen kurz und knapp: „Ces aides sont suffisantes.“ Aufgabe der GAP sei es lediglich, den Absatz der betroffenen Erzeugnisse zu ermöglichen und eine gewisse Preisstabilität zu sichern. Damit war einerseits die im Assoziationsabkommen vorgesehene Zollpräferenz von 10 bis 15 Prozent auf Pflanzenöle angesprochen. Andererseits stellte der Franzose eine Härtefallregelung für Ölsaaten in Aussicht, die nur dann greifen sollte, wenn der betreffende Weltmarktpreis unter ein bestimmtes Preisniveau sinken würde.112 110 Vgl. HAEU 19/1969-169, S. 361: DG VIII, Activités du comité intérimaire CEE/ EAMA, o.D. [1963], hier S. 366f. 111 Vgl. HAEU 17/1969-60, S. 193: Hendus an Rabot, 23.1.1963; ebd. 17/1969-58, S. 94: DG VI, Vorschläge für die gemeinsame Politik auf dem Fettmarkt (Mitteilung Mansholt), 5.8.1961; zu weiteren frühen Planspielen von DG VI und DG VIII bezüglich der senegalesischen Erdnuss vgl. Rempe (2009b), S. 223–225. 112 Vgl. HAEU 17/1969-60, S. 211: Rabot an Hendus, 26.4.1963.

Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik

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Hendus zeigte sich überrascht, dass seine Generaldirektion nicht in diesen Kurswechsel mit einbezogen worden war. Inhaltlich begrüßte er dagegen Rabots Vorschlag, einen Mechanismus zur Preisstabilisierung einzurichten, forderte jedoch, neben Ölsaaten auch unraffinierte wie raffinierte Öle von der Regelung profitieren zu lassen, da andernfalls mit Fug und Recht behauptet werden könne, dass die EWG Industrialisierungsanstrengungen in den assoziierten Ländern bestrafen würde. Dabei dachte der Deutsche ganz besonders an den Senegal, in dem eine vergleichsweise moderne Ölverarbeitungsindustrie ansässig war, die freilich überwiegend in französischen Händen lag.113 Hendus’ Argument schien die federführende DG VI überzeugt zu haben. Der Kommissionsvorschlag zur „Berücksichtigung der Interessen der assoziierten Länder im Fettsektor“ vom Juli 1963 sah einen Stabilisierungsmechanismus für Saaten und Öle vor, der über die Einführung einer Fettsteuer gegenfinanziert werden sollte.114 Als sich der Ausschuss der Ständigen Vertreter im Oktober 1963 erstmals mit dem Vorschlag beschäftigte, konnte sich bis auf die französische keine Delegation für den Kommissionsvorschlag erwärmen. Die ,Fünf ‘ waren sich einig, dass jenseits der Leistungen an den EEF keine weiteren finanziellen Verpflichtungen gegenüber den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar (AASM) eingegangen werden könnten. Frankreich dagegen begrüßte die Initiative und wies darauf hin, dass das Assoziationsabkommen keine wirksamen Instrumente gegen ein Absinken der Weltmarktpreise bereithalte. In der darauffolgenden Verhandlungsrunde einen guten Monat später zeigte sich die Kommission besser vorbereitet und versuchte, den skeptischen Delegationen ihren Vorschlag schmackhaft zu machen. Sie rechnete jenen vor, dass allein die Steuern auf Importe afrikanischer Fette gut 70 Millionen DM in die Kassen spülen würden, während sich die Preisstabilisierungsausgaben auf lediglich 20 Millionen DM jährlich belaufen würden. Außerdem sollte der Interventionspreis von Zeit zu Zeit überprüft werden können. Es ginge letztlich nur um „mesures temporaires de caractère limitatif soumis à un examen et à des décisions périodiques.“115 Doch die Strategie der Kommission, das Regelwerk kleinzureden, schlug fehl. Der deutsche und der italienische Vertreter verwehrten sich gegen die Auffassung, dass Steuererhebungen Kompensationsansprüche hervorbringen könnten, und der belgische Botschafter Joseph van der Meulen befürchtete sogar, dass der degressive Charakter der Produktionshilfe dadurch außer Kraft gesetzt werden könnte.116 Der gemeinsame Widerstand aller Mitgliedsstaaten außer Frankreich konnte auch mit den Argumenten der EWG-Kommission nicht aufgebrochen werden – bis 113 Vgl. HAEU 17/1969-60, S. 221: Hendus an Rabot, 21.5.1963. 114 Vgl. HAEU 17/1969-61, S. 27: KOM, Vermerk für die Mitglieder der Kommission, 9.12.1963. 115 HAEU 17/1969-60, S. 318: DG VIII, Note de travail, 25.11.1963, hier S. 325. 116 Vgl. HAEU 17/1969-61, S. 27: KOM, Vermerk für die Herren Mitglieder der Kommission, 9.12.1963.

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Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren

zur Nacht des 23. Dezember 1963, als in Brüssel, aus rein europäischem Blickwinkel betrachtet, um wesentlich bedeutendere Dinge gerungen wurde. Letztlich war es dem Verhandlungsgeschick der Kommission zu verdanken, dass die Grundsätze zugunsten der AASM unverändert verabschiedet wurden: Nach zähen Verhandlungen entschied sich diese, die Grundprinzipien für den (europäischen) Fettmarkt einschließlich der Vorschläge zugunsten der afrikanischen Staaten mit weiteren Grundsatzentscheidungen der GAP zu einem Gesamtpaket zu verbinden. So entstand ein für Brüsseler Verhandlungsrunden typischer package deal, aus dem alle Mitgliedsstaaten unterschiedliche Vorteile zogen und deshalb die ein oder andere Kröte zu schlucken bereit waren.117 Dementsprechend bedauerte der ansonsten sehr zufriedene deutsche Ständige Vertreter Günther Harkort in seinem Bericht nach Bonn nachhaltig, dass das Gesamtpaket auch Verpflichtungen in Bezug auf die assoziierten Staaten enthielt.118 Mit der Einigung auf die Grundprinzipien beauftragte der Rat die Kommission zugleich, bis November 1964 eine Verordnung über die Einrichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für pflanzliche Fette vorzulegen. Die Verordnung sollte neben den Sondermaßnahmen für die assoziierten Staaten auch die Modalitäten der Beihilfen für europäische Landwirte sowie einer Fettsteuer auf europäische und importierte Fette regeln.119 Die senegalesische Regierung zeigte sich enttäuscht über dieses Ergebnis. Botschafter Gueye kritisierte die Entscheidung nicht nur, weil sein Land von den Beratungen ausgeschlossen worden war. Er bemängelte insbesondere, dass das geplante Regelwerk keine Absatzgarantien für die assoziierten Staaten in Aussicht stellte, obwohl die EWG ihren Fettbedarf nur zu 20 Prozent aus eigenen Erzeugnissen decken konnte. Auf einer Sitzung des Assoziationsausschusses im Januar 1964 bekräftigte Gueye den Standpunkt seines Landes und beklagte, „dass die Gemeinschaft, die ihre Agrarerzeugung in aller Öffentlichkeit schütze, von den assoziierten Staaten im Namen des Wirtschaftsliberalismus fordere, dass diese ihre Produktionen liberalisieren, die doch unter Rentabilitätsbedingungen erfolgten, bei denen der Bevölkerung dieser Staaten keine angemessene Lebenshaltung gewährleistet werden könne.“120

117 Die anderen Grundsatzentscheidungen betrafen Marktordnungen für Reis, Milch und Rindfleisch, die Festlegung des Getreidepreises sowie eine einheitliche Positionierung in Bezug auf die bevorstehende Handelsrunde im GATT. Zu den Hintergründen des package deal vgl. Ludlow (2006a), S. 32–36; zur Haltung der Bundesregierung, der es vor allem darum ging, einen hohen Getreidepreis beizubehalten, vgl. ausführlich Patel (2009b), S. 251–265. 118 Vgl. PAAA B 20-756: Telegramm Ständige Vertretung an AA, 24.12.1963. 119 Vgl. HAEU 17/1969-61, S. 77: Entscheidung des Rates, 31.1.1964. 120 HAEU 19/1969-172, S. 261: Interimsausschuss, Bericht über die dritte Tagung, 26.2.1964, hier S. 263, 269.

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Damit brachte der senegalesische Botschafter die Gegensätzlichkeit zwischen gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik und Gemeinsamer Agrarpolitik auf den Punkt. Die senegalesischen Hoffnungen auf angemessene Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen der GAP wurden mit der Entscheidung vom Dezember 1963 somit deutlich gedämpft. Dennoch blieb dieser Rahmen der einzige, in dem noch Verhandlungsspielraum bestand. Dass der Senegal an diesem Prozess nicht direkt beteiligt wurde, wog umso schwerer, als mit der Einrichtung einer europäischen Marktorganisation für pflanzliche Fette zeitgleich auch die bisherige Finanzierungsquelle bilateraler französischer Subventionen definitiv versickern würde. Mit Blick auf die senegalesische Erdnusswirtschaft wandelte sich die GAP so von einer vielversprechenden Alternative rasch zu einem Damoklesschwert. Angesichts dieser Situation hätte es nahegelegen, dass die senegalesische Regierung jede weitere Verzögerung bei der Umsetzung der GAP begrüßt hätte. Doch sie wich den Realitäten nicht aus. Früher oder später musste mit der Realisierung der GAP und folglich dem Wegfall der französischen Beihilfen gerechnet werden, weswegen die Verantwortlichen in Dakar weiterhin unermüdlich für eine angemessene Berücksichtigung innerhalb der GAP warben. *** Zumindest auf die DG VIII und insbesondere Generaldirektor Hendus konnte sich der Senegal nach wie vor verlassen. Hendus ergriff unmittelbar nach der Einigung im Rat erneut die Initiative und schickte seinem Kollegen Rabot einen konkreten Regelungsvorschlag. Er plädierte dafür, ein separates, vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) getrenntes Budget für den Stabilisierungsmechanismus einzurichten und dafür jährlich 30 Millionen DM zu reservieren. Außerdem schlug er vor, die Mittel im Voraus, das heißt noch vor der Vermarktungsperiode, zu gewähren. Schließlich drängte Hendus darauf, die Regelung für die assoziierten Staaten bereits zum November 1964 wirksam werden zu lassen und dadurch vom Zeitplan des europäischen Regelwerks abzukoppeln.121 Alle drei Punkte gingen weit über die Prinzipien hinaus, die der Rat verabschiedet hatte, und hätten sich zugunsten der Empfängerländer ausgewirkt. Erwartungsgemäß lehnte Rabot solche Alleingänge ab. Abgesehen von der Abtrennung des Budgets wies er alle anderen Ideen entschieden zurück. Außerdem ließ er seinen Kollegen von der DG VIII mit Blick auf die europäische Pflanzenölindustrie wissen, dass das Regelwerk Ölexporte aus den assoziierten Staaten nicht stärker fördern dürfe als Exporte von Ölsaaten.122 Kurzum hatte sich nichts geändert an den unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der EWG-Kommission. Bemerkenswert an dieser Auseinandersetzung war 121 Vgl. HAEU 17/1969-61, S. 112: Hendus an Rabot, 5.3.1964. 122 Vgl. ebd., S. 124: Rabot an Hendus, 14.4.1964.

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allerdings, dass ein Franzose die deutsche Ratsposition verfocht, während sich ein Deutscher die französische zu eigen machte. Dies zeigt, wie rasch innerhalb der Generaldirektionen nationale Loyalitäten an Bedeutung verloren.123 Weil auf der Ebene der Generaldirektoren kein Kompromiss erzielt werden konnte, wurde die Angelegenheit bald darauf zur Chefsache erklärt. Der neue Kommissar der DG VIII, Henri Rochereau, der Anfang 1962 die Nachfolge von Robert Lemaignen angetreten und bis dahin in Paris das Landwirtschaftsministerium geführt hatte, wandte sich an Agrarkommissar Mansholt. Er warnte seinen Kollegen davor, „combien le poursuite de certains objectifs de la politique agricole commune pourrait être contradictoire avec les objectifs que se sont assignés les États membres par la Convention d’association, si une aide particulière aux EAMA n’était pas consentie par l’organisation de marché envisagée sur des bases efficaces.“

Er sekundierte außerdem Hendus’ Anliegen, den Mechanismus so bald wie möglich zu implementieren, denn eine nachträgliche Auszahlung, so Rochereau weiter, würde bei manchen Ländern bedeuten, „à les secourir lorsque la faillite serait consommée.”124 Trotz fundierter Argumente konnte Rochereau jedoch Mansholt nicht umstimmen. Der mit gut einem Monat Verspätung eingebrachte Vorschlag der Kommission vom Dezember 1964 hielt an nachträglichen Beihilfen ebenso fest wie am ursprünglichen Zeitplan, der eine europäische Marktorganisation für pflanzliche Fette einschließlich der Sonderregelungen für die assoziierten Staaten erst für Mitte 1965 vorsah.125 Als noch folgenreicher sollte sich allerdings die Bestimmung erweisen, dass die Laufzeit der Verordnung an die Geltungsdauer des Assoziationsabkommens gebunden wurde, das zum 1. Juni 1969 auslief.126 Die Begrenzung erhöhte erheblich den Zeitdruck, sollten die assoziierten Staaten von der Regelung noch profitieren. Erwar123 Auch Seidel (2010) betont die Unabhängigkeit der EWG-Beamten. Darüber hinaus vertritt sie die These einer distinkten Verwaltungskultur der DG VI, die deswegen besonders einheitlich aufgetreten sei und so den Beinamen „Glamour DG“ erhielt, vgl. Seidel (2009b); ähnlichen Entwicklungen unterlag auch die Generaldirektion Wettbewerb, vgl. Seidel (2009a); für die DG VIII wurde bislang gleichfalls von einem starken esprit de corps ausgegangen, vgl. Dimier (2008); Dimier (2003); dieser Deutung folgt die vorliegende Studie jedoch nicht, wie bereits aus Kapitel I.3. hervorgegangen ist. Dass Hendus eine andere Auffassung als die Bundesregierung vertrat, sagt noch nichts über das Innenleben der DG VIII aus, das sich eher konfliktreich gestaltete, vgl. dazu insbesondere Kap. II.5. und Kap. III.4. 124 HAEU 17/1969-61, S. 145: Rochereau an Mansholt, 10.11.1964. 125 Die Gewährung von Beihilfen im Voraus war allerdings als Ausnahmeregelung auf Antrag der assoziierten Staaten und nach Zustimmung des Rates möglich. 126 Vgl. HAEU 17/1969-61, S. 112: Hendus an Rabot, 5.3.1964; die Idee zur begrenzten Laufzeit stammte offenbar von Hendus persönlich, der wohl darauf spekulierte, dass im Zuge von Verhandlungen über ein neues Abkommen bessere Bedingungen erreicht werden könnten.

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tungsgemäß verspürte der Ausschuss der Ständigen Vertreter jedoch keine Eile. Im Gegenteil zeigten erste Diskussionen im Landwirtschaftsausschuss, dass insbesondere die deutsche Delegation den Kommissionsvorschlag kategorisch ablehnte und sogar Zweifel äußerte, ob die Entscheidung vom Dezember 1963 überhaupt neue finanzielle Verpflichtungen erlauben würde. Sollten neue Mittel notwendig sein, so der deutsche Vertreter, müssten diese auf 5 Millionen RE pro Jahr begrenzt werden und das gesamte Regelwerk den nationalen Parlamenten zur Zustimmung vorgelegt werden. Gänzlich konträr zum Sinn und Zweck des Mechanismus verlangte die deutsche Delegation schließlich, die Preisausgleichszahlungen degressiv zu gewähren.127 Angesichts solcher Widerstände waren Fortschritte kaum zu erzielen. Freilich war die Berücksichtigung der assoziierten Staaten im Rahmen des Fettmarktes im Frühjahr 1965 auch nicht das dringlichste Problem, das in Brüssel auf der Agenda der Mitgliedsstaaten stand. Ähnlich wie bereits im Winter 1963 war das Schicksal der Sonderregelung aufs engste mit den größeren europäischen Fragen der Gemeinsamen Agrarpolitik verbunden. In den Diskussionen um den Finanzrahmen der GAP verschlechterte sich die Atmosphäre von Treffen zu Treffen und gipfelte schließlich Anfang Juli 1965 in der berühmten Krise des leeren Stuhls.128 Bereits zwei Monate vor ihrem Ausbruch beklagte Hendus sichtlich frustriert den Stillstand in der GAP: „Au point où l’on est actuellement, il semble que seul un coup de fouet politique puisse accélérer la procédure. Ce désir de faire vite n’apparaît en ce moment chez aucune délégation, en tous cas pas du coté de la présidence. Il est très difficile d’apprécier les conditions tactiques d’une réussite, qui serait évidemment favorisée par un nouveau ,package deal‘ dont on ne voit pas encore les contours, ni les échéances, et dont les perspectives échappent au niveau des exécutants.“129

Der senegalesischen Regierung blieb kaum anderes übrig, als das zwieträchtige Treiben der ,Sechs‘ besorgt zur Kenntnis zu nehmen und zwischendurch erneut zu protestieren, dass sie nicht mit am Verhandlungstisch sitzen durfte. Zudem lud Präsident Senghor Sicco Mansholt für Anfang April 1965 zu einem offiziellen Besuch in den Senegal ein. Der Agrarkommissar und stellvertretende Kommissionspräsident nahm an den Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag der Unabhängigkeit teil, sollte sich vor allem aber persönlich ein Bild von der senegalesischen Erdnusswirtschaft machen. Einem Bericht der französischen Botschaft in Dakar zufolge erkannte er im Laufe seines Aufenthaltes mehr und mehr die Tragweite der senegalesischen Probleme. Insbeson127 Vgl. HAEU 17/1969-62, S. 185: Hendus an Rochereau, 29.3.1965. 128 Zur Entstehungsgeschichte der Krise des leeren Stuhls, die de Gaulle auslöste, indem er nach den gescheiterten Verhandlungen den Ständigen Vertreter aus Brüssel zurückrief, vgl. Ludlow (2006a), S. 40–70; Patel (2009b), S. 289–297; außerdem Palayret/Wallace/ Winand (2006). 129 HAEU 17/1969-62, S. 227: Hendus an Rochereau, 3.5.1965; die Präsidentschaft hatte zu der Zeit die französische Regierung inne.

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dere der Besuch einiger Kooperativen im Sine-Saloum soll ihm die Augen geöffnet haben. Als der Niederländer den Direktor einer Genossenschaft fragte, welchen Preis er für seine Erdnüsse glaube erzielen zu können, soll ihm dieser geantwortet haben: „Quand l’enfant fait ses premiers pas, il ne demande pas à qui lui tend la main dans quelle direction il l’emmène, mais il marche confiant à ses côtés.“130 Man kann darüber spekulieren, inwiefern diese Begegnung von senegalesischer Seite bewusst inszeniert wurde, jedenfalls dokumentiert sie ein – aufrichtiges oder gestelltes – Verhaltensmuster, das stark an die asymmetrischen Machtbeziehungen der Kolonialzeit erinnert.131 Die Treuebekundung des Genossenschaftsdirektors blieb nicht ohne Wirkung auf den Niederländer, der zuvor noch während eines Empfangs angemerkt hatte, dass freundschaftliche Beziehungen zwischen den Völkern zu wichtig seien, als dass sie von bislang ungelösten wirtschaftlichen Detailfragen überlagert werden dürften. Nach den Erlebnissen im Sine-Saloum korrigierte er seinen Standpunkt und plädierte für eine stärkere Repräsentation und Einbindung der assoziierten Staaten in Brüssel, vermied es jedoch weiterhin, konkrete Versprechen zu der Sonderregelung im Rahmen der GAP zu machen. Im Ergebnis scheint der Besuch des Agrarkommissars eher das Image der EWG im Senegal aufpoliert zu haben; die Aussichten des Landes auf eine angemessene Berücksichtigung im zukünftigen Fettmarkt blieben dagegen unverändert trübe.132 Der Rückzug des französischen Vertreters aus Brüssel im Juli 1965 blockierte zunächst weitere Fortschritte in der Gemeinsamen Agrarpolitik. Auch wenn Senghor über die Krise des leeren Stuhls nicht erfreut war, so ermöglichte der Stillstand in Brüssel zumindest eine Verlängerung des französisch-senegalesischen Erdnussabkommens um ein weiteres Jahr. Im Oktober 1965 wurde eine Konvention mit einem leicht gesenkten Garantiepreis sowie etwas kleineren Abnahmekontingenten geschlossen. Dabei sorgte sich die französische Regierung nicht so sehr um das Wohl der senegalesischen Erdnussbauern als vielmehr um die Machtposition Senghors, die sich vor allem der Unterstützung seitens der ländlichen Bevölkerung beziehungsweise der einflussreichen Muriden-Bruderschaft verdankte.133 Nachdem der Luxemburger Kompromiss134 Ende Januar 1966 die Krise des leeren Stuhls beendet und die Gemeinschaft aus ihrer zwischenzeitlichen Handlungsunfähig130 Vgl. CAD Dakar AMB 288: de Lagarde an Couve de Murville, 7.4.1965. 131 Dies ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass die für den Kolonialismus typische Metapher vom Kind, das geführt werden müsse, in Anschlag gebracht wurde, vgl. dazu Rist (2008), S. 53–56; Karagiannis (2004), S. 65–68. 132 Vgl. CAD Dakar AMB 288: de Lagarde an Couve de Murville, 7.4.1965. 133 Vgl. AMAEF Sénégal 99: de Lagarde an Couve de Murville, 16.7.1965; ebd.: Triboulet an Cabou, 2.10.1965; zum Verhältnis zwischen Senghor und den Muriden vgl. Loimeier (2001), S. 152–164. 134 Der Kompromiss bestand in einem gentlemen’s agreement in Bezug auf Mehrheitsentscheidungen des Rates. Fortan konnten Mitgliedsstaaten unter Berufung auf besondere

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keit befreit hatte, einigte sich der Rat darauf, bis zum Juli desselben Jahres eine Marktorganisation für pflanzliche Öle und Ölsaaten zu verabschieden. Weil die europäische Dimension des Vorhabens in den Verhandlungen eindeutig Priorität genoss, entstand die Gefahr, dass es zu einer europäischen Marktordnung und damit automatisch zu einer Einstellung der bilateralen französischen Subventionen kommen könnte, ohne dass gleichzeitig europäische Kompensationsleistungen erfolgen würden. Deswegen intervenierte der senegalesische Handelsminister Daniel Cabou persönlich in Brüssel und verwies auf die Grundsatzentscheidung des Rates vom Dezember 1963, in der die gleichzeitige Umsetzung der beiden Mechanismen festgelegt worden war. Alle anderen Lösungen, so Cabou in seinem an die Ständigen Vertreter und die Landwirtschaftsminister der ,Sechs‘ gerichteten Memorandum, würden „renoncer à l’esprit même de l’association“.135 Es war nicht das erste Mal, dass senegalesische Vertreter den Geist der Zusammenarbeit beschworen, um die europäischen Partner zu einer etwas konzilianteren Haltung zu bewegen. Anders allerdings als im Frühjahr 1963, als die senegalesische Regierung im guten Glauben an die eurafrikanische Solidarität die PDH nachverhandeln wollte, konnte sie sich dieses Mal auch auf einen Grundsatzbeschluss des Ministerrates berufen. Die Mitgliedsstaaten lenkten in der Sache ein, behielten die Marschroute ihrer Verhandlungen jedoch bei. Anlässlich der dritten Sitzung des Assoziationsrates in Madagaskars Hauptstadt Tananarive im Mai 1966 wurde versichert, dass die europäische Regelung und jene für die AASM zeitgleich in Kraft treten würden. Dessen ungeachtet diskutierten die Ständigen Vertreter in Brüssel weiterhin nur die europäische Regelung und einigten sich schließlich im September 1966 auf die Errichtung einer europäischen Marktordnung für pflanzliche Öle und Ölsaaten ab dem 1. Juli 1967.136 Damit blieb der EWG noch ein gutes Dreivierteljahr, um auch für die assoziierten Staaten zu einer Regelung zu gelangen. Dennoch ließ die klare Bevorzugung der europäischen gegenüber der afrikanischen Dimension des gemeinsamen Fettmarktes keinen Zweifel daran, dass die große Mehrheit der Mitgliedsstaaten eine langfristige Verschränkung von Gemeinsamer Agrarpolitik und gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik grundsätzlich ablehnte. Wie wenig die Interessen der afrikanischen Staaten in der GAP berücksichtigt wurden, zeigt sich auch daran, dass der gewählte Zeitpunkt des Systemwechsels (1. Juli 1967) inmitten der Vermarktungsphase der senegalesischen Erdnuss lag und deshalb starke Marktstörungen zu erwarten waren. Anlässlich der erneuten Verlängenationale Interessen Einstimmigkeit einfordern, vgl. zu den Details und Hintergründen des Kompromisses Pescatore (2006), S. 243–250. 135 CAD Dakar AMB 735: Cabou an die Ständigen Vertreter der EWG, 2.5.1966; vgl. auch ebd. Dakar AMB 288: Moreau an MAEF, 17.5.1966. 136 Vgl. HAEU 25/1980-317, S. 3: KOM, Bericht über die dritte Tagung des Assoziationsrates in Tananarive, 2.6.1966; Abl.EG L Nr. 172, 30.9.1966, S. 3025: Verordnung Nr. 136/66 des Rates über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette.

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rung des bilateralen Abkommens mit Frankreich gelang es Handelsminister Cabou jedoch mit Hilfe der ehemaligen Metropole, in Brüssel eine Übergangsregelung zu erreichen, sodass die Subventionen aus Paris erst zum Jahresende 1967 auslaufen sollten.137 Im Dezember 1966 schließlich legte die Kommission dem Rat einen modifizierten Vorschlag für den Preisstabilisierungsmechanismus vor. Für die DG VIII ging es dabei längst nicht mehr darum, eine tragfähige Lösung für die senegalesische Erdnusswirtschaft zu finden. Gegen den Widerstand der DG VI sowie fünf der sechs Mitgliedsstaaten konnte sie nichts ausrichten. Wenn insbesondere Generaldirektor Hendus dennoch hartnäckig blieb, so lag das daran, dass er im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik die Funktionsweisen des Mechanismus im Hinblick auf ein zukünftiges Assoziationsabkommen testen wollte.138 Die Vorlage bewegte sich in einer finanziellen Größenordnung von 21,5 Millionen RE für die verbleibenden zwei Jahre für alle assoziierten Staaten, die Ölsaaten erzeugten; die von der DG VIII geforderten 26 Millionen hatte die federführende Generaldirektion Landwirtschaft zurückgewiesen.139 Als Referenzpreis für Erdnüsse wurden 180 RE pro Tonne festgesetzt. Ausschließlich die nach Europa exportierten Erdnüsse sollten Berücksichtigung finden, von diesen wiederum lediglich 90 Prozent, und nur bis zu einer gewissen Obergrenze, die sich aus der proportionalen Verteilung des Gesamtbudgets auf alle betroffenen AASM ergab. Zur Finanzierung wurden einmalige Sonderzahlungen der Mitgliedsstaaten vorgesehen.140 Abgesehen davon, dass es sich mit der 90-Prozent-Regel sowie der Europa-Regel um Bestimmungen zum Nachteil der assoziierten Staaten handelte, bildete die Höhe des Referenzpreises doch den eigentlichen Knackpunkt am Kommissionsvorschlag. Der durchschnittliche Weltmarktpreis der letzten zehn Jahre für Erdnüsse belief sich auf 190 RE pro Tonne. Diesen Preis peilte die senegalesische Regierung auch für die Zeit nach Auslaufen des Produktionshilfeprogramms im Jahr 1969 an. Wenngleich die EWG-Kommission einschließlich der DG VIII dieses Preisziel als zu optimistisch kritisiert hatte, so nahm ein Referenzpreis, der sogar unterhalb des vergleichsweise

137 Vgl. dazu im Detail Rempe (2009b), S. 236f. 138 Vgl. HAEU 17/1969-66, S. 21: Hendus an Rochereau, 14.7.1966; ein derartiger Kommissionsvorschlag scheiterte 1969 jedoch am Widerstand aus Bonn und Den Haag, vgl. Vahsen (2010), S. 377. 139 Zu den Ölsaaten erzeugenden Ländern gehörten neben dem Senegal Mali, Niger, die Elfenbeinküste, Dahomey und Togo, vgl. zu diesem Wirtschaftszweig der genannten Länder grundlegend Péhaut (1974). 140 Vgl. HAEU 17/1969-66, S. 238: DG VI/VIII, Proposition modifié de règlement du Conseil, o.D. [1966]; der modifizierte Vorschlag stellte im Vergleich zu seinem Vorgänger einen Rückschritt für den Senegal dar, vgl. zu den Modifikationen im Detail ebd., S. 232: Hendus an Rochereau, 28.9.1966.

Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik

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niedrigen Weltmarktpreises des laufenden Jahres von 186 RE lag, dem Mechanismus jeglichen Sinn.141 Während sich die senegalesische Regierung äußerst enttäuscht über die Vorlage der Kommission zeigte, konnte sie noch nicht ahnen, dass der Senegal aufgrund der deutschen Fundamentalopposition gegen das Regelwerk noch weniger davon profitieren würde, als die Vorlage in Aussicht gestellt hatte. Gewiss waren Italien und die Beneluxstaaten ähnlicher Auffassung wie die deutsche Delegation. Dennoch war es die Bundesregierung, die noch einmal in ihre frühere Rolle in der GAP als „veto player“142 schlüpfte und mit ihrer radikalen Gegenposition den Preisstabilisierungsmechanismus endgültig zu einem Luftschloss werden ließ. Bonn hatte sich auf die Position zurückgezogen, dass sich der Referenzpreis und der prozentuale Anteil der zu berücksichtigenden Importe nach der Gesamtsumme zu richten hätte, die die Bundesregierung auf maximal 10 Millionen RE begrenzen wollte.143 Aufgrund der äußerst gegensätzlichen Positionen im Ausschuss der Ständigen Vertreter – die französische Regierung unterstützte den Kommissionsvorschlag vorbehaltlos – wurde nicht nur das Versprechen von Tananarive gebrochen, die beiden Regelungen zeitgleich in Kraft treten zu lassen. Fortgesetzte Meinungsverschiedenheiten, die sich nicht zuletzt auf den finanziellen Verteilungsschlüssel bezogen, führten auch dazu, dass der Ministerrat über den Preisstabilisierungsmechanismus entscheiden musste.144 Bevor es Ende Juni zur entscheidenden Sitzung in Brüssel kam, versuchte Präsident Senghor ein letztes Mal, die Mitgliedsstaaten von der aus seiner Sicht absoluten Lebensnotwendigkeit eines angemessenen Regelwerkes zu überzeugen. Zum einen schickte er seinen Handelsminister in sämtliche Hauptstädte EWGEuropas, eine Maßnahme, die jedoch nur wenig Wirkung zeigte. In Bonn wurde Cabou lediglich von einem Ministerialdirektor im Landwirtschaftsministerium empfangen, der sich zudem über den Stand der Verhandlungen ebenso ausschwieg wie über den deutschen Standpunkt.145 Zum anderen forderte Präsident Senghor in einem persönlichen Brief an diverse französische Regierungsmitglieder – darunter 141 Dass bereits die Kommission mit einem derart niedrigen Referenzpreis in die Verhandlungen ging, war wiederum der DG VI geschuldet, die ursprünglich 170 RE als Referenzpreis für Erdnüsse festsetzen wollte. Der Referenzpreis von 180 RE war insofern das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den beiden Generaldirektionen, vgl. HAEU 17/1969-69, S. 261: de Benedictis an Chapperon, 7.12.1966; der tatsächliche durchschnittliche Weltmarktpreis des Jahres 1966 lag bei 186 RE, vgl. HAEU 7/1971-35, S. 44: KOM, Marktlage bei Ölerzeugnissen in der Gemeinschaft, 8.10.1968, Anlage, hier S. 60. 142 Patel (2009a), S. 144–150, Zitat S. 144. 143 Vgl. CAD Dakar AMB 753: MAES an Amb. Dakar, 9.3.1967; PAAA B 20-1202: Telegramm Ständige Vertretung an AA, 20.4.1967. 144 Vgl. dazu mit weiteren Details Rempe (2009b), S. 238f. 145 Vgl. PAAA B 20-1202: Stempel an Staatssekretär, 15.6.1967.

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Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren

Premier Georges Pompidou, Außenminister Maurice Couve de Murville und der Generalsekretär für afrikanische Angelegenheiten, Jacques Foccart – dazu auf, die senegalesische Position unverändert im Rat zu vertreten. Senghor gab als Marschroute einen Referenzpreis von 190 RE, eine 90-prozentige Berücksichtigung der Exporte sowie die Beibehaltung der von der Kommission vorgeschlagenen 21,5 Millionen RE als Minimalziel aus.146 Das Ergebnis wies schließlich ganz andere Zahlen aus: Obwohl es der französischen Delegation gelang, den Referenzpreis auf 186 RE hochzuhandeln, sank die Berücksichtigungsquote der nach Europa exportierten Ölsaaten auf 80 Prozent. Entscheidender aber war, dass sich die radikale deutsche Position letztlich bezahlt machte. Der Ministerrat einigte sich darauf, 14 Millionen RE für die verbleibenden zwei Jahre zur Verfügung zu stellen. Da fiel es kaum noch ins Gewicht, dass eine äußerst komplexe Regelung festlegte, Zahlungen aus dem Preisstabilisierungsmechanismus mit den Produktionsbeihilfen zu verrechnen.147 Eine Woche, bevor der Rat Ende Juli die Entscheidung absegnete, kam es zu Konsultationen im Assoziationsausschuss. Während sich Senegals Botschafter Gueye einmal mehr enttäuscht über den Ausgang der Verhandlungen zeigte, waren die Vertreter der Mitgliedsstaaten vergleichsweise kurz angebunden.148 Die Atmosphäre dieses Treffens spiegelte ebenso den wahren Geist der Zusammenarbeit zwischen dem Senegal und der EWG wider wie die Zeilen, die der deutsche Staatssekretär Rolf Lahr Botschafter Gueye zukommen ließ: „Die von der Gemeinschaft vorgesehenen Maßnahmen tragen den Interessen der assoziierten Staaten und namentlich der Republik Senegal weitgehend Rechnung. Die deutsche Regierung hat sich für das Zustandekommen dieses Beschlusses, der auch erhebliche finanzielle Leistungen vorsieht, nachdrücklich eingesetzt.“149

Die Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik verlief gänzlich anders, als es die senegalesische Regierung erwartet hatte. Die im Juli 1967 verabschiedeten Preisstabilisierungsmaßnahmen berührten weder die Zielsetzung noch die Durchführung des Produktionshilfeprogramms, mit dem die senegalesische Erdnusswirtschaft binnen fünf Jahren an den Weltmarkt herangeführt werden sollte. Bereits ein halbes Jahr 146 Vgl. CAD Dakar AMB 753: Senghor an Couve de Murville, 20.6.1967; dort auch die identischen Schreiben an die übrigen genannten Regierungsmitglieder. 147 Vgl. Abl.EG L Nr. 173, 29.7.1967, S. 14: Beschluss des Rates zur Einführung von Sondervorschriften für Ölsaaten und Saatenöle mit Ursprung in den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar; vgl. zu den Details des Regelwerkes einschließlich einer kritischen Beurteilung aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive auch Fonsegrive (1970), S. 164–166, 175f. 148 Vgl. HAEU 26/1969-329, S. 100: Conseil, Procès-verbal 17ème réunion du comité d’association, 29.3.1968. 149 PAAA B 20-1202: Lahr an Gueye, 28.7.1967.

137

Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik

nach der Entscheidung des Rates zeigte sich allerdings in aller Deutlichkeit, welch gravierende Folgen die Schwankungen des Weltmarkts hervorrufen konnten. Als die senegalesische Erdnusswirtschaft im Januar 1968 endgültig schutzlos dem Weltmarkt ausgesetzt wurde, befanden sich die Preise auf dem niedrigsten Niveau seit der senegalesischen Unabhängigkeit. Statt der 1967 erhaltenen 48,3 F CFA konnte der Senegal nur noch 39,4 F CFA für ein Kilogramm geschälter Erdnüsse erzielen. Gewährte Preisstützung im Rahmen der Produktionshilfe150151

Tranchen

Geschälte Erdnüsse Tonnen Plan

Ist

Verkaufspreis F CFA/kg Plan

Ist151

Deckungslücke F CFA/kg

Preisstützung F CFA/kg

Ist

Plan

Ist

Plan

Zielpreis F CFA/kg Plan

Ist

Summe Preisstützung Mio. F CFA Plan

Ist

1964/65 547.700 518.000 49,5

49,55 52,5

52,5

3,0

2,95

3,0

2,95 1.643 1.528

1965/66 584.750 638.000 47,5

48,0

49,5

49,75

2,0

1,75

2,0

1,66 1.170 1.058

1966/67 634.000 462.000 47,0

48,29 48,5

49,0

1,5

0,71

1,5

0,5

951

230

1967/68 693.900 550.000 46,5

39,4 46,51

44,3

0,01

4,9

0,01

1,5

10

825

43,0

44,0

0

1,0

0

0,45

0

220

1968/89152 767.000 490.000 46,0 152

46,0

Summe: 3.774 3.861

Wenngleich die EWG dank der fortgesetzten französischen Preis- und Abnahmegarantien und geringerer Ernteerträge bis dato knapp 1 Milliarde F CFA weniger an Beihilfen im Rahmen der Produktionshilfe ausgezahlt hatte als geplant, so konnte sie diesen Preissturz nur in geringem Umfang ausgleichen. Wie aus der vorstehenden Tabelle hervorgeht, waren die Prognosen des Fünfjahresprogramms damit hinfällig. Obwohl die senegalesische Regierung den Bauern den Abnahmepreis zu Beginn des Jahres 1968 um 15 Prozent kürzte und damit ihr ursprüngliches Preisziel von 46,5 F CFA um mehr als 2 F CFA nach unten korrigierte, entstand eine Finanzierungslücke, die letztlich der senegalesische Haushalt zu tragen hatte.153 Das Regelwerk der GAP leistete zunächst keinen Beitrag, diese Lücke zu schließen, zumal alle Mitgliedsstaaten außer Frankreich es ihren Parlamenten zur Ratifikation vorlegten. 150 Vgl. HAEU 25/1980-656, S. 99: DG VIII, Ajustements de la cinquième tranche, Februar 1969, annexe III, hier S. 130. 151 Die ersten drei Tranchen dieser Spalte listen den von Frankreich gewährten Garantiepreis auf; ab der vierten Jahresrate ist der tatsächliche mittlere Weltmarktpreis genannt. 152 Die Angaben zu dieser Tranche waren Prognosen. 153 Vgl. AMAEF Sénégal 100: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 17.11.1967; Schumacher (1975), S. 183; vgl. auch die Tabelle zur Entwicklung der Ankaufspreise, die der senegalesische Staat den Bauern zahlte, bei Touré (2002), S. 224.

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Infolgedessen konnten die Mittel erst im Frühjahr 1971 ausgezahlt werden, fast vier Jahre nach der Einigung im Ministerrat.154 *** Der Vorstoß der senegalesischen Regierung, die Gemeinsame Agrarpolitik und die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik miteinander zu verzahnen, blieb aus mehreren Gründen Episode. Erstens war die Bereitschaft schon innerhalb der EWG-Kommission zu gering, um das ursprünglich klar europäisch ausgerichtete Politikfeld der GAP für die assoziierten Staaten zu öffnen. Dies spiegelte sich insbesondere an der Positionierung der zuständigen Generaldirektion für Landwirtschaft wider, die sich ein ums andere Mal gegen die konzilianter eingestellte DG VIII durchzusetzen wusste. Das selbstbezogene Vorgehen der DG VI wurde zweitens von allen Mitgliedsstaaten außer Frankreich geteilt, ja sogar übertroffen. Ihr Widerstand gegen entwicklungspolitische Maßnahmen im Rahmen der GAP war zum einen auf ökonomisches Desinteresse zurückzuführen. Gerade in Bezug auf den Senegal waren historisch gewachsene Handelsstrukturen für die ablehnende Haltung der ,Fünf ‘ ebenso ursächlich, wie sie dem französischen Einsatz für eine angemessene Regelung zugrunde lagen, zumal der größte Teil senegalesischer Erdnussexporte auf dem französischen Markt abgesetzt wurde.155 Zum anderen ging es ersteren auch darum, einen Präzendenzfall zu verhindern, der zu massiven finanziellen Transfers zu führen drohte und den europäischen Charakter der GAP letztlich dauerhaft gefährdet hätte. Die Episode dient daher auch als erneutes Beispiel für die Grenzen, die die übrigen Mitgliedsstaaten den entwicklungspolitischen Vorstellungen Frankreichs in Brüssel setzten.156 Drittens schließlich hat die Zusammenarbeit im Rahmen der GAP verdeutlicht, dass der Senegal und die EWG von entwicklungspolitischen Beziehungen auf Augenhöhe noch weit entfernt waren. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Zusammenarbeit eröffnete die Multilateralisierung der Handelsbeziehungen dem Senegal keine neuen Handlungsspielräume. Ganz im Gegenteil wurde das afrikanische Land von Anfang an von den Beratungen ausgeschlossen. Hinzu kam, dass vor allem die Bundesregierung die Repräsentanten des Senegal in einer Art und Weise hinters Licht führte, die jene an diplomatische Verhaltensmuster aus dem französischen Spätkolonialismus erinnern musste: Im Zweifelsfall wurde damals über sie, nicht mit ihnen entschieden, und das Ergebnis im Nachhinein als Fortschritt verkauft. Dieser Befund sollte allerdings weniger als Beleg für 154 Vgl. Rempe (2009b), S. 239f. 155 Vgl. dazu ausführlich Kap. III.3. 156 Im Gegensatz zur inkrementellen GAP, bei der es der widerspenstigen Bundesregierung nie gelang, einmal getroffene Beschlüsse rückgängig zu machen, konnte Bonn zumindest die Aufrechterhaltung der Trennung von europäischer Agrar- und afrikanischer Entwicklungspolitik als klaren Triumph verbuchen, vgl. dazu Ludlow (2005), vor allem S. 359–363; zu Deutschland Patel (2009a).

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ein Fortdauern typisch kolonialer Verhandlungspraktiken gewertet werden. Vielmehr folgt daraus, dass der Kolonialismus eine Ära neben anderen war, die von asymmetrischen Machtbeziehungen geprägt wurde.157 Die Bundesregierung verfügte über keine rezenten kolonialen Erfahrungen und legte dennoch ein Verhalten an den Tag, das ein Vorhandensein solcher Erfahrungen vermuten hätte lassen. Im Ringen um einen Preisstabilisierungsmechanismus im Rahmen der GAP traten demnach nicht so sehr koloniale Kontinuitäten zu Tage. Stattdessen äußerte sich ein grundsätzlicheres Merkmal des Verhältnisses zwischen entwickelten und Entwicklungsländern beziehungsweise zwischen starken und schwachen Staaten: Letzere wurden von ersteren nicht ernst genommen.

4. Modernisierung in Public Private Partnership: Die Intervention der SATEC in der Erdnusswirtschaft Die Bemühungen der senegalesischen Regierung, die Vermarktung senegalesischer Erdnüsse zusammen mit der EWG auf eine solide Finanzierungsgrundlage zu stellen, waren mit der Entscheidung des Ministerrates vom Juli 1967 endgültig gescheitert. Verbliebene Hoffnungen ruhten daher auf den Strukturverbesserungsmaßnahmen im Rahmen des Produktionshilfeprogramms, die die Produktivität der Erdnusswirtschaft erheblich steigern und dadurch jene Ausfälle kompensieren helfen sollten, die der handelsrechtliche Systemwechsel in so drastischer Weise nach sich zog. Diese Maßnahmen betrafen die Bereitstellung neuer Infrastrukturen wie etwa die Einführung eines dezentralen Entschalungssystems, den Bau von Lagerhallen oder die Gründung weiterer Centres d’expansion rurale. Außerdem sollte die Herstellung und Verteilung qualitativ hochwertiger Erdnusssamen und Düngemittel sichergestellt sowie Vorkehrungen im Bereich der Bodenkonservierung getroffen werden.158 Das bedeutendste Projekt war allerdings die action de vulgarisation der französischen Société d’aide technique et de coopération (SATEC), die den Erdnussbauern neue Anbautechniken vermitteln sollte. Die Themen der Vulgarisation reichten vom ,richtigen‘ Aussäen des Saatguts über die angemessene Verwendung von Dünger bis hin zum Einsatz von Zugtieren für die Pflege der Ackerböden. Insbesondere die Verbreitung dieser neuen Agrartechniken sollte dafür sorgen, die Produktion in drei Jahren um 25 Prozent zu steigern und so die Einnahmeausfälle zu kompensieren, die den Bauern und dem Staat durch den Wegfall des französischen Abnahme- und Garantiesystems entstanden. In organisatorischer Hinsicht zielte die action de vulgarisation darüber 157 In ähnlichem Sinne argumentieren etwa auch Bayart (2009), S. 128f.; Cooper (2010), S. 9–17. 158 Das dezentrale Entschalungssystem war dabei der Schlüssel für niedrigere Transportkosten, da bis dato die Erdnüsse ungeschält nach Dakar transportiert und die Hülsen erst im dortigen Hafen entfernt wurden.

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hinaus auf die Ausbildung senegalesischer Führungskräfte ab, die laut Produktionshilfeprogramm ab Juli 1968 die europäischen Experten vor Ort ersetzen sollten.159 Die Bilanz der Strukturverbesserungsmaßnahmen fiel allerdings ernüchternd aus. Viele Landwirtschaftszentren waren 1969 noch nicht fertiggestellt. Auch der Bau der Lagerhallen hatte sich erheblich verzögert. Der für 1969 angepeilte Düngemittelverbrauch wurde deutlich verfehlt.160 Zudem brachte die Herstellung und Verteilung qualitativ hochwertiger Samen massive Probleme mit sich. Schließlich hatte sich innerhalb der Laufzeit des Fünfjahresprogramms zur Produktionshilfe keine signifikante Steigerung der Produktion eingestellt. Entgegen den Erwartungen fielen die Ernten Ende der 1960er Jahre so schlecht aus wie seit 15 Jahren nicht mehr. Das Schlagwort vom malaise paysan machte die Runde, womit der weit verbreitete Rückzug der Bauern in die Subsistenzwirtschaft gemeint war.161 Drei Faktoren können im Wesentlichen für diese Entwicklung benannt werden. Erstens führten klimatische Einwirkungen zu unerwartet schlechten Ernten in den Wirtschaftsjahren 1966/67 sowie 1968/69, die ihrerseits Vorboten der kurz darauf einsetzenden Saheldürre waren.162 Zweitens sah sich die senegalesische Regierung im dazwischen liegenden Wirtschaftsjahr aufgrund der Verpflichtungen gegenüber der EWG gezwungen, die Erzeugerpreise von 22 auf 18 F CFA je Kilogramm zu senken, weswegen sich der Erdnussanbau für viele Bauern nicht mehr lohnte. Beide Faktoren beeinträchtigten auch das Entwicklungsprojekt der SATEC. Drittens schließlich verordnete die senegalesische Regierung dem Erdnusssektor weitere Strukturreformen, ohne dass jener effizienter wurde: Nach Dias erzwungenem Abgang entmachtete Senghor die Kooperativen, ersetzte bald darauf die regionalen Entwicklungszentren durch eine zentrale Behörde in Dakar und ließ schließlich auch die private Vermarktung verbieten. Unter Senghor geriet die Erdnusswirtschaft somit wieder unter wesentlich größere staatliche Kontrolle, was jedoch lediglich zu verstärkter Korruption und Misswirtschaft, nicht aber zu funktionstüchtigen Strukturen führte. Diese bislang vorherrschende Deutung lässt sich kaum bestreiten.163

159 Vgl. ADEUS II. FED 214015032: DG VIII, Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964. 160 Vgl. dazu auch Kap. II.7. 161 Vgl. HAEU 25/1980-643, S. 227: MDRS, Compte rendu concernant l’utilisation des aides à la production, Februar 1971; Pélissier (1972), S. 398f.; zum malaise paysan vgl. Schumacher (1975), S. 183–186. 162 Vgl. zur Saheldürre, deren Beginn bis heute umstritten ist, Sen (2007), S. 113–130 und Kap. III.3. 163 Vgl. nach wie vor grundlegend zu den Reformen in der senegalesischen Erdnusswirtschaft Schumacher (1975), S.150–209; außerdem Péhaut (1984); Mbodj (1992), S. 95–106; Waterbury (1987), S. 188–199; Cruise O’Brien (1979); ferner Fieldhouse (1986), S. 211–222; Barry (1982), S. 271–286; Freud/Freud/Richard/Thénevin (1997), S. 15–22.

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Demgegenüber ist bislang offen geblieben, welche Rolle die französische Entwicklungsgesellschaft im Reformprozess der senegalesischen Erdnusswirtschaft einnahm, was sie vor Ort bewirkte, und inwieweit die EWG die Tätigkeit der SATEC begleitete. Ausgehend von der Überlegung, dass einerseits Entwicklungsauftrag und dessen Durchführung sich nicht unbedingt decken mussten und andererseits Entwicklungsprojekte auch im Scheitern Auswirkungen haben konnten, wird die action de vulgarisation im folgenden Kapitel einer detaillierten Analyse unterzogen.164 *** Die SATEC war 1956 als staatliche Gesellschaft gegründet worden. Ihr Generaldirektor war französischer Beamter, und im Aufsichtsrat der Entwicklungsgesellschaft saßen Mitarbeiter aus den zuständigen Pariser Ministerien. Dessen ungeachtet agierte die Gesellschaft wie ein privates Unternehmen und ging auf eigene Rechnung Verträge mit Entwicklungsländern oder privaten Firmen aus solchen Ländern ein.165 Die SATEC widmete sich vorrangig der Landwirtschaft, dem Handwerk und der Kleinindustrie. Ihr Einsatzgebiet beschränkte sich zunächst auf die départements d’Outre-mer. Bald nach ihrer Gründung gelang es ihr jedoch unter tatkräftiger Unterstützung des Entwicklungshilfeministeriums, ihr Einsatzgebiet auf die ehemaligen französischen Kolonien auszuweiten.166 Die im April 1964 gestartete action de vulgarisation war das erste Projekt der französischen Entwicklungsgesellschaft im Senegal. Die SATEC erhielt den Auftrag nicht auf dem üblichen Wege einer internationalen Ausschreibung, sondern in erster Linie aufgrund informeller Kontakte zur senegalesischen Ministerialbürokratie sowie zur Generaldirektion in Brüssel. Bereits im November 1963 suchte der Generaldirektor der SATEC, Francis Bour, den Kontakt zum senegalesischen Planungsminister Habib Thiam und pries die Erfahrung seines Unternehmens im Bereich der technischen Hilfe und insbesondere in der Vermittlung neuer Agrartechniken an. Bour hatte über Thiams französischen Berater Jean Moity von den senegalesischen Plänen erfahren, eine breit angelegte Ausbildungsaktion im Erdnusssektor zu lancieren.167 Grundlage des Projekts war unter anderem eine gemeinsam angefertigte Studie des Institut de recherches agronomiques tropicales et des cultures vivrières (IRAT) sowie des Institut de recherches pour les huiles et oléagineux (IRHO), die den Titel „Propositions pour l’aug164 Vgl. zu diesen Überlegungen auch Pélissier (1972), S. 398. 165 Vgl. Enjalbert (1970), S. 23f. 166 Vgl. CAC 19950281-44: DG VIII, Questionnaire SATEC, 10.2.1963; zur Ausweitung des Einsatzgebietes vgl. CARAN FPU 98, Bd. 8: SdE an ministère des Finances et Affaires économiques français, 10.5.1961. 167 Moity war einer der ersten Berater, die dem senegalesischen Planungsministerium im Rahmen der bilateralen Kooperation zur Verfügung gestellt wurden, vgl. CAD Dakar AMB 263: MAC, Problèmes de planification, 9.3.1963.

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mentation rapide des rendements de l’arachide au Sénégal“ trug. Die senegalesische Regierung hatte diese Untersuchung kurz nach dem Abschluss des neuen Assoziationsabkommens bei den französischen Forschungsinstituten in Auftrag gegeben. Da Bour nicht nur Generaldirektor der SATEC, sondern auch des IRAT war, dürfte er bestens über diese Studie unterrichtet gewesen sein.168 Moity spielte bei der Vermittlung eine Schlüsselrolle, denn Bour und Moity pflegten offensichtlich ein enges Verhältnis. So erbat sich der Chef der SATEC von Moity dessen persönliche Einschätzung über die Erfolgsaussichten eines Projektantrags sowohl bei der senegalesischen Regierung als auch beim FAC, der das Projekt zunächst finanzieren sollte. Der Hintergrund von Bours Anfrage bestand darin, dass die SATEC zu diesem Zeitpunkt noch über kein ausgereiftes Konzept verfügte. Sie hatte sich bis dato weder im Erdnussanbau einen Namen gemacht noch war sie mit den administrativen und sozialen Strukturen im Senegal vertraut. Diese Defizite sollten nach Bours Vorstellungen durch eine gut einwöchige Reise von zwei Mitarbeitern der SATEC (ein Agronom und ein Soziologe) ausgeglichen werden, wobei Moity für die notwendigen Kontakte vor Ort sorgte.169 Nachdem sich auch Generaldirektor Bour im Dezember 1963 ein Bild vor Ort gemacht hatte, wurde ein Dossier für die senegalesische Regierung angefertigt. Planungsminister Thiam stellte der SATEC einige Bedingungen, die sich weitgehend mit der genannten Studie deckten. So sollte das Projekt innerhalb von drei Jahren die gewünschte Produktionssteigerung um 25 Prozent gewährleisten, zugleich Voraussetzungen für die Diversifizierung der senegalesischen Landwirtschaft schaffen und nicht zuletzt ausreichend Personal ausbilden. Ferner wurde die SATEC aufgefordert, den Projektantrag anzufertigen, den die senegalesische Regierung beim FAC einreichen musste. Im Antrag an den französischen Fonds sollte deutlich werden, dass es sich lediglich um eine Brückenfinanzierung handelte, bis die EWG ihre Produktionshilfemittel freigeben würde. Abseits dieser finanziellen Fragen erhoffte sich Thiam von dem Projekt eine „campagne psychologique très forte“, die die öffentliche Meinung zugunsten des Staatspräsidenten und der Einheitspartei beeinflussen würde. Zugleich gab er gegenüber Bour zu bedenken, dass die SATEC lediglich eine Übergangslösung sei, die die bestehenden ländlichen Strukturen nicht durcheinander bringen dürfte. Die Entwicklungsgesellschaft akzeptierte diese Bedingungen ohne Einwände, sodass 168 Vgl. CAC 19950281-133, Bd. 1: Bour an Thiam, 18.11.1963; ebd.: MERS, Note, 25.11.1963; eine Zusammenfassung der Studie von IRAT und IRHO findet sich in ebd. 19950281-139: MERS, Extrait du rapport Sénégal, 25.2.1964; zu Bours Doppelfunktion vgl. ebd. 19950281-44: DG VIII, Questionnaire IRAT, 10.2.1963; Bour hatte außerdem bereits bei der französischen Entwicklungsbank und im Entwicklungsministerium als Abteilungsleiter gearbeitet, sodass er mit wichtigen Institutionen der französischen Entwicklungspolitik bestens vertraut war, vgl. Rempe (2009c), S. 254. 169 Vgl. CAC 19950281-133, Bd. 1: Bour an Moity, 22.11.1963; vgl. auch die deutliche Kritik an der Inkompetenz der SATEC bei Pélissier (1972), S. 400f.

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ihr Projekt bereits Anfang Januar 1964 vom senegalesischen Kabinett abgesegnet wurde.170 Zur selben Zeit kam es in Brüssel zu einem ersten vertraulichen Treffen zwischen Bour und Jacques Ferrandi, der inzwischen zum Leiter der Direktion C für den EEF aufgestiegen war.171 Gemeinsam stellten sie fest, dass die Aktion der SATEC im Senegal hervorragend zur geplanten Produktionshilfe passen würde und kamen überein, dass die Entwicklungsgesellschaft dem EEF den Projektantrag auf offiziösem Wege zukommen lassen solle. Insbesondere Ferrandi war sehr angetan von der Tätigkeit der SATEC und versprach Bour grundsätzlich, „de rendre à César ce qui lui appartient“.172 Der FAC reagierte ebenfalls wohlwollend auf den Finanzierungsplan und gab grünes Licht, machte jedoch zugleich deutlich, dass die spätere Übernahme durch den EEF unabdingbare Voraussetzung für ein französisches Engagement sei. Schließlich gelang es dem Missionschef der SATEC im Senegal, eine Audienz beim Großen Marabut Cheikh Amadou M’Backe in Touba zu erhalten. Das religiöse Oberhaupt der im Erdnussanbau äußerst einflussreichen Muriden-Bruderschaft gab Missionschef Jacques de Divonne und seinen Mitarbeitern im wahrsten Sinne des Wortes seinen Segen für die Aktion, sodass einem Engagement der SATEC im Senegal nichts mehr im Wege stand.173 Zweifellos verdankte die Entwicklungsgesellschaft ihr Engagement im Senegal einer reibungslos funktionierenden french connection zwischen Paris, Brüssel und Dakar. Obwohl die Führungsriege der SATEC nicht dem französischen kolonialen Netzwerk angehörte, profitierte sie davon, dass sich jenes auch nach der Unabhängigkeit des Senegal am Leben erhalten und mit dem Wechsel des vormaligen Kolonialbeamten Jacques Ferrandi nach Brüssel sogar eine europäische Erweiterung erfahren hatte.174 170 Vgl. CAC 19950281-133, Bd. 1: Thiam an Bour, 26.12.1963; ebd. 19950281-139: Thiam an Bour, 10.1.1964. 171 Vgl. zu den Auswirkungen dieses Personalwechsels in der DG VIII ausführlich Kap. II.5. 172 CAC 19950281-44: Ferrandi an Bour, 11.1.1964; vgl. ebd.: SATEC, Rencontre FED/ SATEC, 23.1.1964. 173 Vgl. CAD Dakar AMB 92: MAC, Note, 2.1.1964; ebd. Dakar MCAC 53: Thiam an MAC, 8.5.1964; als die SATEC im August 1964 den FAC um die Finanzierung zusätzlicher technischer Assistenten bat, lehnte Paris unter der Begründung ab, dass man sich nicht weiter engagieren wolle, solange die Übernahme durch den EEF nicht endgültig gesichert sei, vgl. CAC 19950281-139: Bour an Rege, 10.8.1964; zur Audienz in Touba vgl. ebd.: de Divonne an Rege, 24.4.1964; vgl. zum Verhältnis zwischen der SATEC und der Muriden-Bruderschaft außerdem Copans (1988), S. 208–210; Cruise O’Brien (1971), S. 226. 174 Generaldirektor Francis Bour kam von der École polytechnique und war Ingenieur. Vom zwanzigköpfigen Führungsteam, das das Projekt im Senegal koordinierte, war lediglich einer Absolvent der ENFOM gewesen. Alle anderen hatten eine fachspezifische, vor allem

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Inhaltlich gesehen stützte sich das Projekt auf Wissensbestände, die im französischen Spätkolonialismus angelegt worden waren, denn die meisten Praktiken, die die Forschungsinstitute IRHO und IRAT zur Anwendung empfahlen, waren vom bereits 1913 gegründeten Centre de recherches agronomiques in Bambey in jahrzehntelanger Arbeit getestet worden. Zugleich hob sich die action de vulgarisation von vergangenen Maßnahmen kolonialer Entwicklungspolitik ab. Das Prestigeprojekt der Compagnie générale des oléagineux tropicaux (CGOT) etwa, mit dem in den 1950er Jahren der mechanisierte Erdnussanbau eingeführt werden sollte, und weitere Initiativen wurden zwar auch schon mit der Forschungsstation in Bambey abgestimmt. Allerdings handelte es sich um Pilotprojekte mit experimentellem Charakter. Sie dienten eher der Forschung oder testeten neue Techniken, anstatt gesicherte Erkenntnisse flächendeckend zur Anwendung zu bringen. Groß angelegte Maßnahmen der Vulgarisation waren hingegen in jener Zeit kaum über das Planungsstadium hinausgekommen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die in der Kolonialzeit produzierten Wissensbestände schließlich von einer Entwicklungsgesellschaft verbreitet wurden, die weder Kenntnisse im Erdnussanbau besaß noch Ahnung von Land und Leuten hatte.175 *** Mit der Ankunft der französischen Entwicklungsgesellschaft im Senegal im April 1964 wurde eine Art transnationales Public Private Partnership176 begründet, aus dem ein komplexes Beziehungsgeflecht hervorging: Die SATEC stand zum einen agrarwissenschaftliche Ausbildung genossen, vgl. CAC 19950281-136, Bd. 1: SATEC, Curriculum vitae des cadres, 1.1.1965. 175 Vgl. grundsätzlich Péhaut (1974), S. 508, 810–828; der Agronom Paul Pélissier hat das Projekt der SATEC als „théâtre d’une opération de vulgarisation d’une ampleur sans précédent en Afrique tropicale francophone“ bezeichnet, Pélissier (1972), S. 398; zur Foschungsstation in Bambey, die insbesondere im Bereich der Samenzüchtung äußerst produktiv war, vgl. im Detail Bonneuil (1999), S. 278–285; wenngleich das Projekt der CGOT darauf abzielte, 200 Quadratkilometer zu bewirtschaften, so muss es aufgrund der gescheiterten Einführung des mechanisierten Erdnussanbaus als experimentelles Projekt beurteilt werden. Das Projekt galt als Aushängeschild des FIDES und wies in mancher Hinsicht Parallelen zum tansanischen groundnut scheme auf, vgl. dazu grundlegend Diallo Cô-Trung (1998). 176 Der Begriff Public Private Partnership wird in der wirtschafts- und politikwissenschaftlichen Literatur unterschiedlich definiert. Manche verstehen darunter Austausch- und Kooperationsbeziehungen zwischen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren zur Lösung politischer Probleme, Kritiker sehen ihn als diskursive Strategie, um politische Ziele wie zum Beispiel Privatisierung zu verdecken, während andere wiederum mit dem Begriff vor allem ein Finanzierungsmodell für öffentliche Infrastrukturen verbinden, vgl. Greve/Hodge (2005); Oppen/Sack (2008); hier und im Folgenden wird dem erstgenannten Verständnis gefolgt und dadurch der Debatte eine historische

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in permanentem Kontakt mit der senegalesischen Regierung und Verwaltung. Zum anderen hatte sie in der eigentlichen Projektarbeit tagtäglich mit senegalesischen Erdnussbauern zu tun. Schließlich war sie der EWG-Kommission gegenüber rechenschaftspflichtig und hatte deren Auflagen zu erfüllen. Um mit dem Verhältnis zur EWG-Kommission zu beginnen, so hatte diese vor allem ein Anliegen: Sie bestand darauf, dass die SATEC Fachleute aus anderen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft an der Durchführung beteiligte. Hinter diesem Ansinnen standen zwei Überlegungen. Einerseits war es zwischen den Mitgliedsstaaten verstärkt zu Streitereien darüber gekommen, dass überproportional viele französische Firmen von Aufträgen des EEF profitiert hatten. In Deutschland kochte das Thema gar so weit hoch, dass es im Bundestag debattiert wurde.177 Daher machte der Direktor der Handelsabteilung, Giovanni Ugo, die Entwicklungsgesellschaft noch im Dezember 1964 darauf aufmerksam, dass eine Europäisierung des Personals die formelle Entscheidung im EEF-Ausschuss erleichtern würde. Andererseits lag eine Europäisierung der SATEC auch im ureigenen Interesse der EWG-Kommission, der sehr daran gelegen war, dass sich ein finanzielles Engagement der Gemeinschaft auch in einer europäischen Repräsentation vor Ort niederschlug.178 Die Begeisterung über diese Idee hielt sich bei der SATEC in Grenzen. Es bedurfte einer weiteren Erinnerung aus Brüssel, ehe die SATEC schließlich daran ging, weitere Entwicklungsgesellschaften als Berater hinzuzuziehen und, soweit möglich, deren Personal in den eigenen Mitarbeiterstab zu integrieren. In der Folge knüpfte die Gesellschaft Kontakte mit dem deutschen Unternehmen Agrar- und Hydrotechnik sowie mit der italienischen Firma Technitalia, von denen sie sich Mitarbeiter lieh. Dennoch blieb sie in ihrem Vorgehen sehr zögerlich, was nicht zuletzt finanzielle Beweggründe hatte: Die Einstellung fremder Mitarbeiter verringerte ganz erheblich die Gewinnspanne des Unternehmens.179

Dimension verliehen, die ihr bislang weitgehend fehlt, als Ausnahme davon vgl. Wettenhall (2005). 177 So zum Beispiel anlässlich der Ratifikation des Assoziationsabkommens im Februar 1964, vgl. Rempe (2006), S. 87–90; Alberts/Bellers (1986), S. 37–42; Vahsen (2010), S. 362–368. 178 Vgl. CAC 19950281-136, Bd. 2: SATEC, Compte-rendu de la réunion SATEC/FED, 21.12.1964. 179 Vgl. ebd.: Hendus an Bour, 22.2.1965; ebd.: Bour an Hendus, 5.4.1967; ebd. 19950281137: Renard an Bour o.D [1965]; die Verbindung zum deutschen Unternehmen hatte die EWG-Kommission offenbar selbst hergestellt, zumal ein ehemaliger Mitarbeiter der DG VIII, der Niederländer Thomas Mohrman, inzwischen dort tätig war. Der EEF bewilligte für einen technischen Assistenten 260.000 F CFA im Monat, die SATEC zahlte ihren Mitarbeitern aber nur 148.500 F CFA aus. Dieses Verfahren konnte auf Leiharbeiter nicht angewendet werden.

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Als sich der Chef der Unterabteilung für die Produktionshilfe, Francesco de Benedictis, Ende 1965 auf Mission nach Dakar begab, um die Probleme des Produktionshilfeprogramms vor Ort zu sondieren, musste er feststellen, dass die Europäisierung des Personals nur sehr schleppend voranging. Er brachte in Erfahrung, dass für 1966 geplant sei, drei Deutsche, vier Belgier, fünf Italiener und 43 Franzosen im Projekt zu beschäftigen. Diese Prognosen lagen deutlich unter der Marke von 50 Prozent NichtFranzosen, die zwischenzeitlich im Gespräch gewesen waren.180 Der deutsche Generaldirektor Heinrich Hendus wollte sich damit nicht zufrieden geben und bat um Aufklärung. Den Problemen, die eine Europäisierung der SATEC zwangsläufig mit sich brachte, konnte sich Hendus jedoch nicht entziehen. Zum einen hatte die Entwicklungsgesellschaft ihre Stellen bereits weitgehend besetzt, als der EEF zu Beginn des Jahres 1965 die Finanzierung vom FAC übernahm. Zum anderen war kaum Personal in den übrigen Mitgliedsstaaten zu finden, das der französischen Sprache mächtig und zugleich bereit war, Positionen unterhalb der Führungsebene einzunehmen. Schließlich, so die Argumentation der SATEC, war das Projekt so weit fortgeschritten, dass statt Europäisierung bereits Afrikanisierung auf der Tagesordnung stand.181 Die Entwicklungsgesellschaft fand schließlich einen anderen Weg, um ihrem Willen zur Europäisierung des Projekts Glaubwürdigkeit zu verleihen. Im Januar 1966 gründete sie ein mit hochrangigen europäischen Experten besetztes Komitee, das die action de vulgarisation wissenschaftlich begleiten sollte.182 Die erste Sitzung fand im April 1966 in Dakar statt. Das Komitee verschwand jedoch fast so schnell, wie es aus dem Boden gestampft wurde. Nach einer weiteren Sitzung im November 1966 in Brüssel wurde es nie wieder einberufen. Immerhin 2 Millionen F CFA war der EWG-Kommission diese Maßnahme wert, die den Komitee-Mitgliedern eine Exkursion nach Dakar ermöglichte und die wissenschaftliche Überlegenheit europäischer 180 Vgl. HAEU 25/1980-640, S. 128: de Benedictis, Rapport de mission, 11.1.1966; CAC 19950281-136, Bd. 2: SATEC, Compte-rendu de la réunion SATEC/FED, 21.12.1964; ebd. 19950281-137: de Divonne an Bour, 20.12.1965. 181 Vgl. HAEU 25/1980-643, S. 6: Ugo an Hendus, 9.2.1966; mit den gleichen Argumenten gelang es der SATEC, sich von Mitarbeitern des Bureau de développement pour la production agricole (BDPA), einem ungeliebten Konkurrenten innerhalb des französischen Entwicklungsapparats, zu trennen. Das französische Entwicklungsministerium hatte anfangs darauf bestanden, der SATEC Fachleute aus dem wesentlich erfahreneren BDPA zur Seite zu stellen, vgl. CAC 19950281-141: SATEC, Compte-rendu de la réunion SATEC-BDPA, 14.5.1964; ebd.: Chabrol, Note, 28.7.1966; zum BDPA vgl. Enjalbert (1970), S. 23–25. 182 Darin waren folgende Institute vertreten: das Göttinger Institut für Ausländische Landwirtschaft, das Florenzer Istituto agronomico per l’oltremare, das Institut national agronomique de Paris sowie das belgische Institut pour l’étude agronomique du Congo, vgl. CAC 19950281-140: SATEC, Procès-verbal de la réunion du comité consultant européen, 16.11.1966.

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Experten auch vor Ort demonstrierte. Davon profitierte nicht zuletzt die SATEC selbst, da unter anderem auch die Empfehlungen jenes Gremiums Präsident Senghor zu der Überzeugung brachten, dass die Strukturen der Erdnusswirtschaft grundlegend reformiert werden müssten, worauf noch einmal zurückzukommen sein wird.183 Jenseits der Bemühungen, dem Projekt einen europäischen Anstrich zu verleihen, sucht man nahezu vergeblich nach Einmischungen inhaltlicher Art aus Brüssel.184 Natürlich war die DG VIII davon überzeugt, über die action de vulgarisation stets im Bilde zu sein. Die Jahres- und Trimesterberichte, die die SATEC regelmäßig an die EWG-Kommission schicken musste, dienten dieser Selbstvergewisserung, boten aber offensichtlich keinen Anlass zum Einschreiten. Wenn es zu Briefwechseln zwischen der Entwicklungsgesellschaft und den Dienststellen des EEF kam, so ging es meist um überhöhte Rechnungen oder fehlende Belege. Darüber hinaus wurde auf den contrôleur délégué vertraut, der seit 1966 im Auftrag der EWG permanent vor Ort war und sämtliche EEF-Projekte überwachte.185 *** Somit lag die eigentliche Projektgestaltung de facto ganz in den Händen der SATEC und der senegalesischen Behörden. Im Frühjahr 1964 legten beide gemeinsam die Modalitäten der Zusammenarbeit mit den bestehenden administrativen Strukturen der Erdnusswirtschaft fest. Landwirtschaftsminister Karim Gaye erstellte ein Programm, das sich zu weiten Teilen auf die Vorschläge der Entwicklungsgesellschaft stützte. Die Vulgarisation sollte zunächst in der Kernzone der Erdnussregion um die Städte Kaolack, Diourbel und Thiès beginnen, die ungefähr ein Sechstel der gesamten Anbaufläche ausmachte, um sich anschließend auf das gesamte Erdnussbassin auszudehnen. 15 sogenannte technische Assistenten, angesiedelt bei den Centres d’expansion rurale, waren dafür vorgesehen; sie sollten für jeweils zehn bis 15 senegalesische Vulgarisateure verantwortlich sein. Auf regionaler Ebene koordinierten Agraringenieure 183 Vgl. HAEU 25/1980-643, S. 142: DG VIII, Vermerk zum PDH-Programm des Senegal, Mai 1968; CAC 19950281-140: Bour an Senghor, 24.5.1966. 184 Eine der wenigen Ausnahmen stellte der Vorschlag dar, das Projekt genderspezifisch auszudifferenzieren. Die Idee wurde jedoch offensichtlich nicht weiter verfolgt, vgl. HAEU 25/1970-640, S. 18: de la Parra an Ugo, 31.3.1965. 185 Dass de Benedictis bei seiner Reise nach Dakar im Dezember 1965 auf ein Treffen mit Vertretern der SATEC verzichtete, dient als weiterer Beleg für die mäßige Kommunikation zwischen der Generaldirektion und der Entwicklungsgesellschaft, vgl. HAEU 25/1980-640, S. 128: de Benedictis, Rapport de mission, 11.1.1966; für ein Beispiel einer typischen Korrespondenz zwischen DG VIII, contrôleur délégué und SATEC vgl. etwa HAEU 25/1980-646, S. 4: Ugo an Zuidberg, 8.2.1966; zur Einrichtung des contrôleur délégué vgl. Cosgrove-Twitchett (1978), S. 108f.; Dimier/McGeever (2006), S. 488–490.

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das Projekt, während im Landwirtschaftsministerium ein Generalstab eingerichtet wurde. Den bei den CER angesiedelten Assistenten wurde aufgetragen, den Vulgarisateuren neue Anbautechniken zu vermitteln, die diese daraufhin in den Dörfern verbreiten sollten. Außerdem war vorgesehen, dass die Mitarbeiter der SATEC die Kreditgewährung und dadurch die Versorgung mit Agrargerät vereinfachten. Dabei war in erster Linie an den Erdnussanbau gedacht. Ebenso wurde aber erwartet, dass sich die Entwicklungsgesellschaft dem dringenden Problem der Lebensmittelversorgung auf dem Land annahm.186 Das Mandat war demnach so umfassend angelegt, dass veritable Parallelstrukturen entstanden: Bis dato hatte die Vulgarisation zum Aufgabenbereich der Landwirtschaftszentren gehört, und auf regionaler Ebene trat der Ingenieur der SATEC in Konkurrenz zum inspecteur régional de l’agriculture. Nach Gayes Vorstellungen sollten die Mitarbeiter der CER von der Gegenwart der französischen Experten profitieren, während Ingenieur und inspecteur einen „brain-trust“ bilden würden. Die Erleichterung der Kreditgewährung und Versorgung mit Agrargerät war bereits Sache des Vermarktungsamtes, der Entwicklungsbank und der regionalen Entwicklungszentren. Der SATEC kam dennoch die Aufgabe zu, den Bedarf zu bestimmen und die gesammelten Informationen weiterzugeben.187 Gewiss waren die bestehenden Strukturen ihren Aufgaben bisher nicht gerecht geworden. Der erste Entwicklungsplan hatte die Errichtung von 61 neuen Centres d’expansion rurale bis Ende 1963 vorgesehen, von denen 38 eine Finanzierung durch den ersten EEF erhalten hatten. Tatsächlich aber waren zum selben Zeitpunkt von den 38 erst neun fertiggestellt und weitere zwölf im Bau.188 Von den 76 Zentren, die insgesamt in Betrieb waren, verfügten demnach die Hälfte über keine eigenen Gebäude. Zudem fehlte es an qualifiziertem Personal. Der Großteil der Zentren operierte mit lediglich drei bis fünf Mitarbeitern. Hinzu kamen administrative Kompetenzstreitigkeiten, die zur Folge hatten, dass die CER widersprüchliche Weisungen aus verschiedenen Ministerien oder von den Regionalverwaltungen erhielten.189 Nicht zuletzt hatten die Landwirtschaftszentren und die animation rurale mit großen Akzeptanzproblemen zu kämpfen, da sie als Vorreiter der Bauernbefreiung, wie sie Dia im Sinn gehabt hatte, die sozialen Strukturen auf dem Land bedrohten. Insbesondere die streng hierarchisch organisierte Muriden-Bruderschaft wehrte sich vehement gegen diese neuen Einrichtungen. Mit dem Abgang Dias fehlte diesen zudem die eindeutige 186 Vgl. CAC 19950281-139: MERS, Communication en Conseil de cabinet, 12.2.1964. 187 Ebd. 188 Vgl. CAC 19950281-136, Bd. 1: MERS, Note de synthèse du programme de développement accéléré, September 1964; zu den CER vgl. ADEUS II. FED 214015032: DG VIII, Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964; außerdem RdS, Les orientations du plan général 1961–1964, S. 84. 189 Vgl. HAEU CEAB 5-1554: RdS, Situation de l’encadrement rural, 29.10.1964.

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politische Unterstützung aus Dakar, zumal Senghor eine Auseinandersetzung mit den Muriden scheute.190 Der Verzicht der senegalesischen Regierung, der SATEC einen klar definierten Platz in dieser fragilen Ordnung zuzuweisen, wirkte sich in der Praxis eindeutig zugunsten der Entwicklungsgesellschaft aus. Ihre Tätigkeit führte zu einer weiteren Destabilisierung der leidlich funktionierenden Verwaltungsstrukturen auf dem Land. Dies betraf insbesondere die Landwirtschaftszentren. Die dort angestellten Senegalesen waren der Auffassung, dass sie ebenso gut wie die französischen Entwicklungshelfer arbeiten würden, wenn sie eine ähnliche Ausstattung und Entlohnung erhielten, wie sie die SATEC gewährte. „La SATEC est obligée de travailler, car elle a un contrat avec le Gouvernement Sénégalais. Moi, je suis fonctionnaire, je n’ai pas de contrat“, lautete das frustrierte Fazit eines senegalesischen CER-Mitarbeiters.191 Die action de vulgarisation untergrub somit zunehmend die Autorität einer senegalesischen Verwaltungseinrichtung, die die EWG ebenfalls seit Beginn der 1960er Jahre massiv förderte. Nach gut einem Jahr übte die senegalesische Ministerialbürokratie dementsprechend deutliche Kritik am Vorgehen und Auftreten der SATEC. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie nur soweit wie nötig mit den CER kooperierte und generell überheblich auftrat: „A lire les rapport SATEC on peut penser qu’avant elle tout était vide au Sénégal et que le paysan ignorait jusqu’à la houe.“192 Ungeachtet der Kritik fuhr die Entwicklungsgesellschaft jedoch fort, ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen ihren eigenen Vulgarisationsapparat aufzubauen. Wiederholte Versuche von verschiedenen Stellen der Ministerialbürokratie, die Entwicklungsgesellschaft einzuhegen, waren immer wieder zum Scheitern verurteilt.193 *** Die SATEC hatte also sehr konkrete Vorstellungen davon, wie ihr Auftrag erfolgreich in die Tat umgesetzt werden sollte. Dabei standen die senegalesischen Vulgarisateure im Zentrum der strategischen Überlegungen. In den Augen der französischen Experten hatten es letztlich diese Leute in der Hand, den Senegal auf den rechten Entwicklungspfad zu bringen. Aufgabe des Vulgarisateur sollte es sein, „d’aider le monde rural à prendre conscience de ses possibilités de développement et de lui donner le désir de

190 Vgl. Cruise O’Brien (1971), S. 228f., 276f.; vgl. zum unterschiedlichen Verhältnis der beiden Rivalen zu den Muriden außerdem Loimeier (2001), S. 143–164. 191 CAC 19950281-136, Bd. 1: SATEC, La vie de l’assistant technique au Sénégal, 25.6.1965. 192 CAC 19950281-139: Procès-verbal du comité de tutelle de l’opération SATEC, 10.5.1965. 193 Vgl. CAC 19950281-140: Chabrol an Bour, 6.1.1967; ebd.: Rege an Bour, 19.1.967.

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les développer.“194 Weil die Vulgarisateure in ihrem Alltag bei und mit den Bauern leben mussten, sollten sie ausschließlich aus ebenjenem Milieu rekrutiert werden. Für die Aufgabe kam jedoch nicht jeder Bauer in Frage. Das detaillierte Anforderungsprofil las sich wie folgt: „Il doit posséder une certaine maturité, si l’on veut qu’il acquiert audience et influence, un certain potentiel moral et intellectuel, une ouverture d’esprit spontanée qui lui permettent de s’adapter et comprendre, du bon sens et de l’habilité manuelle pour montrer et corriger, le goût du travail bien fait et le sens de la communauté pour que son action soit efficace et durable.“195

Der feste Glaube an die überragende Bedeutung qualifizierter Vulgarisateure schlug sich auch im rigiden Auswahlverfahren nieder, das die SATEC bald nach ihrer Ankunft in Eigenregie durchführte.196 Die Bewerber wurden aufgrund ihrer intellektuellen, sozialen und handwerklichen Fähigkeiten sowie ihrer Charaktereigenschaften ausgesucht. Für alle vier Kategorien wurden jeweils sogenannte Beobachtungsbogen entworfen, anhand derer die Mitarbeiter der SATEC ihre Beurteilung vornehmen sollten. Man erhoffte sich davon eine gewisse Objektivität. Darüber hinaus war geplant, diese Bogen statistisch auszuwerten, um langfristig das Anforderungsprofil dem Bewerberangebot anpassen zu können. Der Leitfaden zur Bewertung sozialer Fähigkeiten beispielsweise richtete den Fokus auf das Verhalten der Kandidaten jenseits des eigentlichen Programms und verpflichtete den Beobachter, die Kandidaten rund um die Uhr im Auge zu behalten. Alle Bogen enthielten außerdem ein Beurteilungsraster mit fünf verschiedenen Bewertungsstufen. Die intellektuellen Fähigkeiten reichten von „Confusion: plus soumis à la magie du verbe que pratique – lent d’esprit – naïf – s’exprime de façon confuse – comprend très lentement“ bis zu „Analyse – synthèse: a du bon sens et du sens pratique – sait rapidement observer et analyser une situation – en tire les conséquences et en examine les causes – s’exprime clairement – comprend très vite et bien – demande des explications si nécessaire“.197 Ohne Zweifel wurde hier nicht vorurteilslos eine Auflistung aller möglichen Grade an Intellektualität vorgenommen. Vielmehr handelte es sich um eine eigenwillige Mischung aus Idealvorstellungen vom Vulgarisateur und historisch tradierten Vorannahmen über die se-

194 CAC 19950281-138: SATEC, Note sur l’organisation de la sélection et de la formation des vulgarisateurs, Februar 1965. 195 Ebd. 196 Vgl. CAC 19950281-140: SATEC, Bilan et perspectives de la formation dans l’opération productivité arachidière, o.D. [1966]; ursprünglich sollte das Auswahlverfahren in enger Zusammenarbeit mit den CER und der animation rurale erfolgen, vgl. ebd. 19950281139: MERS, Circulaire, 25.4.1964; ebd.: de Divonne, Note, 4.5.1964. 197 CAC 19950281-138: SATEC, Clé de la fiche d’observation des aptitudes intellectuelles No. 4, 30.1.1965.

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negalesische Bauernschaft, zumal eine permanente Kontrolle und Überwachung der Vulgarisateure ungeachtet ihrer Fähigkeiten für notwendig gehalten wurde. Die Kontrolle und Überwachung der Vulgarisateure oblag dem technischen Assistenten, der im Idealfall eine Führungspersönlichkeit war: „C’est un chef qui commande ses vulgarisateurs et doit les sonder en une équipe pleine d’allant.“198 Der Posten des technischen Assistenten war zunächst nur Franzosen oder anderen Europäern zugänglich. Ein landwirtschaftliches Studium sowie eine gewisse Felderfahrung wurden außerdem vorausgesetzt. Für die Auswahlgespräche der technischen Assistenten wurden ebenfalls Bewertungsbogen erstellt, die wesentlich differenzierter gestaltet waren als jene für die senegalesischen Vulgarisateure. Kategorien wie Stimme, Stimmtechnik und verwendetes Vokabular wurden als Beurteilungskriterien notiert, auch die Kleidung und sogar die Physiognomie der Kandidaten standen zur Begutachtung. Letztere reichte von „disgracieuse“ über „désagréable“ bis hin zu „agréable“, die Intelligenz der Bewerber konnte als „nulle“ oder aber „développé“ eingestuft werden.199 Darüber hinaus wurden die Assistenten auch während ihrer Tätigkeit von den Regionalingenieuren der SATEC evaluiert. Diese Bewertungsbogen waren nahezu identisch mit jenen, die im Auswahlverfahren der Vulgarisateure verwendet wurden.200 Daraus folgt, dass die action de vulgarisation nicht nur auf kolonial tradierten, rassistisch konnotierten Vorannahmen beruhte. Noch deutlicher zeigt sich hier die bis ins Detail geplante autoritäre Revolution von oben, die die Zentrale der SATEC für nötig und auf der Grundlage eines gestuften Überwachungssystems auch für möglich hielt. Differenz wurde nicht in erster Linie entlang der Hautfarbe, sondern vielmehr aufgrund projektinterner Hierarchien angenommen und reproduziert.201 Die technischen Assistenten bildeten das Relais zwischen der Führungsriege der SATEC und der senegalesischen Bauernschaft. Sie waren es, die über die Verhältnisse im Dorf und auf dem Feld am besten informiert waren und die Verhaltenssteuerung der Bauern mittels ihrer Vulgarisateure gewährleisten sollten. In der Regel relativ jung 198 CAC 19950281-140: SATEC, Spécification d’emploi, o.D. 199 Ebd. 200 Vgl. CAC 19950281-138: SATEC, Fiche d’évaluation permanente de l’assistant technique, März 1965. 201 Vgl. zu den starren Hierarchien und Kontrollmechanismen, die die Aktion der SATEC prägten, auch Schumacher (1975), S. 201; dessen ungeachtet erfuhren auch technische Assistenten und Vulgarisateure unterschiedliche Behandlung. Zum einen wurde den jeweiligen Bewertungsbogen unterschiedliche Relevanz beigemessen. Während die Bogen der Vulgarisateure aufgrund statistischer Auswertung in soziologische Wissensproduktion mündeten, wurde jenen des Assistenten weit weniger Bedeutung beigemessen. Zum anderen stand bei schlechter Beurteilung der Assistenten nicht die Entlassung an wie bei den Vulgarisateuren, sondern ein klärendes Gespräch, vgl. CAC 19950281-138: SATEC, Fiche d’évaluation permanente de l’assistant technique, März 1965.

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und meist Absolventen französischer Landwirtschaftsschulen,202 kamen sie häufig zu ihrer Aufgabe wie die Jungfrau zum Kind, wie aus einem Erfahrungsbericht eines Assistenten hervorgeht: „Avant de rentrer à la SATEC, je ne connaissais du Sénégal que les noms de sa capitale Dakar, de St. Louis, de son Président de la République, son essai de fédération dans le Mali; mes connaissances s’arrêtaient là. En débarquant du Boeing, j’ignorais tout du pays, des habitants, des coutumes et du travail que j’aurais à faire car on ne nous en avait que très vaguement parlé avant notre départ de Paris.“203

Ganz im Gegensatz zu den Idealvorstellungen, die die Architekten des Projekts von den Assistenten hatten, schienen letztere weder über ein angemessenes Vorwissen zu verfügen noch wurden sie ausreichend auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Dessen ungeachtet fanden sie sich allem Anschein nach in ihrem neuen Arbeitsumfeld bemerkenswert gut zurecht. Berichten von technischen Assistenten zufolge zeigten sich die Bauern den toubabs gegenüber sehr aufmerksam und arbeiteten gut mit ihnen zusammen. Wenn die Bauern dem ein oder anderen Ratschlag skeptisch gegenüberstanden, wurde dafür Verständnis aufgebracht.204 Im Gegensatz zu seinen Vorgesetzten machte sich ein Assistent auch keine Illusionen über die Erfolgsaussichten seiner Aufgabe: „Cette révolution que nous apportons aux paysans sénégalais représentent un bond considérable dans leur évolution, jusqu’ici quasi inexistante, vu les méthodes traditionnelles persistantes. D’où nos difficultés pour leur apprendre en quelques années, ce que nous, peuples évolués, avons appris en plusieurs générations.“205

Ein anderer Assistent nannte es ein Glückserlebnis, wenn er bei seiner Ankunft im Dorf wenigstens einen Bauern erblickte, der seine Anweisungen verstanden hatte. Angesichts der Sprachbarrieren – die meisten Assistenten konnten kein Wolof oder Serer, während die Bauern in der Regel nicht französisch sprachen – scheinen jene Berichte weniger Ausdruck europäischer Überlegenheit als vielmehr Beleg ausgeprägten Realitätssinns zu sein.206 Nicht paternalistisches Verhalten, sondern Geduld und 202 Vgl. CAC 19950281-136, Bd. 2: SATEC, Curriculum vitae des cadres en place, 1.1.1965. 203 CAC 19950281-136, Bd. 1: SATEC, La vie de l’assistant technique au Sénégal, 25.6.1965. 204 So berichtete ein technischer Assistent: „Un bon cultivateur de France lui-même appliquera-t-il immédiatement les conseils d’un vulgarisateur mis à sa disposition? – Non. Il va regarder, observer, juger et appliquer après avoir bien pesé sa décision.“ CAC 19950281136, Bd. 1: SATEC, La vie de l’assistant technique au Sénégal, 25.6.1965; vgl. auch ebd. 19950281-139: Daujeant, Rapport sur la vie en brousse, 25.6.1965. 205 CAC 19950281-136, Bd. 1: SATEC, La vie de l’assistant technique au Sénégal, 25.6.1965. 206 Vgl. CAC 19950281-139: SATEC, Rapport spécial assistant technique Escotte, Juni 1965; ebd.: Daujeant, Rapport sur la vie en brousse, 25.6.1965; zu den Sprachbarrieren

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Einfühlungsvermögen strukturierten demnach die Begegnungen zwischen Assistenten und Vulgarisateuren. Es galt, sich anzupassen, wollte man sich Gehör verschaffen: „Le fait de dormir dans une case pleine de puces, ou de manger du riz avec du lait caillé, aura plus d’importance que tous les discours. […] Partout dans le monde on n’admet que les gens de sa classe, que ceux qui connaissent votre vie, donc ceux qui la partagent.“207

Auch verstanden sich die Assistenten selbst eher als Ausbilder und weniger als Entwicklungshelfer. Entsprechend waren sich mehrere Assistenten einig darin, dass sie keine Dankbarkeit zu erwarten hätten. Ein französischer Experte berichtete in diesem Zusammenhang, dass, nachdem er die Sämaschine eines Bauern repariert hatte, jener ihm entgegnete: „Donne-moi 100 F. pour acheter de la cola.“208 Anstatt aus solchen Erfahrungen Pauschalurteile über das senegalesische Bauernmilieu abzuleiten, versuchte der Assistent vielmehr, Parallelen zur Gesellschaft seiner Heimat zu finden: Den afrikanischen Zauberern müssten die französischen Wunderheiler und Hellseher gegenübergestellt werden; was dem Afrikaner die Kuh sei, mit der er seine Frau kaufte, sei dem Europäer der Ring, mit dem ebenfalls eine gewisse gesellschaftliche Stellung repräsentiert würde; schließlich wollten die Kinder aus dem Busch alle Beamte werden, ähnlich wie die Bauernkinder aus dem französischen Jura, die ebenso der Landwirtschaft den Rücken kehrten.209 Die Erfahrungsberichte der französischen Entwicklungshelfer sind in zweierlei Hinsicht aufschlussreich. Zum einen wurde deutlich, dass aus den Kontrollphantasien, denen die Entwicklungsplaner im Pariser Hauptquartier der SATEC erlegen waren, nicht automatisch Rückschlüsse auf die Art und Weise der Durchführung der Aktion gezogen werden dürfen. Ebenso wenig können generelle Aussagen auf der Grundlage weniger Erfahrungsberichte getroffen werden. Zumindest aber ist deutlich geworden, wie leicht sich die durchgeplante Revolution von oben verselbständigen konnte. Zum anderen überrascht das Maß an interkultureller Kompetenz, das die hier zu Wort gekommenen technischen Assistenten an den Tag legten. Sie distanzierten sich von paternalistischen Attitüden und wussten offenbar damit umzugehen, dass sie selbst bisweilen mit Vorurteilen bedacht wurden.

ebd. 19950281-138: Lang, Rapport de mission, April 1967; ebd.: SATEC, Rapport trimestriel, Mai 1967. 207 CAC 19950281-139: SATEC, Rapport spécial assistant technique Escotte, Juni 1965; ein anderer spricht davon, dass er Einladungen über Nacht von seinen Bauern stets annahm, um das Milieu besser kennenzulernen und deren Vertrauen zu gewinnen, vgl. ebd.: Daujeant, Rapport sur la vie en brousse, 25.6.1965. 208 CAC 19950281-136, Bd. 1: SATEC, La vie de l’assistant technique au Sénégal, 25.6.1965; vgl. auch ebd. 19950281-139: SATEC, Rapport spécial assistant technique Escotte, Juni 1965. 209 Vgl. ebd.

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Ungeachtet dieser Erfahrungsberichte blieb die Führungsriege der SATEC ihrem top-down Ansatz treu. Ende des Jahres 1965 war die Anzahl der technischen Assistenten auf 37 angewachsen, diejenige der Vulgarisateure auf 509. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit zog die Zentrale der SATEC den Schluss, dass einem Assistenten maximal 18 Vulgarisateure zugeordnet werden sollten, da er sonst seiner Kontrollaufgabe nicht mehr in angemessener Weise gerecht werden könnte. Nach Brüssel wurde zur selben Zeit gemeldet, dass man mit den senegalesischen Mitarbeitern im Großen und Ganzen zufrieden sei, „dès lors qu’ils sont étroitement suivis et récompensés ou sanctionnés.“ Allerdings waren bis dahin bereits 52 Vulgarisateure entlassen worden, und 18 hatten ihrerseits gekündigt. Als Entlassungsgründe wurden Faulheit beziehungsweise Abwesenheit (14), Undiszipliniertheit (10), Unehrlichkeit (3) oder Unfähigkeit (25) angeführt.210 So sehr in den Berichten an die EWG ein positiver Gesamteindruck der Aktion vermittelt werden sollte, so weist die vergleichsweise hohe Entlassungsquote doch darauf hin, dass sich allerhand Sand im Getriebe befand. Die Mischung aus überstürzter Ausbildung und starren Überwachungsstrukturen zahlte sich nicht aus.211 Im Lauf der Zeit zeigte sich, dass weder die technischen Assistenten noch die Vulgarisateure ihre Arbeit so erledigten, wie es sich die Führungsriege der SATEC vorgestellt hatte. Diese war der Auffassung, dass vor allem die Vulgarisateure große Defizite aufwiesen, wenn es darum ging, Versammlungen zu leiten und Einwände der Bauern überzeugend auszuräumen. Außerdem verstünden sie zu wenig von den Themen, die sie vermitteln sollten, weshalb innerhalb der SATEC die Diskussion aufkam, neu eingestellten Vulgarisateuren eine theoretisch fundierte agrarwissenschaftliche Grundausbildung zu gewähren. Gegen diesen Vorschlag formierte sich jedoch umgehend Widerstand, weil ganz im Einklang mit der kolonialen Doktrin der association befürchtet wurde, dass der Vulgarisateur dadurch seine natürliche Nähe zum ländlichen Milieu verlieren würde.212 Schließlich einigte man sich darauf, „que les thèmes soient non plus seulement appris, mais compris. Il s’agit là d’une nouvelle étape dans la formation des vulgarisateurs.“213 Dass der pädagogische Schwerpunkt vom Erlernen auf das Verstehen verlegt und dies zur zweiten Etappe der Ausbildung aufgebauscht wurde, illustriert einmal mehr, wie wenig das Projekt zur Vermittlung nachhaltiger Fähigkeiten beitrug.214 210 Vgl. HAEU 25/1980-641, S. 4: SATEC, Rapport annuel du programme de développement accéléré 1965, hier S. 10. 211 Die Ausbildung der Vulgarisateure dauerte fünf Wochen, vgl. Rempe (2009c), S. 259f. 212 Vgl. zur Doktrin der association den Prolog dieser Studie sowie Dimier (2004b). 213 CAC 19950281-138: SATEC, Note sur la formation des vulgarisateurs, September 1967; vgl. zur Kritik an den technischen Assistenten ebd.: SATEC, Compte-rendu d’activité, 11.4.1967. 214 Ähnliches galt für die funktionale Alphabetisierung, die als weitere Neuerung im April 1968 eingeführt wurde. Innerhalb von fünf Monaten sollten die Vulgarisateure soweit

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Doch Probleme gab es nicht nur mit den Vulgarisateuren. Auch die Ersetzung französischen Personals durch senegalesische Fachkräfte brachte erhebliche Komplikationen mit sich. Zunächst musste geeignetes Personal für alle Ebenen der Organisationsstruktur gefunden werden. In Bezug auf die Besetzung von Führungspositionen zeigte sich der neue Missionschef Claude Chabrol recht pessimistisch: „La nature complexe des responsabilités supportées par l’ingénieur régional et l’obligation qui est faite à ce dernier d’être parfaitement au fait des moindres détails de l’opération [...] laissent prévoir qu’il faudra un long apprentissage aux ingénieurs sénégalais avant qu’ils soient en mesure de prendre le relais.“215

Dennoch wurde nichts unversucht gelassen, die besten Köpfe für die SATEC zu gewinnen. So wusste Chabrol beispielsweise von sechs jungen senegalesischen Studenten, die in Paris kurz vor ihren Abschlüssen standen. Er bat die Pariser Zentrale, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und sie für das Projekt zu gewinnen. Die Suche nach einem senegalesischen Kollegen für das Hauptquartier in Dakar geriet sogar zur Chefsache auf beiden Seiten. Generaldirektor Bour wünschte sich Cheikh Hamidou Kane, der an der École nationale de la France d’outre-mer studiert und bereits Karriere in der senegalesischen Politik gemacht hatte. Bour bat bei Senghor persönlich und letztlich erfolgreich um die Freistellung des Beamten für die SATEC.216 Als senegalesische technische Assistenten nahm die SATEC zunächst überwiegend Absolventen der Verwaltungsschule in Louga und der École des cadres ruraux in Bambey unter Vertrag.217 Ehe sie alleinige Verantwortung für einen Distrikt erhielten, wurden sie für eine gewisse Zeit französischen Assistenten als Praktikanten zur Seite gestellt. Doch schon bald regte sich Kritik bei Missionschef Chabrol über die mittelmäßige Qualität der senegalesischen Assistenten: „Certains agents ont des difficultés à assimiler et mettre en pratique les méthodes de vulgarisation. Ces difficultés proviennent, la plus souvent, d’un manque de connaissances de base: c’est ainsi que plusieurs moniteurs d’agriculture ne parviennent pas à comprendre les problèmes soulevés par l’élaboration et l’exécution du programme agricole, l’endettement lesen, schreiben und rechnen lernen, dass sie ihrer Bestimmung als ländlicher Elite besser gerecht würden, vgl. CAC 19950281-140: SATEC, Pour la définition d’une politique de relève dans l’opération de productivité arachidière du Sénégal, April 1968; ebd. 19950281-138: SATEC, Généralités SA/1.4, o.D. [1968]; allgemein entstand das Konzept der funktionalen Alphabetisierung implizit im Rahmen einer weltweiten Kampagne der UNESCO, die 1966 gestartet wurde und ebenfalls eine berufsbezogene Orientierung hatte, vgl. Verhaagen (1999), S. 19–25; Kürschner (1985), S. 18–21. 215 CAC 19950281-140: Chabrol an Bour, 23.6.1966. 216 Vgl. ebd.; ebd.: SATEC, Procès-verbal du comité de travail, 3.6.1966; ebd. 19950281138: Bour an Senghor, 11.8.1965. 217 Vgl. CAC 19950281-138: SATEC, Note, 8.5.1965; ebd.: Bour an Gaye 7.1.1965; ebd.: de Divonne, Note, 18.8.1965; ebd. 19950281-140: Chabrol an Bour, 23.6.1966.

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du paysan, etc....et ne sont donc pas capables de former ou de contrôler les vulgarisateurs placés sous leur autorité.“218

Insbesondere die Absolventen aus Louga hielten sich Chabrol zufolge für etwas Besseres und waren von der Aufgabe selbst nicht überzeugt. Nicht zuletzt deswegen bat der Missionschef um die Freistellung zweier inspecteurs régionaux de l’agriculture – jene Funktionäre, die ursprünglich einen „brain trust“ mit der regionalen Ebene der Entwicklungsgesellschaft bilden sollten –, um sie als technische Assistenten dem Vulgarisationsapparat einzuverleiben.219 Die Senegalesierung des Projekts führte so zu einer weiteren Destabilisierung der bestehenden regionalen Verwaltungsstrukturen. Und selbst die Ministerialbürokratie in Dakar stellte für die SATEC kein Tabu dar. Im Rahmen einer interministeriellen Sitzung im Beisein Senghors forderten Vertreter der SATEC im Herbst 1966, dass alle landwirtschaftlichen Abteilungen Personal für das Projekt zur Verfügung stellen müssten. Die Entwicklungsgesellschaft wollte außerdem verbrieft bekommen, selbst Personalvorschläge machen zu dürfen. Die abgeworbenen Beamten sollten darüber hinaus von ihren alten Dienststellen weiter bezahlt werden.220 Das selbstbewusste Auftreten der SATEC schien Wirkung zu zeigen. Tatsächlich nahm die Ersetzung ausländischer technischer Assistenten durch senegalesisches Personal nach schleppendem Beginn zum Sommer 1967 Fahrt auf. Deren Anzahl stieg auf 25 von insgesamt 43 Assistenten. Sie kamen von den Schulen in Louga und Bambey, aus der senegalesischen Ministerialverwaltung und von den Centres d’expansion rurale.221 Das freigewordene Personal der SATEC kehrte entweder in die Heimat zurück oder wurde zu sogenannten adjoints régionaux de vulgarisation befördert, einer neu geschaffenen Zwischenhierarchie zwischen technischem Assistenten und der regionalen Ebene. Diese erhielten die Aufgabe, die senegalesischen Assistenten angemessen zu betreuen und zu kontrollieren. Die adjoints hatten fortan mit der Heterogenität ihrer Untergebenen zu kämpfen. Die alteingesessenen französischen Assistenten waren angesichts ihres Erfahrungsvorsprungs nicht begeistert darüber, gemeinsame Fortbildungen mit ihren neuen senegalesischen Kollegen besuchen zu müssen, weswegen es einiger Anstrengungen bedurfte, so etwas wie Teamgeist entstehen zu lassen. Dass die französischen Mitarbeiter finanziell besser gestellt waren und unter anderem auch wesentlich längeren Urlaub zugeteilt bekamen, dürfte für das Betriebsklima

218 CAC 19950281-140: Chabrol an MERS, 3.8.1966. 219 Vgl. ebd. 220 Vgl. ebd.: Questions et suggestions de la SATEC à l’occasion du Conseil interministériel, 10.11.1966; Bour an Senghor, November 1966. 221 Vgl. CAC 19950281-138: SATEC, Rapport trimestriel, Mai 1967; ebd.: Bour an Thiam, 26.9.1968.

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ebenso wenig förderlich gewesen sein.222 Allerdings verursachte die Einstellung senegalesischer Assistenten nicht nur Probleme mit den französischen Kollegen. Auch mit den Vulgarisateuren kam es zu Autoritätskonflikten. Insbesondere jene, die vorher der regulären Verwaltung als guide de l’arrondissement gedient hatten, konkurrierten bei Versammlungen mit den senegalesischen Vorgesetzten um die Gunst der Bauernschaft.223 Am 30. Juni 1968, dem Zeitpunkt, an dem die Finanzierung durch den EEF auslief, waren abgesehen von den inzwischen 728 Vulgarisateuren insgesamt 50 Senegalesen bei der SATEC angestellt, darunter zwei Ingenieure auf der regionalen Ebene und einige adjoints régionaux. Dem senegalesischen Personal standen 40 ausländische Angestellte gegenüber.224 Damit wurde ein wesentliches Ziel der Aktion, nämlich die Ersetzung aller ausländischen Mitarbeiter innerhalb von drei Jahren, deutlich verfehlt. Ungeachtet dieses Scheiterns und trotz der Komplikationen, die die Senegalesierung des Mitarbeiterstabes begleiteten, war die SATEC fest davon überzeugt, dass die Inkorporation einheimischer Bediensteter in ihre Strukturen dem senegalesischen Staat grundsätzlich zu Gute kommen würde. Gerade im Posten des technischen Assistenten wurde ein ideales Sprungbrett für weitere Verwaltungskarrieren gesehen. Die Hoffnungen, die in die Wirkmächtigkeit der Aktion gesetzt wurden, waren bei manch einem Mitarbeiter sogar noch weiter gefasst: „On aboutirait ainsi à un corps dynamique qui influerait peut-être les structures de l’administration actuelle.“225 *** Obwohl sich die SATEC selbst bescheiden als Ausführungsorgan der senegalesischen Ministerialverwaltung bezeichnete, glich dieses Public Private Partnership mehr und mehr einem Staat im Staate.226 Von dieser Position aus beeinflusste die Entwicklungsgesellschaft zunehmend auch die Reformen der senegalesischen Regierung. Dieser Prozess mündete schließlich Anfang 1968 in der Gründung der Société de développement et de vulgarisation agricole (SODEVA), die als halbstaatliche Entwicklungsbehörde vorübergehend zu einer der einflussreichsten Institutionen im senegalesischen Erdnusssektor avancierte. Bereits zwei Jahre zuvor hatte die SATEC begonnen, sich verstärkt in die Reformdiskussionen der senegalesischen Regierung einzuschalten. Nach der Kampagne 1965/66 hatte letztere die Verwaltungsstrukturen der Erdnusswirtschaft neu geord222 Vgl. CAC 19950281-138: SATEC, Rapport trimestriel, Mai 1967. 223 Vgl. ebd.; ebd.: Lang, Rapport de mission, April 1967. 224 Vgl. CAC 19950281-140: SATEC, Situation au 30.6.1968 du programme de développement de la productivité, 4.7.1968, annexe II. 225 Ebd. 226 Vgl. ebd.: Chabrol an MERS, 24.6.1966.

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net. Die Centres régionaux d’assistance au développement wurden abgeschafft und stattdessen mit dem Office national de coopération et de l’assistance pour le développement (ONCAD) eine Zentralbehörde gegründet. Senghor glaubte, dass eine auf nationaler Ebene angesiedelte Institution besser in der Lage sei, für effiziente Strukturen und klare Verantwortlichkeiten zu sorgen. Das neue Amt war fortan für die gesamte interne Organisation der Erdnusswirtschaft zuständig.227 Versuche verschiedener Abteilungen, dem ONCAD auch Kompetenzen im Bereich der Vulgarisation zu verleihen, wehrte die SATEC erfolgreich ab. Im Gegenteil versuchte diese von Anfang an, Einfluss auf die neue Institution und ihren jungen Generaldirektor Doudou Sarr zu nehmen. Sarr, der bis dato als Chef eines regionalen Entwicklungszentrums im Sine-Saloum tätig gewesen war und in der Gunst des Präsidialamtes stand, zeigte sich der SATEC gegenüber sehr aufgeschlossen. Er garantierte ihr nicht nur weiterhin großzügige Autonomie, sondern bat darüber hinaus auch um die Abstellung diverser Experten für den Aufbau des neuen Amts.228 Umgehend schlug die französische Entwicklungsgesellschaft Landwirtschaftsminister Magatte Lo vor, für die wichtigsten Abteilungen je einen Spezialisten der Entwicklungsgesellschaft im ONCAD anzusiedeln, die, so das Angebot der SATEC, zunächst mit der Leitung und zugleich der Ausbildung potentieller senegalesischer Führungskräfte beauftragt werden sollten.229 Lo gingen diese Ideen jedoch zu weit. Man einigte sich stattdessen darauf, dem neuen Amt lediglich einen Finanzspezialisten dauerhaft zur Verfügung zu stellen sowie dessen Strukturen von Mitarbeitern der SATEC prüfen zu lassen.230 Bald darauf stellten die Experten der SATEC fest, dass die neue Institution kaum funktionstüchtig sei und begründeten dies mit einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Sie hatten ferner den Eindruck gewonnen, dass sich bis hinauf zu den zuständigen Ministern kaum jemand für den Aufbau des ONCAD interessierte. Deswegen hielten sie sich an französische Berater in den Ministerien und erstellten mit ihrer Hilfe ein Organigramm sowie diverse Verwaltungsabläufe für das Amt. Außerdem hatte diese Inventur zur Folge, dass die senegalesische Regierung nun doch weitere zwei Mitarbeiter der SATEC mit Führungsaufgaben betraute. Das ONCAD trug

227 Mit der Abwicklung des Exports beziehungsweise Verkaufs an die Ölindustrie sowie der Lagerung blieb allerdings zunächst noch das OCA betraut, vgl. Mbodj (1992), S. 103–105; Péhaut (1984), S. 409f. 228 Vgl. CAC 19950281-140: Penent an Renaud, 18.1.1966; ebd.: Chabrol, Note, 25.7.1966. 229 Vgl. ebd.: Bour an Lo, 7.9.1966; es handelte sich um die Bereiche Rechnungswesen, Beratung der Kooperativen, Samenherstellung und -verteilung sowie Organisation von Transport und Vermarktung. 230 Vgl. ebd.: Chabrol, Note, 14.9.1966.

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so von Anbeginn die Handschrift der französischen Entwicklungsgesellschaft, was es allerdings kaum vor künftiger Kritik bewahren sollte.231 Die starke Stellung innerhalb der senegalesischen Politik erleichterte es der SATEC, ihren Vulgarisationsapparat in eine reguläre nationale Entwicklungsbehörde zu überführen, die als vierte bedeutende Institution des Erdnusssektors neben die Entwicklungsbank, das ONCAD und die Ministerialverwaltung trat. Erstmals wurde dieses Szenario im Frühjahr 1966 vom europäischen Expertenkomitee diskutiert und ausdrücklich befürwortet. Bald darauf stellte sich auch Sarr hinter das Konzept der SATEC, das vorsah, die Nachfolgeorganisation zu einer autonomen Filiale seines Amtes zu machen und diese so vor dem Zugriff der senegalesischen Ministerien zu schützen. Ein weiterer Vorteil dieser Konstruktion bestand darin, dem ONCAD leichter Kompetenzen abtrotzen zu können, wobei die Führungsriege der SATEC insbesondere die Geschäftsführung und Oberaufsicht über die Kooperativen im Auge hatte. Gestützt auf die Expertise der europäischen Professoren und im Zusammenspiel mit französischen wie senegalesischen Verbündeten aus der Dakarer Ministerialbürokratie gelang es der SATEC schließlich, Präsident Senghor von ihrem Konzept zu überzeugen. Die daraus hervorgehende SODEVA erhielt zusätzlich zum bisherigen Mandat die Aufsicht über die Kooperativen und wurde dadurch mit der gesamten Planung und Durchführung des Agrarprogramms betraut.232 Die neue Behörde wurde zum 231 Vgl. CAC 19950281-140: Chabrol, Note, 14.9.1966; ebd.: SATEC, Note, 28.1.1966; ebd.: Gibert, Note, 2.12.1966; ebd.: SATEC, Note, 11.8.1967; ebd.: Gibert, Note, 25.11.1967; die beiden weiteren Experten der SATEC leiteten die Abteilungen Samenherstellung und Verteilung sowie Betriebsführung. Der Einstieg bei der neuen Behörde ging weit über den entwicklungspolitischen Auftrag hinaus, den die SATEC von der EWG erhalten hatte, weswegen die SATEC beim FAC um eine Finanzierung anfragte. Nach anfänglichem Widerstand finanzierte das französische Entwicklungsministerium schließlich zwei der drei Stellen im ONCAD; die dritte ging zu Lasten des senegalesischen Haushalts. Die anfangs ablehnende Haltung wurde von Paris damit begründet, dass für die in Frage stehende Tätigkeit Brüssel zuständig sei. Nachdem die SATEC drohte, andere Aufträge des FAC nicht anzunehmen, lenkte das Ministerium ein – ein weiterer Beleg für die starke Stellung, die ausführende Entwicklungsgesellschaften wie die SATEC innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit einnehmen konnten, vgl. ebd.: Renaud an Bour, 1.3.1967; ebd.: Bour an SdE Coop, 25.4.1967; ebd.: SATEC, Note, 11.8.1967. 232 Vgl. CAC 19950281-140: Dehaye an Senghor, 24.5.1966; ebd.: SATEC, Suggestions sur les problèmes posés par la poursuite de l’opération, 24.5.1966; ebd.: Chabrol, Note, 25.7.1966; ebd.: Convention ONCAD/SODEVA, 19.2.1968; Senghor hatte zunächst eine schlichte Übertragung des SATEC-Mandats auf die neue Institution favorisiert. Im Gegenzug zur Ausweitung der Kompetenzen bestand Senghor auf einer Kapitalbeteiligung der SATEC an der SODEVA, was ihr auch einen Sitz im Aufsichtsrat der halbstaatlichen Gesellschaft bescherte, vgl. ebd.: Présidence du Sénégal, Compte-rendu du Conseil interministériel, 24.11.1967.

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1. Januar 1968 gegründet und die SATEC mit der Geschäftsführung beauftragt. Ein Übergangsplan sah vor, bis Juli 1969 die SODEVA an senegalesische Führungskräfte zu übertragen. Es sollte jedoch wesentlich länger dauern, ehe die SATEC sich aus dem Tagesgeschäft der neuen Entwicklungsbehörde zurückzog.233 Aus dem hier nachgezeichneten Prozess ging vor allem ein Gewinner hervor: die SATEC selbst. Das lässt sich unter anderem auch am Führungspersonal der Entwicklungsgesellschaft ablesen, das seit 1964 von 23 auf über 40 im Jahre 1968 anwuchs, um dann bis Anfang 1971 konstant zu bleiben.234 Dass institutionelle Eigeninteressen zu einem maßgeblichen Faktor in diesem Prozess wurden, zeigt sich nicht zuletzt an der Schlüsselrolle, die die Entwicklungsgesellschaft bei der Suche nach einer externen Finanzierung der neuen Behörde einnahm. Im Frühjahr 1967 ersuchte die senegalesische Regierung die Weltbank um eine Folgefinanzierung der action de vulgarisation. Parallel bemühte sie sich, letztlich mit Erfolg, um eine Verlängerung beim EEF um ein halbes Jahr bis zum Juli 1968.235 Die Weltbank fand Gefallen am Engagement der SATEC. Sie wollte jedoch nur unter der Bedingung einsteigen, dass das ONCAD reformiert und in ein echtes Handelsunternehmen umgewandelt werde, in dem „les considérations d’efficacité pratique et de rentabilité devraient, à tous égards, prévaloir.“236 Außerdem hielt die Weltbank Generaldirektor Sarr für inkompetent und forderte gegenüber Bour in aller Vertraulichkeit dessen Absetzung. Der Generaldirektor entgegnete, dass es zwar mit den Fähigkeiten von Sarr nicht weit her sei, warnte aber vor dessen Entlassung, weil man sich nicht sicher sein könnte, einen Besseren zu finden. Außerdem sei Sarr der SATEC gewogen und deshalb ein wertvoller Mittler zur senegalesischen Verwaltung. Letztlich, so Bour, sei Sarr die ideale Besetzung, sobald er von fähigen Beratern seines Unternehmens umgeben sei.237 Während die Weltbank daraufhin einlenkte – Sarr wurde im Amt belassen –, bildeten ihre übrigen Bedingungen die Grundlage für eine weitere Inventur des ONCAD durch Experten der SATEC. Parallel dazu ergriffen die dort bereits tätigen Experten die wichtigsten Maßnahmen, um eine Finanzierung der Weltbank sicherzustellen. Im 233 Vgl. CAC 19950281-141: SATEC, Déroulement de l’opération de productivité, März 1969; ebd.: SATEC, Le développement de la productivité agricole, Dezember 1970; vgl. dazu auch Schumacher (1975), S. 205–207. 234 Vgl. ebd.: SATEC, Déroulement de l’opération de productivité, März 1969; SATEC, Le développement de la productivité agricole, Dezember 1970; diese Zahlen verdeutlichen im Übrigen, dass die Argumente der SATEC in Bezug auf die Europäisierungswünsche der Generaldirektion in Brüssel vorgeschoben waren. 235 EEF-Leiter Ferrandi lehnte eine Verlängerung kategorisch ab, doch sein italienischer Kollege Ugo, in erster Linie zuständig für die PDH, gestattete letztendlich eine Verlängerung um ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 1968, vgl. CAC 19950281-137: Ferrandi an Thiam, 20.7.1967; Ugo an ministère des Finances sénégalais, 9.10.1967. 236 CAC 19950281-140: SATEC, Note, 24.8.1967. 237 Vgl. ebd.: Bour an McKitterick, 24.8.1967.

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Ergebnis wurde die SODEVA von der Weltbank, der französischen Caisse centrale de coopération économique (CCCE) und der senegalesischen Regierung vom 1. Juli 1968 an auf drei Jahre befristet getragen.238 Damit war es der SATEC gelungen, ihren Vulgarisationsapparat in eine nationale Entwicklungsbehörde umzuwandeln. *** Dass die SATEC ihre wirtschaftlichen Ziele verfehlte, ist bereits eingangs geschildert worden. Dessen ungeachtet hat sie tiefe Spuren in der senegalesischen Politik und Gesellschaft hinterlassen. Im Ergebnis gelang es ihr, die Parallelstrukturen, die mit ihrer Ankunft entstanden waren, gänzlich zu ihren Gunsten aufzulösen. Dies gipfelte in der Gründung einer zunächst unter ihrer Leitung stehenden nationalen Entwicklungsbehörde, die kaum besser funktionierte als die Landwirtschaftszentren und die animation rurale, welche durch die SATEC verdrängt worden waren. Die Entwicklungsgesellschaft hatte letztlich wesentlichen Anteil daran, dass von Mamadou Dias Entwicklungskonzept am Ende der 1960er Jahre kaum mehr etwas übrig blieb. Sie sorgte dafür, dass die neue Ausrichtung senegalesischer Entwicklungspolitik, wie sie auf programmatischer Ebene im Dezember 1962 mit dem Assoziationsabkommen besiegelt worden war und anschließend auch Eingang in den zweiten Entwicklungsplan gefunden hatte, eine konsequente Umsetzung erfuhr. Die SATEC konnte dabei nahezu unabhängig von Brüssel agieren und sich vor Ort auf Verbündete wie Senghor und diverse französische, aber auch senegalesische Berater in den Ministerien stützen, die allesamt größtes Vertrauen in ihre Expertise setzten.239 Obwohl die Entwicklungsgesellschaft eine dynamische und funktionsfähige Verwaltung westlicher Prägung schaffen wollte, nutzte sie selbst vertraute Netzwerke statt den Dienstweg, um ihre Ziele zu erreichen. Im Reformprozess der senegalesischen Erdnusswirtschaft war die SATEC insofern mittendrin statt nur dabei. Das mit dem Projekt begründete Public Private Partnership verweist eindrücklich darauf, wie irreführend Interpretationen der Entwicklungszusammenarbeit sind, die je nach politischer Couleur Verantwortlichkeiten lediglich auf einen Kooperationspartner zu reduzieren suchen.240 238 Vgl. CAC 19950281-140: Penent an Mohrman, 4.3.1968; ebd.: Bour an SdE Coop, 5.12.1967; ebd.: Bour an Lo, 19.2.1968; die Finanzierung wurde wie folgt aufgeteilt: Weltbank 175 Mio. F CFA; CCCE 600 Mio. F CFA; senegalesische Regierung 580 Mio. F CFA. Die Mittel der Banken wurden auf Kredit gewährt. 239 Diese Deutung bestätigt letztlich bisherige Interpretationen senegalesischer Entwicklungspolitik, die ebenso einen Wandel von Dias ,sozialistischem‘ Entwicklungskonzept zu einem stärker expertengesteuerten, modernisierungstheoretisch gefärbten Ansatz konstatieren, vgl. Diouf (1997); Mbodj (1992); ferner Schumacher (1975); bislang wurde jedoch übersehen, welch bedeutende Rollen die EWG im Allgemeinen und die SATEC im Besonderen in diesem Prozess einnahmen. 240 Vgl. dazu auch Eckert (2009).

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Schließlich glich die action de vulgarisation einem groß angelegten Manipulationsversuch. Auf der Grundlage rigider Überwachungsmechanismen, die allerdings in der Praxis verständigere Formen der Zusammenarbeit annehmen konnten, zielte das Projekt darauf ab, den Bauern produktivere Agrartechniken zu vermitteln. Der senegalesische Bauer wurde ungeachtet der sozialen Realitäten auf einen homo oeconomicus, einen Rohstoffproduzenten reduziert, der zu funktionieren hatte. Zugleich sollten auch die Vulgarisateure in jedem Fall das bleiben, was sie waren: einfache Bauern. Als „agents de progrès“ instrumentalisiert, wurden sie in der Regel nach zwei Jahren in die Arbeitslosigkeit entlassen. Inzwischen bestellten andere ihre Felder und ihre soziale Reintegration geriet aufgrund der Sonderstellung, die sie vorübergehend als Angestellte innegehabt hatten, mancherorts zum Fiasko.241 Inwieweit die Entwicklungsgesellschaft mit ihrer autoritären und hierarchischen, auf permanente Kontrolle abzielenden Ausbildung von Verwaltungskadern auch die politische Kultur des jungen senegalesischen Staates prägte, ist schwer zu beurteilen. Der allgegenwärtige Praktikantenstatus der senegalesischen Mitarbeiter jedenfalls dürfte nicht nur Minderwertigkeitskomplexe hervorgerufen beziehungsweise verfestigt haben, sondern ebenso ein starkes Abgrenzungsbedürfnis der senegalesischen Gewinner in diesem Spiel gegenüber denjenigen Landsleuten, die in der Hierarchieleiter unter ihnen standen. So machte zumindest der Agronom Paul Pélissier als Zeitgenosse die Beobachtung, dass die Einführung neuer landwirtschaftlicher Techniken die kollektive Solidarität in den Dörfern in Frage stellte und zu sozialen Ungleichheiten führte. Dies traf vor allem für jene von Serern bewohnten Regionen zu, in denen die Vulgarisation Pélissier zufolge stärkere Auswirkungen hatte.242 In den Gebieten der Wolof, wo die Muriden-Bruderschaft dominierte, stieß die Entwicklungsgesellschaft demgegenüber auf größeren Widerstand, stabilisierte zugleich aber die Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb der hierarchisch organisierten Sufi-Bruderschaft.243 An der je nach Region unterschiedlich ausgefallenen Rezeption der action de vulgarisation zeigt sich schließlich im Kleinen, was bereits auf der großen Bühne der Politik zu beobachten war: ein allseits anzutreffender, überbordender Hang zur Vereinfachung äußerst komplexer sozialer Lebenswelten.244

241 Es dauerte bis zum Frühjahr 1968, ehe die SATEC diese Problematik erkannte und in einem Strategiepapier zur Organisation der SODEVA konkrete Reintegrationsmaßnahmen vorschlug, vgl. CAC 19950281-140: SATEC, Pour la définition d’une politique de relève dans l’opération de productivité, April 1968. 242 Vgl. Pélissier (1972), S. 403. 243 So zumindest das Urteil bei Cruise O’Brien (1971), S. 226f. und Copans (1988), S. 208– 210. 244 Vgl. zu diesem Phänomen grundlegend Scott (1998).

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5. Siegeszug der Entwicklungsökonomie: Diversifizierungspläne für die Landwirtschaft Die Zusammenarbeit zwischen Brüssel und Dakar hat in den 1960er Jahren in keinem anderen Wirtschaftssektor des Senegal so tiefe Spuren hinterlassen wie in der Erdnusswirtschaft. Insgesamt flossen etwas mehr als die Hälfte der knapp 60 Millionen RE, die der zweite europäische Fonds dem Senegal gewährte, über die Produktionshilfe in den Erdnusssektor.245 Die komplementär vergebene Diversifizierungshilfe, für die die senegalesische Regierung etwas mehr als 12 Millionen RE reservierte, bildete den zweitgrößten Anteil. Anders als die Produktionshilfe war sie jedoch an kein mehrjähriges Programm gebunden. Stattdessen wurde mit ihr ein separater und in der Fördersumme genau festgelegter Topf für Projekte geschaffen, die auf die Diversifizierung der Landwirtschaft abzielten.246 Wie erläutert, war die Produktions- und Diversifizierungshilfe Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Mitgliedsstaaten der EWG. Mit ihr sollten die Monokulturen vieler assoziierter Länder wettbewerbsfähig gemacht und zugleich die einseitige Ausrichtung derer Wirtschaftsstrukturen korrigiert werden. Diversifizierung als Entwicklungsstrategie stand demnach in deutlichem Gegensatz zur kolonialen Entwicklungspolitik, die sich nicht nur im Senegal überwiegend auf die qualitative Verbesserung und Produktivitätssteigerung der bestehenden Monokultur konzentrierte.247 Nach der Unabhängigkeit des Senegal setzten Dia und Lebret die Diversifizierung der senegalesischen Landwirtschaft umgehend auf die politische Agenda. Zahlreiche Maßnahmen wurden in den ersten senegalesischen Entwicklungsplan aufgenommen und sollten schnell umgesetzt werden. Im Vergleich zur Erdnussforschung war agronomisches Wissen über andere landwirtschaftliche Erzeugnisse im Senegal zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit jedoch kaum vorhanden. Die rasche Ausweitung des Reisanbaus in der Casamance zu Beginn der 1960er Jahre, die die senegalesische Regierung in Angriff nehmen wollte, scheiterte am Unwillen und an fehlendem Wissen der Generaldirektion in Brüssel.248 Kurz darauf erhöhte sich der Modernisierungsdruck erheblich durch die Erneuerung des Assoziationsabkommens, was nicht ohne Folgen für den zweiten senegalesischen Plan blieb. Dessen Diversifizierungsziele fielen noch wesentlich ehrgeiziger aus als jene des ersten Plans. Unter anderem sollte die 245 Vgl. HAEU 25/1980-1328, S. 407: DG VIII, Note sur les interventions envisagées sur les ressources du 3ème FED en République du Sénégal, o.D. [1971], hier S. 419; vgl. auch Cosgrove-Twitchett (1978), S. 138. 246 Vgl. CAC 19950281-44: DG VIII, Note d’information sur l’aide à la diversification, 7.10.1963; ansonsten galt für die Diversifizierungshilfe dasselbe projektgebundene Verfahren wie für reguläre Vorhaben des europäischen Fonds. 247 Vgl. Craven/Tuluy (1981), S. 240; ferner auch Bonneuil/Petitjean (1997), S. 131f. 248 Vgl. dazu Kap. I.3.

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Reisproduktion um 30 Prozent gesteigert, der Baumwoll- und Zuckerrohranbau neu eingeführt sowie zahlreiche kleinere Initiativen ergriffen werden. Diese Maßnahmen zielten in erster Linie darauf ab, Importe der genannten Erzeugnisse zu mindern und so die negative Handelsbilanz aufzubessern.249 Die Diversifizierungshilfe der EWG schien den idealen Rahmen zu bieten, um die Pläne des Senegal rasch umzusetzen. Noch bevor die neue Gemeinschaftshilfe zur Anwendung gelangte, kam es zu Personalwechseln in der Generaldirektion. Der ehemalige Kolonialbeamte Jacques Ferrandi, der im Senegal seine Karriere begonnen und dort seine zweite Heimat gefunden hatte, legte im Jahr 1963 seinen Posten als Kabinettschef von Kommissar Rochereau nieder und stieg zum Direktor der Abteilung C für den EEF auf. Zugleich wurde die Generaldirektion derart umstrukturiert, dass Planung und Beurteilung der Projektanträge in die Kompetenz von Ferrandis Direktion fielen, während sich die Abteilung B, die 1964 mit dem belgischen Ökonomen Jean Durieux gleichfalls einen neuen Leiter erhielt, künftig in erster Linie um Entwicklungsstudien kümmern sollte.250 Mit dieser personellen und sachlichen Neuordnung schien der stärker an wissenschaftlichen Methoden orientierte entwicklungspolitische Ansatz, der sich in der Gründungsphase der DG VIII herauskristallisiert hatte, in Frage gestellt: Der neue EEF-Direktor galt als einer seiner schärfsten Kritiker, und seine Abteilung war fortan alleine für den europäischen Fonds verantwortlich. Die neue Kompetenzverteilung sowie Ferrandis enge Verbindungen zum Senegal schienen gute Voraussetzungen zu schaffen, um die zähe wissensbasierte Kooperation der vergangenen Jahre durch eine Form der Zusammenarbeit zu ersetzen, bei der Entscheidungen eher auf der Grundlage persönlicher Beziehungen als auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und Überlegungen getroffen würden. Das folgende Kapitel wird sich deshalb ausführlich der Frage zuwenden, inwieweit mit Ferrandis Aufstieg eine Rückkehr zu Praktiken des französischen Spätkolonialismus einherging.251 Dabei gilt es zwei Ebenen zu unterscheiden: Zunächst wird ein Blick auf die Beurteilungskriterien der DG VIII geworfen, ehe deren praktische Anwendung anhand von Vorhaben untersucht wird, die die landwirtschaftliche Diversifizierung im Senegal voranbringen sollten. *** 249 Vgl. Habib Thiam, Le 2ème plan quadriennal a démarré en 1965, in: Europe France Outremer Nr. 433 (1966), S. 26–30; ANS 1R 665: Ministère du Plan, Note sur le programme d’aide à la diversification, 17.4.1967; RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 53. 250 Vgl. dazu die beiden Organigramme in HAEU 25/1980-2114, S. 179: DG VIII, Direction générale, 10.6.1963; CAC 19950241-44: DG VIII, Direction générale, o.D. [1962]; vgl. auch Dimier (2005), S. 396. 251 Diese Frage bejaht dezidiert Dimier (2008), die im Übrigen auch keine zeitliche Binnendifferenzierung vornimmt.

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Relativ zeitgleich zur Umstrukturierung der Generaldirektion wurde der wissensbasierte Ansatz zumindest auf programmatischer Ebene bestätigt und sogar weiter ausdifferenziert. Kurz nach der Erneuerung des Assoziationsabkommens gab sich die Kommission ohne Zutun der Mitgliedsstaaten eine neue Verfahrensordnung, mit der die Beurteilung von Projekten noch detaillierteren Regeln unterworfen wurde als zuvor.252 Infolgedessen verhärteten sich mit dem Aufstieg Ferrandis die Fronten in der Auseinandersetzung über den entwicklungspolitischen Ansatz der Gemeinschaft. Dieser Konflikt trat in einer Publikation der DG VIII mit dem Titel „Les critères d’appréciation des projets soumis au Fonds européen de développement“ zu Tage, die 1965 veröffentlicht und dem Senegal zur Information auch zugesandt wurde.253 Die Erfahrungen in der Projektzusammenarbeit hatten gezeigt, dass die Beurteilungspraxis durchaus den selbst verordneten Kriterien gemäß erfolgte, ohne dass jedoch zu erkennen war, nach welchen Methoden jene geprüft wurden. So blieb es meist bei einer qualitativen und angesichts mannigfaltiger Kriterien vergleichsweise subjektiven Beurteilungspraxis. Besagte Publikation verstand sich daher als methodologischer Beitrag, weil sie eine Rationalisierung und Vereinheitlichung der Anwendung der Kriterien zu erwirken suchte: „Elle [die Studie, M.R.] ne prétend pas contester la valeur intrinsèque des propositions de financement rédigées antérieurement, mais elle désire contribuer à préciser leur forme, à unifier leur présentation de façon à ce que les mêmes critères définis de même façon soient utilisés.“254

Ferrandi hatte der Publikation ein Vorwort vorangestellt. Er machte darin nicht den geringsten Hehl aus seiner tiefen Abneigung gegen das Regelwerk und merkte an, dass es sich bei dem Dokument um keine Entwicklungsdoktrin der EWG handeln dürfe, da jegliches Beharren auf Doktrinen unweigerlich scheitern müsse. Er war der Meinung, dass jedes unterentwickelte Land vor spezifische Probleme gestellt sei, für die es keine vorgefertigten Lösungen geben könne. Obwohl er der Idee der nachholenden Modernisierung durchaus etwas abgewinnen konnte, wies er die vorgeschlagenen Methoden vehement zurück:

252 Vgl. Abl.EG L Nr. 12, 25.2.1959, S. 241–254: Verordnung Nr. 7/59 der Kommission zur Festlegung der Arbeitsweise des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, hier Art. 25; Abl.EG L Nr. 81, 11.5.1965, S. 1397–1404: Verordnung Nr. 62/65 der Kommission zur Regelung der Arbeitsweise des Entwicklungsfonds, hier Art. 8; die Liste der Beurteilungskriterien, die bei der Prüfung von Projektanträgen zu berücksichtigen waren, wuchs von bis dato acht auf 15 an. 253 Ein Exemplar dieser Publikation befindet sich in der Bibliothek der Archives nationales du Sénégal. 254 HAEU 25/1980-1035, S. 190: COM, Les critères d’appréciation des projets soumis au fonds européen de développement, 1965, hier S. 195.

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„Les pays sous-développés ont deux avantages sur les pays industrialisés: ils partent de zéro ou presque; ils peuvent profiter des expériences réalisés par ces derniers. Mais leur appliquer purement et simplement les méthodes de calcul, les procédés d’analyse, les doctrines de développement adoptées par ces derniers est une vue de l’esprit qui ne peut conduire qu’à des erreurs irréparables.“255

Ohne Zweifel hatte sich aus der anfänglichen Beobachtung über die geringe wissenschaftliche Grundierung französischer kolonialer Entwicklungspolitik ein Grundsatzkonflikt entwickelt, der zwischen den ehemaligen Kolonialadministratoren mit Ferrandi an ihrer Spitze und stärker entwicklungsökonomisch und ökonometrisch geschulten Mitarbeitern der DG VIII ausgetragen wurde. Hinter der Auseinandersetzung verbargen sich auch unterschiedliche nationale entwicklungspolitische Traditionen. Deswegen wurde sie nicht nur zwischen der Studiendirektion und Ferrandis Abteilung, sondern darüber hinaus auch innerhalb der beiden Direktionen zwischen Mitarbeitern verschiedener Nationalitäten geführt. Bisher hatten sich eher die Anhänger hoher wissenschaftlicher Standards durchgesetzt. Auch die Vergabestatistik des ersten Fonds suggeriert, dass die in erster Linie auf der Expertise französischer Kolonialbeamter basierenden Projektanträge überwiegend auf Ablehnung stießen. Während der Laufzeit des ersten Fonds wurden insgesamt 352 eingereichte Projektanträge zurückgewiesen, sei es, dass die Regierungen der assoziierten Staaten sie zurückzogen, sei es, dass der technische Dienst des europäischen Fonds sie ablehnte.256 Auch der Inhalt des Kriterienkatalogs spiegelte die Konfliktlinien wider. Schon die herangezogene Literatur illustrierte den Spagat zwischen überlieferten Gewissheiten aus der kolonialen Ära und entwicklungsökonomischen Abhandlungen. Offizielle Regelwerke der französischen Kolonialadministration und Dokumente des jungen französischen Entwicklungsministeriums waren ebenso in der Bibliographie verzeichnet wie Aufsätze der Entwicklungsökonomen und Nobelpreisträger Jan Tinbergen und Leonid Kantorowitsch, die beide mit ökonometrischen Modellen berühmt geworden waren. Weitere französische Literatur stammte vom ausgewiesenen Wirtschaftswissenschaftler Jacques Lesourne und dem Planungsexperten Pierre Massé, die während ihrer Karriere in keinerlei Berührung mit kolonialen Entwicklungsfragen gekommen waren. Darüber hinaus stützte sich die Studie auf Werke des kanadischen Entwicklungsökonomen und Harvard-Professors Benjamin Higgins, einst Schüler von Paul Rosenstein-Rodan an der London School of Economics, sowie von Otto Eckstein, der ebenfalls in Harvard lehrte und zeitweise einflussreicher

255 HAEU 25/1980-1035, S. 190: COM, Les critères d’appréciation des projets soumis au fonds européen de développement, 1965, hier S. 193. 256 Vgl. ebd., hier S. 195; vgl. auch Cosgrove-Twitchett (1978), S. 46.

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Wirtschaftsberater des amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson war.257 Demgegenüber wurde auf keinen einzigen deutschen Wirtschaftswissenschaftler Bezug genommen, was wenig Wunder nimmt angesichts der Tatsache, dass sich jene auf dem Feld der Entwicklungsökonomie bis dahin international kaum einen Namen gemacht hatten.258 Die Literaturauswahl strukturierte auch den Inhalt der Studie. Beim Vergleich der bisher verwandten Kriterien des europäischen Fonds mit verschiedenen anderen nationalen Geberpraktiken konzentrierte man sich auf den französischen FIDES und die amerikanische Agency for International Development. Die Praktiken weiterer europäischer Staaten wurden geflissentlich übergangen. Stattdessen zog die Studie die Regelungen der Vereinten Nationen sowie jene der Weltbank heran. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass die Beurteilungskriterien der Gemeinschaft den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchten. Man sah sich mit dem amerikanischen Vorgehen grosso modo ebenso auf einer Linie wie mit jenem der Vereinten Nationen. Zur französischen Praxis hieß es, „grande part [est] laissée à l’évaluation subjective des services dans le cadre de programmes généraux,“259 während die Weltbank mit anderen methodischen Überlegungen letztlich doch zu ähnlichen Ergebnissen komme wie 257 Vgl. HAEU 25/1980-1035, S. 190: COM, Les critères d’appréciation des projets soumis au fonds européen de développement, 1965, hier S. 239f.; Vahsen (2010), S. 181; zum Wirken Tinbergens und insbesondere seinem Beitrag zur Durchsetzung statistischer Methoden innerhalb der Wirtschaftswissenschaft vgl. zusammenfassend Jolink (2003), S.  257–261; dass mit Kantorowitsch sogar ein russischer Ökonom Berücksichtigung fand, der zudem die poststalinistische Wirtschaftsplanung der Sowjetunion maßgeblich prägte, dokumentiert die technokratische und zugleich unideologische Herangehensweise der DG VIII. Demzufolge schenkte sie dem Systemkonflikt zumindest auf Arbeitsebene keine größere Beachtung, vgl. zu Kantorowitsch Sutela (2008), S. 164–168; zu Higgins siehe Savoie (1992), S. IX–XII; Jacques Lesourne, Jahrgang 1928, gilt als Pionier der Mikroökonomie. Absolvent der École polytechnique, war er in den 1950er Jahren wie Higgins Gastwissenschaftler am Massachusetts Institute for Technology, bevor er in Frankreich zu einem der einflussreichsten Größen seiner Zunft wurde, vgl. Worms (2000), S. 31–33 sowie Lesournes Biographie im selben Band von Thépot (2000), S. 488; Pierre Massé war von 1959 bis 1966 commissaire général du plan unter de Gaulle. Vgl. zur Entstehung der Entwicklungsökonomie auch Speich (2008), S. 183–192. 258 Die deutsche Wirtschaftswissenschaft hatte auf dem Gebiet der Entwicklungsökonomie keine namhaften Vertreter vorzuweisen. Entsprechend basierte die Entwicklungspolitik der BRD nicht explizit auf Konzepten deutscher Ökonomen, sondern war eher implizit von modernisierungstheoretischen Ansätzen inspiriert, vgl. Hein (2006), S.39f.; Schlette (1982), S. 561–568; ferner Wülker (1990); die entwicklungspolitischen Ansichten der Gründerväter der sozialen Marktwirtschaft wie etwa Walter Eucken, Wilhem Röpke und Alexander Rüstow sind international kaum rezipiert worden, vgl. zu deren Ansichten, allerdings mit äußerst geringer Distanz und fragwürdiger Deutung Kromka (1996). 259 HAEU 25/1980-1035, S. 190: COM, Les critères d’appréciation des projets soumis au Fonds européen de développement, 1965, hier S. 198.

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der europäische Fonds. Am meisten sympathisierten die Autoren mit den Kollegen aus New York, weil jene erkannt hätten, dass bei der Projektevaluation zwei vermeintlich gegenläufige Anforderungen zu meistern seien: „d’une part, celle de réalisme et de simplicité, d’autre part celle d’uniformité et de précision.“260 An diesen Vergleich schloss sich der Versuch an, die Anwendung verschiedener Kriterien genau zu definieren. Angefangen bei den ökonometrischen Kriterien, wurde die geeignetste Berechnung der Rentabilität ebenso diskutiert wie jene der Kapitalproduktivität.261 Ungeachtet der grundsätzlichen Befürwortung ökonometrischer Methoden wurde allerdings angesichts häufig fehlender oder mangelhafter Daten den qualitativen Kriterien ein größeres Gewicht beigemessen. Und hier setzte die Studie den eigentlichen Hebel an: Die DG VIII sollte in Zukunft noch sorgfältiger vorgehen.262 Zu diesem Zweck wurde je eine detaillierte Checkliste für die Bereiche Landwirtschaft, Straßen-, Hafen- und Eisenbahnbau, ferner Industrieanlagen, Gesundheitswesen, Stadtplanung und schließlich Wasserversorgung erstellt, um einen einheitlichen und vergleichbaren Beurteilungsvorgang sicherzustellen. Doch auch diese Listen waren nicht frei von Widersprüchen zwischen ,objektiven‘ Kriterien und ,subjektivem‘ Ermessensspielraum. So wurde diesen ein übergeordnetes Beurteilungselement vorangestellt, und zwar „celui de l’insertion du projet dans l’ensemble des problèmes de développement du pays intéressé, et de la mesure dans laquelle le projet peut être coordonné et mis en harmonie avec l’allure générale du développement et les actions particulières tendant à ce développement.“263

Ohne Zweifel handelte es sich hierbei um eine Bezugnahme auf Beurteilungspraktiken des französischen Spätkolonialismus und damit auf einen breiten individuellen Ermessensspielraum, der ein Stück weit den darauf folgenden Kriterienkatalog konterkarierte. Denn letzterer ließ – eine gewissenhafte Anwendung vorausgesetzt – kaum Platz für subjektive Urteile.264 Die Studie enthielt somit zwei Ansätze, die nur 260 HAEU 25/1980-1035, S. 190: COM, Les critères d’appréciation des projets soumis au Fonds européen de développement, 1965, hier S. 199. 261 Die Kapitalproduktivität bezeichnet das Verhältnis zwischen eingesetztem Kapital und der daraus resultierenden Produktion. 262 HAEU 25/1980-1035, S. 190: COM, Les critères d’appréciation des projets soumis au fonds européen de développement, 1965, hier S. 200f. 263 Ebd., hier S. 230 (Hervorhebung im Original). 264 Vgl. ebd., S. 230f.; bei Agrarprojekten sollte beispielsweise zunächst eine ausführliche Analyse von den physiologischen Beschaffenheiten der Region sowie von den sozialen und wirtschaftlichen Gewohnheiten, Produktionsweisen und den Mentalitätslagen der Bevölkerung erstellt werden. Anschließend mussten praktische Fragen der Realisierbarkeit des geplanten Projekts geprüft werden, bevor die finanzielle Rentabilität und der wirtschaftliche Nutzen zu belegen waren. Nach Möglichkeit sollten dabei sämtliche öko-

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schwer miteinander vereinbar waren. Sie spiegelte den ungelösten Grundsatzkonflikt innerhalb der Generaldirektion zwischen Partikularisten und Universalisten, zwischen felderfahrenen Kolonialadministratoren und theoretisch geschulten Entwicklungsexperten, zwischen einem eher auf politischen Überlegungen gründenden und einem stärker an ökonomischen Prämissen orientierten Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit. *** An der Diversifizierungshilfe lässt sich aufzeigen, auf welche Weise sich diese theoretisch geführte Auseinandersetzung in der praktischen Projektzusammenarbeit mit dem Senegal niederschlug. Drei Thesen werden im Folgenden zu erläutern sein: Erstens wurden senegalesische Hoffnungen auf eine rasche Realisierung eigener entwicklungspolitischer Ideen bald enttäuscht. Diese erhielten in Brüssel keine Chance, weil sie dem Urteil der DG VIII zufolge die Kriterien des EEF nicht erfüllen konnten. Demgegenüber verursachten zweitens Vorhaben, die der Senegal auf die Expertise alteingesessener französischer Forschungsinstitute stützte, die geringsten Probleme. Diese konnten beide Lager der Generaldirektion zufrieden stellen, da sie den geforderten wissenschaftlichen Standards genügten und zugleich auf jahrelangen Erfahrungswerten beruhten. Der EEF behielt daher auch in den 1960er Jahren seine katalytische Funktion für die Anwendung solcher Wissensbestände bei, die aus der Kolonialzeit stammten, aber noch keine Umsetzung erfahren hatten. Drittens setzten sich bei der Beurteilung solcher Vorhaben, zu denen bis dato noch keine Wissensbestände produziert worden waren, die Anhänger eines stärker wissenschaftlich fundierten Ansatzes durch, weil diese sich offensichtlich in der Mehrheit befanden. Sie verstärkten zugleich eine pfadabhängige Entwicklung, die unter Kommissar Lemaignen ihren Anfang genommen hatte. Hinzu kam, dass sich auch die Einrichtung des EEF-Ausschusses zugunsten der Anwendung des wissensbasierten Ansatzes auswirkte. Zum Scheitern genuin senegalesischer Initiativen: Neben dem Reis- und Baumwollanbau wollte die senegalesische Regierung auch einige kleinere Diversifizierungsprojekte vom EEF finanzieren lassen. Unter anderem ging es um Hühnerfarmen zur Produktion und Vermarktung von Eiern, die im Erdnussbassin errichtet und eng mit den Kooperativen verbunden werden sollten. Mit diesem Vorhaben, das auch im zweiten Plan vorgesehen war, wollte man den Erdnussbauern ein zusätznometrischen Verfahren, die in der Studie diskutiert wurden, zur Anwendung kommen. Der wirtschaftliche Nutzen richtete sich nach Kriterien wie Schaffung neuer Arbeitsplätze, Wertsteigerung des Arbeitstages, Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, Auswirkungen auf die (nationale) Handelsbilanz, wirtschaftliche Strahlkraft des Projekts auf die gesamte Region etc.

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liches Einkommen verschaffen, das Genossenschaftswesen stärken und den wachsenden Bedarf an Eiern decken.265 Die Generaldirektion hielt das Projekt jedoch für unausgereift und hatte starke Zweifel hinsichtlich des wirtschaftlichen Nutzens sowie des ausführenden senegalesischen Personals. Deswegen ließ sie dem Landwirtschaftsministerium einen detaillierten Fragebogen zukommen, der von deutlichem Misstrauen gegenüber den senegalesischen Angaben geprägt war. Obwohl die zuständigen Stellen in Dakar die zusätzlich angeforderten Informationen bald nachreichten, lehnte die DG VIII das Projekt nach weiteren Gesprächen vor Ort aus denselben Gründen endgültig ab.266 Zum Wissen kolonialer Forschungsinstitute und dessen Anwendung: Bereits das Projekt der SATEC hat gezeigt, dass wissenschaftliches Wissen, das in der spätkolonialen Ära produziert worden war, erst mit dem europäischen Fonds breitenwirksam Anwendung fand. Zugleich wurde deutlich, dass sich agrarwissenschaftliche Aktivitäten im kolonialen Senegal zuvörderst auf die Erdnuss konzentriert hatten. Kurz vor der Dekolonisation setzten erste Versuche ein, dieses Wissen auch in den Dienst der Diversifizierung zu stellen. So experimentierte das Institut de recherches pour les huiles et oléagineux (IRHO) seit 1957 mit dem Anbau von Erdnüssen, die für den Verzehr bestimmt waren. Sechs Jahre später wurde ein Pilotprojekt gestartet, ehe sich die EWG im November 1968 bereit erklärte, die Ausweitung des Anbaus auf 10.000 Hektar Fläche bis 1972 zu finanzieren.267 Trotz der Präsenz des französischen Forschungsinstituts wurde die Bewilligung durch den EEF kein Selbstläufer. Ganz im Gegenteil ließ der technische Dienst in Brüssel den Antrag des Senegal zunächst zurückgehen. Erst nachdem dessen Mitarbeiter vor Ort intensive Gespräche mit Vertretern des IRHO geführt hatten, wurde das Vorhaben dem EEF-Ausschuss zur Entscheidung vorgelegt. Das Renommee und die jahrelange Erfahrung des Instituts reichten offenbar nicht aus, um die DG VIII zu überzeugen, was sich auch im Finanzierungsvorschlag bemerkbar machte. So wurden die bisherigen Ergebnisse des Pilotprojekts einer wohlwollenden, aber durchaus kritischen Analyse unterzogen. Im Wesentlichen wurde das Vorhaben positiv beurteilt, weil es sich selbst tragen und darüber hinaus dem Senegal zusätzliche Einnahmen verschaffen würde. Die Wertschöpfung prognostizierte die DG VIII, einen optimalen Verlauf des Projekts vorausgesetzt, auf fast 375 Millionen F CFA im Jahr. Eingedenk der geplanten Investitionssumme von 305 Millionen F CFA wurde das Vorhaben also als außergewöhnlich rentabel beurteilt. Kurzum dominierten in der Vorlage der EWG-Kommission eindeutig ökonomische Berechnungen über subjektives Urteils265 Vgl. ANS 1R 1906: RdS, Projet d’implantation de coopératives avicoles en zone arachidière, o.D. [1966]. 266 Vgl. ANS 1R 665: Hendus an Fall, 13.2.1967; HAEU 25/1980-1358, S. 35: DG VIII, Situation des projets agricoles du Sénégal, o.D. [ Juni 1967], hier S. 53. 267 Vgl. HAEU 25/1980-1464, S. 227: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la production d’arachide de bouche“, November 1968.

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vermögen, was auch den EEF-Ausschuss überzeugte: das Gremium votierte einstimmig für das Projekt.268 Daneben unterstützte die EWG die Einführung der Baumwollkultur im Senegal. Für diese Aufgabe kam nur die Compagnie française pour le développement des fibres textiles (CFDT) in Frage. 1949 als französisches Staatsunternehmen und Entwicklungsgesellschaft in Personalunion gegründet, zeichnete die CFDT für den Baumwollanbau im gesamten frankophonen Afrika zuständig. Weil Diversifizierung jedoch im französischen Spätkolonialismus noch nicht auf die Agenda gelangt war, hatte sich die CFDT auf jene Länder konzentriert, in denen der Baumwollanbau schon längere Zeit praktiziert worden war. Erst nach der Dekolonisation ließ sich das Unternehmen auf Einladung der senegalesischen Regierung im Jahre 1963 in der Casamance und dem östlichen Landesteil nieder, um den Baumwollanbau einzuführen.269 Der Entstehungsgeschichte nach mit der Aktion der SATEC zu vergleichen, finanzierte der französische FAC das Engagement des Baumwollunternehmens im Senegal für die ersten zwei Jahre. Dies erfolgte in der Erwartung, dass die Gemeinschaft die CFDT in ihre Diversifizierungshilfe übernehmen werde. Auch das Projektdesign ähnelte der action de vulgarisation bis ins Detail. Mitarbeiter der Compagnie sollten die Bauern im Anbau unterweisen, mit dem notwendigen Gerät und Material versorgen und zugleich Ausbildungsarbeit leisten mit dem Ziel, die gesamte Organisationsstruktur Ende der 1960er Jahre in senegalesische Hände zu übergeben.270 Der Beurteilung der DG VIII zufolge versprach der Baumwollanbau den Bauern ein höheres Einkommen, verringerte den Importbedarf für die örtliche Verarbeitungsindustrie, verschaffte dem Staat zusätzliche Einnahmen und minderte ein Stück weit die Abhängigkeit der senegalesischen Volkswirtschaft von der Erdnuss. Nicht zuletzt rechnete man damit, dass sich die Investitionen in kürzester Zeit amortisieren ließen. Diese Überlegungen, die jahrelange Erfahrung sowie die erfreulichen Ergebnisse, die die CFDT in den ersten Jahren im Senegal erzielt hatte, konnten beide 268 Vgl. HAEU 25/1980-1464, S. 203: Eggers/Nicora, Rapport de mission, November 1968; ebd., S. 227: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la production d’arachide de bouche“, November 1968; ebd. 38/1984-153, S. 410: EEF-Ausschuss, Protokoll der 39. Sitzung, 25.2.1969. 269 Zu diesen Ländern gehörten unter anderem die Elfenbeinküste, der Sudan und Obervolta, vgl. zur Elfenbeinküste Bassett (2001), S. 90–94; zum Sudan Moseley (2008), S. 85; allgemein und zu Obervolta Spittler (1981), S. 144–156; die CFDT arbeitete dabei eng mit dem Institut de recherches du coton et des textiles exotiques zusammen, das in Afrika drei Forschungsstationen unterhielt, vgl. dazu und zur Geschichte der CFDT bis in die Gegenwart den Überblick bei Piot (2007), S. 18f.; vgl. zum Baumwollanbau im kolonialen Afrika auch Isaacman/Roberts (1995). 270 Vgl. CAD Dakar MCAC 53: MAC, Note, o.D. [1964]; PAAA B 20-1214: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la culture cotonnière“, 2.6.1965; darüber hinaus erhielt die CFDT im Gegensatz zur SATEC auch die Aufgabe, die Baumwolle zu vermarkten, vgl. zu den Folgen ausführlich Kap. III.2.

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Fraktionen innerhalb der Generaldirektion zufrieden stellen. Auch die Vertreter der Mitgliedsstaaten hatten an dem Projekt nichts auszusetzen, sodass es im Juli 1965 ohne Diskussion und einstimmig befürwortet wurde.271 Zu Diversifizierungsmaßnahmen, die auf neuen Wissensbeständen ruhten: Neben der Einführung der Baumwollkultur bildete die Steigerung der Eigenproduktion von Reis das wichtigste Diversifizierungsziel der senegalesischen Regierung. Reis hatte sich im Zuge der Ausweitung des Erdnussanbaus und der damit einhergehenden Vernachlässigung der Hirseproduktion zum wichtigsten Nahrungsmittel der senegalesischen Bevölkerung entwickelt. Der Bedarf war enorm, nahm von Jahr zu Jahr zu und machte zeitweise den größten finanziellen Anteil am senegalesischen Importvolumen aus.272 Nachdem im Rahmen des ersten Plans bereits erhebliche Produktionssteigerungen verzeichnet werden konnten, rechnete der zweite Plan mit einem weiteren Zuwachs von mehr als 25 Prozent auf bis zu 140.000 Tonnen.273 Die französische Agrarforschung hatte sich zu Zeiten des Spätkolonialismus wenig mit dem Reisanbau im Senegal beschäftigt. Ein 1949 lanciertes Projekt um die Siedlung Richard Toll am Senegal-Fluss, das den mechanisierten Reisanbau einführen sollte, blieb weit hinter den Erwartungen zurück und litt insbesondere unter sehr hohen Produktionskosten.274 Auch die Mitte der 1950er Jahre durchgeführte Aktion der Compagnie générale des oléagineux tropicaux in der Casamance war nicht von Erfolg gekrönt und endete mit dem Verkauf der Forschungsstation an den senegalesischen Staat im Jahr 1962.275 Im Vergleich zur Baumwoll- oder Erdnusskultur blieben Wissensbestände über den Reisanbau eng begrenzt. Dies zeigte sich auch daran, dass 271 Vgl. PAAA B 20-1214: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la culture cotonnière, 2.6.1965; ebd. B 68-460: EEF-Ausschuss, Protokoll der 10. Sitzung, 4.8.1965. 272 Vgl. AMAEF Sénégal 101: de Lagarde an Couve de Murville, 8.4.1965; Botschafter de Lagarde nannte diese Entwicklung eine „véritable révolution social sur laquelle il paraît difficile, sinon impossible, de revenir.“ Bis heute ist Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel im Senegal. 273 Vgl. RdS, Deuxième plan quadriennal de développement, S.25; Habib Thiam, Le 2ème plan a démarré en 1965, in: Europe France Outremer Nr. 433 (1966), S. 26. 274 Vgl. Maurice Guenanff, Richard Toll. L’état sénégalais a repris l’expérience à son compte, in: Europe France Outremer Nr. 375 (1961), S. 26; Barry (1985), S. 366f.; Craven/Tuluy (1981), S. 240f; seit 1965 versuchte die Société d’aménagement et d’exploitation du Delta (SAED), die vom FAC finanziert wurde, Reis im Flussdelta anzubauen mit dem ehrgeizigen Ziel, 30.000 Hektar zu bewirtschaften. Bis 1980 waren allerdings erst gut 13.000 Hektar erreicht, vgl. HAEU 25/1980-1036, S. 94: DG VIII, Compte rendu de la réunion de coordination et information FAC/FED, 18.1.1967; Baker (1982), S. 501. 275 Die CGOT hatte vom FIDES eigentlich den Auftrag erhalten, den mechanisierten Erdnussanbau in der Casamance einzuführen. Die Zuwendung zum Reisanbau erfolgte eher zufällig, als man entdeckte, dass der Anbau von Reis in der Fruchtfolge rentabler war als die Durchführung einer Gründüngung. Eine systematische Forschung zu Reisanbaumög-

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die Casamance im Laufe der 1960er Jahre zu einem veritablen Experimentierfeld der internationalen Entwicklungshilfe wurde: Franzosen, Taiwan-Chinesen, US-Amerikaner, Niederländer, Experten der Weltbank und nicht zuletzt die von der EWG entsandte Entwicklungsgesellschaft wollten die Bedingungen des Reisanbaus in der abgeschiedenen Region verbessern.276 Wie bereits eingehend im ersten Teil geschildert, hatte der Casamance-Plan der senegalesischen Regierung die EWG-Kommission nicht überzeugt. Letztere finanzierte stattdessen eine Generalstudie, die die Möglichkeiten des Reisanbaus in der Casamance ausloten sollte. Nachdem im November 1962 die beauftragte Groupement d’études rurales en Casamance (GERCA) erste Ergebnisse präsentiert hatte, äußerte Dakar bei der EWG den Wunsch, umgehend mit drei Pilotprojekten in die Testphase einzutreten. Kurz darauf kam es zu einer Sitzung zwischen Mitarbeitern der Generaldirektion und der europäischen Expertengruppe.277 Erstere äußerten harsche Kritik an den vorläufigen Ergebnissen und lehnten die Finanzierung der Pilotfelder ab: Der Studie fehle es an einer Rentabilitätsprüfung, einer Beurteilung der Produktionskosten, einer sozioökonomischen Gesamtanalyse sowie an einer Stellungnahme der senegalesischen Regierung. Treibende Kraft dieser Kritik war der Franzose Paul Cellerier, Leiter der Unterabteilung für wirtschaftliche und finanzielle Fragen beim europäischen Fonds und Absolvent der École coloniale.278 Aufgrund der Haltung der DG VIII geriet die Fortführung der gesamten Aktion in Gefahr, da die GERCA wiederholt drohte, ihr Personal zurückzuziehen, sofern eine weitere Finanzierung nicht sichergestellt werde. Gegenseitige Schuldzuweisungen prägten den weiteren Verlauf, und auch die endgültige Fertigstellung der Studie änderte zunächst nichts an der ablehnenden Haltung in Brüssel.279 Erst Ferrandis

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lichkeiten in der Casamance setzte erst mit der Ausarbeitung des ersten senegalesischen Entwicklungsplans ein, vgl. dazu Diallo Cô-Trung (1998), S. 251–254 und Kap. I.3 Vgl. HAEU 25/1980-1471, S. 144: Pivetta, Rapport de mission, November 1969, hier S. 154; Diallo Cô-Trung (1998), S. 447f. Vgl. ANS 1R 1028: MERS cabinet, Résumé chronologique de l’opération „Aménagements hydro-agricoles Casamance“, o.D. [1963]. Vgl. ebd.: SCET, Note situation GERCA – Riziculture, 17.12.1962; Cellerier arbeitete unter anderem zwischen 1956 und 1958 im französischen Überseeministerium, vgl. Dimier (2008), S. 446; dies zeigt, dass auch manch ehemaliger französischer Kolonialbeamte dem wissensbasierten Ansatz folgte. In der Tat forderte das im Finanzierungsabkommen festgehaltene Studienprogramm einen sozioökonomischen Bericht. Allerdings wurde dieser im Vertrag zwischen der GERCA und dem Senegal mit Einverständnis der EWG-Kommission wieder gestrichen, weil die senegalesischen Verantwortlichen der Überzeugung waren, diese Analyse mit eigenem Personal liefern zu können, vgl. ANS 1R 1028: Convention de financement, 20.12.1961; ebd.: GERCA, Pourparlers, o.D. [1963]. Vgl. ANS 1R 1028: Hendus an Thiam, 6.4.1963; das senegalesische Landwirtschaftsministerium warf Brüssel vor, mit Scheinargumenten die Aktion im Sande verlau-

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Besuch in Dakar im Februar 1964 brachte wieder etwas Bewegung in die Sache. Ferrandi sicherte dem Senegal zu, dass die EWG zwei Pilotzonen finanzieren und für vier weitere Gebiete die Nutzbarmachung prüfen werde. Insgesamt sollten so 4.600 Hektar an neuen Anbauflächen entstehen. Zudem versprach er, 500 Millionen F CFA im Rahmen des zweiten Fonds für den Reisanbau in der Casamance zur Verfügung zu stellen. Ferrandi praktizierte offensichtlich einen eigenen Stil und wurde bei der Ankunft in seiner alten Heimat auch dementsprechend empfangen. So erhielt er eine persönliche Audienz bei Präsident Senghor, und die senegalesische Tageszeitung Dakar Matin widmete ihm ein ganzseitiges Interview. Vom Frust der vergangenen zwei Jahre in Sachen Reisanbau war während Ferrandis Aufenthalt nichts zu spüren, zumal der Fonds-Chef auf technische Detaildiskussionen verzichtete und großzügige Geschenke ankündigte.280 Wenige Monate später wurde in Brüssel ein Finanzierungsvorschlag erstellt. Allerdings schrumpfte darin Ferrandis Zusage, 4.600 Hektar für den Reisanbau nutzbar zu machen, auf eine (weitere) Machbarkeitsstudie zusammen, die sich zudem nur noch auf 3.200 Hektar erstreckte. Man rechnete damit, dass erst Mitte 1966 eine definitive Entscheidung über den ersten Spatenstich fallen könnte und letztlich von 1969 an die ersten 200 Hektar Fläche zum Anbau bereit sein würden. Um außerdem eine bessere Zusammenarbeit zwischen der Studiengesellschaft und der senegalesischen Verwaltung zu gewährleisten, wurde ein Vermittler eingesetzt, der vom EEF zwei Jahre lang bezahlt wurde; jener sollte wenige Monate später zum contrôleur délégué der EWG ernannt und damit zum Chef der ersten Delegation der EWG in Afrika werden.281 fen zu lassen. Auch die GERCA kritisierte in erster Linie die Verweigerungshaltung der DG VIII, wenngleich sie auch Versäumnisse der senegalesischen Verwaltung benannte. Die Generaldirektion hingegen bemängelte, dass der Senegal und die Studienbüros nicht ausreichend miteinander kooperierten und außerdem die Untersuchungsergebnisse Lücken aufwiesen, vgl. ANS 1R 1028: GERCA, Pourparlers, o.D. [1963]; ebd.: MERS cabinet, Résumé chronologique de l’opération „Aménagements hydro-agricoles Casamance“, o.D. [1963]. 280 Vgl. CAD Dakar AMB 753: Art. M. Jacques Ferrandi, directeur du FED étudie avec le gouvernement sénégalais les possibilités d’investissements du FED, in: Dakar Matin, 19.2.1964; ebd. Dakar AMB 288: Paye an Triboulet, o.D. [März 1964]; ANS 1R 1028: MERS, Note pour le ministre, 21.2.1964. 281 Vgl. CAC 19771468-242: DG VIII, Proposition de financement „Études d’aménagements rizicoles en Casamance“, 17.6.1964; HAEU 25/1980-1654, S. 9: DG VIII, Procès-verbal de la 33ème réunion du comité de coordination des études, 27.8.1964, hier S. 12; ebd. INT 684: Interview Thiele, 20.10.2004, S. 17f.; die Machbarkeitsstudie verfolgte drei Ziele: zusätzliche sozioökonomische Informationen einholen für die Nutzbarmachung neuer Anbauflächen; die Errichtung zweier Reisanbaugebiete in den toten Flussarmen von Niassa und Guidel einschließlich der Gründung zweier experimenteller Zonen; schließlich die Auswertung der hydrologischen Beobachtungen und deren eventuelle Fortsetzung, sofern die Ergebnisse dies rechtfertigten. Unter anderem wurde mit

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Die senegalesische Regierung zeigte sich enttäuscht darüber, dass Ferrandi sein Versprechen nicht hielt. Dessen Wortbruch hatte letztlich der technische Dienst des EEF zu verantworten, weil er von der Arbeit der europäischen Expertengruppe nicht überzeugt war.282 Auch in der Folgezeit überwog die Skepsis. So dauerte es bis zum November 1967, ehe auf der Grundlage der Machbarkeitsstudie ein Entwicklungsprojekt erstellt wurde, das zunächst die Generaldirektion und schließlich auch der EEF-Ausschuss befürworteten. Allerdings sorgte jene Untersuchung für weitere Ernüchterung: „Les données rassemblées lors d’enquêtes approfondies effectuées entretemps [...] sur la situation démographique et la capacité de travail de la population conduisirent de nouveau la Commission à proposer au Gouvernement du Sénégal une action rizicole beaucoup plus modeste.“283

In Anbetracht der insgesamt gut sechs Jahre andauernden Forschungen fiel das Vorhaben also recht bescheiden aus – so sah es zumindest die senegalesische Regierung.284 Lediglich 2000 Hektar neues Land sollten die Experten der ILACO innerhalb von vier Jahren bewirtschaften und dabei den ansässigen Diola neue Wege im Reisanbau weisen. Die in Brüssel wie in Dakar lange Zeit verfolgte Strategie, die Casamance zur Reiskammer des Senegal zu entwickeln, schien an technischen und sozioökonomischen Hindernissen zu scheitern. Das Projekt zielte folglich eher darauf ab, die unvermindert anhaltende Landflucht einzudämmen, als einen spürbaren Beitrag zur Ertragssteigerung im Reisanbau zu leisten. Ferner sollte es den Pflanzern erlauben, „de valoriser davantage leurs journées de travail et ainsi d’augmenter d’une manière appréciable le revenu de la famille.“ Positiv vermerkte die DG VIII schließlich den anvisierten Anstieg der Arbeitstage eines Bauers von 97 auf 133 im Jahr. Aufgrund dieser Kalkulationen stieß das Vorhaben auf keinerlei Widerstand seitens der Mitgliedsstaaten und wurde ohne größere Diskussion bewilligt.285

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zusätzlichen Nettoeinkommen von bis zu 70 Millionen F CFA gerechnet. Mit der neuen Machbarkeitsstudie fiel zugleich das Teilprojekt in der kontinentalen Casamance weg und damit auch das Engagement der französischen Entwicklungsgesellschaft SCET. Zur Rolle des contrôleur délégué und der Einrichtung der Delegationen in Afrika vgl. Dimier/ McGeever (2006), S. 483–493. Vgl. CAD Dakar MCAC 431: MAC an ministère de la Coopération, 29.10.1964. CAC 19940063-76: DG VIII, Proposition de financement „Aménagements rizicoles et bananiers en Casamance“, 24.7.1967. Vgl. ANS 1R 667bis: Ministère du Commerce sénégalais, Document de synthèse élaboré par le Comité national du Sénégal, o.D. [1968]. CAC 19940063-76: DG VIII, Proposition de financement „Aménagements rizicoles et bananiers en Casamance“, 24.7.1967; vgl. PAAA B 20-1616: EEF-Ausschuss, Protokoll der 28. Sitzung, 15.11.1967; die Diskussion im Ausschuss erstreckte sich vor allem auf

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Zweifellos spiegelte sich in den verschiedenen Anläufen zur Steigerung der Reisproduktion in der Casamance das Bemühen der Generaldirektion wider, den selbst auferlegten Beurteilungskriterien zu folgen. Damit wurden zugleich Ferrandi die Grenzen seines Handlungsspielraums aufgezeigt, nicht zuletzt weil der Verlauf des Reisprojekts pfadabhängigen Faktoren unterlag. „La DG VIII, c’était le FED et le FED, c’était moi“286 – diese im Rückblick erfolgte Aussage des Direktors verrät deshalb mehr über dessen eigenwillige Selbstwahrnehmung als über das Innenleben der Generaldirektion. In einem Bereich, in dem Ferrandi und seine Gefolgsleute auf keinerlei Erfahrungen oder wissenschaftliche Institutionen zurückgreifen konnten, siegte die nüchterne entwicklungsökonomische Analyse über vorschnelle politische Versprechen an alte Freunde. Zudem hatten die Anhänger des wissensbasierten Ansatzes im EEF-Ausschuss einen wichtigen Verbündeten. Ferrandis Stil, Geschenke zu versprechen, bevor sie besorgt waren, führte zu diplomatischen Verwicklungen und löste bei manchen Vertretern der Mitgliedsstaaten Proteste aus. Außerdem konnte es vorkommen, dass das Gremium Projekte aufgrund schlechter Rentabilitätserwartungen zurückwies.287 Dies erhöhte den Druck auf die Generaldirektion, den Projektanträgen eine überzeugende Argumentation zugrunde zu legen. Da die Vertreter im EEF-Ausschuss in der Regel keine Afrika-Experten waren, kam es umso mehr auf abstrakte ökonomische Kriterien an, die ihnen vertraut waren. *** Zusammenfassend konnte anhand der Diversifizierungspläne für die senegalesische Landwirtschaft aufgezeigt werden, dass sich der wissensbasierte Ansatz in Brüssel im Lauf der 1960er Jahre weiter stabilisierte. Der 1963 zum Leiter des EEF ernannte Jacques Ferrandi konnte diesen Trend nicht aufhalten, weil er sich mit seinen entwicklungspolitischen Ansichten in der Minderheit befand. Wenn Robert Delavignettes Werk Paysans noirs tatsächlich Ferrandis entwicklungspolitische Bibel war, den Bananenanbau, der im selben Gebiet begonnen werden und ebenfalls unter der Leitung der ILACO stehen sollte. 286 Zitiert nach: Dimier (2003), S. 105f. 287 So kam es etwa zu diplomatischen Unstimmigkeiten zwischen der Bundesrepublik und Madagaskar, nachdem bekannt wurde, dass der deutsche Vertreter im EEF-Ausschuss gegen ein Entwicklungsprojekt gestimmt und dadurch eine Ablehnung mit herbeigeführt hatte. Die Vertreter Madagaskars beriefen sich in ihrer Beschwerde darauf, dass das Projekt ihnen bereits fest zugesagt worden sei, vgl. PAAA B 20-1616: BMWi an Vertretung Brüssel, 26.6.1966; ein negatives Votum des EEF-Ausschusses erfolgte beispielsweise bei einem Landwirtschaftsprojekt in Dahomey, das die Beneluxländer und Italien gegen die Stimmen Frankreichs und Deutschlands zu Fall brachten, vgl. ebd.: EEF-Ausschuss, Protokoll der 31. Sitzung, 29.3.1968; vgl. dazu auch Kap. II.6.

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wie er selbst angab, so hatten seine Entwicklungsvorstellungen keine Chance gegen die vorherrschenden Auffassungen in der Generaldirektion, welche sogar von alten Weggefährten aus der französischen Kolonialadministration wie Paul Cellerier geteilt wurden. Außer Ferrandi las in Brüssel kaum jemand mehr den früheren Direktor der École coloniale, der die afrikanischen Bauern in ihren Traditionen und Gewohnheiten belassen und innerhalb dieses sozialen Gefüges nur behutsam modernisieren wollte.288 Die Maßstäbe setzten nun New York und Washington. Die DG VIII wollte sich mit den modernisierungstheoretisch geprägten und entwicklungsökonomisch fundierten Strategien der Vereinten Nationen, der Weltbank und der USA messen, und nicht mehr an als romantisch verklärt empfundenen Vorstellungen eines Delavignette orientieren.289 Mit dem Kriterienkatalog und seiner praktischen Anwendung wurde zugleich ein ganz konkretes Bild entwickelter Gesellschaften transportiert. Ohne Zweifel ging es der Generaldirektion darum, senegalesische Bauern insoweit zu europäisieren, als sie mehr und effizienter arbeiten sowie in erster Linie für den Markt produzieren sollten.290 Wenngleich diese Zielvorstellungen in Dakar grundsätzlich auf Zustimmung trafen, so begrenzte der wissensbasierte Ansatz der EWG dennoch ein Stück weit die Handlungsmöglichkeiten der senegalesischen Regierung. Da die vorhandenen Wissensbestände aus der Kolonialzeit entsprechend der senegalesischen Wirtschaftsstruktur einseitig ausgerichtet waren und Brüssel zugleich ohne fundierte agrarwissenschaftliche Expertisen keine Projekte bewilligte, kam es im Senegal insgesamt betrachtet zu keiner breitenwirksamen Diversifizierung in den 1960er Jahren und somit auch zu keinen spürbaren strukturellen Veränderungen der Landwirtschaft. Jene Strategie befand sich im ersten Jahrzehnt senegalesischer Unabhängigkeit letztlich in einer Art Experimentierphase. Das galt für die Projekte der EWG genauso wie für Vorhaben anderer Geberinstitutionen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Initiativen sollten sich erst in den 1970er Jahren bemerkbar machen, worauf im dritten Teil dieser Studie zurückzukommen sein wird.

288 Vgl. Dimier (2004a), S. 43, 55; zu Delavignettes Ansichten und Wirken vgl. auch Wilder (2005), S. 54–63. 289 Vgl. dagegen Dimier (2008); unentschieden zu dieser Frage Vahsen (2010), S. 388f. 290 Die Ironie daran ist, dass etwa zur gleichen Zeit das von der EWG in Stellung gebrachte Motiv des bäuerlichen Familienbetriebs viel weniger auf wirtschaftliche Gewohnheiten abhob als auf kulturelle und soziale Traditionen. Eine stärker ökonomische Prägung erhielt das Bild vom europäischen Bauern erst gegen Ende der 1960er Jahre. Dies mag damit zusammenhängen, dass die wirtschaftlichen Verhaltensweisen, die sich senegalesische Bauern aneignen sollten, in der europäischen Landwirtschaft bereits als selbstverständlich galten, vgl. zum genannten Motiv mit einer Binnendifferenzierung zwischen deutschem und französischem Diskurs Bluche/Patel (2009); zum Wandel des europäischen Bauernmilieus nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. allgemein Kaelble (2007b), S. 191–196.

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Schließlich illustrierte die Zusammenarbeit im Rahmen der Diversifizierungshilfe den entwicklungspolitischen Alltag zwischen Brüssel und Dakar. Die Planungen dieser Projekte bewegten sich letztlich im Rahmen von low politics, da sich die Vorhaben der Sache nach sowie aufgrund ihrer vergleichsweise geringen finanziellen Dimensionen nicht dazu eigneten, politische Konflikte auszulösen. Dass es dazu nicht kam, war zudem Ferrandis Verdienst, der mit seinem persönlichen Stil dafür sorgte, dass sich die von technischen Erwägungen geprägte zähe Entwicklungszusammenarbeit kaum negativ auf die politischen Beziehungen auswirkten. Er trug so maßgeblich dazu bei, dass die zwei Sphären der Zusammenarbeit, die politische und die technische, in der Regel nicht miteinander in Konflikt gerieten. Ungeachtet seiner relativ geringen Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung behielt der Fonds-Chef also eine bedeutende Funktion für die Zusammenarbeit. Dass es jedoch nicht immer gelang, jene Sphären getrennt zu halten, wird im folgenden Kapitel ausführlich zu erörtern sein.

6. Wissen und Macht: Die Wasserversorgung in Dakar Der Bau der Dakarer Wasserversorgung ist eines der wenigen EEF-Projekte, das bislang in der Literatur Erwähnung fand. Dabei hat sich die Deutung festgesetzt, dass das Vorhaben von den Mitgliedsstaaten und insbesondere der Bundesrepublik politisch instrumentalisiert und letztlich gegen den Widerstand der unpolitischen Kommission durchgesetzt worden sei, welche das Projekt aus rein technischen Gründen zunächst abgelehnt hätte.291 Zugleich habe es sich bei der Intervention der Mitgliedsstaaten um einen Einzelfall gehandelt. Allgemein hätten diese in der Projektzusammenarbeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt.292 Auch Zeitzeugen wie die ehemalige deutsche Sekretärin des EEF-Ausschusses, Ursula Thiele, bestätigen diesen Eindruck. Sie erinnerte sich an maximal sechs Projekte, die Vertreter der Mitgliedsstaaten in diesem Gremium zu Fall brachten. Thiele meinte ferner, dass während der Sitzungen in der Regel eine angenehme Arbeitsatmosphäre herrschte, und Rochereaus Kabinettschef Jean Chapperon betrachtete den EEF-Ausschuss im Rückblick gar als Verbündeten der Generaldirektion.293

291 Vgl. Vahsen (2010), S. 359–362; ferner auch Mailafia (1997) S. 59f.; Palayret (2009), S. 230. 292 Vgl. Dimier (2008); Dimier (2005); Dimier (2003); Palayret (2009), S. 228–230; ausgewogener Vahsen, der allerdings an der Oberfläche bleibt, vgl. Vahsen (2010), S. 388–390. 293 Vgl. HAEU INT 684: Interview Thiele, 20.10.2004, S. 19; ebd. INT 708: Interview Chapperon, 23.1.2004, S. 29; vgl. ferner auch ebd. INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 41.

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Doch das Bild von kooperativen, teils desinteressierten Mitgliedsstaaten, die die Vorschläge der EWG-Kommission brav abnickten, mag nicht so recht passen zur allgemeinen Machtbalance zwischen der supranationalen Behörde und ihren staatlichen Trägern in den 1960er Jahren.294 Die hohe Zustimmungsquote im EEF-Ausschuss scheint jedenfalls kein geeigneter Indikator zu sein, um den Einfluss der Mitgliedsstaaten zu messen, zumal die Entwicklungspolitik der EWG eine Art Frühform gemeinschaftlicher Außenpolitik bildete.295 Deshalb waren die Mitgliedsstaaten sehr auf ein gemeinsames Auftreten bedacht, was sich bereits im Verhandlungsprozess zum ersten Abkommen von Yaoundé widerspiegelte: Hoch zerstritten, traten die Mitgliedsstaaten erst dann mit den Vertretern assoziierter Staaten zusammen, nachdem sie sich mühsam auf eine gemeinsame Linie geeinigt hatten.296 Das Streben nach einer einheitlichen Positionierung gegenüber den afrikanischen Ländern äußerte sich in der Folge auch im EEF-Ausschuss. Der außenpolitische Charakter der Fragen, die dort verhandelt wurden, steigerte den Einigungsdruck erheblich, weil sich in der Regel kein Mitgliedsstaat der Gefahr aussetzen wollte, mit einem Ausscheren in Brüssel die bilateralen Beziehungen mit dem betroffenen assoziierten Land zu belasten.297 Abgesehen davon, dass es den Mitgliedsstaaten grundsätzlich möglich war, die Kommission zur Abänderung ihrer Projektvorschläge zu zwingen,298 bot der Entstehungsprozess eines Entwicklungsprojekts den Mitgliedsstaaten wesentlich geeignetere Möglichkeiten der Einflussnahme als die Verhandlungen im EEF-Ausschuss. Gerade weil der Ausbau der Wasserversorgung von Dakar ein besonders augenfälliges Vorhaben war, dient es als Gradmesser dafür, wie und unter welchen Voraussetzungen sich die Mitgliedsstaaten stärker in die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik einbrachten. Zugleich wird zu erörtern sein, welches Kräfteverhältnis sich daraus zwischen der EWG-Kommission, den Mitgliedsstaaten und dem Senegal ergab. Insbesondere der nicht-eurozentrische Blick auf die Entstehungsgeschichte des Vorhabens 294 Vgl. zum Verhältnis zwischen der EWG-Kommission und den Mitgliedsstaaten Ludlow (2006b). 295 Vgl. zu den Außenbeziehungen der EWG in den Anfangsjahren Calandri (2006); außerdem Garavini (2010). 296 Vgl. zum Verhandlungsprozess ausführlich Moser (2000), S. 465–501; Vahsen (2010), S.  313–333; ferner aus der Perspektive der französischen Regierung Migani (2008), S. 219–247; zur Position der Bundesregierung Rempe (2006), S. 90–110. 297 Vgl. PAAA B 20-1616: Heise an Ferrandi, 23.3.1966; einer der wenigen Vetos des EEFAusschusses betraf ein Vorhaben in Madagaskar. Nachdem bekannt wurde, dass die deutsche Delegation das Projekt mit zu Fall gebracht hatte, kam es zu diplomatischen Verstimmungen zwischen den beiden Ländern, vgl. ebd.: BMWi an Ständige Vertretung Brüssel, 20.6.1966; von weiteren Ablehnungsfällen berichtet auch Vahsen (2010), S. 389. 298 So geschehen beispielsweise in der 5. Sitzung am 8.1.1965, vgl. PAAA B 68-458: AA, Vermerk, 12.1.1965.

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erhellt die komplexen Verschränkungen zwischen der politischen und technischen Sphäre der Zusammenarbeit, die nicht nur von Bonn, Paris und Dakar, sondern gerade auch von Brüssel befördert wurden. *** Wassermangel bestand in Dakar bereits seit Beginn der 1940er Jahre. 1945 war der Bedarf auf geschätzte 30.000 Kubikmeter pro Tag angewachsen, während lediglich etwas mehr als 12.000 Kubikmeter zur Verfügung standen. Die Brunnenbohrungen im Umland der Küstenstadt, die in erster Linie vom FIDES und der französischen Entwicklungsbank vorangetrieben wurden, verbesserten in den 1950er Jahren die Wasserversorgung Dakars, ohne dass der Mangel jedoch grundsätzlich behoben werden konnte. Die Bemühungen der französischen Kolonialadministration hinkten der demographischen Entwicklung der rasch wachsenden Großstadt deutlich hinterher. Hinzu kam, dass das Wasser aufgrund der Überbeanspruchung der Brunnen im Lauf der Zeit an Qualität einbüßte.299 Die prekäre Wasserlage war unter anderem für die anhaltend hohe Kindersterblichkeitsrate in der Stadt mit verantwortlich. Darüber hinaus verfügten nicht alle Einwohner über dieselben Zugangsmöglichkeiten zu Trinkwasser. So gab es in den sozial besser gestellten Vierteln zwar ein Wasserleitungssystem, in ärmeren Vierteln dagegen nur öffentliche Trinkbrunnen, die in der Regel nicht länger als sieben Stunden am Tag betrieben wurden. Die Wasserverteilung wurde dadurch erschwert, dass die Brunnen nicht selten unter der Kontrolle von Quartier-Chefs standen. Häufig kam es an den Wasserstellen zu Konflikten und Schlägereien, vor allem auch zwischen Frauen, denen in der Regel die mühsame Aufgabe der familiären Wasserversorgung zufiel. Angesichts dieser unzureichenden Versorgungslage kam es immer wieder vor, dass Hydranten der Löschwasserversorgung angezapft wurden. Insbesondere jene Bewohner, die es während der kurzen ,Öffnungszeiten‘ der Wasserstellen nicht schafften, sich zu versorgen, versuchten auf diese Weise, an das knappe Gut zu gelangen.300 Zweifellos litt Dakar also zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit unter Wassermangel, weswegen die senegalesische Regierung der Erschließung neuer Wasserquellen für die Hauptstadt absolute Priorität einräumte. Dabei kam dem Industriekonzern und Stahlrohrspezialisten Mannesmann von Anfang an eine Schlüsselrolle zu. Im Mai 1961 nahm das deutsche Unternehmen über eine französische Tochtergesell299 Vgl. Gueye (1998), S. 234–236; Dakar hatte 1936 ungefähr 92.000 Einwohner, 1961 zählte es bereits knapp 375.000, vgl. ebd., S. 130. 300 Vgl. mit weiteren Details zum Zusammenhang zwischen Wasserversorgung und demographischem Wandel sowie zu den schwierigen Versorgungsbedingungen in Dakar ebd., S. 160–190.

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schaft Kontakt mit der senegalesischen Regierung auf. Als Chefunterhändler trat der ehemalige französische Widerstandskämpfer General Maurice Chevance-Bertin in Erscheinung, der Senghor ein neues Konzept vorlegte: Mannesmann wollte Wasser vom gut 300 Kilometer nördlich von Dakar gelegenen Lac de Guiers in die Hauptstadt leiten. Entlang der Pipeline sollten zugleich Bewässerungsanlagen für die Landwirtschaft errichtet werden.301 Die Offerte aus Deutschland kam der senegalesischen Regierung nicht ungelegen, da das Mannesmann-Projekt eine langfristige Alternative zu der bisherigen Methode der Brunnenbohrungen eröffnete. Bei der Suche nach unterirdischem Wasser blieb stets ein Unsicherheitsfaktor bestehen, da nie genau vorauszusagen war, auf welche Mengen man stoßen würde. So waren zur selben Zeit vom Bureau de recherches géologiques et minières (BRGM) und weiteren französischen Firmen unternommene Brunnenbohrungen südlich der 50 Kilometer von Dakar entfernten Kleinstadt Pout nicht besonders erfolgversprechend verlaufen. Daher beschloss das senegalesische Kabinett im Sommer 1961, beide Lösungen eingehender zu prüfen.302 Dessen ungeachtet tendierte es von Beginn an zum Bau der Pipeline, weil der deutsche Industriekonzern eine Finanzierung der Rohrlieferungen über eine Hermes-Bürgschaft in Aussicht gestellt hatte.303 Die französischen Firmen vor Ort standen dagegen noch am Anfang ihrer Untersuchungen und zeigten offensichtlich größeres Interesse „à démolir le projet allemand pour des raisons d’une mauvaise rentabilité économique que de soumettre leurs propres positions détaillées“, wie ein Berater des französischen Finanzministeriums konstatierte.304 Anfang 1964 trat die senegalesische Regierung schließlich an den europäischen Entwicklungsfonds heran und bat um eine Beteiligung am Mannesmann-Projekt. Die Einschaltung Brüssels in das insgesamt auf 100 Millionen DM angelegte Vorhaben hatte zwei Gründe: Zum einen sah der Vorvertrag zwischen dem Senegal und dem deutschen Unternehmen, der auf der Grundlage einer Hermes-Bürgschaft über 301 Vgl. CARAN FPU 55, Bd. 4: Amb. Dakar an Premier ministre, 5.5.1961; ebd.: Tschaikowsky, Note, 23.6.1961; dabei ließ das deutsche Unternehmen ausrichten, dass die Installation der Anlagen keine Erhöhung des Wasserpreises nach sich ziehen würde. Ferner wurde versprochen, dass die Investitions- und die laufenden Kosten sich mit dem bisherigen Preis amortisieren beziehungsweise decken lassen würden. Der Gesamtauftrag wurde auf gut 5,5 Milliarden F CFA geschätzt. 302 Vgl. ebd.: Tschaikowsky, Note, 23.6.1961; ebd. FPU 98: Bureau de recherches géologiques et minières, Rapport annuel 1962, S. 32. 303 Die Hermes-Bürgschaft war ein Instrument der deutschen Außenwirtschaftspolitik, das seit Ende der 1950er Jahre verstärkt auch für die Entwicklungspolitik nutzbar gemacht wurde. Sie entsprach einer Exportkreditversicherung, das heißt der deutsche Staat bürgte für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers und für andere politische Risiken, vgl. ausführlich Bellers (1990), S. 117–135. 304 CARAN FPU 55, Bd. 4: Tschaikowsky, Note, 23.6.1961.

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78 Millionen DM im Mai 1964 geschlossen wurde, eine stattliche Anzahlung vor. Zum anderen hatte der französische Entwicklungsminister Raymond Triboulet bereits Anfang 1964 einen Lieferkredit für französische Firmen abgelehnt, die mit circa 17 Millionen DM am Mannesmann-Vorhaben beteiligt werden sollten. Um der Anzahlung rasch nachkommen und die entstandene Finanzierungslücke schließen zu können, beantragte der Senegal beim europäischen Fonds einen Kredit über knapp 2 Milliarden F CFA oder etwa 32 Millionen DM.305 Die Generaldirektion nahm gegenüber dem Pipelineprojekt jedoch eine äußerst reservierte Haltung ein. Schon im Februar 1964 erklärte Ferrandi seinen senegalesischen Freunden anlässlich einer Visite in Dakar, dass es sich bei dem Wasserversorgungsprojekt um die Unterstützung eines bereits ausgewählten Unternehmens handele. Dies würde gegen die Ausschreibungsprinzipien des Fonds verstoßen. Er fügte hinzu, dass das Projekt derart teuer sei, dass sämtliche für den Senegal reservierten Mittel des zweiten Fonds dafür verwendet werden müssten. Beim tête-à-tête mit dem französischen Botschafter in Dakar, Lucien Paye, zeigte sich der Direktor des EEF etwas aufgeschlossener. So regte er Paye gegenüber an, eine konzertierte Aktion von FAC und EEF auf die Beine zu stellen, sofern es gelänge, den französischen Rohrproduzenten Pont-à-Mousson mit Mannesmann zusammen zu bringen. Allzu schwer wog der Einwand der Unvereinbarkeit mit Brüsseler Verfahrensregeln demnach nicht. Vielmehr störte sich Ferrandi offenbar daran, einem deutschen Unternehmen allein einen solch lukrativen Auftrag zu verschaffen.306 In der Folge beauftragte die Generaldirektion zwei unabhängige Experten damit, ein Gutachten anzufertigen. Im Sommer 1964 begaben sich der Generaldirektor der Brüsseler Wassergesellschaft sowie ein Ingenieur aus dem Haager Wasseramt für zehn Tage in die senegalesische Hauptstadt, um der Sache auf den Grund zu gehen. Auf Wunsch der Generaldirektion sollten die beiden Wasserspezialisten die Versorgung vom Lac de Guiers mit dem inzwischen vorliegenden Konzept des französischen Forschungsbüros vergleichen, weswegen vom französischen Entwicklungsministerium diesbezügliche Unterlagen angefordert wurden. Die Abstimmung der french connection zwischen Paris, Brüssel und Dakar funktionierte reibungslos. Brüssel schärfte den Experten ein, in jedem Fall Kontakt vor Ort mit der französischen Forschungsgesellschaft aufzunehmen, und Paris gab zugleich der Mission d’aide et de coopération in Dakar folgende Weisung:

305 Vgl. PAAA B 68-635: Török, Vermerk, 23.3.1965; ebd.: Senghor an Erhard, 15.3.1965; ebd. AV 7313: Mannesmann an AA, 21.1.1970, Anlage: Memorandum; ebd. AV 7312: AA an Botschaft Dakar, 27.7.1964; die restlichen 5 Millionen DM betrafen die Lieferung und den Bau der Pumpstation, was von einem österreichischen Unternehmen mit entsprechendem Lieferkredit ausgeführt werden sollte. 306 Vgl. CAD Dakar AMB 288: Paye an Triboulet, o.D. [März 1963].

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„Si l’occasion vous en est offerte, veuillez appeler leur attention sur certains aspects du problème qui ne pourraient pas leur avoir été entièrement exposés. Il conviendra cependant que vous agissiez avec la plus extrême discrétion afin de ne pas risquer d’incidentes avec les autorités sénégalaises particulièrement sensibilisées dans cette affaire.“307

Der gewünschte Effekt blieb nicht aus. Die zwei Experten stellten sich klar hinter das französische Konzept und gegen das Vorhaben des deutschen Unternehmens. Die ablehnende Haltung in Brüssel konnte sich von nun an auch auf ein vermeintlich unabhängiges Gutachten berufen. Senghors scharfe Kritik an der tendenziösen Expertise – insbesondere die Annahme des niedrig angesetzten durchschnittlichen Tagesbedarfs von 40 Litern pro Kopf in Dakar brachte den Präsidenten in Rage – konnte ebenso wenig etwas ausrichten wie eine rasch angefertigte Gegendarstellung. Nach einer Expertenrunde in Brüssel im Februar 1965 zwischen Mitgliedern der Generaldirektion und senegalesischen Vertretern entschied Kommissar Rochereau, den Antrag definitiv abzulehnen. Dabei wies er jegliche Verantwortung seiner Behörde zurück und ließ den senegalesischen Präsidenten wissen, dass eine Vorlage im EEF-Ausschuss bei gegenwärtiger Expertenmeinung keinerlei Aussicht auf Erfolg haben würde. Zugleich stellte Rochereau ein starkes Engagement des EEF für die französische Lösung bei Pout in Aussicht.308 *** Wenngleich Rochereaus Dienstelle die Ablehnung des senegalesischen Antrags bewusst herbeigeführt hatte, so lag der Kommissar zugleich nicht ganz falsch mit seiner Auffassung, dass nur eine von den Mitgliedsstaaten geteilte, befürwortende Expertise die große Lösung noch retten könnte. Deshalb konzentrierte sich Senghor fortan darauf, Deutschland und Frankreich davon zu überzeugen, dass die Realisierung der Pipeline die einzige dauerhafte Lösung für Dakars Wasserprobleme sei. Freilich war es ein Leichtes, die grundsätzliche Unterstützung Bonns zu erhalten. So kam es zu einer ungewöhnlichen Interessenkoalition, an der die Bundesregierung mit einer Hartnäckigkeit festhielt, wie sie untypisch war für ihre in der Regel von äußerster Zurückhaltung geprägte Außenpolitik im frankophonen Afrika.309 Diese Koalition fußte auf zwei Säulen: Zum einen traf Senghors politischer Wunsch, Unabhängigkeit von Frankreich zu demonstrieren, auf ein handfestes deutsches außenhandelspolitisches Interesse. Angesichts des Ende 1962 gegenüber der 307 CARAN FPU 96: Ministère de la Coopération an MAC, 12.8.1964. 308 Vgl. CAD Dakar MCAC 431: MAC an ministère de la Coopération, 29.10.1964; PAAA B 68-635: Rochereau an Senghor, 25.2.1965; vgl. auch HAEU 25/1980-1440, S. 56: Rochereau an Senghor, 22.9.1964. 309 Vgl. zur grundsätzlichen strategischen Positionierung der Bundesregierung gegenüber dem frankophonen Afrika Engel (2000), S. 230–242.

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Sowjetunion und den Ostblockstaaten verhängten Röhrenembargos, auf das sich die Mitgliedsstaaten der NATO geeinigt hatten, war die Bundesrepublik verstärkt bemüht, die dadurch in der Stahlindustrie entstandenen Auftragsverluste andernorts auszugleichen.310 Zum anderen teilten Dakar und Bonn die entwicklungspolitische Überzeugung, dass die französische Brunnenlösung ungeeignet sei und nur das Pipelineprojekt auf lange Sicht eine angemessene Wasserversorgung der senegalesischen Hauptstadt garantieren könnte. Darüber hinaus führte der deutsche Botschafter in Dakar, York Alexander Freiherr von Wendland, die Gefahr einer Auftragsvergabe an die Sowjetunion ins Feld, die er mit dem Hinweis unterstrich, dass diese „bereits mit Zuweisung Thunfischkomplex Schlüsselposition im Hafen von Dakar“ erhalten hätte.311 Gewiss hatte Präsident Senghor nach der Ablehnung des Mannesmann-Vorhabens durch die EWG damit gedroht, sich notfalls an die UdSSR zu wenden und dadurch die Kooperation mit Moskau zu intensivieren, die zur selben Zeit mit dem Bau der genannten Thunfischfabrik ihren Anfang genommen hatte.312 Dennoch glaubte in Bonn niemand so recht daran, dass von der Fischkonservenfabrik aus die kommunistische Revolution im Senegal eingeleitet werden könnte. Folglich spielte für das Vorgehen des Auswärtigen Amts die Systemkonkurrenz im Vergleich zu den außenhandelspolitischen Erwägungen kaum eine Rolle. Die französische Regierung war alles andere als erfreut darüber, dass Bonn auch nach der Ablehnung durch die EWG am Vorhaben der Wasserversorgung festhielt und, indem sie für eine französische bilaterale Beteiligung warb, sogar noch einen Schritt weiterging. Zuständigen Stellen im Quai d’Orsay missfiel nicht nur eine mögliche Niederlassung eines großen deutschen Industriekonzerns im Senegal. Mehr noch wurde dort befürchtet, dass auf das französische Schatzamt, das letztlich den senegalesischen Haushalt absicherte, angesichts der geplanten Kreditaufnahme des Senegal enorme Mehrkosten zukommen könnten.313

310 Vgl. Mailafia (1997), S. 59f.; vgl. zum Röhrenembargo, auf das insbesondere die USA gedrängt hatten, und zur Kontroverse darüber in der Bundesrepublik Rudolph (2004), S. 164–171. 311 PAAA B 68-635: Telegramm Botschaft Dakar an AA, 15.3.1965; von Wendland hielt die Angelegenheit für derart bedeutsam, dass er um einen mündlichen Vortrag beim Bundeskanzler bat. 312 Vgl. AMAEF Sénégal 102: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 9.3.1965; ebd. Sénégal 96: Note, 15.2.1967; ebd.: Amb. Dakar, Étude „Les pêches maritimes au Sénégal“, April 1970; die Errichtung der Thunfischfabrik war begleitet von einer französisch-russischen Kooperation. So wurden die russischen Thunfischkutter mit französischen Motoren bestückt, und die Fabrik erhielt, angeblich aufgrund fehlenden know how auf sowjetischer Seite, Unterstützung von einem französischen Unternehmen. 313 Vgl. AMAEF Sénégal 102: Note pour SdE Coop, 2.4.1965.

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Aus den genannten Gründen überreichte das französische Entwicklungsministerium der Bundesregierung im Mai 1965 ein ausführliches Memorandum zum Dakarer Wasserproblem, das das Mannesmann-Projekt ein für allemal zu Fall bringen sollte. Darin wurde nachdrücklich bedauert, dass die Bundesrepublik in der Wasserfrage noch nicht eingelenkt habe. Die Experten von der Rue Monsieur glaubten ihre Position auf eine „appréciation impartiale des véritables intérêts du Sénégal“ gründen zu können und verwiesen darauf, dass das Projekt in Paris abgelehnt worden sei, obwohl auch französische Firmen davon profitiert hätten. Außerdem sprächen praktische Erwägungen gegen die Pipeline, da der Lac de Guiers nicht gleichzeitig als Trinkwasserreservoir für Dakar und als Wasserspeicher für das Zuckerrohrgebiet bei Richard Toll genutzt werden könnte. Dabei wurde, wiederum im Namen der senegalesischen Regierung, behauptet, dass das vom FAC finanzierte Landwirtschaftsprojekt absolute Priorität genösse.314 In Bezug auf die – längst bewilligte – Hermes-Bürgschaft der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Kf W) wurde bemerkt, dass die dortigen Fachleute „doivent en bonne logique parvenir aux mêmes conclusions que ceux du Fonds Européen.“ Zugleich würde man es begrüßen, wenn sich die Kf W am Forschungsprogramm in Pout finanziell beteiligen würde, jedenfalls aber keine Entscheidung träfe, bevor erste Ergebnisse der laufenden Bohrungen vorlägen. Letztendlich wurde das Auswärtige Amt belehrt, dass der Senegal „a beaucoup plus besoin d’opération[s] intégrées de développement, qui mettent en valeur l’ensemble de son potentiel physique et humain, que de kilomètres de tuyaux, qui ne procureraient à son fragile budget qu’une lourde charge supplémentaire.“315

Der Duktus des Memorandums dokumentiert eindrücklich französische Überzeugungen, aufgrund der kolonialen Erfahrungen exklusive Deutungshoheit über senegalesische Angelegenheiten beanspruchen zu können. Mit dem Schreiben setzte ein handfester Expertenstreit ein, in dem das französische Entwicklungsministerium zusammen mit dem BRGM auf der einen Seite und die deutschen und senegalesischen Fachleute auf der anderen Seite mit je eigenen Zahlen, Daten und Wahrscheinlichkeiten hantierten. Nicht nur am geschätzten Bedarf, den die Franzosen niedriger ansetzten als ihre Widersacher, schieden sich die Geister, sondern ebenso an der Frage der voraussichtlichen Kapazität der neuen Brunnen. Dahinter verbarg sich offenbar auch ein Grundsatzkonflikt zwischen französischer und deutscher Wasserwissenschaft und den beteiligten Unternehmen: In Frankreich war es herrschende Lehrmeinung, 314 Vgl. zu diesem Projekt AMAEF Sénégal 101: de Lagarde an Couve de Murville, 26.12.1967; ferner HAEU 25/1980-1471, S. 144: Pivetta, Rapport de mission, November 1969; Baker (1982), S. 499–510. 315 PAAA B 68-635: Ministère de la Coopération, Note, 5.5.1965; vgl. dazu auch die Entwürfe im französischen Entwicklungsministerium: AMAEF Sénégal 102: Note, 3.4.1965.

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Brunnenbohrungen gegenüber der Herleitung oberirdischen Süßwassers zu bevorzugen, wobei das BRGM dabei selbst als einflussreicher Meinungsmacher in Erscheinung trat.316 Dass dieser Expertenstreit von beiden Seiten politisch gelenkt wurde, steht außer Frage. Einigen Argumenten von deutsch-senegalesischer Seite war jedoch kaum etwas entgegenzusetzen: Erstens blendete das französische Memorandum aus, dass in bestimmten Vierteln Dakars Wasser nur sieben Stunden am Tag floss. Man berechnete also in Paris den zukünftigen Bedarf auf Grundlage von Projektionen, die keine angemessene Wasserversorgung der Bevölkerung gewährleisteten. Zweitens verschwieg die französische Stellungnahme einen Erfahrungswert der Vergangenheit, dem zufolge die bestehenden Brunnen mit der Zeit immer weniger und auch zunehmend verunreinigtes Wasser lieferten. Drittens wurde darin unterschlagen, dass die Brunnenbohrungen in der Umgebung von Dakar zu einer Verödung dieser Landstriche und weiterer Landflucht in Richtung Dakar führen mussten. Entsprechend schneidend in Ton und Inhalt fiel die auf Anregung des Auswärtigen Amts erstellte Gegendarstellung von Mannesmann aus: „Es wäre begrüßenswert, wenn die französischen Behörden und Experten endlich einmal einsähen, daß a) es außerhalb Frankreichs auch noch Experten gibt, die vernünftige Ideen haben und sie realisieren, b) wenn man den afrikanischen Ländern die Unabhängigkeit und die Selbstverantwortung für ihre Regierung gegeben hat, man ihnen auch effektiv diese Verantwortung und ihre Freiheit in ihren Entscheidungen belassen soll, und es leidlich die Rolle der europäischen Nationen sein soll, sie zu beraten, nicht aber sie zu bevormunden.“317

Gewiss waren auch bei Mannesmann handfeste wirtschaftliche Interessen handlungsleitend. Dennoch konnte das deutsche Unternehmen im Expertenstreit zweifellos die besseren Argumente für sich beanspruchen und genoss die volle Unterstützung der senegalesischen Regierung. Während die Bundesrepublik auch nach dem französischen Memorandum am Mannesmann-Projekt festhielt, fand Senghor gegenüber dem einbestellten französischen Botschafter ungewöhnlich deutliche Worte für die französische Intervention in Bonn: „Jamais [...] la France n’a agi ainsi vis-à-vis d’un pays africain, même pas vis-à-vis du Mali et de la Guinée qui l’avait abandonnée.“318 Der Expertenstreit um die Wasser316 Vgl. PAAA B 68-635: Mannesmann, Memorandum – Wasserversorgung der Stadt Dakar, o.D. [Mai 1965]. 317 Ebd.: Török, Vermerk, 5.5.1965; die Kommentare von Mannesmann sind in abgeschwächter Form nach Paris übergeben worden, vgl. AMAEF Sénégal 102: Observations allemandes sur la présentation française du problème de l’alimentation en eau de Dakar, o.D. [1965]. 318 AMAEF Sénégal 102: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 20.5.1965; vgl. ferner PAAA B 68-635: Telegramm Botschaft Dakar an AA, 14.5.1965.

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versorgung führte so zwischenzeitlich zu nachhaltigen Trübungen in den politischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Senegal. Im Juli 1965 wiederholte der senegalesische Präsident in Paris gegenüber de Gaulle seine harsche Kritik an der französischen Blockadepolitik. Senghors resolutes Vorgehen blieb nicht ohne Wirkung. Zwar dementierte die französische Regierung, jemals gezielt gegen das deutsche Projekt vorgegangen zu sein. Immerhin wurde aber den senegalesischen Verantwortlichen nun versichert, dass Frankreich nichts gegen eine Realisierung der Pipeline einzuwenden habe und sich lediglich aus finanziellen und technischen Gründen daran nicht beteiligen wolle.319 Obwohl der senegalesische Präsident damit einen Punktsieg errungen hatte, blieb doch ein fader Beigeschmack, zumal sich an der grundsätzlich ablehnenden Haltung in Paris kaum etwas änderte. Darüber hinaus deckte das Auswärtige Amt wider besseres Wissen die französische Version und stützte das französische Dementi.320 Deshalb war man auch nach Senghors diplomatischem Säbelrasseln von Verhandlungen mit offenem Visier weit entfernt. Dass sich die Bundesregierung Frankreich gegenüber loyal verhielt, erklärt sich zunächst aus ihren allgemeinen außenpolitischen Prioritäten. Darüber hinaus war sich Bonn bewusst, dass eine angemessene Finanzierung des Mannesmann-Projekts ohne französische Mithilfe nicht zustande kommen würde. Die finanziellen Bedenken waren der einzige Einwand des europäischen Partners, dem die Bundesregierung ernsthaft Beachtung schenkte.321 Die Gefahr, dass sich der Senegal mit dem Bau der Pipeline hoch verschulden könnte, war kaum von der Hand zu weisen. Allerdings hing die Höhe der Kreditaufnahme in erster Linie von der Bereitschaft der verschiedenen Geber ab, entweder Subventionen, günstige Laufzeitkredite oder eben nur vergleichsweise hoch verzinste Lieferkredite zu gewähren. Entsprechend war das Auswärtige Amt bestrebt, ein Finanzierungsmodell auf die Beine zu stellen, das dem Senegal günstigste Bedingungen gewährte und den eigenen Beitrag so gering wie möglich hielt.322 Alle weiteren Versuche der Bundesregierung, die französischen Finanzierungsstellen doch noch mit ins Boot zu holen, waren jedoch zum Scheitern verurteilt. Die Idee einer Gemeinschaftsaktion zwischen der BRD, Frankreich und der EWG fand keinen Zuspruch in Paris. Auch das Angebot von Mannesmann, das Projekt so zu verändern, dass französische Firmen an bis zu 35 Prozent der Gesamtauftragssumme 319 Vgl. DDF 1965, Dokument Nr. 74: Couve de Murville an de Lagarde, Juli 1965; AMAEF Sénégal 102: Telegramm MAEF an Représentation permanente Brüssel, 29.7.1965; ebd.: Direction des affaires africaines et malgaches, Note, 25.7.1965. 320 Vgl. PAAA B 68-635: Telegramm AA an Botschaft Dakar, 28.6.1965. 321 Vgl. ebd.: Dahlgrün an Mannesmann, 8.4.1965. 322 Entsprechend wurde eine senegalesische Anfrage über 32 Millionen DM Kapitalhilfe, die die Absage beim EEF auffangen sollte, abgelehnt, vgl. ebd.: Török, Vermerk, 1.4.1965.

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beteiligt würden, traf auf keine positive Resonanz. Zumindest aber kristallisierte sich im Sommer 1965 heraus, dass die französische Regierung gegen eine erneute Prüfung des Vorhabens in Brüssel nicht opponieren würde.323 Deswegen konzentrierten sich die Anstrengungen des Auswärtigen Amts zunehmend darauf, bei der EWG-Kommission mit Nachdruck für die Pipeline zu werben. In Vizepräsident Sicco Mansholt, der dem Senegal im April desselben Jahres einen Besuch abgestattet hatte, fand sich der erste ranghohe Fürsprecher des Projekts. Kommissionspräsident Walter Hallstein wurde gebeten, das Gespräch mit Rochereau zu suchen, während Deutschlands Ständiger Vertreter Hans-Georg Sachs bei Generaldirektor Hendus vorfühlte.324 Außerdem war die Bundesregierung bestrebt, neue Argumente für die Pipeline zusammenzutragen, zumal die EWG-Kommission eine erneute Prüfung des Mannesmann-Projekts an den Nachweis einer veränderten Faktenlage geknüpft hatte. So brachte die deutsche Botschaft in Dakar in Erfahrung, dass die Generaldirektion dem EEF-Ausschuss den Bau einer Wasserversorgung im benachbarten Mauretanien mit einer wesentlich schlechteren Rentabilitätserwartung vorgeschlagen hatte und dieses Projekt auch bewilligt worden war. Darüber hinaus spielten der Bundesregierung ausbleibende positive Forschungsergebnisse aus Pout ebenso in die Hände wie ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation zur Trinkwasserversorgung in Dakar. Letzterer ging mit dem französischen Konzept hart ins Gericht und betrachtete die Realisierung der Pipeline als dringend erforderlich. Die Bundesregierung avancierte in dieser Phase zweifelsohne zur treibenden Kraft, auch weil Präsident Senghor klar gemacht hatte, dass er den europäischen Fonds erst wieder anfragen wolle, wenn eine Bewilligung im Vorfeld so gut wie sichergestellt sei. 325 Die inoffiziellen Kontaktnahmen der Bundesregierung mit Brüssel verliefen jedoch nicht besonders erfolgreich. Generaldirektor Hendus ließ das Auswärtige Amt 323 Vgl. PAAA B 68-635: Török, Vermerk, 31.5.1965; ebd.: Ergebnisniederschrift der 7. deutsch-französischen Konsultationen über die Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungshilfe, 9.7.1965; AMAEF Sénégal 102: Compte-rendu 7ème comité francoallemand sur l’aide aux pays sous-développés, 16.7.1965; allerdings versicherten sich die französischen Stellen, dass Bonn das Projekt endgültig fallen lassen würde, sofern es in Brüssel erneut abgelehnt würde. 324 Vgl. PAAA B 68-635: Telegramm Botschaft Dakar an AA, 9.4.1965; ebd.: Botschaft Dakar an AA, 28.5.1965; ebd.: Török, Vermerk, 31.5.1965; vgl. zum Besuch von Sicco Mansholt in Dakar auch CAD Dakar AMB 288: Amb. Dakar an MAEF, 7.4.1965; Mansholt beurteilte das Projekt weniger im Hinblick auf den Kalten Krieg, wie Vahsen meint, sondern betrachtete es vielmehr als Kompensationsmaßnahme für die ungünstigen Auswirkungen der GAP auf die senegalesische Erdnusswirtschaft, vgl. Vahsen (2010), S. 361; vgl. zur GAP auch Kap. II.3. 325 Vgl. PAAA B 68-635: Botschaft Dakar an AA, 15.7.1965; ebd.: Telegramm AA an Botschaft Dakar, 26.7.1965; ebd.: Török an Botschaft Dakar, 19.7.1965; ebd.: Vermerk „Anruf Moltrecht“, 23.7.1965; ebd.: Botschaft Dakar an AA, 27.8.1965.

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wissen, dass sich eine etwaige Beteiligung des EEF auf maximal 25 Millionen DM belaufen und die Europäische Investitionsbank (EIB) eventuell 5 Millionen DM beisteuern könnte. Diese Möglichkeit sei jedoch nur unter der Bedingung gegeben, dass der Anteil stark verzinster Lieferkredite höchstens die Hälfte des gesamten Finanzierungsumfangs ausmachen würde. Bei einem Gesamtvolumen des Projekts von geschätzten 100 Millionen DM standen demnach 20 Millionen DM aus, die Bonn im Rahmen der bilateralen Kapitalhilfe aufbringen musste. Der Interministerielle Lenkungsausschuss gab dennoch grünes Licht für diese vergleichsweise hohe Summe. Hierfür war neben außenpolitischen Gründen und den technischen Argumenten auch ausschlaggebend, dass „erstmals eine deutsche Firma im Senegal einen Großauftrag erhalten würde. Bekanntlich ist der Senegal eine der am eifersüchtigsten bewachten ,Chasse gardée‘ Frankreichs in Schwarzafrika.“326

Die Ausweitung des deutschen bilateralen Engagements nahm die Generaldirektion in Brüssel wohlwollend zur Kenntnis – am grundsätzlichen Widerstand gegen das Projekt änderte sich jedoch kaum etwas. Kurzum machten die neuen Fakten, die die Bundesregierung zusammen getragen hatte, keinerlei Eindruck auf den deutschen Generaldirektor.327 Im Gegensatz dazu hatte Senghor mehr Erfolg bei seinem Unterfangen, die französische Regierung zu einer aktiveren Haltung zu bewegen. Er gab sich mit der zwischenzeitlich erreichten Neutralität nicht zufrieden, sondern forderte im Frühjahr 1966 Entwicklungsminister Jean Charbonnel unmissverständlich dazu auf, in Brüssel für das Mannesmann-Projekt zu werben.328 Der politische Druck, den Senghor ausübte, schien sich auszuzahlen. Ende Juli 1966 rang sich die Kommission dazu durch, das Vorhaben schließlich als förderungswürdig zu erachten und dem EEF-Ausschuss vorzulegen. Dieser Durchbruch stand auf Messers Schneide, sodass letztlich die Kommissare darüber befinden mussten. Im Vorfeld der Entscheidung wurde bekannt, dass Mansholt, Hans von der Groeben, Lambert Schaus sowie Präsident Hallstein zugunsten des Projekts votieren wollten und sich der Italiener Guido Colonna di Paliano noch unschlüssig zeigte, während die restlichen vier mit Rochereau an der Spitze dagegen

326 PAAA B 68-635: Heipertz, Vermerk, 8.2.1966; ebd.: Vermerk „Anruf Moltrecht“, 23.7.1965; ebd.: Protokoll der 114. Sitzung des Lenkungsausschusses, 10.2.1966; ebd.: Erhard an Senghor, 29.3.1966; der Interministerielle Lenkungsausschuss war ein Gemeinschaftsgremium, in dem Vertreter des AA, des BMWi und des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit saßen und über die Entwicklungsprojekte der bilateralen Hilfe der BRD entschieden, vgl. im Detail Hein (2006), S. 44f. 327 Vgl. PAAA B 68-635: Hendus an Lahr, 27.1.1966; in diesem Licht fragwürdig Vahsen (2010), S. 361. 328 Vgl. AMAEF Sénégal 102: Telegramm Amb. Dakar an MAEF, 18.4.1966.

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eingestellt waren. So bedurfte es der Intervention deutscher und offenbar auch französischer Regierungsstellen, um letztlich zu einem positiven Ergebnis zu gelangen.329 Senghors Zorn hatte sich konsequenterweise in der Zwischenzeit von den Franzosen in Paris auf die Franzosen in Brüssel, das heißt auf Rochereau und Ferrandi, verlagert, in denen er zu Recht die hauptsächlichen Quertreiber vermutete. Gegenüber Charbonnel machte er seinen Standpunkt nochmals deutlich: „Je suis le Président de la République du Sénégal et j’estime avoir le droit de juger mieux que des fonctionnaires étrangers les intérêts de mon pays.“330 Vor allem Ferrandi, der aus seiner tiefen Abneigung gegen das Projekt nie einen Hehl gemacht hatte, entpuppte sich als Großmeister der Salamitaktik. So sollte es noch ein weiteres Jahr dauern, ehe der EEF-Ausschuss schließlich über das Projekt beraten konnte. Neben den üblichen Strategien der DG VIII – Anforderung weiterer Dossiers und Informationen, formale Einwände gegen den Antrag etc. – brachte Ferrandi zwischenzeitlich eine ganz neue Alternative für die Lösung des Dakarer Wasserproblems in Stellung. Vertreter des deutschen Unternehmens Krupp hatten sich schon im Frühjahr 1966 mit einem französischen Partnerunternehmen bei Senghor vorgestellt. Das deutsch-französische Konsortium wollte Wasser aus dem Meer pumpen, entsalzen und mit einem Stromkraftwerk kombinieren, um dadurch die Gestehungskosten niedrig zu halten. Inwieweit Ferrandi aktiv dazu beitrug, dieses Störfeuer zu zünden, bleibt unklar. Auch wenn Senghor die Krupp’sche Alternativlösung nie ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, weil es Dakar nicht an Strom, dafür umso mehr an Wasser mangelte, nutzte Ferrandi dennoch das Auftreten eines weiteren deutschen Unternehmens dazu, die Pipeline zwischenzeitlich in Brüssel erneut in Frage zu stellen.331 Weitere Verzögerungen ergaben sich aufgrund einer Auseinandersetzung über die nicht unbedeutende Frage, welcher Teilabschnitt der gesamten Rohrleitung vom EEF finanziert werden sollte. Während der senegalesische Präsident dafür plädierte, das letzte Teilstück bis zum Lac de Guiers auszuwählen, um alle Mittel voll auszuschöpfen, wollte sich Brüssel auf die Strecke zwischen Dakar und Thiès festlegen. Daneben brachte die DG VIII im März 1967 ein ganz neues Argument vor. Sie 329 Die Entscheidung datiert vom 27.7.1966. Noch zwei Wochen zuvor hatte Rochereau Staatssekretär Lahr mitgeteilt, dass er das Mannesmann-Projekt noch immer nicht für förderungswürdig halte. Ein Vermerk aus dem Quai d’Orsay spricht aber von der Möglichkeit, dass französische Instruktionen zur Mehrheit verhelfen könnten, vgl. AMAEF Sénégal 102: Commentaire Brunet sur la note du 27.5.1966, 3.6.1966; PAAA B 68-636: Rochereau an Lahr, 13.7.1966; ebd.: Telegramm Ständige Vertretung Brüssel an AA, 9.6.1966. 330 Vgl. DDF 1966, Dokument Nr. 251: de Lagarde an Couve de Murville, 18.4.1966. 331 Vgl. PAAA B 68-636: Hendus an AA, 29.9.1966; ebd.: Ständige Vertretung Brüssel an AA, 9.11.1966; ebd.: Ferrandi an Hendus, 24.10.1966; ebd.: Botschaft Dakar an AA, 25.11.1966; vgl. zur Initiative von Krupp ebd. B 68-635: Botschaft Dakar an AA, 25.2.1966; ebd.: Telegramm Botschaft Dakar an AA, 13.5.1966.

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teilte der Bundesregierung mit, dass die bestehenden Wasserleitungen in Dakar die zusätzliche Menge an Wasser vom Lac de Guiers nicht aufnehmen könnten – eine Behauptung, der von der deutschen Botschaft zusammen mit dem senegalesischen Ministerium für Energie und Wasserwirtschaft umgehend widersprochen wurde.332 Im April 1967 präsentierte die EWG-Kommission schließlich einen Finanzierungsvorschlag, der an Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten war. Einerseits wurden darin einige stichhaltige technische Argumente, die die senegalesische und die Bundesregierung gegen das französische Brunnenkonzept vorgebracht hatten, aufgeführt: eklatanter Wassermangel einschließlich fehlender Ganztagsversorgung in Dakar sowie Überforderung der bestehenden Brunnenanlagen, damit einhergehende Versalzung des Wassers und Verödung der Landstriche. Andererseits setzte sich die Kommission über die demographischen Schätzungen des Senegal hinweg und zog ihre eigenen heran. Sie rechnete für das Jahr 1980 mit einem Verbrauch von knapp 140.000 Kubikmeter pro Tag gegenüber 200.000 Kubikmeter, die der Senegal veranschlagt hatte. Dies blieb nicht die einzige Spitze gegen die senegalesische Regierung, der unterschwellig vorgeworfen wurde, mit der Wasserversorgung zu einem „test de sa souveraineté dans le choix qu’il juge le meilleur pour son développement“ anzusetzen. Ganz offen wurde ihre Haltung kritisiert; man hätte sich eine „vision moins sectorielle et moins statique“ gewünscht.333 Letztlich hatten sich die Autoren des Finanzierungsvorschlags keine Mühe gegeben zu kaschieren, dass sie das französische Brunnenkonzept für die weitaus bessere Lösung hielten. Ebendeshalb beharrte die DG VIII auch darauf, das Teilstück zwischen Dakar und Thiès zu finanzieren. Die Vorlage der Generaldirektion las sich wie ein letzter Versuch, den Senegal doch noch umzustimmen und dem Konzept des BRGM zu folgen. Dies zeigte sich in den Sonderbedingungen des Finanzierungsvorschlags. Dort hieß es, dass die Teilsumme, die für die Strecke zwischen Pout und Thiès reserviert war und insofern zur Finanzierung des Verbindungsstücks zwischen der Tiefbrunnenleitung und der Pipeline vom Lac de Guiers diente, alternativ auch für den Anschluss der zweiten, noch nicht in Betrieb genommenen Wasserstelle bei Pout sowie für weitere Bohrungen in der Region verwendet werden könnte (vgl. Schaubild). Auch wenn die senegalesische Regierung dies nicht beabsichtigte, hätte sie mit der Vorlage der Generaldirektion die Brunnenlösung auf ganz legale Weise umsetzen können.334

332 Vgl. PAAA B 68-636: Telegramm Ständige Vertretung Brüssel an AA, 23.1.1967; ebd.: Vermerk zu Telefonat Harkort/Hendus, 16.3.1967; ebd.: Botschaft Dakar an AA, 17.5.1967. 333 Vgl. AMAEF Sénégal 102: DG VIII, Proposition de financement „Extension de l’adduction d’eau de Dakar“, 27.4.1967; vgl. auch die Stellungnahme des AA zum Finanzierungsvorschlag, PAAA B 68-635: Axenfeld an BMWi, 26.6.1967. 334 Vgl. ebd.: DG VIII, Proposition de financement „Extension de l’adduction d’eau de Dakar“, 27.4.1967.

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Möglichkeiten der Wasserzufuhr nach Dakar gemäß Finanzierungsvorschlag EEF

Da Italien und die Beneluxstaaten im Vorfeld signalisiert hatten, dass sie ein Vorhaben, das auf ein bereits feststehendes Unternehmen zugeschnitten war, nicht mittragen würden, sah der Finanzierungsvorschlag eine reguläre Ausschreibung für den Bau der Wasserleitung vor.335 So schienen alle Voraussetzungen für eine reibungslose Bewilligung im EEF-Ausschuss erfüllt, der Anfang Juli 1967 über das Projekt beratschlagte. Doch einem Bericht nach Bonn zufolge leistete sich Ferrandi in dieser Sitzung einen denkwürdigen Auftritt, indem er gegen die Vorlage seiner eigenen Ab335 Vgl. AMAEF Sénégal 102: Amb. Dakar an MAEF, 14.6.1967.

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teilung zu Felde zog: Er nutzte seine Rolle als Berichterstatter zu einer schonungslosen persönlichen Abrechnung mit Fürsprechern und Hintermännern des Projekts, aber auch mit der senegalesischen Regierung. Der Fonds-Chef berichtete, dass der Mannesmann-Vertreter General Chevance-Bertin, mit dem er offenkundig eine bis in die Widerstandszeit zurückreichende Feindschaft pflegte, ihn habe bestechen wollen. Außerdem sei er persönlich von senegalesischen Verantwortlichen angegriffen worden. Als Belege zitierte Ferrandi Schriftstücke, zu denen Generaldirektor Hendus, der die Sitzung präsidierte, rasch anmerkte keinerlei Kenntnis zu haben. Der EEF-Direktor, der sich im Laufe seines Auftritts selbst als „Erfinder des Projekts“ bezeichnete, gab zu Protokoll, dass er sich angesichts der Politisierung des Vorhabens und der vergifteten Atmosphäre außer Stande sehe, das Projekt zu verteidigen. Er erklärte abschließend, dass sich seine ablehnende Haltung nicht geändert habe und bat darum, die Sitzung verlassen zu dürfen.336 Außer der französischen Delegation, die dagegen protestierte, dass im EEF-Ausschuss „nicht zur Sache gehörende interne ,Couloir-Fragen‘ der französischen Politik“337 thematisiert würden, unterbrach kein anderer Sitzungsteilnehmer Ferrandi bei seinen Ausführungen. Verlassen durfte er die Sitzung jedoch nicht; sowohl Hendus als auch alle Delegationen lehnten dieses Ersuchen ab. Zumindest vorerst erreichte er jedoch mit diesem ungewöhnlichen Auftritt sein Ziel: Eine sachliche Diskussion kam nicht mehr zustande. Stattdessen gewannen die italienischen Vertreter und die Delegationen der Beneluxstaaten den Eindruck, dass es sich bei der Dakarer Wasserversorgung um eine rein politische Entscheidung handelte. Ihr Vorschlag, deswegen den Ministerrat mit der Frage zu befassen, fand jedoch keine Mehrheit, sodass der Ausschuss überein kam, kurz darauf eine Sondersitzung abzuhalten, um über das Vorhaben zu entscheiden. Zehn Tage später war es dann endgültig soweit: Mit breiter Mehrheit – lediglich die niederländische Delegation enthielt sich der Stimme – wurde das Projekt bewilligt. Zugleich gab Ferrandi vor dem Ausschuss eine versöhnliche Erklärung ab, mit der er die von ihm ausgelösten Unstimmigkeiten ausräumen wollte.338 Ohne Zweifel bildete die Mannesmann-Affäre die größte Niederlage für Ferrandi während seiner zwölfjährigen Amtszeit als Direktor des EEF – eine Niederlage, an die er sich später mehr schlecht als recht erinnern konnte oder wollte.339 Welche Motive Ferrandis Auftritt zugrunde lagen, lässt sich nicht endgültig aufschlüsseln. Immerhin setzte er mit seinem Vorgehen nicht nur seinen Posten aufs Spiel, sondern auch seine persönlichen Beziehungen zu Senghor und weite-

336 Vgl. PAAA B 68-636: Moltrecht, Aufzeichnung, 5.7.1967. 337 Ebd. 338 Vgl. ebd.: Schnabel, Vermerk, 7.7.1967. 339 Ferrandis Darstellung der Geschehnisse ist stark verkürzt und teilweise schlicht falsch, vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 61–63.

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ren hohen Funktionären aus seiner zweiten Heimat.340 Doch gerade die besondere Verbundenheit zum Senegal, wo er seine Karriere in der Kolonialadministration begonnen und zwei verstorbene Kinder zurückgelassen hatte, dient als ein Erklärungsansatz für Ferrandis radikale Opposition gegen das Projekt. Zweifellos war er fest davon überzeugt, dass die Pipeline dem senegalesischen Staat zu hohe finanzielle Lasten aufbürden würde.341 Außerdem pflegte er beste Verbindungen zum BRGM und verließ sich eigenen Aussagen zufolge vorbehaltlos auf dessen Expertise. Dass die Wasserzufuhr vom Lac de Guiers zudem die Daseinsberechtigung der französischen Forschungsgesellschaft im Senegal grundsätzlich in Frage stellte, könnte ebenfalls ein Grund für Ferrandis erbitterten Widerstand gewesen sein.342 Ein letzter Erklärungsansatz dürfte im Bestechungsversuch von General ChevanceBertin liegen, der Ferrandi offenbar maßlos verärgert hatte – andernfalls hätte der EEF-Direktor wohl kaum sein persönliches Verhältnis zu diesem Mann so ausführlich im Ausschuss geschildert. In jedem Fall verstärkte die Affäre noch seine bestehenden Abneigungen gegen das deutsche Unternehmen, dessen Engagement im Senegal ihm grundsätzlich missfiel. Trotz solch mannigfaltiger Motive blieb Ferrandis riskanter Auftritt ein Stück weit unverständlich, zumal der Finanzierungsvorschlag der Kommission die französische Lösung im Rennen hielt. Zudem war seine Selbstdarstellung als rechtschaffener EWG-Beamter, der sich gegen mauschelnde Mitgliedsstaaten und korrumpierende Unternehmen standhaft zur Wehr setzte, angesichts seiner eigenen Rolle in der Vorgeschichte des Projekts kaum überzeugend. Seine nicht eben lautere Vorgehensweise manifestierte sich kurz darauf auch bei der Umsetzung des Vorhabens, als Ferrandi sich für die Niederlage rächte, die ihm die senegalesische, die deutsche und letztlich auch die französische Regierung gemeinsam beigebracht hatten. *** Der Auftrag des europäischen Fonds für den Bau der Wasserleitung zwischen Dakar und Thiès ging an das französische Unternehmen Pont-à-Mousson – ebenjene Firma, die Ferrandi 1964 anlässlich seines Dakar-Aufenthalts ins Spiel gebracht 340 Die deutsche Ständige Vertretung in Brüssel regte an, ein Disziplinarverfahren gegen Ferrandi (und Hendus) einzuleiten. Der Vorschlag wurde jedoch im AA rasch wieder fallen gelassen, da man keinen zusätzlichen Wirbel auslösen wollte, vgl. PAAA B 68-636: Schnabel, Vermerk 7.7.1967. 341 Vgl. dazu einen persönlich gehaltenen Brief Ferrandis an einen unbekannten Adressaten. Der Brief fand auf ungeklärte Weise den Weg ins Auswärtige Amt, wo ebenfalls darüber gerätselt wurde, an wen das Schreiben gerichtet war, PAAA B 68-635: Handschriftlicher Vermerk, 26.7.1967, Anhang: Ferrandi an Cher ami, 8.6.1965. 342 Vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 61; AMAEF Sénégal 102: Amb. Dakar an MAEF, 27.10.1965.

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hatte. Das gesamte Ausschreibungsverfahren wurde von Maßnahmen begleitet, die darauf abzielten, Mannesmann auszubooten. Dass Ferrandi diese Marschroute vorgegeben hatte, war ein offenes Geheimnis. Nachdem die senegalesische Vergabekommission zu der Auffassung gelangt war, dass das Angebot von Mannesmann das billigste war, wurde in Brüssel eine Gegenexpertise erstellt, die Pont-à-Mousson favorisierte. Dabei ließ die EWG-Kommission im Gegensatz zum senegalesischen Vergabegremium eine Bauvariante des deutsch-senegalesischen Konsortiums nicht gelten, mit der dünnere und dadurch billigere Rohre hätten verlegt werden können. Als Begründung für die Nichtberücksichtigung wurde angegeben, dass es sich bei der Alternative um eine Beeinträchtigung geistigen Eigentums des Konkurrenzanbieters gehandelt habe und deswegen ausschließlich das ursprüngliche Angebot herangezogen werden konnte.343 Derlei formale Tricks gab es noch weitere, die hier angesichts ihres stark technischen Charakters außer Acht bleiben können.344 Umso bemerkenswerter scheint es, dass sich Präsident Senghor noch wenige Wochen vor Bekanntgabe der Ausschreibungsergebnisse eindeutig für eine Auftragsvergabe an die deutsche Firma ausgesprochen hatte, nicht zuletzt, um die gesamte Strecke in die Hand desselben Unternehmens zu legen. Kurz nach der Bekanntgabe teilte jedoch der senegalesische Finanzminister Jean Collin in Brüssel mit, dass sich die senegalesische Regierung für Pont-à-Mousson entschieden habe.345 Diese Kehrtwende kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Zum einen ließ Brüssel die alternative Bauvariante definitiv nicht zu, weswegen das Angebot des französischen Unternehmens etwa 20 Millionen F CFA billiger war. Zum anderen wusste das deutsche Unternehmen über erpresserische Machenschaften von Mitarbeitern der EWG-Delegation in Dakar gegenüber hohen senegalesischen Beamten zu berichten.346 Auch der deutsche Vertreter im EEF-Ausschuss, Hans-Joachim Heise, war fest davon überzeugt, dass

343 Vgl. PAAA AV 7313: Junges, Vermerk, 24.3.1970; der deutsche Assistent von Generaldirektor Hendus, Dieter Frisch, bestätigte dies dem neuen deutschen Botschafter Rudolf Junges gelegentlich seines Senegal-Besuchs im Januar 1970, vgl. dazu auch die Darstellung des damaligen Leiters der EWG-Delegation in Dakar, Detalmo Pirzio-Biroli, HAEU INT 732: Interview Pirzio-Biroli, 16.6.2004, S. 8f.; vgl. außerdem PAAA AV 7313: Pro Memoria Wasserleitung Thiès-Dakar, o.D. [ Januar 1970]; ebd.: Everling an DG VIII, 24.11.1970; da nur drei Arten der Rohrverlegung technisch möglich sind – unterirdisch, ebenerdig und oberirdisch – brauchte es in der Tat schon einige Phantasie, um eine bestimmte Röhrenführung als geistiges Eigentum zu bezeichnen. 344 Vgl. PAAA AV 7313: Mannesmann an AA, 21.1.1970, Anlage: Memorandum. 345 Vgl. ebd.: Telegramm Botschaft Dakar an AA, 15.1.1970; ebd.: Botschaft Dakar, Anruf Kiesow, 28.2.1970. 346 Vgl. ebd.: Mannesmann an Kühn, 17.1.1970.

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„Ferrandi, der Senegal aus kolonialistischer Freundschaft stets über Gebühr begünstigt habe, den Wunsch Senegals, Mannesmann auch das Reststück in Auftrag zu geben, dazu benutzen wollte und auch benutzt hat, Senegal den Brotkorb etwas höher zu hängen.“347

Diese Einschätzung gewinnt dadurch an Plausibilität, dass nicht alle senegalesischen Verantwortlichen in die Entscheidung eingeweiht waren. So wurde Handelsminister Daniel Cabou, der mit den Ausschreibungen befasst war, erst durch den deutschen Botschafter über die Entscheidung in Brüssel informiert, die er mit großer Verwunderung zur Kenntnis nahm. Es liegt daher nahe, dass Finanzminister Collin, ein gebürtiger Franzose, der in der Kolonialadministration eine beachtliche Karriere gemacht hatte, bei diesem Vorgang eine entscheidende Rolle spielte – belegen lässt sich dies jedoch nicht.348 Ferrandis Racheakt blieb für ihn ohne Folgen. Der Aktionismus der Firma Mannesmann, die zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem äußerst emsigen deutschen Botschafter in Dakar den Fall zum Anlass nehmen wollte, Ferrandi endlich das Handwerk zu legen, verkümmerte zu einer harmlosen Beschwerde des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber der Brüsseler Generaldirektion. Obwohl der Bundesregierung die Benachteiligung deutscher Firmen beim europäischen Fonds seit langer Zeit ein Dorn im Auge war, verzichtete sie auch nach dem wohl spektakulärsten Fall einseitiger Vergabepraxis darauf, nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Gewiss mag dazu beigetragen haben, dass sie selbst in der Mannesmann-Affäre keine weiße Weste trug, da sie erheblichen politischen Druck auf diverse Dienststellen der Kommission ausgeübt hatte. Zudem standen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis: Der Senegal ebenso wie das restliche assoziierte Afrika blieben wirtschaftlich gesehen uninteressant für die deutsche Industrie. Deshalb lohnte sich kaum das Risiko, mit einer Personaldebatte womöglich einen handfesten Gemeinschaftskrach zu provozieren oder den französischen Partner zu brüskieren.349 Im Ergebnis verfügte Dakar mit der Inbetriebnahme der Pipeline im Sommer 1971 erstmals seit den 1940er Jahren wieder über ausreichend sauberes Trinkwasser, was die folgenden zehn Jahre so bleiben sollte.350 Dieser Erfolg barg jedoch auch Schattensei347 Vgl. PAAA AV 7313: Junges, Vermerk, 24.3.1970. 348 Vgl. ebd.: Junges, Vermerk, 24.3.1970; Jean Collin war wie Ferrandi Absolvent der ENFOM und in den 1950er Jahren zeitweise Minister für die überseeischen Gebiete, ehe er nach der Dekolonisation die senegalesische Staatsangehörigkeit annahm und verschiedene bedeutende Regierungsposten bekleidete, vgl. Ndiaye/Ndiaye (2006), S. 93f. 349 Vgl. ebd.: Mannesmann Büro Senegal an Mannesmann Düsseldorf, 30.3.1970; ebd.: Junges an AA, 1.7.1970; ebd.: Everling an DG VIII, 24.11.1970; im Beschwerdeschreiben wurden alle Unzulänglichkeiten des Ausschreibungsverfahrens benannt, ohne dass damit jedoch der Vorwurf bewusster Manipulation verknüpft wurde. Zur Benachteiligung deutscher Firmen durch den EEF vgl. Alberts/Bellers (1986), S. 37–42; Rempe (2006), S. 87–90; Vahsen (2010), S. 362–368. 350 Vgl. Gueye (1998), S. 224.

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ten. So wurde das Projekt für den senegalesischen Staat wesentlich teurer als geplant, wofür es verschiedene Gründe gab. Am heftigsten schlug die Aufwertung der Deutschen Mark im Oktober 1969 und die vorangegangene Abwertung des Französischen Francs ins senegalesische Kontor.351 Letztlich musste die Bundesrepublik ihre bilaterale Kapitalhilfe auf 43 Millionen DM aufstocken, damit die senegalesische Wassergesellschaft liquide blieb.352 Außerdem ging der Finanzierungsplan nicht auf, weil der Streckenabschnitt zwischen Thiès und Dakar, unter anderem aufgrund fehlerhafter Montagearbeiten des französischen Unternehmens, erst mit erheblicher Verspätung fertiggestellt wurde. Durch diese Verzögerungen wurden die Rückzahlungstranchen an die BRD bereits fällig, bevor ein Tropfen Wasser vom Lac de Guiers die Hauptstadt erreicht hatte.353 Hinzu kam, dass die Aufbereitung des Seewassers viel komplizierter und dadurch teurer geriet als angenommen. All diese Faktoren machten die Erhöhung des Wasserpreises von 60 auf 70 F CFA pro Kubikmeter unausweichlich, und die Ölkrise ließ den Wasserpreis im Jahre 1974 nochmals um gut die Hälfte ansteigen.354 *** „Critiques do not bring piped water to people who lack it“ – ausgehend von Frederick Coopers treffendem Plädoyer für eine differenzierte Perspektive auf die Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit gehört die Wasserzufuhr vom Lac de Guiers zweifellos zu einem der sinnvolleren Projekte, die der EEF in den 1960er Jahren mitfinanziert hat.355 Dessen Entstehungsgeschichte verdeutlicht, dass sich der Senegal im Verbund mit den Mitgliedsstaaten gegenüber der Generaldirektion durchsetzen konnte, sobald ausreichend politischer Druck ausgeübt wurde. Eine derart starke Einflussnahme erfolgte allerdings nur unter der Voraussetzung, dass gewichtige, wenngleich unterschiedlich gelagerte nationale Interessen die beteiligten Staaten zu einer einheitlichen Positionierung brachten. Nahezu alle Akteure verfolgten primär andere Interessen, als die Dakarer Stadtbevölkerung mit ausreichend sauberem Wasser zu versorgen: Der Bundesregierung ging 351 Zum Kontext dieser Währungsentwicklungen vgl. Patel (2009b), S. 404–408. 352 Die Aufstockung des Kapitalhilfeanteils ersetzte zum Teil den wesentlich höher verzinsten Lieferkreditanteil, vgl. PAAA B 68-1065: Senegalesische Botschaft Bonn, Memorandum, 5.1.1970; ebd. AV 7313: BMWi, Ergebnisvermerk Ressortbesprechung, 19.6.1970; ebd.: Telegramm AA an Botschaft Dakar, 7.8.1970. 353 Vgl. PAAA AV 7313: Mannesmann an AA, 21.1.1970, Anlage; ebd.: Botschaft Dakar, Vermerk, 17.11.1970; ADEUS II. FED 211015016: Contrôleur délégué, Deuxième rapport sur l’état d’avancement des travaux, November 1970. 354 Vgl. zu diesem Aspekt Gueye (1998), S. 224f. 355 Cooper (2010), S. 6; diesem Urteil liegt ferner die Überlegung zugrunde, dass ausreichend sauberes Wasser zu erhöhten Preisen bessere Bedingungen bietet als zu wenig und teils auch unreines Wasser zu günstigeren Konditionen.

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es ursprünglich darum, die infolge des 1963 verhängten Röhrenembargos gegen die Sowjetunion entstandene Auftragsflaute eines deutschen Unternehmens zu lindern und diesem den Zugang zum westafrikanischen Markt zu erleichtern. Mannesmann selbst ließ angesichts schwieriger Vertragsverhandlungen mit der senegalesischen Regierung im Sommer 1968 wiederum durchblicken, nicht unbedingt an einem Abschluss interessiert zu sein, auch weil das Embargo bereits seit 1966 aufgehoben und infolgedessen die Auftragsbücher wieder gut gefüllt waren.356 Der von Ferrandi erhobene Korruptionsvorwurf fügt sich nahtlos ein in das Bild vom schnellen Entwicklungsgeschäft, das Mannesmann anstrebte, wenngleich offenbleiben muss, ob der Bestechungsversuch ein Alleingang Chevance-Bertins war oder von der Konzernzentrale in Auftrag gegeben wurde. Die französische Regierung sorgte sich ebenso wenig um die Wasserversorgung der Stadtbewohner, sondern fürchtete vielmehr hohe finanzielle Belastungen auf ihr Schatzamt zukommen. Sie traute außerdem ihren eigenen Spezialisten vom BRGM mehr als Präsident Senghors Einschätzung der Versorgungslage. Ebenso verhielt sich der EEF, dessen Direktor darüber hinaus aus offensichtlich persönlich motivierten Gründen das Mannesmann-Projekt mit allen Mitteln bekämpfte. Dass Senghor schließlich mit dem Projekt Unabhängigkeit von Frankreich demonstrieren wollte, liegt auf der Hand. In seinem Anliegen, eine angemessene Wasserversorgung für die Bewohner Dakars sicherzustellen, war dies allerdings nicht sein Hauptmotiv, sondern vielmehr ein willkommener Nebeneffekt. Der aus den gegensätzlichen Interessen resultierende Konflikt verweist darauf, dass der „Imperialismus des Wissens“357 in der postkolonialen Zeit keineswegs mehr Grenzen ausschließlich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zog, sondern komplexere Allianzen und Opponenten hervorbringen konnte. Vor dem Hintergrund, dass Rivalitäten in der Entwicklungszusammenarbeit noch immer in erster Linie mit dem Kalten Krieg in Zusammenhang gebracht werden, dient die Auseinandersetzung um die Dakarer Wasserversorgung außerdem als wichtiger Anhaltspunkt dafür, dass die Kooperation zwischen Nord und Süd auch weitgehend abseits des Systemkonflikts zu scharfer Konkurrenz führen konnte. Im Ringen um die Pipeline entstand diese innerhalb des westlichen Lagers, war keineswegs ideologisch als vielmehr technologisch und ökonomisch motiviert und erweiterte die Handlungsmöglichkeiten des Senegal.358 Darüber hinaus bestätigt der regelrechte Expertisenkrieg zwischen Frankreich und der EWG auf der einen sowie der Bundesrepublik und dem Senegal auf der anderen Seite nicht nur eindrücklich den im vorangegangenen Kapitel herausgearbeiteten 356 Vgl. PAAA AV 7313: Botschaft Dakar, Vermerk, o.D. [Mai 1968]. 357 Cooper (1997), S. 64. 358 Für eine Relativierung der Bedeutung des Systemkonflikts für die Entwicklungszusammenarbeit plädieren etwa auch Büschel/Speich (2009); inwieweit der Kalte Krieg für die Entwicklungszusammenarbeit eine Rolle spielte, muss letztlich für jedes Entwicklungsland einzeln beurteilt werden.

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Befund von der Verwissenschaftlichung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik im Lauf der 1960er Jahre. Ebenso spiegelt diese Auseinandersetzung die Indienstnahme wissenschaftlicher Expertise zu politischen Zwecken wider.359 Ohne Ausnahme versuchten alle beteiligten Parteien einschließlich der Generaldirektion, ihren politischen Positionen die Aura wissenschaftlicher Objektivität zu verleihen. Deshalb konnte der Konflikt erst im Rahmen der internationalen Diplomatie gelöst werden. Senghor hat dafür das beste Beispiel gegeben, als er de Gaulle mit dezidiert politischen Argumenten erfolgreich auf seine Linie brachte. Umgekehrt bedeutete dies, dass der Handlungsspielraum der senegalesischen Regierung gegenüber den Mitgliedsstaaten größer war als in den Beziehungen zur Generaldirektion, die sich weder vom Senegal beeinflussen noch von Paris fernsteuern ließ.360 Gewiss sprachen die Generaldirektion und die französische Regierung lange Zeit mit einer Stimme. Ferrandi konnte aber im Gegensatz zur französischen Regierung seine ablehnende Position länger aufrechterhalten, weil er einer internationalen Organisation angehörte, die weniger Rücksicht auf diplomatische Verstimmungen nehmen musste. Schließlich ist deutlich geworden, dass Ferrandi, auch wenn er den Machtkampf mit dem Senegal und den Mitgliedsstaaten zunächst verlor, bei der Umsetzung von EEF-Projekten über weitreichende Freiheiten verfügte. Präsident Senghor wusste genau, was er tat, als er Ferrandi wenige Jahre nach der Mannesmann-Affäre im Senegal mit diplomatischen Ehren empfing, die normalerweise nur Staatspräsidenten zuteil wurden: Er bediente damit die verletzten Eitelkeiten eines eigensinnigen und doch so ungemein einflussreichen Mannes in der Hoffnung auf weitere Gelder vom EEF, die sein Land so dringend benötigte.361

7. Senegalesische Industrialisierung oder zum Janusgesicht der EWG Mit dem ersten Abkommen von Yaoundé sollte neben der landwirtschaftlichen Modernisierung auch die Industrialisierung der assoziierten Staaten in Angriff genommen werden. Davor hatte sich die EWG in diesem Bereich kaum engagiert: Vom Budget des ersten europäischen Fonds wurden weniger als 1 Prozent für Projekte im sekundären Sektor verwendet. In der Retrospektive scheint die EWG jedoch auch im weiteren Verlauf der 1960er Jahre die Industrialisierung der assoziierten Staaten kaum 359 Vgl. zu dieser Wechselbeziehung von Wissenschaft und Politik Weingart (2001); Ash (2002). 360 Die Autonomie der DG VIII gegenüber Frankreich konstatieren auch Dimier (2008), S. 452f.; Palayret (2009), S. 230. 361 Vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 64f.; Ferrandi deutete den Staatsempfang dagegen als spätes Eingeständnis Senghors, dass er die bessere Wasserlösung gehabt hätte.

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gefördert zu haben; weniger als 6 Prozent der 800 Millionen RE des zweiten Fonds wurden dafür eingesetzt.362 Diese Zahlen überraschen angesichts der enormen Bedeutung, die der Industrialisierung im westlich geprägten Entwicklungsdiskurs der 1960er Jahre beigemessen wurde. Die Industriegesellschaft stand am verheißungsvollen Ende von Walt Whitman Rostows Stufenmodell, bildete den Fluchtpunkt der Resolution der Vereinten Nationen, die die erste Entwicklungsdekade ausrief, und animierte den einflussreichen US-amerikanischen Soziologen Clark Kerr dazu, diese distinkte gesellschaftliche Ordnung in seinem Werk Industrialism and Industrial Man theoretisch auszuleuchten.363 Auch in afrikanischen Ländern stand Industrialisierung zunächst hoch im Kurs. So waren beispielsweise bei der eurafrikanischen Parlamentarierkonferenz im Juni 1961 in Strasbourg, dem ersten größeren Treffen zwischen Repräsentanten der EWG und der assoziierten Staaten nach der Unabhängigkeit, afrikanische Forderungen nach einer zügigen Industrialisierung kaum zu überhören gewesen.364 Entsprechend setzte auch die senegalesische Regierung unmittelbar nach der Unabhängigkeit große Hoffnungen in eine rasche Industrialisierung ihres Landes. Dabei besaß sie im Vergleich zu den übrigen westafrikanischen Ländern einen beträchtlichen Startvorteil, weil sich seit den 1930er Jahren verschiedene französische Industriebetriebe im Senegal angesiedelt hatten. Der Vorsprung wurde jedoch ein Stück weit durch die Dekolonisation wieder zunichte gemacht, da diese den westafrikanischen Binnenmarkt zusammenbrechen ließ, für den die im Senegal ansässige Industrie vorwiegend produziert hatte.365 Der erste senegalesische Entwicklungsplan reservierte knapp die Hälfte der darin enthaltenen Investitionen für Industrialisierungsmaßnahmen, die nahezu ausschließlich mit Privatkapital umgesetzt werden sollten. Trotz der im Frühjahr 1962 erfolgten Verabschiedung äußerst investitionsfreundlicher Regelungen für ausländische Kapitalinvestitionen konnten die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllt werden. Zwar wurde die industrielle Produktion zwischen 1959 und 1963 um beachtliche 32 Prozent 362 Vgl. Cosgrove-Twitchett (1978), S. 136; Vahsen (2010), S. 168f.; BGBl. II (1964), S.  292: Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, Präambel. 363 Vgl. Rostow (1960); Kerr (1962); zur ersten Entwicklungsdekade der Vereinten Nationen, die im Herbst 1961 auf Betreiben John F. Kennedys eingeläutet wurde, siehe Jolly/ Emmerij/Ghai/Lapeyre (2004), S. 85–110. 364 Vgl. zu dieser Konferenz im Detail Vahsen (2005), S. 375–392; einen Überblick zu Industrialisierung in Afrika seit den 1950er Jahren bietet Cooper (2002), S. 99–103; speziell zum frankophonen Westafrika Coquery-Vidrovitch (1982), S. 111–113. 365 Vgl. Art. Le plan et l’industrialisation, in: Europe France Outremer Nr. 391/92 (1962), S. 59–60; Henri Gallenca, L’effort de l’industrie sénégalaise. Nouvelles réalisations et principaux projets, in: Europe France Outremer Nr. 414/415 (1964), S. 45–47.

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gesteigert, dies geschah jedoch von einem vergleichsweise geringen Ausgangsniveau aus. Nahezu alle neu gegründeten Industriebetriebe hatten darüber hinaus mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen.366 Die EWG schien demnach in gleichem Maße desinteressiert an der Industrialisierung des Senegal zu sein, wie dessen Regierung offenbar keinerlei Anstrengungen zeigte, die Industrialisierung des Landes mit öffentlichen Geldern voranzutreiben. Während der Senegal vom ersten europäischen Fonds gar keine Mittel für Industrialisierungsvorhaben in Anspruch nahm, wurden durch den nachfolgenden Fonds lediglich zwei Studien im Wert von 46.000 RE finanziert. Der offiziellen Statistik nach spielte die EWG für die senegalesischen Industrialisierungsbemühungen der 1960er Jahre also nicht die geringste Rolle.367 Wenngleich der EEF in den 1960er Jahren nicht in die senegalesische Industrialisierung investierte, so lässt sich die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit nicht auf die Aktivitäten des Fonds reduzieren. Auch darf nicht aus dem Blick geraten, dass jegliche Statistik Ergebnis individueller Konstruktionsarbeit ist. Ihrer Erstellung geht ein Akt der Kategorisierung voraus. Schließlich ist zu bedenken, dass bare Zahlen lediglich Geschehenes, nicht aber Intentionen dokumentieren können. Kurzum taugt die EEF-Statistik nicht als Indikator, um die Rolle der EWG im senegalesischen Industrialisierungsprozess zu erfassen.368 Genau genommen spielte die EWG unterschiedliche Rollen, die in sich widersprüchlich zur Industrialisierung des Senegal in Beziehung standen. Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass einerseits die Studienabteilung der Generaldirektion konkrete Pläne für die Industrialisierung der assoziierten Staaten erarbeitete, die sich allerdings, auch aufgrund fehlender Kommunikation mit den Verantwortlichen vor Ort, durch eine gewisse Realitätsferne auszeichneten. Andererseits zeigten sich die 366 Vgl. ebd.; Klümper (1970), S. 109–111; Amin (1973), S. 16–20; neben dem günstigen Investitionscode, an dessen Ausarbeitung auch eine Expertengruppe der EWG beteiligt war, hatte sich der Senegal im Rahmen seiner Zugehörigkeit zur Franc-Zone verpflichtet, einen freien Kapitalfluss nach Frankreich zuzulassen, vgl. HAEU 79/1982-141, S.  8: Lemaignen an Dia, 12.12.1960; Bourgi (1979), S. 301–303; zu den Bestimmungen des senegalesischen code des investissements vgl. im Detail Gautron (1968), S. 656–659; zu dessen Auswirkungen in den 1960er Jahren auch Rocheteau (1982), S. 215–218; dort außerdem ein konziser Überblick über die Schwierigkeiten senegalesischer Industrialisierung in den 1960er Jahren, vgl. ebd., S. 240–245. 367 Vgl. HAEU 25/1980-1362, S. 46: DG VIII, Situation des projets du 2ème FED en exécution, 30.9.1970; ebd. 25/1980-1328, S. 367: DG VIII, Résumé de la situation du Sénégal, Februar 1972, hier S. 380; die eine Studie untersuchte Möglichkeiten zur Gründung kleinerer und mittlerer industrieller Betriebe, während die andere die Errichtung einer Eisenerzfabrik prüfte. Letztere Untersuchung, die von einem italienischen Ingenieursbüro angefertigt wurde, traf dabei auf scharfe Kritik der Generaldirektion, vgl. ADEUS II. FED 215115031: Miglinolo an Ferrandi, 26.6.1971. 368 Die Entstehung von und den Umgang mit Statistiken problematisiert etwa Tooze (2004).

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Mitgliedsstaaten bemerkenswert unnachgiebig, als der Senegal einen seiner neuen Industriebetriebe vor den Regeln zur Handelsliberalisierung schützen wollte, die das neue Assoziationsabkommen gesetzt hatte. Auf diesen unterschiedlichen Haltungen gründete das Janusgesicht der EWG, dessen zwei Facetten schließlich im Zuge einer senegalesischen Initiative zur Errichtung einer Düngemittelfabrik gleichzeitig zum Vorschein kamen. Zudem stützten sich die Architekten dieses Vorhabens – neben der senegalesischen Regierung unter anderem die Europäische Investitionsbank (EIB), nicht aber die Generaldirektion – maßgeblich auf die Prognosen des Produktionshilfeprogramms der EWG. Gerade dieser Faktor trug maßgeblich dazu bei, dass die Düngemittelfabrik den Senegal letzten Endes vor große finanzielle Probleme stellte. Die EWG behinderte und begünstigte somit gleichermaßen den Industrialisierungsprozess im Senegal, präsentierte sich als dessen Vordenker und lief ihm zugleich weit hinterher. *** Planungen der EWG: Die Studiendirektion der DG VIII nahm die Industrialisierung der assoziierten Staaten sehr ernst. Während der Laufzeit der ersten Konvention von Yaoundé galt diese als eines ihrer vornehmlichen Ziele. Im Oktober 1964 verabschiedete das Studienkomitee auf besonderen Wunsch von Kommissar Rochereau ein Programm zur Durchführung von sogenannten Generalstudien, die sämtliche assoziierte Staaten betrafen. Neben diversen Marktanalysen für afrikanische Bananen, pflanzliche Öle und weitere Produkte wurde auch eine groß angelegte Industrialisierungsstudie für alle assoziierten Staaten beschlossen. Dabei hielt die Studienabteilung mit ihrem belgischen Leiter Jean Durieux an der Spitze diese Generalstudie für derart wichtig, dass sie die Durchführung aktiv koordinierte.369 Durieux schien der richtige Mann am richtigen Ort zu sein. Als früherer Kabinettschef im belgischen Kolonialministerium war er seit 1960 zunächst in der Generaldirektion Binnenmarkt für die europäische Industrie zuständig, ehe er Anfang 1964 in die DG VIII wechselte. Dort gewann er schnell die Überzeugung, dass der EEF nicht unvermindert Infrastrukturen in Afrika finanzieren dürfe, wie es während der ersten Jahre überwiegend geschehen war, und plädierte für eine aktivere und systematischere Herangehensweise der EWG im Hinblick auf die Industrialisierung der assoziierten Staaten: „La Commission de la CEE ne peut donc se borner à maintenir une attitude purement passive et examiner sans plus les projets industriels spécifiques qui lui seraient soumis par

369 Vgl. HAEU 25/1980-1654, S. 24: DG VIII, Procès-verbal de la réunion spéciale du comité de coordination des études, 7.10.1964.

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les EAMA. Elle a, au contraire, le devoir d’adopter une attitude dynamique en ce domaine essentiel et [...] de dégager les perspectives qu’offre l’industrialisation des EAMA.“370

Inhaltlich konzentrierte sich die Untersuchung auf den afrikanischen Binnenmarkt und die Konsumgüterindustrie, weil die Kommission in diesem Bereich am meisten Potential vermutete. Man folgte damit dem Ansatz der Importsubstitution, der erstmals in den 1930er Jahren in Lateinamerika praktiziert und nach dem Zweiten Weltkrieg vom argentinischen Entwicklungsökonomen Raúl Prebisch theoretisch ausdifferenziert worden war. Der Vorteil dieser Herangehensweise wurde darin gesehen, dass bei der Ersetzung importierter Güter durch Waren aus einheimischer Produktion eine stabile Nachfrage bereits vorhanden war und dadurch vergleichsweise sichere Investitionen geplant werden konnten.371 Darüber hinaus wollte die DG VIII die Studie aus einer „multinationalen“ Perspektive angehen: Überregional ausgerichtete Industriezentren sollten die Fragmentierung afrikanischer Wirtschaftsräume, die aus der Dekolonisierung resultierte, korrigieren. Nicht zuletzt deshalb wurden drei Untersuchungszonen gebildet: Die ersten zwei deckten sich exakt mit den alten kolonialen Verwaltungseinheiten FranzösischWestafrika und Französisch-Äquatorialafrika; als dritte Region wurden die restlichen assoziierten Staaten zusammengefasst. Das multinationale Konzept bildete insofern eine klare Referenz an die Vergangenheit, wies zugleich aber auch in die Zukunft, indem es regionale Integration in Afrika befördern wollte.372 Sinn und Zweck der Generalstudie war es, „à doter la Commission d’un cadre systématique d’action dans un large secteur du domaine industriel.“373 Die Ergebnisse der Studie sollten außerdem den afrikanischen Regierungen zur Verfügung gestellt werden und dadurch letztlich Einfluss auf die jeweilige Industriepolitik der assoziierten Staaten genommen werden. Für den Erfolg der Untersuchung erachteten es die Brüsseler Beamten als notwendig, dass die Verantwortlichen in Afrika zur Kooperation mit den europäischen Experten bereit sein würden.374 Kooperation hieß in diesem Fall freier Zugang zu Datenmaterial, Statistiken und Personen. Nicht gemeint war damit der intellektuelle Austausch, zu dem es intern hieß:

370 HAEU 25/1980-1998, S. 61: DG VIII, Programme d’études générales sur les possibilités d’industrialisation, o.D. [1965]. 371 Vgl. Calzadilla/Novy (1995), S. 33–36; zu Prebischs theoretischem und praktischem Wirken vgl. den Überblick bei Nohlen (1999). 372 HAEU 25/1980-1995, S. 14: DG VIII, Rapport de synthèse sur les perspectives d’industrialisation des EAMA, o.D. [1967], hier S. 26; vgl. übergreifend zur Rolle der EWG in afrikanischen Integrationsprozessen Rempe/Schneider (2009). 373 HAEU 25/1980-1998, S. 61: DG VIII, Programme d’études générales sur les possibilités d’industrialisation, o.D. [1965], hier S. 80. 374 Vgl. ebd., hier S. 80.

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„Il ne semble ni impossible, ni d’ailleurs souhaitable de l’éviter. Mais il conviendra de présenter aux EAMA des programmes déjà très élaborés, de façon à limiter autant que possible les remises en cause et les suggestions dispersées.“375

Der Zeitplan zur Durchführung der Untersuchung sah drei Phasen vor: In Brüssel wurde zunächst eine gemeinsame Methodologie erarbeitet sowie Länderdossiers mit Daten zu natürlichen Ressourcen, Infrastrukturen, Transportmitteln, Häfen, Energieversorgung, Dichte der Bevölkerung etc. erstellt. Anschließend folgte in einem zweiten Schritt die Empirie: Geplant war, die einzelnen Gruppen zunächst in den Kongo, die Elfenbeinküste und nach Kamerun zu entsenden, weil man annahm, dass in diesen Ländern die Industrialisierung am weitesten fortgeschritten sei und deshalb grundlegende Erkenntnisse auch für die übrigen assoziierten Staaten gewonnen werden könnten. Nach einem Erfahrungsaustausch wiederum in Brüssel sollten daraufhin alle assoziierten Länder einzeln inspiziert werden. In der Endphase schließlich sollten konkrete Industrialisierungsmöglichkeiten auf der Grundlage der methodologischen Prämissen und empirischen Ergebnisse erstellt werden.376 Die drei regionalen Forschungsgruppen waren mit Forschern aus je zwei Mitgliedsstaaten besetzt. In der Gruppe für Westafrika dominierten französische Forschungsinstitute, für Äquatorialafrika das deutsche IFO-Institut für Wirtschaftsforschung, und für den Kongo und die übrigen Staaten belgische Einrichtungen. Frankreich war außerdem das einzige Land, das mit Roland Julienne einen Beamten aus dem Entwicklungshilfeministerium in die Gruppe Westafrika entsandte, der er zugleich auch vorsaß.377 Bereits in der Anfangsphase mussten unvorhergesehene Hindernisse überwunden werden. Die ersten Treffen der Expertenteams im Herbst 1965 ließen Meinungsverschiedenheiten theoretischer und methodischer Art zu Tage treten, die so gravierend waren, dass der belgische Professor für Wirtschaftswissenschaften, Fernand Bezy, eigens ein kleines Wörterbuch anlegte, um mit den europäischen Kollegen zu einer gemeinsamen Sprache und Terminologie zu gelangen. Ferner dauerte es eine Weile, ehe sich die Gruppe darauf einigen konnte, nach den Methoden des französischen Statistikamtes zu rechnen. Außerdem wurde die Idee, zunächst lediglich afrikanische Pionierstaaten der Industrialisierung zu inspizieren, verworfen und beschlossen, umgehend alle assoziierten Länder zu bereisen. Keine Einigkeit konnte schließlich über die Kriterien erzielt werden, nach denen jedes potentielle Industrieprojekt beurteilt werden sollte; diese Frage ließ sich erst nach der ersten Untersuchungsmission klären. 375 HAEU 25/1980-1654, S. 24: Procès-verbal de la réunion spéciale du comité de coordination des études, 7.10.1964. hier S. 27. 376 Vgl. HAEU 25/1980-1998, S. 61: DG VIII, Programme d’études générales sur les possibilités d’industrialisation, o.D. [1965], hier S. 78f. 377 Vgl. HAEU 25/1980-1993, S. 28: DG VIII, Composition des équipes participant au programme d’étude sur l’industrialisation des EAMA, o.D. [1965].

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Einer gemeinschaftlichen Planung ging insofern ein zäher Prozess der Verständigung zwischen den europäischen Experten voraus, oder anders gesagt: Die Durchführung der Industrialisierungsstudie der EWG erforderte eine Europäisierung nationaler Kalkulationsmethoden und Planungstraditionen, die in diesem Fall deutlich von französischen Erfahrungen und Praktiken geprägt waren. 378 So wenig die EWG konzeptionell mit ihren assoziierten Partnern auf Augenhöhe zusammenarbeiten wollte, so sehr rannte sie mit ihrem Konzept offene Türen ein – zumindest im Hinblick auf den Senegal. Bereits im ersten senegalesischen Entwicklungsplan hieß es, dass die fortschreitende Industrialisierung des Landes zu mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit führen und zu einer Verringerung des Außenhandelsdefizits beitragen sollte, das sich im Jahre 1960 auf etwa 5,5 Milliarden F CFA belief. Ebenso wollte Dakar gerade im Bereich der Industrialisierung verstärkt mit benachbarten afrikanischen Ländern zusammenarbeiten. Einige angepeilte Maßnahmen des ersten Plans – zu nennen wären die Zucker-, Seifen-, Textil- und Düngemittelindustrie – zielten schließlich auf die Importsubstitution von Konsum- und Verbrauchsgütern ab.379 Folglich mussten die Expertenteams im Laufe ihrer Missionen nach Afrika anerkennen, dass Importsubstitution in Konsumgüterbranchen keine grundlegend neue Strategie darstellte, mit der man die assoziierten Staaten hätte beeindrucken können. Enttäuscht stellten sie fest, dass insbesondere in den weiter fortgeschrittenen Ländern derartige Industrialisierungspläne im Überfluss vorhanden waren. Die Vertreter der AASM zeigten laut Bezy und Julienne lediglich aufgrund des multinationalen Ansatzes Interesse und wollten zugleich wissen, inwieweit die Gemeinschaftsplanungen mit der Economic Commission for Africa (ECA) abgestimmt seien. In der Tat arbeitete diese Unterorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Addis Abeba zeitgleich an überregionalen Industrialisierungsplänen und versuchte 378 Vereinbart wurde unter anderem auch, dass sämtliches Datenmaterial, das im Zuge der Studie gesammelt wurde, der französischen Regierung verfügbar gemacht werden sollte, vgl. HAEU 25/1980-1993, S. 40: DG VIII, Compte rendu de la 2ème réunion, 18./19.10.1965; ebd., S. 114: DG VIII, Compte rendu de la 4ème réunion, 16./17.12.1965; ebd. 25/1980-1998, S. 102: DG VIII, Procès verbal de la réunion, 20.6.1965; ähnliche Europäisierungsprozesse waren auch im Rahmen der GAP zu beobachten, vgl. dazu Clavin/Patel (2010), S. 118–126. 379 Vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 9, 105–115; da der erste Plan weit hinter den gesetzten Zielen zurückblieb, änderte sich mit dem zweiten Plan kaum etwas an dieser Strategie, vgl. RdS, Deuxième Plan quadriennal de développement économique et social, S. 295; Habib Thiam, Le 2ème Plan quadriennal a démarré en 1965, in: Europe France Outremer Nr. 433 (1966), S. 26–30; zu Entwicklungen im sekundären Sektor in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit vgl. ferner Henri-Charles Gallenca, L’effort de l’industrie sénégalaise. Nouvelles réalisations et principaux projets, in: Europe France Outremer Nr. 414/415 (1964), S. 45–47; Rocheteau (1982), S. 244f.

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über diesen Hebel, regionale Integration in Westafrika jenseits der Sprachgrenzen zu institutionalisieren.380 Diese Entwicklungen blieben auch der Generaldirektion nicht verborgen. Im Oktober 1966 besuchte der Belgier André Huybrechts, Durieuxs engster Mitarbeiter und verantwortlicher Funktionär für die Industrialisierungsstudie, die Konferenz der ECA in Niamey, von der er wenig Gutes zu berichten wusste. Er gewann dort den Eindruck, dass die Industrieplanungen der ECA weder wissenschaftlichen Standards genügten noch die assoziierten Staaten in praktischer Hinsicht voranbringen würden. Außerdem meinte er, dass die Bemühungen der ECA für regionale Integration in Afrika „risque [...] d’avoir, à moyen terme, des conséquences qu’il ne faudrait pas sous-estimer.“381 Auch wenn Huybrechts diese Befürchtungen nicht näher ausführte, so zeugen sie zweifellos davon, dass er die Kollegen aus Addis Abeba eher als Konkurrenten und weniger als mögliche Kooperationspartner betrachtete. Die Planer der DG VIII wollten offensichtlich unter sich bleiben – ohne den Dialog mit anderen internationalen Organisationen zu suchen und, soweit möglich, ohne die Repräsentanten der assoziierten Staaten einzubeziehen. Letztere wurden einerseits aufgefordert, den europäischen Experten auf eigene Kosten angemessene Arbeitsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Von der senegalesischen Regierung wurde beispielsweise ein Dienstwagen, zwei Büroräume sowie eine Schreibkraft für den Aufenthalt der Forschungsgruppe vor Ort angefordert. Andererseits blieb es bei der anfangs vereinbarten Marschroute für die Experten, jegliche Kommunikation über Untersuchungsinhalte zu vermeiden. Die den afrikanischen Behörden zugedachte Rolle als willige Datenlieferanten stieß bei diesen bisweilen auf derart großen Widerstand, dass die Expertenteams zwischenzeitlich die Studienabteilung aufforderten, offiziell zu intervenieren.382 Demnach kamen bei der Durchführung der Studie erneut die bereits erwähnten zwei Sphären der Zusammenarbeit zum Tragen: Aus der rein technischen Sphäre wurden afrikanische Experten weitgehend ausgeschlossen, während die diplomatische Arena domaine réservé der europäischen Beamten blieb. So begleitete Direktor Durieux die Untersuchungsgruppen persönlich bei ihrer zweiten Mission im Juni 1966, um auf offiziösem Wege das Konzept der Studie zu präsentieren und dadurch Überzeugungsarbeit bei den politischen Entscheidungsträgern zu leisten.383 Nach der Rückkehr der Expertenteams aus Afrika verging ein weiteres Jahr, ehe die Studie mit insgesamt 109 Vorschlägen möglicher Industrialisierungsvorhaben 380 Aus der Initiative der ECA ging letztendlich 1975 die Economic Community of West African States hervor, vgl. mit weiteren Details dazu Rempe/Schneider (2009), S. 44–46. 381 HAEU 25/1980-1454, S. 296: Huybrechts, Rapport de mission, o.D. [Oktober 1966]. 382 Vgl. HAEU 25/1980-1994, S. 45: DG VIII, Compte rendu de la 5ème réunion, 28.2./1.3.1966, hier S. 50f.; ebd., S. 165: Rochereau an Senghor, 12.5.1966. 383 Vgl. ebd., S. 253: DG VIII, Compte rendu de la 6ème réunion, 25.4.1966; ebd. 25/19801453, S. 54: Rochereau, Ordre de mission, 13.6.1966.

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für die assoziierten Staaten, darunter 15 in Dakar, veröffentlicht und an die afrikanischen Regierungen sowie an europäische Industriekreise verteilt wurde. Die Untersuchung war in ihrem theoretischen Teil durchsetzt von modernisierungstheoretischer Rhetorik: Industrialisierung, waren die Verfasser überzeugt, „incite peu à peu la population à renoncer aux comportements basés sur l’échelle traditionnelle des valeurs et à acquérir les aptitudes requises pour entreprendre des activités nouvelles.“384 Die Auswahl der Projekte erfolgte auf doppelter Grundlage: Zunächst eliminierten die Experten jene Produkte, deren Herstellung zu viele europäische Arbeitskräfte benötigt hätte oder deren Rentabilität als zweifelhaft erachtet wurde. Die übrig gebliebenen Branchen wurden aus der volkswirtschaftlichen Sicht des Staates (erwartbare Arbeitsplätze, Auswirkungen auf den Haushalt etc.) sowie aus Unternehmerperspektive (Rentabilität, Gewinnprognose etc.) evaluiert, wobei mit aktuellen als auch mit für 1970 beziehungsweise 1975 prognostizierten Daten gerechnet wurde. Das anfangs umstrittene sogenannte merit ranking, ein Verfahren, das eine strenge Prüfung der Rentabilität der potentiellen Industriebetriebe und eine anschließende Hierarchisierung erfordert hätte, wurde allerdings von den Sachverständigen bereits nach ihrer ersten Afrikareise für unbrauchbar erklärt. Sie hatten offensichtlich im Laufe ihrer Arbeit erkannt, dass sie mit den gewohnten Methoden in Afrika nicht voran kamen und eine etwas pragmatischere Herangehensweise mehr Erfolg versprach.385 Da die Experten annahmen, dass nahezu alle ihre Vorschläge nur von europäischen Firmen realisiert werden könnten, die Kapital bereitstellen, know how mitbringen und (zunächst) Verantwortlichkeit übernehmen sollten, richtete sich die Studie mindestens so sehr an europäische Investoren wie an die assoziierten Staaten. Nicht zuletzt sollte die Studie auch dem EEF selbst sowie der EIB als Leitfaden dienen, um spätere Vorhaben besser beurteilen zu können.386 Allerdings war die Untersuchung, für die der europäische Fonds 400.000 RE zur Verfügung gestellt hatte, inhaltlich gesehen das viele Papier kaum wert. Bei den im Senegal vorgesehenen Projekten tauchten einerseits mehrere Vorschläge auf, die bereits mit dem zweiten senegalesischen Entwicklungsplan anvisiert worden waren. Auch die Düngemittelfabrik, die sich im Sommer 1966 bereits im Bau befand, wurde in der Studie als Vorhaben geführt. Die Originalität der Studie hielt sich also in engen Grenzen, zumal in bereits bestehenden Industriezentren wie Dakar oder 384 HAEU 25/1980-1995, S. 14: DG VIII, Rapport de synthèse sur les perspectives d’industrialisation des EAMA, o.D. [1967], hier S. 18, vgl. ferner S. 238. 385 Vgl. HAEU 25/1980-1995, S. 14: DG VIII, Rapport de synthèse sur les perspectives d’industrialisation des EAMA, o.D. [1967], hier S. 34–36; ebd. 25/1980-1994, S. 45: DG VIII, Compte rendu de la 5ème réunion, 28.2./1.3.1966, hier S. 50f. 386 Vgl. ebd., S. 14: DG VIII, Rapport de synthèse sur les perspectives d’industrialisation des EAMA, o.D. [1967], hier S. 29.

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Abidjan auch wesentlich mehr Projekte angesiedelt wurden als etwa in Bamako oder in Niamey.387 Andererseits fanden einige für den Senegal angedachte Industriebetriebe tatsächlich den Weg in den dritten Entwicklungsplan, der im Juli 1969 in Kraft trat. Insofern hatte die Studie konkrete, wenn auch beschränkte Auswirkungen auf die senegalesische Entwicklungsplanung. Als Leitfaden für die Brüsseler Experten besaß sie demgegenüber keinerlei Wert, weil der multinationale Ansatz, der ihr zugrunde lag, vom Senegal ebenso wenig wie von den übrigen afrikanischen Staaten berücksichtigt wurde. Die Experten planten an der Wirklichkeit vorbei, weil ihre Tätigkeit nicht von einem politischen Dialog begleitet wurde, der dem multinationalen Konzept eine Chance gegeben hätte. Im Ergebnis befanden sich nach wenigen Jahren statt der 109 überregional konzipierten Industriestandorte 156 in Planung – die assoziierten Staaten hatten sich die europäischen Pläne in nationaler Perspektive angeeignet.388 *** Schutz vor der Verpflichtung der EWG zur Handelsliberalisierung: Die Industrialisierungsstudie hatte nicht nur die geopolitischen Realitäten Afrikas vollständig ausgeblendet. Genauso ignorierte sie auch die außenhandelsrechtlichen Probleme, die afrikanische Industrialisierungsbemühungen begleiteten. Vereinfachend gingen die Experten davon aus, dass die afrikanischen Staaten souverän darüber entscheiden konnten, Importe von einem auf den anderen Tag zu beschränken oder gar ganz zu stoppen, um die lokale Produktion zu schützen. Die handelsrechtlichen Regelungen des Assoziationsabkommens schränkten diese Freiheit jedoch erheblich ein. Diese beruhten auf zwei Grundprinzipien: Nichtdiskriminierung und Reziprozität. Dadurch schuf die Konvention einzelne Freihandelszonen zwischen den EWG-Mitgliedsstaaten und den jeweiligen assoziierten afrikanischen Staaten. Letztere wurden verpflichtet, Handelshemmnisse aller Art im selben Rhythmus abzubauen, wie es die Mitgliedsstaaten untereinander vereinbart hatten. Mit diesen Bestimmungen sollte allen Mitgliedsstaaten freier und gleicher Zugang zu den Märkten der assoziierten Länder gewährt und so deren Importstrukturen graduell europäisiert werden. Allerdings wurde eine Ausnahmeregelung für den Fall verankert, dass der Abbau von Zöllen und Kontingenten der Entwicklung und Industrialisierung eines assoziierten Staates zuwider laufen würde. Sie ermöglichte die Erhebung von Finanzzöllen und, sofern diese Maßnahme nicht ausreichte, auch die Einführung neuer mengenmäßiger Beschrän387 Vgl. HAEU 25/1980-1655, S. 60: DG VIII, Note, 8.7.1965; ebd. 25/1980-1995, S. 14: DG VIII, Rapport de synthèse sur les perspectives d’industrialisation des EAMA, o.D. [1967], hier S. 242, 247. 388 Vgl. HAEU 25/1980-1997, S. 170: DG VIII, État de réalisation des projets, o.D. [1971].

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kungen. Bevor ein assoziierter Staat aber davon Gebrauch machen konnte, mussten die Mitgliedsstaaten im Assoziationsrat konsultiert werden.389 Noch bevor das Abkommen von Yaoundé ratifiziert war, kam es zwischen der EWG und dem Senegal zu Auseinandersetzungen über diese handelsrechtlichen Verpflichtungen. Ende Juli 1963 beschränkte die senegalesische Regierung per Dekret die mengenmäßige Einfuhr von Lkw unter Berufung auf besagte Ausnahmeregelung. Im gleichen Atemzug verordnete sie außerdem ein komplettes Importverbot für sogenannte cars rapides, mit denen der öffentliche Personentransport im Senegal gewährleistet wurde. Den Hintergrund dieser Maßnahmen bildete die Gründung zweier Fabriken zur Herstellung von Nutzfahrzeugen des französischen Unternehmens Berliet in Dakar und Thiès, an denen auch die senegalesische Entwicklungsbank beteiligt war. Mit der Société Berliet-Sénégal, wie der offizielle Name des Unternehmens lautete, wollte Senghor Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, bestehenden Zulieferindustrien neue Möglichkeiten bieten und so die Industrialisierung des Landes vorantreiben. Die beiden Standorte konnten zusammen bei voller Auslastung 400 Lkw und Busse im Jahr produzieren, was angesichts einer jährlichen Binnennachfrage von geschätzten 220 Nutzfahrzeugen zunächst keine vernünftigen Rentabilitätserwartungen zuließ. Deshalb sah sich die senegalesische Regierung gezwungen, ihren derart begrenzten Binnenmarkt durch die Einführung mengenmäßiger Beschränkungen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen und dadurch der eigenen Industrie Marktanteile zu sichern.390 Sowohl die EWG-Kommission als auch die Mitgliedsstaaten waren mit diesem Vorgehen nicht einverstanden, zumal das Abkommen noch nicht in Kraft getreten war und außerdem das darin vorgesehene Verfahren nicht eingehalten wurde. Rasch wurde eine gemeinsame Sachverständigengruppe gebildet, die sich dieser Probleme annehmen sollte. Während sich der senegalesische Vertreter zu den Lkw nicht äußern wollte, gab er zum Totalverbot für die cars rapides folgende Erklärung ab: „Die betreffenden Fahrzeuge seien [...] von Privatpersonen eingeführt worden, die sie unter besonders gefährlichen Bedingungen zur öffentlichen Personenbeförderung benutzt hätten, wobei somit zahlreiche tödliche Unfälle verursacht worden seien. Die Maßnahme der

389 Vgl. BGBl. II (1964), S. 292: Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar, Art. 3, 6; Cosgrove-Twitchett (1978), S. 97–100; Grilli (1993), S. 20. 390 Vgl. AMAEF CE 1961/66-1564: CEE Conseil, Note, 1.6.1966; HAEU 25/1980-906, S. 25: DG VIII, Note, 22.9.1965; ebd. 19/1969-173, S. 70: Interimsausschuss, Schlussfolgerungen zur Sitzung der gemeinsamen Sachverständigengruppe EWG/AASM, 6.3.1964.

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Regierung von Senegal habe hauptsächlich zum Ziel, einem Zustand, der zu einer Katastrophe auszuarten drohte, ein Ende zu setzen.“391

Freilich konnte diese Erklärung die Mitgliedsstaaten nicht zufrieden stellen. Die Strategie, Einfuhrbeschränkungen mit Erwägungen der öffentlichen Sicherheit zu begründen, besaß in der Tat wenig Überzeugungskraft. Deshalb wurde im Mai 1964 Botschafter Gueye ein Fragebogen übergeben, mit dem geprüft werden sollte, ob die vom Senegal vorgenommene Einführung neuer Kontingente mit dem Abkommen von Yaoundé zu vereinbaren sei. Mit der Reaktion der EWG setzte also eine Art Kontrollmechanismus ein.392 Dass dadurch die Legitimität des senegalesischen Vorgehens in Zweifel gezogen wurde, war jedoch in erster Linie außenwirtschaftlichen Motiven der Mitgliedsstaaten geschuldet. Dies galt vor allem für die Bundesrepublik, deren Automobilindustrie die Einfuhrbeschränkungen, freilich auf äußerst geringem Niveau, zu spüren bekam: 1963 hatten deutsche Firmen noch über 160 Nutzfahrzeuge im Senegal abgesetzt, das folgende Jahr waren es noch die Hälfte, und die Stückzahlen der ersten Hälfte des Jahres 1965 beliefen sich schließlich nur noch auf 23. Die Bundesregierung war überzeugt, dass Berliet im Senegal eine „monopolartige Stellung“ eingeräumt worden sei und folgerte daraus, dass der Senegal mit der Kontingentierung der Lkw-Einfuhren gegen das Assoziationsabkommen verstoßen würde.393 Tatsächlich hatte der Senegal dem französischen Nutzfahrzeughersteller 90 Prozent der Binnennachfrage für Lkw als Absatzgarantie vertraglich zugesichert. Dabei ging es der senegalesischen Regierung jedoch nicht darum, alten französischen Freunden gegen die Spielregeln der Assoziierung Privilegien einzuräumen. Vielmehr sollte damit ein Beitrag zur senegalesischen Industrialisierung geleistet werden. Angesichts der Übersättigung des senegalesischen Marktes – Berliet selbst konnte im Jahr 1964 nur knapp 130 Fahrzeuge veräußern – schien diese Zielsetzung an sich schon Probleme zu bereiten.394 Doch auch die französische Regierung zeigte sich nicht uneingeschränkt begeistert vom Arrangement zwischen Berliet und dem Senegal. Das im April 1966 erstmals in Dakar ausgerichtete Festival mondial des arts nègres veranlasste die senegalesische Regierung, eine ungewöhnlich große Anzahl von Autobussen zu bestellen, die die einheimischen Werke in der geforderten Frist nicht liefern konnten. Infolgedessen importierte Berliet einen Großteil der benötigten Fahrzeuge, was jedoch zulasten 391 HAEU 19/1969-173, S. 70: Schlussfolgerungen zur Sitzung der gemeinsamen Sachverständigengruppe EWG/AASM, 6.3.1964, hier S. 80. 392 Vgl. HAEU 19/1969-174, S. 331: Interimsausschuss, Vermerk, 20.5.1964, hier S. 339. 393 PAAA B 20-1214: von Wendland an AA, 3.9.1965; vgl. ebd.: Telegramm Heise an BMWi, 22.9.1965. 394 Vgl. ebd.: von Wendland an AA, 3.9.1965; vgl. dazu auch Engel (2000), S. 237; letztlich schrieb Berliet im Senegal erst Anfang der 1970er Jahre schwarze Zahlen, vgl. Rocheteau (1982), S. 243.

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anderer französischer Hersteller ging. Deren Anteil am (beschränkten) Einfuhrkontingent für das zweite Halbjahr 1965 wurde dem Mutterkonzern des senegalesischen Unternehmens zugewiesen. Dem französischen Finanzministerium, das die Lieferung der zusätzlichen Busse für das Kulturfestival mit einem Exportkredit finanzieren sollte, missfiel dieser Vorgang derart, dass es seine Zusage an Bedingungen knüpfte. So sollte das senegalesische Tochterunternehmen im folgenden Jahr auf einen Teil der geltenden Abnahmegarantie verzichten, um die entstandenen Exportausfälle von Konkurrenten wie Citroën oder Renault auszugleichen.395 Frankreich und Deutschland einte also die Auffassung, dass die Errichtung einer senegalesischen Produktion nicht zulasten der Exporte ihrer eigenen Automobilindustrien gehen durfte. Die senegalesische Regierung ignorierte zunächst die Versuche der EWG, die Affäre über den Verweis auf die Verpflichtungen aus dem Assoziationsabkommen unter Kontrolle zu bekommen. Der Fragebogen wurde nicht beantwortet, und auf weitere Nachfragen wurden hinhaltende Informationen gestreut. Der EWG-Kommission gelang es somit nicht, den konkreten Umfang des eingeräumten Einfuhrkontingents der Jahre 1964 und 1965 in Erfahrung zu bringen.396 Erst im Mai 1966 lenkte der Senegal ein und unterrichtete den Assoziationsrat ausführlich über den heimischen Lkw-Markt samt der dahinterstehenden Industrie. Außerdem wurde die Absicht bekannt gegeben, für dasselbe Jahr ein Kontingent über 300.000 FF eröffnen zu wollen, eine Summe, für die in etwa sieben Lkw eingeführt werden konnten. Angesichts einer kalkulierten Nachfrage von 220 Fahrzeugen für das Jahr entsprach das Kontingent einem Anteil von 3 Prozent.397 Die Gemeinschaft zeigte sich jedoch mit diesem Vorschlag keineswegs einverstanden und forderte eine Erhöhung des Kontingents auf mindestens 10 Prozent der ermittelten Jahresnachfrage.398 In der darauffolgenden Sitzung des Assoziationsausschusses gut drei Monate später versuchte es der senegalesische Repräsentant erneut mit einer Verzögerungstaktik. Die Mitgliedsstaaten verloren langsam die Geduld. Der Vorsitz führende niederländische Botschafter Dirk Pieter Spierenburg mahnte nachdrücklich die korrekte Einhaltung des Abkommens an, „tout particulièrement sur les points où des intérêts matériels sont en jeu.“399 Der Auseinandersetzung wurde allerdings kurze Zeit später die Grundlage entzogen, da sich im Herbst 1966 abzuzeichnen begann, dass der veranschlagte Bedarf viel zu hoch angesetzt war. Im selben Jahr wurden insgesamt nur etwas mehr als 80 395 Vgl. CAD Dakar AMB 290: Moreau an MAES, 26.3.1966; HAEU 25/1980-906, S. 31: Rat, Vermerk, 17.5.1968. 396 Vgl. HAEU 25/1980-906, S. 25: DG VIII, Note, 22.9.1965. 397 Vgl. AMAEF CE 1961/66-1564: CEE Conseil, Note, 1.6.1966. 398 Vgl. HAEU 26/1969-325, S. 176: Comité d’association, Procès-verbal de la 11ème réunion, 20.9.1966, hier S. 210f., 226f. 399 Ebd., S. 317: Comité d’association, Procès verbal de la 12ème réunion, 3.1.1967, hier S. 352.

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Lkw im Wert von ungefähr 3,7 Millionen FF im Senegal zugelassen, sodass das eingeräumte Kontingent relativ nah an den von der Gemeinschaft geforderten 10 Prozent des Jahresbedarfs lag. Da die Nachfrage im darauffolgenden Jahr abrupt anzog, erhöhte der Senegal das Kontingent sogar auf 1 Million FF und stellte damit die Gemeinschaft zufrieden.400 Natürlich hatte diese Affäre keine nachhaltigen Auswirkungen auf den senegalesischen Industrialisierungsprozess. Umso mehr erhellt sie aber dessen Rahmenbedingungen. Die Gemeinschaft mit den großen Mitgliedsstaaten an der Spitze zeigte sich bereit, über die Einfuhrerlaubnis von nur wenigen Lkw einen größeren Streit vom Zaun zu brechen. Sicherlich ist zu hinterfragen, inwieweit die senegalesische Dependance des französischen Herstellers Berliet ernsthaft interessiert daran war, einen dauerhaften Beitrag zur senegalesischen Volkswirtschaft zu leisten. Allerdings können die ungewissen Absichten des Automobilunternehmens kaum als Rechtfertigung für das Verhalten der Mitgliedsstaaten dienen, das letztlich grundsätzliche Ängste widerspiegelte, womöglich künftigen industriellen Konkurrenten beim Aufstieg behilflich zu sein. Die Mitgliedsstaaten befürworteten die Industrialisierung des Senegal demnach nur in dem Maße, wie diese nicht zulasten der eigenen Unternehmen ging. Dabei gab ihnen das Assoziationsabkommen die geeigneten Instrumente an die Hand, um diesen latenten Konflikt nach ihren Vorstellungen zu steuern.401 Für die Konzerne, die sich im Senegal niederließen, bildete hingegen die staatlich garantierte Zusicherung von Marktanteilen eine conditio sine qua non.402 Diese entgegengesetzten Interessenlagen verdeutlichen die misslichen Rahmenbedingungen, denen die senegalesische Industrialisierung in den 1960er Jahren ausgesetzt war. In der Zusammenschau mit der Industrialisierungsstudie der Generaldirektion wird darüber hinaus das Janusgesicht der EWG augenfällig: Während die DG VIII umfangreiche Pläne zur industriellen Importsubstitution erstellte, demonstrierten zeitgleich die Mitgliedsstaaten im Rahmen der handelsrechtlichen Zusammenarbeit, dass sie nicht bereit waren, diese entwicklungspolitische Strategie mitzutragen. *** Industrialisierung durch senegalesische Aneignung: Sämtliche bis hierhin identifizierten Merkmale industrieller Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal – mangelnde Kommunikation, Besitzstand verteidigende Mitglieds400 Vgl. HAEU 25/1980-906, S. 31: Rat, Vermerk, 17.5.1968; ebd. 26/1969-327, S. 105: Comité d’association, Procès verbal de la 14ème réunion, 16.5.1967. 401 Vgl. zu dieser in Europa weit verbreiteten Haltung auch Cooper (2002), S. 90f.; für die Bundesrepublik Rempe (2006), S. 55; ferner auch Vahsen (2010), S. 137; zur Debatte der französischen Kolonialpolitik über das Für und Wider einer Industrialisierung der Kolonien vgl. Marseille (1984), S. 332–349; Coquery-Vidrovitch (1982), S. 107f. 402 Vgl. Gautron (1968), S. 663–667.

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staaten, Privilegien fordernde Investoren und eine Importsubstitution unterstützende Generaldirektion – verdichteten sich im Vorhaben der senegalesischen Regierung, eine Düngemittelfabrik zu errichten. Ausgangspunkt dieser Initiative bildeten die Düngersubventionen im Rahmen der Produktionshilfe. Die Verteilung von Erdnussdünger machte mit knapp 1,5 Milliarden F CFA den größten finanziellen Posten dieses Programms aus. Die Bereitstellung von Dünger war außerdem elementare Voraussetzung für die action de vulgarisation der SATEC, deren Aufgabe wie bereits erläutert unter anderem darin bestand, die Nachfrage nach Erdnussdünger zu stabilisieren und langfristig zu steigern.403 Der Einsatz von Düngemitteln im Erdnussanbau war ein relativ junges Phänomen. Erst in den letzten Jahren französischer Kolonialherrschaft wurde die Verwendung von Dünger gegenüber den Bauern propagiert. Das Vorgehen gestaltete sich simpel: Anfangs wurde Dünger kostenlos verteilt. Sobald sich die Verwendung durchsetzte, so die Idee der Pariser Entwicklungsstrategen, sollte das Geschäft für die französische Düngemittelindustrie beginnen. Doch das Konzept ging nicht auf. Kurz nach Beginn der Vermarktung brach die Nachfrage zunächst wieder ein.404 Seit der Unabhängigkeit des Senegal verbreitete sich der Einsatz von Erdnussdünger dann relativ schnell. Zwischen 1960 und 1963 stieg der Verbrauch von 4.400 auf knapp 30.000 Tonnen, womit ungefähr ein Fünftel der Erdnussfelder gedüngt werden konnte. Demnach bestand noch großer Handlungsbedarf, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von Düngemitteln vor allen anderen Maßnahmen die anvisierte Ertragssteigerung von 25 Prozent garantieren sollte.405 Mit den Düngersubventionen wurden zwei Ziele verfolgt: Zum einen peilte das Fünfjahresprogramm eine Steigerung des Verbrauchs um mehr als das Doppelte von 42.000 auf 85.000 Tonnen an. Zum anderen sollten – ganz im Einklang mit dem Grundsatz der Degressivität der Produktionshilfe – die Bauern langsam an den Realpreis der Düngemittel herangeführt werden. So war vorgesehen, die Subventionen von anfangs 7 auf 3 F CFA im letzten Jahr herabzusetzen.406 Somit fand die im französischen Spätkolonialismus begonnene Politik, mit finanziellen Anreizen nachhaltig Bedürfnisse herzustellen, in der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit in leicht modifizierter Form ihre Fortsetzung.

403 Vgl. ADEUS II. FED 214015032: DG VIII: Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964, S. 4. 404 Vgl. CAC 20000232-19: Comité du FAC, Note de présentation „République du Sénégal“, o.D. [1960]. 405 Vgl. CARAN FPU 237: Comité du FAC, Prêt spéciale à la société industrielle d’engrais au Sénégal, Mai 1966; CAC 19940701-23: SdE Coop, Note, o.D. [1968]. 406 Vgl. ADEUS II. FED 214015032: DG VIII: Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964, S. 22.

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Düngerprogramm gemäß Produktionshilfeprogramm407

Tranchen 1964/65 1965/66 1966/67 1967/68 1968/69

Düngermenge Tonnen 42.000 50.000 60.000 75.000 85.000

Realpreis F CFA/kg 19 19 19 19 19

Verkaufspreis F CFA/kg 12 13 14 15 16 Summe:

Subventionen Mio. F CFA 294 300 300 300 255 1.449

Genau genommen handelte es sich bei den Düngersubventionen um Lieferaufträge. Deswegen musste die senegalesische Regierung jedes Jahr Ausschreibungen gemäß den Regeln des EEF fertigen. Nach Abschluss des Verfahrens und der Auswahl der Firmen durch die senegalesischen Behörden wurde die gesamte Lieferung vom europäischen Fonds zunächst gedeckt. Nachdem der Dünger zu Subventionspreisen an die Bauern verkauft war, erstattete der Senegal diese Einnahmen zurück. Das Verfahren führte jedoch bald zu Unstimmigkeiten. Bereits im ersten Jahr verzichtete der Senegal auf eine internationale Ausschreibung der Düngemittel, weil angesichts der verspäteten Unterzeichnung des gesamten Programms keine Zeit für ein langwieriges Vergabeverfahren blieb. Dieses Argument sowie die Beteuerung der senegalesischen Behörden, dass Firmen verschiedener Mitgliedsländer profitieren würden, ließen Kommissar Rochereau eine Ausnahme gewähren. Zugleich machte er jedoch gegenüber Senghor deutlich, dass in den folgenden Jahren die Regelungen des EEF Anwendung finden müssten.408 Diese Episode bildete lediglich den Anfang eines weitaus größeren Konflikts, der sich bis zum Auslaufen der Produktionshilfe Ende der 1960er Jahre hinziehen sollte. Die senegalesische Regierung wollte die Düngersubventionen dazu nutzen, den Aufbau einer eigenen Düngemittelindustrie voranzutreiben. Mit der Société sénégalaise d’engrais et de produits chimiques (SSEPC) war im Senegal bereits eine Düngemittelfirma angesiedelt, die zum französischen Hersteller Potasse d’Alsace gehörte und lediglich einfache Dünger herstellen konnte. Der erste senegalesische Entwicklungsplan sah deswegen den Aufbau einer neuen Produktionsstätte mit erweiterter Produktpalette vor, an dem sich die SSEPC maßgeblich beteiligen wollte. Zu diesem Zweck wurde 1962 die Société industrielle d’engrais du Sénégal (SIES) ins Leben gerufen.

407 Vgl. ADEUS II. FED 214015032: DG VIII: Exposé du programme quinquennal d’aide à la production du Sénégal, 21.12.1964, S. 23. 408 Vgl. HAEU 25/1980-641, S. 105: Gueye an DG VIII, 14.5.1965; ebd., S. 110: Rochereau an Senghor, 4.6.1965.

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Mit der SIES sollte die erste Düngemittelindustrie auf afrikanischem Boden errichtet werden, die komplexe Dünger herstellen konnte.409 Vor diesem Hintergrund hatte die senegalesische Regierung größtes Interesse daran, die Aufträge des EEF soweit wie möglich an einheimische Unternehmen zu vergeben. Die zweite Tranche legte das Finanzministerium so an, dass internationale Ausschreibungen lediglich für jene Düngemittel erfolgen sollten, die im Senegal (noch) nicht hergestellt werden konnten. Dies brachte die Generaldirektion in eine missliche Lage. Einerseits sympathisierte man dort mit der Auffassung, dass die Lieferaufträge der senegalesischen Industrie zugutekommen sollten. Andererseits war es Aufgabe der Kommission, für gleiche Wettbewerbsbedingungen unter allen Anbietern zu sorgen.410 Das Problem enthielt durchaus eine gewisse Brisanz, denn die Vergabepraxis des EEF bot, wie bereits erwähnt, seit Jahren Anlass für große Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedsstaaten. Der Vorwurf, dass französische Unternehmen bevorzugt behandelt würden, konnte leicht mit entsprechenden Statistiken belegt werden. Insbesondere die Bundesrepublik hatte sich wiederholt beschwert, nicht ausreichend an Aufträgen beteiligt worden zu sein.411 So machte der Direktor der Handelsabteilung, Giovanni Ugo, der senegalesischen Regierung einen Vorschlag zur Güte: Der Italiener regte an, alle Lose international auszuschreiben, zugleich aber derart zu spezifizieren, dass die vor Ort ansässigen Firmen in jedem Fall den Zuschlag erhalten würden. Das senegalesische Finanzministerium folgte diesem Ansinnen, sodass letztendlich die SSEPC den Zuschlag für alle Lose erhielt. Die drei Mitbieter, ein italienischer, ein belgischer und ein deutscher Hersteller, gingen leer aus, was unter anderem damit begründet wurde, dass sie nicht die geforderten spezifischen Düngemittel anbieten konnten.412 Dieses Vorgehen blieb den Mitgliedsstaaten der EWG jedoch nicht verborgen, nicht zuletzt, da sich die betroffenen europäischen Unternehmen bei ihren Regierungen beschwerten.413 Die Kommission räumte daraufhin ein, dass die Spezifizierungen 409 Vgl. RdS, Les orientations générales du plan quadriennal 1961–1964, S. 86; CARAN FPU 237: Comité du FAC, Prêt spéciale à la société industrielle d’engrais au Sénégal, Mai 1966; vgl. dazu auch Rocheteau (1982), S. 241; einfache Dünger enthalten nur ein Hauptnährelement (etwa Stickstoff, Phosphat oder Kalium), während komplexe Dünger mehrere Hauptnährelemente enthalten, weshalb letztere in der Herstellung wesentlich aufwendiger sind. 410 Vgl. HAEU 25/1980-645, S. 162: Ugo an Zuidberg, 27.12.1965. 411 Vgl. Cosgrove-Twitchett (1978), S. 133–135; Rempe (2006), S. 87–90; Alberts/Bellers (1986), S. 37–42; Vahsen (2010), S. 362–368. 412 Vgl. HAEU 25/1980-645, S. 162: Ugo an Zuidberg, 27.12.1965; ebd., S. 244: DG VIII, Mitteilungen Ausschreibungsergebnisse, o.D.[1966]; ebd. 25/1980-646, S. 225: Contrôleur délégué, Rapport, 20.2.1966. 413 Vgl. HAEU 25/1980-516, S. 28: Ugo an Hendus, 18.1.1967; obwohl der senegalesische Fall nicht explizit erwähnt wurde, muss aufgrund der zeitlichen Koinzidenz von senega-

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der assoziierten Staaten einem freien Wettbewerb im Wege standen. Letztlich lag das Problem an der Unvergleichbarkeit unterschiedlicher Produkte, weswegen man sich von einem „Schema zulässiger Abweichungen“ Besserung erhoffte.414 Da die Zeit drängte – die nächste Vergabe von Düngemittelaufträgen war für Ende des Jahres 1966 vorgesehen – berief die EWG-Kommission rasch eine Sachverständigengruppe zur Ausarbeitung eines solchen Schemas ein, die erstmals im Mai tagte. In ihr waren neben den Experten der Mitgliedsstaaten und der DG VIII auch die Kollegen aus der Generaldirektion Binnenmarkt (DG III) vertreten, welche unter anderem für den europäischen Warenverkehr zuständig zeichnete und sich dabei schon längere Zeit mit der Zusammensetzung von Düngemitteln befasste. Bislang hatte sie es jedoch nicht vermocht, eine einheitliche europäische Regelung zu erwirken.415 Das eigentliche Politikum, namentlich der freie Zugang aller Mitgliedsstaaten zu den Düngermärkten der assoziierten Staaten, wurde in den Sitzungen des Gremiums durch eine technisch geprägte Debatte kaschiert. Insbesondere die französischen Vertreter verwiesen auf die langjährigen Erfahrungen der Forschungszentren vor Ort und stellten klar, „dass [...] auf Grund der Bodenbeschaffenheit, insbesondere in Senegal, nicht die in Europa üblichen Düngemittel verwendet werden.“416 Letztlich führte Frankreich wissenschaftliche Expertise ins Feld, um außenwirtschaftliche Pfründe zu sichern. Mit dem gleichen Motiv verharmlosten demgegenüber die anderen Mitgliedsstaaten die Bedeutung spezifischer Zusammensetzungen bei Düngemitteln und betonten die Notwendigkeit europäischer Standards. Es bedurfte zwei weiterer Sitzungen, ehe im Januar 1967 eine Einigung erzielt werden konnte.417 Die wesentlichen Ergebnisse besagten, dass sich die assoziierten Staaten bei einfachem Nährstoffdünger an die Definitionen der DG III halten sollten und bei Mehrnährstoffdünger eine Abweichung der Zusammensetzung von 10 Prozent zu tolerieren hatten. Das Schema wurde umgehend an die Regierungen der assoziierten Staaten geschickt.418 Zum Vergleich: Eine europäische Verständigung über lesischem Ausschreibungsverfahren und der Initiative von einem direkten Zusammenhang ausgegangen werden. 414 Vgl. HAEU 25/1980-515, S. 5: DG VIII, Vermerk, März 1966; als Kernproblem wurden „Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Gleichwertigkeit zwischen Düngermischungen, die einen voneinander abweichenden Nährstoffgehalt haben“, identifiziert. 415 Vgl. ebd., S. 20: DG VIII, Bericht über die erste Sitzung der Sachverständigengruppe Dünger, 5.5.1966. 416 Ebd. 417 Vgl. ebd., S. 97: DG VIII, Kriterien für die Vergleichbarkeit der Düngemittelangebote bei Ausschreibungen, Januar 1967. 418 Vgl. HAEU 25/1980-516, S. 28: Ugo an Hendus, 18.1.1967; inwieweit die Kriterien aus juristischer Perspektive bindend waren, wurde nicht geklärt. Da es sich jedoch, ähnlich wie bei den Bedingungen für die Aufstellung des Produktionshilfeprogramms, um ergän-

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die Gleichartigkeit von Düngemitteln erfolgte erst im Winter 1975. Die Konsistenz der verschiedenen Mehrnährstoffdünger wurde dabei bis ins kleinste Detail festgelegt. Was demnach Europa lange Zeit nicht recht war, schien für Afrika gerade billig zu sein. Dort ging es nämlich nicht um das „Interesse des landwirtschaftlichen Verbrauchers“, wie es in der europäischen Richtlinie hieß, sondern offensichtlich um die Interessen der europäischen Düngemittelindustrie.419 Während in Europa somit die Weichen für einen freien und gleichen Wettbewerb zwischen Herstellern der EWG-Mitgliedsstaaten und afrikanischen Anbietern gestellt wurden, hatten sich die senegalesischen Pläne zur Errichtung einer eigenen Düngemittelindustrie konkretisiert. Auf der Suche nach ausreichend Kapital für den Neubau einer Düngemittelfabrik hatte sich die SIES an die International Financial Corporation (IFC), die EIB, den FAC sowie an die französische Entwicklungsbank gewandt.420 Nach langwierigen Verhandlungen zwischen der SIES, den vier Geberinstitutionen und der senegalesischen Regierung einigten sich die verschiedenen Parteien im Jahre 1966 auf den Bau einer Düngemittelfabrik mit einer Kapazität von 130.000 Tonnen im Jahr, die innerhalb von drei Jahren voll leistungsfähig sein sollte. Die Kosten beliefen sich auf 3,1 Milliarden F CFA, an denen sich die EIB mit einem Kredit über 600 Millionen F CFA beteiligte.421 Für die Kreditbewilligung spielte die Modernisierung der Erdnusswirtschaft, wie sie im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit der EWG in Angriff genommen wurde, eine zentrale Rolle. Insbesondere der französische Fonds, aber auch die EIB setzten volles Vertrauen in die Prognosen des Produktionshilfeprogramms. Dabei hielt es die europäische Bank nicht für notwendig, Kontakt zu den Kollegen in Brüssel aufzunehmen, weswegen der Generaldirektion diese Initiative zunächst verborgen blieb. Allein auf den Erfolg des Produktionshilfeprogramms wollten Kreditgeber und Investoren allerdings nicht vertrauen. Vielmehr verlangten sie vom senegalesischen Staat eine Abnahmegarantie. 60.000 Tonnen Dünger im Jahr musste der Senegal dem neu gegründeten Industriebetrieb ab dem Wirtschaftsjahr 1968/69 abkaufen, eine

zende Regeln des EEF handelte, wären offene Verstöße von der Kommission wohl kaum geduldet worden. 419 Vgl. Abl.EG L Nr. 24, 30.1.1976, S. 21–44: Richtlinie 76/116 des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten für Düngemittel. 420 Die IFC war 1956 als Filiale der Weltbank gegründet worden mit dem Ziel, private Unternehmen in Entwicklungsländern zu unterstützen, vgl. Staples (2006), S. 36f. 421 Weitere Anteile übernahmen (jeweils in Mio. F CFA): IFC 600; FAC 300; Banque nationale pour le développement du Sénégal (BNDS) 500, gedeckt durch die CCCE; verschiedene private Kapitaleigner 1.100 (darunter die SSEPC, weitere senegalesische Firmen, die allesamt Tochtergesellschaften französischer Hersteller waren, sowie die deutschen Kaliwerke Salzdetfurth), vgl. CARAN FPU 237: Comité du FAC, Prêt spéciale à la société industrielle d’engrais au Sénégal, Mai 1966.

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Marge, mit der die Fabrik nach den Berechnungen der Geberinstitutionen rentabel wirtschaften konnte.422 Die senegalesische Regierung setzte ähnliche Hoffnungen in die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit. Angesichts der gerade in Produktion gegangenen SIES beantragte das Finanzministerium im Sommer 1967 Subventionen für 84.000 Tonnen Dünger. Für den komplexen Dünger, der gut ein Drittel der gesamten Liefermenge ausmachte, sollte direkt ein Vertrag mit der SIES abgeschlossen werden. Auch der Anteil des im Senegal verfügbaren einfachen Düngers sollte wieder lokal vergeben werden.423 Erneut wurde die DG VIII dadurch in Bedrängnis gebracht. Wie schon die Jahre zuvor lehnte Ugo das Ansinnen ab, den einfachen Dünger a priori an senegalesische Firmen zu vergeben, weil jene aufgrund des niedrigsten Preises erfahrungsgemäß sowieso den Zuschlag erhalten würden. Bezüglich des komplexen Düngers ließ sich Ugo etwas Neues einfallen, um der senegalesischen Regierung entgegenkommen zu können. So plädierte er für eine Ausnahmeregelung und stützte sich dabei auf die Verfahrensordnung des EEF, die eine freihändige Vergabe erlaubte „wenn die Eigenart oder die Geringfügigkeit oder die Besonderheit bestimmter [...] Lieferungen dies rechtfertigen.“424 Ugo begründete diesen Schritt mit der Notwendigkeit, junge Industrien im Senegal zu schützen. Ferner konnte er in solch einem Vorgehen keine wirkliche Diskriminierung erkennen, da sich der neue senegalesische Betrieb überwiegend im Besitz europäischer Firmen befand und somit die Subventionen mittelbar nach Europa zurückfließen würden. Schließlich wies Ugo, letztlich selbstreferenziell, auf das Engagement der Europäischen Investitionsbank hin.425 Die Kommission war mit der Auffassung des Italieners ebenso einverstanden wie die senegalesische Regierung. Folglich lieferte die SIES den komplexen Dünger, während die SSEPC erneut den Auftrag für die einfachen Dünger erhielt. Die Prognosen über die Liefermengen mussten jedoch deutlich nach unten korrigiert werden. Die witterungsbedingt schlecht ausgefallene Ernte des vergangenen Jahres schwächte die Nachfrage ebenso wie die vorgesehene Verteuerung des Düngers. Hinzu kam die endgültige Abschaffung der französischen Preissubventionen zum 1. Januar 1968, die einen erheblichen Einkommensverlust der Bauern zur Folge hatte. Aus diesen Gründen verringerte sich die Jahresbestellung von ursprünglich geplanten 84.000 auf knapp 60.000 Tonnen. Letztendlich konnten aber nur 38.300 Tonnen an die Bauern abge422 Vgl. CARAN FPU 237: Comité du FAC, Prêt spéciale à la société industrielle d’engrais au Sénégal, Mai 1966; HAEU 38/1984-153, S. 193: Comité du FED, Compte rendu de la 61ème réunion, 12.5.1969, hier S. 220. 423 Vgl. HAEU 25/1980-651, S. 20: Ugo an Hendus, 11.10.1967. 424 Abl.EG Nr. 81, 11.5.1965, S. 1397–1404: Verordnung Nr. 62/65 der Kommission zur Regelung der Arbeitsweise des Europäischen Entwicklungsfonds, hier Art. 28. 425 Vgl. HAEU 25/1980-651, S. 20: Ugo an Hendus, 11.10.1967.

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setzt werden; der Anteil der von der SIES hergestellten Dünger schrumpfte auf knapp 12.000 Tonnen.426 Im darauffolgenden Jahr verschärfte sich die Lage noch einmal dadurch, dass die Abnahmeverpflichtung der senegalesischen Regierung gegenüber der SIES erstmals zur Anwendung kam und zugleich die Düngernachfrage noch weiter zurück ging. Im November 1968 wurde ein Bedarf von nicht einmal 20.000 Tonnen ermittelt. Der „grève d’engrais“427 hatte seinen Zenit erreicht, was Senghor dazu bewog, bei der EWG Subventionen über 650 Millionen F CFA zu beantragen – im ursprünglichen Fünfjahresprogramm waren 255 Millionen F CFA vorgesehen. Die geforderte Summe sollte nicht nur 40.000 Tonnen Dünger subventionieren, sondern zugleich das Strafgeld aufwiegen, das die senegalesische Regierung der SIES zu zahlen hatte.428 Der angepeilte Verbrauch sollte durch eine signifikante Herabsetzung des Verkaufspreises im Vergleich zum Vorjahr sichergestellt werden. Freilich setzte Senghors Rechnung voraus, dass auf eine Ausschreibung gänzlich verzichtet und die gesamte Menge von der SIES bereitgestellt werden würde.429 Dass der europäische Fonds für die Abnahmeverpflichtung der senegalesischen Regierung bürgen sollte, die die EIB mit zu verantworten hatte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie und dient als weiterer Beleg für die Inkonsistenzen gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik. Generaldirektor Hendus war sich allerdings im Klaren darüber, dass Senghors Vorschlag keinerlei Erfolgsaussichten im EEF-Ausschuss besaß. Abgesehen davon wies er auch jegliche Verantwortung der Gemeinschaft für die drohenden Strafzahlungen weit von sich. Demgegenüber unterstützte er das Anliegen, die Düngerpreise stärker als im Vorjahr zu subventionieren, um die Nachfrage anzukurbeln. Er plädierte dafür, 440 Millionen F CFA zu gewähren und diese ausschließlich für die Verbilligung des Düngers einzusetzen. Damit konnte derselbe Subventionspreis für die Bauern erzielt werden, für den Senghor plädiert hatte.430 Im EEF-Ausschuss formierte sich jedoch im April 1969 Widerstand gegen Hendus’ Kompromissvorschlag. Obwohl das Programm der fünften Tranche insgesamt befürwortet wurde, wollten die Vertreter der Mitgliedsstaaten – anders als im vorangegangenen Jahr und insbesondere auf Betreiben der Beneluxstaaten – nicht über die freihändige Vergabe des Lieferauftrags an die senegalesische Düngemittelfabrik entscheiden. 426 Vgl. HAEU 25/1980-651, S. 63: DG VIII, Finanzierungsvorschlag für die vierte Jahresrate, Dezember 1967; ANS 1R 899: ONCAD, Note d’exécution du programme engrais arachides et assolement, 5.8.1968. 427 CAC 19950347-55, Bd. 2: Note „Le placement et la production de l’engrais“, o.D. [1968]. 428 Das Strafgeld wurde fällig, wenn die Bestellmenge der senegalesischen Regierung unterhalb der Abnahmegarantie lag; es bemaß sich auf 10,5 F CFA pro Kilogramm Dünger. 429 Vgl. HAEU 25/1980-657, S. 23: Hendus an Rochereau, 12.2.1969. 430 Vgl. ebd., S. 71: DG VIII, Finanzierungsvorschlag für den fünften Jahresabschnitt, Februar 1969.

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Stattdessen zeigten sie sich mit Ausnahme der französischen Delegation einig darin, den Ausschuss der Ständigen Vertreter mit der Angelegenheit zu befassen.431 Für derlei Verfahrensfragen hatte die Generaldirektion jedoch keine Zeit, schließlich wollte sie den Dünger den Bauern so schnell wie möglich zur Verfügung stellen. Deswegen änderte die EWG-Kommission kurzerhand die eigenen Spielregeln und erweiterte die Verfahrensordnung des EEF derart, dass sie über eine freihändige Vergabe autonom und ohne Angabe weiterer Gründe verfügen konnte. Es war das erste und einzige Mal, dass es zu solch einer Änderung der Verwaltungsvorschriften des europäischen Fonds kam.432 Kurze Zeit später erhielt die SIES den entsprechenden Lieferauftrag. Dem eigenmächtigen, zugleich unbürokratischen Vorgehen der Kommission folgte drei Wochen später die Rüge durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter. Jener wurde vorgeworfen, „unter Umgehung der geltenden Regeln Ausnahmebestimmungen für einen Einzelfall“433 geschaffen zu haben. Vor allem der italienische Botschafter Giorgio Bombassei Frascani de Vettor war außer sich und drohte mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Repräsentanten Frankreichs, Belgiens und der Niederlande verlangten die umgehende Rücknahme der Verordnung, während sich der deutsche Vertreter Eberhard Bömcke mit einer Erklärung zufrieden geben wollte, die in Frage stehende Bestimmung nicht mehr anzuwenden. Die freihändige Vergabe an sich wurde jedoch von keiner Delegation mehr in Frage gestellt.434 Damit hatte die Kommission viel riskiert und ihr Ziel letztlich erreicht. Die Rücknahme der Lex SIES erfolgte nur zehn Tage nach der Rüge und gerade einmal einen Monat nach ihrem Inkrafttreten.435 Das Engagement der Generaldirektion entpuppte sich jedoch als relativ wirkungslos, weil die Nachfrage nach Dünger noch geringer als erwartet ausfiel; statt der erhofften 40.000 Tonnen konnten lediglich 23.000 Tonnen abgesetzt werden.436 431 Vgl. HAEU 38/1984-153, S. 193: Comité du FED, Compte rendu de la 61ème réunion, 12.5.1969, hier S. 224. 432 Vgl. Abl.EG L Nr. 126, 28.5.1969, S. 7: Verordnung Nr. 962/69 der Kommission zur Änderung der Verordnung Nr. 62/65 der Kommission vom 25. März 1965 zur Regelung der Arbeitsweise des Europäischen Entwicklungsfonds; der ergänzte Passus hieß im Wortlaut: „...oder wenn die Kommission dies beschließt.“, vgl. dazu auch HAEU 25/1980643, S. 193: Hendus an Rochereau, 18.6.1969. 433 HAEU 25/1980-643, S. 199: Noël an Mitglieder der Kommission, 23.6.1969. 434 Vgl. ebd. 435 Vgl. Abl.EG L Nr. 158, 1.7.1969, S. 45: Verordnung Nr. 1253/69 der Kommission zur Aufhebung der Verordnung Nr. 962/69 der Kommission betreffend die Arbeitsweise des Europäischen Entwicklungsfonds. 436 Aufgrund des geringen Verbrauchs erhöhten sich nicht nur die Strafzahlungen für den Senegal. Für die Generaldirektion ergab sich zusätzlich das Problem, dass die übriggebliebenen Mittel nach der Auseinandersetzung mit den Mitgliedsstaaten eigentlich nicht mehr auf die gleiche Art und Weise neu vergeben werden konnten. Dank der Konstruk-

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Bilanz des Düngerprogramms der Produktionshilfe (in Klammern die Prognosen des Fünfjahresprogramms)437 Tranchen/ Düngermenge Wirtschaftsjahr438 Tonnen 26.100 1965/66 (42.000) 36.800 1966/67 (50.000) 50.000 1967/68 (60.000) 38.300 1968/69 (75.000) 23.000 1969/70 (85.000)

Realpreis F CFA/kg 19,9 (19) 21,0 (19) 22,7 (19) 23,0 (19) 23,0 (19)

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Verkaufspreis Subvention Subventionen F CFA/kg F CFA/kg Mio. F CFA 12 7,9 206 (12) (7) (294) 13 8,0 310 (13) (6) (300) 14 7,0 350 (14) (5) (300) 16 6,0 165 (15) (4) (300) 12 11,0 253 (16) (3) (255) 1.184 Summe: (1.449)

*** Zusammenfassend geriet die Unterstützung für die Errichtung einer Düngemittelfabrik, an der auch die EIB beteiligt war, zu einer kontinuierlichen Suche nach Auswegen aus den starren Vergaberegeln des EEF. Die Generaldirektion sah sich zunächst mit Widerstand aus den Mitgliedsstaaten konfrontiert. Diese pochten auf gleiche Wettbewerbsregeln und versuchten damit ähnlich wie im Fall Berliet, ihre außenwirtschaftlichen Interessen durchzusetzen – auch auf die Gefahr hin, dass der Senegal mit tion eines Zusatzprotokolls zum Finanzierungsabkommen der fünften Tranche konnte der SIES letztlich erneut der Lieferauftrag zugesprochen werden. Geholfen hat es wiederum wenig, da der Verbrauch im Wirtschaftsjahr 1970/71 noch einmal um 8.000 auf 15.000 Tonnen zurückging, vgl. HAEU 25/1980-643, S. 227: MDRS, Compte rendu concernant l’utilisation des aides à la production FED, Februar 1971. 437 Zu berücksichtigen ist, dass seit der vierten Tranche auch Dünger für die Fruchtfolgekulturen in die Statistiken aufgenommen wurden. Die Zahlen sind zusammengestellt aus folgenden Dokumenten: HAEU 25/1980-643, S. 227: MDRS, Compte rendu concernant l’utilisation des aides à la production FED, Februar 1971; ebd. 25/1980-657, S. 71: DG VIII, Finanzierungsvorschlag für den fünften Jahresabschnitt, hier S. 88f; ebd. 25/1980-648, S. 197: DG VIII, Ajustements de la troisième tranche, März 1967, hier S. 220; ebd. 25/1980-1448, S. 339: de Benedictis, Rapport de mission, 11.1.1966; ANS 1R 899: ONCAD, Note d’exécution du programme engrais arachides et assolement, 5.8.1968. 438 Die angegebenen Jahre beziehen sich auf den Zeitraum, in dem der Dünger unter den Bauern verteilt wurde, nicht auf den Verwaltungskalender der Tranchen, der ein Jahr vorher begann.

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anderen Düngemischungen vorlieb nehmen musste. Dass es bei Dünger durchaus auf die richtige Mischung ankam, demonstrierten die ,Sechs‘ mit ihrem jahrelang anhaltenden Dissens über die Inhalte einer europäischen Düngemittelrichtlinie. Letztlich war es dem beherzten Engagement der Generaldirektion zu verdanken, dass ein ums andere Mal Vergaberegeln umgangen wurden und der Senegal auf diese Weise die gewünschten Düngemittel erhielt. Zugleich illustriert die Entstehungsgeschichte der SIES einmal mehr, dass das Scheitern der Entwicklungszusammenarbeit häufig mit erheblichen Folgen für das betroffene Entwicklungsland verbunden war. Nach Ablauf des Programms stand die senegalesische Regierung bei der SIES in der Pflicht, während der Düngerverbrauch auf den niedrigsten Stand seit knapp zehn Jahren gesunken war. So bewirkte die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit eine erhebliche zusätzliche Belastung des senegalesischen Staatshaushaltes, statt die Verwendung von Dünger in der Landwirtschaft langfristig und auf hohem Niveau abzusichern.439 Zweifellos ist diese Entwicklung in erster Linie auf einen – zumindest von der Generaldirektion – unvorhergesehen Aneignungsprozess zurückzuführen. Mit den Subventionen im Rücken beabsichtigte die senegalesische Regierung, die Industrialisierung und landwirtschaftliche Modernisierung des Landes auf einmal voranzutreiben. Dass sie sich zu einer großzügigen Abnahmegarantie gegenüber den Investoren verpflichtete, hing jedoch nicht ausschließlich damit zusammen, dass sich jene andernfalls zurückgezogen hätten. Ebenso muss bedacht werden, dass Senghor mit der Abnahmeverpflichtung keine Gefahren verband, weil er fest an die Vorhersagen des Produktionshilfeprogramms glaubte und zudem, wenn auch vergebens, auf eine faire Lösung im Rahmen der GAP hoffte. Mit seinem Optimismus stand Senghor jedoch keineswegs allein. Auch Institutionen wie die EIB, der FAC und selbst die IFC ließen sich letztlich von den Brüsseler Prognosen leiten. Die Ziele der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik wurden letzten Endes ins Gegenteil verkehrt: Allseits verbreitete Erwartungen an deren Wirkmächtigkeit, mangelnde Kommunikation sowohl zwischen Dakar und Brüssel als auch zwischen der EIB und der EWG-Kommission, nationale Wirtschaftsinteressen verteidigende Mitgliedsstaaten sowie eigennützig agierende europäische Investoren führten zu einer – mittelbaren – Subventionierung der europäischen Düngemittelindustrie durch den senegalesischen Staat. EEF-Direktor Ferrandi hatte dies klar erkannt, als er darüber nachdachte, wie der europäische Fonds auch künftig die senegalesische Fabrik unterstützen könnte. Anlässlich eines Senegal-Besuchs im Frühjahr 1970 trat er dafür ein, nicht mehr fertigen Dünger zu subventionieren, sondern lediglich die Rohstoffe, die die senegalesische Fabrik aus Europa bezog. Im Ergebnis, so Ferrandi, würde der gleiche Effekt, nämlich die Verbilligung von Dünger, erreicht. Anders als bisher aber würden die Mitgliedsstaaten solchen Subventionen keine Steine mehr in den Weg 439 Vgl. dazu und zum weiteren Verlauf in den 1970er Jahren Kap. III.3.

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legen, weil die Rohstoffe den Regeln des EEF entsprechend ausgeschrieben werden könnten.440

8. Zweischneidige Angelegenheit: Die Ausbildungsprogramme der Gemeinschaft Die vorangegangen Kapitel haben teilweise auf den Führungskräftemangel aufmerksam gemacht, mit dem sich der Senegal seit seiner Unabhängigkeit konfrontiert sah. Insbesondere in der Landwirtschaft waren die Interventionen der EWG von Bemühungen geprägt, ländliche Führungskräfte auszubilden, die eines Tages die Verwaltungsaufgaben der europäischen Entwicklungshelfer übernehmen sollten. Allerdings fokussierten solche Projekte in erster Linie auf die Steigerung der Produktion. Die Ausbildungsarbeit wurde diesem Ziel klar untergeordnet, sodass sie letztlich nur Funktion blieb und nicht in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit rückte. Der Senegal hatte nicht nur in der Landwirtschaft mit Personalschwierigkeiten zu kämpfen. Genau genommen konstatierte der erste Entwicklungsplan auf allen Ebenen einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und rechnete damit, dass in den folgenden Jahren die Anzahl ausländischer Arbeitnehmer zunehmen werde. Um zwei Beispiele zu nennen, wurde im Unterrichtswesen mit einem Anstieg von 688 auf 1000 und im Gesundheitswesen mit 350 zusätzlichen Ausländern bis 1964 gerechnet.441 Der gravierende Personalmangel im Senegal ebenso wie im restlichen frankophonen Afrika war auf die zögerliche afrikanische Elitenbildung im französischen Spätkolonialismus zurückzuführen. In der Metropole hatte diese auch am Vorabend der Dekolonisation noch keine größeren Ausmaße angenommen. Ende der 1950er Jahre verweilten je nach Statistik zwischen 4.000 und 8.000 afrikanische Studenten an französischen Lehranstalten, wobei in diese Zahlen Nordafrikaner ebenso eingerechnet waren wie Angehörige der späteren territoires d’Outre-mer. Die Anzahl der Studierenden aus dem subsaharischen Afrika dürfte demnach deutlich niedriger gewesen sein. So erhielten 1957 lediglich 708 Bewohner (nicht Afrikaner) FranzösischWestafrikas die Möglichkeit, einen höheren Bildungsweg in Frankreich einzuschlagen. Außerdem öffnete die École nationale de la France d’outre-mer erst 1956 ihre Türen für Afrikaner. Schließlich, um ein letztes Beispiel zu nennen, hatten an der École polytechnique bis zum Jahr 1965 kein einziger Senegalese und insgesamt überhaupt nur fünf Afrikaner studiert.442 440 Vgl. HAEU 25/1980-654, S. 14: von Kotze an Ugo, 24.3.1970. 441 Vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 197. 442 Vgl. CAD Dakar MCAC 23: Université de Dakar, Évolution des effectifs depuis 1957/58, 18.12.1972; HAEU 19/1969-196, S. 3: DG VIII, Le développement social

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Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren

Auch in den französischen Kolonien setzte eine Bildungspolitik auf höherem Niveau sehr spät ein. Im Vergleich zu britischen Hochschulen in Afrika, die wie in Nigeria oder an der Goldküste Ende der 1940er Jahre eingerichtet worden waren, bildete die im Jahr 1957 gegründete Dakarer Universität die erste Institution dieser Art in der Union française.443 Insgesamt nahm sich die Studentenanzahl in Dakar mit anfangs knapp 1000 Studierenden – darunter circa 180 Frauen – relativ bescheiden aus, zumal gut ein Viertel von ihnen Franzosen waren, und es darüber hinaus eine nicht unbedeutende Zahl an libanesischen Studenten gab. Entsprechend waren ein Jahr nach der Dekolonisation des Senegal lediglich 520 einheimische Studierende an der Dakarer Universität eingeschrieben; hinzu kamen 188 Stipendiaten, die im Ausland studierten und mehrheitlich Ärzte, Lehrer oder Juristen werden sollten.444 Vor diesem Hintergrund bildete die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften von Anfang an eines der Kernthemen der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Unmittelbar nach der Dekolonisation ging die Generaldirektion dazu über, das Stipendien-, Praktikanten- und Kolloquienprogramm, deren Entstehung vorwiegend anderen Motiven geschuldet war, als Ausbildungsmaßnahmen zu deklarieren und auszuweiten. Deshalb wird im folgenden Kapitel untersucht, inwieweit diese Programme dazu beitrugen, den Führungskräftemangel im Senegal respektive in den assoziierten Staaten allgemein in den 1960er Jahren zu beheben, und welchen Zwecken sie darüber hinaus dienten.445 *** dans les pays d’outre-mer, Juni 1959, hier S. 97; Corbett (1972), S. 38; Bianchini (2002), S. 366; zum französischen Stipendiensystem nach 1946 vgl. Leney (2003), S. 348–355; zur ENFOM vgl. Enders (1993), S. 278; zur École polytechnique siehe Karvar (1997), S. 52; vgl. außerdem zu afrikanischen Studenten in den europäischen Kolonialmetropolen Eckert (2004). 443 Vgl. zur Vorgeschichte britischer Universitätsgründungen in Afrika Eckert (2000), S. 245–252. 444 Vgl. RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 128f.; RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 27. 445 Vgl. zur Entstehung der Programme Kap. I.1. Da diese für alle assoziierten Staaten galten, weist das folgende Kapitel über den Senegal hinaus, illustriert die Praxis jedoch in der Regel am senegalesischen Fall. Schließlich ist vorwegzuschicken, dass sich die EWG im Ausbildungsbereich auch dadurch engagierte, dass sie notwendige Infrastrukturen bereitstellte. So finanzierte der EEF im Senegal unter anderem über 400 Dorfschulen, die Gründung eines Berufsbildungszentrums in Dakar sowie die École nationale des cadres ruraux in Bambey, an der landwirtschaftliche Führungskräfte ausgebildet werden sollten. Das nötige Ausbildungspersonal wurde meist vom französischen Fonds gestellt und bezahlt, da es die EWG grundsätzlich ablehnte, laufende Personalkosten zu übernehmen. Zur technischen Hilfe Frankreichs vgl. Corbett (1972), S. 130–144; Bossuat (2003), S. 447f.

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Wie bereits im ersten Teil geschildert, begründete der konstatierte Mangel an afrikanischen Statistikern die Einrichtung des Stipendienprogramms. Die Ausbildung von Statistikern blieb auch in den 1960er Jahren ein Schwerpunkt des Programms. Sie erhielt mit dem Centre européen de formation des statisticiens économistes des pays en voie de développement (CESD) eine eigene Institution, die 1962 mit Sitz in Paris gegründet und vom europäischen Statistikamt geleitet wurde. Das Institut bildete ausschließlich Statistiker aus den assoziierten Ländern aus, erfüllte dabei aber genau genommen lediglich administrative Funktionen. Die Ausbildung selbst gewährte das französische Institut national de la statistique et des études économiques vermittels seiner neu gegründeten Fachschule. Die Studenten erhielten ihre Stipendien sowohl von der EWG als auch vom FAC. Das europäische Zentrum erfüllte daher kaum mehr als eine Alibifunktion; die vom EEF finanzierte Maßnahme wurde vollständig in ein französisches Ausbildungsprogramm integriert.446 Allein aus sprachlichen Gründen lag eine derartige Kooperation zwischen der EWG und französischen Ausbildungsinstituten nahe. Hinzu kam, dass die Universität von Dakar ebenso wie die im Laufe der 1960er Jahre gegründeten Universitäten in Abidjan, Tananarive und Yaoundé unter der Obhut des französischen ministère de l’Éducation stand.447 Nahezu alle frankophonen Staaten im subsaharischen Afrika übernahmen nach ihrer Unabhängigkeit außerdem das französische Schulsystem und folgten auch den Reformprogrammen, die in Frankreich in der ersten Hälfte der 1960er Jahre einsetzten. Französische Lehrpläne waren die Regel, die Präsenz französischer Lehrer keine Seltenheit: 1969 unterrichteten mehr als 6.000 Franzosen im frankophonen Afrika.448 Die französische Doktrin der assimilation, die erst im Zuge der sogenannten zweiten kolonialen Besetzung nach Ende des Zweiten Weltkriegs verstärkt Anwendung fand, erreichte somit zumindest im Bildungswesen Anfang der 1960er Jahre ihren Höhepunkt, und dies unter vorbehaltloser Billigung der afrikanischen Staatschefs. Diese hatten bereits während der Zeit der Union française die Einführung französischer Ausbildungssysteme in Afrika befürwortet.449 Auch wenn das Stipendienprogramm gerade in der ersten Hälfte der 1960er Jahre überwiegend an französischen Instituten abgewickelt wurde, so wählte die General446 Vgl. Charoy/Diop (2006), S. 63–68. 447 Die Dakarer Universität stand dabei unter gemeinsamer Verwaltung. So wurde beispielsweise der Rektor vom senegalesischen und vom französischen Präsidenten ernannt. Erst 1974 wurde sie zumindest formell unabhängig vom französischen Ministerium, vgl. Bourgi (1979), S. 121f.; zu den Details und rechtlichen Grundlagen der übrigen genannten Universitäten vgl. Scherk (1969), S. 77–79. 448 Vgl. Corbett (1972), S. 27–40. 449 Vgl. zur Doktrin der assimilation in Bezug auf das Ausbildungswesen Gifford/Weiskel (1971); ferner Chafer (2002), S. 74; auch Senghor trat nach der Unabhängigkeit entschieden für die Beibehaltung und Ausweitung des französischen Schulsystems ein, vgl. Riesz (2006), S. 322.

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direktion dennoch ihre Stipendiaten selbst aus und verfolgte soweit wie möglich auch deren Studienleistungen. So begab sich ein Mitarbeiter der DG VIII einmal im Jahr in die afrikanischen Hauptstädte, um mit den dortigen Regierungen geeignete Kandidaten auszuwählen und gegebenenfalls nötige Verlängerungen zu vereinbaren. Eine erste derartige Mission in den Senegal fand im Juli 1963 statt. Dabei stellte sich heraus, dass nicht alle Ministerien Kenntnis vom EWG-Programm hatten. Insbesondere das Landwirtschaftsministerium war über die bestehenden Möglichkeiten nicht informiert, zeigte sich aber äußerst interessiert und machte umgehend Vorschläge, wie das Programm entsprechend den Vorgaben des senegalesischen Entwicklungsplans genutzt werden könnte. Dazu zählten Studienaufenthalte an französischen Landwirtschaftsschulen ebenso wie Praktika auf einer Geflügelfarm in Israel. Bei allem Wohlwollen gegenüber diesen Vorschlägen hielt der Gesandte der Generaldirektion, Jacques Eugène, zugleich ernüchtert fest, dass „l’organigramme des besoins en cadres de l’agriculture fait ressortir d’importantes lacunes à tous les niveaux.“450 Eugène und das Bildungsministerium wurden sich rasch einig über die Auswahl der Institute und Förderdauer diverser Stipendiaten. So fügte sich die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik nahtlos ein in die senegalesische Ausbildungspolitik, die von einem ausgeprägten Dirigismus gekennzeichnet war.451 Zugleich hegte die Generaldirektion zunehmend eine gewisse Skepsis gegenüber den Planungsfähigkeiten der verantwortlichen Entscheidungsträger. Deshalb wurde das Bildungsministerium bald dazu aufgefordert, auch Kandidaturen vorzulegen, die in direktem Zusammenhang mit Projekten des europäischen Fonds standen. So wurde der senegalesische Dirigismus teilweise von ebenso planerischen Überlegungen aus Brüssel überlagert.452 Das Programm nahm im Lauf der Zeit an Umfang und Bedeutung zu. Von 100 Stipendien, die für das erste Jahr 1961/62 angedacht waren, stieg die Vergabe auf knapp 1900 für alle assoziierten Staaten im Studienjahr 1967/68. Ermöglicht wurde diese Ausweitung dadurch, dass das Stipendienprogramm seit dem Abkommen von Yaoundé überwiegend vom EEF finanziert wurde. Der technischen Ausbildung wurde dabei mit 36 Prozent der vergebenen Stipendien Priorität eingeräumt,

450 HAEU 25/1980-1428, S. 81: Eugène, Rapport de mission, 1.8.1963. 451 Im ersten Plan wurde eine detaillierte Aufstellung über senegalesische Stipendiaten, aufgefächert nach diversen Disziplinen, mit folgender Bemerkung versehen: „La répartition des étudiants dans les diverses branches doit tenir compte des aptitudes et des goûts de chacun, certes, mais également et d’une façon accrue, des besoins du pays.“ RdS, Plan quadriennal de développement 1961–1964, S. 139; vgl. dazu auch die nahezu identische Phrase im zweiten Plan: RdS, Deuxième plan quadriennal de développement économique et social, S. 223. 452 Vgl. HAEU 25/1980-1446, S. 162: Lutz, Rapport de mission, o.D. [ Juli 1965], hier S. 185, 199.

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wirtschaftliche und landwirtschaftliche Berufswege folgten mit je 26 Prozent; die restlichen 12 Prozent fielen auf die „professions féminines“.453 Dieser rasante Anstieg ging einher mit einem ebenso drastischen Rückgang der Ausbildungsförderung seitens des französischen Fonds. Der FAC vergab Mitte der 1960er Jahre nur noch 900 französische Studienplätze an afrikanische Studenten.454 Stattdessen förderte Paris nun verstärkt an den französischen Universitäten in Afrika, wo allein in Dakar fast 800 Studienplätze jährlich alimentiert wurden.455 Die Generaldirektion folgte bald diesem Trend und bemühte sich mehr und mehr darum, Stipendien an afrikanischen Einrichtungen zu gewähren. Dort wurden im Studienjahr 1967/68 bereits knapp 40 Prozent der von der EWG geförderten Studenten und Auszubildenden untergebracht. Allerdings konnten diese nicht immer in ihrer Heimat bleiben. Gut ein Drittel der in Afrika geförderten Studenten wurden auf Geheiß ihrer Regierungen und nach der Zustimmung der Kommission in andere afrikanische Länder geschickt. Die Elfenbeinküste, Kamerun und mit Abstrichen auch Dakar wurden so zu überregionalen Ausbildungszentren, die die EWG-Kommission mit Studierenden versorgte. Dabei stützte sie sich auf die 1960 vom französischen Entwicklungsministerium ins Leben gerufene Association pour les stages et l’accueil des techniciens d’outre-mer, die für Brüssel den administrativen Teil übernahm und mit den afrikanischen Einrichtungen kommunizierte.456 Zumindest in Dakar bereitete die Durchführung des Programms jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Bei einem Kontrollbesuch der verschiedenen Ausbildungsstätten stellte der entsandte Mitarbeiter der Generaldirektion fest, dass diese die Summen nicht in vollem Umfang an die Stipendiaten weiterreichten. Schuld daran war offenbar die senegalesische Ministerialbürokratie, die den Lehranstalten keine Budgethoheit gewährte und ungeachtet der eigentlichen Fördersummen einen (niedrigeren) Einheitssatz an alle im Senegal ansässigen Stipendiaten auszahlte. Bei ausländischen Studenten konnte es außerdem vorkommen, dass sie ihr Stipendium 453 HAEU 3/1978-366, S. 422: DG VIII, La coopération technique générale entre la CEE et les EAMA, 25.11.1969, hier S. 424f.; ebd. 25/1980-1103, S. 69: KOM, Mitteilung an die Presse, 29.7.1966, Anlage I: Stipendienprogramm für 1966/67; diese Einteilung wurde von der Generaldirektion bewusst vorgenommen. Stipendien in anderen als den genannten Bereichen wurden nicht vergeben. Zu den sogenannten Frauenberufen, zu denen explizit nur Frauen als Kandidaten zugelassen wurden, zählten unter anderem der soziale Bereich, Haushaltsberufe und Sekretariatsarbeit, vgl. ebd. 25/1980-1362, S. 158: DG VIII, Programme de bourses d’étude, description sommaire, o.D. [1971]. 454 Vgl. Corbett (1972), S. 38; es muss allerdings offen bleiben, ob hier ein Kausalzusammenhang bestand. Dagegen spricht, dass der FAC gegen Ende der 1960er Jahre seine Politik revidierte und wieder über 2000 Stipendien in Frankreich gewährte. 455 Vgl. HAEU 25/1980-446, S. 162: Lutz, Rapport de mission, o.D. [1965], hier S. 187. 456 Vgl. HAEU 3/1978-366, S. 422: DG VIII, La coopération technique générale entre la CEE et les EAMA, 25.11.1969, hier S. 429; ebd. 25/1980-1458, S. 227: Gyselinck, Rapport de mission, o.D. [1967].

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erst gar nicht antraten oder aber wegen auffälligen Benehmens umgehend zurückgeschickt werden mussten. Schließlich entstanden auch Probleme in der Zuteilung. So protestierten fünf Gabuner gegen ihre Entsendung an die Landwirtschaftsschule in Bambey, weil dort landwirtschaftliche Praktiken der Sahelzone gelehrt wurden, die ihnen angesichts des feucht tropischen Klimas in ihrer Heimat von keinerlei Nutzen waren.457 Bis zum Jahre 1970 gewährte die EWG dem Senegal fast 550 Stipendien, wobei eine signifikante Zunahme der jährlich vergebenen Stipendien erst 1967 einsetzte. Von den 117 Studenten, die für das akademische Jahr 1970/71 von der EWG unterstützt wurden, erhielten 83 ihre Ausbildung an senegalesischen Lehranstalten, weitere neun wurden nach Abidjan geschickt. Die restlichen 25 studierten in Europa, darunter mehr als die Hälfte in Frankreich. Wenngleich die ehemalige Kolonialmacht die erste Anlaufstelle für die frankophonen afrikanischen Länder blieb, so gelang es der Generaldirektion im Laufe der 1960er Jahre, zu einer halbwegs ausgeglichenen Verteilung zu kommen und das Programm bis zu einem gewissen Grad zu europäisieren: Während die Niederlande und Luxemburg nach wie vor kaum Stipendiaten aufnahmen, hielten sich in der Bundesrepublik und Italien im Studienjahr 1967/68 sogar jeweils mehr Stipendiaten aus den assoziierten Ländern auf als in Frankreich.458 Inwiefern das Stipendienprogramm der EWG dazu beitrug, den Führungskräftemangel zu beheben, ist schwer zu beurteilen. Die Generaldirektion stellte sich selbst diese Frage und gab im Juli 1967 extra eine Studie in Auftrag, die das Programm per Umfrage unter ehemaligen Stipendiaten evaluieren sollte. Dahinter verbarg sich zum einen ein Kontrollbedürfnis der DG VIII. So sollte geprüft werden, ob die Stipendiaten nach ihrem Abschluss tatsächlich bedeutende Positionen einnahmen. Zum anderen zielte die Studie darauf ab, eine „calcul de rentabilité de l’investissement-éducation“ zu erstellen. Nicht zuletzt verstand sich diese Studie auch als follow up Maßnahme, um mit den Stipendiaten in Kontakt zu bleiben.459 Aussagekräftige Ergebnisse konnte die Untersuchung jedoch nicht erzielen. Weniger als 40 Prozent der angeschriebenen ehemaligen Stipendiaten füllten den Fragebogen aus; von den Senegalesen antworteten lediglich 25 Prozent. Zumindest für 457 Vgl. HAEU 25/1980-1458, S. 227: Gyselinck, Rapport de mission, o.D. [1967]. 458 Vgl. HAEU 25/1980-1362, S. 159: DG VIII, Bourses d’études République du Sénégal, o.D. [1971]; ebd. 3/1978-366, S. 422: DG VIII, La coopération technique générale entre la CEE et les EAMA, 25.11.1969, hier S. 429; dabei ist zu berücksichtigten, dass Italien überproportional viele Studenten aus seinem ehemaligen Mandatsgebiet Somalia aufnahm und gut die Hälfte der in Deutschland weilenden Stipendiaten aus Ruanda, Burundi und dem Kongo kamen. 459 Vgl. HAEU 25/1980-684, S. 3: DG VIII, Proposition de financement „Organisation d’actions de programmation, de follow-up et de contrôle de l’utilisation des anciens boursiers“, Juli 1967.

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Dahomey, wo mehr als die Hälfte der Stipendiaten auf die Anfrage reagierten, konnten halbwegs belastbare Aussagen getroffen werden. Dort hatten zwar einige Studenten Probleme mit der Anerkennung ihrer erworbenen Diplome. Insgesamt standen aber fast alle in Arbeit, wobei über 90 Prozent im öffentlichen Dienst beschäftigt waren und davon wiederum knapp ein Fünftel in leitenden Positionen.460 Alles in allem war die Durchführung des Stipendienprogramms jedoch eher von Problemen und Misserfolgen gekennzeichnet. Sicherlich können die Schwierigkeiten an den Dakarer Lehranstalten nicht als repräsentativ angesehen werden. Die Tatsache, dass nahezu zwei Drittel der ehemaligen Stipendiaten die Anfrage der EWG unbeantwortet ließen, erweckt allerdings generell nicht unbedingt den Eindruck, dass das Programm einen nachhaltigen Beitrag zur Elitenbildung geleistet hat. Darüber hinaus gab es unter sämtlichen senegalesischen Regierungsmitgliedern seit 1960 mit Moustapha Niasse lediglich einen Minister, der während seiner Ausbildung ein EWG-Stipendium erhalten hatte.461 In jedem Fall illustriert der enttäuschende Rücklauf der Fragebogen, dass es überwiegend nicht gelungen war, die Stipendiaten an die EWG zu binden und mittels dieses Programms ein stabiles eurafrikanisches Elitennetzwerk zu knüpfen. Schließlich gab es auch keinerlei Anzeichen, dass die beabsichtigte Ausrichtung der Stipendien am personellen Bedarf der Entwicklungsprojekte des EEF Früchte trug. Im Senegal jedenfalls blieb eine derartige Verzahnung aus, obwohl sich beispielsweise die Aktion der SATEC gut dafür geeignet hätte.462 *** Der Eigendarstellung der EWG-Kommission zufolge bildete das Praktikantenprogramm für afrikanische Beamte bei der EWG-Kommission neben den Stipendien die bedeutendste Ausbildungsmaßnahme der Gemeinschaft. Es zielte darauf ab, die Praktikanten in den Dienst der Entwicklungszusammenarbeit zu stellen. Während ihres Aufenthalts in Brüssel sollten sie in den Arbeitsalltag der DG VIII integriert und zugleich detailliert über die Strukturen des Gemeinsamen Marktes sowie über die Funktionsweise der Assoziierung aufgeklärt werden. Mit dieser Maßnahme verband die Generaldirektion Hoffnungen darauf, dass die Praktikanten nach der Rückkehr in ihre Heimatländer als „agents de liaison“ die administrative Zusammenarbeit mit Brüssel erleichtern würden.463 Damit waren zugleich Erwartungen verbunden, dass 460 Vgl. HAEU 25/1980-700, S. 39: Von Bodman, Rapport, 28.1.1970. 461 Vgl. Ndiaye/Ndiaye (2006), S. 38; diese Aussage steht freilich unter dem Vorbehalt, dass das Lexikon der Rubrik ,EWG-Stipendium‘ nicht systematisch nachgegangen sein könnte. Niasse war von 1970 bis 1979 Kabinettsdirektor von Senghor und danach bis 1983 Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten. An der Zusammenarbeit mit der EWG hat er jedoch offenbar nicht mitgewirkt. 462 Vgl. zum Projekt der SATEC ausführlich Kap. II.4. 463 HAEU 25/1980-2103, S. 55: Hendus an Lemaignen, 5.10.1960.

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die Praktikanten nach ihrem Aufenthalt bei der EWG einen bedeutenden Posten in ihrer Heimat, im Idealfall mit Bezug zur Assoziierung, erhalten würden. Aufgrund dieser Zielsetzung wurden Berufsanfänger oder Studenten nicht zur Kandidatur zugelassen. Stattdessen bestand die Generaldirektion darauf, dass ausschließlich gut ausgebildete Funktionäre mit angemessener Berufserfahrung geschickt wurden.464 Mit dem Praktikantenprogramm wollte die Generaldirektion somit eine europäischafrikanische epistemic community schaffen im Sinne eines Expertennetzwerks, das dieselben Werte und Ansichten über Entwicklungsfragen teilen und – in diesem speziellen Fall – zu einer gemeinsamen Verwaltungspraxis gelangen sollte.465 Der Versuch, eine solche Expertengemeinschaft zu etablieren, setzte auf drei Ebenen an. Zum einen maß die DG VIII der Kandidatenauswahl eine derart große Bedeutung bei, dass sie nach dem ersten Jahrgang dazu überging, die Rekrutierung selbst in die Hand zu nehmen. Direktor van der Lee schickte jedes Jahr im Sommer einen seiner Mitarbeiter nach Afrika, der gemeinsam mit den dortigen Regierungen geeignete Kandidaten vor Ort sondieren sollte.466 Zugleich experimentierte die Generaldirektion während der ersten Jahre mit der Dauer des Programms und der Anzahl der Teilnehmer, ehe im Herbst 1963 eine dauerhafte Lösung gefunden wurde, von der sie sich einerseits ausreichend und andererseits gut qualifizierte Verbindungsmänner versprach. Pro Jahr wurden seitdem zwei Zyklen über fünf Monate mit je neun afrikanischen Beamten durchgeführt.467 Zum anderen setzte die Generaldirektion auf eine verschulte Ausbildung einschließlich starrer Leistungskontrollen und klarer Hierarchieverhältnisse. Insbesondere die Klausuren, die die afrikanischen Beamten in der Einführungszeit schreiben mussten, zielten auf die Übernahme ,europäischer‘ Überzeugungen ab. So wurde den Praktikanten die herausragende Bedeutung statistischer Methoden für eine gute Entwicklungsplanung ebenso nahegelegt wie die Vorzüge eines marktwirtschaftlich organisierten Binnenmarktes. Ähnlich sollte es bei der täglichen Arbeit zugehen. Die afrikanischen Beamten bekamen einen Mitarbeiter der DG VIII als Paten zur Seite gestellt, der ihnen diverse Aufgaben zuteilte. Eine davon bestand beispielsweise darin, Unterlagen zu bereits genehmigten Entwicklungsprojekten zu studieren. Dadurch, so ein internes Strategiepapier, „lernt er [der Praktikant, M.R.] nicht nur die Technik der Überprüfung und Entscheidung über Projekte, sondern auch die dabei leitenden Gedanken in der Praxis kennen.“468 Ausgesprochenes Ziel dieser Übung war es, die Praktikanten am Ende ihres Praktikums selbständig ein Gutachten zu einem 464 Vgl. HAEU 25/1980-2102, S. 101: DG VIII, Programme de stages, 31.5.1960. 465 Vgl. zum Ansatz der epistemic communities grundlegend Haas (1992). 466 Vgl. HAEU 25/1980-2114, S. 151: COM: Stage pour ressortissants des États d’outremer, o.D. [1963]; ebd. 25/1980-2133, S. 132: Solf an Lemaignen, 25.7.1961; ebd. 25/1980-2121, S. 60: Solf an Westhoff, 3.4.1968. 467 Vgl. Rempe (2009a), S. 213f. 468 HAEU 25/1980-2102, S. 13f.: Vignes an Allardt, 26.1.1960.

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eingereichten Projekt erstellen zu lassen. Dass mit dieser Aufgabe nicht nur eine praktische Vermittlung von banalem Verwaltungswissen verbunden war, sondern auch ganz konkrete gesellschaftliche Leitbilder transportiert werden sollten, zeigt ein Blick auf die Beurteilungskriterien des EEF. Die Evaluation von Agrarprojekten sah unter anderem als Prüfungskategorien von Entwicklungsprojekten die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Steigerung der Wertschätzung von Lohnarbeit vor; bei Wohnungsbauprojekten sollte etwa geprüft werden, ob diese den Weg zum Arbeitsort verkürzen oder den Krankenstand verringern würden.469 Schließlich arbeitete die DG VIII mit Anreizen. Den afrikanischen Beamten wurde in einwöchigen Studienreisen durch die Mitgliedsstaaten der EWG ,europäische Lebensart‘ in kondensierter Form vorgeführt. Besuche riesiger Industriekomplexe und vorbildlich geführter Agrarbetriebe waren nicht nur dazu bestimmt, Bedürfnisse bei den Praktikanten zu wecken. Sie dienten auch zur Demonstration europäischer Überlegenheit und als Beweis, dass sich Europa hervorragend entwickelt hätte mit jenen Methoden, die die Praktikanten während ihres Aufenthalts in Brüssel verinnerlichen sollten.470 Der Anspruch des Praktikantenprogramms, Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, wurde jedoch nicht eingelöst. In der Regel kümmerten sich die Mitarbeiter der Gemeinschaft kaum um die Praktikanten. Das beabsichtigte learning by doing litt vor allem darunter, dass die afrikanischen Beamten gemeinsam in einem speziellen Praktikantenbüro und dadurch getrennt von den ihnen zugewiesenen Abteilungen untergebracht waren. Wiederholte Anweisungen von Generaldirektor Hendus, die Praktikanten stärker in den Arbeitsalltag zu integrieren, änderten nichts daran, dass die meisten Angestellten der DG VIII sich der Tutorenarbeit entzogen. Europäische Universitätsabsolventen, die ebenfalls ein Praktikum in Brüssel durchliefen, waren dagegen in der Generaldirektion sehr gefragt.471 Dass europäische und afrikanische Praktikanten unterschiedlich behandelt wurden, lag in erster Linie an der weit verbreiteten Annahme innerhalb der Generaldi469 Vgl. HAEU 25/1980-1035, S. 190: COM, Critères d’appréciation des projets soumis au fonds européen de développement, 1965, hier S. 230, 237; vgl. zum Leitfaden auch ausführlich Kap. II.5. 470 Vgl. HAEU 25/1980-2114, S. 154: DG VIII, Aide-mémoire, 16.5.1963; die Reisen verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Reaktionen der Praktikanten waren in der Regel positiv, vgl. etwa HAEU 25/1980-2135, S.39: Stagiaires, Rapport de mission effectuée en Allemagne, o.D. [1966]; vgl. dazu auch Rempe (2009a), S. 223f. 471 Vgl. HAEU 25/1980-2129, S. 123: DG VIII, Compte rendu de la réunion du groupe de travail stagiaires, 23.11.1964; ebd. 25/1980-2120, S. 36: Caracciolo an Westhoff, 18.5.1967; ebd. 25/1980-2116, S. 17: van der Lee an Hendus, 24.11.1964; ebd., S. 162: van der Lee an Hendus, 25.11.1965; ebd., S. 200: Hendus, Rundschreiben, 2.12.1965; ebd., S. 201: Ferrandi an Hendus, 17.12.1965; ebd. 25/1980-2113, S. 75: van der Lee, Note, 25.5.1962.

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rektion, der zufolge die afrikanischen Praktikanten nicht genügend vorgebildet seien. Dieses Argument machten sich auch einige Beamte der DG VIII zu eigen, um die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen mit europäischen und afrikanischen Praktikanten zu verhindern. Sie waren der Auffassung, dass derartige Treffen lediglich Minderwertigkeitskomplexe bei den afrikanischen Gästen hervorrufen würden.472 Auch der für das Praktikantenprogramm zuständige Referatsleiter, Otto Isao Solf, schien von derartigen Vorannahmen geprägt zu sein. Dem jüngsten Sohn des letzten Kolonialstaatssekretärs des Deutschen Reiches, Wilhelm Heinrich Solf, diente offenbar die Lektüre einer Abhandlung über die „mentalité nègre“ zur Vorbereitung auf seine Tätigkeit. Prägnante Passagen dieses Traktats, in denen etwa das Abstraktionsvermögen von Afrikanern in Zweifel gezogen oder deren intellektuelles Niveau mit jenem zurückgebliebener europäischer Kinder verglichen wurde, waren extra unterstrichen worden.473 Berücksichtigt man das Fortwirken solch essentialistischer, teils rassistischer Mentalitätslagen innerhalb der Generaldirektion, so nimmt es nicht Wunder, dass die afrikanischen Gäste kaum in den Arbeitsalltag integriert wurden. Noch gegen Ende der 1960er Jahre beklagte sich eine afrikanische Praktikantengruppe in ihrem obligatorischen Abschlussbericht, der in der Zwischenzeit die Eingangstest abgelöst hatte, „que le stagiaire soit purement et simplement intégré dans le service qui l’accueille au lieu d’être considéré comme un étranger à qui l’on confie des rapports et des études à lire et a résumer pour l’occuper. A ce sujet, il a paru souhaitable que soit rappelé aux fonctionnaires des différents échelons de la D.G. VIII, le rôle qu’ils ont à jouer afin d’éviter à l’avenir certaines situations malencontreuses que nous avons eues à vivre. Nous le déplorons vivement car, en venant ici, les fonctionnaires des EAMA se sont attendus à une certaine continuité dans le travail et à une activité plus rationnelle“.474

Auch abseits des Arbeitsgeschehens bereitete die Integration der afrikanischen Gäste erhebliche Schwierigkeiten. So versuchten einige Mitarbeiter, privat Kontakt mit den 472 Vgl. HAEU 25/1980-2129, S. 121: DG VIII, Compte rendu de la réunion du groupe de travail stagiaires, 15.9.1964; ebd., S. 123: DG VIII, Compte rendu de la réunion du groupe de travail stagiaires, 23.11.1964; ebd. 25/1980-2116, S. 15: van der Lee an Hendus, 24.11.1964; letztlich bedurfte es eines Machtwortes von Generaldirektor Hendus, ehe gemeinsame Veranstaltungen von afrikanischen und europäischen Praktikanten Usus wurden, vgl. ebd., S. 24: Hendus, Rundschreiben, 4.2.1965. 473 Vgl. HAEU 25/1980-2101, S. 137: Approches vers la connaissance de la mentalité nègre, o.D. [1960], hier S. 173, 190; auf der Abhandlung war Solfs Name handschriftlich vermerkt. Selbst wenn er es nicht selbst gelesen haben sollte, so ist das schiere Vorhandensein eines derartigen Traktats ein klares Indiz dafür, dass manch Funktionär in der DG VIII Afrikaner als essentiell andersartig betrachtete, vgl. dazu auch Rempe (2009a), S. 215f.; vgl. ferner zu Heinrich Wilhelm Solf Kundrus (2005). 474 HAEU 25/1980-2121, S. 137: Rapport de fin de stage, 10.7.1969.

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Praktikanten aufzunehmen. Deren Frauen trafen sich beispielsweise zum Nachmittagskaffee, während die Männer arbeiteten; ebenso wurden Abendeinladungen ausgesprochen. Ob die Praktikanten spürten, dass die Brüsseler Beamten damit zugleich ein latent vorhandenes Kontrollbedürfnis befriedigen wollten, muss Spekulation bleiben, jedenfalls gingen sie mitunter auf solch zweischneidige Integrationsversuche nicht ein und verärgerten dadurch ihre Vorgesetzten, was wiederum Folgen für den Arbeitsalltag hatte.475 Umgekehrt schien manch einer der afrikanischen Beamten jedoch auch mit anderen Erwartungen nach Brüssel gekommen zu sein, sofern man den Aussagen von Direktor van der Lee Glauben schenken möchte. So beschwerte sich dem Niederländer zufolge ein Togolese bei der Kommission, dass er sich von seinem Gehalt statt eines Mercedes lediglich eine Ente leisten könne. Darüber hinaus hätte er eines Abends, angeblich etwas einsam, die Wohnungstür seiner belgischen Nachbarin aufgebrochen, die, davon wenig begeistert, die Polizei gerufen hätte. Den anrückenden Streifenbeamten hätte der Praktikant daraufhin erklärt, er sei Diplomat und erkenne keine Autorität an. Schließlich hätte er seine Auffassung mit einem dreifachen „merde à la police Belge, merde aux Belges et merde au Roi des Belges“476 bekräftigt. Seine baldige Rückführung soll die Folge gewesen sein. Auch ein malischer Beamter soll auffällig geworden sein. Die französische Ständige Vertretung berichtete, dass dieser dem Alkohol stark zugeneigt gewesen sei. Dass er mehrere Autounfälle unter Alkoholeinfluss verursacht haben soll, trug neben seiner Arbeitsverweigerung entscheidend zu seiner vorzeitigen Zwangsrückkehr bei.477 Wenngleich solche Fälle offenbar die Ausnahme blieben, verweisen sie darauf, dass sich nicht nur die europäischen Funktionäre mit der professionellen wie privaten Integration der afrikanischen Beamten schwer taten, sondern umgekehrt letztere sich in einer ihnen fremden Welt nicht immer zurecht fanden. Die Herstellung einer epistemic community krankte insofern auch an beiderseitigen fehlgeleiteten Vorannahmen über den jeweils anderen, die eher Differenzen herstellten oder verstärkten, als Gemeinsamkeiten entstehen zu lassen. Trotz dieser Schwierigkeiten hielt die DG VIII am Praktikantenprogramm fest, weil sie sich langfristig Vorteile von den persönlichen Kontakten versprach. Eine Zwischenbilanz vom Sommer 1965 fiel in dieser Hinsicht positiv aus: Etwas mehr als die Hälfte der bis dato 72 ehemaligen Praktikanten bekleideten seit ihrem Aufenthalt bei der EWG Positionen in ihren Heimatländern mit Zuständigkeiten für die Assoziierung, 475 Vgl. HAEU 25/1980-2114, S. 154: DG VIII, Aide mémoire, 16.5.1963, hier S. 165f.; das latente Kontrollbedürfnis war unter anderem auf die Sorgen mancher Mitarbeiter der EWG zurückzuführen, dass die Praktikanten in ihrem Privatleben kommunistischer Einflüsse ausgesetzt werden könnten. 476 HAEU INT 654: Interview van der Lee, 14.7.1998, S. 29f. 477 Vgl. AMAEF CE 1945/60-722: Représentant permanent an MAEF, 6.9.1960; HAEU 25/1980-2102, S. 50: Gambelli, Circulaire, 14.3.1960.

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und sechs von ihnen waren in den Vertretungen der afrikanischen Länder in Brüssel angestellt, der Madagasse Armand Razafindrabe gar als Botschafter.478 Die eigennützige Stoßrichtung des Praktikantenprogramms blieb den Repräsentanten der assoziierten Staaten jedoch nicht verborgen. Bereits nach wenigen Jahren führte die als Europaschau inszenierte Studienreise wiederholt zu afrikanischen Forderungen, verstärkt auch weniger entwickelte europäische Regionen zu besuchen und dadurch die Fahrt enger mit den reellen afrikanischen Entwicklungsaufgaben in Beziehung zu setzen. In der Tat führten die Studienreisen seitdem häufiger in den italienischen Mezzogiorno, wo die afrikanischen Beamten jedoch wiederum nur Musterbetriebe zu Gesicht bekamen. Ernst gemeinte Einzelinitiativen aus Solfs Unterabteilung, die Reisen stärker an afrikanischen Interessen auszurichten, verhallten ungehört.479 Seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre stellten die AASM außerdem Sinn und Zweck des Programms grundsätzlich in Frage. So wurde der rein informatorische Gehalt des Praktikums beklagt und die Notwendigkeit spezieller Ausbildungsformate betont.480 Dass die Brüsseler Beamten nach wie vor keine Studenten zum Praktikum zulassen wollten und auf Kandidaturen hochqualifizierter, erfahrener Beamter bestanden, war der Reputation des Programms zudem nicht zuträglich. Ganz im Gegenteil entzog sich ein Großteil der assoziierten Staaten dadurch, dass sie schlicht keine Kandidaten entsandten. Die jährlich unternommenen Rekrutierungsreisen von Solf und seinen Kollegen scheiterten so teilweise am passiven Widerstand der afrikanischen Regierungen, die es sich nicht leisten wollten, ihren fähigsten Beamten eine halbjährige Auszeit in Brüssel zu gewähren. Die Auslastung des Programms lag zwischen 1964 und 1969 zwar bei über 70 Prozent, unter den Teilnehmern waren aber allein 21 Kongolesen; ursprünglich war vorgesehen gewesen, pro Jahr je einen Praktikanten aus jedem assoziiertem Land aufzunehmen. Dies in Rechnung gestellt, belief sich die bereinigte Auslastung auf lediglich 60 Prozent.481 Die senegalesische Regierung entsandte zwischen 1960 und 1970 insgesamt neun Beamte nach Brüssel, allerdings in recht unregelmäßigen Abständen. Bis zum Herbst 1968 waren lediglich drei Senegalesen in Brüssel gewesen, die folgenden beiden Jahre wurden demgegenüber gleich sechs Beamte geschickt. Über die konkreten Gründe für diese Schwankungen kann nur spekuliert werden. Dessen ungeachtet wurde das gemeinschaftsinterne Ziel des Praktikantenprogramms, wertvolle Verbindungsleute 478 Vgl. HAEU 25/1980-2116, S. 113: DG VIII, Mitteilung an die Gruppe „Technische Hilfe“, 5.7.1965. 479 Vgl. dazu im Detail Rempe (2009a), S. 224. 480 Vgl. HAEU 25/1980-2121, S. 38: de Briey an Westhoff, 9.9.1968. 481 Vgl. HAEU 25/1980-2123, S. 32: DG VIII, Note sur les stages et colloques 1964–1969, 7.1.1970; für die hohe Anzahl an Praktikanten aus dem ehemals belgischen Kongo war keine Erklärung ausfindig zu machen, die Vermutung liegt jedoch nahe, dass in Brüssel ansässige Kongolesen die frei gebliebenen Plätze einnahmen.

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zu gewinnen, im Senegal nicht erreicht. Von den neun senegalesischen Praktikanten arbeiteten zwar immerhin vier danach in Ministerien, offenbar verfügte aber keiner über einen Aufgabenbereich, der mit der Assoziierung in Verbindung stand. Ein weiterer war als Direktor eines Fischexportunternehmens tätig, über den Verbleib der restlichen vier Beamten wusste die DG VIII nichts Genaues.482 So blieb das Praktikantenprogramm für beide Seiten von geringem Wert. Weder als Ausbildungsmaßnahme noch als Keimzelle eines Expertennetzwerks konnte es seinen Nutzen unter Beweis stellen. *** Die Ausgestaltung des Stipendien- und Praktikantenprogramms hat auf den schmalen Grat aufmerksam gemacht, auf dem sich die Bildungsprogramme der Generaldirektion bewegten. Sie schwankten in ihrem Charakter zwischen Ausbildungsmaßnahme und Netzwerkarbeit, zwischen uneigennütziger Förderung und eigennütziger Propaganda. Auch die Durchführung des Kolloquienprogramms entwickelte sich zu einer zweischneidigen Angelegenheit. Ursprünglich als PR-Aktion und mit dem Ziel konzipiert, der Assoziierung zu einem besseren Image unter Afrikanern zu verhelfen, wurden die Kolloquien mit der zu Beginn der 1960er Jahre vorgenommenen Umbenennung in „Session de formation de courte durée“ als weitere Ausbildungsmaßnahme deklariert.483 Nachdem die ersten Kolloquien eine positive Resonanz hervorgerufen hatten, weitete die Generaldirektion diese Art der Überzeugungsarbeit aus. Insgesamt führte die Direktion für Allgemeine Angelegenheiten bis 1963 fast 100 Kolloquien durch, die knapp 4.500 Afrikaner erreichten. Die Veranstaltung wurde seit 1961 auf alle Mitgliedsstaaten und auf vier bis fünf Tage ausgedehnt. Die zusätzliche Zeit ermöglichte Besichtigungen von Industrie- und Sozialeinrichtungen. Bei näherer Betrachtung handelte es sich bei der Umbenennung allerdings um einen Etikettenschwindel. An den Inhalten und Zielsetzungen der Kurzlehrgänge änderte sich nichts. Das Hauptaugenmerk lag nach wie vor darauf, die Assoziierung unter Afrikanern bekannt und populär zu machen, wie aus einem Zwischenfazit vom Herbst 1964 deutlich herauszulesen ist: 482 Vgl. Art. Senegal. Principales réalisations au 31 décembre 1974, in: Courrier de l’Association Nr. 36 (1976), S. 60; HAEU 25/1980-1327, S. 15: de Briey an Westhoff, 15.10.1970; ebd. 25/1980-1328, S. 47: de Briey an Schiffler, 3.3.1972; ungeachtet dessen, dass die ehemaligen Praktikanten beruflich nichts mit der Assoziierung zu tun hatten, sollten sie zu einem Empfang in Dakar anlässlich einer Senegalreise von Rochereaus Nachfolger Jean-François Deniau eingeladen werden. 483 Vgl. HAEU 25/1980-1017, S. 12: DG VIII, L’action entreprise par la Commission de la CEE en matière de formation des cadres des EAMA, o.D. [1962]; ebd., S. 35: DG VIII, Rapport d’activité, 18.2.1963.

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„Die Kolloquien ermöglichen nicht nur eine genaue Unterrichtung der Kader der AASM über die Assoziierung, sondern es können auch gleichzeitig noch verschiedene Missverständnisse aus dem Wege geräumt und gewisse Befürchtungen überwunden werden, die in der Vorstellung der Teilnehmer vorhanden sind und sich entweder auf eine schlechte Unterrichtung oder auf die zahlreichen gegen die Assoziierung geführten Kampagnen zurückführen lassen.“484

Die Bilanz konnte sich sehen lassen. Aus Fragebogen, die vor und nach den Veranstaltungen verteilt wurden, ließ sich die Wirkung der Kolloquien ermitteln. Einer Stichprobe zufolge bewerteten lediglich 54 Prozent der Befragten die Assoziierung vor den Veranstaltungen positiv, danach jedoch schon 84 Prozent; der Anteil an Personen mit negativer Einstellung gegenüber der EWG nahm von 27 auf 8 Prozent ab.485 Darüber hinaus richtete sich das Kolloquienprogramm bald nicht mehr nur an junge Afrikaner. Mit der Europäisierung der Veranstaltungsorte ergriff man zugleich auch die Gelegenheit, Europäer auf Afrika aufmerksam zu machen. Dabei war die DG VIII mehr und mehr auf nationale Kooperationspartner angewiesen. Neben dem französischen Centre d’éducation et d’information européenne, auch Jeune Europe genannt, gehörte die Carl Duisberg Gesellschaft und das Gustav Stresemann Institut zu den ersten Institutionen, die sich in den Dienst der Gemeinschaft stellten; bald darauf folgten auch Kooperationen mit Einrichtungen aus den übrigen Mitgliedsstaaten. Seit 1964 lud die Kommission halbjährlich Vertreter aller Kooperationseinrichtungen nach Brüssel, um den Ablauf der Veranstaltungen im Detail festzulegen und zu optimieren.486 Das Kolloquienprogramm für Afrikaner löste also zugleich eine Netzwerkbildung auf europäischer Ebene aus. Die nationalen Kooperationspartner rekrutierten die Teilnehmer aus ihren eigenen Programmen, waren für die Organisation der Kolloquien vor Ort zuständig, trugen aber auch Verantwortung dafür, dass Lokalpresse und Rundfunk ausführlich über sie berichteten. Dies galt nicht nur in jenen Mitgliedsstaaten, die mit Afrika wenig verband. Ebenso wollten die Beamten der EWG die Veranstaltungen als Waffe im Kampf gegen den cartiérisme nutzen, der auch in den 1960er Jahren in der französischen Öffentlichkeit noch präsent war.487 Dass solche Rundfunksendungen wiederum den Weg bis in die assoziierten Länder fanden, um die dortigen Bevölkerungen für die Assoziierung zu begeistern, 484 HAEU 25/1980-803, S. 37: DG VIII, Aide-mémoire zu den Kolloquien, 1.9.1964, hier S. 44. 485 Vgl. ebd., hier S. 46. 486 Vgl. HAEU 25/1980-1017, S. 80: DG VIII, Rapport d’activité, 1964, o.D. [1965]; zu den halbjährlichen Sitzungen zwischen der DG VIII und den nationalen Einrichtungen vgl. ebd. 25/1980-1102. S. 67: DG VIII, Compte rendu de la réunion, 12.7.1965. 487 Vgl. zum cartiérisme Bossuat (2003), S. 451; Frank (1992), S. 169; in politischen Kreisen fand diese Position jedoch nie eine breitere Anhängerschaft, vgl. Meimon (2007), S. 13–15.

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dokumentiert die Bedeutung, die die Generaldirektion derartigen Propagandamaßnahmen beimaß. 488 Ähnlich wie das Praktikantenprogramm dienten die Kolloquien darüber hinaus den Brüsseler Funktionären auch als Kontaktbörse. Werbung in eigener Sache und die Herstellung persönlicher Beziehungen gingen Hand in Hand: „Schließlich entstehen bei diesen Kolloquien, an denen die Führungskräfte bzw. zukünftigen Führungskräfte der AASM teilnehmen, auch persönliche – ja sogar freundschaftliche Beziehungen – zwischen Beamten der EWG und Teilnehmern an den Veranstaltungen. [...] Unter den ehemaligen Teilnehmern dieser Kolloquien sind bereits mehrere Minister, Kabinettschefs, leitende Beamte, Richter und Führungskräfte der Privatwirtschaft.“489

Schließlich ermöglichten die Kolloquien, was in anderen Tätigkeitsfeldern der Generaldirektion (noch) nicht erlaubt war: die Einbeziehung von Afrikanern aus dem anglophonen Afrika. Einerseits war dies kaum zu verhindern, weil insbesondere die niederländischen und deutschen Einrichtungen, mit denen van der Lees Abteilung kooperierte, in der Regel Gruppen betreuten, die sich aus ganz Afrika zusammensetzten. Andererseits forcierte van der Lee ganz bewusst die Teilnahme von Staatsangehörigen aus ehemals britischen Kolonien, um den innerafrikanischen Gedankenaustausch zu fördern. Bereits Ende 1962 ging die DG VIII eine Kooperation mit der in London ansässigen English Speaking Union ein, um die Rekrutierung von Ghanaern, Nigerianern und weiteren englisch sprechenden Afrikanern sicherzustellen. Seit 1965 wurde außerdem festgelegt, dass 10 Prozent der verfügbaren Kolloquiumsplätze an Afrikaner zu vergeben waren, die sich in Großbritannien aufhielten. In der Praxis lag der Anteil derjenigen Teilnehmer, die nicht Staatsangehörige assoziierter Länder waren, allerdings weit darüber. Das Zusammentreffen anglophoner und frankophoner afrikanischer Eliten verlief dabei in der Regel ohne größere Probleme. 490 Das Kolloquienprogramm erfüllte somit verschiedene Funktionen – PR-Arbeit in eigener Sache, eurafrikanisches und innereuropäisches networking, Sensibilisierung der europäischen Öffentlichkeit für afrikanische Entwicklungsfragen und sogar afrikanische Völkerverständigung über die Sprachgrenzen hinweg – Ausbildungsarbeit leistete es allerdings keine. Nachdem die sogenannten Kurzlehrgänge mit dem ersten 488 Vgl. HAEU 25/1980-1017, S. 35: DG VIII, Rapport d’activité 1962, 19.2.1963, hier S. 37. 489 HAEU 25/1980-803, S. 37: DG VIII, Aide-mémoire zu den Kolloquien, 1.9.1964, hier S. 46. 490 Vgl. HAEU 25/1980-1017, S. 80: DG VIII, Rapport d’activité 1964, o.D. [1965]; ebd. CM 2/1965-961: Rat, Vermerk, 9.7.1965; der Beginn der Kooperation mit der English Speaking Union muss dabei auch vor dem Hintergrund des britischen Beitrittsgesuch gesehen werden, das erst im Januar 1963 mit de Gaulles Veto scheiterte. Zum britischen Beitritt unter besonderer Berücksichtigung der strittigen Frage der Einbeziehung des Commonwealth vgl. Ward (1997); Robertson/Singleton (1999).

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Abkommen von Yaoundé auch offiziell als Ausbildungsmaßnahme deklariert und dadurch nicht mehr vom Kommissionshaushalt, sondern vom EEF finanziert wurden, gerieten diese auf politischer Ebene zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik. Im Juni 1965 nahmen die Vertreter der afrikanischen Staaten im Assoziationsausschuss zur neuen Finanzierungsgrundlage Stellung. Sie waren sich einig, dass Kolloquien mit Beteiligung anglophoner Afrikaner keinesfalls aus dem europäischen Fonds finanziert werden dürften. Abseits dieser Frage gingen die Meinungen jedoch auseinander. So äußerte der Botschafter Kameruns grundsätzliche Zweifel, ob es sich beim Kolloquienprogramm noch um eine Maßnahme der technischen Hilfe handeln würde und stützte sich dabei auf ein internes Strategiepapier der DG VIII, das die propagandistischen Intentionen der Kolloquien hervorhob. Demgegenüber unterstrichen andere wie Senegals Botschafter Gueye und der madagassische Botschafter und ehemalige Praktikant Razafindrabe den beiderseitigen Nutzen der „Sessions de formation de courte durée“. Ebenjener Terminus irritierte manchen Repräsentanten der AASM schließlich so sehr, dass Zweifel aufkamen, ob damit überhaupt das Kolloquienprogramm gemeint sei.491 Kurze Zeit später stellte van der Lee gegenüber Mitarbeitern der afrikanischen Botschaften klar, dass die Begriffe ,Kolloquium‘ und ,Kurzlehrgang‘ innerhalb der Generaldirektion synonym verwendet würden und daher dasselbe Veranstaltungsformat bezeichneten. Die daran anschließende Bitte der Vertreter der assoziierten Staaten, „que la Commission fasse porter son effort plutôt sur la formation que sur l’information“, führte zu einer lang anhaltenden Diskussion über den Unterschied zwischen den beiden Termini und setzte letztlich allen Hoffnungen ein Ende, den Kolloquien mehr Substanz zu verleihen.492 Zweifellos hatten die Repräsentanten der assoziierten Staaten die besseren Argumente auf ihrer Seite und trafen den wunden Punkt des Kolloquienprogramms. Auch gelang es ihnen teilweise, ihre Forderungen durchzusetzen. Die Kommission zog die irreführende Bezeichnung ,Kurzlehrgang‘ wieder aus dem Verkehr. Außerdem finanzierte sie Kolloquien mit Beteiligung anglophoner Afrikaner, deren Zweckmäßigkeit im Übrigen von den AASM ausnahmslos anerkannt wurde, fortan aus ihrem eigenen Budget. Auch dem Wunsch von afrikanischer Seite, mehr Kolloquien in Afrika durchzuführen, leistete die DG VIII zunehmend Folge. An den Inhalten des Programms änderte sich demgegenüber nichts. Es blieb bei propagandaträchtigen Informationstagen, die in Afrika scheinbar auf noch fruchtbareren Boden fielen, weil sie dort über afrikanische Eliten hinaus auch andere Schichten erreichten. In den 1960er 491 Vgl. HAEU 26/1969-323, S. 117: Comité d’association, Procès-verbal de la 7ème réunion, 7.9.1965; zur strittigen Rechtsgrundlage vgl. BGBl. II (1964), S. 344: 5. Protokoll zum Assoziationsabkommen, Art. 9 lit. f ). 492 HAEU 25/1980-2116, S. 118: DG VIII, Compte rendu de la réunion d’information pour les experts des EAMA sur les programmes de formation, 29.7.1965.

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Jahren wurden so insgesamt über 10.000 Afrikaner über die EWG im Allgemeinen und die Assoziierung im Besonderen aufgeklärt. Dafür stellte der EEF jährlich bis zu 150.000 RE bereit.493 *** Zusammenfassend zielten die als Ausbildungsmaßnahmen titulierten Programme der EWG nur teilweise darauf ab, den Teilnehmern eine bessere Berufsqualifikation zu verschaffen. Dieses Ziel verfolgte vor allem das Stipendienprogramm, das bezüglich der Förderpolitik und regionalen Ausrichtung enge Verbindungen mit der französischen technischen Hilfe einging. Mit dem Praktikantenprogramm hingegen war nicht so sehr beabsichtigt, afrikanischen Beamten eine substantielle Fortbildung zu ermöglichen. Vielmehr hoffte man darauf, mit dieser Maßnahme wichtige Verbindungsleute für die Zukunft zu gewinnen und dadurch die Zusammenarbeit zu erleichtern. Bei dem zwischenzeitlichen Ansinnen, das Kolloquienprogramm als Ausbildungsformat zu präsentieren, handelte es sich schließlich um einen Etikettenschwindel. Zu keiner Zeit wurde in Brüssel ernsthaft erwogen, die Werbeveranstaltungen in eigener Sache zugunsten fundierter Fortbildungen aufzugeben. Zugleich ließen diese Programme transnationale Netzwerke auf europäischer Ebene entstehen. Die Generaldirektion knüpfte nicht nur ein enges Netz zu Hochschulen und Universitäten in ganz EWG-Europa, sondern führte darüber hinaus auch bildungspolitische Einrichtungen aus allen sechs Ländern zusammen. Dass dabei sogar britische Institutionen frühzeitig mit eingebunden wurden, verweist zum einen auf den erheblichen Handlungsspielraum, über den die EWG-Kommission auf informeller Ebene verfügte. Zum anderen äußerten sich darin erneut die hybriden Konturen einer europäischen Bürokratie, in der unterschiedliche nationale Prägungen aufeinander trafen, zumal der niederländische Direktor van der Lee mit seiner Initiative den entwicklungspolitischen Präferenzen seiner Regierung ein Stück weit Geltung verschaffte.494 493 Vgl. HAEU 25/1980-1105, S. 23: DG VIII, Réglementation des Colloques de la CEE Europe, o.D. [1969]; ebd. 25/1980-1104, S. 6: DG VIII, Proposition de financement, 23.3.1969; ebd., S. 16: DG VIII, Compte rendu de la réunion EAMA/Commission, 17.6.1968; ebd., S. 14: DG VIII, Aide-mémoire sur les colloques, Mai 1968; ebd. 25/1980-1230, S. 72: de Briey, Rapport de Mission, 21.10.1968; die Durchführung von Kolloquien in Afrika war allerdings nicht unumstritten innerhalb der DG VIII. Generaldirektor Hendus sprach sich nach einem Kolloquium in Madagaskar vehement gegen eine Ausweitung aus, weil er um die Präsenz seiner Beamten in Brüssel fürchtete, vgl. ebd., S. 86: Westhoff an Hendus, 4.11.1968. 494 Vgl. dagegen Dimier (2008); die niederländische Regierung befürwortete nicht nur den Beitritt Großbritanniens, sondern setzte sich zudem für eine Einbeziehung weiterer, insbesondere anglophoner afrikanischer Länder in die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit ein. So drohte sie nach de Gaulles Veto gegen das britische Beitrittsgesuch

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Im Ergebnis trug ausschließlich das Stipendienprogramm zur Verbesserung der Berufsbildung im Senegal bei. Die Bilanz der 1960er Jahre mit 55 geförderten Senegalesen pro Jahr verdeutlicht jedoch die geringe Bedeutung, die dem Programm für die senegalesische Bildungspolitik zufiel, wobei nicht vergessen werden darf, dass der Senegal im Vergleich zu anderen assoziierten Staaten auffallend wenige Stipendiaten stellte. Das Praktikantenprogramm hatte demgegenüber keinerlei nachhaltigen Nutzen für die Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal, zumal Dakar dieses auch nur unregelmäßig in Anspruch nahm und außerdem keine potentiellen Führungskräfte nach Brüssel entsandte. Angesichts der Art und Weise, wie die Programme durchgeführt wurden, mag diese Bilanz nicht verwundern. Gerade das Praktikantenprogramm war von einem Geist geprägt, der an vergangene Zeiten erinnerte. Afrikanische Beamte mussten sich ihren europäischen Kollegen für mehrere Monate unterordnen und sollten deren Ansichten möglichst widerspruchslos übernehmen. Dabei dürften sie rassistische Gesinnungen der Brüsseler Bediensteten zumindest unterschwellig zu spüren bekommen haben. Das neunte der „Zehn Gebote des Europäischen Entwicklungsfonds“, eine Art internes Leitbild der DG VIII, legt einmal mehr und in bemerkenswerter Klarheit Zeugnis ab über die Mentalitätslagen, die in den 1960er Jahren innerhalb der Generaldirektion vorherrschten: „De temps en temps réfléchiras / que ce qui est noir n’est pas blanc“.495

9. Fazit Als Kommissionspräsident Walter Hallstein im Sommer 1964 feierlich die erste Sitzung des Assoziationsrates eröffnete, malte er die Assoziierung in prächtigem Kolorit: „Dieses Zusammenwirken über die Kontinente hinweg wird ein buntes und lebhaftes Bild ergeben, dessen Farben gelegentlich kräftige Kontraste erzeugen können, sich aber – wie bei der Betrachtung eines schönen modernen Gemäldes – zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen werden.“496

im Januar 1963, das Assoziationsabkommen nicht zu unterzeichnen und leistete erst Folge, nachdem die Mitgliedsstaaten eine Erklärung verabschiedet hatten, die die Assoziierung grundsätzlich für anglophone afrikanische Staaten öffnete, vgl. Harryvan/Harst (2005), S. 327f.; Moser (2000), S. 497. 495 HAEU 25/1980-1036, S. 199: Les dix commandements du fonds européen de développement, o.D. [1968]; zu den weiteren Hintergründen dieses Dokuments ist nichts bekannt. Es wurde isoliert im genannten Bestand aufgefunden und war wohl eher zufällig aufbewahrt worden. 496 HAEU 25/1980-309, S. 302: Ansprache Walter Hallstein anlässlich der ersten Sitzung des Assoziationsrates, 8.7.1964, hier S. 305.

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Nimmt man die Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal der gesamten 1960er Jahre zum Maßstab, so entwickelten sich allerdings derart „kräftige Kontraste“, dass vom „harmonischen Ganzen“ kaum mehr etwas zu erkennen war. Nichts beeinflusste und modifizierte die senegalesische Entwicklungspolitik in den 1960er Jahren nachhaltiger als die Erneuerung des Assoziationsabkommens im Dezember 1962. „Beschleunigte Entwicklung“ trat an die Stelle von Dias senegalesischem Entwicklungsweg und den darin eingeschriebenen Vorstellungen einer „harmonischen Entwicklung“. Wenngleich Senghor mit Dias Entwicklungspolitik keineswegs einverstanden war und dieser innersenegalesische Konflikt eine wesentliche Ursache für die Entmachtung des Premierministers darstellte, so ließen der Präsident und seine neue Regierung zunächst nichts unversucht, die zu erwartenden harten Auswirkungen auf die senegalesische Erdnusswirtschaft abzuschwächen. Im Lauf der 1960er Jahre gelang es Dakar jedoch weder, die Bestimmungen zur PDH nachzuverhandeln noch die EWG im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu Kompensationsmaßnahmen zu bewegen. Lediglich der Zeitpunkt, an dem das französische Garantiesystem enden sollte, konnte bis zur Einigung über eine europäische Marktordnung für pflanzliche Ölsaaten und Saatenöle im Juli 1967 hinausgezögert werden. Kurzum entstand mit dem neuen Abkommen ein Grundsatzkonflikt zwischen dem Senegal und der EWG, in dessen Verlauf dem westafrikanischen Land kaum Handlungsspielräume offen blieben. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dieser Auseinandersetzung ein gemeinschaftsinterner Konflikt vorausgegangen war, in dem sich die Bundesregierung und die niederländische Regierung mit ihrer Opposition gegen jedwede dauerhafte Stützungsmaßnahme gegenüber Frankreich und der EWG-Kommission durchzusetzen wussten. Letztlich offenbarten sich dabei zwei gegensätzliche agrarpolitische Modernisierungskonzepte: Während in der EWG landwirtschaftliche Modernisierung auf der Grundlage stabiler Preise und in geschützten Märkten angestrebt wurde, sollte die Liberalisierung respektive Weltmarktintegration der assoziierten Staaten einen erhöhten Modernisierungsdruck auslösen. Dieser Grundsatzkonflikt war wohl der folgenträchtigste, aber bei weitem nicht der einzige, der die Zusammenarbeit zwischen dem Senegal und der EWG in den 1960er Jahren kennzeichnete. Kleinere Auseinandersetzungen mit den Mitgliedsstaaten ergaben sich etwa wegen der Schutzklausel für neu angesiedelte Industrien oder auch deren Unterstützung durch Aufträge des EEF, wobei in letzterem Fall die Generaldirektion ihre Handlungsmöglichkeiten zugunsten des Senegal umfassend auszuschöpfen wusste. Nachhaltige Verstimmungen löste in Dakar außerdem das Reisprojekt in der Casamance aus, an dem die senegalesische Regierung die Schwerfälligkeit und den in ihren Augen übertriebenen Szientismus der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik beispielhaft festmachte. In der Tat kamen in Brüssel im Lauf der 1960er Jahre entwicklungsökonomische Ansätze bei der Beurteilung von Projektanträgen und der Anfertigung von Unter-

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Die Zusammenarbeit in den 1960er Jahren

suchungen wie etwa der Industrialisierungsstudie verstärkt zur Anwendung, auch wenn diese innerhalb der Generaldirektion stark umstritten waren. Die Gegner einer wissensbasierten, sozioökonomisch ausgerichteten Entwicklungspolitik mit Fonds-Direktor Ferrandi an der Spitze eigneten sich jedoch die damit verbundene neue Sprache rasch an, wie das Schicksal des Vorhabens zum Ausbau der Dakarer Wasserversorgung verdeutlichte. Ihre klar politisch motivierte Ablehnung des Pipelinekonzepts von Mannesmann verkleideten Ferrandi und Rochereau zunächst in – gelenkte – wissenschaftliche Expertise, die klassische entwicklungsökonomische Kriterien wie etwa Rentabilitätserwägungen enthielt. Die Auseinandersetzung um die Wasserversorgung illustrierte somit die Verwissenschaftlichung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik und offenbarte zugleich ihre Grenzen, da nicht nur die Generaldirektion, sondern auch Dakar, Paris und Bonn wissenschaftliche Expertise in den Dienst ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen stellten. Nicht zuletzt verweist der Konflikt um die Pipeline darauf, dass es durchaus zu wechselnden Konstellationen im komplexen Beziehungsgeflecht der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit kam und die Brüsseler Generaldirektion sich gegen die französische Regierung zu positionieren wusste. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zusammenarbeit auch in den 1960er Jahren maßgeblich durch französische Einflüsse geprägt wurde. Zum einen finanzierte der EEF, gerade im Rahmen der Diversifizierungshilfe, Projekte, die auf Wissensbeständen ruhten, die im französischen Spätkolonialismus angelegt worden waren. Dass mit der Ausführung französische Forschungsinstitute und Entwicklungsgesellschaften betraut wurden, war in diesen Fällen ebenso naheliegend wie die enge Kooperation mit französischen Instituten im Rahmen der Stipendienförderung. Zum anderen verfügte Fonds-Chef Ferrandi bei der Vergabe von Aufträgen auch über scheinbar grenzenlose Freiheiten, die er nicht selten zugunsten französischer Unternehmen zu nutzen wusste. Die gemeinschaftliche Zusammenarbeit basierte somit in den 1960er Jahren auf zwei konkurrierenden Systemen: einem System des Wissens, und einem System persönlicher Netzwerke und Klientelbeziehungen. Ersteres dominierte klar in der Planung und Projektierung, während letzteres stärker die Umsetzung prägte. Die Ausbildungsprogramme der Gemeinschaft können dabei als Versuch gelesen werden, beide Systeme miteinander zu verbinden. Das Stipendienprogramm diente in erster Linie der Ausbildung afrikanischer Eliten, während das Kolloquienprogramm stärker auf den Auf- und Ausbau persönlicher Beziehungen mit afrikanischen Nachwuchskräften abzielte. Beide Zielsetzungen vereint fanden sich schließlich im Praktikantenprogramm für afrikanische Beamte, die gleichsam in einem Crashkurs methodisches Wissen und Ansichten der EWG internalisieren und gleichzeitig zu „agents de liaison“ der Generaldirektion geformt werden sollten. Der Aufbau einer derartigen epistemic community scheiterte jedoch nicht zuletzt an der Herstellung neuer Hierarchien und der Perpetuierung essentialistischer, teils rassistischer Denkmuster seitens der Brüsseler Funktionäre. Ähnliche Mentalitätslagen ließen sich

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auch in der Praxis vor Ort ausmachen. Die action de vulgarisation der SATEC zeigte allerdings, dass einerseits Differenz nicht nur entlang der Hautfarbe, sondern ebenso aufgrund sozialer Hierarchien angenommen und reproduziert wurde. Andererseits wurden im Alltag mit den Bauern auch verständigere Verhaltensweisen an den Tag gelegt. Nicht zuletzt wurde auch die diplomatische Arena von bestimmten Mentalitätslagen geprägt. Zwar beschworen alle Seiten einen Geist der Zusammenarbeit und betonten damit eine besondere Verbundenheit zwischen der EWG und dem Senegal, die ihre tieferen Wurzeln im französischen Spätkolonialismus hatte. Allerdings entpuppte sich dieser Geist zumindest aus senegalesischer Perspektive regelmäßig als Fiktion, sei es anlässlich der Nachverhandlungen zum Assoziationsabkommen, bei der Entstehung der Sonderregelung im Rahmen der GAP oder auch beim langwierigen Streit um die Dakarer Wasserversorgung. Dabei wurde Senghor sowohl von der französischen als auch von der deutschen Regierung und nicht zuletzt von der Generaldirektion vor den Kopf gestoßen. Ungeachtet unterschiedlicher Motivlagen war diesen eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber senegalesischen Positionen gemein. Allzu oft nahmen sie ihren entwicklungspolitischen Partner nicht ernst und führten ihn darüber hinaus mitunter bewusst in die Irre. Dass sich die Gemeinschaft solche Verhaltensmuster erlauben konnte, ohne tiefgreifende Konsequenzen fürchten zu müssen, verdeutlicht nicht nur die asymmetrischen Machtbeziehungen, die der Zusammenarbeit zugrunde lagen. Dieser Befund relativiert zugleich die These, wonach der Kalte Krieg den Entwicklungsländern grundsätzlich neue Handlungsspielräume eröffnet habe. Wenngleich Senghor schon aufgrund seiner politischen Überzeugungen eine Annäherung an die UdSSR ablehnte, so hatte er ebenso klar erkannt, dass eine derartige Strategie seinem Land keine Vorteile eingebracht hätte. Der Senegal war strategisch gesehen kaum von Interesse für die Supermächte, sodass eine senegalesische Schaukelpolitik nicht einmal annähernd so viel Unterstützung versprach, wie sie Frankreich und Europa gewährten. Beide Faktoren erklären, warum der Systemkonflikt für die Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal während der 1960er Jahre keine übergeordnete Bedeutung erlangte.497 Die Bilanz der senegalesischen Regierung nach gut zehn Jahren gemeinschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit fiel ernüchternd aus.498 Insbesondere der Erdnusssektor hatte sich vom Motor zum Sorgenkind der senegalesischen Volkswirtschaft 497 Vgl. zu dieser These Gaddis (1997), S. 152–154; Cooper (2010), S. 15f.; mit der hier vertretenen Relativierung wird diese These keineswegs verworfen, sondern vielmehr für eine differenzierte, länderspezifische und nicht eurozentrische Perspektive auf das Verhältnis von Kaltem Krieg und Entwicklungspolitik plädiert, vgl. dazu aufschlussreich Frey (2006); ferner auch Büschel/Speich (2009), S. 16–20; vgl. zu Senghors neutraler Haltung Martin (1979), S. 57–61. 498 Vgl. dazu ausführlich Kap. III.1.

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gewandelt. Dies war nicht nur, aber eben auch auf das Engagement der EWG und vor allem das Entwicklungsprojekt der SATEC zurückzuführen. Das daraus resultierende transnationale Public Private Partnership marginalisierte nicht nur sukzessive die unter Dia aufgebaute ländliche Entwicklungsverwaltung. Den französischen Experten gelang es darüber hinaus, ihren Entwicklungsapparat mit der Gründung der SODEVA in eine neue senegalesische Entwicklungsbehörde zu überführen, die kaum besser funktionierte als die bestehenden Strukturen. Das Engagement der SATEC trug damit wesentlich zum Aufbau von neuen Governance-Strukturen in der senegalesischen Landwirtschaft bei. Im Vorgriff auf die 1970er Jahre, als dieser Prozess intensiviert wurde, illustriert dies zum einen, dass die gegenwärtig diskutierten sogenannten neuen Formen des Regierens nicht nur allgemein in kolonialen Herrschaftsformen, sondern genau genommen aufgrund der identischen Akteurskonstellation stärker noch in der frühen Entwicklungszusammenarbeit wurzelten. Zum anderen verdeutlicht das Vorgehen der SATEC, dass derartige öffentlich-private Partnerschaften Räume begrenzter Staatlichkeit zementieren konnten, anstatt den vorhandenen staatlichen Strukturen Stabilität zu verleihen.499 Darüber hinaus wurde die SATEC ihrer Aufgabe in wirtschaftlicher Hinsicht nicht gerecht, was jedoch unter anderem auch auf widrige klimatische Bedingungen zurückzuführen war. Statt einer prosperierenden Erdnusswirtschaft war nach Ablauf der Aktion eine verstärkte Rückkehr zur Eigenbedarfswirtschaft zu beobachten. Spuren hinterließ das Projekt allerdings im ländlichen Sozialgefüge, da einerseits die Reintegration der Vulgarisateure Konflikte hervorrief und andererseits die dörfliche Solidargemeinschaft aufgrund des ungleichen Zugangs zu ,modernen‘ Produktionsmitteln sichtbare Risse bekam. Selbst in Europa blieb die Entwicklungspolitik der EWG und das Scheitern der SATEC nicht ohne Folgen. Der Wegfall des französischen Garantie- und Abnahmesystems und der daran anschließende Einbruch der senegalesischen Erdnussproduktion führten dazu, dass die jahrzehntelang währende Dominanz senegalesischen Erdnussöls in französischen Küchen gegen Ende der 1960er Jahre von anderen pflanzlichen Ölen überlagert wurde.500 Abgesehen davon löste die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik in den 1960er Jahren vor allem auf Arbeitsebene Dynamiken der Europäisierung aus, die sich bisweilen jedoch äußerst zäh gestalteten. Während die SATEC der Auflage zur Europäisierung ihres Projektteams nur halbherzig folgte, tat sich das multinational besetzte Expertenteam der Industrialisierungsstudie zu499 Vgl. zum Governance-Konzept grundsätzlich Schuppert (2008); zu kolonialer Governance vgl. etwa Conrad (2007); zu Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit vgl. programmatisch Risse/Lehmkuhl (2007); dass es sich bei Private Public Partnership um ein globales Phänomen mit einer bis in die Antike zurückreichenden Geschichte handelt, verdeutlicht ferner der Überblick von Wettenhall (2005); vgl. dazu außerdem Kap. III.2. 500 Vgl. dazu Kap. III.3.

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nächst sehr schwer, zu einer gemeinsamen Sprache und Methodologie zu finden. Die geringsten Probleme ergaben sich wohl mit den verschiedenen nationalen Kooperationspartnern, in deren organisatorische Hände die Europäisierung des Kolloquienprogramms gelegt wurde. Die Generaldirektion betrachtete diese Art Netzwerkbildung als derart nebensächlich, dass der anglophile niederländische Abteilungsleiter van der Lee bereits in den frühen 1960er Jahren britische Organisationen mit einbeziehen konnte. Von den Mitgliedsstaaten gingen dagegen – zumindest in Bezug auf den Senegal – kaum Initiativen zu einer Europäisierung ihrer Entwicklungspolitiken aus. Das Projekt zur Dakarer Wasserversorgung hat vielmehr deutlich gemacht, dass in der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit Konflikte um Entwicklung nicht nur zwischen der EWG und dem Senegal, sondern gerade auch innerhalb der Gemeinschaft ausgetragen wurden.

III. Entwicklung in der Krise: Die 1970er Jahre 1. Programmation und planification: Zur Harmonisierung der Zusammenarbeit Der Anbruch einer neuen Dekade bedeutete auf den ersten Blick keine Zäsur für die Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal. Das zweite Abkommen von Yaoundé, das im Juli 1969 geschlossen wurde, wies keine grundsätzlichen Neuerungen auf. Ebenso knüpfte der zur selben Zeit in Kraft getretene dritte senegalesische Entwicklungsplan strategisch an die vorangegangen Pläne an. Darüber hinaus waren auch die außenpolitischen Beziehungen zu Frankreich und Deutschland von Kontinuität geprägt. Der 1969 erfolgte Rücktritt von Präsident de Gaulle hatte kaum Auswirkungen auf die französische Afrikapolitik, zumal dessen Nachfolger Georges Pompidou Jacques Foccart, de Gaulles rechte Hand für und in Afrika, im Amt beließ. Auch die deutsch-senegalesischen Beziehungen, die mit der Verleihung des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Präsident Senghor im Herbst 1968 erst kurz zuvor auf eine neue Stufe gehoben worden waren, unterlagen mit dem Amtsantritt von Willy Brandt ein Jahr später keinem grundsätzlichen Wandel.1 Schließlich berührte die senegalesische Verfassungsreform vom Frühjahr 1970, die das Amt des Ministerpräsidenten wieder einführte und unter anderem eine (späte) Antwort auf die 1968 ausgebrochenen Studentenunruhen in Dakar darstellte, die europäischsenegalesischen Beziehungen nicht. Vielmehr konsolidierte Präsident Senghor mit diesem Schritt seine innenpolitische Machtstellung und blieb dementsprechend auch die bedeutendste Figur bei der Gestaltung der senegalesischen Außenpolitik und damit auch der Entwicklungszusammenarbeit.2 Eine weitere Kontinuitätslinie zu den 1960er Jahren ergab sich aus der einsetzenden Entspannungspolitik im Kalten Krieg: Hatte der Systemkonflikt schon zuvor kaum Auswirkungen auf die europäisch-senegalesische Zusammenarbeit gehabt, so galt dies erst recht seit der Annäherung der Supermächte. Letztere nahm mit der Aufnahme von Verhandlungen über Rüstungsbegrenzungen im November 1969 ihren Anfang und mündete, auch infolge der deutschen Ostpolitik, sechs Jahre später in 1 Vgl. zu Kontinuitäten in Frankreichs Afrikapolitik Meimon (2007); Nouaille-Degorce (1982), S. 132–156; Brüne (1995), S. 68–90; zur Verleihung des Preises an Senghor und die damit verbundenen politischen Dimensionen vgl. Vogel (2007); zu Traditionslinien deutscher Entwicklungspolitik über den Machtwechsel von 1969 hinweg vgl. das differenzierte Urteil bei Hein (2006), S. 307–310. 2 Vgl. Zuccarelli (1988), S. 113–126; Sy (2006); zu den Studentenunruhen in Dakar vgl. Bathily (1992).

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einem erfolgreichen Abschluss der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), bei der unter anderem die territoriale Nachkriegsordnung Europas zementiert wurde.3 Im Gegensatz zu diesen nahezu unveränderten Rahmenbedingungen stand zum einen die neue Dynamik, die sich innerhalb der EWG nach dem Rücktritt de Gaulles im Frühjahr 1969 entfaltete. Dessen Abtreten eröffnete der europäischen Integration neue Perspektiven, die Brandt und Pompidou in nüchterner Verbundenheit bald zur Vollendung, Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Gemeinschaften zu nutzen wussten. Auf dem Haager Gipfel vom Dezember 1969 wurden mit der Einigung auf eine britische Beitrittsperspektive nicht nur erste Weichen gestellt, die regional begrenzte gemeinschaftliche Entwicklungspolitik globaler auszurichten. Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs stärkte zugleich die intergouvernementale Methode innerhalb der Gemeinschaft. Fortan gaben die Mitgliedsstaaten den Kurs der EWG vor, weshalb die Kommission graduell an Gestaltungsspielraum einbüßte.4 Hinzu kam, dass sich im Lauf des Jahres 1970 erneut personelle Veränderungen innerhalb der DG VIII ergaben. Geringere Auswirkungen hatte dabei der Wechsel an der Spitze des Ressorts. Der neue Kommissar Jean-François Deniau war neben der Assoziierung zugleich für die erste Norderweiterung zuständig, konzentrierte sich überwiegend auf diese Verhandlungen und überließ das entwicklungspolitische Tagesgeschäft, darin seinem Vorgänger Rochereau ähnlich, weitgehend der Generaldirektion.5 Als folgenreicher sollte sich erweisen, dass Jacques Ferrandi zwar zum neu geschaffenen Posten des stellvertretenden Generaldirektors aufstieg, mit Hans Broder Krohn jedoch auch einen neuen Vorgesetzten bekam. Krohn, ein ehemaliger Generalstabsoffizier der Wehrmacht, der zuvor in der Generaldirektion Landwirtschaft tätig gewesen war, trat die Nachfolge von Generaldirektor Heinrich Hendus an und führte Zeitzeugen zufolge ein strengeres Regiment als sein Vorgänger, was verstärkt Auseinandersetzungen zwischen ihm und Ferrandi zur Folge hatte.6 3 Vgl. zur Entspannungspolitik in der ersten Hälfte der 1970er Jahre zusammenfassend Chassaigne (2008), S. 50–60; zur Ostpolitik und dem KSZE-Prozess vgl. außerdem Judt (2006), S. 563–571; auf die Anerkennung der Nachkriegsgrenzen hatte die UdSSR bereits seit den 1950er Jahren gedrängt. 4 Vgl. Vahsen (2010), S. 393f.; Patel (2009b), S. 422f; das persönliche Verhältnis zwischen dem Sozialdemokraten Brandt und dem Gaullisten Pompidou galt als unterkühlt, vgl. dazu Hiepel (2004); einen konzisen Überblick zum Gipfel von Den Haag und den sich daraus ergebenden Entwicklungen in der Gemeinschaft bieten etwa Brunn (2002), S. 179–227; Dinan (2004), S. 125–135. 5 Vgl. HAEU INT 767: Interview Deniau, 3./10.11.2004; Dimier (2003), S. 105. 6 Ferrandis eigenen Aussagen zufolge hat Krohn maßgeblich dessen eigene Demission durch unloyales Verhalten forciert, vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 92–95; auch andere Zeitzeugen berichten darüber, dass das persönliche Verhältnis zwi-

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Zum anderen wurde die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit mit einschneidenden Veränderungen im internationalen Entwicklungsdiskurs konfrontiert. Gegen Ende der 1960er Jahre erlebte die Entwicklungsidee aufgrund der enttäuschenden Ergebnisse der ersten Entwicklungsdekade ihre erste Krise. Die Weltbank stellte in ihrer Zwischenbilanz mit dem Titel „Partners in Development“, besser bekannt als Pearson-Bericht, erstmals öffentlichkeitswirksam modernisierungstheoretische Annahmen in Frage. Der Bericht prägte ganz wesentlich die konzeptionelle Ausrichtung der zweiten Entwicklungsdekade der Vereinten Nationen. Armutsbekämpfung, Gesundheitsvorsorge, Grundbedürfnisstrategie und engere Zusammenarbeit hießen die neuen Schlagworte in Washington und New York, die fortan zusammen mit der an Einfluss gewinnenden Dependenztheorie den internationalen Hilfediskurs bestimmten.7 Dieser Wandel ist auch darauf zurückzuführen, dass sich die Länder der Dritten Welt im Lauf der 1960er Jahre im Rahmen der UNCTAD als sogenannte Gruppe der 77 und allgemein in der Bewegung der Blockfreien Staaten zu organisieren wussten und dadurch ihren Anliegen und Forderungen zunehmend Gehör verschafften. Wenngleich diese Bündnisse, denen auch der Senegal angehörte, kaum konkrete Erfolge erzielen konnten, so führte deren unermüdliches Werben für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung und bessere Entwicklungschancen zumindest zu einer erhöhten Sensibilität in der westlichen Welt und insbesondere in der EWG.8 Schließlich und übergreifend waren die 1970er Jahre ein Jahrzehnt des Übergangs, in dem der Boom der trente glorieuses zu Ende ging, die (jüngste) Globalisierung sich Bahn brach und letztlich die (engere) Vorgeschichte unserer Gegenwart einsetzte. Diese Periodisierung gilt nicht nur für Europa und die westliche Welt, sondern besitzt genauso für den afrikanischen Kontinent Validität. Maßgeblich ausgelöst durch den Zusammenbruch des Bretton Woods Systems 1971/72 und stärker noch durch den Ölpreisschock 1973/74 folgte auf eine Phase gemäßigten Wachstums eine

schen Krohn und Ferrandi von Spannungen geprägt war und der Deutsche es nicht duldete, dass Entscheidungen über seinen Kopf hinweg getroffen wurden, vgl. ebd. INT 684: Interview Thiele, 20.10.2004, S. 27; ebd. INT 731: Interview Pirzio-Biroli, 16.6.2004, S. 6. 7 Vgl. Arndt (1987), S. 91–111; Jolly/Emmerij/Ghai/Lapeyre (2004), S. 107–110; Hein (2006), S. 134f.; der Pearson-Bericht wurde nach dem Vorsitzenden des verantwortlichen Komitees, dem ehemaligen kanadischen Premierminister Lester Pearson, benannt. 8 Vgl. zur Rolle der beiden Bündnisse überblicksartig Braveboy-Wagner (2009), S. 13–54; zum Verhältnis zwischen der EWG und der Dritten Welt vgl. grundsätzlich Garavini (2007), hier S. 314–317; die im Oktober 1972 auf dem Pariser Gipfel getroffene Entscheidung der EWG für eine global ausgerichtete Entwicklungspolitik wird dort als Reaktion auf Forderungen dieser Bündnisse gedeutet.

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tiefgreifende Krise, die sich nicht zuletzt in einem ,Entwicklungsrückschritt‘ und einer sprunghaft ansteigenden Verschuldung der afrikanischen Staaten äußerte.9 Eingerahmt in diesen historischen Kontext wird der dritte Teil dieser Studie erörtern, inwieweit Formen und Praktiken der Zusammenarbeit zwischen dem Senegal und der Gemeinschaft in der ersten Hälfte der 1970er Jahre einem Wandel unterlagen. In Abgrenzung zur bisherigen Forschungsliteratur, die die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik unter den beiden Yaoundé-Abkommen als einheitliche Phase gedeutet hat, soll hier der Versuch unternommen werden, ein differenzierteres Bild zu zeichnen.10 *** Kurz vor Beginn der Verhandlungen über ein neues Assoziationsabkommen begab sich Kommissionspräsident Jean Rey im November 1968 für fünf Tage in den Senegal. Es war das erste Mal, dass der höchste Amtsträger der supranationalen Behörde Dakar besuchte. Die senegalesische Regierung maß dem Ereignis eine kaum zu überschätzende Bedeutung bei. Präsident Senghor erwies Rey am Flughafen persönlich die Ehre und bereitete ihm ein Programm, das sonst nur ausländischen Präsidenten zum Staatsbesuch geboten wurde: Staatsbankett in der Présidence, festlicher Empfang im Rathaus, Gala-Soirée im Théâtre Daniel Sorano etc. Reys Aufenthalt geriet zu einer demonstrativen Zurschaustellung eurafrikanischer Verbundenheit, der sich auch die Botschaften der Mitgliedsstaaten unterzuordnen hatten: Als der italienische Botschafter den Kommissionspräsidenten zu einem gemeinschaftsinternen Essen mit seinen europäischen Kollegen lud, brachte Rey zwei senegalesische Minister mit und sprengte somit den rein europäischen Rahmen, der für die Veranstaltung eigentlich vorgesehen war. Im Übrigen konzentrierten sich Rey und seine Delegation auf die Kontaktpflege mit der senegalesischen Regierung. Die Ergebnisse der diversen Unterredungen wurden den Botschaftern der EWG-Mitgliedsstaaten vom technischen Kontrolleur, Detalmo Pirzio-Biroli, mitgeteilt. Die französische Botschaft reagierte daraufhin sehr ungehalten auf die Art und Weise, wie beide Seiten den Besuch gestalteten. Sie sprach von einem Eklat, der sich jedoch dank einer glücklichen Fügung in Grenzen hielt: Der französische Botschafter de Lagarde, zugleich Doyen de corps im Senegal, befand sich während Reys Besuch im Urlaub, wodurch mögliche Protokollstreitigkeiten elegant vermieden wurden.11

9 Vgl. Döring-Manteuffel/Raphael (2008), S. 7–11; Osterhammel/Petersson (2004), S. 93–111; Jarausch (2008), S. 22f.; Cooper (2002), S. 86f. 10 Vgl. zu dieser Interpretation Dimier (2005); Palayret (2009); Vahsen (2010), S. 382–392. 11 Vgl. AMAEF Sénégal 107: Amb. Dakar an Debré, 20.11.1968; CAD Dakar AMB 758: de Lagarde an Debré, 18.12.1968.

Zur Harmonisierung der Zusammenarbeit

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Die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und dem Senegal schien kurz vor der Erneuerung des Assoziationsabkommens derart harmonisch, dass sich selbst die französischen Vertreter vor Ort irritiert zeigten. Ihre Sorgen waren jedoch unbegründet. Jenseits öffentlich inszenierter Verbundenheitsbekundungen rumorte es gewaltig innerhalb der senegalesischen Regierung. Schon im April 1968 resümierte sie ernüchtert die Entwicklungszusammenarbeit mit der Gemeinschaft während der vergangenen Jahre. „Contingent et précaire“ hießen die Attribute, mit denen die Assoziierung charakterisiert wurde. So vermisste man bei den europäischen Partnern den festen Willen, „d’assurer dans les meilleures conditions et jusqu’à son terme le développement“. Dakar wollte klar erkannt haben, dass die Assoziierung als Hürde auf dem steinigen Weg der europäischen Einigung gegolten habe, die, einmal genommen, von einigen der Mitgliedsstaaten nun als lästiger Nebenschauplatz betrachtet werde. Daher rühre auch ihre Fragilität, die sich sowohl in der zeitlichen Befristung der Abkommen als auch im zunehmenden Desinteresse widerspiegele. Die Enttäuschung saß derart tief, dass die Assoziierung gar als eine „élégante solution transitoire pour décharger l’Europe d’un fardeau pesant“ bezeichnet und eine Fortführung unter gleichen Bedingungen zur Disposition gestellt wurde.12 Die Regierung war überzeugt, dass eine simple Erneuerung der Konvention die zunehmende Verarmung der Bevölkerung nicht bremsen könnte. Nicht „renouvellement“, sondern „mutation profonde“ hieß deshalb ihre Zielsetzung für die anstehenden Verhandlungen.13 Grundlegende Veränderungen wollte die senegalesische Regierung sowohl in den Handelsbeziehungen als auch in der Projektzusammenarbeit herbeiführen. Sie plädierte zum einen erneut für eine Agrarmarktregulierung einschließlich Stabilisierungsmaßnahmen sowie für eine Verlängerung der Produktionshilfe. Außerdem forderte sie die europäischen Staaten auf, sich zur Abnahme bestimmter Mengen senegalesischer Erdnüsse zu verpflichten. Zum anderen wünschte sie sich eine vorausschauende Planung der Gemeinschaftshilfe: „L’adoption soit de programme soit d’un cadre d’intervention du FED pour chaque État, en accord avec ce dernier, devrait faciliter la préparation ultérieure des dossiers de projets.“ Die Diversifizierungshilfe sollte darüber hinaus ebenso erhalten bleiben wie der Subventionscharakter der EEFMittel. Ferner wurde eine ganze Reihe an konkreten Verbesserungsvorschlägen gemacht, um die nach wie vor schwerfälligen Prozeduren der Kooperation effizienter zu gestalten.14 So sollten die Generaldirektion in Brüssel und die Delegationen vor Ort mit kompetenten Experten aufgestockt sowie regelmäßigere Missionen des Fonds 12 ANS 1R 667bis: Ministère du Commerce sénégalais, Communication en Conseil interministériel sur l’établissement d’un nouveau régime d’association, 29.4.1968. 13 Ebd.: Ministère du Commerce sénégalais, Document de synthèse élaboré par le Comité national du Sénégal, o.D. [1968]. 14 Ebd.; die senegalesische Regierung hatte errechnet, dass ein Jahr vor dem Auslaufen des zweiten Fonds gerade einmal 30 Prozent der für den Senegal bestimmten Mittel freigegeben worden waren.

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mit ausreichend Fachpersonal unternommen werden. Außerdem trat man für eine Dezentralisierung der Entscheidungsbefugnisse zugunsten der Delegationen vor Ort ein. Schließlich wurde eine sorgfältigere Auswahl der Studienbüros angemahnt und gefordert, dass jene vor Ort präsenter sein müssten.15 Der lange Wunschzettel der senegalesischen Regierung dokumentiert die enorme Unzufriedenheit über die Art und Weise der bisherigen Zusammenarbeit. Die Klagen über mangelnde Kommunikation und mäßiges Personal erscheinen umso bemerkenswerter, als bisher davon ausgegangen wurde, dass die vormalig kolonialen Klientelbeziehungen dank der französischen Dominanz in der Generaldirektion VIII unvermindert fortgewirkt hätten.16 Aus senegalesischer Perspektive wirkte die Gemeinschaftshilfe demgegenüber langsam, bürokratisch, vor allem aber technokratisch und bisweilen wenig verlässlich.17 Mit dieser Expertenschelte drehte die senegalesische Regierung zugleich ein Stück weit den Spieß um: Dakar wies die Verantwortung für die als mangelhaft empfundene Zusammenarbeit der 1960er Jahre zu einem Gutteil der Gemeinschaft zu. Die relative Gleichzeitigkeit des pompös inszenierten öffentlichkeitswirksamen Besuchs von Jean Rey in Dakar einerseits und der intern geäußerten schonungslosen Kritik an der Praxis der Assoziierung andererseits lassen erkennen, dass der Senegal in der Entwicklungszusammenarbeit bisweilen gute Miene zum bösen Spiel machte.18 Dies galt erst recht für das neue Abkommen, das im Juli 1969 beschlossen wurde und den senegalesischen Forderungen kaum Rechnung trug. Sämtliche Anliegen im Bereich der Handelsbeziehungen wurde von den deutschen und niederländischen Verteidigern des Freihandels kategorisch abgelehnt. Die Produktionshilfe fand ebenso wenig Fortsetzung wie ein Sonderbudget für die Diversifizierungshilfe. Stattdessen wurde ein spezieller Topf über maximal 80 Millionen RE eingerichtet, aus dem Nothilfen in Ausnahmesituationen gewährt werden konnten.19 Ferner wurde das gesamte Volumen der finanziellen Hilfe auf lediglich 1 Milliarde RE angehoben statt der 15 Vgl. ANS 1R 667bis: Commission interministérielle chargée d’étudier les conditions de renouvellement de la convention de Yaoundé, sous-commission „aide financière et technique“, o.D. [1968]. 16 Vgl. zu dieser Auffassung Dimier (2008). 17 Bei diesem Urteil wurde explizit auf das Reisprojekt der ILACO in der Casamance verwiesen, vgl. dazu Kap. I.3. und II.5. 18 Dabei verheimlichte die senegalesische Regierung ihre Position gegenüber Rey nicht. Ganz im Gegenteil wurden dem Kommissionspräsidenten sämtliche Forderungen kund getan, vgl. HAEU 25/1980-1391, S. 4: Exposé du ministre du commerce, 13.11.1968; ebd., S. 25: Allocution Magatte Lo, o.D. [1968]; ebd., S. 43: Exposé du ministre du plan et de l’industrie concernant la coopération technique et financière, 13.11.1968. 19 Inoffiziell wurde dieser Reservefonds jedoch als – wesentlich unvorteilhaftere – Nachfolgeregelung zur Produktionshilfe betrachtet, weil ein Sturz der Weltmarktpreise als derartige Ausnahmesituation anerkannt wurde, vgl. dazu im Detail Kap. III.3.

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1,5 Milliarden RE, die die assoziierten Staaten gefordert hatten. Die Verhandlungen zum zweiten Abkommen von Yaoundé wurden somit von ganz ähnlichen Machtasymmetrien geprägt wie jene zum ersten Abkommen knapp sieben Jahre zuvor. Dies wirkte sich auch auf die Inhalte der neuen Konvention aus, die, von den genannten Veränderungen abgesehen, kaum weitere Neuerungen bereithielt.20 *** Die angestrebte „mutation profonde“ blieb also aus. Angesichts der gescheiterten zweiten Welthandelskonferenz der UNCTAD in Neu-Delhi ein Jahr zuvor, bei der keinerlei Fortschritte erzielt werden konnten, die Probleme der schwankenden Weltmarktpreise auf globaler Ebene zu lösen, blieb dem Senegal dennoch keine andere Wahl.21 Ein unzureichendes Assoziationsabkommen schien immer noch besser als gar keine Gemeinschaftshilfe. Und wenigstens in einem Punkt konnte der Senegal einen Erfolg verbuchen: Der europäische Fonds wurde verpflichtet, mit jedem assoziierten Land ein entwicklungspolitisches Rahmenprogramm für die kommenden fünf Jahre festzulegen. Dabei kam der Zeitpunkt dieser Neuerung recht gelegen, denn der dritte senegalesische Entwicklungsplan trat am 1. Juli 1969 und damit wenige Wochen vor dem Abschluss der Verhandlungen über das neue Abkommen in Kraft. Somit bot sich zu Beginn der 1970er Jahre eine neue Chance, senegalesische planification und gemeinschaftliche programmation stärker als bisher miteinander zu verzahnen und dadurch die vom Senegal geforderte „coopération plus étroite et plus harmonisée“ in die Praxis umzusetzen.22 Wie gewohnt nahm Präsident Senghor auch die Marschroute des dritten senegalesischen Plans in einem Geleitwort vorweg: „L’objectif majeur du socialisme est de faire régner l’abondance par le développement accéléré des forces productives et, partant, de la production. Il est majeur, en ce sens qu’il doit avoir la priorité sur tout autre, singulièrement sur la justice sociale. Mais le second objectif reste bien la justice sociale. Cela veut dire que les biens et services ainsi multipliés dans l’abondance seront répartis équitablement entre les travailleurs après qu’en aura été prélevé, 20 Vgl. zu den Verhandlungen über das zweite Abkommen Zartman (1971), S. 189–195; Cosgrove-Twitchett (1978), S. 115–120; Vahsen (2010), S. 369–382; weitere Innovationen betrafen insbesondere flexiblere Möglichkeiten der Kreditnahme für die assoziierten Länder. 21 Das Scheitern von Neu-Delhi bot dem Senegal und den übrigen AASM ein zusätzliches Argument, zumindest im regionalen Rahmen Absicherungen zu schaffen, vgl. CosgroveTwitchett (1978), S. 116f.; Zartman (1971), S. 188f.; Vahsen (2010), S. 371f.; zur Bedeutung der UNCTAD im Nord-Süd-Konflikt allgemein vgl. Garavini (2007), S. 314–316; ferner Braveboy-Wagner (2009), S. 30–54. 22 ANS 1R 667bis: Ministère du Commerce sénégalais, Document de synthèse élaboré par le Comité national du Sénégal, o.D. [1968].

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sous forme d’impôts, ce qui est nécessaire aux services publics, notamment aux services sociaux chargés de l’éducation, de la santé et des loisirs.“23

Wachstum vor sozialer Gerechtigkeit hieß demnach die entwicklungspolitische Strategie, die der Senegal die kommenden vier Jahre einzuschlagen gedachte. Nach wie vor eingebettet in eine sozialistische und humanistische Rhetorik zielte der Plan, indem er der Produktion absolute Priorität einräumte, auf eine beschleunigte Entwicklung ab. Darüber hinaus sollte mit dem dritten Plan die Senegalisierung in den Unternehmen intensiviert und finanzieller Handlungsspielraum des Staates zurückgewonnen werden.24 Die Ausarbeitung des dritten Plans folgte einem ähnlichen Schema wie jene des zweiten Plans. Auch dessen Grundlinien spiegelten sich im neuen Plan wider. Entsprechend fielen die konkreten Zielsetzungen in den verschiedenen Sektoren aus. In der Landwirtschaft sollte die maßgeblich von der EWG geprägte Stoßrichtung des zweiten Plans entschlossen weitergeführt werden. So war vorgesehen, die Diversifizierung weiter voranzutreiben und den Erdnusssektor produktiver zu machen, wobei eingeräumt wurde, dass es in erster Linie darum gehen müsse, „d’éviter toute dégradation du niveau de vie des populations rurales.“ Im sekundären Sektor sollten verstärkt Anstrengungen unternommen werden, landwirtschaftliche Erzeugnisse industriell zu verarbeiten. Der Ausbau der Infrastruktur wurde auf das Notwendigste begrenzt. So wollte man sich auf Instandhaltungsmaßnahmen und solche Projekte beschränken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Produktionsprozess oder dringend notwendigen sozialen Maßnahmen standen. Investitionen in Wissenschaft und Forschung sollten dagegen intensiviert und stärker in den Dienst wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung gestellt werden. Die einzige inhaltliche Innovation im Vergleich zur Entwicklungsplanung der 1960er Jahre äußerte sich in der Aufnahme des Tourismussektors als eigenständiges potentielles Entwicklungsfeld.25 In methodischer Hinsicht hielt der Plan demgegenüber einige signifikante Neuerungen bereit. So wurde mit ihm ein „horizon an 2000“ eröffnet und dadurch ein echter Neuanfang mit längerfristiger Perspektive ausgerufen. Zur Jahrtausendwende sollte der Lebensstandard – bemessen nach dem durchschnittlichen ProKopf-Einkommen – verdreifacht werden und der Senegal so den Entwicklungsstand eines halbindustrialisierten Landes erreichen. Diese Prognose basierte auf der Kalkulation eines jährlichen Wachstums von mehr als 5 Prozent. Darüber hinaus setzte sich der Plan insgesamt mit wesentlich genaueren und differenzierteren Statistiken, unter anderem zum Bruttosozialprodukt, zur Bevölkerungsentwicklung und zu diversen Produktionszahlen, deutlich von seinen Vorgängern ab. Übergreifend wurde 23 RdS, Troisième plan quadriennal de développement économique et social 1969–1973, S. 0. 24 Vgl. ebd., S. 2. 25 Ebd., S. 36f.

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mit dem Dokument ein Wissensbestand präsentiert, der wesentlich besser auf die in Brüssel vorherrschenden Informationsbedürfnisse zugeschnitten war als die vorangegangenen Pläne. Zugleich nahm der neue Plan stärker als bislang den Charakter eines Projektkatalogs an, aus dem sich potentielle ausländische Geldgeber Vorhaben aussuchen konnten.26 In der Tat schenkte die Generaldirektion kurz darauf erstmals einem senegalesischen Entwicklungsplan systematische Aufmerksamkeit. Gewiss hätten die Entwicklungspläne der assoziierten Staaten bereits zur Zeit des ersten Abkommens von Yaoundé in der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik berücksichtigt werden sollen. Allerdings war damals mit der Produktionshilfe ein eigenes Programm aufgestellt worden, das den senegalesischen Plan weitgehend ignoriert hatte und in der Folge zu dessen Anpassung an die Vorgaben aus Brüssel führte. Auch für die weitere Projektzusammenarbeit der 1960er Jahre spielte der Plan lediglich eine untergeordnete Rolle.27 Mit dem neuen Abkommen sollte sich dies grundlegend ändern. So bestimmte die Konvention, dass die assoziierten Staaten die Kommission möglichst „bei Inkrafttreten dieses Abkommens über ihre Entwicklungspläne und -programme sowie über die Maßnahmen, für die sie eine finanzielle Unterstützung der Gemeinschaft beantragen wollen“, informieren mussten.28 Darauf aufbauend verpflichteten die Mitgliedsstaaten die Generaldirektion, auf der Grundlage der nationalen Entwicklungspläne ein Investitionsprogramm für die gesamte Laufzeit des neuen Abkommens zu erarbeiten und anschließend dem EEF-Ausschuss vorzulegen.29 Mit dieser Neuerung wurde das bisherige Vorgehen nicht grundlegend modifiziert. Nach wie vor sollte der Ausschuss über jedes Projekt einzeln entscheiden. Dennoch hielt mit der programmation der Hilfe ein planerisches Element Einzug in die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik, die damit einem allgemeinen Trend in der Gemeinschaft zu mehr Planung folgte. Bemerkenswert daran ist vor allem die Route, die dieses keineswegs trennscharfe Konzept durchlief: Der Begriff der programmation wurde 1962 vom französischen Wirtschaftskommissar der EWG, Robert Marjolin, eingeführt, als er der damals noch sehr planungskritischen deutschen Regierung seine Idee einer vorausschauenden Wirtschaftsplanung auf EWG-Ebene schmackhaft machen wollte. Wenngleich sich Marjolin mit seiner Idee zunächst nicht durchsetzen konnte, so gewannen planerische Elemente in Brüssel zweifellos an Bedeutung im

26 Vgl. RdS, Troisième plan quadriennal de développement économique et social 1969– 1973, S. 30, 34f. 27 Vgl. dazu ausführlich Kap. II.2. und Kap. II.5. 28 Abl.EG L Nr. 282, 28.12.1970, S. 2–17: Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten Staaten und Madagaskar, hier S. 9f. 29 Vgl. HAEU 25/1980-1049, S. 79: Secrétariat du comité du FED, Contenu des propositions de financement 3ème FED, 15.5.1970.

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Laufe der 1960er Jahre.30 Nachdem die programmation im Sinne einer mehrjährigen Vorausschau mit dem zweiten Abkommen von Yaoundé die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik erfasste, dauerte es weitere fünf Jahre, ehe das Konzept den Heimweg antrat und vom französischen Entwicklungsminister Pierre Abelin für die bilaterale Zusammenarbeit durchgesetzt wurde. Bislang hatte eine programmation in Abelins Ministerium keine Rolle gespielt, weil der französische Entwicklungsapparat der planification der afrikanischen Staaten vertraut hatte, die wiederum überwiegend auf französischer Expertise beruhte. Im Endeffekt übernahm die Rue Monsieur mit der Einführung einer mehrjährigen Vorausschau erneut eine Vorgehensweise aus Brüssel, die eine Rationalisierung der bilateralen Zusammenarbeit bewirken sollte.31 Die senegalesische Forderung nach einer gemeinschaftlichen Rahmenplanung stieß auf eine positive Resonanz in Brüssel, weil sie von den Mitgliedsstaaten vorbehaltlos geteilt und letztlich durchgesetzt wurde. Außerdem fand die neue Methode auch innerhalb der Generaldirektion großen Anklang. Insbesondere die Studienabteilung hatte seit längerem für eine strukturiertere Herangehensweise in der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik plädiert, nicht zuletzt, um die eigene Stellung innerhalb der Generaldirektion aufzuwerten. Ferrandi war hingegen nicht sonderlich erbaut über diese neuen Auflagen, leistete aber auch keinen erkennbaren Widerstand.32 Konkret erhielt die Generaldirektion von den Mitgliedsstaaten den Auftrag, parallel zum ersten Projektvorschlag, der dem EEF-Ausschuss für einen bestimmten afrikanischen Staat vorgelegt wurde, zwei Dokumente zu präsentieren: eine Studie zur allgemeinen Entwicklung des jeweiligen Landes, die Durieuxs Direktion erstellen sollte, sowie besagtes längerfristiges Aktionsprogramm, für das Ferrandis Abteilung zuständig war und das sich auf die eingereichten Vorhaben der assoziierten Staaten

30 Vor allem der damalige deutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard lehnte staatliche Wirtschaftsplanung ab, vgl. zu den Details der Initiative Marjolins und deutschen Gegenkonzepten Nützenadel (2005), S. 222–228; Metzler (2005), S. 232–240. 31 Vgl. CAD Dakar MCAC 42: Abelin, Circulaire, 27.2.1975; im später veröffentlichten Rapport Abelin vom September 1975 wurde die programmation als innovative Neuerung angepriesen, vgl. dazu Bourgi (1979), S. 28–31; für das neue Verfahren wurde eigens eine direction des programmes im Ministerium eingerichtet. Im Mai desselben Jahres begab sich eine zehnköpfige Delegation des Ministeriums erstmals auf eine „mission de programmation“ in den Senegal, um für die restliche Laufzeit des vierten senegalesischen Plans, das heißt bis 1977, ein Programm zu erstellen, vgl. ebd.: Ministère de la Coopération, Rapport de mission, 12-17.5.1975; zeitgleich zur Einführung der programmation auf EWG-Ebene kam es auch in der Bundesrepublik verstärkt zu Entwicklungsplanungen in der bilateralen Entwicklungspolitik, vgl. Hein (2006), S. 202–207. 32 Vgl. HAEU INT 693: Interview Durieux, 3.3.2004, S. 31f.; ebd. INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 80; vgl. zu Ferrandis Auffassung auch Dimier (2008), S. 450.

Zur Harmonisierung der Zusammenarbeit

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stützen sollte.33 Der Senegal war das erste Land, das einer programmation unterzogen wurde. Bereits Ende 1969 waren beide Dokumente fertiggestellt, die ausschließlich auf der Grundlage des dritten senegalesischen Plans erarbeitet wurden. Obwohl der Senegal bis dahin noch kein Investitionsprogramm für den neuen Fonds eingereicht hatte, legte sich die Fondsabteilung bereits auf ihr eigenes Rahmenprogramm fest und stellte den Senegal damit ein Stück weit vor vollendete Tatsachen.34 Diese Eigeninitiative verdankte sich der unvermindert vorherrschenden Gewissheit wissenschaftlicher und technischer Überlegenheit, die sich auch in den Analysen über den senegalesischen Plan widerspiegelte. Gewiss teilten beide Abteilungen dessen Grundorientierung, kurzfristig und unmittelbar produktiven Maßnahmen Priorität einzuräumen. Zugleich aber kritisierten sie, dass sich jene übergeordnete Strategie kaum mit den Inhalten des Plans deckte. Auch wurde bemängelt, dass dessen Volumen mit mehr als 140 Milliarden F CFA geradezu phantastische Züge annahm, weil dem senegalesischen Staat kaum Investitionsmittel zur Verfügung stünden und zudem die Kalkulation der externen Gelder mit etwa 85 Milliarden F CFA viel zu optimistisch ausgefallen sei. Schließlich waren sich beide Direktionen einig darüber, dass sich die senegalesischen Kollegen entgegen ihrer eigenen Auffassung kaum Gedanken über die wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Auswirkungen der vorgeschlagenen Projekte gemacht hätten. „Mieux vaut voir peu que rien du tout“, lautete dementsprechend das Fazit der Fondsabteilung. Der senegalesische Plan diente den Brüsseler Beamten vor allem als Ausgangspunkt, um sich jene Maßnahmen auszuwählen, die nach ihrer Auffassung den Senegal auf den rechten Entwicklungspfad bringen würden.35 Obwohl die Direktoren Ferrandi und Durieux unterschiedliche entwicklungspolitische Ansätze verfolgten,36 bewerteten ihre Abteilungen den dritten senegalesischen Plan nahezu identisch. Nachwirkungen der in den 1960er Jahren ausgetragenen theoretischen Auseinandersetzung über die ,richtige‘ entwicklungspolitische Herangehensweise spiegelten sich lediglich in der Art und Weise der Präsentation wider: Während die Studiendirektion ihre Beurteilung vorwiegend auf Zahlen stützte und ihre Darstellung mit einem ausführlichen statistischen Anhang versah, beschränkte sich die Fondsabteilung vorwiegend auf eine qualitative Analyse. Dies lag auch daran, dass sich der 33 Vgl. HAEU 25/1980-1049, S. 79: Secrétariat du comité du FED, Contenu des propositions de financement 3ème FED, 15.5.1970; ferner auch Abl.EG L Nr. 282, 28.12.1970, S. 47–53: Internes Abkommen über die Finanzierung und die Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft, hier Art. 14. 34 Vgl. HAEU INT 693: Interview Durieux, 3.3.2004, S. 33. 35 HAEU 25/1980-1362, S. 76: Direction du FED, Analyse du 3ème plan quadriennal du Sénégal et détermination d’un programme d’investissement du FED, November 1969, hier. S. 82, 85; ebd., S. 169: Direktion für Entwicklungspolitik und -studien, Die Wirtschaftsentwicklung im Senegal – Analyse und Perspektiven, Dezember 1969, hier S. 193. 36 Vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 37.

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Bericht der Studienabteilung direkt an den EEF-Ausschuss richtete, der auf statistische Analysen besonders großen Wert legte. Dessen ungeachtet illustrieren die beiden Dokumente, dass der wissensbasierte Ansatz innerhalb der Generaldirektion auch zu Beginn der 1970er Jahre nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt hatte.37 Ungeachtet der inhaltlichen wie handwerklichen Kritik am senegalesischen Plan war die EEF-Abteilung überzeugt, dank ihres Wissens und ihrer analytischen Fähigkeiten ein zukunftsweisendes Programm für den Senegal aufstellen zu können: „Ainsi, l’orientation générale qui se désigne dans le programme d’investissement du 3ème FED constitue, à notre avis, une réponse à la situation actuelle de l’économie sénégalaise et une base pour son développement futur.“38

Inwieweit hier noch ungebrochen fortwirkende Machbarkeitsphantasien oder schon institutionelle Selbsterhaltungstriebe wirkten, ist schwer zu sagen. Jedenfalls verstand es Ferrandi, den senegalesischen Verantwortlichen das Gefühl zu geben, dass der Senegal grundsätzlich auf dem richtigen Weg sei und in der EWG einen hervorragenden Partner für die Umsetzung des Plans habe. Als sich der EEF-Chef mit sechs Mitarbeitern der Generaldirektion im März 1970 für eine Woche nach Dakar begab, um das Programm für den dritten Fonds mit der senegalesischen Regierung zu diskutieren, hob Ferrandi die senegalesischen Entwicklungsbemühungen hervor und betonte die konstruktive Arbeitsatmosphäre. Senghor stimmte umgehend in dieses Loblied auf die Zusammenarbeit ein und pries die Gemeinschaft als jene internationale Organisation, „qui aide le plus et le mieux le Sénégal.“39 Ebenjene vertrauliche Atmosphäre ermöglichte es der Brüsseler Delegation, ihre deutliche Kritik am senegalesischen Plan implizit in den Verhandlungsprozess einfließen zu lassen. Das erst zu diesem Anlass präsentierte senegalesische Investitionsprogramm stieß auf ähnliche Unzufriedenheit bei den Brüsseler Experten. Nachstehende Tabelle macht deutlich, dass der Senegal durchaus antizipiert hatte, in welchen Bereichen der europäische Fonds am ehesten bereit war, Unterstützung zu gewähren. Noch stärker zeigt sich jedoch, wie die Generaldirektion die selbst gewählten Prioritäten letztlich durchsetzte. Da Senghors Wunschzettel einen finanziellen Umfang von mehr als 26 Milliarden F CFA aufwies, entstand ein relativ großer Handlungsspielraum, dem Programm eine andere Richtung zu verleihen, da nur etwas mehr als 17 Milliarden F CFA zur Verfügung standen.

37 Vgl. zur Durchsetzung des wissensbasierten Ansatzes Kap. II.5. 38 HAEU 25/1980-1362, S. 76: Direction du FED, Analyse du 3ème plan quadriennal du Sénégal et détermination d’un programme d’investissement du FED, November 1969, hier. S. 127. 39 Ebd., S. 130: Ferrandi, Rapport de mission, o.D. [1970], hier S. 132.

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Zur Harmonisierung der Zusammenarbeit

Prozentuale Verteilung der Mittel nach Sektoren40

Sektor Landwirtschaft, Fischerei, Viehzucht Industrie, Handel, Tourismus Wirtschaftliche Infrastruktur Soziale Infrastruktur Anderes Summe

Senegalesischer Plan

Senegalesischer EEF-Antrag

EEF-Programm

29

51

64

20 13 25 13 100

0 21 28 0 100

0 22 14 0 100

Vor allem der hohe Anteil an Vorhaben zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur missfiel der europäischen Delegation. Senghor begründete seinen Vorschlag damit, dass der europäische Fonds nicht so starren Vergabekriterien verpflichtet sei wie andere ausländische Geldgeber. Eingedenk der Erfahrungen, die der Präsident mit dem europäischen Fonds in der Vergangenheit gemacht hatte, wollte er offensichtlich mit solchen kaum ernst gemeinten Schmeicheleien Zugeständnisse erreichen. Doch Ferrandi blieb hart und verpasste dem EEF-Programm, im Übrigen ganz im Einklang mit dem senegalesischen Plan, eine wachstumsorientierte Stoßrichtung mit klarer Priorität in der Landwirtschaft. Der Industrialisierung schenkte der Fonds-Chef hingegen nach wie vor keinerlei Beachtung; die entsprechende Studie der EWG aus den 1960er Jahren hatte insofern entgegen ihrer Zielsetzung keinerlei Auswirkungen auf die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik im Senegal.41 So neu die Einführung einer mehrjährigen programmation war, so bewährt schienen ihre inhaltlichen Schwerpunkte. Der dritte europäische Fonds setzte auf eine Fortsetzung landwirtschaftlicher Diversifizierung im Senegal. Der Förderung des Reisanbaus galt die höchste Priorität. Auch die Unterstützung für den Anbau von Baumwolle und Esserdnüssen wurde weitergeführt. Neben der Ausweitung der bestehenden Aktivitäten sollte sich der EEF in den kommenden Jahren außerdem verstärkt um die Viehzucht, die Fischerei sowie kleinere Aktionen zur Verbreiterung der Anbaupalette kümmern. Die infrastrukturellen Vorhaben betrafen überwiegend den Ausbau des Verkehrsnetzes und wurden in geographischer Hinsicht eng mit den Diversifizierungsmaßnahmen verknüpft. Mit der Rahmenplanung wurde somit die Mitte der 1960er Jahre begonnene Politik in einer konsequenteren Form als bisher fortgesetzt.42 40 Vgl. HAEU 25/1980-1362, S. 130: Ferrandi, Rappont de mission, o.D. [1970], hier S. 133. 41 Vgl. ebd., hier S. 132, 144–147. 42 Vgl. HAEU 25/1980-1328, S. 407: DG VIII, Note sur les interventions envisagées sur les ressources du 3ème FED en République du Sénégal, o.D. [1971], hier S. 413f., 417; bei

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Die 1970er Jahre

*** Nicht nur die Projektzusammenarbeit erlebte mit dem zweiten Abkommen von Yaoundé eine programmatische Harmonisierung. Auch die Ausbildungsprogramme der Gemeinschaft wurden zu Beginn der 1970er Jahre einer vorausschauenden Planung unterworfen. Vor allem afrikanische Stipendiaten hatten in der Vergangenheit unter dem jährlichen Bewilligungsvorbehalt des EEF-Ausschusses gelitten, weil sie in der Regel sehr spät, mitunter auch zu spät erfahren hatten, ob ihr Stipendium erneuert wurde und sie ihr Studium oder ihre Ausbildung beenden konnten. Deshalb forderte Brüssel die assoziierten Staaten auf, mehrjährige Ausbildungsprogramme vorzulegen, die mit Stipendien der Gemeinschaft umgesetzt werden sollten. Da die Finanzierung für Ausbildungsmaßnahmen mit dem Abschluss des neuen Abkommens ausschließlich vom EEF getragen wurde, überließ es die DG VIII fortan den afrikanischen Regierungen, die Anzahl der Stipendien zu bestimmen. Je mehr Stipendien beantragt wurden, desto weniger Mittel standen für Entwicklungsprojekte zur Verfügung, lautete die einfache Regel für das neue Prozedere.43 Diese Neuerungen erweiterten die Handlungsspielräume der afrikanischen Staaten allerdings nur auf dem Papier; in der Praxis erwiesen sie sich als illusorisch. Als die Mitarbeiter der DG VIII im Frühjahr 1972 in die assoziierten Länder ausschwärmten, um die mehrjährigen Ausbildungsprogramme festzulegen, wies van der Lees Nachfolger Jean Westhoff die senegalesischen Planungen zurück, die mehr als 1.000 Stipendien bis 1975 vorsahen. So große Summen stünden dem EEF nicht zur Verfügung, hieß es zur Begründung. Der daraufhin geäußerte Wunsch von Entwicklungsminister Emile Badiane, die Stipendien zu teilen, um möglichst viele senegalesische Auszubildende unterstützen zu können, fand beim Niederländer ebenso wenig Gehör. Neben der Stipendienanzahl wurden auch die Ausbildungsschwerpunkte teilweise von Brüssel mitbestimmt, da sich ein Teil der Stipendien nach dem prognostizierten Personalbedarf laufender Entwicklungsprojekte der EWG richtete.44 Bei der Durchführung des Praktikantenprogramms kam die DG VIII Forderungen der assoziierten Staaten gleichfalls nur graduell entgegen. Zwar öffnete die EWG-

den kleineren Aktionen handelte es sich um verschiedene Früchte, Tomaten und weiteres Gemüse. Ferner wurden auch Interventionen im Fischfang angepeilt, vgl. zu den konkreten Maßnahmen Kap. III.2. 43 Vgl. M. A. de Briey, Du nouveau pour les boursiers du FED, in: Courrier de l’Association Nr. 15 (1972), S. 44f. 44 Vgl. HAEU 25/1980-1477, S. 149: Westhoff, Rapport de mission, o.D. [1972], hier S. 151–156, 246–249; die DG VIII nahm die mehrjährigen Ausbildungsprogramme sehr ernst und schuf zu diesem Zweck extra den Posten eines contrôleur régional de formation, der, für mehrere Länder zuständig, deren Durchführung koordinieren und überwachen sollte, vgl. ebd. 25/1980-1759, S. 48: DG VIII, Mandat Nr. 231, 16.9.1970.

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Zur Harmonisierung der Zusammenarbeit

Kommission im Frühjahr 1971 das in der Zwischenzeit in ,Fortbildung‘45 umbenannte Programm für afrikanische Universitätsabsolventen, worauf die afrikanischen Länder seit längerer Zeit gedrängt hatten. Nach den Vorstellungen der Generaldirektion sollten sich die Studenten allerdings durch hervorragende Studienleistungen ausgezeichnet haben und für höhere Posten in der heimischen Ministerialbürokratie vorgesehen sein. An der Zielsetzung wurde demnach ebenso festgehalten wie am bisherigen Programm für die Beamten; die Dauer von letzterem wurde allerdings auf acht Wochen verkürzt.46 *** Zusammenfassend hatte der mit dem zweiten Abkommen von Yaoundé einsetzende Übergang zu einer mehrjährigen länderspezifischen Rahmenplanung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik mehrere Ursachen: Erstens resultierte diese allgemein aus den Enttäuschungen über die Ergebnisse der ersten Entwicklungsdekade und der in der internationalen Gebergemeinschaft aufgekommenen Kritik an einer fehlgeleiteten und inkohärenten Entwicklungspolitik, wie sie sich etwa auch im Pearson-Bericht niederschlug.47 Zweitens teilten die assoziierten Staaten, darunter ganz explizit der Senegal, diese Kritik und sprachen sich für eine längerfristige Planung aus. Drittens traten auch die Mitgliedsstaaten der EWG für ein rationaleres Vorgehen in der Zusammenarbeit ein und achteten zudem stärker darauf, dass die Bestimmungen des neuen Abkommens auch eine Umsetzung erfuhren. Nicht zuletzt war das Verfahren der programmation viertens ein Konzept, das von der Kommission zu Beginn der 1960er Jahre im Zusammenhang mit einer vorausschauenden Wirtschaftspolitik für EWG-Europa in Stellung gebracht worden war und deshalb auch in der DG VIII überwiegend auf fruchtbaren Boden fiel. Die programmation des europäischen Fonds führte graduell zu einer harmonischeren Zusammenarbeit, ohne jedoch bestehende Ungleichgewichte einzupendeln. Zum einen erhielt die senegalesische Regierung mit dem neuen Verfahren in der Tat mehr Planungssicherheit. In einer Zeit, in der einerseits der Senegal mehr als je zuvor seit seiner Unabhängigkeit auf externe Unterstützung angewiesen war und andererseits viele andere Geberinstitutionen einschließlich Frankreich nach wie vor in Kalenderjahren planten, barg diese kleine Innovation einen nicht zu unterschätzenden 45 Die Umbenennung erfolgte bereits 1968 und erfuhr im neuen Abkommen eine Bestätigung. Innerhalb der Generaldirektion blieb jedoch weiterhin der Titel Praktikum gebräuchlich, vgl. Abl.EG L Nr. 282, 28.12.1970, S. 21: Assoziationsabkommen, Protokoll über die Verwaltung der Hilfe, hier Art. 3 e); Rempe (2009a), S. 226. 46 Vgl. HAEU 25/1980-2123, S. 42: DG VIII, Procès-verbal de la réunion avec les représentants des EAMA, 18.11.1970; ebd., S. 58: Krohn an Boegner, 27.1.1971; ebd., S. 126: DG VIII, Stages post-universitaires pour ressortissants des EAMA, o.D. [1971]; Art. La formation, in: Courrier de l’Association Nr. 10 (1971), S. 15f. 47 Vgl. zu den Inhalten zusammenfassend Hein (2006), S. 134f.

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Die 1970er Jahre

Vorteil. Zum anderen führte die Verpflichtung zur Rahmenplanung im Projekt- wie im Ausbildungsbereich zu einer strukturierteren Herangehensweise in Brüssel, der sich im Übrigen auch Ferrandi nicht entziehen konnte.48 Sie zwang die Generaldirektion dazu, sich detaillierter als bisher mit senegalesischen Entwicklungsstrategien auseinanderzusetzen. Im Ergebnis deckte sich das Rahmenprogramm für den Senegal ohne Abstriche mit den Grundorientierungen des dritten senegalesischen Plans. Dass dieser entwicklungspolitische Konsens weniger das Resultat fairer Verhandlungen auf Augenhöhe als vielmehr glücklicher Fügung respektive weiser Voraussicht der senegalesischen Planer geschuldet war, liegt auf der Hand. Einmal angenommen, die senegalesische Regierung hätte ausschließlich um den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Brunnen gebeten, so hätte die Generaldirektion dem Senegal aller Wahrscheinlichkeit nach rasch ihr eigenes Programm oktroyiert. Ihr nach wie vor ungebrochener, tendenziell bevormundender Gestaltungswille äußerte sich auch bei der Festlegung des Stipendienprogramms. Dies verweist auf eine weitere Dynamik, die mit der programmation der Gemeinschaftshilfe ihren Anfang nehmen sollte: Mit ihr verband sich der Anspruch der EWG, einer in sich stimmigen, geberzentrierten Entwicklungslogik zu folgen. Die Rahmenplanung glich demnach einem (weiteren) Abstraktionsschritt, der langfristig gesehen zu einer Vernachlässigung der konkreten entwicklungspolitischen Problemstellungen vor Ort führen musste.

2. Geteilte Verantwortungslosigkeit: Verlauf und Auswirkungen landwirtschaftlicher Diversifizierung „Diversification et modernisation seront les lignes de force“ – so lautete das Credo des dritten senegalesischen Entwicklungsplans, der 1969 in Kraft trat und die Entwicklungspolitik des westafrikanischen Landes bis 1973 festlegte.49 Diversifizierung war für den Senegal zwar seit seiner Unabhängigkeit ein Hauptthema und zudem mit dem ersten Abkommen von Yaoundé auch auf die entwicklungspolitische Agenda der EWG gerückt. Dennoch konnten im ersten Jahrzehnt noch keine signifikanten Ergebnisse erzielt werden, weswegen die Ausdifferenzierung der Landwirtschaft nach wie vor Priorität genoss. Zum einen war dies, wie bereits erläutert, auf die zögerliche Umsetzung der gemeinschaftlichen Diversifizierungshilfe sowie von Projekten anderer Geberländer zurückzuführen. Zum anderen blieben spektakuläre Entwicklungen aus, weil von der Einführung neuer Anbaukulturen der Natur der Sache nach zunächst keine großen Sprünge zu erwarten waren. Diversifizierung 48 Vgl. dagegen Dimier (2003), S. 113–116. 49 RdS, Troisième plan quadriennal de développement économique et social 1969–1973, S. 3.

Verlauf und Auswirkungen landwirtschaftlicher Diversifizierung

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brauchte Zeit – zu dieser Einsicht kam letzten Endes auch die Gemeinschaft, weswegen sie unter dem dritten EEF im Wesentlichen eine Fortführung und Ausweitung der in den 1960er Jahren begonnenen Diversifizierungsmaßnahmen im Senegal gewährleistete. Baumwolle wurde ebenso weiter gefördert wie der Anbau von Esserdnüssen. Ein besonderer Schwerpunkt wurde außerdem im Reisanbau gesetzt. Das 1968 aus jahrelangen Forschungen hervorgegangene Projekt der niederländischen Entwicklungsgesellschaft ILACO in der maritimen Casamance wurde in die 1970er Jahre hinein verlängert. Neu hinzu kam ein Vorhaben im Hinterland der gleichen Region, wo die SATEC ab 1970 ihr Glück im Anbau von Trockenreis versuchte.50 Die für den Baumwollanbau zuständige CFDT flankierte ihre Aktion im östlichen Senegal ab 1971 ebenfalls mit dem Anbau dieses Grundnahrungsmittels. In der Flussregion entstand 1973 schließlich der périmètre de Nianga, ein Bewässerungssystem, das sich den Senegal-Fluss zu Nutze machte und gleichfalls den Anbau von Reis ermöglichen sollte. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Gemeinschaft im Rahmen des dritten Fonds den Aufbau einer Rinderzucht in der Region Ferlo sowie den Bau zahlreicher Dorfbrunnen unterstützte.51 Die Fischerei außer Acht gelassen, wurde damit im Großen und Ganzen das Programm umgesetzt, auf das sich die entwicklungspolitischen Partner im Frühjahr 1970 geeinigt hatten.52 Im Anschluss an die 1960er Jahre konzentriert sich das folgende Kapitel auf die Zusammenarbeit im Baumwoll-, Reis- und Esserdnussanbau. Zunächst wird danach gefragt, inwieweit sich vor dem Hintergrund eines veränderten internationalen Entwicklungsdiskurses zu Beginn der 1970er Jahre die mit den Maßnahmen verbundenen Zielsetzungen und Erwartungshaltungen wandelten. Das Hauptaugenmerk gilt anschließend dem Verlauf sowie den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen dieser Vorhaben. Dazu ist es erneut geboten, im wahrsten Sinne des Wortes über die Dörfer zu gehen: Wie bereits die Intervention der SATEC im Erdnusssektor in den 1960er Jahren verdeutlichte, zeichneten in erster Linie die von der 50 Dieses Projekt wurde noch mit Mitteln des zweiten Fonds bewilligt, wird aber aufgrund der zeitlichen Koinzidenz in diesem Kapitel behandelt. 51 Diese zwei Maßnahmen finden im weiteren Verlauf des Kapitels keine Berücksichtigung, da sie erst gegen Ende der Laufzeit des dritten Fonds bewilligt wurden, vgl. zu Durchführung und Auswirkungen dieser Projekte ADEUS III. FED 31006711527: Ministère de l’Équipement/BRGM, Rapport annuel 1978; ANS 1R o.Nr. [Dossier „Développement de l’élevage 1962–1978“]: MDRS, Note, 3.5.1978; das Projekt zur Rinderzucht läutete einen neuen Schwerpunkt der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft im Senegal ein. So gingen 25 Prozent der Landwirtschaftshilfen unter dem vierten Fonds in diesen Bereich, vgl. Kennes (1992), S. 331. 52 Entgegen dem Programm engagierte sich der EEF in der Fischereiwirtschaft nicht. Demgegenüber hielt er jedoch im infrastrukturellen Bereich grosso modo am Plan fest.

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EWG beauftragten Entwicklungsgesellschaften im Zusammenspiel mit der senegalesischen Verwaltung für die Umsetzung der in Brüssel beschlossenen Projekte verantwortlich.53 *** Da die Diversifizierungsmaßnahmen der EWG in den 1960er Jahren einsetzten, änderte sich mit der Ausweitung der Projekte zu Beginn der 1970er Jahre kaum etwas an deren Zielsetzung. Ob Reis, Baumwolle oder Esserdnüsse – alle Vorhaben waren einzig und allein darauf ausgerichtet, die Produktion zu steigern. Reis bildete, wie bereits erläutert, eines der Hauptnahrungsmittel der senegalesischen Bevölkerung und musste in immer größeren Mengen importiert werden. Um die Handelsbilanz aufzubessern, sollte mit den Maßnahmen in der Casamance und am Senegal-Fluss der Bedarf stärker als bisher aus eigenem Anbau gedeckt werden. Im Gegensatz dazu war der Anbau von Esserdnüssen von vornherein zum Export bestimmt. Nur die Zielsetzung im Baumwollanbau erfuhr im Lauf der Zeit eine Modifikation. Ursprünglich wollte der Senegal mit dem Projekt vor allem die Eigenversorgung decken. Aufgrund der guten Ergebnisse erfuhr die Aktion 1969 eine Erweiterung, die langfristig gesehen Exportperspektiven eröffnete. Die Mitgliedsstaaten – Frankreich ausgenommen – stimmten dieser Strategieänderung allerdings nur widerwillig zu. Insbesondere der belgische, aber auch der deutsche und der italienische Vertreter im EEF-Ausschuss befürchteten, dass senegalesische Baumwollexporte zu Lasten anderer senegalesischer Wirtschaftszweige gehen würden – ein Szenario, das wenige Jahre zuvor noch von denselben Ländern lebhaft begrüßt worden wäre. Ähnlich wie bei den senegalesischen Industrialisierungsinitiativen wollten manche europäische Staaten grundsätzliche Veränderungen der senegalesischen Landwirtschaft nicht vorbehaltlos mittragen, weil sie fürchteten, dass dadurch bestehende Außenhandelsstrukturen möglicherweise in Bewegung geraten könnten. Nachdem die Erweiterung jedoch die gewünschten Ergebnisse einbrachte, beschloss die senegalesische Regierung, den gerade erfolgten Einstieg ins Exportgeschäft zu stabilisieren und bat Brüssel 1971 erneut und letztlich erfolgreich um eine Ausweitung der Aktion.54 Im Gegensatz zu manchen Mitgliedsstaaten identifizierte sich die Generaldirektion vorbehaltlos mit der Diversifizierungsstrategie. In ihren Projektpräsentationen ließ sie geradezu blühende Landschaften entstehen. Zumindest im Hinblick auf den Baumwoll- und Erdnussanbau schien dies nicht ganz unbegründet. Beide Maßnah53 Vgl. dazu Kap. II.4. und Kap. II.5. 54 Vgl. ADEUS III. FED 31003331508: DG VIII, Proposition de financement „Extension de la culture cotonnière“, Februar 1971; ebd.: MDRS, Programme de développement de la culture cotonnière au Sénégal, 1971/1975, o.D. [1971]; HAEU 38/1984-153, S.  4: Comité du FED, Compte rendu de la 44ème réunion, 11.7.1969.

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men konnten bis zu Beginn der 1970er Jahre die – freilich moderaten – Erwartungen erfüllen oder sogar übertreffen. Die Baumwollernte stieg zwischen 1965, als die Gemeinschaft mit der Förderung begann, und 1970 von 386 auf 10.000 Tonnen. Angesichts dieser vielversprechenden Entwicklung übernahm die Generaldirektion unverändert das Programm der senegalesischen Regierung, das eine Steigerung der Produktion bis 1975 auf 50.000 Tonnen vorsah. Ähnlich gestalteten sich die Erträge der Esserdnüsse, sodass das ursprünglich auf 10.000 Hektar angelegte Projekt bald bis 1975 verlängert und mit einem Ertragsziel von 28.000 Tonnen auf die doppelte Fläche ausgedehnt wurde.55 Wenngleich die Produktionsziele der verschiedenen Reisprojekte im Vergleich dazu deutlich geringer angesetzt wurden, so waren diese Vorhaben doch von einem ähnlichen Optimismus gekennzeichnet. Die Zuversicht speiste sich aus der Überzeugung, dass die Vorhaben den Bauern klare finanzielle Anreize bieten würden. So wurde in der Generaldirektion errechnet, dass die Aktion der SATEC den Wert eines Arbeitstages von 202 auf 306 F CFA erhöhen und so die Einnahmen einer Bauernfamilie um fast 70 Prozent steigern würde; für Nianga wurden sogar knapp 160 Prozent prognostiziert. Ähnlich rosig fielen die Kalkulationen zu den übrigen Projekten aus.56 Vor dem Hintergrund des kriselnden Erdnusssektors – dazu mehr im folgenden Kapitel – hoffte Brüssel außerdem darauf, mit einer lukrativen Diversifizierung dessen dominante Stellung über kurz oder lang brechen zu können. Baumwolle beispielsweise besäße, so der entsprechende Projektvorschlag der DG VIII, „des avantages substantiels pour une population intéressée au plus haut point à consolider des revenus insuffisamment élevés en raison d’un sous-emploi très important et de l’abaissement des prix d’achat des arachides.“57

Ganz allgemein wurde großes Vertrauen in die Bereitschaft der Bauern gesetzt, ihre Anbaugewohnheiten umzustellen: „La population, formés par des Peulhs sédentaires, 55 Vgl. ADEUS III. FED 31003331508: DG VIII, Proposition de financement „Extension de la culture cotonnière“, Februar 1971; ebd. III. FED 31003331518: MDRS, Rapport de synthèse, Mai 1976; ebd.: Convention de financement „Extension de la production d’arachide de bouche“, o.D. [1972]. 56 Vgl. ADEUS II. FED 215015029: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la riziculture en Casamance continentale“, April 1969; ebd. III. FED 31006331517: DG VIII, Proposition de financement „Aménagement hydro-agricole du périmètre de Nianga“, September 1971; ebd. III. FED 31003331508: DG VIII, Proposition de financement „Extension de la culture cotonnière“, Februar 1971; CAC 19940063-76: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la culture du riz pluvial dans le Sénégal oriental“, April 1971; ebd. 19850144-14: L’implantation de l’IRHO au Sénégal, o.D. [1971]. 57 ADEUS III. FED 31003331508: DG VIII, Proposition de financement „Extension de la culture cotonnière“, Februar 1971.

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est ouverte au progrès et dispose en suffisance de bonnes terres pour augmenter les surfaces cultivées.“58 Ohne Zweifel hingen die Verantwortlichen in Brüssel auch zu Beginn der 1970er Jahre noch gewissen Machbarkeitsphantasien an. Diese äußerten sich insbesondere auch im agrartechnologischen Zuschnitt der Reisprojekte: Während die ILACO bekannte Anbaumethoden auf unbekanntem Boden – genauer: gerodeten Mangrovenwäldern – propagieren sollte, wollte die SATEC mit der Einführung des Trockenreisanbaus eine kleine Agrarrevolution auslösen. Obwohl die in der maritimen Casamance angesiedelten Diola seit Jahrhunderten Nassreis für den Eigenverbrauch kultivierten und obwohl sich der traditionelle Reisanbau in der gesamten Region auf immerhin 60.000 Hektar erstreckte, wählte die französische Entwicklungsgesellschaft eine dort gänzlich unbekannte Anbaumethode, die ausschließlich auf natürlichem Niederschlag beruhte.59 Die Bauern von Nianga am Senegal-Fluss besaßen demgegenüber weder Erfahrungen mit dem Anbau des Getreides noch mit künstlichen Bewässerungssystemen. Dennoch gab man sich bei der EWG zuversichtlich, dass sich die Bauern rasch auf die methodischen Innovationen einstellen würden, weil sie sich dadurch ein Stück weit unabhängig von den Witterungsbedingungen machen könnten. Mehr noch, verband die Generaldirektion mit der technisch anspruchsvollen Nutzung des Flusswassers die Hoffnung auf grundlegende „changements structurels et socio-psychologiques“ in der ansässigen Bevölkerung, die bislang nahezu ausschließlich Eigenbedarfswirtschaft betrieben hatte. Der périmètre de Nianga wurde gar als Meilenstein auf dem Weg der Flussregion zu einer Art „Californie du Sénégal“ betrachtet.60 Wohlgemerkt sollte mit dem Projekt zunächst nur auf 2.000 Hektar Reis angebaut werden, was die Anspielung auf den amerikanischen Vorzeigebundesstaat mit seinen ausgreifenden Bewässerungssystemen geradezu phantastisch erscheinen lässt.61 Bei allem Enthusiasmus der Generaldirektion darf nicht übersehen werden, dass alle Diversifizierungsmaßnahmen auf Initiativen der senegalesischen Regierung zurückgingen. Sie leistete die Anschubfinanzierung für die Esserdnüsse (seit 1965) 58 ADEUS II. FED 215015029: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la riziculture en Casamance continentale“, April 1969. 59 Vgl. CAC 19940063-76: Proposition de financement „Aménagements rizicoles et bananiers en Casamance“, 24.7.1967; ADEUS II. FED 215015029: DG VIII, Proposition de financement „Développement de la riziculture en Casamance continentale“, April 1969; HAEU 25/1980-1799, S. 265: Gruner, Rapport de mission, o.D. [1973]. 60 ADEUS III. FED 31006331517: DG VIII, Proposition de financement „Aménagement hydro-agricole du périmètre de Nianga“, September 1971. 61 Einen konzisen Überblick zur kalifornischen Landwirtschaft bieten Klohn/Windhorst (2005), S.11–42; insbesondere das Sacramento Valley und das San Joaquin Valley gelten aufgrund des hohen Anteils an bewässertem Land als fruchtbarste Landwirtschaftstäler der Welt.

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ebenso wie für die Aktion der SATEC (seit 1969). Das Vorhaben in der Flussregion reichte Planungsminister Thiam erstmals 1966 in Brüssel ein. Es bedurfte zweier Studien und sechs Jahre währender Verhandlungen, ehe sich die entwicklungspolitischen Partner auf ein Projektdesign einigen konnten – ein klares Indiz dafür, dass die Generaldirektion ihren Optimismus nicht nur mit Blick auf den EEF-Ausschuss pflegte, sondern erneut auf ihre eigenen, gewissenhaften wie wissenschaftlich abgesicherten Beurteilungspraktiken stützte. Soweit änderte sich mit dem neuen Assoziationsabkommen kaum etwas am entwicklungspolitischen Zusammenspiel zwischen dem Senegal, der Generaldirektion und den Mitgliedsstaaten.62 Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass die Durchführung der Projekte stärker als zuvor an bestimmte Konditionen geknüpft wurde. Die sogenannten besonderen Bedingungen, die einen festen Bestandteil jedes Finanzierungsabkommens ausmachten, gewannen in quantitativer wie qualitativer Hinsicht an Bedeutung. Abgesehen von zunehmenden Berichtspflichten wurde beispielsweise anlässlich der Ausweitung des Baumwollanbaus genau vorgeschrieben, dass Gewinne ab einer bestimmten Höhe entweder zur weiteren Ausdehnung des Anbaugebiets oder zur Anhebung des Ankaufspreises zu verwenden seien. Für die Esserdnüsse bestimmte die Gemeinschaft, dass ihre Vermarktung getrennt von den Strukturen der bestehenden Erdnusswirtschaft organisiert werden müsste. Auch eine Steuererhöhung auf den Export von Esserdnüssen musste die senegalesische Regierung zurücknehmen. Hinsichtlich des Projekts der SATEC wurde der Senegal dazu verpflichtet, der Entwicklungsgesellschaft ausreichende Autonomie zu gewähren, womit unter anderem die Übertragung der Kreditvergabe und der Vermarktungsorganisation an die französischen Experten gemeint war. Kurzum, die sogenannten besonderen Bedingungen bildeten mehr und mehr einen Hebel für die Gemeinschaft, um die Intensität ihrer Interventionen zu steigern und Zugriff auf übergeordnete Bereiche senegalesischer Wirtschaftspolitik zu erhalten. Letztlich wurde mit ihnen das Konditionalitätsprinzip implizit in die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit eingeführt, worauf im folgenden Kapitel noch einmal ausführlicher zurückzukommen sein wird.63

62 Vgl. ADEUS III. FED 31003331518: MDRS, Rapport de synthèse, Mai 1976; CAC 19950281-141: SATEC, L’opération de développement de la riziculture en Casamance, Dezember 1970; zur zähen Ausarbeitung des Projekts in Nianga vgl. ANS 1R 932b: Thiam an Amb. Brüssel, 28.11.1966; ebd.: Ferrandi an Thiam, 2.5.1967; ebd.: Telegramm Amb. Brüssel an MAES, 9.4.1969; ebd.: Sakho, Rapport de mission, 4.3.1971; ebd.: Telegramm Amb. Brüssel an MAES, 23.2.1972. 63 Vgl. ADEUS III. FED 31003331508: Convention de financement „Extension de la culture cotonnière“, o.D. [1971]; ebd. III. FED 31003331518: Convention de financement „Extension de la production d’arachide de bouche“, o.D. [1972]; ebd. II. FED 215015029: Convention de financement „Développement de la riziculture en Casamance continentale, o.D. [1969]; in diesem Zusammenhang muss noch ergänzt werden, dass der

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*** Die Diversifizierungsmaßnahmen der EWG führten zu einer funktionalen Zerstückelung der Landwirtschaft und damit zugleich zur Ausweitung von GovernanceStrukturen im Senegal. Jede einzelne Entwicklungsgesellschaft etablierte ihren eigenen Vulgarisationsapparat. Den größten stellte mit knapp 20 Mitarbeitern vor Ort die CFDT, die bis 1975 insgesamt 260 Vulgarisateure anstellte und mehr als 60.000 Bauern in über 2.000 Dörfern erreichte. Das für die Esserdnüsse zuständige IRHO verfügte über ein fünfköpfiges Team, beschäftigte 80 senegalesische Vermittler und war für ungefähr 20.000 Bauern zuständig. Die Strukturen der ILACO hatten in etwa die gleiche Größenordnung, während die SATEC nur 5.000 Bauern anleitete. Demgegenüber wurden die Reisfelder von Nianga in die organisatorischen Hände der senegalesischen Société d’aménagement et d’exploitation des terres du Delta (SAED) gelegt, die seit 1965 mit Unterstützung der französischen bilateralen Hilfe in der westlichen Flussregion den Reisanbau organisierte. Doch auch in diesem Falle sollte ein europäisches Beraterbüro, namentlich die italienische Entwicklungsgesellschaft Ifagraria, die Anleitung der Bauern übernehmen.64 Anders als im ausführlich geschilderten Vulgarisationsapparat der SATEC im Erdnussbassin sollten bei den Diversifizierungsmaßnahmen jedoch von Anfang an senegalesische Beamte integriert werden, die der Senegal abzustellen und zu bezahlen hatte. Jedes dieser Public Private Partnerships schuf somit auch neue senegalesische Staatsbedienstete in einem Land, das regelmäßig und sogar vom eigenen Präsidenten dafür kritisiert wurde, dass die administrative Bürokratie aus allen Nähten platze und hoffnungslos überbesetzt sei. Die Beamten erhielten überwiegend niedere Posten oder wurden den europäischen Führungskräften zur Seite gestellt. Obwohl sie sukzessive die Leitungsebene übernehmen sollten, klappte dies in der Regel nicht.65 Hier wirkte ein Selbsterhaltungstrieb, der angesichts der fürstlichen Entlohnung der Beraterbüros nur allzu verständlich war. Beim Baumwollprojekt floss weit mehr als ein Senegal verstärkt auch dazu verpflichtet wurde, sich finanziell an den Projekten zu beteiligen. 64 Vgl. ADEUS III. FED 31003331508: MDRS/SODEFITEX, Rapport sur la culture cotonnière au Sénégal, campagne 1974/75, 9.7.1975; ebd. III. FED 31003331518: MDRS, Rapport de synthèse, 3.6.1976; ebd. III. FED 31003331522: Bureau africain de recherches appliquées, Rapport socio-économique, März 1975; HAEU 25/1980-1805, S. 256: Grégoire, Rapport de mission, 30.7.1974; zur SAED, bei der auch die SATEC mit eingebunden war, vgl. AMAEF Sénégal 107: Note „Aide française au Sénégal“, o.D. [1969]; vgl. auch Baker (1982). 65 Vgl. ADEUS III. FED 31003331522: Bureau africain de recherches appliquées, Rapport socio-économique, März 1975; ebd. III. FED 31003331518: MDRS, Rapport de synthèse, 3.6.1976; Kritik am aufgeblähten Verwaltungsapparat übte Senghor beispielsweise in seiner Rede vor dem Conseil économique et social im Frühjahr 1970, vgl. AMAEF Sénégal 88: Amb. Dakar an MAEF, 30.3.1970.

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Drittel der Mittel, das heißt knapp 500 Millionen F CFA, in Form von Gehältern an die CFDT. Der Projektleiter erhielt über 1,2 Millionen F CFA im Monat, aber auch die restliche Führungsriege wurde erstklassig vergütet.66 Das Lohngefälle zwischen ihnen und den ebenfalls vom EEF alimentierten Vulgarisateuren war erheblich; letztere verdienten monatlich knapp 27.000 F CFA. Verglichen mit dem von der DG VIII geschätzten Monatseinkommen von etwa 2.000 F CFA, das bei idealem Verlauf der Aktion für einen Bauern herausspringen sollte, verdiente ein Vulgarisateur freilich immer noch glänzend.67 Dieses Lohngefälle zwischen europäischen Baumwollexperten und ihren senegalesischen Mitarbeitern einerseits sowie zwischen letzteren und den Baumwollbauern andererseits stellte keineswegs einen Einzelfall dar. Auch die Projekte anderer Entwicklungsgesellschaften wiesen ähnliche Gehaltsstrukturen auf.68 Entwicklungszusammenarbeit schien sich demnach zu lohnen – am meisten für jene Experten, die es verstanden, sich für unverzichtbar zu erklären. Teilweise war dieser Selbsterhaltungstrieb mit unmittelbaren Folgen für die administrative Organisation der Landwirtschaft verbunden. So gelang es der CFDT, sich dauerhaft im Senegal niederzulassen und den Baumwollanbau zu kontrollieren. Zwar erfüllten sich die in erster Linie von der EWG gehegten Hoffnungen, dass der Aufstieg der Baumwolle die Dominanz der Erdnusswirtschaft brechen könnte, nicht, da die höheren Einkommensaussichten im Baumwollanbau vorübergehender Natur waren und die Bauern seit 1971 auch mit Erdnüssen wieder Geld verdienen konnten.69 Auch das Produktionsziel von 50.000 Tonnen wurde nicht erreicht. Doch gelang es trotz der Saheldürre, die das Erntejahr 1972 und in geringerem Ausmaß auch 1973 beeinträchtigte, die Erträge bis 1975 auf gut 42.000 Tonnen zu steigern. Gestützt auf diese Bilanz konnte die CFDT, ähnlich wie die SATEC wenige Jahre zuvor im 66 Vgl. ADEUS III. FED 31003331508: Contrat d’assistance technique No. 666 CFDT, 5.6.1972; das Monatsgehalt entsprach damals in etwa 4.800 RE beziehungsweise US-Dollar. Den Verbraucherpreisindex und einen Wechselkurs Dollar/Euro von 0,71 (2009) zugrunde gelegt, entspricht diese Summe heutzutage etwa 17.500 Euro, vgl. http://www. measuringworth.com, zuletzt aufgerufen: 14.6.2010. 67 Die Generaldirektion ging davon aus, dass das Jahreseinkommen einer achtköpfigen Familie mit dem Projekt von 133.200 auf 205.700 F CFA angehoben werden würde, woraus sich ein Monatsbetrag von etwas mehr als 2.000 F CFA pro Familienangehörigem ergibt, vgl. ADEUS III. FED 31003331508: DG VIII, Proposition de financement „Extension de la culture cotonnière“, Februar 1971. 68 Vgl. beispielsweise die für die SATEC und die ILACO angesetzten Gehälter in ADEUS III. FED 31003331522: Convention de financement „Projet intérimaire de développement agricole en Casamance“, o.D. [1973]. 69 Dies zeigte sich ganz besonders im Sine-Saloum, wo beide Kulturen angebaut wurden: Im Baumwollanbau wurden die anvisierten Produktionsziele klar verfehlt, vgl. HAEU 25/1980-1799, S. 265: Gruner, Rapport de Mission, Oktober 1973; in diesem Licht fragwürdig Kennes (1992), S. 336; zur Krise und Wiederbelebung des Erdnusssektors vgl. Kap. III.3.

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Erdnusssektor, die senegalesische Regierung dafür gewinnen, ihre Strukturen in eine nationale, halbstaatliche Institution umzuwandeln. Die Société de développement des fibres textiles (SODEFITEX) wurde im Mai 1974 gegründet. Der Staat trat dabei als Mehrheitseigner auf, die CFDT blieb der neuen Einrichtung aber als Anteilseigner eng verbunden und übte weiterhin eine intensive Beratertätigkeit aus. Anders als die SATEC, die Anfang der 1970er Jahre der senegalesischen Erdnusswirtschaft den Rücken kehrte, blieb das Unternehmen der neu gegründeten senegalesischen Gesellschaft treu und übernahm mit der auf Drängen der Weltbank im Jahr 2003 erfolgten Privatisierung sogar die Kapitalmehrheit.70 Die fürstliche Entlohnung der Baumwollspezialisten schien sich dabei auch nach 1975 fortzusetzen. So alimentierte der EEF das Engagement der CFDT im Baumwollanbau bis 1980, und noch zehn Jahre später kritisierte eine Studie der Weltbank die hohen Kosten, die dem Senegal aus der Beratertätigkeit der CFDT entstünden und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit des Baumwollsektors beeinträchtigen würden.71 Im Gegensatz zum Baumwollunternehmen gelang es dem IRHO nicht, über 1975 hinaus eine einflussreiche Stellung im Esserdnusssektor zu halten, obwohl das Forschungsinstitut unter erschwerten Bedingungen die gesetzten Ziele zumindest teilweise hatte erreichen können. So litt der Anbau von Esserdnüssen im Vergleich zur Baumwolle stärker unter den Beeinträchtigungen der Dürre. Dennoch konnte 1975 die anvisierte Anbaufläche von 20.000 Hektar sogar leicht übertroffen werden, wenngleich nur ein Ertrag von etwa 19.000 statt der geplanten 28.000 Tonnen erzielt wurde.72 Die Gründe für den Rückzug des IRHO lagen also woanders. Die senegalesische Regierung, die die Produktion mit Hilfe des EEF bis 1980 weiter ausdehnen wollte, stellte sich auf den Standpunkt, dass dessen technische Hilfe nicht mehr notwendig sei. Daraufhin bewilligte die Gemeinschaft im Rahmen des vierten EEF neue Mittel ausschließlich für den Fall einer tatsächlich erfolgten Ausweitung.73 Innerhalb der 70 Vgl. ADEUS III. FED 31003331508: MDRS, Rapport sur la culture cotonnière au Sénégal, campagne 1973/74, o.D. [ Juli 1974]; HAEU 25/1980-1799, S. 265: Gruner, Rapport de mission, Oktober 1973, hier S. 270; die CFDT nannte sich 2001 um in Développement agricole et industriel du Sud und wurde vor kurzem selbst privatisiert. Das hier beschriebene Muster fand auch auf viele andere frankophone Staaten Afrikas Anwendung. Der gesamte Baumwollhandel dieser Staaten lief von der Produktion über die Vermarktung bis zur Forschung über die CFDT respektive Gesellschaften wie die SODEFITEX, vgl. Piot (2007), S. 18f. 71 Vgl. Kennes (1992), S. 336f.; Lele/van der Welle/Gbetibouo (1989), S. 11. 72 Vgl. III. FED 31003331518: MDRS, Rapport de synthèse, 3.6.1976. 73 Vgl. HAEU 25/1980-1805, S. 256: Grégoire, Rapport de mission, 30.7.1974; ANS 1R 665: Délégation de la CEE Dakar, Deuxième rapport semestriel des interventions de la CEE au Sénégal, 31.12.1976.

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folgenden zwei Jahre kam es zu einem abrupten Rückgang der Anbauflächen und einem entsprechenden Niedergang der Produktion. 1977 wurden auf nur noch 6.000 Hektar etwa 6.000 Tonnen Esserdnüsse geerntet. Diese Entwicklung verweist ganz klar auf Versäumnisse innerhalb der senegalesischen Agrarverwaltung, die offenbar nicht in der Lage war, den Anbau weiter zu gewährleisten. Allerdings hatte es das IRHO ebenso wenig verstanden, senegalesische Verantwortliche frühzeitig in das Projekt zu integrieren. Dass die senegalesischen Bauern umgehend nach dem Abzug des französischen Forschungsinstituts der neuen Anbaukultur in großen Scharen den Rücken kehrten, lädt schließlich zu Überlegungen ein, inwieweit die ganze Aktion einen Zwangscharakter aufwies. In jedem Fall aber lässt sich daran ablesen, dass die Bauern mit der Kultivierung von Esserdnüssen keineswegs höhere Einkünfte erzielten, wie es die Architekten des Projekts prognostiziert hatten.74 Ungeachtet der unterschiedlichen Entwicklungen, die die beiden Anbaukulturen nach 1975 erlebten, verliefen die Aktionen von CFDT und IRHO bis zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Produktionsziele im Großen und Ganzen nach Plan. Anders verhielt es sich mit sämtlichen Reisprojekten. Das lag zunächst daran, dass die agrarwissenschaftlichen Experimente in der Casamance scheiterten. Der Versuch der ILACO, die Mangrovenwälder nutzbar zu machen, wurde nach wenigen Jahren aufgrund zu hoher Kosten und eines Mangels an geeigneten Flächen abgebrochen. Der in der Hochebene getestete Trockenreisanbau litt unter einem zu geringen Grundwasserpegel der Böden und überforderte die Bauern, denen die neuartige Anbautechnik fremd blieb. Beide Projekte wurden deshalb bald neu ausgerichtet. Die ILACO sollte sich fortan verstärkt um die Verbesserung bereits bestehender Anbaupraktiken kümmern, während die SATEC ihren Trockenreisanbau in die Flusstäler verlegte.75 Trotz dieser Anpassungen erreichten beide Projekte zusammengenommen bis 1973 lediglich die Hälfte der ebenfalls neu justierten Anbaufläche. Abgesehen von den technischen Komplikationen hatte dies noch einen weiteren Grund: Im Gegensatz zu Erdnüssen oder Baumwolle konnten die Bauern mit Reis kaum Geld verdienen. Der traditionelle Reisanbau in der Casamance diente vor allem der Selbstversorgung. Besonders deutlich äußerte sich das Desinteresse der Bauern beim Versuch der CFDT, Teile ihres Baumwollanbaugebiets im östlichen Senegal mit Reis zu kombi74 Vgl. HAEU 25/1980-1805, S. 256: Grégoire, Rapport de mission, 30.7.1974; zum Einbruch der Produktion vgl. Mbaye (2009); entgegengesetzter Auffassung ist Kennes (1992), S. 335f., der behauptet, dass 1978 die angepeilte Ausweitung auf 70.000 Hektar erreicht wurde. Eine Steigerung um 50.000 Hektar innerhalb von drei Jahren scheint allerdings mehr als unrealistisch. Zu den Prognosen vgl. CAC 19850144-14: L’implantation de l’IRHO au Sénégal o.D. [1971]; erst in den 1990er Jahren erlebte der Esserdnussanbau eine nachhaltige Wiederbelebung unter der Federführung eines privaten französischsenegalesischen Unternehmens, vgl. Warning/Key (2002). 75 Vgl. ADEUS III. FED 31003331522: MDRS/ILACO, Rapport de synthèse 1970/71; Carvalho (1983), S. 132.

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nieren. Gestartet 1971, wurde bei diesem Vorhaben bis 1973 nur knapp ein Fünftel der geplanten Fläche bewirtschaftet, weil der Anbau des ,weißen Goldes‘ lukrativer war. Erst als die Aktion weiter nach Süden verlegt wurde, wo Baumwolle keine Konkurrenz darstellte, konnten erste Produktionserfolge erzielt werden.76 Angesichts der mannigfaltigen Probleme der Reisprojekte kam die Generaldirektion im Herbst 1972 mit den senegalesischen Verantwortlichen überein, die in erster Linie auf Produktionssteigerung fokussierenden Experimente in der Casamance bald zu beenden und stattdessen ein Landwirtschaftsprojekt auf regionaler Ebene zu lancieren.77 Dass die Verträge mit der ILACO und der SATEC wenige Monate später bis Ende 1974 verlängert wurden, diente nur noch als Übergangslösung auf dem Weg zu einem integrierten Landwirtschaftsprogramm. Letzteres sollte die senegalesische Regierung ausarbeiten, wobei sie insbesondere die Koordination zwischen Agrarverwaltung, Vermarktungsamt und den zwei laufenden Aktionen vor Ort sowie die schrittweise Eingliederung dieser Entwicklungsapparate in die regionalen Agrarstrukturen prüfen sollte. Die Verlängerung der zwei Aktionen stellte also eine Mischung aus Projekt und Vorstudie für ein neues Vorhaben dar.78 Die SATEC erkannte rasch, dass ihre Aktien bei der EWG offenbar gesunken waren und sie ihr Fähnlein in den Brüsseler Wind halten musste, um auch an dem neuen Vorhaben beteiligt zu werden. Im September 1973 präsentierte die französische Entwicklungsgesellschaft auf Eigeninitiative ein Projektdesign für die gesamte Casamance mit einer Laufzeit von 1975 bis 1980. Gleich zu Beginn räumte sie freimütig ihr Scheitern ein und plädierte für eine grundlegende Neuausrichtung: „L’objectif ne doit plus être de faire produire du riz dans n’importe quelles conditions, mais avant toute chose, de former des véritables agriculteurs, pleinement conscients de leurs responsabilités.“79

Explizit definierte die SATEC nun einen Unterschied zwischen einer „action de la simple croissance agricole“ und einer „action de développement rural proprement dit.“ Erstere sei zum Beispiel das Ziel der CFDT im Baumwollsektor, letztere verfolge hingegen langfristige Ziele und konzentriere sich nicht mehr auf eine bestimmte Anbaukultur, sondern fokussiere auf die gesamte Landwirtschaft vor Ort. Nicht so sehr 76 Vgl. HAEU 25/1980-1799, S. 265: Gruner, Rapport de mission, o.D. [1973]; CAC 19950281-133, Bd. 2: SATEC, Rencontre de la Somone, 1er jour, 17.2.1971; zur CFDT vgl. ADEUS III. FED 31003331510: SODEFITEX, Rapport annuel 1974/1975, o.D. [1975]; Kennes (1992), S. 345. 77 Vgl. HAEU 25/1980-1491, S. 103: Pirzio-Biroli, Rapport de mission, o.D. [Oktober 1972]. 78 Vgl. ADEUS III. FED 31003331522: Convention de financement „Projet intérimaire de développement agricole en Casamance“, o.D. [1973]. 79 ADEUS II. FED 215015029: MDRS/SATEC, Rapport de synthèse (tome II), September 1973.

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die schiere Produktionssteigerung, sondern vielmehr eine „véritable mutation dans les structures des exploitations et les comportements des agriculteurs“ müsse künftig zum Hauptziel entwicklungspolitischer Maßnahmen gemacht werden. Das gut 90 Seiten lange Konzept schloss mit dem Vorschlag, eine regionale halbstaatliche Entwicklungsbehörde zu gründen, die von Beamten und Experten gemeinsam geführt werden solle um sicherzustellen, dass selbige nicht zu einem „simple service administratif spécialisé“ verkümmere. Implizit sah sich die SATEC wohl selbst am ehesten dazu imstande, der neuen Behörde die nötige Dynamik zu verleihen.80 Doch dazu kam es nicht. Denn die Expertisen, die die senegalesische Regierung ihrerseits in Auftrag gab, um das künftige Programm aufzustellen, kamen zu einem vernichtenden Urteil über die Aktivitäten von SATEC und ILACO in der Casamance: „Ces entreprises ont travaillé d’une façon trop indépendante, en dehors des autorités et de leurs cadres techniques. Il y a trop de cadres expatriés, trop d’assistance technique, et pas assez d’investissements, elles n’ont pas donné assez d’attention aux paysans, qui n’ont compris ni apporté leur collaboration. La technique l’a emporté sur le souci de l’homme. En agriculture, plus encore que dans les autres activités, l’adhésion de l’homme, son enthousiasme sont des éléments nécessaires au succès.“81

Die Kritik am agrartechnologischen Zuschnitt der beiden Vorhaben erinnert stark an Ferrandis entwicklungspolitische Überzeugungen, die sich bei ihm noch in der kolonialen Ära festgesetzt hatten. Und in der Tat verwies auch der französische Autor der Studie, Georges Peter, eingangs auf seine tiefe Verbundenheit zum Senegal, wo er 45 Jahre zuvor – das heißt 1930 – seine Karriere als Kolonialbeamter begonnen und es zwischenzeitlich bis zum stellvertretenden Bürochef des Gouverneurs gebracht hatte. Ähnlich wie die französische Entwicklungsgesellschaft empfahl Peter, eine einzige Entwicklungsbehörde für die Casamance zu gründen, die die gesamten landwirtschaftlichen Aktivitäten einschließlich der Viehzucht koordinieren solle. Im Gegensatz zur SATEC aber plädierte er dafür, den Vulgarisations- und Animationsapparat allein von senegalesischen Bediensteten organisieren zu lassen und diesen zugleich aufzustocken, um den Bauern eine bessere, umfassendere Ausbildung gewähren zu können.82 Dieser Empfehlung folgend wurde im Frühjahr 1976 schließlich die Société de mise en valeur de Casamance (SOMIVAC) gegründet. Mit diesem Schritt wollte die 80 ADEUS II. FED 215015029: MDRS/SATEC, Rapport de synthèse (tome II), September 1973. 81 ADEUS III. FED 31003331522: Rapport Peter, März 1975; die CFDT wurde von dieser Kritik explizit ausgenommen. Auch die zweite Expertise eines senegalesischen Forschungsinstituts kam zu ähnlichen Ergebnissen, vgl. ebd.: Bureau africain des recherches appliquées, Rapport socio-économique, März 1975. 82 Vgl. ADEUS III. FED 31003331522: Rapport Peter, März 1975.

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senegalesische Regierung laut der entsprechenden Gesetzesvorlage Schluss machen mit der „anarchie qui voulait qu’à chaque nouveau projet à financement extérieur corresponde une nouvelle structure.“83 Infolgedessen zog sich auch der europäische Fonds aus der Casamance zurück, und prompt brachen die Ernteerträge in den Gebieten, in denen ILACO und SATEC tätig waren, deutlich ein.84 Während sich also in der Casamance nach gut 15 Jahren ein Ende der agrarwissenschaftlichen Experimente unter der Flagge der EWG abzeichnete, wurde diese etwa zur gleichen Zeit in Nianga gehisst, um dort im Reisanbau voranzukommen. Allerdings erfuhr auch das Konzept zum périmètre de Nianga schon kurz nach der Bewilligung eine erhebliche Modifikation. Statt der ursprünglich anvisierten 2.000 Hektar wurde das Projekt noch vor dem ersten Spatenstich auf die Einrichtung einer Testzone mit nur noch halb so großer Fläche verkleinert. Damit ging ein verändertes Anbauverfahren einher. Statt die saisonale Überschwemmung des Senegal-Flusses zu nutzen und mit einem Pumpsystem gegebenenfalls kontrollierend einzugreifen, wurde nun auf einen vollständig kontrollierten Wasserkreislauf gesetzt, was den Bau von Schutzdeichen erforderte und eine ganzjährige Nutzung der Felder ermöglichte. Hintergrund dieser Änderung bildeten die Bemühungen der von Mauretanien, Mali und dem Senegal im Frühjahr 1972 ins Leben gerufenen Organisation pour la mise en valeur du fleuve Sénégal (OMVS), ein integriertes Entwicklungsprogramm aufzustellen, das den Bau zweier großer Staudämme bei Diama (Senegal) und Manantali (Mali) vorsah. Die damit verbundene Regulierung des Flusses sollte es langfristig ermöglichen, fast 430.000 Hektar Land für die intensive Landwirtschaft mit zwei Ernten im Jahr nutzbar zu machen.85 Angesichts dieser Initiative, die infolge der katastrophalen Auswirkungen der Saheldürre an Fahrt gewann und bald auch die EWG beschäftigte, änderten sich die Prioritäten des Projekts in Nianga. Die möglichst rasche Ausweitung des Reisanbaus stand nicht mehr im Vordergrund, sondern wurde nur noch als Nebeneffekt betrachtet. Vielmehr ging es nun darum, Nianga als Laboratorium zu nutzen, um sämtliche sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten im Übergang von einer extensiven, auf den Eigenbedarf fokussierten Landwirtschaft zu einer intensiven, marktwirtschaftlich organisierten Landwirtschaft aufzudecken. Insbesondere sollten dabei die Verhaltensweisen und Anpassungsprobleme der Bevölkerung im Hinblick auf die geplante Einführung technisch anspruchsvoller Anbaumethoden erfasst werden.86 83 Zitiert nach: Darbon (1988), S. 111. 84 Vgl. die Statistiken bei Carvalho (1983), S. 275; zum weiteren Verlauf des Reisanbaus in der Casamance vgl. Darbon (1988), S. 113–115. 85 Vgl. HAEU 25/1980-1799, S. 265: Gruner, Rapport de mission, o.D. [1973]; ebd. 25/1980-1805, S. 279: Ferrandi, Rapport de mission, o.D. [ Juli 1974]. 86 Vgl. ADEUS III. FED 31006331517: OMVS, Rapport sociologique sur les orientations des casiers-pilotes de Nianga, Matam et Boghe, September 1972; das Projekt bei Nianga bildete dabei eine Testzone neben zwei weiteren, welche vom Entwicklungsprogramm der

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Nachdem die technischen Vorarbeiten im Oktober 1975 abgeschlossen waren, nahmen die Mitarbeiter der Ifagraria ihre Tätigkeit auf und versuchten, den Bauern die Finessen des Bewässerungssystems nahezubringen. Dabei waren sie dem senegalesischen Direktor des Projekts untergeordnet, der von der SAED gestellt wurde. Doch die erste Kampagne verhieß nichts Gutes. Berichten zufolge fehlte den Bauern „toute compréhension pour un entretien quel qu’il soit ou pour une utilisation du système hydraulique selon les règles.“87 In ihrer Bilanz vom Februar 1979 kamen die italienischen Entwicklungsexperten zu ähnlichen Folgerungen. Zwar war es ihren eigenen Aussagen zufolge gelungen, den Bauern während der sechs Kampagnen die Nutzung des Systems verständlich zu machen, allerdings befände sich jenes angesichts fehlender Wartungsarbeiten nun in einem desolaten Zustand. Der Anbau sei über die Experimentierphase nicht hinaus gekommen, sodass sich auch nach drei Jahren noch keine feste Fruchtfolge etabliert hätte. Die Erträge fielen außerdem geringer aus als erhofft. Die wichtigste Erkenntnis im Hinblick auf die Zukunft betraf aber die Bevölkerungsstruktur der Region. Es gelang offensichtlich nicht, die 750 Hektar große Testzone flächendeckend und ganzjährig zu bewirtschaften, weil es in bestimmten Perioden zu einem akuten Arbeitskräftemangel kam. Soziologische Studien, die das Gesamtprojekt der OMVS begleiteten, hatten auf dieses Problem bereits frühzeitig hingewiesen. Es rührte unter anderem daher, dass Teile der Bevölkerung Fischerei oder Viehzucht betrieben und nicht umsatteln wollten. Bedeutsamer schien jedoch die Einsicht, dass die Region insgesamt zu dünn besiedelt war, als dass ihre Bewohner das gesamte Potential von Nianga hätten ausschöpfen können.88 Diese Ergebnisse änderten nichts am festen Willen der OMVS, den SenegalFluss im großen Stil zu regulieren. Der Staudamm bei Diama wurde schließlich 1988 eingeweiht; jener bei Manantali folgte zwei Jahre später. An beiden Bauten beteiligte sich der EEF neben zahlreichen anderen Geberländern und -institutionen aus vier Kontinenten. Bis heute ist es jedoch nicht gelungen, die dadurch entstandenen riesigen Anbaugebiete auch nur annähernd auszuschöpfen, was unter Vereinten Nationen und der FAO finanziert wurden. Im Juli 1974 organisierte die OMVS eine Geberkonferenz in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott, um die Finanzierung der Staudämme zu diskutierten. Neben der EWG, die von Ferrandi repräsentiert wurde, nahmen außerdem Delegationen aus dem Iran, den USA, der Bundesrepublik, von der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank sowie aus Frankreich, Kuwait, Saudi-Arabien, Kanada und Italien teil, vgl. HAEU 25/1980-1805, S. 279: Ferrandi, Rapport de mission, o.D. [ Juli 1974]; vgl. zum Kontext Kipping/Lindemann (2005), S. 58– 78. 87 ADEUS III. FED 31006331517: Hydroplan, Rapport final sur l’exécution des travaux, o.D. [1975]. 88 Vgl. ebd.: Ifagraria, Rapport final de synthèse, Februar 1979; J. Chaumeny, Note sociologique sur le périmètre de Nianga, Oktober 1973; OMVS, Rapport sociologique sur les orientations des casiers-pilotes de Nianga, Matam et Boghe, September 1972.

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anderem auch auf die geringe Anzahl an verfügbaren Arbeitskräften zurückgeführt wird.89 *** Zusammenfassend änderten sich zu Beginn der 1970er Jahren weder die entwicklungspolitischen Ziele noch die Erwartungshaltungen, die mit den Diversifizierungsmaßnahmen der EWG im Senegal verbunden waren. Die senegalesische Regierung ebenso wie die Generaldirektion in Brüssel hingen nach wie vor gewissen Machbarkeitsphantasien nach, weil zum einen die Testphasen der 1960er Jahre vielversprechend verlaufen waren und zum anderen großes Vertrauen in das agrartechnologische Wissen gesetzt wurde, auf dem die Vorhaben gründeten. Sowohl die gemeinsam an den Tag gelegte Zuversicht als auch der kontinuierliche Glaube an wachstumszentrierte Entwicklungsstrategien wurde von ernüchternden Erfahrungen, wie man sie etwa mit der action de vulgarisation der SATEC gesammelt hatte, kaum getrübt. Demnach schlug sich der internationale Entwicklungsdiskurs, der um die Dekadenwende von der Suche nach alternativen entwicklungspolitischen Konzepten geprägt war, zunächst nicht in der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit nieder. Verschiedene Faktoren waren verantwortlich dafür, dass die Diversifizierungsmaßnahmen der EWG im Senegal überwiegend nicht von Erfolg gekrönt waren: Agrarwissenschaftliche Methoden erwiesen sich als unbrauchbar, teils weil sie nicht angenommen wurden, teils weil sie sich für Boden und Klima nicht eigneten; Vorkenntnisse über soziale und demographische Strukturen waren gering oder wurden geflissentlich ignoriert; die Zusammenarbeit mit lokalen und nationalen Behörden funktionierte schlecht; nicht zuletzt wurde die sukzessive Übertragung von Verantwortung an senegalesische Führungskräfte vernachlässigt. Im Ergebnis blieben drei der sechs Projekte, namentlich die beiden Reisprojekte in der Casamance sowie der Anbau von Esserdnüssen, für die betroffenen Bauern Fremdkörper und somit Episode, da offenbar ein Großteil von ihnen nach dem Rückzug der Entwicklungsgesellschaften wieder ihren vormals gepflegten Arbeits- und Anbaugewohnheiten nachging. Die beiden Projekte der CFDT konnten sich demgegenüber behaupten, weil sie einerseits vom europäischen Fonds zunächst weiter alimentiert wurden. Andererseits war es dem Baumwollunternehmen auch gelungen, sich mit der Gründung der SODEFITEX dauerhaft im Senegal niederzulassen und die Politik dieser neuen Behörde maßgeblich zu steuern.90 89 Vgl. Kipping/Lindemann (2005), S. 59f., 70f.; vgl. außerdem die homepage der OMVS: http://www.omvs.org, zuletzt aufgerufen: 7.3.2010. 90 Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Senegal wurde mit dieser Diversifizierungsmaßnahme jedoch kaum gemindert. Das Wohl und Wehe der senegalesischen Baumwolle hing in erster Linie von der CFDT ab – und daran hat sich bis in die jüngste Gegenwart kaum etwas geändert, vgl. Piot (2007).

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Die aus diesen verschiedenen Interventionen resultierende administrative ,Anarchie‘, die die senegalesische Regierung schließlich dazu bewog, eine regionale Behörde in der Casamance zu gründen, setzte sich allerdings auch danach fort. So kamen sich in der isolierten Region SOMIVAC, SODEFITEX und weitere senegalesische Behörden regelmäßig ins Gehege, von den Centres d’expansion rurale und der animation rurale ganz zu schweigen, die parallel dazu auch noch weiter existierten. In wirtschaftlicher Hinsicht brachen die Ernteerträge in dem Moment ein, in dem sich die europäischen Experten zurückzogen. Lediglich die Baumwollproduktion, bei der die CFDT weiter ihren Einfluss geltend machte, konnte über 1975 hinaus einigermaßen stabil gehalten werden.91 Dieser Befund führt in die Versuchung, eine kulturalistische Argumentationslinie einzuschlagen, wie sie etwa der karibische Entwicklungsökonom Arthur Lewis schon in den 1960er Jahren vertreten hatte: Ihm zufolge habe neben anderen Faktoren auch die kulturelle Andersartigkeit der Afrikaner einer erfolgreichen Entwicklungsplanung und -politik im Wege gestanden.92 Lewis’ Deutung verkennt jedoch die Verflechtungen, die diese Prozesse entscheidend mitgeprägt haben. Denn zum einen erwuchsen die unübersichtlichen und ineffizienten Governance-Strukturen im Senegal auch aus den Public Private Partnerships, die mit den Projekten der EWG und anderer Geberinstitutionen entstanden waren. Hinzu kam, dass die senegalesische Regierung nach den gemachten Erfahrungen in der Casamance auf weitere europäische Expertise verzichtete, was dazu führte, dass die EWG in einer ganz anderen Region wie etwa in Nianga oder auch in anderen landwirtschaftlichen Sektoren einen – erneut von europäischen Beratern gesteuerten – Neuanfang machte.93 Mit anderen Worten wurden neue Baustellen eröffnet, statt gemeinsam Verantwortung für die alten zu übernehmen. Zum anderen eigneten sich die neu gegründeten senegalesischen Entwicklungsgesellschaften den Habitus ihrer europäischen Vorbilder an, indem sie kaum mit der 91 Vgl. die Produktionsstatistik bei Touré (2002), S. 222. 92 Vgl. dazu, Lewis’ Einschätzung ebenso wenig folgend, Eckert (2008b), S. 397; zu Lewis’ Blick auf Afrika vgl. Tignor (2006), S. 206–211; Kritik am weit verbreiteten Glauben an eine afrikanische Andersartigkeit äußert außerdem Cooper (2009), S. 37–44. 93 Gegen Ende der Laufzeit des dritten Fonds verstärkte die DG VIII ihre Bemühungen im Fruchtanbau und ebnete damit zusammen mit anderen Geberinstitutionen dem amerikanischen Bud-Konzern den Weg in den Senegal, vgl. HAEU 25/1980-1801, S. 266: Leroy, Rapport de mission, 14.1.1974; das angebaute Obst und Gemüse war ausschließlich zum Export bestimmt. Letztlich handelte es sich dabei um eine Standortverlagerung des amerikanischen Unternehmens, die in gestiegenen Lohnkosten in Kalifornien ihre Ursache hatte und mit Mitteln der Entwicklungshilfe möglich gemacht wurde. Die Plantagen wurden von über 60 Sicherheitskräften bewacht, um Erntemitnahmen seitens der schlecht bezahlten senegalesischen Feldarbeiterinnen vorzubeugen, vgl. dazu Collins/Lappe (1977), S. 3f.

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staatlichen Verwaltung kooperierten und gegenüber den Bauern einen autoritären Kurs einschlugen. Somit hinterließen SATEC, CFDT, ILACO und IRHO durchaus Spuren in der ländlichen senegalesischen Gesellschaft in dem Sinne, dass die vormals von diesen angenommenen und hergestellten kulturellen Differenzen von den senegalesischen Entwicklungsbehörden übernommen wurden und in Formen sozialer Abgrenzung fortwirkten.94 Nicht eine essentialistisch verstandene afrikanische Andersartigkeit, sondern derartige Annahmen der Akteure im Zusammenspiel mit dem auf beiden Seiten zu beobachtenden Hang zur Verantwortungslosigkeit sorgten dafür, dass die gut zehn Jahre währenden gemeinsamen Bemühungen um landwirtschaftliche Diversifizierung nur geringe ökonomische Effekte hatten. Nachhaltigere, wenngleich schwer messbare Folgen hatten diese Maßnahmen dagegen für die sozialen Beziehungen zwischen senegalesischem Staat, Entwicklungsbehörden und Landbevölkerung.95

3. Zwischen malaise paysan und Saheldürre: Doppeltes Krisenmanagement in der Erdnusswirtschaft „,Une grande politique n’est souvent que le bon sens appliqué à de grands problèmes.‘  […] Et pour terminer, il me reste à vous souhaiter simplement mais très amicalement, bonne chance.“96 Probier’s mal mit Napoléon – diesen Ratschlag gab Jacques Ferrandi im Mai 1970 seinem Freund Abdou Diouf auf den Weg, um die gravierenden Probleme der senegalesischen Erdnusswirtschaft anzugehen. Diouf, Absolvent der École nationale de la France d’outre-mer und enger Vertrauter von Senghor, war erst wenige Monate zuvor im Zuge einer Verfassungsreform zum senegalesischen Ministerpräsidenten ernannt worden.97 Freilich beließ es Ferrandi nicht bei lockeren Sprüchen. In aller Breite erläuterte er dem neuen Regierungschef die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre, legte ihm konkrete Maßnahmen ans Herz und bot Unterstützung durch den EEF an. In seiner Ursachenanalyse fand das Produktionshilfepro-

94 Vgl. Darbon (1988), S. 113–118. 95 Karagiannis (2004) zufolge kennzeichnet ein gewisses Maß an Verantwortungslosigkeit auch heutzutage die Entwicklungspolitik der Europäischen Union. 96 ADEUS III. FED 31100911505: Ferrandi an Diouf, 11.5.1970; Ferrandi berief sich in seinem Brief explizit auf Napoléon, auch wenn das Originalzitat leicht verändert wie folgt lautet: „La haute politique n’est que le bon sens appliqué aux grandes choses.“ Bluche (1980), S. 16. 97 Vgl. zu den innenpolitischen Hintergründen Zuccarelli (1988), S. 121–124; trotz der Wiedereinführung des Ministerpräsidentenamtes behielt der Senegal ein präsidentielles Regierungssystem bei. Die Außen- und Verteidigungspolitik blieben zudem ausschließlich Sache des Staatspräsidenten.

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gramm der Gemeinschaft allerdings nicht ein einziges Mal Erwähnung. Stattdessen ließ er kein gutes Haar an der Reformpolitik der senegalesischen Regierung.98 Ferrandis Brief spiegelt im Kleinen wider, was nach einem Jahrzehnt Entwicklungszusammenarbeit zur vorherrschenden Attitüde der Geberseite wurde und sich bereits bei der Diversifizierung zeigte: Mangelndes Verantwortungsbewusstsein für vergangene Entwicklungen paarte sich mit der ungebrochenen Gewissheit, Lösungen für die Zukunft parat zu haben. Vor dem Hintergrund der um 1970 einsetzenden Saheldürre und der wenige Jahre später einsetzenden Welternährungskrise wird im folgenden Kapitel ausführlich zu erörtern sein, wie Lösungsansätze für die Erdnusswirtschaft und für die zunehmend virulenten Absatzmarktprobleme gemeinsam konzipiert und umgesetzt wurden. *** In der Tat befand sich die senegalesische Erdnusswirtschaft zu Beginn der 1970er Jahre in einer schweren Krise. Die Ernteerträge sanken seit 1967 kontinuierlich und lagen im Jahr 1970 gerade noch etwas über der Hälfte derjenigen des Jahres 1965, was zugleich die schlechteste Ernte seit der senegalesischen Unabhängigkeit bedeutete.99 Verschiedene Faktoren trugen zu dieser Entwicklung bei. Zum einen litten die Ernten Ende der 1960er Jahre zunehmend unter widrigen klimatischen Bedingungen. Zum anderen fuhr die senegalesische Regierung infolge der Anpassung der Erdnusswirtschaft an die Gesetzmäßigkeiten des Weltmarkts eine rigide Preispolitik. Zwischen 1968 und 1970 zahlte sie den Bauern einen äußerst niedrigen Abnahmepreis, obwohl der Weltmarktpreis im selben Zeitraum um gut 30 Prozent zulegte.100 Mit anderen Worten profitierte der Staat von der günstigen Weltmarktentwicklung, während die Bauern leer ausgingen. Diese Politik trug maßgeblich zur Ausweitung des malaise paysan bei, wie die verstärkte Rückkehr der Bauern zur Eigenbedarfswirtschaft genannt wurde.101 Darüber hinaus waren die Organisationsstrukturen der Erdnusswirtschaft nach wie vor von mangelnder Koordination, fehlenden Kompetenzabgrenzungen und, nicht zuletzt, korrupten Funktionären gekennzeichnet. Daraus resultierten eine zunehmende Verschuldung der Bauern, Probleme bei der rechtzeitigen Bereitstellung von Dünger und qualitativ hochwertigem Samen sowie ineffiziente Vermarktungsab-

98 Vgl. ADEUS III. FED 31100911505: Ferrandi an Diouf, 11.5.1970. 99 Vgl. die Tabelle bei Touré (2002), S. 222; genau genommen fiel das Erntejahr 1970/71 so schlecht aus wie seit 15 Jahren nicht mehr, vgl. Schumacher (1975), S. 184. 100 Vgl. die Tabelle über die Entwicklung der Weltmarktpreise bei Péhaut (1974), S. 933. 101 Die einflussreichen Sufi-Bruderschaften setzten sich dabei an die Spitze des bäuerlichen Widerstands, vgl. AMAEF Sénégal 100: Amb. Dakar an MAEF, 18.1.1970; Cruise O’Brien (1979); vgl. zum malaise paysan auch Schumacher (1975), S. 183–185.

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läufe. So zumindest bilanzierte Präsident Senghor im März 1970 die Auswirkungen der Reformen im Erdnusssektor vor dem Conseil économique et social.102 Ohne Zweifel war die verheerende Situation Anfang der 1970er Jahre auch auf innenpolitische Versäumnisse zurückzuführen. Allerdings hat bereits die Aktion der SATEC gezeigt, dass die Dichotomie zwischen verfehlten innenpolitischen Reformen und vermeintlich heilbringenden Interventionen von außen der detaillierten historischen Analyse nicht standhält. Vielmehr erarbeitete sich die französische Entwicklungsgesellschaft eine einflussreiche Position innerhalb der senegalesischen Verwaltungsstrukturen und vergrößerte dadurch in den Worten Senghors den „jungle administrative“ im Erdnusssektor.103 Darüber hinaus zeichnete die Gemeinschaft nicht nur mitverantwortlich dafür, dass die Preise sanken. Gleichermaßen ließ das Produktionshilfeprogramm der EWG aufgrund der forcierten Verwendung von Dünger und Agrargerät die Kosten der Bauern enorm ansteigen. Schon die Verbreitung ,moderner‘ Techniken allein trieb die Bauern in die Verschuldungsfalle; der Preisverfall zementierte lediglich diesen Trend.104 Schließlich entstanden der senegalesischen Regierung neben den immensen Steuerausfällen, die die schlechten Ernten nach sich zogen, zusätzliche Kosten durch die Abnahmegarantie gegenüber der Société industrielle d’engrais du Sénégal (SIES).105 Addiert machten diese Belastungen mehr als 2 Milliarden F CFA jährlich aus. Die daraus resultierenden finanziellen Engpässe bewogen die senegalesische Regierung in erster Linie dazu, die Preise für die Bauern trotz der günstigen Weltmarktkonjunktur niedrig zu halten.106 Übergreifend sah sich die senegalesische Regierung demnach infolge des von der EWG finanzierten und letztlich gescheiterten Modernisierungsprogramms zu einem rigiden Sparkurs gezwungen, der die Situation der Erdnusswirtschaft freilich noch einmal verschlimmerte.107 Im Frühjahr 1970 ergriff die senegalesische Regierung erste Maßnahmen, um dem malaise paysan ein Ende zu bereiten. So erhöhte sie den Ankaufspreis leicht, verbilligte Samen und Dünger und verlängerte die Rückzahlungsfristen für die Bauern. Außerdem wurde die Rendite, die dem Staat dank des hohen Weltmarktpreises zufiel, unter anderem dazu verwendet, verschiedene Institutionen des Erdnusssektors finanziell zu 102 Vgl. AMAEF Sénégal 88: Amb. Dakar an MAEF, 20.3.1970. 103 Diesen Ausdruck benutzte Senghor vor dem Conseil économique et social, vgl. AMAEF Sénégal 88: Amb. Dakar an MAEF, 20.3.1970; vgl. dazu auch Kap. II.4. 104 Vgl. ADEUS III. FED 31100911505: DG VIII, Note d’appréciation sur l’aide demandée par le Sénégal en faveur de l’arachide, September 1970. 105 Zur Entstehungsgeschichte der Fabrik und der Rolle der EWG dabei vgl. Kap. II.7. 106 Vgl. ADEUS III. FED 31100911505: DG VIII, Note d’appréciation sur l’aide demandée par le Sénégal en faveur de l’arachide, September 1970. 107 Ähnlich Oya (2006), S. 211; vgl. dagegen Cruise O’Brien (1979), S. 218f.; er deutet die niedrige Preispolitik der senegalesischen Regierung als bewusste Maßnahme zur Bereicherung des Staates und seiner Funktionäre.

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entlasten; ein weiterer Teil dieser Mittel ging an die Düngemittelfabrik, um der Abnahmeverpflichtung nachzukommen. Schließlich wartete man ungeduldig auf einen Bericht einer italienischen Beraterfirma, die im Auftrag der Weltbank das ONCAD sowie die Kooperativen durchleuchten und Vorschläge unterbreiten sollte, wie diese Institutionen effizienter arbeiten könnten. Trotz dieser Bemühungen erreichte die Krise jedoch, nicht zuletzt aufgrund erneut widriger Witterungsverhältnisse, Ende des Jahres 1970 ihren Höhepunkt: Zum dritten Mal in Folge fiel das Ernteergebnis niedriger aus als im jeweiligen Vorjahr und markierte damit den erwähnten Negativrekord.108 *** Die senegalesische Regierung benötigte also mehr als nur Glück und napoléonischen Verstand, um der senegalesischen Erdnusswirtschaft neuen Schwung zu verleihen. Angesichts zunehmend leerer Kassen war sie mehr denn je auf externe Unterstützung angewiesen. Folglich wandte sich der Senegal auf der Suche nach Lösungsmöglichkeiten für die daniederliegende Erdnusswirtschaft erneut an die EWG. Das Investitionsprogramm, das die Generaldirektion zusammen mit der senegalesischen Regierung im März 1970 auf den Weg gebracht hatte, sah jedoch keinerlei Maßnahmen im Erdnusssektor vor.109 Rein formal betrachtete die Gemeinschaft ihr Engagement in diesem Bereich mit dem Auslaufen der Produktionshilfe als abgeschlossen – alles andere wäre auch einem Eingeständnis verfehlter gemeinschaftlicher Entwicklungspolitik gleichgekommen. Diese Haltung nahmen zumindest die niederländische und die deutsche Delegation im Laufe der Verhandlungen zum neuen Assoziationsabkommen ein. Dementsprechend zeigten sie sich nur noch in Katastrophenfällen bereit, in jenen landwirtschaftlichen Bereichen zu intervenieren, die in den 1960er Jahren mit Produktionshilfen alimentiert worden waren. Mit dem neuen Abkommen wurde ein Sonderbudget über maximal 80 Millionen RE eingerichtet, auf das ausschließlich in Ausnahmesituationen zurückgegriffen werden konnte.110 Als derartige Notfälle wur108 Vgl. CAD Dakar MCAC 429: Requête du Sénégal au FED, o.D. [1971]; bei den verschiedenen Institutionen handelte es sich unter anderem um das ONCAD (Einspringen für Bauernschulden, die nicht mehr eingetrieben werden konnten) und die BNDS (Einspringen für Schulden der Kooperativen, die sich aus dem Kauf von Agrargerät ergeben hatten). Die Weltbank machte die genannte Untersuchung zur Bedingung ihres Engagements, wodurch die action de vulgarisation der SATEC verlängert werden konnte, vgl. Kap. II.4; vgl. zu den Reformmaßnahmen auch AMAEF Sénégal 97: Amb. Dakar an MAEF, 15.4.1970; ebd. Sénégal 100: Amb. Dakar, Note d’information Sénégal campagne arachidière 1969/70, 9.6.1970. 109 Vgl. zur Entstehung des Investitionsprogramms Kap. III.1. 110 Vgl. Vahsen (2010), S. 380f.; der Sonderfonds wurde anfangs mit einem Betrag über 20 Millionen RE ausgestattet. Ab dem zweiten Jahr sollte er immer wieder mit Mitteln des regulären Fonds auf diese Summe aufgefüllt werden, wobei insgesamt nicht mehr als 45

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den klimatische Katastrophen wie Dürreperioden oder Überschwemmungen sowie längerfristige und signifikante Preisstürze am Weltmarkt anerkannt. Die assoziierten Staaten mussten den Eintritt einer solchen Situation ausführlich belegen, ehe der EEF-Ausschuss über die Stichhaltigkeit entschied.111 Die Nothilfe bot dem Senegal die einzige Möglichkeit, im Rahmen des dritten Fonds erneut finanzielle Unterstützung für die Erdnusswirtschaft zu erhalten und dadurch einen Weg aus der Krise zu finden. Bereits im Juni 1970 startete die senegalesische Regierung eine erste Initiative und schlug der Kommission eine konditionierte Produktionshilfe vor: Sie sollte nur für jene Phasen gewährt werden, in denen der Weltmarktpreis unter den vom Staat festgesetzten Verkaufspreis fiel und Dünger, Samen sowie Vulgarisationsmaßnahmen subventionieren. Nachdem die Gemeinschaft offiziell darauf nicht reagiert hatte, führte der schlechte Verlauf des Erntejahres 1970 zu einem Umdenken in Dakar. Als sich die Partner zum Jahresende erstmals konkret über mögliche Formen einer Nothilfe unterhielten, plädierten die senegalesischen Verantwortlichen dafür, dass die Gemeinschaft für die verbliebenen Schulden der Bauern sowie für die Verpflichtungen gegenüber der Düngemittelfabrik aufkommen solle.112 Wenngleich die Generaldirektion beide Konzepte für ebenso unausgegoren wie unvereinbar mit der gemeinschaftlichen Nothilfe hielt, so zeigte sie sich unter bestimmten Bedingungen sehr aufgeschlossen gegenüber einem erneuten Engagement im Erdnusssektor: „Une aide communautaire peut être utile si elle peut pousser le Gouvernement aux réformes de structures nécessaires.“113 Mit der Nothilfe sollte demnach nicht nur Unterstützung gewährt, sondern diese an die Durchführung innenpolitischer Reformen gekoppelt werden. Anlässlich des Treffens Ende Dezember Millionen RE für die fünf Jahre zur Verfügung gestellt wurden. Nur für den Fall, dass die Ausnahmesituationen derart schwerwiegend sein würden, dass diese Mittel nicht ausreichten, konnte der Assoziationsrat beschließen, noch einmal 15 Millionen zu übertragen. Allein an diesem Verfahren spiegelt sich die große Skepsis der Mitgliedsstaaten gegenüber fortgesetzten Interventionen in den Monokulturwirtschaften der assoziierten Staaten wider, vgl. Abl.EG Nr. L 282, 28.12.1970, S. 2–17: Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten Staaten und Madagaskar, hier Art. 20. 111 Vgl. ADEUS III. FED 31100911505: DG VIII, Note d’information sur l’aide pour faire face à une situation exceptionnelle, Juni 1970; das Attribut ,signifikant‘ wurde in diesem Zusammenhang nicht nur numerisch verstanden, sondern ebenso hinsichtlich der Auswirkungen, die ein Preissturz auf die Wirtschaft des betroffenen Landes hatte. 112 Vgl. ebd.: DG VIII, Note d’appréciation sur l’aide demandée par le Sénégal en faveur de l’arachide, September 1970; HAEU 25/1980-1362, S. 130: DG VIII, Compte rendu de la mission de programmation, mise à jour, 7.12.1970, hier S. 137; ebd. 25/1980-1478, S. 311: Porcasi an Ferrandi, 13.1.1970. 113 ADEUS III. FED 31100911505: DG VIII, Note d’appréciation sur l’aide demandée par le Sénégal en faveur de l’arachide, September 1970.

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1970 in Dakar führte Ferrandi der senegalesischen Regierung diese Bedingungen klar vor Augen. Er verlangte einen umfassenden master plan, in dem alle Maßnahmen darzulegen seien, die die senegalesischen Verantwortlichen zur Wiederbelebung der Erdnusswirtschaft ergreifen wollten. Ferner wurden konkrete Informationen über ungünstige klimatische Entwicklungen der letzten Jahre sowie Bilanzen der senegalesischen Stabilisierungskasse erbeten, um eine Prüfung der Nothilfe zu ermöglichen.114 Zwei Wochen später ging in Brüssel der geforderte Antrag ein, der mit einer Serie von Trockenperioden begründet wurde, wie es sie in solch kurzen Abständen im Senegal noch nicht gegeben hätte. Wie von Ferrandi erbeten, wurde die Reformpolitik der senegalesischen Regierung ausführlich dargelegt. Doch die im Antrag erneut geäußerte Idee, wonach die Gemeinschaft für die Schulden der Bauern aufkommen solle, stieß auf wenig Gegenliebe in der Generaldirektion. Stattdessen favorisierte der Fonds-Chef die direkte Auszahlung einer sogenannten Aussaatprämie an die Bauern, die je nach individueller Betroffenheit von den klimatischen Unwägbarkeiten gewährt werden sollte.115 Nachdem sich Ferrandi mit seiner Auffassung durchgesetzt hatte,116 diskutierte der EEF-Ausschuss erstmals Mitte März 1971 das Nothilfepaket für den Senegal, das 2 Milliarden F CFA umfasste. Es war das erste Mal, dass sich der Ausschuss mit der neuen Sonderhilfe befasste. Die Generaldirektion tappte jedoch in die Falle, weil sie ihre Aussaatprämie in Verbindung mit den bestehenden Schulden der Bauern brachte. Eine Schuldentilgung lehnte der Ausschuss jedoch geschlossen ab. Die Hilfeleistung der Gemeinschaft müsse in die Zukunft weisen und für den Bauern einen echten Anreiz zur Produktion darstellen, lautete der Tenor der Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus hatte die deutsche Delegation starke Zweifel, ob die Situation im Senegal eine Anwendung der Nothilfe überhaupt rechtfertige. Ihrer Ansicht nach hatte die senegalesische Regierung aufgrund der niedrigen Preispolitik die missliche Lage allein zu verantworten. Im Ergebnis wurde die Entscheidung vertagt und die Generaldirektion aufgefordert, einen neuen Vorschlag zu präsentieren, in dem die Reformmaßnahmen des Senegal klarer umrissen und die Hilfe der Gemeinschaft präzisiert werden sollten.117 Dass der Ausschuss vorerst keinen Beschluss fasste, wurde im Senegal besorgt zur Kenntnis genommen. Offensichtlich verfügte Senghor über zuverlässige Informanten 114 Vgl. HAEU 25/1980-1478, S. 311: Porcasi an Ferrandi, 13.1.1970; der Vorschlag des senegalesischen Finanzministeriums belief sich auf gut 3,5 Milliarden F CFA. Die Strafzahlung gegenüber der SIES galt bereits als sicher, da sich inzwischen 50.000 Tonnen Dünger auf Lager befanden. 115 Vgl. ANS 1R 371: DG VIII, Observations et questions relatives au dossier de demande d’aide exceptionnelle, 15.1.1971. 116 Vgl. ebd.: Diallo an Ferrandi, o.D. [1971]; ebd.: Dia an MDRS, 30.1.1971. 117 Vgl. PAAA B 68-1062: EEF-Ausschuss, Protokoll der 53. Sitzung, 5.4.1971; CAD Dakar MCAC 429: Note „Comité du FED“, 16.3.1971.

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bei der Gemeinschaft, die ihm die Interna übermittelten. Umgehend wandte sich der Präsident an den deutschen Bundeskanzler, um ihn darüber aufzuklären, „que votre Représentant [in Brüssel, M.R.] n’ait pas été bien informé.“118 Mit seinem ausführlichen Brief wollte er dies nun nachholen und bat Brandt darum, die ablehnende Haltung seiner Regierung zu überdenken.119 Eine gute Woche später kam der Ausschuss erneut zu einer Sondersitzung zusammen, um über den nachgebesserten Vorschlag der Generaldirektion zu beraten. An der zur Disposition stehenden Hilfsmaßnahme hatte die DG VIII nichts geändert, schien diesmal aber besser vorbereitet zu sein. Abteilungsleiter Ugo präzisierte die sogenannten besonderen Bedingungen, die der senegalesischen Regierung auferlegt wurden: Die Verpflichtungen lauteten, weitere 2 Milliarden F CFA an Bauernschulden zu tilgen, den Erzeugerpreis für die kommende Kampagne um 3 F CFA zu erhöhen sowie die Stabilisierungskasse zu einer autonomen Institution umzustrukturieren. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Gewinne der Kasse künftig nicht mehr zweckentfremdet werden könnten. Die deutsche Delegation beeindruckte diese Art Konditionalisierung der Hilfe jedoch ebenso wenig wie zuvor Senghors Intervention beim Bundeskanzler. Sie verharrte in ihrer Auffassung, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Nothilfe nicht gegeben seien, weil die senegalesische Regierung die Situation der Erdnusswirtschaft selbst zu verantworten habe.120 Diese legalistische Argumentation konnte den fundamentalen Widerstand der Bundesregierung gegen jegliche der Produktionshilfe gleichkommende Maßnahme kaum verbergen.121 Die der deutschen Auffassung am nächsten stehende belgische Delegation versuchte daraufhin, dem Vertreter der Bundesregierung Brücken zu bauen: Zum einen schlug sie vor, die Aussaatprämie zu gleichen Teilen für Erdnüsse auf der einen sowie Hirse und Sorghum auf der andere Seite zu gewähren, um die Unterstützung stärker als Diversifizierungsmaßnahme erscheinen zu lassen.122 Zum anderen plädierte sie dafür, die Gelder je zur Hälfte aus dem Nothilfetopf und dem 118 PAAA B 20-1919: Senghor an Brandt, 22.3.1971. 119 Gewiss gestand Senghor in seinem Schreiben an Brandt den Fehler nicht ein, den seine Regierung mit dem Festhalten an einem geringen Preisniveau begangen hatte. Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die niedrige Preispolitik aus der Not heraus geboren wurde, um finanzielle Engpässe des Staates zu überwinden. Eingedenk der Debatte über Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen der GAP schien die deutsche Position außerdem scheinheilig, zumal der Bundesregierung damals der Referenzpreis des Mechanismus kaum niedrig genug sein konnte, vgl. dazu Kap. II.3. 120 Vgl. PAAA B 68-1062: EEF-Ausschuss, Bericht zur Sondersitzung über eine Soforthilfe für Senegal, 25.4.1971. 121 Im Nachgang zur Sitzung befürchtete die Handelsabteilung des Auswärtigen Amts, dass „verkappte Produktionshilfe-Anträge“ nun Schule machen könnten, PAAA B 68-1062: Vermerk, 26.3.1971. 122 Dieses Argument war kaum stichhaltig, zumal die drei Kulturen im Fruchtwechsel angebaut wurden.

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regulären Fonds zu gewähren, um dadurch klarzustellen, dass die Dürre nur teilweise für den heruntergewirtschafteten Erdnusssektor Schuld trage. Die anschließende Debatte war vom Bemühen aller beteiligten Parteien geprägt, die deutsche Delegation zum Einlenken zu bewegen. Doch sie blieb bei ihrer Haltung, „daß der Ausschuss zu einem irregulär vorgelegten Vorschlag keine gültige Stellungnahme abgeben könne.“ Schließlich beschloss das Gremium den belgischen Kompromissvorschlag gegen die Stimmen der deutschen Delegation.123 Der Verlauf der Sondersitzung demonstrierte einmal mehr den starken Willen zur Konsensbildung, der im Ausschuss vorherrschte. Umso bemerkenswerter erscheint die Sturheit der deutschen Delegation, die nicht folgenlos blieb. Wenige Tage später meldete die französische Presseagentur Agence France-Presse, dass die Bundesrepublik vor den Europäischen Gerichtshof ziehen wolle, um die Entscheidung des EEF-Ausschusses anzufechten – ein ungeheuerlicher Vorgang, zumal es das erste Mal gewesen wäre, dass in Luxemburg über die Rechtmäßigkeit einer entwicklungspolitischen Maßnahme der Gemeinschaft befunden worden wäre.124 So verstimmt die Bundesregierung auf ihre Niederlage im EEF-Ausschuss auch reagierte, so schien dennoch an dieser Geschichte nichts dran gewesen zu sein.125 Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass Ferrandi hier eine Intrige initiieren wollte, um Rache für das widerspenstige Verhalten der deutschen Delegation zu nehmen – zumindest hatte er persönlich letztere während der Sondersitzung explizit auf die Klageoption hingewiesen und dadurch dieses Szenario überhaupt erst ins Spiel gebracht.126 Wie dem auch gewesen sein mag, so besaß die kleine Pressenotiz durchaus Potential, die senegalesisch-deutschen Beziehungen nachhaltig zu trüben: Der senegalesische Soleil machte die Story am folgenden Tag zum Leitartikel, Präsident Senghor gab sich 123 PAAA B 68-1062: EEF-Ausschuss, Bericht zur Sondersitzung über eine Soforthilfe für Senegal, 25.4.1971; vgl. auch ebd.: Heise an Ständige Vertretung Brüssel, 23.3.1971. 124 Vgl. CAD Dakar AMB 750: Agence France-Presse, Bonn oppose l’aide de la CEE au Sénégal, 30.3.1971; die Meldung gab exakt die Haltung der deutschen Delegation im EEF-Ausschuss wieder. 125 Nach Absprache auf Referentenebene zwischen dem BMWi, dem AA und weiteren Ministerien sollte die Angelegenheit zwischen den jeweiligen Staatssekretären besprochen werden, wobei folgende Maßnahmen vorgeschlagen wurden: erstens eine Intervention bei den deutschen Kommissaren in Brüssel, zweitens eine Kürzung des deutschen Finanzanteils am EEF um jene Beträge, die in den Nothilfetopf wanderten, drittens eine Unterrichtung der Öffentlichkeit, viertens ein Boykott des EEF-Ausschusses oder zumindest ein Fernbleiben bei jenen Sitzungen, bei denen „rechtswidrige“ Vorlagen diskutiert würden. So heftig die erwogenen Reaktionen auch ausfielen – der Gang nach Luxemburg war nicht darunter. Schlussendlich wurden kurz darauf auch die hier genannten Maßnahmen allesamt verworfen, vgl. PAAA B 68-1062: Vermerk, 26.3.1971; ebd. B 20-1919: Ruyter, Vermerk, 31.3.1971. 126 Vgl. PAAA B 68-1062: EEF-Ausschuss, Bericht zur Sondersitzung über eine Soforthilfe für Senegal, 25.4.1971.

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„außerordentlich bestürzt“, Landwirtschaftsminister Habib Thiam sollte umgehend auf Sondermission nach Bonn geschickt werden, und der deutsche Botschafter wurde postwendend zu Premier Abdou Diouf einbestellt.127 Das Dementi des deutschen Botschafters konnte die senegalesische Regierung zwar beruhigen. Dennoch blieb ein fader Beigeschmack zurück, musste die Bundesregierung doch anerkennen, auf welch dünnem Eis sich die entwicklungspolitischen Beziehungen zum Senegal bewegten.128 Im Ergebnis konnte sich die Generaldirektion mit ihrer Interpretation der Nothilfe gegen die Mitgliedsstaaten grundsätzlich durchsetzen, wodurch Produktionsbeihilfen unter einem neuen und zweifellos stigmatisierenden Titel wieder Bestandteil des entwicklungspolitischen Repertoires der Gemeinschaft wurden. Anders als in den 1960er Jahren wurde die Vergabe jedoch an weitreichende wirtschaftliche Bedingungen geknüpft. Dadurch führte die Kommission zu Beginn der 1970er Jahre das Prinzip der Konditionalität relativ geräuschlos in die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik ein. Offiziell fand jenes Prinzip – in seiner politischen Variante – erst zu Beginn der 1990er Jahre Eingang in den entwicklungspolitischen Diskurs der EWG.129 In der Praxis jedoch dürfte die Gemeinschaft eine der ersten internationalen Institutionen gewesen sein, die ihre Hilfe derart umfassend an makroökonomische Reformen knüpfte.130 Wenngleich die Generaldirektion die Gewährung der Nothilfe an den Senegal grundsätzlich als Erfolg verbuchen konnte, so hatte es der EEF-Ausschuss doch vermocht, dem Vorschlag seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Folgenreicher als die bürokratische Aufteilung der Unterstützung auf die verschiedenen Budgets des Fonds erwies sich die Trennung zwischen Erdnussfeldern und Hirse- beziehungsweise Sorghumfeldern. Die Gelder sollten so verteilt werden, dass pro bewirtschaftetem Hektar 1000 F CFA auszuzahlen waren. Damit demonstrierten die Entscheidungsträger in Brüssel einmal mehr ihre Ahnungslosigkeit, da es für die senegalesischen Bauern wesentlich billiger war, ein Hirsefeld zu bestellen als ein Erdnussfeld.131 Abgesehen 127 PAAA B 68-1062: Botschaft Dakar an AA, 7.4.1971. 128 Vgl. ebd.: Telegramm AA an Botschaft Dakar, 31.1.1971; ebd.: Botschaft Dakar an AA, 7.4.1971. 129 Erst das vierte Lomé-Abkommen von 1989 knüpfte die Vergabe von Entwicklungshilfe lose an die Achtung von Menschenrechten, und erst im Jahre 1991 empfahl der Europäische Rat, Sanktionen gegen Länder einzuführen, die Demokratie- und Rechtsstaatsprinzipien missachteten, vgl. dazu Dimier (2006), S. 263f.; Dimiers These, wonach Konditionalität in Brüssel bis dahin kaum eine Rolle gespielt habe, ist angesichts der hier dargelegten Befunde allerdings nicht haltbar. 130 Vgl. dazu auch Kennes (1992), S. 334; der Rhetorik zufolge herrschte zur selben Zeit beispielsweise bei der Weltbank ein anderer Geist. So setzte sich der 1968 neu ins Amt gekommene Präsident Robert McNamara verstärkt für Maßnahmen zur Armutsbekämpfung ein, vgl. Finnemore (1997), S. 210–219. 131 Der Anbau von 1 Hektar Hirse erforderte ungefähr 8 bis 12 Kilogramm Saatgut, während der entsprechende Anbau von Erdnüssen 100 bis 125 Kilogramm benötigte. Hinzu

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davon hatten sie sich auch keinerlei Gedanken gemacht, wer die Aussaat von insgesamt 2 Millionen Hektar Anbaufläche kontrollieren sollte. „Si le montant de l’aide donne satisfaction au Gouvernement du Sénégal, la plus grande perplexité préside maintenant aux modalités de cette aide,“ resümierte die EWG-Delegation in Dakar die Reaktionen im Building administratif.132 Etappenweise gelang es der senegalesischen Regierung, zuerst die Trennung zwischen Hirse und Erdnüssen gegenstandslos zu machen und anschließend ihr eigenes Verteilungsmodell gegenüber der Generaldirektion weitgehend durchzusetzen.133 Damit entkleidete sie die Nothilfe all jener bürokratischen Bestimmungen, die vor allem der Konsensbildung wegen am Brüsseler Verhandlungstisch festgelegt wurden, und schuf zugleich die Voraussetzungen für eine effiziente Umsetzung. Anfang Juli 1971 wurde mit der Auszahlung der Prämien an ungefähr 1,5 Millionen Bauern begonnen. Bereits fünf Wochen später war die Aktion, die unter der Kontrolle der EWG-Delegation in Dakar stand, abgeschlossen. Alle acht Mitarbeiter waren eigenen Angaben zufolge tagaus tagein im Einsatz, um Dorfbewohnern das Verfahren zu erklären, Steuerlisten zu prüfen, unangemeldet Auszahlungskommissionen zu kontrollieren und nachträgliche Umfragen in den Dörfern durchzuführen. Sie berichteten, mehr als 27.000 Transaktionen oder 15 Prozent der gesamten Auszahlungen begleitet zu haben, welche gegenüber den chefs de carré getätigt wurden. Jene nahmen die Prämien stellvertretend für alle Bauern entgegen, die auf ihren Feldern beschäftigt waren.134

kam, dass die Gewährung nach ausgesäter Fläche dazu verleiten musste, wesentlich mehr Ackerfläche mit weniger Samen zu bewirtschaften. 132 ADEUS III. FED 31100911505: Brauch an DG VIII, April 1971. 133 Im Abkommen wurde vorgesehen, dass sich die Verteilung der Gelder nach dem Verhältnis zwischen ausgesäter Samenmenge und Ernteertrag des Vorjahres bemessen sollte. Damit beabsichtigte die Kommission, jene Bauern zu belohnen, die zum einen weiter Anbau betrieben und zum anderen besonders unter der Trockenheit gelitten hatten. Premier Diouf hielt dieses Verfahren jedoch für undurchführbar und wollte stattdessen die bestehenden Ackerflächen pro arrondissement durch jene dort ansässigen Bauern teilen, die im Steuerregister eingetragen waren. Letztlich einigte man sich auf das senegalesische Modell, wobei das Steueraufkommen der Bauern vom Vorjahr Berücksichtigung finden sollte, vgl. ADEUS III. FED 31100911505: Convention de financement „Aide pour situation exceptionnelle“, 29.4.1971, annexe; ebd.: Pirzio-Biroli an DG VIII, 8.6.1971; HAEU 25/1980-644, S. 9: Pirzio-Biroli, Rapport préliminaire, August 1971, hier S. 12f.; darin wird auch im Nachhinein eingestanden, dass das Modell der Kommission unmöglich hätte umgesetzt werden können. 134 Vgl. HAEU 25/1980-644, S. 9: Pirzio-Biroli, Rapport préliminaire, August 1971; Marabuts, die bis zu 200 Talibés geltend machten, erweckten zwar Misstrauen bei den europäischen Kontrolleuren, bekamen letztlich aber die ihnen zustehende Summe ebenso ausgezahlt wie die übrigen Bauern.

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Wenngleich während der Kontrolltätigkeit der Delegationsmitarbeiter zahlreiche Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden, so bewertete der italienische Delegationsleiter Detalmo Pirzio-Biroli die Aktion insgesamt als großen Erfolg. Die Nachfrage nach Lebensmitteln auf dem Land stieg sprunghaft an, sodass der Einzelhandel einen regelrechten Aufschwung erlebte. Außerdem schien wesentlich mehr Ackerfläche bewirtschaftet zu werden als im Vorjahr. Nicht zuletzt zeichnete sich auch eine verstärkte Nachfrage nach Dünger ab. Zu den gewünschten wirtschaftlichen Effekten gesellte sich ein bemerkenswerter Imagegewinn für die Gemeinschaft. Die Dankbarkeit mancher Bauern kannte den Berichten der Delegation zufolge keine Grenzen: „Moi, je te crois, une chose pareille ne peut arriver deux fois dans la vie“, meinte der eine, ein anderer bekannte, „depuis la création et chez tous mes ancêtres ceci ne s’est jamais vu ni entendu“, und ein schon recht betagter Dorfchef fühlte sich an die guten alten Zeiten zurück erinnert: „Avant, il y avait les blancs [...], après on ne les a plus vus et c’était mal, maintenant ils sont retournés et ça va bien.“135 Weil die Gemeinschaft darauf beharrt hatte, eine Prämie zu gewähren statt die Schulden der Bauern zu tilgen, verbaute sie der senegalesischen Regierung ein Stück weit die Möglichkeit, verloren gegangenes Vertrauen auf dem Land zurückzugewinnen. Obwohl der senegalesische Staat einen Großteil der Schulden stornierte und den Erdnusspreis um insgesamt 3 auf 23 F CFA erhöhte, wurde im Wesentlichen die EWG als Urheber der relance gefeiert. Als oppositionelle Kreise das Gerücht verbreiteten, dass auch die nationalen Maßnahmen von Brüssel aufgezwungen worden waren, sah sich Pirzio-Biroli sogar genötigt, in einer Rundfunkansprache an die Bauern Senghors Reformpolitik zu verteidigen und zugleich die vertrauensvolle Zusammenarbeit zu würdigen: Die Gemeinschaft habe sich entschieden, „de payer ces deux milliard comme témoignage de sa profonde confiance dans le Gouvernement du Sénégal […]. Et non seulement: elle a voulu à titre égal donner un témoignage de sa profonde confiance dans les paysans sénégalais qui sont parmi les meilleurs d’Afrique, confiance dans chacun d’entre vous.“136

Freilich war jenes Gerücht nicht ganz aus der Luft gegriffen. In der Tat verpflichtete sich die senegalesische Regierung mit der Inanspruchnahme der Nothilfe zu zahlreichen Reformmaßnahmen. Andererseits hatte sie mit der Anhebung der Preise und der Schuldentilgung bereits ein Jahr zuvor begonnen. Dies übersahen nicht nur ihre innenpolitischen Gegner, sondern auch Pirzio-Biroli. Vertrauen vorgeben und Kont135 HAEU 25/1980-644, S. 9: Pirzio-Biroli, Rapport préliminaire, August 1971, hier S. 21; vgl. zum Anstieg des Düngerverbrauchs auch ebd., S. 3: Dia an Ferrandi, 6.7.1971. 136 Ebd., S. 48: Adresse du contrôleur délégué aux paysans, 16.8.1971, hier S. 50; vgl. zur senegalesischen Reformpolitik ANS 1R 371: MDRS, Communication en Conseil de cabinet sur les mesures prises pour la relance des productions d’arachide et de mil, April 1971; ebd.: Thiam, Circulaire, 19.4.1971.

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rolle ausüben – so interpretierte der italienische Delegationsleiter sein Kerngeschäft. Die Konditionalisierung der Hilfe erfuhr somit vor Ort eine konsequente Umsetzung. Im Großen und Ganzen zeigte sich Pirzio-Biroli zufrieden mit der ,Folgsamkeit‘ der senegalesischen Regierung. So wurde etwa die Nominierung Adrien Senghors zum Generaldirektor des ONCAD als Signal für die Fortsetzung des administrativen Reformprozesses lebhaft begrüßt.137 Die Reorganisation der senegalesischen Stabilisierungskasse beschäftigte seine Delegation allerdings über gut zwei Jahre, ehe diese im Sommer 1973 den von der Gemeinschaft geforderten autonomen Status erhielt. In dieser Zeit wurden Pirzio-Biroli und sein Nachfolger Lorenzo Lanari nicht müde, die senegalesischen Verantwortlichen an ihre Verpflichtungen zu erinnern und drohten bisweilen damit, dass beharrlicher Widerstand ungünstige Folgen für die Bewilligung neuer Projekte haben könnte.138 Soweit kam es freilich nicht. Grosso modo handelte es sich also um eine Konditionalisierung mit Augenmaß, was insbesondere für die eher programmatischen Bedingungen galt, die der senegalesischen Regierung gesetzt wurden.139 Darunter fiel auch die Aufforderung, das Verhältnis des senegalesischen Staates zur SIES neu zu bestimmen. Vor allem die italienische Delegation hatte im EEF-Ausschuss gegen die monopolartige Stellung der Düngemittelfabrik im Senegal gewettert. Folglich sollte die senegalesische Regierung die Abnahmeverpflichtung gegenüber der SIES zur Disposition stellen.140 Dabei rannte die Gemeinschaft mit ihrer Auffassung offene Türen ein, denn in Dakar hatte man sich schon länger mit diesem Problem befasst. Wenig überraschend stellte sich das internationale, gleichwohl französisch dominierte Kon137 Vgl. ADEUS III. FED 31100911505: Pirzio-Biroli an Diouf, 25.10.1971; Adrien Senghor war der Neffe von Léopold Senghor und hatte in Dakar und Paris Recht und Wirtschaft studiert, vgl. Ndiaye/Ndiaye (2006), S. 383. 138 Vgl. ebd.: Convention de financement „Aide pour situation exceptionnelle“, 29.4.1971, annexe; ebd.: Pirzio-Biroli an Diouf, 25.10.1971; ebd.: Lanari an DG VIII, 16.3.1972; ebd.: Lanari an Diouf, 29.3.1972; ebd.: Lanari an DG VIII, 12.4.1972; ebd.: Brauch an ministère des Finances sénégalais, 25.9.1973; tatsächlich galt eine Reorganisation bereits nach einem Jahr als gesichert. Da sich die senegalesische Regierung aber entschieden hatte, eine autonome Ausgleichskasse für alle landwirtschaftlichen Produkte zu schaffen, dauerte die Umsetzung länger als geplant. Wirklichen Widerstand leistete der Senegal nur gegen die Verpflichtung, die Gemeinschaft regelmäßig über die Entscheidungen der Stabilisierungskasse zu informieren, was durch die Übermittlung der Sitzungsprotokolle ihrer Gremien geschehen sollte. 139 Unter diesen befand sich auch die Aufforderung, die Vulgarisation neu zu strukturieren – ein weiteres Beispiel für die in Brüssel um sich greifende Amnesie, war es doch die SATEC, die diesen Bereich im Auftrag der Gemeinschaft maßgeblich geprägt hat, vgl. dazu ausführlich Kap. II.4 140 Vgl. PAAA B 68-1062: EEF-Ausschuss, Protokoll der 53. Sitzung, 5.4.1971; ADEUS III. FED 31100911505: Convention de financement „Aide pour situation exceptionnelle“, 29.4.1971, annexe.

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sortium, das hinter der Düngemittelfabrik stand, zunächst quer. Man könne nicht einfach eine Klausel in Frage stellen, die den Hauptausschlag für die Errichtung des Industriekomplexes gegeben habe, lautete die ebenso schlichte wie irrige Begründung der Geschäftsführung, denn eine Überprüfung der Abnahmegarantie nach einer gewissen Anlaufphase der Fabrik war in der convention d’établissement festgelegt worden. So dauerten die Verhandlungen bis Dezember 1974 an, ehe sich die SIES dazu bereit erklärte, die Abnahmegarantie zumindest auf die Hälfte zu reduzieren.141 Die Kommission und die Mitgliedsstaaten besaßen insofern das richtige Augenmaß, als sie von den Restbeträgen der Produktionshilfe eine erneute Düngersubvention für das Jahr 1972 gewährten. Dabei gelang es der Generaldirektion offenbar erneut, die internationale Ausschreibung derart zu frisieren, dass die senegalesische Fabrik den Auftrag erhielt. Die Unterstützung der Gemeinschaft gründete nicht nur auf der Einsicht, dass sich der Senegal kurzfristig nicht aus seinen Verpflichtungen lösen konnte. Ebenso waren mit ihr Hoffnungen auf eine konsequente Fortsetzung der Wiederbelebung verbunden, wie sie mit den senegalesischen Reformen und der Gewährung der Nothilfe im Sommer 1971 eingesetzt hatte.142 *** Alles in allem gelang quasi aus dem Stand eine beeindruckende Wiederbelebung der senegalesischen Erdnusswirtschaft: Der Ernteertrag belief sich 1971 auf fast 1 Million Tonnen und kam damit dem Rekordjahr von 1965 sehr nahe. Die Wiederaufnahme der Produktion war allerdings nur eine Seite der Medaille: Erst wenn die gestiegene Produktion auch eine entsprechende Abnahme fände, würden sich die Anstrengungen richtig bezahlt machen. Infolge der Integration in die weltwirtschaftlichen Strukturen und des anschließenden Produktionseinbruchs zeichnete sich jedoch eine besorgniserregende Entwicklung auf der Nachfrageseite ab. So waren mit der Anpassung an den Weltmarkt nicht nur die Preisgarantien, sondern auch die Absatzgarantien der französischen Regierung obsolet geworden. Die senegalesische Erdnuss musste sich seit 1968 dem Konkurrenzkampf mit anderen Ölsaaten wie der Sojabohne oder der Sonnenblume stellen und hatte dabei unabhängig von der Verarbeitungsstufe äußerst schlechte Aussichten.

141 Vgl. ADEUS III. FED 31100911505: Cabou an SIES, 22.1.1971; CAC 19950347-55, Bd. 1: SIES, Procès-verbal de la réunion du conseil d’administration, 11.10.1973; ebd.: SIES an MAEF, 21.6.1974; ebd.: SIES, Procès-verbal de la réunion du conseil d’administration, 16.12.1974. 142 Vgl. HAEU 25/1980-644, S. 3: Dia an Ferrandi, 6.7.1971; ebd. 25/1980-655, S. 46: DG VIII, Finanzierungsvorschlag für eine Aktion zur Verbesserung der Kulturen (Düngemittel), September 1971; ebd. 25/1980-643, S. 245: Prange an Delegation Dakar, 28.1.1972.

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Zum einen war Erdnussöl in der Herstellung grundsätzlich teurer als andere Speiseöle. Die Zollpräferenz der EWG über 10 Prozent bot senegalesischem Öl keinen ausreichenden Schutz, um diese Kostenunterschiede einzuebnen. Ganz im Gegenteil schlugen sie sich zunehmend in den Verbraucherpreisen und bald auch im Konsumverhalten nieder, wobei dieser Trend natürlich durch die Krise im Senegal verstärkt wurde: In Frankreich, dem mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt senegalesischen Erdnussöls, stieg der Preis für einen Liter zwischen 1967 und 1971 von 3,2 FF auf fast 4 FF, während sich andere Speiseöle lediglich von 2,7 FF auf 2,8 FF verteuerten. Im selben Zeitraum verringerte sich der Anteil von Erdnussöl am gesamten Speiseölverbrauch von weit über 80 Prozent um mehr als die Hälfte auf nur noch 40 Prozent. Es war eine kleine Revolution, die sich gegen Ende der 1960er Jahre in französischen Küchen abspielte, in denen bis dahin fast ausschließlich Erdnussöl vorwiegend senegalesischer Provenienz verwendet wurde. Der Bedeutungsverlust der Erdnuss machte sich dabei auch an den Werbestrategien der größten französischen Speiseölhersteller Lesieur und Huilor bemerkbar, die schon Mitte der 1960er Jahre nicht mehr das produktspezifische huile d’arachide anpriesen, sondern stattdessen ihren jeweiligen Markennamen stärker akzentuierten.143 Zum anderen avancierte im Laufe der 1960er Jahre Ölschrot, das vorwiegend in der Futtermittelindustrie Verwendung fand, zum wichtigsten Produkt von Ölsaaten. In diesem Bereich lief die Sojabohne aufgrund ihres hohen Eiweißgehaltes sowie ihrer günstigen Ausbeute der Erdnuss und anderen Ölsaaten klar den Rang ab. Zudem machten neue Forschungserkenntnisse die Erdnuss noch unattraktiver. So wurde festgestellt, dass Erdnussschrot das krebserregende Pilzgift Aflatoxin enthielt. Zu Beginn der 1970er Jahre verfügte die EWG Einfuhrbeschränkungen und erließ bald darauf strengere Grenzwerte, was eine Verwendung senegalesischer Erdnüsse im Futtermittelbereich zwischenzeitlich ausschloss.144 „If one fundamental problem for Africa was that they had little to export, when they did find something Europe would not buy 143 Vgl. ANS 1R 728: MDRS, Compte rendu de la journée de l’arachide, 13.4.1972. vgl. dazu auch Rempe (2009c), S. 250f; zur Entwicklung des Ölpflanzenmarkts in der EWG in den 1960er Jahren vgl. ausführlich Péhaut (1974), S. 943–955. 144 Der senegalesische Botschafter verdächtigte dabei die Gemeinschaft, dass sie diese Maßnahmen erst einleitete, nachdem die USA als weltweit führender Erdnussproduzent eine technische Lösung gefunden hatten, um Erdnussschrot vom Aflatoxin zu befreien. Im Senegal fand ein derartiges Verfahren erst seit 1980 Anwendung. Senegalesische Verweise darauf, dass zum Beispiel Großbritannien lockerere Grenzwerte hatte, änderten nichts an dieser Art Handelsbeschränkung, vgl. CAD Dakar AMB 750: Senghor an Malfatti, 8.7.1970; HAEU 3/1978-912, S. 331: Conseil, Note, 9.2.1973; ebd. 25/19801327, S.  24: Porcasi an Krohn, 17.11.1970; Abl.EG Nr. L 38, 11.2.1974, S.  31–36: Richtlinie 74/63 des Rates über die Festlegung von Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen und Erzeugnissen in Futtermitteln; vgl. dazu auch Mbaye (2009); Höh (1989), S. 6–19, 28–31.

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it“ – Alan Milwards pointiertes Urteil traf in zunehmendem Maße auch auf senegalesische Erdnüsse zu.145 Die hier skizzierten schlechten Perspektiven, die die senegalesische Erdnuss zu Beginn der 1970er Jahre auf dem Weltmarkt besaß, bewogen Präsident Senghor dazu, eine Konferenz in Dakar zu organisieren, die sich diesen Problemen widmen sollte. Anfang Juli 1970 kontaktierte er den kurz zuvor ins Amt gehobenen Kommissionspräsidenten Franco Maria Malfatti mit der Bitte, die Tagung finanziell zu unterstützen. Der senegalesische Präsident wollte in Dakar einen runden Tisch organisieren, an dem sich angefangen von Vertretern der senegalesischen Ölindustrie über Regierungen weiterer Erdnuss produzierender afrikanischer Länder, Repräsentanten der Mitgliedsstaaten und der EWG-Kommission auch europäische Speiseölhersteller und Händler, kurz: alle, die in irgendeiner Form an der Verarbeitung und Vermarktung der Erdnuss beteiligt waren, versammeln sollten. Senghor erhoffte sich von dem breit angelegten Meinungsaustausch, die Haltungen der europäischen Partner und insbesondere die Versorgungsstrategien der europäischen Hersteller kennenzulernen und mit ihnen gemeinsam Strategien für eine „relance d’arachide“ zu entwickeln.146 Die EWG zeigte sich gegenüber der senegalesischen Initiative sehr aufgeschlossen, zumal sie sich hervorragend mit einem neuen Förderinstrument deckte: Mit dem zweiten Abkommen von Yaoundé konnte die Gemeinschaft fortan auch Maßnahmen finanzieren, die dazu geeignet waren, die Vermarktung und den Verkauf von Exporterzeugnissen der assoziierten Staaten zu erleichtern.147 So machte sich die Generaldirektion Senghors Vorschlag im wahrsten Sinne des Wortes zu eigen und übernahm gemeinsam mit einem französischen Berater des senegalesischen Präsidenten die Organisation des Treffens. Die DG VIII bestimmte die Einladungspolitik, das Konferenzdesign sowie inhaltliche Schwerpunkte und lenkte die Tagung dadurch in ihrem Sinne.148 Dies geriet dem Senegal keineswegs zum Nachteil. Tatsächlich wurde die viertägige Konferenz sehr gewissenhaft vorbereitet. Zwar hielten es alle Mitgliedsstaaten außer Frankreich nicht für nötig, fachkompetente Regierungsvertreter zu entsenden; davon abgesehen war die Tagung aber sehr gut besucht. Die EWG-Kommission schickte eine sechsköpfige Delegation, und die französische Société interprofessionnelle des oléagineux war mit ihrem Präsidenten ebenso vor Ort wie die Fédération des industries oléagineuses de la C.E.E.149 145 Milward (2005), S. 108. 146 CAC 19850144-14: Senghor an Malfatti, 1.7.1970. 147 Vgl. Abl.EG Nr. L 282, 28.12.1970, S. 2–17: Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten Staaten und Madagaskar, hier Art. 19 Abs. 1 lit. 4. 148 Vgl. CAC 19850144-14: Deniau an Senghor, 11.11.1970; ebd.: DG VIII, Proposition de financement, Februar 1971; darin wurde sogar die Tagesordnung festgeschrieben. 149 Vgl. HAEU 25/1980-744, S. 234: Colloque international sur l’arachide. Travaux et résolutions; ebd., S. 486: DG VIII, Compte rendu des travaux David, März 1971; die Mit-

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Die Eröffnung der Konferenz, die im März 1971 stattfand, behielt sich Senghor persönlich vor. Wenngleich es bei der Konferenz ursprünglich um künftige Vermarktungsstrategien gehen sollte, nahm er das Forum erneut zum Anlass, auf die hochgradig ungleichen Bedingungen am Weltmarkt für pflanzliche Öle hinzuweisen: „Ce sont les fondements mêmes de la concurrence qui se trouvent […] largement faussés par l’application systématique, à divers produits rivaux ou de substitutions, de formules généralisées de garantie, de protection et de soutien, mises en place au demeurant avec une égale fébrilité, par les États les plus riches et quelle que soit l’idéologie dont ils se réclament. Où est donc la fameuse loi de l’offre et de la demande?“150

Senghor spielte damit auf die diversen Stützungs- und Garantiesysteme an, wie sie in den USA für Sojaöl, in der UdSSR für Sonnenblumenöl und im EWG-Raum seit kurzem für Raps- und Olivenöl galten. Statt die Legitimität solcher Garantiesysteme in Frage zu stellen, leitete er aus dieser Analyse vielmehr die Notwendigkeit ab, ähnlich wirksame Stabilisierungsmaßnahmen für senegalesisches Erdnussöl einzuführen.151 Eine derartige Forderung fand schließlich Eingang in die Abschlussresolution der Konferenz, die von allen Teilnehmern verabschiedet wurde. So sollte umgehend, das heißt noch innerhalb der Laufzeit des bestehenden Assoziationsregimes, ein Preisstabilisierungsmechanismus eingerichtet und vom EEF garantiert werden.152 Ferner wurde eine Rationalisierung der internen Vermarktungsabläufe sowie des Überseehandels empfohlen und die Gemeinschaft aufgefordert, weitere Maßnahmen in dieser Richtung zu finanzieren.153 Schließlich sollten nach Ansicht der Delegierten verstärkte Bemühungen aufgewendet werden, senegalesisches Erdnussöl als Marke zu erhalten und das Profil des Produkts zu schärfen. In der Resolution wurde vorgeschlagen, mit dieser Aufgabe eine Arbeitsgruppe in Brüssel zu betrauen, die sich aus Vertretern der assoziierten Staaten, der EWG-Kommission sowie Fachleuten der Branche zusammensetzen sollte.154

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gliedsstaaten waren lediglich durch ihre Botschafter vertreten, die sich außerdem nur zu Senghors Eröffnungsrede blicken ließen, vgl. CAC 19850144-14: SdE Coop, Note pour le ministre, 2.4.1971. CAC 19850144-14: Colloque sur l’arachide: Allocution Senghor, 22.3.1971. Vgl. ebd.; zur konkreten Regelung in der EWG vgl. Buchholz (1977), S. 97; zu den USA und der UdSSR vgl. Péhaut (1974), S. 929–931. Vgl. HAEU 25/1980-744, S. 473: Colloque sur l’arachide. Rapport général et résolutions, 26.3.1971. Dabei ging es um Fragen wie zum Beispiel die mögliche Gründung eines Terminmarktes für Erdnussöl, das Problem unterschiedlicher Frachtkosten und die Ausbildung von Senegalesen zu Außenhandelskaufleuten. Vgl. HAEU 25/1980-744, S. 473: Colloque sur l’arachide. Rapport général et résolutions, 26.3.1971.

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Senghor zeigte sich mit Verlauf und Ergebnissen der Konferenz zufrieden und schöpfte neue Hoffnung, die Mitgliedsstaaten zum Umdenken zu bewegen. Doch der Forderung nach einer Sonderregelung für senegalesische Erdnüsse unter dem Dach des zweiten Abkommens von Yaoundé wurde rasch wieder der Wind aus den Segeln genommen. Als Senghor anlässlich der elften Tagung des Assoziationsrates in Tananarive den Mitgliedsstaaten die Resolution von Dakar schmackhaft machen wollte, gaben sich diese zurückhaltend. Man wolle die Vorschläge „untersuchen und behalte sich vor, später wieder darauf zurückzukommen“, lautete die Reaktion der europäischen Partner.155 Unmittelbar änderte also auch die Tagung nichts an der prekären, ungeschützten und nicht subventionierten Marktposition der senegalesischen Erdnuss. Mittelbar hingegen bildete die Konferenz ein – freilich sehr kleines – Mosaiksteinchen in der Entstehungsgeschichte des sogenannten Systems zur Stabilisierung der Exporterlöse von Entwicklungsländern (STABEX), wie es mit dem ersten Abkommen von Lomé im Frühjahr 1975 eingerichtet werden sollte. Vor dem Hintergrund der Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien, insbesondere der Diskussion um ein spezielles Zuckerabkommen für die karibischen Commonwealth Länder, nutzte die Kommission das Treffen in Dakar dazu, mögliche künftige Stützungsarrangements interessierten Fachkreisen zu skizzieren. In der Tat machte erst der Beitritt des Vereinigten Königreichs den Weg frei zu einem System, für das der Senegal im Grundsatz seit der Abschaffung der französischen Überpreise kämpfte. Die Generaldirektion erkannte frühzeitig die neuen Optionen, die sich durch den Beitritt Großbritanniens für die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik ergaben. Insofern bot die Konferenz von Dakar eine gute Gelegenheit, eine breitere Lobby für das Anliegen garantierter Preise und Absatzmärkte zu bilden, die nicht nur von afrikanischen Produzenten, sondern auch von europäischen Händlern und der entsprechenden Verarbeitungsindustrie getragen wurde.156 155 HAEU 25/1980-332, S. 245: Rat, Beratungsergebnisse der 11. Tagung des Assoziationsrates, 7.5.1971, hier S. 255; ebd. 25/1980-744, S. 510: Senghor an Malfatti, 14.4.1971. 156 Vgl. HAEU 25/1980-744, S. 227: Chapperon an Krohn, 22.3.1971; der deutsche Generaldirektor Krohn stand diesem Vorgehen jedoch zunächst skeptisch gegenüber, vgl. ebd., S. 522: Krohn an Ugo, 5.5.1971; ebd., S. 530: Ugo an Krohn, 25.5.1971; im Commonwealth galt ein spezielles Zuckerabkommen, das den Produzenten die Abnahme bestimmter Mengen zu festgelegten Preisen garantierte. Großbritannien wollte dieses Abkommen auch nach seinem Beitritt aufrechterhalten. Letztlich wurde ein Protokoll geschlossen, in dem sich die Gemeinschaft verpflichtete, die Interessen der assoziierten wie der noch zu assoziierenden Länder zu berücksichtigen, die in erheblichem Ausmaß von ihren Exporterlösen, insbesondere vom Zuckerexport, abhängig waren. Aus diesem Protokoll leitete die Kommission die Notwendigkeit des wesentlich umfassenderen STABEX ab, vgl. dazu und zur Entstehungsgeschichte von STABEX allgemein Ravenhill (1984), S. 539–543; ferner Palayret (2006), S. 369–375.

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Konkrete Maßnahmen konnte die Konferenz dagegen nur in Bezug auf die Vermarktung anstoßen. Die in der Abschlussresolution vorgeschlagene Arbeitsgruppe tagte erstmals im Juli 1971 und setzte sich das ehrgeizige Ziel, den Konsum senegalesischen Erdnussöls in den Ländern der Gemeinschaft bis zum Jahr 1975 um 100.000 Tonnen zu steigern. Eine entsprechend groß angelegte Werbekampagne sollte auf drei Jahre angelegt werden und 600 Millionen F CFA kosten. Geplant war, die Mittel zwischen der EWG (60 Prozent), dem Senegal und anderen Erdnuss produzierenden afrikanischen Ländern (28 Prozent) sowie der Ölindustrie (12 Prozent) aufzuteilen. Mit der Durchführung sollten die Marketingabteilungen der europäischen Vertreiber, zum Beispiel von Lesieur, beauftragt werden.157 *** Offenbar fielen diese Pläne jedoch der Verschärfung der Saheldürre zum Opfer.158 Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern der Sahelzone, die 1973 die geringsten Regenfälle verzeichneten, erreichte die Dürre im Senegal bereits ein Jahr zuvor ihren Höhepunkt. Die Dürre erfasste die gesamte senegalesische Landwirtschaft, wenngleich die Regionen unterschiedlich stark betroffen waren. In Dakar, wo im Jahresdurchschnitt 250 bis 500 Millimeter Regen fielen, wurde 1972 lediglich 120 Millimeter Niederschlag gemessen – der niedrigste Wert seit 1916. Während Zeitgenossen in der Folge vor allem darüber diskutierten, inwieweit menschliche Eingriffe in die Natur die Dürre mit ausgelöst hatten, wird die Katastrophe heutzutage eher auf das El Niño Phänomen zurückgeführt, das weltweit zu schlechten Ernten führte. Der Sahel wurde so zu einem zentralen Schauplatz der sogenannten Welternährungskrise, die allerdings erst Anfang 1973 ins Bewusstsein einer breiteren Medienöffentlichkeit und der internationalen Gebergemeinschaft rückte.159 157 Vgl. ANS 1R 728: Compte rendu de la journée de l’arachide, 13.4.1972; HAEU 25/1980-744, S. 532: Sylla an Krohn, 15.12.1971. 158 So listet eine Bilanz des EEF vom März 1973 für den Bereich „Förderung und Vermarktung der Exporterzeugnisse der AASM“ nur die 23 Millionen RE auf, die für die Erdnusskonferenz zur Verfügung gestellt wurden, vgl. CAC 19850144, Bd. 2: SdE Coop, Bilan financier global des aides du FED, o.D. [1973]; auch eine Übersicht aus dem Jahre 1976 führt lediglich eine Aktion in diesem Bereich, vgl. Art. Sénégal. Principales réalisations au 31 décembre 1974, in: Le Courrier Nr. 36 (1976), S. 60; Dakar zeigte sich ferner vergleichsweise reserviert angesichts der geforderten finanziellen Beteiligung, vgl. ANS 1R 728: Compte rendu de la journée de l’arachide, 13.4.1972. 159 Vgl. ADEUS III. FED 31100911520: DG VIII, Proposition de financement „Intervention d’urgence“, Februar 1973; Derrick (1977), S. 545; Gerlach (2005), S. 549; geographisch gesehen bildet der Sahel eine klimatische Übergangszone zwischen der Sahara und der sogenannten Sudanzone. Seine Grenzen werden je nach Disziplin unterschiedlich gezogen. In Bezug auf den Senegal wird dessen nördlicher Teil dem Sahel zugerechnet, während beispielsweise Dakar manchmal schon zur Sudanzone gezählt wird. Heut-

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Der geglückten Wiederbelebung der senegalesischen Erdnusswirtschaft folgte also im Folgejahr ein jäher Absturz, der sich in einem erneuten Negativrekord nicht nur der Erdnussernte, sondern auch aller anderen im Senegal angebauten Erzeugnisse manifestierte. Darüber hinaus drohten ein massenhafter Verlust von Nutztieren und eine Hungersnot.160 Die senegalesische Regierung wollte der Krise mit drei Maßnahmen begegnen. Zum einen sollten den Bauern 60.000 Tonnen Lebensmittel im Rahmen der internationalen Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen wurde erneut an eine Aussaatprämie für die am meisten geschädigten Bauern gedacht. Schließlich visierte man eine Sonderhilfe für die Viehwirtschaft an, die in Form von Veterinärmaßnahmen und der Lieferung von Futtermitteln erfolgen sollte. Neben der bi- und multilateralen Hilfe kam auch ein nationaler Solidaritätsfonds für die Finanzierung auf. Letzterer speiste sich aus einer Sonderabgabe, die alle senegalesischen Gehaltsempfänger zahlen mussten.161 Für die drei genannten Maßnahmen fragte der Senegal im Januar 1973 bei der EWG um Unterstützung im Rahmen der Nothilfe an. Die Gemeinschaft reagierte vergleichsweise schnell, sodass der EEF-Ausschuss Anfang März ein Gesamtpaket über 19 Millionen RE für alle von der Saheldürre betroffenen assoziierten Länder verabschiedete, wovon der Senegal etwas mehr als 2 Millionen RE erhielt.162 Im Senegal beteiligte sich der europäische Fonds an den Transportkosten für die Verteilung der Nahrungsmittelhilfe, gewährte eine Aussaatprämie an die Bauern und finanzierte die Lieferung von Lecksteinen und Futtergetreide für die dahinsiechenden Viehbe-

zutage wird der Beginn der Dürre häufig auf das Jahr 1969 datiert. Die FAO hatte zwar im März 1972 die Trockenheitsphase als endemisch qualifiziert, von einer Welternährungskrise sprach sie aber erst ein Jahr später, vgl. Sen (2007), S. 113–116; Mensching (1974), S. 242–246; Gerlach (2005), S. 551; außerdem Wieters (2008). 160 Im Nachhinein war von mehr als 100.000 Menschen die Rede, die während der Dürre in der gesamten Sahelzone verhungert sein sollen. Diese Zahl ist jedoch stark umstritten, vgl. Sen (2007), S. 116; im Senegal herrschte auch Hunger, allerdings scheint sich die Anzahl der Todesopfer in engen Grenzen gehalten zu haben – zumindest war davon in der Korrespondenz zwischen dem Senegal und der EWG nie die Rede. 161 Vgl. ADEUS III. FED 31100911520: COM DG VIII, Proposition de financement „Intervention d’urgence“, Februar 1973; zum Ertragseinbruch in der gesamten senegalesischen Landwirtschaft vgl. die Tabelle bei Touré (2002), S. 222. 162 Die übrigen betroffenen Länder waren Mauretanien, Mali, Obervolta, Niger und Tschad, vgl. Art. FED: Octroi d’une aide exceptionnelle, in: Courrier de l’Association Nr. 19 (1973), S. 3; der ehemalige Delegationsleiter Pirzio-Biroli schrieb sich das rasche Handeln der Gemeinschaft auf die eigenen Fahnen: Zu diesem Zeitpunkt Referatsleiter der DG VIII für Westafrika, gab er an, den Aktionsplan innerhalb weniger Wochen quasi alleine zusammengestellt zu haben, vgl. HAEU INT 731: Interview Pirzio-Biroli, 16.6.2004, S. 17.

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stände.163 Wie bereits zwei Jahre zuvor gelang es der senegalesischen Regierung, die Gemeinschaftshilfe den eigenen Bedürfnissen anzupassen. So wurden die für die Aussaatprämie vorgesehenen Mittel mit den Geldern aus dem senegalesischen Solidaritätsfonds zusammengefasst und einheitlich als „indemnité de sinistre“ verteilt. Erneut fand die Auszahlung unter der Aufsicht der EWG-Delegation statt, die stichprobenartig Kontrollen durchführte. Angesichts der Einverleibung der Gemeinschaftshilfe in die senegalesischen Notmaßnahmen konnte die Gemeinschaft im Gegensatz zur ersten Katastrophenhilfe jedoch offenbar keinen besonderen Imagegewinn verzeichnen.164 Der gemeinschaftliche Sondertopf der Katastrophenhilfe war allerdings rasch aufgebraucht, sodass der Ministerrat im Dezember 1973 weitere 35 Millionen RE aus dem regulären Haushalt der Kommission für die Länder der Sahelzone bereitstellte. Da der Senegal nicht so hart getroffen wurde wie andere Länder der Region, erhielt das Land davon aber lediglich knapp 3 Millionen RE. Mit den Mitteln wurden Straßen und Brunnen instand gesetzt, neues Saatgut bereitgestellt sowie der dezimierte Viehbestand wieder aufgestockt.165 Schließlich stellte die Gemeinschaft dem Senegal während der Saheldürre insgesamt 32.000 Tonnen an Getreide zur Verfügung. Grundlage dieser Leistungen bildete die 1967 geschlossene Nahrungsmittelhilfekonvention, in deren Rahmen sich die EWG dazu verpflichtet hatte, etwa 1 Million Tonnen Getreide jährlich an bedürftige Länder zu liefern.166 Nimmt man die bilaterale Nahrungsmittelhilfe der EWG-Mitgliedsstaaten hinzu, so gewährten die ,Neun‘ dem Senegal in etwa die gleiche Menge an Getreide wie die USA. Dieses Bild trügt allerdings insoweit, als die Vereinigten Staaten mit etwa 500.000 Tonnen für sämtliche Länder der Sahelzone die Nahrungsmittelhilfe der EWG um weit mehr als das doppelte übertrafen. Dass die USA bei der Saheldürre eine derart dominante Rolle zur Krisenbewältigung in einer Region 163 Vgl. ADEUS III. FED 31100911520: Convention de financement „Intervention d’urgence pour pallier les plus graves conséquences de la sécheresse ayant frappé la zone sahelienne”, o.D. [1973], annexe 2. 164 Ebd.: Contrôleur délégué, Volet „Primes ensemencement“, 20.9.1973; die senegalesischen Eigenmittel lagen etwas höher als die Gelder des EEF. Die Vermischung der Gelder zu einer einheitlichen Maßnahme fand im Übrigen die volle Unterstützung der EWGDelegation in Dakar. 165 Vgl. ebd.: Contrat d’exécution, 25.1.1974; HAEU 25/1980-1801, S. 266: Leroy, Rapport de mission, 14.1.1974; Art. Sahel: Déclaration de M. Cheysson devant le Parlement Européen“, in: Courrier de l’Association Nr. 23 (1974), S. VII. 166 Vgl. El-Khawas (1976), S. 83f.; die Nahrungsmittelhilfekonvention von 1967 war ein Beiprodukt des zeitgleich geschlossenen Internationalen Getreideabkommens. Sie bestimmte, dass 4,5 Millionen Tonnen Getreide jährlich an Entwicklungsländer geliefert werden sollten. Neben der EWG waren die USA (42 Prozent) und Kanada (11 Prozent) die bedeutendsten Lieferländer, vgl. CAC 19850144-25: SdE Coop, Note pour le ministre, 17.10.1969; vgl. dazu auch Gerlach (2009), S. 248.

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einnahmen, die in Washington bis dahin kaum Beachtung gefunden hatte, kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden: Erstens kam den USA aufgrund ihres Status als weltweit bedeutendstem Getreideproduzenten seit Jahrzehnten eine natürliche Führungsrolle in der Nahrungsmittelhilfe zu. Zweitens hatte sich daraus im Lauf der Zeit ein implizites Übereinkommen zwischen Frankreich und den USA ergeben, dem zufolge die ehemalige Kolonialmacht für die Entwicklung Westafrikas zuständig war, während die verbliebene Supermacht bei Versorgungsfragen einspringen sollte. Drittens führte die Welternährungskrise, die die USA im Sommer 1972 mit einem Ausverkauf ihrer Getreidevorräte an die UdSSR maßgeblich verschärft hatten, zu einem Exportverbot von Getreide in der EWG. Mit dieser Maßnahme wollten die Mitgliedsstaaten die in der Krise weltweit sprunghaft angestiegenen Lebensmittelpreise innerhalb der Gemeinschaft stabil halten. Wenngleich die Nahrungsmittelhilfe an Afrika vom Exportverbot ausgenommen wurde, so scheint die Hilfsbereitschaft der Gemeinschaft von dieser Isolationsstrategie in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Allerdings dürfen die Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die USA aufgrund des Getreideabkommens mit der Sowjetunion den Ländern der Sahelzone weniger Getreide zur Verfügung stellte, als abgemacht war beziehungsweise notwendig gewesen wäre.167 Auch wenn die Durchführung der Hilfsmaßnahmen von mangelnder Koordination zwischen den Geberinstitutionen untereinander als auch zwischen diesen und den Empfängerstaaten gekennzeichnet war und außerdem erhebliche Transportprobleme einer schnellen Verteilung der Nahrungsmittel im Wege standen, so kam zumindest der Senegal während der Dürreperiode vergleichsweise glimpflich davon.168 Dies war auch auf das umsichtige Krisenmanagement der senegalesischen Regierung zurückzuführen, die im Sommer 1973 in den Städten die Lebensmittelpreise und zugleich die Erzeugerpreise für die Bauern anhob und dadurch größere Landfluchtbewegungen verhinderte. Letztlich kam es im Senegal weder zu übermäßiger Hungersnot noch zu langfristigen Beeinträchtigungen der Landwirtschaft wie etwa im Norden Nigerias, wo die Folgen der Dürre zusammen mit der Ausbreitung des Rosetten-Virus die lokale Erdnusswirtschaft über Jahre hinweg zusammenbrechen ließen.169 1974 konnte die gesamte senegalesische Landwirtschaft unter normalen klimatischen Bedingungen wieder an die stattlichen Produktionsergebnisse von 167 Vgl. zur Rolle der USA während der Saheldürre grundlegend Morris/Sheets (1976), hier insbesondere S. 29–33, 41f., 65; El-Khawas (1976), S. 94; die USA begannen bereits 1954 im Rahmen des Food for Peace Program mit der Gewährung von Nahrungsmittelhilfe, vgl. zur Entstehung des Programms Shaw (2001), S. 29–36; zur EWG in der Welternährungskrise vgl. Gerlach (2009), S. 246–249; zu den Hintergründen des Getreideabkommens zwischen der USA und den UdSSR vgl. Gerlach (2005), S. 546–553. 168 Vgl. ADEUS III. FED 3100911520: Lanari an Ferrandi, 14.1.1974; El-Khawas (1976), S. 93f. 169 Vgl. Derrick (1977), S. 555–557, 573f.

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1971 anknüpfen; im Erdnusssektor wurde der Ernteertrag sogar leicht übertroffen und stieg auf über 1 Million Tonnen.170 *** Zusammenfassend erlebte die Erdnusswirtschaft in der ersten Hälfte der 1970er Jahre eine turbulente Achterbahnfahrt, bei der die senegalesische Regierung und die EWG gemeinsam am Steuer saßen und die Saheldürre maßgeblich den Kurs bestimmte. So trug die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik der 1960er Jahre ebenso zum Niedergang des Wirtschaftssektors bei wie die verfehlte Reform- und Preispolitik der senegalesischen Regierung. Die Saheldürre verschärfte noch einmal die gravierenden Folgen dieser beiden Dynamiken, was jedoch von der EWG und insbesondere der Bundesregierung einseitig beurteilt wurde. Dort überwog die Auffassung, dass allein innenpolitische Versäumnisse den malaise paysan ausgelöst und klimatische Faktoren nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Eingeständnisse einer fehlgeleiteten gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik waren nirgends zu vernehmen. Stattdessen wurde mit dem neu eingeführten Mechanismus der Nothilfe ein weiterer Schritt der Abgrenzung und Stigmatisierung vollzogen in dem Sinne, dass vormals als notwendig angesehene Hilfeleistungen nun als Ausnahmefall qualifiziert und an eine Rechtfertigungspflicht geknüpft wurden. Die von der EWG eher einseitig dem Senegal angelasteten Versäumnisse legitimierten zugleich verstärkte Eingriffe in die senegalesische Innenpolitik und begründeten damit eine Konditionalisierung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik, deren Einhaltung durch die EWG-Delegation in Dakar auch überprüft wurde. Der wirtschaftliche Erfolg der ersten Nothilfe kann als Beleg dafür gewertet werden, dass stabile und angemessene Erzeugerpreise vor allen anderen Faktoren die Produktion ankurbelten. Nach den Diskussionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik aus den 1960er Jahren und der rigiden Preispolitik der senegalesischen Regierung am Ende desselben Jahrzehnts bereitete diese neue Einsicht neben anderen Faktoren den Boden für die Einführung des STABEX-Systems mit dem ersten Abkommen von Lomé vom Frühjahr 1975. Während zu diesem Meinungsbildungsprozess auch die Erdnusskonferenz in Dakar einen kleinen Beitrag leistete, folgten den dort in erster Linie ins Auge gefassten Strategien zur Lösung der Absatzprobleme senegalesischer Erdnüsse kaum konkrete Maßnahmen. Dessen ungeachtet verweist die Veranstaltung dieser Tagung darauf, dass die senegalesische Regierung stärker als bisher eigene Initiativen bei und mit der Kommission der EWG durchsetzen konnte. Dass es gelang, die wichtigsten europäischen Vertreter aus Handel und Verarbeitungsindustrie in Dakar an einem Tisch zu

170 Vgl. Touré (2002), S. 222.

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versammeln, illustriert die erweiterten Möglichkeiten an senegalesischem agenda setting in der Entwicklungszusammenarbeit zu Beginn der 1970er Jahre. Die Diskussionen um Absatzförderungsmöglichkeiten traten vor allem deshalb rasch wieder in den Hintergrund, weil die Dürrejahre 1972 und 1973 erneut zu erheblichen Ernteausfällen führten. Erst jetzt entdeckte die EWG im Zusammenspiel mit den USA und anderen Gebern die Saheldürre, auf deren gravierende Auswirkungen der Senegal bereits in den Verhandlungen über die erste Nothilfe hingewiesen hatte. Wenngleich die Jahre 1972/73 in der Tat die heftigste Dürreperiode markierten, so lag das Deutungsmonopol über die krisenhaften Entwicklungen im Sahel zu Beginn der 1970er Jahre doch eindeutig auf Seiten der entwickelten Länder. Die zunehmend dominante Rolle der USA während der Saheldürre hat zudem erneut eine gewisse Selbstbezogenheit der EWG kenntlich werden lassen. Im Zuge der Welternährungskrise schottete sich die Gemeinschaft ab, und selbst Frankreich überließ den Vereinigten Staaten die Führungsrolle im Krisenmanagement. Dass es Washington bei diesem Vordringen in eine bislang weitgehend vernachlässigte Region in erster Linie darum ging, vor dem Hintergrund des Systemkonflikts neue Freunde zu gewinnen, scheint angesichts der gleichzeitig stattfindenden Annäherung an die UdSSR abwegig. Vielmehr zielten die USA darauf ab, ihrer Rolle als selbstlosem globalem Nahrungsmittellieferanten ein Ende zu bereiten und Entwicklungsländer wie sozialistische Länder als Kunden stärker in den Getreideweltmarkt einzubinden, weshalb die Saheldürre neben dem Geschäft mit dem Systemkonkurrenten eine gute Gelegenheit bot, die Speicher zu leeren.171 Ungeachtet dessen trug die Katastrophenhilfe der internationalen Gebergemeinschaft trotz einiger Probleme in der Umsetzung dazu bei, dass sich der Senegal, zumindest was die landwirtschaftliche Produktion anging, vergleichsweise rasch von der Dürre erholte. Übergreifend lässt sich die gemeinschaftliche Entwicklungszusammenarbeit in der Erdnusswirtschaft der 1970er Jahre somit als doppeltes Krisenmanagement deuten, bei dem ad hoc Lösungen für die aus der verfehlten Politik der beiden Partner resultierenden Probleme einerseits und die Folgen der Saheldürre andererseits gefunden werden mussten. Wie es bereits der dritte senegalesische Entwicklungsplan für die Erdnussbauern vorhergesehen hatte, ging es in diesen Krisenzeiten nicht mehr so sehr um die Verbesserung bestehender Lebensbedingungen als vielmehr darum, den Status quo aufrechtzuerhalten.

171 Vgl. dazu Gerlach (2005), S. 579–85.

Neue Industrialisierungspläne und die Dakarer Freihandelszone

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4. Senegalesische Globalisierung: Neue Industrialisierungspläne und die Dakarer Freihandelszone Die Bilanz nach zehn Jahren senegalesischer Industriepolitik fiel relativ bescheiden aus. Vorhaben der Regierung, die auf eine Importsubstitution abzielten, krankten erstens an den geforderten Privilegien der Investoren, zweitens am Außenhandelsregime der Assoziierung und drittens schließlich am begrenzten senegalesischen Binnenmarkt. Auch die Hoffnungen auf einen breiten ausländischen Kapitalzufluss erfüllten sich nicht. Die senegalesische Industrie blieb überwiegend in den Händen alteingesessener französischer Unternehmen und Kapitalanleger, weshalb auch die Außenhandelsstrukturen nach wie vor stark auf den französischen Markt ausgerichtet waren.172 Auf den ersten Blick hatte diese ernüchternde Bilanz jedoch keinen Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen dem Senegal und der EWG. Als das EEF-Programm für den Senegal 1970 festgelegt wurde, spielten Industrialisierungsvorhaben wie schon im Jahrzehnt zuvor keine Rolle. Die senegalesische Regierung hatte für diesen Sektor keine Projekte eingereicht, und die gemeinsame Festsetzung des Programms in Dakar änderte daran nichts.173 Obwohl einige Ideen der ersten Industrialisierungsstudie der EWG den Weg in den dritten senegalesischen Plan fanden, waren offensichtlich weder der Senegal noch die Generaldirektion ausreichend überzeugt von diesen Projekten, als dass eine unmittelbare Umsetzung mit dem dritten Fonds angestrebt werden sollte. Insbesondere die EWG-Delegation mit Ferrandi an ihrer Spitze war der Auffassung, dass die Möglichkeit von Industrieansiedlungen noch nicht hinreichend geprüft worden sei – ein weiterer Beleg dafür, dass der Studie mit ihrem multinationalen Ansatz selbst in den eigenen Reihen keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wurde.174 Allerdings stand die Nichtberücksichtigung des industriellen Sektors im EEF-Programm für den dritten Fonds in deutlichem Widerspruch zum neuen Assoziationsabkommen, in dem die Industrialisierung der afrikanischen Staaten for172 Vgl. Rocheteau (1982), S. 363f. sowie Kap. II.7. 173 Vgl. dazu Kap. III.1. 174 Vgl. HAEU 25/1980-1362, S. 130: Ferrandi, Rapport de mission, o.D. [1970], hier S.  133; als weitere Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung des zweiten Sektors wurde angeführt, dass der Aufbau von Industriestandorten in der Regel über ausländisches Privatkapital und Bankdarlehen finanziert würde und der EEF deswegen grundsätzlich Zurückhaltung in diesem Bereich übe. Zur ersten Industrialisierungsstudie vgl. Kap. II.7. sowie die rückblickende Bewertung in einer offiziellen Broschüre der Kommission, HAEU 25/1980-998, S. 111: COM, Le concours de la CEE à l’industrialisation des pays en voie de développement, März 1975, hier S. 118; im Übrigen stand Ferrandi dem Entwicklungsweg der Industrialisierung grundsätzlich kritisch gegenüber, vgl. ebd. INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004, S. 99f.

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mal gesehen als ein Hauptzweck der Assoziierung bezeichnet wurde. Nicht zuletzt deshalb erhielt der dritte Fonds mit der neuen Konvention auch neue Instrumente zur Kreditvergabe und zur Absicherung von Risikokapital.175 Der EEF verfügte also durchaus über Möglichkeiten, sich stärker in den Industrialisierungsprozess des Senegal einzuschalten. Wenngleich die senegalesische Regierung diese zunächst nicht nutzen wollte, so entfaltete das neue Abkommen dennoch neue Dynamiken in der industriellen Zusammenarbeit, die sich in erster Linie aus der Konzeption und Umsetzung einer weiteren umfassenden Industrialisierungsstudie für alle assoziierten Staaten ergaben und zur Errichtung einer industriellen Freihandelszone in Dakar führten. *** Erneut war es die Studienabteilung mit ihrem belgischen Direktor Jean Durieux an der Spitze, die sich die Schwerpunktsetzung des neuen Abkommens zu eigen machte. Im Herbst 1970 startete sie einen weiteren Anlauf, um der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik im Industriesektor ein stärkeres Profil zu verleihen.176 Allerdings verfügte sie nicht mehr über einen vergleichbaren Handlungsspielraum wie noch zu Zeiten des ersten Abkommens von Yaoundé. In den Verhandlungen zu dessen Erneuerung hatten sich die assoziierten Staaten ein Mitspracherecht für Programme der technischen Zusammenarbeit erkämpft. Die Kommission verlor zwar nicht ihr Initiativrecht in diesem Bereich, war aber auf die Zustimmung der afrikanischen Partner angewiesen. Mit der kleinen Verfahrensänderung setzte auch in der technischen Zusammenarbeit ein steter Dialog ein, wie er bereits bei der programmation des EEF zu beobachten war. Anders als noch vier Jahre zuvor basierte die Ausarbeitung des Konzepts zu einer weiteren Industrialisierungsstudie von Anfang an auf einem Austausch zwischen Vertretern der DG VIII und den in Brüssel ansässigen Botschaftern der assoziierten Staaten.177 175 Vgl. HAEU 25/1980-1997, S. 12: DG VIII, L’association des EAMA à la CEE et l’industrialisation, o.D. [1970], hier S. 16; Abl.EG Nr. L 282, 28.12.1970, S. 2–17: Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten Staaten und Madagaskar, hier Art. 1, 19; im ersten Abkommen von Yaoundé wurde das Bestreben, den AASM bei ihrer Industrialisierung zur Seite zu stehen, lediglich in der Präambel erwähnt, nicht aber im Abkommen selbst, vgl. dazu auch Cosgrove-Twitchett (1978), S. 118–120. 176 Vgl. ebd., S. 69: DG VIII, Aide mémoire sur un programme d’études concernant les possibilités d’industrialisation des EAMA orientées vers l’exportation, September 1970. 177 Vgl. HAEU 25/1980-1666, S. 84: DG VIII, Procès-verbal de la 71ème réunion du comité de coordination des études, 18.12.1970; Abl.EG Nr. L 282, 28.12.1970, S. 2–17: Abkommen über die Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten Staaten und Madagaskar, Art. 22; vgl. ferner auch Cosgrove-Twitchett (1978), S. 118–120.

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Auf expliziten Wunsch der afrikanischen Staaten sollte die neue Generalstudie Möglichkeiten in den AASM sondieren, exportorientierte Industrien auf- oder auszubauen. Die EWG-Kommission zeigte sich damit ganz einverstanden, wollte die neue Akzentuierung im Vergleich zur Importsubstitutionsstudie der 1960er Jahre aber nicht als grundsätzlichen Richtungswechsel ihrer Politik verstanden wissen, sondern als komplementäre Strategie im übergreifenden Industrialisierungsprozess der afrikanischen Länder. Nichtsdestoweniger setzte Brüssel diesmal klar auf die nationale Karte, statt einem regionalen Ansatz zu folgen, was umgehend zu Forderungen der assoziierten Länder führte, zumindest bestehende afrikanische regionale Organisationen wie die Union douanière et économique de l’Afrique centrale oder die Organisation des États riverains du fleuve Sénégal, den Vorläufer der OMVS, in die Durchführung der Studie einzubinden. Darüber hinaus insistierten die afrikanischen Botschafter, dass den Studien auch konkrete Aktionen folgen müssten: technische Hilfe für die Absatzförderung industrieller Produkte; Kontaktaufnahme und -pflege zwischen afrikanischen Exporteuren und der Kommission; bessere Unterrichtung der europäischen Industrie; schließlich gezielte Ausbildungsmaßnahmen in jenen Industriezweigen, welche die Studie prüfen würde.178 Methodisch hingegen unterschied sich die Exportstudie kaum von ihrem Vorgänger. Diesmal wurden die Importstatistiken der EWG-Länder herangezogen, um zu prüfen, in welchen Bereichen in den AASM hergestellte Produkte mit europäischen Importen aus Drittstaaten konkurrieren könnten. Die Wettbewerbsfähigkeit wurde anhand der Produktionskosten, das heißt nach der Qualität und dem Lohnkostenniveau qualifizierter wie unqualifizierter Arbeitskräfte, der Verfügbarkeit von Rohstoffen und Kapital sowie nach den anfallenden Energiekosten bemessen.179 Erneut stellte sich die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik damit zugleich in den Dienst der europäischen Industrie und generierte für diese mit finanziellen Mitteln des EEF ausführliche Standortanalysen. Dies zeigte sich insbesondere auch daran, dass parallel zu den sektorspezifischen Untersuchungen eine Broschüre für jedes assoziierte Land angefertigt wurde, die detaillierte Informationen über die jeweiligen Niederlassungsbedingungen für Industriebetriebe enthielt.180 Die Auswahl der Sektoren basierte auf einem Bericht der von der Kommission engagierten französischen Société d’études économiques et financières (SETEF), die im Lauf des Jahres 1971 circa 200 industrielle Aktivitäten unter die Lupe nahm und 178 Vgl. HAEU 25/1980-1997, S. 112: DG VIII, Note complémentaire à l’aide mémoire, 1.12.1970. 179 Vgl. ebd., S. 69: DG VIII, Aide mémoire sur un programme d’études concernant les possibilités d’industrialisation des EAMA orientées vers l’exportation, September 1970, hier S. 72f. 180 Vgl. HAEU 25/1980-1986, S. 139: DG VIII an Ständige Vertretung Brüssel, 12.3.1973; ebd., S. 91: Durieux an Krohn, 11.7.1972; die Broschüren wurden an potentielle Investoren verteilt und verbrauchten ein Sechstel des zur Verfügung stehenden Budgets.

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letztlich 22 Produktionszweige zur detaillierten Prüfung empfahl. Mit diesem Vorschlag ging die DG VIII im November 1971 in die Sitzung mit den Botschaftern der assoziierten Staaten, die die Liste um weitere sechs Sektoren ergänzten sowie für die Berücksichtigung weiterer vier Produkte und eine parallele Anfertigung aller Sektorstudien eintraten. Hierfür stand jedoch kein Geld zur Verfügung, weshalb zunächst nur zehn sogenannte Machbarkeitsstudien in Angriff genommen werden konnten.181 Unter diesen Umständen oblag der Generaldirektion die endgültige Auswahl, was intern zu Konflikten führte. Durieuxs ursprünglicher Vorschlag über 900.000 RE wurde finanziell um ein Drittel und inhaltlich derart gekürzt, dass von den zehn zusätzlichen Forderungen der assoziierten Staaten lediglich zwei Eingang in das vom EEF-Ausschuss verabschiedete Programm fanden. Doch der Belgier ließ nicht locker und ersuchte im Nachhinein Generaldirektor Krohn, von seinem Ermessensspielraum als Hauptanweisungsbefugter des EEF Gebrauch zu machen und das Budget um 15 Prozent zu erhöhen. Mit den zusätzlichen Mitteln sollten in erster Linie von den AASM gewünschte Studien umgehend realisiert werden. Durieux wollte dadurch guten Willen gegenüber den afrikanischen Partnern demonstrieren.182 Ferrandis Reaktion auf den Vorstoß des ungeliebten Kollegen ließ nicht lange auf sich warten: Gegenüber Krohn verurteilte er nicht nur aufs Schärfste die laxe Interpretation der internen Verfahrensregeln, sondern äußerte auch inhaltliche Kritik an dem Studienprogramm, dessen finanzieller Umfang seiner Ansicht nach aus einer ganzen Reihe von Gründen reduziert hätte werden können. In diesem Konflikt trat Ferrandis Selbstverständnis als allmächtiger EEF-Chef einmal mehr zu Tage: „Étant donné l’effort considérable de conciliation que j’ai fait envers la Direction B pour ,laisser passer‘ cette demande, limitée à 600.000 u/c, alors que j’aurais pu, ad nutum, très facilement la faire amputer encore de moitié par le Comité – vous proposer, maintenant, de porter ce crédit à 688.000 u/c me fait regretter amèrement ma compréhension.“183

Wenngleich sich Ferrandi mit seiner Position beim Generaldirektor durchsetzte und das Budget folglich nicht erhöht wurde,184 brachen bei dieser Auseinandersetzung alte Gräben wieder auf, die einmal mehr belegen, dass es um einen esprit de corps in der Generaldirektion nicht gut bestellt war. Im weiteren Verlauf nahm Ferrandi die Industrialisierungsstudie zum Anlass einer kleinen Machtprobe. Er wollte ein für allemal beweisen, dass er im Recht war mit seiner Auffassung, dass derartige Studien

181 Vgl. HAEU 25/1980-1997, S. 273: DG VIII, Proposition de financement, o.D. [1971], hier S. 277f.; ebd., S. 303: DG VIII, Synthèse de rapport pré-sélection des industries d’exportation, September 1971. 182 Vgl. HAEU 25/1980-1986, S. 91: Durieux an Krohn, 11.7.1972. 183 Ebd., S. 94: Ferrandi an Krohn, 14.7.1972. 184 Vgl. ebd., S. 96: Durieux an Krohn, 9.10.1972.

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überflüssig seien, da sie keinerlei konkrete Projekte nach sich ziehen würden. Deshalb schlug er Krohn eine Art Wette mit nicht ganz klar umrissenem Einsatz vor: „Il est […] indispensable que mon attitude intellectuelle, jugée par certains partiale et même partielle soit, un moment donné, sanctionné par les réalités, c’est à dire condamnée ou confirmée par les faits. Dans le 1er cas, j’en tirerai les conséquences; dans le 2ème, ce sera aux autres de le faire.“185

Welche konkreten Konsequenzen der Fonds-Chef im Sinn hatte, sei der Spekulation anheimgestellt. Zweifellos mussten sich jedenfalls Krohn und Durieux als seine Widersacher angesprochen fühlen. Nicht zuletzt illustriert Ferrandis leicht beleidigter, zweifellos aber scharfer Tonfall, wie sich die Fronten innerhalb der Generaldirektion in den 1970er Jahren weiter verhärteten.186 Ungeachtet dieses internen Konflikts folgte das schließlich festgelegte Studienprogramm im Wesentlichen dem Bericht der französischen Studiengesellschaft. Dass die Ergänzungsvorschläge der afrikanischen Staaten kaum Berücksichtigung fanden, verweist auf die Grenzen ihrer Einflussmöglichkeiten, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich mit den Empfehlungen der genannten Untersuchung grundsätzlich einverstanden zeigten. Die einzelnen Machbarkeitsstudien reichten von der Zigarrenproduktion über Lederverarbeitungsfabriken und der Herstellung von Schuhen bis hin zu Möglichkeiten der Produktion elektrischer Geräte und Elektroartikel. Mit der Durchführung beauftragte die Generaldirektion die vier bereits an der ersten Studie beteiligten Forschungsinstitute sowie zwei weitere europäische Büros.187 *** Das senegalesische Industrieministerium verfolgte die Aktivitäten in Brüssel sehr genau, weil sie sich nahtlos in ein groß angelegtes Prestigeprojekt einfügten, das Dakar seit dem Frühjahr 1970 ins Auge gefasst hatte: die Einrichtung einer industriellen Freihandelszone. Die Idee fußte auf einer französisch-deutschen Initiative, eine Reparaturwerft für schwere Öltanker im Dakarer Hafen zu errichten,188 und war deshalb im dritten senegalesischen Plan noch nicht vorgesehen gewesen. Dessen ungeachtet begrüßte Senghor lebhaft diesen Vorstoß. Gewiss konnte er die Motive nicht ken185 HAEU 25/1980-2047, S. 240: Ferrandi an Krohn, 8.5.1972; tatsächlich erinnerte Ferrandi nach Fertigstellung der Studie Krohn siegesgewiss an die Wette und behauptete zudem, dass Durieux bereits seine Fehleinschätzung eingestanden hätte, was dieser jedoch kurz darauf entschieden dementierte, vgl. ebd., S. 244: Ferrandi an Krohn, 18.2.1973; ebd., S. 246: Durieux an Ferrandi, 28.2.1973. 186 Vgl. dagegen Dimier (2008). 187 Vgl. HAEU 25/1980-1986, S. 6: Durieux an Krohn, 27.4.1972; ebd. 25/1980-2047, S. 240: Ferrandi an Krohn, 8.5.1972. 188 Vgl. zu den Details dieses Vorhabens Rocheteau (1982), S. 252–254.

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nen, die in der Afrikaabteilung des Quai d’Orsay für das Vorhaben angeführt wurden. Ursprünglich wurde mit der Gründung der Zone beabsichtigt, französischen Industrien unter günstigen Bedingungen Zugang zum lateinamerikanischen Markt zu verschaffen. Große französische (und deutsche) Unternehmen sollten dadurch amerikanischen und japanischen Firmen ernsthaft Konkurrenz machen können. Geographisch gesehen lag Dakar knapp 4.000 Kilometer näher am südamerikanischen Subkontinent als zum Beispiel Marseille. Neben den niedrigeren Transportkosten sah die Afrikaabteilung aber auch im geringen senegalesischen Lohnkostenniveau einen beträchtlichen Anreiz für potentielle Investoren.189 Nahezu zeitgleich ruderte die Bundesregierung jedoch zurück. Bundeskanzler Brandt ließ Senghor im Sommer 1970 wissen, dass sich die Einrichtung einer Freihandelszone aufgrund der Größenordnung des Vorhabens nur im europäischen Rahmen realisieren ließe und deshalb Sache des EEF sei.190 Und auch im französischen Außenministerium stellte sich bald etwas mehr Zurückhaltung ein. Dort hieß es intern, dass sich Frankreich nicht öffentlich an die Spitze des Projekts setzen dürfe, aber gleichzeitig darauf achten müsse, durch Expertise und Beratung Einfluss auf die Planung zu nehmen.191 In der Tat übernahm die senegalesische Regierung fortan die Initiative. Im Sommer 1971 verschickte Industrieminister Daniel Cabou eine erste Vorstudie an die potentiellen Partner in Bonn, Paris und Brüssel. Deren Interesse hatte sich jedoch weiter abgekühlt – Reaktionen jeglicher Art blieben aus. Auch auf einer in der senegalesischen Botschaft in Brüssel anberaumten Sitzung mit allen Beteiligten im Dezember desselben Jahres war deutliche Zurückhaltung bei den Europäern zu spüren.192 Doch Cabou ließ sich nicht irritieren und übergab kurze Zeit später eine weitere Untersuchung an den französischen Entwicklungsminister Yvon Bourges, in der der bereits erwähnte Bericht der SETEF zur Vorauswahl industrieller Betriebe ausführlich zitiert und gleichsam als Kronzeuge für die Errichtung einer Freihandelszone im Senegal präsentiert wurde: „La mesure la plus concrète pour l’accueil des investisseurs consiste à mettre à leur disposition des terrains réservés à leurs implantations, c’est à dire des zones industrielles bien situées, viabilisées. [...] Si la création d’établissements exportateurs semblait appeler à un

189 Vgl. AMAEF Sénégal 93: Senghor an Pompidou, 23.4.1970; ebd.: Réunion chez Dechamps [Handschriftliches Protokoll der Sitzung der ad hoc Gruppe], 10.8.1970. 190 Vgl. ebd.: SdE Coop, Compte rendu d’entretien „Port franc du Cap Vert“, 9.8.1970. 191 Vgl. ebd.: Réunion interministériel au sujet du projet sénégalais d’une zone franche, 4.9.1970. 192 Vgl. CAC 19950347-53: Ministère de Développement industriel du Sénégal, Note, 3.7.1972.

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développement important à proximité d’un lieu d’expédition, il pourra être intéressant de créer une zone franche.“193

Mit anderen Worten machte sich die senegalesische Regierung die Expertise der EWG zunutze, um die skeptischen europäischen Partner von ihren Planungen zu überzeugen. Mehr noch, sollten die beschlossenen Sektorstudien aufs Engste mit der geplanten industriellen Freihandelszone verzahnt werden.194 Es war eine taktische Glanzleistung, die der senegalesische Industrieminister hier vollbrachte, zumal er eindrücklich belegen konnte, dass sich seine Politik vorbehaltlos mit den Empfehlungen der Gemeinschaft deckte. Einmal mehr trat hierbei eine Diskrepanz zwischen der Empfehlung expertengesteuerter Entwicklungsstrategien und politischem Handeln der europäischen Akteure zu Tage. Ungeachtet Cabous Initiative hielt die Skepsis der europäischen Partner an, die auf verschiedene politische Motive zurückzuführen war. Zum einen wollten die drei Akteure voneinander unabhängig bleiben und jeder für sich entscheiden, ob und in welcher Form sie sich an der Einrichtung der Freihandelszone beteiligten. Zum anderen war insbesondere die französische Regierung längst nicht mehr so sehr davon überzeugt, dass eine senegalesische Exportproduktionszone französischen Industriebetrieben besondere Anreize bieten könnte. Die südamerikanischen Absatzmarktträume stellten sich angesichts hoher Zollschranken als Illusion heraus. Nicht zuletzt wurde aufgrund der sehr investorfreundlichen senegalesischen Gesetzeslage in der Errichtung einer Freihandelszone kein entscheidender Vorteil gegenüber den bereits gegebenen Bedingungen gesehen.195 Ähnliche Überlegungen wurden von deutscher Seite angestellt. Der BDI zeigte keinerlei Interesse an dem Projekt. Dass die Bundesregierung nicht offen gegen die Freihandelszone Stellung bezog, war in erster Linie außenpolitischen Erwägungen geschuldet, da Senghor bei seinem Staatsbesuch in Bonn im Herbst 1970 Brandt auf die große Bedeutung dieses Vorhabens für den Senegal hingewiesen hatte.196 Im Ergebnis einigten sich die Partner im Frühjahr in Dakar auf eine Arbeitsteilung, bei der dem Senegal die Generalplanung zufiel, der FAC für zwei Analysen über Exportindustrien und die Gründe der bisher gering ausgefallenen ausländi193 CAC 19950347-53: Cabou an Bourges, 14.1.1972, annexe: Étude de marché complémentaire. 194 Vgl. ebd. 195 Vgl. AMAEF Sénégal 93: SdE Coop, Note pour la direction des affaires africaines et malgaches, 11.9.1971; vgl. zum senegalesischen code des investissements Gautron (1968). 196 Vgl. PAAA B 68-1067: Gesprächsaufzeichnung Brandt/Senghor, o.D. [Oktober 1970]; ebd.: Lehne, Ergebnisvermerk, o.D. [Dezember 1971]; ebd.: Botschaft Dakar an AA, 7.3.1972; ferner dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass Bonn nach den Erfahrungen mit der Nothilfe für die Erdnusswirtschaft nicht ein zweites Mal diplomatische Irritationen hervorrufen wollte, vgl. dazu Kap. II.3.

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schen Kapitalinvestitionen verantwortlich zeichnete und die Bundesrepublik die Studie für die geplante Schiffsreparaturwerkstatt übernahm. Die Generaldirektion erhielt den Auftrag, in ihren bereits beschlossenen Sektorstudien der geplanten industriellen Freihandelszone besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Alle Partner sollten schließlich die zoll- und handelsrechtlichen Probleme erörtern, die sich aus der Zugehörigkeit des Senegal zur Franc-Zone sowie aus dessen Assoziierung an die EWG ergaben. Es sollte allerdings vier weitere Jahre dauern, ehe die industrielle Freihandelszone im März 1976 gegründet werden konnte. Nicht die EWG oder ihre Mitgliedsstaaten, sondern der Iran kam dabei für die Finanzierung der notwendigen Infrastruktur auf.197 *** Die Errichtung der industriellen Freihandelszone fiel in eine Zeit, in der neue entwicklungspolitische Ansätze wie die Grundbedürfnisstrategie oder auch die Armutsbekämpfung zunehmend den internationalen Entwicklungsdiskurs bestimmten, die berühmt gewordenen „Grenzen des Wachstums“ erkannt wurden und die Vereinten Nationen eine sogenannte Neue Weltwirtschaftsordnung errichten wollten.198 Vor diesem Hintergrund setzte in der konkreten senegalesischen Entwicklungsplanung ein Prozess ein, der die neoliberale Wende der frühen 1980er Jahre vorwegnahm. Einige Jahre bevor Weltbank und Internationaler Währungsfonds dem Senegal Strukturanpassungsprogramme verordneten, hatte sich das westafrikanische Land bewusst und mit tatkräftiger Hilfe der EWG dafür entschieden, auf exportorientiertes Wachstum zu setzen und einen geschützten Wirtschaftsraum zu schaffen, der ausländischen Unternehmen beste wirtschaftliche Bedingungen bieten sollte. In diesem Vorgehen spiegelte sich zugleich eine spezifisch afrikanische Ausprägung der Globalisierung wider, zumal die Freihandelszone nicht auf eine organische Verflechtung der senegalesischen Wirtschaft mit globalen Wirtschaftsräumen abzielte, sondern stattdessen mit ihrer Einrichtung ein exakt umrissenes Fleckchen senegalesischen Territoriums rechtlich und ökonomisch vom restlichen Staatsgebiet abgetrennt wurde. So gesehen kam es im Senegal zu einer Art fragmentierten Globalisierung, die ausländische

197 Vgl. HAEU 25/1980-1487, S. 12: Huybrechts, Rapport de mission, o.D. [1972]; CAC 19950347-53: Bulletin développement industriel, Juli/Oktober 1976; Rocheteau (1982), S. 372; die Sektorstudien der EWG wurden gleichfalls erst Anfang 1975 fertiggestellt, vgl. HAEU 25/1980-1986, S. 261: Krohn an Lebsanft, 20.1.1975. 198 Vgl. zu diesen globalen Dynamiken, die freilich trotz neuer Rhetoriken nicht grundsätzlich vom Wachstumsparadigma abrückten, Rist (2008), S. 140–170; Arndt (1987), S. 89–113, 142–145; Büschel (2010); zum Bericht des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ von 1972 siehe den Überblick von Freytag (2006).

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Investoren begünstigte, während die reguläre senegalesische Wirtschaft weiter marginalisiert wurde.199 Angesichts drückender Arbeitslosigkeit, steigender Staatsverschuldung und der mit der Einrichtung der Industriezone verbundenen Hoffnung auf 70.000 neue Arbeitsplätze war die Versuchung allerdings zu groß, als dass eine Regierung, die sich sozialistisch nannte, der Gründung der Industriezone hätte widerstehen können. Mit diesem Vorgehen war im Übrigen kein senegalesischer Sonderweg verbunden. Ganz im Gegenteil war die Einrichtung von Exportproduktionszonen in Entwicklungsländern ein globales Phänomen der 1970er Jahre, das maßgeblich von der United Nations Industrial Development Organization vorangetrieben wurde und ein Stück weit im Widerspruch zum internationalen Entwicklungsdiskurs dieses Jahrzehnts stand.200 Dass mit der Einrichtung der Freihandelszone eine neue Abhängigkeit begründet wurde, spiegelte sich im Planungsprozess wider. Es ist nicht ersichtlich, dass die deutsche und die französische Regierung auch nur einen Moment von nationalen wirtschaftspolitischen Erwägungen abwichen oder sich Gedanken darüber machten, inwieweit die Gründung einer Industriezone auch der senegalesischen Wirtschaft zugute kommen könnte. Der EWG-Kommission kam in diesem Prozess eine Vermittlerrolle zu. Sie stellte wissenschaftliche Expertise bereit, konnte aber weder die eine noch die andere Seite zwingen, ihr zu folgen. Folglich zeigt die Planungsgeschichte zur senegalesischen Freihandelszone zugleich die Grenzen einer von den Mitgliedsstaaten ausgehenden Europäisierung in der Entwicklungszusammenarbeit auf, die auch in den 1970er Jahren ein humanitär aufgeladenes Instrument nationaler Außenwirtschaftspolitik blieb. Dass die EWG-Kommission in diesem Prozess in erster Linie als Vermittler agierte, spiegelte schließlich ein neues Rollenverständnis der Behörde wider, das von größerer Zurückhaltung geprägt war. So nahm die Kommission Abstand von einseitigen Planungsinitiativen und verlegte sich stärker auf eine koordinierende Rolle zwischen Entwicklungsländern, europäischen Geberstaaten und interessierten Industriekreisen. Darüber hinaus intensivierte die Generaldirektion ihre Bemühungen, als 199 Vgl. Ferguson (2006), S. 34–38; demgegenüber wird Afrika in der westlichen Globalisierungsdebatte, sofern es überhaupt Erwähnung findet, noch immer undifferenziert als schwarzes Loch oder weißer Fleck bezeichnet, vgl. dazu die Kritik bei Austen (2006); aufschlussreich zum Phänomen der Globalisierungen in Raum und Zeit außerdem Osterhammel (2011). 200 Vgl. CAC 19950347-53, Bd. 2: Zone franche industrielle de Dakar, o.D; vgl. dazu auch Diouf (1997), der die These vertritt, dass ein Umdenken in der senegalesischen Entwicklungspolitik erst mit der Ankunft von IWF und Weltbank einsetzte. Zur senegalesischen Freihandelszone gibt es bisher keine historische Literatur. 1975 hatten 79 Entwicklungsländer eine Freihandelszone in Betrieb, vgl. Fröbel/Heinrichs/Kreye (1977), S. 493; dort auch eine ausführliche Darstellung dieses globalen Phänomens; ferner, wenngleich investigativ und stärker gegenwartsbezogen Klein (2001), S. 212–241.

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erste Anlaufstelle in Europa für afrikanische Industrialisierungsvorhaben zu dienen. Damit reagierte die Generaldirektion auch auf Forderungen der afrikanischen Staaten, sich mehr im industriellen networking zu engagieren und in Europa verstärkt auf den Standort Afrika aufmerksam zu machen.201 1976 gründete die Kommission in Brüssel eigens ein sogenanntes Zentrum für industrielle Entwicklung, das als eurafrikanische Kontaktbörse fungierte und sich unter anderem auch darum kümmerte, europäische Investoren für die Dakarer Freihandelszone zu gewinnen. Ihre Bemühungen, die senegalesische Globalisierung dadurch mit Leben zu füllen, blieben allerdings relativ wirkungslos; bereits wenige Jahre später wurde die Dakarer Freihandelszone aufgrund ausbleibender Industrieansiedlungen als Fehlinvestition eingestuft.202

5. Fazit In der ersten Hälfte der 1970er Jahre wies die Entwicklungszusammenarbeit zwischen dem Senegal und der EWG trotz einiger Kontinuitätslinien deutlich veränderte Konturen auf. Aufgrund übergreifender politischer und insbesondere wirtschaftlicher Wandlungsprozesse, aber auch infolge inhaltlicher Neuerungen, die das zweite Abkommen von Yaoundé mit sich brachte, trat die Zusammenarbeit in eine Umbruchphase, in der zukünftige Strategien vorweggenommen wurden und gleichzeitig überkommene Praktiken noch wirkmächtig blieben. Das zweite Abkommen von Yaoundé führte eine umfassende programmation des EEF ein in dem Sinne, dass ein übergreifendes Entwicklungsprogramm für den Senegal gemeinsam festgelegt und im Großen und Ganzen auch umgesetzt wurde. Zugleich wurde die Zusammenarbeit ein Stück weit dezentralisiert und dadurch intensiviert, da die Delegation der EWG in Dakar klar an Bedeutung gewann. Beide Phänomene trugen nicht nur senegalesischen Forderungen nach einer engeren Zusammenarbeit Rechnung, sondern stellten letztlich auch eine Reaktion auf den vergleichsweise selbstkritisch gestimmten internationalen Entwicklungsdiskurs dar. Sie 201 Vgl. HAEU 25/1980-1997, S. 97: DG VIII, Document de travail, 29.10.1970; ebd. 25/1980-1978, S. 170: Durieux an Krohn, 14.1.1971; ein Inventar von Studien über Industrialisierungsmöglichkeiten in den assoziierten Staaten wurde von der Studiendirektion ebenso erstellt wie eine Dokumentation über deren Investitions-Kodices, die insbesondere für abwanderungswillige europäische Industriebetriebe bestimmt war. Auch hier kam es zu einer stärkeren Resonanz, als dies in den 1960er Jahren der Fall war. So bat Cabous Nachfolger im senegalesischen Industrieministerium, Louis Alexandrenne, bald nach der abgeschlossenen Inventarisierung der Industriestudien um die Übermittlung jener Sammlung, vgl. ebd. 25/1980-1986, S. 183: Durieux an Alexandrenne, 18.5.1973; das Inventar befindet sich in ebd. 25/1980-2000, S. 3: DG VIII, Inventaire des études industrielles, Dezember 1972. 202 Vgl. Gerth-Wellmann (1978), S. 252–256; Vieser (1982), S. 77f.

Fazit

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ließen einen breiteren Resonanzboden in den entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen der EWG und dem Senegal entstehen, ohne dass es jedoch zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe gekommen wäre. Diese verbesserten Koordinations- und Kommunikationsstrukturen verschafften der senegalesischen Regierung in den 1970er Jahren einerseits einen größeren Handlungsspielraum im Vergleich zum vorangegangenen Jahrzehnt. Ihr gelang es, eigene Initiativen wie die Erdnusskonferenz, die Ausweitung der Diversifizierungsprojekte oder auch die Vorarbeiten zur Freihandelszone bei der EWG durchzusetzen. Anders als in den 1960er Jahren eignete sich der Senegal bei letzterem Vorhaben die exportorientierten Industrialisierungsstudien der EWG an und wusste sie konstruktiv in den Dienst eigener Planungen zu stellen. Dass die EWG die senegalesische Entwicklungspolitik insgesamt ernster nahm, zeigte sich auch am dritten Entwicklungsplan, den die Generaldirektion zur Grundlage ihrer Entwicklungspolitik machte. Schließlich wurden die Ausbildungsprogramme der Gemeinschaft graduell flexibilisiert und etwas stärker auf die individuellen Bedürfnisse der assoziierten Staaten ausgerichtet. Andererseits erhielt die Gemeinschaft infolge der engeren Zusammenarbeit verstärkt Zugriff auf die senegalesische Innenpolitik, was sich vor allem in der impliziten Einführung eines wirtschaftlich ausgerichteten Konditionalitätsprinzips äußerte. Die EWG knüpfte ihre erste Nothilfe für die Erdnusswirtschaft an teils sehr detaillierte Auflagen und steuerte dadurch nicht unerheblich die Reformpolitik der senegalesischen Regierung in diesem Sektor. Ähnliche, wenngleich nicht so umfassende Bedingungen wurden anlässlich der Verlängerung der Diversifizierungsmaßnahmen gestellt. Der Delegation der EWG in Dakar kam dabei eine Kontrollfunktion zu, die sie grosso modo auch gewissenhaft ausfüllte. An der Einführung der programmation ließ sich ferner aufzeigen, dass der planungsskeptische Fonds-Chef Ferrandi in den 1970er Jahren weiter an Einfluss verlor. Zwar blieb Ferrandi in den Augen der senegalesischen Regierung der wichtigste Ansprechpartner in Brüssel. In der Generaldirektion geriet er jedoch in heftige Auseinandersetzungen mit seinem neuen Vorgesetzten Hans Broder Krohn, der zusammen mit Jean Durieux ein stärkeres Gegengewicht bildete, als dies seinem Vorgänger Heinrich Hendus gelungen war. Mit der Berufung des anglophilen Claude Cheysson zum neuen Kommissar der DG VIII und dem Beitritt Großbritanniens im Jahre 1973 wurde schließlich Ferrandis schon in den 1960er Jahren fragile Vormachtstellung endgültig gebrochen, weshalb er bald darauf seinen Rücktritt einreichte.203 Darüber hinaus verdeutlichte vor allem der Planungsprozess zur Dakarer Freihandelszone, dass die EWG-Kommission insgesamt an Gestaltungsmacht in der Zusammenarbeit einbüßte, zumal dieser von Frankreich und der Bundesrepublik dominiert

203 Vgl. dazu den Schluss dieser Studie.

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wurde und daher letztlich intergouvernementalen Charakter annahm.204 Eine stärkere Einmischung der Mitgliedstaaten brachte ferner das neue Instrument der Nothilfe mit sich, das die Bundesregierung auch weidlich zu nutzen wusste. Erneut schlugen sich somit allgemeine Tendenzen innerhalb der EWG auch in der Zusammenarbeit nieder. Wenngleich die Durchsetzung einer mehrjährigen Planung auch eine Reaktion auf international aufgekommene Kritik an der bisherigen Zusammenarbeit darstellte, so änderte sich kaum etwas an der vorherrschenden entwicklungspolitischen Strategie der Gemeinschaft wie auch des Senegal, die beide nach wie vor in erster Linie auf produktives und insbesondere exportorientiertes Wachstum setzten. Sicherlich war dieser Befund im Rahmen der landwirtschaftlichen Diversifizierung auch auf Pfadabhängigkeiten zurückzuführen, zumal es sich überwiegend um die Ausweitung von Aktionen handelte, die ihren Ursprung in den 1960er Jahren hatten. Dessen ungeachtet blieb der Machbarkeitsglaube auf beiden Seiten nahezu ungebrochen. Nach wie vor wurde großes Vertrauen in das agrartechnologische Wissen der europäischen Experten gesetzt. All die neuen Forderungen nach Nahrung, Bildung und Gesundheit für die Ärmsten, die den globalen Entwicklungsdiskurs prägten und von einem alternativen Anlauf in der Entwicklungspolitik kündeten, schlugen sich nicht in der Praxis nieder. Ganz im Gegenteil setzte die senegalesische Regierung ebenso wie viele andere Entwicklungsländer mit der Errichtung der Exportproduktionszone auf neoliberale Rezepte. Vor diesem Hintergrund scheint sich der eigentliche entwicklungspolitische Strategiewandel zu Beginn der 1970er Jahre vor allem in der Abkehr von der Importsubstitution hin (oder eher zurück) zu exportorientierten Maßnahmen manifestiert zu haben, wodurch letztlich auch die Rahmenbedingungen für den jüngsten Globalisierungsschub geschaffen wurden. Weil der Glaube in die europäische technologische Überlegenheit nach wie vor weitgehend ungebrochen war und zugleich häufig dieselben Entwicklungsgesellschaften im Land blieben, änderten sich auch kaum die Mentalitätslagen der Akteure vor Ort. Die Projekte wiesen weiterhin einen paternalistischen, teils autoritären Charakter auf. Dass die SATEC erst ganz am Ende ihrer Tätigkeit in der Casamance zu der Einsicht gelangte, dass abseits der Produktionsziele stärker auf die eigentlichen Bedürfnisse der ansässigen Bevölkerung eingegangen werden müsse, lässt die wenig verständigen Umgangsformen erahnen, die ihr Projekt prägten. Im Gegensatz dazu schienen die verbesserten Koordinations- und Kommunikationsstrukturen in der politischen Sphäre einen respektvolleren Umgang begünstigt zu haben. Dass afrikanische Beamte – zumindest offiziell – nicht mehr zum ,Praktikum‘, 204 Ferrandi stand einer afrikanischen Industrialisierung ablehnend gegenüber, übte zugleich aber keinerlei Einfluss auf den Planungsprozess der Industriezone aus, was auf seinen Bedeutungsverlust schließen lässt – umso mehr im Übrigen, wenn man sich Ferrandis exaltiertes Verhalten im Rahmen des Vorhabens zur Dakarer Wasserversorgung in den 1960er Jahren in Erinnerung ruft, vgl. Kap. II.6.

Fazit

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sondern zur ,Fortbildung‘ nach Brüssel eingeladen wurden, verweist ebenso auf eine erhöhte interkulturelle Sensibilität wie ganz allgemein die verstärkte Einbindung der afrikanischen EWG-Botschafter in die Zusammenarbeit. Dieser graduelle Wandel lässt sich ferner auch als institutioneller Lernprozess deuten, bei dem Lehren aus den Erfahrungen der 1960er Jahre gezogen wurden. Im Hinblick auf die Auswirkungen der Zusammenarbeit gilt es zuerst festzuhalten, dass anders als in den 1960er Jahren externe Faktoren wie die Saheldürre und die damit verbundene Welternährungskrise sowie der Zusammenbruch des Weltwährungssystems und nicht zuletzt die Ölkrise die Entwicklung des Senegal weitaus stärker beeinflussten als im vorhergehenden Jahrzehnt. Zugleich darf nicht übersehen werden, dass sich der Senegal schon vor diesen globalen Wandlungsprozessen der 1970er Jahre in einer tiefgreifenden Krise befand. Die EWG hatte zu dieser Entwicklung durchaus beigetragen, auch wenn sie jegliche Verantwortung von sich wies. Nicht zuletzt deshalb koexistierten in der Zusammenarbeit von ehrgeizigen Zielen geleitete Landwirtschaftsprojekte mit einem reaktiven Krisenmanagement, das in erster Linie den Status quo zu erhalten trachtete. Gerade weil jene ambitionierten Vorhaben zur landwirtschaftlichen Diversifizierung noch einen kreativen Charakter aufwiesen, hinterließen sie im Vergleich zu allen anderen Maßnahmen auch die deutlichsten Spuren im Senegal. In wirtschaftlicher Hinsicht konnte sich nur der Baumwollanbau, auch aufgrund des fortgesetzten Engagements der CFDT bis in die jüngste Zeit hinein, behaupten. Demgegenüber fiel der Konsumerdnusssektor trotz zufriedenstellender Produktionsresultate nach dem Abzug des IRHO wieder in sich zusammen. Auch die verschiedenen Interventionen im Reisanbau konnten vor allem wegen fehlgeleiteter agrartechnologischer und sozioökonomischer Vorannahmen kaum einen Beitrag dazu leisten, den unvermindert steigenden Importbedarf zu bremsen. Freilich darf dabei nicht vergessen werden, dass auch all diese Aktionen von der Saheldürre in Mitleidenschaft gezogen wurden. In politisch-administrativer Hinsicht bewirkten die – allesamt in Public Private Partnership konzipierten – Projekte den Ausbau neuer Governance-Strukturen im Senegal. Aus der CFDT wurde mit deren Beteiligung die SODEFITEX, während in der Casamance die SOMIVAC die Projekte von ILACO und SATEC in Eigenregie übernahm. Diese halbstaatlichen Behörden kamen sich nicht nur untereinander ins Gehege, sondern konkurrierten auch mit der staatlichen Administration und trugen so ihren Teil zu einer aufgeblähten und zugleich ineffizienten Verwaltung im Senegal bei. Schließlich lebte in den neuen senegalesischen Entwicklungsbehörden jener paternalistische Stil fort, der schon die Zusammenarbeit zwischen europäischen Experten und senegalesischen Bauern geprägt hatte. Die Auswirkungen des gemeinsamen Krisenmanagements in der Erdnusswirtschaft sind schnell benannt. Wenngleich sich die EWG ihrer Verantwortung kaum bewusst wurde und nur zögerlich ihre erste Nothilfe gewährte, so trug die Aussaatprämie wesentlich dazu bei, dass sich der Erdnusssektor schlagartig erholte. Demge-

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genüber nahm die Gemeinschaft in der mit der Welternährungskrise einhergehenden Verschärfung der Saheldürre lediglich die Rolle des Juniorpartners an der Seite der USA ein, die aufgrund ihrer traditionellen Rolle im relief, vor allem aber wegen langfristiger Marktinteressen die Hauptlast trugen. Die gemeinsamen Hilfsmaßnahmen hatten erneut erheblichen Anteil daran, dass sich der Senegal rasch erholte, zumal schon 1974 ein neuer Ernterekord im Erdnussanbau erzielt werden konnte. Dieses Bild trügt allerdings, denn das Rekordergebnis war auch auf die hausse an den Rohstoffmärkten infolge des Ölpreisschocks zurückzuführen, der dem Senegal bereits die nächste schwere Krise bescherte. Die zusätzlichen Einnahmen im Erdnuss- und mehr noch im Phosphatsektor konnten die gestiegenen Kosten etwa für den Import von Reis und Öl nicht mal zu einem Bruchteil kompensieren, weshalb die Staatsverschuldung in den Folgejahren enorm anstieg.205 In Europa wurden schließlich mit dem Übergang zum zweiten Abkommen von Yaoundé keine signifikant neuen Dynamiken ausgelöst. Die im Lauf der Zeit aufgebauten Strukturen wie etwa transnationale Experten- und Bildungsnetzwerke setzten ihre Arbeit unverändert fort. Abgesehen davon, dass das französische Entwicklungsministerium mit der programmation erneut eine Methode der Gemeinschaft in seine bilaterale Praxis übernahm, waren keine Anzeichen einer weiteren Europäisierung zu erkennen. Die Dominanz nationaler Interessen bei der Planung der Dakarer Freihandelszone offenbarte stattdessen die Grenzen einer von den Mitgliedsstaaten ausgehenden Europäisierung. Daraus lässt sich auch ein gewisser Bedeutungsverlust ablesen, den die Assoziierung und damit die eurafrikanische Idee im Lauf der 1970er Jahre erlitt. Dieser resultierte in erster Linie aus den politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen dieser Zeit und wurde bereits während der Saheldürre sichtbar, als die EWG und insbesondere Frankreich den USA die Führungsrolle überließen. Sowohl der Beitritt Großbritanniens als auch die Tatsache, dass sich die sogenannte Dritte Welt in ihren diversen Bündnissen zu einem Block formierte, der sich international zunehmend Gehör verschaffte, drängten die Gemeinschaft zu einer stärker global ausgerichteten Entwicklungspolitik, auf die sich die Mitgliedsstaaten bereits auf dem Pariser Gipfel 1972 verständigten. Dieser Prozess ließ notwendigerweise die regional konzipierte Assoziierung in den Hintergrund treten – und nicht nur für Europa: Dass der Iran die Freihandelszone zu errichten half, war kein Zufall, sondern kündete von einer verstärkten Kooperation des Senegal mit islamischen Staaten im Nahen Osten ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, die durch den neuen Reichtum dieser Länder

205 Vgl. Halbach (1980), S. 185–191; die Staatsverschuldung stieg zwischen 1975 und 1979 von 66 auf 133 Milliarden F CFA; vgl. zu den Folgen der Ölkrise in Afrika auch Hopfen (1974), S. 30f.

Fazit

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infolge der Ölkrise begünstigt wurde.206 Demnach erlebte auch die Zusammenarbeit eine Globalisierung in dem Sinne, dass der Senegal neue Partner akquirierte, während die Gemeinschaft ihre Fühler bald vom Atlantik über die Karibik bis hin zum Pazifik ausstreckte.

206 Vgl. zur EWG Garavini (2007), S. 314–319; zum Senegal vgl. grundsätzlich Zarour (1989); außerdem Rocheteau (1982), S. 370–372; auch bei der Finanzierung des Staudamms am Senegal-Fluss traten islamische, vor allem arabische Länder, prominent in Erscheinung.

Schluss „Le ,patron‘ du FED s’en va“ – so betitelte die Dakarer Tageszeitung Le Soleil am 10. Dezember 1975 ein ganzseitiges Interview mit Jacques Ferrandi. Der EEF-Chef kam von seiner letzten Dienstmission in Mauretanien und nahm dem Gespräch zufolge extra den Umweg über Dakar, um sich von seinem Freund Léopold Sédar Senghor zu verabschieden. Ohne auf die Hintergründe seines Rücktritts einzugehen, umriss er im Interview abschließend die Aufgabe, die der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit gegenwärtig gestellt sei: „Et notre tâche aujourd’hui n’est plus tellement de les [die afrikanischen Staaten, M.R.] conseiller que de les mettre en garde contre les mauvais conseilleurs.“1 Erneut erwies sich Ferrandi als Meister der feinen Ironie. Denn in seinen Augen hatten ebensolche „schlechten Berater“ wie Krohn, Durieux oder Kommissar Cheysson gerade das Steuer in Brüssel an sich gerissen, während er selbst nach einer Zuspitzung des internen Konflikts seinen Posten räumen musste.2 Mit Ferrandi ging der Generaldirektion die personifizierte Referenz an den französischen Spätkolonialismus verloren. Ganz ähnlich sah dies auch Präsident Senghor, selbst ein Kind jener Zeit, der deshalb in großer Sorge dem Élysée-Palast ausrichten ließ, dass Ferrandis Nachfolger in jedem Fall über gleichwertige Afrikaerfahrung verfügen müsse.3 Aus dieser kurzen Abschiedsgeschichte lassen sich zwei zentrale Merkmale und Dynamiken der entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen dem Senegal und der EWG seit 1957 ableiten: Erstens wurde die Entwicklungspolitik der EWG nicht nur von französischen Einflüssen geprägt. Vielmehr bildete sie einen innereuropäischen Kompromiss ab, dem immer wiederkehrende Konflikte in unterschiedlichen Akteurskonstellationen vorausgingen. In diesem Sinne stand Ferrandis Abgang als Symbol für die von Anbeginn spürbare, zugleich schleichend verlaufende Dekolonisie1 Vgl. CAD Dakar AMB 758: Art. Le ,patron‘ du FED s’en va, in: Le Soleil, 10.12.1975. 2 Ferrandi berichtet die Hintergründe seines Rücktritts wie folgt: Cheysson habe kurz nach seinem Antritt 1973 die DG VIII von einem externen Beratungsbüro durchleuchten lassen, woraufhin es zu einer Umstrukturierung gekommen sei. Dabei seien Planung und Umsetzung der Zusammenarbeit auf verschiedene Direktionen aufgeteilt worden und dadurch sein eigener Kompetenzbereich deutlich beschnitten worden. Er habe diese Entwicklungen einigen afrikanischen Staatschefs, darunter auch Senghor, mitgeteilt und damit auf die drohenden negativen Auswirkungen aufmerksam machen wollen. Nachdem er Krohn von dem Vorgehen berichtet habe, soll der Deutsche ihn bei der Kommission angeschwärzt haben. Nach dieser Aktion war Ferrandi offenbar nicht mehr haltbar, ihm wurde aber aufgrund seiner großen Verdienste ein würdevoller Abschied ermöglicht, vgl. HAEU INT 711: Interview Ferrandi, 28./29.5.2004. S. 91–95. 3 Vgl. CAD Dakar AMB 758: de la Chevalerie an Journiac, 30.12.1975.

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Schluss

rung, man könnte auch sagen ,Entfranzösisierung‘ oder kurzum Europäisierung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik. Zweitens verdeutlicht Senghors Reaktion den Stellenwert, den sich die EWG für den Senegal seit der Unabhängigkeit erworben hatte: Zwar blieb Frankreich der erste Ansprechpartner innerhalb der EWG. Zugleich spiegelt der Einmischungsversuch in Personalbesetzungsfragen eindrücklich wider, welch hohe Bedeutung der senegalesische Präsident der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit beimaß. In der Tat stieg die Gemeinschaft rasch zum wichtigsten Partner nach Frankreich auf, prägte bis zu einem gewissen Grad die Entwicklungspolitik des westafrikanischen Landes und hinterließ deutliche Spuren in dessen Wirtschaft und Gesellschaft. Beide Punkte verdienen im Hinblick auf die empirischen Ergebnisse dieser Studie eine ausführliche Würdigung, ehe abschließend die Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Senegal in einen allgemeineren Kontext der Geschichte der Entwicklungspolitik gestellt wird. *** Die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete an die EWG war ihren Entstehungszusammenhängen nach ein Kind des Spätkolonialismus. Dies erklärt sich zum einen aus der Motivlage der französischen Regierung, die mit der Einbeziehung ihrer afrikanischen Territorien in den Gemeinsamen Markt eine Stabilisierung der Union française erreichen wollte. Zum anderen verzichteten die Bundesrepublik und die Niederlande in den Vertragsverhandlungen darauf, der Assoziierung einen dekolonisationspolitischen Impetus zu verleihen, was sich nicht zuletzt darin äußerte, dass für ein derartiges Szenario keinerlei Regeln festgelegt wurden. Dass die Assoziierung folglich keineswegs Bestandteil einer bestimmten französischen Dekolonisationsstrategie war, wie immer wieder behauptet wurde,4 zeigte sich bald darauf anlässlich des Übergangs zur V. Republik, als de Gaulle sich zunächst beharrlich weigerte, den afrikanischen Territorien ein Recht auf Unabhängigkeit zuzugestehen. Das Verfassungsreferendum taugt angesichts des Schicksals von Guinea, aber auch aufgrund des immensen politischen Drucks, den die französische Kolonialadministration im Senegal ausübte, kaum als Gegenargument. Vielmehr illustrierten auch die Anfangsjahre der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik Frankreichs ungebrochenen Souveränitätsanspruch über die afrikanischen Besitzungen. Nicht zuletzt erlangte die Assoziierung auch keine übergeordnete Bedeutung für den konkreten Dekolonisationsprozess. Ganz im Gegenteil zog sie ihren zunehmenden Stellenwert – neben der umtriebigen Aktivität der Generaldirektion in den ersten Jahren – überhaupt erst aus dieser Entwicklung, nachdem alternative Ordnungsmodelle wie die Communauté gescheitert waren. 4 Vgl. Vahsen (2010); Migani (2008); Bossuat (1993); Girault (1989).

Schluss

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Wenngleich die französische Regierung demnach auf die postkoloniale Ordnung, wie sie sich 1960 herausbildete, nicht intentional hingearbeitet hatte, so wusste sie sich rasch mit ihr zu arrangieren. Denn letztlich war es ihr gelungen, über die Assoziierung ein burden sharing zu etablieren, das sie ein Stück weit entlastete und im Lauf der Zeit zu einem relativen Rückgang finanzieller Leistungen an die assoziierten Staaten führte.5 Während Frankreich dafür sorgte, dass der Senegal grundlegende Staatsfunktionen ausüben konnte, wurde die EWG verstärkt für die eigentliche Entwicklungspolitik im Sinne einer auf sozialen Wandel und Verbesserung der Lebensverhältnisse abzielenden Investitionspolitik in Anspruch genommen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus zutreffend, dass die Assoziierung für Frankreich eine „bonne affaire“ darstellte. Gleichwohl sollte daraus nicht auf einen überragenden Einfluss Frankreichs oder auch französischer Kommissionsmitarbeiter auf die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik geschlossen werden.6 Den Befunden dieser Untersuchung folgend ergibt sich ein differenzierteres Bild: So wurden die grundsätzlichen Strategien der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik in den jeweiligen Assoziationsabkommen festgelegt. Die folgenträchtigste unter ihnen lautete Liberalisierung beziehungsweise Anpassung an die Weltmärkte und wurde maßgeblich auf Ansinnen der Bundesrepublik und der Niederlande durchgesetzt. Damit einher ging eine beharrliche Weigerung insbesondere von deutscher Seite, Preisstabilisierungsmaßnahmen als Kompensation zu gewähren, wie der Konflikt im Rahmen der GAP deutlich gemacht hat. Entsprechend scheiterte das gemeinsame Ansinnen der französischen Regierung und der Kommission, einen derartigen Mechanismus in der zweiten Konvention zu verankern, erneut am Widerstand aus Bonn und Den Haag. Soweit ändert dies nichts an der bekannten Faktenlage – wohl aber an ihrer Bewertung. Denn sicherlich mochten die Verhandlungsergebnisse aus europäischer Perspektive einen Kompromiss zwischen den genannten Widersachern darstellen, wie die diplomatiegeschichtlich orientierte Forschung mehrfach konstatiert hat.7 Dabei wurde allerdings verkannt, dass in jener Frage sozusagen des Pudels Kern lag: Weder die Handelspräferenzen noch der Umfang des EEF oder institutionelle Aspekte, über die gleichfalls ausführlich gestritten wurde, hatten derart gravierende Folgen für den Senegal und manch anderen assoziierten Staat wie die Frage zur Zukunft der afrikanischen Monokulturwirtschaften. Aus senegalesischer Sicht gaben deshalb die Bundesrepublik und die Niederlande ganz klar die Richtung vor. Die Produktionshilfe wie auch die Kompensationen im Rahmen der GAP für die sene5 Relativer Rückgang im Vergleich zu Frankreichs BSP, aber auch in Bezug auf die geographische Verteilung der gesamten französischen Entwicklungshilfe, vgl. Corbett (1972), S. 123, 129. 6 So Turpin (2005); in Bezug auf die DG VIII vgl. Dimier (2008). 7 Vgl. Vahsen (2010); Migani (2008); Moser (2000).

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galesische Erdnusswirtschaft wurden in Dakar lediglich als Tropfen auf den heißen Stein betrachtet, zumal beide Maßnahmen vorübergehenden Charakter besaßen.8 Dass erst der britische Beitritt einem dauerhaften (wenngleich wesentlich unvorteilhafteren) Preisstabilisierungssystem im Rahmen des ersten Lomé-Abkommens vom Frühjahr 1975 den Weg ebnete, illustriert schließlich einmal mehr die Grenzen französischer Gestaltungsspielräume in der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik.9 Vor diesem Hintergrund wird zugleich das Verhältnis zwischen den Mitgliedsstaaten und der EWG-Kommission in ein rechtes Licht gerückt. Die Behörde verfügte durchaus über erhebliche Handlungsspielräume in der Zusammenarbeit, konnte sich aber ebenso wie in allen anderen Politikfeldern der Gemeinschaft den übergreifenden Beschlüssen der Mitgliedsstaaten nicht verweigern. Dies galt für die Durchführung des Produktionshilfeprogramms genauso wie für die Einführung der programmation. Auch der EEF-Ausschuss bot den Mitgliedsstaaten Möglichkeiten zu intervenieren, was jedoch, in erster Linie aufgrund der außenpolitischen Fragen, die dort verhandelt wurden, insgesamt nicht allzu häufig vorkam. Verstärkte Einflussnahmen seitens der Mitgliedsstaaten auf die Projektpolitik äußerten sich deshalb nicht so sehr im EEF-Ausschuss, sondern bereits in der Planung von Vorhaben, wie der Abschnitt zur Wasserversorgung von Dakar illustriert hat. Ungeachtet dessen entwickelte sich dieses Gremium zunehmend zu einer Kontrollinstanz, was die Generaldirektion unter einen gewissen Rechtfertigungsdruck setzte und letztlich die Verwissenschaftlichung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik beförderte. Seine Haupttriebfeder hatte letztgenannter Prozess jedoch in der Generaldirektion selbst, zumal der wissensbasierte Ansatz von Beginn an die Zusammenarbeit prägte. Im Vergleich zu den Praktiken der spätkolonialen französischen Entwicklungspolitik bedeutete dies ein Quantensprung, der sich erstens aus der multinationalen Zusammensetzung der Generaldirektion und damit einhergehender unterschiedlicher Erfahrungshorizonte erklärt. Zweitens sollte mit der Einführung höherer Standards dem oft vernommenen Vorwurf des Neokolonialismus entgegengewirkt werden. Drittens waren Planung, Ökonomisierung und Verwissenschaftlichung zentrale Merkmale der global an Einfluss gewinnenden Modernisierungstheorie und Entwicklungsökonomie, die folglich auch in der Generaldirektion rezipiert wurden und nicht zuletzt bei eini8 Insofern bleibt Ira William Zartmans Urteil nach wie vor zutreffend, dem zufolge jegliche Abweichung von Frankreichs ursprünglicher Position für die afrikanischen Staaten nicht akzeptabel war, da diese so etwas wie den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellte, vgl. Zartman (1971), S. 40f. 9 Vgl. zu den Lomé-Verhandlungen Reyels (2008); Milward (2005), S. 95–102; Palayret (2006); zur äußerst komplizierten Funktionsweise des STABEX mit deutlicher Kritik Martin (1984); einen kursorischen Überblick über die Auswirkungen auf den Senegal, der von dem neuen System wie kein zweites AKP-Land profitierte, bietet Kennes (1992), S. 365–368.

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gen französischen Mitarbeitern, darunter vor allem Kommissar Lemaignen, Anklang fanden. Ferrandi hingegen teilte diese Ansichten nicht. Die Einflussmöglichkeiten des Fonds-Chef, der sich wie kein zweiter in der DG VIII mit den Praktiken des französischen Spätkolonialismus identifizierte, waren deshalb in der Entwicklungsplanung erheblich eingegrenzt. Überhaupt zeichnete sich die Generaldirektion gerade durch ihre Heterogenität aus, die die Annahme eines starken esprit de corps fragwürdig erscheinen lässt. Die Abteilungsleiter van der Lee und Durieux setzten mit der Einbeziehung anglophoner Afrikaner in die Ausbildungsprogramme beziehungsweise mit der Anfertigung entwicklungsökonomisch fundierter Industrialisierungsstudien ihre eigenen Schwerpunkte und wurden dabei jeweils von Generaldirektor Hendus unterstützt. Ferrandis Führungsanspruch innerhalb der DG VIII deckte sich demnach nicht mit den tatsächlichen Aktivitäten und Vorgehensweisen der Generaldirektion, weshalb die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik letztlich von einer gewissen Hybridität gekennzeichnet war. All das modifiziert schließlich auch die These, wonach die Zusammenarbeit in erster Linie durch persönliche Beziehungen gesteuert wurde, die sich aus der Kolonialzeit überlebt hatten. Der in der Planung dominierende wissensbasierte Ansatz stand solch klientelistischen Formen der Kooperation entgegen, weshalb letztere vor allem bei der Umsetzung entwicklungspolitischer Maßnahmen wirksam wurden. In der Tat verfügte Ferrandi in diesem Bereich über nahezu grenzenlose Freiheiten, die er nicht selten zugunsten französischer Unternehmen und Entwicklungsgesellschaften einzusetzen wusste. Doch selbst hier gilt es zu nuancieren, zumal zum einen die französische Dominanz vor Ort auch auf historische Pfadabhängigkeiten zurückzuführen war, wenn etwa alteingesessene französische Forschungsinstitute mit Unterstützung des EEF ihre agrarwissenschaftlichen Erkenntnisse flächendeckend zur Anwendung bringen sollten. Zum anderen rührte etwa der Konflikt um die Wasserversorgung von Dakar nicht zuletzt daher, dass Senghor gerade nicht auf die persönlichen Kontakte zur ehemaligen Kolonialmacht, sondern auf die in seinen Augen bessere inhaltliche Lösung setzte. Übergreifend wurde mit der EWG-Assoziierung ein komplexes Beziehungsgeflecht begründet, in dem sich neue Funktionsweisen und Praktiken der Zusammenarbeit zunehmend durchsetzten. Auf einen Begriff gebracht, lässt sich dieser Prozess als Europäisierung deuten, der sich, und das ist entscheidend, auf allen Ebenen konfliktreich vollzog. Entscheidend auch deshalb, weil dieser Befund die jüngere und an transnationalen Dynamiken interessierte Integrationsforschung dafür sensibilisiert, dass auch innerhalb der Kommission oder in transnationalen Netzwerken Auseinandersetzungen über die ,richtige‘ Politik oder Strategie an der Tagesordnung waren. Derartige Konflikte innerhalb der DG VIII, zwischen dieser und anderen Generaldirektionen oder auch mit beauftragten Experten und, wie etwa bei der ersten Industrialisierungsstudie geschehen, zwischen Forschungsinstituten verschiedener Mitglieds-

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staaten legen es nahe, neben den Einflussmöglichkeiten auch die Binnendynamiken dieser Netzwerke künftig genauer in den Blick zu nehmen.10 Damit ist zugleich angesprochen, dass es sich bei der Europäisierung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik überwiegend nicht um einen intendierten Prozess handelte. Sicherlich wurden bewusst Maßnahmen in diese Richtung eingeleitet, wie etwa an der Ausweitung des Kolloquienprogramms auf ganz EWG-Europa oder am Bemühen um eine Europäisierung der Entwicklungsgesellschaften vor Ort sichtbar wurde. Letztere Initiative hat jedoch zugleich auch die Grenzen einer von oben verordneten Europäisierung aufgezeigt, da sich die SATEC erfolgreich gegen diese Auflage zur Wehr zu setzen wusste. Auch die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten, über die Vermittlung der Gemeinschaft ihre bilateralen Entwicklungspolitiken miteinander zu verzahnen, war eng begrenzt. Dies zeigte sich am Vorhaben der Dakarer Wasserversorgung ebenso wie an der senegalesischen Initiative, die industrielle Freihandelszone als deutsch-französisch-europäisches Gemeinschaftsprojekt anzugehen. Insgesamt handelte es sich also eher um eine versteckte, nichtsdestoweniger wirkungsmächtige Europäisierung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik, die sich auf die Grundausrichtung, ihre Methoden und Entwicklungsansätze, nachgeordnete Netzwerke und Expertenkreise bezog. Zu großen Verbundenheitsbekundungen der Mitgliedsstaaten taugte das Feld der Entwicklungspolitik dagegen nicht: zu sehr war sie außenpolitisch motiviert, zu eng mit außenwirtschaftlichen nationalen Interessen verquickt.11 Dass die EWG von Beginn an und im Lauf der Zeit immer mehr anders machte als jenes Land, das die Assoziierung zunächst als ihren domaine réservé betrachtet hatte, zeigt sich schließlich an den Rückwirkungen gemeinschaftlicher Vorgehensweisen auf die französische bilaterale Entwicklungspolitik. So löste der wissensbasierte Ansatz der EWG Anfang der 1960er Jahre bis zu einem gewissen Grad eine Verwissenschaftlichung und Ökonomisierung der französischen Hilfe aus. Mehr als zehn Jahre später hielt außerdem das Verfahren der mehrjährigen programmation Einzug in die bilaterale Zusammenarbeit. Die beiden Beispiele zeugen ebenso von einer graduellen Europäisierung der französischen Entwicklungspolitik, wie sie im Umkehrschluss letzte Zweifel ausräumen, dass sich in Brüssel in der Tat aus Ansätzen, Methoden und Konzepten verschiedener Herkunft die gemeinschaftliche Entwicklungspolitik europäisierte. 10 Dass es in Netzwerken ebenso wie innerhalb der Kommission zu Konflikten kommen konnte, bleibt im grundlegenden Beitrag von Kaiser (2009) unterbelichtet, vgl. vor allem S. 14–20; programmatisch schlagen aus politikwissenschaftlicher Sicht in eine ähnliche Kerbe Reinalda/Verbeek (2004), S. 239f.; empirisch beispielhaft, wenngleich abseits der Integrationsgeschichte etwa Schmelzer (2010). 11 Entsprechend scheiterten auch frühe Initiativen der Kommission, das Politikfeld zu vergemeinschaften oder zumindest eine Harmonisierung der bilateralen Hilfe im Rahmen der EWG zu institutionalisieren, vgl. dazu Vahsen (2010), S. 223–233.

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*** Diese Art Europäisierung hatte mit den eurafrikanischen Visionen, die die senegalesischen Verantwortlichen um Senghor anfangs verfolgten, wenig gemein. Statt der Ausweitung des spätkolonialen Handels- und Entwicklungsregimes auf ganz EWG-Europa trat ein, wovor der senegalesische Präsident bereits 1957 gewarnt hatte: die zunehmende wirtschaftliche und politische Marginalisierung der afrikanischen Staaten. Obwohl Frankreich diesen Prozess als Mitglied der EWG mitgestaltete, wurden die politischen Beziehungen zwischen der ehemaligen Kolonialmacht und dem Senegal dadurch keineswegs gelockert. Ganz im Gegenteil kam der Assoziierung eine Stabilisierungsfunktion zu, weil die Gemeinschaft zum einen mit ihren Entwicklungsprojekten zur unvermindert anhaltenden Präsenz französischer Institute und Entwicklungsgesellschaften beitrug. Zum anderen wurde der Senegal in steter Regelmäßigkeit von der Gemeinschaft enttäuscht. Die EWG bot dem westafrikanischen Land keine ernsthafte Alternative und erwies sich allzu häufig als wankelmütiger Partner im Vergleich zur ehemaligen Kolonialmacht. Nicht französische Dominanz, sondern deren mangelndes Durchsetzungsvermögen insbesondere gegenüber deutschen und niederländischen Positionen kennzeichneten zunehmend die grundsätzliche Ausrichtung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik. In der Regel bedeutete dies für den Senegal, ungünstigere Konditionen in Kauf nehmen zu müssen. Die EWG schlüpfte so für Frankreich in die Rolle des Sündenbocks und verantwortete unpopuläre Entscheidungen wie etwa die handelsrechtliche Liberalisierung des Erdnusssektors, welche andernfalls Paris früher oder später hätte allein fällen müssen. Im Ergebnis handelte es sich dabei um ein two-level game, bei dem die französische Regierung als Anwalt ihrer ehemaligen Kolonie auftrat, weshalb der Senegal weiterhin Frankreich als wichtigsten Verbündeten betrachtete.12 Dennoch stieg die EWG angesichts mangelnder Alternativen umgehend zum zweitwichtigsten entwicklungspolitischen Partner des Senegal auf. Dies lag auch daran, dass die senegalesische Regierung es grundsätzlich ablehnte, aus den anfangs der Zusammenarbeit zunehmenden Ost-West-Spannungen Kapital zu schlagen. Neben den politischen Überzeugungen Senghors spielte dabei auch eine Rolle, dass sich der senegalesische Präsident von einer Schaukelpolitik keine materiellen Vorteile versprach. Die daraus resultierende Alternativlosigkeit einerseits und die nachteilige Grundausrichtung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik andererseits führten 12 Vgl. zur two-level game theory Putnam (1988); freilich unterlagen die Beziehungen zwischen dem Senegal und Frankreich auch einem graduellen Wandel, der sich allerdings unabhängig von der EWG vollzog und deshalb hier nicht weiter dargestellt wird, vgl. dazu überblicksartig Coquery-Vidrovitch (1982), S. 117–119; Bourgi (1979), S. 83–88.

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dazu, dass die entwicklungspolitischen Handlungsspielräume des Senegal insgesamt gesehen relativ begrenzt waren. Es ist fruchtlos darüber zu spekulieren, ob letztlich externe oder interne Faktoren ausschlaggebend für ausbleibende Entwicklungserfolge in Afrika waren. In Abgrenzung zu solch dichotomischen Sichtweisen und im Bemühen um eine Erweiterung endogener Erklärungsansätze, die innerhalb der senegalesischen Geschichte für den hier untersuchten Zeitraum bislang dominierten, ergibt sich aus der Studie ein differenziertes Bild. Dies gilt insbesondere für den senegalesischen Erdnusssektor, in dem die prägende handelspolitische und entwicklungspolitische Rolle der EWG von der Forschung bisher nicht reflektiert wurde. Damit eng verbunden nahm die Gemeinschaft allgemein nicht unerheblichen Einfluss auf die senegalesische Entwicklungsplanung und steuerte seit den 1970er Jahren über eine wirtschaftliche Konditionalisierung der Zusammenarbeit auch ein Stück weit die senegalesische Reformpolitik. Nicht zuletzt gaben die Mitgliedsstaaten die Rahmenbedingungen einer Industrialisierung des westafrikanischen Landes bis zu einem gewissen Grad vor. All das lässt die Entwicklungspolitik der senegalesischen Regierung in einem neuen Licht erscheinen. Bei einer genaueren Betrachtung der Zusammenarbeit kommt hinzu, dass selbst entwicklungspolitische Strategien, über die ein grundsätzlicher Konsens zwischen Brüssel und Dakar bestand – zu denken wäre vor allem an die landwirtschaftliche Diversifizierung –, in der Umsetzung Konflikte auslösten. Hier kam ein „Imperialismus des Wissens“ zum Vorschein, der einerseits zu teils erheblichen Verzögerungen führte und andererseits kleineren Projektanträgen, die der Senegal einreichte, einen Riegel vorschob. Der entwicklungspolitische Strategiewandel im Senegal, den Mamadou Diouf als Übergang von Dias Konzept der Massenmobilisierung hin zu einem technokratischen, mithin wissensbasierten Ansatz beschrieb, nahm deshalb spätestens mit der Erneuerung des Assoziationsabkommens 1963 seinen Anfang und nicht erst, wie der senegalesische Historiker meinte, mit der Ankunft der Weltbank Ende der 1970er Jahre.13 Sicherlich war die Intensität der Interventionen, die aus der Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft resultierten, eine andere als die Strukturanpassungsprogramme der Weltbank Anfang der 1980er Jahre, zumal letztere massiv in die Haushalts- und Finanzpolitik der senegalesischen Regierung eingriff. Bedenkt man demgegenüber die Neuausrichtung der handelspolitischen Beziehungen, die zunehmende Ökonomisierung und Verwissenschaftlichung der Zusammenarbeit sowie die Einführung von programmation und Konditionalitätsprinzip zu Beginn der 1970er Jahre, so kommen doch starke Zweifel auf, ob die EWG im Senegal tatsächlich eine koloniale, auf persönlichen Klientelbeziehungen gründende Ordnung perpetuieren half.14 In dieser 13 Vgl. Diouf (1997); ferner auch Mbodj (1992), der diese Kehrtwende mit der Gründung des ONCAD 1966 verbindet. 14 So aber Dimier (2008).

Schluss

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Perspektive erscheint die Gemeinschaft vielmehr als Vorläufer der Washingtoner Institution, die das Aufbrechen kolonialer Wirtschaftsstrukturen wesentlich vorantrieb und neue entwicklungspolitische Verfahren und Instrumente einführte. Diese These wird auch dadurch untermauert, dass in der postkolonialen Zusammenarbeit die sogenannte Dritte Welt mehr und mehr in den Fokus aller Industrienationen geriet, damit zugleich aber eine Fragmentierung internationaler Verantwortung einherging.15 Eben deshalb setzte sich in Brüssel, insbesondere in der diplomatischen Arena, rasch ein neuer Geist der Zusammenarbeit durch. An die Stelle politischer Solidaritätsbekundungen, die ihre tieferen Wurzeln in den engen kolonialen Beziehungen hatten, trat – zur herben Enttäuschung Senghors und anderer afrikanischer Staatschefs – ein weit stärker ökonomisch fundiertes und damit auch rationaleres Verständnis von Entwicklungspolitik. Dass sich mit dem ersten Abkommen von Yaoundé die Rahmenbedingungen für eine senegalesische Entwicklung insbesondere im Agrarsektor verschlechterten, resultierte nicht zuletzt aus diesen veränderten Mentalitätslagen, die vor allem für die neuen europäischen Partner wie die Bundesrepublik oder die Niederlande handlungsleitend wurden.16 Allerdings gilt dabei zu bedenken, dass hinter den besonders engen Beziehungen der ehemaligen Metropole zu den afrikanischen Staaten gleichfalls ökonomische Interessen standen. Insofern bekam Dakar von den alten wie von den neuen europäischen Partnern die Auffassung zu spüren, dass die Entwicklung des Senegal nicht zulasten der europäischen Volkswirtschaften gehen dürfe. Diese Mentalität der Besitzstandswahrung äußerte sich insbesondere in der industriellen Zusammenarbeit: Die EWG legte nicht nur Einspruch gegen Maßnahmen des Senegal zum Schutz junger Industrien ein, sondern zeigte sich auch übergreifend vergleichsweise reserviert gegenüber senegalesischen Industrialisierungsinitiativen. Damit nahm die Gemeinschaft letztlich eine Haltung ein, die in der Tat bis in die 1930er Jahre zurückverfolgt werden kann. Die fortgesetzte Betonung eurafrikanischer Verbundenheit, die sich gerade bei Senghor bis in die 1970er Jahre vernehmen ließ, war deshalb nicht nur auf dessen politische Überzeugungen und persönlichen Hintergrund zurückzuführen, sondern ebenso sehr politischem Kalkül geschuldet, zumal innerhalb der senegalesischen Regierung harsche Kritik am Geist der Zusammenarbeit geübt wurde. Diese Differenzierung ist auch deshalb von einiger Relevanz, da feierliche offizielle Erklärungen afrikanischer Staatschefs und Botschafter bislang gern zur Beurteilung der Assoziierung herangezogen wurden, anstatt darin einen Verhaltenscode der auf asymmetrischen Machtbeziehungen aufbauenden Zusammenarbeit zu erkennen.17 Vor diesem Hintergrund dürfte es für künftige Forschungen eine reizvolle Aufgabe sein zu unter15 Vgl. Cooper (2010), S. 16. 16 Ähnlich dazu Coquery-Vidrovitch (1982), S. 122f. 17 Vgl. etwa Vahsen (2010), S. 336f; Moser (2000), S. 499f.

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Schluss

suchen, inwieweit die Einstellungen und Vorgehensweisen der EWG dazu führten, dass sich der Senegal mit der Zeit immer weniger an Verpflichtungen gebunden fühlte beziehungsweise generell abnehmendes Verantwortungsbewusstsein auf Geberseite eine Rentenmentalität von Regierungen in Entwicklungsländern beförderte.18 Übergreifend bekam der Senegal die Europäisierung der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik deutlich zu spüren. Allerdings dürfen diese externen, häufig konfliktreich ausgehandelten Rahmenbedingungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der senegalesischen Regierung genügend Handlungsspielräume verblieben, die Zusammenarbeit vor Ort zu steuern. Und wenngleich sie sich grundsätzlich über den vorherrschenden Szientismus in Brüssel beklagte, so hatte sie in der Regel doch großes Vertrauen in die europäischen Experten, die die EWG in den Senegal entsandte. Der Machbarkeitsglaube war demnach in den Dakarer Ministerien ebenso verbreitet wie in der Generaldirektion und führte dazu, dass die verschiedenen Entwicklungsgesellschaften relativ frei agieren konnten – und dies auch nutzten. So prägten die in transnationaler Public Private Partnership agierenden Entwicklungsgesellschaften ganz wesentlich den senegalesischen Landwirtschaftssektor und nahmen teilweise auch erheblichen Einfluss auf die Agrarpolitik. Dies ist insofern von einiger Bedeutung, als die bisherige Forschungsliteratur weder die transnationale noch die halbstaatliche Dimension ausreichend reflektiert hat.19 Die SATEC war mehr als zehn Jahre vor Ort, die CFDT ist es sogar bis zum heutigen Tag. Aus den ursprünglich befristeten Entwicklungsprojekten gingen somit teilweise dauerhafte neue Governance-Strukturen hervor, deren Träger sich mühelos dem politischen Klientelsystem des Senegal anpassten und zugleich nicht selten in Konkurrenz zu bestehenden administrativen Strukturen traten oder diese verdrängten.20 Somit wurde die senegalesische Agrarpolitik nicht nur extern von der EWG ein Stück weit vorgegeben, sondern intern rasch zu einer gemeinsamen Angelegenheit von politischen Eliten und ausländischen Experten. Der klare Unterschied zwischen diesen beiden Ebenen zeigt sich darin, dass die politischen Beziehungen einen grundlegenden Wandel durchliefen, während die Zusammenarbeit vor Ort weitaus stärker kolonialen Beziehungsmustern verhaftet blieb. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass der politische Klientelismus im unabhängigen Senegal keineswegs ausschließlich in der französischen Kolonialherrschaft gründete, sondern ebenso afrikanische Wurzeln hatte.21 Nach 15 Jahren Zusammenarbeit mit der EWG fiel die Bilanz für den Senegal gemischt aus. Ungeachtet aller vorangegangenen Konflikte verfügte Dakar zu Beginn 18 Vgl. zum Begriff der ,Rentenmentalität‘ überblicksartig Tetzlaff/Jakobeit (1999), S. 199; zum Phänomen außerdem Cooper (2010), S. 18. 19 Vgl. etwa Oya (2006); Péhaut (1984), Waterbury (1987). 20 Vgl. zum Klientelismus im Senegal Hesseling (1985), S. 371–373; Cruise O’Brien (1979), S. 215f. 21 Differenziert zu dieser Frage Spittler (1981), S. 171–183.

327

Schluss

der 1970er Jahre erstmals seit etwa 1940 wieder über ausreichend Wasser. Die Einführung des Baumwollanbaus verschaffte dem Senegal außerdem eine zweite cash crop, die allerdings die Dominanz des Erdnusssektors nicht annähernd brechen konnte. Ferner finanzierte die EWG einige Straßenbauten, zahlreiche weitere Infrastrukturen und leistete einen Beitrag zur Errichtung einer Düngemittelfabrik. Demgegenüber hatte die EWG einen nicht unerheblichen Anteil an der Krise der Erdnusswirtschaft, an deren Bekämpfung sie sich allerdings zu Beginn der 1970er Jahre im Zuge der Saheldürre mit der Gewährung zweier Nothilfen beteiligte. Ferner verhielt sich die Gemeinschaft äußerst ambivalent gegenüber Industrialisierungsinitiativen und trug kaum etwas zur Lösung des Ausbildungsproblems bei. Auch die Projekte im Reis- und Konsumerdnussanbau bewirkten keine dauerhaften wirtschaftlichen Erfolge, prägten dafür jedoch, teilweise sogar über das zeitlich befristete Engagement vor Ort hinaus, die sozialen Beziehungen zwischen Staat und Landbevölkerung. Damit sind die wesentlichen Ergebnisse der Zusammenarbeit benannt. Angesichts dessen ist es aus europäischer Perspektive sicherlich nicht falsch, die Ansicht zu vertreten, dass die EWG keine großen Summen für die AASM bereitstellte.22 Der eigentliche Stellenwert der Gemeinschaft für den Senegal ergibt sich jedoch erst vor dem Hintergrund, dass die senegalesische Entwicklungspolitik im engeren Sinne, also eine kreative, investierende, gestalterische Politik, die den Status quo verändern und verbessern sollte, von der Gemeinschaft mehr Mittel erhielt als von jeder anderen Geberinstitution. Dass diese Zusammenarbeit zudem enorme Auswirkungen auf den Senegal zeitigte, hat diese Studie versucht aufzuzeigen. Nicht zuletzt deshalb mischte sich Senghor in die Nachfolge von EEF-Direktor Ferrandi ein: weil er sich einerseits trotz aller Frustrationen über die Bedeutung der Gemeinschaft für den Senegal vollkommen bewusst war und andererseits erkannt hatte, dass sich der französische Partner von allen europäischen Ländern noch am ehesten für sein Land einsetzen würde. *** Dies leitet schließlich dazu über, die entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen dem Senegal und der EWG in einen allgemeineren Kontext der Geschichte der Zusammenarbeit zu setzen. Gegenwärtig wird über den Sinn und Unsinn von Entwicklungshilfe lebhaft debattiert. Während die einen glauben, mit einer Verdreifachung der Mittel die Probleme der sogenannten Dritten Welt in den Griff bekommen zu können, sprechen sich andere für eine sofortige Einstellung jedweder Leistungen aus, um der Zweckentfremdung der Mittel und der Rentenmentalität in Empfängerländern ein Ende zu bereiten.23 22 So etwa Bossuat (2003), S. 442; Grilli (1993), S. 122. 23 Vgl. Moyo (2009); Sachs (2008); Shikwati (2006); zum Kontext auch Grill (2007).

328

Schluss

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den Senegal wie auch die übrigen assoziierten Staaten, für die die EWG eine ähnlich bedeutende Rolle einnahm,24 ist anzumerken, dass in dieser Diskussion ein Bewusstsein für die Geschichte der Zusammenarbeit durchaus hilfreich sein könnte. Jene Länder, von denen die meisten gemäß der Terminologie der Vereinten Nationen gegenwärtig zu den am wenigsten entwickelten Staaten dieser Erde zählen, blieben in den ersten zwei Jahrzehnten ihrer Unabhängigkeit überwiegend auf die ehemalige Kolonialmacht und eben die EWG angewiesen. Weil Geld allein freilich nicht automatisch Entwicklung auslöst, scheint es jedoch wenig fruchtbar, bei der Frage zu verweilen, ob die AASM mehr oder weniger Leistungen bedurft hätten. Zu überlegen und weiter zu prüfen wäre aber sicherlich die Frage, inwieweit sich die – im Vergleich zu heute – geringen Leistungen an die assoziierten Staaten zusammen mit dem damit eng verbundenen Modernisierungsdruck letztlich als Boomerang erwiesen und eine Ausweitung des Entwicklungsregimes erforderlich gemacht haben. Anders gewendet wurden die jungen afrikanischen Staaten nicht nur mit einem kolonialen Erbe, sondern bald darauf auch mit den Auswirkungen der frühen Entwicklungszusammenarbeit konfrontiert, was angesichts einer Tendenz in der Forschung zur Essentialisierung des ,Kolonialen‘ allzu leicht aus dem Blick gerät.25 Daraus lässt sich zugleich ein Plädoyer für eine Historisierung des Nord-SüdKonflikts als eigenständiges Forschungsfeld ableiten. Dessen Berechtigung gründet auch in der Einsicht, dass eine historische Betrachtung, die Entwicklungspolitik ausschließlich dem alles überragenden Ost-West-Konflikt unterordnet, verkürzt erscheint. In der Tat spielte der Kalte Krieg für die Beziehungen zwischen der EWG und dem Senegal kaum eine Rolle. Die häufig erwähnte Möglichkeit der Entwicklungsländer, eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West zu betreiben, wurde im Senegal nicht erwogen.26 Sicherlich ließen sich manche Entwicklungsländer in die Systemauseinandersetzung verwickeln – eine ganze Reihe anderer, darunter die meisten frankophonen afrikanischen Länder, aber eben nicht. Die Nachkriegszeit war demnach global gesehen von einer polyzentrischen Machtkonstellation gekennzeichnet, in der der Nord-Süd-Konflikt und die damit verbundene Entwicklungspolitik ein zentrales Strukturelement neben dem Kalten Krieg bildete, die freilich einander überlappen konnten, zugleich aber auch unabhängig voneinander Wirkung entfalteten.27 Eng damit verbunden ist deutlich geworden, dass es sich durchaus lohnt, Entwicklungspolitik auch über die außenpolitische Dimensionen hinaus in den Blick 24 25 26 27

Vgl. Vahsen (2010), S. 175f. Vgl. Bayart (2009), S. 127–132; Cooper (2005), S. 31. Diese Möglichkeit betont etwa Gaddis (1997), S. 154. Vgl. dazu auch Iriye (2002), S. 60–64; Frey (2006), S. 36–39; ähnlich ferner Herren (2009), S. 103f.; Büschel/Speich (2009), S. 16–20; zur Dritten Welt als Schauplatz des Kalten Krieges vgl. den Sammelband von Greiner/Müller/Walter (2006); Westad (2006).

Schluss

329

zu nehmen und den Fokus stärker auf die Inhalte und damit auch auf die Praxis zu richten. Dass die Zusammenarbeit beispielsweise neue Governance-Strukturen im Senegal begründete, ist ja nicht nur im Hinblick auf die Geschichte dieses Landes von Interesse. Dieser Befund macht zugleich die politikwissenschaftlich orientierte Governance-Forschung darauf aufmerksam, dass die sogenannten neuen Formen des Regierens bereits in der frühen postkolonialen Entwicklungszusammenarbeit Anwendung fanden. Ohne daraus ableiten zu wollen, dass Afrika schon vor 50 Jahren Europa die Zukunft gewiesen hätte, regt dies zumindest zu Überlegungen an, inwiefern die außereuropäische Welt einmal mehr als „Laboratorium der Moderne“ diente, ehe sich solche gemischten Regelungsstrukturen auch in den europäischen Ländern durchsetzten.28 Gerade im Bereich des Agrarsektors wurden etwa zu Beginn der 1990er Jahre in (und von) der EU Formen lokaler Partnerschaften initiiert, die, ganz der Sprache des Entwicklungsdiskurses der 1970er Jahre folgend, integrierte Landwirtschaftsprogramme durchführten, um eine Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Land zu erreichen.29 Kurzum ist davon auszugehen, dass Formen und Praktiken der Zusammenarbeit in Entwicklungsländern durchaus auf verschiedene politische und soziale Prozesse in Europa zurückwirkten, weshalb es sich nicht nur aus der Perspektive der Empfängerstaaten lohnt, die entwicklungspolitische Praxis stärker in den Blick zu nehmen. Darüber hinaus scheint ein Fokus auf die Zusammenarbeit auch deshalb dringend geboten, weil das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis, zwischen Rhetorik und tatsächlich angewandten Strategien bislang kaum empirisch untersucht worden ist. Wenngleich hier nur die Ergebnisse einer Länderstudie präsentiert werden können, so ist es doch bemerkenswert, dass der Senegal ebenso wie die EWG teilweise andere Wege gingen, als es der globale Entwicklungsdiskurs nahegelegt hätte. So hob sich erstens Mamadou Dias Konzept theoretisch deutlich vom entwicklungspolitischen mainstream der damaligen Zeit ab und nahm sogar spätere Ansätze wie etwa den basic needs approach vorweg. Dass sich allerdings die konkreten Mittel, mit denen Entwicklung zunächst in Gang gesetzt werden sollte, kaum von modernisierungstheoretischen Strategien unterschieden, lässt bereits erahnen, dass auch die schillerndsten Entwicklungsvisionen in der Praxis dem alles überstrahlenden Wachstumsgebot nachgaben. Nachdem der Senegal mit dem ersten Abkommen von Yaoundé unwiederbringlich auf einen wachstumszentrierten Entwicklungsweg eingeschwenkt war, setzte das westafrikanische Land zweitens die entwicklungspolitischen Akzente gemeinsam mit der EWG eindeutig im landwirtschaftlichen Bereich. Dabei war der Senegal kein Sonderfall. Auch in anderen assoziierten Ländern setzte die Gemeinschaft in 28 Conrad/Osterhammel (2004), S. 21; vgl. Trotha (2000); Cooper/Stoler (1997). 29 Vgl. Moseley (2003), S. 1–7.

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Schluss

den 1960er Jahren den Schwerpunkt im Agrarsektor, was in klarem Widerspruch zum internationalen Entwicklungsdiskurs dieser Zeit stand, der von Industrialisierungsstrategien geprägt wurde. Vor dem Hintergrund, dass die Industrialisierung in Afrika in dieser Zeit übergreifend betrachtet keine tiefen Wurzeln geschlagen hat, liegt die Annahme nahe, dass entwicklungspolitische Strategien nicht globalen Trends unterlagen, sondern nach verschiedenen Entwicklungsregionen ausdifferenziert wurden.30 Drittens hat sich gezeigt, dass sich nicht nur die EWG, sondern insbesondere der Senegal von der dependenztheoretisch inspirierten Wende des Entwicklungsdiskurses Ende der 1960er Jahre mit all seinen Implikationen absolut unbeeindruckt zeigte. Der dritte Plan radikalisierte nicht nur rhetorisch das Wachstumsparadigma. Mit der Gründung der Freihandelszone ließ Senghor auch konkrete Taten folgen. Angesichts der Tatsache, dass der Senegal mit diesem Schritt lediglich einem allgemeinen Trend in den Entwicklungsländern folgte, tat sich ein Widerspruch zwischen den um internationale Gerechtigkeit kreisenden Diskussionen über eine Neue Weltwirtschaftsordnung einerseits und zeitgleich erfolgten Maßnahmen seitens vieler Entwicklungsländer andererseits auf, welche zur Zementierung und Verschärfung der internationalen Arbeitsteilung führten.31 Diese Diskrepanz zu erklären, dürfte eine der drängendsten Fragen für die künftige zeitgeschichtliche Forschung zum NordSüd-Konflikt darstellen. In einer Perspektive der longue durée setzten sich schließlich viertens entwicklungspolitische Konzepte und Ansätze, die in der universalistischen Tradition der assimilation standen, klar gegen die partikularistische Doktrin der association durch. Doch auch deren Spuren lassen sich in manchen postkolonialen Strategien wie etwa dem Anfang der 1970er Jahre prominent gewordenen basic needs approach oder, stärker noch, dem zeitgleich aufgekommenen Konzept zum Schutz bedrohter Völker wiederfinden.32 Daran zeigt sich letztlich, dass jegliche Entwicklungsansätze auf Ideen zurückgeführt werden können, die bereits in der kolonialen Epoche diskutiert wurden. Die Aussagekraft dieser Feststellung bleibt allerdings relativ begrenzt angesichts der Tatsache, dass universalistischen und partikularistischen Weltanschauungen nichts spezifisch ,Koloniales‘ anhaftete, sondern diese vielmehr im Kolonialismus wie in der Zeit davor und eben auch danach Orientierung bieten und handlungsleitend werden konnten. Dass sich demnach zu keiner Zeit ein globaler Konsens über die ,richtige‘ entwicklungspolitische Strategie einstellte, galt im Kleinen genauso für die gemeinschaftliche Zusammenarbeit. Gewiss bestand zwischen Dakar und Brüssel Einigkeit darüber, dass es zu einer Reise in die senegalesische Moderne keine Alternative gab. 30 Vgl. Finnemore (1997), S. 205–208; Gilman (2003), S. 41; Cooper (2002), S. 99–103. 31 Vgl. dazu Fröbel/Heinrichs/Kreye (1977), S. 652–654. 32 Vgl. dazu Rempe (2008).

Schluss

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Welcher Weg dabei einzuschlagen sei, war jedoch sowohl im Senegal als auch innerhalb der EWG und nicht zuletzt zwischen den beiden Partnern immer wieder umstritten. Dies war letztlich auch darauf zurückzuführen, dass die Gemeinschaft in den Augen der senegalesischen Regierung im Lauf der Zeit vieles anders, aber mitnichten alles besser machte.

Abkürzungsverzeichnis AA Auswärtiges Amt AAPD Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland AASM Assoziierte afrikanische Staaten und Madagaskar Abl.EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ADEUS Archiv der Delegation der Europäischen Union im Senegal AMAEF Archives du ministère des Affaires étrangères français Amb. Ambassade ANS Archives nationales du Sénégal AV Auslandsvertretung Bundesverband der Deutschen Industrie BDI Bureau de développement pour la production agricole BDPA BGBl. Bundesgesetzblatt BMWi Bundesministerium für Wirtschaft BNDS Banque nationale pour le développement du Sénégal BPS Bloc populaire sénégalais BRGM Bureau de recherches géologiques et minières BSD Banque sénégalaise de développement BSP Bruttosozialprodukt CAC Centre des Archives contemporaines CAD Centre des Archives diplomatiques CAR Centre d’animation rurale CARAN Centre d’accueil et de recherche des Archives Nationales CCCE Caisse centrale de coopération économique CE Coopération économique CEE Communauté économique européenne CER Centre d’expansion rurale Centre européen de formation des statisticiens économistes des CESD pays en voie de développement Compagnie française pour le développement des fibres textiles CFDT CGOT Compagnie générale des oléagineux tropicaux Compagnie d’études industrielles et d’aménagement du terriCINAM toire CNPF Conseil national du patronat français COM Commission de la Communauté économique européenne CRAD Centre régional d’assistance au développement Documents diplomatiques français DDF DG III Generaldirektion III Binnenmarkt

Abkürzungsverzeichnis

DG VI DG VIII EAGFL EAMA ECA EEF EIB ENFOM EU EWG F CFA FAC FAO FED FF FIDES FM FPR FPU GAP GATT GERCA HAEU IAO IFC ILACO INSEE INT IRAT IRFED IRHO IWF Kf W KOM KSZE MAC MAEF

333

Generaldirektion VI Landwirtschaft Generaldirektion VIII Entwicklungspolitik Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft États associés malgaches et africains Economic Commission for Africa Europäischer Entwicklungsfonds Europäische Investitionsbank École nationale de la France d’outre-mer Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Franc des colonies françaises d’Afrique, ab 1960 Franc de la communauté financière d’Afrique Fonds d’aide et de coopération Food and Agriculture Organization Fonds européen de développement Franc français Fonds d’investissement de développement économique et social Fédération Mali Fonds Foccart privé Fonds Foccart public Gemeinsame Agrarpolitik General Agreement on Tariffs and Trade Groupement d’études rurales en Casamance Historisches Archiv der Europäischen Union Internationale Arbeitsorganisation International Financial Corporation International Land Development Consultants Ltd Institut national de la statistique et des études économiques Interview Institut de recherches agronomiques tropicales et des cultures vivrières Institut international de recherche et de formation en vue de développement Institut de recherches pour les huiles et oléagineux Internationaler Währungsfonds Kreditanstalt für Wiederaufbau Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Mission d’aide et de coopération Ministère des Affaires étrangères français

334

Abkürzungsverzeichnis

MAES Ministère des Affaires étrangères sénégalais MAS Mission d’aménagement du Sénégal MCAC Mission de coopération et d’action culturelle MDRS Ministère de Développement rural sénégalais Ministère d’Économie rural du Sénégal MERS Mio. Millionen NATO North Atlantic Treaty Organization NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ohne Datum o.D. ohne Nummer o.Nr. OCA Office de commercialisation OMVS Organisation pour la mise en valeur du fleuve Sénégal Office national de coopération et de l’assistance pour le dévelopONCAD pement ORSTOM Office de la recherche scientifique et technique outre-mer PAAA Politisches Archiv des Auswärtigen Amts PDH Produktions- und Diversifizierungshilfe PRA Parti du regroupement africain RDA Rassemblement démocratique africain RdS République du Sénégal RE Rechnungseinheit SAED Société d’aménagement et d’exploitation des terres du Delta SATEC Société d’aide technique et de coopération SCET Société centrale pour l’équipement du territoire SdE Secrétariat d’état aux relations avec les états de la Communauté SdE Coop Secrétariat d’état aux affaires étrangères chargé de la coopération SERESA Société d’études et de réalisations économiques et sociales dans l’agriculture Société d’études économiques et financières SETEF Secrétariat général du Comité interministériel pour les questions SGCI de coopération économique européenne Société industrielle d’engrais du Sénégal SIES SIOFA Société interprofessionnelle des oléagineux fluides alimentaires SIP Société indigène de prévoyance Société mutuelle de développement rural SMDR SODEFITEX Société de développement des fibres textiles SODEVA Société de développement et de vulgarisation agricole SOMIVAC Société de mise en valeur de Casamance SSEPC Société sénégalaise d’engrais et de produits chimiques System zur Stabilisierung der Exporterlöse von EntwicklungslänSTABEX dern

Abkürzungsverzeichnis

UNCTAD UNESCO UNO UPS VP

335

United Nations Conference on Trade and Development United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations Organization Union progressiste sénégalaise Vice-Présidence

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Archives Nationales du Sénégal, Dakar (ANS) Fédération Mali (FM) Vice-Présidence (VP) Ministère du Développement rural (1R)

Archives du ministère des Affaires étrangères français, Paris (AMAEF) Coopération économique (CE) 1945–1960 Coopération économique (CE) 1961–1966 Sénégal 1959–1972

Centre d’accueil et de recherche des Archives nationales, Paris (CARAN) Fonds Foccart public (FPU) Fonds Foccart privé (FPR)

Centre des Archives contemporaines, Fontainebleau (CAC) Secrétariat général du Comité interministériel pour les questions de coopération économique européenne (19771468) Secrétariat général du Comité interministériel pour les questions de coopération économique européenne (19880053) Ministère de Coopération, direction du développement économique (19850144) Ministère de Coopération, direction du développement économique (20000232) Ministère de Coopération, sous-direction développement rural (19940063) Ministère de Coopération, sous-direction développement rural (19940701) Ministère de Coopération, direction des projets de développement (19940355) Ministère de Coopération, SATEC (19950281)

Centre des Archives diplomatiques, Nantes (CAD) Dakar Ambassade (Dakar AMB) Dakar Mission de coopération et d’action culturelle (Dakar MCAC)

Archiv der Delegation der Europäischen Union im Senegal, Dakar (ADEUS) I. FED II. FED III. FED

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Historisches Archiv der Europäischen Union, Florenz (HAEU) Kommission der EWG und der Montanunion (BAC) 25/1980 03/1978 19/1969 26/1969 17/1969 28/1980 38/1984 79/1982 Ministerrat (CM 2) Hohe Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (CEAB) Oral History Interviews INT 600 Claude Cheysson INT 654 Jacques van der Lee INT 684 Ursula Thiele INT 693 Jean Durieux INT 706 Jean Chapperon INT 708 Pierre Cros INT 711 Jacques Ferrandi INT 722 Henri-Marie Varenne INT 731 Detalmo Pirzio-Biroli INT 746 Jean Westhoff INT 767 Jean-François Deniau

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin (PAAA) Ministerbüro (B 1) Politische Abteilung 2 (B 10) Referat 200, Europäische politische Integration (B 20) Referat 307, Afrika südlich der Sahara (B 34) Referat III B 5, Außenwirtschaftspolitik (B 68) Auslandsvertretungen (AV)

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Personenregister Abelin, Pierre 256 Adenauer, Konrad 36f., 40f. Alexandrenne, Louis 310 Allardt, Helmut 55, 65, 69 Amah, Georges Apédo 57 Badiane, Emile 260 Banicles, Henri 65 Benedictis, Francesco de 146 Bezy, Fernand 204f. Bömcke, Eberhard 220 Bombassei Frascani de Vettor, Giorgio 220 Bour, Francis 141–143, 155, 160 Bourges, Yvon 306 Bourgi, Albert 50 Brandt, Willy 247f., 284, 306f. Brentano, Heinrich von 41 Cabou, Daniel 133–135, 196, 306f., 310 Carbonnel, Eric de 65 Cartier, Raymond 39 Celestin, George 103 Cellerier, Paul 173, 177 Césaire, Aimé 111 Chabrol, Claude 155f. Chapperon, Jean 178 Charbonnel, Jean 189f. Chevance-Bertin, Maurice 181, 193f., 198 Cheysson, Claude 311, 317 Chruschtschow, Nikita 35 Cissoko, Adama 57 Clausewitz, Carl von 50 Collin, Jean 195f. Colonna di Paliano, Guido 189 Cooper, Frederick 14, 38, 72, 79, 197 Cornut-Gentille, Bernard 45, 48 Couve de Murville, Maurice 136 Creech-Jones, Arthur 35 Cros, Pierre 55

Defferre, Gaston 38f., 43 Delavignette, Robert 82, 176f. Deniau, Jean-François 235, 248 Dia, Mamadou 29, 44, 46, 48, 57f., 75f., 84, 91, 94, 98–111, 122–124, 140, 148, 161, 163, 241, 244, 324, 329 Diagne, Blaise 14 Dimier, Véronique 25, 54, 286 Diop, Ousmane Socé 77 Diouf, Abdou 278, 286f. Diouf, Mamadou 25, 76, 324 Divonne, Jacques de 143 Durieux, Jean 164, 202, 206, 256f., 302, 304f., 311, 317, 321 Eckstein, Otto 166 Erhard, Ludwig 40, 256 Eucken, Walter 167 Eugène, Jacques 226 Faidherbe, Louis 54 Fanon, Frantz 101 Ferrandi, Jacques 25, 54f., 82, 143, 160, 164–166, 173–178, 182, 190, 192– 196, 198f., 222, 242, 248f., 256–259, 262, 273, 275, 278f., 283, 285, 301, 304f., 311f., 317, 321, 327 Foccart, Jacques 136, 247 Foyer, Jean 83f. Freire, Paulo 101 Frisch, Dieter 195 Gaulle, Charles de 45–50, 52, 60, 69, 131, 167, 187, 199, 237, 239, 247f., 318 Gaye, Karim 91, 105, 147f. Genova, James 43 Gorse, Georges 65 Groeben, Hans von der 189 Guenanff, Maurice 82 Gueye, Djime Momar 114f., 125f., 128, 136, 210, 238

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Gueye, Lamine 34, 46, 99, 109 Hallstein, Walter 63, 188f., 240 Harkort, Günther 128 Heise, Hans-Joachim 195 Hendus, Heinrich 55, 71f., 80, 126f., 129– 131, 134, 146, 188, 193, 219, 231f., 239, 248, 311, 321, 340, 343 Higgins, Benjamin 166f. Houphouët-Boigny, Felix 34, 43, 45–47, 49, 57 Huybrechts, André 206 Johnson, Lyndon B. 167 Julienne, Roland 204f. Junges, Rudolf 195 Kane, Cheikh Hamidou 110, 155 Kanza, Thomas 57 Keita, Modibo 51 Kennedy, John F. 200 Kerr, Clark 200 Keynes, John Maynard 99 Klein Lankhorst, Thomas 80f. Kantorowitsch, Leonid 166f. Krohn, Hans Broder 248f., 294, 304f., 311, 317 Laak, Dirk van 63 Lagarde, Yves Vyau de 118, 172, 250 Lahr, Rolf 136, 190 Lanari, Lorenzo 289 Lebret, Louis-Joseph 98–107, 109, 163 Lee, Jean-Jacques van der 58, 62, 230, 233, 237–239, 245, 260, 321 Lemaignen, Robert 53–57, 60–62, 65, 68f., 72, 77, 82, 87–89, 130, 169, 321 Lesourne, Jacques 166f. Lewis, Arthur 277 Lo, Magatte 158 Ly, Abdoulaye 47f. M’Backe, Amadou 143 Maletzke, Gerhard 58 Malfatti, Franco Maria 292

Personenregister

Mansholt, Sicco 126, 130f., 188f. Marjolin, Robert 255f. Massé, Pierre 166f. Mboya, Tom 102 McNamara, Robert 286 Mendès-France, Pierre 37 Menzel, Ulrich 19 Messmer, Pierre 48 Meulen, Joseph van der 127 Milward, Alan 292 Mohrman, Thomas 81, 85, 145 Moity, Jean 141f. Mollet, Guy 43 Monnet, Jean 88f. Napoléon 278 Ndiaye, Valdiodio 48 Niasse, Moustapha 229 Nyerere, Julius 102 Papen, Franz von 55 Paretti, Vittorio 61 Patel, Kiran Klaus 84 Paye, Lucien 182 Pearson, Lester 249 Pélissier, Paul 144, 162 Perilhou, Jean 118 Perroux, François 98–100, 107 Pinay, Antoine 53 Pirzio-Biroli, Detalmo 250, 288 Pompidou, Georges 136, 247f. Portères, Roland 76 Prebisch, Raúl 203 Rabot, Georges Louis 126f., 129 Razafindrabe, Armand 234, 238 Rey, Jean 250, 252 Rochereau, Henri 130, 164, 178, 183, 188–190, 202, 214, 235, 242, 248 Röpke, Wilhelm 167 Rosenstein-Rodan, Paul 166 Rostow, Walt Whitman 200 Rüstow, Alexander 167 Sachs, Hans-Georg 188

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Personenregister

Sarr, Doudou 158–160 Sarraut, Albert 33 Schaus, Lambert 189 Schuman, Robert 36 Schumpeter, Joseph 110 Semler, Johannes 37 Senghor, Adrien 289 Senghor, Léopold Sédar 34, 42–52, 57, 91, 99, 102, 109–111, 115f., 121–124, 131f., 135f., 140, 147, 149, 155f., 158f., 161, 174, 181, 183f., 186–190, 193, 195, 198f., 206, 209, 214, 219, 222, 225, 229, 241, 243, 247, 250, 253, 258f., 268, 278, 280, 283–285, 288, 292–294, 305–307, 317f., 321, 323, 325, 327, 330 Shonfield, Andrew 63 Solf, Otto Isao 232, 234 Solf, Wilhelm Heinrich 232

Spierenburg, Dirk Pieter 211 Stalin, Josef 35 Thiam, Doudou 115 Thiam, Habib 115, 118, 141f., 267, 286 Thiele, Ursula 178 Tinbergen, Jan 166f. Touré, Ahmed Sékou 47 Triboulet, Raymond 182 Ugo, Giovanni 118, 145, 160, 215, 218, 284 Vaillant, Janet 109 Vignes, Jean 66 Wendland, York Alexander Freiherr von 184 Westhoff, Jean 260

Ortsregister1 Abidjan 61, 208, 225, 228 Addis Abeba 205f. Afrika 14–16, 22, 34, 36–52, 54f., 58–60, 67, 87f., 93, 103, 171, 174f., 189, 196, 200, 202f., 205–208, 217, 223–225, 227, 230, 236–240, 247, 277, 298, 309f., 314, 324, 329f. Algerien 38, 45 Algier 56 Anglophones Afrika 237–240 Ankara 55 Antananarivo → Tananarive Asien 60 Bamako 51, 208 Bambey 74, 94, 144, 155f., 224, 228 Bandung 42 Belgisch-Kongo 35 (→ Kongo) Benin → Dahomey Bonn 55, 135, 286, 307 Brasilien 100f. Brazzaville 47, 49, 61 Brüssel 11, 16, 57, 59, 65, 70, 77, 109, 112–115, 126, 128, 131–133, 135, 143, 146, 182f., 195, 204, 229, 231, 233f., 236, 239, 293, 302, 310, 313 Burkina Faso → Obervolta Burundi 228 Casamance 54, 74, 76f., 81, 83, 85f., 89, 103, 163, 171–176, 241, 252, 263–267, 271–274, 276f., 312f. Celle Saint-Cloud 37 Cotonou 46, 50 Dahomey 49, 100, 134, 176, 229 Dakar 11, 13f., 27, 29, 43, 48, 51, 54, 61, 65, 69f., 74, 81, 83, 85, 101, 107–112,

114f., 118, 131, 139f., 146f., 152, 155f., 174, 178–198, 207, 209f., 224f., 227, 229, 235, 242f., 245, 247, 250, 252, 283, 287, 289, 292, 294f., 297, 299, 301f., 305–307, 310–312, 314, 317, 320–322 Deutschland 54, 145, 181, 228 DDR 107 Den Haag 11, 182, 248 Diama 274f. Diourbel 79, 147 Elfenbeinküste 43, 46f., 134, 171, 204, 227 Europa 13f., 16f., 21, 27f., 36, 41, 43, 58–61, 67, 97, 111, 115, 134–136, 212, 216–218, 222, 228, 231, 234, 239, 244f., 248f., 310, 314, 322f., 329 Fatick 99 Ferlo 263 Frankophones Afrika 36, 41, 45, 52, 60, 67, 70, 171, 183, 223, 225 Frankreich 19, 27, 38f., 43, 46–52, 55, 60, 62, 72, 75, 80, 84, 87, 89, 91, 96f., 99f., 102f., 107, 167, 185f., 201, 223, 225, 227f., 275, 291 Französisch-Äquatorialafrika 43, 47, 203 Französisch-Westafrika 43–45, 203 Gabun 37 Gambia 54, 77 Ghana 42, 224 Gorée 92 Großbritannien 237, 291 Guinea 37, 49 Indien 34f. Indochina 93

1 Das Ortsregister verweist in erster Linie auf den geographischen Ort, Staat oder überregionalen Raum. Das Sachregister führt solche Entitäten auf, wenn im Text der politische Bedeutungsgehalt gemeint ist.

365

Ortsregister

Indonesien 39 Israel 226 Italien 228, 234, 275 Kalifornien 277 Kamerun 204, 227 Kaolack 147 Kolumbien 103 Kongo 204, 228, 234 Lac de Guiers 181f., 185, 190f., 194, 197 Lateinamerika 60, 92, 203 London 237 Louga 155f. Luxemburg 132, 228, 285 Madagaskar 133, 179, 239 Mali 49, 51, 134, 274 Manantali 274f. Marseille 92, 306 Matam 79 Mauretanien 188, 162, 317 Mezzogiorno 234 Naher Osten 314 Neu-Delhi 253 New York 115, 168, 249 Niamey 206, 208 Nianga 265–268, 274f., 277 Niger 74, 134, 296 Nigeria 224, 298 Nouakchott 79, 275 Obervolta 49, 269, 296

Paris 27, 43, 53, 61, 99, 106, 110f., 152f., 155, 187, 225, 249, 289, 314 Podor 79 Portugiesisch-Guinea 77 Pout 181, 183, 185, 188, 191 Richard Toll 74, 172, 185 Ruanda 71, 228 Rufisque 14 São Paulo 100 Sahel 295–298, 300 Sine-Saloum 132, 158, 269 Somalia 228 Sowjetunion 60, 110, 293 St. Louis 14, 42, 50, 74f., 79f. Strasbourg 200 Sudan 49–51, 171 (→ Mali) Sudanzone 295 Tananarive 61, 133, 135, 225, 294 Thiès 147, 190f., 194f., 197, 209 Togo 134 Tschad 115, 296 Tschechoslowakei 110 USA 19, 68, 87, 293 Vietnam 100 Washington 249, 325 Yaoundé 114, 116, 225

Sachregister

Afrikanische Eliten 21, 34, 38, 42–45, 52, 56–59, 62, 76, 87f., 105, 237f., 326 Afrikanische Entwicklungsbank 275 Afrikanische Staatsverschuldung 15, 250 (→ Senegal) Afrikanischer Sozialismus 102, 106f., 161, 253f. (→ Sozialismus) Afrikanisierung 146, 254 Agence France-Presse 285 Agrar- und Hydrotechnik 145 Agrarsektor → Landwirtschaft Algerienkrieg 38, 45, 53 Animation rurale 95, 110, 148, 150, 161, 277 Antikolonialismus 16, 41, 44 Arbeitslosigkeit 162, 309 Armutsbekämpfung 20, 105, 249, 286, 308 Association pour les stages et l’accueil des techniciens d’outre-mer 227 Assoziierung 11f., 16, 18, 24f., 27f., 30, 38–44, 51f., 56, 58f., 62, 64, 72f., 76, 83, 87, 89, 112, 114f., 210, 229f., 233, 235f., 239f., 248, 251f., 301f., 308, 314, 318–325 – AASM 127f., 130, 133f., 203–205, 208, 232, 234, 236–238, 253, 302– 304, 327f. – Abkommen von Lomé 11, 14f., 24, 286, 294, 299, 320 – Assoziationsrat 113, 133, 209, 211, 240, 282, 294 – Assoziationsausschuss 113f., 125, 128, 136, 211, 238 – Atlantik-Karibik-Pazifik-Partnerschaft 14, 315 – Durchführungsabkommen 42, 52, 56 – Erstes Abkommen von Yaoundé 11f., 24, 29, 108–127, 130, 142, 161, 163, 165, 179, 199, 202, 208–211, 226, 237f., 240–243, 250, 255, 262, 302, 319, 324f., 329

– Eurafrikanische Parlamentarierkonferenz 200 – Zweites Abkommen von Yaoundé 11f., 15, 24, 30, 247, 250–256, 260–262, 267, 281, 287, 292, 294, 301f., 310– 314, 319 Aufklärung 33 Ausbildung 21, 29f., 34, 56–62, 73f., 77, 81, 94f., 101, 108, 122f., 140–144, 153f., 158, 162, 171, 209, 223–240, 242, 260–262, 273, 293, 303, 311, 321, 327 Balkanisierung 42 Bananen 70, 176, 202 Banque nationale pour le développement du Sénégal 217, 281 Banque sénégalaise de développement 94 Basic needs approach 20, 104f., 249, 308, 329f. Baumwolle, Baumwollanbau 115, 122, 164, 169, 171f., 259, 263–278, 313, 327 Belgien 35, 40, 113f., 127, 220, 264, 284f. Beneluxstaaten 53, 135, 192f., 219 Berliet 209–212, 221 Bewegung der Blockfreien Staaten 249 Binnenmarkt 230 – Afrikanischer B. 200, 203 – Senegalesischer B. 209f., 301 Bloc populaire sénégalais 42 Bretton Woods System 249, 313 Britischer Kolonialismus 21, 33–36, 224 Brunnenbau 108, 262f., 297 Bud-Konzern 277 Bundesverband der Deutschen Industrie 196, 307 Burden sharing 16, 39, 76, 319 Bureau de développement pour la production agricole 146

Sachregister

Bureau de recherches géologiques et minières 181, 185f., 191, 194, 198 Caisse centrale de la coopération économique 161, 217 Cars rapides 209 Carl Duisberg Gesellschaft 236 Cartierisme 39, 236 Casamance-Plan 77, 81, 83, 85f., 89, 103, 173 Centre d’expansion rurale 74, 94f., 120, 139f., 147–150, 156, 161, 277 Centre de recherches agronomiques Bambey 94, 144 Centre européen de formation des statisticiens économistes des pays en voie de développement 225 Centre régional d’assistance au développement 95, 158 Citroën 211 Club of Rome 308 Code des investissements 201, 307, 310 Comité d’études pour les problèmes économiques 98 Commonwealth 237, 294 Compagnie d’études industrielles et d’aménagement du territoire 103, 105, 123 Compagnie française pour le développement des fibres textiles 171, 263, 268–278, 313, 326 Compagnie générale des oléagineux tropicaux 77, 144, 172 Complexe hollondais 39 Conseil de l’entente 49 Conseil national du patronat français 53 Dakar – Festival mondial des arts nègres 210f. – Hafen 73f., 139, 184, 305 – Industrielle Freihandelszone 302, 305–311, 314, 322, 330 – Kindersterblichkeitsrate 180 – Studentenunruhen 247 – Universität 13, 122, 224–227 – Wasserversorgung 11, 13, 29, 107f., 178–199, 242f., 245, 320–322, 327

367

Dakar Matin 174 Dekolonisation 14–16, 18, 27–29, 34–36, 39, 41–52, 57f., 69–76, 79–83, 87–89, 91–98, 106f., 110, 112, 131, 143, 163, 170f., 177, 180, 200, 213, 223–225, 261f., 279, 318, 328 Dekolonisierung 22, 52f., 89, 203, 318 Demographische Strukturen und Entwicklung 77, 92, 180, 191, 204, 254, 275f. Dependenztheorie 249, 330 Deutsch-französisches Wirtschaftskomitee 37 Deutschland – Bundesregierung 36f., 40, 51, 65, 112f., 117, 128, 130, 134f., 138f., 179, 183–199, 210f., 241f., 247, 284–286, 299, 306f., 312, 319 – Bundestag 145 – Entwicklungspolitik 26, 167, 181, 189, 245, 247, 256, 285f., 322 Diola 175, 266 Dritte-Kraft-Idee 60 Dritte Welt 42, 100, 314, 325 Düngemittelfabrik 202, 207, 213, 217– 221, 281f., 289f., 327 (→ Société industrielle d’engrais du Sénégal) Dünger 117, 139, 213–222, 279f., 282f., 288, 290 École des cadres ruraux Bambey 74, 155f., 224, 228 École polytechnique 81, 143, 167, 223f. Economic Commission for Africa 205f. Economic Community of West African States 206 Économie et humanisme 99f., 103 Économie humaine 98, 100–102 Eigenbedarfswirtschaft 92, 140, 244, 266, 271, 274, 279 El Niño Phänomen 295 English Speaking Union 237 Entspannungspolitik 247f. Entwicklungsdekaden 200, 249, 261 (→ Vereinte Nationen) Entwicklungsdiskurs 19f., 30, 105, 200, 249, 263, 276, 308–310, 312, 329f.

368

Entwicklungsgesellschaften 12, 17, 22, 24, 27, 86, 141–162, 171–175, 242, 263–278, 280, 312, 321–323, 326 – Entlohnung 149, 268–270 Entwicklungsökonomie 19, 100f., 166f., 176f., 241f., 320f. (→ Ökonomie) Entwicklungspläne 28, 35, 64f., 75 (→ Planung) – Erster senegalesischer Plan 14, 29, 69, 76, 79, 81, 91, 98f., 102–108, 121, 148, 163, 200, 205, 214, 223, 226 – Zweiter senegalesischer Plan 121–124, 161, 163, 169, 172, 205, 207, 226 – Dritter senegalesischer Plan 208, 247, 253–259, 262, 300f., 305, 311, 330 – Vierter senegalesischer Plan 15 Entwicklungsstrategien 18, 25, 104f., 163, 262, 276, 307 Entwicklungsstudien 64, 66–72, 74f., 80, 84–86, 102–105, 141f., 164–169, 173–175, 201–208, 212, 242, 259, 267, 270, 272–275, 301–311, 321 Entwicklungsvorstellungen 36, 91, 108, 177, 312, 326 Epistemic community 230, 233, 242 Erdnusswirtschaft 29f., 77, 91–98, 106–108, 110, 113–163, 169–172, 213, 217, 241, 243f., 254, 259, 263, 268–270, 278–300, 307, 311, 313f., 320, 323f., 327 – Abnahmegarantie 96f., 112f., 116, 128, 132, 137, 139, 244, 251, 290, 294 – Absatz und Absatzmarkt 97, 115, 126, 279, 290–294, 299f. (→ Export) – Action de vulgarisation 118, 120, 139–157, 160, 162, 171, 213, 243, 276, 281 – Aflatoxin 291 – Bauern 22, 92–95, 98, 106, 117, 120, 132, 137, 139f., 145, 150–154, 157, 162, 169, 213f., 218–222, 243, 279– 288, 296, 298, 300, 313 – Bauernverschuldung 92, 279f. – Économie de traite 92–95 – Erdnussöl 96, 116, 244, 291, 293, 295 (→ Pflanzliche Öle)

Sachregister

– Ernteerträge 96, 123, 140, 218, 271, 279–281, 290, 295f., 299f., 314 – Erzeugerpreis 140, 267, 279f., 284, 288, 298f. – Esserdnussanbau 259, 263–271, 276, 313, 327 – Export 92, 94, 119, 129, 134, 136, 138, 158, 264, 267, 291–295 – Konferenz in Dakar 292–295, 299, 311 – Kooperativen 93–95, 132, 140, 158f., 169f., 281 – Malaise paysan 140, 278–280, 299 – Modernisierung 29, 117, 139–162, 217 – Preisstabilisierung 112, 125–127, 134–136, 139, 293, 319f. – Preisstützung 96f., 112–115, 117, 120, 132, 137, 290, 294 – Relance 288, 292 – Strukturverbesserungsmaßnahmen 113, 117–120, 139f. Erster Weltkrieg 54 Esprit de corps 130, 304, 321 Eurafrika 44, 52, 55, 133, 200, 250, 314, 323, 325 Eurafrikanische Netzwerke 56–63, 229, 237, 250, 310, 314, 323, 325 (→ Netzwerke) Europäische Entwicklungspolitik → Gemeinschaftliche Entwicklungspolitik Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – Ausschuss der Ständigen Vertreter 70, 127, 131, 135, 220 – Delegation der EWG im Senegal 27, 174, 195, 287–289, 297, 299, 310f. – DG III 202, 216 – DG VI 127, 130, 134f., 138, 248 – DG VIII 16, 22, 25, 28, 53–90, 114, 116, 118–120, 125–138, 141, 147, 160, 163–178, 182f., 188–191, 196– 208, 212–245, 248, 251f., 255–269, 272, 276f., 281–294, 301, 304f., 308– 311, 317–321, 326 – Europäische Investitionsbank 113, 189, 202, 207, 217–219, 221f. – Europäischer Gerichtshof 220, 285

Sachregister

– – – –

Europäischer Rat 286 Europäisches Statistikamt 61, 225 Juristischer Dienst 71 Kommission 11f., 16–18, 23, 28, 41, 53, 56, 59–65, 69–73, 78, 85, 87f., 91, 112, 116, 121, 125–138, 145–147, 165, 178f., 188–191, 196, 209, 211, 218–222, 229, 238–241, 248, 250, 252, 255, 261, 290, 292–294, 297, 299, 302f., 308–311, 317, 320–322 – Ministerrat 64f., 69, 71f., 116, 126, 128f., 133–136., 138f., 193, 297 Europäisierung 12, 23f., 84, 97, 145f., 160, 177, 205, 208, 228, 236, 244f., 309, 314, 318, 321–323, 326 Europarat 37 Eurozentrismus 12, 24, 28, 101, 179, 243 EWG-Vertrag 11, 38, 40, 51, 97 – Verhandlungen 16, 38–41 Experten und Expertise 11f., 18–24, 62, 70, 73, 76–82, 85–87, 89, 94, 98–103, 111f., 114, 118, 140, 146–149, 153, 158–161, 166, 169, 173–177, 182f., 185f., 194f., 198f., 201–208, 216, 230, 235, 242, 244, 251f., 256–258, 267– 269, 273–277, 306f., 309, 312–314, 321f., 326 Exporte 92, 129, 264, 277, 291f., 294f. (→ Erdnusswirtschaft) Exportproduktionszonen 307, 309, 312, 330 (→ Dakar) Fédération des industries oléagineux de la C.E.E 292 Fischerei 74, 77, 184, 259f., 263, 275 Food and Agriculture Organization 85, 275, 296 Franc-Zone 96, 98, 201, 308 Françafrique 55 Frankreich – IV. Republik 34, 47, 57, 80, 89 – V. Republik 45, 318 – Assemblée nationale 14, 34, 38, 42–44, 47 – Conseil de la République 99 – Département d’Outre-mer 141

369

– Entwicklungspolitik 51, 82–84, 86, 138, 142, 245, 256, 322 – Fonds d’aide et de coopération 62, 64, 76, 83, 122, 142f., 146, 159, 171f., 182, 185, 217, 222, 224f., 227, 307 – Geheimdienst 109f. – Kooperationsabkommen 50f., 75 – Militär 50f., 110, 122 – Mission d’aide et de coopération 70, 83, 118, 182 – Regierung 11, 16, 34–41, 44–53, 56, 61–67, 72–76, 78, 83f., 87–89, 96f., 108–116, 118–120, 127, 130–132, 135–138, 141–143, 159, 176, 179– 189, 194, 198f., 204f., 210f., 216, 220, 225, 227, 241–243, 247, 261, 264, 275, 290, 292, 298, 300, 306f., 309, 311, 314, 318–320, 323 – Schatzamt 184, 198 – Territoire d’Outre-mer 223 Französischer Kolonialismus 15–19, 21f., 28, 33–44, 39, 55, 58, 60, 62, 68, 76– 81, 86–90, 92–94, 99, 103, 138f., 144, 163f., 166–172, 177, 212f., 223–225, 242–244, 317f., 320f., 326 – Assimilation 33–35, 38, 44, 52, 89, 225, 330 – Association 33, 68, 82, 89, 154, 330 – Comité consultatif constitutionnel 46 – Communauté 16, 46–50, 52, 59, 64f., 98, 318 – École coloniale und École nationale de la France d’outre-mer 54f., 103, 155, 173, 177, 223f., 278 – Entwicklungspolitik 15f., 19, 28, 36, 52, 64, 66–68, 72f., 79–83, 88, 144, 163, 166, 176f., 320 – Föderation und Konföderation 43, 45, 47, 50, 52 – Fonds d’investissement de développement économique et social 16, 34, 75, 77, 144, 167, 172, 180 – Grand Conseil 49 – Handelsbeziehungen 91f., 96, 323 – Kolonialwirtschaft 34, 54, 91–94, 102f. – Loi cadre 38f., 42f., 45, 49, 54

370

– – – – –

Marktordnung für Ölpflanzen 96 Mission civilisatrice 19, 102 Technischer Dienst 81, 83, 75f., 88 Tirailleurs sénégalais 54, 99 Union française 16, 21, 34, 38f., 43f., 52, 57, 61f., 87, 93, 96, 224f., 318 – Verwaltung 16, 25, 34, 38, 48, 50, 54, 58, 73, 80–84, 88f., 93f., 99, 103, 106, 166, 177, 180, 194, 196, 318 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 247 GATT 128 Geist der Zusammenarbeit 21,133, 136, 243, 325 Gemeinsame Agrarpolitik 11, 29, 84, 96–98, 124–139, 188, 205, 222, 241, 243, 284, 299, 319 Gemeinschaftliche Außenpolitik 179 Gemeinschaftliche Entwicklungspolitik 11–14, 16, 25, 28f., 51, 53, 55, 66, 73, 78, 82–88, 125, 129, 133, 138, 179, 199, 219, 222, 226, 241–245, 248– 250, 255f., 259–261, 281, 286, 294, 299, 302f., 318–323, 326 – Besondere Bedingungen im Finanzierungsabkommen 267, 284 – Contrôleur délégué 147, 174f., 250, 288f., 296 – EEF 11, 13, 25, 41, 52–85, 111, 113, 118, 143–148, 157, 160, 163–178, 181–202, 207, 214–226, 229, 231, 238–242, 251–253, 257–263, 269f., 274–278, 282, 285f., 293–297, 301– 306, 310, 319–321 – EEF-Ausschreibungen 141, 182, 192, 195f., 214–216, 219, 290 – EEF-Ausschuss 113, 120, 123, 127, 175f., 178f., 183, 188f., 192–195, 219, 255–258, 260, 264, 267, 282–286, 289, 296, 303, 320 – EEF-Beurteilungskriterien 78, 82, 86, 89, 164–169, 176f., 231, 320 – EEF-Verfahrensordnung 165, 218, 220 – Entwicklungsdoktrin 69, 72, 165

Sachregister

– Diversifizierungshilfe 113–121, 163– 178, 241f., 251f., 262–278 (→ Landwirtschaft) – Freihändige Vergabe 218–220 – Industrialisierungsstudien 202–208, 212, 242, 244, 301–305, 311, 321 – Kolloquienprogramm 58–60, 62, 88, 224, 235–239, 242, 245, 322 – Konditionalitätsprinzip 267, 284, 286, 289, 299, 311, 324 – Lieferauftrag 214f., 219–221 – Nothilfe 30, 252, 281–290, 296, 299f., 307, 311–313, 327 – Praktikantenprogramm 57f., 60, 88, 224, 229–235, 237, 239f., 242, 260f. – Produktionshilfe 113–127, 133f., 136f., 139f., 142f., 146, 160, 163, 202, 213f., 216f., 219, 221f., 241, 251f., 255, 278–282, 284, 290, 319f. (→ Erdnusswirtschaft) – Programmation 253–262, 302, 310f., 314, 320, 322, 324 (→ Planification) – Stipendienprogramm 60–62, 88, 224– 229, 235, 239f., 242, 260, 262 – Studienkomitee 71f., 202 – System zur Stabilisierung der Exporterlöse von Entwicklungsländern 294, 299, 320 – Wissensbasierter Ansatz 25, 78, 82, 84, 86f., 89, 164–169, 173, 176f., 242, 258, 320–322, 324 – Zehn Gebote des EEF 240 Globalisierung 249, 308–310, 312, 315 Göttinger Institut für Ausländische Landwirtschaft 182 Governance 12, 22, 244, 268, 277, 313, 326, 329 Großbritannien 14f., 239, 291, 294, 311, 314 (→ Britischer Kolonialismus) Groupement d’études rurales en Casamance 86, 173f. Grundbedürfnisstrategie → Basic needs approach Gruppe der 77 249 Gustav Stresemann Institut 236

371

Sachregister

Haager Gipfel 248 Handelsrechtliche Zusammenarbeit 11, 17, 29, 41, 59, 96f., 128, 138f., 183f., 212, 251f., 264, 293, 301, 308, 323f. – Beschränkungen 209f., 291, 307 – Finanzzölle 208 – Freihandelszone 41, 208 – Liberalisierung 202, 208f., 323 (→ Weltmarkt und Welthandel) – Multilateralisierung 138 – Nichtdiskriminierung und Reziprozität 208 – Zollabbau und -präferenzen 41, 52, 65, 96, 122, 126, 208, 291, 319 Handlungsspielräume 16–18, 20, 29, 71, 73, 96, 113, 129, 138, 176, 199, 239, 241, 243, 254, 258, 260, 302, 311, 320, 324, 326 Harvard University 166 Hermes-Bürgschaft 181, 185 Hilfe zur Selbsthilfe 95 Hirse 92, 172, 284, 286f. Homo oeconomicus 100, 162, Huilor 291 Human Development Index 101 Hungersnot 296, 298 Hygiene 104, 107 Ifagraria 268, 275 IFO-Institut für Wirtschaftsforschung 204, 305 Importsubstitution 108, 203, 205, 212f., 301, 303, 312 Industrialisierung 20, 29f., 33, 66, 108, 127, 199–223, 241f., 244, 254, 259, 264, 301–312, 321f., 324f., 327, 330  (→ Gemeinschaftliche Entwicklungspolitik; → Dakar) Industriegesellschaft 68, 200 Industrienationen 17f., 166, 198, 231, 325 Industriesektor 92, 107, 200f., 301f. Infrastrukturen 34, 63, 73, 75–77, 85, 107f., 120, 122, 139, 144, 202, 204, 224, 254, 259, 263, 308, 327

Institut de recherches agronomiques tropicales et des cultures vivrières 141f., 144 Institut de recherches du coton et des textiles exotiques 171 Institut de recherches pour les huiles et oléagineux 141, 144, 170, 268, 270f., 278, 313 Institut international de recherche et de formation en vue de développement 101, 124 Institut national agronomique de Paris 146 Institut national de la statistique et des études économiques 61, 66, 204, 225 Institut pour l’étude agronomique du Congo 146 Integriertes Landwirtschaftsprogramm 272, 329 International Financial Corporation 217, 222 International Land Development Consultants 85, 175f., 252, 263, 266, 268f., 271–274, 278, 313 Internationale Arbeitsorganisation 20, 105 Internationale Arbeitsteilung 330 Internationaler Währungsfonds 308f. Iran 275, 308, 314 Islam 110 (→ Sufi-Bruderschaften) Istituto agronomico per l’oltremare 146 Italien 113f., 127, 135, 176, 192f., 220, 250, 264, 289 Jeune Europe 236 Kaliwerke Salzdetfurth 217 Kalter Krieg 15f., 35f., 40, 60, 87, 107, 110f., 167, 183f., 188, 198, 243, 247, 300, 328 Kanada 275, 297 Katholische Religion 59, 100 Klientelbeziehungen 21, 87, 89, 110, 242, 252, 321, 324 Klientelismus 110, 326 Kolonialismus 15f., 21, 28, 33–36, 139, 244, 330 (→ Britischer K.; → Französischer K.)

372

Kommunismus 100 Kommunistische Bedrohung 36, 40, 51, 110, 184, 233 Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 248 Korruption 105, 140, 193f., 198, 279 Kreditanstalt für Wiederaufbau 185 Krise des leeren Stuhls 131f. Krupp 190 Kulturen 60, 111, 177 (→ Senegal) – Interkulturelle Sensibilität 153f., 313 – Kulturalismus 21, 232, 277f. Kuwait 275 Landflucht 175, 186, 298 Landwirtschaft 29f., 77, 103f., 108, 121f., 126, 181, 185, 222, 244, 254, 259, 281, 295, 298, 300, 326, 329 – Diversifizierung 29f., 107, 113–117, 142, 163f., 169–178, 254, 259, 262– 279, 284, 311–313, 324 (→ Gemeinschaftliche Entwicklungspolitik) – Führungskräfte 74, 140, 223f., 226– 228, 268, 276 – Monokulturen 115, 117, 163, 282, 319 Le Soleil 317 Lebensstandard 121, 254 Lesieur 291, 295 List-Gesellschaft 63 Lkw und Lkw-Markt 209–212 Löhne und Lohnkostenniveau 116, 149, 269, 303, 306 London School of Economics 166 Luxemburger Kompromiss 132 Mali-Föderation 49–51, 75, 97, 109 Mannesmann 180–199, 242 Marabuts 48, 110, 143, 287 Marktwirtschaft 66, 107, 230, 274 Marshallplan 38 Massachusetts Institute for Technology 167 Menschenrechte 286 Mentalitätslagen 20–22, 168, 232, 240, 242f., 312, 325 (→ Geist der Zusammenarbeit)

Sachregister

Mission d’aménagement du Sénégal 75 Moderne 106, 110, 329f. Modernisierung 33, 66, 68, 107, 117, 120, 163, 165, 199, 222, 241, 280, 328 (→ Erdnusswirtschaft) Modernisierungstheorie 19f., 35f., 68, 89, 101, 161, 167, 177, 207, 249, 320, 329 Muriden-Bruderschaft 48, 93, 110, 132, 143, 148f., 162 Nahrungsmittelhilfe 296–298, 300 (→ Relief ) Nahrungsmittelversorgung 92, 107f., 172 Nationalsozialismus und NS-Vergangenheit 55, 248 NATO 184 Négritude 111 Neoliberalismus 308, 312 Netzwerke 21, 55–63, 88, 161, 229–240, 242, 245, 310, 314, 321f. (→ Eurafrikanische N.) Neue Weltwirtschaftsordnung 308, 330 Niederlande 16, 40, 51f., 112–114, 173, 193, 211, 220, 239, 241, 252, 281, 318f., 323, 325 (→ Beneluxstaaten) Norderweiterung 248 Nord-Süd-Konflikt 253, 328, 330 Ökonomie, Wirtschaftswissenschaften 87, 98–102, 166–168 (→ Entwicklungsökonomie) – Bruttosozialprodukt 100f., 254 – Merit ranking 207 – Ökonometrie 68, 166, 168 – Rentabilität 75, 78, 83, 100, 128, 160, 168, 170, 173, 181, 176, 188, 207, 209, 218, 228, 242 – Statistisches Wissen 66, 68, 88, 116, 123, 167, 201, 203, 230, 254, 257f., 303 Ölkrise 15, 197, 249, 313–315 Office de commercialisation agricole 94, 148, 158 Office de la recherche scientifique et technique outre-mer 76f., 85, 103

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Sachregister

Office national de coopération et de l’assistance pour le développement 150–160, 272, 281, 289, 324 Olivenöl 293 Organisation des États riverains du fleuve Sénégal 303 Organisation pour la mise en valeur du fleuve Sénégal 274–276, 303 Ostpolitik 247f. Package deal 128, 131 Pacte colonial 42 Pariser Gipfel 249, 314 Parti de la Fédération africaine 49 Parti du regroupement africain 45f., 48 Partikularismus 33, 68, 101, 169, 330 Paternalismus 118, 151–153, 162, 262, 278, 312f. Pearson-Bericht 249, 261 Périmetre de Nianga 263, 266, 274 Peulh 265 Pfadabhängigkeit 88, 169, 176, 312, 321 Pflanzliche Öle 96f., 126f., 129, 133–136, 202, 241, 244, 290–295 (→ Erdnusswirtschaft) Phosphatsektor 314 Planification 63, 67, 88f., 253, 256 (→ Gemeinschaftliche Entwicklungspolitik) Planung 13, 17–19, 23, 28–30, 56, 63–91, 102f., 105–107, 121, 124, 164–168, 176–178, 203–208, 212, 226, 230, 242, 247, 251, 253–262, 277, 306– 309, 311–314, 320f., 324 (→ Entwicklungspläne) Planwirtschaft 63 Pont-à-Mousson 182, 194f. Potasse d’Alsace 214 PR-Arbeit 62, 237 Private Kapitalinvestitionen 67, 78, 108, 122f., 200–203, 306–308 Privilegien und Monopole 210, 289, 213, 301 Produktionssteigerung und Produktivität 34, 37, 66, 68, 92–94, 97, 107f., 118, 122, 139, 142, 162f., 168, 172, 254,

264f., 272f., 290 (→ Wirtschaftswachstum) Propaganda 58, 60, 94, 106, 235, 237f. Protektionismus 112, 125 Public Private Partnership 144, 157, 161, 244, 268, 277, 313, 326 Quatre communes 14, 48 Rapport Abelin 256 Rapsöl 293 Rassemblement démocratique africain 45 Rassismus 111, 151, 232, 240, 242 Regionale Integration in Afrika 203, 206, 303 Reisanbau 74, 85f., 108, 122, 163f., 169, 172–176, 241, 252, 259, 263–268, 271–276, 313f., 327 Relief 314 (→ Nahrungsmittelhilfe) Renault 211 Rentenmentalität 326f. Röhrenembargo 184, 198 Rundfunk 106, 236, 288 Saheldürre 30, 140, 269, 274, 279, 295– 300, 313f., 327 Saudi-Arabien 275 Schuman-Plan 36f. Secrétariat social d’outre-mer 59 Selbstbestimmungsrecht der Völker 35f. Senegal – Außenhandelsbilanz 107, 123, 164, 205, 264, 301 – Außenpolitische Neutralität 111, 243 – Conseil économique et social 122, 268, 280 – Entwicklungspolitik 12–14, 17–19, 25f., 29, 84, 91, 98f., 101–111, 121– 124, 161, 169, 241, 253–255, 262, 309, 311f., 318f., 324, 327, 329f. – Militär 109 – Parlament 98, 105, 109 – Politische Kultur 104, 162 – Regierung 17, 29, 44, 57f., 69f., 77, 79, 84f., 91, 94–97, 102–126, 128f., 131–145, 147–149, 155–161, 163,

374

169–175, 177, 180–191, 193–202, 206, 209–215, 217–219, 222, 229, 234, 241, 243, 250–253, 258–268, 270–289, 292–302, 305–315, 317f., 322–326, 331 – Staatsverschuldung 187, 309, 314 – Verfassung und Verfassungsreform 51, 247, 278 – Verwaltung 22, 57f., 94, 105f., 123, 141, 145, 148f., 155–162, 174, 227, 244, 261, 264, 268, 271f., 278, 280, 313 Senegal-Fluss 75, 104, 122, 172, 263f., 266, 274f. – Staudamm 75, 79, 274f., 315 Senegalisierung → Afrikanisierung Serer 152, 162 Sklavenhandel 91f. Société centrale pour l’équipement du territoire 85, 175 Société d’aide technique et de coopération 27, 118, 139–162, 170f., 213, 229, 243f., 263, 265–278, 280f., 289, 312f., 322, 326 Société d’aménagement et d’exploitation des terres du Delta 172, 268, 275 Société d’études économiques et financières 303, 306 Société d’études et de réalisations économiques et sociales dans l’agriculture 103 Société de développement des fibres textiles 270, 276f., 313 Société de développement et de vulgarisation agricole 157–162, 244 Société de mise en valeur de Casamance 273f., 277, 313 Société indigène de prévoyance 93 Société industrielle d’engrais du Sénégal 214–222, 280, 283, 289f. Société interprofessionnelle des oléagineux fluides alimentaires 96 Société mutuelle de développement rural 93, 95 Société sénégalaise d’engrais et de produits chimiques 214f., 217f.

Sachregister

Sojabohne und Sojaöl 290f., 293 Sonnenblumenöl 293 Sorghum 92, 284, 286 Sowjetunion 15, 35, 40, 60, 111, 167, 184, 198, 243, 248, 298, 300 Soziale Gerechtigkeit 39, 162, 254 Soziale Strukturen 22, 78, 81, 102, 142, 148, 177, 244, 276, 278, 327 Sozialismus 35, 63, 107, 161, 254, 300, 309 (→ Afrikanischer Sozialismus) Sozialstaat 34f., 76 Staatsstreich 109–112 Straßburgplan 37 Subsistenzwirtschaft → Eigenbedarfswirtschaft Suezkrise 40 Sufi-Bruderschaften 48, 51, 93, 106, 110, 162, 279 (→ Muriden-Bruderschaft) Taiwan 173 Technische Hilfe 56, 64, 91, 110, 141, 224, 238f., 302f. Technitalia 145 Technokratie 19, 82, 167, 252, 324 Tourismus 254, 259 Trente glorieuses 249 Two-level-game 118f., 323 UdSSR → Sowjetunion Unabhängigkeit → Dekolonisation UNCTAD 249, 253 UNESCO 155 Union douanière et économique de l’Afrique centrale 303 Union progressiste sénégalaise 48f., 109, 116 United Nations Industrial Development Organization 309 Universalismus 33, 68, 169, 330 USA 13, 15, 35f., 38, 40, 60, 87, 111, 173, 177, 184, 275, 291, 297f., 300, 314 – Agency for International Development 167 – Food for Peace Program 298

Sachregister

Vereinte Nationen 20, 35, 115, 167f., 177, 200, 205, 249, 275, 308, 328 Verwaltungsschule Louga 155f. Viehwirtschaft 70, 77, 259, 273, 275, 296f. Vulgarisation 94, 117, 139–162 , 244, 268f., 282, 289 (→ Erdnusswirtschaft) Weltbank 13, 18, 20, 25, 105, 160f., 167, 173, 177, 217, 249, 270, 275, 281, 286, 308f., 324 Welternährungskrise 279, 295f., 298, 300, 313f. Weltgesundheitsorganisation 188 Welthandelskonferenz 253 Weltmarkt und Welthandel 96, 112, 117, 137, 279f., 292f. – Integration 112, 136, 241, 290, 300, 319 – Preise 96, 112f., 115, 118–120, 126f., 134f., 137, 252f., 279f., 282 (→ Erdnusswirtschaft)

375

Weltwährungssystem → Bretton Woods System Weltwirtschaftskrise 96 Wirtschaftswachstum 15, 100, 108, 122f., 249, 254, 259, 276, 308, 312, 329f. (→ Produktivität) Wissensbestände 19f., 23, 66, 76f., 79, 86, 91, 103, 144, 169, 172, 177, 242 (→ Experten und Expertise; → Ökonomie) Wolof 152, 162 Zeitdimension 121 Zentrum für industrielle Entwicklung Brüssel 310 Zuckerabkommen 294 Zuckerrohranbau 122, 164, 185 Zweiter Weltkrieg 15, 19, 21, 34f., 54, 67, 80f., 92, 94, 99f., 177, 203, 225

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