Der kontextuelle Raum im vorderasiatischen Neolithikum: Die Entwicklung der Lehmarchitektur, die Sozio-Ökonomie des Bauens und Wohnens und die kulturelle Organisation des architektonischen Raums 9781407300511, 9781407330525

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Der kontextuelle Raum im vorderasiatischen Neolithikum: Die Entwicklung der Lehmarchitektur, die Sozio-Ökonomie des Bauens und Wohnens und die kulturelle Organisation des architektonischen Raums
 9781407300511, 9781407330525

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Danksagung
Über diese Arbeit
Abstract
Table of Contents
I. Einleitung
II. Technische, formale und funktionale Aspekte der Lehmarchitektur
III. Die architektonische Organisation des kulturellen Raums
IV. Katalog der archäologischen Fundorte
V. Quantitative Untersuchung der Zusammenhängevon Architektur, Raum und Kultur
VI. Formulierung der Hypothesen: Die Entwicklung der Lehmarchitektur und des kulturellen Raums
VII. Überprüfung der Hypothesen anhand exemplarischer Fundorte
VIII. Zusammenfassung der Ergebnisse, Ausblick
IX. English summary
X. Literaturverzeichnis

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BAR S1589 2007  PIESBERGEN  DER KONTEXTUELLE RAUM IM VORDERASIATISCHEN NEOLITHIKUM

9 781407 300511

B A R

Der kontextuelle Raum im vorderasiatischen Neolithikum Die Entwicklung der Lehmarchitektur, die Sozio-Ökonomie des Bauens und Wohnens und die kulturelle Organisation des architektonischen Raums (Including English Summary)

Thomas Johannes Piesbergen

BAR International Series 1589 2007

Der kontextuelle Raum im vorderasiatischen Neolithikum

Der kontextuelle Raum im vorderasiatischen Neolithikum Die Entwicklung der Lehmarchitektur, die Sozio-Ökonomie des Bauens und Wohnens und die kulturelle Organisation des architektonischen Raums (Including English Summary)

Thomas Johannes Piesbergen

BAR International Series 1589 2007

Published in 2016 by BAR Publishing, Oxford BAR International Series 1589 Der kontextuelle Raum im vorderasiatischen Neolithikum © T J Piesbergen and the Publisher 2007 The author's moral rights under the 1988 UK Copyright, Designs and Patents Act are hereby expressly asserted. All rights reserved. No part of this work may be copied, reproduced, stored, sold, distributed, scanned, saved in any form of digital format or transmitted in any form digitally, without the written permission of the Publisher. ISBN 9781407300511 paperback ISBN 9781407330525 e-format DOI https://doi.org/10.30861/9781407300511 A catalogue record for this book is available from the British Library BAR Publishing is the trading name of British Archaeological Reports (Oxford) Ltd. British Archaeological Reports was first incorporated in 1974 to publish the BAR Series, International and British. In 1992 Hadrian Books Ltd became part of the BAR group. This volume was originally published by John and Erica Hedges Ltd. in conjunction with British Archaeological Reports (Oxford) Ltd / Hadrian Books Ltd, the Series principal publisher, in 2007. This present volume is published by BAR Publishing, 2016.

BAR PUBLISHING BAR titles are available from: BAR Publishing 122 Banbury Rd, Oxford, OX2 7BP, UK E MAIL [email protected] P HONE +44 (0)1865 310431 F AX +44 (0)1865 316916 www.barpublishing.com

Danksagung Mein herzlicher Dank geht an Dr. Stefan Bühnen und die Bremer Stiftung für Kultur- und Sozialanthropologie, die mir die Mittel zur Erstellung der Datenbank zur Verfügung gestellt haben, an Thomas Siebert für die unermüdliche Arbeit an der Programmierung, an Frank Amling für das Lektorat, an Dr. Peter Kröffges und Bronwyn Barrera-Jones für die Durchsicht der englischen Zusammenfassung und an Prof. Dr. Roland Mischung, der mir mit seinen kritischen Anmerkungen sehr bei der Überarbeitung der ethnoarchäologischen und kulturtheoretischen Abschnitte geholfen hat. Desweiteren möchte ich mich bedanken bei Niklas Schulze, Lutz Koch, Lars Achenbach, Peter Moltmann, Felix Lau, Thomas Wingert, meinen Eltern und vor allem bei meiner Frau, der ich diese Arbeit widme.

Hamburg, November 2005 / Juli 2006

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Über diese Arbeit

Postulate privilegierter Klassen im frühneolithischen Südost-Anatolien zu widerlegen. Darüber hinaus bietet die holistische Architekturanalyse eine aussagekräftige Ergänzung der konventionellen Kulturzuweisung anhand von Keramikformen und anderen Kleinfundgattungen. Besonders in vorkeramischer Zeit können mit ihrer Hilfe Kulturgruppen, die bislang nur schwer voneinander unterschieden werden konnten, identifiziert werden, wie z.B. die dem PPN-B Kontext zugehörige „Euphrat Gruppe“ in Obermesopotamien. Schließlich wird der Begriff des „kontextuellen Raums“ als ein neuer Terminus in die Archäologie und Kulturanthropologie eingeführt. Er bezeichnet die in Architektur manifestierte Schnittmenge der technischen, sozio-ökonomischen, ideellen und ökologischen Domäne, die nur durch eine holistische und interdisziplinäre Perspektive erfasst und beschrieben werden kann.

Mit der notwendig ortsfesten Siedlungsweise, die der Wandel der Subsistenzwirtschaft zu Beginn der Neolithisierung gegen Ende des 9. Jahrtausends v. Chr. mit sich brachte, wurde die Lehmarchitektur zu einer der markantesten Kulturerscheinungen im Vorderen Orient. Bisherige Untersuchungen bezüglich der Bautechnik und der kulturellen Bedeutung des architektonisch geordneten Raums blieben aber entweder oberflächlich oder in ihrer Perspektive stark eingeschränkt. Ziel dieser Arbeit ist es, diese Forschungslücke zu schließen und den architektonischen Raum als unabhängige Quelle zugänglich zu machen. Zunächst werden anhand von ethnographischen Quellen die formalen Aspekte der Lehmarchitektur untersucht, also die bautechnischen Vorgänge, ihre sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen, die funktionalen Eigenschaften verschiedener Konstruktionsweisen und der Bau- und Siedlungsformen sowie deren Identifizierung im archäologischen Befund. Nach einer eingehenden Diskussion verschiedener theoretischer Perspektiven und methodischer Ansätze bezüglich der Interpretation der kulturellen Aspekte des Raums erfolgt anhand ethnologischer Quellen eine Modellbildung zum Verhältnis der Sozio-Ökonomie und der kosmologischen Vorstellungen zum architektonischen Raum. Schwerpunkt des sozio-ökonomischen Modells ist das Verhältnis zwischen Haushalt und Kommune. Das kosmologisch-habituelle Modell beschreibt die Entwicklung vom unsegmentierten, egalitären Kreis zum differenzierten, hierarchisch geordneten, orthogonalen Welt- und Wohnraum. In der anschließenden quantitativen, archäologisch-geographischen Untersuchung auf breiter Datenbasis werden die Zusammenhänge und Wechselwirkungen der formalen Aspekte der Lehmarchitektur mit den sozio-ökonomischen und kosmologischen Organisationsprinzipien in ihrer chronologischen und geographischen Verbreitung beleuchtet. Auf eine Diskussion der Umwelteinflüsse auf diesen Komplex folgt eine Hypothesenbildung und schließlich eine qualitative Überprüfung der Hypothese anhand ausgewählter Fundorte. Abschließend kann festgestellt werden, daß die Entwicklung der Lehmarchitektur durch ein Netzwerk von ideologischen, sozio-ökonomischen und umweltabhängigen Einflüssen bedingt wird, das durch ständige Wechselwirkungen und Rückkoppelungen all seiner Bestandteile gekennzeichnet ist, dessen kulturelle Aspekte aber am unmittelbarsten auf die Architektur einwirken. Die holistische Architekturanalyse bietet ein entsprechend nützliches Mittel zur Rekonstruktion prähistorischer Gesellschaften und ihrer kontextuellen Einbindung. Sie erschließt der Forschung sozio-kulturelle Bereiche, auf die andere Quellengattungen bisher keinen Zugriff erlaubten. Es können vor allem zwei gesellschaftliche Organisationsprinzipien (das kommunalistische und das individualistische Prinzip) herausgearbeitet werden, die sich in der vorderasiatischen Vorgeschichte gegenüberstehen. Dadurch ist es z.B. möglich, leichtfertige

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Abstract

culture on the basis of pottery and other forms of everyday-life artifacts. It is especially valuable for acceramic cultures, which have been difficult to distinguish. The „Euphrates Group“ embedded in the PPN-B complex of southeast Anatolia, northern Syria and northern Iraq could be identified.

The change to the Neolithic economy in the 9th millennium BC in western Asia made sedentism inevitable. In the course of this change, earthen or “mud”-architecture became one of the most significant classes of artefacts of ancient Near East. Past research regarding building techniques and the cultural significance of prehistoric architecture is either superficial or takes a limited approach. This work aims at closing this research gap. Furthermore, the architectural space is made accessible as an independent source of archaeological data.

Finally, the term „contextual space“ could be introduced to archaeology and cultural anthropology. It refers to the intersection of the technical, social, economic, ideological and ecological domain, and it can only be observed and described by an interdisciplinary and holistic perspective and approach.

First, the formal aspects of earthen architecture are described by using ethnographic data: the building process, its socio-economic circumstances, the functional aspects of building techniques, houseform and settlement type, as well as clues to identify the different techniques in archaeological findings. After a discussion of various theoretical perspectives and methodological approaches to the interpretation of cultural aspects of space, models are established based on ethnoarchaeological data. They describe the relationship between socio-economic organisation, cosmological concepts, and the organisation of architectural space. The focus of the socio-economic model is the relationship between the individual household and the settlement community. The cosmologic-habitual model describes the evolution of the unsegmented egalitarian circle to the differentiated, hierarchic, and rectangular cosmologic and domestic space. The following inductive archaeologic-geographic investigation compares and describes the relationship and interaction of the formal aspects of architecture with the socio-economic and cosmologic-habitual principles of organisation within their chronological and geographical distribution. Afterward a discussion of the environmental influences on this complex catalogue of hypotheses is established. These hypotheses are tested by a deductive examination of exemplary archaeological sites. In conclusion, it can be stated that the development of earthen architecture is determined by a network of ideological, socio-economic and environmental influences, which is characterized by constant mutual effects and feedbacks between all its elements. But the influence of culture seems to affect architecture most immediately. Therefore the holistic analysis of architecture appears to be a useful tool for reconstructing prehistoric societies and their contextual integration. Additionally, it enables the archaeologist to gain insight into socio-cultural aspects of prehistoric times, which other classes of artefacts do not offer. In prehistoric Near East two opposing socio-economic principles could be distinguished: communalism and individualism. The identification of communalistic settlement structures in early Neolithic Anatolia, for instance, helps to re-evaluate and even disprove overhasty postulates of privileged classes in that time and area. Furthermore, the holistic analysis of architecture offers a useful completion to the conventional assignation of

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Inhaltsverzeichnis I. Einleitung

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I.1. Fragestellung

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I.2. Thematische Abgrenzung

10

I.3. Der Forschungstand

12

1.4. Quellenlage

17

I. 5. Methodischer Ansatz

19

II. Technische, formale und funktionale Aspekte der Lehmarchitektur II.1. Die allgemeinen Eigenschaften des Baustoffes und der Lehmbautechniken

20 20

2.1.1. Die Stampflehmtechnik

24

II.1.2. Der ungeschalte Lagenlehmbau

26

II.1.3. Der Lehmziegelbau / Adobe

29

II.2 Die Hausformen und ihre jeweiligen Eigenschaften

32

II.2.1. Der Rundbau

33

II.2.2. Das Rechteckhaus

34

II.2.3 Dach- und Deckenkonstruktionen

36

II.2.4. Der Kuppelbau

37

II.2.5. Hofhäuser

42

II.2.6. Mehrstöckigkeit

44

II.2.7. Komplexität des Innenraums

45

II.3. Die Siedlungsstrukturen und ihre jeweiligen Eigenschaften

45

II.3.1. Die isolierte Bauweise

45

II.3.2. Die 'Clustersiedlung'

46

II. 3.3. Das Gehöft

49

III. Die architektonische Organisation des kulturellen Raums

50

III. 1 Theoretische und methodische Perspektiven

50

III.2. Verhaltensbiologische Aspekte des Wohnraums

63

III. 3. Die Raumorganisation in der Ethnologie

64

III. 3.1. Sozio-Ökonomie und Raum: Fallstudien

69

III.3.2. Kosmologie und Raum: Fallstudien

95

5

III. 4. Modellbildung: Kultureller Tatbestand und Ordnung des Raums

112

III.5. Diskussion der Übertragbarkeit der Modelle auf archäologische Befunde

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IV. Katalog der archäologischen Fundorte

115

V. Quantitative Untersuchung der Zusammenhänge

206

von Architektur, Raum und Kultur

206

V.1. Die zeitliche und räumliche Verbreitung der

206

formalen architektonischen Aspekte:

206

Bautechnik, Haus- und Siedlungsformen im

206

Neolithikum sowie deren Wechselwirkungen

206

V. 2. Die zeitliche und räumliche Verbreitung der Raumorganisationsmodelle und deren Zusammenhang mit den architektonischen Aspekten 229 V.3. Architektonischer Raum und kulturelle Kontinuität:

251

Bau- und Raumtraditionen im Vergleich mit den keramisch-archäologischen Kulturgruppen

251

V.4. Naturräumliche Einflüsse auf die Architektur und die Organisation des Raums

261

VI. Formulierung der Hypothesen:

266

Die Entwicklung der Lehmarchitektur und des kulturellen Raums

266

VI.1. Regelhafte Wahrscheinlichkeiten

266

und Ensembles

266

VI.2. Die Entwicklung des kontextuellen Raums in der vorderasiatischen Lehmarchitektur

266

VII. Überprüfung der Hypothesen anhand exemplarischer Fundorte

270

VII. 1. Tell Sabi Abyad 1 + 2

270

VII. 2. Umm Dabaghiyah

272

VII. 3. Yarim Tepe 1+ 2

273

VII. 4. Tell Abada

274

VII. 5. Ergebnisse der Überprüfung

276

VIII. Zusammenfassung der Ergebnisse, Ausblick

276

X. Literaturverzeichnis

293

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I. Einleitung

menschlichen Lebens, angefangen von der Umweltanpassung, der ökonomischen Organisation und Aktivität, dem sozialen und religiösen Leben mit all seinen Ebenen, bis hin zu Geburt und Tod. All diese Aspekte wiederum hinterlassen ihre Spuren in den Siedlungen und Wohngebäuden oder stehen mit deren Strukturen in Zusammenhang.

Begreift man die Archäologie nicht nur als eine Wissenschaft der Inventarisierung, sondern als eine Teildisziplin im kulturwissenschaftlichen und historischen Kanon, ist es folgerichtig, daß das eigentliche Thema der Forschung nicht das Objekt, also der prähistorische Artefakt, sondern der Mensch und sein Verhalten sind. Zwar wird die ausschließlich objekt- und exponat-orientierte Archäologie langsam von komplexeren Fragestellungen verdrängt, aber sehr oft haften den Forschungsansätzen, besonders in Deutschland, Perspektiven an, die nach wie vor auf die Artefakte fokussiert sind (Härke, 1991, S.187ff., 203). Ein Symptom ist z.B. das große Interesse an prähistorischen Techniken wie Bergbau, Metallurgie, Landwirtschaft, Jagd- und Schlachttechniken. Das Ergebnis solcher Untersuchungen besteht in der Regel in dem Aufzeigen von chronologisch gereihten technischen Standards oder ihrer Rolle bei der Interaktion von Mensch und Umwelt. Für weitergehende Fragestellungen werden diese Ergebnisse leider selten herangezogen. In der prähistorischen Vorderasiatischen Archäologie scheint die Forschung in erster Linie darauf bedacht zu sein, chronologische und geographische Lücken zu schließen (Hole, 1989, S.194). Die einzige, ausgeprägte Problemorientierung dieses Forschungszweigs gilt den Fragen der Domestikation und dem Wandel der Subsistenzwirtschaft, zugunsten derer fast alle weiteren Informationen, die über diese Problematik hinausgehen, vernachlässigt werden. Als Geschichtswissenschaft ist es natürlich Aufgabe der Archäologie, prähistorische Abläufe zu rekonstruieren. Da aber, bis auf wenige Ausnahmen in den Forschungsbereichen Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie, keine Möglichkeit besteht, individuelle historisch markante Ereignisse zu erforschen, besteht die einzig mögliche Aufgabe der Archäologie darin, Abläufe und Entwicklungen des menschlichen Verhaltens, insbesondere des Kulturverhaltens zu rekonstruieren. Aus diesem Grunde muß nicht nur die Frage gestellt werden, mit welchen Techniken und Artefakten der vorgeschichtliche Mensch mit seiner Umwelt interagierte und sie ordnete, sondern welches Kulturverhalten zu den archäologisch beobachtbaren Befunden und den daraus rekonstruierten Techniken geführt hat; und schließlich: wie sich dieses Kulturverhalten in den zeitlichen Abläufen gewandelt hat und warum. Es darf nicht reichen, sich mit den Symptomen und deren Inventarisierung zu begnügen, sondern es muß auch nach ihren Ursachen und ihrer Einbindung in den soziokulturellen Kontext gefragt werden. Die Archäologie kann nur eine Wissenschaft vom menschlichen Verhalten sein, eine "behavioral science" (siehe dazu auch de Certeau, 1984, und Schiffer, 1995).

Die ursächliche Motivation des menschlichen Bauens entspringt wahrscheinlich dem Bedürfnis, sich vor Witterungseinflüssen und Tieren zu schützen, später sicher auch um das Feuer zu bewahren. Je komplexer aber das Verhalten des Menschen wurde, desto komplexer wurden auch die Vorstellungen vom Raum und die Bedürfnisse sich eine künstliche Umwelt zu gestalten, die nicht nur den klimatischen Anforderungen, sondern die auch zunehmend den Gegebenheiten des kulturellen Bewußtseins und den sozialen Anforderungen entsprach (Gutman, 1976, S.39). "Der Mensch gestaltet seine Umwelt so, wie er sich selbst in ihr erlebt. Das findet seine elementarste Darstellung in der Art wie er baut." (Heine, 1984, S.14) Die in allen Kulturen zu beobachtende große soziale Bedeutung des Hauses, besonders des Wohnhauses, wird deutlich, wenn man sich die in der Sprache eingebetteten Verknüpfungen zwischen kultureller Identität und Wohnstatt vor Augen führt: Im Arabischen z.B. bezeichnet das Wort „Dar“ sowohl die erweiterte Familie, als auch das Gehöft, ebenso verhält es sich mit dem berberischen „Akham“ (Mahdjoubi, Awotona, 1997, S.143). Bei den Creek-Indianern bedeutet die Wendung, jemand stamme aus dem eigenen Haus, daß er ein Verwandter oder Stammesangehöriger ist (Morgan, 1881/1965, S.68). In der nordiranischen Gilan-Ebene bedeutet der Terminus „Xane“ Einfriedung, Haus und Hausgemeinschaft in einem (Bromberger, 1989, S.23, 25). Auch in der abendländischen Überlieferung sind Formulierungen wie „ aus dem Hause Davids“, „ aus gutem Hause“ oder der Begriff des „Königshauses“ immer bezogen auf die Institution Familie (Heine, 1984, S.19, 20). Das Haus spielte also in der sozialen Organisation und Identitätsbildung des Menschen offenbar eine große Rolle. Diese Funktion übernehmen jedoch nicht nur große Repräsentationsbauten, mit denen die herrschende Klasse ihre Macht manifestiert und die als räumliche und soziale Orientierungspunkte dienen, wie z.B. die Prachtbauten der Pharaonen, deren Titel bezeichnenderweise in der Übersetzung „großes Haus“ bedeutet, sondern auch die einfachen Wohnbauten. Betrachtet man die herkömmliche Architekturgeschichte, bietet sich allerdings ein Bild, das die tatsächliche Bautätigkeit des Menschen verzerrt darstellt. Das Augenmerk wird vor allem auf außergewöhnliche, repräsentative Bauten gelenkt und auf die Werke einzelner Architekten im modernen Sinne. Der größte Teil der Weltarchitektur besteht aber aus der sogenannten kollektiven Architektur, die von Pietro Beluschi definiert wurde als "eine gemeinschaftliche Kunst, die nicht das Produkt einiger weniger Intellektueller oder Spezialisten ist, sondern die aus der spontanen und fortdauernden Tätigkeit eines ganzen, von einem gemeinsamen Erbe getragenen Volkes, das unter Einfluß einer gemeinsamen Erfahrung handelt, entstanden ist." (nach Rudofski, 1964, S.8.) Deshalb ist diese Form der Architektur für die Vorge-

Eine Quelle, die sich sehr gut eignet, um die Grundzüge des kulturellen und sozialen Verhaltens in der Vorgeschichte zu rekonstruieren, stellt die Architektur dar. Sie ist seit der Seßhaftwerdung ein essentieller Teil des menschlichen Lebens; ihre Verzahnung mit demselben beginnt bei der rein technischen Errichtung der Gebäude und endet bei der Gestaltung und Nutzung des Raumes. Die Siedlungen sind der Schauplatz der meisten Aspekte

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schichte von besonderem Interesse, da sie unmittelbar mit den kollektiven Traditionen der archäologisch beobachtbaren Kulturen in Verbindung steht. Ein zentraler Punkt von Beluschis Definition ist, daß die bautechnischen und planerischen Fertigkeiten nicht nur von Spezialisten beherrscht werden, die sich gedanklich verstärkt mit Sinn und Unsinn von Bauweisen auseinandersetzen, sondern daß es sich um eine Tradition handelt, die als grundlegende Kulturtechnik vermittelt wird. Wie im heutigen Afrika noch gut zu beobachten, ist die Familie meist die wichtigste Arbeitseinheit bei Bauausführungen. Jedes Familienmitglied wird seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt und erlernt so im Laufe der Jahre und im Zuge von verschiedenen Hilfeleistungen alle notwendigen Techniken und Handgriffe der jeweiligen Bautradition, so daß es später in der Lage ist, sie selbst umzusetzen und weiter zu vermitteln (Fiedermutz-Laun, 1990, S.20). Hier schließt sich der zweite wichtige Punkt der Definition Beluschis an: die Spontanität und die Fortdauer des Bauens. Ist man von Kindesbeinen an mit der Gestaltung des Raums und den entsprechenden Bauvorgängen vertraut, wird man sich bei einem neuen Bauvorhaben nicht lange mit Überlegungen aufhalten, welche Hausform und Bautechnik am geeignetsten sei, sondern spontan nach den erlernten Mustern und den eigenen Bedürfnissen mit dem Bau beginnen, ungeachtet dessen, ob andere bauliche Lösungen sinnvoller wären (Lander, Niermann, 1980, S.17). Das kulturell tradierte Verhalten bestimmt so die Entscheidung bei der Auswahl zwischen verschiedenen bautechnischen Alternativen, sowie die Wahl von Bau- und Siedlungsform. Rapoport bezeichnet die Gestaltung des Wohnumfelds durch den Menschen entsprechend als das Ergebnis eines "set of choices", das durch die jeweilige kulturelle Tradition bestimmt wird (Rapoport, 1976, S.22, 486). Der Mensch schafft sich eine für sein Verhalten perfekt angepasste Umgebung, er transformiert gewissermaßen sein ihm eigenes Kulturverhalten in die Architektur. Auf diese Übertragungen von sozio-kulturellen Systemen auf die Architektur haben bereits zahlreiche Wissenschaftler und Autoren hingewiesen, und es besteht allgemein die Übereinkunft, daß in der Architektur kulturelles Verhalten seinen materiellen Ausdruck findet, kulturelle Konventionen sozusagen in der Bauweise codiert sind. (Morgan, 1881/1965, S.104 ff.; Levi-Strauss, 1967, S.282; Flannery, 1976, S.23; Rapoport, 1976, S.12, 22, 486; Gutman, 1976, S.48; Giedion, 1978, S.44; Izikowitz, 1982, S.1ff.; Heine, 1984, S.19; Hillier, Hanson, 1984 , S.159; Abrams, 1989, S.48; Bailey, 1990, S.26; Donley-Reid, 1990, S.115; Kent, 1990, S.128; Kus, 1990, S.23; Samson, 1990, S.14; Sanders, 1990, S.45, 51; Davian, 1993, S.25; Stea & Turan, 1993, S.7; Hillier, 1996, S.4, 240; Cameron, 1999, S.12; Verhoeven, 1999, S.231f.; Hillier, Rooksby, 2002, S.17 u.v.a.).

leichtert gewisse Verhaltensweisen genauso wie sie andere verhindert. Zusätzlich dient sie fast überall als Bedeutungsträger und hilft kulturelle Konventionen zu vermitteln (Rapoport, 1976, S.486; Samson, 1990, S.14; Bailey, 1990, S.24; Sanders, 1990, S.45). "Culture or behavior determines architectural form. Reflexively ordered space aids the continuation of cultural activities." (Donley-Reid, 1990, S.114). Der Raum wird also nicht nur von dem Menschen und seiner Kultur geformt, sondern formt wiederum die menschlichen Verhaltensweisen und Vorstellungen (Verhoeven, 1999, S.232). Da in den zu untersuchenden Kulturen die Erbauer eines Hauses mit den Bewohnern mutmaßlich identisch sind, sie ein Haus also nach ihrem erlernten räumlichen Vorstellungsvermögen und der kulturellen Ordnung des Raums, sowie ihren sozialen Ansprüchen und mit den ihnen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten erbauen und gestalten, diese Raumorganisation wiederum dazu beiträgt, die Gesellschaftsstruktur zu erhalten, ergibt sich ein System aus Bauen und Wohnen, das kaum oder nur schwer voneinander zu trennen ist (Rapoport, 1976, S.22). Da die Tätigkeit des Wohnens und die alltägliche Wahrnehmung des Raumes unbewußt ablaufen und die Vorstellungen eines möglichen Wohnraumes dadurch geprägt werden, wird ein Mensch, sofern die kulturellen Umstände stabil bleiben, die traditionelle Art des Bauens unreflektiert fortführen, da sie seinen Ansprüchen an den Raum und seinen kulturellen Vorstellungen entspricht. Kulturelles Verhalten und Raum bilden sozusagen einen Reproduktionskreislauf. Dadurch wird die Architektur, und vor allen Dingen die Wohnarchitektur, zu einer erstrangigen und unmittelbaren Quelle, wenn man sich dem Kulturverhalten des Menschen annähern will. Die Ursprünge dieser Wechselbeziehung von Mensch und Architektur werden für den Archäologen mit dem Beginn des Neolithikums konstant beobachtbar. Durch den Übergang von der aneignenden zur produzierenden Subsistenzwirtschaft in Form von Viehhaltung und Ackerbau war es möglich und in zunehmendem Maße notwendig auch außerhalb ausgesprochener Gunsträume, ortsfest zu siedeln. Daraus wiederum ergab sich, daß permanente Wohngebäude errichtet wurden. Mit dem Beginn der neolithischen Ökonomie im Nahen Osten entstand also auch die erste feste Wohnarchitektur und der menschliche Wohn- und Lebensraum wurde grundlegend neu strukturiert. Als eine weitere Neuerung trat der Lehm als Baustoff hinzu. In Zeiten einer mobilen Lebensweise kam er als Material nicht in Frage, da die Arbeit mit ihm sehr zeitaufwendig ist und Lehmbauten regelmäßig gepflegt werden müssen, damit sie nicht verfallen (Heese-Greve, 1983, S.118; McHenry, 1985, S.146), was sie demzufolge als rein saisonale Stationen ungeeignet macht. Mit der seßhaften Lebensweise erlangte der Lehm jedoch eine außergewöhnliche Bedeutung und hat sie bis heute behalten. Lehm und tonhaltige Erden, die sich zum Bauen eignen, sind fast überall zu finden oder lassen sich ohne großen Aufwand mit Sand, Stroh oder anderen Zuschlägen aufbereiten (McHenry, 1985, S.1; Khalili, 1986, S.73). Sie sind ein ideales Baumaterial für unerfahrene Arbeiter, da fast jeder Fehler im Bauprozeß wieder behoben werden kann. Ein Scheitern aufgrund von falscher Pla-

Die Beziehung von Mensch und Raum ist aber nicht einseitig, sondern sie ist durch Wechselwirkung geprägt. Zwar formt der Mensch zunächst den Raum in dem er wohnen wird, aber genauso wirkt sich dieser Raum wieder auf den Menschen und sein Verhalten aus. Denn der Mensch erlernt sein Verhalten im Raum und damit dessen kulturelle Organisation, sowie seine örtliche Identität, die in der Architektur ihren Ausdruck gefunden hat, indem er wohnt. Die Architektur ermöglicht und er-

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nung oder Vorarbeit wie beim Bauen mit Holz oder Stein ist fast unmöglich (McHenry, 1985, S.IX). Da Lehm leicht zu verarbeiten ist, bietet sich das Material zusätzlich für bautechnische “Anfänger” an, von denen man in der Frühzeit der Architektur ausgehen muß. Ein Spezialistentum ist zunächst nicht erforderlich. Außerdem sind, im Gegensatz zur Holz- und Steinarchitektur, im Grunde keinerlei Werkzeuge notwendig. Genauso unkompliziert sind Pflege und Reparatur (Wienand, 1983, S.22). Ein weiteres Merkmal sind die vielfältigen und von Kultur zu Kultur unterschiedlichen Verarbeitungsmöglichkeiten, von der Töpferlehmtechnik bis hin zu der Formziegeltechnik, die in einzelnen Fällen sogar durch Markierungen der Ziegel einzelne Bauspezialisten erkennen läßt. Neben seinen ergonomischen und ergologischen Vorteilen ist das Bauen mit Erden auch unter klimatischen Gesichtspunkten hervorragend geeignet für den Nahen Osten. Durch die wärmeisolierenden und -speichernden Eigenschaften, die Regulierung der Luftfeuchtigkeit und die Feuerbeständigkeit der Wände ist der Lehmbau an trockene und heiße Klimata ideal angepaßt (FiedermutzLaun, 1990, S.20). Aus diesen Gründen ist das Bauen mit Lehm seit dem Anbeginn der Zivilisation bis in das 21. Jahrhundert im westlichen Asien ohne Unterbrechung tradiert worden. Es stellt eine bislang nur wenig beachtete kulturgeschichtliche Quelle dar, in der sich in Verbindung mit dem architektonischen Raum kulturelle Gegebenheiten in einer sonst nur selten zu beobachtenden Komplexität niedergeschlagen haben.

Teilen aufgebaut ist." (Primas, 1993, S.86) Natürlich muß aber in einem analytischen Prozeß zunächst die Symmetrie des Ganzen gebrochen werden, damit Einzelaspekte in einem heuristischen Zusammenhang untersucht werden können (Vivelo, 1988, S.40). Die einzelnen Punkte, auf die ich mich vor allem konzentrieren möchte, sind die Bautechnik, die Gestaltgebung des Hauses, die Form der Siedlung, die sozio-ökonomischen Bedingungen des Bauvorganges, die biologischen und kulturellen Ansprüche des Menschen an den Wohnraum, die Frage nach den sozio-ökonomischen Grundeinheiten, ihrem Zusammenleben und ihrem räumlichen Verhältnis zueinander, die möglichen Zusammenhänge von kosmologischen Vorstellungen und der Gestaltung des Raums, sowie die Zusammenhänge von Bauform und Klima. Um mich diesem Komplex anzunähern, werde ich mich also verschiedener, sich durchaus auch widersprechender theoretischer Ansätze bedienen müssen, um ein annähernd kohärentes Bild zeichnen zu können, worauf ich ebenfalls im Abschnitt III.1. näher eingehen werde. Die Wechselwirkungen von ökonomischer Organisation und dem technischen Niveau, sowie die habituelle, unbewußte Gestaltung des eigenen Lebensraumes und die strukturierende Wirkung des so entstandenen architektonischen Raums auf das Kulturverhalten sollen dabei die zentralen Angelpunkte der Untersuchung sein. Die Fragen, die ich bei meiner Untersuchung im einzelnen beantworten möchte, sind folgende: - Wie beeinflussen sich die rein technisch-formalen Aspekte der Lehmarchitektur gegenseitig und unter welchen sozio-ökonomischen Gegebenheiten können sie entstehen? Folgt die Technik der Form oder die Form der Technik? Beeinflußt die Siedlungsanlage die Grundrißform der Häuser oder ermöglichen bestimmte Grundrissformen erst die Entwicklung gewisser Siedlungsformen?

I.1. Fragestellung Der Komplex aus Kulturverhalten und Architektur im archäologischen Kontext erfordert eine ganzheitliche und problemorientierte Herangehensweise. Das bedeutet, daß es nicht in meiner Absicht liegt, einen weiteren theoretischen Ansatz zu entwickeln, der sich zu den zahlreichen bereits vorhandenen Sichtweisen gesellen soll, die im Abschnitt III.1. näher geschildert werden und die sich eher mit dem grundsätzlichen Problem beschäftigen, wie man sich dem verzwickten Verhältnis Mensch-Architektur mit dem Ziel einer allgemeingültigen Theorie zu nähern hat. Ziel ist es vielmehr, spezifische Forschungsprobleme zu untersuchen und Fragen, den archäologischen Kontext betreffend, zu beantworten, also problem- und nicht theorieorientiert zu arbeiten. Als ganzheitlich, bzw. holistisch möchte ich meine Herangehensweise bezeichnen, da ich mich nicht auf einzelne Aspekte wie Klimaanpassung, Rekonstruktion von Techniken, funktionalistische oder soziale Deutungen oder andere Einzelaspekte der gebauten Umwelt beschränken werde, sondern sie vielmehr als ein untrennbares Ensemble von verschiedenen Symptomen eines geschlossenen Komplexes begreife (siehe dazu auch Vivelo, 1988, S.40ff; Haagensen, 1982, S.103). Auf diese ganzheitliche Perspektive und die daraus folgende nicht-lineare Logik wird ebenfalls im Abschnitt III.1. näher eingegangen. An dieser Stelle soll ein Zitat genügen: "Das Ganze ist nicht nur mehr als die Summe von Teilen und ihren Wechselwirkungen, sondern die materielle Realität ist ein Ganzes, das überhaupt nicht aus

- Welche technischen Leistungen können noch im Familienverband, welche nur im Dorfverband oder durch Arbeit von Spezialisten erbracht werden? Es soll, sofern möglich, eine "Hierarchie" der bautechnischen Niveaus erarbeitet werden. - Welche Zusammenhänge von Sozioökonomie und Raumorganisation sind im ethnologischen Kontext zu beobachten und inwieweit sind sie in Form von Modellen sinnvoll für die Interpretation archäologischer Befunde zu verwenden? (An dieser Stelle möchte ich mich deutlich von der sog. "activity area analysis" abgrenzen, die sich der Untersuchung von Wirtschaftsflächen widmet und in Bezug auf Architektur lediglich die funktionale Anpassung der Gebäude an die darin stattfindenden wirtschaftlichen Tätigkeiten beschreibt (Kent, 1990, S.7ff). Ich möchte die Architektur nicht nur als ein "activity setting" (Rapoport, 1990, S.11ff.) in Form einer instrumentellen Gestaltung des Raums begreifen. Sie ist nicht nur Hülse wirtschaftlicher Tätigkeiten sondern ebenso Hülse kultureller und sozialer Identifikation, Bedeutung und Organisation.)

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- Läßt sich im ethnologischen Material ein Zusammenhang zwischen der Form von Haus und Siedlung und kosmologischen Vorstellungen beobachten, und ist es möglich, diese eventuellen Zusammenhänge modellhaft zur Interpretation von archäologischen Befunden heranzuziehen?

Paläste etc. werde ich aus mehreren Gründen nur am Rande behandeln. Die tatsächlichen Funktionen solcher Gebäude sind nicht immer klar bestimmbar und ihre Formenvielfalt macht Vergleiche untereinander nur schwer möglich, ganz zu schweigen von Vergleichen zwischen solchen Bauten und der Wohnarchitektur. Die ist ihrerseits hingegen von universellem Charakter, da die grundsätzlichen Ansprüche des menschlichen Wohnens immer konstant geblieben sind und demzufolge der Vergleich von Wohnbauten in klimatisch ähnlichen Regionen auch trotz großer räumlicher und zeitlicher Trennung möglich ist (Rudofsky, 1964, S.8). Im Falle der Tempelarchitektur überwiegt der Bedeutungsaspekt bei der Formgebung. Wohnklima und räumliche Organisation eines Haushalts spielen bei ihrer Gestaltung keine primäre Rolle. Ein spontanes und reaktives Bauen ist bei der sakralen Architektur nur in den frühen Stadien zu erwarten, wo die Trennung privater und öffentlicher Bauten noch weniger stark ausgeprägt war. So ist z.B. die Bauweise von sog. 'Schreinen' und von eindeutigen Wohnhäusern in Catal Hüyük nicht zu unterscheiden (Mellaart, 1964, S.116, 119). Einzig die Inneneinrichtung läßt eine Differenzierung zu (Heinrich & Seidel, 1969, S.113; Mellaart, 1962, S.46; 1965, S.81). In Eridu ist erst nach der Hajji-Muhamad-Phase ab 4500 BC eine deutliche Abhebung sakraler Architektur von der üblichen Bautradition zu erkennen (Safar et al.,1981,S. 88,94). Die später fortgeführte, monumentale Bauweise des Tempelbezirks unterscheidet sich mehr als deutlich von den gleichzeitig errichteten Wohnhäusern (ebd. S.249 ff), die, wie in der vorangegangenen Zeit immer noch das Ergebnis von spontaner, reaktiver Bautätigkeit sind.

- Gibt es signifikante Unterschiede zwischen einer endemischen Entwicklung von Architektur und einer von außen angeregten Entwicklung? - Welchen Einfluß nimmt das Klima auf die Entwicklung der Architektur? - Ist es möglich, durch Kenntnis bekannter Größen (klimatische Bedingungen, technisches Niveau, bzw. Auswahl einer zur Verfügung stehenden Bautechnik, die Gestaltung des Wohn- und Siedlungsraums) auf sozio-ökonomische Organisation und kosmologische Konzepte rückzuschließen? - Können Architekturtraditionen als "Leitfossilien" eine Alternative zu der Keramik bilden, besonders bezüglich der Fragen nach kultureller Zuordnung und Konstanz? Die Arbeit soll schließlich auch folgenden Anforderungen standhalten können: - Sie soll einen fundierten, für Archäologen relevanten Überblick über alle technisch-formalen Aspekte der Lehmarchitektur bieten und in dieser Weise als Handbuch auch für andere Fragestellungen dienen können. - Die Ergebnisse bezüglich des Zusammenhangs von Sozio-Ökonomie, kulturellem Raum und der Entwicklung von Architektur sollen in Form von "Regeln" (Schiffer, 1975/95, S.47ff) zusammengefaßt werden, wodurch eine unkomplizierte Übertragbarkeit auf andere Kulturräume gewährleistet und eine praktische Anwendung bei der Auswertung weiterer Fundorte möglich gemacht werden soll.

Die 'private' Architektur ist außerdem, im Gegensatz zu der öffentlichen Architektur, Bestandteil des Allgemeinwissens der jeweiligen Kultur, da ihre Techniken und der Formenschatz in den Familien tradiert werden (Fiedermutz-Laun, 1990, S.20). Erbauer und Bewohner des Hauses sind in der Regel identisch (Cameron, 1999, S.10). Diese Einheit von Anforderungen, Notwendigkeiten und dem ökonomisch und technisch Machbaren ist bei gemeinschaftlichen Anlagen nicht mehr gegeben, da die notwendige Arbeitsorganisation in der Regel über die Komplexität einer Familie oder Nachbarschaft hinausgeht, meist Spezialistentum erfordert und nur unter großen Vorbehalten rekonstruiert werden darf. Öffentliche Bauten haben seit der Mitte des 5. Jahrtausends in vielen Fällen solche großen Dimensionen, daß eine Bauausführung durch eine kleine, sich selbst organisierende Gruppe wie eine Großfamilie oder eine Nachbarschaft nicht möglich ist. Ihre Planung und Errichtung verlangt in der Regel die Beteiligung von Bauspezialisten, sowie einer organisierenden Elite zur Planung und Überwachung der Arbeit. Die damit in Zusammenhang stehenden städtischen Siedlungsstrukturen (mit einer hierarchischen Gliederung in Akropolis, bzw. Ober- und Unterstadt, der späteren Trennung von Tempel und Palast, der Entstehung von Magazinen, öffentlichen und privaten Lagern) sind derartig komplex, daß sie mit den Siedlungen des ländlichen Raumes und mit denen der vorangegangenen Epochen nicht mehr zu vergleichen sind. Zudem würde eine Untersuchung des Formierungsprozesses der chalkolithischen Stadtzentren den Rahmen dieser

I.2. Thematische Abgrenzung Diese Arbeit wird sich in erster Linie mit der kollektiven Wohnarchitektur befassen. Wie schon weiter oben erwähnt, ist in dem unmittelbaren Wohn- und Lebensumfeld eine überaus enge wechselseitige Beziehung zwischen dem menschlichen Verhalten und der Architektur zu beobachten. Dabei wird von der Wohnarchitektur kein rein institutionalisiertes, rituelles oder anderweitig außergewöhnliches Verhalten widergespiegelt, wie im Falle von Kult- oder Prestigebauten, sondern es wird die räumliche Organisation des unreflektierten Alltagslebens einer Wohngemeinschaft dokumentiert (Hillier, 1996, S.4). Susan Kent geht sogar soweit zu sagen, Wohnbauten seien nicht nur die Soziogramme von Familien, die sie bewohnen, sondern sie seien Soziogramme von ganzen sozialen Systemen (Kent, 1990, S.128). Die sonst im Zentrum des Interesses stehende sogenannte öffentliche Architektur, also Gemein- schaftseinrichtungen wie Tempel, Wehr- und Speicheranlagen, 10

Arbeit definitiv sprengen. Aus diesem Grunde werde ich auf die öffentliche und sakrale Architektur nur in Ausnahmen oder im Rahmen der Analyse von dem sozialen Gefüge einzelner Siedlungen eingehen und mich auf die Wohnarchitektur konzentrieren. Ebenso werde ich die Wohnbauten der städtischen Zentren des Chalkolithikums zugunsten der gleichzeitigen Siedlungen im ländlichen Bereich vernachlässigen, da in den letzteren die kollektive Architektur noch das Erscheinungsbild von Haus und Siedlung bestimmt, genau wie sich dort auch andere Traditionen länger erhielten (deVaux, 1966, S.3).

der halbwüstenartigen Peripherie der besiedelbaren Regionen. Dort konnten sich die älteren Entwicklungsstadien noch über lange Zeit erhalten (de Vaux, 1966, S.3). Besonders im Irak differenzierten sich die Siedlungen in zwei klar zu unterscheidende Typen: Die dörfliche Siedlung und die städtische Siedlung. Vom letzteren Typ sind drei Befunde gesichert: Tepe Gaura, Ur und Eridu. Dort wurde der Prozeß der Hierarchisierung und Spezialisierung entscheidend beschleunigt, während diese Entwicklung in den dörflichen Siedlungen nur langsam voranschritt. In den Dörfern wurden die meisten Güter des alltäglichen Lebens noch in den jeweiligen Haushalten hergestellt und die sozialen Rangunterschiede scheinen sehr gering gewesen zu sein (Bernbeck, 1995b, S.48,51). Ich werde mich also in der Obed-Zeit, wie bereits oben erwähnt, vorwiegend der ländlichen Siedlungen annehmen und trotz chronologischer Parallelität die großen Zentren nur ansatzweise behandeln.

Der untere zeitliche Horizont ergibt sich durch das Befundmaterial, da das regelrechte Bauen mit Lehm erst seit dem akeramischen Neolithikum zu belegen ist. James Mellaart konstatierte 1975, es gäbe keine Hinweise auf die Verwendung von Lehm als Baumaterial im Natufium, weder als Ziegel noch als Lagenlehm (Mellaart, 1975, S.35). Diese Aussage kann natürlich nur bedingt ihre Richtigkeit haben. Tatsächlich fehlt bei den meisten der Rundhütten des Natufium ein Indiz für die jeweilige Bautechnik. In der Regel sind nur die eingetieften, runden Grundrisse im Befund festzustellen, so wie in Zawi Chemi Shanidar (Mellaart, 1967c, S.35), Abu Hureyra (Moore, 1989, S.73,74) oder Ain Malaha (Gebel, 1984, S.52). In anderen Fällen waren Fehlinterpretationen der Befunde Grund für eine falsche Rekonstruktion der Architektur, wie z.B. in Beidha, einem Fundort, der lange Zeit als exemplarisch für diese Kulturstufe galt. Dort wurde eine Senke, die durch Ausspülung entstanden war, als Hüttengrundriß fehlgedeutet (Kirkbride, 1989, S.8; Byrd, 1989, S.21). Dennoch geisterte lange die Information durch die Literatur, die 'Rundhütte' in Beidha sei aus 'Pise' oder 'ziegelsteinartigen Formen' gebaut gewesen (Kirkbride, 1968, S.265).

In der anschließenden Uruk-Zeit, die sich weitgehend über das 4. Jahrtausend erstreckt, beginnt erstmals eine Staatenbildung. Die Spezialisierung ist weit fortgeschritten und die komplexen sozialen Gefüge sind weder an sich, noch anhand der von ihnen erzeugten Architektur mit den Strukturen des Neolithikums und frühen Chalkolithikums vergleichbar (Bernbeck, 1995c, S.59). Eine zeitliche Ausweitung des Themas über die ObedZeit hinaus kommt also nicht in Frage. Der Raum, den ich in dieser Arbeit untersuchen möchte, ist der Vordere Orient. Hierbei steht weniger eine geographische, sondern vielmehr eine kulturräumliche Vorstellung im Vordergrund. Ich möchte vor allem den neolithischen Kernbereich, den sog. "Fruchtbaren Halbmond", und die Regionen, die unter dessen Einfluß gestanden haben, oder in ihrer Entwicklung immer wieder in essentielle Wechselbeziehung mit diesem Bereich getreten sind, zu dem Gegenstand meiner Untersuchung machen.

Ein Fundort, der die Behauptung Mellaarts widerlegt, ist das syrische Muraibit, ca. 8500 BC oder früher. Dort wurde Lehm eindeutig als Baustoff verwendet, zwar zuerst nicht in reiner Form, sondern lediglich als massiver Beschlag einer Konstruktion aus Pflanzenmaterial, aber schon nach nicht all zu langer Zeit löste er als reiner Lagenlehm die vegetabile Bauweise ab (Singh, 1974, S.57; Moore, 1975, S.68; Strommenger, 1982, S.17). Den Ursprung des Lehmbaus in der eingetieften Rundhütte zu sehen, ist schon durch den Umstand plausibel, daß es am naheliegendsten ist, eine pflanzliche Konstruktion mit dem unmittelbar anfallenden Aushub der Grube abzudichten, über der man sein Dach errichtet (McHenry, 1985, S.1). Aus diesem Grund werde ich auch die Rundhütten des Natufiums in meine Untersuchung einbeziehen, auch wenn diese Kulturstufe in der Regel noch nicht dem Neolithikum zugerechnet wird.

Der Kernbereich der früh-neolithischen Kulturen liegt vor allem in Syrien und dem Irak. Bezüglich der im Norden angrenzenden Türkei möchte ich mich auf Anatolien beschränken, da die Entwicklung der Westtürkei eher mit dem zentralmediterranen Kulturkreis in Beziehung steht (Müller-Karpe, 1998, S.77). Im westlichen, levantinischen Bereich gliedern sich Libanon, Jordanien, Israel und Palästina an, im Osten der Iran (Müller-Karpe, 1998, S.76). Obwohl das nordöstlich vom Iran gelegene Turkmenistan geographisch bereits zu Zentralasien gehört, habe ich es zugunsten zweier Siedlungsgruppen, die aufgrund ihres Inventars noch den vorderasiatischen Kulturen zuzuordnen sind, in meine Arbeit einbezogen (Müller-Karpe, 1984, S.88). Besonders interessant ist in diesem Fall, welche Formen die maßgeblichen vorderasiatischen Kulturerscheinungen an der Peripherie ihres Einflußbereiches und in Konfrontation mit einer deutlich ausgeprägten lokalen Kultur angenommen haben.

Die zeitliche Obergrenze ist leicht fließend, geht aber nicht über das Ende der Obed-Zeit hinaus. Der untersuchte Zeitraum reicht also ungefähr vom 9. bis zum 4. Jahrtausend. Wie oben schon erwähnt beginnt während der Obed-Zeit eine zunehmende Hierarchisierung der Gesellschaft, die sich auch in der Architektur niederschlägt. Natürlich muß berücksichtigt werden, daß die Entwicklung nicht in allen Gebieten in dem gleichen Tempo voranschritt. In Ebenen und Tälern bot sich dafür ein besserer Nährboden als in bergigen Gebieten oder

Im Süden wird der untersuchte Bereich spätestens von der israelisch-ägyptischen Negev- und der saudi-arabischen Nefudwüste auf natürliche Art begrenzt, obwohl auch schon die Syrische Wüste weitgehend unbesiedelbar ist (Fullard, 1977, S.98)

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I.3. Der Forschungstand

schaften des Lehmbaus gewonnen werden kann (Adam, 1981, S.61). Von einigen Eigenschaften des Lehmbaus, die in der Literatur nicht erwähnt werden, erfuhr ich sogar erst aus einer populären TV-Dokumentation (Jendreyko, NDR, 1996).

Das Bauen mit Lehm wurde und wird in der Bauforschung nur marginal behandelt; rezente Lehmbautraditionen werden zwar von Ethnologen und Geographen zur Kenntnis genommen, da deren Interessen aber meist anders gelagert sind, finden sich sehr wenige präzise Aussagen über die Bautechniken und -formen (Rudofski, 1964, S.7,8). Zwar wurde versucht die Lehmbauweise in der wohnungsarmen Nachkriegszeit wieder zu beleben, dieser Versuch scheiterte allerdings, da der Lehm als "Arme- Leute-Baustoff" galt und in einer Zeit, in der die Bedeutung von Statussymbolen wuchs, kaum durchsetzungsfähig war. Erst in den siebziger Jahren, als sich das öffentliche Interesse mehr und mehr alternativen, ökologischen Techniken zuwandte, wurde der Lehm als Baumaterial wiederentdeckt und wird seitdem langsam populärer (Heese-Greve, 1983, S.9). Heute werden traditionelle afrikanische Lehmbautechniken sogar im Rahmen integrativer pädagogischer Projekte Kindern beigebracht und mit ihrer Hilfe ganze Lehmdörfer errichtet (Eimsbüttler Wochenblatt, 2005).

Auch in der ethnologischen Literatur werden dem Lehm zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben, ohne daß Daten irgendeiner Art vorliegen. Hier ist es üblich, daß die Architektur, wenn überhaupt Gegenstand einer Feldforschung, meist nur im Rahmen der räumlichen Organisation gesellschaftlicher Bedeutung untersucht wird. Aspekte wie Bautechnik und klimatische Eigenschaften der Bauten spielen selten eine Rolle. In der Regel wird nur allgemein darauf verwiesen, daß der Lehm ideal an das Klima angepaßt ist oder sich die Architektur harmonisch in die Landschaft einfügt. Oft werden bezüglich der Bautechnik auch schlicht unrichtige Aussagen gemacht, was durch eine Unkenntnis der Materie aufgrund anders gearteter Fragestellung und Perspektive zu erklären ist (Lauber, 2003, S.28). Frau Fiedermutz-Laun behauptet so z.B., daß mehrstöckiges Bauen und direkt auf der Wand aufliegende Flachdächer ausschließlich mit einer Lehmziegelbauweise möglich wären (Fiedermutz-Laun, 1983, S.154). Die Folgerung, die sie aus ihren Beobachtungen im südliche Westafrika zieht, läßt sich anhand ungezählter Beispiele sowohl in Afrika als auch in anderen Regionen der Erde widerlegen, bedeutet aber, für weniger umsichtige Archäologen, eine Quelle der Fehlinterpretation.

Besonders im Rahmen ökologischer Bauprojekte und zunehmend auch in Entwicklungshilfe-Projekten wird der Lehmbau zunehmend propagiert, da ein großes Maß an Eigenleistung möglich ist, wodurch die Wohnungsbedürftigen unabhängig von finanzieller oder fachmännischer Hilfe bauen können. Andererseits befassen sich die meisten Publikationen aus diesem Umfeld nur mit der praktischen Ausführung des Lehmbaus in einer oder zwei bevorzugten Techniken, bieten also keinen allgemeinen Überblick. (zB. Khalili: "Ceramic Houses - How to build your own", 1988; McHenry: "Adobe - Build it yourself", 1985; Sieber: "Baustoff Lehm - Sammlung Lehmbauverfahren", 1988) Auch werden die unterschiedlichen Eigenschaften der Wandverbünde, die bei den jeweiligen Bauverfahren entstehen, nur selten im einzelnen behandelt.

Des weiteren werden die dokumentierten Aspekte der Architektur in der ethnologischen Forschung fast nie in einen größeren kulturellen Zusammenhang gestellt, sondern es wird lediglich ihre Bedeutung innerhalb einer untersuchten Ethnie dargestellt (Fiedermutz-Laun, 1990, S.17ff.; Haberland, 1990, S.7; Newman, 1998, S.35; Silberfein, 1998, S.47). Generell läßt sich zu der Frage nach der Architektur im Kontext ethnologischer Forschung sagen, daß sie offenbar von recht geringer Bedeutung ist, und sie deshalb meist nur oberflächlich beantwortet wird (Lauber, 2003, S.30).

Eine andere Gruppe von Publikationen beschäftigt sich mit einzelnen, geographisch determinierten Bautraditionen (zB. Adam: "Lehmbauten zwischen Atlas und Sahara",1983; Fiedermutz-Laun: "Das westafrikanische Gehöft im 20. Jahrhundert", 1983; Farassat: "Lehmbauten im Iran", 1983; Gardi: "Über traditionelles Bauen und Wohnen in Afrika", 1973). Aber auch hier sind konkrete Angaben über das physikalische Verhalten eines Baukörpers selten zu finden. Meist werden nur vage Hinweise gegeben, die Lehmarchitektur sei besonders gut geeignet für heißes und trockenes Klima, da sie regulierend auf die Luftfeuchtigkeit wirke, und gute wärmeisolierende und -speichernde Eigenschaften aufweise. (Wienand, 1983, S.22; Heeses-Greve, 1983, S.13, 36ff.; Farassat, 1983, S.82)

Die Publikationen, in denen die Lehmarchitektur in kulturell übergreifender Weise beleuchtet werden soll, haben meist lediglich Bilderbuchcharakter und bieten ein Minimum an erläuternden Texten (zB.: Dethier: "Lehmarchitektur - Die Zukunft einer vergessenen Bautradition", 1982; Gardi: "Auch im Lehmhaus läßt sich's wohnen", 1973; Rudofski: "Architektur ohne Architekten", 1993). Für den niedrigen Forschungs- und Wissensstand bezüglich des Lehmbaus und der Wohnarchitektur in der Archäologie sind einerseits die rein technische Unwissenheit und die entsprechende Verwirrung in der Terminologie, sowie die Forschungsgeschichte verantwortlich. Die Architektur war unter den materiellen Hinterlassenschaften des Altertums und der Vorgeschichte, sowie in der Anthropologie, eine der ersten Quellengattungen, die von den Forschern und Amateuren untersucht wurde. Hier wäre vor allem Henry Lewis Morgan zu nennen, der mit seinem „Houses and House-Life among the American Aboriginies“ einen der Klassiker der Kultur-

Die konkreteren Untersuchungen sind in der Regel so speziell an eine bestimmte Bautradition gebunden, daß sie sich nur begrenzt auf die Lehmarchitektur im Allgemeinen übertragen lassen (zB. Endruweits Untersuchung über die pharaonenzeitliche Architektur Amarnas, 1994, oder Lander und Niermanns Untersuchung der KhasbaBauten, 1980), oder aber nur derart bruchstückhaft, daß kein zusammenhängendes Bild der klimatischen Eigen-

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wissenschaften schlechthin geschaffen hat (Morgan, 1881/1965; Bohanon, 1965, S.X-XIV). Auf dem Gebiet der Archäologie richtete sich das Interesse aber vor allem auf repräsentative Bauten wie Tempel- und Palastanlagen, Grabmale und Festungswerke. Es waren eher Phänomene wie die Pyramiden, Stonehenge, der Pergamon-Altar und die Akropolis, die Faszination ausübten und bei Laien sowohl das Interesse an der Archäologie weckten, als auch für eine romantische Verklärung des Forschungsgebietes sorgten, die bis heute nur geringfügig gewichen ist (Abrams, 1987, S.47). Dem entsprechend wurden die architektonischen Relikte zunächst nicht aus Gründen historischer Aussagekraft erforscht, sondern weil sie als markante Objekte die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Diese Perspektive bestimmt leider bis in die heutige Zeit die Sichtweise vieler Archäologen. Vor allem in den Gebieten der Hochkulturen wird die nicht-repräsentative Architektur meist weitgehend zugunsten der Tempelund Palastanlagen vernachlässigt. „Diese Auffassung erklärt, warum während der archaischen und der klassischen Zeit (Griechenlands) die Privathäuser sehr bescheiden waren und es auf diesem Sektor nichts gibt, das besondere Beachtung verdient.“ (Martin & Stierlin, 1977/1994, S.178 - Hervorhebung vom Autor). Für den Vorderen Orient trifft diese Sichtweise in besonders hohem Maße zu (Eichmann, 1991, S.11).

die mit der alltäglichen Wohnpraxis kaum etwas zu tun haben (Fritz, 1990, S.113-123). Es werden sogar heute noch bei einzelnen Publikationen neolithischer Fundorte, sobald die Architektur rudimentär und "nicht ansehnlich" ist, nur die Steingeräte und Keramikfunde abgebildet und eingehend beschrieben, die Überreste der Häuser fast vollständig ignoriert. Zwar wird die neolithische Wohnbebauung heute meist dokumentiert, doch oft leiden die festgehaltenen Daten unter den anders gearteten Fragestellungen der Ausgräber, und viele Aspekte der Wohnräume, die zu einer Analyse notwendig wären, werden nicht beachtet oder nur nachlässig behandelt. In der Regel werden auf publizierten Grabungsplänen nur die Wandverläufe und die Lage eventueller Feuerstellen und Herde verzeichnet (Daviau, 1993, S.59). Die weitergehenden Beschreibungen leiden zudem oft unter dem mangelnden Fachwissen der Archäologen - ein Problem, das vor allem die Lehmbautechnik betrifft. Oft muß man sich mit Verallgemeinerungen begnügen, wie z.B. daß in der Samarra-Kultur mit Lehmziegeln, in der Hassunah-Kultur mit Stampflehm gebaut wurde, (Bernbeck, 1995, S.31,33). Diesem entsprechenden Passus folgt allerdings keine Beschreibung der Stampflehmbauweise, sondern eine Beschreibung der Bauweise mit gegossenem Lagenlehm, die bislang an keinem mir bekannten Fundort des Vorderasiatischen Neolithikums nachgewiesen werden konnte. Hinzu kommt, daß für fast alle Fundorte der Hassunah-Kultur der ungeschalte Lagenlehmbau von den jeweiligen Ausgräbern als Bautechnik angegeben wird, falls überhaupt eine Bautechnik genannt wird. Die beiden zuvor genannten Bautechniken sind aber ohne Verschalung überhaupt nicht zu realisieren. Diese Unkenntnis bezüglich der einfachsten architektonischen Belange ist leider für die Archäologie symptomatisch (Samson, 1990, S.3) In einigen Fällen wird sogar explizit auf eine Untersuchung der Bautechniken mit der Begründung verzichtet, daß diese Aspekte den Rahmen einer Architekturanalyse sprengen würden (Daviau, 1993, S.58).

Generell gilt in der Archäologie, daß den meisten anderen Artefaktgattungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als der Architektur (Abrams, 1987, S.48-49; ). Ziel der meisten Archäologen aus der Frühzeit des Forschungsgebietes war es, repräsentative Sammlungen zusammenzutragen. Diese Sammlungen bildeten später den Fundus für verschiedenste typologische Reihungen, anhand derer ein chronologisches Gerüst konstruiert wurde. Artefakte wie Keramik, Stein- und Metallwerkzeuge, Schmuck und Waffen rückten folgerichtig in das Zentrum der Aufmerksamkeit, da sie dazu dienten, Fundorte zeitlich und kulturell einzuordnen. Die Frage nach den gesellschaftlichen Gegebenheiten wurde erst sehr viel später gestellt und dann wurden zu ihrer Beantwortung natürlich die bereits gut erschlossenen Artefakt- und Befundarten herangezogen. Die Architektur wurde kaum als Quelle wahrgenommen. Den „Häusern der Toten“ wurde mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als den Häusern der Lebenden (Samson, 1990, S.1).

Auch was die klimatischen Charakteristika von Lehmbauten anbelangt, retten sich die meisten Archäologen, wie auch andere Autoren, mit gefälligen, allgemeinen Äußerungen über eine ideale Anpassung an das jeweilige Klima, ohne irgendwelche Angaben darüber zu machen, warum gerade diese oder jene Hausform oder Bautechnik für ein bestimmtes Klima mehr oder weniger geeignet sein soll. Exakte Untersuchungen sind selten unternommen und selten gelesen worden (Endruweit, 1994, S.20).

Die einfache Wohnbebauung wird bis heute nur selten und in kleinem Umfang ergraben, in wenigen Publikationen näher erwähnt und fast nie abgebildet. Als Beispiel sei hier die noch recht neue Publikation “Die Stadt im alten Israel” von Volkmar Fritz genannt. Dem Thema Bauen und Wohnen, wobei ja das Wohnen mit seinen vielschichtigen Aspekten durchaus eine zentrale Rolle bei der Behandlung des Phänomens Stadt spielen sollte, werden in dem Buch ganze 11 Seiten gewidmet. Und selbst das eigentliche Thema dieses Kapitels, nämlich die Anlage der Wohnhäuser und die Bautechnik, wird auf kaum mehr als einer Seite abgewickelt. Die verbleibenden 10 Seiten widmen sich den Palast- und Tempelanlagen, den Stadttoren und den Befestigungsanlagen,

Andere archäologische Arbeiten, die sich mit der Erscheinungsform der Bauten auseinandersetzen, beschränken sich für gewöhnlich auf sehr kleine Ausschnitte der Lehmbauweise, sowohl zeitlich als auch thematisch. Beispiele dafür sind Endruweits Arbeit über die klimagerechte Bauweise der Amarnahäuser (1994), Eichmanns Hypothesen über die Zusammenhänge von Ziegelformaten, metrischen Systemen und Grundrißgestaltung (1991), oder Schmidts Untersuchung der agglutinierenden Bauweise in Mesopotamien (1963). Bei der letzten Arbeit kommt erschwerend hinzu, daß sie aus

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dem Blickwinkel eines Architekten geschrieben wurde, und deshalb viele notwendige archäologische Details fehlen und die Schlüsse, die aus der Untersuchung gezogen werden, aus kulturwissenschaftlicher Sicht nicht unbedingt zwingend erscheinen. Eichmanns Untersuchung hingegen kommt nicht über eine rein induktive Analyse von Ziegelproportionen, Hausproportionen und mut- maßlichen prähistorischen Maßeinheiten hinaus, ohne auch nur zu erwägen, seine fragwürdige Hypothesen anhand eines aktualistischen Vergleichs plausibel zu machen.

schon früh für die tiefergehenden Untersuchungen dieser verwaisten archäologischen Quellengattung verantwortlich gefühlt haben und aus deren Reihen sich tatsächlich viele der frühen Archäologen rekrutierten, hat sich bis heute bis auf wenige Ausnahmen gehalten (Samson, 1990, S.3). Die Ergebnisse von der Beschäftigung mit prähistorischer und antiker Architektur aus dem Blickwinkel von Architekten und Kunsthistorikern lassen sich heutzutage, wie auch schon im oben erwähnten Fall der rezenten Lehmbaubüchern, vor allem in „Coffee-Table-Books“, also repräsentativen Bildbänden, bestaunen, in denen die sozialen und ökonomischen Aspekte der Architektur meist gar nicht untersucht oder erläutert werden. Den Abbildungen wird eine kunsthistorische Einordnung und höchstens noch eine ästhetische Beurteilung zur Seite gestellt. Das Ensemble der Bilder tritt an die Stelle des kulturellen Kontextes (Samson, 1990, S.3; Stea & Turan, 1993, S.3).

Ernst Heinrichs Arbeiten über die Entwicklung der babylonischen Hausformen weisen zwar eine deutlich erweiterte Perspektive auf, sind aber rein typologischer Natur. Er differenziert die Hausformen nach ihrer mutmaßlichen Herkunft. Die zwei Bauprinzipien, die er unterscheidet, sind das zur Symmetrie neigende, einräumige Einzelhaus, welches seine Herkunft in einer Holzarchitektur haben soll, und das Agglutinat, das aus vielen kleinen, unregelmäßigen Zellen zusammengefügt ist. Diese beiden Grundeinheiten bilden gemeinsam wiederum Erscheinungsformen wie das „Mittelsaalhaus“ oder die verschiedenen Sorten von Hofhäusern, z.B. das 'Hürdenhaus'. Letzteres soll aus einer Hausansammlung innerhalb einer Umfriedung, einer 'Hürde', entstanden sein. Ganz unberücksichtigt bleiben die klimatischen Eigenschaften, die sich z.B. bei Häusern mit Innenhof, ungeachtet der möglichen und unterschiedlichen Entstehungsgeschichte, gleichen (Lander & Niermann, 1980, S.16ff) oder die möglichen sozialen und anderweitig kulturellen Bedeutungen und Konsequenzen einer solchen Bauweise. Der Schwerpunkt von Heinrichs Fragestellung betrifft überdies in erster Linie die Palastund Tempelarchitektur in den historischen Epochen des Orients. Die prähistorischen Ursprünge werden nur am Rande behandelt (Heinrich, 1985, S.131).

Wenn die Interaktionen von sozialen Systemen, kulturellen Vorstellungen und Architektur doch untersucht werden, geschieht dies in der Regel rein intuitionistisch und nicht selten auf recht abenteuerliche Weise. Ein Architekt und Architekturtheoretiker, der in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts besonders in Amerika sehr einflußreich war, ist Sigfried Giedion (Architektur und Gemeinschaft, 1956; Der Beginn der Architektur, 1964; Architektur und das Phänomen des Wandels, 1969, etc.). Die Architekturgeschichte wurde von ihm willkürlich in drei Phasen unterteilt. In der ersten hatte die Architektur nur Bedeutung als „Plastik“, in der zweiten, seit dem Beginn des Römischen Reiches, nur als Innenraum, und erst seit der dritten Phase, die mit der Renaissance begann, soll die Architektur als Zusammenspiel von Innenraum und äußerer Gestalt verstanden worden sein (Giedion, 1969, S.11-16). Weiterhin gilt ihm der Kreis a priori als sakral (1964, S.58), der Innenraum als eigenständiges Element hat seine Ursprünge in der Grabarchitektur (1969, S.29f.), als Erbauer jeglicher Struktur wird, seit dem Beginn der Architektur, der mit Imaginationskraft begabte, schöpferische Mensch im Sinne eines modernen, künstlerisch tätigen Architekten postuliert (1956, S.94), die Kuppelbauweise hat ihren Ursprung im westlichen Mittelmeerraum (1969, S.54), vorgeschichtliche Siedlungen weisen generell keine Ausrichtung nach den Himmelsrichtungen auf (ebd., S.37), die Rundbauten Mesopotamiens waren aus Stein (ebd., S.56), als Beweise für die pittoreske Rekonstruktion neolithischer Tempelriten auf Malta werden Mutmaßungen von Archäologen zitiert (ebd., S.34f.), und schließlich geht es im Falle der runden Bauweise um das Bedürfnis „von der Tyrannei des Rechtecks sich zu lösen“ (ebd. S.92). Das Phänomen des Wandels, das in den Untertiteln der Veröffentlichungen oft heranzitiert wird, bleibt unerwähnt, und als Quellen dienen wenige Präzedenzfälle aus allen Regionen und Zeiten im europäischen und vorderasiatischen Raum. Das mit der Architektur lediglich Monumentalarchitektur gemeint ist, scheint hier selbstverständlich. Jüngeren Datums sind die Publikationen „A Modern Theory of Architecture“ von Bruce Alsopp, 1977, und das erstaunlich populäre „New York lag im Neandertal“

Eine sehr überschaubare Arbeit, die eine ganz neue Herangehensweise im Kontext der vorderasiatischen Archäologie darstellt, ist Bannings Aufsatz „Houses, Compounds and Mansions in the Prehistoric Near East“ (Banning, 1996, S.165ff.). Sie stellt die Entwicklung des architektonischen Raums in der Levante dem Raum Mesopotamiens gegenüber und bedient sich dabei Hilliers Theorie der Raumsyntax (siehe III.1.). Ausgehend von der offenbar nur in Amerika betriebenen „Household Archaeology“ wird eine deutlich sozial-anthropologische Perspektive eingenommen, und die Untersuchung des Wohnraums erweist sich als ergiebige Quelle. Leider ist dieser Aufsatz nur sehr kurz und steht für das untersuchte Gebiet isoliert da. Banning selbst beklagt den Mißstand, daß nur eine der beiden großen Umwälzungen des Neolithikums im Fokus der Prähistoriker steht, nämlich der Wandel der Ökonomie. Das mindestens ebenso bedeutende Phänomen der Seßhaftigkeit mit seinen Konsequenzen wird kaum wahrgenommen (Banning, 1996, S.167). Zwar haben sich seit den 60er Jahren in den Nachbarwissenschaften der Archäologie zahlreiche neue Ansätze zum Verhältnis von Mensch und gebauter Umwelt entwickelt, auf die ich weiter unten eingehen werde, aber der Einfluß der Architekten und Kunsthistoriker, die sich

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von dem Architekten E. W. Heine, 1984, welches mir während meiner Arbeit selbst von Akademikern vielfach empfohlen wurde. Das erstgenannte Buch ist, wie die Veröffentlichungen von Giedion, auf wahllos zusammengestellten Präzedenzfällen aufgebaut, ange- fangen von Stonehenge und Lascaux, über italienische Renaissance-Paläste, bis hin zu Corbusier-Häusern, und erschöpft sich in beispielhaften Anekdoten und Auflistungen von Dichotomien ohne auch nur im Ansatz eine „Moderne Theorie der Architektur“ zu liefern (Samson, 1990, S.6). In dem Buch von Heine „New York lag im Neandertal“ muß man über den „ältesten Menschentypen ´Australopithecus Prometheus`“ lesen (Heine, 1984, S.26f.), eine Bezeichnung die schon in den 1950er Jahren längst passé war (Kühn, 1958, S.41) und es wird ein „Höhlenbewußtsein“ postuliert, das sich der Urmensch in „der“ Eiszeit erworben haben soll, in der er erst angefangen habe, in Behausungen zu wohnen (ebd.S.28). Als Beleg für das ausschließliche Bewohnen von Höhlen, das nötig war, um ein „Höhlenbewußtsein“ zu entwickeln, wird erwähnt, daß es in Kentucky (!) 60.000 Höhlen gibt. Zudem soll der Mensch in „der“ Eiszeit, die 500.000 Jahre gedauert haben soll, zum Wohnen gezwungen gewesen sein, um das Feuer zu bewahren, da er angeblich nicht in der Lage gewesen war, selbst Feuer zu entzünden (ebd., S.30). Diese Behauptungen zu widerlegen erscheint mir an dieser Stelle überflüssig. Als jüngstes Beispiel in der Kette von Architekten, die sich der prähistorischen Bauten angenommen haben, seien David Stea und Mete Turan genannt. Deren Buch „Placemaking - Production of Built Environment in Two Cultures“ (1993), in dem Pueblobauten und die Architektur Catal Hüyüks auf über 400 Seiten mit großem theoretischem Aufwand miteinander verglichen werden, hat ebenfalls, wie die oben genannten Publikationen, eine große Verbreitung gefunden. Zwar haben sich die beiden Autoren mit weitaus größerer Gewissenhaftigkeit ihrem Thema gewidmet, doch auch hier wird ein Archäologe kaum anwendbare Informationen finden können. In vielen Fällen wurden meist intuitionistische Befundinterpretationen aus Grabungspublikationen der 60er Jahre ungeprüft übernommen. Die gesamte Rekonstruktion der sozialen Realitäten der vorgeschichtlichen Siedlungen fußt nicht auf wissenschaftlich nachvollziehbaren Daten, wie z.B. auf ethnoarchäologischen Beobachtungen oder ethnographischen Analogien, sondern lediglich auf dialektischen und rhetorischen Argumentationsverkettungen, die das marxistische Geschichtsverständnis als bestehende Tatsache voraussetzen. So dienen also nicht die archäologischen Befunde als Quelle zur Rekonstruktion von sozialen Gefügen, sondern werden lediglich mit der marxistischen Abfolge von Ur-Kommunismus, rivalisierenden Horden und Feudalsystemen abgeglichen (Stea & Turan, 1993, S.276ff.). Sie dienen ausschließlich als Projektionsflächen für ein a priori gegebenes historisches Konzept. Den einfachsten Weg aber beschreitet der Architekturtheoretiker Germann, der lediglich konstatiert, Architekturpraxis sei nur an dem Begriffssystem der jeweiligen Zeit meßbar, darum könne man in vorschriftlicher Zeit lediglich „Gebäudegeschichte“ schreiben, ansonsten seien Bauwerke als Quellen unzulässig und unbrauchbar (Germann, 1993, S.2f.).

Es wird anhand dieser Beispiele deutlich, wie wenig geeignet die Perspektive eines auf Praxis ausgerichteten Architekten für prähistorische Zusammenhänge ist und wie unbrauchbar entsprechende Veröffentlichungen für die archäologischen Fragestellungen sind. Das Wissen um historische Zusammenhänge und kulturtheoretische Grundkenntnisse, sowie das Verständnis für kulturwissenschaftliche Arbeitsmethoden und Erkenntnisprozesse sind offensichtlich unabdingbar notwendig. Auch die reine Architekturtheorie ist als Hilfswissenschaft nur wenig hilfreich bei der Entwicklung von Modellen zur Rekonstruktion der prähistorischen Zusammenhänge von Wohnbebauung und Sozialstrukturen. Sie dient meist nur der Baupraxis (Germann, 1993, S.1), ist selten analytisch und hat in der Regel einen ästhetischnormativen Charakter. Es werden vorwiegend Konzepte entwickelt, wie Architektur sein und wirken sollte, es wird aber erst in jüngster Zeit und nur vereinzelt untersucht, wie sie tatsächlich ist und sich auf das Verhalten der Menschen auswirkt (Hillier, 1996, S.3). „...it strikes me as a paradox that when architects talk about their buildings, they usually do not discuss how much influence their buildings have on inhabitants. They make the opposit point instead. They mention the numerous ways in which a user fails to carry out the intentions the architect thought he had incorporated into the design of the building.“ (Gutman, 1976, S.38) Wenn doch Untersuchungen zum Mensch-Umwelt-Verhalten stattfinden, dann für gewöhnlich auf medialen Umwegen und in fachfremden Gebieten wie der Literaturtheorie, der Linguistik oder der Psychologie, und nur mit Blick auf eine unmittelbare Umsetzbarkeit der Ergebnisse in konkrete Architektur (Dioxiades, 1976, S.77; mündl.. Mitteilung, M. Obladen, 2001). Eines der zentralen Probleme bei der Beschreibung und Analyse von Architektur ist die komplexe Beziehung zwischen den Bauten und ihren sozialen Funktionen, die nicht nur sozialen Raum schaffen, sondern auch optische Anhaltspunkte und Zeichen für soziales Verhalten vermitteln. Der Umgang des Menschen mit diesem Komplex aus Zeichen und Raumordnung verläuft unbewußt und konfigurativ. Da aber nun die meisten gedanklichen Prozesse genau auf diese Art und Weise ablaufen, fällt es dem Menschen schwer, sich von diesen Abläufen und Verschränkungen zu lösen, um sie objektiv zu erfassen. (Hillier, 1996, S.4). „ Umwelten sind unsichtbar. Ihre Grundregeln, durchgängigen Strukturen und umfassenden Muster entziehen sich einer oberflächlichen Wahrnehmung.“ (McLuhan & Fiori, 1969/´84, S.84) In diesem Umstand liegt wahrscheinlich die Ursache für die Vermeidung der zu untersuchenden Thematik bzw. die rein intuitionistische, unwissenschaftliche Annäherung an die kulturellen Aspekte der Architektur, oder die Übertragung von Beobachtungen aus fachfremden Gebieten auf die theoretische Herangehensweise und Praxis in der ausgeführten Architektur. Erste Ansätze einer neuen und wissenschaftlichen Perspektive auf die kulturelle Bedeutung der Architektur wurden in den späten 60er Jahren vor allem von Amos

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Rapoport aus der anthropologischen Sichtweise entwickelt („Houseform, Climate and Culture“, 1969). Anfänglich wurden die kulturellen Bedeutungen der Architektur jedoch recht sparsam behandelt und Bauformen eher auf klimatische Anpassungen zurückgeführt (Samson, 1990, S.4f). Mit der Zeit entwickelte sich daraus aber ein vollständig neuer Forschungszweig, den Rapoport mit dem Terminus Environmental Behaviour Studies bezeichnet, abgekürzt EBS. Eine große Zahl von Kulturwissenschaftlern aus den verschiedensten Fachgebieten arbeiten mittlerweile im Bereich der EBS und es wurden zahlreiche interessante Ansätze entwickelt, um sich der Beziehung zwischen Mensch und gebauter Umwelt zu nähern. Die Spannbreite umfaßt biologistische Interpretationen des Raums (Dioxiades, 1976, S.78ff.), die marxistisch beeinflußte Strukturationstheorie, die mitunter Blüten wie z.B. eine neue ethnische Deutung in der Archäologie hervorbringt (Donley-Reid, 1990, S.114ff.), den Strukturalismus (Baily, 1990, S.28) behavioristische Modelle (Sanders, 1990, S.43ff.), semiotische (Sanders, 1990, S.46) und linguistische Ansätze (Hillier, 1996, S.4), sowie das von Bordieu aus dem Strukturalismus abgeleitete Konzept des Habitus (Bordieu, 1970, Kap.IV, 2002, SS.27ff.; Hillier & Rooksby, 2002, S.377) und vieles mehr. Auf diese verschiedenen Ansätze werde ich im einzelnen in Kapitel III.1. eingehen. In dieser Vielfältigkeit liegt aber wiederum die Crux dieser neuen Forschungsrichtung: Fast alle Publikationen, die sich diesem Thema widmen, bedienen sich anderer Perspektiven und entwickeln jeweils eigene theoretische Ansätze. Der größte Teil der Veröffentlichungen kommt dementsprechend nicht über einen Theorieentwurf hinaus, der anschließend anhand einiger, meist sehr dünn dokumentierter Fallbeispiele belegt wird, aber letztlich keine weiter verwertbaren oder übertragbaren Ergebnisse erbringt (Samson, 1990, S.4; Lawrence, 1990, S.220). Konkrete, auch für den Archäologen interessante Fragestellungen finden sich in der Regel nicht. Auch grundlegende Untersuchungen auf gesicherter, breiter Datenbasis fehlen vollständig. Die Versuche, die Diversität der EBS zu bündeln, sei es im Dienste der Archäologie oder Ethnologie, münden meist nur in weiteren uneinheitlichen Textsammlungen, die sich verschiedenster Theorien für verschiedenste Fragestellung bedienen (zB. Kent, Hg., 1990; Samson, Hg., 1990). Einzige Gemeinsamkeit all dieser Untersuchungen ist die Uneinigkeit darüber, ob die Architektur nur für sich gesehen eine Quelle für soziale Bedingungen darstellen kann oder nicht. Der Streit um Determinismus und Possibilismus scheint sich, z.T. auch mit vertauschten Rollen, auf diesem Feld fortzusetzen. Zudem haben sich die EBS in den letzten Jahren zunehmend von der Archäologie abgewandt und sich einem neuen Modethema, den zeitgenössischen Städten und Urbanisationsprozessen, zugewandt (Haußermann & Siebel, 2000; Hillier & Rooksby, Hg., 2002) - angesichts der sozialen und psychologischen Problematik in den immer schneller wachsenden Mega-Städten zwar durchaus naheliegend und notwendig, aber für archäologische Belange leider wenig hilfreich.

Ein ebenfalls recht junger Forschungszweig ist die Ethnoarchäologie. Von ihrer Zielsetzung sollte man im Prinzip erwarten, daß sie aus ihren Beobachtungen regelhafte Ableitungen entwickelt, die dann der Archäologie zur Interpretation von Befundzusammenhängen zur Verfügung stehen. Denn im Gegensatz zu den theorieorientierten EBS (Rapoport, 1990, S.VIIf.), der auf komplexe Beschreibung unter weitgehender Vermeidung induktiver Auslegung ausgerichteten Ethnologie (Geertz, 1973/´87,S.25,37) oder der auf generelle Datensammlung konzentrierten Ethnographie (Rapoport, 1976,S.405; Hole, 1989,S.193), sollten ethnoarchäologische Untersuchungen auf präzise archäologische Fragestellungen zugeschnitten sein und entsprechend regelhafte, also übertragbare, Ergebnisse liefern. Aber auch das ist leider nur selten der Fall (Schiffer, 1976/1995, S.70, 71; 1978/1995, S.104). Des weiteren wird nach wie vor zu wenig Ethnoarchäologie betrieben, besonders bezüglich der Zusammenhänge von materieller und ideeller Kultur, und fast nie sind übertragbare Allgemeingültigkeiten das Ergebnis. Eine Ursache dafür ist zum Beispiel, daß sich die Archäologen, besonders im Falle vorderasiatischer neolithischer Siedlungen, einfach die rezenten, benachbarten Dörfer als ethnoarchäologische Feldforschungsobjekte wählen, und diese räumliche Nähe als unausgesprochene Rechtfertigung für eine Übertragbarkeit der Ergebnisse vorschieben. Die dabei beobachteten Befundentstehungen bleiben isolierte Präzedenzfälle und werden so gut wie nie auf eine Kulturspezifität hin überprüft, also kann aus ihnen nur unter großen Vorbehalten eine allgemeingültige Regelhaftigkeit abgeleitet werden, mit deren Hilfe die vorgeschichtlichen Befundzusammenhänge sicher interpretiert werden können. Im Falle einer Untersuchung der Architektur und des kulturellen Raumes ist die derzeit betriebene Ethnoarchäologie auch deshalb von nur geringem Nutzen, da die meisten der heute betriebenen Studien sich vor allem auf die Phänomene innerhalb von Jäger- und Sammlerkulturen und die Probleme der Domestikation und des Sedentismus in seiner Frühphase konzentrieren (Kramer,1979, S.3; Wattson, 1979, S.300; David & Kramer, 1994, S.259, 261). In der Archäologie haben sich in der Praxis bis heute nur zwei Herangehensweisen an das Thema Architektur und Wohnraum auf breiterer Ebene durchgesetzt, die beide der Architektur eine nur passive Rolle zuweisen. Da eine rückwirkende Einflußnahme der menschlich geschaffenen Umwelt auf das kulturelle Verhalten nicht in Betracht gezogen wird, werden andere Aussagemöglichkeiten der Quellenart bezüglich sozialer Relevanz verdrängt (Bailey, 1990,S.28). Die Ansätze, die Verbreitung gefunden haben, sind die klimatisch-funktionalistische Deutung des Baukörpers und die kleinfundgestützte Untersuchung der bewohnten Flächen, die sog. Activity Area Analysis. Die funktionalistische Sichtweise reduziert die Architektur maßgeblich auf die Formel form follows function und gründet sich auf vage ethnographische Vergleiche und die weiter oben erwähnten, oberflächlichen Kenntnisse des klimatischen Verhaltens der Baukörper. Die Bebauung wird als das Ergebnis des Zusammenspiels von technischem Niveau, gegebenen Rohstoffen und

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klimatischen Bedingungen betrachtet. Einflüsse wie die soziale und ökonomische Organisation oder mögliche religiöse oder andere ideelle Faktoren, die die Bauform und -technik bestimmt haben könnten, werden ignoriert (Sanders, 1990, S.45).

nik, Hausform, Hausgröße, Ausgestaltung des Baukörpers, funktionale Elemente, Strukturierung des Innenund Außenraums, Einbettung in die Siedlung etc. - bieten sie eine vielschichtige, hervorragende Grundlage für eine tiefer gehende Interpretation des kulturellen Zusammenhangs (Sanders, 1990, S.43; Cameron, 1999, S.10,12). Da sie zudem in fast allen neolithischen Kulturen auftreten, die gleichen grundsätzlichen Funktionen erfüllen, und der Lehm als Baustoff eine große Vielfalt an Erscheinungsformen innerhalb eines klar definierten technischen Rahmens annehmen kann, bieten sie zudem eine gute Möglichkeit für kulturübergreifende Vergleiche (Abrams, 1989, S.48)

Die Activity Area Analysis, deren prominenteste Vertreterin Susan Kent ist, begreift den Raum als den Schauplatz von verschiedenen, ihn konstituierenden Tätigkeiten. Die Architektur wird zur bloßen Kulisse von Befundensembles, von denen die verschiedenen ökonomischen und sozialen Aktivitäten abzuleiten sind, und die als Quelle für eine Rekonstruktion der vorgeschichtlichen Wirtschaftsweise innerhalb der Haushalte dienen sollen (Kent, 1990, S.7; Daviau, 1993, S.25). Problem dieser Vorgensweise ist, daß die Architektur an sich keine Rolle spielt und keinerlei Aussagen über ein Gebäude gemacht werden können, sobald in seinem Inneren Fundleere herrscht. Ob diese Vorgehensweise zudem geeignet ist, auch die soziale Realität von Wohngebäuden zu rekonstruieren und zu begreifen, wird in Kapitel III.1. näher untersucht werden. Das größte Problem solcher reduktionistischen Interpretationsgrundlagen, die in der Archäologie zumeist die Basis für Aussagen über die Wohnarchitektur bilden, aber auch in anderen Bereichen häufig anzutreffen sind (Schiffer, 1976/1995, S.67), ist nicht, daß andere Sichtund Herangehensweisen abgelehnt werden, sondern daß sie schlichtweg nicht bedacht werden. Dieses Scheuklappensymptom hat seine Ursachen in der beschriebenen Forschungsgeschichte, sowie in einer nach wie vor mangelnden Interdisziplinarität zwischen den kulturwissen- schaftlichen Fachbereichen und läßt sich, laut Susan Kent, im Falle von Archäologen, die sich mit Architektur beschäftigen, besonders ausgeprägt beobachten (Kent, 1990, S.1).

Dennoch ist die Publikationslage für die von mir vorgenommene Fragestellung im Bezug auf die formalen Aspekte der Siedlungsreste sehr schwierig. Wie bereits oben erwähnt, werden Architekturbefunde in vielen Fällen nicht oder nur fragmentarisch veröffentlicht, da die Fragestellung der meisten Archäologen, die sich mit dem vorderasiatischen Neolithikum beschäftigen, auf die Umstände und die Art des ökonomischen Wandels und der Tier- und Pflanzendomestikation abzielt. Manchmal tauchen die gesuchten Informationen auch gar nicht in den offiziellen Grabungspublikationen auf, sondern werden erst in zusammenfassenden Aufsätzen oder Reviews veröffentlicht, oder finden sich lediglich in vorläufigen Berichten. Zwei Beispiele dafür sind die ebenerdigen Hauseingänge in Catal Hüyük, die James Mellaart in den ersten Vorberichten beschreibt und abbildet, die in der zusammenfassenden Publikation aber nicht mehr erwähnt und z.T. sogar geleugnet werden, (Mellaart, 1962, S.42ff., 51; 1967a, S.67ff.) und das einzigartige runde Gebäude der PPN B-Phase aus Munhata, das ebenfalls nur im Vorbericht erwähnt und abgebildet wird, in der Hauptpublikation aber fehlt (Banning, 1996, S.173; Perrot, 1964, S.327). Auch viele formale Details sind erst in der sekundären Literatur zu finden. James Mellaart erwähnt zum Beispiel in dem zweibändigen, viele hundert Seiten starken Grabungsbericht von Hacilar nicht mit einem Wort die strohgemagerten Lehmziegel, mit denen die Gebäude errichtet worden waren (Mellaart, 1970). Diese Tatsache erscheint lediglich in seinem Überblickswerk 'Neolithic of the Near East' (Mellaart, 1970, S.95). In extremen Fällen werden auch einfach falsche Informationen publiziert. So findet sich in dem umfassenden Werk „7000 Jahre Byblos“ von E. J. Wein und R. Opificius die Angabe, die neolithischen Häuser seien aus Lagenlehm errichtet worden. Tatsächlich wurden aber alle Häuser dieser großen Siedlung aus Stein errichtet. Die Mauern waren sogar bis zu einem Meter Höhe erhalten und es fanden sich zahlreiche Pfostenlöcher. Für eine Lehmbautechnik gibt es rein gar keine Anhaltspunkte (Moore, 1978, S.329ff.).

Eine kulturübergreifend vergleichende, integrative und ganzheitliche Studie zur Architektur, wie sie z.B. Henry Lewis Morgan 1881 vorgelegt hat, die zu der Klärung der zentralen Fragen bezüglich des Zusammenhangs von Bauweise, kulturellem Raum und sozialer Organisation im archäologischen Kontext notwendig ist, fehlt trotz immer wiederkehrender Hinweise auf diesen Mißstand bis heute (Bohanon, 1965, XII, XIV; Kent, 1990, S.7).

1.4. Quellenlage Nahezu alle neolithischen Fundorte im Nahen Osten weisen Lehmarchitektur auf. Die übliche Fundamentierung durch das Zuschütten von Vorgängerbauten und das Errichten des neuen Hauses auf deren Mauerstümpfen führte zu dem Phänomen der Tell-Bildung, der auffälligsten und charakteristischsten Fundort-Gattung im untersuchten Gebiet.

Ein weiteres Problem ist die bereits erwähnte Unkenntnis der meisten Archäologen von den vielfältigen Möglichkeiten den Baustoff Lehm zu verarbeiten. Dazu gesellt sich ein begriffliches Chaos, da die gleichen Bautechniken in verschiedenen Regionen unterschiedlich benannt werden und die Übergänge von einer zur anderen Technik fließend sein können (Heese-Greve, 1983, S.9).

Ein großer Vorteil der Architekturbefunde gegenüber anderen Fund- und Befundarten ist ihre Widerstandsfähigkeit. Ihren Befundzusammenhang zu stören ist geradezu unmöglich, da sie sozusagen Fund und Befund in einem sind. Durch die Vielzahl von Aspekten, die in Architekturbefunden zusammengefaßt sind - Bautech17

In der Regel wird alles, was nicht Lehmziegel ist, Pisé genannt, obwohl dieser Terminus eigentlich ausschließlich den Stampflehmbau bezeichnet (Endruweit, 1994, S.33). Manchmal findet man sogar in deutschen Aufsätzen den eindeutigen Begriff "Stampflehm" in unmöglichen Zusammenhängen. So wurden, nach Strommenger, die Rundhütten von Mureybit in dieser Technik errichtet, ungeachtet der Tatsache, daß mit Stampflehm wegen der notwendigen Holzverschalungen keine runden Bauten errichtet werden können (Kohlmeyer & Strommenger, 1982, S.17). Die häufige, falsche Verwendung des deutschen Begriffes geht wahrscheinlich oft auf unpräzise Übersetzungen englischer Texte zurück, in denen fast alle Techniken, manchmal sogar der Ziegelbau, als Pisé bezeichnet werden. In jüngster Zeit taucht besonders in englischsprachigen Publikationen über türkische Fundorte der Begriff “kerpiç” auf, der trotz des fachmännischen Anscheins nichts anderes bedeutetd als “Lehm”, also in dem begrifflichen Durcheinander auch wenig zur Vereinfachung der Terminologie beiträgt (Özdogan, 1999, S.45).

Für den Ausgräber kann die Befunderkennung auch dadurch vereinfacht werden, wenn der Lehm mit einem auffälligen Zuschlag versehen worden ist, wie es z.B. in Catal Hüyük der Fall war. Hier wurden die Ziegel wahrscheinlich mit noch frischem Stroh und Gras gemagert, was ihnen ein grünliches Aussehen gab , und sie deutlich von dem umgebenden Boden abhob (Mellaart, 1967a, S.68-70; Jendreyko, 1996, NDR). Das Problem der Befunderkennung wird besonders bei der Durchsicht früher Ausgrabungen deutlich. In Tepe Syalk I und II wurde in den dreißiger Jahren ausführlich gegraben, dennoch wurde nicht eine einzige Bauschicht erkannt. James Mellaart führte das auf die Unkenntnis von dem Erscheinungsbild der Lehmarchitektur zurück und das Fehlen von Steinfundamenten, die auf die Existenz von Architektur hätten hinweisen können (Mellaart, 1967c, S.47). In wie vielen Fällen solche Steinfundamente, die von erhebliche Stärke sein können, allerdings als Reste von reinen Steinhäusern interpretiert worden sind, läßt sich nur sehr schwer abschätzen. Zwar treten solche massiven Unsorgfältigkeiten in der Beobachtung von Befunden schon seit langer Zeit nicht mehr auf, aber auch geübte Archäologen können noch immer von dem Erscheinungsbild der Bauelemente, trotz guter Kenntnisse der verschiedenen Bautechniken, genarrt werden. Smith berichtete nach einer frühen Ausgrabung in Ganj Dareh Tepe, die Gebäude der Schicht D wären eindeutig in Chineh-Technik (eine Lagenlehmtechnik) erbaut worden. Als die Ausgrabung mehrere Jahre später fortgesetzt wurde, entpuppten sich die Wände jedoch, nachdem sie der Erosion ausgesetzt waren, als Mauerwerk aus Plano-Konvex-Ziegeln (Smith, 1974, S.207). Laut Mary M. Voigt waren die Mauerbefunde von Hajji Firuz Tepe, die zunächst völlig homogen erschienen und deshalb als Lagenlehm gedeutet wurden, erst als Lehmziegelgefüge erkennbar, nachdem sie 6 Wochen durchgetrocknet waren und die Bodenfeuchtigkeit vollständig verloren hatten (Voigt, 1983, S.33). Auch muß man damit rechnen, daß etwaige vegetabile Materialien, die die eigentliche Konstruktion eines Gebäudes darstellten, nicht mehr vorhanden sind. An der jemenitischen Küste werden z.B. die Häuser aus leichtem Pflanzenmaterial errichtet, das mit einer extrem dicken Schicht Lehm verputzt wird, die, ist das vergängliche Material erst verrottet, als reine Lehmwand interpretiert werden kann (Wright, 1983, S.120). Diese Beispiele machen deutlich, daß man bei kritischer Betrachtung von Grabungspublikationen nicht nur beachten muß, daß viele Archäologen aus Unwissenheit falsche Bezeichnungen für die Bautechnik von Befunden benutzen, sondern auch, daß Befunde trotz vorhandener Kenntnisse falsch interpretiert werden können, und in Einzelfällen in den Publikationen, aus Nachlässigkeit oder Mutwillen, sogar unterschlagen werden.

Oft werden von den Ausgräbern auch vorort beobachtete, rezente Bautechniken auf ihr Fundmaterial übertragen. Ob diese Übertragungen berechtigt sind oder nicht, kann für gewöhnlich nicht überprüft werden, da genaue Dokumentationen der Befunde nicht publiziert werden, in vielen Fällen aus mangelnder Sachkenntnis auch gar nicht durchgeführt werden können. Ein Beispiel dafür ist Braidwoods Ausgrabungsbericht über Jarmo. Dort wurde anhand eines aktualistischen Vergleiches die Bautechnik (in diesem Fall wahrscheinlich sogar korrekt) als Tauf identifiziert, eine Art des Lagenlehms, wie er heute im Iran und Irak noch oft Verwendung findet (Braidwood, 1983, S.156). Unglücklicherweise führte die Einführung dieses Begriffes dazu, daß viele Archäologen, die heute in diesen Gebieten arbeiten, alle Lehmstrukturen, die nicht aus Ziegel bestehen, als Tauf bezeichnen, und das mit derselben Sorglosigkeit, mit der sie vorher den Begriff Pisé angewendet haben. Völlig undurchsichtig wird die terminologische Situation allerdings, wenn die Bezeichnungen Adobe (für Lehmziegel) oder Pisé nicht mehr nur für die Technik, sondern als Synonym für den Baustoff verwendet werden (McHenry, 1985, S.1; Heese-Greve, 1983, S.9), oder sogar von völlig irreführenden "pisé-sizes" gesprochen wird (Mallowan, 1933, S.16). Diese begrifflichen Verwirrungen erstrecken sich bis in die allerneuesten Publikationen (zB.Verhoeven, 1999, S.26), und können kein stabiles Fundament für einen verbindlichen Überblick über die vorgeschichtliche Bautechnik bilden. Aber auch die Befunde selbst können Tücken in sich bergen. Da das Baumaterial und der anstehende Boden einer Fundstelle sehr oft identisch sind, bedarf es oft eines geübten Auges, Bauelemente zu erkennen (Sanders, 1990, S.53). Das Auffinden richtet sich nach dem Erosionsgrad, bzw. Erhaltungsgrad der Lehmstruktur und der Qualität und Dichte des Schichtlehms oder der Ziegel, und ihrer Verarbeitung in der Mauer. Je unterschiedlicher die Struktur von Schichtlehm, bzw. Ziegel und Medium ist, desto besser lassen sich die Befunde erkennen und herauspräparieren (Hrouda, 1983, S.62ff.).

Auch über die Quellenlage in der Ethnologie ist in dem Abschnitt über den Forschungsstand schon viel gesagt worden. Aufgrund anders gelagerter Fragestellungen sind die Dokumentationen von rezenten Lehmbautechniken meist nur fragmentarisch. Andererseits gibt es einige wenige sehr präzise Publikationen, die sich der Bautechnik in einzelnen Fallstudien ausführlich widmen

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(z.B. Adam: 'Wohn- und Siedlungsformen im Süden Marokkos. Funktion , Konstruktion und Gestalt', 1981).

In Kapitel III.1. werden verschiedene theoretische Herangehensweisen an das Forschungsproblem erläutert. Da diese verschiedenen Ansätze meist nur einen Aspekt bzw. eine hierarchische Schicht (Eilenberg, 1990, S.73) des komplexen Raum- und Architekturphänomens behandeln und dementsprechend zugeschnitten sind, werde ich mich im Sinne einer ganzheitlichen Perspektive keinem dieser Ansätze grundsätzlich anschließen, sondern mich ihrer, der Zweckdienlichkeit der Fragestellung entsprechend, im Folgenden in Form komplementärer und holistischer Beschreibungen bedienen (Fürstenberg, 1972, S.71; Primas, 1993, S.90 ff.). In diesem Zusammenhang ist Bordieus Konzept vom Habitus als ganzheitlichem Vermittler zwischen der Struktur und der Praxis ein sehr gut anwendbares Werkzeug (Bourdieu, 1970, S.125 ff.). In Kapitel III.2. wird auf verschiedene verhaltens- biologische Aspekte des Wohnens eingegangen und die grundsätzlichen Anforderungen eines Menschen an seine Behausung untersucht.

Die bautechnischen Quellen beschränken sich, da die Lehmarchitektur bis in die 60er Jahre als minderwertig galt (Rudofski, 1985, S.89), auf wenige praktische Ratgeber für den Eigenbau, wie die Bücher von Nader Khalili (1986) und Gregor McHenry (1985). Um sie als Referenzmaterial für archäologische Bauten zu benutzen, sind sie nur begrenzt geeignet, da sie sich meist auf eine bestimmte Technik konzentrieren, die sich bereits vieler moderner Hilfsmittel und Werkstoffe bedient, wie z.B. mechanische Ziegelpressen, Beton, Asphaltemulsion etc. Große Teile dieser Bücher widmen sich auch den modernen Problemen wie der Installation von Stromkabeln, Wasserrohren und bürokratischen Abwicklungen, die für eine archäologische Auswertung irrelevant sind. Auf die Quellenlage bezüglich einer kulturellen Interpretation des Raumes bin ich ebenfalls schon im Abschnitt I.3. eingegangen. Die für eine Übertragung notwendigen Regelmäßigkeiten sind in der Ethnologie kein relevantes Thema aufgrund einer gänzlich anders gelagerten Forschungsproblematik (Geertz, 1987/99, S.9ff., S.25). Die Ethnoarchäologie bietet sich zwar von ihrer methodischen Ausrichtung an, die entsprechenden Untersuchungen wurden bislang aber nicht unternommen. Zwar werden bezüglich der Jäger- und Sammlerkulturen mittlerweile verschiedene Beobachtungen zu übertragbaren behavioristischen Regeln verdichtet, im Falle der neolithischen Kulturerscheinungen werden aber nach wie vor nur Analogien gesucht und gesammelt, die isoliert voneinander stehen bleiben (David & Kramer, 2001, S.259). Die meisten Anhaltspunkte bezüglich der Zusammenhänge von Kultur und Raum habe ich also aus Beobachtungen gezogen, die eher als Nebenprodukte der Beobachtung in ethnologische, ethnographische und ethnoarchäologische Publikationen geraten sind oder die als erläuternder Präzedenzfall den theoretischen Abhandlungen der Environmental Behavior Studies beigefügt sind. Eine ideale Quellenlage wäre nur mittels eines längerfristigen interdisziplinären Projekts zu erschließen, das gezielt seine Fragestellungen an verschiedene aktuelle Feldforschungs- und Ausgrabungsprojekte heranträgt.

In dem Kapitel III.3. werden im Sinne des aktualistischen Vergleiches (Ziegert, 1994, S.177 ff.) bzw. Schiffers Verhaltensarchäologischer Strategie Nr.2 (Schiffer,1976/1995, S.69,70) die Zusammenhänge von Raum, Sozio-Ökonomie und kosmologischer Vorstellung anhand von ethnologischen Case Studies und ethnoarchäologischem Material untersucht, mit dem Ziel, kulturübergreifende, also für die Archäologie verwendbare Regeln bzw. Wahrscheinlichkeiten abzuleiten (Schiffer, 1975/1995. S.46 ff; Hillier, 1996, S.5). Abschließend sollen die Ergebnisse der Abschnitte III.1. bis III.3. in Form einer Arbeitshypothese zu Modellen habitueller Raumorganisationstypen zusammengefaßt werden und deren Übertragbarkeit auf archäologische Kontexte diskutiert werden. Im Fundortkatalog IV. werden verschiedene Fundorte anhand der bislang erarbeiteten Ergebnisse beschrieben, interpretiert und ihre jeweiligen formalen und kulturellen Aspekte den in Kapitel III.4. gebildeten Modellen zugewiesen. Im Abschnitt V sollen zunächst in Kapitel V.1. die formalen Aspekte der neolithischen Lehmarchitektur in ihrer zeitlichen und räumlichen Verbreitung in Form von Verbreitungskarten erfaßt werden und die jeweiligen Korrelationen und Abhängigkeiten der Merkmale untereinander mittels der vergleichenden archäologisch-geographischen Methode untersucht werden (Eggers, 1986, S. 295). Dabei wird eine zu diesem Zweck angefertigte Datenbank verwendet. Die aus dieser Untersuchung resultierenden Signifikanzen sollen in Kapitel V.2. mit den räumlichen und zeitlichen Verbreitungen der Raumorganisationsmodelle verglichen werden. An diesem Punkt soll entsprechend Schiffers verhaltens- archäologischer Strategie Nr. 3 auf die Umstände und Vorgänge kulturellen Wandels und die Abfolge der Veränderungen der einzelnen Merkmale näher eingegangen werden (Schiffer, 1976/1995, S.72). Zudem sollen in einer Zusammenfassung mögliche Entwicklungslinien und Traditionskreise des architektonischen Raums dargestellt werden.

I. 5. Methodischer Ansatz Der erste Teil der Untersuchung, Abschnitt II, widmet sich den technischen und formalen Aspekten der Lehmarchitektur, sowie deren unmittelbarer Einbindung in ökonomische Prozesse. Dabei wird vor allem auf ethnographisches Material sowie bautechnische Publikationen zurückgegriffen. Der Abschnitt III hat eine induktive Modellbildung zum Ziel. Zunächst werden die theoretischen Ansätze diskutiert und menschliche Voraussetzungen und Grundbedürfnisse bezüglich der Architektur untersucht.

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Anschließend sollen diese Ergebnisse in Kapitel V.3. mit den üblichen keramischen Kulturkreisen und deren Abfolge verglichen werden und die Frage nach der Relevanz von Architektur und Keramik bezüglich der kulturellen Identität und Kontinuität diskutiert werden. Nach einem darauf folgenden Abgleich der kulturellen Phänomene mit den umweltbedingten Determinanten in Abschnitt V.4. soll in VI eine induktive Hypothesenbildung über die Zusammenhänge der Entwicklung der Lehmarchitektur und der Entwicklung des kulturellen Raumes stattfinden. Die Ergebnisse werden in Kapitel VI.1. als regelhafte Ableitungen formuliert und in VI.2. in Form einer geschichtlichen Aufarbeitung der untersuchten Phänomene zusammengefaßt.

weisen. Er gilt als feuerbeständig und hat eine Wärmeleitzahl von 0,80 kcal/mh0 (Sieber, 1988, S.51). Er eignet sich ideal für die Stampflehmbauweise. Wegen der groben, steinigen Einschlüsse ist er für die meisten anderen Bautechniken ungeeignet (Striedter, 1990, S.162, 163). 2. Massivlehm: Als solchen bezeichnet man sandigen Lehm mit geringen Faserzuschlägen. Er hat ein Raumgewicht von über 1700 kg pro Kubikmeter. Seine Druckfestigkeit liegt unter 3 kg/cm2, er ist also weniger stabil als der Schwerlehm, seine Wärmeleitzahl ist mit 0,80 kcal/mh0 aber genauso hoch. Auch er gilt als feuerbeständig (Sieber, 1988, S.51). Dieses Ausgangsmaterial eignet sich besonders für den aufgehäuften Lagenlehmbau, auch Chineh (Khalili, 1986, S.99), den gepackten Lagenlehm, auch Zabur, Protoziegel- oder „Lehmbrotebau“ genannt (Wright, 1983, S.21) und die Herstellung von Lehmziegeln (Khalili, 1986, S.71, 82; Sieber, 1988, S.67; Adam, 1981, S.69).

In Abschnitt VII wird die in VI gebildete Arbeitshypothese im Sinne der historisch-heuristischen Methode (Mommsen, 1961, S.79, 80) anhand ausgesuchter, beispielhafter Fundorte deduktiv und qualitativ überprüft, um statistische Unschärfen auszugleichen (Samson, 1990, S. 6 ff.), um die Anwendbarkeit der aus den Signifikanzen abgeleiteten Regeln zu ermitteln und um eine gegebenenfalls nötige Ergänzung, Neu- oder Umformulierung der Hypothesen aus Abschnitt VI zu erreichen. In Abschnitt VIII. sollen schließlich alle Ergebnisse bezüglich der eingangs formulierten Fragestellung zusammengefaßt werden, auf mögliche neue Forschungsprobleme, sowie weiterführende Perspektiven hingewiesen werden.

3. Faserlehm: Dieser Baustoff wird aus meist feinsandigem Lehm gewonnen, der mit reichlich faserigem Zuschlag wie Heu oder Stroh vermengt wird. Sein Raumgewicht liegt zwischen 1200 und 1700 kg pro Kubikmeter. Seine Druckbelastbarkeit liegt unter 2,5 kg/cm2 und er kann nur als bedingt feuerbeständig gelten. Diese Eigenschaft ist abhängig von dem Verhältnis Lehm/Faserstoff. Mit einer Wärmeleitzahl von 0,40 kcal/mh0 weist er eine doppelt so gute Wärmeisolation auf, als die beiden vorangegangenen Lehme. Dieses Baumaterial eignet sich für fast alle Bautechniken (Sieber, 1988, S.51).

II. Technische, formale und funktionale Aspekte der Lehmarchitektur

4. Leichtlehm: Von einem solchen Material spricht man, wenn es vorwiegend aus Faserstoffen besteht, die mit sehr fetten Lehmen oder Tonen gebunden werden. Der Leichtlehm hat ein Raumgewicht von unter 1200 kg pro Kubikmeter und eine Wärmeleitzahl von 0,20 kcal/mh0, also noch einmal doppelt so isolierend wie der Faserlehm. Allerdings gilt er, nach DIN nicht mehr als feuerbeständig (Sieber, 1988, S.51). Wegen seiner geringen Druckbelastbarkeit eignet er sich nur für die Herstellung wenig beanspruchter Lehmziegel (Striedter, 1990, S.163), oder den Lehmwellerbau mit dem meist nur einstöckige Gebäude, z.B. Ställe oder Umfriedungen, errichtet werden (Heese-Greve, 1983, S.67).

II.1. Die allgemeinen Eigenschaften des Baustoffes und der Lehmbautechniken Bevor ich die Lehmbautechniken im einzelnen erläutern werde, möchte ich auf einige allgemeine Eigenschaften des Baustoffs und auf einige Merkmale, die für alle Lehmbauten unabhängig von der jeweiligen Bautechnik charakteristisch sind, eingehen. Für einen guten Wohnkomfort sorgen in erster Linie die sehr guten schallisolierenden Eigenschaften von Lehmwänden (Heese-Greve, 1983, S.13), sowie ihr günstiger Einfluß auf das Wohnklima. Prof. Gernot Minke vom Münchner Institut für Bauforschung kontrollierte während eines ganzen Jahres die Luftfeuchtigkeit in seinem eigenen aus Lehm gebauten Haus und ermittelte einen von der Wetterlage unabhängigen, konstanten Wert von 50% +/-5% (Jendreyko, 1996, NDR-Prisma).

Für Faser- und Leichtlehmbau sind im Vorderen Orient die Sommermonate die bevorzugte Bauzeit: Es steht reichlich trockenes Stroh zur Verfügung und die jeweiligen Lagen können, ungefährdet von starken Regen, in Ruhe trocknen (Watson, 1979, S.191). Die Isolierfähigkeit des Materials, die sich an der Wärmeleitzahl ablesen läßt, wobei eine niedrige Wärmeleitzahl für eine gute Isolierung steht, eine hohe für schlechte Isolierung bei gegenproportional ansteigender Wärmespeicherfähigkeit, ist von großer Bedeutung in Bezug auf die klimatische Anpassung eines Gebäudes. Denn eine gleichbleibende Raumtemperatur ist ein sehr wichtiges Kriterium für den Wohnkomfort und wird von allen Menschen in gleichem Maße als angenehm empfunden (Lander & Niermann, 1980, S.19). In Gebieten mit konstanten Temperaturen oder jahreszeitlich be-

Andere Eigenschaften wie die Belastbarkeit oder die Wärmespeicherung und -abdämmung hängen weniger von der Bautechnik, als vielmehr von dem Baumaterial und seiner Aufbereitung ab. Nach der Deutschen Industrie Norm (DIN) wurden die Lehmsorten und ihre Aufbereitungszustände wie folgt unterteilt: 1. Schwerlehm: Er ist grobsandig bis steinig und hat ein Raumgewicht von über 2000 kg pro Kubikmeter. Mit 3 5 kg pro cm2 kann er die höchste Druckfestigkeit auf20

dingten, langsamen Temperatur- wechseln ist gut isolierendes Material von Vorteil. Bei Hitze kann der Innenraum, wenn er durch Beschattung und Ventilation kühl gehalten wird, von der höheren Außentemperatur abgeschirmt werden, bei lang- anhaltender Kälte geht keine im Innenraum erzeugte Wärme an die Außenluft verloren. Massive Wände würden sich schnell der Außentemperatur angleichen und das Raumklima wäre nicht mehr vom Menschen regulierbar (Givoni, 1969, S.307). Die Wahl des Baustoffes hat also einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die klimatische Anpassung (Endruweit, 1994, S.35). In Regionen mit trockenem Klima und starken Temperaturschwankungen bietet ein Baukörper mit hoher Wärmespeicherkapazität und entsprechend niedriger Isolierfähigkeit die besten Eigenschaften für eine thermophysikalische Anpassung des Wohnraumes (Wienand, 1983, S.22). Wände mit hoher Wärmespeicherkapazität wirken auf die Temperaturen innerhalb eines Hauses ausgleichend, da sie sowohl Wärme als auch Kälte aufnehmen und sie je nach Temperaturgefälle wieder abgeben, einen Raum also wärmen oder abkühlen können. So werden starke Temperaturschwankungen kompensiert (Endruweit, 1994, S.35). Je größer der Abstand der Extremwerte der Temperatur ist, desto wichtiger wird auch die Speicherkapazität eines Baukörpers (Givoni, 1969, S.299). Die Speicherkapazität hängt aber nicht nur von dem Baumaterial ab, sondern genauso von dem Volumen einer Struktur (Lander, Niermann, 1980, S.19). Aus diesem Grunde ist zu beobachten, daß Wüstenhäusern auf der ganzen Welt mächtige Mauern zu eigen sind (Greenslaw, 1976, S.8). Tagsüber wird die Außenseite der Gebäude durch heiße Außenluft und Sonneneinstrahlung stark erwärmt. Oberflächentemperaturen bis zu 80°C sind z.B. in Marokko nicht ungewöhnlich (Lander & Niermann, 1980, S.20). Ist die Speicherkapazität der äußeren Schichten überschritten, wird die Wärme weiter nach innen abgegeben. Die Geschwindigkeit, mit der das passiert, hängt von der Wärmeleitzahl ab. Mit zunehmender Strecke, die der Wärmefluß durch die Wand zurücklegt, nimmt die Temperatur ab. Dadurch entsteht ein Temperaturgefälle von der Außen- zur Innenfläche der Wand. Nachdem die Außenseite ihre höchste Temperatur erreicht hat, was zwischen dem 30. und 35. Breitengrad etwa um 16 Uhr der Fall ist, kehrt sich der Prozeß um. Die Außenluft kühlt ab, und zunächst fließt die Hitze in der Wand in beide Richtungen, der Innenraum wird also durch die Hitze des Tages, die langsam nach Innen vorgedrungen ist, noch nachts gewärmt; nach weiterer Abkühlung fließt sie aber nur noch in Richtung Außenluft (Lander & Niermann, 1980, S.19). Für das Innenklima bedeutet das in erster Linie, daß die Innenseiten von Gebäuden generell von weniger Wärme erreicht werden als die Außenseiten, und daß der Wärmefluß, je größer die Strecke, die er zurücklegen muß, sich um so schwächer auf der Innenseite eines Gebäudes bemerkbar macht (Endruweit, 1994, S.31). Je dünner eine Wand ist, desto kürzer ist die Verzögerung, mit der die Außenwärme die Innenseite erreicht, und desto schneller paßt sich die gesamte Masse einer Wand der Außentemperatur an. Im Inneren eines Gebäudes mit dünnen Mauern kann es also schon nach kurzer Zeit keinen Wärmefluß von warmer Raumluft und Körperwärme des Menschen zu der Innenseite der Mauern ge-

ben, der klimatisierend und kühlend wirken könnte (Lander & Niermann, 1980, S.19,20). Um eine bestmögliche Kontrolle über den jeweils gewünschten Wärmefluß zu haben, der ausgleichend auf die Temperaturamplitude im Gebäudeinneren wirkt, ist also die zeitliche Verzögerung, mit der die Außenwärme durch eine Wand dringt, von großer Bedeutung (Endruweit, 1994, S.35). Dabei gilt natürlich: Je stärker die Mauer, desto größer die Verzögerung. Die ideale Zeit, in der die Wärme eine Wand durchdringen sollte, um die Temperaturschwankungen auszugleichen, sollte zwischen 8 bis 12 Stunden liegen, so daß sie gerade dann auf der Innenseite austritt, wenn die Temperatur der Außenluft ihren niedrigsten Stand hat, nämlich in der Zeit zwischen 3 Uhr und Sonnenaufgang (Lander & Niermann, 1980, S.19). Endruweit stellte bei einer Untersuchung in Ägypten genaue Messungen über das Verhältnis von Mauerstärke und Zeitverzögerung der Wärmeamplitude von Innen- und Außentemperatur an. Die Ziegelbreite, mit der gerechnet wurde, beträgt 33 cm. An dem Kurvenverlauf einer halbziegeligen Mauer sieht man deutlich eine Verzögerung von etwa 5 Stunden. Das Temperaturmaximum im Innenraum wird also schon um 21:00 abends erreicht, danach sinken die Temperaturen wieder rapide. Da die nur 15 cm starke Wand eine geringe Speicherkapazität hat, der Wärmefluß nur eine sehr geringe Strecke zurücklegen muß und nach Innen hin nur in geringem Maße abnehmen kann, die Wand die Außentemperaturschwankungen also nur geringfügig kompensieren kann, herrschen im Innenraum am Abend fast dieselben extremen Wärmeverhältnisse wie außerhalb des Hauses am heißen Nachmittag. Bei einer anderthalbziegeligen Mauer sind die Extremwerte der Amplitude eindeutig abgemildert und bieten bereits ein annehmbares Wohnklima, aber das Maximum des Wärmeaustritts auf der Innenseite der Wand fällt in denselben Zeitraum, in dem sich die Außentemperatur schon wieder steigert. Eine erwünschte gegenläufige Amplitude, die tagsüber einen kühlenden Wärmefluß im Innenraum zu der Wand hin und nachts von der Wand zur kühleren Luft bewirkt, tritt nur bei einziegelig gemauerten Gebäuden auf. In ihnen erreicht die Innenwand fast zeitgleich mit der niedrigsten Außentemperatur ihr Wärmemaximum, und am glühend heißen Nachmittag ist sie am kühlsten. Dadurch wärmt sie in der Nacht und kühlt am Tag. Eine Wandstärke zwischen 30 und 40 cm erscheint also ideal, um eine ausgewogene Temperaturregulierung zu erzielen. Leider war nicht festzustellen, aus was für einem Material die betreffenden Ziegel hergestellt waren, deshalb können diese Daten nur mit großer Vorsicht auf andere Bauten übertragen werden, da die Geschwindigkeit des Wärmeflusses von der Dichte bzw. der Wärmeleitzahl des Baumaterials abhängt (s.o.) (Lander & Niermann, 1980; Sieber, 1988, S.51). Diese Ergebnisse können bei Befunden in wüstenartigem Klima möglicherweise helfen, die Wohngebäude von Sekundärbauten zu unterscheiden, in denen kein Wohnklima herrschen muß und man sie deshalb auch mit dünneren Wänden bauen kann. Neben den Außenmauern können aber auch Bauelemente im Hausinneren genutzt werden, um auf das Klima einzuwirken.

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Abb.1 Wärmeamplitude im Laufe eines Tages; Außentemperatur und Innentemperatur von "Amarna-Häusern" mit verschiedenen Mauerstärken (nach Endruweit, 1994, S.43) " Internal walls and floors with high heat capacities can be used to moderate internal temperatures further, as they will admit heat as the internal air temperature begins to rise. A small increase in a wall temperature will result, avoiding a much larger increase in air temperature, since the volumetric specific heat of a masonry-wall will be a hundred times greater than the volumetric specific heat of air." (Evans, 1980, S.101)

Man muß allerdings immer bedenken, daß nicht nur das Klima allein Determinante für Wandstärken sein muß. Zwar können massige Wände moderierend auf das Innenklima wirken, aber genauso können sie durch aufgesetzte Obergeschosse statisch legitimiert sein. Ebenso können sie durch ihre Funktion als Verteidigungsanlagen ihre Berechtigung haben. Neben diesen pragmatischen Bedeutungen muß auch noch die symbolische Bedeutung berücksichtigt werden. Dicke Mauern können eben so gut Macht und materiellen Reichtum zur Schau stellen. Diese Aspekte werden in der Tempelarchitektur mit Sicherheit eine große Rolle gespielt haben (Endruweit, 1994, S.15).

Je größer also die Mauermasse innerhalb eines umbauten Raumes ist, desto besser können Hitze und Kälte absorbiert und Temperaturschwankungen ausgeglichen werden. Wie groß diese Auswirkungen allerdings in Zahlen sind, ist bislang noch nicht untersucht worden und die unzähligen Faktoren, die bei einer solchen Untersuchung berücksichtigt werden müßten, machen es sehr schwer, die Auswirkung zu überschlagen. Lediglich die Tendenz ist klar, daß sich sehr dicke Innenwände positiv auf das Innenklima in Gegenden mit extremen Temperaturamplituden auswirken. Sie müssen keinerlei statische Bedeutung haben (Endruweit, 1994, S.45, 46).

Zu den Schwierigkeiten, Lehmbauten und ihre Bautechniken im archäologischen Befund zu erkennen und bestimmen (siehe Kap.I.4.), tritt für den Archäologen noch erschwerend hinzu, daß es oft üblich ist, verschiedene Bautechniken miteinander zu vermischen, um deren jeweilige Vorteile miteinander zu kombinieren. Aus Nordafrika sind viele Beispiele von der Verwendung von

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Ziegelmauerwerk und Stampferde in einem Gebäude bekannt (siehe Abbildung 1). Die unteren Gebäudeteile werden sowohl bei den südmarokkanischen Ksar-Häusern (Adam, 1983, S.185, 186), als auch bei den nordmarokkanischen Bauernhäusern des Rif (Striedter, 1990, S.159) aus Stampflehm gebaut. Sowohl Bautechnik als auch das verwendete Material werden den jeweiligen Anforderungen entsprechend angewendet. Der Stampflehm wird aus schwererem Material hergestellt, das stark mit Steineinschlüssen durchsetzt ist; deshalb hat er eine sehr hohe Druckfestigkeit (Adam, 1983, S.185). Der obere Gebäudeteil wird üblicherweise aus Lehmziegeln aufgemauert, die sich viel leichter in die Höhe transportieren und handhaben lassen, als der schwere, noch feuchte Lehm. Außerdem sind sie für gewöhnlich aus leichterem Baustoff gefertigt, wodurch die Last, die auf die unteren Gebäudeteile wirkt, verringert wird; ihnen wird reichlich Stroh, Gras oder Spreu beigemischt (Striedter, 1990, S.163), was ihr Gewicht um die Hälfte gegenüber dem Material des Stampflehms reduzieren kann (Sieber, 1988, S.52). Die marokkanischen Tighrematin und Khasbas sind manchmal bis zu einer Höhe von 8m aus Stampflehm gebaut, erst darüber wird gemauert (Striedter, 1990, Abb.19; Adam, 1983, S.156) (siehe Abb. 2). Bei den jemenitischen Wohntürmen, die bis zu sieben Stockwerken hoch aufragen, wird nur die ornamentierte Mauerkrone aus Ziegelwerk errichtet (Wright, 1983, S.118). Diese Kombination wird aber nicht nur bei besonders hohen Gebäuden, sondern auch bei den einstöckigen Rif-Häusern Nordmarokkos genutzt (Striedter, 1990, S.159). Es spielen also nicht nur Fragen der Statik und der Handhabung eine Rolle, sondern auch traditionelle und ästhetische Gründe. Bei den Natioro in Burkina Faso werden mitunter sogar gebrannte Tongefäße in Wandverbände aus Lehm Lagenweise eingefügt, die keinerlei bautechnischen Sinn haben (Haselberger, 1964, S.62). Andere Ursachen für die Vermischung mehrerer Techniken können auch akute, bautechnische Mängel sein, die auf diese Art behoben werden sollen, wie z.B. in Ganj Dareh Tepe, wo Lücken im Mauergefüge, die durch die Verwendung übergroßer Ziegel entstanden, mit Schichtlehm geschlossen wurden (Mellaart, 1975, S.77). Auch können Reparaturarbeiten ähnliche Erscheinungen in einem Lehmziegelgefüge verursachen. Oft mag sich der Aufwand, neue Ziegel herzustellen, gerade bei kleineren Schäden nicht lohnen, so daß die Schäden mit frischem Lehm behoben werden, der feucht und noch plastisch in die schadhaften Bereiche eingebracht wird. Es gibt aber auch gegenteilige Beispiele: Im Jemen, wo die Häuser aus gepacktem Lagenlehm bestehen, werden gerne sonst selten verwendete, kleinformatige Lehmziegel für Reparaturarbeiten benutzt. Das geschieht jedoch vorwiegend in städtischen Siedlungen, wo man die Ziegel bei Handwerkern kaufen kann und nicht selber herstellen muß (Wright, 1983, S.120). Die Erhaltungsdauer von Lehmhäusern ist in erster Linie davon abhängig, wie gut die Bausubstanz gepflegt wird. Bei regelmäßiger Neuver-

putzung und sorgfältiger Reparatur kleiner Schäden können Lehmhäuser über 100 Jahre alt werden, in einigen Fällen können sie in trockenen Klimata sogar bis zu 500 Jahre überstehen (Heese-Greve, 1983, S.119ff.). Sobald die Häuser aber nicht mehr gepflegt werden und mit einer gewissen Niederschlagsmenge zu rechnen ist, verfällt die Bausubstanz rapide. Vor allem Dächer aus Lehm, wie z.B. Flachdächer, sind sehr pflegebedürftig und fallen schnell der Erosion anheim (Schachner, 1999, S.33). In regenreicheren Gebieten, wie in dem tropischfeuchten Westafrika, verfallen Lehmhäuser, die nicht mehr gewartet werden, binnen 6 bis 7 Jahren (McIntosh, 1974, S.154ff.). Auch in sehr trockenen Klimata mit wenig Niederschlag, der dafür als Sturzregen fällt, können Lehmhäuser im in kürzester Zeit unbewohnbar werden. Diana Kirkbride beobachtete bei ihren Ausgrabungen von Umm Dabaghiyah, wie große Bevölkerungsteile nach starken Wolkenbrüchen ihre Häuser aufgaben und die Gegend verließen (Kirkbride, 1972, S.4). In der Tat scheint die Restaurierung eines Lehmgebäudes erheblich mehr Sachkenntnis und handwerkliche Fähigkeiten sowie zeitlichen Aufwand zu erfordern als der Bau eines neuen Hauses. Der Architekt und Bautechniker McHenry rät in seinem Handbuch 'Adobe - Build it Yourself' dringendst von dem Vorhaben ab, alte Lehmziegelhäuser für Wohnzwecke zu restaurieren, weil eine solche Arbeit mehr Zeit und Geld verschlingen würde als ein kompletter Neubau (McHenry, 1985, S.146). Dieser Umstand kann durchaus bei der Interpretation von Bauhorizonten und Tell-Stratigraphien von Bedeutung sein. Gemildert wird die Anfälligkeit des Materials durch dessen leichte Handhabung. Wie schon in der Einleitung deutlich gemacht, ist Lehm ein ideales Baumaterial für bautechnische Laien, da es Fehler verzeiht und kaum eine falsche Behandlung des Baustoffes nicht wieder gut zu machen ist (McHenry, 1985, S.IX). Wie das Hamburger Projekt Bunte Kuh e.V. zeigt, ist es sogar möglich, schlichte Lehmkonstruktionen von Kindern unter geringfügiger Anleitung bauen zu lassen (Nepomuk Derksen, persönl. Mitteilung). Dadurch wird Familien ermöglicht, ihre Häuser ohne die Hilfe von Spezialisten zu bauen. Jedes Mitglied einer Gemeinschaft kann seinen auch noch so kleinen Beitrag beim Hausbau leisten. Bauhandwerker werden lediglich benötigt, wenn eine Gesellschaft stark differenziert und spezialisiert ist und sich nicht jeder Einzelne um seine eigenen vier Wände kümmern kann, oder es aufgrund von Prestigeverlust vermeidet, selbst Hand anzulegen, oder die Architektur schon so stark verfeinert ist, daß das bautechnische Allgemeinwissen eines Laien, welches er durch die Tradierung in der Familie erlernt hat, nicht mehr ausreicht, um solche Arbeiten sachgemäß auszuführen (FiedermutzLaun, 1990, S.20).

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Abb. 2

Marokkanische Khasba, im unteren Bereich aus Stampflehm, im oberen aus Ziegeln errichtet (Striedter, 1990, Ab.19)

2.1.1. Die Stampflehmtechnik

werden Lehmschichten von maximal 20 cm eingebracht, idealerweise nur 10 cm - 12 cm (Reimann, Merkblatt, 1947), die anschließend mit schweren Stampf- werkzeugen auf zwei Drittel ihrer vorherigen Höhe komprimiert werden (Heese-Greve, 1983, S.58; Khalili, 1986, S.95). Das Material darf nur erdfeucht verwendet, also nicht mit Wasser aufbereitet werden, wie es bei den meisten anderen Techniken die Regel ist (Lander & Niermann, 1980, S.26). Andernfalls entsteht beim Einstampfen eine breiige Masse, die sich nicht wirklich komprimieren läßt, an dem Stampfwerkzeug kleben bleibt und zudem bei dem späteren Trocknungsprozeß durch Schrumpfung Risse entstehen läßt (Reimann, 1947, Merkblatt; Stiedter, 1990, S.163). Werden die Schichten dicker aufgetragen, kann bei dem Stampfen nur noch die Oberfläche der jeweiligen Lage komprimiert werden. Die Druckfestigkeit des späteren Wandgefüges kann dadurch bis zu 40% unter der eines vollständig komprimierten Gefüges liegen (Heese-Greve, 1983, S.236).

Der Stampflehm oder Pisé wird mit Hilfe einer hölzernen Schalung hergestellt. Dabei handelt es sich in der Regel um „Kletter-“ oder „Gleitschalungen“, die entfernt und versetzt werden, sobald ein Wandstück fertiggestellt ist (Endruweit, 1994, S.33). Diese Technik ist auch noch heute selbst in Gegenden, in denen genügend anderes Baumaterial vorhanden ist, weit verbreitet. In Marokko ist der Stampflehmbau trotz ausreichendem Gesteinsvorkommen die meist genutzte Technik (Striedter, 1990, S.162), auch im sehr waldreichen Buthan wird für tragende Elemente gerne auf Stampflehm zurückgegriffen, obwohl Bauholz und Stein reichlich zur Verfügung steht (Gerner, 1987, S.117). Die Gleitschalungen, die heutzutage in Marokko üblich sind, haben Höhen- und Längenmaße von 50 cm x 150 cm bis zu 100 cm x 200 cm. Ihre Tiefe wird je nach Bedarf zwischen 40 cm und 80 cm variiert (Adam, 1981, S.68; Lander & Niermann, S.26). In die Schalungen

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Abb. 3 Verschalung für den Pisé-Bau, Marokko (Adam, 1981, S.68)

horizontal voran zu bewegen. Dadurch wird verhindert, daß einzelne Elemente dem Druck, der von oben auf sie einwirkt, zu den Seiten hin nachgeben und auseinander brechen. Baut man horizontal, wird der Druck immer von der gesamten Mauermasse, auf der die Schalung ruht, aufgefangen (Reimann, 1947, Merkblatt). Bei warmem und trockenem Klima kann eine Verschalung, an der üblicherweise zwei Männer arbeiten, bis zu zehn mal versetzt werden. Bei einer Schalungsgröße von durchschnittlich 90 x 180 cm ergibt das eine beachtliche Tagesleistung von ca. 16qm Wandfläche (Adam, 1981, S.68, 69). Es kann also sehr schnell gearbeitet werden. Eine Spezialisierung ist für diese Bautechnik nicht notwendig. In Marokko besorgt jeder Haushalt seine Bauarbeiten selbst, nur bei größeren Vorhaben wird ein 'Fachmann' herangezogen, der in der Regel auch nur ein Nachbar oder Bekannter ist, der ein besonderes Geschick als Baumeister bewiesen hat und über Erfahrung verfügt, doch keineswegs ein Bautechniker oder Architekt aus Profession ist. Da keine Trocknungszeiten notwendig sind, ist die Bautechnik besonders für feuchte Regionen geeignet. Ziegel brauchen lange Trocknungsphasen, bevor sie verwendet werden können, und bei anderen Schichtlehmtechniken (s.u.) müssen die Lagen erst ganz durchgetrocknet sein, bevor auf ihnen weitergebaut werden kann (McHenry, 1985, S.3,4; Khalili, 1986, S.96). Außerdem scheinen Stampflehmwände wegen ihrer hohen Dichte und Homogenität besonders regenresistent zu sein (Lander & Niermann, 1980, S.26). Belege dafür sind Stampflehmbauten in regenreichen Gebieten wie im Monsun-Gebiet Buthan, den nördlichen USA und Weilburg an der Lahn in Deutschland (Gerner, 1987, S.116ff.; McHenry, 1985, S.3ff.; Sieber, 1988, S.8ff.).

Abb. 4 Stampflehmbau mit Gleitschalung in Marokko (Striedter, 1990, Abb.18) Nachdem der Leerraum der Schalung mit komprimierten Schichten angefüllt ist, kann sie sofort entfernt und um eine Länge versetzt werden (Lander & Niermann, 1980, S.26). Eine Trockenphase ist wegen der starken Verfestigung des Lehms durch das Stampfen und das schwere Material, das nur erdfeucht verarbeitet wird, nicht notwendig. Es wird jedoch empfohlen, nicht jeweils ein Gebäudeteil in die Höhe zu bauen, sondern sich erst

Als Baumaterial kommt fast jeder lehmige, humusfreie Erdboden in Frage (Striedter, 1990, S.163). Im besten Fall sollte er steinig sein, dadurch wird die durch die Komprimierung bereits hohe Druckfestigkeit noch erhöht (Sieber, 1988, S.51).

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Außerdem haben die Wände durch die Verdichtung und das verwendete schwere Baumaterial eine sehr hohe Wärmespeicherkapazität, was sie besonders für Klimata mit starken Temperaturschwankungen geeignet macht. Die so entstandenen Wände sind äußerst stabil und sehr lange haltbar. Mit keiner anderen Lehmbautechnik kann man Gefüge mit einer ähnlich hohen Druckfestigkeit bauen. In Marokko entstehen so Khasbas von bis zu 5 Stockwerken (Lander, Niermann, 1980, S.26). Im Buthan werden alle tragenden Teile der bis zu dreistöckigen Häuser aus Stampflehm errichtet, nur die Außenwände, auf denen kein Gewicht ruht, und die Obergeschosse werden aus Holzfachwerk mit Lehm- und Steinausfachung gebaut (Gerner, 1987, S.117). Aus Weilburg an der Lahn, wo seit langer Zeit eine lokale Lehmbautradition erhalten ist, stammt folgender Bericht: Als der Dachstuhl eines sechsstöckigen Stampflehmhauses aufgebracht wurde, lösten sich durch die starken Erschütterungen der Zimmermannsarbeit einige Brocken einer Wand im Erdgeschoß. Es zeigte sich, daß die Wände nur wenige Zentimeter abgetrocknet waren und dennoch alle Bauarbeiten an den darüber folgenden 5 Stockwerken im feuchten Zustand getragen hatten. Das Haus, Baujahr 1830, steht auch heute noch unversehrt. In einem anderen Haus desselben Baujahres versuchten die Eigentümer eine Wand zu durchbrechen und mußten feststellen, daß die tragenden Teile des Erdgeschosses „Betoncharakter“ hatten (Sieber, 1988, S.8,12).

Zuschlag notwendig ist (Heese-Greve, 1983, S.64). Diese Bautechnik tritt in vielerlei Gestalten auf, die sich erheblich voneinander unterscheiden; dennoch ist eine Differenzierung schwierig. Aufgrund des amorphen Charakters des Baustoffes sind die Grenzen zwischen den einzelnen Varianten dieser Technik fließend und in der Literatur nur schwer auszumachen. Oft wird der Versuch einer Differenzierung gar nicht erst unternommen (Heese-Greve, 1983, S.64ff.), obwohl sich das Erscheinungsbild der Wandgefüge erheblich voneinander unterscheiden kann. Aus dem mir zur Verfügung stehenden Material habe ich versucht eine Kategorisierung zu erstellen, die sowohl den unterschiedlichen Aufbereitungs- und Bauvorgängen wie den verschiedenen Erscheinungsbildern gerecht werden soll. Der einfach geschichtete Lagenlehm (Tauf) Diese Bautechnik findet im Iran und Irak, besonders in der Region des Zagros-Gebirges, auch heute noch Verwendung. Als Baumaterial dient Faserlehm (s.o.). Daraus werden Schichten von 12 bis maximal 15 cm aufgetragen. Wegen der hohen Feuchtigkeit des Materials würden höhere Lagen zu den Seiten absacken, andererseits wird die Struktur der einzelnen Schichten sehr homogen. Jede aufgetragene Lage muß einige Tage trocknen, bevor eine neue aufgebracht werden kann. Um dem Wandgefüge eine bessere Statik zu geben, ist es üblich, die Schichten in ihrer horizontalen Breite nach oben hin zu verjüngen (Braidwood, 1983, S. 156; Gardi, 1973, S.57).

Im archäologischen Befund sind Stampflehmgebäude an folgenden Merkmalen zu erkennen:

Eine andere Möglichkeit, um den Halt zwischen den einzelnen Lagen zu verbessern, besteht darin, Rippen auf den Schichtoberflächen zu formen oder Stein- und Holzstifte in die Lagen einzufügen, die in die darüberliegenden Lagen hineinragen. In Afrika ist es üblich, daß sich die einzelnen Schichten überlappen (Fiedermutz-Laun, 1983, S.154; Heese-Greve, 1983, S.65; Gardi, 1973, S.57; Haselberger, 1964, S.61). Rezente Wände solcher Bauart aus Afrika und dem Irak variieren in ihrer Breite zwischen 45 und 30 cm (Heese-Greve, 1983, S.65).

- In der Wand sind die dünnen Schichten der einzelnen, komprimierten Lehmlagen zu erkennen. - Schalungsbretter können ihren Abdruck auf der Wandoberfläche hinterlassen haben. - Die Stampflehmblöcke, die der Größe der Schalung entsprechen, sollten sich deutlich abheben. - Das Material der Wände ist sehr homogen und extrem fest. - Die Hausformen müssen linear sein. Die Technik ist prädestiniert für einfache, 'monolithische' Formen. Rundbauten oder Kuppeln können nicht errichtet werden. - Möglicherweise lassen sich Standardmaße an den Gebäuden ausmachen, die mit einem Vielfachen der Schalungsgröße korrespondieren.

Mehrstöckiges Bauen scheint mit dieser lockeren Bautechnik nicht möglich zu sein. Sowohl in Afrika als auch im vorderasiatischen Bereich sind nur einstöckige TaufBauten dokumentiert (Gardi, 1973, S.57).

Den ebenfalls geschalten, gegossenen Lagenlehmbau möchte ich aufgrund mangelnder rezenter Beispiele und archäologischer Befunde nicht behandeln. Es ist lediglich ein Befund in Casas Grandes aus dem vorkolumbianischen Amerika bekannt. (Heese-Greve, 1983, S.66, 163) II.1.2. Der ungeschalte Lagenlehmbau Die einfachste Form des Bauens mit Lehm - nach Lander und Niermann (1980, S.24) die "Urkonstruktion des Lehmbaues" - ist der Lagenlehmbau, zu dem keinerlei Hilfsmittel außer einem Grabstock zum Aufbrechen des Bodens und zum Vermengen von Lehm und Wasser bzw.

Abb. 5 Verschiedene Lagenlehmgefüge

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Im archäologische Befund lassen sich Tauf-Wände an folgenden Merkmalen erkennen:

benötigt er sehr lange Trocknungszeiten zwischen dem Aufbringen der einzelnen Lagen, die bis zu 80 cm hoch sein können. Abschließend wird die Außenseite mit einem Spaten abgestochen, damit sie eine leidlich glatte Oberfläche erhält (Heese-Greve, 1983, S.67). Wegen seines Baumaterials ist der Lehmweller sehr gut isolierend und hat eine geringe Wärmespeicherkapazität, ist aber nur sehr wenig belastbar. Ein mehrgeschossiges Bauen ist mit dieser Technik unmöglich (Sieber, 1988, S.53).

- Lagen bis 15 cm - Die Lagenstruktur ist lockerer als beim Stampflehm und besteht aus homogenem Faserlehm. - Die Lagenoberflächen sind nicht ganz plan, z.T. gezielt unregelmäßig und verzahnt. - Die Wände weisen regelmäßig Schrumpfungsrisse auf (Heese-Greve, 1983, S.70) - Die Wandführung kann sowohl gebogen als auch linear sein. Aufgehäufte Lagenlehmtechniken (Chineh und Lehmweller) Die Trennlinie zwischen dem Tauf und dem Chineh ist schwer auszumachen. Im Grunde unterscheiden sie sich nur durch die unterschiedlichen Wasserbeimengungen, welche sich auf die Handhabung des Baustoffes auswirken und die mögliche Höhe der Lagen bestimmen. Besonders die Lagenlehmtechniken der Somba und Lobi lassen sich nur sehr schwer einer dieser beiden Techniken zuordnen. Sie bewegen sich in ihrer Schnittmenge (Fiedermutz-Laun, 1983, S.155; Gardi, 1973, S.57). Den Chineh kennzeichnet vor allem seine schlichte, grobe Ausführung: Erde wird umgegraben, mit Wasser und eventuellen Zuschlägen vermengt und wird ohne die sonst übliche Ruhezeit von mindestens einer Nacht mit Schaufel oder Forke zu 40 - 50 cm hohen Schichten aufgehäuft (Khalili, 1986, S.74; Heese-Greve, 1983, S.25 ; Watson, 1979, S.191; Gardi, 1973, S.53). Wie bei den meisten Lehmbautechniken sind zwei Mann beteiligt: einer befördert den Baustoff auf die Wand, der andere bringt ihn in Form. Die so entstandenen Wände sind schnell gebaut und durch das verwendete, meist nicht aufgearbeitete schwere Material sehr druckfest (Sieber, 1988, S51), allerdings auch unansehnlich. Deshalb wird der Chinehbau meist nur für Umfriedungen oder Sekundärgebäude wie Stallungen, Schuppen oder Basarstände genutzt. Im letzteren Fall wird ihnen gerne eine Lehmziegelkuppel aufgesetzt (Khalili, 1986, S.99, 100, 103). Um die statische Belastbarkeit der Ecken der Gebäude zu erhöhen, werden im Iran die einzelnen Lagen im Stile von Blockhäusern miteinander verzahnt. Dort wird der Chineh-Bau auch für gewöhnliche Wohnbauten, allerdings fundamentiert, verwendet. Zudem ist es üblich, daß sich wohlhabende Leute prestigehalber einen „Bauspezialisten“ anheuern, der die im Grunde anspruchslose Arbeit für sie ausführt. Der komplette Anbau eines Wohnzimmers von ca. 20 m2 dauert, wenn er von solch einem einzelnen Arbeiter ausgeführt wird, ca. einen Monat (Watson, 1979, S.120, 191). Zu dieser Arbeit sind vermutlich auch das Fundamentieren, Verputzen und Tünchen der Wände gerechnet worden.

Abb. 6 Chineh-Bau, Iran (Khalili, 1986, S. 99) Diese Bautechnik ist für warmfeuchte Gebiete weitgehend ungeeignet, da das Stroh einerseits leicht anfängt zu faulen, es andererseits Insekten und anderem Ungeziefer Nistraum bietet (Khalili, 1986, S.65). Da er durch den hohen Strohanteil gute isolierende und wasserabweisende Eigenschaften auch ohne Verputz bietet (Heese-Greve, 1983, S.68), eignet er sich gut als Baumaterial für gemäßigte Klimazonen, in denen es im Winter friert, und die Insekten auf natürliche Art dezimiert werden. So werden z.B. im ländlichen Bereich um Leipzig (eigene Beobachtungen in der Gemeinde Krippena) Lehmwellerbauten als Schuppen und Hühnerställe benutzt. In der ethnologischen oder archäologischen Literatur fand ich sonst keine weiteren eindeutigen Hinweise auf diese Bautechnik. Der Chineh ist im archäologische Befund schwer zu erkennen. - Das Material ist grob, nicht homogen und mit dem anstehenden Boden identisch. - Die Wände sind dick, ihre Oberflächen rauh und die einzelnen Lagen sind kaum zu erkennen. - Schwundrisse sind nicht zu erwarten.

Der Lehmwellerbau, der oft fälschlicherweise mit dem Chineh gleichgesetzt wird, besteht aus Leichtlehm. Fetter Lehm wird mit einer großen Menge an besonders langfaserigem Stroh zu einer dungartigen Substanz vermengt und dann in großen Placken auf das Wandgefüge aufgetragen. Da der Baustoff dabei sehr feucht muß,

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Gepackter Lagenlehm (Lehmbrotebau / Protoziegel / Zabur)

Effekt ist jedoch bei dem Töpferlehmbau noch ausgeprägter (s.u.). Dadurch kann man eine deutliche Zunahme an Druckbelastbarkeit erreichen und eine Verminderung des Wassergehalts im Baumaterial, somit eine Verringerung der Schwundrissbildung bei der Trocknung.

Diese Bautechnik stellt den Übergang vom Lagenlehm zur Ziegelbauweise dar. Feuchter Faserlehm oder leichter Massivlehm wird mit der Hand zu brotlaib- oder kugelförmigen Klumpen geknetet. Die Lehmklumpen kann man, wie es z.B. im Jemen praktiziert wird, noch in Sand wälzen, um ihnen eine formstabilisierende Oberfläche zu geben. Diese Batzen werden dann auf die Mauer geschichtet. Falls nötig, werden einzelne Stellen von Hand überarbeitet und nachgeformt - mit bloßen Händen beseitigt der Maurer Überstände, füllt an anderen Stellen Hohlräume und glättet die Oberflächen, selten unter Zuhilfenahme einer Holzkeule. Der formbare Lehm ist sowohl Baustein als auch Mörtel. In dieser Art wird eine 50 bis 60 cm hohe Lage aufgebracht. Bei Wänden, die keine Lasten tragen müssen, können auch zwei Lagen unmittelbar hintereinander aufgetragen werden, die dann ungefähr zwei Tage lang trocknen müssen. Wenn stark belastbare Wände errichtet werden, läßt man jede Lage mehrere Tage lang austrocknen (Wright, 1983, S.21).

Im Jemen, wo in dieser Technik errichtete drei- und mehrstöckige Gebäude keine Seltenheit sind, bedient man sich noch eines konstruktiven Tricks: Die Ecken der rechtwinkligen Steinfundamente werden einen halben Meter höher gezogen als die Seiten. Damit erreicht man eine höhere Lagerung der Ecken aller folgenden Lehmschichten. Dies bewirkt, daß die Schwerkraft in Richtung auf das Zentrum und nicht nach außen zu den Ecken hin wirksam wird. Jede Lehmschicht steht dadurch unter einem gewissen Druck, mit dem der Eigenschaft des Materials, mit der Zeit auseinander zu brechen, entgegengewirkt wird. Die Zugfestigkeit des Materials und dementsprechend dessen Biegefestigkeit wird entschieden verbessert. Zusätzlich werden im Jemen, gerade bei besonders hohen Gebäuden, horizontale Einzüge aus Holz alle paar Lagen in das Wandgefüge eingebracht, die den vertikalen Druck zusätzlich horizontal und gleichmäßig im Gefüge verteilen. Sie sollen zudem die fehlende Biegefestigkeit des Lehms ersetzen (Wright, 1983, S.117, 121).

Weniger mächtige Lagen in einer strengeren Ordnung verbauen die am Logone ansässigen Massa (Tschad, Kamerun). Sie setzen zigarrenförmige Lehmwülste schräg und in alternierenden Lagen an- und aufeinander. Ebensolche Lagen sind bei den Mossi (Burkina Faso) üblich. Die Höhe der einzelnen Lagen entspricht üblicherweise 25 - 30 cm bis maximal 50 cm (Gardi, 1973, S.56; Haselberger, 1964, S.61). Bei anderen Volksgruppen südwestlich der Sahara, z.B. bei den Somba, werden etwas über faustgroße Lehmkugel aufeinander gepackt (Fiedermutz-Laun, 1983, S.154). Die Konkoba in Togo verbauen ähnliche Protoziegel in Form von einer Spirale statt in einzelnen Lagen (Haselberger, 1964, S.61).

Ein Vorteil gegenüber dem Tauf ist eine Zunahme der Arbeitsleistung proportional zur Zeit. Da der Werkstoff weniger feucht verarbeitet wird, können die einzelnen Lagen höher geschichtet werden und der Trocknungsprozeß verläuft schneller (McHenry, 1985, S.1). Im archäologischen Befund dienen folgende Merkmale zur Identifizierung: - 30 bis 60 cm hohe Lagen - Einzelne Lehmbatzen, die voneinander evtl. durch Sand getrennt sind, aber nicht mit Mörtel verbunden. - Homogene und feste Struktur der einzelnen Batzen; - Faserlehm oder leichter Massivlehm. - Schwundrisse gering, aber vorhanden. - Sowohl runde als auch lineare Bauform ist möglich. - Mehrgeschossiges Bauen ist möglich. Im weiteren möchte ich zwischen Protoziegeln und Zabur unterscheiden, wobei ich als Protoziegel nur Strukturen bezeichne, in denen der nicht getrocknete Lehm systematisch aufgeschichtet wurde und die Lehmbatzen eine einheitliche Form und Größe haben. Diese Wandgefüge stehen also dem Ziegelbau näher als dem eigentlichen Lagenlehm. Als Zabur möchte ich Wandgefüge bezeichnen, die zwar erkennbar aus einzelnen Lehmbatzen bestehen, die aber nicht normiert sind, sondern, wie im Jemen üblich, auch auf der Wand noch in Form gebracht, festgeklopft oder anders zugerichtet werden. Solche Gefüge werden in der englischen Literatur gerne als "lumps and stripes of clay" oder "of pisé" bezeichnet. Diese Bautechnik ist dem Lagenlehm näher als der Ziegelbauweise.

Abb.7 Verschiedene Schichtungsmuster gepackter Lagenlehmwände, Afrika (nach Fiedermutz-Laun, 1983, S.153 und Lander & Niermann, 1980, S.25) Im vorkolumbianischen Casa Grande wurden die Lehmbatzen nicht mit den Händen geformt, sondern in geflochtenen Körben, in denen sie wahrscheinlich auch leicht komprimiert und umgesetzt wurden, wobei der Lehm einen Teil seines Wassergehalts abgab. Diese sogenannte Turtles wurden dann auf der Wand aufgetragen (McHenry, 1985, S.1). Die Vorteile dieser Bautechnik liegen darin, daß der Lehm, indem er geknetet wird, an Festigkeit zunimmt. Die Tonmineralien werden dadurch in eine einheitliche Ausrichtung, und auf diese Weise in die dichtest mögliche Lagerung gebracht (Wienand, 1983, S.24). Dieser 28

Die Töpferlehmtechnik

II.1.3. Der Lehmziegelbau / Adobe

Der Vorgang der Töpferlehmtechnik entspricht weitgehend dem Hochtöpfern eines Tongefäßes. Tatsächlich sind, wie in der herkömmlichen Gefäßtöpferei, nur runde oder amorphe Bauten in dieser Technik dokumentiert. Analog dazu sind auch beim Hausbau, wie bei der Gefäßtöpferei, feine, fette Tonerden vonnöten (Heese-Greve, 1983, S.71, 73). Einzelne Batzen des Baustoffs werden in den Händen durchgeknetet, wobei eine Verdichtung und gleichmäßige Ausrichtung der Tonmineralplättchen erreicht wird (Wienand, 1983, S.24). Anschließend werden die so behandelten Lehmklumpen auf die im Bau befindliche Mauer modelliert. Dabei verschwinden die Grenzen der einzelnen Lagen und eine homogene Struktur entsteht. Eine Trocknungsphase der einzelnen Partien ist nicht nötig, und ein Haus könnte theoretisch in einem Arbeitsgang errichtet werden. Die Arbeitszeiten werden also nicht mehr vom Baustoff diktiert, sondern nur vom Tages- und Nachtrhythmus und den Launen des Haustöpfers. Fenster und Türöffnungen werden erst im Anschluß an die Töpferarbeiten hineingeschnitten, und müssen nicht, wie bei allen anderen Bautechniken, durch Unterzüge getragen werden (Haselberger, 1964, S.62).

Die Lehmziegelherstellung kann auf zwei Arten geschehen: die Ziegel können per Hand oder in hölzernen Modulen geformt werden. Rezent ist diese Herstellung per Hand weitgehend von der Formziegeltechnik verdrängt worden und ist auch in der ethnographischen Literatur kaum dokumentiert. Nur wenige afrikanische Beispiele sind erwähnt, mit dem Hinweis, daß ein großes handwerkliches Geschick für diese Bautechnik notwendig sei, die Ziegel für gewöhnlich in reichlich Mörtel eingebettet werden und die damit geformten Wandverbände mitunter über 50 cm stark sind (Haselberger, 1964, S.62). Die frühesten prähistorischen, meist zigarren- oder brotlaibförmigen Ziegel sind wahrscheinlich direkt aus dem Zabur, bzw. den Protoziegeln hervorgegangen, die oft ganz ähnliche Formen aufweisen (Heese-Greve, 1983, S.86; Haselberger, 1964, S.61).

Die so entstehenden Mauern haben eine Stärke von 5 bis max. 20 cm, in der Regel sind sie 10 bis 16 cm dick. Trotz der geringen Stärke ist das Wandgefüge wegen seiner Verdichtung extrem haltbar, sofern es vor Witterung geschützt ist, und es bietet als einzige Schicht- und Feuchtlehmtechnik die Möglichkeit, Kuppeln und Dome zu bauen (Heese-Greve, 1983, S.71ff). In großen Teilen Westafrikas werden besonders Speicher auf diese Weise gebaut (Fiedermutz-Laun,1990,S.24). Dafür bietet sich diese Technik an, da der verwendete Lehm sehr fein und stabil ist, also Schädlingen kaum Möglichkeiten bietet, in den Speicher einzudringen, wie es bei dem mit Stroh gemagerten Faserlehm der Fall ist. Außerdem bietet eine runde Bauform ein Minimum an Oberfläche und ein Maximum an Volumen und ist deshalb für die Speicherung und Konservierung von verderblichen Gütern vorteilhaft. Von einigen rezenten Ethnien werden aber auch Wohnhäuser in dieser Technik gebaut, zB. von den Kofyar, Balante oder den Musgum, deren Dome berühmt sind (Gardi, 1973, S.91; Haselberger, 1964, S.62).

Abb. 8 Gefüge aus handgeformten Ziegeln, Westafrika, neuzeitlich (Haselberger, 1964, S.61) Eine Vielzahl frühneolithischer Bebauungsschichten besteht aus solchen rahmenlos hergestellten Ziegeln. Um die Haftung zwischen den Ziegeln und dem Lehmmörtel zu verbessern, wurde oft, wie z.B. in Jericho, eine Reliefierung der Oberfläche vorgenommen (Kenyon, 1956, S.70; deVaux, 1966, S.5; Smith, 1974, S.207; Singh, 1974, S.39). Näheres zu dieser Technik kann aufgrund fehlender ethnographischer Quellen oder archäologischer Experimente nicht gesagt werden. Für die Herstellung von Formziegeln eignen sich besonders magere Lehme, da diese eine höhere Austrockungsgeschwindigkeit und eine geringere Schwindung aufweisen (Sieber, 1988, S.67). Der Lehm sollte nur sehr kleine Steineinschlüsse haben, da sonst die gleichmäßige Verfüllung der hölzernen Formen nicht gewährleistet ist. In Marokko wird der Baustoff, falls er zu grob ist, vorher gesiebt. Dort ist es auch üblich, ihm Strohhäcksel zuzuschlagen (Adam, 1981, S.69). Ideal aber sind magere Lehme oder solche, die nur mit Sand gemagert werden (Khalili, 1986, S.71 ff.). Durch die Auswahl des Baustoffs - schwerer bis leichter Massivlehm - können Lehmziegel in der Regel eine gute Druckbelastbarkeit und eine hohe Wärmespeicherkapazität aufweisen (Sieber, 1988, S.53). Die heutzutage auch in Europa verwendeten Leichtlehmziegel eignen sich ausschließlich für den Innenausbau, für den sie sich durch ihre wärmeund schallisolierenden Eigenschaften und ihre positive

Die Töpferlehmtechnik läßt sich im archäologischen Befund durch folgende Merkmale erkennen: - Die einzelnen Lagen oder Bauabschnitte sind nicht mehr erkennbar. - Das Material ist komprimiert und sehr fein, kaum mit Zuschlägen durchsetzt. - Die Wände sind sehr dünn. - Kaum Schwundrißbildung - Die Bauform ist rund oder amorph. - Gewölbe und Kuppeln sind möglich.

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Wirkung auf die Luftfeuchtigkeit ideal eignen. Konstruktive und tragende Teile mit ihnen zu bauen ist aber nicht möglich (Jendreyko, NDR-Prisma, 1996). Für die Herstellung benötigt man zunächst eine hölzerne Form. Für kleine Arbeitsgruppen sind Formen mit einbis dreiteiliger Segmentierung völlig ausreichend. Alles was darüber geht, ist nur sinnvoll, wenn eine große Zahl an Arbeitskräften zur Verfügung steht (Khalili, 1986,S.81). Zur Herstellung und Trocknung braucht man eine sehr große, ebene Fläche, die so nah wie möglich bei der Baustelle liegen sollte, da der Ziegeltransport mit großem Arbeitsaufwand und der Gefahr einer Beschädigung der Ziegel verbunden ist (Sieber, 1988, S.67; McHenry, 1985, S.52). Die Fläche sollte mit Sand bestreut werden. Der Sand sorgt für eine zwar geringe aber sehr nützliche Ventilation der Unterseite der Lehmziegel, wenn sie trocknen, und absorbiert zudem Wasser. Versiegelte Flächen, die nicht wasserdurchlässig sind, wie z.B. Felsplatten, sollten auf jeden Fall vermieden werden, da die Ziegel auf ihnen nicht gleichmäßig trocknen und brechen können (Khalili, 1986, S.82). Nachdem der Lehm aufbereitet ist, werden die Formen in Wasser getaucht oder angefeuchtet und mit Sand bestreut, damit sich der Lehm anschließend wieder gut von ihnen löst (Sieber, 1988, S.67). Die so vorbereiteten Formen werden auf den mit Sand bestreuten Boden gelegt. Dann wird die vorbereitete Lehmmasse in sie eingebracht und mit den Händen verteilt. Die Ecken werden besonders sorgfältig ausgestrichen, damit keine Hohlräume entstehen. Im Irak werden von manchen Handwerkern zu Kugeln geformte Lehmklumpen in das Holzmodel gelegt und anschließend in Form gepresst. Werden die Ziegel einzeln hergestellt, also nicht in Formen mit vielen Segmenten, so berichten Ziegelmacher übereinstimmend, werde die Qualität der Ziegel besser (Heese-Greve, 1983, S.81, 82). Wahrscheinlich wird bei Einzelherstellung der Lehm sorgfältiger in die Form gedrückt und dabei möglicherweise leicht komprimiert. Vielleicht findet sogar, besonders bei der Herstellung aus kugelförmig zugerichteten Lehmbatzen, eine einheitliche Ausrichtung der Tonmineralien, ähnlich wie beim Töpferlehmbau statt (s.o.). Abschließend wird die Oberfläche mit den Händen oder einem Richtscheit abgezogen und geglättet (Sieber, 1988, S.67). Im Iran und in Ägypten werden meist noch mehrere Rillen mit den Fingern in die Oberfläche gefurcht, um bei späterer Vermauerung einen stärkeren Halt zwischen Ziegel und Mörtel zu erlangen (Khalili, 1986, S.71, 84). Am Ende wird die Form mit beiden Händen, unter leichtem Klopfen oder Rütteln nach oben gezogen (Sieber, 1988, S.67). Die Ziegel werden zuerst an Ort und Stelle ein bis drei Tage, je nach Wetterlage und Ziegelgröße, flach auf dem Boden liegend getrocknet. Danach können sie für weitere ein bis drei Tage auf eine Schmalseite gestellt werden. Zu guter Letzt werden sie aufgestapelt und endgültig durchgetrocknet. Das kann bei trockenem Wetter zwischen ein bis zwei Wochen dauern. Danach sind sie für die Vermauerung bereit (Khalili, 1986, S.84; McHenry, 1985, S.51).

Abb.9 Geräte zur Lehmziegelherstellung Marokko, rezent (Adam, 1981, S.69)

Der Nachteile des Herstellungsprozesses liegen auf der Hand: Er ist arbeits-, zeit- und raumaufwendig. Der entscheidende Vorteil ist eine mögliche Segmentierung der Arbeit in einzelne Arbeitsschritte, die durch unbestimmte Zeiträume voneinander getrennt sein können. Es ist zudem eine zwar nicht unbedingt erwünschte, aber größere räumliche Trennung von Baustelle und Fabrikationsort des Baumaterials möglich, da das getrocknete und portionierte Material sich wesentlich leichter und einfacher als der schwere, erdfeuchte Lehm transportieren läßt. Die Menge an Ziegeln, die auf diese Weise von einzelnen Handwerkern hergestellt werden kann, ist durchaus ansehnlich. Die höchste Tagesleistung eines Ziegelherstellers, der auf der Ausgrabung von Chafadji angestellt war, betrug 3000 Stück (Heese-Greve, 1983, S.81). Khalili berichtete von einem iranischen Ziegelmacher, der innerhalb eines Monats, nur unterstützt von seinem Sohn, sämtliche Ziegel für ein komplettes Schulgebäude mit 10 Klassenzimmern hergestellt hatte, und das nur mit einer Einzelform für große Ziegel und einer fünfteiligen Form für Halbziegel (Khalili, 1986, S.81). Die Ziegelgrößen können stark variieren. Dabei sind nicht nur große Unterschiede zwischen verschiedenen Bautraditionen festzustellen, sondern auch eine beachtliche Variationsbandbreite innerhalb klar definierter Kulturen oder sogar einzelner Siedlungen, in denen nicht selten jedes Gebäude mit einem eigenen Format gebaut ist. (Adam, 1981, S.69; Heese-Greve, 1983, S.78). In der Regel bestimmt die Handhabbarkeit die Ausmaße. Je größer und schwerer die Ziegel, desto unpraktischer ist der Umgang mit ihnen, und desto schneller ermüden die Bauleute. Wegen der geringen Zug- bzw. Biegefestigkeit des Lehms können die Ziegel ab einer gewissen Länge nur noch auf Brettern transportiert werden, weil sie sonst

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unter ihrem eigenen Gewicht zerbrechen 1985, S.51).

(McHenry,

Bezug auf kulturelle Einflussnahme und Eigenheiten sein (Heese-Greve, 1983, S.78).

Ausnahmen treten vor allem in archäologischen Befunden auf, wie z.B. in Choga Mish, wo 90 cm lange Ziegel mit einem Durchmesser von 18 cm vermauert wurden, die ein Gewicht von 40 kg aufweisen (Heese-Greve, 1983, S.79). Solche Übergrößen werden heute in keiner Bautradition mehr verwendet. In Amerika, in der Gegend von Albuquerque, wird mit Quadern von 35 x 25 x 10 cm gebaut, die ein maximales Gewicht von 20 kg haben (McHenry, 1985, S.51). Im Jemen sind besonders im ländlichen Bereich sehr große Formate bis zu 44 x 22 x 11 cm gebräuchlich, in der städtischen Architektur hingegen sehr kleine, quadratische Ziegel mit durchschnittlichen Maßen von 16 x 16 x 4 cm (Wright, 1983, S.120). Auch im Iran werden sehr kleine Ziegel bevorzugt. Dort mauert man mit 20 x 20 x 5 cm und 20 x 10 x 5 cm großen Exemplaren, die auch, im Gegensatz zu den amerikanischen und jemenitischen ländlichen Formaten, ohne weiteres mit einer Hand gehalten oder in die Höhe geworfen werden können, was besonders beim Aufmauern der Kuppeldächer von großem Vorteil ist (Khalili, 1986, S.71).

Maßgeblich für die Stabilität einer Ziegelmauer ist, abgesehen von der Qualität der Ziegel, die Technik der Vermauerung. In der Regel werden die Ziegelreihen mit bindendem Mörtel unterschiedlicher Stärke zusammengefügt. Um die Adhäsion zwischen Ziegel und Mörtel zu erhöhen, dienen in vielen Bautraditionen Furchen auf den Oberflächen der Ziegel (s.o.). In Marokko ist es zusätzlich noch üblich, die Oberflächen anzufeuchten, um eine größere Homogenität des Gefüges zu erzielen (Adam, 1981, S.69). Es ist empfehlenswert, sich beim Mörtel desselben Materials zu bedienen, aus dem auch die Adoben hergestellt wurden. Es sollte allerdings weitgehend frei von gröberen Stein- und Kieseinschlüssen sein. Einer alten persischen Tradition zufolge, wirft der Bauherr mehrere Münzen in die Wasser-Lehm-Mixtur. Die Arbeiter und Maurer werden auf diese Weise motiviert, den Lehm sorgfältiger durchzuarbeiten und alle kleinen Steinchen aus dem Mörtel zu entfernen. Ist der Mörtel von solchen groben Verunreinigungen befreit, verhält er sich im Gefüge geschmeidiger und bindender. Ziegel und Mörtel sollten außerdem mit denselben Zuschlägen aufbereitet worden sein, um eine unregelmäßige Verwitterung des späteren Mauerverbandes zu vermeiden (Khalili, 1986, S.85).

In Marokko werden Konstruktionsziegel und Schmuckziegel voneinander unterschieden. Die Formate, mit denen die tragenden Teile gebaut werden, sind meist etwa 30 x 15 x 8 cm groß, die Fassaden hingegen werden mit 24 x 12 x 6 cm großen Ziegeln verblendet (Adam, 1981, S.69). Möglicherweise ließe sich hier ein Zusammenhang zwischen der Massivität eines Gebäudes und der Ziegelgröße einerseits, und einer Beziehung zwischen den Formaten und der Kunstfertigkeit der Handwerker andererseits ablesen. Die großen, amerikanischen Ziegel werden für gewöhnlich von Laien für die schlichte und solide Pueblobauweise benutzt, die kleinen jemenitischen oder iranischen Ziegel hingegen von erfahrenen Baumeistern, die in einer deutlich verfeinerten und höher entwickelten Bautradition stehen (Khalili, 1986, S.71; McHenry, 1985, S.11ff.).

Der in Catal Hüyük verwendete Mörtel war allerdings, entgegen der Empfehlung rezenter iranischer Baumeister, mit Zuschlägen angereichert, die sich nicht in dem Ziegelmaterial befinden. Er war stark mit Asche und Knochenstücken vermengt, was darauf schließen läßt, daß Hausabfälle und Aschen von den Herdstellen als Zuschlag verwendet wurden (Eichmann, 1991, S.43). Auch in Hacilar wurden Hausabfälle, in erster Linie Asche, die eine schwarze Verfärbung des Mörtels herbeiführte, als Beimengung verwendet (Mellaart, 1970, S.4). Die Praxis, Hausabfälle in das Baumaterial einzubringen, kann man noch heute im ländlichen Iran beobachten (Watson, 1979, S.191). Ein anderes Additiv, das im Vorderen Orient recht gebräuchlich war, ist Asphalt oder Bitumen. Bei den Ausgrabungen von Jericho in den 30er Jahren beobachtete Garstang in etlichen Fällen Beimengungen dieser Art (Heese-Greve, 1983, S.102). Aus Choga Mish, in der iranischen Susiana-Ebene, stammen fünf weitere Asphalt-Fundstücke aus architektonischem Kontext. Drei davon wurden direkt aus einer Ziegellage entfernt, sind also definitiv als Mörtel verwendet worden (Marschner et.al., 1978, S.100). Der entsprechenden Publikation ist leider nicht zu entnehmen, ob es sich um Zuschläge eines Lehmmörtels handelt, oder der alleinige Mörtel war, was allerdings unwahrscheinlich ist. In der Untersuchung über mesopotamische Architektur von Bartel Hrouda findet sich hingegen die leider recht magere Notiz, Bitumenasphalt sei auch anstelle von Lehmmörtel verwendet worden (Hrouda, 1983, S.57). In welchem Ausmaß dieser Baustoff wirklich benutzt wurde, blieb mir leider, wegen fehlender Quellen, unklar. Sicher ist jedoch, daß er aufgrund seiner sehr geringen Hitzebeständigkeit, einen nicht zu übersehenden Risikofaktor bezüglich der Gefügestabilität darstellt, der ihn,

Für alle Größen gelten aber zwei generelle Regeln: 1. Es sollte innerhalb eines Gebäudes immer nur eine maßgebende Ziegelgröße (ganz- und halbziegelig) verwendet werden, damit das Wandgefüge geschlossen bleibt und nur ein Minimum an Abfall entsteht (Khalili, 1985, S.72). 2. Die Ziegelkanten sollten immer in einem proportionalen Verhältnis zueinander stehen, d.h. die Seiten sollten immer durch die Länge der kleinsten Seite glatt teilbar sein. Die Ziegelratio, die dieses Verhältnis beschreibt, sollte nur aus ganzen Zahlen bestehen. Für die oben genannten, rezenten Beispiele trifft dies immer zu, sie alle haben eine Ratio von 4:2:1 oder 4:4:1. Die Ratio 4:2:1 erweist sich technisch als besonders günstig. In fast allen bautechnischen Traditionen taucht diese Ratio früher oder später auf, auch wenn kein kultureller Transfer stattgefunden hat, der diese Proportionen hätte übermitteln können. Dennoch könnte die Ratio von Lehmziegeln ein aussagekräftiger Aspekt des Lehmbaus im

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gegenüber dem Lehmmörtel, als minderwertig erscheinen läßt (Wienand, 1983, S.24, 25). Rezente Beispiele von Bitumenmörtel sind mir nicht bekannt.

verarbeitung bei einer Wasserstelle hergestellt und verkauft, oder zu verschiedenen Baustellen transportiert werden. An dem Bauprozeß, der in etliche Schritte unterteilt ist - Herstellung, Umschichtung beim Trocknen, Transport, Mörtelherstellung, Aufmauern - können weitaus mehr Arbeitskräfte beteiligt werden als bei der Stampflehmarbeit oder den Lagenlehmtechniken. Im Gegensatz zu den unverschalten Lagenlehmtechniken erfordern die Arbeitsschritte ein größeres Maß an körperlicher Kraft. Will man die Zeitersparnis, die diese Technik bei den tatsächlichen Bauarbeit bietet, voll ausnutzen, sind vor allem junge, kräftige Männer nötig (Bernbeck, 1995, S.33; Fiedermutz-Laun, 1990, S.20).

Neben dem verwendeten Mörtel ist natürlich die Art und Weise der Vermauerung der Ziegel von großer Bedeutung. Werden Ziegel ohne besonderes System vermauert, treffen die vertikalen Fugen der einzelnen Lagen häufig aufeinander. Diese Punkte sind potentielle Schwachstellen der Statik eines Gebäudes. Dienen Mauern als tragende Teile, sollten ihre Fugen unbedingt versetzt angeordnet sein, damit die Adoben durch eine gleichmäßige Verteilung der lastenden Kräfte ihre volle Druckfestigkeit entfalten. Ein solches Gefüge ist besonders wichtig, wenn Wände aus mehreren nebeneinander liegenden Ziegellagen bestehen. Sie sollten durch eine Folge von Läufern und Bindern sinnvoll miteinander verzahnt werden. (Läufer: längs zur Mauerflucht liegend; Binder: quer zur Mauerflucht liegend). Das kann einerseits durch einen vorgegebenen Vermauerungsrhythmus geschehen (Verbandregeln), oder durch ein freies aber fugen-achtsames Mauern (Heese-Greve, 1983, S.88, 89).

Die Bautechnik kann sich durchaus auch auf die Gebäudeform auswirken. Da die vorgefertigten Bauelemente in der Regel eine standardisierte Größe aufweisen, können auf einfache Weise Konzepte für komplexe Gebäude entwickelt werden (Aurenche, 1986, S.74). Auf welche Art sich diese spezielle Grundrißplanungstechnik in der Vorgeschichte entfaltet haben könnte, hat Ricardo Eichmann 1991 in seiner Publikation „Aspekte prähistorischer Grundrißgestaltung in Vorderasien“ untersucht. In der vorliegenden Arbeit werden diese Gesichtspunkte der Gebäudeplanung nicht eingehender thematisiert.

In den meisten rezenten Bautraditionen sind feste Verbandregeln selten. Es wird fast immer nach einem sehr vagen Schema gemauert. Läufer und Binder wechseln sich unregelmäßig ab, der Fugenversatz ist zwar oft erwünscht, aber nicht immer realisiert, wie z.B. im heutigen Marokko (Adam, 1981, S.69). Im Sudan beobachtete R. Gardi eine besonders interessante Variante eines unverbindlichen Mauerschemas: hier wurden Abschnitte flach liegender Ziegel von hochkant stehenden unterteilt. Die Wand war gewissermaßen kassettiert.

Die Bestimmung der Lehmziegelbauweise im archäologischen Befund ist gegenüber den anderen Bautechniken relativ einfach. Hier aber sei trotzdem noch einmal auf die Beobachtungen von P.E.L. Smith (Ganj Dareh Tepe) und Mary M. Voigt (Hajji Firuz Tepe) hingewiesen (siehe auch I.1.4.): In Ganj Dareh erkannten die Ausgräber die Ziegelstruktur, die sie vorher für Schichtlehm gehalten hatten, erst nachdem die ergrabenen Architekturbefunde mehrere Jahre der Witterung ausgesetzt waren (Smith, 1974, S.207). In Hajji Firuz beobachtete Voigt, daß die Ziegelstrukturen erst hervortreten, wenn die zunächst bodenfeuchten Befunde vollständig durchgetrocknet sind. In dem von ihr genannten Fall dauerte dieser Prozeß 6 Wochen. Dabei gilt natürlich: je tiefer eine Schicht, desto mehr Feuchtigkeit ist im Boden gespeichert (Voigt, 1983, S.33).

II.2 Die Hausformen und ihre jeweiligen Eigenschaften

Abb. 10 Vage kassettiertes Mauerwerk aus handgeformten Ziegeln, Sudan, rezent (nach Gardi, 1973, S.60)

Für alle Lehmbauten gilt, daß sie sich in ihrer Anlage den begrenzten statischen Möglichkeiten des Materials, vor allem dem Mangel an Zug- und Biegefestigkeit, unterordnen müssen. Die meist sehr ähnlichen, von Bauhölzern abhängigen Raumdimensionen, die regelmäßigen Versteifungen durch Querwände, sowie die z.T. organisch anmutenden Hausformen sind ursächlich fast alle auf die konstruktiven Beschränkungen des Materials zurückzuführen und nicht auf die Verwirklichung formaler Vorstellungen (Wienand, 1983, S.19, 20; Adam, 1981, S.75).

Die Geschwindigkeit dieser Bautechnik wird durch die Erhärtungszeit des Mörtels vorgegeben. Für die ca. 15 bis 20 kg schweren Ziegel der Pueblobauten wird empfohlen, nicht mehr als 6 bis 7 Ziegellagen pro Tag aufzumauern. Der Mörtel könnte sonst aus den Fugen gedrückt werden, bevor er trocknet (McHenry, 1985, S.55). Im Gegensatz zu den Feuchtlehmtechniken ist die akute Herstellung einer Ziegelwand weniger zeitaufwendig, da der überwiegende Teil des Gefüges bereits vorgefertigt und trocken ist (Bernbeck, 1995, S.33).

Unabhängig von der jeweiligen Konstruktionsform und -technik ist die Höhe der Räume und deren klimatisches Verhalten von großer Bedeutung, für den Archäologen aber nur selten noch erfassbar. Eine seltene Ausnahme

Durch die Verwendung von vorgefertigten Bauteilen ändert sich auch der Bauprozeß nicht unerheblich. Die Ziegel können unabhängig von einer sofortigen Weiter-

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bildet ein Haus in der Schicht VIa in Catal Hüyük. Durch ein Feuer wurde die Nordwand eines sog. Schreins vermutlich in voller Höhe konserviert. Auf der Innenseite maß ihre Höhe 3,30 m (Mellaart, 1967a, S.78). In heißen Klimata ist eine hohe Decke von Vorteil. Die heiße Luft kann in den Deckenraum aufsteigen, und kühle Luft kann in den unteren Bereich nachströmen (McHenry, 1985, S.103). Die typischen Wüstenhäuser im Jemen haben deshalb außer besonders dicken Wänden, um die extremen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht auszugleichen (s.o.), auch sehr große Raumhöhen mit kleinen Öffnungen in Deckennähe, durch die die heiße Luft abziehen kann. Dadurch entsteht ein kühlender Schlot-Effekt. Gleichzeitig schützt diese weitgehend geschlossene Bauweise vor Wüstensand (Greenslaw, 1976, S.8). Auch die Dome der Musgum im feuchten und heißen Kamerun nutzen dieses Prinzip aus. Die einräumigen Kuppelbauten sind bis zu 10 m hoch und haben an der Spitze eine Öffnung, durch die die heiße Luft abziehen kann, wodurch kühlere Luft unten in den Raum gesogen wird. Durch diese Bauweise wird im Innern die Temperatur immer einige Grad unter der Außentemperatur gehalten (Gardi, 1973, S.91; Fiedermutz-Laun, 1983, S.154). In kühleren Klimata in denen das Heizen der Räume eine größere Rolle spielt, werden sehr niedrige Decken bevorzugt. Das Volumen der Luft, die erwärmt werden soll, ist dadurch geringer und die Räume sind schneller gleichmäßig temperiert, da die warme Luft nicht in den Deckenraum entweichen kann, wo sie dem Menschen nicht mehr von Nutzen ist (McHenry, 1985, S.103).

II.2.1. Der Rundbau Will man eine Fläche umschließen, ist der Kreis die natürlichste und naheliegendste Form, die zudem den geringsten baulichen Aufwand fordert (Mallowan, 1967, S.61). Der Grundriß eines solchen Baus läßt sich einfach mit einem Pflock und einer Schnur herstellen (Wright, 1983, S.119). Bezüglich des Arbeitsaufwandes erreicht man mit einem Minimum an Wandgefüge ein Maximum an Nutzfläche. Runde Bauten sind wegen des maximalen Rauminhalts bei minimaler Oberfläche auch besonders gut geeignet als Speicherbauten und Silos, denn das Speichergut hat in ihnen den geringst möglichen Kontakt zu Wand und Außenluft, insbesondere bei einer kugelförmigen Bauweise (Wright, 1983, S.119; Lander & Niermann, 1980, S.117). Im Gegensatz zu rechteckigen Bauten weisen Rundbauten keine Schwachstellen im Gefüge auf. Spannungen und ungleiche, widerstrebende Druckvektoren von Wänden, die sich bei eckigen Gebäuden in verschiedene Richtungen neigen können, wodurch Materialschäden an den Hausecken entstehen, treten nicht auf (Wingert, mündl. Mitteilung, 1999). Im Siedlungsgefüge haben Rundbauten jedoch deutliche Nachteile. Denn es liegt im Wesen der Kreisform, daß sie sich schlecht mit anderen Gebilden verbinden läßt. Wenn Hütten zu einer Gruppe zusammengeschlossen werden, können sie sich nur peripher berühren, oder der Raum einzelner Gebäudeteile wird angeschnitten. Es ist höchstens eine addierende, aber keine agglutinierende Bauweise möglich (siehe II.3.2.) (Schmidt, 1963, S.14,15; Gardi, 1973, S.97). Die runde Bauweise ist auch nachteilig, wenn der Baugrund begrenzt ist und aufgeteilt werden muß. Hier ist eine rechteckige Bauweise, bei der die Wände der einzelnen Häuser direkt aneinander liegen oder sogar geteilt werden können von Vorteil. Bei enger Bauweise mit Rundbauten bleiben zwangsläufig ungenutzte Flächen zwischen den Gebäuden frei (Mallowan, 1967, S.61). Rezent findet man reine Rundbausiedlungen deshalb in erster Linie in weniger stark besiedelten Gegenden, vornehmlich in Afrika, z.B. bei den Somba, den Haussa, den Dogon und vielen anderen Ethnien (Gardi, 1973, S.91ff; Fiedermutz-Laun, 1983, S.154; Lander & Niermann, 1980, S.115 ff; Rudofski, 1964/1989, S.41, 96, 133, 134). Andererseits lassen sich runde Bauten aufgrund der Formbarkeit des Lehms ohne weiteres mit eckigen Bauten kombinieren, wofür es wiederum in einigen afrikanischen Städten gute Beispiele gibt, z.B. in dem nordnigerianischen Kano, einer Stadt mit über 10.000 Einwohnern (Lander, Niermann, 1980, S.106).

Wie bereits oben erwähnt, hat auch die Komplexität des Innenraums, bzw. die im Inneren des Hauses verbaute Masse einen Einfluß auf das Klima. Dabei gilt: je mehr Bausubstanz von den Außenmauern umschlossen ist, desto geringer ist die Wirkung der Außentemperatur auf die im Inneren (Evans, 1980, S.101). Setzt man die Hausarchitektur mit klimatischen Bedingungen in Beziehung, darf man jedoch nie vergessen, daß in warmen Regionen der Innenraum der Häuser oft nur eine untergeordnete Rolle spielt, weil die meisten Tätigkeiten im Freien durchgeführt werden. In Afrika geschieht das vorwiegend auf den Plätzen zwischen den Häusern, die oft mit Schattendächern versehen sind (Haselberger, 1964, S.76), im Nahen Osten und in den Pueblosiedlungen Amerikas werden zahlreiche wirtschaftliche und soziale Handlungen auf den Hausdächern durchgeführt (David & Kramer, 2001, S.271; Cameron, 1999, S.18). Eine Reaktion auf klimatische Umstände muß sich also nicht unmittelbar in der Bausubstanz widerspiegeln, sie kann sich auch durch eine Verlagerung der Aktivitäten in andere Bereiche einer Siedlung äußern.

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Abb. 11 Stadtbild, Kano in Nordnigeria (Lander & Niermann, 1980,S.106)

II.2.2. Das Rechteckhaus

zung viele Vorteile, wie z.B. der der gegenseitigen Beschattung der Häuser, auf den in II.3.2. näher eingegangen werden soll. Ein weiterer, weniger offenkundiger Vorteil erschließt sich bei der Frage nach der Intensität der Sonnenbestrahlung der einzelnen Gebäudeteile. Neben dem Dach sind nämlich die Ost- und die Westwand die Bereiche des Hauses, die am meisten Temperatur aufnehmen, da sie am längsten der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind.

Das Rechteckhaus hat vor der runden Bauweise den oben schon erwähnten Vorzug, bei einer dichten Bebauung keine unnötigen Leerräume offen zu lassen. Ein agglutinierendes Bauen (s.u.) ist ohne Probleme möglich. Dadurch ergeben sich neben der guten Flächennut-

Abb. 12 Luft- und Strahlungstemperaturen im Tagesverlauf an West-, Ost- und Südwand, nach Messungen in Amarna (nach Endruweit, 1994, S.41)

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Im Gegensatz zu dem Rundhaus kann man bei der eckigen Bauweise die Proportionen der Wände bestimmen. Baut man ein Haus mit Ost-West- Längsachse, kann man die Temperatur, die auf den gesamten Komplex einwirkt, verringern. In kühleren Zonen kann man ein Maximum an Sonneneinstrahlung auf die Wände erreichen, indem man die Ost- und die Westwand größer baut und dem entsprechend die Süd- und Nordwand verkleinert (Endruweit, 1994, S.31, 41).

Hier erweist sich die Ziegelbauweise als sehr vorteilhaft gegenüber den Lagenlehmtechniken, da die Hausecken durch sie eindeutig stabiler werden (Gardi, 1973, S.59). In Afrika ist zu beobachten, daß die rechteckige Ziegelbauweise langsam die Rundhütten aus Lagenlehm verdrängt (Fiedermutz-Laun, 1983, S.157; Gardi, 1973, S.59). Inspiriert von den Befunden von Catal Hüyük mutmaßte James Mellaart, die rechteckige Bauweise leite sich von der Holzbauweise ab. Die Bewohner von Catal Hüyük seien aus dem Taurus-Gebirge gekommen und hätten ihre traditionelle Blockbauweise, mit der man nicht anders als rechteckig bauen könnte, langsam über den Umweg des Fachwerkbaus in eine Lehmarchitektur verwandelt (Mellaart, 1967a, S.78; Eichmann, 1991, S.43). Ähnliches nimmt Ernst Heinrich für die Entwicklung des rechtwinkligen, mesopotamischen Hallenhauses an (Heinrich, 1985, S.131). Für den Zusammenhang von Bauholz und rechteckiger Hausform liefert auch das neolithische Mureybit einen Hinweis. Hier ruhten die ersten rechteckigen Gebäude, die die halb eingetieften Rundbauten ablösten, auf Holzfundamenten, die natürlicherweise linear und nicht rund waren (Strommenger, 1982, S.17,18). Ob solche technisch-deterministischen Deutungen der Frage nach dem Ursprung der eckigen Bauform allerdings gerecht werden, soll weiter unten diskutiert werden.

Die statischen Probleme der rechteckigen Häuser wurden bereits in den vorangegangenen Abschnitten angesprochen. Mit den Jahren geraten die Wände oft leicht aus dem Lot und beginnen horizontal aufeinander zu wirken, wodurch meist ein oder zwei Wände nach außen gedrückt werden. Das geht oft einher mit einem unregelmäßigen Absacken der Fundamente. Durch diese statischen Störungen werden besonders die schon von stärkeren Erosionskräften beeinträchtigten Hausecken geschwächt. Dementsprechend müssen die Ecken bei älteren freistehenden Häusern fast immer durch Strebepfeiler abgestützt werden, um weiteres Kippen und Absacken zu verhindern (siehe Abb. 13) (Wingert, mündl. Mitteilung, 1999; McHenry, 1985, S.58). Das gilt im Besonderen für eckige Gebäude mit Kuppeln oder Tonnengewölben als Überdachung, deren Lasten stark nach außen drücken. Ihre Ecken müssen oft von Anfang an armiert werden (Khalili, 1986, S.93-97).

Abb. 13 Stützpfeiler an Hausecken, Ranchos de Taos, New Mexico, rezent (McHenry,1985,S.60)

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II.2.3 Dach- und Deckenkonstruktionen

(Adam, 1981, S.75; 1983, S.186ff.). Darauf wird schließlich eine Schicht von Stampflehm aufgebracht, die das Dach wetterfest macht. In Anatolien verwendet man dazu Çorak, einen salzhaltigen Lehmschlamm mit hohem Tonanteil. Bei Niederschlägen quellen die obersten Zentimeter der Lehmpackung auf und werden dadurch wasserdicht. Bei entsprechendem Neigungswinkel fließt das Wasser langsam ab (Schachner, 1999, S. 32). Eine Flachdachkonstruktion ohne diese abschließende Schicht aus Lehm wäre funktional sinnlos, da es unmöglich ist, sie abzudichten. Bauholz ist im Laufe der Zeit mitunter starken Schrumpfungen unterworfen und kann alleine keine wasserdichte Abdeckung ermöglichen; andere vegetabile Materialien würden das Wasser eher aufsaugen anstatt es abzuweisen. Eine rein vegetabile Abdeckung des Daches ist nur bei einem stärkerem Neigungswinkel möglich. Dadurch wird ein schnelles Abfließen des Wassers gewährleistet, die Durchfeuchtung des Materials verhindert und so dem damit verbundenen Verrottungsprozeß vorgebeugt (McHenry, 1985/ 1998, S.77ff, 111ff.). Die Spannweiten, die sich mit dem in Marokko verwendeten Palmholz ermöglichen lassen, liegen meist zwischen 2 und 3 Metern. In diesen Abständen müssen die Konstruktionen von Pfeilern, Pfosten oder eingezogenen Wänden abgestützt werden. In den gebirgigen Regionen am Oberlauf des Dades, wo Laubhölzer wie Silberahorn und Nußbaum vorkommen, können Weiten von bis zu 6 Metern überspannt werden. Die dort verwendeten Balken sind bis zu 40 cm stark und weit weniger elastisch als das in der Ebene verwendete Palmholz (Adam,1981, S.75; 1983, S.186ff.). In der Solduz-Region des nördlichen Iran werden auf die Dachbalken mehrere alternierende Lagen aus Reetmatten gelegt, auf die das Stroh-Lehmgemisch zum Abdichten aufgetragen wird (Voigt, 1983, S.34). In den kurdischen Gebieten des Irak werden die Dächer mit Hilfe eines einzelnen, massiven Firstbalkens gebaut. Die Dachsparren werden zwischen diesem Balken und den Hausmauern quer verlegt, wodurch die mögliche Breite des Raumes erhöht wird. Die rezent üblichen Dachspannen betragen bis zu 4 Metern. Robert Braidwood, der den Hausbau in Kurdistan beobachtete, fügte seinen Beobachtungen noch einen weiteren interessanten Punkt hinzu, von dem die Spannweite des Daches abhängig ist: nicht das zur Verfügung stehende Bauholz allein bestimmt die Weite der Decke und damit des Raumes, sondern auch die Arbeitskraft, auf die der Bauherr zurückgreifen kann. Es hängt von der Zahl der helfenden Nachbarn und deren Körperkraft ab, welche Firstbalken auf die Mauern gehoben werden können. Bescheidene Dachspannen müssen also nicht unbedingt in einem Mangel an geeigneten Baustoffen begründet sein, sondern können ebenso durch fehlende Arbeitskraft verursacht werden (Braidwood, 1983, S.156ff).

Unabhängig von der Grundrißform spielt die Art der Überdachung eine wichtige Rolle für die Formgebung eines Gebäudes. Die Konstruktion eines Daches oder einer Decke bestimmt die Größe des Raumes, der von ihr überspannt wird. Außerdem müssen die Dach- und Deckenkonstruktionen in immer kürzeren Abständen von unten abgestützt werden, je größer die Traglast ist, die auf ihnen ruht. Die ausgeprägte Segmentierung eines Hausgrundrisses oder besonders massive Mauern und Stützpfeiler können also auf eine Deckenkonstruktion hinweisen, die auch als Laufhorizont dienen sollte (siehe II.2.6. und II.2.7.). Im Iran werden die Wände, auf denen das Gewicht von begehbaren Dächern oder zweiten Stockwerken ruht, z.B. einfach doppelt gemauert (Shahmirzadi, 1979, S.185). Das Klima hat in mehrfacher Hinsicht Einfluß auf die Form des Daches. Von ihm hängen einerseits die Baustoffe ab, die z.B. für eine vegetabile Konstruktion notwendig sind, andererseits hat jede Dachform andere klimaregulierende Eigenschaften. In heißem und aridem Klima bietet sich vor allem die Kuppelbauweise an nicht nur, weil sie ohne das in Wüstenregionen knappe Bauholz errichtet werden kann, sondern auch wegen ihrer klimatisierenden Funktion (siehe Kapitel II.2.4.). Giebeldächer sind vor allem in gemäßigten und feuchten Regionen verbreitet und zweckmäßig, und je kälter das Klima wird, desto größer wird die Bedeutung des Dachvolumens und seiner entsprechend wärmedämmenden Eigenschaften (Farrassat, 1983, S.80). In der afrikanischen Feuchtsavanne sind vor allem vegetabile Kegeldächer verbreitet, die sowohl vor Niederschlägen schützen, als auch durch ihre luftige Bauweise eine ideale Ventilation des Hauses ermöglichen. Diese Dachform ist jedoch nur bei einräumiger Bauweise sinnvoll. Das Flachdach ist besonders für trockene, subtropische Klimata geeignet. Da es außerdem weitaus einfacher zu konstruieren ist als z.B. ein Giebeldach, ist es die im Lehmbau üblichste Form und die Variante, die in dem hier untersuchten Gebiet am ehesten zu erwarten sein wird. Es eignet sich im Sommer als ein kühler und sicherer Schlafplatz und es bietet eine Fläche zum Trocknen, Verarbeiten und Lagern von Lebensmitteln, die vor Tieren, die sich möglicherweise frei im Siedlungsareal bewegen können, geschützt ist (Voigt, 1983, S.34). Die Dachflächen, die meist auch als Terrassen genutzt werden, dürfen niemals völlig plan angelegt sein, sondern müssen immer eine leichte Neigung aufweisen, damit sich Regen oder Schmelzwasser auf ihnen nicht staut, sondern ungehindert abfließen können (Khalili, 1986, S.131; Mindeleff, 1891, S.148ff). Dieser Neigungswinkel darf jedoch nicht zu steil sein, denn der Lehm würde sonst bereits beim Auftragen verrutschen oder später bei Regenfällen sehr schnell erodieren (Braidwood, 1983, S.156, 157). In Marokko werden die tragenden Dachbalken ohne Schwellhölzer oder Steinunterlagen direkt auf die Mauer aufgelegt. Darüber werden dünnere Hölzer, starke Palmrippen oder Latten geschichtet. Die wiederum werden, je nach Region, mit Strohmatten, Bambus, Reisig, Palmzweigen, Reet oder sogar dünnen Steinplatten abgedeckt

Die Somba verzichten bei ihren Konstruktionen weitgehend auf tragende Balken. Ihre Dächer aus dünnen Ästen, Stroh und Lehm werden mit freistehenden Gabelpfosten abgestützt. (Gardi, 1973, S.97). Die Häuser am Nigerbogen haben zwar Dachbalken, die Lagenlehmwände sind in der Regel aber zu dünn, um sie zu tragen, deshalb werden Gabelpfosten oder Pilaster direkt an die Wände gebaut, um die Drucklast aufzufangen. Die al-

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leintragende Wand, die ohne zusätzliche statische Elemente auskommt, verbreitet sich in diesem Gebiet nur zusammen mit der druckfesteren Lehmziegelbauweise. Als Untergrund für die Lehmabdichtung des Daches wird in diesen Regionen optional auch Baumrinde verwendet (Fiedermutz-Laun, S.154).

erhalten. Da die Lehmbauweise vor allem in trockenen Gegenden mit begrenzten Bauholzreserven verbreitet ist und die Häuser im Neolithikum meist auf dem Schutt ihrer Vorgängerbauten errichtet wurden, ist damit zu rechnen, daß bei dem Abriß eines Gebäudes die Hölzer aus den Konstruktionen entfernt wurden und entweder als Brennholz oder bei gutem Erhaltungszustand erneut als Bauholz Verwendung gefunden haben. Die Rekonstruktion der Dächer prähistorischer Bauten ist also, abgesehen von den wenigen Befunden und Abbildungen, die herangezogen werden können, weitgehend auf ethnographische Analogien angewiesen. Eine Rekonstruktion ohne akuten Befund kann also nur dann Gültigkeit haben, wenn ihre Wahrscheinlichkeit durch einen aktualistischen Vergleich gewährleistet wird. So kann z.B. die Annahme einer Giebeldachbauweise für die Randgebiete der syrischen Wüste vorerst als haltlos zurückgewiesen werden, bis sie durch das Beispiel einer entsprechenden endogenen Bauweise in einem vergleichbaren klimatische Kontext untermauert wird.

Die Puebloarchitektur verzichtet ebenfalls auf Unterzüge oder Firstbalken. Hier ruhen die Dächer auf Querhölzern, die in die Wände eingebaut sind und nach außen den charakteristischen Überstand haben. Auf diesen Querhölzer liegt eine Schicht dicht gepackter, dünner Stangen, auf die eine Schicht von Ruten- oder Gestrüppbündel folgt. Abschließend wird das Dach mit einer Lage Gras und Buschwerk bedeckt, auf die der Stampflehm aufgebracht wird. Alle Schichten sind jeweils im rechten Winkel zueinander angeordnet. Die so entstandenen Oberflächen sind sogar stabil genug, um auf ihnen Öfen oder Speicher zu errichten (Mindeleff, 1891, S.148ff). Im archäologischen Befund sind Dachkonstruktionen nur in seltenen Fällen als Versturz innerhalb der Häuser

Abb. 14 Westafrikanische Dachkonstruktionen (Fiedermutz-Laun, 1983, S. 154)

II.2.4. Der Kuppelbau

herausragendste statische Eigenschaft des Lehms, seine Druckfestigkeit, voll ausgenutzt. In Kuppelbauten entstehen keinerlei Zugkräfte, die bei allen anderen Bauformen zum zentralen Problem werden, denn der Lehm ist in Sachen Zugfestigkeit nur als minderwertiger Baustoff zu beurteilen (Lander & Niermann, 1980, S.30).

Die Kuppelbauweise korrespondiert mit einer Hausform, auf die man im archäologischen Material oft stößt: mit dem Tholos oder Bienenkorbbau. Dabei handelt es sich um überkuppelte Rundbauten, bei denen die Wand in die Überdachung übergeht. Neben den Eigenschaften der Bienenkorbbauten werde ich auch einige allgemeine Aspekte der Kuppel- und Gewölbebauweise zur Sprache bringen.

In den meisten Gebieten, in denen Bauholz zur Verfügung steht, werden die Lehmhäuser mit auf Balken ruhenden Flachdächern bedeckt. In Gebieten, wo kein entsprechendes Baumaterial vorhanden ist, speziell in den ariden Regionen, müssen Baukonzepte entwickelt werden, deren Ausführung nicht von Holz abhängig ist. Die einzig möglichen Formen sind der Konus, wie in einigen Gebieten Perus und Syriens üblich, oder die Kuppel (McHenry, 1985, S.2; Mallowan & CruikshankRose, 1933, S.31; Lander & Niermann, 1980, S.102). Eine Entwicklung der Kuppelbauweise aus vegetabilen

Die Kuppel stellt die Bauform dar, die dem Lehm am besten angepaßt ist. Bei anderen Bauformen ist man bei der Überdachung auf andere Baumaterialien, in erster Linie auf Holz, angewiesen, das bei dem Bau einer Kuppel nicht nötig ist. Sie kann als reinste Lehmarchitektur gelten. Außerdem wird bei der Form der Kuppel die

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Strukturen mit einem Gewölbe oder einer Kuppel als Dachabschluß, ist ebenfalls möglich. Besonders im mesopotamischen Bereich sind Abbildungen solcher Bauten aus dem Neolithikum und Chalkolithikum keine Seltenheit (Mallowan & Cruikshank-Rose, 1933, S.32).

nicht nur unterschiedliche Konstruktionen aufweisen, sondern die sich auch statisch unterschiedlich verhalten (Heese-Greve, 1983, S.105, 247). In der ethnographischen und ethnologischen Literatur wird leider so gut wie nie erwähnt, welche dieser beiden Bauweisen in den dargestellten Traditionen praktiziert wird.

Im südlichen Irak werden auch heute noch Hallen mit Tonnengewölbe aus Riesenschilfrohr gebaut, die sogenannten Strefen. Die Schilfmatten, die die Außenhaut dieser parabolischen Gewölbe bedecken, werden abschließend mit Lehmbeschlag überzogen (Rudofsky, 1964/1989, S.128; Müller & Vogel, 1974/92, S.86). Ob diese Konstruktionstechnik aber auf ein anderes Baumaterial übertragen worden sein könnte, also Vorläufer einer Lehmbauform mit Gewölbe sein kann, bleibt fraglich. Sicher ist lediglich, daß das Tonnengewölbe als mögliche Gebäudeform in Bereichen des Vorderen Orients Teil des bekannten Formenspektrums gewesen ist.

Generell haben überkuppelte Gebäude meist dickere Wände als Häuser mit Flachdach, da das Gewicht eines gewölbten Daches aufgrund der verbauten Materialmasse meist größer ist als das Gewicht alternativer Überdachungsarten. Mit Kuppeln können auch weitere Spannweiten erzielt werden, als bei bauholzabhängigen Flachdächern. Echte Gewölbe haben die Eigenschaft, die statischen Kräfte seitlich abzulenken (Khalili, 1986, S.93). Bei falschen Gewölben wirken alle Lastkräfte nur vertikal. Es entstehen keine abweichenden Vektoren (Heese-Greve, 1983, S.247).

Abb. 15 Schilfhütten mit Kuppelkonstruktionen auf einer Samarra-Scherbe aus Arpachiyah (rechts) und einem Jemdet-Nasser-zeitlichen Relief (Mallowan & Cruickshank Rose, 1933, S.31) Die einzigen Lehmbautechniken, mit denen Kuppeln errichtet werden können, sind die Töpferlehmtechnik und der Lehmziegelbau. Bei den mit Lehmziegeln errichteten Bauten werden das echte und das falsche Gewölbe (Bienenkorbbau) voneinander unterschieden, die

Abb. 16 Weg der Drucklast durch ein falsches Gewölbe. Entwurf des Autors

Abb.17 Weg der Drucklast bei verschieden geformten echten Gewölben (Khalili, 1986, S.97) 38

Wegen der seitlichen Ablenkung der Drucklast in einem echten Gewölbe müssen die tragenden Wände von Kuppeln dicker sein, um die wirkenden Kräfte aufnehmen zu können. Bei rechteckiger Bauweise - im Falle einer Überkuppelung müssen die Räume annähernd quadratisch sein - beeinträchtigen die statischen Kräfte vor allem die Hausecken. Um diese aufzufangen, werden die Ecken üblicherweise mit Strebepfeilern armiert (siehe Abb.18). Es gilt auch: je flacher eine Kuppel, desto mehr streben die Vektoren von der Vertikalen zur Horizontalen und je mehr die Lastkräfte zu den Seiten abgelenkt werden, desto massiver müssen die tragende Wände sein (Khalili, 1986, S.96, 97). Aus diesem Grund sind besonders im ländlichen Raum, in dem vorwiegend von Laien gebaut wird, die Kuppelbauten eher spitz als flach. Es wird die einfachste statische Lösung gewählt (Mallowan & Cruikshank-Rose, 1933, S.31; Gaube, 1982, S.296). Um einen Raum mit einer Seitenlänge von 3 - 4 m zu überkuppeln, sollten seine Wände nicht viel weniger als 60 cm dick sein. Öffnungen wie Fenster und Türen sollten auf ein Minimum beschränkt werden (Khalili, 1986, S.93). Die massiven Wände, die man bei den oft überkuppelten Wüstenhäusern in Syrien und der Sahara beobachten kann, lassen sich also nicht nur monokausal auf die klimatische Funktion, die sie selbst erfüllen (s.o.), zurückführen, sondern ebenfalls auf eine konstruktive Notwendigkeit, die mit der ebenfalls klimatisch günstigen Überkuppelung des Raums einhergeht.

Die Keilsteintechnik, die erstmals bei der Konstruktion etruskischer Grabkammern nachweisbar ist, und das in Arabien heute noch übliche 'Schräggewölbe'. Bei der Konstruktion des letzteren werden die Ziegel, mit denen das Dach aufgemauert wird, im 450 Winkel zu der tragenden Wand verbaut, wobei die Kräfte zunächst in Richtung Stirnseite des Gebäudes wirken. Man muß also sehr sorgfältig mauern, bis der First des Daches erreicht ist. Sobald der Bogen abgeschlossen ist, wirkt das Gewicht zunehmend nach unten. Durch die Schrägstellung wird eine bessere Verspannung des Gefüges in Längsrichtung erreicht. Diese Bauform wurde erstmals in dem assyrischen Dur-Sarukin festgestellt. Ob sie auf ältere Traditionen zurückgeht, ist unklar (Müller & Vogel, 1974/1992, S.45; Khalili, 1986, S.126). Bei dem Tonnengewölbe wirken die Kräfte vorwiegend zu den Gebäudeflanken hin. Die beiden tragenden Wände sollten keinerlei Öffnungen aufweisen, dafür sind die Wände 'unter' dem Gewölbe an der Stirnseite kaum statischen Kräften ausgesetzt. Sie können sehr leicht und mit vielen Öffnungen gebaut werden (Khalili, 1986, S.93, 96). Sind die Tonnengewölbe proportional eher hoch als breit, reichen gewöhnliche, massive Wände als tragende Elemente aus, baut man sie flacher, müssen auch hier die Kräfte anders, z.B. mit Strebepfeilern aufgefangen werden. Wie auf Thera beobachtet, werden flache Tonnengewölbe in seltenen Fällen nicht auf Hausmauern, sondern direkt auf die Erde gesetzt, um das statische Problem zu umgehen (Rudofski, 1964/1993, S.146).

Tonnengewölbe kann man ausschließlich mit radialem, nicht aber mit überkragendem Mauerwerk errichten, da sie sonst mangels fehlender Spannung in sich zusammensinken würden (Wingert, mündl. Mitteilung, 1999). Hierbei sind zwei Gewölbebauweisen zu unterscheiden:

Abb.18 Strebepfeiler bei Tonnengewölbe und Kuppel (Khalili,1986, S.93)

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Für die Lehmdome aus Töpferlehm gelten diese statischen Regeln nicht. Es entstehen keine seitlich wirkenden Kräfte, denn Kuppel und Wand gehen ineinander über (Fiedermutz-Laun, 1983, S.54). Außerdem wird das Material so homogen aufgearbeitet und in der Wand verbaut, daß keine inneren Spannungen in dem Gefüge auftreten. Für diese Bauweise sind besonders die Musgum aus Kamerun berühmt, deren Dome zwischen 5 und 10 m Höhe erreichen (Lander & Niermann, 1980, S.30; Fiedermutz-Laun, 1983, S.154; Gardi, 1973, S.91).

Abb.19

Rezente Tonnengewölbe auf Thera, Griechenland (nach Rudofski,1964, S.146)

Abb. 20 Außenansicht und Schnitt durch Musgum-Dom, Tschad, neuzeitlich (Fiedermutz-Laun, 1983, S.154)

Eine gänzlich abweichende Kuppelbauform ist bei den Dosso und Kantche in Nigeria verbreitet. Sie bauen eine Gitterstruktur aus aufgefächerten Rutenbündeln, die anschließend mit Lehm verkleidet wird, eine Bautechnik die dem modernen Spannbeton recht ähnlich ist (Gardi, 1973, S.221). Vergleichbare archäologische Befunde gibt es jedoch nicht. Zwar können die Gewölbe und Bienenkorbbauten selbst ausschließlich mit Ziegeln oder der Töpferlehmbautechnik errichtet werden, die Wände, auf denen sie ruhen, können hingegen mit fast jeder beliebigen Technik errichtet werden. Im Iran ist es z.B. üblich, daß viele Wirtschaftsgebäude und die Hallen von Basaren aus sehr druckfesten Chineh-Wänden errichtet und anschließend mit Ziegeln überkuppelt werden (Khalili, 1986, S.103). Hinweise auf Kuppelbauten im archäologischen Befund können also massive Wände, quadratische Raumanla-

gen, Wandarmierungen und Ziegelreste in Verbindung mit anderen tragfähigen Bautechniken sein. Für heiße und aride Zonen ist das Kuppeldach ideal geeignet. Einerseits kann es ohne wertvolles Bauholz errichtet werden, andererseits besitzt es hervorragende klimatische Eigenschaften. Besonders in Oasen, in denen die Subsistenzwirtschaft oft von den wenigen Palmen abhängt, die sorgsam kultiviert werden und die als Bauholz deshalb nur in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen, ist die Kuppelbauweise sehr häufig anzutreffen (Lander & Niermann, 1980, S.28, 102; Haberland, 1990, S.11).

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(rechts). In kalten Regionen ist dieser zusätzliche Deckenraum jedoch unvorteilhaft. Die warme Luft entweicht nach oben und es wird nutzloser Raum mit geheizt. Für Zonen mit kalten Wintern bedeutet die Kuppelbauweise also eine Vergeudung von Heizmaterial. Deshalb sind dort flache Zimmerdecken sinnvoller (Mitte). Für heiße Regionen ist demzufolge der Kuppelbau mit hohem Deckenraum, aus dem die Wärme schließlich durch kleine Öffnungen, meist am höchsten Punkt des Daches, entweichen kann, ideal (Gardi, 1973, S.91; Haberland, 1990, S.11; Greenslaw, 1976, S.8). Eine Kuppel hat auch besondere Eigenschaften im Bezug auf die Sonneneinstrahlung. Während ein Flachdach den ganzen Tag der direkten Strahlung ausgesetzt ist, spendet sich eine Kuppel am Vor- und Nachmittag selber Schatten. Nur zur Mittagszeit wird das ganze Dach von der Sonne beschienen (Farrassat, 1983, S.82). Die so entstehenden unterschiedlichen Grade der Erhitzung der Kuppeloberfläche, bewirken eine kühlende Luftbewegung um das Dach herum, das zusätzlich auch von den natürlichen Winden viel besser erreicht werden kann, als ein Flachdach (Khalili, 1986, S,16). Um der Kälte der Wüstennächte entgegen zu wirken, besitzen die dicken Wände, die zum Tragen einer Kuppel notwendig sind, die ausgezeichneten, weiter oben bereits beschriebenen Eigenschaften massiver Lehmmauern (Wärmespeicherung, Regulierung der Temperaturamplitude des Innenraums etc.) (Farrassat, 1983, S.82). Eine weitere Eigenschaft, die für die Verbreitung von Kuppeln, auch unabhängig von den klimatischen Vorzügen, durchaus relevant sein kann, ist die Art, wie die statischen Kräfte innerhalb des Gefüges wirken. Denn wie oben bereits erwähnt, ist die statisch vorzüglichste Eigenschaft des Lehms seine Druck- und nicht seine Zugfestigkeit. Kuppeln beanspruchen aber ausschließlich die Druckfestigkeit des Materials (Heese-Greve, 1983, S.247). Außerdem wird die Last des Daches weitaus besser auf alle Wandteile des Gebäudes verteilt, als es bei Flachdächern der Fall ist, deren Last nur auf wenigen Balken ruht, wodurch im Gefüge punktuell besonders starke Druckkräfte auftreten. Diese deutlich ungleiche Verteilung der Lasten bei Flachdachbauten ist nicht zu vergleichen mit der leichten Mehrbelastung der Hausecken bei Kuppelbauten (Khalili, 1986, S.18,19). All diese Eigenschaften machen Kuppelbauten äußerst resistent gegen Erdbeben, die in vielen Teilen des Vorderen Orients häufig auftreten (Ambraseys, 1978, S.192 ff.). Der Bautechniker und Architekt Nader Khalili beobachtete nach einem Erdbeben der Stärke 7,7, daß ausschließlich die z.T. schon erheblich alten Lehmkuppelgebäude stehen geblieben, sämtliche Beton und Stahlgebäude hingegen in sich zusammengestürzt waren (Khalili, 1986, S.20, 88).

Abb. 21 Kuppelbau eines ländlichen Bazars Iran, rezent, Ziegelwerk auf Chineh-Sockel ( Khalili, 1986, S.105 ) Wie schon weiter oben erwähnt, sind Räume mit hohen Decken für heiße Regionen sehr vorteilhaft, da die heiße Luft in den Deckenraum aufsteigt und dort abziehen kann (McHenry, 1985, S.103). Dieser positive Effekt kann bei der Kuppelbauweise voll zur Geltung kommen.

Abb. 22 Verhältnis von Mensch, Raumform und Thermik, Entwurf des Autors Ausgehend von einer fest definierten Baufläche zeigt sich, daß Kuppeln und Bienenkorbbauten ohne Unterbau (ganz links, übertrieben flach) keine ideale Ausnutzung des bebauten Raumes bieten. Der Bewegungsraum des Menschen wird durch die Verjüngung des Gebäudes eingeschränkt und damit dessen Nutzungsfläche verringert. Bei einer Bauweise mit geraden Wänden wird die Grundfläche ganz ausgenutzt. Überkuppelt man einen solchen Bau, anstatt daß man ihn mit einem Flachdach abdeckt, so kann man den Deckenraum beträchtlich vergrößern und das ganze Gebäude wird höher. Die heiße Luft staut sich weniger schnell in dem Nutzraum

Im vorderasiatischen Bereich sind Kuppelbauten vor allem in der Südtürkei und Nordmesopotamien verbreitet (Aurenche, 1986, S.74). In den ländlichen Gebieten um Aleppo werden vorwiegend Bienenkorbbauten sowohl mit rundem, als auch mit eckigem Grundriß gebaut (Gaube, 1982, S.295, 296; Mallowan, 1933, S.33). In Afrika findet man in den meisten Oasen der nördlichen Sahara, vor allem im großen Erg in Algerien, flache Kuppeln in echter Kuppelbauweise (Lander &

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Niermann, 1980, S.102). Auch in den baumlosen Ebenen Kaliforniens zwischen San Joaquin und Sacramento waren Kuppelbauten die vorherrschende Bauform. Ein besonderes Kennzeichen dieser indianischen Variante waren die Dachöffnungen am Scheitelpunkt des Gewölbes (Morgan 1881/1965, S.106). Über die genaue Konstruktion dieser Gebäude ist heute leider kaum noch etwas bekannt. Es ist außerdem damit zu rechnen, daß die Kuppelbauweise, in welcher Technik sie auch immer ausgeführt sein mochte, seit der Verbreitung der Töpferkunst und des geschlossenen Töpferofens allgemein bekannt gewesen sein muß, auch wenn sie nicht zwangsläufig für den Hausbau eingesetzt wurde.

nen von Haushöhe und Hofgröße variiert. Dabei gilt, je mehr das Verhältnis sich zugunsten der Haushöhe verlagert, also der Hof mehr zur Schachtform als zur weiten, offenen Fläche neigt, desto wirkungsvoller sind die klimatisierenden Eigenschaften eines Innenhofes (Lander & Niermann, 1980, S.19). Soll der Hof als Wohnfläche dienen, ist dieser klimatische Effekt jedoch nur bis zu einem gewissen Grad nutzbar. Werden die Höfe zu schmal, hoch und dunkel, verlieren sie ihre guten Wohneigenschaften und verkommen zu ungenutzten Lichtund Ventilationsschächten (Baskaya & Symes, 2002, S.279). Die klimaregulierende Funktion ergibt sich in erster Linie aus der Beschattung der umbauten Fläche und der Innenwände des Hofes. Dabei sollte die Höhe des Gebäudes deutlich größer sein als die kürzeste Seite des Hofes. Der Innenhof kann zusätzlich noch gegen die Mittagssonne mit Sonnensegeln abgeschirmt werden. Über Nacht sammelt sich die Kälte am Grunde des Hofs und kann, wenn alle Türen verschlossen bleiben, nicht abfließen. Dadurch werden die Wände, besonders die der unteren Geschosse, stark abgekühlt. Da die Wände auch am Tage kaum Strahlungshitze aufnehmen, sind sie immer kühler als die sie umgebende Luft. Der Wärmefluß geht von Raumluft zu Wand, was auch von den sich dort aufhaltenden Menschen als kühlend empfunden wird. Im Gegensatz zu warm-feuchten Klimata, in denen der ganze Himmel, wenn er verhangen ist, Hitze abstrahlt, wirkt der dunkelblaue Himmel trockener Regionen paradoxer Weise als physikalisch kalter Körper. Zieht man sich tagsüber also in den Schatten des Innenhofs zurück, kommt man nicht nur in den Genuß kühlender Wände, sondern die überschüssige Wärme wird außerdem noch nach oben, gen Himmel abgegeben (Lander & Niermann, 1980, S.19). (Siehe auch Abbildung 24)

Abb.23 Töpferofen, Südspanien (Photographie: Adriane Steckhan, 1999) Geschlossene Töpferöfen können wegen der Brennbarkeit anderer tragender Baumaterialien ausschließlich überkuppelt werden. Solche runden Öfen sind sowohl zum Brennen von Keramik, als auch zum Backen und Kochen noch heute im ganzen mediterranen Raum verbreitet.

II.2.5. Hofhäuser

Neben diesen klimatisierenden Eigenschaften kann auch ein Schlot-Effekt, wie er für die Bauweise mit ausgeprägt hohen Decken und Ventilationsöffnungen schon beschrieben wurde, ausgenutzt werden, der besonders bei einer engen Siedlungsweise mit beschatteten Gassen sehr wirkungsvoll ist. In Marokko werden zur Zeit der Mittagshitze, wenn die Dächer extrem heiß werden und die Luft über ihnen aufsteigen lassen, die Fenster und Türen zu den Gassen geöffnet. Dadurch strömt kühle Luft in die Häuser, dem Sog der aufsteigenden, heißen Luft folgend, und erzeugt einen Luftzug durch das ganze Gebäude, der eine deutliche Abkühlung der Innenräume bewirkt (Adam, 1983, S.187). Gleichzeitig werden die unteren Hausbereiche, in denen auf dem Lande nicht selten auch das Vieh untergebracht ist, gut durchlüftet (Striedter, 1990, S.159).

Eine Hausform, die besonders zwischen dem 15. und dem 30. nördlichen Breitengrad im islamischen Kulturbereich verbreitet ist, ist das Innenhofhaus (Lander, Niermann, 1980, S.19). Es bietet markante klimatische Eigenarten, die unabhängig von Bautechnik oder einer typologischen Zuordnung wie 'Mittelsaalhaus', 'Hürdenhaus' oder 'Hofhaus', die Heinrich nach der möglichen Entstehung der Hausformen postuliert hat (Heinrich, 1989, S.131), wirksam sind. Die klimatischen Effekte und Bedingungen werden lediglich durch die Proportio-

Heutzutage werde in den Gebieten, in denen das Hofhaus die vorrangige Bauform darstellt, nicht nur hohe, mehrgeschossige, sondern auch schlichte einstöckige Häuser mit Innenhof gebaut (Striedter, 1990, S.159). Denn abgesehen von der Klimaregulierung bietet ein Hofhaus in dicht besiedelten Orten auch andere Vorteile, den Wohnkomfort und die Siedlungsstruktur betreffend. Da keinerlei Freiflächen außerhalb des Hauses benötigt werden und man die Gebäude Wand an Wand bauen kann, können selbst mit niedrigen Häusern Populations-

Daß die Kenntnis der Kuppelbauweise das Bauen in einer anderen Form nicht ausschließt, belegt auch das Nebeneinander von überkuppelten, fast kugelförmigen Speichern und gradwandigen Hütten mit Kegeldächern bei den nigerianischen Haussa und anderen westafrikanischen Ethnien (Lander & Niermann, 1980. S.117).

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dichten erreicht werden, die selbst mit modernen Wohnblocks ohne weiteres konkurrieren können. Die dichte Bebauung ist in den rezenten islamischen Städten auch kein Ergebnis einer allmählichen Zusammenballung, sondern fester Bestandteil des Siedlungsmusters. Dennoch hat jede Familie einen kleinen, privaten und sicheren Freiraum unter offenem Himmel zu ebener Erde, der zudem noch vor Straßenlärm und anderen Beeinträchtigungen geschützt ist (Baskaya, Symes, 2002, S.279) . Das Innenleben des Hauses ist zwangsläufig der Außenwelt nicht zugänglich oder einsichtig, ein Charakteristikum, das der im Koran vorgeschriebenen Abschottung der Familie, besonders der Isolation der Frauen, sehr entgegenkommt (Lander & Niermann, 1980, S.16-20; Baskaya & Symes, 2002, S.262). Dieses und andere soziale Phänomene werden in Abschnitt III.3.1.1. näher geschildert. Generell kann aber gesagt werden, daß Höfe, ob es sich nun um tatsächliche Innenhöfe oder um lediglich umbaute oder ummauerte Flächen handelt, die unmittelbar mit dem „Innern“ des Hauses in Verbindung stehen, meist Hauptschauplatz der ökonomischen und sozialen Aktivitäten sind, die im Rahmen der Wohngemeinschaft stattfinden (David & Kramer, 2001, S.295; Mahdjoubi,

Awotona, 1997, S.150 ff., Schildkrout, 1978, S.99 ff., Jacobs, 1989, S. 179ff.). Im ländlichen Iran hingegen kann man beobachten, daß in den kleinen Gehöften, von denen mehrere eine Dorfgemeinschaft bilden, die großen Höfe oft für die Viehhaltung genutzt werden. Die unteren Gebäudeteile dieser meist zweistöckigen Anlagen dienen in solchen Fällen als Ställe oder Wirtschaftsräume, in denen Viehfutter und Tierprodukte gelagert und verarbeitet werden (Wattson, 1979, S.157; Jacobs, 1989, S. 179). Diese Nutzungen müßten sich chemisch im Boden niederschlagen und können mittels Phosphatanalyse im Befund festgestellt und somit rekonstruiert werden. Ebenfalls aus dem Iran stammt die Beobachtung einer anderen, ungewöhnlichen Nutzung von Höfen: In Shirdasht im Nordiran errichten die Familien auf den Höfen der ummauerten Hauskomplexe, die sich zu dem Dorf gruppieren, Zelte, in denen sie während der Hitzeperiode wohnen. Der ganze Haushalt wird also zeitweilig in eine andere Wohnform transferiert und in einen Bereich verlagert, der im Befund als nicht überdachte, reine Wirtschaftsfläche, nicht aber als Wohnfläche erscheinen muß (Wattson, 1979, S.241).

Abb.24 Temperaturverlauf in einem Innenhofhaus (Lander & Niermann, 1980, S.19)

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II.2.6. Mehrstöckigkeit

fernung des Schattendaches am späten Nachmittag kann auch eine leichte Erwärmung erzielt werden, die von großem Nutzen ist, wenn das Dach als Schlafplatz dienen soll. Eine ent- gegengesetzte Möglichkeit ist in den kühleren Jahres- zeiten sinnvoll: das Dach wird am Tage unbeschattet gelassen und die absorbierte Wärme wird durch Abdeckung daran gehindert, sich zu schnell wieder zu verflüchtigen. Der Wärmefluß strömt in diesem Fall vorwiegend in Richtung des Hausinneren und nicht zur kalten Außenluft (Endruweit, 1994, S.54, 55). Im archäologischen Befund muß also berücksichtigt werden, daß Treppen innerhalb architektonischer Strukturen nicht gleichbedeutend mit einem Obergeschoß sein müssen, sondern nur zu der Erschließung des Daches gedient haben können. Andere Hinweise auf mögliche Zweigeschossigkeit können Wandarmierungen sein, die dazu dienen, vertikal wirkende Kräfte aufzufangen. Dazu gehören in erster Linie Pilaster, die, direkt an die Wände gebaut, die Lasten von tragenden Balken auffangen und damit die Wände entlasten (Fiedermutz-Laun, 1983, S.154). Das kann zwar ein mehrgeschossiges Bauen ermöglichen, aber eine bloße Entlastung der Wände kann auch für sich ein erstrebtes Ziel sein; so werden z.B. in den Gehöften der Sahel-Zone die Dächer ausschließlich von Pfeilern getragen, damit die Wände jederzeit durchbrochen werden können und Räume, ganz nach den jeweiligen Bedürfnissen der Bewohner, zugänglich oder zusammengefaßt werden können. Auf diese Weise kann man die Gebäudestruktur jederzeit familiären und anderen sozialen Veränderungen anpassen (Lander, Niermann, 1980, S.13). In Westafrika werden die statischen Lasten ebenfalls oft nicht von den Lehmwänden, sondern von hölzernen Gabelpfosten getragen (Haselberger, 1964, S.62). Andererseits werden Strebepfeiler auch gebaut, um die bereits in Abschnitt II.2.2 beschriebenen horizontal wirkenden Kräfte aufzufangen, und nicht, um vertikale Lasten wie Obergeschosse zu stützen. Es gibt allerdings auch para-architektonische Phänomene, die im archäologischen Befund als Wandarmierugen und Strebepfeiler mißverstanden werden können. Ein sehr ähnliches Aussehen haben z.B. Schuttkegel, die durch von Dächern gespültem Lehm hervorgerufen werden und sich unterhalb der Abflußlöcher am Fuße der Gebäudes bilden. Man sollte bei einer Ausgrabung also genau darauf achten, aus was für einem Material mögliche Armierungen bestehen und ob eine Bautechnik festgestellt werden kann. Schuttkegel müssen aus einem sehr feinen, homogenen Material ohne Zuschläge und erkennbare Baustruktur bestehen, sowie eine amorphe, nur annähernd runde Form haben. (Siehe Abb. 25) Ein weiterer oft bemühter Anhaltspunkt, um anhand der Grundmauern Obergeschosse zu rekonstruieren, ist die Wandstärke von Gebäuden. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Massive Wände können zwar durchaus statische Bedeutung haben, können aber genauso rein klimatischen oder repräsentativen Zwecken dienen (Evans, 1980, S.102). Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, ist die verbaute Masse innerhalb eines Hauses für die Klimaregulierung von großer Bedeutung (Evans, 1980, S.101). Die Rekonstruktion von mehrgeschossigen Gebäuden sollte also immer unter Vorbehalt und mit Hinblick auf alternative Interpretationen der Befunde unternommen werden.

Die mehrgeschossige Bauweise hat sowohl auf den Wohnkomfort, als auch auf die Klimaregulierung eine deutliche Wirkung. Die Reduzierung der Sonneneinstrahlungsfläche ist besonders für heiße, aride Gebiete von Bedeutung. Werden Häuser nicht horizontal sondern vertikal erweitert, also die Räume übereinander gesetzt, erreicht man eine deutliche Reduzierung der Dachflächen. Auf diese Weise tragen die Obergeschosse die meiste Hitzelast und schirmen die unteren Stockwerke ab (Lander & Niermann, 1980, S.18). In islamischen Ländern ist es üblich, daß in den oberen Teilen der Gebäude die Schlafräume liegen, wenn nicht sogar auf den Dächern geschlafen wird. Die Obergeschosse werden vorzugsweise nachts genutzt, wenn das Quecksilber bis zu 350 C unter die Tagestemperatur fällt, ein Unterschied der als äußerst unangenehm empfunden wird. Die in den Decken gespeicherte Hitze wird während der Nacht an die Räume darunter abgegeben und die starke Schwankung wird ausgeglichen. Dadurch wird das Klima in den oberen Gebäudeteilen nachts am angenehmsten (ebd.,. S.20). Die folgende Graphik verdeutlicht die unterschiedlichen Temperaturschwankungen in den oberen und unteren Gebäudeteilen eines islamischen Stadthauses. Abgesehen den klimatischen Funktionen hat mehrgeschossiges Bauen auch andere Nutzeffekte. Die Hopi und andere Pueblo-Indianer nutzten die tür- und fensterlosen Erdgeschosse als Speicher und gleichzeitig als Verteidigungseinrichtung; die Wohnbereiche waren lediglich über leichte Leitern zu erreichen, die jederzeit eingezogen werden konnten (Morgan, 1881/1964, S.144, 160; Mindeleff, 1891/1989, S.103, 223; Cameron, 1999, S.63). Zweite Stockwerke können aber genauso, wie zwei ethnoarchäologische Untersuchungen im Iran ergaben, als Reaktion auf einem Mangel an Baufläche innerhalb geschlossener Siedlungen entstehen (Jacobs, 1989, S.184, 185) oder als Repräsentation von Reichtum dienen (Wattson, 1979, S.292). Neben den architektonisch realisierten Obergeschossen werden in fast allen Gebieten, in denen Flachdächer üblich sind, auch die Dachflächen als Wohn- und Wirtschaftsraum genutzt, wie beschrieben für den kurdischen Iran (David & Kramer, 2001, S.271, 295), die Pueblos (Cameron, 1999, S.18; Mindeleff, 1891, S.149), die Reihendörfer der „Village Indians“ (Morgan, 1881/1965, S.144) oder die Gehöfte der westafrikanischen Dahomey (Haselberger, 1964, S.62). In vielen Fällen werden leichte Konstruktionen aus Holz und Textilien quasi als zusätzliches, provisorisches Stockwerk auf den Dächern aufgebaut. Durch die Beschattung der Dächer können wiederum erstaunliche thermophysikalische Ergebnisse erreicht werden. Unbeschattete Dächer können sich in Gebieten mit starker Sonneneinstrahlung (gemessen in Marokko) tagsüber auf bis zu 800C aufheizen (Lander & Niermann, 1980, S.20). Im Sudan ergab eine Versuchsreihe, daß beschattete Dächer so wenig Wärme absorbieren, daß ihre Temperatur in der Nacht unter der Außenlufttemperatur lag. Je nach Vorlieben kann dieses Fluidum für die Innenraumklimatisierung nutzbar gemacht werden. Durch die Ent-

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II.2.7. Komplexität des Innenraums Wie schon in vorangegangenen Kapiteln erwähnt, wirkt eine komplexe Innenstruktur eines Hauses klimatisch ausgleichend (Evans, 1980, S.101; Endruweit, 1994, S.45). Eine Untergliederung des Hauses wird aber auch notwendig, wenn der Innenraum eine Größe erreicht, die nicht mehr in einem Stück überdacht werden kann (Adam, 1981, S.75). Ein komplexer Innenraum kann jedoch auf zwei unterschiedliche Arten entstehen: Wie in Afrika vielfach beobachtet, können sich Gebäude, die von Außen als Einheit erscheinen, aus zusammengeballten Einraum- häusern zusammensetzen (Haselberger, 1964, S.79, 82; Gardi, 1973, S.97; Lander & Niermann, 1980. S.13). Der zweite Entstehungsweg besteht in einer baulichen Sektionierung eines in sich geschlossenen Gebäudes (Haselberger, 1964, S.77); eine bereits vorhandene funktionale oder ideelle Unterteilung des Innenraums wird in diesem Fall nachträglich umgesetzt. Auf die verschiedenen gesellschaftlichen Konzepte, die hinter diesen unterschiedlichen Entwicklungen des komplexen Raums stehen, werde ich in Abschnitt III.3.1. eingehen.

Abb.25 Schuttkegel unter Abflußlöchern des Daches, Obervolta, rezent (nach Gardi, 1973, S. 134) Ein anderer Aspekt, der die Interpretierbarkeit von mehrgeschossigen Häusern schwierig macht, ist die Nutzung der Stockwerke und der Wandel der Nutzung, der z.B. eine Activity Area Analysis extrem verzerren kann. Besonders gut nachvollziehbar sind diese Veränderungen der Raumnutzung bei den Hopi-Pueblos: Speicherräume werden mit Türen versehen und zu Wohnräumen, Wohnräume werden offen gelassen, später wieder vermauert und als Speicher benutzt etc. (Cameron, 1999, S.64, 104). Im Nahen Osten hingegen werden die Untergeschosse von Häusern häufig für die Unterbringung von Vieh genutzt (Striedter, 1990, S.159; Jacobs, 1989, S. 179; Wattson, 1979, S.156, 157). In diesem Fall hätte der Archäologe keinerlei Möglichkeit, die Flächen ökonomischer Tätigkeit anhand von Kleinfunden zu ermitteln, da sich die sozialen und ökonomisch genutzten Bereiche in architektonischen Zusammenhängen befinden, die nicht im Befund erfasst werden können.

II.3. Die Siedlungsstrukturen und ihre jeweiligen Eigenschaften In diesem Abschnitt möchte ich mich nur mit einigen Grundprinzipien der Anlage eines Dorfes beschäftigen: der Clusterbildung, dem Einzelgehöft und der lockeren Siedlungsbildung. Auf detailliertere Kategorien wie Haufen-, Reihen- oder Straßendorf, Rundsiedlung etc. möchte ich erst in Kapitel III näher eingehen. Denn die grundsätzlichen funktionalen Eigenschaften der Dorfanlagen bleiben sich prinzipiell gleich, ungeachtet einer speziellen kulturbedingten Genese. II.3.1. Die isolierte Bauweise

Auch die soziale Bedeutung von Ober- und Unterstockwerken läßt sich nicht verallgemeinern. In Rom waren ursprünglich die unteren Geschosse der Insulae prestigeträchtig, später galten die höher gelegenen Stockwerke als höherwertig, da sie mehr Privatsphäre boten und dem Treiben der Straße entrückt waren. Die unteren Stockwerke wurden nur noch für die Unterbringung von Sklaven, Dienern, Pferden und Wagen genutzt (Baskaya & Symes, 2002, S.267). In den Pueblosiedlungen war es hingegen ein Privileg, in den unteren Stockwerken zu wohnen; je ärmer die Familien waren, desto höher waren ihre Wohnquartiere gelegen (Morgan, 1881, S.149). In ländlichen, ärmeren Gegenden des Iran gelten zweite Stockwerke als Statussymbol und nur den reicheren Familien ist es möglich, solche Konstruktionen zu errichten (Wattson, 1979, S.292).

Mit dem Terminus „isolierte Bauweise“ möchte ich Siedlungsgebilde bezeichnen, in denen zwar mehrere Häuser zu einer Siedlungseinheit zusammengeschlossen sind, die aber dennoch, im Gegensatz zur Clusterbauweise, räumlich voneinander getrennt stehen. Explizite Untersuchungen über die funktionalen Aspekte einer solchen Siedlungsweise wurden offenbar bislang nicht unternommen, wodurch man weitestgehend auf eigene Überlegungen und Folgerungen angewiesen ist. Farassat weist darauf hin, daß bevorzugt in feuchten, warmen Regionen die Gebäude getrennt voneinander stehen, damit der Wind durch sie hindurch streichen und Feuchtigkeit besser verdunsten kann. Des weiteren werde in solchen Regionen bevorzugt auf Pfählen zur Ventilation und zum Schutz vor Ungeziefer, sowie unter schattenspendenden Bäumen gebaut. Die beiden letzteren Hinweise sind allerdings für Lehmbauregionen nicht von Nutzen. (Farassat, 1983, S.78) Einzeln stehende Häuser sind der Sonneneinstrahlung weitgehend ausgesetzt. In Regionen, in denen ein kalter und trockener Winter herrscht und der Himmel selten 45

bedeckt ist, kann man mit einer entsprechenden Ausrichtung und Proportionierung der Häuser die Strahlungsmenge, die auf die Baukörper einwirkt, vergrößern, und zur Aufwärmung der inneren Räume nutzen. Denn die Strahlungswärme, die von einer Außenwand absorbiert wird, kann das Doppelte der Lufttemperatur betragen (Endruweit, 1994, S.31). In diesem Fall sollten die Häuser entweder eine Nord-Süd-Achse besitzen, proportional also größere Ost- und Westwände als Nordund Südwände haben, da auf die ersteren die stärkste Strahlung fällt, oder Grundrisse mit einer besonders großen Südwestwand aufweisen, die das Strahlungsmaximum des Nachmittags aufnehmen kann (Endruweit, 1994, S.43). Nach Beobachtungen des Archäologen A.M.T. Moore sollen die Häuser östlich von Aleppo nach Südwesten ausgerichtet sein, um die Wärme der Wintersonne aufzufangen (Moore, 1975, S.60).

nes Kapitel widme. Es handelt sich dabei um die addierende, die agglutinierende und die akkumulierende Siedlungsweise. In der Literatur werden diese verschiedenen Erscheinungsformen aber nur bedingt differenziert, die Begriffe z.T. auch untereinander aus- getauscht, wodurch leicht Mißverständnisse entstehen (Vergl.: Schmidt, 1964, S.15 und Heinrich, 1985, S.131). Die Keimzelle der addierenden sowie der aggluti- nierenden Bauweise ist die einzelne Raumzelle. In einer Siedlung mit agglutinierendem Schema werden die einzelnen Häuser so aneinander gesetzt, daß jedes noch seinen eigenen Zugang behält. Für gewöhnlich werden die architektonischen Zellen in Reihungen gebaut. Unter Umständen können die einzelnen Kammern noch verbunden werden, in dem man die Wand zu der jeweils nächsten Baueinheit durchbricht. Als agglutinierend gebaut gelten die Zellen aber nur, wenn sie ihre Gleichberechtigung gegenüber den anderen Gebäuden in der Siedlung bewahren und nicht zu mehrräumigen Komplexen verschmelzen, wie bei der addierenden Bau- weise. Andererseits unterscheidet sie sich von der akkumulierenden Bauweise durch die oft übliche Zusammenfassung mehrerer agglutinierter Zellen zu einer Wohneinheit, in der die verschiedenen Funktionen des alltäglichen Lebens jeweils auf verschiedene Zellen verteilt sind. Diese Siedlungsform ist in Nordwest Syrien, sowie in vielen Teilen Afrikas verbreitet. Sie ist vor allem im ländlichen Umfeld bei dem Bau von isoliert stehenden Gehöften üblich, wo je nach Bedarf einzelne Gebäude der Siedlung hinzugefügt werden können. In vielen Fällen werden auch einzeln stehende Baueinheiten mit Hilfe einer Mauer an den gesamten Hauskomplex angegliedert, damit eine bauliche Geschlossenheit der ganzen Siedlung erreicht wird. (Schmidt, 1964, S.15, 79; Lander & Niermann, 1980, S.13; Gaube, 1982, S.296; Fiedermutz-Laun, 1983, S.146ff; Gardi, 1973, S.97). Die agglutinierende Bauweise ist die einzige Möglichkeit, um mit Rund- bauten ein Siedlungscluster zu bilden, da es im Wesen der Kreisform liegt, sich nur schwer mit anderen Formen zu verbinden (siehe Abb.26a). Die Häuser können sich nur peripher berühren und bei dichterer Bebauung würden zahlreiche Leerräume zwischen ihnen entstehen, was besonders bei begrenztem Baugrund eine sehr unvorteilhafte Nutzung der Flächen darstellt (Schmidt, 1964, S.14, 15, Abb.6; Mallowan, 1967, S.61). Die addierende Bauweise ist nur möglich mit linearen Grundrissen. Auch hier besteht die kleinste Baueinheit aus einer einräumigen Zelle. Werden die Raumansprüche größer, werden um diese Zelle weitere Einheiten angefügt, wobei in der Regel die bereits vorhandenen Mauern genutzt werden. Je nach Bedarf werden die Räume untereinander verbunden, indem man die trennenden Wände durchbricht. In der nördlichen Sahelzone wird dieses Charakteristikum noch durch eine von den Wänden unabhängige Konstruktion zur Dachabstützung gefördert. Jede Wand kann nach Belieben eingerissen oder in ihrem Verlauf geändert werden, ohne das die Statik des gesamten Baukörpers gefährdet ist (Lander & Niermann, 1980, S.13). Auf diese Weise entsteht eine komplexe Einheit mit mehreren Räumen, die im Gegensatz zu der agglutinierenden Bauweise nur durch einen Haupteingang betreten werden kann. Der Umriß des Komplexes entspricht keiner standardisierten Form, sondern gehorcht nur den räumlichen Vorraussetzungen und den

Wie weiter oben schon erwähnt wurde, ist die übliche Dachform in feuchten Gebieten das Giebeldach. Es ermöglicht ein rasches Abfließen der Niederschläge, die sich auf Flachdächern stauen und sie aufweichen würden (Farrassat, 1983, S.80). Ständen die Häuser dicht an dicht, bliebe eine gegenseitige Beschädigung durch abfließendes Regenwasser nicht aus. Bei einer agglutinierenden Bauweise in feuchtem Klima wäre es denkbar, daß sich in den Wänden aufstauende Feuchtigkeit sehr unangenehm auf das Wohnklima und die Stabilität der Baumasse auswirken könnte. Bei einem vegetabil gemagerten Baumaterial müßte außerdem mit dem Auftreten von Schimmelbefall gerechnet werden, wenn keine ausreichende Belüftung gewährleistet ist. Nach klimatischen Gesichtspunkten wäre diesen Überlegungen zufolge die isolierte Bauweise für Regionen mit kalten, trockenen Wintern und/oder feuchten Sommermonaten am geeignetsten. Solche Wetterverhältnisse findet man in den weitesten Teilen Mittel- und Osteuropas, sowie in den meisten Gebieten Chinas, Indiens, Pakistans und in einigen Regionen Afghanistans, in Äthiopien und dem Süd-Ost Sudan, also offensichtlich außerhalb des behandelten Untersuchungsgebietes. Ob diese Vermutung für die vorliegende Untersuchung von Belang ist, wird sich in den späteren Abschnitten zeigen. Ein letzter Punkt, der für eine isolierte Bauweise spricht, besteht in der Möglichkeit, die Fläche unmittelbar um die Behausung als Wirtschaftsbereich zu nutzen. Besonders in kleinen, wenig differenzierten Gesellschaften, in denen jede Familie sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten selbst durchführt, sollte der Wirtschaftsbereich vom Haushalt aus direkt zugänglich sein, da die beiden eine untrennbare Einheit bilden. Die Freiflächen innerhalb von Siedlungen sind in einfach strukturierten Gesellschaften als Lebensbereich meist genauso wichtig wie die Gebäude (Lander & Niermann, 1980, S.13). II.3.2. Die 'Clustersiedlung' Unter diesem Begriff möchte ich mehrere sonst übliche Bezeichnungen zusammenfassen, die zur Benennung unterschiedlicher Siedlungsweisen dienen, denen aber, besonders in klimatischer Hinsicht, viele Eigenschaften gemeinsam sind, weswegen ich ihnen jeweils kein eige-

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Bedürfnissen seiner Bewohner (siehe Abb.26b) (Schmidt, 1964, S.5ff; Lander & Niermann, 1980, S.13). Werden die einzelnen addierend gebauten Einheiten zu komplex, werden in ihrem Zentrum sog. Verteilerräume gebildet, deren Funktion der eines Hofes analog ist. Sie ermöglichen die gute Erreichbarkeit aller Gebäudebereiche ohne daß andere Räume zu Durchgangszimmern werden (Schmidt, 1964, S.16). So kann aus einem addierenden Cluster auch eine Art Hofhaus entstehen (siehe Abb.26c). In einem Siedlungszusammenhang können die einzelnen addierend gebauten Häuser entweder von vornherein gezielt aneinander gebaut werden oder die freigelassenen "Negativräume" werden mit der Zeit zugebaut. In diesem Fall werden die Umrißlinien der einzelnen Komplexe durch die anderen Gebäude bestimmt, mit denen sie aneinander stoßen. Auch hier werden die bereits bestehenden Mauern genutzt; die voneinander getrennten addierenden Einheiten teilen sich Mauerabschnitte (Schmidt, 1964, S.7ff). Auch die akkumulierende Siedlungsform ist nur möglich, wenn die einzelnen Häuser einen linearen, bestenfalls rechtwinkligen Grundriß aufweisen. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß einzelne Gebäude mit in sich geschlossenen Grundrissen dicht aneinander gebaut werden. Jedes Haus hat seine eigene innere Struktur, die nicht durch ein vegetatives Wuchern wie im Falle der agglutinierenden Siedlungsform entsteht, sondern die zu

Beginn der Bautätigkeit, anhand des zur Verfügung stehenden Raumes geplant wird, oder einem baulichen Kanon folgt. Jedes Haus hat außerdem seine eigenen Außenmauern, die es nicht mit anderen Gebäuden teilt. Jedes Haus stellt eine unabhängige Wohneinheit dar, wodurch sich diese Clustervariante von dem addierenden Cluster unterscheidet, in dem mehrere aneinander gereihte Häuser zu einer Wohneinheit zusammengehören können (Eichmann, 1991, S.41). Eine Eigenschaft, die nur diese Clustersiedlungsform vorweisen kann, ist von statischer Natur: Werden Häuser aus minderwertigem Material gebaut, oder sind die Wände sehr dünn, können sich die Häuser gegenseitig abstützen, wie es z.B. bei vielen Amarna-Häusern, die nur mit Halbziegelformaten aufgemauert wurden, der Fall ist (Endruweit, 1994, S.26). Ein rezentes Beispiel für die akkumulierende Bauweise sind die islamischen Städte des Vorderen Orients, in denen Hofhäuser dicht an dicht gebaut werden. Auch fast alle europäische Städte sind in dieser Siedlungsform errichtet, wobei die Häuser meist nur in einer Flucht und nicht in dichten Clustern wie in der arabischen Welt gebaut werden. Die Akkumulation ist hier wie dort von Anfang an Bestandteil des Siedlungskonzeptes und nicht das Ergebnis eines langsamen Verdichtungsprozesses (Lander & Niermann, 1980,S.16).

Abb. 26 a: Agglutinierende Rundhütten; b: Cluster aus vier addierend gebauten Wohneinheiten; c: Addierend gebaute Wohneinheit mit zentralem Verteilerraum bzw. Hof; d: Akkumulierende Idealhäuser (Entwurf des Autors)

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Akkumulierende Cluster können natürlich auch in Zeiten hoher Populationsdichte oder zunehmender Verknappung des Baugrunds durch Wachstum nach Innen zuwuchern. Das geschieht entweder durch addierendes Bauen an die vormals geschlossenen Strukturen, zB. das Bebauen von Innenhöfen oder dem Haus zugeordneten Freiflächen (Jacobs, 1989, S.187), oder durch das Bebauen von Freiflächen zwischen Häuserreihen, wie einige archäologische Befunde nahe legen, wie z.B. in Catal Hüyük oder den Siedlungen in der Geoksjur-Oase in Turkmenistan (Eichmann, 1991, S.43; Heinrich & Seidel, 1969, S.117; Müller-Karpe, 1984, S.11, 51). Es wurden schon weiter oben etliche Gründe aufgezählt, die zu einer allgemeinen Agglomeration von einzelnen Siedlungseinheiten führen können. Besonders die Raumersparnis, die durch die enge Bebauung entsteht, ist von großem Vorteil in Gebieten mit begrenztem Bauland oder in Bereichen, wo der Boden von hohem Wert ist, wie z.B. in Oasen. Auch hohe Populationsdichten können eine Ursache für Clusterbildung sein (Mallowan, 1967, S.61). In den marokkanischen Städten werden bei zweistöckiger Bauweise Dichten von bis zu 1200 Einwohnern pro Hektar erzielt. Damit kann die Clusterbauweise mit ihrem völligen Verzicht auf unbebaute Grundstücksfläche ohne weiteres mit unseren modernen Wohnblocks konkurrieren (Lander & Niermann, 1980, S.16). Auch aus strategischen Gründen kann ein Cluster gebildet werden. Wenn in einer Siedlung alle Haustüren nur ins Innere derselben gerichtet werden oder sich auf den Dächern oder Terrassen im Obergeschoß befinden, die nur über Leitern zu erreichen sind, bekommt die geschlossene Außenfront der ganzen Anlage einen festungsartigen Charakter und bietet Angreifern keinen unmittelbaren Zugang. Die Siedlung kann von den Dächern herab vorzüglich verteidigt werden (Silberfein, 1998, S.8; Mahdjoubi & Awotona, 1997, S.148; Fiedermutz-Laun, 1990, S.19; Mellaart, 1965, S.82; Morgan, 1881/1965, S.74, 144 ). Der Zusammenschluß von Dächern ermöglicht zu- sätzlich eine zweite infrastrukturelle Ebene alternativ zur Straße. Aus einigen iranischen Dörfern mit dichter Bebauung ist bekannt, daß die Frauen, um die Öffentlichkeit der Straße zu umgehen, ein Wegesystem über die Dächer für gegenseitige Besuche nutzen (Jacobs, 1989, S.179).

die verschachtelten Siedlungskomplexe erstrecken. In modernen orientalischen und nordafrikanischen Städten werden sie noch zusätzlich mit Matten, Netzen oder Lattenrosten beschattet oder sind sogar z.T. gänzlich überbaut. In Marokko werden sie tagsüber oft als alternativer Aufenthaltsort genutzt, an dem die Kinder spielen und Frauen ihre Hausarbeit verrichten (Farassat, 1983, S.78; Adam, 1981, S.83; Rudofsky, 1989, S.81ff).

Die herausragendsten Eigenschaften, die auch in der Literatur am stärksten hervorgehoben werden, sind aber klimatischer Natur. Das wärmespeichernde Verhalten von Lehm wurde bereits mehrfach erwähnt. In sehr heißen Regionen ist es demzufolge natürlich vorteilhaft, wenn sowenig Sonnenstrahlen wie möglich den Baukörper erreichen und aufheizen. Durch die dichte Bebauung beschatten sich die Häuser gegenseitig, sodaß die Strahlungswärme sie nur noch über das Dach erreichen kann (Adam, 1981, S.83; Endruweit, 1994, S.26). Dieser Effekt wird durch mehrgeschossiges Bauen verstärkt, wobei die unteren Geschosse durch die darüberliegenden zusätzlich abgeschirmt werden, und die Gebäude längere Schatten über die Freiflächen werfen können (Lander & Niermann, 1980, S.18). Auch die Gassen liegen durch die enge Bauweise meist im Schatten und bilden kühle Luftadern, die sich durch

Genau wie im Falle der Ausrichtung rechteckiger, einzeln stehender Häuser darauf geachtet werden sollte, daß die Ost- und besonders die Westwand die kleinstmögliche Fläche haben, ist es ratsam in heißen Klimazonen die Häuser in Ost-West-Richtung aneinander zu reihen. Durch diese Bauweise sind die Westwände, die sonst in besonderem Maße der Hitzeeinstrahlung des Nachmittags ausgesetzt sind, ausgezeichnet geschützt, da sie von den nächst anschließenden Häusern bedeckt werden (Endruweit, 1994, S.26, 41). Dementsprechend ist z.B. im Iran zu beobachten, daß fast alle Dörfer und Städte sich in Ost-West-Richtung erstrecken und entwickeln (Farassat, 1983, S.78). Auch bei Pueblos sind Ausrichtungen der Siedlung entlang der Ost-West-Achse zu verzeichnen, so zB. bei dem Acoma Pueblo, New Mexico (Stea & Turan, 1993, S.279).

Die kühle Luft der Gassen wird auch oft genutzt, um die Gebäude zu durchlüften. Wenn in den Häusern Abzugsmöglichkeiten bestehen, wie etwa ein Innenhof, genügt es die Türen zur Gasse zu öffnen. Die aufsteigende Hitze über den Dächern sorgt für einen Sog, der die kühle Luft aus den engen Straßen durch das Haus ziehen läßt. Auf diese Weise können auch Hofhäuser, deren Innenhöfe zu groß zum Abdecken sind, am heißen Nachmittag gekühlt werden (Adam, 1981, S.83 und 1983, S.187).

Abb. 27

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Straße mit Schattendach, Nordafrika, rezent (Rudofsky, 1964, S.85)

Abb. 28 Acoma Pueblo, New Mexico (Stea & Turan, 1993, S.153)

II. 3.3. Das Gehöft Unter einem Gehöft versteht man eine isolierte, in sich geschlossene Siedlung. Sie beherbergt eine Familie oder Sippe und stellt eine unter dem Vorstand eines Gehöftherren hierarchisch gegliederte sozio-ökonomische Einheit dar. In formaler Hinsicht sind drei Typen zu unterscheiden: der aus einer Anzahl von Einraumbauten, die gewöhnlich rund um einen Hof geschlossen sind, zusammengesetzte Bauernhof, das aus wenigen mehrräumigen um einen Hof gelagerten Gebäuden bestehende Gehöft, und das Gehöft, das aus nur einem komplex durchorganisierten Gebäude und dem dazugehörigen Wirtschaftsbereich mit Sekundär- bauten besteht (Haselberger, 1964, S.16, 17, 21, 45, 77). Gehöfte stellen in erster Linie eine sozio-ökonomische Erscheinung dar und weisen außer der räumlichen Bezogenheit der Gebäude keine spezifischen architektonischen Eigenarten auf, die mit den vorangegangen Bauweisen nicht schon erläutert wurden. In Kapitel III.3.1. soll näher auf sie eingegangen werden.

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III. Die architektonische Organisation des kulturellen Raums

len Anpassung einer Kultur zu rekonstruieren, um sie zu verstehen. Diese Perspektive wurde besonders durch die prozessualistische New Archaeology bestärkt und erhielt durch sie, im Sinne eines positivistischen Wissenschaftsverständnisses, den Nimbus der Objektivität (Champion, 1991, S.134). Ein grundsätzlicher Denkfehler, den Sahlins in diesem theoretischen Umfeld ausmacht, ist die Trennung von Überbau und Unterbau, also von moralischen, religiösen und politischen Systemen einerseits und den Produktionsverhältnissen andererseits. Er streicht heraus, daß gerade das Fehlen dieser Trennung kennzeichnend für sog. “primitive“ Kulturen sei. Bei vielen Kulturen gebe es nur ein einziges Organisationsprinzip: das der Familie, aus der sich sowohl alle religiösen wie ökonomischem Kategorien ableiten lassen (Sahlins, 1981, S.7, 16-27). In der archäologischen Praxis bedeutet die unreflektierte Anwendung des funktionalistischen Ansatzes, daß alle Erklärungen als ausreichend betrachtet werden, die den Raum entweder als klimatisch funktional beschreiben, oder die einzelne Gebäude durch die activity area analysis ökonomischen Tätigkeitsfeldern zuordnen. Das grundsätzliche Problem dieses Ansatzes ist sein reduktionistischer Charakter, der die Vielschichtigkeit möglicher Bedeutungen unbedacht läßt (Bailey, 1990, S.19, 20). Zwar sind die klimatischen und funktionalen Aspekte eines Gebäudes von Bedeutung, doch spielen in der Lebensrealität der Bewohner die Aspekte der Kommunikation, der symbolischen Bedeutung und der Raumempfindung meist eine weitaus größere Rolle (Gutman, 1976, S.40-44). „ A building is a cultural unit of meaning before it is an object of practical function“ (Sanders, 1990, S.45). Durch die Reduktion des Raums auf das Ergebnis eines adaptiven Prozesses wird auch oft der Fehler begangen, daß die Art der Anpassung als natürliche Konsequenz der ökonomischen und klimatischen Verhältnisse verstanden wird, also als die einzig mögliche zu realisierende Erscheinungsform. Es wird dabei meist übersehen, daß eine Vielzahl anderer Raumlösungen ebenso zweckdienlich sein könnte (Rapoport, 1976, S.7-11, 21-24, 257; Sahlins, 1981, S.1ff). Die Frage, warum eine Population gerade diese, für ihre kulturelle Eigenart signifikante Lösung gewählt hat, wird nicht gestellt. Schließlich muß auch bedacht werden, daß der Mensch kein ausschließlich vernünftig handelndes Geschöpf ist, zahlreiche Handlungen irrational und gesellschaftliche Konventionen außerhalb des kulturellen Kontextes meist unverständlich sind. Viele Konventionen haben ursprünglich einen funktionalen Hintergrund, der mit der Zeit irrelevant geworden ist (Okakura, 1957, S.26). Die Handlungsformen, die zurückbleiben, erfüllen keinen akut praktischen Zweck mehr. Genauso ist damit zu rechnen, daß viele kulturelle Vorstellungen architektonische Erscheinungen verursachen, die als funktional mißverstanden werden können, da sie analoge, aber keine homologen Ähnlichkeiten aufweisen (Bischof-Köhler, 1991, S.144). Als Beispiel seien etwa die Geisterwände und andere Raumelemente in Ostasien genannt, die, nach der Überzeugung der Bewohner, ausschließlich dazu dienen, Geister in die Irre zu führen und ihnen den Zugang in ihre Häuser zu verwehren. Da sie also ohne objektiv praktische Intention gebaut wurden, würde eine

III. 1 Theoretische und methodische Perspektiven Seit den späten 60er Jahren ist eine Vielzahl theoretischer Ansätze entwickelt worden, um sich dem Komplex des menschlichen Raumverhaltens anzunähern (siehe Kapitel I.3.); viele dieser Ansätze widersprechen sich im derzeitigen Diskurs. Das grundlegende Zerwürfnis besteht zwischen der Vorstellung des Menschen als Subjekt, begabt mit Entscheidungsfreiheit und der Möglichkeit seine kulturellen Bedingungen selbst zu gestalten (Possibilismus), und dem Menschen als rein reaktivem Objekt innerhalb der natürlichen Prozesse, dessen kulturelle Hervorbringungen nur verschiedene Ausdrücke der Anpassungen an die Umweltbedingungen sind (Determinismus) (Bargatzky, 1986, S.24ff.; Beck, 1976, S.13). In jüngerer Zeit wurden Ansätze entwickelt, um diesen Streit zu entschärfen und zu relativieren, wie z.B. die Handlungstheorie oder der Probalismus (s.u.). Im Folgenden sollen die maßgeblichen Ansätze vorgestellt und diskutiert werden, anschließend soll der Versuch unternommen werden, eine ganzheitliche Sichtweise zu entwickeln. Sie soll ermöglichen, Ansätze, die sich augenscheinlich gegenseitig ausschließen, innerhalb einer Untersuchung nutzbar zu machen, um ein vollständiges Bild des Forschungsgegenstands zu erlangen. Wie bereits in Kapitel I.3. angedeutet, wird dabei auf die herkömmliche intuitionistische und kunsthistorische Interpretation vollständig verzichtet. Ebenfalls nicht berücksichtigt werden die zahlreichen Architektur-„Theorien“, da es sich in fast allen Fällen lediglich um aus anderen Geisteswissenschaften abgeleitete ästhetische Konzepte ohne wissenschaftliche Relevanz handelt (Hillier, 1996, S.4; German, 1993, S.1ff.; Rapoport, 1990, S.VII). Funktionalismus / Utilitarismus Der Funktionalismus und Utilitarismus sind deterministische, kulturmaterialistische Konzepte und basieren auf der Annahme, alle kulturellen Erscheinungen seien Ergebnis einer Anpassung an die Verhältnisse von Umwelt, Ökonomie, Demographie und Technik. Vordenker auf diesem Gebiet waren in der Kulturanthropologie vor allem Steward (1955) und Harris (1968). Sie stehen in der Tradition des Historischen Materialismus und Marxismus und orientieren sich zudem an den biologischen Konzepten der Adaption und Evolution (Giddens, 1988, S.51). In der Archäologie wird dieses Konzept in der Regel ohne weitere theoretische Reflexion auf die materiellen Hinterlassenschaften übertragen; sie werden also nur bezüglich ihrer adaptiven und ökonomischen Nützlichkeit wahrgenommen. Da der kulturelle Überbau mutmaßlich von den gleichen Faktoren geformt wird, also wie die verschiedenen Artefaktgattungen nur Ergebnis eines kulturellen Adaptionismus ist, er demzufolge aus der Art der Umweltanpassung und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Tätigkeiten und ihrer Organisation abzuleiten sei (Bargatzky, 1986, 30ff), wäre es ausreichend, den Grad und die Art der technisch-funktiona50

funktionalistische Interpretation (z.B. als Sonnen- oder Windschutz o.ä.) gleichbedeutend sein mit einer kulturellen Umdeutung der Befunde, mit einer bedingungslosen Dominanz der etischen über die emische Deutung, die nichts mit der Lebensrealität der Bewohner zu tun hat (Geertz, 1987, S.25ff.). Da aber eine Annäherung an eben jene Lebensrealität Ziel einer historischen Kulturwissenschaft sein sollte, ist ein solcher Reduktionismus, der die kulturell relevanten Handlungsmotive ignoriert, wenig hilfreich.

könne im Bereich gekrümmter Wände weder vernünftig stehen, noch liegen. Zudem seien gerade Wände seinen Sichtachsen am besten angepasst, Kuppeln und Wandneigungen widersprächen ihnen. Alles in allem fühle sich also der Mensch in runden oder überkuppelten Räumen unwohl. Deshalb sei also die eckige Architektur die natürliche Erweiterung des Menschen im Raum (Dioxiades, 1976, S.89). Diesen Behauptungen widerspricht nicht nur das Urteil namhafter Architekturtheoretiker, der Kuppelbau sei der ideale Raum schlechthin, die Wölbung sei sogar „zum Symbol des Innenraums geworden“ (Giedion, 1969, S.29), sondern auch der Umstand, daß zur Bestätigung der Hypothesen, obwohl in einem vorgeblich naturwissenschaftlichen Rahmen aufgestellt, keinerlei entsprechende wissenschaftliche Beobachtungen vorgelegt werden. Für die Gleichsetzung der Agglomeration biologischer Zellen, architektonischen Räumen und menschlichen Territorien muß festgestellt werden, daß eine unzulässige Verwechslung von Homologie und Analogie stattgefunden hat, also eine Gleichsetzung von formalen und ursächlichen Sachverhalten (Bischof-Köhler, 1991, S.144). Zudem müßte diesem Ansatz zufolge aus einer Raumagglomeration, wie bei der Zellstruktur, eine hexagonale, keine orthogonale Struktur hervorgehen. Auch die Behauptung, die rechteckige Form wäre der Endpunkt der Raumevolution und erfahre keine Veränderungen mehr, kann durch die stetige Wiederkehr der runden Bauweise im Neolithikum problemlos widerlegt werden. Zuletzt sei noch angemerkt, daß eine Perspektive, die Kulturverhalten auf zellulär-biologische Prozesse reduziert, für kulturwissenschaftliche Fragestellungen nicht von Nutzen sein kann, da die Relevanz einer kulturellen Ebene von vornherein ausgeschlossen wird.

Biologistischer Determinismus Diese Theorie postuliert die Architektur als rein biologisch-evolutionäres Phänomen. Die Entwicklung der Wohneinheiten von der Kreisform zum Rechteck wird als Prozeß der Zellagglomeration verstanden. Es wird behauptet, der rechteckige Raum mit flachem Boden und flacher Decke, vertikalen Wänden und Ausmaßen von 9 bis 64 m2 und einer Höhe von 2,5 bis 4 m sei der finale Entwicklungstyp der Raumevolution, der ideale Wohnraum für die Spezies Mensch, der keine Veränderungen mehr erfährt, sobald er einmal realisiert ist. Am Beginn der Entwicklung stünde die Kreisform, da auch die meisten Tiere, wenn sie gemeinsam schlafen, Kreise bildeten (Dioxiades, 1976, S.82). Die Entstehung des Raums wäre einerseits Ergebnis menschlicher Bedürfnisse, andererseits ein Produkt des Zufalls, alle weiteren Modifikationen und Entwicklungen unterlägen nur noch den biologischen Bedürfnissen des Menschen (Dioxiades, 1976, S.86-88).

Energetische Analyse Dieser theoretische Ansatz hat ausschließlich die aristotelische causa efficiens, die „Aufwands-Ursache“ zum Thema (Riedl, 1979, S.13). Jedes Artefakt wird als gleichbedeutend mit der für die Herstellung aufgewendeten Energie begriffen (Price, 1982, S.270). Bezogen auf die Architektur ist dieser Ansatz laut Elliot Abrams wie folgt zu verstehen: „The explicit goals of the energetic analysis of architecture are to explain...the cultural context that led to the particular pattern of energy expenditure and distribution, and to describe and explain the process of changing energy and expenditure in architecture through times.“ (Abrams, 1989, S.52) Die grundlegende Annahme ist die, daß das Herzstück einer jeden egalitären Gesellschaft die egalitäre Ökonomie ist (Fried, 1967, S.35). In einer egalitären Gesellschaft verteilt sich die umgesetzte Energie gleich- mäßig auf alle sozio-ökonomischen Einheiten, also Gruppen, Individuen oder Familien. Es treten keine Konzentrationen von Aufwand auf. Da die Architektur als Repräsentation des persönlichen Status verstanden wird, ist es also zu erwarten, daß bei gleichmäßig verteiltem Energieaufwand, stetig ausgleichender Reziprozität und fehlender sozialer Hierarchie, die Architektur solcher Gruppen sehr homogen sein muß. Niemand muß seinen außergewöhnlichen Status repräsentieren und niemand hat andere in seiner Schuld, die er für einen überdurch-

Abb. 29 Analoge Evolution von Zellen, architektonischen Räumen und Territorien (Dioxiades, 1976, S.97) Weiter wird argumentiert, der rechteckige Raum sei der Physis des Menschen am besten angepasst. Der Mensch 51

schnittlich hohen Arbeitsaufwand beim Bau des persönlichen Hauses verpflichten könnte (Abrams, 1989, S.54). Sobald energetische Konzentrationen auftreten, muß es also ein Ungleichgewicht in der gesellschaftlichen Struktur geben. Hier wird von Interesse, wofür der höhere Energieaufwand verwendet wird: für gemeinschaftliche ökonomische Projekte, für Monumente und Gemeinschaftsbauten oder für „private“ Objekte, also Bauten, die nur der Kontrolle einzelner Individuen oder Gruppen unterstehen. Desweiteren wird argumentiert, daß die Konzentration von Energie zunächst neue Formen der gesellschaftlichen Organisation und Freistellung einzelner Kräfte erfordert, sie also mit einer sozio-ökonomischen Differenzierung Hand in Hand geht. Diese Differenzierung ist der Keim einer sozialen Ungleichheit, die mit zunehmender Entwicklung der Gesellschaft zum dominanten Faktor wird. Einzelne Individuen oder Gruppen nutzen die Prozesse der Energiekonzentration innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges für die eigenen Zwecke, während andere Teile der Gesellschaft von einem immer geringer werdenden Teil der Gesamtenergie profitieren können. Bis heute wurden allerdings nur sehr wenige Untersuchungen mittels dieser Methode unternommen (Abrams, 1989, S.54, 60ff.). Die grundsätzlichen Überlegungen dieses historischmaterialistischen Ansatzes sind bezüglich ökonomischer Fragestellungen durchaus plausibel und nützlich, ohne Ergänzung durch andere Herangehensweisen, mit denen die Nutzung der untersuchten Gebäude bestimmt werden kann, aber kaum aussagekräftig. Die Frage, wann man ein Ungleichgewicht der Energieverteilung noch als sozio-ökonomische Differenzierung und wann schon als Anzeichen von sozialer Ungleichheit verstehen kann, bleibt Gegenstand der Interpretation. Zudem werden zahlreiche andere Aspekte, vor allem die der kulturellen Bedeutung der Architektur, ihre Zweckmäßigkeit oder ihre Funktion als raumorganisierende Objekte, also die aristotelischen causa formalis und causa finalis nicht bedacht.

mittel benutzt wird, ist sie dennoch nicht unumstritten und birgt deutliche methodische Probleme in sich. Zunächst muß vor einer Auswertung von Fundstreuungen auf einer Fläche untersucht werden, wie der Befundzusammenhang überhaupt entstanden ist. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Befundentstehungen um sehr komplexe Prozesse, die meist nicht mehr in einzelne Ereignisse aufgelöst werden können. Zahlreiche Fragen müssen berücksichtigt werden, die sowohl Kulturverhalten sowie Lagerungsprozesse und Erhaltungsbedingungen umfassen. Sind die Funde primär oder sekundär gelagert? Sind Schlachtabfälle nicht eher Indiz für einen Abfallhaufen als für eine Küche? Sind sog. Siedlungsgruben Abfall- oder Vorratsgruben, Aborte, oder Lehmentnahmekuhlen. Sind sie wohlmöglich nacheinander für unterschiedliche Zwecke genutzt worden? Wenn man sich vor Augen hält, daß in den indianischen und westasiatischen Siedlungen, die zur Rekonstruktion von Lehmhäusern und den Gewohn- heiten ihrer Bewohner vorwiegend herangezogen werden, die meisten Aktivitäten auf den Dächern stattfinden, wie sollen auf den Laufhorizonten überhaupt auswertbare Befunde entstehen können (Jacobs, 1989, S.179; Dohm, 1996, S.89ff)? Laut Mindeleff befanden sich auf den Dächern der von ihm untersuchten Pueblos Backöfen, Vorratsspeicher, Trockengestelle und sogar Zelte, in denen wiederum gewohnt wurde (Mindeleff, 1891, S.148, 149). Eine Vielzahl von Aktivitäten hinterläßt zudem überhaupt keine Spuren (Rapoport, 1990, S.16ff.), oder Spuren, deren Beseitigung wiederum zum Kulturverhalten der jeweils untersuchten Gruppe gehört. Andere wirtschaftliche Tätigkeiten sind in zahlreiche Einzelschritte unterteilt, die isoliert voneinander nicht sinnvoll zu deuten sind (Ziegert, 1974, S. 28ff.). Auch muß berücksichtigt werden, daß Gebäude, wenn man sie für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr benötigt, auf eine andere Art genutzt werden. Öffentliche Gebäude können zu Privathäusern werden und umgekehrt, Wohnhäuser können zu Lagerräumen umfunktioniert und leerstehende Gebäude als Mülldeponien, Ställe und Aborte genutzt werden etc. (Daviau, 1993, S.58). Wenn man schließlich alle möglichen Faktoren, die zur Formation des zu interpretierenden Befundes beigetragen haben, berücksichtigt hat und glaubt, eine Fläche durch eine spezifische Tätigkeit definieren zu können, muß außerdem noch berücksichtigt werden, daß man nur die Nutzung der Fläche zu einem bestimmten Zeitpunkt, nicht aber die sie umgebende Architektur interpretieren kann.

Activity Area Analysis Diese Untersuchungsmethode wurde vor allem von Susan Kent entwickelt und basiert auf der Auswertung der räumlichen Verteilung von Kleinfunden, aus der wiederum eine funktionale Zuweisung der fraglichen Flächen erfolgt. Die Activity Areas werden als vorwiegend monofunktional und geschlechtsspezifisch gedeutet (Kent, 1984, S.2, 65-66; Daviau, 1993, S.29). In der Archäologie ist diese Analysemethode derzeit eines der Hauptinstrumente zur Bestimmung der Gebäudefunktionen und -bedeutungen. Die verschiedenen Zuweisungen werden durch die Interpretation von Befundensembles erreicht. Flintabschläge und Werkzeugrohlinge werden als Indiz für Werkstätten oder Jagdcamps gewertet, Knochenabfälle und Feuerstellen werden mit Küchen gleichgesetzt, große Tongefäße sind gleichbedeutend mit Speicherräumen und anthropomorphe Figuren oder andere funktional nicht erklärbare Artefakte werden zur Bestimmung von Heiligtümern und Schreinen herangezogen (Bailey, 1990, S.21ff.). Obwohl die Activity Area Analysis von den meisten Archäologen unreflektiert als universelles Interpretations-

Fraglich ist außerdem die Vorstellung von der Monofunktionalität einzelner Flächen. Rapoport stellte die These auf, zunächst seien Wohn- und Arbeitsplätze vorwiegend multifunktional, je komplexer eine Gesellschaft sei, desto klarer definiert und mono- funktionaler würden die Activity Areas oder Activity Settings werden (Rapoport, 1990, S.16). Dennoch ist selbst in hochdifferenzierten, komplexen Gesellschaften die Monofunktionalität nicht gegeben. Ein typisch amerikanisches Schlafzimmer, so argumentierte Adams, werde genutzt zum Schlafen, Ausruhen, Beischlafen, Fernsehen, Essen, Lesen, Sterben, Stillen, Telephonieren, Geschenke Verpacken, Drogen Konsumieren, Kleidung Zusammenlegen, für Gymnastik und zahlreiche andere Tätigkeiten. Außerdem würden einzelne Räume zu verschiedenen

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Zeiten unterschiedlich genutzt, so daß eine klare Funktionszuweisung meist nicht möglich sei (Adams, 1987, S.105ff; Bailey, 1990, S.27). Die oft praktizierte geschlechtsspezifische Zuordnung von Befundensembles steht ebenfalls auf tönernen Füßen. Inwieweit ist es zulässig, gewisse Tätigkeiten ausschließlich einem Geschlecht zuzuordnen, und schlagen sich solche Differenzierungen überhaupt in der Verteilung der Kleinfunde nieder? Bei einer Untersuchung traditioneller Navaho-Haushalte ergab sich z.B. keinerlei Signifikanz bei der Streuung von Kleinfunden, dennoch gab es eine räumliche Verortung der Geschlechter in der kulturellen Realität (Daviau, 1993, S.30). Schließlich möchte ich noch einmal das Argument aufgreifen, diese Methode bestimme nur die Funktion der Flächen, nicht aber die der Bauten. Tatsächlich sind Gebäude ja nicht nur Kulissen und Hülsen von wirtschaftlichen Tätigkeiten, sondern sie sind selbst Informationsträger. Bei einer Funktionszuweisung durch Befundensembles spielt es keine Rolle mehr, ob der jeweilige Raum aus massivem Stein, Holz oder einer Zeltkonstruktion gewesen ist, wie der Raum gestaltet und ausgerichtet war, und in welchem räumlichen Kontext er sich befunden hat. Aber genau diese Aspekte machen die soziale Realität eines Raumes aus. Gebäude beherbergen nicht nur Tätigkeiten, sondern Menschen mit ihrem spezifischen Individual- und Kulturverhalten. Sie sind aufgrund ihrer spezifischen architektonischen Formgebung selbst Teil der non-verbalen Kommunikation ihrer Bewohner. Ein Ziel dieser Arbeit ist es schließlich, die Architektur selbst als Quelle zugänglich zu machen, ohne auf eine Auswertung von Kleinfunden angewiesen zu sein.

Funktionen weitaus einfacher zu etablieren sind. Sie bilden aber in jedem Fall den Rahmen allen menschlichen Handelns (J.Hillier & Rooksby, 2002, S.17; Sanders, 1990, S.47; Rapoport, 1976, S.9). Auf einer anderen Ebene sollen die Baustrukturen soziale Hierarchien verdinglichen, die sich durch Kontrolle des Raums einerseits und eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit andererseits darstellen (Samson, 1990, S.10). Als besonders gut faßbar gilt der Grad der Privatheit eines Raumes. Er wird bestimmt durch seine Tiefe und damit durch seine Kontrollierbarkeit innerhalb eines Gebäudes (Banning, 1996, S.166). Da die Regeln dieser non-verbalen Kommunikation auf allgemeingültigen Verhaltensmustern des Menschen aufbauen und weitgehend unbewußt gestaltet werden, sei es möglich, die architektonische „Sprache“ auch ohne Kenntnis der jeweiligen Kultur zu entziffern, bzw. das Verhältnis des Menschen zum Raum abzulesen. Besonders drastisch formuliert Bill Hillier in seinem 1996 erschienen Buch „Space is the Machine“ diese These, indem er von einer universell wirksamen mechanischen Wirkung des Raums auf den Menschen ausgeht, die auch ohne den kulturellen Kontext vollständig zu entziffern sei (B.Hillier, 1996, S.4ff.; Samson, 1990, S.8, 10ff.; Sanders, 1990, S.48). Aufgrund seiner Schlichtheit und der Möglichkeit, trotz einer minimalen Quellenlage Aussagen über die Struktur von Sozialgefügen zu machen, ist dieser Ansatz bei Archäologen ebenfalls recht beliebt (Bailey, 1990, S.20). Dennoch ist er wegen seines deutlichen Reduktionismus nicht unproblematisch. Der gewichtigste Einwand gegen die Vorgehensweise ist, daß man, wenn man die Architektur als vermeßbare Grammatik begreift, auch das Vokabular braucht, um die jeweilige architektonische Sprache zu verstehen. Die symbolische Bedeutung von architektonischen Erscheinungsformen ist auf diesem Wege nicht zu entschlüsseln, es ist immer ein bekannter kultureller Kontext dazu nötig (Donley-Reid, 1990, S.115). Die Annahme, Zugänglichkeiten und Kontrollmöglichkeiten, die sich aus der Anlage des architektonischen Raumes ergeben, seien ausreichende Indizien für die Rekonstruktion einer sozialen Hierarchie der Gebäudeteile, ist ebenfalls nur bedingt gerechtfertigt, wie eine Studie über schottische Wohntürme von Ross Samson zeigt. Die Wegestruktur, die den Bediensteten innerhalb dieser Gebäude vorbehalten war, zeigte alle Raum-syntaktischen Kennzeichen für uneingeschränkte Bewegungsmöglichkeit und die Kontrolle des bewohnten Raums - die soziale Realität entsprach allerdings dem krassen Gegenteil (Samson, 1990, S.11). Die Vorstellung einer sich universell mitteilenden Architektur legt außerdem nahe, daß sich die mögliche Nutzung eines Gebäudes zwangsläufig aus seiner RaumSyntax ergeben muss. Daß diese Annahme nicht zutreffend ist, zeigt das Beispiel eines britischen Architekten, der das Konzept des US-amerikanischen Family-Room in englischen Wohnhäusern umsetzen wollte. Tatsächlich aber wurden diese Räume von den englischen Familien nicht so genutzt wie vom Architekten beabsichtigt, da sie nicht wußten wie. In ihren familiären Verhaltensmustern und Konventionen waren, trotz deutlicher kultureller Nähe, keine Interaktionen wie in amerikanischen Familien vorgesehen. Erst als ihnen die Funktion des Raumes erklärt wurde, begannen sie ihn zu nutzen. Dieser Vorfall

Behaviorismus / Space-Syntax Analysis / Accessability Analysis / „Linguistische“ oder semiotische Analyse Diese Herangehensweise ist ein Konglomerat von verschiedenen theoretischen Ansätzen, die in der Literatur unter immer wieder neuen Bezeichnungen erscheinen, sich aber auf die gleichen Grundannahmen stützen und die sich weitgehend übereinstimmender Methoden zur Erkenntnisgewinnung bedienen. Die erste Grundannahme besteht darin, daß dem Menschen als Säugetier gewisse territoriale, also räumliche Verhaltensweisen angeboren sind (Sanders, 1990, S.49, 59.) (Siehe auch Biologistischer Determinismus). Diese Verhaltensweisen schlagen sich wiederum nieder in kulturellen Konventionen, die in der künstlich geschaffenen Wohnumwelt in Form von non-verbalen Zeichen ihren Ausdruck finden, also in Form von Türschwellen, Bodenniveaus, Sichtachsenbrüchen, Materialwechseln und anderen sichtbaren Anhaltspunkten, die dem Individuum, das sich in einer solchen Umgebung bewegt, Hinweise geben sollen, welches Verhalten an welchem Ort von ihm erwartet wird (Rapoport, 1976, S.7ff.). Die Zeichen werden in erster Linie verstanden als Regulatoren zwischen öffentlich und privat, sakral und profan (Bailey, 1990, S.20, 21). Ihr Mechanismus wird in seiner Funktion als „Syntax“ oder „grammatikalisches“ System aufgefasst (Samson, 1990, S.8; Sanders, 1990, S.46; Rapoport, 1976, S.12ff.). Je nach ihrer Beschaffenheit können die Zeichen und Marker Verhaltensweisen anregen, unterdrücken oder ausschließen, wobei letztere

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macht klar, daß Räumlichkeit Handlungen nicht determinieren, sondern sie lediglich ermöglichen kann (Gutman, 1976, S.46ff.). Um die Prämisse der universell gültigen Verhaltensweisen bezüglich des Öffentlichen und Privaten zu relativieren, sei abschließend noch eine Beobachtung aus Südafrika erwähnt. Eine Familie in semi-traditioneller Umgebung war in den Besitz eines großen Messingbetts gekommen. Aus Prestigegründen funktionierten sie den Eingangsbereich ihres Wohnhauses zum Schlafzimmer um (Paolo Klitzke, persönl. Mitteilung, 2004). Ein Wohnbereich, der bei den Behavioristen als besonders privat gilt (Sanders, 1990, S.68ff.), also mehr als andere Bereiche von der Öffentlichkeit abgeschirmt sein sollte, wurde in einen Teil des Hauses verlagert, der von seiner architektonischen Lage als Übergangsbereich vom privaten zum öffentlichen Raum angesehen werden muß und in den meisten anderen Kulturen zum Empfang von Gästen dient (Dohm, 1996, S.92). Eine Analyse der Raumsyntax sollte also immer nur Teil einer Untersuchung des Wohnraums sein und durch andere Methoden sinnvoll ergänzt werden.

S.98ff., 1977, S.89, 90; Rapoport, 1976, S.12, 19; Donley-Reid, 1990, S.115; Sanders, 1990, S.44-46; Samson, 1990, S.14; Bailey, 1990, S.26; Hodder, 1990, S.13). Giddens bezeichnet diese Eigenschaft als „Dualität der Struktur“, womit jedoch nicht, wie irrtümlicherweise angenommen werden könnte, eine formale Dualität in Form von einander bedingenden Gegensätzen gemeint ist, sondern die oben genannte Rekursivität und Rückwirkung von Struktur. (Giddens, 1988, S.77ff., 352ff, 430). Die selbsterhaltenden und reproduktiven Kräfte der kulturellen Struktur wirken aber nicht nur innerhalb des kulturellen Kontextes, sie können auch die natürliche Umgebung oder ein anderes entsprechendes Setting den jeweiligen Anforderungen entsprechend umformen. Durch diesen Mechanismus erklärt sich vor allem der starke Konservativismus des Wohnraums und des Wohnverhaltens, der sehr gut bei Nomaden zu beobachten ist, die ihre Raumorganisation oftmals trotz widrigster Umstände exakt zu reproduzieren verstehen (Gutman, 1976, S.48; Laubin, 1977). Auf den engen Zusammenhang zwischen kultureller und räumlicher Ordnung wies bereits Levi-Strauss hin, jedoch mit dem Vorbehalt, man könne nicht grundsätzlich davon ausgehen, die Ordnung des Raums spiegele die soziale Organisation naturgetreu wieder. Bei den brasilianischen Bororo mußte er sogar feststellen, daß ihr häuslicher und dörflicher Raum zwar gemäß den konzeptualisierten kulturellen Vorstellungen organisiert war, die wiederum hatten aber wenig mit der akut gelebten sozialen Realität zu tun, widersprachen ihr mitunter sogar (Levi-Strauss, 1967, S.144). Solche offenkundigen Widersprüche zwischen ideeller Struktur und akuter Praxis sind uns auch aus der Geschichte des Christentums mehr als vertraut, vor allem wenn man sich das Nicht-Tötungs-Gebot oder die unbedingt pazifistische Grundhaltung, die aus der Bergpredigt hervorgeht, vor Augen hält. Die kulturelle Praxis brachte dennoch immer wieder christliche Glaubenskriege von den Kreuzzügen bis zu dem Konflikt in Nordirland oder George W. Bushs „gottbefohlenen Krieg für die Freiheit“ gegen Afghanistan und den Irak hervor. Andererseits kann argumentiert werden, die von LeviStrauss untersuchten Ethnien könnten keine ungestörte kulturelle Entwicklung mehr aufweisen, denn ihre statische „mythische“ und deshalb nach den Gesetzen struktureller Reproduktion funktionierende Wirklichkeit sei durch den Einbruch des Historischen, Nicht-Zyklischen gestört worden, und so habe sich die ideelle Wirklichkeit von der gelebten getrennt (Sahlins, 1981, S.72ff.). LeviStrauss versucht entsprechend, den allgemeinen Widerspruch zwischen Strukturalismus und Funktionalismus/ Determinismus dadurch zu relativieren, indem er postuliert, der Strukturalismus habe Gültigkeit für archaische Gesellschaften, in denen die Ereignisse durch die Kultur strukturiert werden, der deterministische Ansatz und die historisch- materialistische Interpretation bezüglich moderner Gesellschaften, die durch Ereignisse strukturiert werden (Sahlins, 1981, S.78f.; Levi-Strauss, 1968, S.45 ff.). Es muß also bedacht werden, daß in einem kulturell instabilen Umfeld die symbolische, also auch die architektonische Struktur, nicht immer der gelebten Realität entsprechen muß.

Strukturalismus Diese dem Kulturmaterialismus entgegengesetzte und von der Linguistik inspirierte theoretische Perspektive wurde seit den 40er Jahren maßgeblich von Claude Levi-Strauss entwickelt (bes.: „Strukturale Anthro- pologie“, 1958, dt.1967/1977; „Das wilde Denken“, 1962, dt.1968/1973) und beschäftigt sich mit der Frage, auf welche Art und Weise sich Kulturen reproduzieren (Samson, 1990, S.15; Levi-Strauss, 1977, S.43ff.). Sie wird allgemein dem Possibilismus, dem Antipoden des Determinismus zugerechnet und lehnt die evolutionistischen Ansätze des Materialismus und Funktionalismus ab (Rapoport, 1976, S.11; Bargatzky, 1986, S.24ff.; Giddens, 1988, S.51). Die zentrale These des Strukturalismus ist, daß die Bedeutung und die Logik des Symbols die wesentlichen Eigenschaften der Kultur sind. Die materiellen Kräfte werden erst durch Integration in die kulturellen Bedeutungsschemata wirksam und für den Menschen relevant. Das heißt, daß sich der Mensch nicht, wie der Historische Materialismus und der Kulturmaterialismus postulieren, durch seine Arbeit selbst erschafft, sondern daß der Akt der Arbeit bereits durch eine vorher bestehende kulturelle Struktur determiniert wird (Sahlins, 1981, S.40ff.; Hodder 1990, S.15). Jeder kulturelle Akt und jede Entscheidung wird von der kulturellen Struktur reguliert und bestimmt. „...since the system has reached homeostasis it tends to work more or less automatically and choice is predetermined “ (Rapoport, 1976, S.22). Für die Architektur bedeutet das, daß sich die Ordnung des Raums und die Form der Behausung nicht nach rein adaptiven und funktionalistischen Faktoren richtet, sondern nach einem Ordnungssystem kultureller Bedeutung, einem Netz symbolischer Beziehungen; dadurch ist die kulturelle Ordnung gewissermaßen in sie eingebettet und wirkt durch die Architektur wiederum strukturierend auf die Gesellschaft, in dem sie mittels symbolischer Hinweise Anhaltspunkt für das angemessene Verhalten gibt und Kommunikation kanalisiert - die Architektur wird zu einer „strukturierenden Struktur“. (Bourdieu, 1973,

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In der wissenschaftlichen Praxis werden die kulturellen Strukturen fast immer durch das Aufzeigen von Gegensatzpaaren dargestellt, wie z.B. öffentlich/privat, innen/ außen, roh/gekocht, männlich/weiblich, wild/domestiziert etc., die miteinander zu prinzipiellen Bedeutungsbereichen verknüpft werden (Samson, 1990, S.8; Bailey, 1990, S.25; Levi-Strauss, 1977, S.148; Bourdieu, 1973, S.98ff.). Zwei der wenigen konsequent strukturalistischen archäologischen Untersuchungen sind „The Domestication of Europe - Structure and Contingency in Neolithic Society“ von Ian Hodder (1990), sowie seine ethnoarchäologische Arbeit „Symbols in Action“ (1982). Hodder entwirft anhand der von ihm durchgeführten Feldforschung im Sudan, vor allem bei den Nuba, eine dualistische Grundstruktur der frühen Gesellschaften, die auf dem „wilden“ männlichen, und dem „zivilisierten“ weiblichen Prinzip beruht, das wiederum das männliche Gegenstück durch räumliche und symbolische Kontrolle „domestiziert“. Der Ort, an dem sich diese strukturelle Dichotomie manifestiert und durch den sie wirksam wird, ist der Wohnraum („the domus“). Dieser neu geschaffene, beständige Wohnraum ist, laut Hodder, ein Hauptmechanismus des Neolithisierungsprozesses. Er hat als Produktions- oder Speicherstätte fast keine Bedeutung, sondern fungiert ausschließlich als Bühne der menschlichen Interaktion und dient der Kontrolle des „Dramas“ menschlicher Existenz (Hodder, 1982, S.125, 135ff.; 1990, S.10, 13, 27, 39ff.). Der Ursprung aller Struktur ist, nach Hodder, in eben diesem „Drama“ zu finden, also in der Bewußtwerdung des Menschen und der damit verbundenen Erkenntnis seiner Sterblichkeit. Die Kulturerscheinungen, die mit der Domestikation des „Wilden“ in Verbindung stehen, seien vor allem Anstrengungen, den Tod zu überwinden1. Die Probleme, die diese Theorie mit sich bringt, bestehen vor allem darin, daß sie zwar die kulturelle Reproduktion gut beschreiben, nicht aber kulturelle Veränderungen ausreichend erklären kann (Samson, 1990, S.15), die meistens als Resultat einer Akkumulation vieler kleiner Zufälle und Irrtümer angesehen wird (Hodder, 1990, S.14, 15). Hauptproblem der akuten archäologischen Interpretation ist der offenkundige Widerspruch zwischen strukturalistischer und funktionalistischer Deutung, die im Sinne des „Boole´schen Kontexts“ des klassischen mechanistischen Weltbildes jeweils nur eine einzige Ursache für die Erscheinungsformen gelten lassen (Primas, 1993, S.92). Das sei an einem Beispiel verdeutlicht: Ian Hodder entwickelte anhand seiner Beobachtungen bei den sudanesischen Nuba und Untersuchungen der Befunde von Catal Hüyük sein Modell der fühneolithischen Grundstruktur, das vor allem durch die Opposition von wild/ männlich/Tod und domestiziert/weiblich/Leben definiert ist. Dieses Modell überträgt er auf die trapezförmigen Hütten von Lepenski Vir. In dem höheren, breiteren Eingangsbereich befindet sich die weibliche Domäne, die den wilden, mit dem Tod assoziierten, männlichen, westlichen Bereich im hinteren Teil des Hauses kontrolliert. Der weibliche Teil ist gleichzeitig assoziiert mit

dem lebensspendenden Herdfeuer, der Nahrungszubereitung und der Himmelsrichtung Osten, also auch mit Licht. Die Grundrisse der Häuser seien jeweils von einem „Architekten-Magier“ streng nach kosmologischen Prinzipien angelegt worden (Hodder, 1990, S.8, 27ff.; Srejovic, 1975, S.105ff., 141ff.). Funktionalistisch kann man argumentieren, daß sich die Öffnung des Hauses nach Osten lediglich an der Hanglage am Flußufer und der Orientierung zur Morgensonne ausrichtet (Srejovic, 1975, S.39). Die Lage der Feuerstelle ergibt sich in diesem Fall aus der Hauskonstruktion mit nach Osten ansteigendem First, der den Rauch direkt in die Außenluft ableitet (ebd. S.63). Beide Deutungen scheinen in sich schlüssig, im Kontrast zueinander aber widersprüchlich. Das Problem dieses Widerspruchs liegt vor allem in der Ausschließlichkeit von Erklärungsmodellen, mit der die Wissenschaft seit langer Zeit zu denken gewohnt ist, eben in jenem „Boole´schen Kontext“. Auf dieses Problem soll weiter unten eingegangen werden. Handlungstheorie: Strukturation / Strukturierung Die Strukturationstheorie, eine Variante der vor allem von Ernst Cassirer („Zur Logik der Kultur- wissenschaften“, 1942, dt.1961) und Leslie White Beck („Akteur und Betrachter“, 1975, dt.1976) entwickelten Handlungstheorie, entstand unter dem Einfluß des Strukturalismus und historisch-materialistischer Anschauungen wie dem französischen Neo-Marxismus. Sie versucht den Widerspruch zwischen diesen beiden Perspektiven dialektisch aufzulösen. (Champion, 1991, S.135; Joas, 1988, S.9ff.; Giddens, 1988, S.52ff.; Beck, 1976, S.126ff; Cassirer, 1961, S.109;). Hauptvertreter der Strukturations-Theorie ist Anthony Giddens (bes.: „Central Problems in Social Theory: Action, Structure and Contradiction in Social Analysis“, 1979 und „Die Konstitution der Gesellschaft - Grundzüge einer Theorie der Strukturierung“, 1984, dt.1988). Im Gegensatz zum Strukturalismus und Funktionalismus wird nicht vom gesellschaftlichen Ganzen ausgegangen, das die Handlungen des Einzelnen ausschließlich durch Struktur oder ökonomische Notwendigkeit determiniert. Die Reflexivität des handelnden Individuums und damit die objektivierten individuellen Motive und Zwecke des Einzelnen sind Ausgangspunkt der Argumentation (Giddens, 1984, S.15, Rösener, 1998, S.109ff.), denn „gemäß der Theorie der Strukturation haben soziale Systeme keine Absichten, Zwecke oder Bedürfnisse welcher Art auch immer, nur Menschen haben diese.“ (Giddens, 1979, S.7). Der fortlaufend reflektierte, sich selbst ordnende Handlungsprozeß („duré“) bringt die kulturelle Struktur hervor und wird gleichzeitig von ihr geleitet (Beck, 1976, S.13, 43ff.). Die conditio sine qua non dieses Ansatzes ist die Rationalisierung und damit die Intentionalität des Handelns (Giddens, 1988, S.53ff.; Samson, 1990, S.15ff). Es wird argumentiert, daß die Logik des Symbols und die daraus entstehende Struktur nicht im Widerspruch zum Umweltdeterminismus und der daraus resultierenden ökonomischen Ordnung steht, sondern vielmehr von der herrschenden Klasse, bzw. den

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Siehe dazu auch “Der Urschock” von Luigi di Marchi, 1988, der alle menschlichen Kulturanstrengungen auf die psychologischen Mechanismen der Todesabwehr zurückführt. 55

machtausübenden Individuen benutzt wird, um die Produktionsverhältnisse und die sozialen Hierarchien zu kontrollieren (Giddens, 1979, S.206ff.; Donley-Reid, 1990, S.115). Die symbolischen Ordnungsprinzipien der ideellen Kultur sind also kein unmittelbares Ergebnis der ökonomischen und funktionalen Anpassung, sondern Kontrollmechanismen, um den Status Quo dieser Anpassung zu erhalten und zu reproduzieren. Der Erhalt der Struktur wird jedoch nicht nur durch intentionelles Handeln, sondern ebenfalls durch die nicht beabsichtigten Konsequenzen des Handelns bedingt, die wiederum die Handlungsbedingungen schaffen, wodurch „strukturierende Strukturen“ entstehen, für die Giddens den Terminus der „Dualität der Struktur“ geschaffen hat. (Rösener, 1998, S.106ff; Giddens, 1979, S.7, 59; 1981, S.28; 1988, S.401, 430). Die Akteure reproduzieren zudem die Regeln und Strukturen, die die Gesellschaft konstituieren, nicht als ein objektiviertes, abstraktes Regelwerk, sondern in dem sie sich nach den Regeln verhalten und die Strukturen praktisch umsetzen (Giddens,1988, S.55, 74; Rösener, 1998, S.112, 113, 298).

schaftlichen Wandel und seinen Ursachen. Außer einer vagen entropischen Erklärung des Strukturwandels oder der Annahme, traumatische Geschehnisse würden in das kulturelle Kontinuum eingreifen, gibt es im Rahmen der Strukturationstheorie keine Erklärung für kulturelle Entwicklungsprozesse (Samson, 1990, S.16; DonleyReid, 1990, S.116). Die Mechanismen des Klassenkampfes, die von verschiedenen Wissenschaftlern gerne im Rahmen der Strukturationstheorie auf archäologische Zusammenhänge übertragen werden, schließt Giddens selbst kategorisch aus und bezeichnet sie als nur im Rahmen einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung gültig (Rösener, 1998, S.61 ff). Eine weitere große Schwierigkeit besteht in dem Umstand, daß diese Theorie explizit für die Soziologie entwickelt worden ist und natürlich die Beobachtbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse voraussetzt, welche besonders im Falle der Archäologie nicht gegeben ist (Giddens, 1988, S.383, 415). Auf welche Art und Weise sich soziale Hierarchien und die Kontrolle von Produktionsmitteln in der materiellen Kultur niederschlagen, wird nicht erwogen, wodurch eine Übertragung auf die mit materiellen Objekten beschäftigte Archäologie erschwert wird. Es wird nur allgemein postuliert, Herrschaft habe durch autoritative und allokative Ressourcenkontrolle immer eine privilegierte Verfügbarkeit materieller Güter zur Folge; dies sei eine universelle Strukturdimension (Giddens, 1979, S. 149; Rösener, 1998, S.281). Außerdem müssen die verschiedenen Bedeutungsträger, durch die Status und symbolische Kontrolle repräsentiert werden, zuerst durch ein soziales Bewertungssystem zu ihrer Bedeutung gelangen. Wie diese Bedeutungssysteme durch die Praxis selbst tatsächlich entstehen, wird ebenfalls nicht in ausreichendem Maße erörtert, es wird lediglich vermutet, die Bedeutungsträger müssen zunächst immer auch eine materielle Seite haben (Hodder, 1990, S.15). Struktur wird von Giddens immer nur als etwas Abstraktes betrachtet (Rösener, 1998, S.111), eine unmittelbare Konkretisierung wie in Form des architektonischen Raumes wird nicht bedacht. „Struktur, als raum-zeitliches Phänomen, (existiert) nur insofern..., als sie sich in Praktiken realisiert, und als Erinnerungsspuren, die das Verhalten bewußt handelnder Subjekte orientieren.“ (Giddens, 1988, S.69). Doch eine massive Lehmmauer ist mehr als eine Erinnerungsspur. Sie ist ein soziales Faktum im Raum. Eine ausführliche Untersuchung, die sich der Ideen der Strukturation bedient, ist „Placemaking - The Production of Built Environment in Two Cultures“ von David Stea und Mete Turan (1993). Sie argumentieren, im Bauprozeß müssen Entscheidungen getroffen werden, die über die reine Funktionalität hinausgehen. Diese Entscheidungsprozesse erforderten Autorität, durch deren Maßgaben wiederum die gesellschaftliche Hierarchie bestätigt und in dem architektonischen Raum codiert wird (Stea & Turan, 1993, S.286). Deutlich methodisch unsauber wird ihre Arbeit ab dem Punkt, wo sich der Makel der erwähnten Unbeobachtbarkeit gesellschaftlicher Struktur bemerkbar macht. Anstatt aus den architektonischen Befunden mögliche Verhältnisse zu rekonstruieren, stülpen sie den Befunden das marxistische Modell von der Abfolge von Ur-Kommunismus, Hordengesell-

Im Gegensatz zu den marxistischen historisch-materialistischen Anschauungen beruht die Differenzierung der Gesellschaft nicht in erster Linie auf der Kontrolle sog. allokativer Ressourcen, also natürlicher Rohstoffquellen, sondern auf der Kontrolle über autoritative Ressourcen, da sie sich am besten eignen, die ahistorischen Strukturen vorkapitalistischer Gesellschaften zu reproduzieren (Rösener, 1998, S.60ff.; Giddens, 1981, S.193). Strukturen und Regeln können jedoch ganz ohne Ressourcen, über deren Verfügbarkeit entschieden wird, überhaupt nicht konzeptualisiert werden (Giddens, 1988, S.69). Da autoritative Ressourcen erst durch Sinnkonstitution und der Beimessung eines Bedeutungsgehalts wirksam werden, müssen sie auch immer eine materielle Seite haben (Giddens, 1979, S.104; 1988, S.69). Die Wirkungsweise gesellschaftlicher Ordnung ist also im Wesen strukturalistisch, ihr Seins-Grund hingegen ist in der Motivation des Einzelnen begründet, Macht über Ressourcen auszuüben und zu erhalten, die wiederum materielle Vorteile gewährleisten. Sie ist schließlich doch in einen kulturmaterialistischen Kontext eingebettet (Giddens, 1988, 65ff, 337ff, 401ff.). Der Begriff der Handlung ist nach Giddens generell nicht von dem Begriff der Macht zu trennen, die sich als Macht zu einer Handlung oder Macht über eine Ressource ausdrücken kann, wobei die Rahmenbedingungen der Macht jeweils durch die Struktur bestimmt werden (Giddens, 1979, S.88ff.; 1988, S. 67, 314; Rösener, S.269, 288). Kennzeichen von Herrschaft ist laut der Strukturationstheorie schließlich eine durch Regeln und Struktur festgeschriebene asymmetrische Verteilung von Ressourcen, seien es allokative oder autoritative, die Einzelnen oder Gruppen die Macht über materielle Ressourcen und Arbeitskraft sichert. Sie hat also immer einen materiellen Niederschlag (Giddens 1979, S.149). Die Annahme einer strukturalistischen Reproduktion und einer nicht-evolutionären Entwicklung der Gesellschaft (Rösener, 1998, S.62; Giddens 1981, S.193) stellt den Archäologen aber vor das gleiche Problem wie vormals der reine Strukturalismus: die Frage nach dem gesell-

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schaft und Feudalherrschaft über, und gleichen die Befunde lediglich mit der als gegeben angenommenen Evolution gesellschaftlicher Hierarchien und ökonomischer Strukturen ab (ebd., S.276 ff.), eine Sicht die Giddens selbst allerdings ausdrücklich ablehnte (s.o.). Auf diese Weise werden die archäologischen Befunde zur Folie einer Ideologie degradiert. Auch andere Interpretationen werden in dieser Arbeit ohne wissenschaftliche Grundlage vorgenommen. Es wird argumentiert, offener Raum wie der einer Höhle sei gemeinsamer Besitz, in ihm bestehe ein Kontinuum zwischen Öffentlichem und Privatem, er stehe für soziale, kommunale Identität; der geschlossene Raum hingegen stehe für individuelle und familiäre Identität, sei privater Besitz, und zwischen dem Öffentlichen und Privaten bestehe eine Trennung, woraus sich wiederum ableiten ließe, Güter würden nicht mehr geteilt, sondern getauscht. Aus der Wohnform „Höhle“ ließe sich also der „Ur-Kommunismus“ ableiten (ebd., S.81, 265, 272). Durch den Umstand, daß keine der Annahmen mittels eines aktualistischen Vergleichs plausibel gemacht werden, und als einziges Argumentationsprinzip eine ideologisch motivierte dialektische Rhetorik herangezogen wird, wird deutlich, wie sehr hier der Wunsch Vater des Gedankens war. Auch wenn die Argumentation durchaus nachvollziehbar erscheint, darf sie nicht als wissenschaftlich gesichert gelten.

trollmechanismen als Indiz für Machtausübung erkennbar machen kann (Hiller & Rooksby, 2002, S.17), die andere die tatsächliche hierarchisch differenzierte Kontrolle über die Ressourcen aufzeigen kann (s.o.). Eine Abgleichung dieser Analysen mit Hilfe des aktualistischen Vergleichs durch z.B. ethnoarchäologische Untersuchungen ist in jedem Falle sinnvoll. Handlungstheorie: Bourdieus Habitus und Rapoports probalistisches „Choice Model“ L.W. Beck unterscheidet in seiner Handlungstheorie („Akteur und Betrachter“, 1976) zwischen „Gründen“ und „Ursachen“, wobei die Ursachen die nicht rationalisierten Antriebe, Gründe die rationalisierten Erklärungen für ein bestimmtes Verhalten sind (ebd., S.83ff.). Ein wirkliches Verständnis, also auch ein kulturelles Miteinander von mehreren Akteuren, kann nur entstehen, wenn gewisse Handlungen durch die gleichen Gründe erklärt werden, die nicht mit den Ursachen der Handlung identisch sein müssen. Tatsächlich sind diese Geflechte aus subjektiven „Gründen“ notwendig für die Identitätsbildung, die nicht mehr stattfinden könnte, wenn alles Handeln auf objektive ursächliche Kausalverkettungen zurückgeführt und reduziert werden würde (ebd. S.129-131). Aus einem ständigen reflexiven Abgleichen von Handlungsursachen und Handlungsgründen entsteht laut Beck schließlich die Persönlichkeit, sowie auf kommunikativer Ebene die Kultur. Da der Mensch aber nun regelmäßig mit völlig neuen Situationen oder Variationen bekannter Situationen konfrontiert ist und niemals in Form eines „definitiv freien Aktes“ von seinen bisher vorgetragenen Handlungsgründen und dem entsprechenden kommunikativen Netz befreit sein kann, schlägt Beck den Begriff eines Handlungsstils vor (ebd. S.154), ohne den die kulturelle Homogenität sofort angesichts von Veränderungen in sich zusammenbrechen müßte. Denn: „Die Kultur ist ‚dialektisch‘, so wahr sie dramatisch ist. Sie ist kein einfaches Geschehen, kein ruhiger Ablauf, sondern sie ist ein Tun, das stets von neuem einsetzen muß, und das seines Zieles niemals sicher ist.“ (Cassirer, 1961, S.109) Die Idee eines Handlungsstils hat besonders Pierre Bourdieu, angeregt durch Erwin Panofsky (bes.: „Gothic Art and Scholasticism“, 1957; „Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft“, 1964), in seinen kultur- theoretischen Arbeiten unter dem Terminus Habitus aufgegriffen und weiterentwickelt (bes.: „Der Habitus als Vermittler zwischen Kultur und Praxis“ in „Zur Soziologie der symbolischen Form“, 1970). Dieser theoretische Ansatz bietet sich für die vorgenommene Fragestellung und archäologische Quellenlage besonders an, denn zum einen hat Bourdieu seinen Ansatz maßgeblich während des Studiums ländlicher Berberarchitektur und des Kontexts gotischer Baukunst entwickelt, zum anderen wird der kollektive, also auch archäologisch faßbare Charakter der Handlung, im Gegensatz zu dem Individualcharakter der Handlung im Kontext der Strukturation, wieder mehr thematisiert. Er postuliert als tertium quid zwischen der Struktur und der akuten Praxis, sowie zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, den Habitus als modus operandi, als eine durch tägliche Praxis kulturell erlernte Grundhaltung, auf deren Basis der einzelne improvisiert und die für das

Linda Donley-Reid hat sich in ihrer Untersuchung „A Structuring Structure: The Swahili House“ diesem Problem der fehlenden Beobachtbarkeit der hierarchischen Strukturen auf andere Weise gestellt, kommt dabei aber ebenfalls auf einen Abweg. Sie argumentiert, vor dem Hintergrund der Strukturations-Theorie recht einleuchtend: „If I know nothing of a culture and am placed in its architectural remains, the walls will tell me nothing. I cannot learn symbolic meaning from the house remains alone.“ Ihr Gedankengang geht allerdings wie folgt weiter: „However, if cultural continuity can be demonstrated by the use of historical documentation or oral histories, present ethnographic data may be used to interpret archaeological remains from the culture´s past.“ (Donley-Reid, 1990, S.115). Als deutscher Archäologe wird man bei diesem Ansatz sofort der Gefahr der hierzulande längst überwundenen „ethnischen Deutung“ gewahr (Eggers, 1986, S.199ff). Bei der jüngsten Vergangenheit mag eine solche direkte Rückprojektion ethnologisch beobachteter Verhältnisse zulässig sein, es stellt sich aber die Frage, bis wie weit in die Vergangenheit dieser Vorgang legitim ist: Ab welcher zeitlichen Entfernung wird eine ethnische Zuweisung von Befunden unscharf und eine Rückprojektion gesellschaftlicher Verhältnisse unzulässig? Die Untersuchung DonleyReids ist als ethnoarchäologische Fallstudie über den Zusammenhang von Machterhalt und Architektur durchaus von Interesse, der Weg, den sie zur Interpretation archäologischer Befunde vorschlägt, ist methodisch aber problematisch. Es wird deutlich, daß der Ansatz der Strukturationstheorie in der Archäologie nicht ohne eine zusätzliche Methode genutzt werden kann, die den Anforderungen des archäologischen Kontextes entspricht, wie z.B. die Analyse der Raum-Syntax und der Zugänglichkeit oder die energetische Analyse, wobei die eine Methode Kon-

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gesamte kulturelle Gefüge in all seinen Teilbereichen gültig ist; das gilt sowohl für die operativen wie die kognitiven Handlungen des Einzelnen (Bourdieu, 1970, S.126-139, 162 / 2002, S. 28ff.; deCerteau, 1984, S.56-59; Samson, 1990, S.14; Hillier, Rooksby, 2002, S.4, 377). Im Gegensatz zu der dialektischen Reflexion und Bewußtheit aller Handlungen, die Giddens postuliert, geht Bourdieu in erster Linie von einer Unbewußtheit aus. „ ...solche ‚mental habits‘..., die zweifellos dieselbe Funktion erfüllen wie die unbewußten Schemata, auf die der Ethnologe in der Untersuchung der Riten oder Mythen stößt ... haben die gleiche Funktion wie - nach der Terminologie von Durkheim und Mauss - die ‚primitiven Formen der Klassifikation‘, die kaum je mit Bewußtsein objektiviert und zum Gegenstand einer ausdrücklichen und methodischen Überlieferung gemacht werden können. Indem Panofsky darüber hinaus den von der Schule eingeschärften Bildungs- bestand mit dem scholastischen Begriff des Habitus bezeichnet, macht er deutlich, daß die Bildung weder ein gemeinsamer Code, noch ein allgemeines Repertoire von Antworten auf gemeinsame Probleme, noch gar eine Anzahl einzelner und vereinzelter Denkschemata, sondern eher ein Zusammenspiel bereits im voraus assimilierter Grundmuster ist. Diese bringen, ähnlich wie die Regeln einer ‚ars vivendi‘ eine Unzahl einzelner Schemata hervor, die sich ohne weiteres auf den Einzelfall anwenden lassen. In der Terminologie der generativen Grammatik Noam Chomskys ließe sich der Habitus als ein System verinnerlichter Muster definieren, die es erlaubten, alle typischen Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen einer Kultur zu erzeugen - und nur diese - d.h. der ‚modus operandi‘, der es ermöglicht sowohl die Gedanken des Theologen wie die Bauformen des Architekten hervorzubringen, somit der Zivilisation...ihre Einheit verleiht.“ (Bourdieu, 1970, S.142-144). Der unbewußte Charakter des Habitus wird von B.Hillier („Space is the Machine - A Configurational Theory of Architecture“, 1996) durch seinen konfigurativen Charakter erklärt. Das räumliche Ordnen unserer Handlungen durch Bauten und die Repräsentation sozialer Organisation, die durch die sichtbare Gestalt der Architektur vermittelt wird, wird intuitiv, vergleichbar der Grammatik und Semantik der Sprache, verstanden und genutzt. Da der menschliche Geist auf diesen Rezeptionsebenen am besten konfigurativ und nicht diskursiv operiert, sind sie nur sehr schwer diskursiv realisierbar und mitteilbar, dennoch ist jeder in der Lage sie zu verstehen und zu nutzen (B. Hillier, 1996, S.4). Es sind keine linearen, realisierten Systeme, sondern die erwähnten verinnerlichten Muster praktischen Handels (Bourdieu, 2002, S.28). Der Habitus wird zudem nicht als Derivat des symbolischen Bedeutungsinhaltes begriffen, dessen Entschlüsselung das zentrale Problem der meisten oben erwähnten theoretischen Ansätze darstellt, sondern er wird als dessen Form begriffen. Er behandelt also nicht das „Was“ sondern das „Wie“ kultureller Kommunikation, wodurch er sowohl in der Ökonomie, in der Religiosität, der Ästhetik und in zahlreichen anderen kulturellen Bereichen wirksam wird, also von ganzheitlicher Bedeutung ist (Bourdieu, 2002, S.29).

Die materielle Kultur, allem voran die Architektur, wird dabei als ein habituelles Gedächtnis interpretiert, ein Mechanismus, den Giddens aus seiner soziologischen Perspektive völlig übersehen hat (s.o.). Sie „erinnert“ ihre Bewohner an Verhaltenskonventionen, genauso wie ihre Struktur wiederum veränderten Bedingungen angepaßt wird, ihr neue „Erinnerungen“ zugefügt werden. Sie ist das Paradebeispiel einer „strukturierenden Struktur“ (deCerteau, 1984, S.58, 59; Bailey, 1990, S.26-28; Sanders, 1990, S.45; Hillier & Rooksby, 2002, S.5). Der Habitus wird in diesem Zusammenhang zum Gespür für den eigenen sozialen Raum und Ort sowie für den des Anderen. „Habitus is depicted as being a sense of social places of oneself and others“ (Hillier & Rooksby, 2002, S.10). Amos Rapoport entwickelte in diesem Kontext im Rahmen seiner Environmental Behaviour Studies die Idee des Probalismus und das Habitual Choice Model (bes. „The Mutual Interaction of People and their Built Environment“, 1976). Nach dieser Auffassung bestimmt die Umwelt nicht vollständig das Verhalten des Menschen, sondern bietet lediglich die Rahmenbedingungen für eine Vielzahl möglicher Verhaltensweisen. Die Art der Siedlungsform, angefangen bei der Auswahl der topographischen und klimatischen Bedingungen bis hin zu der Gestaltung des privaten Wohnbereichs, ist abhängig von dem kulturell bedingten Wahl- oder Entscheidungsverhalten, wobei die Auswahlkriterien aus habituellen „sets of choices“ be- stehen, die sich durch das alltägliche Handeln realisieren (Rapoport, 1976, S.257ff., 486). Obwohl das Auswahlverhalten sich nur vor dem Hintergrund der natürlichen Gegebenheiten abspielen kann, ist es dennoch von der habituellen Form kognitiver Kategorien und Wertesystemen etc. bestimmt, die eine kulturelle Gemeinschaft charakterisiert. Die Entscheidung „hier“ und nicht „da“ zu sein, ist essentiell für das kulturelle und soziale Selbstverständnis (ebd. S.26). Deshalb ist die Ordnung und Gestaltung des Raums trotz ihrer notwendig adaptiven Eigenschaften immer noch Ausdruck des Kulturverhaltens und nicht rein reaktive Adaption, vor allem wenn man bedenkt, daß auch die Wahl der Umwelt, in der gesiedelt wird, bereits abhängig von kulturellen Auswahlkriterien ist. Kennzeichnend für den kulturellen Gestaltungsprozeß, also eine Serie verschiedener Entscheidungsprozesse, ist zudem, daß mit jeder Entscheidung andere Alternativen eliminiert werden, von denen viele, aufgrund der kognitiven Struktur einer Kulturgruppe, nicht einmal wahrgenommen worden sind (ebd. S.21ff.). Viele dieser Entscheidungen, die die Gestaltung der Umwelt und des Raumes betreffen, werden dazu auch auf Ebenen getroffen, die nur mittelbar mit der Architektur zusammenhängen, so daß die Architektur nicht als direktes Ergebnis eines freien Gestaltungswillens zu verstehen ist, sondern vor allem als Symptom der Übertragung sozialer Kategorien und ökonomischer Handlungsmuster auf eine realisierte räumliche Ordnung (ebd. S.21ff; 262 ff.). Daß diese durch habituell determinierte Entscheidungsprozesse realisierte räumliche Ordnung wiederum strukturierend auf die Gesellschaft wirkt, ist selbstverständlich, wobei die Verhinderung von Verhaltensweisen durch Architektur, im Gegensatz zu der katalytischen Eigenschaft von Gebäuden, wirksamer ist und ihre Mechanismen besser beobachtet werden können (ebd. S.11).

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Ansätze zu einer ganzheitlichen Perspektive

Hälfte des 20. Jhds. ist deutlich geworden, daß der Begriff der Kausalität vor allem eine psychische Größe ist. Sie ist eine notwendige Methode des Denkens (Fürstenberg, 1972, S.26). „Beim Kausalgesetz trat zutage, daß die darin enthaltene Kette eine notwendige Gegebenheit unseres Kogitierens bleibt.“ (ebd. S.110). Auch die Verhaltensbiologie kommt zu einer entsprechenden Einstellung: Das Kausaldenken ist lediglich ein Ergebnis der evolutionären Anpassung an den Realitätsausschnitt, in dem wir leben, mehr nicht (Riedl, 1979, S.12 ff.; v. Dittfurth, 1979, S.8). Im Folgenden sollen mehrere Ansätze zu einer Überwindung monokausaler Erklärungsmodelle mit Blickrichtung auf einen ganzheitlichen Ansatz vorgestellt und erläutert werden.

Wie in den vorangegangenen Erläuterungen deutlich geworden ist, gibt es eine Vielzahl von Herangehensweisen an das Phänomen des Wohnens und deutliche Widersprüche zwischen den einzelnen Perspektiven, allen voran die zwar immer differenziertere, aber deshalb kaum weniger grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen dem Lager der Kulturmaterialisten und ihren Exegeten einerseits, und den Anhängern der „kulturellen Vernunft“ (Sahlins) andererseits, zwischen dem Determinismus und dem Possibilismus. Bislang wurde diese Debatte, trotz vieler Bemühungen sie zu überwinden, nur auf immer schwerer zugängliches Terrain verlagert, nicht aber zu einer Lösung gebracht (Sahlins, 1981, S.85ff). Die Vielfalt der widersprüchlichen Ansätze ist von einigen Autoren durchaus erkannt worden und wird das eine Mal als Kinderkrankheit eines jungen Forschungszweiges verstanden (Kent, 1990, S.7), das andere Mal als unabdingbares Symptom der Komplexität des Forschungsgebietes (Rapoport, 1976, S.487). Die meisten Autoren aber, die dieses Problem thematisieren, sind sich über den Punkt einig, daß der architektonische Raum ein vielschichtiges Bedeutungs- und Funktionsgebilde ist, dessen verschiedene Ebenen und verschiedene Definitionsmöglichkeiten verschiedene Herangehensweisen erfordern (Gutman, 1976, S.40ff.; Rapoport, 1976, S.486; Bailey, 1990, S.24; Kent, 1990, S.3). „ ...the meaning of a house is multi-dimensional and subject to repeated reorientations. The house...exists simultaniously within the dimension of time, space, possession, wealth, protection, craftmanship, access, permeability, weather patterns, technological abilities, and so forth...Each methodology, each society, each individual will value the house differently by implementing different standards of measurement. Meaning of houses shifts within spatial, temporal, and social patterns.“ (Bailey, 1990, S.26ff) Die Konsequenz besteht für die meisten Wissenschaftler darin, sich aufgrund der eingeschränkten Aussagekraft ihrer theoretischen Perspektive auf kleine Ausschnitte des gesamten Phänomens zu beschränken. Das komplexe ganze Phänomen wird in unabhängige Teilaspekte zerstückelt, die dann wiederum meist mit einem auf Monokausalität ausgerichteten, reduktionistischen Ansatz untersucht werden (Schiffer, 1976/1995, S.67). Die Ganzheit des untersuchten Gegenstandes wird mittels der Fragmentierung und der reduktionistischen Perspektive aufgelöst und so dem Blickfeld entzogen; diese Vorgehensweise wird dadurch gerechtfertigt, daß vorab auf die Fragmentierung, Problemfokussierung und theoretisch-methodische Spezialisierung und somit Einschränkung hingewiesen wird. Das Problem der Reduktion auf Monokausalitäten an sich wird dadurch allerdings nicht behoben. Um dieses grundsätzliche Problem der Forschung zu überwinden, muß man zunächst von dem Forschungsgegenstand zurücktreten und sich mit den Voraussetzungen einer ganzheitlichen Perspektive auseinandersetzen. Die Ansätze der ganzheitlichen Betrachtung stammen vor allem aus Naturwissenschaften wie der Biologie, der Mathematik und richtungsweisend aus der neuen Physik. Seit dem Durchbruch der Quantenphysik in der ersten

Vor dem Hintergrund der Frage nach den Ursachen in evolutionären Entwicklungsprozessen entwarf der Biologe Rupert Riedl 1979 seine evolutionistische Systemtheorie („Über die Biologie des Ursachen- Denkens Ein evolutionistischer, systemtheoretischer Versuch“). Sie fußt in erster Linie auf dem allgemein anerkannten Modell des hierarchischen Schichtenaufbaus der Wirklichkeit und auf einer Vernetzung dieser Schichten mittels der vier aristotelischen Ursachen, der causa materialis, der causa efficiens, der causa formalis und der causa finalis. Der Schichtenaufbau erfolgt sowohl nach der chronologischen Reihenfolge der Schichtentstehung, sowie nach der Komplexität der Untersysteme der einzelnen Schichten; die Gesetzmäßigkeiten der jeweiligen Schichten sind die Grundlagen für die der nächst höheren : “Die Quantenphysik ist die Voraussetzung für die Atomphysik, die Chemie, diese sind zusammen Vorbedingungen der Molekularbiologie, der Stoffwechsel-, Neuro- und Verhaltensphysiologie und wiederum diese zusammen Grundlagen des Sozialverhaltens, der Kommunikation, Sprache und Kultur. Niemals ist dies umgekehrt.“ (Riedl, 1979, S.18). Das Problem des Reduktionismus sieht er vor allem darin, daß aufgrund dieser Verkettung von Voraussetzungen auch die Wirk-Ursachen aller Phänomene gerne auf die Vorgänge in der darunter liegenden Schicht zurückgeführt werden. „ Wenn sich die Atomgesetze zwangsläufig aus den Quantengesetzen ergeben und so, den Schichten entlang, die Gesetze des Lebendigen aus der Chemie, die des Denkens aus der Nervenphysiologie, dann enthält auch das Denken nicht mehr als Quantengesetze. Dann ist der Geist eine vertrackte Form der Materie und es ist legitim, die Psychologie verlustlos auf Biologie, die Biologie rückstandslos auf Biochemie zu reduzieren. Diese Konsequenz heißt Reduktionismus und sie dekretiert durch Forschungserfolg und Mehrheitsbeschlüsse die Auflösung des Menschen in Stoffe und Reaktionen.“ (Riedl, 1979, S.20). Die Absurdität eines solchen Vorgehens im Fall der Erklärung kultureller Vorgänge wird schnell deutlich. Nach Riedl gibt es neben den Wirk-Ursachen von „unten“ auch Wirk-Ursachen von „oben“. Zwar wird z.B. ein Molekül aus Atomen aufgebaut (causa materialis), das Molekül selbst bestimmt aber durch seine Struktur, welche Atome es aufnimmt (causa formalis), genau wie eine Gruppe von Menschen ihren Charakter durch die Individuen, aus denen sie besteht, gewinnt, die Dynamik der Gruppe aber wiederum bestimmt, aus welchen Indi-

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viduen die Gruppe zusammengesetzt wird. So hat eine höhere Schicht also auch Einfluß auf eine niedriger gelegene (ebd., S.33). Außerdem können tiefer liegende Schichten Wirkungen in höheren Schichten verursachen, indem sie die dazwischen liegenden Schichten überspringen. Genauso gut können die höheren sich auf die niedrigeren Schichten auswirken. Die Ursachen werden „hindurchgereicht“ (ebd. S.37 ff., 55ff.) Auf diese Weise kommt es zu Rückkoppelungen, sogenannten „Ursachenkreisen“, denen wir bereits als „strukturierende Strukturen“ begegnet sind. Aus den vier verschiedenen aristotelischen Wirk-Ursachen, die auf verschiedene Weise in verschiedene Richtungen innerhalb des hierarchischen Schichtenaufbaus wirken, entsteht ein Netzwerk, ein „Wirkungsgefüge“, wie Konrad Lorenz es bezeichnete. Die Gesamtkausalität besteht zwar aus einzelnen Ketten, die separat betrachtet zu monokausalen, innerhalb ihrer Grenzen richtigen Deutungen führen können, aber sie sind nur Teil eines großen, rückbezüglichen Netzwerks, in dem sich bei angemessenem Abstand die eindeutige Trennung von Ursache und Wirkung immer mehr verliert, Wirkungen sich schließlich selbst verursachen können. Die Aussagen, die über die Ausschnitte der Realität gemacht werden, sind innerhalb ihres Gültigkeitsbereichs richtig, sie sind aber nicht geeignet, außerhalb dieses Bereichs zutreffende Beschreibungen zu liefern, geschweige denn die Ganzheit der Realität zu erfassen (ebd. S.26 ff.). Ebenso ist das Bauen und Wohnen ein äußerst komplexes Wirkungsgefüge, in dem eine große Zahl von Einflüssen verschiedener hierarchischer Ebenen zusammentrifft und vernetzt wird, wodurch Ursachenkreise entstehen und Rückkoppelungen ausgelöst werden. Auch hier können Einzelaspekte durch Monokausalitäten richtig, aber nicht vollständig beschrieben werden, da gleichzeitig Wirkungen aus anderen hierarchischen Schichten in Form eines anderen Ursache-Typus auf sie einwirken können. Am wenigsten sind solche monokausalen Erklärungen jedoch geeignet, andere, scheinbar widersprüchliche Erklärungsmodelle zu widerlegen, da sie beide nur einzelne Ausschnitte von Wirkungsverkettungen in einem ganzen, komplexen Netzwerk sind. Die Denkgewohnheit, die Welt nach dem „Entweder-OderPrinzip“ nur als einen einzigen Boole´schen Kontext zu begreifen und paradoxe Konstellationen nicht integrieren zu können, steht also einer komplexeren, zutreffenderen Beschreibung der Wirklichkeit im Weg (ebd., S.62). Natürlich ist die Vorstellung eines Wirkungsgefüges als Netzwerk und die Unterteilung der Ursachen in vier Typen ebenfalls keine adäquaten Beschreibungen der Wirklichkeit, da diese Vorstellung wiederum die Symmetrie des Ganzen bricht, aber schließlich bietet sie eine vollständigere und konsistentere Beschreibung, die bislang scheinbare Widersprüche zu integrieren vermag. Interessanterweise hat Aristoteles für die Illustration seines Satzes vom zureichenden Grund und der Vorstellung von den vier verschiedenen Ursachen-Typen ebenfalls den Bau eines Hauses als Beispiel herangezogen. Causa materialis ist das Baumaterial, causa efficiens ist die notwendige Arbeitsleistung, der Bauplan ist die causa formalis und die causa finalis ist der Zweck, zu dem ein Haus errichtet wird. Innerhalb Riedls evolutionistischer Systemtheorie ist die Form-Ursache als im Milieu

verankert zu betrachten. Im Bereich der Tierwelt wäre also die von „oben“ wirkende Form-Ursache für den Körperbau eines Delphins sein ozeanischer Lebensraum; der Aufbau seines Körpers aus Muskelfasern etc., also die von „unten“ wirkende Material-Ursache, wäre lediglich noch eine Voraussetzung für seine Form, nicht aber mehr direkte Ursache (ebd. S.55). Ersetzt man nun den Delphin durch ein Wohnhaus, so muß als formal wirkendes Milieu der Stil der gesellschaftlichen Praxis, der Habitus der Bewohner gelten. Gleichzeitig wirkt aber der Zweck eines Hauses auf die Form ein, ebenso wie die gesellschaftliche Praxis wiederum auf den Zweck einwirkt. Die Zweck-Ursache wiederum bestimmt die Auswahl des Materials, die sowohl funktional, als auch symbolisch erfolgen kann. Ein symbolischer Zweck wäre wiederum eine causa formalis, deren Wirkung auf die Ebene der causa finalis durchgereicht wurde. Andererseits kann sich die Nützlichkeit wiederum auf der formalen Ebene auswirken und symbolische Bedeutung generieren, wodurch die causa finalis wiederum zur causa formalis transformiert werden würde. Schließlich bestimmt natürlich auch das gesellschaftliche Milieu die causa efficiens, also die Menge der verfügbaren Energie, wie bereits in den Abschnitten über die Strukturation und die energetische Analyse erläutert wurde. Material und Energie sind wiederum miteinander gekoppelt, da entweder das Material den nötigen Arbeitsaufwand determiniert, oder das Baumaterial der zur Verfügung stehenden Arbeitsleistung entsprechend ausgewählt wird. Auf diese Art und Weise könnte man sehr lange fortfahren und immer mehr einzelne differenziertere Kausalverkettungen des Wirkungsgefüges „Bauen-Wohnen“ aufzeigen. Schließlich müßte man die Ursachenverkettungen über das Phänomen der Wohnarchitektur hinaustragen. „Denn auch den Ursachen-Zusammenhang dieser Welt vermag unsere Vorstellung nur als endlosen Regress, als Ursache in Ursache in Ursache mitzuvollziehen. Und wir brauchen nicht an der Ursache zu zweifeln, wenn sich die letzte dieser Ursachen an den Enden der uns begreifbaren Welt unserem Verständnis entziehen. Da wir uns Ursachen nur aus immer weiteren Ursachen zu erklären vermögen, soll es uns nicht wundern, daß wir an einem für unseren Begriff unendlichen Netz die Ränder nicht erkennen.“ (ebd. S.64). In jüngster Zeit hat sich, als Synthese aus Kybernetik (Kontrolltheorie), der Theorie nichtlinearer, dynamischer Systeme (Chaostheorie) und der General Systems Theory von Ludwig von Bertalanffy (1968/1988), der Begriff der Komplexität in der Systemtheorie etabliert (Khalsa, 1997, Internet). Der Mathematiker Gert Eilenberger („Komplexität - Ein neues Paradigma der Naturwissenschaft“, 1990) knüpft mit seiner Darstellung der Komplexitätstheorie direkt an das Schichtenmodell Riedls an, widerlegt aber die Vorstellung von Linearität und Monokausalität des Reduktionismus und Determinismus auf eine ganz andere Weise. Ausgangspunkt von Eilenbergers Überlegungen ist das sehr kleine Kontingent an Naturgesetzen, die in unserem Realitätsausschnitt wirksam sind, denen die unüberschaubar große Zahl und Vielfalt der Naturerscheinungen auf den verschiedenen hierarchischen Ebenen gegenüber steht (Eilenberger, 1990, S. 70).

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Besonders oberhalb der Ebene der Chemie, die noch aus dem recht überschaubaren Periodensystem aufgebaut ist, entstehen alle Strukturen nur noch durch komplexe Prozesse. Die Ergebnisse dieser Prozesse aus der jeweils darunter liegenden Schicht abzuleiten hieße, diese Prozesse vollständig erfassen zu können, was nicht mehr möglich ist, genauso unmöglich wie die Form einer entstehenden Wolke voraus zu sagen (ebd. S.75). Die einzige Möglichkeit diese Diskrepanz zwischen wenigen und eng umgrenzten Naturgesetzen und der unüberschaubaren Vielfalt der Entwicklungen, die aus ihnen hervorgehen, zu überwinden, besteht darin, die Erscheinungswelt als eine Entfaltung von Algorithmen zu beschreiben, deren Funktion zwar determiniert, deren Entwicklung sich aber nicht linear, sondern fraktal vollzieht. Aufgrund der unabdingbaren Unschärfe der Ausgangssituation sind die Resultate der Prozesse nicht vorhersagbar, obwohl die Abläufe determiniert sind. Selbst bei Ausgangsbedingungen, die für unser Verständnis „gleich“ erscheinen, können unüberschaubar viele Erscheinungsformen realisiert werden, die ihrerseits wiederum nur eine kleine, durch das Milieu begrenzte Auswahl von unendlich vielen möglichen, aber nicht realisierten Erscheinungsformen darstellen (ebd., S.90). „Aus beliebig ähnlichen Anfangszuständen können sich - auch bei ganz einfachen deterministischen nichtlinearen Systemen - nach längerer Zeit völlig unterschiedliche Endzustände entwickeln.“ (ebd., S.98) Zudem muß man bei dem Schichtenaufbau der Welt auch immer mit Hierarchiebrechungen rechnen, daß also untere Stufen auf höhergelegene einwirken, in dem sie dazwischen liegende Stufen überspringen, genauso wie höhergelegene auf tiefergelegene einwirken können. Durch diese Rückkoppelungen und die zunehmende Komplexität entstehen selbstorganisierende Systeme, die ihre eigene Logik entwickeln und nicht mehr vorhersagbar sind, trotz einfacher Determinanten (ebd. S.76, 99). „Natürliche Gegenstände...sind weder in ihrer Gestalt linear (sie sind überwiegend fraktal), noch ist ihre Funktionsweise im allgemeinen durch Kausalketten beschreibbar, sondern vielmehr durch hochdimensionale komplexe Kausalgewebe - der von K. Lorenz verwendete Begriff ‚Wirkungsgefüge‘ ist hier sehr treffend.“ (ebd. S.80) „Wenn wir einmal annehmen, daß auch wirtschaftliche, soziale und ökologische Prozesse hochgradig nichtlineare deterministische Systeme mit vielen Variablen sind, an deren Parametern und Ausgangssituationen ständig gedreht wird, versteht man, warum deren Entwicklung langfristig nicht vorhergesagt werden kann.“ (ebd. S.119-120).

Um zu einem vollständigen Bild zu gelangen, muß auch die inhärente Logik des selbstorganisierenden Systems berücksichtigt werden, welches zwar von Milieu und Ausgangssituation determiniert, aber dessen tatsächliche Erscheinungsform nicht aus diesen Faktoren abgeleitet werden kann, da sie von der eigenen inneren Logik bestimmt wird. Die Entwicklungen können nur mittels Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden. Mit Hilfe des Paradigmas der Komplexität und der nichtlinearen Kausalität ist es also möglich, den Widerspruch zwischen Possibilismus und Determinismus aufzulösen, wenn man die Determinanten als Rahmenbedingungen nichtlinearer Prozesse begreift. Dies bedeutet wiederum gewohnte Denkstrukturen zugunsten einer umfassenderen Perspektive aufzugeben. Nach der biologischen Systemtheorie und der Mathematik möchte ich mich nun noch dem Impulsgeber der nichtlinearen Logik zuwenden, der Quantenphysik, durch die das Verständnis von Kausalitäten zu Beginn des 20. Jahrhunderts am radikalsten erschüttert worden ist. Ein solcher Exkurs mag im Rahmen einer archäologischen Arbeit etwas abwegig erscheinen, doch da das wissenschaftliche Denken der letzten Jahrhunderte sich in Berufung auf die Mathematik und die Paradigmen der klassischen Physik in einem mechanistischen Weltbild eingerichtet und verschanzt hat (Fürstenberg, 1972, S.17), dieses mechanistische Weltbild von der Quantenphysik aber als nicht mehr adäquate Beschreibung der Wirklichkeit entlarvt wurde (Seifert, 1993, S.122), halte ich einen Einblick in das Realitätsverständnis der neuen Physik, die „Dialektik des 21. Jahrhunderts“ (Fürstenberg), für durchaus sinnvoll. Ich möchte mich dabei vor allem auf das heuristische Komplementaritätsprinzip beziehen, das von Nils Bohr erstmals 1927 formuliert worden ist, um dem Dilemma der Heisenbergschen Unschärfe und der dualen Welle/Teilchen-Natur des Lichts zu begegnen. „...nach dem Wesen der Quantentheorie müssen wir uns also damit begnügen, die Raum-Zeit-Darstellung und die Forderung der Kausalität, deren Vereinigung für die klassischen Theorien kennzeichnend ist, als komplementäre, aber einander ausschließende Züge der Beschreibung des Inhalts der Erfahrung aufzufassen, die die Idealisation der Beobachtungs- bzw. Definitionsmöglichkeiten symbolisieren...In der Tat handelt es sich hier nicht um einander widersprechende, sondern um komplementäre Auffassungen der Erscheinungen, die erst zusammen eine naturgemäße Verallgemeinerung der klassischen Beschreibung darbieten.“ (Nils Bohr, 16. Sept. 1927, nach Primas, 1993, S.81) Hans Primas folgert aus diesem Gedanken: „Komplementarität heißt die Zusammengehörigkeit verschiedener Möglichkeiten, dasselbe Objekt als verschieden zu erfahren. Komplementäre Erkenntnisse gehören zusammen, insofern sie Erkenntnisse desselben Objekts sind; sie schließen einander jedoch aus, als sie nicht zugleich und für denselben Zeitpunkt erfolgen können.“ und „Es sind keineswegs die Beschränkungen, die unseren Meßapparaturen innewohnen, sondern die Notwendigkeit komplementärer Beschreibungen ist eine Folge der Natur der materiellen Realität selbst. Die Struktur der Welt, die dadurch zum Ausdruck kommt, daß sie komplementär beschrieben werden muß, reflektiert einen ganzheitli-

Bezieht man diesen kleinen Exkurs in die volkstümlich auch als Chaostheorie bezeichnete nichtlineare Mathematik auf das Thema dieser Arbeit, kann postuliert werden, daß in dem vielschichtigen, hochkomplexen Gefüge des Wohnens, auf das der einzelne Mensch, die Kultur, sowie die Umwelt einwirkt, gleiche Ausgangssituationen selbst trotz starker Determinanten fast zwangsläufig unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen müssen. Selbst wenn man die meisten Determinanten identifizieren kann, sagt das letztlich nur wenig über die realisierte Erscheinungsform aus, die nur eine von Unzähligen ist, die unter identischen Bedingungen entstehen können.

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chen Aspekt der Natur. In diesem Sinne können wir die Komplementarität in der Quantentheorie als objektive Kategorie der Wirklichkeit interpretieren. Komplementäres Denken ist Denken über ganzheitliche komplementäre Sachverhalte. Es macht neue Sichtweisen möglich, läßt neue Strukturen erkennen und impliziert eine neue Einstellung zur Welt.“ (Primas, 1993, S,83, 85) Wenn man sich mit einem so hochkomplexen Thema wie dem menschlichen Wohnen beschäftigt, über das Ross Samson resümiert: „there are many interesting ways of thinking about houses“, liegt es nahe, sich des Paradigmas der Komplementarität zu bedienen, nach dem nur das ganz ist, was lediglich durch eine Vielfalt komplementärer Beschreibungen erfaßt werden kann, also nicht durch klassische, monokausale Boole´sche Kontexte (Primas, 1993, S.90, 92). Da man aber, so Max Planck, nicht auf die „Allwissenheit“ warten kann, keine philosophischen Systeme, keine wissenschaftlichen Perspektiven mit Allgemeingültigkeitsanspruch zur vollständigen Beschreibung der Wirklichkeit mehr entwickelt werden und nur noch kleine Teilbereiche der Wirklichkeit und kleinste Ausschnitte der wissenschaftlichen Forschungsfelder untersucht werden, ist es klar, daß Beschreibungen, die in ihrem Realitätsfenster Gültigkeit haben, in einem größeren Zusammenhang widersprüchlich scheinen (Fürstenberg, 1972, S. 36, 61; Primas, 1993, S.94, 97). Bezogen auf den Diskurs Possibilismus/Determinismus löst sich der vermeintliche Widerspruch endgültig auf, wenn man demzufolge beide Perspektiven als eine komplementäre Antinomie begreift. Beide sich gegenseitig ausschließenden Konzepte sind notwendig, um die Wirklichkeit zu beschreiben (Fürstenberg, 19972, S.59ff.). „Jede ist richtig, keine ist wahr. Keine genügt für sich allein, alle sind notwendig. Nur die Gesamtheit der komplementären Beschreibungen kann die ungeteilte materielle Realität repräsentieren.“ (Primas, 1993, S.100) Im Bezug auf die Wissenschaft vom Menschen leitet Hans Fürstenberg aus dieser Erkenntnis ab: „Man kann die Menschheit nur dann erfassen, wenn man der Freiheit des Einzelnen genau die gleiche Realität zuspricht, wie seiner Unfreiheit als Molekül einer Gesellschaft.“ (Fürstenberg, 1972, S.72). Diese scheinbaren Widersprüchlichkeiten finden sich auch in der Grundlagenmathematik und der daraus abgeleiteten Erkenntnistheorie der “Laws of Form” von John Spencer Brown wieder, die, stark vereinfacht wiedergegeben, die Realität als Konstruktion des Beobachters beschreiben. Die Welt, als unterschiedslose All-Einheit, kann nur wahrgenommen werden, wenn sie durch einen Beobachter beobachtet und dadurch differenziert, ihre unterschiedslose Einheit dadurch also wieder aufgehoben wird. “Its particularity is the price we pay for its visibility” (Brown, 1997, S.92). Jeder Standpunkt und jede Perspektive ist auf eine spezifische Unterscheidung zurückzuführen, und damit auf den Beobachter (Lau, 2005, S.108ff., 152ff.). “Erkenntnis projiziert Unterschiede in eine Realität, die keine Unterschiede kennt.” (Luhmann, 1988, S.38). Die Welt wird also durch Beobachtung konstruiert. Das bedeutet jedoch nicht, daß das Wahrgenommene keine Gültigkeit hat, sondern nur, daß sein Anspruch auf Richtigkeit von der jeweiligen Perspektive abhängt. Jede Unterscheidung und jede Form ist jedoch auch immer

anders möglich. Die scheinbare Ausschließlichkeit der Beobachtungen beruht lediglich darauf, daß ein Beobachter, der eine Unterscheidung operational benutzt, diese selbst nicht sehen kann. Er selbst und die Grundlage seiner primären Unterscheidung sind sein “blinder Fleck”, der ihm die Sicht auf die Welt erst ermöglicht (Lau, 2005, S.157ff, 180). “Existence is a selective blindness.” (Brown, 1997, S.191). Für die Beschreibung von Kulturen ergibt sich daraus Folgendes: Wenn man eine Ethnie unter strukturalistischen Gesichtspunkten untersucht und entsprechende Muster herausarbeitet, bedeutet das nicht, daß die kulturelle Organisation dieser Ethnie aus der herausgearbeiteten Struktur besteht, sondern nur, daß sie mit Hilfe dieser Struktur beschreibbar ist. Genauso kann sie in Form von adaptiven Prozessen beschrieben werden, was aber nicht bedeutet, daß sie das Egebnis dieser adaptiven Prozesse ist. Eine solche Übertragung würde bedeuten, die Landkarte mit der Landschaft zu verwechseln. Eine andere Beschreibungsmöglichkeit, die die nichtlineare Logik der Quantenphysik bietet, ist die Auflösung von Kausalitäten zugunsten von Korrelationen. Die Vorgänge bedingen sich nicht mehr linear nachvollziehbar, d.h. sie lösen sich nicht einander auf die eine oder andere Weise aus, sondern sie sind miteinander verschränkt, sie geschehen gemeinsam, ohne daß dafür eine klassisch physikalische, raumzeitlich faßbare Interaktion notwendig ist. Daraus folgert Wolfgang Pauli „Die Sachlage... macht es notwendig, als logische Verallgemeinerung der deterministischen Form der Naturgesetze der klassischen Physik, primäre Wahrscheinlichkeiten in die Physik einzuführen.“ (Pauli, 1954, S.283). Die ganzheitliche Natur der materiellen Realität bedingt also, daß jede Naturbeschreibung notwendigerweise probalistischen Charakter hat (Primas, 1993, S.94). Für diese Arbeit haben die formalen Denkmodelle der Quantenphysik folgende Bedeutung: Die Frage, ob die menschliche Praxis die Struktur des Raum hervorbringt oder die Struktur des Raums die menschliche Praxis generiert, ist irreführend, da Praxis und Raum, bzw. Praxis und Struktur, nur zwei willkürlich aus der Ganzheit des menschlichen Wohnens herausgebrochene Aspekte sind, die nicht unabhängig voneinander gedacht werden können. Genauso wie die Frage nach Henne und Ei absurd ist, da beides nur zwei chronologisch voneinander getrennte Erscheinungen der fortdauernden Einheit „Hühner-DNA“ sind, sie also miteinander identisch sind, so unsinnig ist auch die Trennung von Raum und Praxis oder Handlung und Struktur da es nur zwei willkürliche herausgebrochene, komplementäre Aspekte eines ganzheitliches Phänomens sind, die gegeneinander ausgespielt werden, die aber notwendigerweise als zusammengehörig verstanden werden müssen. Es ist also nicht sinnvoll nach einzelnen, isolierten Ursacheverkettungen zu fragen, die alleine niemals für eine adäquate Wirklichkeitsbeschreibung ausreichen, sondern man muß die Ensembles der Erscheinungen und ihre kausal antinomischen Kontexte, sowie die chronologische Abfolge dieser Ensembles beobachten, um daraus die Wahrscheinlichkeiten der Entwicklung, nicht aber

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Irokesen oft nur 3m2 pro Person. In großen, offenen Gebäuden kann der Raum offenbar flexibler genutzt werden und dadurch die Einschränkung der individuellen Bewegungsfreiheit ausgeglichen werden (Warrick, 1996, S.12). Ein weiterer, allerdings biologischer Faktor, der bezüglich des Raumanspruchs zur Geltung kommt, ist die natürliche Territorialität des Menschen, sein Anspruch auf die Kontrolle des unmittelbaren Raumes um ihn herum. Die kritische interpersonelle Zone hat einen Radius von 0,9m, der tatsächlich beanspruchte Raum unterliegt aufgrund unterschiedlicher kultureller Prägungen, psychologischer Disposition und den jeweiligen Situationen starken Schwankungen (Sanders, 1990, S.49, 59). Ist die Wahrung des persönlichen Raums durch ein zu dichtes Zusammenleben nicht mehr gewährleistet, müssen die Grenzen dieses Raumes physisch markiert werden oder der Raum muß architektonisch abgekapselt werden. Auf diese Weise entsteht die „Privatsphäre“, das primäre Territorium, der Wohnraum. Durch sie ist ein dichtes Zusammenleben mit einem Minimum an Reibungsflächen möglich, da sie das Gefühl des Alleinseins, trotz unmittelbarer Nähe zu Angehörigen der eigenen Gruppe simulieren kann. Territorialer Anspruch und Konkurrenz werden durch die physische Abgrenzung des Raums terminiert, der Informationsfluß zwischen den einzelnen Wohngemeinschaften wird kontrolliert. Auf diese Weise wird der Streß innerhalb einer Siedlungsgemeinschaft auf ein Minimum reduziert (Gutman, 1976, S.39; Mahdjoubi & Awotona, 1997, S.144; Sanders, 1990, S.49, 50; Sanders, 1990, S.49). Der maßgebliche Mechanismus der Wahrung der Privatsphäre ist die Kontrolle des Zugangs und der Sichtachsen. Die Möglichkeit, aus dem Sichtfeld der Gruppe zu verschwinden, bedeutet gleichzeitig, sich der sozialen Kontrolle entziehen zu können. Außerdem können zahlreiche andere symbolische Hinweise, Bewegungseinschränkungen (z.B. baulich nicht notwendige Stufen), Geruchsmarkierungen (z.B. Weihrauch), Schallisolierungen etc. den persönlichen Raum kennzeichnen (Clement, 1982, S.62ff.; Sanders, 1990, S.49, 65). Innerhalb von Gebäuden ist die Privatheit eines Raumes meist durch seine Tiefe innerhalb des Hauses gekennzeichnet, also durch die Zahl der Räume, die man durchqueren muß, um zu ihm zu gelangen (Banning, 1996, S.166). Es ist zu beobachten, daß die Zahl der Möglichkeiten, Privatsphäre und Territorium zu kennzeichnen und die Zahl der Zonen, in denen der Übergang vom Privaten zum Öffentlichen abgestuft ist, mit der Komplexität einer Gesellschaft immer mehr zunehmen, das Bedürfnis nach denselben hingegen mit der Populationsdichte korrespondiert. Je öffentlicher der Raum wird, desto eher wird außerdem auf deutliche, physische Markierungen zurückgegriffen, je privater, desto mehr rückt die Bedeutung kultureller Konventionen als Regulativ in den Vordergrund (Baskaya & Symes, 2002, S.271; Donley-Reid, 1990, S.115; Sanders, 1990, S.49, 50). Auf Beobachtungen dieser Art gründet sich der Behaviorismus (s.o.). Neben dem Phänomen der Territorialität und der damit zusammenhängenden Privatsphäre ist auch das Bedürfnis nach Gemeinschaft biologisch verankert. In jeder menschlichen Ansiedlung gibt es einen Ort oder Orte, an denen Zusammenkünfte stattfinden. Die Wahl des Ortes dieser Zusammenkünfte ist wiederum kulturspezifisch

alleingültige Ursachenzuweisungen abzuleiten. Gegebenheiten bedingen keine Erscheinungen, sie machen deren Auftreten nur empirisch wahrscheinlicher. Ursachenzuweisungen haben niemals ausschließliche Gültigkeit, sondern entfalten erst eine Annäherung an die Ganzheit der Realität bei gleichwertiger Gültigkeit komplementärer Erklärungen. III.2. Verhaltensbiologische Aspekte des Wohnraums Die ursprünglichste Form des bewohnten Raumes ist der Unterschlupf. Das Verhalten, sich ein solches „shelter“ zu bauen, wurde auch bei anderen Primaten, wie den Gorillas, gut beobachtet. Daß sich dieses Verhalten aus einer Intention und nicht aus einem reinen Trieb ergibt, kann man daraus schließen, daß Gorillas ihre hergerichteten Schlafplätze auf die unterschiedlichsten Weisen gestalten und nutzen. Einige Gruppen schlafen zusammen in einem Unterschlupf, andere einzeln, manche suchen denselben hergerichteten Schlafplatz immer wieder auf, andere richten sich jede Nacht neu ein. Die Platzwahl folgt auch keinem festen Muster. In manchen Gruppen werden Schlafplätze auf Bäumen bevorzugt, bei anderen ebenerdige Plätze unter Baumstümpfen oder Felsvorsprüngen. Insgesamt wurden über 30 verschiedene Arten von Unterschlupfen beobachtet (Dioxiades, 1976, S.80). Möglicherweise haben wir es im Fall der Gorillas bereits mit einer Vorform der „kulturellen“ Tradition zu tun. Die Art der Schlafplatzwahl und des „Wohn“-Verhaltens wird nicht mehr von dem genetischen Script bestimmt, sondern innerhalb der Gruppe erlernt und weitergegeben. Auch im Falle des Menschen muß man davon ausgehen, daß seine Biologie kein spezifisches Wohnverhalten diktiert, sondern verschiedenste Möglichkeiten zuläßt. Da das Verbreitungsgebiet des Menschen, im Gegensatz zu den Primaten, nicht auf die klimatisch ideal geeigneten Gebiete beschränkt blieb, wurde der Unterschlupf in seiner Bedeutung als Schutzraum vor Sonne, Regen, Wind, Kälte und gefährlichen Tieren immer wichtiger. Er wurde zu einer „kontrollierbaren Umwelt“ (Gutman, 1976, S.39), zu einem Raum. Tatsächlich ist der Raum die ursprünglichste architektonische Einheit, die auch unabhängig von der Kategorie „Haus“ bestehen kann (Dioxiades, 1976, S.82). Der Mindestanspruch des Menschen an die Grundfläche des bewohnten Raumes sind 2 m2 , die Fläche, die er zum Schlafen benötigt (Sumner, 1989, S.170, 171). Laut behavioristischen und entwicklungspsychologischen Untersuchungen beträgt der ideale Operationsradius 2,7 m (die „reach-with-a-tool-zone“) und der von Menschen tolerierte Mindestabstand zur architektonischen Begrenzung zwischen 1,5 bis 3m (Sanders, 1990, S.59; Grüsser, 1986, S.53ff.). Verschiedenste Studien aus allen Teilen der Welt haben für ländliche Siedlungen immer wieder einen durchschnittlichen Wohnraumanspruch (überdachte Fläche! Wirtschaftsbereiche nicht mit gerechnet) von ungefähr 10m2 pro Person ergeben, niemals aber unter 5m2 (Sumner, 1989, S.170; Wattson, 1979, S.291; Flannery, 1976b, S.16). Eine Ausnahme bilden lediglich die großen indianischen Gemein- schaftshäuser. Abzüglich der ca. 20% der einräumigen Großbauten, die Speicher- und Stauzwecken dienen, verbleiben z.B. bei den

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und charakterisiert die jeweilige Gruppe (Mahdjoubi & Awotona, 1997, S.148).

brauchsgegenstand oder Rohstoff zu „Abfall“ um- gewertet wird. In der modernen Ethnologie hingegen soll der Schematismus, der für die Aufstellung von Gesetzmäßigkeiten und Wahrscheinlichkeiten notwendig ist, weitestgehend vermieden werden. Besonders klar wird diese Perspektive von Clifford Geertz eingefordert („Dichte Beschreibung“, 1973/´87). Er lehnt jede etische, also von außen herangetragene Deutung von Kultur ab, zugunsten einer rein emischen, kulturinhärenten und „dichten“ Beschreibung. (ebd., S.9ff) „Als ineinandergreifende Systeme auslegbarer Zeichen...ist Kultur keine Instanz, der gesellschaftliche Prozesse, Ereignisse, Verhaltensweisen oder Institutionen kausal zugeordnet werden können, sie ist ein Kontext, ein Rahmen, in dem sie verständlich - nämlich dicht - beschreibbar sind.“ (Geertz, 1973/87, S.21) „..., weil die Hauptaufgabe der Theoriebildung in der Ethnologie nicht darin besteht, abstrakte Regelmäßigkeiten fortzuschreiben, sondern darin, dichte Beschreibungen zu ermöglichen. Es werden keine allgemeine Aussagen angestrebt, die sich auf verschiedene Fälle beziehen, sondern nur Generalisierungen im Rahmen eines Einzelfalls.“ (ebd. S.37). Für den Archäologen stellt sich natürlich das Problem gerade gegensätzlich dar: nur Aussagen, die sich auf legitimer Grundlage generalisieren lassen, sind zulässig, um auf archäologische Befunde übertragen werden zu können. Entsprechend „etisch“ muß z.T. auch die Auswertung der ethnologischen Quellen vonstatten gehen. Schiffer konnte z.B. bei der Untersuchung von Flintwerkzeugen der Aboriginies eine deutliche Diskrepanz zwischen der Selbstauskunft über den Gebrauch der Geräte und den Gebrauchspuren auf denselben feststellen. Die Geräte wurden als monofunktional konzeptualisiert, aber tatsächlich für eine Vielzahl anderer, unspezifischer Tätigkeiten genutzt (Schiffer, 1978/´95; S.99). Vergleichbar wäre die Verwendung eines Messers als Schraubenzieher oder die Nutzung eines Einwegfeuerzeugs zum Öffnen von Kronkorken, was deutliche Gebrauchsspuren hinterläßt, die mit der konzeptualisierten Funktion eines Feuerzeugs rein gar nichts zu tun haben. Die rein emische Sicht ist offenbar für archäologische Zwecke nicht unbedingt ausreichend. Die in diesem Abschnitt vorgenommenen Schematisierungen sind also nicht in einem ethnologischen Sinne zu begreifen, sondern lediglich als sinnvoll für die ethnoarchäologische Fragestellung und für die entsprechend notwendige heuristische Modellbildung.

III. 3. Die Raumorganisation in der Ethnologie In dem folgenden Kapitel der Arbeit sollen ethnographische Beispiele untersucht werden und vor dem theoretischen Hintergrund der vorangegangenen Überlegungen sollen die von Schiffer geforderten heuristischen „Gesetze“ (Schiffer, 1975/´95, S.46, 47; 1978 /´95, S.101ff.) in Form von Ensembles herausgearbeitet werden, deren Elemente mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit gemeinsam auftreten. Dabei sollen zunächst die verschiedenen Formen des Wohnens und ihre sozio-ökonomischen Kontexte, sowie anschließend ihre ideelle, also weltanschauliche Einbettung untersucht werden. Die dabei häufig auftretenden Muster und Signifikanzen sollen als „sozio-ökonomische Raumorganisationstypen“ und „habituelle Raumorganisationsprinzipien“ herausgearbeitet werden, die bei bestimmten Kombinationen der formalen Aspekte des Wohnens, also Bautechnik, Haus- und Siedlungsform, als kultureller Überbau als wahrscheinlich angenommen werden können. Da die Beispiele als Basis einer Generalisierung dienen sollen, habe ich mich bemüht, ethnologische Untersuchungen von allen Erdteilen und wenn möglich auf jeweils verschieden komplexen gesellschaftlichen Niveaus zu berücksichtigen. Als Leitfaden dienten mir dabei meist grundlegende Werke wie z.B. Morgans Untersuchungen zu indianischen Häusern oder Haselbergers und Fiedermutz-Launs Untersuchungen zu afrikanischen Gehöften. Die Daten dienen nicht zur Illustration von bereits vorgefertigten Vorstellungen, sondern um die Modelle am Ende des Kapitels aus ihnen abzuleiten. Doch zunächst sollen die Gegebenheiten der ethnologischen und der ethnoarchäologischen Perspektive erläutert werden, sowie einige allgemeine Aspekte der Siedlungsgenese beschrieben werden. Ethnologische und Ethnoarchäologische Perspektive Die Anforderungen ethnoarchäologischer Fragestellungen, die für die vorgenommene Aufgabe notwendig sind, sind deutlich anders geartet, als die der reinen Ethnologie. Wie Schiffer immer wieder fordert, sollen aus der archäologisch ausgerichteten Ethnographie und Ethnologie Gesetze abgeleitet werden, aus denen man Verhaltensmuster rekonstruieren kann (s.o.). Diese Gesetze müssen einen allgemeingültigen Charakter haben und sich auf alle Kulturgruppen in vergleichbaren Umfeldern übertragen lassen - eine positivistisch-prozessualistische Forderung, die für die praxisorientierte Ethnoarchäologie durchaus sinnvoll ist. So ließ er z.B. das Abfallentsorgungsverhalten auf US-amerikanischen Campingplätzen untersuchen, das ohne weiteres zu verallgemeinern war (Schiffer,1978b, S.104): Je größer die weggeworfenen Gegenstände, desto größer ist der Abstand, in dem sie vom Camp entfernt verbracht werden. Je kleiner der Gegenstand, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer primären Lagerung an dem Ort, an dem er vom Ge-

Herausgearbeitet werden soll die Identität von Wohngemeinschaft und sozio-ökonomischer Einheit, die Größe der Einheiten und ihr entsprechender sozio-ökonomischer Kontext, die Segmentierung des Innenraums und die jeweilige Bedeutung für das Sozialgefüge und die ökonomische Differenzierung, die Kennzeichnung von Privatsphäre sowie die räumliche und sozio-ökonomische Trennung zwischen dem einzelnen Haushalt und der Siedlungsgemeinschaft und die daraus resultierende sozio-ökonomische Bedeutung der Gestalt des Siedlungsgefüges und schließlich die Eigenschaft des Hauses als Marker von sozialer Hierarchie und Status.

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Ich möchte das Material dabei zwischen den Gegenpolen der kollektiven, nicht repressiven Raumorganisation und der privat segmentierten und repressiv kontrollierten Raumorganisation ordnen, also in einer Reihung von zunehmend bedeutender und zunehmend kontrollierter Privatsphäre und privaten Besitzes. Da die Zunahme des Privaten offenbar mit der Zunahme der Komplexität einer Gesellschaft in engem Zusammenhang steht (Sanders, 1990, S.50), möchte ich außerdem in Teilen auf einen Entwurf von Susan Kent zurückgreifen, den sie in ihrem kurzen Aufsatz „A Crosscultural Study of Segmentation, Architecture and the Use of Space“ (1990) skizziert hat. Sie untersucht in diesem Aufsatz die Zusammenhänge sozio-ökonomischer und räumlicher Differenzierung, die sie durch die Ausdifferenzierung der activity areas, also durch den räumlichen Niederschlag der Spezialisierung in den Arbeitsprozessen erklärt, eine Ansicht, die auch von Linda Donley-Reid als allgemeingültig angenommen wird (Kent, 1990, s.128ff ; DonleyReid, 1990, S.115). Dieser Ansatz korrespondiert zudem mit einer Beobachtung von Carol Kramer, daß, je seßhafter die von ihr untersuchten Gruppen waren und je mehr die Möglichkeit bestand, Arbeiten zeitlich und räumlich zu streuen, die Tendenz zur Segmentierung des Raumes immer stärker wurde (David & Kramer, 2001, S.261).

rung, Kontrollgruppen, die ausschließlich durch ökonomische Sachlagen definiert werden, starre Klassen- oder Kastensysteme, ein stehendes Militär etc. (ebd., S.141). Da die Kriterien, anhand derer die verschiedenen Ethnien einzelnen Kategorien zugeordnet werden, vage sind und die entsprechenden Merkmale nicht in allen Fällen eindeutig bestimmt werden können, soll das Konzept von Susan Kent nur als zusätzliche Orientierung dienen, die im folgenden hilft, die beschriebenen Ethnien und ihr Wohnverhalten auch nach zunehmender Komplexität ihrer Sozio-Ökonomie zu ordnen. Zunächst aber soll beispielhaft auf einige allgemeine Aspekte der Siedlungsgenese eingegangen werden. Allgemeine Aspekte der Siedlungsgenese Die Mechanismen, die auf die Siedlungsbildung, also die Agglomeration einzelner Haushalte an einem Ort zu einer zusammenhängenden Siedlungsgemeinschaft, einwirken, bestehen aus Ursachenverkettungen von psychosozialen, sozio-ökonomischen, religiös- politischen und umweltbedingten Umständen. An erster Stelle und als kleinste Einheit steht die Hausgemeinschaft, die „residential group“. Sie ist in den meisten Fällen identisch mit dem Haushalt, mit dem der kleinste ökonomische Komplex bezeichnet wird. Auf sozialer Ebene entsprechen die Hausgemeinschaften und Haushalte fast immer einer auch verwandtschaftlich aufeinander bezogenen Gruppe, in der Regel einer Kernfamilie oder einer erweiterten Familie. Dieser Zusammenhang besteht aber nicht notgedrungen und sowohl Familien als auch ökonomische Gemeinschaften setzen sich oft jenseits der Hausgemeinschaft fort (Netting, Wilk & Arnould, 1984, S. XX-XXII). Da sich diese verschiedenen Zuordnungskriterien aber fast immer im Rahmen einer Hausgemeinschaft überschneiden, soll in dieser Arbeit von einer weitgehenden Identität von Verwandtschaftsgruppe, sozio-ökonomischer Einheit und residential group ausgegangen werden (Wilk, Netting, 1984, S.1ff., 17). Primärer Auslöser für Gruppenbildung ist der als „social will“ bezeichnete Trieb des Menschen, sich in einem kommunikativen Kontext zu bewegen. Dabei spielt vor allem die Familie eine große Rolle (Herbig, 1988, S.237). Im Sudan bauen junge Männer zum Beispiel die Behausungen ihrer Familien am liebsten nahe dem Gehöft ihres Vaters. Sobald die unmittelbar angrenzenden Felder nicht mehr für die Subsistenz ausreichen, gründen sie ein neues Gehöft an dem nächst möglichen Standort. Die Tendenz zum Wachstum einer Gehöftgruppe wird in diesem Fall also durch die unmittelbare Verfügbarkeit der allokativen Ressourcen begrenzt (Haberland, 1990, S.13).

Susan Kent unterteilt die Gesellschaftsformen in 5 Kategorien mit zunehmender sozio-ökonomischer Komplexität und Hierarchisierung. Kategorie I besteht aus Gesellschaften, die kaum eine sozio-ökonomische Stratifikation oder Spezialisierung sowie eine nur geringfügige geschlechtsspezifische Arbeits- und Raumteilung aufweisen können (Kent, 1990, S.130). Die Kategorie II wird von Gesellschaften gestellt, in denen es eine formale Häuptlingsposition gibt, einzelne Individuen zudem durch Ausübung von z.B. rituellen Tätigkeiten vorübergehend an Status zugewinnen können. Spezialisierung ist vorhanden, wird aber nur nebenbei ausgeführt. Die Arbeit wird in gewißem Umfang geteilt, die Überwachung dieser Arbeitsteilung wird etwas rigider gehandhabt als in Gesellschaften der Kategorie I. Innerhalb der Gruppe gibt es Untergruppen, die für die Verrichtung spezieller kollektiver Aufgaben aktiv werden, sonst aber kaum soziale Relevanz haben (ebd., S.132). In den Gruppen der Kategorie III nimmt die soziale Stratigraphie zu, die erstmals nicht nur auf Ansehen und natürlicher Autorität basiert, sondern auch auf Reichtum fußen kann. Mehrere Individuen sind mit sozial privilegierten, institutionellen Positionen und entsprechenden Aufgabenfeldern bedacht, es entstehen zunehmend Untergruppen, wie z.B. Altersgruppen, und die „Teilzeit“Spezialisierung in Arbeitsprozessen sowie die geschlechtliche Arbeitsteilung sind üblich (ebd., S.136). In der Kategorie IV, mit der man am zeitlichen Horizont des Neolithikums nur peripher in Berührung kommt, wird sozialer Status und Macht im Sinne von Klassengesellschaften vererbt. Zudem ist die Spezialisierung auf den meisten gesellschaftlichen Ebenen vollständig vollzogen und wird rigide kontrolliert (ebd. S.139). Die Kategorie V beschreibt die neuzeitlichen Zivilisationen mit komplexer sozialer Hierarchie und Spezialisie-

J. Newman stellte bei seinen Feldforschungen in Afrika einen Zusammenhang zwischen der Siedlungsstruktur und der Geschlechterfokusierung der Gesellschaft fest. Offensichtlich wirken sich Matrilokalität und Patrilokalität gegensätzlich auf die Siedlungsdichte aus. In patrilinearen und -lokalen Gesellschaften beobachtete er eine Tendenz zur Streusiedlung. Da dem Mann in erster Linie das Wohlergehen seiner eigenen Familie am Herzen

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liegt, wird er ihre Subsistenz durch eigenes, von der Gruppe unabhängiges Ackerland zu sichern versuchen. Andererseits bewirkt das Zugehörigkeitsgefühl zu einer gemeinsamen Ahnenreihe, daß eine Nähe zu anderen Gehöften von Verwandten erhalten bleibt, und sich die Männer zu gemeinschaftlichen Arbeiten treffen, und falls nötig gemeinsame Verteidigungsmaßnahmen ergreifen können. Im Falle der Matrilinearität hängt die Zahl der erwachsenen Männer in einem Haushalt von den Eheschließungen der Töchter ab. Die eingeheirateten Männer sind andererseits eher ihrer eigenen Abstammung mütterlicherseits zu Loyalität verpflichtet. Um stets genügend Arbeits- und Verteidigungskräfte beisammenzuhalten, gibt es in matrilokalen Kulturen eine starke Tendenz, verschiedene mütterliche Vererbungslinien (Matrilineages) an einem Ort zu fixieren, also in Siedlungsagglomeraten zu vereinigen (Newman, 1998, S.43). Diese Beobachtung könnte neue, fruchtbare Ansätze für eine Interpretation der frühen, möglicherweise matriarchalischen Großsiedlungen des akeramischen Neolithikums bieten, wie Catal Hüyük, Abu Hureira oder Bouqras.

Land durch extensives Siedlungsverhalten vergeudet werden darf. Auch strategische Vorteile können zu einer räumlichen Ansammlung verschiedener Haushalte und damit zu einer geschlossenen Siedlung führen. In Zeiten der Gefahr ballen sich Menschen instinktiv zu größeren Gruppen zusammen, die ihnen Sicherheit gegenüber Feinden bieten. In Afrika sind solche, oft nur kurzfristige Agglomerationen, in historischer Zeit vielfach dokumentiert (Fiedermutz-Laun, 1990, S.19; Silberfein, 1998,S.8; Siddle, 1998, S.15). Neben den genannten längerfristigen Agglomerationsprozessen, die zu Bildung dörflicher Zentren führen, gibt es aber auch ad hoc Dorfgründungen. In Westafrika kann man solche Phänomene beobachten, wenn in einem großen Dorf neben dem Häuptling ein weiterer Mann zu so großem Ansehen gekommen ist, daß ihre Konkurrenz die Homogenität des Dorfes zu zerbrechen droht. In solchem Fall gründet der Emporkömmling mit seiner Familie und seinen Anhängern eine neue Siedlung. Auch können Krankheit, kriegerische Auseinandersetzungen und religiöse oder magische Probleme zu dem Verlassen der Dörfer und neuen Spontangründungen führen (Haselberger, 1964, S.28). Bei den afrikanischen Kofyar läßt sich noch eine andere Form der Spontangründung und Agglomeration im großen Maßstab feststellen. In ihren angestammten Gebieten siedeln sie normalerweise in verstreuten Gehöften oder kleinen Dörfern. Wenn sie allerdings neues Land außerhalb ihres Stammeslandes in Besitz nehmen wollen, werden zuerst große, zentrale Trabantensiedlungen errichtet, um in den neuen Gebieten Dominanz zu demonstrieren. Dadurch soll der eigene Landanspruch gegenüber anderen, konkurrierenden Siedlern gesichert werden. Erst wenn das Land endgültig in Besitz genommen ist und keine Gefahr mehr von außen droht, werden verteilte Haushalte gegründet. Diese ersten Satellitensiedlungen sind oft größer, als die größten Orte im Kernland der Kofyar (Stone, 1998, S.89, 90). Eine andere westafrikanische Form der Satellitensiedlungen stellen kleine Dörfer dar, die nur als temporäre Stationen in guten, aber von den Hauptsiedlungen abseits gelegenen Anbaugebieten oder in Jagd- und Fischfangrevieren angelegt werden. Sie unterscheiden sich in ihrem Erscheinungsbild kaum von den eigentlichen, primären Wohnorten, sind aber deutlich nachlässiger gebaut. Unter Umständen kann sich die primäre Siedlung in diese sekundären Standorte verlagern (Haselberger, 1964, S.28). Diese westafrikanischen Sekundarsiedlungen sind jedoch nicht zu verwechseln mit Stationen in halbnomadisch genutzten Gebieten wie im Nordiran, die nur wenige Wochen im Jahr von umherziehenden Hirten aufgesucht werden und kaum Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen Dörfern aufweisen (Feysabadi, 1984, S.11).

Nach ethnologischem Material zu urteilen, hängt die Wahl des Siedlungsortes von strategischen und besonders von ökonomischen Gesichtspunkten ab. In den trockenen Gebieten bestimmen außerdem die Wasservorkommen den Siedlungsort sowie die Siedlungsdichte (Silitshena, 1998, S.103; Feysabadi, 1984, S.23). Alle Widrigkeiten des Klimas versucht man notgedrungen durch die Bauform der Häuser und die Konzeption der Siedlungsstruktur auszugleichen, bei der Wahl des Standortes spielt es aber kaum eine Rolle (Lander & Niermann, 1980, S.17). Die Ortswahl kann aber wiederum ein Siedlungsmuster erzwingen. Stark unebene Bodenverhältnisse können eine Clusterbildung verhindern. In kargen Gebieten kann von Kulturen, die nicht über Kenntnisse der intensiven Landwirtschaft, wie z.B. der Bewässerung, verfügen, nur verstreut in Einzelgehöften gesiedelt werden, da der Boden zu wenig Ertrag für höhere Bevölkerungsdichten erbringt, wie es in vielen Gebieten Westafrikas der Fall ist (Haselberger, 1964, S.17). Andererseits kann eine Verbesserung des Klimas zu einer steigenden Populationsdichte führen und dadurch wiederum eine Zusammenballung von einzelnen Haushalten und die Entstehung größerer Siedlungen deutlich begünstigen (Fiedermutz-Laun, 1990, S.19). Die aus einzelnen Gehöften bestehenden Haufendörfer des nord-östlichen Irans erhalten ihre Form noch direkter von den natürlichen Bedingungen: Gebaut wird nur dort, wo der Boden unbrauchbar zur landwirtschaftlichen Nutzung ist. Ihre Größe wird aber in der Regel nicht von dem zur Verfügung stehenden Ackerland bestimmt, sondern fast ausschließlich von dem vorhandenen Wasser (Feysabadi, 1984, S.10, 22ff.). Die Nähe zu Wasserstellen kann auch Ursache von Clusterbildung sein. Damit die Wasserwege kurz blei- ben, ist es sinnvoll, dicht beieinander um die Quelle zu siedeln (Silitshena, 1998, S.103). Die extremsten Beispiele für diese Art der Zusammenballung stellen Oasensiedlungen dar, in denen außerdem jeder Quadratmeter des nutzbaren Bodens lebensnotwendigen Ackergrund darstellt, also kein Stück

Die Entwicklung vom einzelnen, isolierten Haushalt zu einer dörflichen Gemeinschaft verschiedener Haushalte geht notwendigerweise auch mit einer sozialen Differenzierung und Strukturbildung einher, die meist die Herausbildung einer zentralen, in der Regel ortsgebundenen Autorität zur Folge hat (Herbig, 1988, S.247; Reinhold & Steinhof, 1995, S.12). Die Aufgaben dieser Autorität

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bestehen einerseits in der optimalen Verteilung von Population auf der Grundfläche und andererseits in der Vereinfachung der Kontrolle der Gruppe, also auch in einer Optimierung der Kommunikation, was gleichbedeutend ist mit einer Zusammenführung der Menschen und der Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Zeichenund Ordnungssystems, durch das wiederum der Lebensraum der Kultur und damit auch ihre Architektur entsprechend geordnet werden (Siddle, 1998, S.13ff.; Sahlins, 1981, S.44, 55ff., 62; Verhoeven, 1999, S.203). Demzufolge haben die Strukturen von Gehöften und kleineren Siedlungen eine andere kulturelle Dynamik als die Strukturen großer, dörflicher Siedlungen. Da das Zusammenleben größerer Gruppen in der Regel auf reziproken oder redistributiven Systemen basiert, durch die individuelle Interessen kontrolliert werden und eine Solidargemeinschaft etabliert und stabilisiert wird, sind solche größeren Gruppen nicht nur wegen der Subsistenz, sondern auch aufgrund sozialer Notwendigkeit zur Mehrproduktion und Vorratshaltung gezwungen (Hodder, 1990, S.41; Reinhold & Steinhof, 1995, S.12; Herbig, 1988, S.237). Demzufolge korrespondiert der allgemeine Trend zur Agglomeration und deren tatsächliche Umsetzung meist auch mit einer Umstellung und Differenzierung der Ökonomie (Silberfein, 1998, S.48). Die dabei aufkommenden Interessenkonflikte erfordern in der Regel eine Neuordnung der gemeinschaftlichen Organisation, wodurch wiederum die Bildung zentraler Autoritäten in den Gemeinschaften begünstigt werden. Diesen Häuptlingstümern ist es wiederum zu eigen, daß sich die Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaft bevorzugt in direkter Nachbarschaft des administrativen Zentrums niederlassen. Dadurch nehmen die noch vorhandenen Streusiedlungen im umgebenden Land weiter ab und die Dichte der zentralen Siedlungen erhöht sich weiter (Siddle, 1998, S.13ff.; Haselberger, 1964, S.28). Solche starken, gesellschaftlichen Bindungen und räumlichen Verdichtungen führen meist dazu, daß die Proportion zwischen Bevölkerung und Ackerland sich zu Ungunsten der Bevölkerung verändert. Wie bei afrikanischen, rezenten Dörfern zu beobachten ist, wird diesem Mißverhältnis mit einer notgedrungenen Intensivierung der Produktionsweise geantwortet. Daß eine Umstellung der Produktionsweise ohne Druck von außen stattfindet, ist nach Untersuchungen von Esther Boserup fast ausgeschlossen (Boserup, 1965 nach Barker, 1985, S. 258 ff.). Eine Intensivierung zur Erwirtschaftung höherer Erträge bedeutet in der Regel eine stärkere Differenzierung der Arbeitsteilung und eine Erhöhung des jeweiligen Arbeitsaufwandes, was solange als möglich vermieden wird (Silberfein, 1998, S.48). Gelingt eine solche Umstellung, ist die dörfliche Gemeinschaft sowohl ökonomisch, als auch sozial deutlich stärker belastbar und überlebensfähiger (Herbig, 1988, S.198ff.). Diese so entstandenen sozio-ökonomischen Differenzierungen in größeren Siedlungen wirken sich natürlich auch unmittelbar auf die Bauvorgänge aus. In kleineren Gehöftgemeinschaften und Siedlungen sind alle Familienmitglieder an dem Hausbau beteiligt; je größer die Haushalte und Siedlungen und je komplexer die sozialen Strukturen werden, desto eher übernehmen spezialisierte Handwerker oder von häuslichen Arbeiten freigestellte Haushaltsmitglieder diese Aufgaben. Um ihre Arbeitskraft zu optimieren, wird auch der Arbeitsprozeß selbst

meist geteilt, was für die Lehmarchitektur bedeutet, daß sich die Lehmziegelbauweise in differenzierten Gesellschaften eher durchsetzt als Feuchtlehmtechniken. Im Sudan werden z.B. die Bautätigkeiten in den größeren Siedlungen und in deren ländlichem Umfeld umherziehenden Arbeitern übertragen; in den isolierten, ländlichen Gebieten werden sie hingegen von den Familienmitgliedern selbst und von besonders geschickten Nachbarn ausgeführt (Fiedermutz-Laun, 1990, S.20). Generell muß bei Siedlungsbildungen jedoch unterschieden werden, ob es sich bei den Gemeinschaften um „Zweckbündnisse“ handelt, also um Gemeinschaften, die vor allem aus Gründen der Sicherheit oder umweltbedingten Zwängen, wie z.B. Wasserknappheit, gebildet werden, oder ob die Gemeinschaften durch inhärente soziale Kräfte zusammengehalten werden. Ist in einer Gesellschaft der Haushalt mit der Großfamilie oder der erweiterten Großfamilie die maßgebliche wirtschaftliche, soziale und rituelle Einheit, wird sich dieses kulturelle Schema derart niederschlagen, daß jede Großfamilie innerhalb der Siedlung ihren eigenen, räumlich faßbaren, funktional sich jeweils entsprechenden Raum hat. So würde quasi ein "pseudo-dörfliches" Nebeneinander von einzelnen Gehöftgemeinschaften entstehen. Die Gründe, die zu einer solchen Zusammenballung führen können, sind räumlicher Mangel und Populationsdruck, ökonomischer Vorteil, strategische Notwendigkeit oder Demonstration von Macht und Durchsetzung der eigenen Ansprüche bei der Kolonialisierung neuer Gebiete (Stone, 1998, S.89ff.; FiedermutzLaun, 1990, S.19; Newman, 1998, S.45). Diese Zusammenballungen können sich jedoch jederzeit wieder auflösen, wenn die destabilisierenden Faktoren, denen entgegengewirkt werden sollte, unwirksam geworden sind. Sie entstehen also nur reaktiv und sind keine primär angestrebte Siedlungsform. Auf der anderen Seite stehen soziale Gefüge, in denen die dörfliche Gemeinschaft, die Kommune, zusammengehalten von einer zentralen Autorität realer oder ideeller Natur, die maßgebliche ökonomische und ideelle Einheit bildet. Die Haushaltseinheiten sind von sekundärer Bedeutung und ordnen sich weitgehend dem Wohl der Gemeinschaft unter. Im ländlichen Tibet z.B., werden die Reisfelder, auch wenn sie einzelnen Haushalten gehören, von der gesamten Dorfgemeinschaft bepflanzt. Im Gegenzug muß der Feldbesitzer alle Helfer mit Nahrung versorgen und ist verpflichtet, selbst für derartige Hilfeleistungen zur Verfügung zu stehen. Sowohl die Arbeit, als auch die Subsistenzsicherung wird auf alle Haushalte der Siedlung zum Nutzen aller verteilt. Auch die Entscheidung über den Einsatz von Arbeitskräften außerhalb des Dorfes oder die Planung von Hochzeiten werden von der ganzen Dorfgemeinschaft durchgeführt (Tenberken, persönliche Mitteilung, 2005). Solche reziproken und kommunalen Muster sind weltweit verbreitet. Da solche Siedlungen a priori eine funktionale und ideelle Einheit bilden, werden sie sich nicht nach dem Erfüllen einer spezifischen Aufgabe wieder auflösen. Im Gegensatz zu den Siedlungen aus mehreren Gehöftgemeinschaften sind sie nicht nur Reaktion auf destabilisierende Einflüsse, sondern angestrebter, zu stabilsierender Zustand. Sie lösen sich nicht auf, wenn sich unsi-

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chere Umstände konsolidiert haben, sondern tun es, wenn der zuvor sichere Status Quo instabil wird. In Afrika konnten diese Mechanismen der sozialen Adhäsion vielfach im Zuge der Islamisierung und Christianisierung beobachtet werden. Wenn die rituelle und religiöse Einheit einer Siedlung aufgelöst wurde, begannen die Anhänger der verschiedenen Religionen sich auch räumlich voneinander zu trennen. Die chorologische Siedlungseinheit wurde aufgelöst. Um einen neuen, stabilen Status Quo herzustellen, begannen die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften wiederum eigene, dörfliche Kommunen zu bilden, die solange Bestand hatten, bis sie durch die Einführung neuer Konfessionen erneut instabil wurden. Robert E. Ford beschreibt dieses Verhalten für die Toulfe in der Sahelzone: Nach der Ankunft des Islam wurden die Konvertiten aus dem traditionellen Dorfzusammenhang verdrängt (oder zogen sich aus ihm zurück) und gründeten in unmittelbarer Nähe ein eigenes, wirtschaftlich aber zunächst noch mit der Muttersiedlung zusammenhängendes Dorf. Das gleiche Muster wiederholte sich mit der Ankunft des Katholizismus in den 20er Jahren des 20. Jhds. und kurz danach mit dem Einzug des protestantischen Glaubens (Ford, 1998, S.156, 157). Genauso können politische Auseinandersetzungen oder die Zuwanderung anderer ethnischer Gruppen zu einer Aufspaltung der örtlichen Geschlossenheit einer Siedlung führen (FiedermutzLaun, 1990, S.18). Ein von dem Erscheinungsbild sehr ähnliches, aber völlig anders motiviertes Phänomen beobachtete Linda Jacobs während einer ethnoarchäologischen Untersuchung im Iran. Das Dorf Tell-i-Nun war von einer alten Mauer umgeben, die die natürliche Expansion aufhielt. Zunächst wurden die Innenhöfe teilweise bebaut, dann die Häuser aufgestockt, schließlich eine neue Siedlung außerhalb der Mauer gegründet, die sich vom Erscheinungsbild deutlich von dem alten Dorf unterschied, obwohl es keinerlei Unterschiede in der Bevölkerungszusammensetzung oder in der sozialen Zugehörigkeit zwischen den beiden Siedlungsteilen gab (Jacobs, 1989, S.184ff.). Für die Interpretation eines entsprechend gestalteten archäologischen Befunds muß also sorgfältig abgewogen werden, ob eine solche Siedlung ihre räumliche Einheit verliert, weil die Besiedlungsdichte zu hoch geworden ist, weil die stabilisierende soziale Struktur nicht mehr kohärent ist, die Gemeinschaft also von innen her zerbricht, oder ob ökonomischer oder politischer Druck von Außen weggefallen ist, und inhärenten Autarkiebestrebungen einzelner Haushalte eine Zweckgemeinschaft zerfallen lassen.

Beispiel der "kolonialen Lehmarchitektur" in Afrika deutlich: In Ermangelung gewohnter Baumaterialien übernahmen die europäischen Kolonialmächte das islamische Kastenhaus, welches in Nordafrika bereits seit den islamischen Großreichen verbreitet ist, und führten es in anderen afrikanischen, nicht-islamischen Gebieten ein. Auf diese Weise wurden z.B. am Nigerbogen, einem Kerngebiet afrikanischen Bauens, islamische Bautraditionen eingeführt, ohne daß die Bevölkerung, die sie in ihre angestammte Bauweise integrierte, zum Islam konvertierte. So nutzten die islamische Bevölkerung, die traditionellen afrikanischen Gruppen und die christlichen Kolonialherren das Formenspektrum einer einheitlichen Bautradition trotz äußerst divergenter kultureller Kontexte (Fiedermutz- Laun, 1990, S.18). Ebenfalls häufig treten fremde, aus ihrem Kontext gelöste bautechnische Traditionen als Statussymbole in traditionellen Umfeldern auf, wie z.B. das Wellblech als prestigeträchtiges, aber klimatisch gänzlich ungeeignetes Dachmaterial für die sonst strohgedeckten Hütten der afrikanischen Savanne (Rudofsky, 1993, S.134). Schließlich muß auch berücksichtigt werden, daß gewisse architektonische Merkmale an verschiedenen Orten unabhängig voneinander entwickelt werden können, da sie auf demselben baulichen Prinzip oder anderen analogen, aber nicht homologen Entwicklungen beruhen. Historische und kulturelle Beziehungen müssen zwischen ihnen ebensowenig bestehen, wie zwischen den Iglu-Kuppelbauten der Inuit und den Lehmdomen der Musgum. Diese eigenständige und immer wieder reproduzierbare Formfindung hat J. Schmidt für das Cluster nachgewiesen: „Diese Urform kann auf derselben Grundlage immer wieder entstehen, d.h. unter ähnlichen Bedingungen und Voraussetzungen kommt es in weit entfernten Gebieten völlig unabhängig voneinander zu dem gleichen Ergebnis. Dieser Prozeß vollzieht sich zu allen Zeiten und auch heutzutage noch nach denselben Gesetzen. Die Form, die sich bildet, kann jedesmal 'neu' gefunden werden, ohne daß es dazu einer schon bestehenden Kenntnis der Bauweise bedarf.“ (Schmidt, 1964, S.78). Das Vorhandensein von Clustern, Rundbauten oder Hofhäusern und anderen elementaren Architekturerscheinungen darf also nicht derart interpretiert werden, daß für ein unabhängiges Auftreten die selben kulturellen Systeme, bzw. Kulturkreise, verantwortlich gemacht werden können, sondern nur dahingehend, daß ähnliche kulturelle Bedingungen und Voraussetzungen bestanden haben können, die zu einer identischen, architektonischen Problemlösung geführt haben.

Bevor nun auf die räumlichen und architektonischen Traditionen einzelner Ethnien näher eingegangen werden soll, sei an dieser Stelle noch auf Ausnahmen von der Verknüpfung kultureller Identität und kultureller Raumgestaltung hingewiesen. Zwar ist bereits mehrfach geschildert worden, wie eng kulturelle Systeme mit dem architektonisch geordneten Raum zusammenhängen, dennoch muß berücksichtigt werden, daß auch eine Dissoziation dieser beiden Komplexe stattfinden kann. Daß architektonische Merkmale auch rein formal von einer Kultur auf die andere übergehen können, ohne daß ökonomische oder ideelle Transfers stattfinden, wird am

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III. 3.1. Sozio-Ökonomie und Raum: Fallstudien

gleich mit einer Hausgemeinschaft ist die Einheit, die ich „Feuergemeinschaft“ nennen möchte, also eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam an einem Feuer kocht und ißt. In einigen Fällen wird die Hausgemeinschaft durch solche kleineren Einheiten, üblicherweise nuclear families, untergliedert. Im Iran sind es die erweiterten Familien die auf diese Weise segmentiert werden (Jacobs, 1989, S.180ff.), bei den Irokesen, Algonkin oder Mandan in Nordamerika sind es die Sippen (Morgan, 1881/1965, S.64, 114, 115, 124). In afrikanischen polygamen Gesellschaften hat oft jede Frau ihre eigene Hütte, ihr eigenes Geld und entsprechend ihr eigenes Herdfeuer, auch wenn sie tatsächlich vollständig in die sozio-ökonomische Gemeinschaft des Gehöfts eingebunden ist und für gewöhnlich in der und für die Gemeinschaft gekocht wird, bildet sie gemeinsam mit ihren Kindern eine unabhängige Feuergemeinschaft, als ideelle Kleinstgruppe.

In dem Rahmen nicht-industrieller und hierarchisch wenig differenzierter Gesellschaften ist immer die Identität von Wohngemeinschaft mit der kleinsten ökonomisch kooperierenden Einheit gegeben. Diese sozioökonomischen Einheiten sind in der Regel aus Individuen zusammengesetzt, die so eng miteinander verwandt sind, daß sie einander nicht heiraten dürfen. Bei diesen Gruppen handelt es sich meist um Kernfamilien oder erweiterte Familien (Baer, 1967, S.6; Haagensen, 1982, S.103; Cameron, 1999, S. 53). Die Bindung von Haus und Familie ist oft so stark, daß auch in der Sprache keine Differenzierung stattfindet, Familie und Haus synonym sind, wie z.B. bei den Nyakyusa (Busse, 1995, S.347), den Berbern (Mahdjoubi & Awotona, 1997, S 142, 143), den Creek (Morgan, 1881/1965, S.68), den Bewohnern der Gilan-Ebene (Bromberger, 1989, S.23, 25) und rudimentär auch im europäischen Raum (Heine, 1984, S.19, 20), wie bereits in der Einleitung geschildert wurde. Diese räumlich definierten sozio-ökonomischen Einheiten bilden weltweit die Keimzelle der Gesellschaft und gleichzeitig die kleinste und wichtigste architektonisch faßbare Siedlungseinheit, die Haus- oder Gehöftgemeinschaft, die sowohl isoliert (Haselberger, 1964, S.16 ff), als auch innerhalb von größeren Siedlungen besteht (Jacobs, 1989, S.188). Weitgehend deckungs-

Der Raum in den schlicht organisierten, egalitären Gesellschaften ist in der Regel nicht segmentiert, sondern multifunktional. Es gibt kaum oder keine geschlechtsspezifischen Aufteilungen und in der Regel keine Gebäude, die für besondere Aufgaben dienen (Kent, 1990, S.131) .

Abb. 30 Ringmodell eines Lagers der !Kung (David & Kramer, 2001, S.260)

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Bei den !Kung lebt jede Kernfamilie in einer runden Hütte, in der und um die herum fast alle individuellen Aktivitäten ohne spezifische räumliche Zuordnung stattfinden. Die Hütten bilden einen Kreis um einen zentralen, kleinen Platz, auf dem kollektive Tätigkeiten durchgeführt werden. Eine dritte Zone wird durch einen Ring um das Dorf gebildet, der ebenfalls kollektiv genutzt wird (David & Kramer, 2001, S.259ff). Es findet zwar eine Segmentierung des bewohnten Raumes statt, sie spielt sich aber nicht auf der Ebene separater Haushalte, sondern auf kommunaler, dörflicher Ebene ab und wird vor allem durch sozialen Kontext bestimmt. Die Bereiche, die den einzelnen Familien zugeordnet sind, sind multifunktional und nicht weiter unterteilt. Außer den zum zentralen Platz hin geöffneten Hütten gibt es keine weiteren architektonischen Elemente, die die Grenzen zwischen den verschiedenen Zonen markieren. Analog zu dem nicht-hierarchischen und kollektiven Erscheinungsbild des Dorfes ist die soziale und ökonomische Ordnung aufgebaut. Es wird kollektiv gewirtschaftet und die Gesellschaftsordnung ist weitgehend egalitär. Wiessner wies bereits 1982 darauf hin, daß Wildbeuterlager, die offen angelegt sind, so daß sich die Bewohner gegenseitig beobachten können und keine sichtgeschützte Privatsphäre haben, fast immer mit Gruppen assoziiert sind, die Gütergemeinschaften bilden und denen individueller Status und Besitz weitgehend unbekannt sind (David & Kramer, 2001, S.261).

Dörfern Gemeinschaftshütten errichtet, die für Initiationsriten genutzt wurden. Eine Segmentierung des Raums findet auch hier auf kommunaler Ebene statt, nicht innerhalb der Haushalte (Kent, 1990, S. 130ff.; Hara, 1976, S.259; Savishinsky, 1974, S.4; Chapman, 1982, S.44). Auch die philippinischen Agta kennen weder eine soziale noch eine räumliche Differenzierung. Die multifunktionalen, kollektiven Wirtschaftsbereiche befinden sich ebenfalls außerhalb der Hütten und werden nur während der Regenzeit in das Innere verlegt (Kent, 1990, S.131).

Die Basarwa der Kalahari und die Hadza in Tansania haben eine ganz ähnliche Organisation von Raum und Sozialgefüge. Ihre halboffenen Rundhütten, die in erster Linie zum Schlafen und als Speicher genutzt werden, sind ebenfalls nicht in sich segmentiert und auf einen gemeinsam genutzten Platz hin geöffnet. Die Gesellschaftsordnung ist strikt egalitär und jedes Verhalten, das zu sozialer Ungleichheit führen kann, wird unterdrückt. Es gibt so gut wie keine artikulierten Gesetze, alle Entscheidungen werden vom Kollektiv gefällt und alle Ressourcen werden in der Kommune geteilt (Kent, 1990, S.130ff.; Sanders, 1989, S.107 ff.).

Bei einigen indianischen Stämmen im Süden und Südwesten Nordamerikas kann man eine weiter- entwickelte Differenzierung von Raum und Gesellschaft beobachten. Wie schon bei den oben besprochenen kleinen egalitären Gruppen rangiert das Allgemeinwohl vor dem Wohlergehen des Einzelnen. Die Navajo leben in Lokalgruppen, die aus mehreren matrilokalen, miteinander nah verwandten Kernfamilien bestehen, die sich gemeinsam alle Ressourcen teilen. Wirtschaftliche Entscheidungen werden von der Lokalgruppe und nicht von den Kernfamilien getroffen.

Nicht stratifizierte, egalitäre Gesellschaften mit einer kommunalen Ökonomie, in denen höchstens eine Autorität im Sinne eines „primus inter pares“ möglich ist (Vivelo, 1988, S.73), sind offenbar mit einem offenen, auf ein gemeinsames Zentrum ausgerichteten Siedlungsgefüge multifunktionaler, einräumiger (meist runder) Hütten assoziiert, in denen jeweils Kernfamilien wohnen. Eine weitere Differenzierung des Raumes findet lediglich auf kommunaler Ebene statt und wird fast nie von architektonischen Markern gekennzeichnet. Zudem sind diese Differenzierungen eher sozialer und nicht ökonomischer Natur, da die jeweiligen Bereiche immer multifunktional sind und vor allem dadurch unterschieden werden können, ob sie von der Gemeinschaft oder einer Kernfamilie genutzt werden (David & Kramer, 2001, S.260).

Zwar gibt es persönlichen Besitz, aber alle Arbeiten werden in der Lokalgruppe geteilt und gemeinsam organisiert. Selbst wenn ein Mann außerhalb des Dorfes arbeiten will, muß diese Entscheidung von einem Stammesangehörigen, der von der „leitenden Mutter“ autorisiert worden ist, abgesegnet werden (Franz, 1983, S.127, 128). Auch heutzutage hat die wirtschaftliche Gemeinschaft der Navajo noch eine so große Bedeutung, daß bei allen größeren wirtschaftlichen Unternehmungen Einzelner der Stamm entscheiden muß. Zudem gibt es Einrichtungen wie „Stammeseinkommen“. Wenn z.B. Öl auf dem Boden eines Navajo gefunden wird, geht es in den Besitz des ganzen Stammes über. Sollte er eigennützig handeln, wäre er fortan gesellschaftlich geächtet (Franz, 1983, S.128, 225, 226). Eine Spezialisierung der Arbeit findet nur in Teilbereichen, wie dem Heilen oder Singen statt (Franz, 1983, S.150; Kent,1990, S.132). Zwar gibt es auch Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, sie wird aber sehr flexibel gehandhabt und das sozio-politische Geschlechterverhältnis ist ausgewogen.

Auch die Pygmäen in Zaire leben in einräumigen Rundhütten ohne weitere Segmentierungen. Die Herdstellen, Schauplatz fast aller häuslichen Tätigkeiten, befinden sich vor den Häusern, also im öffentlichen Raum. Es gibt weder Örtlichkeiten mit geschlechts- spezifischer oder ökonomischer Zuordnung, noch Hütten von besonderer sozialer Bedeutung, wie z.B. für Junggesellen oder Witwen. Die Gesellschaft ist egalitär geordnet und einzelne Individuen zeichnen sich höchstens dadurch aus, daß ihr Wort bei den Gemeinschaftsbeschlüssen von größerem Gewicht ist, als das anderer (Turnbull, 1965, S.195; Kent, 1990, S.131). Auf ganz ähnliche Ensembles stößt man bei den weitgehend egalitär organisierten subarktischen Hare- und den feuerländischen Yahgan-Indianern, wobei die ersteren in runden Zelten, die letzteren in spitzkegeligen oder überkuppelten Rundhütten leben. Es gibt keine Gebäude für spezielle Zwecke und keine Bereiche, die nur für einen bestimmten Zweck genutzt werden oder mit einer bestimmten gesellschaftlich-hierarchischen Position assoziiert sind. Lediglich bei den Yahgan wurden in wenigen

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Abb. 31 Hogan und Ramada-Haus der Navajo ( Kent, 1990, S. 134) Die Navajo heutzutage meist in zwei verschiedenen Hausformen: in den traditionellen, runden oder amorphen Hogans während des Winters und den recht- eckigen Ramadas in den Sommermonaten (Kent, 1990, S.132ff). Es gibt lediglich in den Hogans eine konzeptualisierte, aber architektonisch nicht markierte Trennung in geschlechtsspezifische Bereiche, in den Ramadas fehlt eine entsprechende Aufteilung des Raums. Tatsächlich wird diese Teilung auch nur aus religiösen Gründen vorgenommen, denn die Hogans gelten als heilig und als Abbild des Kosmos, sind also seinen Ordnungsprinzipien unterworfen; die Ramadas gelten als profan und eine Aufteilung des Raums wird weder konzeptualisiert noch praktiziert, sie hat also keine Begründung in der ökonomischen Praxis (siehe auch III.3.2.). In manchen Fällen werden Hogans auch nur für rituelle Zwecke errichtet und dienen gar nicht als Wohnhäuser. Tatsächlich stellen die Hogans die ursprünglichen Wohnbauten der Navajo dar, die Ramadas wurden erst später von anderen Stämmen übernommen (Franz, 1983, S.97; Kent, 1990, S.132ff.). Die Siedlungen sind locker gestreut und zwischen den einzelnen Haushalten gibt es so gut wie keine Begrenzungen (Franz, 1983, S.99).

nen und der als kommunikatives Zentrum dient. Die räumliche Nähe korrespondiert mit der Intensität der ökonomischen Beziehungen und der sozialen Nähe. „Tight household clusters tend to be spacially tight, the houses almost touching and oriented to face onto a common plazuela. Loose household clusters are spatially more dispersed, less formally planned, and the separate dwellings may not even be visible to one another. The spacing of dwelling is also used as an expressive symbol, a means of communicating about the nature of ties between households and even of changing those ties. One older man in Aguacate expressed dissatisfaction with his sons by moving and rebuilding his house over 100m away from their cluster,... When his relationship with his sons improved (...) he once again moved his house down the hill to fill in the empty side of their plaza.“ (Wilk, 1984, S.226). Die kommunale Ökonomie der Maya ging ehemals, wie aus Quellen des 19. Jahrhunderts hervorgeht, soweit, daß nicht nur das Land und seine Ressourcen gemeinschaftlicher Besitz war, sondern sogar das Essen für die gesamte Dorfgemeinschaft in einem besonderen Kochhaus zubereitet wurde, von dem die einzelnen Familien sich ihre Rationen abholten (J.L. Stephens, 1840, nach Morgan, 1881/1965, S.75). Bemerkenswert für den Archäologen ist, daß trotz kommunaler Ökonomie und der Verpflichtung, alle Ressourcen mit Stammesgenossen und Gästen zu teilen, bei den Maya (Wilk, 1984, S.221ff.; Flannery,1976, S.42), wie auch bei den Dakota in Wisconsin (Morgan, 1881/1965, S.72-73), eine individuelle Vorratshaltung stattfindet. Treten im Befund also Speichereinrichtungen innerhalb der individuellen Wohnhäuser auf, darf daraus nicht notwendigerweise eine Ökonomie abgeleitet werden, die die Bedeutung des individuellen Haushalts über die Kommune stellt. Die akute räumliche Ordnung erscheint in diesem Fall als ein

Eine ähnliche konzeptualisierte Unterteilung des Innenraums finden wir in den einräumigen Rechteckhäusern der Maya. Der männliche Bereich befindet sich an der Nordwand beim Hausaltar, der weibliche an der Südwand beim Herdfeuer. Mit der räumlichen Trennung geht in diesem Fall auch eine teilweise Trennung geschlechtsspezifischer Tätigkeiten einher (Flannery, 1976, S.42, 43). Auf dörflicher Ebene findet man fast keine architektonischen Markierungen, die die einzelnen Haushalte voneinander abgrenzen. In der Mitte der Dörfer befindet sich ein Platz, zu dem sich die Häuser öff71

deutlich verläßlicheres Kennzeichen sozialer und ökonomischer Beziehungen.

sprechen, aber keine allgemeingültige Befehlsgewalt, und waren selbst auch keineswegs rechtlich privilegiert. Vor allem fungierte materieller Reichtum nicht als repressives Machtinstrument, denn er diente nur dazu, um selbst freigiebig zu sein und dadurch in der Gemeinschaft beliebter zu werden und an Einfluß zu gewinnen. Dadurch waren nicht selten die Häuptlinge ärmer an persönlichem Besitz und schlechter gekleidet als ihre Stammesgenossen (Catlin,1851/1979 Bd.2, S.169ff.).

Die Maricopa-Yuma leben, wie die Navajo, in HolzErde-Konstruktionen mit Kuppelform, die keine innere Segmentierung haben. Bei ihnen fehlt zudem eine konzeptualisierte Aufteilung wie bei den Navajo oder Maya. An ihre Häuser sind allerdings regelmäßig Schuppen und Unterstände als Speicher angefügt. Obwohl es bei den Maricopa-Yuma Häuptlinge gibt, die sich ihren Status durch Leistungen erworben haben, bestehen keine Unterschiede zwischen den Wohnhäusern der Häuptlinge und denen der gewöhnlichen Maricopa-Yuma. Es gibt lediglich Versammlungshäuser, die den Wohnhäusern, abgesehen von der Größe, gleichen (Kent, 1990, S.133ff.). Bei den Copper-Inuit finden wir eine fast identische Raum- und Gesellschaftsorganisation vor. Zwar gibt es keine formalen Häuptlinge, denn die Gesellschaft wird als egalitär konzeptualisiert, aber die Schamanen und Umialik (Führer bei der Waljagd) genießen ein höheres Ansehen und sind meist geringfügig wohlhabender als die übrige Gemeinschaft. Sowohl die Winter- wie die Sommerbehausungen (Iglus und Zelte) sind rund und multifunktional, und in der Mitte des Winterdorfes befindet sich ein freistehendes Zeremonieund Tanzhaus, das größer ist als die üblichen Wohngebäude (Kent, 1990, S.132, 135).

Bei den Kalasch, einer nicht muslimischen Minderheit im Chitral/Hindukusch, gilt, wie bei den nord- amerikanischen Indianern, das Prinzip der Reziprozität. Es gibt in einem gewißen Rahmen zwar Abstufungen zwischen reich und arm, die Wohlhabenden sind aber sozial und religiös dazu verpflichtet, den Armen zu helfen; nur so können sie sich die Unsterblichkeit nach dem Tode sichern. Die Kalasch errichten ebenfalls im Zentrum ihrer Terrassendörfer Tanzhäuser, die für die zahlreichen kommunalen Zeremonien genutzt werden. Es befinden sich zudem am Rande jedes Dorfes abseits gelegene „Absonderungshäuser“ für menstruierende Frauen. Neben diesen kommunalen Bauten werden auch die aufwendigen Bewässerungssysteme von der Dorfgemeinschaft gemeinsam errichtet und gewartet. Die massiven fensterlosen Wohnhäuser sind meist einräumig, aber dennoch in einzelne Aktivitätszonen unterteilt, die sich um das zentrale Feuer gruppieren. Zwar bieten die völlig geschlossenen Häuser eine deutlich markierte Privatsphäre, diese dient aber nicht der Abschottung der Frauen von der Öffentlichkeit wie bei der übrigen, muslimischen Bevölkerung des Chitral. Die Frauen können offenbar weitgehend über ihre Person selbst entscheiden. Die Schutzgottheit des Hauses und der Familie, Jestak, ist weiblich. Dieser Bereich ist also keiner männlichen Kontrollinstanz unterworfen. Die Dächer der Wohnhäuser sind begehbar und dienen, verbunden durch zugerichtete Zedernstämme, als Wegesystem; die Häuser werden dadurch in Teilbereichen zu öffentlichem Raum. (Baer, 1967, S.7; Mohm, 1998, www.iwz.de; Sloan, 2004, www.ishipress.com).

Die Anfänge einer stärkeren räumlichen und gesellschaftlichen Differenzierung kann man bei den PomoIndianern beobachten. Innerhalb ihrer Dörfer gibt es mehrere Häuptlinge, die jeweils einer Lineage vorstehen, sowie einen Oberhäuptling, der die kommunalen Entscheidungen trifft. Hier treten auch erstmals ökonomische Unterschiede zutage. Männer, die durch ihre Eigenschaft als Häuptling oder durch besonderes Jagdund Spielglück wohlhabender geworden sind, wohnen mit ihren Familien in Häusern, die sich in ihrer Ausführung von den anderen leicht unterscheiden und oft zusätzlich über ein angebautes Wirtschaftsgebäude verfügen. Tatsächlich sind alle Wohngebäude aber multifunktional. Die einzigen monofunktionalen Räume sind wiederum die größeren Tanzhäuser, die kommunalen Zwecken dienen und dem Oberhäuptling unterstehen (Kent, 1990, S.132,135). Eine ähnliche soziale Ordnung haben die Creek in Georgia. Die Kernfamilien einer Abstammungslinie wohnen in kleinen Blockhäusern, die jeweils ein Cluster bilden. Mehrere dieser Cluster bilden ein Dorf. Die Familien der einzelnen Cluster bilden eine ökonomische Gemeinschaft, also arbeiten, speichern und essen gemeinsam. Leider wurde in der Quelle von 1790, die Morgan zitierte, nicht erwähnt, in welchem Verhältnis die Gruppen der Dorfgemeinschaft zueinander standen, doch es kann auch in diesem Fall mit einer starken Bindung an die Siedlungsgemeinschaft gerechnet werden (Morgan, 1881/1965, S.68ff.). G.Catlin verallgemeinert für die zahlreichen Stämme, die er während seiner achtjährigen Reise durch Indianerland besuchte, die hierarchischen Strukturen folgendermaßen: Aller Einfluß, den die Häuptlinge ausüben konnten, war ausschließlich begründet in ihrem Ansehen, das sie sich durch ehrenhafte Taten und Tapferkeit erwerben konnten. Sie hatten zwar Gewalt Recht zu

Gemeinschaftsbesitz wie bei den Maya oder Navajo ist auch bei den Nyakyusa in Tansania üblich. Landbesitz und Sippe sind miteinander identisch und werden auf die Ahnen zurückgeführt. Denn in dem Realitätsverständnis der Nyakyusa sind die Toten genauso präsent und mit Rechten versehen wie die Lebenden. Die verwandtschaftliche Zugehörigkeit der einzelnen Mitglieder der Sippe besteht zwar oft nur fiktiv oder linguistisch, sie ist dennoch absolut bindend (Busse, 1995, S.340-342, 347, 351). Zwar gibt es auch Individualrechte, diese dürfen aber nur genutzt werden, wenn sie nicht den Interessen der Sippe zuwider laufen. Fast alle Konflikte werden dementsprechend auch nicht von den bestehenden Institutionen, wie Häuptlingen oder Schamanen geregelt, sondern von der ganzen Dorfgemeinschaft (ebd. S.351, 354). Die Siedlungen der Nyakyusa sind entsprechend offene Streusiedlungen ohne markierte Grenzen zwischen den einzelnen Haushalten (ebd. S.36). Die ursprüngliche Hausform ist das einräumige Rundhaus mit Mittelpfosten, wobei jede Frau ihr eigenes Haus hat. Vornehmere Familien bewohnen in neuerer Zeit die prestigeträchtigeren rechteckigen Häuser (ebd.S.36). Die

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Innenräume sind nur symbolisch, aber nicht archi- tektonisch signifikant in einzelne Bereiche unterteilt und die Herdfeuer bilden, wenn auch nicht den geo- metrischen, so doch den sozialen und rituellen Mittelpunkt (siehe auch III.3.2.) (ebd. S.40-45). Eine Besonderheit ihrer Gesellschaftsordnung ist die Unterteilung der Sippen in Altersklassen. In manchen Fällen werden sogar verschiedene Dörfer nebeneinander angelegt, die jeweils eine Altersklasse beherbergen (ebd. S.340, 341). In diesen Age-Set-Villages wird ebenfalls kooperativ gewirtschaftet (CESA, Internet). Andere Ethnien, wie die westafrikanischen Fang, deren Gesellschaft ebenfalls in Altersklassen unterteilt ist, haben große, rechteckige Versammlungshäuser für die einzelnen Gruppen innerhalb ihrer Dörfer (Kent, 1990, S.135, 136).

nicht zum Christentum konvertiert, genießen große sexuelle Freiheit (de Beauclair, 1954, S.49; Stübel, 1954, S.43). Die in China lebenden Hmong unterteilen sich in mehrere Untergruppen, deren Wohnhäuser verschiedene Erscheinungsbilder haben (manche ebenerdig, manche auf Pfählen), aber denen allen mehrere Aspekte gemein sind: sie haben alle einen Hauptraum, in dessen Mitte sich ein Feuer befindet, das den sozialen Fokus des Familienlebens darstellt (de Beauclair, 1954, S.53; Stübel, 1954, S.18). Meist dient dieser Raum als multifunktionaler Wohn- und Schlafraum und bildet mit lediglich einem weiteren Raum, der als Stall genutzt wird, das Haus. In den Häusern wohlhabenderer Familien werden dem Hauptraum noch bis zu drei Nebenräume angefügt, die als Lager- und Schlafräume genutzt werden. Zu einem Haus gehören üblicherweise noch weitere Wirtschaftsgebäude wie ein Schweinestall und ein Vorratsspeicher (Stübel, 1954, S.17, 42; Mickey, 1947, S.21; de Beauclair, 1960, S.143). Die Hmong im Südosten der Provinz Kweichow, die in Pfahlbauten bis zu 3 m über dem Erdboden wohnen, nutzen den Raum unterhalb der Häuser, um das Vieh zu halten. Die Getreidespeicher befinden sich hingegen alle am Rande der Siedlung aufgereiht und nicht in privat kontrollierten Bereichen (de Beauclair, 1960, S.143, 144). Zwar gibt es unter den Hmong ein leichtes Gefälle von arm zu reich, was sich auch in der Größe der Häuser äußert, aber schließlich sind die Unterschiede geringfügig und erlauben allen Bewohner einer Siedlung einen nahezu gleichen Lebensstandard (Stübel,1954, S.18, 30). Die Häuser untereinander sind durch keinerlei Mauern oder Zäune getrennt und sind meist, auch wenn sie z.T. sehr großzügig gestreut stehen, in Gruppen gebaut, die in der Regel verwandtschaftliche Nähe repräsentieren. Zahlreiche Arbeiten werden auf den so entstandenen Freiflächen gemeinsam mit Verwandten und Nachbarn erledigt und die Fundamente ehemaliger Häuser dienen oft als gemeinschaftliche Dreschplätze (Mickey, 1947, S.29, 43).

Bei den Hmong Süd-Chinas spielt die Familie eine etwas größere Rolle als bei den oben beschriebenen Ethnien (Mickey, 1947, S.43). Sie besitzt ihr eigenes Ackerland und eigene Gärten, die in der Regel nur geringfügig mehr abwerfen, als für die Selbstversorgung nötig ist (ebd. S.23, 29). Innerhalb der Hausgemeinschaft, die aus einer Kernfamilie und einzelnen nahen Anverwandten besteht, gibt es keinen ausgeprägten Privatbesitz; alles wird gemeinschaftlich geteilt (ebd. S.18). Auf kommunaler Ebene ist es üblich, größere Arbeiten wie den Hausbau oder die Feldarbeit in Gruppen zu besorgen, die auch über familiäre Zusammenhänge hinaus gebildet werden können, denn die Dorfgemeinschaft wird trotz privaten Familienbesitzes als ökonomische Einheit konzeptualisiert. Diese gemeinschaftlichen Arbeiten werden als sehr angenehme soziale Ereignisse empfunden und werden immer mit einem großen Gastmahl bei dem Haus- oder Feldbesitzer abgeschlossen (ebd. S.30-35, 43; de Beauclair, 1954, S.53). Berufliche und handwerkliche Spezialisierungen sind nur sehr selten anzutreffen (Mickey, 1947, S.43). Die Priester und Schamanen, von denen es meist mehrere in jedem Dorf gibt, sind ebenfalls gewöhnliche Bauern und in die Abläufe der dörflichen Ökonomie eingebunden (ebd. S.45). Zwar gibt es geschlechtsspezifische Arbeiten, die landwirtschaftliche Arbeit aber, die einen Großteil der wirtschaftlichen Anstrengungen ausmacht, wird von Frauen und Männern weitgehend gemeinsam ausgeführt, wobei die Frauen jedoch oft den größeren Teil der Arbeit leisten (Mickey, 1947, S.23 ff; Stübel, 1954, S.19). Den einzelnen Familiengruppen, zu denen mehrere benachbarte Haushalte gehören, steht ein Familien- ältester vor. Alle rechtlichen Fragen, die nicht innerhalb der Familien geregelt werden können, werden entweder von einem Rat der Ältesten geklärt oder von einem Dorfvorsteher, der jedes Jahr neu von den Ältesten gewählt wird. Neben dem Ältestenrat gibt es keinerlei weitere politischen, sozialen oder ökonomischen Institutionen (Mickey, 1947, S.44, 45; Stübel, 1954, S.41). Zwar sind die Männer sozio-politisch höher- gestellt, tatsächlich aber haben die Frauen, eine weitaus größere Autorität in der Familie, als z.B. bei der benachbarten chinesischen Bevölkerung üblich. Auch ist ihre Sexualität gesellschaftlich kaum kontrolliert und gerade Jugendliche, sofern

In Südost-Kweichow sind in Hmong-Siedlungen auch zwei Arten von Gemeinschaftsgebäuden bekannt. Trommeltürme werden von der ganzen Siedlungs- gemeinschaft gebaut und unterhalten. Sie dienen als Wachturm und mit der in ihrer Spitze befindlichen Trommel wird die Dorfgemeinschaft zur Versammlung gerufen oder bei Bedrohung gewarnt. Das Erdgeschoß der Türme dient außerdem als Treffpunkt zum gemeinsamen Gesang oder um Feste zu feiern (de Beauclair, 1960, S.173ff.). Eine weitere Gemeinschaftseinrichtung, die heutzutage jedoch in dieser Form nicht mehr existiert, war das meist etwas abgelegene Jugendhaus, das Ma-Lang, in dem sich die Jugendlichen ohne Aufsicht der Erwachsenen treffen konnten. Heute haben Waldwiesen, deren Betreten Verheirateten verboten ist, diese Funktion übernommen (ebd. S.179 ff.).

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Abb.32 Dorf der Cowrie Shell Miao (Hmong), Yang Chia Sai, West-Kweichow (Mickey, 1947, S.15)

Kennzeichnend für diese Gemeinschaften mit schwach ausgeprägter Hierarchie und einem schwach aus- geprägten Gefälle von reich zu arm, aber mit einer dennoch stark ausgeprägten sozio-ökonomischen Gemeinschaft, sind einerseits kaum, oder nur geringfügig segmentierte, meist einräumige Häuser von nur gering variierender Größe und eine überschaubare Zahl von Gemeinschaftsgebäuden, die kommunalen, oft zeremoniellen Zwecken dienen oder von Altersklassen als Treffpunkt genutzt werden. Eine Differenzierung des Raumes findet genau wie bei den egalitären Gruppen also nicht in den einzelnen Haushalten, sondern vor allem auf kommunaler Ebene statt, wird bei diesen Gruppen jedoch durch gemeinschaftlichen Aufwand architektonisch markiert, im Gegensatz zu den nicht markierten Plätzen der rein egalitären Gemeinschaften. Zudem sind diese Gemeinschaftsräume nicht multifunktional wie die kollektiv genutzten Gemeinschaftsplätze, sondern bestimmten Nutzungen zugedacht. Die Unterteilung des Innenraums der Wohnhäuser hängt oft mit einer räumlichen Ordnung der Geschlechter zusammen und ist nicht grundsätzlich durch eine Teilung

von Arbeitsprozessen, also einer Ausdifferenzierung von activity areas bedingt. Wenn eine solche Teilung vorgenommen wird, gibt es so gut wie keine architektonisch signifikanten Marker, sondern eher symbolische Kennzeichnungen und ideelle, nicht markierte Zuordnungen. Eine andere Siedlungsvariante stark kommunal geprägter Gruppen mit wenig ausgeprägter Hierarchie sind die Gemeinschaftshäuser, also ausgesprochen große Häuser mit kaum segmentierten Innenräumen, die entweder die gesamte Dorfgemeinschaft, oder große familiäre Gruppen der Dorfgemeinschaft unter einem Dach beherbergen. Besonders Henry Lewis Morgan beschrieb eine Vielzahl von Beispielen dieser Wohnform in seiner Arbeit „Housing and Houselife of the American Aborigines“ (1881/1965).

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Abb.33 Gemeinschaftshaus der Mandan Indianer (Morgan, 1881/1965, S.135)

Die Indianer der Aleuten lebten in eingetieften ovalen Jurten mit Ausmaßen von ca. 20 x 30 m bis zu 40 x 80 m, die nur durch Eingangsluken in der Decke zu betreten waren und von bis zu 100 Menschen bewohnt waren (Morgan, 1881/1965, S.71). Ähnlich, bloß weniger groß und von rundem Grundriß waren die überkuppelten Erdhäuser der Lolsel in Kalifornien gestaltet. In ihnen wohnten bis zu drei miteinander verwandte Kernfamilien, die in ihren Entscheidungen dem Stamm untergeordnet waren (ebd., S.106, 110).

von Arbeitskraft zu sichern, was auch dazu führte, das Häuptlingshäuser und Haushalte in der Regel größer waren, als die der gewöhnlichen Dörfler. Zu einer individuellen Anhäufung von Reichtum konnte es jedoch nicht kommen, weil die Häuptlinge dazu verpflichtet waren, offene Tafel zu halten und ihre Anverwandten zu verköstigen - eine Sitte, die zu einer ökonomischen Nivellierung führte, in manchen Fällen sogar dazu, daß die Häuptlinge zwar großen Einfluß hatten, aber über noch weniger privaten Besitz verfügten als ihre Mitmenschen. Auch besaßen sie keine institutionelle Macht über die Angehörigen ihrer Lineage und junge Krieger konnten ihrem Häuptling jederzeit die Folgschaft verweigern, ohne daß ihr öffentliches Ansehen litt (Catlin, 1851/1979 Bd.1, S.108ff; 1851/1979b, S.169ff). Männer und Frauen haben in der Mandangesellschaft unterschiedlichen Status, ent- sprechend gibt es auch eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und es wird sogar getrennt voneinander gegessen. Einen architektonisch signifikanten Nieder- schlag dieser sozio-ökonomischen Differenzierung gibt es jedoch auf keiner Ebene (Catlin1851/1979, Bd.1, S.108, 111, 113). Die Mandanhäuser gruppierten sich in runden Haufendörfern um einen zentralen Platz von bis zu 50 m Durchmesser für Zeremonien, Spiele und Tänze. In der Mitte dieses Platzes stand das symbolische „Große Kanu“, mit dem der “erste Mensch”, der mythische Vorfahre der Mandan, eine Sintflut überlebte (siehe auch III.3.2.), und am Rande der Plätze befanden sich die Medizinhäuser, die nur für die jährlichen Initiationsriten geöffnet und benutzt wurden (Catlin, 1851/1979, Bd.1, S.81). Die Dörfer waren von Palisaden umgeben, zwischen den dicht an dicht stehenden Häusern hingegen gab es keine weiteren Abgrenzungen (Morgan, 1881/ 1965, S.136) .

Die leicht eingetieften Erdhäuser der Mandan mit ihren bis zu 20 m Durchmessern boten Platz für fünf bis sechs Familien, also insgesamt 30 bis 40 Bewohnern. Die Größe der Häuser richtete sich nach der Größe der Familiengruppe und nach Ansehen ihres Ältesten (Catlin, 1851/1979 Bd.1, S.75; Morgan 1881/1965, S.134, 136). Die Kernfamilien waren voneinander höchstens durch aufgehängte Tücher oder Felle getrennt. In der Mitte eines jeden Hauses befand sich ein gemeinsam genutztes Feuer, Schauplatz der meisten innerhäuslichen Interaktionen, auf dem halben Radius ein Mörser, der von der ganzen, gemeinsam wirtschaftenden Hausgemeinschaft genutzt wurde (Morgan, 1881/1965, S.135). Als Speicherraum und Aufenthaltsbereich wurden die Dächer der Häuser genutzt (Catlin, 1851/1979 Bd.1, S.76). Hierbei ist anzumerken, daß zwar jede Familie ihr eigenes Dach nutzte, dieser Bereich aber durch die konische Form der Fläche dem öffentlichen Raum zugeneigt war und von den Pfaden zwischen den Häusern vollständig einsichtig war. Das gesamte Dorf war in Patrilineages unterteilt, die jeweils ihren eigenen Häuptling und oft auch Medizinmann hatten. Das Häuptlingstum war also erblich, wurde aber nur bei charakterlicher Eignung übertragen (Catlin, 1851/1979 Bd.1, S.76, 81, 84). Den individuellen Status versuchten die Häuptlinge mit einer besonders hohen Zahl von Ehefrauen und damit auch einer Akkumulation

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Die Bewohner eines jeden Langhauses waren miteinander über die mütterlichen Abstammungslinien verwandt und die kommunalistische Ökonomie beschränkte sich auf die einzelnen Häuser. Trotz der architektonischen Trennung der einzelnen Kernfamilien voneinander gab es keine individuelle Vorratshaltung sondern Speicher für die gesamte Hausgemeinschaft. (Morgan 1881/ 1965, S.64, 65, 124-127; Warrick, 1996, S.11). Es ist allerdings recht wahrscheinlich, daß die Praxis des Teilens in einem gewissen Maß durch die architektonische Trennung der Familien behindert wurde und innerhalb einer Feuergemeinschaft mehr Austausch stattgefunden hat, als zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Feuergemeinschaften. Abb. 34 Mandan Dorf gezeichnet von G.Catlin (www.kodie.demon.co.uk/mandan2.htm) Die Häuser der Chemihuevi-Schoschonen waren weitgehend vom gleichen, halb eingetieften, runden Typ, hatten allerdings keine kegeligen, sondern flache Dächer. Auch in ihnen gab es keinerlei Unterteilung des Innenraums. Über ihre Gesellschaftsstruktur ist bekannt, daß sie zwar den vererblichen Status des Häuptlings kannten, zusätzlich Kriegshäuptlinge und Schamanen eine hervorgehobene Position als Spezialisten besaßen, es aber dennoch weder unterschiedliche soziale Klassen, noch ein Gefälle zwischen Arm und Reich gab (Miller & Miller, 1967, S.9; Kent, 1990, S. 132-135). In Venezuela stieß Herrera, der eine der ersten Expeditionen ins Landesinnere leitete, auf weitaus größere, glockenförmige Häuser, die bis zu 160 Personen Platz boten. Innerhalb der Hausgemeinschaften wurde wiederum ein Kommunalismus praktiziert, der sich, in den Augen der katholischen Pioniere, bis auf die Ebene der sozio-sexuellen Beziehungen erstreckte (Morgan, 1881/ 1965, S.77).

Abb. 36 Chopunish-Langhaus aus 7 Segmenten von je 10m Seitenlänge (Morgan,1881/1965, S.114) In den Langhäusern der Chopunish-Indianer Columbias ist der Innenraum noch stärker unterteilt. Tatsächlich handelt es sich um eine ganze Reihe von Häusern mit einer Fläche von jeweils 10 x 10 m, die in gemeinsamer Flucht gebaut, von einem gemeinsamen Durchgang entlang der Längsachse durchbrochen und mit einem einzigen Dach bedeckt sind. Auch hier war der gesamte Haushalt eine ökonomische Einheit, aber er war in mehrere Untergruppen unterteilt, in denen die gemeinschaftliche Ökonomie akut praktiziert wurde (Morgan, 1881/ 1965, S.114ff.). Die Algonkin-Indianer in Virginia lebten, wie die Aufzeichnungen von Sir Richard Grenville aus dem Jahr 1585 belegen, ähnlich wie die Irokesen in großen Gemeinschaftshäusern, von denen mehrere in palisadengeschützen Dörfern zusammengefaßt waren. Wie in den Mandan-Siedlungen bildete ein gemeinschaftlich genutzter Platz das Zentrum der Siedlung und es gab keine Abgrenzungen der Häuser untereinander (siehe Abb.37). Ein besonderes Merkmal der Algonkin-Siedlung Pomeiock, die ein Zeichner Grenvilles dokumentierte, ist das mit A bezeichnete Zeremonialhaus, das im Gegensatz zu den Wohnhäusern einen polygonalen Grundriss aufweist, der nicht entlang einer Längsachse verläuft, sondern um einen Mittelpunkt konstruiert ist. Das mit B bezeichnete Haus ist das Gemeinschaftshaus, das der Dorfhäuptling mit seiner Hausgemeinschaft bewohnte (Morgan,1881/ 1965, S.119ff.). Die Größenunterschiede zwischen einzelnen indianischen Gemeinschaftshäusern innerhalb eines Dorfes hängen oft nicht mit einem sozio-ökonomischen Ungleichgewicht zusammen, sondern mit dem Umstand, daß der Dorfhäuptling in seinem Haus Gäste empfangen und es für Zeremonien bereitstellen muß (Warrick, 1996, S.16ff.).

Eine andere Form der Gemeinschaftshäuser wurde von den Irokesen und den Indianern Columbias bewohnt. Es handelte sich dabei um lang gestreckte Rechteckhäuser mit einer Länge von ca. 30 m Länge, in einigen Ausnahmefällen sogar bis zu 70 m. Die Innenräume dieser Häuser waren in einzelne Abschnitte mit einer Breite von 2-3 m unterteilt, die sich zum zentralen Korridor hin öffneten. Jeder Abschnitt, der durch Bänke oder leichte Wände markiert war, wurde von einer Kernfamilie bewohnt, und jeweils 4 Familien teilten sich eine Feuerstelle in der Mitte des Korridors (Morgan 1881/1965, S.64, 65). Andere Quellen geben 2 Familien als Feuergemeinschaft an, die im Schnitt aus jeweils 5, also zusammen aus 10 Personen bestand (Warrick, 1996, S.11ff.).

Abb.35 Langhaus (ca. 30m) der Seneca-Irokesen Die Punkte bezeichnen Feuerstellen (Morgan 1881/1965, S.126) 76

gibt keinerlei institutionelle Hierarchie, es wird weitgehend gemeinsam gewirtschaftet und entschieden. Zwar gibt es wohlhabendere und ärmere Familien, diese Unterschiede sind jedoch geringfügig und werden von der Hausgemeinschaft kompensiert (Aschmann, 2004; Kent, 1990, S.133, 135). Große, nicht segmentierte Häuser oder homogen strukturierte Anlagen sind offenbar in den meisten Fällen mit folgenden sozio-ökonomischen Gegebenheiten assoziiert: Die Hausgemeinschaften bestehen aus mehreren, miteinander verwandten Kernfamilien, die eine kommunalistische, ökonomische Einheit bilden. Die Hierarchie in diesen Gemeinschaften ist nur schwach ausgeprägt, es gibt weder Klassen noch erblichen Status. Eine Spezialisierung findet nur in Teilbereichen wie z.B. in rituellen oder militärischen Angelegenheiten statt. Sind die Hausgemeinschaften weitergehend aufgeteilt, so geschieht das entweder auf der Ebene von Geschlechtern, was durch eine dualistische Kennzeichnung des Raums ausgedrückt werden kann, oder in Form einer Aufteilung der Gemeinschaft in Untergruppen, die aus Kernfamilien oder Feuergemeinschaften bestehen, die durch mehrere Feuerstellen innerhalb des Hauses und/oder homogene Segmentierung des Raums gekennzeichnet werden. Bei einer architektonisch ausgeführten Segmentierung kann man mit dem Auftreten eines leichten ökonomischen Ungleichgewichts zwischen den Familien rechnen. Dennoch bleiben die Familien uneingeschränkt der Gemeinschaft verpflichtet und nicht ihren individuellen Interessen. Der Raum in den Gemeinschaftshäusern ist vorwiegend multifunktional. Eine Trennung in Funktionsbereiche findet ausschließlich auf kommunaler Ebene statt. Die kollektiven monofunktionalen Bereiche werden vor allem für rituelle Zwecke genutzt und werden durch zentrale Lage innerhalb der Siedlung oder durch eine anders geartete architektonische Gestaltung des Raums gekennzeichnet (siehe dazu auch III.3.2.).

Abb.37 Pomeiock, Virginia (Morgan, 1881, S.119) In Amazonien sind Gemeinschaftshäuser eines anderen Typus üblich. In der Regel wohnen die Indios, wie z.B. die Yanoama oder die Jivara, in runden oder ovalen, ringförmigen Gebäuden mit einem offenen Platz in der Mitte. Aller Besitz wird am Rande dieser Strukturen gelagert, die Mitte dient als Feuer-, Tanz und Zeremonialplatz. Zwar haben die Schamanen und Kriegshäuptlinge, die als Teilzeitspezialisten tätig sind, geringfügig mehr Ansehen und Besitz als die übrigen Stammesmitglieder, dennoch bewohnen sie keine architektonisch hervorgehobenen Bereiche und können keinen abgegrenzten Raum für sich privat beanspruchen. Oft wird zwischen männlichen und weiblichen Bereichen unterschieden. Die Jivaro haben sogar verschiedene Eingänge für die Geschlechter, eine architektonisch markierte Segmentierung dieser Bereiche gibt es jedoch nicht (Chagnon, 1968, S.19). Die Tucano-Indios, die sich in den sozialen Grundstrukturen kaum von den Jivaro und Yanoamo unterscheiden, leben in rechteckigen Langhäusern, die lediglich in ein männliches eckiges und ein weibliches rundes Ende unterteilt sind. Alle weiteren Unterteilungen finden ausschließlich unter Berücksichtigung von Alter und Familienstand statt, nicht aber nach persönlichem Besitz oder politischem, individuellem Einfluß (Kent,1990, S.132-135). Die Iban auf Borneo, Kopfjäger wie die südamerikanischen Jivaro, leben ebenfalls mit zahlreichen Kernfamilien, die alle miteinander verwandt sind, in Gemeinschaftshäusern, die bis zu 150 Menschen beherbergen können. Sie bestehen aus einzelnen Appartements, die mit einem einzigen, gemeinsamen Dach abgedeckt sind. Die abgetrennten Einheiten, in denen jeweils eine Familie wohnt, sind durch einen multifunktionalen Balkon und eine Halle miteinander verbunden, die als Versammlungs-, Empfangs- und Zeremonialraum dient. Es

Zur Bestätigung der Kohärenz dieses Ensembles sei das konterkarierende Beispiel der Nootka-Indianer der Nordwestküste genannt. Auch sie leben in Gemeinschaftshäusern, deren Innenraum aber durch massive Holzplanken, Herdstellen verschiedener Größe und individuelle Speichervorrichtungen unterteilt und markiert wird. Zudem werden zur Gewährung privaten Raums, der bei den oben beschriebenen Gemeinschaftshäusern nicht oder kaum vorhanden ist, kleinere Anbauten an die rechteckigen Langhäuser angefügt, die nur berechtigten Familienmitgliedern zugänglich sind. Die einzelnen Abteilungen unterscheiden sich deutlich durch ihre jeweilige Größe und Lage, die dem jeweiligen Status der Kernfamilien entsprechen. Die hierarchisch höchststehenden Familien bewohnen die Ecken des Hauses, der Häuptling immer die hintere rechte Ecke. Alle Familien einer Hausgemeinschaft sind, trotz hierarchischer Unterschiede, eng miteinander verwandt. Dementsprechend befindet sich neben den Feuern der einzelnen Kernfamilien in der Mitte der Langhäuser ein großes, gemeinschaftlich genutztes Feuer. Die Gesellschaft der Nootka ist hierarchisch streng geordnet. Es gibt eine Sklavenklasse, die vor allem aus

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Gefangenen fremder Stämme besteht, dann die gewöhnlichen Stammesmitglieder und schließlich die adlige Oberschicht, deren privilegierter Zugriff auf Ressourcen und rituelles Geheimwissen vererbt wird. Auch innerhalb der Klassen bestehen klare hierarchische Rangfolgen, die auf dem Geburtsrecht basieren. Um die Stammes- und Hausgemeinschaft gegen widerstrebende individuelle Interessen abzusichern, werden regelmäßig Potlach-Zeremonien abgehalten, die der ökonomischen Redistribution und der Bekräftigung der gemeinsamen spirituellen Identität dienen (Drucker, 1951, S.69ff; Kent, 1990, S.139, 141; Coupland & Banning, 1996, S.3; Leland, 2004, Internet). Selbst innerhalb des markanten Wohntyps „einräumiges Gemeinschaftshaus“ geht also eine anders strukturierte Gesellschaftsform mit einem eindeutig anders strukturierten und deutlich architektonisch markierten Innenraum einher. Die Verpflichtung zur Solidarität und die ideelle Einheit der Gemeinschaft bleiben aber bestehen.

tem Wohnen sind hier ins Gegenteil verkehrt; weder eine erhöhte Wohnlage, die Überblick verschafft, noch eine Positionierung, an der man von öffentlichem Verkehr unbehelligt bleibt, scheint den Pueblo-Indianern erstrebenswert. Sobald ein Haushalt zu groß wird, ziehen die Töchter in neue Wohnungen, die möglichst in unmittelbarer Nähe der Wohnungen ihrer Mütter liegen. Eigentlich sollte dieses Verhalten zu einer Bildung von Familienclustern führen, doch zahlreiche Beobachtungen (z.B. Mindeleff, 1891; Titiev, 1944; Cameron, 1999) zeigen, daß das realiter nicht der Fall ist, da nur dort gewohnt und angebaut werden kann, wo Platz ist. Im Pueblo Taos z.B. waren innerhalb von 15 Jahren 35% aller Haushalte umgezogen oder aufgelöst. Die von einer Großfamilie beanspruchten Wohnräume können sich in relativ kurzer Zeit über die gesamte Siedlung verteilen und ein ständiges Über- kreuzen familiären „Territoriums“ ist unausweichlich (Cameron, 1999, S.54ff, 68). Demzufolge wäre eine raumgreifende Markierung eines solchen Anspruchsgebietes kaum praktikabel und findet tatsächlich auch nicht statt.

Pueblo-Indianer, wie die Zuni oder Hopi, die Susan Kent zu ihrer Kategorie 2 zählt, sind, im Gegensatz zu anderen Gruppen dieser Kategorie mit geringfügiger Hierarchie, durch eine leichte Verschiebung der sozio-ökonomischen Bedeutung zugunsten der einzelnen Lineages und Haushalte und eine entsprechende Differenzierung der Siedlungsgemeinschaft in reichere und ärmere Haushalte gekennzeichnet (Morgan, 1881/1965, S.144). Neben einer sozio-politischen Hierarchie, die in erster Linie durch die charakterlichen Eigenschaften der Häuptlinge etabliert wird, gibt es eine größere Zahl von Teilzeitspezialisten, sowohl im handwerklichen wie im religiösen Bereich, die zu einer unregelmäßigen Verteilung der Ressourcen beiträgt (Kent, 1990, S.132 ff.). Diesem Ungleichgewicht wird einerseits durch die Verpflichtung zur Gastfreundschaft entgegengesteuert (ebd.), andererseits gilt immer noch der Stamm als oberste sozio-ökonomische Instanz und Inhaber der Besitzrechte an den Ressourcen. Dem- entsprechend bleiben die Haushalte und Lineages vor allem dem Stamm gegenüber verpflichtet, nicht dem eigenen ökonomischen Vorteil (Cameron, 1999, S.53). Die erweiterten, matrilokalen Familien bewohnen, je nach Wohlstand und Größe des Haushalts, drei bis acht Zimmer. Den größten der Räume nutzen sie als multifunktionalen Wohn- und Empfangsraum (ebd.; Morgan, 1881/1965, S.148ff.; Kent, 1990, S.133; Cameron, 1996, S.84). Die Herde sind oftmals nicht mehr in diesem Hauptraum, sondern in separaten Küchen untergebracht (Morgan, 1881/1965, S.159). Die einzelnen Familienappartments sind durch Wände von- einander getrennt (ebd., S.74, 161), münden aber auf gemeinschaftlich genutzte Terrassen, die jeweils von den Hausdächern des darunterliegenden Stockwerks gebildet werden. Die Terrassen sind nicht weiter segmentiert und sind der Schauplatz fast aller wirtschaftlicher und sozialer Aktivitäten (ebd., S.153, 155). Nur die Innen- räume sind also Privatbereich der Familien, bereits der Platz vor den Eingangstüren sowie die Dächer der Wohnräume sind öffentlicher, kommunaler Raum. Interessant bezüglich dieses öffentlichen Raums ist der Umstand, daß die reicheren Familien die unteren, die ärmeren die höheren Stockwerke eines Pueblos bewohnen (Morgan, 1881, S.149). Die europäischen Vorstellungen von privilegier-

Abb.38

Hopi Pueblo (Wienand, 1983, S.10)

Im Zentrum der meisten Pueblos befindet sich ein rechteckiger Platz, der den rituellen und ökonomischen Mittelpunkt der Siedlung bildet (siehe auch III.3.2.); an diesem Platz befinden sich monofunktionale Gebäude, die sowohl rituellen, als auch ökonomischen Zwecken dienen. Besonders zu bemerken ist, daß die mono- funktionalen Wirtschaftsgebäude (gemeint sind damit nicht die Speicher, die am Rand der Siedlungen und unterhalb der Appartements liegen!) nicht einzelnen Haushalten zugeordnet sind, sondern, entsprechend der Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Stammesökonomie, dem öffentlichen Bereich. (Cameron, 1999, S.18-22). Ebenfalls bedeutsam in diesem Zusammen- hang erscheint die einheitliche Gestalt der Pueblos, die fast immer einen geschlossenen Baukörper aufweisen. Morgan ging sogar soweit, sie als große bauliche Einheiten anzusprechen, nicht als Cluster einzelner Häuser. Im Falle mancher „Great Houses“ ist das zutreffend, andere Pueblo haben sich eher zu kontrolliert gewachsenen Straßendörfern entwickelt (siehe Abb.40). Der Grad der Einheitlichkeit des Baukörpers steht offenbar in Zusammenhang mit der Integration des Einzelnen in das Kollektiv und der entsprechenden Notwendigkeit, bauliche Veränderungen mit der gesamten Siedlungsgemeinschaft zu koordinieren (Cameron, 1999, S.31).

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Abb. 39

Salmon Pueblo, New Mexico (Matson, 1996, S.115)

Abb. 40 Pueblo Orayvi / Oraibi (Cameron, 1999, S.40)

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Eine deutlich andere Form der Siedlungsweise stellt das Wohnen in einer Gehöftgemeinschaft dar. Solche Gehöftgemeinschaften können isoliert als Einzelgehöfte bestehen oder im Verbund eine mehr oder weniger feste Dorfgemeinschaft bilden. Im Gegensatz zu den oben behandelten, nur schwach hierarchisierten indianischen Stämmen, deren soziales Organisationssystem vor- wiegend matrilokal und matrifokal ist, wie bei den verschiedenen Pueblo-Indianern, Irokesen und Navajo, sind die Kulturen West-Afrikas, in denen diese Wohnform z.B. üblich ist, vor allem um männliche Abstammungslinien herum gebildet und weisen sowohl eine ausgeprägtere Hierarchisierung bishin zu lokalen Königtümern, als auch eine stärkere Geschlechter- trennung und Zuweisung geschlechtsspezifischer Arbeiten auf (Schildkrout, 1978, S.58; Fiedermutz-Laun, 1990, S.19, 24). Die Dorfgemeinschaften werden meist von den Männern, oft in Form von Verteidigungs- gemeinschaften, zusammengehalten; die Bindung der Frauen untereinander ist weniger eng, da sie meist erst durch die Heirat ins Gehöft oder Dorf kommen und es wieder verlassen, wenn die Ehe aufgelöst wird (Haselberger, 1964, S.26, 32; Fiedermutz-Laun, 1983b, S.141ff.). Die Gehöftgemeinschaften werden ursprünglich von erweiterten Familienverbänden gebildet, die eine auf die Ahnen bezogene religiöse Einheit darstellen, heute zunehmend von einzelnen nuclear families mit wenigen Anverwandten (Fiedermutz-Laun, 1990, S.19). Meist bilden mehrere miteinander verwandte Gehöftgemeinschaften ein Dorfviertel, dem ein separater Häuptling vorstehen kann. Die oberste Instanz in westafrikanischen Dörfern wird in der Regel durch die Verwandtschaftsgruppe des Dorfgründers und ihren derzeitigen Gehöftherren, den sog. „Erdherren“ gebildet (Haselberger, 1964, S.29, 46; Fiedermutz-Laun, 1990, S. 19, 20). Auch wenn sie mit ihrer Autorität z.B. Neuankömmlingen das Bau- und Ackerland zuweisen können, haben diese Erdherren meist keinen Einfluß auf die ökonomische Souveränität der einzelnen Gehöftherren, die vor allem dem Wohl ihrer eigenen Gehöftgemeinschaft verpflichtet sind. (Haselberger, 1964, S.32). Eine derart starke Verpflichtung gegenüber dem Stamm, wie sie bei den indianischen Ethnien auf- tritt, ist selten üblich. Denn das Land steht zwar unter der Aufsicht des „Erdherren“ und kann nicht in Besitz einzelner Familien übergehen oder gar verkauft werden, es werden aber Nutzungsrechte vergeben und der Ertrag, der sich aus Ihnen ergibt, ist privates Eigentum der jeweiligen Gehöftgemeinschaft (Fiedermutz-Laun, 1990, S.20). Die Unabhängigkeit und Gleichrangigkeit der einzelnen Gehöftherren und ihrer Familien wird in den altnigritischen Kulturen Westsudans durch die gleichartige Bauweise und Größe der Gehöftanlagen zum Ausdruck gebracht (Haselberger, 1964, S.21). In Gruppen, in denen noch die ursprünglichen Sippen- gehöfte üblich sind, sind alle Mitglieder einer Gehöft- gemeinschaft zuerst zur Arbeit an dem Gemeinschafts- besitz verpflichtet, erst danach können sich die Kernfamilien der Arbeit auf ihren eigenen Feldern widmen. Neben dem Gemeinschaftsbesitz ist in West- afrika also auch individueller Privatbesitz üblich, in vielen Gehöften bestehen deshalb auch Privatspeicher neben den Gemeinschaftsspeichern (Haselberger, 1964, S.16ff; Fiedermutz-Laun, 1990, S.19). Tatsächlich wirtschaften in besonders fruchtbaren Regionen Kern- fami-

lien z.T. unabhängig von der übrigen Gehöftgemeinschaft (Haselberger, 1964, S.18ff). Trotz Haushaltsökonomie, also einer auf das Wohl der Gehöftgemeinschaft fokussierte Wirtschaftsweise, spielt die Nachbarschaftshilfe eine große Rolle. Beim Bau eines Hauses helfen in der Regel zahlreiche Nachbarn und Anverwandte mit, die von dem Bauherren verköstigt werden und ihn durch ihre Arbeit zu ebensolcher Hilfeleistung für die Zukunft verpflichten (Lauber, 2003, S.74). Im Gegensatz zu Kulturen mit ökonomischer Orientierung auf die Gemeinschaft ist in den westafrikanischen, haushaltsorientierten Kulturen der Raum deutlich markiert. Es sind nicht nur die Gehöfte von der Umgebung deutlich abgegrenzt, sondern auch der Raum innerhalb der Gehöfte ist deutlich gekennzeichnet. Sie bestehen meist aus zahlreichen einräumigen Hütten, wobei üblicherweise auf jeden Erwachsenen eine Hütte kommt, außerdem oft aus zusätzlichen Werkstätten, Speichern, Magazinen, Stallungen und Kulthütten. Die Hütten sind jeweils mit Mauern verbunden oder um einen oder mehrere Höfe gruppiert (Lauber, 2003, S.53, Haselberger, 1964, S.78ff.). Die herausragende Stellung des Hausherren wird dadurch hervorgehoben, daß sein meist größeres Wohnhaus den zentralen Platz des Gehöftes einnimmt oder rechterhand des Eingangs steht, für gewöhnlich aber an einer Position, die es ihm ermöglicht, den Zugang zum Gehöft zu kontrollieren. Bei burgartiger Bauweise steht sein Haus sogar zuweilen auf einer Terrasse, die ihm Überblick verschafft (Haselberger, 1964, S.20ff.; Fiedermutz-Laun, 1990, S.22; Lauber, 2003, S.49).

Abb. 41 Gehöft in Togo, Dorf Gubi (Haselberger, 1964, S.20) Die Tikar-Gehöftherren Kameruns leben in Doppelhäusern, bestehend aus einer einräumigen Wohn- und einer Zeremonialhütte, die durch einen abgeschirmten Hof verbunden sind. Die Wohnsitze der lokalen Könige, der Fon, stellen eine Multiplikation dieser Bauweise dar (siehe Abb. 43) (Lauber, 2003, S.59, 68). Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Oberhäupter der Siedlungseinheiten auch oft rechteckige Häuser anstatt der traditionellen Rundhütten um ihren Status zu demonstrieren (Fiedermutz-Laun, 1990, S.19). Die Frauen haben in der Regel jede ihre eigene Hütte, die Hütte der

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Hauptfrau befindet sich meist in dem hinteren, „privatesten“ Bereich des Gehöfts.

bis zu einem gewissen Grad unabhängig wirtschaftet. Diese kleinen Höfe sind von dem zentralen Platz der Ringgehöfte durch Hütten und Mäuerchen abgetrennt und bei großen Gehöften auch auf der Außenseite durch einen zweiten Gebäudering abgeschirmt (Haselberger, 1964, S.79).

Das exemplarische ghanesische Gehöft von YarNaba (Abb.46) wird von dem Gehöftherren selbst, seinen Frauen, seinen Geschwistern und deren Familien bewohnt. Besonders charakteristisch ist die Lage und Form der Hütten des Gehöftherren und seines nächst jüngeren Bruders, der in der internen Hierarchie auf Platz zwei steht, sowie die Mauern innerhalb der Einfriedungen, die die Sichtachsen versperren - besonders markant: der isolierte Bereich links von YarNabas rechteckiger Hütte, den seine drei Frauen bewohnen, sowie die Hütte für Gäste, die von den anderen beiden Agglomeraten deutlich abgesetzt ist (Schildkrout, 1978, S.58ff).

Abb. 43 Malinkegehöft im Dorf Kobane, Guinea (Haselberger, 1964, S.79) Auf der Abbildung 44 ist das Gehöft eines wohlhabenden Kasena-Wahrsagers zu sehen. Der Eingang in den ersten Hof, auf dem die Speicher des Gehöftherren stehen, ist flankiert von zwei kleinen Ställen. Auf ihm und dem kleinen Hof links davon wird das Vieh über Nacht gehalten. Der Gehöftherr wohnt in dem rechten, vorderen Rechteckhaus, ihm gegenüber in dem 8-förmigen Haus im hinteren Gehöftbereich seine Hauptfrau, rechts auf halber Strecke befindet sich die rechteckige Kulthütte. Seine Söhne wohnen auf den Höfen links des Frauenhauses (Fiedermutz-Laun, 1990, S.24, 25). Söhne oder jüngere Brüder der westafrikanischen Gehöftherren markieren oft ihre Unabhängigkeit damit, daß sie sich eine Hütte mit Zugang von Außen an das Gehöft bauen, um sich der Kontrolle des Gehöftherren zu entziehen (Haselberger, 1964, S.20ff). Neben der architektonischen Kennzeichnung der sozialen Stellung treten in den afrikanischen Gehöften also auch Markierungen des privaten und individuellen Territoriums auf.

Abb. 42 YarNabas Gehöft, Rakai, Ghana (Schildkrout, 1978, S.60)

Die Segmentierung des Raums geht aber nicht nur mit einer zunehmenden Bedeutung der Privatsphäre und des individuellen Besitzes einher, sondern auch mit einer Differenzierung der Wirtschaftsflächen. Innerhalb größerer Gehöfte bestehen, wie anhand der obigen Beispiele schon zu sehen war, Schlafräume, Küchen, Speicher, Kulträume und Ställe nebeneinander. Die Bereiche, in denen Männer und Frauen ihren Arbeiten nachgehen, sind fast immer voneinander getrennt und die Arbeiten sind zudem in Tätigkeiten unterteilt, die im Inneren des Gehöfts oder außerhalb seiner Mauern stattfinden. Die unterschiedlichen Tätigkeiten innerhalb großer Gehöfte sind zudem oft auf verschiedene Höfe verteilt (Fiedermutz-Laun, 1990, S. 24ff.). Außer einer Differenzierung zwischen den Geschlechtern und wirtschaftlichen Einzeltätigkeiten können auch Alterstrennungen ihren architektonischen Niederschlag finden, wie bei den nigerianischen Ibo oder den Kikuyu (Kent, 1990, S.138).

Auch die Frauen der Tikar halten sich in der Regel in den Gehöftbereichen auf, die durch Versperrung der Sichtachsen und die abgesonderte Lage als privat gekennzeichnet sind. Ihre durch Flechtwerk abgeschirmten Höfe befinden sich hinter dem Haus des Gehöftherren, das wiederum der Straße zugewandt ist (Lauber, 2003, S.49). Bei den Kasena sind in wohlhabenden Familien auch sog. Frauenhäuser üblich. Sie bestehen aus zwei ineinander geschobenen Rundhütten und manchmal zusätzlichen Speichern, die sich um einen kleinen Wirtschaftsbereich mit Mahlsteinen und Wasserkrügen gruppieren und durch eine halbhohe Mauer vom Rest des Gehöfts abgetrennt sind (siehe Abb. 44) (FiedermutzLaun, 1990, S.26). Bei den Malinke aus Guinea hat jede Frau hinter ihrer eigenen Wohnhütte einen kleinen Privathof, auf dem sie 81

Abb. 44 Gehöft eines Kasena-Wahrsagers, Zecco, Burkina-Faso (Fiedermutz-Laun, 1990, S.24) Die historischen Dörfer der Dogon in Mali bestehen aus Gemeinschaften, die die Autonomie des Gehöfts transzendiert haben. Die Siedlungen sind aufgrund von Religionskriegen auf Felsrücken innerhalb von Verteidigungsmauern gebaut worden. Heute entstehen vorwiegend gestreute Haufendörfer. Die Bebauung der traditionellen Siedlungen besteht aus eng gedrängten, mehrstöckigen Agglutinaten, die die einzelnen Gehöfteinheiten, sog. Ginna, bilden. Sie liegen an schmalen semi-privaten Gassen, die von verwandten Familien bewohnt werden und auf öffentliche Plätze münden (Lauber, 2003, S.97-101). Die vielräumigen Häuser haben oft sichtgeschützte Innenhöfe, um die sich die Schlaf-, Speicherund Wirtschaftsräume gruppieren. Die einzelnen Wohneinheiten der Dörfer teilen sich Wände und Mauern und sind in der dichten Bebauung der Siedlungen nur schwer als einzelne Gebäude auszumachen. Das soziale und wirtschaftliche Leben spielt sich nicht in den engen und dunklen Häusern und ihren Innenhöfen, sondern auf den semi-privaten Gassen und öffentlichen Plätzen ab. Die Kommunikation mit Nachbarn und Verwandten ist wichtig und erwünscht, um das angestrebte Gemeinschaftsgefühl aufrecht zu erhalten (ebd., S.103ff, 115, 133). Nur in größeren Gehöften auf dem freien Land werden Innenhöfe gebaut, die groß genug sind, um auch als Wirtschaftsflächen genutzt zu werden (ebd. S.116).

Abb. 45 Wohngebäude, westliche Dogon (Lauber, 2003, S.110) Arbeitsteilung findet nicht nur auf der häuslichen Ebene zwischen Mann und Frau statt, sondern auch auf dörflicher. Neben den Ackerbauern und Viehzüchtern gibt es bei den Dogon Spezialisten jeweils für Metall-, Holzund Lederarbeiten, sowie die Griots, die die Musik und die mündlichen Traditionen überliefern. Die Handwerker bewohnen fast immer abgesonderte Viertel am Rand der Siedlungen und bleiben unter sich. Die Dörfer sind sonst in Patrilineages geteilt, die jeweils einem Binekudine, einem schamanistischen Führer unterstehen. Sowohl Ackerland als auch Häuser gehören nicht den einzelnen Hausgemeinschaften, sondern der Lineage (Martin & Lagace, 2003, Internet). Neben den Wohnhäusern hat jede Lineage, also jedes Dorfviertel, ein eigenes Versammlungshaus für Männer, das Toguna, einen Lebe-Schrein, der dem Erdkult dient,

Es gibt bei den Dogon keine ideologischen Vorgaben zur Gestaltung der Häuser, so bauen die westlichen Dogon vorwiegend amorphe, vielräumige Agglutinate aus handgeformten Lehmziegeln, die um Speichertürme gruppiert sind, die östlichen Dogon hingegen, angeregt von anderen Kulturen, rechteckige Häuser mit runden Speicherbauten, errichtet aus gestrichenen Formziegeln (ebd. S.109, 110, 124).

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eine nur Priestern zugängliche Binu-Hütte für Regenzauber und eine Menstruationshütte (Lauber, 2003, S.149, 151). Das Oberhaupt des Dorfes, der Hogon, bewohnt ein besonders großes und geschmücktes Haus am zentralen Platz der Siedlung, die er Zeit seines Lebens nicht verlassen darf; er hat also gegenüber der Dorfgemeinschaft eine äußerst starke Verpflichtung. Die Fassade des Hogon-Hauses ist mit Nischen verziert, die als Wohnstätte aller Ahnengeister verstanden werden (Demott, 1982/Internet; Lauber, 2003, S.145). Auch bei den Bobo, Somba und Bambara ist die besondere Stellung der Sippenältesten, die sowohl zur Pflege des Ahnenkults als auch der Erhaltung der sozialen Stabilität verpflichtet sind, mit einer besonderen architektonischen Ausgestaltung ihrer Gehöfte assoziiert (Haselberger, 1964, S.21). Insgesamt fällt bei den Dogon ins Auge, daß sowohl die Architektur auf häuslicher und dörflicher Ebene, als auch die Gesellschaft mit ihren hierarchischen Altersgruppen, den Toguna, den Tomu-Initiations- gruppen, den Handwerkerkasten, den Awa-Geheim- bünden, den ererbten Klassen reiner und unreiner Menschen mit jeweils verschiedenen rituellen Aufgaben und den verschiedenen Lineages, sehr differenziert ist. Die soziale Differenzierung findet in erster Linie auf ideeller und nicht auf ökonomischer Ebene statt. Das Land gehört dem Zusammenschluß der einzelnen Lineages, die jeweils Nutzungsrechte vergeben, aber nicht den einzelnen Haushalten. Die Verpflichtungen gegenüber der Dorfgemeinschaft ist sehr stark. Zur Nivellierung der Machtverhältnisse und der Ökonomie finden Bulu-Riten statt, die ähnlich wie das indianische Potlach der Redistribution von Gütern dienen. Überdies geht die ganze Dorfgemeinschaft einmal im Jahr zum Fischfang, dessen Ertrag unter allen Beteiligten aufgeteilt wird. Die sonst unan-

fechtbare Autorität des „reinen“ Hogon, die sogar über Leben und Tod verfügen kann, wird einmal im Jahr von der Herrschaft der Awa-Geheimbünde aufgehoben, einem Zusammenschluß „unreiner“ Männer, in dem die sonst üblichen Hierarchien von Lineage und Alter durch völlig neue Ordnungsprinzipien ersetzt werden (Demott, 1982 / Internet; Martin & Lagace, 2003, Internet). Die Häuser der Hogon und Binukedine sind zwar größer als die gewöhnlichen Wohnbauten, aber in einem überschaubaren Rahmen. Die Häuser der Hogon sind etwa doppelt so groß wie die normalen Wohnhäuser (Lauber, 2003, S.145). Die Gesellschaft der Dogon ist zwar weitaus komplexer als die der Tikar, aber sie gründet sich auf ein verzweigtes System religiöser und ritueller Hierarchien, das auf gesellschaftliche Stabilität und Ausgleich ausgerichtet ist und nicht auf ökonomischen Macht- verhältnissen basiert, die den regionalen Tikar-Königen, den Fon, erlau ben in Palästen zu wohnen, die aus mehreren Dutzend z.T. mehrräumigen Hütten bestehen, während die üblichen Tikar-Gehöfte nur eine Doppelhütte und wenige einräumige Frauenhäuser umfassen (siehe Abb. 46) (Lauber, 2003, S.66, 67). Die Gehöfte der Hogon sind hingegen nur etwa doppelt so groß wie die anderer Dogon. Zwar gibt es bei den Tikar ebenfalls Geheimbünde für Männer mit den jeweiligen Versammlungshäusern, die sich durch Größe und Gestalt von den üblichen Wohnhäusern unterscheiden, sonst ist ihre Gesellschaft aber linear von den einzelnen Gehöftherren über die lokalen Häuptlinge bis zu den Fon klar strukturiert. Damit korrespondieren die archi-

Abb. 46 links: Palast des Fon von Foumban, rechts: traditionelles Tikar Gehöft, Ndifon-Bey (Lauber, 2003, S.51, 63)

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tektonischen Zeugnisse, die lediglich aus schlichten Einzelgehöften verschiedener Größe, den Versammlungshäusern und den Palästen bestehen (Lauber, 2003, S.82).

Als Zwischenergebnis lassen sich folgende Punkte für die westafrikanischen Gehöfte und gehöftartigen Wohnkomplexe zusammenfassen:

Als ein weiterer Hinweis für ein weniger ausgeprägtes Gemeinwesen und die größere Bedeutung von persönlichem Reichtum für den gesellschaftlichen Status bei den Tikar mag der Umstand dienen, daß die Fon in ihren Palästen ein ausgeklügeltes System von zahlreichen Fluchtwegen haben, um vor drohenden Attentaten von Rivalen zu flüchten. Solche Sicherheitsmaßnahmen wären in der Dogon-Gesellschaft unnötig, da eine Usurpation der Hogon-Stellung aufgrund der zahlreichen religiösen Vorbedingungen gar nicht möglich wäre. Auf der einen Seite steht also die Herrschaft durch in erster Linie simple ökonomische Macht und eine entsprechend simple und deutliche Hierarchie der Gehöftgrößen, auf der anderen Seite steht die Herrschaft durch religiöse Legitimation und Verpflichtung, die, wie im Falle der Hogon sogar noch die persönliche Bewegungsfreiheit beschneidet. Sie basiert auf einem komplexen gesellschaftlichen Beziehungsgefüge, das sich in einer ebenso komplexen, aber ausgeglichenen Architektur widerspiegelt (Lauber, 2003, S.63).

- Die Gehöftgemeinschaften bestehen vorzugsweise aus patrilinearen Sippen oder erweiterten Familien, die als isolierte Siedlungszellen oder im dörflichen Verbund auftreten können. - Die Ökonomie der Gehöftgemeinschaften hat Vorrang vor der Ökonomie der Siedlungsgemeinschaft. Sie sind dementsprechend bis zu einem gewissen Grade hierarchisch gleichwertig, politisch unabhängig und befinden sich in Konkurrenz miteinander. - Der soziale Status innerhalb eines Gehöfts ist gekennzeichnet durch spezifische architektonische Gestaltung der Wohngebäude der hierarchisch höher gestellten Personen und die Kontrolle des Raumes. In der Regel wird die Zugänglichkeit zum inneren Bereich des Gehöfts kontrolliert und der Einblick durch Sichtachsenbrüche verhindert. Dieser vom Gehöftherren kontrollierte private Bereich ist meist Aufenthaltsort seiner Frau bzw. Frauen. - Sozio-ökonomischer Status wird vor allem durch Polygynie erreicht, also durch die Konzentration weiblicher Arbeitskraft durch Vielweiberei des Gehöftherren (Dazu siehe auch Banning, 1996, S.170; van den Berghe, 1979, S.65ff.; Clignet, 1970). - Die zunehmende Segmentierung der Flächen und des Wohnraums geht einher mit einer Zunahme des privaten Besitzes, der Privatsphäre, einer fortschreitenden Arbeitsteilung, vor allem zwischen Mann und Frau und einer Hierarchisierung auf der Ebene der Gehöftgemeinschaft, z.B. in Form von verschiedenen Altersgruppen. - Die Lage der Wirtschaftsflächen hängt mit der Anbindung der Gehöftgemeinschaft an die Siedlungsgemeinschaft zusammen: je mehr Wirtschaftsflächen in den kollektiven, öffentlichen Bereich der Siedlung verlagert werden, desto größer ist die Identifikation des Einzelnen mit der gesamten Siedlungsgemeinschaft und desto verbindlicher seine sozialen Verpflichtungen ihr gegenüber. - Je mehr kollektive Bauten in einer Siedlung auftreten also Gebäude, die sich in ihrer Gestalt von den Wohngebäuden unterscheiden und die keiner Gehöfteinheit angehören -, desto größer ist die Rolle, die das Gemeinwesen spielt, und desto komplexer ist die sozio-politische und rituelle Struktur der Gemeinschaft. - Je deutlicher der Größenunterschied zwischen den Gehöften, desto ausgeprägter ist das sozio-ökonomische Gefälle, desto mehr ist der gesellschaftliche Status auf ökonomischer Macht begründet und desto geringer ist die Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft.

Als Beispiele für ihre Hypothese, eine zunehmende Hierarchisierung der Gesellschaft und Spezialisierung der Arbeit stehe allgemein mit einer Segmentierung des Raumes in Verbindung, nennt Susan Kent aus dem afrikanischen Zusammenhang noch die Somali, Talensi, Ibo und Kikuyu. Die Somali haben, wie die Tikar, lokale Häuptlinge. Diese bilden einen Rat, dem ein Oberhäuptling vorsteht. Der Status basiert vor allem auf ökonomischer Macht. Leibeigenschaft ist üblich. Zudem gibt es, ähnlich wie bei den Dogon, Vollzeitspezialisten für Leder- und Schmiedearbeiten und die Jagd. Die Wohnhütten der Somali haben, entsprechend der differenzierten Gesellschaftsstruktur, einen mehrfach segmentierten Innenraum und verschiedene beigeordnete Wirtschaftsgebäude. Eine ganz ähnliche sozio-ökonomische Situation findet man bei den Ibo vor, deren Wohnhütten eckig und in Wohn- und Schlafraum, sowie Küche unterteilt sind. In den Gehöften befinden sich außerdem Empfangshütten, Speicher und Kultbauten. Interessant ist wiederum, daß bei den Kikuyu, die kein institutionalisiertes Häuptlingstum, sondern einen Ältestenrat von Big Men haben, und bei denen die Landbesitzer verpflichtet sind, ihre landlosen Stammes- genossen auf ihren Feldern ackern zu lassen, neben der Differenzierung des Raums auf Gehöftebene auch eine Differenzierung des öffentlichen, kollektiven Raums stattfindet und Gemeinschaftsbauten wie z.B. Junggesellenhäuser errichtet werden, die bei den Somali und Ibo fehlen (Kent, 1990, S.137-139, 141).

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Abb. 47 Wohnhäuser jeweils eines reichen (a) und eines armen Kapaku (b), Neu-Guinea (Kent, 1990, S.138) Diese Beobachtungen werden auch durch den Vergleich mit Gehöften aus anderen kulturellen Kontexten bestätigt (siehe Abb. 47). Bei den Kapaku Neu-Guineas gibt es big men und Häuptlinge, die sich ihren Status nicht in erster Linie durch Geburtsrecht sichern, sondern durch ökonomische Macht und angehäuften Reichtum, der sich vor allem durch den Besitz von Schweinen und die Bündelung von Arbeitskraft durch die Anzahl der geheirateten Frauen ergibt. Ökonomischer Ausgleich wird durch regelmäßige, dem indianischen Potlach ähnliche Feste erzielt, zu denen vor allem die big men und Häuptlinge Schweinefleisch für die ganze Siedlungsgemeinschaft bereitstellen müssen. Der individuelle Ehrgeiz wird also durch sozio-ökonomische Verpflichtung im Zaum gehalten. Über die lokalen Häuptlinge regiert wiederum ein regionaler Oberhäuptling, eine ähnliche dreistufige Hierarchie wie bei den Tikar. Neben den verschiedenen Häuptlingen gibt es Priester und Schamanen, die ihre Aufgaben als Vollzeitspezialisten ausführen, und einen gesonderten Status innerhalb der Gesellschaft inne- haben. Desweiteren gibt es zahlreiche Teilzeit- spezialisierungen und eine geschlechtsspezifische Differenzierung der ökonomischen Tätigkeiten, sowie der materiellen Kultur. Die Häuser sind ein wichtiges Instrument, um den persönlichen Reichtum und den damit verbundenen Status zu demonstrieren, sie variieren in ihrer Größe also stark.

konomische Ausdifferenzierung gehe einher mit Segmentierung des Raums. Die Verschränkung von ökonomischer Macht, Hierarchie, ritueller Verpflichtung und Konformität läßt sich auch ausgezeichnet am Beispiel der Nias auf Sumatra beobachten. Allerdings sind die Häuser der Nias nicht mehr als Gehöfte anzusprechen. Sie erlangen ihre soziale und religiöse Bedeutung erst durch ihre Positionierung innerhalb eines Dorfes und stehen niemals für sich allein. Ihre Bedeutung als Repräsentanten der kosmischen Ordnung wird in Kapitel III.3.2. näher erläutert. Die Häuser einer Nias-Siedlung befinden sich alle in einer Flucht entlang einer geraden Straße, die in der Mitte ihren höchsten Punkt hat. Die Adligen wohnen in dem höher gelegenen, zentralen Abschnitt, die Gemeinen an den Ausläufern des Dorfes. Während ihres Lebens müssen alle Nias, um in der sozialen Hierarchie aufzusteigen, zahlreiche Rituale absolvieren. Welche dieser Initiationsriten und Rituale dem Einzelnen gestattet sind, regelt wiederum das Geburtsrecht und die Kaste. Die höchste rituelle Handlung besteht in der Aufgabe des Häuptlings am höchstgelegenen Punkt des Dorfes ein Omo Sebua, ein Großes Haus, zu bauen, das eng in die Kosmologie eingebunden ist und die rituelle und politische Macht des Häuptlings manifestiert. Um ein solches Haus errichten zu können, muß ein Häuptling sehr reich sein, und oft verschlingen die Baukosten und die Verzierung des Hauses fast seinen ganzen Reichtum. Die Bedeutung dieser Häuser geht sogar so weit, daß manche Häuptlinge den Bau anderer Omo Sebua sabotieren, damit ihr Anspruch auf Herrschaft unangefochten und ihr Prestige konkurrenz- los bleibt. Gleich bei dem Häuptlingshaus, meist ihm gegenüber, befindet sich das einzig weitere separat stehende Haus eines Nias-Dorfes, das Versammlungshaus. In diesem Bereich spielen sich alle wichtigen zeremoniellen Vorgänge ab. Alle anderen Häuser sind dicht an dicht gebaut und bilden eine geschlossene Straßenfront, teilen sich

Neben den Wohnhäusern befinden sich in den Siedlungen auch gemeinschaftlich genutzte Tanzhäuser und Häuser für Festmahle, in denen die Schweine gemeinsam geschlachtet, gekocht und gegessen werden (Kent, 1990, S.136ff.; Herbig, 1988, S.256-259, 290 ff.). In ihnen kann man quasi den architektonischen Niederschlag der regulativen Institutionen zur Eindämmung persönlichen Machtstrebens sehen. Das Beispiel der Kapaku bestätigt wiederum auch Kents These, sozio-ö-

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z.T. Wände und haben für den Kriegsfall einen gemeinsamen Fluchtkorridor. Alle Häuser, außer dem Häuptlingshaus, haben die gleiche Anzahl von Säulen zur Straße hin, die Säulenzahl in die Tiefe entspricht dem sozialen Status, die Häuser werden also zum Dorfrand hin immer kürzer (Waterson, 1991, S.98-113).

nicht auffällig dekoriert werden oder größer als die Nachbarhäuser gebaut werden (Charpentier, 1982, S.49). Ähnlich verhält es sich in thailändischen Bauerndörfern (Haagensen, 1982, S.103ff). In beiden Kulturen, soweit ein traditioneller Kontext gegeben ist, werden zahlreiche Arbeiten vom Kollektiv durchgeführt, vor allem die Reisernte wird meist von der gesamten Dorfgemeinschaft koordiniert. Ganz ähnliche soziale Rahmenbedingungen herrschten noch in den 50er Jahren in abhängigen mexikanischen Bauernsiedlungen. Alle Haushalte waren sowohl politisch wie ökonomisch gleichgestellt und diese Gleichstellung wurde durch zahlreiche Nivellierungsmechanismen, wie z.B. regelmäßige Redistribution des Ackerlandes kontrolliert. Ebenso kontrolliert wurde natürlich auch der Hausbau. Wurde zu repräsentativ oder groß gebaut, galt dem Bauherren die Verachtung der Dorfgemeinschaft (Schwartz & Falconer, 1994, S.3). Dieser gesellschaftlichen Verurteilung persönlichen Prestigestrebens begegnen wir auch in der Antike. In der Mitte des 4. Jahrhunderts kritisierte der Athener Demosthenes seine Mitbürger für ihre Prunksucht. In der Vergangenheit hätten die Bürger Athens ihre sittliche Größe und ihren Gemeinschaftssinn dadurch demonstriert, daß sie nur die Bauten, die der Gemeinschaft dienten, prachtvoll ausgestattet hätten, selbst aber in bescheidenen Häusern wohnten, die sich durch nichts von denen ihrer Nachbarn unterschieden. Nun aber würden Egoismus und Ruhmsucht dazu führen, daß auch die Wohnhäuser einzelner den öffentlichen Bauten und Tempeln an Prunk in nichts nachstünden. Interessanterweise fällt diese Kritik Demosthenes in eine Zeit, in der die politische Bindung der Bürger an den Staat zunehmend schwächer wurde, während die wirtschaftliche Unabhängigkeit einzelner weiter zunahm (Martin & Stierlin, 1977/1994, S.178). Auch in der Puebloarchitektur steht der Grad der Einheitlichkeit des Baukörpers, wie schon weiter oben erwähnt, in Zusammenhang mit der Integration des Einzelnen in das Kollektiv und mit der entsprechenden Notwendigkeit, bauliche Veränderungen mit der gesamten Siedlungsgemeinschaft zu koordinieren. Je geschlossener der Baukörper, desto homogener die Gemeinschaft (Cameron, 1999, S.31). Eine vergleichende Untersuchung von Anick Coudart (1992) bei den Ankave und Baruya Neu-Guineas kommt zu einem noch deutlicheren Ergebnis über den Zusammenhang von sozialer Kontrolle und architektonischer Konformität. Die Ankave-Familien bauen für sich selbst ohne vorgegebene Normen; die Häuser werden je nach Bedarf gestaltet. Ebenso unverbindlich wie ihre Architektur ist die gesellschaftliche Ordnung: es gibt keine der auf Neu-Guinea sonst üblichen Männerhäuser und nur wenige, harmlose Initiationsriten. Mit der kaum vorhandenen sozialen Kontrolle geht eine sehr hohe Verbrechensrate einher, sowie eine äußerst niedrige Selbstmordrate. Ein ganz gegenteiliges Bild liefern die Baruya. Der Hausbau wird nicht von den einzelnen Familien, sondern von der ganzen Siedlungsgemeinschaft besorgt und die Häuser sind entsprechend konform und schematisiert. Tatsächlich steigt diese Konformität sogar noch, je weiter die Siedlung an der Peripherie des BaruyaLandes liegt. Es gibt Männerhäuser und zahlreiche, harte

Abb. 48 Großes Haus „Omo Sebua“ eines Nias-Häuptling, Sumatra (travelmarker, Internet) Bei den Nias treten die zwei zentralen Organisationsprinzipien von kulturellem Raum beide sehr ausgeprägt in Erscheinung: die rituelle und die ökonomische Hierarchisierung der Gesellschaft. Die eine führt zu dem starken Schematismus und weist auf eine äußerst feste Anbindung des Individuums an die Gemeinschaft hin, die auch durch das Vorhandensein des zentralen Versammlungshauses unterstrichen wird, die andere äußert sich durch den großen Unterschied des Aufwandes bei der Errichtung der Wohnhäuser, belegt also große Unterschiede bei Zugang und Kontrolle von ökonomischen Ressourcen. Wie bei den Nias ins Auge fällt, gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen sozialer Kontrolle und architektonischer Konformität bzw. Schematismus. Alle Mitglieder der Nias müssen ihre Wohngebäude nach minutiösen Vorschriften bauen, vor allem die Häuptlinge. Dieser Zusammenhang von stark regulativer Gesellschaftsstruktur und Architektur läßt sich auch in anderen kulturellen und sozio-ökonomischen Zusammenhängen beobachten. Gegenseitige Kontrolle der Bautätigkeit findet man z.B. in bäuerlichen Siedlungen, die selbst kaum hierarchisch strukturiert sind, aber in größere ökonomische und politische Gefüge eingebettet sind oder regionalen Zentren untergeordnet sind. So sind zum Beispiel in den ländlichen Siedlungen in Laos nicht nur die Ausrichtung, Lage und der Abstand der Wohnhäuser untereinander festgelegt, die Häuser dürfen außerdem

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Initiationsriten. Das soziale Ergebnis dieser fort- währenden Bindung an die Gemeinschaft besteht zwar einerseits aus einer verschwindend geringen Kriminalitätsrate, andererseits aber aus einer sehr hohen Selbstmordrate (David & Kramer, 2001, S.286; Lemonnier, 2003, Internet). Deutlicher läßt sich der Zusammenhang von sozialer Kontrolle des Kollektivs und Konformität der Architektur kaum illustrieren.

starke Ausdifferenzierung der Arbeit schlägt sich, wie nach Susan Kents These zu erwarten ist, in einer starken Segmentierung des häuslichen Raums und einer strikten Trennung und lokalen Streuung der activity areas nieder (Donley-Reid, 1990, S.119 ff.). Ebenfalls stark von islamischen, insbesondere arabischen Einflüssen geprägt ist die Berberarchitektur Marokkos. Unter den vielfältigen Erscheinungsformen sind die Khasba, eine Form der Wohnburg, und der Ksar, eine befestigte Oasenstadt, die kennzeichnenden Ausprägungen der südmarokkanischen Siedlungen (Striedter, 1990, S.159).

Eine ganz andere Art der Kontrolle des architektonischen Raums fand in der islamischen Swahili-Kultur an der ostafrikanischen Küste des Indischen Ozeans bis zur Abschaffung der Sklaverei statt. Ihre Gesellschaft war unterteilt in die freigeborene Oberschicht Waungwana, vorwiegend Händler teils arabischer Abstammung, die weiblichen Haussklaven Madada, die in den Waungwana-Siedlungen geborenen Sklaven, die Wazalia, dann die Sklaven, die auf den Plantagen der Oberschicht wohnten und arbeiteten, die Watumwa, und schließlich die „barbarischen“ Afrikaner des Hinterlandes ohne arabische Wurzeln, die Washenzi. Die Häuser der Waungwa waren große, aus Korallenkalk gebaute, rechteckige Häuser mit mehreren Stockwerken und Innenhof. Wie in anderen islamischen Kulturen (s.u.) waren die Wohnbereiche von Männern und Frauen getrennt und das Leben der Familie, vor allem das der Frauen, spielte sich in den höheren Stockwerken und im Inneren des Hauses ab. Die Madada und Wazalia lebten in den unteren Stockwerken der Korallenhäuser, oder in den Wazalia-Siedlungen am Rande der Dörfer. Die Wazalia selbst bauten sich rechteckige Schilfhütten, die von großer Bedeutung für ihre Identifikation mit der SwahiliGesellschaft waren, und die Washenzi, die auch in den Augen der Watumwa, der Plantagensklaven als kulturlos galten und sich nach Sonnenuntergang nicht mehr in den Swahili-Dörfern aufhalten durften, wohnten in traditionellen einräumigen und runden Strohhütten. Der soziale Aufstieg war gekoppelt mit einem Wechsel von der runden in die eckige Hütte, von der Hütte in die unteren Stockwerke eines Korallenhauses, und von dort, z.B. durch Heirat, in die oberen Stockwerke.

Die Grundeinheiten der sozialen Organisation der Berber sind patrilineare, erweiterte Familien, von denen sich mehrere verwandte Einheiten zu Familienclans zusammenschließen. Kernfamilien spielen so gut wie keine eigenständige Rolle. Ebenfalls von großer Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt ist die räumliche Nähe. Ähnlich wie bei den oben erwähnten schwarz- afrikanischen Gruppen treten Bezüglichkeiten auf offenkundig fiktive Vorfahren oder Siedlungsgründer auf, selbst wenn sich die Siedlungsgemeinschaften aus verschiedenen Ethnien zusammensetzen (meist Berber, Negroide und Juden). Mehrere benachbarte Siedlungsgemeinschaften schließen sich wiederum zu Föderationen zusammen, von denen mehrere einen Stamm bilden, der als politische Institution aber höchst selten bemüht wird. Die einzelnen Siedlungsgemeinschaften und Föderationen werden jeweils von Ratsversammlungen geführt, die jedes Jahr einen neuen Chef wählen (ebd. S.160). Im alltäglichen gibt es allerdings ein sehr starkes Autonomiebestreben der einzelnen Gruppen. Es besteht eine absolute Abneigung dagegen, irgendwelche Kompetenzen an eine, wie auch immer geartete, übergeordnete Instanz abzutreten. Integration vollzieht sich nur unter Zwängen von außen (ebd. S.161). Dieser Druck von Außen besteht in erster Linie durch das sehr spannungsreiche Nebeneinander von Nomaden und Seßhaften, das in manchen Fällen durch Schutzgeldzahlungen der Bauern an die Nomadenstämme geregelt wird. Die ständige Bedrohung hat dazu geführt, daß die traditionellen Siedlungen alle stark befestigt sind.

Das Bauen mit Korallenkalk war den Sklaven verboten und zudem zu aufwendig. Tatsächlich wurden nach der Abschaffung der Sklaverei auch fast keine Korallenhäuser mehr gebaut, da die Waungwana nicht mehr über genügend Arbeitskräfte verfügen konnten, ein Umstand, der den theoretischen Ansatz der Energetischen Analyse exemplarisch widerspiegelt. Entsprechend der Strukturationstheorie (siehe Abschnitt III.1.) demon-strierten die Korallenhäuser nicht nur dauerhafte ökonomische Macht, sondern halfen auch, diese zu sichern. Sie ermöglichten den Waungwana als Mittelsmänner zwischen den Afrikanern einerseits und den Europäern und Arabern andererseits zu fungieren, da die letzteren nur ungern mit den Eingeborenen selbst verhandelten und die Swahili-Häuser das Bild zuverlässiger und zivilisierter Handelspartner vermittelten.

Im Dadés-Tal bestehen die traditionellen Dörfer aus mehreren mehrstöckigen Innenhofhäusern, die auf eine zentrale Gasse geöffnet sind. In manchen Fällen gab es sogar gemeinsam genutzte Speicherbauten (Striedter, 1990, S.165). Die vom Islam geforderte Fokussierung auf die eigene Familie und die damit verbundene ökonomische Orientierung auf den individuellen Haushalt führte aber zu einer zunehmenden Desintegration der befestigten Weiler (ebd. S.164). Ein sehr gutes Beispiel, um die Auflösung einer Siedlungsgemeinschaft zu illustrieren, ist Ksar Amridil und die darin errichtete Khasba. Der Ksar wurde als traditioneller Weiler aus acht gleichberechtigten, gegenüberliegenden Hauseinheiten im 17. Jhd. gegründet. Im Laufe der Zeit kamen einzelne Familien zu deutlich mehr Wohlstand kamen als andere, und bauten sich zunächst innerhalb der Weiler geräumigere Wohnburgen, die jedoch auf eigene Eingänge verzichteten und sozial noch

Das starre Kastensystem entspricht der klaren Trennung architektonischer Typen, die architektonische Markierung der Zugehörigkeit wird wiederum von den Waungwa und den Watumwa selbst überwacht, und die Komplexität der gesellschaftlichen Hierarchie, sowie die

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in den Weiler integriert waren. Diese Autonomiebestrebungen nahmen mehr und mehr zu, Familien bauten ihre Khasbas auch isoliert stehend und der Weiler verfielen zusehends. Die Auflösung der Gemeinschaftssiedlungen und der Aufstieg der Wohnburgen fand vor allem in Regionen statt, die mehr landwirtschaftlichen Ertrag brachten als üblich, und in denen die Bedrohung von Außen abnahm (ebd., S.165).

von Steuern und die Rechtsprechung und sie achtet auf die Wahrung von Sitten und Gebräuchen (Striedter, 1990, S.166). Die Ratsversammlung entscheidet auch über die Entwicklung der Siedlung und erteilt Erlaubnis zu bauen. Die Schicksalsgemeinschaft eines Ksars geht soweit, daß es keinem Bewohner erlaubt ist, außerhalb der Befestigungsmauern zu bauen, da die Siedlungsgemeinschaft für seine Sicherheit verantwortlich bleibt, die sie auf dem freien Feld nicht garantieren kann (ebd. S.167). Dieser starke Zusammenhalt ist vor allem auf die Bedrohung von Außen zurückzuführen (Mahdjoubi & Awotona, 1997, S.148). Nachdem die französisch Armee die letzten freien Berberfürsten 1934 unterworfen hatte und alle kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Nomaden und Siedlern unterbunden waren, lösten sich die sozialen Gefüge der Siedlungsgemeinschaften immer mehr auf, neue Häuser wurden, wenn möglich, außerhalb der Befestigungs- anlagen gebaut und die individuellen Interessen verdrängten die kollektiven Anliegen (Striedter, 1990, S.169). Die Einheit der Siedlungsgemeinschaften wurde also in islamischer Zeit nicht mehr durch kulturinhärente Kohäsionskräfte gewährleistet, sondern durch eine von widrigen Umständen erzwungene Notwendigkeit. Die starke Abschottung nach Außen setzt sich auch im Innern der Ksour fort (Mahdjoubi&Awotona, 1997, S.148). Alle öffentlichen Einrichtungen wie die Moschee, die Koranschule, ein Marktplatz, sowie die Handwerkerquartiere und die Unterkunft für Fremde befinden sich direkt hinter dem großen Eingangstor (Striedter, 1990, S.167). Fremde dürfen, sofern ihnen überhaupt der Zutritt zu dem Ksar gewährt wird, diesen kleinen Bereich um den einzigen öffentlich Platz nicht verlassen. Innerhalb eines Ksars gibt es sonst keine weiteren öffentlichen Flächen. Die Ksarbewohner teilen sich noch die Hauptverbindungswege, die zahlreichen Sackgassen gelten bereits als mehr oder weniger privat. In manchen Fällen werden sie sogar nachts verriegelt (Lander & Niermann, 1980, S.14, 15). Trotz der notgedrungenen „Schicksalgemeinschaft“ der Bewohner gibt es also massive Abgrenzungen zwischen den einzelnen residential groups. Die Anwohner der einzelnen Gassen sind fast immer miteinander verwandt.

Abb. 49 Ksar Amridil, Oase Skoura, Marokko (Striedter, 1990, S.165)

Ihre üblicherweise dreistöckigen fensterlosen Häuser mit Innenhof beherbergen im Erdgeschoß die Tiere und Magazine, die ersten Etagen dienen als Wohn- und Speicherräume, die zweiten Stockwerke werden als Wohnund Schlafräume genutzt und sind mitunter durch Terrassen verbunden, die Familienbesuche möglich machen (Striedter, 1990, S.167). Sonst gilt, daß die Hierarchie der Innen- und Außenräume, ihre soziale und religiöse Bedeutung dem Grad entspricht, in dem sie öffentlich exponiert sind. Dies gilt besonders für die Familie, vor allem die Frauen der Familie, die nur von Familienangehörigen gesehen werden dürfen, und deren Lebensbereich weitgehend auf kontrollierte und abgeschottete Privatbereiche reduziert ist. Die Innenhöfe der Häuser ermöglichen ihnen, sich unter freiem Himmel aufzuhalten, auch wenn es sonst innerhalb der Siedlungen keine offenen Plätze gibt. Da die Häuser keine Fenster haben,

Die großen Ksour (Mehrzahl von Ksar) erhielten sich vor allem in den klimatisch weniger begünstigten Regionen, wie dem Rherir-Gebiet, dem Tafilalt und dem DraTal. Ihre Gesamtanlage ist ausschließlich auf Verteidigungszwecke und Abschreckung ausgerichtet, sie sind von massiven Verteidigungsmauern umgeben und haben immer nur ein einziges Eingangstor, das üblicherweise von zwei Türmen flankiert wird. Die soziale Organisation der Siedlungsgemeinschaft ist beherrscht von strenger Disziplin, die von der Djeema, der Ratsversammlung, überwacht wird. Sie trifft die Entscheidungen über die Verteidigung der Kollektivgüter Wasser und Boden, sowie die Verteilung der öffentlichen Pflichten wie Gastfreundschaft und Waffendienst, ebenso organisiert sie die Bewässerungsarbeiten, Instandhaltung der öffentlichen Bauwerke, die Erhebung

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ist der innere Bereich vollständig abgeschirmt. Auch die Eingänge in die Häuser sind sehr schmal und abgeknickt, so daß die Sichtachse auf den zentralen Hof versperrt wird, denn selbst der Blick in den privaten Innenbereich gilt als unsittlich (Mahdjoubi & Awotona, 1997, S.148). Ein ganz ähnlicher Mechanismus, wenn auch in einem weitaus weniger rigiden Kontext, wird in Laos genutzt. Ein Bruch der Sichtachse zeigt eine private Schwelle an. Besucher dürfen dort nur so weit in die Häuser vordringen, wie sie geradeaus gehen können (Clement, 1982, S.62ff.).

hintere Hof ausschließlich den Frauen und dem Hausherren vorbehalten ist (Lander & Niermann, 1980 S.16-18). Die arabischen Häuser und Siedlungen Nordafrikas haben eine weitgehend übereinstimmende soziale Organisation. Die sozialen Kontakte der Frauen sind auf ihre Familie und die Anverwandten beschränkt und der Ort aller sozialen Interaktion ist der Innenhof des eigenen Hauses oder der Hof im Hause verwandter Frauen. Die Männer hingegen treffen sich in dem Versammlungshaus der Djeema. Zwar gibt es im Dorf eine gemeinschaftliche politische Ebene, aber wirtschaften tun die Haushalte in erster Linie für den eigenen Bedarf und Wohlstand. Neben der Arbeitsteilung auf dörflicher Ebene gibt es eine explizite Teilung der ökonomischen Abläufe innerhalb der Hausgemeinschaft, die sich auch in einer Vielzahl von activity areas widerspiegelt, deren räumliche Verortung allerdings nicht fixiert ist, sondern den saisonalen Anforderungen angepaßt wird. Die meisten der Tätigkeiten finden jedoch im Innenhof statt, also auf privaten, und nicht auf öffentlichen Flächen (Mahdjoubi & Awotona, 1997, S.150 ff.).

Gleich neben dem Eingang der marokkanischen Hofhäuser befindet sich in der Regel der Empfangsraum und die Küche. Weiter in das Haus einzudringen bleibt allen verwehrt, die nicht mit der Familie verwandt sind. Werden Feste gegeben, für deren Ausrichtung die Empfangszimmer zu klein sind, werden zwar die Höfe genutzt, aber die Frauen in die oberen Stockwerke des Hauses geschickt, um ihre Abgeschiedenheit zu sichern. In großen sudanesischen Häusern werden manchmal auch Häuser mit zwei Höfen gebaut, wobei der zweite,

Abb. 50 Ksar Goulmina, Marokko. Die 11 bezeichnet den öffentlichen Bereich, der auch Fremden zugänglich ist. Die grau eingefärbten Bereiche (10) sind privater, “verbotener” Wohnbereich (Striedter, 1990, S.166)

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öftgemeinschaften schwankt üblicherweise zwischen 1-5 Familien. Jede dieser Kernfamilien steht zwar in ökonomischer Abhängigkeit zu der Gehöftgemeinschaft, betreibt aber dennoch eine eigene Haushaltswirtschaft. Es wird z.B. von jeder Familie separat mit portablem Feuergerät gekocht; lediglich der Ofen zum Brotbacken wird von allen Bewohnern gemeinsam genutzt. Die wirtschaftlichen Aktivitäten finden z.T. in dem Hof, überwiegend aber auf den Hausdächern statt. Da die Gehöfte verwandter Großfamilien oft Cluster bilden, werden die aneinander stoßenden Dächer von den Frauen vielfach als ein semi-privates Wegenetz benutzt, das ihnen gegenseitige Besuche gestattet, ohne die öffentlichen Straßen und semi-öffentlichen Gassen benutzen zu müssen (Jacobs, 1989, S. 179 ff.). Interessant ist auch der Umstand, daß die Frauen nicht nur in ihrer Mobilität vorwiegend auf den privaten und semi-privaten Raum beschränkt sind, sondern daß sie, im Gegensatz zu den Männern, von denen der öffentliche Raum dominiert wird, ihre Werkzeuge und Kochgeräte in Privatbesitz haben. Die Männer einer Gehöftgemeinschaft teilen sich hingegen ihre Werkzeuge und Gerätschaften. Die Bezüglichkeit auf privaten Raum geht also mit einer Zunahme an privatem Besitz einher, nicht nur auf dörflicher Ebene, sondern auch auf der Ebene des Haushalts (ebd. S.188). Bei einer langfristigen ethnoarchäologischen Untersuchung in Hassanabad, Iran, stellte P.J. Wattson fest, daß alle Kooperationen in der Kommune, die Fischfallenkooperative, die Hirtenvereinigung für das gemeinsame Scheren der Schafe und die Milch- kooperative ausschließlich ökonomischen Zwecken untergeordnet waren, aber keine soziale Funktion mehr hatten. Sie galten lediglich als Zwangsgemeinschaften. Andere soziale Treffpunkte außer dem Brunnen, an dem sich die Frauen zum Dorfklatsch trafen, gab es keine (Wattson, 1979, S.218). Tatsächlich waren die Beziehungen der Dörfler beherrscht von Neid, Familienzwisten, Eifersucht, übler Nachrede und gelegentlichen Schlägereien. Jede Familie versuchte so gut als möglich alle Besitztümer und innerfamiliären Vorgänge vor den Nachbarn zu verbergen (ebd. S.227). Das ökonomische Gefälle trat, obwohl das gesamte Dorf als sehr arm zu bezeichnen war, deutlich in der Architektur zutage. Die Häuser der Armen waren klein, einstöckig und verfallen, die Hauskomplexe der reichen Familien waren deutlich größer, hatten häufig ein zweites Stockwerk und wurden regelmäßig renoviert (ebd. S.292). Kalkverputz konnten sich ebenfalls nur die wohlhabenden Familien leisten. Der gute substantielle Zustand ihrer Häuser war vorwiegend darin begründet, daß sie sich Bauspezialisten leisten konnten, die die Bau- und Reparaturarbeiten übernahmen (ebd. S.120). Das Erscheinungsbild des Dorfes ist, wie auf Abb. 50 gut zu erkennen, im übrigen davon gekennzeichnet, daß jede Familie ihren eigenen abgetrennten Hof hat, der sich nach Möglichkeit nicht zu anderen Häusern oder auf einen öffentlichen Platz hin öffnet. Die Gesamtfläche der privaten Freiflächen ist deutlich größer als die der öffentlich Plätze und es gibt keinerlei Gemeinschaftsgebäude. Ebenso fehlt eine irgend geartete Gestaltung oder Ausrichtung der gesamten Dorfanlage, wie es z.B. bei den Pueblo-Indianern, den Hmong oder den historischen Berberfestungen der Fall ist (ebd. S.35).

Abb. 51 Arabisches Haus, Algerien (Mahdjoubi & Awotona, 1997, S.147) Auf die Innenhöfe münden die einzelnen Wohnungen der Kernfamilien, die in der Regel aus nur einem Raum bestehen. Die Kernfamilien haben als ökonomische und politische Einheiten jedoch keine Bedeutung, sondern werden von der Gehöftgemeinschaft, also der erweiterten Familie und ihrer Hierarchie dominiert; ihre Bedeutung ist von rein sozialer Art. So gibt es in den arabischen Gehöften Nordafrikas drei Ebenen des Privaten: Die erste ist architektonisch markiert durch die Einfriedung des Gehöfts und hat semi-privaten Charakter. Dieser äußere Hof ist Besuchern zugänglich. Die Grenze der nächsten Ebene stellt die Schwelle zu dem inneren Bereich des Haupthauses und damit zum Innenhof dar. Dieser Bereich ist den Angehörigen der Gehöftgemeinschaft vorbehalten. Deren Zugangsberechtigung endet wiederum an den Schwellen der Wohnräume der einzelnen Kernfamilien, die die privateste Ebene eines Gehöftes bilden. Diese Wohnräume werden tatsächlich auch von den nächststehenden Verwandten so gut wie nie betreten (Mahdjoubi&Awotona, 1997, S.143 ff.). Das Zusammenleben der Gehöftgemeinschaften im islamisch-persischen Kulturbereich gestaltet sich nahezu identisch. Sie bestehen in den meisten Fällen aus patrilinearen, erweiterten Familien, denen ein Patriarch, ein Gehöftherr vorsteht. Die Gehöfte sind von einer fensterlosen Lehmmauer umschlossen, an deren Innenseite die häufig zweistöckigen Häuser gebaut sind, die sich auf einen gemeinsamen, freien Innenhof öffnen. Die unteren Geschosse dienen vorwiegend als Lagerräume und Viehställe. In den meist einräumigen Obergeschossen wohnt jeweils eine Kernfamilie. Die Größe der Geh-

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Abb. 52 Hassanabad, Iran (Wattson, 1979, S.35) Dieselben Mechanismen und architektonischen Symptome stellten David & Kramer und Lee Horne bei ihren Untersuchuneng im iranischen Baghistan fest: Das Innere der Häuser und Höfe wird durch Bruch der Sichtachsen abgeschirmt, die Häuser wirken nach außen kahl und fensterlos wie Festungen und innerhalb der Siedlungen gibt es keine öffentlichen oder gemeinschaftlich genutzten Gebäude. Wie in den oben beschriebenen islamischen Gemeinschaften sind die Arbeitsbereiche von Männern und Frauen strikt getrennt und die Frauen in die Privatbereiche der Häuser verbannt (David & Kramer, 2001, S.291ff.; Horne, 1994, S.115).

hierarchisierte Gesellschaft mit ausgeprägter Arbeitsteilung ist deutlich in verschiedene Schichten unterteilt und jede dieser Schichten bewohnt eine spezifische, genau definierte Hausform, ähnlich wie in der ostafrikanischen Swahili-Kultur. Besonders interessant ist das Nebeneinander von ausschließlicher haushaltsorientierter Ökonomie mit völlig abgeschirmter Privatsphäre und der Möglichkeit autarker Wirtschaftsweise und einer Kooperationsform, die an schwach hierarchisierte Gemeinschaften erinnert. Denn in den Chanes ist die gemeinschaftliche Arbeit durchaus üblich. Frauen teilen sich z.B. das Feuer zum Brotbacken und weben gemeinsam Stoffe, die später unter ihnen aufgeteilt werden. Genauso wird Milch nicht von jedem Haushalt einzeln verarbeitet, sondern gemeinsam. Alle diese Arbeiten finden im Freien auf den kommunalen Höfen der Chanes statt, die keine weiteren privaten Segmentierungen aufweisen. Diese gemeinsamen Arbeiten werden keineswegs als notwendiges Übel begriffen, wie es in Hassanabad der Fall ist, sondern werden sogar als gemeinschaftsfördernd und angenehm empfunden (Feysabadi, 1984, S.109 ff.). In diesen Gemeinschaften der Chanes haben zahlreiche Frauen auch Teilzeitspezialisierungen ausgebildet, wie z.B. Backen, Weben, Massieren, Geisterbeschwören, Geburtshilfe etc., und stellen ihr Können in den Dienst des Gemeinwohls. Im Gegensatz zu den Frauen der Unterschicht, deren Leben sich vorwiegend auf den semi-öffentlichen Höfen abspielt, sind die Frauen der Oberschicht auf Haushaltsarbeiten und kunsthandwerkliche Tätigkeiten im privaten Bereich ihres Gehöfts beschränkt, wobei sie nur

Eine besonders interessante Variante der Organisation eines islamischen Dorfes beschreibt Feysabadi (1984): In dem nordost-iranischen Dorf Djannat-abad bestehen vier Arten der Wohnform nebeneinander. Die beiden mächtigsten Dorfherren wohnen in residenzartigen, sog. Emarats, großen Wohn- und Wirtschaftskomplexen mit Gärten, Terrassen und Wasserbassins. Andere unabhängige Gehöftherren wohnen in den wesentlich kleineren Manzels, umfriedeten Gehöften mit eigenen Gärten und Brunnen. Die gewöhnliche Mittelschicht wohnt in den Hauli, die ebenfalls durch Umfassungsmauern vom öffentlichen Raum abgeschirmt sind, die aber weder über eigene Gärten noch eigene Wasserstellen verfügen, und die bäuerliche und handwerkliche Unterschicht wohnt schließlich in den sog. Chanes, bestehend aus zwei ineinander übergehenden Räumen. Zehn oder zwanzig dieser Wohnstätten bilden einen zusammengehörigen Wohn- und Wirtschaftskomplex mit gemeinsam genutzten Innenhof (Feysabadi, 1984, S. 60). Diese stark 91

selten von anderen Arbeitskräften unterstützt werden (ebd., S. 110, 142). Offenbar ermöglicht die klare Abgrenzung und ökonomische Hierarchisierung gesellschaftlicher Schichten eine Rückbesinnung auf den Gedanken der Solidarität. Es findet kein offener Konkurrenzkampf zwischen allen Haushalten wie in Hassanabad statt. Dieses Wetteifern findet möglicherweise noch zwischen den Haushalten der Mittel- und Oberschicht statt. In der Sicht der unterprivilegierten Bauern und Handwerker in Djannat-abad überwiegt ganz offensichtlich das Gemeinschaftsgefühl und die Abgrenzung gegenüber den sozio-ökonomisch überlegenen Schichten. Diese Gemeinschaftlichkeit findet wiederum ihren deutlichen Ausdruck in der Organisation des Wohnraums. Wie bei den homogenen Siedlungen der mexikanischen Landarbeiter u.a., die weiter oben beschrieben wurden, findet auch hier offenbar eine soziale Kontrolle durch die Gemeinschaft statt, die individuelles Prestigetrachten innerhalb der fest umgrenzten sozialen Schicht unterbindet.

trachtet und haben in der ohnehin kaum vorhandenen Öffentlichkeit keinen Platz. Die gesamte Gesellschaftsordnung und deren räumliche Organisation wird bestimmt von der männlichen Kontrolle des Raums und der sozialen Vorgänge (ebd. S.49). Wie sehr die soziale Stellung der Frau und ihr Zugang zu kommunikativen und öffentlichen Räumen mit der kulturspezifischen Architektur in Zusammenhang steht, soll noch einmal ein konterkarierendes Beispiel aus der nordiranischen Gilan-Ebene beim kaspischen Meer zeigen. Obwohl die Einwohner dieser klimatisch gemäßigten Ebene ebenfalls dem Islam anhängen, sind ihre sozialen Gepflogenheiten deutlich unterschiedlich von denen, die auf dem iranischen Plateau üblich sind. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Familie geht es deutlich weniger formal zu und Begriffen wie Männlichkeit und Ehre wird weitaus weniger Bedeutung beigemessen. Der aggressive Stil, mit dem Meinungsverschiedenheiten in den ariden iranischen Gebieten ausgetragen werden, ist weitgehend unbekannt. Die Frauen nehmen sowohl in den sozialen Beziehungen sowie im Arbeitsleben eine wichtige Position ein (Bromberger, 1989, S.31). Weder der Raum noch die Arbeit erfahren eine rigide geschlechtsspezifische Zuweisung. Zwar haben Frauen und Männer in den gemeinsam genutzten Wohnräumen ihre angestammten Bereiche, diese sind aber architektonisch nicht markiert. Die Gleichstellung der Frauen geht soweit, daß sie sich sogar handwerklich spezialisieren können, z.B. als Töpfer, oder als Lohnarbeiterinnen mehr Geld verdienen können als Männer, und in Unterhaltungen selbst Fremde aus eigener Initiative ansprechen dürfen, was in anderen iranischen Regionen undenkbar wäre (ebd. S.81ff.).

Eines der extremsten Beispiele miteinander konkurrierender Haushalte im islamischen Kontext findet man im Nord-Jemen. Die burgartigen Wehrgehöfte am Gebel Munhebi, die in Streusiedlungen mit einzelnen Lineage Clustern über die Berghänge verteilt sind, sollen vor allem den gesellschaftlichen Status, den Wohlstand und die Verteidigungsbereitschaft des Gehöftherren repräsentieren. Die Größe dieser Anlagen entspricht dem Reichtum des Haushalts, denn sie ist davon bestimmt, wieviel Frauen und Vieh der Hausherr unter seinem Dach unterbringen und verteidigen muß. Jegliche künstlerische Gestaltung der Häuser wird als überflüssig betrachtet. Ihre Erdgeschosse sind fensterlos, die Eingangspforten nur gebückt zu passieren und die oberen Stockwerke und Wachtürme sind mit Schieß- scharten bestückt. Innerhalb der Siedlungen, in denen langwierige Fehden nicht unüblich sind, besteht ein uneingeschränkter Konkurrenzkampf zwischen den Haushalten. Auch zwischen Verwandten bestehen nur soziale Beziehungen, die sich auch in räumlicher Nähe der Gehöfte ausdrücken, aber keine ökonomischen Interessengemeinschaften (Gingrich & Heiss, 1986, S.49-53). Im benachbarten Sahar-Gebiet bestehen die Dörfer aus lang gestreckten Reihen befestigter Häuser, ebenfalls Lineage-Cluster, von denen mehrere ein Dorf bilden. Die einzelnen Clusterreihen haben einen Abstand von 10 18 m voneinander. Zwar gibt es Gemeinschaftsbesitz und -arbeit einzelner Lineages, die Haushalte erledigen aber die vorrangige Arbeit, die im Kultivieren der terrassierten Gärten besteht, allein (ebd. S.89). Die Wohntürme im Wa-ila Gebiet sind ebenfalls innerhalb von Streusiedlungen als Familien-Clustern gruppiert und sie sind so gebaut, daß jeder für sich verteidigt werden kann. Denn selbst innerhalb der Dorfgemeinschaften kann es zu bewaffneten Konflikten kommen. Auch in den Feldern und bei den Gärten sind regelmäßig Wach- und Wehrtürme errichtet. Jeder Haushalt ist entsprechend ökonomisch autark und betreibt seine Garten- und Ackerwirtschaft unabhängig. Die einzige Arbeit, bei der die ganze Ansiedlung kooperiert, ist der Bau und die Nutzung der Brunnen (ebd. S.114-118). Die Gruppen dieser Gebiete sind alle muslimisch und sind extrem patriarchalisch geprägt. Frauen werden wie Besitz be-

Wie in manchen schwach hierarchisierten Gemeinschaften gibt es allerdings eine räumliche Verortung der Altersgruppen innerhalb eines Wohnhauses Die Gehöfte in der Gilan-Ebene stehen verstreut in der parkartigen Landschaft und sind nur von leichten Zäunen umgeben, die vor allem das Vieh beisammen und Raubtiere fern halten sollen. Die meisten Aktivitäten spielen sich vor den Häusern auf gut einsichtigen Freiflächen ab, also in einem Raum, der zwar als privat markiert ist, aber in keiner Weise von der Öffentlichkeit gezielt abgeschirmt wird, wie sonst bei islamischen Hofhäusern üblich. Es werden keine Teile der Gemeinschaft sozial kontrolliert, dementsprechend ist auch kein architektonischer Mechanismus nötig, um diese Kontrolle zu ermöglichen. Innerhalb der lockeren Einfriedungen der Höfe befinden sich alle Wirtschaftsgebäude, Ställe und Gärten, die zu dem Haushalt gehören. Gelegentlich findet man auch mehrere Haushalte innerhalb einer Umfriedung, die aber jeweils unabhängig wirtschaften und nur wenig mehr gemeinschaftlich arbeiten, als die übliche Nachbarschaftshilfe ohnehin vorschreibt. Diese Arbeiten, die von benachbarten Haushalten, die auch meist miteinander verwandt oder verschwägert sind, gemeinschaftlich unternommen werden, sind größere Vorhaben wie der Hausbau oder gegenseitige Erntehilfe (ebd. S.25, 31, 34, 46).

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Abb. 53

Gehöft in Sadeh, Nord-Iran, Gilan-Ebene (Bromberger, 1989, S.27)

Die signifikanten Übereinstimmungen zwischen sozioökonomischer Ordnung und architektonischem Raum können bezüglich der Gesellschaften mit fortgeschrittener Hierarchie, Geschlechtertrennung, zunehmender Spezialisierung und Differenzierung der Arbeit sowie zunehmender Privatsphäre wie folgt zusammengefasst werden:

- Soziale Kontrolle durch das Kollektiv spiegelt sich in dem Grad der Homogenität der Siedlung wider, soziale Kontrolle des Individuums richtet sich vor allem nach Innen, bei gleichzeitiger Abschirmung des privaten Bereichs gegenüber der Öffentlichkeit. - Geschlossene Siedlungen, die nicht durch kulturell selbstragende Kooperationsformen, sondern als Zwangsgemeinschaften von Haushalten, die als autark konzeptualisiert werden, entstehen, sind in der Regel geprägt durch ein homogenes Erscheinungsbild, abgeschirmte private Frei- und Wirtschaftsflächen, gemeinsame Befestigungsanlagen und fehlende öffentliche Flächen oder Gebäude, die sozialen Zwecken dienen sollen. Sobald die Zwangsgemeinschaft ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllt, meist den als Verteidigungsgemeinschaft, löst sich die Siedlung in ihrer ursprünglichen Form auf. - Das Entstehen von strikt voneinander getrennten sozioökonomischen Schichten oder Kasten korreliert mit einer Ausbildung verschiedener schematisierter Wohnhaustypen, die den sozio-ökonomischen Status repräsentieren. Innerhalb dieser Schichten können wiederum kollektive, auf die Schicht beschränkte Kontrollmechanismen entstehen, die die Konkurrenz zwischen den Haushalten regulieren und die mit der architektonischen Homogenität der schichtspezifischen Wohnhäuser korrespondieren.

- Die räumliche und die soziale Nähe der Haushalte einer Siedlung entsprechen einander. - Die Zunahme von Privatsphäre korreliert mit der Zunahme an privatem Besitz. - Je deutlicher die architektonisch markierte Abschottung der einzelnen Haushalte voneinander, desto weniger ökonomische Kooperation gibt es zwischen den Mitgliedern einer Siedlungsgemeinschaft. - Die Zunahme kontrollierter Privatbereiche korreliert mit der zunehmenden Absonderung und Kontrolle der Frau. - Die Größe und die Zugänglichkeit öffentlicher Flächen und die Zahl öffentlicher Bauten korreliert mit der Bedeutung des Allgemeinwesens einer Siedlungsgemeinschaft. - Je höher der Grad der Einheitlichkeit der dörflichen Gestalt und der Einbindung auch unterschiedlicher Baukörper in ein geschlossenes Erscheinungsbild einer Siedlung, desto größer ist die soziale und kulturelle Verpflichtung des Individuums gegenüber der Gemeinschaft und ihrer politischen und rituellen Struktur. - Je stärker die Präsenz öffentlicher Bauten auch in stark differenzierten Siedlungen, desto größer ist der Einfluß sozio-ökonomisch regulierender Institutionen, die individuelles Macht- und Prestigestreben kontrollieren sollen.

Bei der Durchsicht der beschriebenen Ethnien und ihrer Wohn- und Wirtschaftssysteme fällt auf, daß sich immer wieder die Pole der Individualinteressen und der Gemeinschaftsinteressen gegenüberstehen. Mit diesen beiden grundsätzlichen Konzepten stehen sich ebenfalls zwei Grundtypen menschlicher Gesellschaftsorganisation gegenüber, die eine jeweils entsprechende Architektur entwickelt haben. Diese Beobachtung wurde be93

reits von einigen amerikanischen Forschern im Bereich der „Household-Archaeology“ gemacht. Die Bildung von Kooperationsformen, die größer als eine Kernfamilie oder Hausgemeinschaft sind, wird nach der „Incompatibility Theory“ durch ökonomischen Druck und die daher notwendige Intensivierung der Wirtschaftsweise hervorgerufen (Pasternack, Ember & Ember, 1976, S. 109ff.). Laut Sahlins (1957, S.449ff.) und Befu (1968, S.25ff.) werden dementsprechend notgedrungen Konsum, Arbeitskraft und Kompetenz in immer größeren Einzelhaushalten gepoolt, wodurch wachsende, in sich hierarchisierte, gehöftartige Haushaltsgemeinschaften entstehen. Auch Banning vertritt ein ähnliches Modell: dörfliche, kommunale Ökonomien seien weniger gut dazu geeignet, Überschuß, der langfristige Vorratshaltung und Akkumulation von Reichtum ermöglicht, zu produzieren (Banning, 1996, S.169ff.). Nach Wilks Untersuchungen bei den Kikcha-Maya in Belize kann aber ein Cluster von kleinen Haushalten mit kommunaler Ökonomie genausogut die gleichen Aufgaben erfüllen (Wilk, 1984, S.240). Diese Art der Wirtschaftsweise finden wir z.B. auch bei den Pueblo-Indianern und bis zu einem gewissen Grad bei den Dogon wieder. Betrachtet man die Langhausgemeinschaften der Irokesen und ähnlichen Gruppen als Dorfgemeinschaften unter einem Dach und nicht als in sich strukturierte individuelle Haushalte, kann man auch ihre kollektive Wirtschaftsweise zu diesem Typus zählen. In jedem Fall bleiben zwei grundsätzliche Lösungsarten für die Anforderungen einer intensivierten Wirtschaftsweise, bzw. zwei Wege, die eine Intensivierung der Wirtschaft möglich machen. Die eine besteht in größer werdenden, miteinander konkurrierenden Individual- haushalten, innerhalb derer sich soziale Hierarchien bilden und sich die Differenzierung der Arbeit ausprägt, die andere besteht in einer ökonomischen Ausdifferenzierung auf kommunaler Ebene, die die einzelnen Haushalte nicht in Konkurrenz zueinander treten läßt, sondern sie voneinander abhängig macht und eine kommunale Ökonomie etabliert. Die erste Form der Ökonomie ist außerdem begleitet von einer Zunahme privaten Raums und einer entsprechenden Zunahme der architektonischen Segmentierung und Raumtiefe, sowie einer stärkeren Abschottung der Privatsphäre der Familie von der Öffentlichkeit, die meist mit einer zunehmenden Beschränkung des Lebensraums der Frauen einhergeht (dazu auch: Banning, 1996, S.180). Auch auf der weltgeschichtlichen Ebene scheinen diese beiden Konzepte mit all ihren möglichen Schnittmengen und Abstufungen wiederum in beständigen Konkurrenzkampf miteinander verstrickt.

& Symes, 2002, S.262 ff.). Andererseits ist diese Wohnform oft mit einer nach innen gerichteten Kontrolle sozialen Verhaltens verbunden, die in erster Linie in einen patriarchalischen Kontext eingebunden ist, sich also gegen die soziale und räumliche Freiheit der Frauen richtet. Auf der ökonomischen Seite ist das Hofhaus in allen Beispielen mit einer haushaltsorientierten Wirtschaftsweise assoziiert. Ein ausgezeichnetes Beispiel für alle diese verschiedenen Aspekte des Innenhofhauses ist das Atriumhaus der wohlhabenden Bürgerschicht im kaiserzeitlichen Rom. Es erreicht seine größte Verbreitung in einer Zeit, in der die Stammeszugehörigkeit (gentes) unbedeutend geworden ist, die Kernfamilie (mit Sklaven) die wichtigste gesellschaftliche Einheit bildet, und der pater familias, der älteste Mann der Familie, die erste Stufe absoluter Macht in der sozio-politischen Hierarchie darstellt (Hallet, 1997, S.79ff.; L´Esperto, 1972, S.78ff; Brunner, 1990, S.235; Hallet & Saller, Internet, 2004). Die Hinwendung der Frau zur Familie und ihren häuslichen Aufgaben gilt als tugendhaft und oftmals durften Frauen nur in Begleitung von Sklaven das Haus verlassen (L´Esperto, 1972, S.76). Die Innenhöfe dienen meist als einzige Licht- und Luftquelle der Häuser, die zu den Straßen hin nur blanke Wände bieten. Das Familienleben kann sich, abgeschirmt von der turbulenten, urbanen Umwelt ungestört entfalten und Einmischungen von außen sind nicht möglich (Eliades, 1982, S.14; MüllerKarpe, 1998 Bd.V, S.77; Mellor, Internet, 2004). Genauso verhält es sich im klassischen und hellenistischen Griechenland. Jedes städtische Wohnhaus, egal wie klein es war, hatte seinen Innenhof, um den sich die Räume gruppierten. Die Gesellschaft war rein patriarchalisch ausgerichtet und Frauen mußten sich, waren sie einmal verheiratet, weitgehend auf das Haus und die häuslichen Aufgaben beschränken. Sie bewohnten gesonderte Räume, das Gynäzeum, und hatten weder politische noch juristische Rechte. Alles öffentliche, politische und soziale Leben war den Männern vorbehalten, und Frauen durften üblicherweise nur zu städtischen Festen und Familienfeiern das Haus verlassen. Wenn sie es taten, dann nur in Begleitung ihrer Sklaven, niemals aber allein. Andererseits war man sich der rein pragmatischen Vorzüge des Innenhofs bewußt, wovon die Baurichtlinien Xenophons Zeugnis ablegen, in denen die Anordnung der Räume und die zweckmäßigste Höhe der einzelnen Gebäudeteile beschrieben wird, um sowohl im Winter wie im Sommer das erwünschte Maß an Sonnenlicht, Schatten und Windschatten zu erzielen (LÉsperto, 1972, S.76 ff.; Martin & Stierlin, 1977/1994, S. 179). Ein anderes Beispiel stammt aus dem neuzeitlichen Sizilien. Besonders in Catania und Ortigia wurden seit ca. 1700 im städtischen Umfeld große, mehrstöckige Hofhäuser von wohlhabenden, erweiterten Familien errichtet. Auch hier war die (katholische) Gesellschaft patriarchalisch geprägt. Interessanterweise findet man heute in manchen dieser Häuser, die mittlerweile von mehreren, meist nicht miteinander verwandten Familien bewohnt werden, ähnliche soziale Muster. Entweder bemühen sich nahe Verwandte um benachbarte Wohnungen, um gemeinsam im semi-privaten Raum eines Hofhauses sozial interagieren zu können, oder es bilden sich nachbarschaftliche Verhältnisse mit einer sozialen Nähe und

Abschließend soll in diesem Kapitel über Raum und Sozio-Ökonomie noch kurz auf das Phänomen der Häuser mit zentralem Innenhof eingegangen werden. Wie weiter oben bereits gezeigt worden ist, tritt das Hofhaus in Gesellschaften auf, in denen aufgrund des Klimas viele Aktivitäten im Freien stattfinden, diese Aktivitäten aber nicht gerne in Gemeinschaft auf kollektiv genutzten Plätzen durchgeführt werden, sondern vorzugsweise auf privaten Flächen. Die Möglichkeit in privatem Ambiente eine Fläche unter freiem Himmel zu haben, macht das Haus mit Innenhof besonders für städtische Siedlungen in warmen Klimata attraktiv (Baskaya

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gegenseitiger Fürsorge, die sonst nur in Familienverbänden auftreten (Baskaya & Symes, 2002, S.268). Noch deutlicher tritt die aktive sozial-strukturierende Eigenschaft des Hofhauses in den Zongo-Communities (Migrantenlager) in Ghana zutage. Die übliche Hausform in der Migrantenstadt Kumasi ist das einstöckige Mehrparteienmietshaus mit einem semi-privaten, von außen zugänglichen Innenhof. Die Häuser werden von verschiedenen Familien und Individuen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit bewohnt. Die Hausbesitzer vermieten mit Vorliebe an Fremde, um nicht durch familiäre Bindungen in ihren Entscheidungen beeinträchtigt zu werden und nach Belieben Mietern kündigen zu können. Die Räume, die nicht zum Innenhof gerichtet sind, werden oft an Handwerker und Händler vermietet, die ebenfalls keine offensichtliche Verbindung zu den Hausbewohnern haben. Vordergründig bestehen also keine ökonomischen oder sozialen Zusammenhänge zwischen den Mitgliedern einer Hausgemeinschaft und dem Hausbesitzer. Auf den zweiten Blick wird aber schnell deutlich, wie sehr die räumliche Nähe und die soziale Interaktion auf einem gemeinsamen Innenhof zu verschiedenen Kooperations- formen führt. Denn der Innenhof ist tatsächlich der vornehmliche Aufenthaltsort der gesamten Hausgemeinschaft. Obwohl, wie in Afrika üblich, jede Frau dort ihre eigene Kochstelle hat, wird meist reihum für die ganze Gemeinschaft gekocht. Die Männer nehmen ihr Essen fast immer gemeinsam ein. Die Kooperation im alltäglichen Leben setzt sich in fast allen Bereichen fort und Streitigkeiten zwischen Mitgliedern einer Hausgemeinschaft sind äußerst selten. Treten sie dennoch auf, wird meist der Hausbesitzer, wenn er ein gutes Verhältnis zu seinen Mietern hat, als Autorität herangezogen. Enid Schildkrout berichtet sogar von Ehestreitigkeiten, die der Hausbesitzer schlichten sollte, und von einem Mann, der während seiner Abwesenheit die Aufsicht und Verantwortung für seine Frauen dem Hausbesitzer übertrug. Die Vermieter werden also von den Hausbewohnern selbst in die Rolle des Hausherren gedrängt und das Haus damit als informelle soziale und rechtliche Einheit konstituiert. Selbst die Mieter der äußeren Räume, die nicht in die Hofgemeinschaft einbezogen sind und die angemieteten Räume in der Regel nur tagsüber als Ladengeschäfte nutzen, werden von den Bewohnern in die Hausgemeinschaft eingebunden, in dem sie ihnen von allen rituell geschlachteten Tieren einen Teil zukommen lassen. Trotz der ethnischen Vielfalt seiner Bewohner und ihrer individuellen Ökonomie schafft das Hofhaus eine Kommunalität seiner Bewohner. Rituale werden gemeinsam zelebriert und mit der informellen Einsetzung des Hausherren als rechtliche Autorität wird die Hausgemeinschaft zu einer geschlossenen, sozio-politischen Einheit in einem sonst diffusen und inhomogenen Umfeld (Schildkrout, 1978, S.98-111). Offensichtlich wird eine Wohnform, in diesem Fall das Haus mit semi-privatem Innenhof, nicht nur von der sozialen Organisation hervorgebracht, sondern ist genau-

so in der Lage selbst soziale Ordnung zu etablieren. Das Haus der Zongo-Communities ist also im besten Sinne eine strukturierende Struktur.

III.3.2. Kosmologie und Raum: Fallstudien Der Wohn- und Lebensraum des Menschen ist, wie das vorangegangene Kapitel gezeigt hat, eng verwoben mit der jeweiligen Organisation sozialer und ökonomischer Beziehungen. Doch genau wie die zwischen- menschlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der beschriebenen Gruppen meist eine religiöse und rituelle Dimension haben, ist auch der Raum fast immer in ein ideelles Beziehungsgefüge eingebunden. Der Mensch ist nur in der Lage, sich Ordnungsprinzipien in einem räumlichen Kontext vorzustellen (Spencer Brown, 1997, S.3; Lau, 2005, S.48ff.) Deshalb hat auch jedes Konzept einer Weltordnung eine räumliche Ausprägung. Folgt man Rapoport und vielen anderen mit der Überlegung, daß die Architektur in ihrer Eigenschaft als non-verbale Kommunikation Informationsträger kultureller Vorstellungen und Ideale ist, muß das raumbezogene Weltbild zwangsläufig seinen Niederschlag in der Formgebung des Wohnraums finden (Rapoport, 1969, S.2; Gutman, 1976, S.40ff.; Kus, 1990, S.23; Cameron, 1999, S. 10ff.). Im austronesischen Bereich und in Ozeanien ist die enge Verbindung zwischen der räumlichen Wirklichkeit des Menschen und dem Weltbild auch linguistisch verankert. In fast allen Sprachen gibt es dort den Begriff Banua. Sein Bedeutungsspektrum reicht von „Haus“ und „Territorium“ (Sulawesi), über „Dorf“, „Welt“ und „Himmel“ (Nias) bis hin zu „Himmel/Erde/Unterwelt“ (Toba Batak). Es zeigt sich, daß die Übereinstimmung von Welt-Raum und Wohn-Raum selbst in den Sprachgebrauch dieser Ethnien eingegangen ist (Waterson, 1991, S.92ff.). „Der festgelegte Schauplatz und vorgegebene Gegenstand unserer Handlungen ist die Alltagswelt, die ihrerseits natürlich ein Kulturprodukt ist, da sie sich im Rahmen symbolischer Vorstellungen von ‚unwandel- baren Tatsachen‘ formuliert, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.“ (Geertz, 1959/1987, S.96). Diese gestaltgebenden „unwandelbaren Tatsachen“, die den großen Rahmen des alltäglichen Handelns bilden, sind die Vorstellungen der kosmischen Ordnung, der Ordnung der Lebenswelt des Menschen. In vielen, besonders in den vorindustriellen Gesellschaften werden diese metaphysischen Konzepte herangezogen, um kulturelle Routine auf allen Ebenen zu ordnen und zu rechtfertigen. Indem die Handlung geordnet wird, wird der Raum geordnet2. Durch die so ideell geordnete Praxis fließen die Vorstellungen von der Bedeutung und Form des

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß ich die kosmologischen Vorstellungen und die sozioökonomischen Ausprägungen keineswegs als voneinander getrennte Prinzipien verstehe. Keines geht dem anderen voraus und diktiert die kulturelle Form und damit die Ordnung des anderen. Beide sind lediglich unterschiedliche Aspekte eines kulturellen Ganzen und können sich nur in unmittelbarer Wechselbeziehung gleichzeitig und gemeinsam entwickeln. Sie stehen in keinem Ursache-Wirkungsverhältnis zueinander, sondern sie korrelieren. 2

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Raums nicht nur direkt in die Architektur ein, sondern auch auf indirektem, unbewußtem Weg, vermittelt durch den Habitus (siehe III.1.) (Rapoport, 1976, S.261; Kus, 1990, S.23). Die Regeln der Raumorganisation werden, wie beispielsweise bei den Betsileo auf Madagaskar, nicht nur von religiösen Spezialisten mit ihrem esoterischen Wissen aufrecht erhalten und tradiert, in der alltäglichen Praxis gibt es auch zahlreiche simple symbolische Codes und Mechanismen, die kreativ und interpretativ angewendet werden und so die grundsätzliche Ordnung des Raums auch in stetig wechselnden Situationen aufrecht erhalten können (Kus & Raharijoano, 1990, S. 30).

Die verschiedenen Vorstellungen aus der Architektur ohne Kenntnisse des kulturellen Kontexts ableiten zu wollen, ist offensichtlich kaum möglich; dasselbe unternehmen zu wollen auf der bloßen Basis archäologischer Befunde scheint ausgeschlossen zu sein. Daher möchte ich im Folgenden versuchen, mich auf wenige grundlegende architektonische Formgebungsprinzipien und kosmologische Sichtweisen sowie deren mögliche Korrelation zu beschränken. Die zwei markantesten Grundformen der Architektur sind das runde und das rechteckige Haus. Das runde Haus stellt dabei offensichtlich die ursprüngliche, ältere Form dar. Die ältesten Gebäudeformen sind rund oder amorph und werden im Verlauf der Vorgeschichte langsam verdrängt. Auch rezent kann man diesen Verdrängungsprozeß noch beobachten. Vor allem in den Trockensavannen südlich der Sahara werden die traditionellen Rundhäuser durch die eckige, islamische Bauweise zunehmend ersetzt (Haberland,1990, S.8ff.; Fiedermutz-Laun, 1990, S.18; Lander & Niermann, 1980, S.28ff.).

Da die Art und Weise der Bedeutungsübertragung auf ein Gebäude, den Raum und die jeweils dahinter- stehende Weltsicht zahllose Ausprägungen und Formen haben kann, ist es absurd zu glauben, detaillierte Rekonstruktionen dieser Beziehungsysteme seien auch nur annähernd möglich. Alleine in Westafrika sind die unterschiedlichsten Verbindung zwischen religiösen Vorstellungen und dem unmittelbaren Wohnbereich zu beobachten. Allgemein gilt in Kulturen altnigritischer Ausprägung das Gehöft nicht nur als Wohnort der Lebenden, sondern auch als Heimstätte der Toten, es ist deshalb ritueller Mittelpunkt und bedeutendster Ort des Ahnenkults. Die Häuser der Sippenältesten der Dogon gelten in besonderem Maß als Ahnenschreine (s.o.). Der Gehöftherr hat deshalb automatisch auch die Funktion eines Priesters inne. In den Wohnburgen der Somba- Tamberma stehen sich, wie auch bei den Dogon, die großen Antagonismen des Kosmos gegenüber: Die Dachterasse steht für die Welt der Lebenden, das Untergeschoss für die Welt der Toten, die rechte Hälfte des Hauses gilt als männlich, die linke als weiblich. In zahlreichen Kulturen wird der Bereich des Hauses oder des Dorfes, neben kosmischen Bezügen, auch anthropomorphisiert. Teile des Gebäudes oder des Dorfes stehen für Körperteile des Menschen bzw. die vermenschlichte Form einer Gottheit oder eines Kulturheros und Ahnen (Haselberger, 1964, S.23, 24, 29.). Bei den Dogon und Bambara existieren auch bestimmte Speicher, die neben der profanan Funktion als Abbild des Himmelsspeichers gelten, der die Urmutter von allen Dingen und Lebewesen, also die Elemente des Kosmos, enthält. Wie man unschwer anhand dieser Beispiele erkennen kann, gilt bei den westafrikanischen Gruppen, wie bei den meisten anderen vor-industriellen Ethnien, daß die rechte Ordnung beim Bauen zu einem geordneten Ablauf des kosmischen Geschehens beiträgt und das Wohnhaus diese Ordnung repräsentiert (ebd. S.25, 26). „...denn alle Einzelheiten des Bauvorgangs sind so geregelt, daß sie wie etwa bei einigen Westsudanvölkern - den Aufbau des Universums wiederholen und man glaubt, daß jeder Handgriff beim Bauen nur deshalb seinen Zweck erfüllen kann, weil er einen Vorgang im Kosmos nachahmt, der sich dort als wirkungsvoll erwiesen hat. Nach Ansicht mancher westafrikanischer Völker wie der Bambara (Mali) oder der Abure (Cote d‘Ivoire) hängt der ganze Bauvorgang zusammen mit einer allgemeinen Erneuerung der Welt, die sich periodisch ... wiederholt.“ (Haselberger, 1964, S.59).

Die schlichteste Form runder Behausungen sind die Hütten der Kalahari-Buschmänner (s.o.). Sie sind, wie in Abb. 30 zu sehen, im Kreis angeordnet. Im Zentrum dieses Kreises finden nicht nur die meisten sozio-ökonomischen Interaktionen statt, sondern auch die religiöse Praxis. Die Religion wird von ihnen, genau wie das Rechtsverständnis, nicht als etwas Unabhängiges begriffen, sondern als ein von dem Leben untrennbarer Bestandteil, weshalb auch niemals die Notwendigkeit oder das Bedürfnis entstand, das Religiöse vom Profanen zu trennen oder die Weltsicht in irgendeiner Form für sich selbst zu artikulieren und ihr so eine verbindliche Gestalt zu geben. Denn alles Leben befindet sich in einem Kreislauf und gehört zu der gleichen Gemeinschaft, es schafft sich und seine Gesetze stetig neu und von selbst. Die Menschen sind der Ausgangs- und Endpunkt. Alle Naturerscheinungen sind ebenfalls Buschmänner, oft mit Ahnen identifiziert, die im Gegensatz zu den Menschen über magische Kräfte verfügen. Es gibt also keine unmittelbare Gegenüberstellung von Diesseits und Jenseits, keine Gegenüberstellung von Mensch und Natur, kein Trennung von profan und sakral. Alles findet in der gleichen Welt, in der gleichen Gegenwart statt und ist untrennbar miteinander verbunden. Entsprechend gibt es keine gekennzeichneten religiösen Handlungen und keine Anlässe, die explizit nach einem vorgeschriebenen Ritual verlangen, wie Geburten, Initiationen, Hochzeiten etc. Die einzige „religiöse“ Praxis besteht in Tänzen, die sich meist spontan abends am gemeinsamen Feuer ergeben. Kinder fangen an rhythmisch zu klatschen und zu singen, langsam steigt die ganze Gemeinschaft ein. Das gemeinsame Singen steigert sich zum Tanz und schließlich geraten einige der Gruppenmitglieder, meist Männer, in Trance. In diesem Zustand haben sie direkten Kontakt mit den „anderen“, den „magisch begabten“ Buschmännern und können auf diese Weise z.B. Heilzauber bewirken (Sanders, 1989, S.107ff; Sanders, 1995, Internet; David & Kramer, 1990, S.259ff). Es gibt weder in der Architektur und der SozioÖkonomie, noch in der religiösen Praxis oder dem Welt-

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bild eine Hierarchie. Die gesamte Wirklichkeit ist in einem egalitären Kreis und Kreislauf geordnet.

joten, den arktischen Samojeden oder den Algonkin aus Kalifornien. In anderen Gruppen wird das Zentrum nur durch ein zentrales Feuer und ein Rauchabzugsloch repräsentiert, wie etwa bei den Ost- jaken, den Tschuktschen oder Altaiern, bei denen das Loch den Polarstern, den Weg in die Geisterwelt dar- stellt. In allen Fällen sind die Hütten, Zelte und Jurten, die um das Zentrum errichtet werden, rund (Eliade, 1975/1989, S.251ff.; Baer, 1967, S.11). Ganz ähnliche Vorstellungen sind auch in Afrika verbreitet. Die Rundhütten der Khasi, Nandi und Galla werden ebenfalls von heiligen Mittelpfosten getragen, die bei den Galla auch als Opferstätten dienen (Eliade, 1975/1989, S.253).

Die Verbindung von einem entwickelteren schama- nistischen Weltbild mit einer besonderen Vorstellung von Raum hat vor allem Mircea Eliade in seinem Klassiker „Schamanismus und archaische Extasetechniken“ (1975/ 89) beschrieben. Er bezeichnet sie als Symbolik des Zentrums. Bei fast allen untersuchten Gruppen mit schamanistischen Praktiken stieß er auf die Vorstellung, die Welt sei ehemals eine Einheit gewesen, Himmel und Erde seien noch unmittelbar miteinander verbunden gewesen, bis sie durch ein Unglück voneinander getrennt worden seien. Das akute Weltbild solcher Kulturen setzt sich zusammen aus zwei oder drei voneinander getrennten Ebenen: aus der Menschen- und der Geisterwelt oder aus der Erde, dem Himmel und der Unterwelt. Diese Ebenen sind durch eine Weltachse miteinander verbunden. Entlang dieser Achse kann der Schamane durch „Löcher“ von der Menschenwelt in die anderen Regionen dringen. Dort wo die Ebenen sich treffen, entlang der Weltachse, befindet sich das Zentrum der Wirklichkeit. Um die Trennung der Weltebenen zu überwinden, muß man sich also in diesen Nabel der Welt begeben, der die Einheit gewährleistet (Eliade, 1975 / 1989, S.249ff.).

„Es handelt sich hier um einen allgemein verbreiteten Gedanken, der aus dem Glauben an die Möglichkeit einer direkten Verbindung mit dem Himmel erwachsen ist. Auf makrokosmischer Ebene ist diese Verbindung durch eine Achse verbildlicht, auf der mikrokosmischen durch den Mittelpfosten der Behausung oder das Loch oben im Zelt. Das bedeutet, daß jede menschliche Behausung ins Zentrum der Welt projiziert ist, daß jeder Altar, jedes Zelt, jedes Haus das Durchbrechen einer Ebene und damit die Auffahrt zum Himmel ermöglicht.“ (ebd. S.254) Jedes Haus wird dadurch zum Hauptschauplatz der religiösen Praxis.

Abb. 55 Zeichnungen eines Schamanenzelts, Tungusen, im Zentrum wächst eine Birke, in deren Geäst die Himmelsgötter wohnen (Golowin, 2002, S.117) Zu diesem Konzept Eliades möchte ich lediglich anmerken, daß ich hier eine Übertragung von der Bedeutung des Feuers als Mittelpunkt auf das Rauchabzugsloch für sehr wahrscheinlich halte. Denn das Feuer ermöglicht den Aufstieg durch das Loch erst. Nicht das Abzugsloch in der Decke ist sozialer, ökonomischer und psychologischer Fokus des Lebens, sondern eben das Feuer, das in fast allen religiösen Kontexten eine heilige Konnotation oder Herkunftsgeschichte hat (Golowin, 2002, S.128). Selbst in heutiger Zeit ist es noch als „Steinzeitfernsehen“ beliebt und erzeugt Gemeinschaft. Um ein Lagerfeuer bildet sich immer ein Kreis. Es schafft kommunikativen und kontemplativen Raum.

Abb. 54 Schamanische Zeichnung, im Zentrum der Polarstern, oben Tag, unten Nacht (Golowin, 2002, S.120) Diese räumliche Ordnung um ein Zentrum findet sich auch in den Häusern wieder: als Himmelspfeiler bei den Inuit, oder als Baumstamm, der bis in den Himmel zu den Ahnen und Geistern reicht und an dessen Fuß man Opfergaben darbringt, wie bei den nordasiatischen So-

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Auch bei den Nyakyusa ist das Feuer der rituelle und soziale Mittelpunkt des Hauses. Es ist heilig und somit vom Profanen getrennt. Wenn es erlischt, darf es nur von Feuern neu entzündet werden, die von der Flamme stammen, die bei der Einsetzung des Dorfhäuptlings rituell gebohrt wurde. In der geometrischen Mitte der traditionellen Rundhütten befindet sich allerdings ein Pfosten. Er ist ist genau wie das Feuer heilig und gilt als Verbindung zu den Ahnen. Die Vorfahren werden als lebendiger Teil der Gemeinschaft verstanden und werden so sehr mit dem Haus selbst identifiziert, daß die Redewendung „aus meinem Haus“ gleichbedeutend ist wie „mein Bruder/meine Schwester“. (Busse, 1995, S.42 ff., S.347; CESA, Internet). Die runden Tipis der Plains-Indianer werden ebenfalls mit der rituellen Entzündung eines Feuers eingeweiht und sind sowohl Wohnstatt als auch Mittelpunkt der religiösen Praxis und Abbild des Kosmos. Der Boden des Tipi repräsentiert die Erde, die Zelthäute den Himmel und die Stangen die Wege von der Erde in den Himmel, die Verbindungen zwischen den Menschen und Wakan‘Tanka, dem großen Geheimnis. Direkt hinter der zentralen Feuerstelle befindet sich ein kleiner Fleck nicht abgedeckter, bloßer Erde, der als Familienaltar genutzt wird. Zwar gibt es bei den meisten Plains-Indianern neben der Symbolik des Zentrums auch eine Bedeutsamkeit der Himmelsrichtungen, die oft die Anordnung der Familie um das Feuer bestimmt, aber der geschlossene Kreis um das Feuer und der Bezug zu demselben ist von größerer Bedeutung. Niemals darf man bei dem Weg durch ein Tipi zwischen den dort Sitzenden und dem Feuer hindurchschreiten, nur der Weg um die Sitzenden herum ist erlaubt (Laubin, 1977, S.103-110). Die innere Ordnung des Tipis setzt sich auch außerhalb fort. Die Dörfer werden immer kreisförmig angelegt (nur die Komanchen bilden eine Ausnahme), und jede Familie hat ihren festen Platz. Auf diese Weise hat das Dorf, unabhängig davon wo es aufgebaut wird, immer dieselbe Ordnung (ebd., S.293). Die im vorangegangenen Kapitel bereits beschriebenen Mandan-Indianer haben eine vergleichbare Ordnung des inneren und äußeren Raums. Die Familien in den runden Gemeinschaftshäusern scharen sich genauso um die Feuerstelle im Zentrum des Wohnraums wie die gestreuten Häuser des runden Dorfes um den ebenfalls runden zentralen Platz. Auf ihm werden alle wichtigen Riten und Feste durchgeführt, und in seiner Mitte befindet sich ein Abbild des heiligen „Großen Kanu“ in dem der „Einzige Mensch“ und Schöpfer der Mandaner sich selbst, also den ganzen Stamm, vor der Sintflut gerettet hat. Das Kanu wird durch eine runde Holzpalisade repräsentiert. In deren Mitte steht als Sinnbild des „Einzigen Menschen“ ein roter Pfahl, der gleichzeitig die Wohnstätte aller Ahnen und Toten ist (Hutchinson, 1997, Internet; Kuegler, Internet; Catlin, 1851/1979 Bd.1, S.160 ff.; Morgan, 1881/1965, S.136). Gleichzeitig werden allerdings die Schädel der Toten, die bedeutender Gegenstand der Verehrung sind, außerhalb des Dorfes wiederum in großen Kreisen aufgereiht und dort von ihren Verwandten besucht (Catlin,1851/1979 Bd.1, S. 82ff.). Es gibt noch zwei weitere Erzählungen der Mandaner, die mit der Symbolik des Zentrums und dem schama-

nistischen Weltbild, wie Eliade es verallgemeinert hat, in Verbindung gebracht werden können. Die erste schildert, wie die Mandaner, die ursprünglich im „Inneren der Erde“ gelebt haben, entlang einer Weinrebe durch ein Loch an die Oberfläche der Erde gelangt sind. Nachdem die Rebe zusammengebrochen war, als eine zu beleibte Indianerin sie erklettern wollte, blieb die Verbindung zwischen Ober- und Unterwelt unterbrochen. Medizinmänner „sprechen“ aber, wenn sie Rat brauchen, immer noch mit ihren Stammesbrüdern unter der Erde (Catlin,1851/1979 Bd.1, S.160ff). Auch hier taucht also wieder der Baum auf, der die getrennten Ebenen der Wirklichkeit miteinander verbindet, genauso wie das Motiv von verschiedenen Schichten der Welt, die sich ehemals näher waren. In einer anderen Erzählung versöhnt sich der „Einzige Mensch“ mit dem bösen Geist Ochkih-Häddäh, nachdem er dessen Kind getötet hat, an einem Fluß. Anschließend geht er zu den Mandanern und sagt ihnen, sie sollen diesen Fluß niemals überqueren, denn sonst müßten sie sterben. Dieser Fluß sei Natka passahah, das „Herz“ bzw. „die Mitte der Welt“ (ebd., S.163). Das Bild des Zentrums, das gleichzeitig als Verbindung zu den Ahnen und Übergang zum Tod und anderen Ebenen der Wirklichkeit erscheint, taucht also in einer Vielzahl verschiedener Variationen und Mythen auf. An einer anderen Stelle läßt sich G.Catlin einen Mythos der Tschoktahs schildern: „Ein großer Medizinmann führte sie den ganzen Weg, indem er mit einem roten Stab vor ihnen herging, den er an jedem Abend da, wo sie lagerten, in die Erde steckte. Diesen Stab fand man an jedem Morgen gegen Osten geneigt, und der Medizinmann sagte ihnen, daß sie solange ostwärts wandern müßten, bis der Stab in ihrem Lager aufrecht stehen bleibe; dies sei dann die Stelle, die der Große Geist zu ihrem Wohnsitz bestimmt habe. An einem Ort (...) stand endlich der Stab aufrecht in ihrem Lager (...) worin die Männer auf der Außenseite, die Frauen und Kinder in der Mitte gelagert waren, und dies ist noch bis auf diesen Tag ‚der Mittelpunkt der alten Tschoktah-Nation.“(Catlin,1851/1979 Bd.2, S.72). Joseph Campbell, der ebenfalls über über die Symbolik des Zentrums und des Kreises gearbeitet hat, erläutert die damit verbundene Weltsicht, wie Catlin, durch Zitate verschiedener Indianer: „Wenn wir ein Lager aufschlagen, dann in einem Kreis. Wenn der Adler ein Nest baut, dann ist es ein Kreis. Wir blicken zum Horizont, und der Horizont ist ein Kreis.“ (Campbell, 1989, S.240) Noch eindrücklicher faßt es der Sioux-Schamane Schwarzer Hirsch in Worte, der auf dem heiligen Berg Harney Peak eine ekstatische Erfahrung gemacht hatte: „‘Ich sah mich auf dem Berg in der Mitte der Welt, der höchsten Stelle, und ich hatte eine Vision, denn ich schaute die Welt auf heilige Art. ... Doch der Berg in der Mitte ist überall.‘ Das ist eine wirklich mythologische Erkenntnis. Sie unterscheidet zwischen dem lokalen Kultbild, Harney Peak, und seiner Konnotation als Zentrum der Welt. Das Zentrum der Welt ist die Axis Mundi, der Mittelpunkt, der Pol, um den sich alles dreht.“ (Campbell, 1989, S.97) Dieses Gefühl des rituellen Zentrums stellt sich auch beim Rauchen des Kalumets ein. „Wenn ein Sioux-Indi-

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aner das Kalumet nahm, die Pfeife, dann hielt er es mit dem Stiel gen Himmel, damit die Sonne den ersten Zug tun konnte, und dann wandte er sich immer an die vier Himmelsrichtungen. In diesem Geisteszustand, wenn man sich an den Horizont wendet, dann ist man an seinem Platz in der Welt. Es ist eine andere Art zu leben.“ (Campbell, 1989, S.102). Wie anders diese Art zu leben und wahrzunehmen sein kann, illustriert auch das folgende Beispiel: In den 1980er Jahren war das arabische Gedankenspiel „Der Magische Kubus“ in Amerika sehr populär. Der Spieler stellt sich dabei einen Kubus in einer Landschaft mit verschiedenen anderen Objekten vor. Alle Objekte werden schließlich als Repräsentanten verschiedener Aspekte der Psyche gedeutet. Hierbei gilt der Kubus als stellvertretend für das Selbstbild des Spielers, was im kulturellen Kontext der „Alten Welt“ durchaus funktionieren kann. Als der indianische Häuptling Adam Fortunate Eagle den „Magischen Kubus“ spielte und er mit der Auslegung konfrontiert wurde, widersprach er heftig der Gleichsetzung seiner selbst mit dem Kubus: „Er (der Kubus) repräsentiert die Art, wie der Mensch die natürliche Umwelt verfälscht und verfremdet hat, statt sich ihr anzupassen und im Einklang und Gleichgewicht mit ihr zu sein. Er ist ein Störfaktor, so wie der Mensch ein Störfaktor ist. (...) Diese Symbole sind nicht universell. (...) Unser zentrales Symbol ist der Kreis. Ich habe die Roundhouse Gallery, ich habe das Earth Lodge Museum. Alles runde Formen, keine Kuben. Die Natur schafft keine quadratischen Formen. Der Mensch macht den Kubus.“ (Gottlieb & Pesic, 1995, S.144-146). Besonders bemerkenswert bei diesem Zitat ist die unmittelbare Bezugnahme auf die Architektur. Die konzeptualisierte Weltordnung und der architektonische Raum scheinen von ähnlicher Bedeutung zu sein und die formale Übereinstimmung zwischen beiden wird als eine Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Der Mittelpunkt und der Kreis sind habituelle Grundprinzipien des Kulturverhaltens geworden. „Es herrscht offenbar das Bestreben, das eigene Leben im Zentrum des Weltalls zu gründen.“ (Campbell, 1989, S.242).

sowie einer annähernd egalitären Gesellschaftsordnung, die kaum Hierarchien und Privilegien kennt. Denn jedes Mitglied hat gleichberechtigten Zugang zu dem „Zentrum der Wirklichkeit“. Auch in unserem Kulturkreis stoßen wir auf Rudimente dieser Ordnung: aus der mittelalterlichen Literatur kennen wir die Tafelrunde des König Artus, die durch ihre Kreisform ebenfalls die Gleichrangigkeit aller dort versammelten Ritter, gleich welchen Standes, ins Bild setzen soll (Keen, 1991, S.51), und man spricht von einem „runden Tisch“, wenn mehrere Kontrahenten zu einer (wenigstens formal) gleichberechtigten Diskussion zusammenkommen, um eine Lösung für ihren Konflikt zu erarbeiten. Das Konzept der Gleichberechtigung ist für dieses Modell der Ordnung offenbar kennzeichnend. Setzt man eine chronologisch fortschreitende Entwicklung der Komplexität gesellschaftlicher Strukturen voraus, ist dieses Welt- und Raumverständnis das einfachste und deshalb auch das älteste, das für uns faßbar ist. Sein Ursprung ist allerdings schwer zu ergründen und kann wiederum nur mit einer Reihe von Erklärungsansätzen angedeutet werden, von denen keiner Anspruch auf alleinige Gültigkeit haben kann. Nach Eliade entsteht die Idee des Zentrums und des daraus abgeleiteten Kreises durch die Vorstellung einer einheitlichen Welt, die in mehrere Ebenen aufgeteilt worden ist - Ebenen, die eine Verbindung, einen Nabel haben müssen (Eliade, 1975, S.254). Die Buschmänner kennen aber noch keine Segmentierung der Welt in verschiedene Regionen, dennoch ist ihr Leben konzentrisch organisiert ohne ein artikuliertes Zentrum zu haben, das z.B. einen Himmel, der von der Erde abgetrennt ist, mit ihr verbinden könnte. Die Vorstellung einer runden Welt muß der Idee des Zentrums also vorangegangen sein. Joseph Campbell vermutet verschiedene Hintergründe für den Archetypus des Kreises. Einerseits sieht er in der Umwelt des Menschen einen Auslöser. In der Savanne, die von einem runden Horizont umfaßt und von einem halbkugelförmigen Firmament überspannt zu sein scheint, entwickelt sich eher die Vorstellung einer kreisförmigen Weltordnung als im Dschungel, der den Blick auf Himmel und Horizont versperrt. Dort sind anthropomorphe Vorstellungen häufiger. Denen zufolge wurde ein ursprüngliches Wesen zerteilt und aus seinen Gliedmaßen wuchsen jeweils Tiere, Pflanzen, Berge, Menschen usw. (Campbell, 2002, S.40ff.). Andererseits sieht Campbell in dem Kreis ein Abbild der menschlichen Psyche, ihrer Erfahrungen und ihrer Fähigkeit, sich selbst zu ergründen. In diesen Zusammenhang stellt er außerdem Erinnerungen an die pränatale Phase, sowie die Wahrnehmung zyklischer Abläufe in der Natur, die z.B. in dem Konzept des Lebenskreislaufs der Buschmänner münden. Er vermutet weiterhin eine Beziehung zwischen der Kreis- bzw. Kugelform und dem tatsächlichen Aufbau der geistigen Funktionen (Campbell, 1989, S.240ff.). Die Kreisform ist seiner Ansicht nach also ein Selbstbild der menschlichen „Seele“ und somit auch ein Abbild der Vorstellung von Gott. „‘Gott ist im Geist eine Kugel, deren Mittelpunkt überall, ihr Umkreis nirgends ist.‘ Dies ist der höchste Elementargedanke, und die Aufgabe aller Völkergedan-

Bereits anhand dieser überschaubaren Anzahl von Beispielen wird deutlich, daß die Vorstellung einer kreisförmigen Ordnung der Welt ein universelles Prinzip zu sein scheint. Die in sich geschlossene Weltvorstellung der Buschmänner hat noch kein konzeptualisiertes Zentrum. Mit der vertikalen Schichtung der „runden“ Wirklichkeit tritt die Notwendigkeit einer Verbindung zwischen den verschiedenen Schichten hinzu. Teil dieser ideellen Wirklichkeit ist die Allgegenwärtigkeit dieses Nabels. Sobald die runde Form der Welt nachvollzogen wird, sei es in der Organisation des Raums oder in einer Geste, hat man sich der „Anwesenheit“ des Zentrums versichert. Dieses habituelle Grundprinzip ist, sofern es vorrangiger Ausdruck einer Kultur ist, oft in einen schamanistischen Kontext eingebunden. Um die Einheit der vertikal geschichteten Welt wieder herzustellen, muß der Weg durch das Zentrum bzw. entlang der Weltachse durch die Löcher in die anderen Ebenen mittels schamanistischer Techniken beschritten werden. Diese Vorstellung kosmischer Raumordnung ist häufig assoziiert mit einer runden, kaum segmentierten Bauweise der Häuser und Dörfer, mit jeweils einem zentraler Pfahl oder Feuer,

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ken besteht darin, die individuellen und sozialen Handlungen, Gedanken und Erfahrungen des alltäglichen Lebens mit dieser Erkenntnis auf flexible Weise zu verbinden.“ (Campbell, 2002, S.43)

Kugel artikuliert, die es mit fortschreitender Entwicklung zu segmentieren gilt (König, 1973, S.26ff). „Das Sphäroid war die ideale Gestalt für den noch undifferenzierten Grundbegriff, denn es ist die einzige vollkommen einheitliche Figur. Zugleich bestätigte sich darin die Beobachtung vom Lauf der Gestirne, die im Bogen über den Himmel zogen und diesen damit als Wölbung erscheinen ließen.“ (ebd., S.34).

Marie E.P. König, die die Entwicklung von Begriffen und kosmologischen Konzepten anhand von Felszeichnungen untersuchte, sieht in dem Kreis und der Kugel den ursprünglichen, noch diffusen Grundbegriff einer allgemeinen Welterfahrung und Orientierung, der erst im Laufe der Zeit weiter differenziert wird. Sie lehnt sich mit ihrem Konzept an die linguistische Vorstellung von dem Flintwerkzeug als „steinernen Begriff“ (A.Gehlen, 1956, 1961) und dessen Entwicklung als „Ausdruck des Denkprozesses“ (R.Pittioni, 1952) an. Der Artefakt sei zunächst nur als Allzweckwerkzeug vorhanden gewesen und mit ihm der universelle Begriff des „Werkens“. Damit wäre die Voraussetzung für alle späteren spezialisierten Werkzeuge und Tätigkeiten geschaffen, deren Denkmöglichkeit in dem ersten Begriff bereits angelegt sind. Mit der primären Idee wird ein Prinzip gefunden, das im Folgenden nur weiter differenziert wird, dessen grundlegende Bedeutung aber bestehen bleibt, ganz im Sinne der Differenztheorie Luhmanns und der ihr zugrundeliegenden Mathematik und Erkenntnistheorie der „Laws of Form“ von John Spencer Brown (Luhmann, 1988; Brown, 1997; Lau, 2005). Alle folgenden Spezialisierungen bleiben dem Wesen nach „Werkzeuge“, auch wenn sie für verschiedenste differenzierte Aufgaben genutzt werden. Diese begriffliche Genese überträgt sie auf die Entwicklung des Weltverständnisses und der Weltbeschreibung, die sich zunächst nur als universelle

Zwar ist die Vorstellung eines ursprünglichen Allzweckwerkzeugs aus archäologischer und ergologischer Sicht heute nicht mehr haltbar, das Konzept der Differenzierung unter Beibehaltung des Grundbegriffs als Grundprinzip erscheint jedoch durchaus plausibel. Als aktuelles Beispiel mag der Begriff des Rock`n´Roll dienen. Ursprünglich bezeichnet er eine klar umrissene Musikrichtung mit festgelegten rhythmischen und harmonischen Strukturen. Im Laufe der weiteren Entwicklung der Popularmusik wurde der Begriff zusehends Synonym für eine grundsätzliche Haltung und einen Lebensstil, sodaß er heute von den unterschiedlichsten Musikern, von Peter Kraus (Schlager) und Brittney Spears (Pop) bis Motörhead (Hardrock) für sich in Anspruch genommen wird, ohne daß die entsprechende Musik als Rock`n´Roll im klassischen Sinne bezeichnet werden kann. Der Begriff ist zu einem grundsätzlichen Prinzip geworden (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S.437-451).

Abb. 56 Schematische Entwicklung des menschlichen Begriffsvermögens nach M.E.P. König (König, 1973, S.29)

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Ein weiteres Erklärungsmodell für das habituelle Grundprinzip der Wahrnehmung der Welt als Kreis kann die heute allerdings stark umstrittene Übertragung der ontogenetischen psychischen Entwicklung auf phylogenetische Bewußtwerdungsprozesse im Rahmen kultureller Strukturen liefern. Auf die analoge Abfolge psychischer und kultureller Entwicklungsstufen wird seitens der Entwicklungspsychologie schon seit langer Zeit hingewiesen, von Kulturwissenschaftlern aber in der Regel als nicht stichhaltig und überholt abgelehnt (Piaget, 1973, 1975, 1980; Schurz, 1986, S.37; Kubli, 1984, 1986, S.43). Sie soll deshalb nur kurz umrissen werden. Die klassischen Stufen der Entwicklungspsychologie, sind die präpersonale, die personale und die transpersonale Stufe (Philipov, 1993, S.256ff.). Die erste der beiden Stufen wurden von Jean Piaget noch weiter unterteilt in die sensomotorische Intelligenz, die noch nicht zwischen Denken und Handeln unterscheiden kann, und die anschauliche Intelligenz, die wiederum in das präkonzeptionelle, symbolische Denken und das darauf folgende anschauliche Denken unterteilt wird. Ontogenetisch entspricht die präpersonale Stufe dem Kleinkindzustand, in dem der Mensch noch nicht unterscheidet zwischen sich und seiner Umwelt, seinen Bedürfnissen und denen anderer. Auch eine Vorstellung realer Räumlichkeit setzt bei Kindern erst mit dem Beginn der personalen Stufe des Bewußtseins ein. Erst diese Stufe macht eine Entwicklung vom Egozentrismus zur Dezentration möglich (Aebli, 1986, S.8, 10; Kubli, 1986, S.42). Die phylogenetische Übertragung der präpersonalen Stufe wird verbunden mit Phänomenen wie dem Animismus, einer unmittelbareren Naturverbundenheit, einer egalitären Ordnung und einem starken Gruppenzugehörigkeitsgefühl (Aebli, 1986, S.8; Kubli, 1986, S.40; Philipov, 1993, S.256ff.). Als Beispiel für eine „präpersonal-präkonzeptionelle“ Gesellschaftsordnung mögen die Buschmänner dienen: Es besteht kein Unterschied zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, denn alle Naturerscheinungen sind transformierte Buschmänner, also auch animistisch beseelt. Es besteht kein hierarchischer Unterschied zwischen den Mitgliedern einer Gruppe. Jedes Fehlverhalten wird zunächst nicht als ein Unrecht am anderen verstanden, sondern vor allem als ein Irrtum, dem man gegen die eigenen Interessen erlegen ist; man schadet also sich selbst, wenn man anderen schadet (Sanders, 1989, S. 107 ff.). Der einzig mögliche, bildhafte Ausdruck dieser präpersonalen, nicht differenzierbaren Sicht der Dinge als Einheit kann wiederum nur der Kreis oder die Kugel sein, da nur sie diese geschlossenen Einheit auszudrücken vermag. Mit der zunehmenden Entwicklung der anschaulichen Intelligenz eines Kindes erweitert sich dessen Weltbild über den akuten Greifraum hinaus und beginnt auch Dinge im Fernwirkraum wahrzunehmen, so auch den Himmel (Grüsser, 1987, S. 53ff; Kubli, 1986, S.40) Es entsteht eine Unterteilung der Welt in eine obere und eine untere Sphäre, die aber beide noch als greifbar gedacht werden. Interessant sind hier wieder die Übereinstimmungen kindlicher und mythologischer Vorstellungen. Wie oben schon angesprochen gibt es in den schamanistischen Überlieferung immer wieder die Vorstellung, Himmel und Erde hätten ehemals viel dichter beieinander gelegen, und seien nach der Trennung „nur

noch“ über die Weltachse und Trancezustände erreichbar. „ J.G. Frazer berichtete in seinem Buch ‚The Worship of Nature‘ (1926) von der in Togo üblichen Vorstellung, daß früher der Himmel so tief gehangen habe, daß man ihn mit den Händen berühren konnte. Nach den Mahlzeiten hätte man sich an ihm die Hände abgewischt.“. Dieser Ablauf entspricht zwar der Chronologie von Piagets Darstellung der kindlichen Entwicklung (Kubli, 1986, S.43), inwiefern kulturelle Strukturen aber wirklich mit entwicklungspsychologischen Stufen analog sind bleibt hochspekulativ und kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Bezüglich der unmittelbaren kulturellen Praxis halte ich schließlich die Feuergemeinschaft, die den Menschen seit der Altsteinzeit begleitet, für einen wichtigen Faktor im Entstehungsprozeß des habituellen kreisförmigen Grundprinzips. Um jedes Lagerfeuer bildet sich immer, auch aus rein pragmatischen Gründen, ein Kreis gleichberechtigter Partizipienten: es ist der Mittelpunkt der menschlichen Alltagswelt. Das Feuer ist lebensspendend, gleichzeitig sinnbildlich für die Vernichtung, also auch Symbol für den Kreislauf des Lebens. Es ist in fast allen Mythen der Welt göttlichen Ursprungs und seine Beherrschung oft mit dem Beginn der Bewußtwerdung des Menschen gleichgesetzt (Golowin, 2002, S.128; Campbell, 2002, S.40). Das Feuer begleitete den Menschen bereits lange bevor er Architektur schuf, also auch lange vor der Errichtung des ersten Mittelpfostens, auf den die Bedeutung des Zentrums entsprechend übergegangen sein kann. Ich gehe davon aus, daß das Zusammenwirken dieser verschiedenen Kausalkomplexe den Archetypus des Kreises und die Vorstellung vom Zentrum als strukturelle und habituelle Grundbegriffe für die menschliche und die kosmische Ordnung etabliert haben. Alle weiteren Entwicklungen sind lediglich Ausdifferenzierungen dieser Grundordnung. Das ursächliche Prinzip bleibt im Kern erhalten.

Abb. 57 Navajo Sandmalerei: Der Kojote steigt in den Himmel zu den Göttern empor, um für die Menschen das Feuer zu holen (Golowin, 2002, S.129). 101

Die nächste mögliche Unterteilung des Raumes, nachdem seine Einheit bereits ideell in vertikaler Richtung segmentiert wurde, findet in der Horizontalen statt. Sie läßt sich in fast allen Kulturen auf die Himmelsbeobachtung, besonders auf die Ortung des Sonnenlaufs zurückführen und findet ihre Form in dem Koordinatenkreuz bzw. der Kompaßrose, die nach den vier Himmelsrichtungen, den Kardinalpunkten, ausgerichtet ist. Diese Aufteilung der horizontalen „Menschenwelt“ läßt sich zunächst problemlos mit dem vorangegangenen Konzept verbinden, in dem der Schnittpunkt der NordSüd-Achse und der Ost-West- Achse mit dem Weltmittelpunkt identifiziert wird. Mit der Fixierung der Himmelsrichtungen wird aber gleich- zeitig der egalitäre Kreis in Frage gestellt, denn es kann jeder Richtung eine bestimmte Bedeutung zugedacht werden. Auf diese Weise ist eine Hierarchisierung des Raumes möglich.

piert sind. Die Form des Kiva bleibt in der nachfolgenden Zeit bis heute unverändert erhalten3. In der nächsten Stufe, Pueblo I (ca. 700 - 900), sind mehrere mehrräumige Gehöfte, sog. Unit Pueblos, um jeweils ein Kiva herum gebaut.

Wie schon weiter oben erwähnt, kennen die Plains-Indianer trotz ihres starken Fokus auf das Zentrum auch die Einteilung der Welt nach den Himmelsrichtungen, denen verschiedene Bedeutungen zugeordnet sind, nach denen sich z.B. die Sitzordnung in den Tipis richtet; die Konzepte des egalitären Kreises und des hierarchischen Kreuzes überlagern sich, es findet aber eine Segmentierung des Raumes statt, die jedoch nicht architektonisch markiert wird (Laubin, 1977, S.103-110). Solche Segmentierungen sind z.B. bekannt von den Mandan-Indianern in Form von Familienbereichen, und von den Ainu, deren einräumige Häuser zwar einen sakralen Mittelpfosten haben, die aber trotzdem in linguistisch markierte hierarchische Bereiche eingeteilt sind (Kent, 1990, S.138; Eliade,1975/1989, S.251). Auch die Navajo haben das Koordinatenkreuz in ihre kosmologischen Vorstellungen integriert und kennen, auch im Rahmen religiöser Zeremonien, eine hierarchische Ordnung der Himmelsrichtungen. Aber auch hier dominiert immer noch das Konzept des Kreises. Zwar wohnen die Navajo heutzutage sowohl in rechteckigen Ramadas, als auch in den runden, traditionellen Hogans, aber nur die Hogans entsprechen der kosmischen Ordnung und haben, neben der profanen Funktion, auch sakralen Charakter. Die Ramadas gelten ausschließlich als profan. Oft werden Hogans nur für zeremonielle Zwecke errichtet und genutzt, während in den rechteckigen Häusern gewohnt wird (Kent, 1990, S.132ff.). Der Raum, der der Ordnung der vertikalen Weltachse gehorcht, also rund ist, bleibt heilig, der Raum, der durch das horizontale Koordinatenkreuz geordnet wird und deshalb den rechten Winkel zuläßt, bleibt dem profanen menschlichen Alltag vorbehalten. Er hat sich gewissermaßen abgespalten.

Abb. 58 Unit Pueblo, Yellowjacket, New Mexico (Cameron, 1999, S.8) In der Phase Pueblo II (900 - 1150) entstehen die ersten Great Houses, in die, trotz vorwiegend rechtwinkliger Raumstruktur, runde Kivas integriert sind (siehe auch Abb. 38, 39, 59). Offenbar wurden die Great Houses von den umliegenden Unit Pueblos als zeremonielle Zentren genutzt, denn es konnten in ihnen so gut wie keine Haushaltstätigkeiten nachgewiesen werden. In den Phasen Pueblo III und IV (1150-1300 und 1300 - 1540) sind diese Great Houses schließlich auch regulärer Wohnort und es bilden sich „Straßenstädte“ (siehe Abb. 28, 39). Während Pueblo III entstehen quadratische Plätze im Zentrum der Great Houses (siehe auch Abb. 38, 60) , die ab 1400 von den offenen Plazas abgelöst werden. Auf diesen rechteckigen Plazas finden heute die meisten, kollektiven Feste und Rituale der Hopi statt (Cameron, 1999, S.7-24). (Siehe Abb. 58-60). „The major environmental function of Hopi pueblo...is not to provide complex interior spaces or a variety of individually expressive buildings but instead to use the buildings to frame a plaza in which ritual dances can be performed and watched.(....) Rituals involved in construction all show a concern for the cardinal directions and recognize that the built structure is a ‚living‘ being“ (Cameron, 1999, S.23, 24).

Eine solche Abspaltung des runden, sakralen Raumes von dem eckigen profanen Raum kann man exemplarisch bei der Entwicklung der Hopi-Pueblos nachvollziehen. Die erste Entwicklungsstufe (vor 700 n.Chr.) besteht aus mehreren runden Grubenhäusern, die um ein zentrales, ebenfalls rundes Grubenhaus, ein Kiva, grup-

Man kann auch davon ausgehen, daß die heutige Verbindung von Clan und Kiva ebenfalls schon in dieser ersten Stufe bestand. Jeder Clan hat sein eigenes Kiva und ist im „Besitz“ einer speziellen Zeremonie, die dort abgehalten wird. Sind die Kivas nicht mit einer bestimmten, bedeutenden Zeremonie assoziiert, kommt es vor, daß sie wiederholt den Besitzer wechseln (Cameron, 1999, S.86; Titiev, 1944, S.104; Whiteley, 1988, S.62). 3

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Die runde Form der Kiva bleibt als Grundprinzip erhalten, wird aber zunehmend von der räumlichen Logik des Koordinatenkreuzes überlagert. Das symbolische „Zentrum der Welt“ wird verlagert und zu einem kommunalen Zentrum in Form eines quadratischen, zentralen Platzes, der nach den Himmelsrichtungen orientiert ist. Die runden Kivas bleiben zwar bestehen und die „heiligeren“ Zeremonien werden immer noch in ihnen abgehalten, aber der größere Teil der Zeremonien, Tänze und Rituale wird heute auf den offenen Plätzen durchgeführt. Die Überlagerung der orthogonalen Ordnung ist mitunter so stark geworden, daß selbst manche Kivas in jüngerer Zeit rechtwinklig und eingenordet gebaut werden (Cameron, 1999, S.23, 86).

tion ist sie besser in der Lage die differenzierter werdende Welt in ihre Struktur zu integrieren.

Abb. 59 „Great House“, Pueblo Bonito, New Mexico (Cameron, 1999, S.9)

Abb. 60 Arroyo Hondo Pueblo, New Mexico (Cameron, 1999, S. 11)

Diese Art der Differenzierung des Raums und der Raumkonzepte sind auch für andere Indianerstämme dokumentiert. Die Gallinomero-Indianer leben in L-förmigen Zelten, die um einen zentralen Platz aufgestellt werden. Auf diesem Platz steht ein rundes, kuppelförmiges Versammlungszelt, in dem rituelle Tänze durchgeführt werden (Morgan, 1881/1965, S.109). Die Algonkin wohnen ebenfalls in großen Zelten mit rechtwinkligem Grundriß. Im Zentrum ihrer Dörfer brennen große Feuer, die von der ganzen Dorfgemeinschaft für soziale und rituelle Zwecke genutzt werden. Zusätzlich hat jedes Dorf ein eigenes Versammlungsund Zeremonialhaus, das im Gegensatz zu allen anderen Gebäuden einen runden oder poligonalen Grundriß hat (ebd. S.120) (siehe Abb.37). In beiden Fällen bleibt die Symbolik des Zentrums auf kommunaler Ebene bestehen und die runde Bauform wird weiterhin mit dem Sakralen assoziiert. Hinzugetreten ist aber eine zweite Organisationsform, die den profaneren Teil des Lebens ordnet.

Die Kosmologien anderer Pueblo-Indianer sind, wie auch die Pueblo-Siedlungen selbst, fast ausschließlich nach den Himmelsrichtungen orientiert. Die Straßendörfer der Anasazi sind nach zeremoniellen Richtlinien streng entlang einer Ost-West-Achse ausgerichtet, die den Weg der Sonne beschreibt (siehe auch Abb. 28, 40) (Stea&Turan, 1993, S.153, 279). Auch die Taos-Pueblo Indianer haben eine Astral-Religion mit einem himmlischen, hierarchischen Pantheon an dessen Spitze die Sonne als oberste Gottheit steht, die mit ihrem Lauf von Ost nach West die Himmelsrichtungen und damit die Ordnung der Welt bestimmt. Auch in der Architektur hat sich der rechte Winkel vollständig durchgesetzt und im Zentrum des Pueblos befindet sich ein quadratischer, nach den Himmelsrichtungen orientierter Plaza, der Schauplatz aller zeremoniellen Handlungen (Morgan, 881/1965, S.155, 165ff.). Die Vierteilung der Welt, die durch das Kreuz der Kardinalpunkte entsteht, wird bei den Zuni genutzt, um alle Naturerscheinungen umfassend zu klassifizieren. Jedem Weltviertel sind eine Farbe, ein Raubtier, eine Nutzpflanze, eine Blume, ein Vogel, eine Strauchart etc. zugewiesen. Neben dieser horizontalen Aufteilung der Erscheinungen werden auch Zenit und Nadir mit ent-

Für Kulturen mit strukturell gefestigter Überlagerung der beiden hier beschriebenen Prinzipien gibt es recht wenig Beispiele. Wie in dem exemplarischen Fall der Hopi scheint die „eckige“ Ordnung des Raums dominanter zu sein als die „runde“ Ordnung und sie im Laufe der Zeit zu verdrängen. Durch das Prinzip der Dezentra-

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sprechenden Attributen bedacht (Levi-Strauss, 1973, S.54ff).

Die Häuser der Merina und der Betsileo auf Madagaskar sind ebenfalls streng nach der kosmischen Ordnung des Koordinatenkreuzes ausgerichtet und die Himmelsrichtungen sind hierarchisch und bedeutsam geordnet. Der Norden ist mit dem Adel assoziiert, der Süden mit Demut und allen geringen Dingen, der Osten ist von sakraler Bedeutung, der Westen ist dem Profanen zugeordnet. Dieser Hierarchie sind auch alle Aktivitäten und Objekte des alltäglichen Lebens untergeordnet: der Schlafplatz der ehrwürdigen Alten ist z.B. in der „heiligen und adligen“ Nordostecke, der Hühnerstall ist an der geringen, niederen Südwand angebracht. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen hierarchischer Position ist die räumliche Höhe, die mit dem Status zunimmt (Kus & Raharijaono, 1990, S.23ff, 29).

Ein Beispiel für eine Überlagerung, bei der aber das Prinzip des Kreises trotz Beibehaltung des Zentrums ebenfalls schon verdrängt worden ist, findet man auf Sumba. Die Welt der Rindi ist einerseits durch ein starkes, dualistisches Prinzip unterteilt, das mit Gegensatzpaaren wie Innen/Außen, männlich/weiblich und heiß/ kalt operiert, andererseits ist sie nach hinduistisch geprägter Vorstellung dem Koordinaten- kreuz unterworfen; die Welt ruht auf vier Weltsäulen und einer zentralen Säule, die den verbindenden Geist dar- stellt. Sie ist der Mittelpunkt, die Weltachse. Sowohl Häuser und Dörfer der Rindi, als auch die ganze Insel werden außerdem eingeteilt in flußauf- und flußabwärts, Kopf, Mitte und Schwanz, sowie nach dem Lauf der Sonne. Der hinduistischen Ordnung (s.u.) entsprechend befindet sich an jedem der vier Eingänge der rechteckigen Dörfer ein Tor-Altar, auf dem Platz in der Mitte, an dem ein männlicher und ein weiblicher Geist wohnen, der zentrale Hauptaltar. Genauso wie die Welt ruhen auch die Pfahlhäuser auf vier Hauptpfosten und haben einen zentralen, den Ahnen geweihten Mittelpfosten. Die Häuser der Clanführer werden Ahnenhäuser genannt und haben über dem Mittelpfosten eine spitzen, kegelförmigen Aufsatz, den „Ahnenschatz“. Sie stehen sowohl hierarchisch, als auch topographisch höher als die gewöhnlichen Häuser. Ebenso gibt es „wichtigere“, höher gelegene Dörfer und untergeordnete Siedlungen, die sich um sie gruppieren. Das Innere der Häuser ist nach der gleichen vertikalen Ordnung organisiert: das Dach ist heilig und den Ahnengeistern vorbehalten, die Plattform ist der menschliche Wohnbereich, und der Bereich unter den Häusern wird vorwiegend zur Tierhaltung genutzt (Waterson, 1991, S.98-100). Zwar ist der Kreis vollständig aus dem architektonischen Raum verschwunden, die vertikale Ordnung der Symbolik des Zentrums hat sich aber erhalten. Allerdings hat sich bereits eine graduelle Dezentration und eine Hierarchie der verschiedenen Zentren innerhalb eines orthogonalen Weltgefüges durchgesetzt. Die einzelnen Häuser sind den Ahnenhäusern untergeordnet, die wiederum dem Hauptaltar des Dorfes, das Dorf dem nächsten „höher gelegenen“ Dorf. Die Bambara in Westafrika leben in großen Dörfern aus ebenfalls rechteckigen Häusern. Jedes traditionelle Dorf bildet in religiöser Hinsicht eine geschlossene Einheit und betreibt einen gemeinsamen Ahnenkult. Ent- sprechend wird nicht jedes einzelne Haus „ins Zentrum der Welt projektziert “ (Eliade), sondern das gesamte Dorf. Jedes Bambara-Dorf hat ein zentrales, heiliges Wegekreuz. Es ist „der Mittelpunkt der Welt und Symbol für den Zustand der Gottheit vor der Schöpfung. Es ist eine Übertragung des Richtungskreuzes, das der Schöpfer zu Beginn der Zeiten in den Raum zeichnete, um den Kosmos zu ordnen,..“ (Haselberger, 1964, S.32ff.). Das Zentrum der Welt ist aus dem individuellen Wohnhaus gerückt und die Vorstellung des Koordinatenkreuzes ist in den Vordergrund getreten. Und diese Ordnung der Welt ist nicht nur ein heiliger, mythologischer Kontext, die Ordnung der Himmelsrichtungen und die Gottheit selbst werden als identisch konzeptualisiert.

In Indonesien wird, wie bei den Rindi, die orthogonale Ordnung der Kardinalpunkte vielfach durch geographische Muster wie z.B. Flußläufe oder Anthro- pomorphisierung ergänzt (s.o.) (Waterson, 1991, S.93ff). Die Siedlungen und Häuser der Atoni auf Timor sind ebenfalls nach den Kardinalpunkten ausgerichtet und nach Gegensatzpaaren wie vorne/hinten, innen/außen, hoch/tief etc. geordnet. Die Hausachsen dürfen nicht west-östlich orientiert sein, da das „der Weg der Sonne“ ist, die das fensterlose Haus nicht „betreten“ darf. Licht und Wärme dürfen ausschließlich vom Feuer ausgehen. Die Häuser haben außerdem zwei übereinanderliegende Dächer, von denen eines funktional völlig sinnlos ist, die „Sonnenschädel“ und „Feuerschädel“ genannt werden. Im übrigen werden die Himmelsrichtungen und Teile des Hauses ebenfalls anthropomorph zugeordnet. Das geht soweit, das die „Knochen“, also Balken, die das Dach tragen, mit statisch nutzlosen „Sehnen“ zusammen- gebunden werden (Waterson, 1991, S.88). Auf Bali ist die Opposition von Bergen und Meer ein essentieller Bestandteil der Kultur. Die Berge, besonders der Vulkan Gunung Agung, sind Sitz der Götter, im Meer hausen die Dämonen. In Süd-Bali werden die Berge mit dem Norden identifiziert, in Nord-Bali mit dem Süden. Die alltägliche Orientierung anhand der Berge ist so wichtig, daß ihr Verlust zu Verwirrung führt und die Ausübung kultureller Praxis mitunter verhindert. Es ist z.B. balinesischen Tänzern nicht möglich zu tanzen, wenn sie nicht wissen, welches die Berg- und welches die Meerseite ist. Die Gehöfte auf Bali, die aus mehreren, um einen eckigen Hof gruppierten Häusern bestehen, sind den acht Haupt- und Nebenhimmelsrichtungen entsprechend unterteilt, wobei der Norden und der Osten die hierarchisch höherstehenden Himmelsrichtungen sind. Demzufolge ist auch das Schlafgebäude des Hausherren im Norden, der wichtigste Schrein im Nordosten und das Zeremonial- und Empfangshaus im Osten. Im Süden befinden sich Küche und Speicher. Die Ordnung der Himmelsrichtungen wird auf der Ebene des Wohnraums ergänzt durch eine Anthropomorphisierung des Raums, die wiederum mit der hierarchischen Ordnung korrespondiert. Der Norden, der private Bereich des Hausherren, entspricht dem Kopf und hängt zusammen mit dem Denken, Träumen und Schlafen. Westen und Osten sind die Hände und werden entsprechend assoziiert mit Aktivitäten im wirtschaftlichen und

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zeremoniellen Sinne. Dementsprechend sind im Osten die Zeremonial- und im Westen die Wirtschaftsgebäude errichtet. Der Süden, in dem Küche und Speicher untergebracht sind, entspricht dem Verdauungstrakt des Menschen. Der zentrale Hof gilt als der Nabel des Hauses und dient als sozialer Bereich. Die Idee des Zentrums besteht prinzipiell noch, sie hat ihre Bedeutung aber an die hierarchische Ordnung abgetreten (Waterson, 1991, S.97ff.).

ten Segmente des Himmels werden jeweils einer Gottheit zugeordnet. Im Nordosten residierten Tinia (Jupiter) und Uni (Hera), im Süden wirken die Gottheiten der Erde und der Natur, der Nordwesten ist den Unterweltgöttern vorbehalten. Zusammenge- nommen bilden die Himmelsregionen das Templum, die heilige Ordnung der Welt. Diese Ordnung wird auf alle Erscheinungen übertragen (Camporeale, 1992, S.79; Prayon, 2004, S.17 ff.). Wird das Koordinatenkreuz auf die Perspektive des Menschen projiziert, gilt der Süden als Pars Antica, als vorderer Teil, der Norden, Pars Postica als hinterer. Der Westen, Pars Hostilis, wird mit der rechten Seite und den feindlichen Aspekten assoziiert, der Osten gilt als Pars Familiares, als der freundliche, links gelegene Teil (Stützer, 1975, S.159, 167). Dieselbe Ordnung wird auch für die divinatorische Leberschau und die Blitzdeutung gebraucht. Auf einem Modell einer Schafsleber aus Piacenza fand sich die gleiche Unterteilung in sechzehn radiale Felder. Genau wie der Himmel ist also auch die Leber ein Templum (Camporeale, 1992, S.80; Pallotino, 1965, S.134; Prayon, 2004, S.17). Tempel-, Haus- und Städtebau basieren ebenfalls ausschließlich auf diesem Ordnungsprinzip. Die Siedlungen werden von einem streng ausgerichteten Straßenkreuz, bestehend aus Cardo und Decumanus, in vier Segmente unterteilt, in denen sich die Ordnung in kleinerem Maßstab in Form von Insulae fortsetzt. Die recht- winkligen Hofhäuser, wie z.B. die in Marzabotto/Misa, bilden die kleinsten Einheiten des Rasters (Stützer, 1975, S.27ff.; Camporeale, 1992, S.76; Prayon, 2004, S.20). Diese Art städtischer Architektur, besonders die Tempel- architektur, wurde von den Römern später weitgehend übernommen (Krauss, 1967, S.22; Rakob, 1967, S.153 ff.)

Die Häuser der Toraja auf Sulawesi sind alle nach Norden, dem „Kopf des Himmels“ ausgerichtet, der mit den Flußquellen und dem Wohnsitz des obersten Gottes Puang Matua assoziiert wird. Der Osten steht für das Leben, der Westen für den Tod, der Süden, der Schwanz des Himmels, steht für das Leben nach dem Tod. Gleichzeitig wird jeder Himmelsrichtung eine bestimmte Farbe zugewiesen und ein Zeitabschnitt. Daraus ergibt sich eine ideelle Orientierung, eine rituelle Ordnung des Hausinneren und eine zeitliche Abfolge ritueller Handlungen. Jede Himmelsrichtung und damit jede Hauswand wird mit bestimmten Opfergaben und -zwecken in Zusammenhang gebracht (Waterson, 1991, S.94). Die Ordnung des Wohnraums in Laos wird bestimmt durch die Lage zum nächsten Fluß. Nördlich entspricht im Laotischen, wie in den meisten Tai-Sprachen, den Begriffen für oben und aufwärts, Süden denen für unten und abwärts (R. Mischung, persönl. Mitteilung). Dementsprechend werden, orientiert an dem Mekong, flußauf- und flußabwärts auch mit Norden und Süden gleichgesetzt und ergänzt durch die Richtungen des Sonnenauf- und -untergangs, wodurch wiederum ein Koordinatenkreuz entsteht. Die rechteckigen Pfahlbauten werden mit ihren Firsten parallel zum Fluß ausgerichtet. Der flußaufwärts gelegene Dorfteil, der „Kopf“ des Dorfes, ist immer älter als das flußabwärts gelegene „Ende“. Die Richtung flußabwärts bzw. der Süden werden, wie bei den Toraja, mit dem Tod identifiziert. Deshalb schläft man immer in Ost-West-Ausrichtung. Erst die Toten werden mit den Füßen nach Süden aufgebahrt und so auch aus dem Haus getragen (Clement, 1982, S.62-70). Zwar gibt es in den laotischen Häusern auch noch einen heiligen Pfosten, den Sao Kwhan, der dem Ahnenkult dient und an dem Opfergaben dargebracht werden, aber er befindet sich nicht mehr im Zentrum des Hauses, sondern in dem durch Sichtachsenbrüche als privat gekennzeichneten Bereich. Der Ahnenkult spielt nicht die alles beherrschende Rolle im religiösen Alltag. Neben ihm sind der Buddhismus und ein chthonisch geprägter Geisterglauben wichtige Bestandteile der Spiritualität. Die vertikale Ordnung der Ahnen ist aus dem Zentrum verdrängt, die horizontale Ordnung dominiert (Charpentier, 1982, S.49ff.; Rishöj, 1982, S.115ff.).

In der etruskischen Grabarchitektur herrscht zunächst die Nachbildung des Wohnhauses in Form einer Hausurne oder einer entsprechenden Grabkammer vor, die von runden Erd- oder Steinhügeln, den Tumuli, bedeckt werden. Sie sind zunächst ohne System locker auf den Nekropolen verteilt. Während des sechsten Jahrhunderts v. Chr. setzt sich auch auf diesen Friedhöfen das Prinzip von Cardo und Decumanus durch und schließlich werden die Tumuli durch rechteckige Würfel oder Fassadengräber ersetzt. Die runde Grabform ist offenbar ein Rudiment der Hausund Grabarchitektur der Villanova-Kultur (9. - 8. Jhd. v. Chr), aus der die Etrusker hervorgegangen sind. Die Villanova-Häuser, die ebenfalls als Vorbild für Hausurnen dienten, waren zunächst rund, wurden dann aber von eckigen Formen verdrängt, während bei den Hausurnen weiterhin die runde Form beibehalten wurde (Prayon, 2004, S.22; Hoffmann, 2004, S.26, 28). Das ursprüngliche runde Prinzip hat sich nur im sakralen Bereich der Totenverehrung und Bestattung länger erhalten können. Die Welt der Lebenden wurde bereits nach der komplexeren orthogonalen, aber nach wie vor in religiöser Vorstellung begründeten Ordnung der Welt gestaltet.

Ein Raumkonzept, das sich für Europa als prägend erwiesen hat, stammt aus der Disciplina etrusca, dem Weltkonzept der Etrusker. Der Kosmos ist nach den Kardinalpunkten ausgerichtet und in 16 Sektoren unterteilt. Die beiden Hauptachsen werden als Cardo (N-S) und Decumanus (O-W) bezeichnet. Die derart unterteil-

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Abb. 61

16-teiliges Himmelskreuz gemäß der Disciplina Etrusca (Prayon, 2004, S.17)

Die Vorstellung der griechischen Weltordnung ist ebenfalls an dem Koordinatenkreuz orientiert und hat den vormals rein spirituellen Mittelpunkt der Welt geographisch festgelegt. Zeus ließ aus den tiefsten Ecken des Kosmos zwei Adler fliegen und dort, wo sich ihre Bahnen kreuzten, in Delphi, befand sich der Nabel der Welt, der Omphalos. Interessanterweise ist auch in diesem Zusammenhang das Zentrum wiederum Schauplatz eines Rituals mit schamanistischen Zügen, nämlich des delphischen Orakels, das die Pythia zum Sprachrohr des Gottes Apoll werden ließ und so die Trennung der menschlichen und göttlichen Sphäre zu überwinden ermöglichte (Vandenberg, 1979, S.172; Herder Spektrum, 1981, S.157ff. ; Brunner et al. 1990, 534ff.; Papapyriaku, Internet, 2000). Die griechischen Städte sind, wie die etruskischen, idealerweise entsprechend der orthogonalen Ordnung der Welt, der „göttlichen Norm“ (Anaximander), völlig dem Raster unterworfen, wie z.B. Priene und Milet. Der Wohnraum ist durch die Dezentration des spirituell-religiösen Weltzentrums vollständig profanisiert. Als Beispiel dafür seien die rein pragmatischen Baurichtlinien Xenophons genannt, in denen die Form eines Hauses unter rein klimatisch zweckmäßigen Gesichtspunkten betrachtet wird (Martin & Stierlin, 1977/1994, S. 179, 180ff.; Herbig, 1993, S.148ff, 159ff).

Hälften und bringt so die „obere“ Welt der Götter und die „untere“ Welt der Menschen hervor, verbunden werden beide durch den Berg Meru im Zentrum der Welt (McGee, 1997, S.24ff.; Golowin, 2002, S.68; Eliade, 2002, S.18). Im übrigen ist die Welt nach der Ordnungszahl Vier organisiert. Die Weltordnung Dharma ruht auf vier Beinen. Es gibt vier verschiedenen Kasten, das Leben ist in vier Stadien unterteilt und gehorcht den vier Lebenszielen. Und schließlich wird Indien, das heilige Mutterland, in jeder der vier Himmelsrichtungen von einem Elephanten bewacht (McGee, 1997, S.16-29, 47). Die hinduistischen Tempelbauten und Stadtpläne werden von Priester-Architekten streng nach quadratischen Rastern konstruiert, die auf Mandalas basieren, Diagrammen, die die kosmische Ordnung abbilden und streng nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet sind (Henn, 1977/1994, S.4; Volwahsen, 1977/1994, S.45). Das wichtigste Mandala ist das Vastu-Purusha-Mandala, in dessen Mitte das Pada, das Teilquadrat des göttlichen Ur-Prinzips Brahman liegt. Um dieses Zentrum sind die Padas aller anderen Götter angeordnet. Gleichzeitig wird diese Weltordnung aber anthropomorphisiert. „Alles Sein spiegelt sich in diesem magischen Quadrat. Es ist ein Abbild der aus dem Kreis hervorgegangenen quadratischen Erde, es ist aber auch der Leib des geopferten Urmenschen Purusha. Mensch und Erde entsprechen einander in diesem Bild.“ (Volwahsen, 1977/1994, S.44). Die Ordnung des Quadrats gilt als heilig und mitunter wird in antiken Architekturlehrbüchern darüber gestritten, ob das Wohnen in quadratischen Städten nur der obersten Kaste, den Brahmanen vorbehalten sein sollte.

Auch in der hinduistischen und der darauf basierenden buddhistischen Tradition tauchen zahlreiche der beschriebenen Vorstellungen und Raumkonzepte auf. Als Ursprung der hinduistischen Welt gilt „das goldene Ei des Schöpfergottes Brahma“, in dem alle Erscheinungen des Universums erhalten sind. Es zerbricht in zwei

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Üblicherweise werden die Städte aber segmentiert und jeder Kaste ein Viertel zugesprochen. „Der Brauch, bestimmte Stadtteile für eine bestimmte Kaste zu reservieren, wird in den Architekturlehrbüchern durch den Hinweis auf das Bild der Erde und des Himmels als ‚Berg Meru‘ gerechtfertigt: aus dem unendlichen Weltmeer steigt die manifestierte Welt pyramidenförmig auf. Die vier Dreiecke, welche die Pyramide bilden, sind von verschiedener Farbe. Das weiße Dreieck ist der Wohnort der Brahmanen, das rote gehört Kshatryas, das gelbe den Vaishyas und das schwarze Dreieck den Shudras. Die Kasteneinteilung ist also nicht nur eine gesellschaftliche Übereinkunft, sondern gehört ebenso wie die Teilung der Welt in vier Himmelsrichtungen zu den Gesetzen, die diesen Kosmos gestalten.“ (Volwahsen, 1977/ 1994, S.47) Andere Siedlungen, wie z.B. Tempelstädte, folgen ausschließlich dem konzentrischen Muster einer um das Brahman angeordneten Welt.

Abb. 63 Die Tempelstadt Srirangam, Abbild der in konzentrischen Ringen um das Brahman liegenden Welten(Volwahsen, 1977/1994, S.56)

Auch die buddhistischen Stupas, die ursprünglich Grabhügel und Reliquienschreine waren, sind im Prinzip den Manadalas nachempfunden. Sie stehen auf einer oder mehreren zunächst runden, später quadratischen, streng nach den Himmelsrichtung orientierten Terrassen, auf denen sich eine halbkugelförmige Kuppel (Anda = Ei) oder weitere, runde Terrassen erheben. Darauf wiederum steht der Harmika, der als der Berg Meru, der Weltmittelpunkt, verstanden wird, und entweder würfelförmig oder ebenfalls in Form eines Stupa ausgeführt ist. Er wird abschließend gekrönt von einem Mast, der die Weltachse darstellt und die oberen Götterwelten in Form von Schirmen trägt (Volwahsen, 1977/1994, S.89ff.; Scarre, 1990, S. 260; Brunner et al. 1993 Bd.III, S. 451; Hermann et al., 1984, Bd.II, S.300). Die runde Form ist im Gegensatz zu dem Formenkanon des Hinduismus wieder von stärkerer Bedeutung. Der Buddhismus kennt kein Kastensystem und die Bedeutung der verschiedenen Götter mit ihrer gerasterten Weltordnung ist der vereinheitlichten Idee der „Buddhanatur“, die allem innewohnt, gewichen. Die Symbolik des Zentrums ist wieder stärker in den Vordergrund gerückt und mit ihr die sakrale runde Form, die sich in dem Stupa ausdrückt, der gleichzeitig Weltmodell und Sinnbild der Erleuchtung Buddhas ist (Volwahsen, 1977/ 1994, S.89ff.; Rotem,1997, S.54ff.).

Abb.62 Vastu-Purusha-Mandala aus einem alten indischen Architekturlehrbuch (Volwahsen, 1977/1994, S.44)

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Abb. 64

Himmels an Land geworfen. Der Kulturheros Yü legte anschließend die neun Regionen der Welt für die Menschen trocken. Die neun Regionen entsprechen den acht Himmelsrichtungen, ihr Zentrum ist dem “Himmelssohn”, also dem Kaiser vorbehalten. Wie eng die orthogonale Vorstellung der Welt mit dem solaren Orientierungssystem zusammenhängen, machen die chinesischen Schriftzeichen “Ri” (Sonne, Tag, Datum) und “Tai” (Feld, Acker) deutlich. Das “Ri” zeigte bereits in der ältesten faßbaren Form, der Orakelschrift (Shang-Dynastie, 16. - 11. Jhd. v. Chr.), einen Kreis oder ein Rechteck, das von einer querlaufenden Linie durchzogen ist, offenbar die rechteckige Erdfläche oder die Sonnenscheibe mit der Bahn der Sonne von Osten nach Westen. Das “Tai”, das ebenfalls schon in der Orakelschrift unverändert seine heutig Form aufweist, zeigt klar die horizontale Ordnung der Welt: ein rechteckiges Feld, das mittels des Koordinatenkreuzes in vier gleich große Flächen unterteilt wird. Der Bezug auf astronomische und geographische Erscheinungen dieser frühen Piktogramme der Orakelschrift gilt unter Sinologen als gesichert. Auch das Zeichen für “Tu” (Erde), das in vielen Variationen als Kompositum verwendet wird und für Territorium ebenso wie für Erdboden stehen kann, kann wohlmöglich diesem Kontext zugeordnet werden (Feng Zhiwei, 1994, S.13ff., 67, 89; Unger, 1989; Rothstein, persönl. Mitteilung).

Rekonstruktion des großen Stupas von Sanchi (Volwahsen, 1977/1994, S.91)

In den stark hierarchisierten, komplexen Gesellschaften ist das „Zentrum der Welt“, das ursprünglich als omnipräsent konzeptualisiert wurde, endgültig von seinen Symbolen verdrängt und damit aus dem Lebensbereich der Menschen gerückt worden. Heilige Orte wie Delphi, die Zikkurati Mesopotamiens, die mesoamerikanischen Tempelpyramiden, Lhasa, der Berg Abu, die Bodhnath Stupa in Katmandu, die Kaaba in Mekka oder der Tempelberg in Jerusalem sind nicht länger nur Sinnbilder für den Mittelpunkt und die Achse der spirituellen Wirklichkeit, sie selbst sind der geographisch faßbare Mittelpunkt der Welt geworden (Campbell, 2002, S.44, 58, 59). Wenn ein Moslem betet, wendet er sich immer in Richtung Mekka, egal wo er sich auf der Welt befindet. Die Ordnung des bewohnten Raums und die Gestalt seiner architektonischen Umgebung spielen dabei keine entscheidende Rolle mehr. Die Wohngebäude in solchen Gesellschaften werden häufig noch aufgrund klimatischer Zweckmäßigkeit oder religiös begründeten Normen und Konventionen ausgerichtet und gestaltet, Form und Orientierung sind aber nicht mehr unmittelbarer Ausdruck religiöser Praxis. Das Wohnhaus spiegelt nun vor allem soziale Wirklichkeit wieder, es ist weitgehend profanisiert und hat seine sakrale Bedeutung an verschiedenste Stätten religiöser Ausübung verloren, an denen sich der Kreis und die Symbolik des Zentrums weiterhin erhalten können.

Ri:

日 Tai: 田 Tu: 土

Ein weiteres Ordnungsschema sind die 5 Elemente, die als essentiell für alle Erscheinungsformen gelten und auch mit Himmelsrichtungen assoziiert werden. Der Norden ist gleichbedeutend mit Wasser, Schwarz, Schildkröte und Winter, der Süden mit Feuer, Rot, Vogel und Sommer, der Westen steht für Metall, Weiß, Tiger und Herbst, der Osten für Holz, Blaugrün, Drachen und Frühling, und die Mitte schließlich für Erde, Gelb und den Menschen. Alle Handlungen, auch die räumliche Ordnung der T´ang-Zeit, waren auf einen Ausgleich dieser Elemente ausgerichtet, sodaß nicht nur Städte, Häuser und Paläste entsprechend gestaltet waren, sondern selbst auf einer abstrakten Ebene wie der staatlichen Organisation alle Institutionen einem Element und einer Himmelsrichtung zugeordnet waren (Schafer, 1968, S.106). Alle Architektur, vor allem die kaiserlichen heiligen Hallen, wurden als Bühnen für das kosmische Drama begriffen. Der Kaiser selbst wurde, wie oben schon erwähnt, mit dem Weltmittelpunkt identifiziert. Der Philosoph Wang Ch´ung schrieb, daß “der Anblick des Gottkönigs...dasselbe ist, wie der Aufstieg zum Himmel; der Aufstieg zum Himmel gleicht dem Aufstieg auf einen Berg.”(ebd. S.108). In den Städten Alt-Chinas finden wir also sowohl die extrem örtlich dezentrierte und sogar personalisierte Symbolik des Zentrums wieder, die mit klassisch schamanistischen Konnotationen wie der Himmelsreise verbunden ist, als auch ein starres orthogonales Ordnungsprinzip, das sich durch alle menschlichen Lebensbereiche zieht und gerasterte Städte wie vom Reißbrett hervorbringt, wie die t´ang-zeitliche Hauptstadt Changan (Schafer, 1968, S.109).

Ebenfalls ein Raster und die Vorstellung einer entsprechenden göttlichen Ordnung gaben auch den chinesischen Städten der T´ang-Zeit (bis 907 v. Chr.) ihre Gestalt. Nach einem alten Schöpfungsmythos wurde der Himmel von der Göttin Nü Kua aus fünf farbigen Steinen erschaffen und auf vier Beinen aufgestellt, die sie vorher einer riesigen Meeresschildkröte abgeschnitten hatte (Schafer, 1968, S.101ff.). Neben dieser Darstellung gibt es auch die Vorstellung von 5 Bergmassiven, jeweils an den vier Weltecken, sowie in deren Zentrum, die Himmel und Erde miteinander verbinden. Die Berge werden auch als Sitz der Götter verstanden (ebd. S.104). Die Erde selbst wird als flache, quadratische Scheibe konzeptualisiert, die nach einem magischen Diagramm geordnet ist, dessen Zahlen immer die Quersumme 15 ergeben. Das Diagramm habe der Fluß Lo auf Befehl des 108

Abb. 65 T` ang- Hauptstadt Changang (Schafer, 1969, S.109)

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Abb. 66 Kosmologisch-habituelle Raumorganisationsprinzipien Von der runden Ordnung der Welt zum Koordinatengitter: Stufen der Dezentration (Entwurf des Autors) Fügt man diese verschiedenen Raumkonzepte zu einer chronologischen Reihung, ergibt sich obiges Schema.

zwischen der Geisterwelt oder Ahnenwelt und der Menschenwelt können durch schamanistische Seelenreisen entlang der Weltachse ausgeglichen werden. Der räumliche Ausdruck dieser Vorstellung ist der unsegmentierte Kreis mit einem markierten unmittelbar zugänglichen Zentrum. Dieses Schema wird im nächsten Schritt (c) ergänzt durch das Koordinatenkreuz der Kardinalpunkte, das sich aus einer Orientierung an den Gestirnen, vor allem der Sonne ergibt. Es entsteht richtungsgebundene Bedeutung und damit die Möglichkeit hierarchischer Ordnung, die sich aber noch der Symbolik des Zentrums und ihrer egalitären Ordnung unterordnet. In der Ausrichtung der Welt nach dem Sonnenlauf, die linguistisch immer noch verankert ist in dem Begriff “Orientierung” (Seebold, 1995, S.604), und den daraus hervorgehenden vier Himmelsrichtungen ist bereits das Konzept des Vierecks, also des rechteckigen Raumes (d) enthalten. Die richtungsgebundene Bedeutung setzt sich schließlich durch und überlagert den egalitären Kreis. Der Raum kann hierarchisch geordnet, segmentiert und

Am Anfang der Entwicklung steht die Vorstellung von einem unsegmentierten, einheitlichen Universum, in das der Mensch vollständig integriert ist (a). Es gibt keine Opposition von Mensch und Natur und keine Hierarchie. Das Weltbild ist egalitär, animistisch und präkonzeptuell. Der räumliche Ausdruck dieser habituellen Geisteshaltung ist der unsegmentierte Kreis. Die erste Unterteilung, die der Welt widerfährt, ist die Trennung des Himmels von der Erde, bzw. die Trennung der Menschenwelt von der Welt der Geister und Ahnen. Diese Trennung ist vertikal, sie läßt ein Unten und ein Oben entstehen. Da beide Teile als vormals zusammengehörig konzeptualisiert werden und immer noch aufeinander einwirken, muß es eine Verbindung dieser Teile geben, eine Achse, einen Nabel im Zentrum der Wirklichkeit (b). Begibt man sich in dieses spirituelle Zentrum, wird der Kontakt zwischen den Ebenen wieder hergestellt und die Teilung überwunden. Diskrepanzen 110

anthropomorphisiert werden. Diese Stufe entspricht entwicklungspsychologisch dem ontogenetischen personalen Bewußtsein (Piagets konkret operatorischer Intelligenz) und ist gekennzeichnet durch eine Loslösung vom Egozentrismus zu Gunsten einer Dezentration. Kennzeichnend für die so entstandenen orthogonalen Strukturen ist, daß sie erweitert werden können. Das einfache Kreuz kann in Form eines Gitters fortgesetzt werden (e). Die kreuzförmige Ordnung wird in einem größeren Maßstab wiederholt und es entsteht ein neuer Kreuzungspunkt der geographischen Hauptachsen, ein neuer kommunaler Mittelpunkt, dem die Kreuzungspunkte der einzelnen Elemente (d) untergeordnet sind. Zwar wird in (e) das gleiche Organisationsprinzip wie in (d) angewandt, aber die Ausweitung zum Gitter ermöglicht eine endgültige Verlagerung des Zentrums aus den einzelnen Wohneinheiten, die sich durch Erweiterung des Rasters beliebig fortsetzen läßt. Daraus folgt wiederum eine zunehmende Segmentierung und potentielle Hierarchisierung des Siedlungsraums. Mit der Verlagerung der Weltachse aus dem Mittelpunkt des Hauses geht auch eine Trennung von eindeutig sakralem und vorwiegend profanem Raum einher. Durch diese Trennung wird eine Kontrolle des sakralen Raums möglich und dadurch schließlich eine Kontrolle des Sakralen selbst. Eine Trennung der Religion in Esoterik und Exoterik wird impliziert. Ob diese modellhafte Abfolge der habituellen Raumorganisationsprinzipien auch der tatsächlichen chronologischen Entwicklung des kulturellen Raums entspricht, wird sich in Abschnitt V.2. zeigen.

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III. 4. Modellbildung: Kultureller Tatbestand und Ordnung des Raums

Wahrscheinliches kulturelles Ensemble: • vorwiegend multifunktionaler Wohnraum • Differenzierung des Raums findet, wenn überhaupt, auf kommunaler Ebene statt • mögliche Gemeinschaftsgebäude werden vorwiegend rituell genutzt • Bildung von Familienclustern innerhalb des Siedlungsareals möglich • geringfügiges ökonomisches Gefälle unter den Haushalten • Privatbesitz auf Haushaltsebene, allokative Ressourcen unterstehen eher gemeinschaftlicher Kontrolle • das Streben nach Individualbesitz wird durch ausgleichende Mechanismen wie z.B. institutionalisierte Redistribution kontrolliert • Gemeinschaftliches Arbeiten ist üblich • sozio-politisches Ansehen und Einfluß ist vor allem durch individuelle Leistungen, kaum durch Abstammungslinie bestimmt • schwach ausgeprägtes, z.T. zeitlich begrenztes Häuptlingstum oder Ältestenrat • Raumsegmentierung hängt eher mit sozialen Kategorien wie Alter und Geschlecht zusammen, als mit differenzierter Verortung von Arbeitsvorgängen • matrifokale und patrifokale Gesellschaftsordnung möglich

Für die angestrebte Untersuchung ist es notwendig, die in Abschnitt III.3. beschriebenen Zusammenhänge von Wohnarchitektur und kulturellen Gegebenheiten und die sich daraus ergebenden Wahrscheinlichkeiten gewisser Ensembles noch weiter zu schematisieren. Die im Folgenden gebildeten Modelle sollen in erster Linie der quantitativen Erfassung und Auswertung von Fundorten in Abschnitt V dienen. Es sollen schlichte Grundmodelle im heuristischen Sinne herausgearbeitet werden. Für die qualitative Auswertung einzelner Fundorte in Abschnitt VII sollen die verschiedenen, regelhaften und detaillierteren Ableitungen des vorangegangenen Kapitels verwendet werden. Als Modelle habitueller Raumorganisation mit kosmologischem Hintergrund sollen die in Abbildung 65 dargestellten Entwürfe genutzt werden. Sie werden im Weiteren mit KH-a bis KH-e (KosmologischHabituelle Raumorganisationsprinzipien) bezeichnet. Sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp I Egalitäre Gemeinschaften (SR I) Siedlungsform: • unsegmentierte, kleine Rundhütten, die Kernfamilien Raum bieten • offene, kleine Siedlungen ohne Parzellierung • zentrale Freiflächen • Wirtschaftsflächen befinden sich im kommunalen Bereich, nicht in den Häusern

Exemplarische Ethnien: • Navajo Sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp III Kompositäre Haushaltsgemeinschaften (SR III)

Wahrscheinliches kulturelles Ensemble: • nicht stratifizierte, egalitäre Gemeinschaft • individueller Einfluß lediglich als primus inter pares möglich • Hausgemeinschaften bestehen aus Kernfamilien • kaum Privatbesitz • kommunale ökonomische Kooperation • minimale Arbeitsteilung und minimale Differenzierung der Geschlechter • Differenzierung des Raums ist, falls vorhanden, sozialer Natur • Flächen werden multifunktional genutzt

Siedlungsform: • Große Gemeinschaftshäuser ohne oder mit homogener Segmentierung • keine Parzellierung der Siedlungsfläche • zentrale, architektonisch gekennzeichnete Gemeinschaftsgebäude oder Freiflächen möglich Wahrscheinliches kulturelles Ensemble: • vorwiegend multifunktionaler Wohnraum • mögliche Differenzierung des Raums und dessen monofunktionale, meist rituelle Nutzung auf kommunaler Ebene • Hausgemeinschaften bestehen aus Verwandtschaftsgruppen, Altersklassen oder ganzen Dorfgemeinschaften • Segmentierung, falls vorhanden, trennt Kernfamilien, Feuergemeinschaften oder Geschlechter • Individualinteressen sind den Gruppen- oder Sippeninteressen untergeordnet • gemeinschaftliche Kontrolle allokativer Ressourcen und kommunale ökonomische Kooperation • bei segmentierten Häusern ist geringfügiges ökonomisches Ungleichgewicht zwischen den Kernfamilien möglich • schwach ausgeprägtes Häuptlingstum oder Ältestenrat ohne erblichen Status oder Klassen • Teilspezialisierung in rituellen, militärischen und ähnlichen Angelegenheiten möglich

Exemplarische Ethnie: • Buschmänner Sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp II Homogene kommunalistische Gemeinschaften (SR II) Siedlungsform: • einräumige oder geringfügig segmentierte Häuser • symbolische Markierung von Wohnbereichen möglich • wenige untergeordnete Wirtschaftsgebäude möglich • geringe Unterschiede in Größe und Ausführung der Häuser • nicht oder kaum parzellierter Dorfverband, mögliche Gruppen- oder Clusterbildung • einzelne architektonisch hervorgehobene Gemeinschaftsgebäude oder Freiflächen

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• Arbeitsteilung und Differenzierung der Geschlechtern kann stärker ausgeprägt sein als bei den Raumorganisationstypen I und II • matrifokale und patrifokale Gesellschaftsordnung möglich

• Gehöftherren sind jeweils autark und gleichberechtigt • ökonomisches Ungleichgewicht deutlicher ausgeprägt • regionale Häuptlingstümer möglich • Arbeits- und Geschlechtertrennung üblich • patrifokale Gesellschaftsordnung wahrscheinlicher

Exemplarische Ethnien: • Mandaner, Irokesen, Iban

Exemplarische Ethnien: • Kapaku, Tikar, Kasena, persische Bevölkerung der Gilan-Ebene

Sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp IV Komplexe kommunalistische Gemeinschaften (SR IV)

Sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp VI Komplexe Zweckgemeinschaften (SR VI)

Siedlungsform: • dichte Siedlungen oder Cluster aus mehrräumigen Wohneinheiten • Wohneinheiten variieren moderat in der Größe • Freiflächen auf kommunaler Ebene • monofunktionale kommunale Gebäude für rituelle Zwecke • monofunktionale Werkstätten im öffentlich zugänglichen Bereich

Siedlungsform: • Gehöfte oder große, segmentierte Häuser verschiedener Größen im geschlossenen Siedlungsverband • Einfriedung der Siedlung wahrscheinlich • auch bei Clusterbildung bleiben Baukörper unabhängig • Parzellierung des Siedlungsareals • Freiflächen innerhalb der Wohnbauten, kaum öffentlich genutzte Flächen • Hauseingänge von öffentlichen Flächen abgewendet oder durch Sichtachsenbrüche geschützt • Gemeinschaftsbauten möglich

Wahrscheinliches kulturelles Ensemble: • Haushaltsgemeinschaften bestehen aus erweiterten Kernfamilien • Individualinteressen sind den Gruppen- oder Sippeninteressen untergeordnet • Abstammungslinien und Sippenzugehörigkeit von Bedeutung, ritueller und sozio-politischer Satus können erblich sein • hoher sozio-politischer Status ist in der Regel verbunden mit starker ritueller Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft • Gemeinschaftliche Kontrolle (durch Repräsentanten) allokativer Ressourcen, differenzierte Nutzungsrechte möglich • gemäßigtes ökonomisches Ungleichgewicht zwischen den Haushalten wahrscheinlich • Arbeitsteilung und Differenzierung der Geschlechter ist üblich

Wahrscheinliches kulturelles Ensemble: • Hausgemeinschaft besteht aus erweiterter Familie • patrifokale Gesellschaftsordnung • individueller Besitz und erbliche Nutzungsrechte • Interessen der Hausgemeinschaft gehen vor den Interessen der Siedlungsgemeinschaft • Konkurrenz unter den Haushalten • Siedlung ist Zweck- oder Zwangsgemeinschaft • ökonomisches Ungleichgewicht deutlicher ausgeprägt • Arbeits- und Geschlechtertrennung ausgeprägt Exemplarische Ethnien: • traditionelle islamische Siedlungen wie marokkanische Ksour und ländliche Siedlungen Persiens

Exemplarische Ethnien: • Pueblo-Indianer • Dogon

Sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp VII Komplexe stratifizierte Gemeinschaften (SR VII) Siedlungsform: • mehrere typologisch deutlich unterscheidbare Hausformen innerhalb einer Siedlung • deutliche Unterschiede in Größe und Ausführung der verschiedenen Haustypen • Parzellierung des Siedlungsareals bzw. viele als privat gekennzeichnete Freiflächen • verschiedene öffentliche Gebäude

Sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp V Gehöftgemeinschaften (SR V) Siedlungsform: • Große, segmentierte Einzelbauten oder mehrere, deutlich zusammengehörige, schwach segmentierte Wohngebäude, jeweils mit untergeordneten Wirtschaftsgebäuden • Einfriedung und Segmentierung der Freiflächen des Gehöfts • isolierte Siedlungsweise oder Streusiedlung • deutliche Unterschiede in Größe und Ausführung möglich

Wahrscheinliches kulturelles Ensemble: • stark differenziertes sozio-ökonomisches, hierarchisches Gefüge mit Zügen einer Klassengesellschaft, individuelle, institutionalisierte Kontrolle über autoritative und allokative Ressourcen etc., bereits den Hochkulturen zuzurechnen

Wahrscheinliches kulturelles Ensemble: • individueller Besitz und erbliche Nutzungsrechte • Interessen der Gehöftgemeinschaft gehen vor den Interessen der Siedlungsgemeinschaft

Exemplarische Ethnien: - Swahili, sozio-ökonomisch differenzierte islamische Siedlungen

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III.5. Diskussion der Übertragbarkeit der Modelle auf archäologische Befunde

1984, S.31ff.; Levi-Strauß, 1967, S.282 ff.; Hillier, 1996, S.240). Bei der räumlich-zeitlichen Verbreitung der Raumorganisationstypen muß also immer bedacht werden, daß die zeitlich aufeinander folgenden Modelle keine scharf gezogenen Grenzen haben müssen, sondern ineinander übergehen und sich überlagern können. Brüche im Kulturverhalten können stattfinden, lange bevor sie einen Niederschlag im Befundmaterial haben. Übergangsphasen und ihre jeweilige Charakteristik sind schließlich nur in einer qualitativen Untersuchung einzelner Fundorte genau auszumachen. Das Problem der Übergangsphasen rückt auch das Problem des Wandels in den Blickwinkel. Der Vorsatz, die Abfolge verschiedener Modelle im archäologischen Kontext zu beobachten, verlockt natürlich, eine rein kulturgeschichtliche Perspektive einzunehmen, die sich in der Beschreibung der räumlichen und zeitlichen Verbreitung der untersuchten Phänomene erschöpft, im Gegensatz zu einer historischen Perspektive, die auf das Verständnis der Veränderung abzielt (Hodder,1991, S.9). Die Frage nach der Ursache von Veränderung soll in dieser Arbeit aber nicht vermieden werden; vielmehr soll der Fehler vermieden werden, den Wandel durch lineare und monokausale Ursachenzuweisung zu erklären. Das Bedürfnis Veränderungsprozesse zu verstehen ist menschlich und legitim, genauso menschlich ist es jedoch, unter allen Umständen Erklärungen finden zu wollen. Da es selbst heute über die verschiedensten kulturellen und gesellschaftlichen Phänomene und deren Ursachen ausgesprochen divergente Meinungen gibt, obwohl der jeweilige kulturelle Kontext beobachtbar ist, halte ich es für recht gewagt, Ursachenzuweisungen für kulturellen Wandel vorzunehmen, dessen Kontext gar nicht oder nur höchst bruchstückhaft bekannt ist. Da die Wirkungsgefüge, in denen sich kulturelle Prozesse abspielen, höchst komplex sind, muß man sich vor Augen halten, daß die beobachtbaren kulturellen Ensembles die darauf folgenden Entwicklungen nicht determinieren, sondern sie nur wahrscheinlich machen. Das kulturelle Ensemble und die Einflüsse der Umwelt stellen lediglich die Ausgangs- und Rahmenbedingungen einer Entwicklung dar, der Prozess der Entwicklung selbst vollzieht sich aber nicht-linear und fraktal, nicht vorhersagbar und in ein Netzwerk von Rückkoppelungen verwoben, das durch die gegebene Einschränkung der archäologischen Perspektive nicht beobachtbar ist. Eine Ausgangssituation bedingt also nicht linear die darauf folgende Entwicklung, sie macht sie nur wahrscheinlicher. Eine sinnvolle Herangehensweise an das Problem des Wandels unter diesen Gesichtspunkten wäre also, die Abfolge verschiedener kultureller Ensembles auf breiter räumlicher und zeitlicher Basis festzustellen. Tauchen Reihungen von Ensembles mehrfach und signifikant auf, kann daraus abgeleitet werden, daß das Zusammenspiel ihrer Elemente die beobachtete Entwicklung begünstigt.

Allen Modellen und regelhaften Ableitungen haftet der Makel des Schematismus an, wie bereits weiter oben diskutiert wurde. Andererseits sind quantitative und statistische Untersuchungen ohne Schematismus nicht möglich. Die im vorangegangen Abschnitt skizzierten Modelle sollen deshalb vor allem in der statistischen archäologisch-geographischen Auswertung in Abschnitt V verwendet werden. Um eine qualitative Überprüfung der Ergebnisse vorzunehmen, müssen wiederum detailliertere Beobachtungen vorgenommen und eingehender interpretiert werden, um auch im Rahmen der Archäologie eine Annäherung an die von Clifford Geertz geforderte dichte Beschreibung zu erlangen und damit dem einzelnen Fundort und seiner kulturellen Konfiguration gerecht zu werden. In jedem Fall muß aber bedacht werden, daß alle Interpretationen und Rekonstruktionen nur als Arbeitshypothesen innerhalb eines heuristischen Prozesses Gültigkeit haben. Da sich die Modelle von Schematisierungen herleiten, muß auch immer mit Befundensembles gerechnet werden, die ihnen nicht entsprechen und die die „Ausnahmen von der Regel“ darstellen. Rekonstruktionen, besonders auf der Basis von Modellen, können niemals eine tatsächliche Vergangenheit beschreiben, sondern nur eine wahrscheinliche. Für die Vor- und Frühgeschichte und die oben vorgenommenen Ausarbeitungen habitueller Grundmuster muß zudem bedacht werden, daß niemals die kulturellen Inhalte, sondern nur deren formaler Rahmen rekonstruiert werden kann. Aus einem architektonischen Befund, der z.B. weitgehend dem sozio-ökonomischen Raumorganisationstypen I entspricht, kann man mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit das habituelle Organisationsprinzip (a) ableiten, das im Bourdieu´schen Sinne der Modus Operandi ist, um spezifisches Kulturverhalten zu erzeugen. Das spezifische Verhalten wäre in diesem Fall eine egalitäre Vorstellung von menschlicher Gemeinschaft, die sich ausdrückt in einem starken Gruppenbewußtsein, gemeinschaftlichem Besitz und wenig ausgeprägter Wahrnehmung der Individualität, sowie in einer starken Naturverbundenheit und Gegenwartsbezogenheit. Welche detaillierteren Handlungen und schließlich welche Inhalte innerhalb dieser habituellen Handlungsbereiche im einzelnen erzeugt werden, kann mit einer immer geringer werdenden Wahrscheinlichkeit aus dem habituellen Grundprinzip abgeleitet werden, wie die Entwicklung eines nicht-linearen Algorithmus bei zunehmender Iteration nicht vorhergesagt werden kann. Aus dem Kapitel III.3. geht hervor, daß sich bestimmte habituelle Organisationsprinzipien und sozio-ökonomische Ordnungen in der Regel in bestimmten Raumformen niederschlagen. Der Umkehrschluss ist allerdings nicht selbstverständlich. Nur für Hofhäuser konnten eindeutig auch rückwirkende Prozesse von der Hausform auf die Organisation der Gesellschaftsform festgestellt werden. Die Assoziation von Raumform und kultureller Ausprägung kann sich also ebenfalls nur im Rahmen von Wahrscheinlichkeiten bewegen. Das gilt besonders für die langfristige zeitliche Dimension des Raums. Besonders in Übergangsphasen können sich der formale Raum und die kulturelle Praxis sogar faktisch widersprechen, wie bereits weiter oben angeführt (deCerteau,

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IV. Katalog der archäologischen Fundorte

Kann aus den Publikationen keine eindeutige Befundinterpretation abgeleitet werden, werden die betreffenden Stellen zitiert. Alle Werte, die nur ungefähr umgerechnet werden, sind mit " ~ " gekennzeichnet, z.B. ungefähre Umrechnungen von Ziegelmaßen auf die Ziegelratio.

Hinweise zum Verständnis: Da für die meisten Fundorte keine kalibrierten, absoluten Daten vorliegen und in vielen Publikationen noch mit der kurzen Halbwert nach Libby und nicht mit 5730 Jahren Halbwertzeit gerechnet wird, werde ich die kalibrierten C-14 Daten, sofern vorhanden, zwar nennen, sie aber zugunsten der Synchronisation kultureller Vorgänge nicht in der Untersuchung verwenden, da sich durch sie z.T. Verschiebungen von bis zu 800 Jahren ergeben würden.

Karte 1: Fundorte des Neolithikums im Nahen Osten

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Liste der Fundorte 1. Abu Hureira 2. Abu Husaini 3. Ain Malaha 4. Ali Kosh 5. Arpachiyah 6. Bouqras 7. Cagyly Tepe 8. Can Hassan 9. Catal Hüyük 10. Cayönü 11. Chagar Bazar 12. Choga Mami 13. Dzejtun 14. Eridu 15. Ganj Dareh Tepe 16. Hacilar 17. Hajji Firuz 18. Hamath 19. Hassuna 20. Jarmo 21. Jericho 22. Khirokitia 23. Matarrah 24. Monzukly Tepe 25. Munhata 26. Muraibit 27. Nemrik 9 28. Netiv Hagdud 29. Quermez Dereh 30. Ramad 31. Ras Shamra 32. Tell Abada 33. Tell Al´Abr 34. Tell El´Oueili 35. Tell Es- Sawwan 36. Tell Kurdu 37. Tell Mefesh 38. Tell Rashid 39. Tell Sabi Abyad 1 + 2 40. Tepe Farukhabad 41. Tepe Gaura 42. Tepe Guran. 43. Tepe Hissar 44. Tepe Sabz 45. Tepe Siyalk 46. Umm Dabaghiyah 47. Yarim Tepe 1+2 48. Yunus 49. Zaghe

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ABU HUREIRA

Das Dorf bestand wahrscheinlich in allen Phasen aus eng beieinanderstehenden Häusern, die durch schmale Gassen voneinander getrennt waren. Die erstaunliche Ortsfestigkeit, der stetige Wiederaufbau der Häuser mit fast identischem Grundriss und die Geschlossenheit der Baukörper machen eine Clusterbildung eher unwahrscheinlich. Offenbar waren die Häuser in der Siedlung alle gleichmäßig nach den Kardinalpunkten ausgerichtet. Die Größe der Siedlung betrug in Phase A 8 ca. ha, in Phase B 16 ca. ha und in Phase C 7 ca. ha. (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.267ff; Moore,1975, S.58, 60, 63)

Lage: Syrien, am rechten Rand des Euphrat Tals, 130 km östlich von Aleppo, 35 km südlich von Meskene. 350,52' N, 380,24'O (Moore, 1975, S.52) Datierung und Stratigraphie: Abu Hureira 1, Phasen A-C: 9500 - 8000 v. Chr. Intermediate Phase: 8000 - 7400 v. Chr. Abu Hureira 2 , Phasen I-II: 7400 - 5900 v. Chr. Abu Hureira Phase III: ab 5900 v. Chr. Die sog. Intermediate Phase wurde während der Besiedlung Abu Hureira 2 weitgehend abgetragen, und war nur in einem Testschnitt nachweisbar. Es wird von einer konstanten Besiedlung ohne Hiatus ausgegangen. Die Datierung wurde anhand von zahlreichen nicht kalibrierten C-14 Proben vorgenommen. (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.477ff, 492, 527)

Kultureller Kontext: Obsidian-Importe aus Anatolien und Cowrie-Importe vom Arabischen Golf treten während der gesamten Besiedlungszeit auf. Vereinzelt Türkis, möglicherweise Import vom Sinai. Die Bestattungspraktiken entsprechen denen von Catal Hüyük weitgehend, besonders in der Phase 2 B. (gehockte, sekundäre Bestattung unter den Hausfußböden, Bestattungen ohne Kopf, separate Schädelbestattungen). In Phase Abu Hureira 2 Phase III sind die Steinartefakte noch der spät-akeramischen Zeit zuzuordnen. Die Keramik besteht aus der frühesten Dark-Faced-BurnishedWare. Aufgrund der enormen Siedlungsgröße und der kontinuierlichen Besiedlung ist anzunehmen, daß es sich um ein regionales Zentrum gehandelt hat. (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.493ff.; Moore, 1975, S.60, 61, 63, 65, 66, 69; Mellaart,1972, S.139, 140)

Bautechnik: Abu Hureira 1: ca. 2,5 m weite, 70 cm tiefe Siedlungsgruben mit Pfostensetzung am Rand. Die Hauskonstruktionen bestanden wahrscheinlich aus Holz und Schilf. Intermediate Phase: keine Architekturbefunde Abu Hureira 2: Phase I: Lehmziegel. Als Fundamente dienen die abgebrochenen Mauern der Vorgängerbauten Phase II: Lehmziegel, deren Größen sich von Gebäude zu Gebäude ändern. Phase III: Mit Spreu gemagerte Lehmziegel. (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.112 ff, 492; Eichmann, 1991, S.50; Moore, 1975, S.56, 58, 60, 63; Hillman in: Moore, 1975, S.76)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Abu Hureira 1: II Abu Hureira 2: IV Die sehr homogene Bebauung und die offensichtliche hohe örtliche und zeitliche Stabilität der Haushalte und Häuser in der zweiten Besiedlungsphase läßt auf eine Gemeinschaft mit starker kommunaler Integrität schließen. Gemeinschaftsgebäude oder kommunale Flächen konnten aufgrund der sehr geringen Grabungsfläche nicht nachgewiesen werden. (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.494, 504)

Bauform: Abu Hureira 1: Grubenhauskomplexe, bestehend aus mehreren runden Räumen oder Bereichen. Intermediate Phase: keine Architekturbefunde Abu Hureira 2 Phase I: Rechteckige, mehrräumige Häuser. In einem Fall ist ein Haus elf Mal am selben Ort wieder errichtet worden. Phase II: Rechteckige, mehrräumige Gebäude; das Haus in Schnitt E, Schicht 5 war 10, 35 x 4.50 m groß, mit Raumgrößen von 3-4m lang x 1,4-2m. Aufgrund dünner Wände kein zweites Stockwerk möglich. Phase III: "...aceramic building tradition continued" (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.112 ff, 222ff, 251 ff.262 ff.; Moore, 1975, S.58, 60, 63; Eichmann, 1991, S.50)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Abu Hureira 1: b Abu Hureira 2: e Die gleichförmige Ausrichtung und Mehrräumigkeit der Häuser verweisen deutlich auf eine räumliche Ordnung, die den Kardinalpunkten untergeordnet ist und lassen auf eine fortgeschrittene Dezentration schließen. Die Ausgräber mutmaßen, Abu Hureira könne sogar ein regionales Zentrum gewesen sein. (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.494)

Siedlungsform: Abu Hureira 1: Mehrere Hüttenkomplexe, möglicherweise zu einem agglutinierenden Cluster verdichtet. Intermediate Phase: keine Architekturbefunde Abu Hureira 2:

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Abu Hureira 2 B, Trench E, Phase 5 (Moore, Hillman & Legge, 2000, S.233)

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ABU HUSAINI

Bauform: Große Rundbauten mit Durchmessern von bis zu 7 m. Schicht I: Fläche von 10 qm Schicht II: Fläche von 35 qm Schicht III+IV: Fläche von 70 qm Häuser waren halb in den Boden eingetieft. Die verschiedenen Einrichtungen innerhalb der Häuser wie Herde und Steinsetzungen, die sich um das zentrale Feuer gruppieren, lassen auf eine geringfügige ideelle Segmentierung des Innenraums schließen. (Gebel, 1984, S.62, 84; Singh, 1974, S.20; Hermann, 1984, S.29)

Lage: Irak, am östlichen Rand des Hamrin-Reservoirs. Datierung und Stratigraphie: In 5 Perioden unterteilt, von der Obed- bis in die islamische Zeit. Periode 1: Späte Obed-Zeit, bis ca. 3500 v.Chr. Alle weiteren Perioden liegen außerhalb des Zeitrahmens (Tusa, S.,1980, S.225; Bernbeck, 1995, S.44 ) Bautechnik: Geschichteter Lagenlehm, Tauf (Tusa, S., 1980, S.225; Braidwood, 1983, S.156)

Siedlungsform: "...houses grouped over an area of 1000 m2..." (de Vaux, 1966, S.4) "...small open areas..." (Gebel, 1984, S.85). Isolierte Bauweise mit Tendenz zur Clusterbildung. Die Rundhäuser waren z.T. Wand an Wand gebaut. Zwischen ihnen blieben kleine offene Flächen, die offenbar auch für wirtschaftliche Tätigkeiten genutzt wurden. Gesamtfläche der Siedlung ca. 1000 qm. Relativ hohe Besiedlungsdichte. (Hermann, 1984, S.29; Reinhold & Steinhof, 1995, S.281)

Bauform: Verschiedene Fragmente rechteckiger Räume; zwei runde Gebäude mit je zwei Stützpfeilern und einem Durchmesser von jeweils 4 m. (Tusa, S., 1980, S.225 ) Siedlungsform: Unbestimmt. Kultureller Kontext: Obed

Kultureller Kontext: Typische Siedlung der Natuf-Kultur Palästinas. Bestattungen außer- und innerhalb der Häuser. Ökonomie: Fischfang, Jagd, planmäßiges Ernten von Wildgetreide; Vorratsgruben für Getreide. (Gebel, 1984, S.117; Hermann, 1984, S.29)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: unbestimmt Kosmologisch-habituelles Prinzip: unbestimmt

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Aufgrund der Größe und der Unterteilung des Innenraums nicht mehr Typ I zuzuordnen. Kosmologisch-habituelles Prinzip: b Aufgrund zentraler Feuerstellen innerhalb der runden Häuser ist ein zentriertes Weltbild wahrscheinlich. Keine Anhaltspunkte für eine Ausrichtung nach den Kardinalpunkten.

Abu Husaini, runde Struktur aus der ersten Spät-ObedPhase (nach Tusa, 1980, S.225) AIN MALAHA (EYNAN) Lage: Israel, Jordantal, am westlichen Rand der Hula-Senke. (Gebel, 1984, S.250) Datierung und Stratigraphie: Schichten I - IV, Natufium, frühes 9. Jahrtausend v.Chr. (Gebel, 1984, S.52)

Ain Malaha, Steinsetzung eines Rundbaus (Hermann, 1984, S.29)

Bautechnik: Auf Steinsockeln, Ausführung des Überbaus unbekannt. (Hermann,1984/1,S.29)

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ALI KOSH

Siedlungsform: Bus Mordeh Phase: Unbestimmt, da Grabungsfläche zu klein für eindeutige Aussagen. Ali Kosh Phase: "...narrow alleyways seperating the houses...", also isolierte Bauweise. (Flannery & Hole, 1967, S.175) Mohamad Jaffar Phase: Nähere Angaben fehlen. Siedlungsgröße: ca. 100 Bewohner. (Flannery & Hole, 1967, S.175, 179; Gebel, 1984; S.100)

Lage: Iran, im Nordwesten der Provinz Khuzistan, in der Deh Luran Ebene, nördl. Djebel Hamrin, nahe der Grenze zum Irak. 200m üNN. (Flannery & Hole, 1967, S.167) Datierung und Stratigraphie: Drei Phasen des frühen Neolithikums: Bus Mordeh Phase: 7500 bis 6750 v. Chr., akeramisch Ali Kosh Phase: 6750 bis 6000 v.Chr., akeramisch Mohamad Jaffar Phase: 6000 bis 5600 v.Chr., keramisch Datiert nach mehreren C-14 Daten. (Flannery & Hole, 1967, S.1969, 170, 174; Mellaart, 1975, S.77)

Kultureller Kontext: Bus Mordeh Phase: Lokale Tradition, 1% der Steinartefakte sind aus anatolischem Obsidian hergestellt (Van See - Region). Ökonomische Basis: Viehhaltung. Ali Kosh Phase: Lokale Tradition. Die Steinartefakte entsprechen denen aus dem akeramischen Jarmo, die Kupferimporte stammen vom iranischen Plateau. Bestattungen: Sekundär, gehockt, nicht immer komplett, unter den Hausfußböden. Mohamad Jaffar Phase: Keramik aus lokalem Material. Verzierungsmuster entsprechen den Wandmalereien aus akeramischer Zeit. Keramikformen verweisen auf Tepe Guran (Luristan), Tepe Sarab (Süd-Kurdistan), Jarmo, Tepe Siyalk. Die Steinartefakte entsprechen denen aus Jarmo, Tepe Sarab und Tepe Guran. (Flannery & Hole, 1967, S.173, 177-179, 181; Mellaart, 1967c, S.16)

Bautechnik: Bus Mordeh Phase: Protoziegel, 25 x 15 x 10 cm. Wandstärke: 25 bis 40 cm. Ali Kosh Phase: Ungemagerte, handgeformte? Lehmziegel mit Lehmmörtel vermauert, 40 x 25 x 10 cm = Ratio von 4 : 2,5 : 1; Ziegel greifen an den Hausecken nicht ineinander. Wandstärke bis zu 1 m. Mohamad Jaffar Phase: Handgeformte? Lehmziegel auf Flußgeröllfundamenten. Mauerstärke bis zu 1 m. (Flannery & Hole, 1967, S.169, 175, 177) Bauform: Bus Mordeh Phase: Kleine, rechteckige Hütten. Raumgrößen ca. 2 x 2,5 m. Einräumig? Ali Kosh Phase: Rechteckige, mehrräumige Häuser. Raumgrößen 3 x 3 m und größer. Aufgrund der Wandstärke möglicherweise zwei- geschossig. Mohamad Jaffar Phase: Rechteckige, mehrräumige Häuser. Aufgrund der Wandstärke möglicherweise zweigeschossig. (Flannery & Hole, 1967, S.169, 175, 177; Mellaart, 1967c, S.15; Gebel, 1984, S.68)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Bus Mordeh Phase: II Ali Kosh- und Mohammad Jaffar Phase: II oder IV. Kann nicht näher bestimmt werden. Da die Activity Areas vor allem zwischen den Gebäuden liegen, ist ein kommunalistischer Typ aber sehr wahrscheinlich. Kosmologisch-habituelles Prinzip: Bus Mordeh Phase: wahrscheinlich d Ali Kosh- und Mohammad Jaffar Phase: e, aufgrund der Mehrräumigkeit

Ali Kosh, unterste Schicht der Bus-Mordeh-Phase (nach Hole & Flannery,1967, S.171)

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ARPACHIYAH

TT 10: Rundbauten, sog. Tholoi, zwei mit 7 m, einer mit 4 m Durchmesser. TT 9: 2 Rundbauten mit Durchmessern von 4 und 5,5m. Ein dritter nur fragmentarisch erhalten. TT 8: Außerhalb des Siedlungszentrums: ein kleiner, halb eingetiefter Rundbau mit 4,25 m Durchmesser und einem rechtwinkligen, querliegenden Vorbau, 1,7 m breit, 9 m lang. Der Rundbau ist bis auf 85 cm Höhe erhalten und ist stark nach innen gewölbt. Rekonstruierte Raumhöhe: maximal 1,5 m. Im Siedlungszentrum: Rundbau mit angeschlossenem, rechteckigen Vorbau. Durchmesser des Rundbaus 10 m, Gesamtlänge mit Vorbau: 19 m TT 7: Zwei Rundbauten mit Durchmessern von 10 m und rechteckigen Vorbauten. Gesamtlänge: 19 m und 16,5 m. TT 6: Rechteckiges, mehrräumiges, sehr komplexes Haus mit länglichen Räumen. TT 5: Rechteckige, mehrräumige Strukturen mit größeren Räumen. Kein geschlossener Grundriß zu ermitteln. TT 4 bis TT1: Mehrräumige, rechteckige Struktur von abnehmender Komplexität. (Mallowan, 1933, S.11, 13, 25-27, 30, 31, Fig. 5a, b, c; Aurenche, 1986, S.72, 73; Mellaart, 1967c, S.33; Hijara, 1978, S.125)

Lage: Irak, Gegenüber des heutigen Mosul, 6,5 km östlich des Tigris und des antiken Ninive. (Mallowan, 1967, S.74) Datierung und Stratigraphie: Nur teilweise ergraben. Vom Ausgräber unterteilt in Schichten TT1 bis TT 10. Vor TT 10: Frühe Halafzeit, bis ca. 5600 v. Chr. TT 10 bis TT 7: Mittlere Halafzeit TT 6: Späte Halafzeit, bis ca. 4500 v. Chr. TT 5: Obedzeit, ab 4500 v. Chr. TT 4 bis TT 1: Obed-Zeit, aufgrund minderwertiger Bausubstanz schließt Mallowan auf eine maximale Belegungsdauer von 100 Jahren, also bis ca. 4300 v. Chr. Datiert nach unkalibrierten C-14 Daten, mit kurzer Halbwertzeit von 5570 Jahren gerechnet. (Mallowan, 1933, S.11; Mellaart, 1967c, S.32; Aurenche, 1986, S.72, 73) Bautechnik: Ein Befund - ein Überrest eines Kuppelbaus- , der aufgrund seiner Form mit echtem Gewölbe gebaut worden sein muß, wird von Mallowan als Pisé-Bauwerk angesprochen. Da er aber auch von "pisé-sizes" spricht, sind wahrscheinlich alle Bauten, die er nicht explizit als anders gebaut anspricht, aus Lehmziegeln errichtet. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, daß die Wandsockel mit einer anderen Bautechnik errichtet worden sind als der Überbau, z.B., daß die unteren Wandbereiche aus Zabur konstruiert worden sind, auf die anschließend eine Überkuppelung aus Lehmziegeln gesetzt wurde. Eine Fehleinschätzung ist ebenfalls möglich (siehe dazu Smith, 1974, S.207).

Siedlungsform: Unter TT 10: ? TT 10 bis TT 7: Isolierte Siedlungsweise. In TT 7 stehen zwei Tholoi mit Vorbau im rechten Winkel zueinander, bilden so eine Art geschützten Hof. Mehrere Straßen mit Steinpflasterung führen durch das Zentrum der Siedlung. TT 6 und TT 5: Unbestimmt. Wahrscheinlich ein isolierte Komplex. TT 1 bis TT 4: Isoliert stehendes Gehöft (Mallowan, 1933, S.11, 13, 25, 31; Mellaart, 1967c, S.33)

Unter TT 10: unbestimmt TT 10: unbestimmt, Wandstärke ca. 70 cm TT 9: unbestimmt, Wandstärke ca. 1 m TT 8: Nach Mallowan Pisé. Wandstärken bis zu 1,65 m. Nach der Bauform kann es nichts anderes als Ziegelbau sein. TT 7: In den späteren Bauphasen wurde mit Ziegeln gebaut, in früheren mit "...basketloads of stiff clay..." (Mallowan, 1933, S.25) Zabur bzw. Protoziegel ? TT 6: " ...beaten clay..." (Mallowan, 1933, S.16) Lagenlehm oder nicht identifizierter Ziegelbau ? TT 5: "...walls were built of pisé."(Mallowan, 1933, S.13) TT 4 und TT 3: "...sometimes mudbrick, sometimes of lumps of stiff clay or pisé..."; "...pudding shaped pisé lumps" (Mallowan, 1933, S.11,16) = Ziegel und Zabur ? TT 1 und TT 2 : Planokonvexe Ziegel in zwei Größen: 16 x 16 x 7 cm ~ Ratio von 2 : 2 : 1; 25 x 16 x 6 cm ~ Ratio von 4,5 : 1,5 : 1 und einfache Ziegelformen mit durchschnittlichen Maßen von 30 x 20 x 10 und kleiner = Ratio von 3 : 2 : 1 (Mallowan, 1933, S.7, 11, 13, 16, 25-27)

Kultureller Kontext: Unter TT 10: Frühe Halaf-Keramik. TT 10 bis TT 6: Große Mengen an Halaf-Keramik; wenige Samarra-Importe. TT 5: Übergangsphase von Halaf zu Obed. Keramik vermengt. Laut Untersuchungen der Friedhöfe hat keine kulturelle Vermischung stattgefunden. Halaf-Häuser wurden willentlich zerstört um Obed-Bestattungen durchzuführen. Mallowan geht von einer feindlichen Besitzergreifung aus. In den folgenden Schichten tritt keinerlei Halafmaterial mehr auf. TT 4 bis TT 1: Alle Funde stammen eindeutig aus der Obed-Tradition. (Mallowan, 1933, S.11, 13, 14, 16, 22) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Unter TT 10: ? TT 10 bis TT 7: Typ II, wg. fehlender Segmentierung von Innenräumen und Siedlungsfläche. TT 6 bis TT 4: Typ V oder VI. Wahrscheinlich bestand die Bebauung, wie Mallowan vermutet, während der Obed-Zeit aus einen (oder mehreren) geschlossenen komplexen Gebäuden. Eine genaue Interpretation ist nicht möglich, da die äußere Begrenzung nicht ermittelt werden konnte

Bauform: Unter TT 10: Rechteckige Strukturen mit langen, schmalen Räumen.

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TT3-TT1: Typ V. Es handelt sich offenbar nur noch um ein Gebäude mittlerer Größe mit mehreren darum gruppierten Wirtschaftsgebäuden. Kosmologisch-habituelles Prinzip: Unter TT 10: ? TT 10 bis TT 7: c Einerseits überwiegt in diesen Bebauungschichten noch das runde Organisationsprinzip, andererseits wird es z.T. durch rechteckige Vorbauten ergänzt. Die beiden Gebäude der Schicht TT 7 liegen im rechten Winkel zueinander und weichen in ihrer Ausrichtung ca. 200 von den Kardinalpunkten ab. TT 6 - TT 1: e Die rechtwinkligen Strukturen sind über alle Schichten hinweg identisch ausgerichtet. Die Hauswände weichen etwas über 300 von den Haupthimmelsrichtungen ab, ihre Eckpunkte sind also fast nach den Kardinalpunkten ausgerichtet. Die hohe Komplexität spricht für eine fortgeschrittene Dezentration

Arpachiyah, Tholos aus Schnitt Fd Va, TT8 (Mallowan, 1933, S.30)

Arpachiyah, Steinfundamente der Tholoi in den Schichte TT 7 bis 10 (Mallowan, 1933, S.29)

Arpachiyah, Grundrisse der Schichten TT 6 und 5 (Mallowan, 1933, S.13)

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BOUQRAS Lage: Syrien, am rechten Ufer des Euphrat, gegenüber der Mündung des Khabur, 35 km südlich von Dair-az-Zur; 35005'12'' N, 40023'50'' O. (Akkermanns et al., 1983, S.335) Datierung und Stratigraphie: Siedlung mit nur einer Besiedlungsperiode von 6400 bis 5900 (C-14), Pre-Pottery Neolithic B. Sie wird in der Regel nach der ersten Publikation in drei Phasen unterteilt. Neuere Grabungen ergaben "10 Schichten, die mit 21 Straten korrespondieren, die in 7 Besiedlungsphasen unterteilt wurden" (???) (Contenson & Liere nach Akkermanns, 1983, S.338) Zur stratigraphischen Unterscheidung gelten heute die 10 Schichten. (Akkermanns et al.,1983, S.338)

Arpachiyah, Grundrisse der Schichten TT 4 und 3 (Mallowan, 1933, S. 13)

Bautechnik: Laut dem Ausgräber sind alle Häuser aus Lehmziegeln errichtet. In anderen Publikationen wird aber immer darauf hingewiesen, nur die oberen zwei Schichten seien aus Ziegeln, die untere hingegen aus Pisé gebaut. Die Mauerverbände bestehen aus Ziegeln mit einem durchschnittlichen Format von 54 x 27 x 7 cm ~ Ratio von 7 : 4 : 1. Die Ziegel wurden im Block- oder Kreuzverband vermauert, d.h. auf eine Lage Läufer folgt eine Lage Binder. (Akkermanns et al., 1983, S.338, 340; Eichmann, 1991, S.60; Singh, 1974, S.52; Mellaart, 167c, S.24; Kirkbride, 1972, S.13) Bauform: Rechtwinklige, mehrräumige Häuser von z.T. großer Komplexität mit einem geschlossenen rechtwinkligen Umriß. Die meisten Grundrisse scheinen einem einheitlichen Schema mit einer gewissen Variations- breite zu folgen: An drei oder mehr parallele, längliche Räume schließen sich eben so viele kleinere Kammern an. Die Zahl der Innenräume variiert zwischen 3 bis 14, je mehr Räume sich in einem Haus befinden, desto kleiner sind sie in der Regel, die Hausgrößen bewegen sich zwischen ca. 60 und 120 qm. Die Ausrichtung aller Häuser und Wände sind gleich: Nordwest-Südost bzw. Nordost-Südwest. Die Längsachse der meisten Häuser liegt jedoch in nordöstlichsüdwestlicher Richtung, die Schmalseiten also nach Südwest ausgerichtet. Die jüngeren Häuser haben z.T. Höfe, die innerhalb der rechteckigen Umrisse, aber nicht zentral, sondern an den Außenmauern liegen. Es wurden Treppen festgestellt, eine mehrstöckige Bauweise ist also möglich. (Akkermanns et al., 1983, S.338, 340, 342-344; Strommenger, 1982, S.18; Singh, 1974, S.52; Verhoeven 1999, S.27)

Arpachyah, Grundrisse der Schichten TT 2 und 1 (Mallowan, 1933, S.12)

Siedlungsform: Plansiedlung entlang einer Nordwest-Südost-Achse, alle Straßenzüge, Höfe und Gebäude sind nach dieser Achse ausgerichtet. Gesamtgröße: mindestens 100 x 300 m. Die dichte Bebauung ist von großen Plätzen bis zu 8m x 35 m und einer axialen 6 m breiten Straße durchzogen.

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Die engen Gassen zwischen den Häusern messen kaum mehr als 50 cm, dennoch befinden sich an ihnen die Eingänge zu manchen Häusern. Kaum ein Haus hat seine Tür auf einen Platz oder die Straße gerichtet. Eine tatsächliche Clusterbildung geht aus den Plänen nicht hervor. (Akkermanns et al., 1983, S.348; Strommenger, 1982, S.18; Eichmann, 1991, S.60)

Umm Dabaghiyah und Keramikgefäßen aus Catal Hüyük. (Strommenger, 1982, S.20; Mellaart, 1967c, S.24, 25) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: IV oder VI Die homogene Ausrichtung und Gestaltung, sowie die Gruppierung der Häuser um Freiflächen lassen auf ein stark ausgeprägtes Gemeinwesen schließen. Die Abwendung der Wohnhäuser von den Freiflächen, ihre isolierte Bauweise, ihre große, durch Sichtachsenbrüche geschützte räumliche Tiefe und die später belegten privaten Höfe lassen wiederum auf die Bedeutung des einzelnen Haushalts und der Privatsphäre schließen.

Kultureller Kontext: Die Siedlung wird dem PPN B zugeordnet. Steinindustrie ist in allen Phasen der Besiedlung epipaläolithisch und es gibt anatolische Obsidianimporte. Gegen Ende der Besiedlung taucht die erste Keramik "dark burnished pottery" auf. Die Frauen- figurinen, sowie die Ausschmückung der Häuser (Bemalungen, Reliefs), deuten auf kulturelle Beziehungen mit Catal Hüyük hin. Tiergefäße aus Alabaster geschnitten haben Parallelen mit Steingefäßen aus Tell es-Sawwan (Samarra-Kultur), aus

Kosmologisch-habituelles Prinzip: e Deutliche Dezentration aufgrund hoher Komplexität, homogene Ausrichtung der Gesamtsiedlung.

Bouqras, Gesamtansicht (Akkermans, 1983, S.339)

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Bouqras, Detailansicht des Südostviertels (Akkermans, 1983, S.345)

CAGYLLY TEPE

Kultureller Kontext: Exemplarischer Fundort der späten Dzejtun-Kultur. Einflüsse der zugewanderten Anau 1A-Kulturgruppe (neu eingeführte Ziegelform ist identisch mit Anau 1A Ziegeln). (Müller-Karpe, 1982, S.47)

Lage: Turkmenistan, an den südlichen Ausläufern der Kara Kum Wüste, bei Meana, südöstlich des Fundortes Dzejtun. (Müller-Karpe, 1982, S.5)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II

Datierung und Stratigraphie: 12 Bauhorizonte, davon 7 mit identifizierbaren Architekturresten innerhalb der insgesamt 6,5 m dicken Kulturschicht. Die oberen 3 Schichten werden der späten Dzejtun-Stufe zugerechnet; nur Schicht 3 wurde flächig ergraben. C-14 Datierung der "oberen" Schichten (aus Schicht 3?): 5050+/-110 v. Chr. (Müller-Karpe, 1982, S.5, 13, 15)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: d Zwar gibt es eine einheitliche Ausrichtung einzelnen Häuser, eine übergeordnete Struktur, wie sie für das Model e typisch wäre, ist aber nicht erkennbar.

Bautechnik: Neben Zabur und Protoziegeln treten erstmals in Schicht 3 rechteckige, flache Lehmziegel auf. (Müller-Karpe, 1982, S.16) Bauform: Einräumige Häuser von annähernd quadratischer Form. Größen von 2,8 x 2,8 m bis 7 x 7 m. Durchschnittliche Größe 20 bis 30 qm. Türen jeweils in der Mitte einer Wand nach unterschiedlichen Richtungen hin. Die Hausecken sind einheitlich nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet, die Wände also nach Nordwest, Nordost, Südwest und Südost. Innenräume standardisiert. Herdstellen liegen immer in der Mitte einer Wand seitlich der Eingangstür. An die Wohnhäuser sind kleinere Wirtschaftsgebäude angefügt. (Müller-Karpe, 1982, S.16,17) Siedlungsform: Deutliche Tendenz zum akkumulierenden Cluster. (Müller-Karpe, 1982, S.43)

Cagylly Tepe, Schicht 3 (Müller-Karpe, 1982, S.17) 125

CAN HASSAN Lage: Türkei, Anatolien, zwischen Mut und Karaman, an den Südausläufern des Taurusgebirges, nördlich vom Mittellauf des Göksu. 370 15' N, 330 20' O (Gebel, 1984, S.46) Datierung und Stratigraphie: Unterteilt in Can Hassan I, II und III. Can Hassan III, die älteste der Schichten ist noch akeramisch und ist ins späte 7. und das frühe 6. Jahrtausend zu datieren. Die Besiedlung endet im späten 5. Jahrtausend. Demzufolge muß Can Hassan II wohl in das 6. und Can Hassan I in das 5. Jahrtausend zu datieren sein. (Mellaart, 1975, S.96, 97)

Can Hassan III (Mellaart, 1975, S. 97)

Bautechnik: Can Hassan III: Zabur und in seltenen Fällen Lehmziegel. Can Hassan II: Lehmziegel, Wände sehr massiv. Can Hassan I: Lehmziegel. (Gebel, 1984, S.46) Bauform: Can Hassan III: Rechteckige, einräumige Häuser. Meist keine Türen (wahrscheinlich zugänglich über die Dächer). Can Hassan II: Rechteckige, meist einräumige, z.T. auch mehrräumige Häuser mit Pilastern, die z.T. erheblich in die Räume hineinragen und sie gliedern. Can Hassan I: Rechteckige Häuser. (Mellaart, 1975, S.97, 120) Siedlungsform: Can Hassan III und II: Akkumulierendes Cluster. Zwischen den Häusern bleiben nur minimale Freiräume. Keine Straßen oder Gassen - möglicherweise existierten vereinzelte Höfe. Das Wegenetz muß sich über die Dächer erstreckt haben. Can Hassan I: unbestimmt (Mellaart, 1975, S.97, 120) Kultureller Kontext: unbestimmt

Can Hassan II (Stea & Turan, 1993, S.152)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Can Hassan III: II Can Hassan II und I: IV Kosmologisch-habituelles Prinzip: Can Hassan III: d Can Hassan II und I: e

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CATAL HÜYÜK

tungen ausgerichtet. Die Häuser besitzen bis zu Schicht V keine Türen. Der Zugang war nur über das Dach möglich. Die Innenräume sind durch Plattformen mit verschiedenen Höhenniveaus unterteilt und die offenbar schematisch angelegt wurden. Ab Schicht III treten Ziegelpfeiler innerhalb der Häuser auf. (Mellaart, 1962, S.46; 1965, S.81; 1967a, S.83; 1975, S.100; Heinrich & Seidel, 1969, S.113)

Lage: Südl. Zentralanatolien, 52 km südl. von Konya, 11 km nördl. von Cumra, am Rand der alluvialen Konya-Ebene, an dem Fluß Carsamba-Cay, 980 m ü.NN. (Mellaart, 1962, S.42; 1975, S.98; Singh, 1974, S.85) Datierung und Stratigraphie: 15 Bebauungsschichten: 0 bis VIa und VIb bis XIII. Ergraben wurden die Schichten O bis X. Zwischen den Schichten X und XI befinden sich eine Lage Überschwemmungssedimente und eine dicke Schicht Torf. Ab der Schicht XII aufwärts konnte Keramik nachgewiesen werden. Ab der Schicht X aufwärts ist kein kultureller oder stratigraphischer Bruch mehr nachzuweisen. Schicht VIa wurde durch ein Feuer zerstört.

Siedlungsform: Akkumulierendes Cluster. Ab Schicht VIa treten regelmäßig größere Höfe und Gassen auf. Möglicherweise entstand das Cluster durch ein Zubauen ehemaliger, paralleler Häuserzeilen, die anhand geschlossener Fluchten in der Schicht VIII rekonstruiert wurden. Nach außen hatte die Siedlung eine geschlossene Front. Gesamtgröße: 12 ha. (Mellaart, 1962, S.42ff.; 1967a, S.67; 1970, S.331; 1975, S.100; Heinrich & Seidel, 1969, S.117ff.; Eichmann, 1991, S.42)

Schichten XIII-XI: vor 6500 v. Chr Schicht X: ~6500 bis 6380 v. Chr. Schicht IX: 6380 bis 6280 v. Chr. Schicht VIII: 6280 bis 6200 v. Chr. Schicht VII: 6200 bis 6050 v. Chr. Schicht VI b: 6050 bis 5950 v. Chr. Schicht VI a: 5950 bis 5880 v. Chr. Schicht V: 5880 bis 5830 v.Chr. Schicht IV: 5830 bis 5790 v.Chr. Schicht III: 5790 bis 5750 v. Chr. Schicht II: 5750 bis 5720 v. Chr. Schicht I + O: nicht datiert

Kultureller Kontext: Die Siedlung stellt eine eigenständige in sich geschlossene Kulturerscheinung dar, charakterisiert durch gehockte sekundäre Bestattungen unter den Fußböden der Wohnhäuser, weibliche Figurinen ("Große Göttin"), Stierdarstellungen und Bukranien, eine eigentümliche, zoomorphe Keramik und eine ausgeprägte Tradition der Wandmalerei, bestehend aus geometrischen Mustern („Kelim“-Motive) und realistischen Abbildungen von Tieren und Menschen. C.H. gilt als ein Zentrum des Obsidianhandels. Die erste, primitive Keramik erscheint in den Schichten X und IX, setzt sich aber erst ab Schicht VI a endgültig durch. Sie gehört zu der sog. "dark-faced burnished ware". (Mellaart, 1975, S.80, 81)

Datiert nach unkalibrierten C-14 Werten, gerechnet mit einer Halbwertzeit von 5730 Jahren. (Mellaart, 1963, S.79; 1964, S.116, 119; 1967, S.48, 65; 1972, S.123, 126; Todd, 1980, S.137; Eichmann, 1991, S.42) Bautechnik: Lehmziegelmauerwerk aus Formziegeln mit Fugenversatz und jeweils zwei Ziegelschichten nebeneinander. Als Fundamente dienten Mauerstümpfe der Vorgängerbauten. Baumaterial war fetter Lehm, der mit reichlich Stroh gemagert wurde. Standardziegelmaße: 32 x 16 x 8 cm, entspricht einer Ratio von 4 : 2 : 1. Zum Teil wurden auch größere Ziegel vermauert, die bis zu 65 cm lang waren, aber niemals eine Dicke von 10 cm überschritten. In den Publikationen wird regelmäßig darauf hingewiesen, daß die Bautradition konstant bleibt. Ob über einen solchen Zeitraum nicht doch Veränderungen stattgefunden haben, geht aus keiner Publikation hervor. (Mellaart, 1962, S.46; 1967a, S.68-70, 78, 80; Eichmann, 1991, S.43)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II oder IV Die nur schwach ausgeprägte Segmentierung der Häuser läßt eher auf eine Gesellschaftsstruktur des Typs II schließen, also auf kleine Familien mit einem geringfügigen privaten Bereich; die hohe Besiedlungsdichte, kommunale Freiflächen, monofunktionale Ritualbauten und die Größe des Tells legt jedoch eine komplexere Gesellschaftsstruktur des Typs IV nahe. Kosmologisch-habituelles Prinzip: d Zwar verfügt die Siedlung über eine beeindruckende Größe und eine offenbar weitgehend einheitliche Ausrichtung, die Einräumigkeit der Gebäude und die große Zahl und sowie Streuung der Häuser, die kultisch gedeutete Attribute aufweisen, deutet nicht auf einen fortgeschrittenen Grad der Dezentration hin.

Bauform: Rechteckige, standardisierte Häuser. In der Regel mit einem großen Wohnraum und in manchen Fällen ein bis zwei kleinen Neben- oder Speicherräumen innerhalb eines geschlossenen Umrisses. Die Größe der Häuser schwankt zwischen 11 und 48 qm, der Durchschnitt liegt bei ca. 25 qm mit Abmessungen von etwa 6 x 4 m. In den jüngeren Schichten werden die Häuser etwas kleiner. Die Wände sind meist nach den Haupthimmelsrich-

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Catal Hüyük, Konstruktion eines Standardhauses (Eichmann, 1991, Tafel 29)

Catal Hüyük, Bebauung der Schicht VII mit Rekonstruktion der ursprünglichen Häuserzeilen (Heinrich & Seidel, 1969, Abb.5)

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Rekonstruktion eines Bauabschnittes in der Schicht V. Gemeinschaftliche Höfe, Häuser ohne ebenerdigen Zugang (Mellaart,1966, S.185)

Catal Hüyük, Schicht IV mit ebenerdigen Hauseingängen und gemeinschaftlichem Hof (Mellaart,1962, S.51)

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CAYÖNÜ

C-14-Datierungen weisen z.T. nicht erklärte Lücken oder Einschränkungen auf, die hier nicht weiter berücksichtigt werden können. Der Stand auf den sich diese Arbeit bezieht stammt aus dem Jahr 1999. (Özdogan, 1999, S.39-41)

Lage: Südosttürkei, am nördl. Ufer des Bogazcay, eines Nebenflusses des Tigris, unterhalb der kleinen Ergani-Ebene an den südlichen Ausläufern des Taurus-Gebirges, auf 852 m Höhe (Braidwood & Cambell, 1982, S.4; Özdogan, 1999, S.37ff.)

Generell wird Cayönü in drei Phasen unterteilt, von denen eine wiederum in sich differenziert wird: Phase III: Frühe Bronzezeit - Mittelalter Phase IIb: Spätes Chalcolithikum - frühe Bronzezeit Phase IIa: Keramisches Neolithikum, gestört durch BZ und EZ-Schichten Phase I: Akeramisches Neolithikum Da nur die Phase I für uns relevante und aussagekräftige Befunde liefert, werde ich mich im folgenden auf sie beschränken.

Datierung und Stratigraphie: Der Fundort besteht aus mehreren Siedlungsbereichen und kleinen Hügeln, die einander z.T. überlappen oder miteinander verschmolzen sind. Zudem wird der Fundort in Phasen, Subphasen, Bauschichten und Kulturstufen eingeteilt, die z.T. wiederum in Unterabschnitte gegliedert werden und keine einheitliche Nomenklatur haben, wodurch der Überblick zusätzlich erschwert wird. Die ganze stratigraphische Abfolge ist deshalb sehr komplex und wurde mehrfach neu interpretiert und geordnet. Die

Cayönü, Stratigraphie und Datierung (Piesbergen, nach Özdogan, 1999, S.41 - 43)

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Bautechnik: Round Building Subphase : Schilfbündel mit Lehmbeschlag, später auch Flechtwerk, verputzte, eingetiefte Böden, in der letzten Schicht r4 erstmals Steinfundamente. Grill Building Subphase: “Rows of postholes lined with pebbles, along the long sindes of the buildings, ca.0.7 0.8m apart, and bostbases in the central room undoubtly show that the appearnce of these buildings must have resembled the ´old fashioned` oval huts and were constructed of reedbundles and/or thin branches vaulted on top and rounded in the corners.” (Özdogan, 1999, S.43) Aus den Schichten dieser Subphase stammen außerdem Lehmstücke mit Abdrücken von Reetbündeln (ebd. S.45; Bd.II, S.23, Fig.8). Channeled Building Subphase: Spuren von Holzpfosten, wahrscheinlich Flechtwerk mit Lehmbewurf oder verputzte Schilfbünde. In der Bauschicht ch3 wurde offenbar schon mit Lehmgefügen auf Steinfundamenten gebaut. Cobble-paved Building Subphase: “stone socles with raising kerpiç walls on neatly made plattforms with very narrow channels totally closed by flat clapstones. The socles, ca. 50 cm in weidth and heigth, were build of various sized stones designed to carry the kerpic walls and the roof. The walls...were made of organic-tempered kerpiç, which was not formed into bricks; irregular lumps were laid on top of one another and pressed down. Both interior and exterior faces of the socles were covered with kerpiç, but not plastered over.” (Özdogan, 1999, S.45) Die Wände wurden offenbar aus gepacktem Lagenlehm errichtet. Cell Building Subphase: “kerpiç shaped into long blocks...some kerpiç structures were constructed without stone socles.” (Özdogan, 1999, S.49) Nach früheren Publikationen handelt es sich offenbar um Lehmziegel, höchstwahrscheinlich um handgeformte Ziegel. Large Room Subphase: Lehm- und Steinarchitektur treten parallel auf: “... walls built of medium sized stones, less carefully constructed than the walls of the previous stage. ... buildings with broader foundations had kerpiç superstructures”. (Özdogan, 1999, S. 53). Da in der vorangegangenen Subphase wahrscheinlich schon mit Lehmziegeln gebaut worden ist, kann man annehmen, daß es sich auch bei den “kerpiç superstructures” dieser Phase um handgeformte Ziegeln handelt. (Özdogan, 1999, S.43 - 53; Braidwood & Cambell, 1982, S.7, 8)

der späten Schichten dieses Abschnitts weisen an der Außenwand umlaufende Plattformen auf. Channeled Building Subphase: Die Hausgrundrisse werden in dieser Phase deutlich rechteckiger und die “Grill”-Plattformen mit Decksteinen versehen. Um die Häuser werden verschiedene Werkstätten aus vergänglichem Material errichtet. Cobble-paved Buildings Subphase: Die rechteckigen Häuser wechseln zwischen N-S- und O-W-Ausrichtung. Das Hausinnere ist meist in drei ungefähr gleich große Räume unterteilt, die jeweils mit einer Türflucht verbunden sind. Die Häuser sind von Veranda-artigen Plattformen umgeben. Cell Building Subphase: Die Hausgrundrisse sind in kleine Kammern unterteilt, die offenbar als Fundamente und Untergeschosse für die eigentlichen Wohnstrukturen dienten. Sie bestehen meist aus drei parallelen Zimmerfluchten und werden z.T. von querlaufenden Kammern abgeschlossen. “The arrangements of living floors are yet unknown, but a few elongated kerpiç blocks indicate seperation walls.”(Özdogan, 1999, S.48) Large Room Building Subphase: Große rechteckige Gebäude mit nur ein oder zwei Räumen. Im Inneren oft mit einer umlaufenden Bank ausgestattet. Ihre Außenmaße erreichen bis zu 15 x 5 m.

Bauform: Round Building Subphase: Die eingetieften Rundhütten dieser Phase haben zunächst Durchmesser von 2,5 bis 5 m. In den späteren Bauphasen neigen sie deutlich zum Oval und können Maße von bis zu 5 x 10 m aufweisen. Grill Building Subphase: Rechteckige Steinstrukturen mit Größen bis zu 5 x 12,5 m. Die Überdachung war aber offenbar um die Strukturen herum in den Boden eingetieft (s.o.) und von abgerundetem Grundriß. Sie bestehen in der Regel aus drei Zonen: Im Norden befindet sich ein “Grill” aus Steinmäuerchen, auf dem wohl eine Holzplattform ruhte. In der Mitte befindet sich ein großer Zentralraum mit Gipsputz und Feuerstelle in der SW- oder SO-Ecke. Im Süden flankieren zwei kleine Zellenblocks den mutmaßlichen Eingang. Die Häuser

Siedlungsform: In allen Phasen der Besiedlung standen die meist recht großen Gebäude isoliert voneinander. Eine Segmentierung und Einfriedung einzelner Siedlungsbereiche konnte nicht nachgewiesen werden. Round Building Subphase: “Open areas between the huts, no larger than 4-5 diameter, with many scattered stones, storage pits, knapping areas, small fireplaces and large dump areas containig large amounts of animal bones, must have served for daisy activities. There is no evidence for defined workspace either inside or outside the huts” (Özdogan, 1999, S.43) Isolierte Bauweise Grill Building Subphase: Während des frühen Abschnitts dieser Subphase ändert sich an der allgemeinen Gestalt der Siedlung und der mutmaßlichen Multifunkti-

Neben den regulären Wohngebäuden gibt es seit der “Second Stage”, also der späten “Grill Building Subphase” ab 7250 v. Chr., einzelne Gebäude, die sog. “Unique Buildings”, denen eine kommunale Funktion zugesprochen wird und die sich zeitlich z.T. überschneiden. Das älteste Gebäude ist das rechteckige, abgerundete “Flagstone Building” mit einem einzigen großen, gepflasterten Innenraum. Das zunächst ovale “Skull Building”, das in der “Cobble-paved Building Subphase” erstmals eckig gestaltet und um einen freien Innenhof segmentiert wurde, erreichte eine Größe von 18 x 6.5 m. Das danach errichtete “Terrazzo Building” ist wiederum einräumig und mit rosafarbenen Steinplatten gepflastert. Die “Unique Buildings” wurden, wie auch fast alle anderen Gebäude der ersten drei “Stages” nach ihrer Aufgabe willkürlich mit Steinen und Sediment bedeckt. (Rituelle “Bestattung” der Häuser?) (Braidwood & Cambell, 1982, S. 6-9; van Zeist, 1991, S.67; Schirmer, 1990, S.372; Verhoeven, 1999, S.27; Özdogan, 1999, S.43-53, Bd.II, S.27-31)

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onalität der Activity Areas nichts. In dem späteren Abschnitt werden die meisten Aktivitäten im Bereich der äußeren Plattformen oder im Hausinneren ausgeführt. Alle Häuser haben eine N-S Ausrichtung mit leichten Abweichungen nach N-W. Channeled Building Subphase: In dieser Phase wird erstmals ein regulärer öffentlicher Platz, bzw. “Plaza” mit verputztem und später gepflastertem Boden im Osten der Grabungsfläche eingerichtet, an dessen nördlichem Rand die öffentlichen “Unique Buldings” stehen. Auf der Fläche des Platzes befinden sich zahlreiche Gruben, in denen offenbar Getreide geröstet wurde. Cobble-paved Buildings Subphase: Der “Plaza” wurde gepflastert, die darum befindlichen Gebäude rücken näher an ihn heran. Cell Building Subphase: Alle Häuser des frühen Abschnitts dieser Phase wurden auf zwei oder drei Terassen, die von O-N-O nach W-S-W verliefen, in regelmäßigen Abständen errichtet. In dem späten Abschnitt ist noch eine Terasse nachweisbar. Die Gebäude im östlichen Bereich stehen dicht um den Plaza, vorwiegend mit O-W-Ausrichtung. “The main industrial area shifted towards further west, wer houses were scattered...and remained oriented EWE-WSW as were the early cell buildings.” (Özdogan, 1999, S.49) Large Room Building Subphase: Der Plaza wurde in dieser Phase weiterhin für tägliche Verrichtungen genutzt, zu Beginn auch noch einmal erneuert. Im späteren Abschnitt verdreckte er zunehmend, woraus der letzte Ausgräber auf einen Verfall kommunaler Werte schließt. (Özdogan, 1999, S.43-54; Bd. II, S.23 ff., Fig. 10-51)

se ist durch lithisches Material gekennzeichnet, das am ehesten mit PPN B-Funden am oberen Euphrat vergleichbar ist. Von der Cobble-paved Building Subphase bis zur “first half of third layer of cell building subphase” (Özdogan, 1999, S.48), also in der Stage 3 sind deutliche Beziehungen zu den Siedlungen am mittleren Euphrat nachweisbar. Die Funde aus der Stage 4, also von der “zweiten Hälfte” der dritten Schicht der Cell Building Subphase bis zum Ende der akeramischen Besiedlung, stellen, laut Özdogan, nur noch einen Verfall der “PPN-Lebensweise” dar und sind dem PPN C Kontext zuzuordnen. Die Antilopenjagd hat laut Faunenanalysen zu allen Zeiten eine große wirtschaftliche Rolle gespielt. (Braidwood & Cambell, 1982, S.10, 11; Caneva et al., 1998, S.204; Özdogan, 1999, S.43, 48) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Round Building Sbphase: II danach III (oder IV?) Die Organisation des unsegmentierten Siedlungsareals mit kommunalen Flächen und öffentlich zugänglichen Gebäuden, die offenbar einem Sepulchralkult dienten (bes. das ”Skull Building”), spricht klar für eine kommunalistische Organisation der Gemeinschaft. Die Größe der Häuser, ihre Streuung und die ihnen direkt zugeordneten Werkstätten der Channeled Building Subphase läßt eher auf eine sozio-ökonomische Ordnung nach SR III schließen. Die offenbar klar reglementierte Bauweise und Siedlungsform der Cell Building Subphase weist allerdings auf eine Gemeinschaft des Typs SR IV hin. Die Übergänge sind augenscheinlich fließend.

Kultureller Kontext: Die Round Building Subphase und die Schichten g1-4 der Grill Building Subphase, die der Stage 1 zugeordnet werden, weisen deutliche Bezüge zu dem PPN A-Kontext des nördlichen Zagrosgebietes auf. Die Steinindustrie ist nah verwandt mit der von Jarmo (Irak). Die Stage 2, bestehend aus den Schichten g5-7 der Grill Building Subphase und der Channeled Building Subpha-

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Round Building Subphase: c Grill Building - Large Room Building Subphase: e

Cayönü, Schicht r3 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 23)

Cayönü, Schicht r4 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 23)

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Cayönü, Early Grill S.Ph. (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 23)

Cayönü, Late Grill S.Ph. (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 23)

Cayönü, Reversed Grills (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 24)

Cayönü, Schicht ch1-3 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 25)

Cayönü, Schicht cp1 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 27)

Cayönü, Schicht cp2 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 27)

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Cayönü, Schicht cp3 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 27)

Cayönü, Schicht c1 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 27)

Cayönü, Schicht c2 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 27)

Cayönü, Schicht c3 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 28)

Cayönü, Schicht c3b+lr1 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 30)

Cayönü, Schicht lr2 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 31)

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Cayönü, Schicht lr3 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 31)

Cayönü, Schicht lr4-6 (Özdogan, 1999, Bd.II, S. 31)

Cayönü, Grundriß der späteren Round Building Subphase (Yakar, 1991, S. 54)

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Cayönü, Grundriß der frühen Grillplan Building Subphase

(Schirmer, 1988, S.154)

Cayönü, verschiedene Grundrisse der Cellplan Subphase (Schirmer, 1988, S.159)

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Cayönü, a: “Skull Building”, früheste Form b: “Skull Building”, mittlere Form c: “Skull Building”, späte Form d: “Flagstone Building” e: “Terrazzo Building” (Yakar, 1991, S.54)

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CHAGAR BAZAR (Tell Shager)

Schicht 8 - Schicht 6: unbestimmt. Wahrscheinlich rechteckig. Da in den Schichten unter 9 mehrfach von einer Änderung der Ausrichtung der Gebäude gesprochen wird und nur die Struktur in Schicht 9 in ihrer Eigenschaft als möglicher Tholos direkt angesprochen wird, ist anzunehmen, daß alle anderen Architekturreste von rechtwinkligen Gebäuden stammen. (Mallowan, 1936, S.16ff.)

Lage: 40 km südwestlich von Nisibin, 43 Kilometer NordNordost von Hassake an der Straße nach Amuda, Nordost Syrien. (Mallowan, 1947, S.81; Moore, 1978, S.327) Datierung und Stratigraphie: Insgesamt wurden bei der Ausgrabung in den 30er Jahren 15 Schichten festgestellt. Schicht 15 liegt auf anstehendem Boden. Der Fundort wurde bis zur spät-halafzeitlichen Schicht 6 durchgehend besiedelt, zwischen Schicht 6 und Schicht 5 befindet sich eine fast 2m dicke, befundlose Zwischenschicht, die zudem deutlich Spuren der Verwitterung aufweist. Es hat offenbar ein sehr langer Siedlungshiatus stattgefunden. Die Schichten 5 bis 1 reichen von der Uruk-Zeit bis in die Mittelassyrische Zeit. Auf anstehendem Boden: Dark Burnished Ware, bis ca 5500 v. Chr. Schicht 15 - Schicht 13: Samarra und Niniveh I und II, ca. 5500 v. Chr. bis 5200 v. Chr. Schicht 12 - Schicht 7: Halafzeitlich, ab ca. 5200 bis 4500 v. Chr. (Mallowan, 1936, Fig. 2, S.16, 17; Mallowan, 1937, S.115; Piccione, 2003, Internet; Mellaart, 1967, S.8; Aurenche, 1986, S.72)

Siedlungsform: Unbestimmt. Die Ausrichtung der Gebäude der verschiedenen Schichten ist nicht einheitlich. Kultureller Kontext: Auf anstehendem Boden: Dark Burnished Ware Schicht 15 - Schicht 13: Samarra und Niniveh I und II Schicht 12 - Schicht 9: Halafkeramik analog zu Arpachiyah VIII - X Ab Schicht 8: Polychrome Halafkeramik (Mallowan, 1936, Fig. 2, S.16, 17; Moore, 1978, S.327) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: unbestimmt Kosmologisch-habituelles Prinzip: unbestimmt

Bautechnik: Schicht 15: Keine Baubefunde Schicht 14: „Pisé“, wahrscheinlich Lagenlehm. Wandstärken bis zu 75 cm. Schicht 13: „pisé or stiff clay“, Lagenlehm, Zabur? Als Fundament der Gebäude diente eine Plattform aus Stampflehm. Schicht 12: Gebäude standen auf einer fast 2m dicken Plattform aus Lehmziegeln, mit der die Befunde der vorangegangenen schicht überbaut waren. Wandgefüge wahrscheinlich ebenfalls aus Ziegeln. Schicht 11: Eine einzige 1m dicke Wand im Bereich der Ausgrabung Schicht 10: „ some very hard mud walling... and one of the walls contained small mud bricks measuring 22 x ? x 7,5 cm“ Schicht 9: unbestimmt Schicht 8: „Poor quality pisé-walling“ Schicht 7: Lehmziegel, 23 x ? x 4 cm Schicht 6: Die Befunde sind stark gestört. Wahrscheinlich wurde sowohl mit Lagenlehm als auch mit Ziegeln gearbeitet. (Mallowan, 1936, S.16ff.) Bauform: Schicht 15: Keine Baubefunde Schicht 14: Eine einzige lineare Wand, die in NO-SWAusrichtung einmal quer über die ganze Ausgrabungsfläche verläuft. Schicht 13 - Schicht 10: unbestimmt. Wahrscheinlich rechteckig, da der Ausgräber mehrfach die Orientierung von Wandverläufen erwähnt. Schicht 9: Rudimente eines Gebäudes, bei dem es sich möglicherweise um einen Tholos handelt

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CHOGA MAMI

Bauform: Standardisierte Hausform. Rechteckig, mit zwei oder drei Reihen gleichförmiger Räume. Größtes Haus: 7 x 10 m mit 12 Räumen in drei Reihen. Als Fundamente dienten die Mauerstümpfe der Vorgängerbauten, z.T. wurde innerhalb ihrer Mauern neu gebaut. (Oates, 1969, S.136; Hermann, 1984, S.186; Paroda, 1985, S.165)

Lage: Südirak, am Ostrand der mesopotamischen Ebene nordwestlich von Mandali, in dem Dreieck zwischen den Flüssen Gangir und Abi-I-Naft. (Oates, 1969, S.133, 135; Hermann et al, 1984/1, S.186) Datierung und Stratigraphie: Vier Besiedlungsschichten aus der Samarra-Periode in der 2. Hälfte des 6 Jahrtausend v. Chr. Die Keramik der jüngsten Schicht besteht aus Übergangsformen zwischen Samarra- und Obed-Ware, ist mit Sicherheit älter als Hajji-Muhammad und hat Parallelen zu Eridu XVIII XVI, ist also älter als 5000 v. Chr. (Hermann, 1984, S.186; Oates, 1969, S.133, 134)

Siedlungsform: Isolierte Bauweise, z.T. waren Häuser und kleine Nebengebäude mit Umfassungsmauern zusammen- gefaßt. "...extended households." (Oates, 1969, S.133, 136) Kultureller Kontext: Fast ausschließlich Samarra-Keramik. In der letzten Phase: Übergangsformen zwischen Samarra- und ObedWare mit Parallelen zu Eridu XVIII bis XVI. Keinerlei Hassuna- oder Halaf-Keramik im Fundmaterial. (Oates, 1969, S.133-136)

Bautechnik: Alternierende Läufer- und Binderlagen von hand- geformten, zigarrenförmigen Lehmziegeln, 70 bis 90 cm lang, 12 cm Durchmesser. Pilaster an den Außenwänden, korrespondierend mit den Trennungswänden im Innern und an den Gebäudeecken. (Oates, 1969, S.136)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Choga Mami, drei Hausgrundrisse (Paroda, 1985, S.165)

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DZEJTUN

Siedlungsform: Isolierte Bauweise. Hofmauern umschließen jeweils die Wirtschaftsbereiche der einzelnen Häuser, möglicherweise auch gegen Sandverwehungen. Bis auf einige Häuser am Westrand sind alle Gebäude annähernd an den Kardinalpunkten ausgerichtet. Insgesamt 30 Häuser, Siedlungsgröße 120 x 60 m, ca. 150 - 160 Einwohner. (Müller-Karpe, 1982, S.22, 43; Hermann, 1984/1, S.225)

Lage: Turkmenistan, 30 km nordwestlich von Aschabad, am südlichen Rand der Kara-Kum Wüste. (Müller-Karpe, 1982, S.3; Hermann, 1984, S.225) Datierung und Stratigraphie: Eine 1,7 bis 3,5 m starke Kulturschicht mit 5 - 8 übereinanderliegenden Hausfußböden, die z.T. zu denselben Häusern gehörten. Nur die vorletzte Siedlungsschicht ist vollständig ergraben worden. Die Dzejtun-Kultur wird in der Regel in drei Phasen unterteilt, der namensgebende Fundort gehört zur ältesten Phase. Datierung: 5800 v. Chr. (Müller-Karpe, 1982, S.3, 4, 9, 15; Hermann, 1984/1, S.225)

Kultureller Kontext: Dzejtun-Kultur. Gruppe von insgesamt 10 Siedlungshügeln im südlichen Turkmenistan mit homogenem Material. Wahrscheinlich entstanden durch Kolo- nisierung von iranischen, altneolithischen Gruppen, die mesolithische Bevölkerungsteile neolithisierten. Anhand des keramischen und lithischen Inventars und der kalkbestrichenen Fußböden mit Ockerfärbung: entfernte Ähnlichkeiten mit Siyalk I, Jarmo, Tepe Guran, Sarab, Ali Kosh u.a. (Müller-Karpe, 1982, S.9, 15, 45; 1984, S.41)

Bautechnik: Protoziegel oder handgeformte Lehmziegel. Lehmbatzen von ovalem Querschnitt, 60 - 70 cm lang, 20 - 25 cm breit, 10 - 12 cm dick, strohgemagert, in Lehmschichten aus dem gleichen Material gebettet (Mörtel?). Wände meist 25 cm dick, in einigen Fällen nachträglich bis auf 45 cm verstärkt. (Müller-Karpe, 1982, S.16; Hermann, 1984, S.225)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Die deutliche Parzellierung des Siedlungsraums legt zwar eine architektonische Kennzeichnung der Besitzstände im Sinne des Typs V nahe, die große Homogenität der Siedlung sowie die Gruppierung gleichwertiger Häuser um Freiflächen macht aber eine sozio-ökonomische Struktur vom Typ II wahrscheinlicher, in der eine Clusterbildung z.B. von Verwandtschaftsgruppen stattgefunden hat.

Bauform: Einräumige, annähernd quadratische Häuser zwischen 2,8 x 2,8 bis 7,0 x 7,0 m Innenmaß, durchschnittlich 20 bis 30 qm Wohnraum. Standardisierte Inneneinrichtung mit mittig gelegenem Eingang und Herd an der rechten Wand vom Eingang aus gesehen. Kleinere, angegliederte Wirtschaftsbauten minderer Bauqualität, u.a. ein ovaler Bau: 3,4 x 2,7 m. (Müller-Karpe, 1982, S.16, 18, 20, 21)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: d Trotz annähernd homogener Ausrichtung der Siedlung ist keine, dem Typen e entsprechende übergeordnete Struktur erkennbar.

Dzejtun, Gesamtplan der Ausgrabungsfläche (Mellaart, 1975, S. 213)

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ERIDU

Datierung und Stratigraphie:

Lage: Südirak, 24 km süd-süd-westlich vom antiken Ur, 40 km südwestlich von an-Nasiriyah. (Safar et al., 1981, S.30)

Fundort kontinuierlich seit der ersten bislang bekannten Kulturperiode des südlichen Iraks, der sog. Eridu-Phase, besiedelt. Es existieren zwei prähistorische Fundstellen: Die sog. "Temple Site" auf der Akropolis und die 70 m südlich gelegene "Hut Sounding", ein Schnitt von 7 x 7 m, auf dem Wohnbebauung festgestellt werden konnte.

Eridu, Stratigraphie und Datierung (Piesbergen, 2000, S.113) Bautechnik: Temple -Site: XVIII: Formziegel, strohgemagert, 50 x 25 x 6 cm ~ Ratio von 10 : 5 : 1 XVII: Formziegel wie in XVIII, Wandstärke ent- sprechend einer Ziegelbreite. XVI: Formziegel, 54 bis 32 x 20 x 6 bis 7 cm, Wandstärke entsprechend einer Ziegelbreite . XV: Handgeformte Ziegel mit 5 Knöchelabdrücken auf der Oberseite. Größe: 40 x 14 x 8 cm ~ Ratio von 5:2:1 Die Nordost- und Südwestwand bestehen aus je zwei nebeneinander aufgemauerten Ziegelschichten.

XIV: Kein Befund. Lediglich eine Verfüllung mit dem Abbruchmaterial von XV. XII + XIII: ?, möglicherweise eine Formziegelwand. XI: Formziegel, 52 x 27 x 7 cm ~ Ratio von 8 : 4 : 1 X: Formziegel, 42 x 25 x 6,5 cm ~ 7 : 4 : 1 IX bis VI: Keine weiteren Veränderungen der Bautechnik. Hut-Sounding: L.XII bis LX: Schilfwände mit dicken Lehmschichten verputzt. In L.X auch Formziegel, 30 x 12 x 8 cm und 30 x 28 x 8 cm

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L.VIII bis L.I: Formziegel. Die Größen variieren zwischen 22 x 15 x 8 cm bis zu 47 x 26 x 8 cm und 58 x 15 x 8 cm. Meist im Binderverband mit Fugenversatz vermauert. In Schicht V klassischer Läufer-Binder Blockverband. In Schicht VIII Läuferverband mit einzelnen Bindern. In Schicht II Verband aus alternierenden Ganz- und Halbziegeln ohne Fugenversatz. (Safar et al., 1981, S.86, 88-90, 92, 94, 249, 256, 257)

Hut Sounding: unbestimmt. In allen Schichten haben die Häuser die gleiche Ausrichtung. Von Schicht VIII bis I fast identischer Wandverlauf zweier Häuser mit einer dazwischen verlaufenden Gasse, deren Breite zwischen 1 und 2 m variiert. (Safar et al., 1981, S.86ff., 256) Kultureller Kontext: Siehe Stratigraphie. Sowohl die Eridu-Kulturträger, die wahrscheinlich aus Khuzistan stammen, als auch die Obed-Kulturträger, waren laut Safar Einwanderer, die eine bereits voll entwickelte Kultur mitbrachten. Aufgrund der Keramik und dem Befundhiatus in den Schichten XIII und XII wird allgemein angenommen, daß die Gründer Eridus ab der Schicht XI von einer Obed-Population verdrängt wurden. Ab Schicht XIV treten Hassuna-Formen auf. Andere Formen haben Verbindungen zu Samarra-Ware oder Susianna-Keramik. Die Dekorationen entsprechen am ehesten denen von Susianna A. (Safar et al., 1981, S.44, 45; Mellaart, 1967c, S.42)

Bauform: Temple-Site: XVIII: Vier parallel verlaufende Wände, ca. 3 m lang, 50 cm Abstand zueinander. XVII: Quadratische Kammer mit 2,8 x 2,8 m. XVI: Rechteckige Kammer, 2,1 x 3,1 m, mit Abseite in der Nordwestwand, Größe: 1,1 x 1m. XV: Rechteckiger Raum, Größe: 7,3 x 8,4 m. XIV: Verfüllung von XV als Fundament für nicht mehr vorhandenen Bau. XII und XIII: Keine Architekturbefunde. XI: Großes, nur angeschnittenes Gebäude mit zentraler Halle von 4,5 x 12,6 m mit drei angegliederten Räumen unterschiedlicher Größe. X: Wiederaufbau von XI ohne maßgebliche Veränderungen. IX: Entspricht XI und X weitgehend, Größe der Halle 10 x 4,6 m. VIII bis VI: Plan bleibt sich grundsätzlich gleich. Der Bau wird massiver, der Innenraum komplexer unterteilt. Vorläufer des klassischen sumerischen Tempelbaus. (Als explizit sakrale Architektur für diese Untersuchung nicht von Interesse.) (Safar et al., 1981, S.86-96)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Schicht XVIII bis XV: II ? Zwar werden die gefundenen Gebäude der Tempel-Sounding landläufig als Sakralbauten angesehen, diese Deutung ist aber keineswegs gesichert. Wenn mit Schicht XI eine Neubesiedlung mit Populationswechsel stattgefunden hat, ist eine Rückprojektion der Bedeutung des Obed-zeitlichen Tempelstandorts nicht zulässig. Auch die Öfen in unmittelbarer Nähe der Gebäude sprechen eher für eine Nutzung als Wohnbauten. In dem Fall wäre der Typ II das naheliegendste Interpretationsmodell. Schicht XIV bis XII: unbestimmt Schicht XI bis VI: VII Zwar lassen die Gebäude aus der Hut-Sounding, bei denen es sich wahrscheinlich um Wohngebäude handelt, keine näheren Schlüsse zu, alleine die Tempelanlage ist aber mit keiner der schlichteren Raumorganisationstypen in Einklang zu bringen.

Hut-Sounding: L.XII: Rechteckige Rudimente. L.XI: Ein rechteckiges, einräumiges Haus, eine große, ovale Struktur. L.X: Eine rechteckige, mehrräumige Struktur, ein Rundbau ca. 2m Durchmesser. L.VIII bis L.I: Rechteckige, zwei- bis dreiräumige Häuser (bis auf IV, dort vielleicht einräumig). (Safar et al., 1981, S.256, 257) Siedlungsform: Temple-Site: XVII: Neben dem ersten "Tempel" steht mit 2 m Abstand ein gleich geformtes Gebäude. In allen anderen Schichten: isoliert stehende, einzelne Gebäude.

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Schicht XVIII bis XV: d ? (s.o.) Schicht XIV bis XII: unbestimmt Schicht XI bis VI: e (s.o.)

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Eridu, Baubefunde der Schichten 17 - 15 und 11 - 9 im Bereich der Temple-Sounding (Safar et al., 1981, S.89)

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Eridu, Bebauungsschichten der Hut-Sounding (Safar et al. 1981, S.257)

GANJ DAREH TEPE

Bauform: Schicht E: Keine Befunde. Schicht D: Runde, einräumige Häuser. Hinweise auf Zweigeschossigkeit (welche ?). Schicht B und C: Rechteckige, kleinzellige, mehrräumige Strukturen, möglicherweise die Untergeschosse von Wohnhäusern. Schicht A: keine Angaben über mögliche Befunde (Hermann, 1984/1, S.286; Singh, 1974, S.77; Mellaart, 1975, S.77; Gebel, 1984, S.66)

Lage: Westiran, im Behistun-Hochtal, Kermanshah, auf einer Höhe von 1400 m. (Mellaart, 1967c, S.17; van Zeist & Bottema, 1991, S.57) Datierung und Stratigraphie: Akeramische Siedlung mit den Schichten A, B, C, D und E, wobei E die älteste Schicht und A die jüngste Schicht ist. In E keine Architekturbefunde. Datiert auf 7500 bis 7000 v. Chr. (Smith, 1974, S.207), nach J. Mellaart jedoch vergleichbar mit Zawi Chemi Shanidar das mit C-14, unkalibriert, auf 8700 +/- 150 datiert ist. (Smith, 1974, S.207; Gebel, 1984, S.66, 99; Mellaart, 1967c, S.17)

Siedlungsform: Die einzigen Angaben, die zur Siedlungsform zu finden waren, beschreiben die Anlage als einheitlich ausgerichtetes Cluster von geringer Größe ohne Freiflächen. (Gebel, 1984, S.98; Mellaart, 1975, S.77) Da eine Clusterbildung mit Rundbauten nur lokal und agglutinierend zu realisieren ist, gilt diese Beschreibung wohl nur für die Schichten C, B und möglicherweise A. Für Schicht D kann eine isolierte Bauweise angenommen werden.

Bautechnik: Schicht E: Keine Befunde. Schicht B, C und D: Planokonvex-Ziegel bis zu 1m Länge, lange "zigarrenförmige" Ziegel. Die Iden- tifikation von Protoziegel- und Schichtlehmbau stellten sich nach jüngeren Untersuchungen als Fehl- interpretationen heraus. Schicht A: keine Angaben über mögliche Befunde (Smith, 1974, S.207; Mellaart, 1975, S.77; Gebel, 1984, S.66)

Kultureller Kontext: “Mesolithisches” Inventar; keine geschliffenen Steingeräte, Knochenartefakt identisch mit denen von Cayönü in der Südosttürkei. In Schicht B und D: Bestattungen unter Fußböden der Häuser. Keine domestizierten Tiere oder Pflanzen nachweisbar. (Hermann, 1984/1, S.286; Braidwood, 1982, S.10) 144

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Schicht E: ? Schicht D: II ? Die Bestattung der Toten innerhalb der Gebäude lassen auf eine Vorstellung schließen, in der die Familie und deren Wohnort auch unabhängig von der Gemeinschaft eine Bedeutung hat. Diese Vorstellung und die damit verbundene Idee des Privaten machen den Typ II wahrscheinlicher als den gänzlich kollektiven, egalitären Typ I. Schicht B und C: Aufgrund fehlender Grundrisse kann keine Aussage getroffen werden. Die Beschreibungen können auf Typen von Typ II bis Typ V zutreffen. Schicht A: ?

HACILAR, AKERAMISCH Lage: Türkei, Südwestanatolien bei Burdur. 37045'N/30022'O. Räumlich getrennt von der spätneolithischen Siedlung. (Mellaart, 1970, S.2) Datierung und Stratigraphie: 7 Besiedlungsphasen, Akeramisch I bis VII, jeweils maximal 25 cm erhalten. C-14 Datierung aus Schicht V: 6740 +/- 180 v. Chr, bei einer kurzen Halbwertzeit von 5568 +/-30. Wahrscheinlicher ist aber eine Halbwertzeit von 5730 Jahren = Datierung auf ca. 7000 v. Chr. für Schicht V. Die gesamte Belegungsdauer kann nicht erheblich sein. (Mellaart, 1970, S.3, 5; 1967a, S.48)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Schicht E: ? Schicht D: b ? Die Bestattung der Toten innerhalb der Rundhütten legt einen Ahnenkult nahe, der am ehesten mit dem Prinzip b korrespondiert. Schicht B und C: d Schicht A: ?

Bautechnik: Lehmziegel verschiedener Größen. Viele hatten die Maße 72 x 28 x 8 cm ~ Ratio von 9 : 3,5 : 1. Die Wände waren in der Regel im Läuferverband gemauert, also ca. 30 cm dick. Hofmauern, bis zu 1 m dick, sind im LäuferBinder-Verband gemauert. (Mellaart, 1970, S.4) Bauform: Kleine, mehrräumige, rechteckige Häuser. Schlechter Erhaltungszustand und kein vollständiger Grundriß ergraben. (Mellaart, 1970, S.3,4) Siedlungsform: Isolierte Bauweise. Aufgrund der Befunde sind weder eine Einfriedung der gesamten Anlage noch eine Segmentierung der Freiflächen mit Sicherheit zu rekonstruieren. (Mellaart, 1970/2, S.53ff.) Kultureller Kontext: Keine offenkundigen kulturellen Verbindungen zu anderen, zeitgleichen Siedlungen, die im Gegensatz zum akeramischen Hacilar schon Töpferei kannten. Keine Übereinstimmungen mit Catal Hüyük. (Mellaart, 1970, S.6) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V ? Wegen der kleinen Fläche der Ausgrabung ist die Interpretation der Befunde als die eines kleinen Gehöfts nur unter Vorbehalt möglich. Kosmologisch-habituelles Prinzip: d Anlage ist eindeutig nach den Kardinalpunkten ausgerichtet.

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Hacilar, akeramisch, Grabungsplan der Schichten I-II (Mellaart, 1970, S.53)

Hacilar, akeramisch, Grabungsplan der Schicht IV (Mellaart, 1970, S.54)

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Hacilar, akeramisch, Grabungsplan der Schicht V (Mellaart, 1970, S.55)

HACILAR, KERAMISCH

Bautechnik: Schicht IX bis VII: ? Schicht VI: Lehmziegel. Jedes Haus hat eine eigene Ziegelgröße. Wände überall ca. 1m dick. Ziegelmaße: 50 x 50 x 10 cm = Ratio von 5 : 5 : 1 / 46 x 26 x 10 ~ Ratio von 5 : 2,5 : 1 / 63 x 19 x 10 cm ~ Ratio von 6 : 2 : 1. Schicht V: Keine Architekturbefunde. Schicht IV: Lehmziegel, schlecht erhalten. Schicht III: Lehmziegel. Schicht II: Lehmziegel. Schicht I: Lehmziegel, ca. 40-50 cm x 10 cm x ? cm, Wandstärke bis zu 4 m! (Mellaart, 1970, S.10, 11, 23, 24, 25; 1970/2, S.43 Tafel XLIV)

Lage: Türkei, Südwestanatolien bei Burdur. 37045'N/30022'O. Räumlich getrennt von der spätneolithischen Siedlung. (Mellaart, 1970, S.3) Datierung und Stratigraphie: Neubesiedlung des Fundorts um +5700 v. Chr. Neun Siedlungsschichten. Schicht IX bis VII: Nur in den Schichten VIII und IX minimale Bautätigkeit nachweisbar. C-14 Probe aus Schicht IX: 5614 +/- 92. Schicht VI: Durch Feuer zerstört, datiert auf 5620 +/- 79. Möglicherweise bis zu 50 Jahre vorher gebaut. Schicht V: Aufgrund der Ablagerungsstärke bis ca. 5550 v. Chr. Schicht IV und III: Schicht II: Subphase IIa: Durch Feuer zerstört: 5434 +/131 v. Chr. danach fast unverändert als Subphase IIb wieder aufgebaut. Schicht I: Vollständiger kultureller Bruch zu Schicht II. 5247 +/- 119 v. Chr. C-14 Datierungen wurden mit der langen Halbwertzeit von 5730 Jahren errechnet. (Mellaart, 1970, S.8-10, 23, 24, 26, 30, 32, 37; 1967b, S.18)

Bauform: Schicht IX bis VII: Fragmente wahrscheinlich rechteckiger Räume. Schicht VI: Große, rechteckige, einräumige Häuser mit mittig gelegenen Zugängen einer Breitseite, die jeweils von einem oder zwei kleinen Räumen oder Einfriedungen flankiert werden.. Größe: 5 x 6 bis 10 m. Stützpfeiler entlang der Raumachsen. Zweigeschossig (Treppenbefund!). Schicht V: Keine Architekturbefunde. Schicht III: Rechteckige Häuser, entsprechen Schicht II. Schicht II: Rechteckige ein- und mehrzellige Gebäude mit linearer Zimmerflucht. Werden zweigeschossig rekonstruiert. 147

Schicht I: Mehrräumige, rechteckige Gebäudekomplexe mit Pilastern an den Innenwänden. Räume bis zu 8,5 x 5,5 m. Mindestens zweigeschossig. Die einzelnen, voneinander unabhängigen Häuserblöcke sind nur über separate Höfe zugänglich, von denen aus die einzelnen Zimmer erreicht werden können. (Mellaart, 1970, S.10, 12, 13, 24; Singh, 1974, S.70)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Schicht IX bis VII: ? Schicht VI: II Schicht V: Schicht IV bis II: V Die Bebauung der Schicht VI ist aufgrund fehlender Gemeinschaftsbauten und den kaum segmentierten Innenräumen eher als homogen kommunal anzusprechen, denn als komplex kommunal. Es ist trotzdem mit einer höheren gesellschaftlichen Komplexität zu rechnen, als in den üblichen SR II-Gemeinschaften. Geht man man von einer SR II-Besiedlung aus, ist in den jüngeren Schichten eher eine Typ IV Besiedlung zu erwarten. Die geringe Größe und die Geschlossenheit der Siedlung, sowie die räumliche Kontrolle der Zugänge sprechen aber für eine Gehöftgemeinschaft vom Typ V. Schicht I: ? Die chalkolithische Festung stellt offenbar einen Sondertypus der Siedlungsform dar, der mit den entwickelten Modellen nicht ausreichend beschrieben werden kann. Wahrscheinlich regionales oder überregionales Zentrum und Teil eines komplexen sozio-ökonomischen Gefüges.

Siedlungsform: Schicht IX bis VII: ? Schicht VI: Akkumulierendes Cluster mit dazwischenliegenden Höfen. Schicht V: Schicht IV bis II: Addierendes Cluster, von einer Umfassungsmauer umschlossen. Die Schichten IV und III stellen nicht vollständig erfaßte Vorformen von dem Befund in Schicht II dar. Schicht I: Festungsartiger Siedlungscluster, demzufolge eine Plansiedlung, von hoher Komplexität. Um eine Innenfläche von 100 m im Durchmesser gebaut, äußerer Durchmesser der Festung 150m. Gebäudeblöcke verlaufen radial zum Innenhof. (Mellaart, 1970, S.10-13, 24-27) Kultureller Kontext: Gehört nicht zum übrigen anatolischen Kulturbereich, der von Catal Hüyük geprägt wird. Die entsprechenden Traditionen werden mit erheblicher Verzögerung und wenig entwickelt aufgegriffen, z.B. Stierkopfmodelle, "Muttergottheiten", zoomorphe Gefäße. Es existierte eine eigenständige, hochwertige Keramik. Zwischen der bäuerlichen Siedlung in Schicht II und der Festung in Schicht I besteht kein kultureller Zusammenhang. (Mellaart, 1970, S.20; 1967b, S.20, 22)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Schicht IX bis VII: ? Schicht VI: d Schicht V: Schicht IV bis II: d Schicht I: e

Hacilar, die Bebauung der Schicht VI (Stea & Turan, 1993, S.149)

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Hacilar, Teilrekonstruktion der Häuser P1 und 2 aus der Schicht VI (Singh, 1974, Abb.25)

Hacilar, Plan des befestigten Dorfes der Schicht IIa (Mellaart, 1970,S.73)

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Hacilar, Rekonstruktion des befestigten Dorfes der Schicht IIa (Mellaart, 1970, S.75)

Hacilar I a und b. Teilrekonstruierter Bebauungsplan der chalkolithischen Festung (Mellaart, 1970, S.89)

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HAJJI FIRUZ

Bauform: Die rechteckigen Häuser entsprechen in allen Schichten annähernd einem Idealtypus. Sie sind alle nach den Kardinallinien ausgerichtet, fast quadratisch und zweigeteilt. Ihre Größe ist ebenfalls weitgehend einheitlich und schwankt zwischen 6,4 x 5,3 bis 7,3 x 6,7 m. Meist sind sie an der Ostwand außen mit einer zusätzlichen eckigen oder runden Wand versehen, die vielleicht als Windschirm gedient hat. Die Türen befinden sich meist auf der Ostseite des Hauses. Die Innenräume sind durch eine von Ost nach West verlaufende Wand in ein Nord- und eine Südhälfte unterteilt. In der einen Hälfte befanden sich oft ein Herd und kleine, abgeteilte Nischen, die andere Hälfte war in der Regel besser verputzt und sauberer. Sie werden als Wohnraum gedeutet. Unter ihren Fußböden wurde auch oft bestattet. Unter den Fußböden der als Wirtschaftsräume gedeuteten Hälften, befanden sich nur in seltenen Fällen Kinderbestattungen (Voigt, 1983, S. 24, 31ff., 37ff.; Mellaart, 1967c, S.45; Schmandt-Besserat, Internet).

Lage: Nordiran, in der Urmia-Senke, südlich von Hasanlu. (Mellaart, 1967c, S.45) Datierung und Stratigraphie: Drei Besiedlungsphasen: Islamische Periode: um 1000 n. Chr. Pisdeli Periode: chalkolithisch, frühes 4. Jahrtausend Hajji Firuz Periode: Einzige bis jetzt eingehend auf 260 qm ergrabene und publizierte Besiedlungsphase. Sie wird unterteilt in die Phasen A - L, wobei A die jüngste und L die älteste erfassbare Schicht darstellt. Die Schichten A, F, H und K sind in weitere Subphasen geteilt, die sich aber nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Die oberen Schichten sind durch Gruben aus islamischer Zeit gestört. Aus der Phase D stammen zwei C 14-Daten: 5126 +/- 103 und 5152 +/- 86. Die Ausgräberin schätzt die Besiedlungszeit von Schicht L bis Schicht A auf ca. 5500 - 5000 v. Chr. Da sich noch mindestens 6 Besiedlungsschichten weiter unterhalb des Grundwasserspiegels befinden, wird er Beginn der Besiedlung auf 6000 v. Chr. geschätzt. (Voigt; 1983, S.24, 26, 348 ff.; Mellaart, 1967c, S.45)

Siedlungsform: Die Häuser stehen in allen Phasen isoliert aber in enger Nachbarschaft in einheitlicher Ausrichtung nach den Kardinalpunkten um offene Flächen herum. Das Siedlungsareal ist, bis auf einzelne kleine Mäuerchen dicht bei den Häusern, nicht segmentiert. Die Wirtschaftsbereiche befinden sich vorwiegend auf den Freiflächen zwischen den Häusern und das ganze Siedlungsareal ist von Ascheschleiern überzogen. (Voigt, 1983, S.22-25, 31)

Bautechnik: In den Schichten A - F wurde in erster Linie mit handgeformten Lehmziegeln gebaut, deren Größe auch innerhalb einzelner Mauern deutlich variiert. Eine größere, nicht überdachte Struktur aus Schicht C war mit Lagenlehm errichtet. Die Bauten der Schichten G - L waren, laut einer früheren Ausgrabung, ebenfalls nicht aus Ziegeln, sondern aus „packed mud“ bzw. „chineh“, also Lagenlehm. Echter Chineh ist aufgrund der geringen Wandstärken unwahrscheinlich. Die Ausgräberin der jüngeren Kampagnen vermutet allerdings, daß die tieferen, feuchteren Mauerbefunde nicht lang genug der Luft ausgesetzt waren, um die typische Ziegelstruktur erkennen zu lassen, die laut ihren Beobachtungen erst nach ca, 6 Wochen zutage tritt (siehe auch Kapitel II.1.3.). Sie hält also eine durchgängige Bautechnik mit Ziegeln für ebenso wahrscheinlich wie einen Wechsel vom Lagenlehm zum Ziegel ab der Schicht G. (Voigt; 1983, S.26, 32ff.)

Kultureller Kontext: Mit Hajji Firuz wird eine eigenständige Kulturerscheinung identifiziert, die auch in anderen Fundorten, z.B. Baranu Tepe, anzutreffen ist. Sie ist im größeren Zusammenhang dem frühesten keramischen Kreis des Irans zuzuordnen, der "painted pottery". Es bestehen Beziehungen zu Tepe Guran, Tepe Sarab, sowie Tepe Siyalk I und II und Tepe Hissar. (Voigt, 1983, S.350, 353; Mellaart, 1967c, S.45) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Kosmologisch-habituelles Prinzip: d

Hajji Firuz, Phase G (Voigt, 1983, S.29)

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Hajji Firuz, Phase C (Voigt, 1983, S.25)

Hajji Firuz, Phase A (Voigt, 1983, S.23)

Hajji Firuz, Rekonstruktion eines Standard-Hauses (Voigt, 1983, S.34) 152

HAMATH

Besiedlung des Typ IV unwahrscheinlich. Da die Ausdehnung der Siedlung nicht bekannt ist und der Ausschnitt auch nur ein besonderes Viertel zeigen kann, ist sogar eine Siedlung von Typ VII möglich.

Lage: Lage: Syrien, am mittleren Orontes, an der Stelle des rezenten Hama. (Mallowan, 1967, S.10)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Periode M: d ? Periode L-K: e Periode J: e

Datierung und Stratigraphie: Insgesamt 13 Perioden, die jeweils in einzelne Schichten unterteilt sind, durchbuchstabiert von A, der jüngsten Periode aus islamischer Zeit, bis zu M, der ältesten Periode, die sich auf dem anstehenden Boden befindet. Mehrfach gestört durch die antike und neuzeitliche Besiedlung. Durchgehende prähistorische Belegung von Halaf bis Jemdet-Nasser. Ab Periode L ist entwickelte Halaf-Keramik nachgewiesen, erste Hälfte 5. Jahrtausend v. Chr. Periode J gehört wahrscheinlich ins späte 5. und frühe 4. Jahrtausend v. Chr. (Mallowan, 1967,S.11; Herrmann, 1984/1, S.342) Laut Moore wurde in der dänischen Ausgrabung aus den Jahren 1932 und 1933 nur eine Sondierung von geringer Grundfläche vorgenommen, weswegen kaum Aussagen über die Bebauung getroffen werden könnten (Moore, 1978, S.304ff.), Schmidt publizierte dennoch einen großflächigen Grabungsplan der obed-zeitlichen Schicht J6 (Schmidt, 1963, S.17). Bautechnik: Ab Periode L wird mit Lehmziegeln gebaut. Vorher Lagenlehm, unbestimmt. (Schmidt, 1963, S.43) Bauform: Rechteckige, mehrzellige Häuser mit unregelmäßigen Grundrissen. Neben den üblichen rechteckigen Häusern treten in Periode K ausnahmsweise auch runde Grundrisse auf. In den Perioden J und K sind alle Häuser gleichmäßig nach einer Nord-Süd-Achse ausgerichtet. (Mallowan, 1967, S.11; Schmidt, 1963, S.43)

Hamath, Bebauung der obedzeitlichen Schicht J6 (Schmidt,1963,S.17)

Siedlungsform: Ab Periode L addierendes Cluster. Demzufolge in Periode M isolierte Bauweise. In den Perioden J und K ist die gesamte Siedlung in nord-südlicher Richtung ausgerichtet. (Schmidt, 1963, S.43, 44) Kultureller Kontext: Periode M: Coarse- und Burnished-Ware, vergleichbar mit Ras Shamra Periode L : Halaf-Keramik. Bislang keinerlei Obed-Material im Befund beobachtet. (Mallowan, 1967/2, S.11, 12; Moore, 1978, S.304ff.) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Periode M: ? Periode L-K: ? Periode J: VI ? Da nur eine nicht sehr aussagekräftige Skizze der Schicht J6 vorliegt, ist eine Zuordnung der Bauabschnitte zu einzelnen Gebäudekomplexen schwierig. Da kommunale Freiflächen offenbar fehlen und die Raumkomplexe oft von den Gassen abgewandt sind, ist eine

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HASSUNA

Schicht V: Eine große Struktur, deren zentrale Organisation aus drei parallel verlaufende, 15 m langen Wänden besteht, die durch Querwände in einzelne Zellen unterteilt sind. Die einzelnen Zellen sind nicht durchgehend miteinander verbunden und haben Zugang auf unterschiedliche Freiflächen. Stark variierende Raumgrößen. Schicht VI bis XII: Keine zusammenhängenden Grundrisse rekonstruierbar. (Lloyd & Safar, 1945, 271 ff., Aurenche, 1986, S.72; Mellaart, 1967c, S.28, 29; Schmidt, 1963, S.30-32)

Lage: Irak, unmittelbar südlich vom heutigen Mosul. (Mellaart, 1967c, S.25) Datierung und Stratigraphie: Insgesamt 15 Siedlungsschichten Schicht Ia: Schichtstärke ca. 1m, drei Subphasen. Keine Architekturbefunde. Ib, Ic und II: Hassuna-Ware ab 6000 bis ca. 5500 v. Chr. Schicht III-IV: Erste Samarra-Ware tritt in III auf, also ca. 5500 v. Chr. Schicht V: C-14 Datierung: 5302+/- 206 Schicht VI: Erste Halaf-Keramik, also ca. ab 5000 v. Chr. Ab Schicht VIII: Keine Samarra-Keramik mehr. Schicht XI: Erste Obed-Keramik, ca. +4500 v. Chr. Die Schichten XIII-XV sind gestört und weisen Obedund Halafmaterial auf, sowie assyrische Ware. (Lloyd & Safar, 1945, S.257; Herrmann et al., 1984/1, S.347; Mellaart, 1967c, S.31; Schmidt, 1963, S.32)

Siedlungsform: Schichten I bis IV: In Ia zunächst ein Camp aus Holzhütten oder Zelten. In Ic isolierte addierend gebaute Raumgruppen, danach durchgehend ein addierendes Cluster mit 'Negativräumen', die als Höfe genutzt werden. Schicht V: Addierendes Cluster, Plansiedlung. Drei, streckenweise fünf parallel verlaufende Wände in ost-westlicher Richtung, die durch Quermauern in kleine, kongruente Zellen unterteilt sind. Diese gehören aber nicht einem geschlossenen Komplex an, sondern bilden jeweils mehrere unabhängige Einheiten, die keine verbindenden Durchgänge haben. Schichten VI bis XII: Keine zusammenhängenden Grundrisse rekonstruierbar. Safar interpretiert die Befunde von Schicht IV analog zu rezenten, arabischen Häusern. Da es sich aber um einen einzigen Baukörper handelt, nicht um ein akkumulierendes Cluster unabhängiger Baukörper, reicht die bloße Existenz von Höfen innerhalb des Komplexes für eine solche Interpretation nicht aus. Von Schicht II an sind die Gebäude alle nach den Kardinalpunkten ausgerichtet. (Lloyd & Safar, 1945, 271 ff.; Schmidt, 1963, S.30-32; Mellaart, 1967c, S.28; Bernbeck, 1995, S.288)

Bautechnik: Schicht Ia: Für dieses erste Subphase werden Zelte und Holzhütten rekonstruiert. Schichte Ia - Ib:" Lehm...wenig sorgfältig in Schichten.." (Schmidt, 1963, S.23) „adobe“ (Lloyd & Safar, 1945, S.272) Schicht II: Lagenlehm, Tauf ? Schicht III bis VI: „the adobe walls were well built and straight.“ (Lloyd & Safar, 1945, S.275) Ab Schicht VII: keine auswertbaren Architekturbefunde mehr. In einem Profil, Long Section C-D, wird allerdings noch eine „round structure“ von ca 3m Durchmesser angezeigt (Lloyd & Safar, 1945, Fig.33). Möglicherweise ein Halaf-Tholos? Schicht XII: „...soon after the first appearance of Ubaid pottery, were the first walls built out of rectangular sundried brick. The bricks measured about 30 x 30 x 15cm. and were made of rather poor clay mixed with sand and ashes.“ (Lloyd & Safar, 1945, S.276) (Lloyd & Safar, 1945, S.257, 271ff.; Schmidt, 1963, S.29, 32; Mellaart, 1967c, S.28)

Kultureller Kontext: Nach Interpretation der Befunde von Schicht Ia: Besiedlung durch nomadisierende Gruppen von Hirten und Jägern. Schicht I und II: Hassuna-Keramik, weibliche Tonidole. Obsidian und Türkis belegen Handel mit Anatolien und dem iranischen Bergland. Ab Schicht III: Neben lokaler Ware tritt Samarra-Keramik auf. Ab Schicht VI: Halaf-Keramik wird parallel zur SamarraKeramik verwendet. Keine Überlappung mit der Hassuna-Ware. Ab Schicht VIII: Samarra-Ware verschwindet im Fundmaterial. Ab Schicht XI: Obed-Keramik tritt auf. (Lloyd & Safar, 1945, S.259ff.; Mellaart, 1967c, S.29ff; Schmidt, 1963, S.29)

Bauform: Schicht Ia: Mutmaßlich Zelte. Keine Grundrisse rekonstruierbar. Schicht Ib-Ic: Kleine, mehrzellige Häuser und halboffene Mauerstrukturen, größere Spannweiten wurden vermieden. Strukturen eckig und amorph. Ein größerer runder, segmentierter Bau mit einem Durchmesser von fast 7m. Schicht II: Ein größerer, mehrräumiger Komplex, z.T. rechteckig, abschnittsweise noch amorph. Erstmals treten Pilaster an einigen Innenwänden auf. Schicht III: Ein größerer, mehrräumiger Komplex im westlichen Bereich, ein weiterer im östlichen angeschnitten. fast alle Räume haben direkten Zugang zu Freiflächen. Schicht IV: Ein größerer, mehrräumiger Komplex, der sich in verschiedene Richtungen auf Höfe öffnet. fast jeder Raum hat unmittelbar Zugang zu Freiflächen.

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Schichten I: II Schicht II -V: V Schichten VI bis XII: ? Zwar wäre aufrgund der Clusterbildung auch eine Interpretation der Siedlung als Typ IV möglich, ihre geringe Größe, sowie die geringe Größe der einzelnen Wohneinheiten machen eine Interpretation als großes, geschlossenes Gehöft, bestehend aus mehreren Kleingruppen aber weitaus wahrscheinlicher.

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Kosmologisch-habituelles Prinzip: Schicht I: c , d Schicht II bis IV: d Schicht V: e Schicht VI bis XII: ?

Der segmentierte Rundbau in Schicht Ic wurde gedeutet als mögliches Rudiment einer vorangegangenen Zeltbauweise. Er weist deutlich die Merkmale von Prinzip c auf.

Hassuna, Schicht Ic, (Lloyd & Safar, 1945, Fig. 28)

Hassuna, Schicht II (Lloyd & Safar, 1945, Fig. 29)

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Hassuna, Schicht III (Lloyd & Safar, 1945, Fig. 30)

Hassuna, Schicht IV (Lloyd & Safar, 1945, Fig. 31)

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Hassuna, Schicht V (Lloyd & Safar, 1945, Fig. 32)

JARMO

Bauform: Rechteckige, mehrräumige Gebäude mit einer durchschnittlichen Grundfläche von 60 qm. Die einzelnen Räume haben eine Länge von ca. 2 m. (Breite?) Die Häuser sind mit leichten Abweichungen annähernd nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtet. Ein Gebäude im Schnitt J II, das über mehrere Schichten hindurch ortsfest bleibt, besteht in Schicht JII-5 aus mind. 12 Räumen, die um einen Innenhof herum gruppiert sind. (Braidwood, 1983, S.158, Fig.51,53; Mellaart, 1967c, S.13)

Lage: Irak, in dem Hochtal von Cemchemal bei Kirkuk. 35033'N, 44057'O, 800 m ü.NN. (Braidwood, 1983, S.55) Datierung und Stratigraphie: Zwei Schnitte, J I und J II, deren einzelne Schichten nicht eindeutig miteinander in Verbindung gebracht werden können. J I: 1, 2, 3, 4, 5, 6a, 6b, 6c, 7, 8, 9 und J II: 1, 1a, 2, 2a, 3, 4, 5, 6 Akeramisch von J I 9, datiert auf ca. 6750, bis J I 6a. Die Schicht J I 5 wird datiert auf ca. 6100 v. Chr. Die Belegung endet vor dem Auftreten der Hassuna Kultur im Zagros-Gebiet, also muß J I 1 vor 5800 v. Chr. enden. Kontinuierliche Besiedlung ohne Aufgabe oder Zerstörung einzelner Schichten. (Braidwood, 1983, S.155, 159, 160; Mellaart, 1967c, S.13,14)

Siedlungsform: In der Literatur sind keine Angaben zur Siedlungsform, lediglich zur Größe und Dichte der Siedlung zu finden. Danach hat der gesamte Fundkomplex eine Fläche von ca. 14000 qm gehabt, auf der 20 bis 25 Häuser gestanden haben. Wenn diese eine durchschnittliche Grundfläche von 60 qm aufweisen, ergibt das eine bebaute Fläche von 1500 qm, also etwas mehr als ein Zehntel der Gesamtfläche. Daraus ist zu schließen, daß es keine dichte Besiedlung gegeben haben kann, sondern die Häuser isoliert und mit Abstand zueinander auf der Fläche verteilt gewesen sein müssen. Es wird eine Population von ca. 150 Menschen angenommen. Auch aus den Planumsskizzen, die immer nur einzelne Schnitte darstellen, in denen höchstens zwei, in der Regel aber nur eine Struktur erfaßt ist, läßt sich nur mit Vorbehalt eine Siedlungsstruktur ablesen. Für gewöhn-

Bautechnik: Dünne Schichten Tauf. 10 bis 12 cm hoch. Die Wände haben eine durchschnittliche Dicke von 40 cm und verjüngen sich zum Dach hin. Steinfundamente treten erst in den jüngeren Schichte auf. (Braidwood,1983,S.156; Mellaart,1967c,S.13)

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lich scheinen die Häuser isoliert voneinander gelegen zu haben, die Befunde von J-I 7 und J-II 5 lassen aber auch eine Rekonstruktion von addierendem oder sogar akkumulierendem Cluster zu. Wahrscheinlich werden sich solche Agglomerationen von Gebäudeteilen aber nur in einzelnen Bereichen abgespielt haben und nicht im gesamten Siedlungszusammenhang. (Braidwood, 1983, S.158, Fig. 39 ff.; Mellaart,1961, S.58; 1967c, S.12) Kultureller Kontext: In der „Schicht 5“ (?) taucht erstmals Keramik auf, die sog. "Jarmo painted Ware", die wahrscheinlich aus Tepe Guran importiert worden ist. In den „Schichten 3 bis 1“ (?) wird sie abgelöst von einer gröberen, wahrscheinlich lokal hergestellten Imitation der ursprünglichen Keramik. (Mellaart, 1967c, S.14)

Jarmo, Schnitt 1, Bebauung der Schicht 7 (Braidwood, 1983, Abb.43)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V Die Größe, die deutliche Segmentierung der Gebäude, das Auftreten von zentralen Innenhöfen sowie die räumliche Streuung der Behausungen sprechen für eine sozioökonomische Ordnung in Form einzelner Gehöftgemeinschaften, die sich zu einer Siedlungsgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Kosmologisch-habituelles Prinzip: d

Jarmo, Schnitt I, Bebauung der Schicht 6a (Braidwood, 1983, Abb.42)

Jarmo, Schnitt I, Bebauung der Schichten 9 und 8 (Braidwood, 1983, Abb. 39)

Jarmo, Schnitt II, Bebauung der Schicht 5 (Braidwood, 1983, Abb.51)

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JERICHO

PPNA: Handgeformte, planokonvexe, länglich-ovale Ziegeln. PPNB: Handgeformte, brotlaibförmige Ziegel mit querlaufenden Fingerabdrücken auf der Oberseite. Die Länge entspricht etwa dreimal der Breite. Der Mauerverband besteht vorwiegend aus Läufern; Binder sind selten und unregelmäßig vermauert. Pottery Neolithic A: Lagenlehmtechnik, nicht näher bestimmt, aus einem Gemisch von Lehm und kleinen Steinen. Pottery Neolithic B: Planokonvexe Ziegel, kleine „bunshaped bricks“ (Moore, 1978, 451) (Kenyon, 1957, S.55, 56; Moore, 1978, S.87ff, 451ff; de Vaux, 1966, S.5, 17; Singh, 1974, S.39, 42, 47, 50, Fig.19)

Lage: Jordanien, im Jordangraben, Westjordanland, ca. 10 km nördlich des Toten Meeres in einer Oase, 250 m ü.NN.. (Brunner et al., 1993, S.378) Datierung und Stratigraphie: Der Tell wurde mit zahlreichen Schnitten erschlossen, die jeweils eine sehr komplexe, nicht immer synchronisierbare Stratigraphie aufweisen. Der Einfachheit halber wird der Fundort im Weiteren in die klar voneinander getrennten Besiedlungsperioden unterteilt. Proto-Neolithic: Natuf-Erstbesiedlung auf anstehendem Fels Prepottery Neolithic A (PPNA): Von den folgenden Schichten getrennt durch Sedimente eines Wasserlaufs, der sich teilweise durch den Befund schnitt. Wahrscheinlich folgt ein längerer Hiatus in der Besiedlung. Prepottery Neolithic B (PPN B): Gesamtstärke der Ablagerungen ca.15 m. Anschließend eine längere Besiedlungslücke. Pottery Neolithic A: Neubesiedlung. Pottery Neolithic B: Architekturreste erst gegen Ende der Belegung. Bronce Age: Für diese Untersuchung nicht relevant Die C-14-Datierungen aus den PPN-Schichten Schwanken extrem. Eine Probe aus einer späten Umbauphase der Verteidigungsanlagen wird auf 8350 ± 200 v.Chr. datiert. Eine Probe aus dem gleichen stratigraphischen Zusammenhang ergab 7440 ± 150 v.Chr. Und schließlich ergibt eine Probe aus den ersten PPN-A-Schichten eine Datierung von 7632 +/- 89. Es stehen sich schließlich zwei Datierungsvorschläge von zwei verschiedenen Laboratorien gegenüber: Das British Museum datiert die Protoneolithische und PPNA Besiedlung auf einen Zeitraum von 8500 - 8000 v.Chr., die Universität von Philadelphia auf 8000 - 7500 v.Chr. Ähnliche Unstimmigkeiten gibt es für die Datierung der PPNB-Schichten, die zwischen 7220 +/-200 v. Chr. für eine mittlere Schicht (British Museum) und 6660 +/- 75 v.Chr. für eine frühe Schicht (Philadelphia). Eine Ursache der stark schwankenden Daten kann, neben möglicher Kontamination, in den Proben selbst liegen. Sie können von schnell- oder langsam wachsenden Holz, wie z.B. Tamarisken, bzw. Oliven stammen, oder es ist vielleicht Totholz, das sich in dem semi-ariden Klima extrem lange halten kann, verbaut worden. Die heute übliche Datierung:

Bauform: Proto-Neolithic: Wahrscheinlich Rundbauten. PPNA: Rundbauten mit eingetieften Fußböden und mehreren Stufen empor zum Erdbodenniveau. Möglicherweise Bienenkorbbauten, da im Befund eine leichte Innenneigung festgestellt werden konnte. Die meisten waren einräumig, die Raumgrößen schwanken zwischen 4 und 6m im Durchmesser. In Schnitt M wurde in der Mitte einer Hütte eine Vertiefung, möglicherweise das Pfostenloch eines Mittelpfeilers, gefunden. Eine Struktur war in mindestens drei Räume unterteilt. Kein Grundriss konnte vollständig ergraben werden. Sie wurden selten auf ihren Vorgängerbauten errichtet PPNB: Rechteckige Häuser mit mindestens einem Haupt- und ein oder zwei Vorräumen. Zwei nachgewiesene Raumgrößen: 6,5 x 4m und 7 x 3m. Einige Formen erinnern deutlich an Megaron-Bauten. Wahrscheinlich waren die Häuser um Höfe gruppiert. Die Häuser wurden auf den Überresten der Vorgängerbauten errichtet, in einem Fall zehn mal. Zwei Gebäude unterscheiden sich von den anderen Bauten: In einem war an der Stirnseite des Hauptraums eine Nische eingefügt, in der wahrscheinlich eine in unmittelbarer Nähe gefundene kleine Säule aus Vulkangestein gestanden hat, ein anderes Gebäude wies einen großen, gepflasterten Hof oder Zentralraum auf und war von kleinen Räumen mit gebogenen Wänden gesäumt. In der Mitte befand sich eine Versenkung, möglicherweise eine Feuerstelle. Sie werden als Zeremonial- oder Kommunalbauten interpretiert. Pottery Neolithic A: Runde Hütten und Grubenhäuser. Pottery Neolithic B: Zu Beginn der Periode wurde Grubenhäuser wie in den vorangegangenen Schichten gebaut. Es bestanden aber auch parallel lineare Strukturen. Gegen Ende der Phase setzen sich die rechteckigen Gebäude durch. (Kenyon, 1957, S.53, 55, 59, 70, 71; Moore, 1978, S.89ff., 211ff., 451ff; deVaux,1966, S.5, 9, 17; Mellaart, 1967c, S.20)

Proto-Neolithic: vor 8300 v.Chr. PPNA: 8300 - 7700 v. Chr. PPNB: 7000 oder früher bis 6500 v.Chr. Pottery Neolithic A: ab 6000 v.Chr. Pottery Neolithic B: ab 5000 v.Chr.

Siedlungsform: PPNA: „They seem to have been free-standing but were set close together.“ (Moore, 1978, S.89) Die Siedlung hat eine Steinumwallung mit einen massiven Turm. Um diesen Turm, der zunächst frei steht, bildete sich bald ein dichtes Cluster von runden Steinstrukturen mit Lehmverputz, sodaß er nur noch über deren Dächer zu erreichen war. Die Dächer dienten also als Wegesystem.

(Bar-Yosef, 1989, S.58; Kenyon, 1957, S.70-73; Moore, 1978, S.97ff., 211ff.; deVaux, 1966, S.4, 15, 17) Bautechnik: Proto-Neolithic: „walls made of clay lumps probably supported by a timber frame.“ (Moore, 1978, S. 88)

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Nach einer Überbauung dieser Strukturen, einer Erneuerung von Einfriedung und Turm stand er wieder eine zeitlang frei, bevor sich ein weiteres mal ein Agglutinat von Stein- und Lehmmauern um ihn herum bildete. Siedlungsgröße: 4 ha. PPNB: Cluster. Mit Höfen durchsetzt, die Spuren von wirtschaftlichen Tätigkeiten aufweisen. Aschenreste befinden sich nur auf den Höfen, und, bis auf eine Ausnahme, nicht in den Häusern. Es hat offenbar keine Bewehrung wie in der PPNA-Periode gegeben. Pottery Neolithic A : Wahrscheinlich isolierte Bauweise. Pottery Neolithic B: Architekturbefunde lassen keine Rekonstruktion des Siedlungsgefüges zu. In einer Schicht scheint es aber eine Einfriedung des gesamten Dorfes gegeben zu haben (Kenyon, 1957, S.54, 65, 66; Moore, 1978, S.87ff, 211ff., 451ff; deVaux, 1966, S.5, 6)

rate Bestattung von übermodellierten Schädeln, nur vergleichbar mit Ramad und Beisamun. Handelskontakte nach Anatolien (Obsidian), Sinai (Türkis) und zur Mittelmeerküste (Cowrie-Schnecken). Pottery Neolithic A+B: Die Bauweise, besonders die des PNB verweisen auf lokale Tradition, die entwickelte PNB-Keramik weist Parallelen zu den levantinischen Fundorten Byblos, Tell Ard Tlaili, Ain Nfaikh und Tel Jisr auf. Zwischen 5000 - 4600 v. Chr. wird sie der Wadi Rabah-Kultur zugeordnet. (Kenyon, 1957, S.66, 72; deVaux, 1966, S.6, 7, 9-11, 13; Mellaart, 1967c, S.20; Moore, 1978, S.211 ff., S.453; Kerner, 1995, S.70) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Protoneolithisch: I oder II PPNA: II PPNB: IV Pottery Neolithic A+B: wahrscheinlich II. Aufgrund fehlender Siedlungspläne sind keine genaueren Interpretationen möglich.

Kultureller Kontext: PPNA: Entwicklung aus der lokalen Natuf-Kultur und Einflüssen aus dem Küstengebiet des Mittelmeeres. Geschätzte Population: 2000 Individuen. Anatolischer Obsidian im Fundmaterial. Exportgüter: Salz, Schwefel, Bitumen. Handel scheint ein wichtiges Standbein der Ökonomie gewesen zu sein. Siedlung wird aufgelassen. Gehockte Bestattungen unterhalb der Häuser, entspricht mesolithischer Bestattungsform. PPNB: Neubesiedlung durch eine andere Population, die sich auch anthropologisch von ihren Vorgängern unterscheidet. Kulturell bereits voll entwickelt. Herkunft wahrscheinlich Nordsyrien. Übereinstimmungen mit Ras Shamra VC und Ramad IA und IB. Bestattung unter den Hausfußböden und in sekundären Sammelgräber. Sepa-

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Protoneolithisch: a oder b ? PPNA: b und c PPNB: d Pottery Neolithic A: a - c sind möglich. Aufgrund fehlender Siedlungspläne sind keine genaueren Interpretationen möglich. Pottery Neolithc B: c geht schließlich zu d über.

Jericho, links die Reste zweier Bienenkrobbauten der Periode PPN A, rechts die älteste Stadtmauer (Kenyon, 1957, Plate 24)

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Jericho, Architekturbefunde, PPN-B-Schicht (Kenyon, 1957, S.53)

Jericho, verschiedene Hausgrundrisse, PPN-B (Banning, 1996, S.169)

* Jericho, „Zeremonialbau“ mit Nische und Steinsäule, PPN B (Kenyon, 1957, Plate 17)

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KHIROKITIA

Siedlungsform: Isolierte Bauweise mit Trend zur Clusterbildung. Durch die Siedlung führte eine mit Steinen gepflasterte, 200m lange Straße, an der entlang die Häuser gebaut waren. Es wurden insgesamt 48 Häuser ergraben, die Gesamtgröße der Siedlung, die einen Durchmesser von 250 m hat, wird auf ca. 1000 Häuser geschätzt. Die Freiflächen befanden sich vor den Häusern und waren z.T. mit steinernen Bänken und runden Steintischen ausgestattet. Jüngeren Rekonstruktionen zufolge gab es offenbar auch Clusterbildungen um Höfe herum und durch Mauern gesicherte Terrassierungen, wodurch die Siedlungsfläche teils Segmentiert wurde. (Müller-Karpe, 1976, Tafel 22; Mellaart, 1961, S.58ff.; 1975, S.130; Hadji-Andonov, 2000, Internet; Ministere de Affairs Etrangere, Internet)

Lage: Zwischen Lemesos und Larnax an der Südküste Zyperns, in einer Krümmung des Flusses Maroniou. Bei der gleichnamigen Ortschaft gelegen. (fallingrain.com; Mellaart, 1961, S.58) Datierung und Stratigraphie: Von der Siedlung, die wahrscheinlich in 3 Perioden unterteilt werden kann, wurde nur eine Schicht flächig ergraben. Aus ihr stammt eine C-14-Datierung um 5650+/-150 v. Chr. Andere C-14 Daten aus ungesichertem Kontext verweisen auf die Zeit zwischen 6020-5800 v. Chr. Die Siedlung wurde schließlich aufgelassen. Die darauf folgende Phase, Neolithisch 1B, ist nur in einem einzigen Fundort an der Nordküste vertreten und wird auf 5200 - 5000 v. Chr. datiert. Ihre Keramik entspricht der anatolischen Hacilar 1 Ware. (Mellaart,1961, S.58; 1975,S.130,131; Hadji-Andonov, 2000, Internet)

Kultureller Kontext: Eine zypriotische, eigenständige Kulturerscheinung, die sich über fast die ganze Insel ausbreitet. Es gibt in den frühesten Schichten Funde von schlecht gearbeiteten Imitaten anatolischer Keramik, die aber schnell wieder aufgegeben werden zugunsten von Gefäßen aus Stein. Es ist ein Fund einer solchen Steinschliffschale aus einem Amuq A Kontext bei Antiochia bekannt. Die Bestattungsriten unterhalb der Hausfußböden entsprechen den levantinischen Natuf- und PPNA-Kulturen. Die Flintindustrie verweist auf Jungpaläolithische Wurzeln. Mikrolithen fehlen in dem Repertoire. (Mellaart, 1961, S.58; Hadji-Andonov, 2000, Internet)

Bautechnik: Lehmziegelbauweise. In den unteren Wandabschnitten wurde möglicherweise auch eine nicht näher zu bestimmende Lagenlehmtechnik verwendet, die oberen Wandabschnitte können hingegen nur aus Lehmziegeln gebaut worden sein. Die Mauerstärken betragen an den armierten Steinfundamenten und Sockeln bis zu 3m. (Dikaios, 1953, S.225; Mellaart, 1975, S.131)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II

Bauform: Rundbauten, die wahrscheinlich mit echten Gewölben überkuppelt waren. Dafür sprechen die deutlich nach innen geneigten Fundamente und die Lage der Ziegel, die radial dem Verlauf der Kuppel zu folgen scheinen und nicht, wie bei einem Bienenkorbbau, einem 'falschen Gewölbe', eine horizontale Lage im gesamten Kuppelbereich beibehalten. Andere Rekonstruktionen zeigen Zylinderformen mit Flachdach. Anhand der unterschiedlichen Fundamenttypen und Dimensionen kann man zwei Gebäudegruppen unterscheiden. Die Häuser des Typ 1 haben einen durchschnittlichen Durchmesser von 3 bis 4 m, die Häuser des Typ 2 von 7 bis 8 m. Ein Haus maß sogar 10 m. Viele der größeren Häuser hatten offensichtlich eine zweite, halbrunde Ebene, die auf zwei Steinsäulen und den Wandsockeln ruhte. Vielfach waren Regale, Fenster, Sitzgelegenheiten u.ä. in die Wände und massiven Sockel eingelassen. Einigen großen Tholoi waren kleinere Rundbauten beigefügt, die als Wirtschaftsgebäude zum Kochen oder Getreidemalen dienten. (Dikaios, 1947, S.1; 1953, S.20, 196-198, 202, 225; Mellaart, 1975, S.131; Hadji-Andonov, 2000, Internet)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: c

Khirokitia, Teilrekonstruktion der Siedlung (MüllerKarpe, 1976, Tafel 22)

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Khirokitia, Ansicht der Grabungsfläche von 1946 mit gepflasterter Straße, (Müller.Karpe, 1976, Tafel 22)

Khirokitia, alternative Rekonstruktionen, Hof und Straßenzug mit Terasse (Ministere de Affairs Etrangere France, Internet)

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MATARRAH

Dark Burnished Ware, rohe Hassuna Keramik und einige bemalte Keramik, deren Muster sich an den Samarra-Stil anlehnen. (Braidwood & Howe, 1960, S.37) Der Fundort wird heute zur Samarrakultur gerechnet.

Lage: 20 Meilen südl. von Kirkuk, 35023‘N, 440 22‘E (Braidwood & Howe, 1960, S.26)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V

Datierung und Stratigraphie: Maximale Dicke der Kulturschicht: 5m; Grabungsfläche 460 qm 13 Testschnitte, von denen nur Schnitt IX flächig ergraben und publiziert wurde. Schnitt IX ist unterteilt in die Schichten: 1a, 1b, 2, 3, 4 und 5. In der Schicht I treten die ersten Halaf-Scherben auf, also ab frühestens 5500 v.Chr., darüber die ersten ObedScherben. In der Schicht II besteht ca. 40 % des Materials aus Samarra-Keramik. (Braidwood & Howe, 1960, S.36; Braidwood et al., 1952, S. 5ff., 27, 28) Die Schichten 2 - 5 müssen also auf einen Zeitraum von ca. 6000 - 5500 v. Chr. zu datieren sein. (Moore, 1978, S.383ff.; Bernbeck, 1995, S.29ff.)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Bautechnik: Tauf (Braidwood & Howe, 1960, S.36) Bauform: Rechteckig und mehrräumig. Alle Gebäude der Siedlung waren an einer NO-SW-Achse ausgerichtet. Schicht 1: Eine sehr komplexe, clusterartige Struktur, ein gleichförmiges Gebäude mit zwei Haupt und 4 Nebenräumen, von denen sich drei kleine und ein großer Symmetrisch gegenüber liegen, sowie eine kleinere Struktur im Nordbereich des Schnitts; maximale Raumgröße: 5 x 3,5m (möglicherweise ein Hof), durchschnittliche Größe der Räume: 2 x 1,5m. Schicht 2: Ein vollständiges, rechteckiges Gebäude mit 4 Räumen, zwei weitere, angeschnittene Strukturen. Größter Raum 3,5 x 2m, kleinster Raum: 2 x 1m Schicht 3: Ein rechteckiger, angeschnittener komplex mit mindestens 4 Räumen. Auf der östlichen Freifläche eine Runde Struktur von fast 2 m Durchmesser. Schicht 4: Rechteckiges Gebäudefragment, mit drei oder mehr Räumen. Schicht 5: Mehrere Grubensysteme, keine Architekturbefunde. (Braidwood & Howe, 1960, S.36; Braidwood et al., 1952, S.6, 7, 27, 28)

Matarrah, Befunde der Schichten 5, 4 und 3 (Braidwood, 1952, S.28)

Siedlungsform: In Schicht I stehen drei isoliert, aber sehr dicht beieinander errichtete Gebäude mit gleichförmiger Ausrichtung. In den anderen Schichten ist jeweils maximal ein einziges Haus im Befund zu isolieren. Die Freiflächen sprechen für eine isolierte Bauweise, der Befund in Schicht I für eine mögliche, lokale agglutinierende Clusterbildung. (Braidwood & Howe, 1960, S.36; Braidwood et al., 1952, S.6, 27) Kultureller Kontext: „..a somewhat impoverished southern variant of the normal Hassunan assemblage.“ (Braidwood & Howe, 1960, S.35)

Matarrah, Bebauung der Schichten 2 und 1 (Braidwood, 1952, S.27)

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MONZUKLY TEPE Lage: Turkmenistan, südlich von Tedzhen, nordöstlich der Ausläufer des Kopet-Dag. (Müller-Karpe, 1982, S.2; Fullard, 1977, S.101) Datierung und Stratigraphie: Kulturschichten von 6,7m Stärke. Die obersten Schichten gehören der Anau - Kultur an. Flächig ergraben wurde eine Siedlung aus der Übergangszeit von Dzejtun zu Anau 1A, später als 5000 v. Chr. Datiert nach C-14 Proben von Cagylly Tepe, 5050 +/-110 v. Chr., ein Fundort, dessen Material älter als das von Monzukly ist. (Müller-Karpe, 1982, S.3) Monzukly Tepe, Skizze (nach Müller-Karpe, 1982, S.45)

Bautechnik: Flache, rechteckige Formziegel. (Müller-Karpe, 1982, S.47) Bauform: Rechteckige Häuser, sowohl mit einräumigem Dzejtuntypischen Grundrissen, als auch mit mehrräumigen Grundrissen, zum Teil zu komplexeren Agglutinaten erweitert. (Müller-Karpe, 1982, S.45,47)

MUNHATA Lage: Israel, Westjordanland, 11 km südlich des See Genezareth, auf -215 m Höhe. (Singh, 1974, S.55; Moore, 1978, 223; Gopher, 1989, S. 4)

Siedlungsform: Cluster, sowohl addierend als auch akkumulierend. Geschlossene Straßenfronten. Negativräume als Freiflächen auf den von der Straße abgewandten Seiten der Häuser. Freiflächen scheinen z.T. segmentiert zu sein und einzelne Häuser, die vorher wahrscheinlich freistehend waren, durch Mauern oder schmale Räume verbunden. Ränder der Siedlung sind nicht erfaßt. (Müller-Karpe, 1982, S.45, 47)

Datierung und Stratigraphie: 6 Schichten von bis zu 3 m Stärke. Schicht 6 auf anstehendem Boden. Schicht VI bis IIIb: Akeramisch, aufgrund von Übereinstimmungen mit dem PPN B-Material aus Jericho ca. um 7000 v. Chr. Da die Flintgeräte eine leicht fortgeschrittenere Schlagtechnik als in Jericho und Beidha aufweisen, ist auch eine Datierung nach 7000 v. Chr. möglich. (C-14 Datierung aus einer nicht näher zugeordneten Schicht: 7210 ± 500 B.C.) Schicht IIIa: Sterile, sandige Schicht. Besiedlungslücke unbestimmter Dauer. Schicht IIb: 6. Jahrtausend (C-14 Daten: 5420 ± 400 B.C und 5380 ± 70 B.C.) Schicht IIa: ab 5000 v. Chr. Schicht I: Stark gestört. Frühe Bronzezeit (Singh, 1974, S.55; Moore, 1978, 223, 225; Garfinkel, 1995, S. 3ff.)

Kultureller Kontext: Die vorherrschende Anau 1A Keramik hat keinerlei typologischen Bezug zu der Ware der Dzejtun-Kultur. Beziehungen zu iranischen Fundkomplexen sind wahrscheinlich: Siyalk I und II, Cesme Ati und Siri Saja. Da sich in Anau 1B die neuen keramischen Traditionen wieder stärker mit denen der Dzejtun-Kultur vermischen, wird angenommen, daß es sich bei den AnauKulturträgern um Zuwanderer aus dem Süden handelt, die die ursprüngliche Bevölkerung dominierten, aber nicht vertrieben und so später ein Ausgleich zwischen den Kulturen stattfinden konnte. (Müller-Karpe, 1982, S.45, 46)

Bautechnik: Schicht VI: Keine Architekturbefunde außer Fußböden. „...the excavator believes that the dwellings associated with this layer were huts constructed of perishable materials.“ (Gopher, 1989, S.4) Schicht V: Lehmziegel auf Steinsockel. Eine erhaltene Wand war 1 m dick. Schicht IV: Zigarrenförmige Ziegel ca. 30 cm lang, 6 bis 7 cm im Durchmesser. Wände sind z.T. mit Kieseln verkleidet. Schicht IIIb: Wahrscheinlich handgeformte Lehmziegel. Schicht IIb: Die Quellen widersprechen sich. Singh schreibt von kleinen, runden "brötchenförmigen" Ziegeln mit 15 cm im Durchmesser und etwa 8 cm hoch, Garfinkel hingegen schreibt von Steinstrukturen. Möglicherweise handelt es sich bei denen jedoch wie in den vorangegangenen Schichten um Fundamente.

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II und VI Zu den isolierten Einraumbauten kommen komplexe, agglutinierende Strukturen, die die Freiflächen überwuchern und segmentieren. Wahrscheinlich hat eine Überlagerung zweier Konzepte stattgefunden. Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

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Schicht IIa: Massive Steinstrukturen. Ebenfalls Fundamente? Schicht I: unbestimmt (Singh, 1974, S.55, 56; Moore, 1978, 224; Garfinkel, 1995, S, 3ff.; Gopher, 1989, S.5))

Schicht IIIa: Schicht IIb: unbestimmt Schicht IIa: unbestimmt Schicht I: -

Bauform: Schicht VI: Keine Rekonstruktion möglich. Schicht V: Eine 8 m lange, gerade Wand, die von West nach Ost verläuft. Südlich davon ein Fußboden mit mehreren Herdstellen, sowie eine Basaltplattform mit mehreren Rinnen. In einigen Publikationen wird aus diesem Befund ein Gemeinschaftshaus mit einer Grundfläche von ca. 300 qm abgeleitet. (Gopher, 1989, S.5) Schicht IV: Rechteckige, einräumige Häuser mit Ausmaßen von mind. 4 x 4 m. Jedes Haus hatte eine mit Gips verputzte Nische in der Nordwand, ähnlich der aus einer PPNB-Schicht in Jericho (s.o.). Schicht IIIb: Neben den einräumigen, rechteckigen Häusern erscheinen runde Strukturen. Eine runde Anlage hat einen Durchmesser von 20 m und einen gepflasterten Hof, um den etliche 2,5 bis 3 m breite, 5 bis 6 m lange, rechteckige Räume angeordnet sind. Die einzelnen Räume waren wahrscheinlich nicht miteinander verbunden, sondern nur zu Hof hin geöffnet. Grundfläche der Räume der Anlage: 190 qm, Gesamtfläche mit Hof: 275 qm. Schicht IIb: Außer Siedlungsgruben, Herdstellen und wenigen gebogenen Wänden keine Architekturbefunde, die die Rekonstruktion eines Hausgrundrisses zulassen. Rundhäuser? Schicht IIa: Massive, rechteckige und mehrräumige Strukturen. (Singh, 1974, S.55; Banning, 1996, S.173; Moore, 1978, 224; Garfinkel, 1995, S, 3ff.)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Schicht VI: unbestimmt Schicht V: d Schicht IV: d Schicht IIIb: d Schicht IIIa: Schicht IIb: unbestimmt Schicht IIa: d oder e Schicht I: -

Siedlungsform: Schicht VI und V: unbestimmt, wahrscheinlich isoliert. Schicht IV: Die Häuser stehen isoliert. Sie sind getrennt durch kleine Höfe und Gassen in denen sich Herde und Rudimente von Steinstrukturen befinden „...which may have had a domestic function.“ (Moore, 1978, 224) Schicht IIIb: Isolierte Bauweise Schicht IIb: unbestimmt Schicht IIa: unbestimmt (Singh, 1974, S.55; Banning, 1996, S.173; Moore, 1978, 224ff)

Munhata, runde Struktur aus Schicht IIIb (Banning, 1996, S.173)

Kultureller Kontext: Schicht VI bis IIIb: Das ganze Fundmaterial weist auf eine nahe Verwandtschaft mit dem PPN B von Jericho hin. Schicht IIb: Keramik und Flintartefakte verweisen auf das Yarmuk-Ensemble. Schicht IIa: Form und Dekoration verweisen auf Wadi Rabah. (Singh, 1974, S.55; deVaux, 1966, S.12; Gopher, 1989, S.7; Kerner, 1995, S.70) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Schicht VI: unbestimmt Schicht V: möglicherweise III Schicht IV: II Schicht IIIb: II

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MURAIBIT (auch MUREYBAT)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Phase 1 - 4: II

Lage: Syrien, am östlichen Ufer des mittleren Euphrat auf der Höhe Aleppos. Heute vom vom Assad-Stausee überflutet. (Strommenger, 1982, S.17)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: Phase 1 - 2: c Phase 3: c mit Übergang zu d Phase 4: d

Datierung und Stratigraphie: 18 Schichten, die in vier Phasen unterteilt worden sind: Phase 1: ca. 8500 bis 8200 v. Chr., möglicherweise älter Phase 2: ca. 8200 bis 8000 v. Chr. Phase 3: ca. 8000 bis 7600 v. Chr. Phase 4: ca.7600 bis 6900 v. Chr. Die Datierung ergibt sich aus Schätzwerten. Die C-14 Daten stammen aus verschiedenen Grabungen und wurden von 3 verschiedenen Laboren untersucht (Louvain, Philadelphia, München). Die Daten für Phase 2 schwanken zwischen 8640+/- 70 und 8056 +/-96, für die Phase 3 zwischen 8015 +/- 115 und 7570+/-150. (Strommenger, 1982, S.17; Singh, 1974, S.57; Moore et al., 1975, S.68; Moore, 1978, S.125ff.) Bautechnik: Phase 1: Lehmwände mit hohem Anteil an vegetabilem Material. Phase 2: ? Phase 3: Häuser halb in den Hang eingetieft. Wände aus Lagenlehm, Tauf? Stützende Holzkonstruktionen. Phase 4: Kalksteinfundamente mit Überbau aus Holz. (Strommenger, 1982, S.17; Singh, 1974, S.57)

Muraibit, Rundhäuser der Phase 3 (Strommenger, 1982, S.17)

Bauform: Phasen 1 bis 3: Eingetiefte Rundhütten mit mehreren Unterteilungen im Innern. Am Ende der Phase 3 treten kleine, eckige Vorratszellen auf (1,5 x 1,5m), die möglicherweise Untergeschosse größerer, rechteckiger Gebäude bildeten. Vergleichbar mit Ganj Dareh Tepe und vielleicht auch Cayönü. Die Größe der Rundhäuser wächst kontinuierlich von kaum 3m in den Phasen 1 und 2 bis zu 10m Durchmesser in der Phase 3. Phase 4: Rechteckige Holzhäuser. (Strommenger, 1982, S.17; Singh, 1974, S.57, 58; Moore, 1978, S.123, 125)

NEMRIK 9 Lage: Nordirak, oberhalb des östlichen Tigrisufers, nördlich von Mosul, gegenüber der Stadt Zalah, 4 km von den Ausläufern der kurdischen Berge entfernt. 345 m ü. NN. (Kozlowski, 1989, S.25) Datierung und Stratigraphie: Drei klar unterscheidbare stratigraphische Schichten, die alle jeweils eine Abfolge von Architekturbefund - Kulturschicht mit Ascheanteil - Kiesel aufweisen. Die Kieselschichten dienten mutmaßlich als Pflasterung. Die vorliegenden Ergebnisse beziehen sich alle auf den nördlichen Grabungsschnitt, der deutlich mehr Befunde hervorbrachte als der südliche, über den fast gar nichts publiziert worden ist. Oldest Phase: +8300 bis 8000 v. Chr. Middle Phase: 8000 bis 7200 v.Chr. Youngest Phase: 7200 bis 6500 v.Chr. Datiert anhand einer Frequenzkurvenanalyse von ca. 30 C-14 Werten. Der Fundort ist zu Beginn dem Pre-Pottery-Neolithic A zuzurechnen. (Kozlowski, 1989, S.25, 30, 31)

Siedlungsform: Isolierte Bauweise, Hütten teilweise in den Hang eingetieft - künstliche Höhlenwohnungen. In Phase 2 hatte die Siedlung eine Fläche max. 4300 qm, also bis zu ca. 65 m x 65 m. Die Feuerstellen befanden außerhalb der Häuser. (Strommenger, 1982, S.17; Moore, 1978, S.120, 122) Kultureller Kontext: Phase 1: Natuf-Kultur Phase 2 bis 4: PPN A und B-Kontext der Levante. Die Artefakte ähneln stark denen aus Abu Hureyra und Bouqras, die Figurinen verweisen auf Catal Hüyük. Muraibit ist der einzige bekannte Fundort in Syrien, der eine kontinuierliche Entwicklung vom Natufium bzw. Epipaläolothikum zum Neolithikum aufweisen kann. (Strommenger, 1982, S.18; Kozlowski, 1989, S.31; Moore, 1978, S.119 ff.)

Bautechnik: Oldest Phase: Grabkammern in Tauf-Bauweise. Von den Wohnbauten sind nur die Eintiefungen erhalten, aber keine Befunde von Wandverbänden.

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Middle Phase: Zigarrenförmige Ziegel, 50 cm lang. Holzpfosten. Im südlichen Schnitt tritt laut C-14 Daten gleichzeitig auch Tauf-Bautechnik auf. Youngest Phase: Vorwiegend Wände aus zigarrenförmigen Ziegeln, Säulen und Pilaster aus "Pisé". Es erscheinen gegen Ende dieser Phase erste Häuser die komplett aus "Pisé" errichtet sind. Interpretation: Der Ausgräber unterscheidet deutlich zwischen Tauf und Pisé. Da die Bauelemente, die als Pisé angesprochen werden, entweder statische Aufgaben haben oder nur mit einer linearen Bauweise assoziiert sind, ist es möglich, daß es sich tatsächlich um Stampflehm handelt. (Kozlowski, 1989, S.27) Bauform: Oldest Phase: Rundbauten, etwas in die Erde eingetieft, Durchmesser 5 bis 6 m Middle Phase: Rundbauten mit 4 Pfostenlöchern im Innern und Durchmessern von 6 bis 8m. Im südlichen Schnitt: ein Rundbau mit ca. 5 bis 6m Durchmesser. Youngest Phase: Rundbauten mit 4 "Pisé"-Pfeilern im Innern und Durchmessern von 6 bis 8 m (Wände aus Lehmziegeln). Es erscheinen gegen Ende der Phase parallel zu den Rundbauten rechteckige Grundrisse (aus "Pisé"). (Kozlowski,1989,S.27)

Nemrik 9, Rundhaus mit Pisé-Pfeilern der jüngsten Besiedlungsphase (Kozlowski, 1989, S.27)

Siedlungsform: Isolierte Bauweise. Die gesamte Siedlung ist terrassiert. Die Terrassen sind jeweils vollständig mit Kieselsteinen und Stampflehm bedeckt. Die Häuser sind um einen oder zwei Höfe mit Ziegelpflaster herum gruppiert. (Kozlowski, 1989, S.26)

NETIV HAGDUD

Kultureller Kontext: In der mittleren Phase werden die Toten in den Häusern unterhalb der Fußböden bestattet, in der jüngsten Phase außerhalb des Dorfes auf einem Friedhof. Die Menschund Tierfigurinen deuten auf Verbindungen zu dem PPN A Kulturkreis von Muraibit. Das lithische Material zeigt sowohl levantinisch-anatolische, als auch iranische Formen des Zagros-Gebietes. (Kozlowski, 1989, S.27, 30, 31; Bar-Yosef, 1989, S.57, 59)

Datierung und Stratigraphie: „several archaeological layers“. An anderer Stelle wird von einer Überlagerung von zwei Hausgrundrissen als einzig erkennbarem stratigraphischen Befund gesprochen. Es wurde neben Oberflächenbegehungen ein Testschnitt in der Mitte des Tell von 2x3m angelegt, der nach 3m Kulturschicht auf anstehenden Boden stieß, sowie eine 100 qm große Fläche am Westrand des Fundortes, wo die Kulturschicht 0,5m maß. C-14 Probe aus 80 cm Tiefe: 8230 +/-300 v. Chr. C-14 Probe aus dem Randbereich der Siedlung: 7840 +/380 v. Chr. (Bar-Yosef et al., 1980, S.201)

Lage: 10 km nördlich von Jericho, zwischen dem Jordantal und den Hügeln von Samaria auf -180m Höhe. (Bar-Yosef et al., 1980, S.201)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Kosmologisch-habituelles Prinzip: Oldest Phase: c Middle Phase: c Youngest Phase: c mit Übergang zu d

Bautechnik: Die gefundenen Hausgrundrisse bestanden bis zu einer maximalen Höhe von 25 cm aus Kalksteinblöcken. Darüber waren sie wahrscheinlich mit Lehmziegeln aufgemauert. In dem Testschnitt wurden „architectural remains including the use of plano-convex mudbricks“ gefunden. (Bar-Yosef et al., 1980, S.201) Bauform: Ovale Strukturen mit Durchmessern zwischen 4 - 7m. Die Hausachsen liegen mit leichten Abweichungen auf einer Ost-West-Achse. (Bar-Yosef et al., 1980, S.201, 203) 168

Siedlungsform: Die Rundbauten sind in Reihungen mit einem Abstand von 0,5 - 2m voneinander errichtet. davor und dahinter offenbar unsegmentierte Freiflächen. (Bar-Yosef et al., 1980, S.203)

lange Wand abgeht), der innerhalb eines Hausgrundrisses liegt, spricht für eine Nutzung der Innenräume für wirtschaftliche Tätigkeiten und ein gewisses Maß an Privatsphäre, die sich vom kommunalen Raum abgrenzt. Typ I ist deshalb eher unwahrscheinlich.

Kultureller Kontext: PPN-A / Sultanian-typisches Material. Zwei Obsidianfunde vom Gölü Dag in Anatolien. (Bar-Yosef et al., 1980, S.202)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: c Die ovale, an einer Achse orientierte Hausform und der mögliche Bezug auf die Himmelsrichtungen, machen eine Überlagerung von Symbolik des Zentrums und der solaren Ordnung des Richtungskreuzes möglich.

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Die Größe der Häuser und der Befund Locus 11 (eine runde Struktur von 1m Durchmesser von der eine ca. 2m

Netiv Hagdud, Ausgrabungsfläche im westlichen Bereich des Tells (Bar-Yosef & Goring-Morris, 1980, S.203)

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QUERMEZ DERE

RAMAD

Lage: Nordirak, am Nordwestrand der Stadt Tell Afar, 50 km westlich von Mosul. (Watkins et al.,1989,S.19)

Lage: Bei Qatana, etwa 20 km südwestlich von Damaskus, auf einem Basaltplateau am Fuß des Hermon. 820 m ü.NN. (Contenson, 1971, S.278)

Datierung und Stratigraphie: Eine dünne, einperiodige Besiedlungsschicht aus dem frühen akeramischen Neolithikum, ca. 8100 v. Chr. (Watkins et al., 1989, S.19)

Datierung und Stratigraphie: Schicht I: Subphase A: ca. ab 6500 v. Chr. Subphase B: C-14 Daten: 6250 +/- 80 B.C. und 6140 +/50 B.C. Schicht II: C-14 Daten: 5970 +/- 50 B.C., 5950 +/- 50 B.C. und 6260 +/- 50 B.C. Schicht III: C-14 Daten: 5930 +/-55 v. Chr.

Bautechnik: Wände bestehen z.T. aus dem ausgehöhlten anstehenden Boden, darüber Tauf (Watkins et al., 1989, S.19; Gonzales, Internet)

Die Proben aus den Schichten II und III, die jeweils den Datierungen der unter ihnen liegenden Schichten entsprechen, sind wahrscheinlich aus der jeweils älteren Schicht durch Umlagerung von Boden in ihren Befundzusammenhang geraten. Alle Schichten sind stark mit Asche und verkohltem Holz versetzt, von dem die C-14 Proben genommen worden sind. Da die Belegungsdauer von Schicht II aufgrund der Stärke der Ablagerungen (2,35- 4,3 m) wahrscheinlich erheblich gewesen ist, ist ein Beginn der Schicht III vor 5700 v. Chr. unwahrscheinlich. Die Abfolge der Schichten wäre aufgrund dieser Daten ungefähr wie folgt zu datieren: Schicht I A: 6500 - 6300 v. Chr. Schicht I B: 6300 - 6150 v. Chr. Schicht II: 6150 - 5700 ? v. Chr. Schicht III: ab 5700? - 5500 v. Chr. (Strommenger, 1982, S.20; Singh, 1974, S.49ff; Marfoe, 1998, Fig.20; Mellaart, 1967c, S.21; Moore, 1978, S.197ff., 359)

Bauform: Eine halb eingetiefte, einräumige Hütte mit einem abgerundeten Grundriß. "...neither round nor square..." (Watkins et al. 1989, S.19) Siedlungsform: Sicherlich isolierte Bauweise. Es konnte nur ein einziger Hausgrundriß festgestellt werden. (Watkins et al.,1989,S.19) Kultureller Kontext: Gehört zu dem levantinisch-syrischen PPNA-Kreis. Enge Verwandtschaft mit Muraibit und Nemrik 9. Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Kosmologisch-habituelles Prinzip: b

Bautechnik: Schicht I: Subphase A: Lagenlehm, nicht näher zu bestimmen. Subphase B: Lehmziegel auf Steinfundament, Ziegelmaße: 20 x 10 x ? cm Schicht II: Lehmziegel auf Steinfundament, Ziegelmaße 40 x 30 x 8 cm ~ Ratio von 5 : 4 : 1 Schicht III: Siedlungsgruben, kein Baubefund. (Strommenger, 1982, S.20; Contenson, 1971, S.282; Singh, 1974, S.50) Bauform: Schicht I: Subphase A: eingetiefte ovale Hütten mit Durchmessern von 3 - 4m. Die Herdstellen befanden sich innerhalb der Hütten. Subphase B: Reste von linearen Ziegelmauern. Schicht II: Rechteckige, einräumige Häuser. Die Ecken der Häuser waren abgerundet. Die Größen variieren zwischen 7 x 5.5 m und another 9 x 4-5 m. Schicht III: Kein Architekturbefund. (Strommenger, 1982, S.20; Contenson, 1971, S.282; Moore, 1978, S.192ff.)

Quermez Dere, Rekonstruktion eines Hausinneren (Gonzales, Internet)

Siedlungsform: Gesamtgröße der Siedlung ca. 3 ha. Nur in Schicht II wurde ein größerer Siedlungszusammenhang erfasst: "..dwellings...are often separated by yards and narrow

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lanes." (Contenson, 1971, S.280). Vorratsgruben und Herde befanden sich alle außerhalb der Häuser auf den Freiflächen. (Strommenger, 1982, S.20; Contenson, 1971, S.280; Moore, 1978, S.194)

Bautechnik: Ras Shamra Vc: Nur Gipsfußböden erhalten. Ras Shamra Vb: Lehmziegel. Ras Shamra Va: Lehmziegel (Mellaart, 1967c, S.20, 23)

Kultureller Kontext: Schicht I: Zwei unterschiedliche, parallele Steinindustrien: 1. klassisches PPN B-Material, bekannt von Fundorten wie Jericho, Munhata, Beidha, El Khiam u.a., 2. Artefakttypen der nordsyrischen Küstenregionen, z.B. aus Ras Shamra. Bestattungen und übermodelierte Schädel entsprechen denen von Jericho. Schicht II: Nur die nordsyrischen Werkzeugtypen werden weiter überliefert. Schicht III: Erste Keramikfunde, möglicherweise eine Abart der "burnished ware". (Singh, 1974, S.52; Contenson, 1971, S.280, 281, 283)

Bauform: Ras Shamra Vc: unbestimmt Ras Shamra Vb und Va: Rechteckige, einräumige Häuser, in einigen Fällen mit angefügten Speicherräumen. (Mellaart, 1967c, S.22, 23) Siedlungsform: Ras Shamra Vc: ? Ras Shamra Vb und Va: Isolierte Bauweise. Das neolithische Ugarit hatte möglicherweise eine Ausbreitung von bis zu 8 ha. (Mellaart, 1967c, S.23; Moor, 1978, S.208) Kultureller Kontext: Ras Shamra Vc: Die Keramik der letzten Bauschicht ist eng verwandt mit Jericho PPN B-Ware. Ras Shamra Vb: Flintwerkzeuge haben das gleiche Formenspektrum wie in Catal Hüyük VI. Keine Obsidianimporte, aber anatolischer "Greenstone". Ras Shamra Va: Erste bemalte Keramik mit Einflüssen aus Kilikien und Anatolien und einige Hassuna-Formen treten auf. Die lithische Industrie ist nach wie vor deutlich von Catal Hüyük beeinflußt. Anatolischer Obsidian tritt vermehrt auf. (Mellaart, 1967c, S.20, 23, 24)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Schicht I: wahrscheinlich II Schicht II: II Schicht III: unbestimmt Kosmologisch-habituelles Prinzip: Schicht I: b oder c Schicht II: d Schicht III: unbestimmt

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Ras Shamra Vc: unbestimmt Ras Shamra Vb und Va: II

RAS SHAMRA (UGARIT) Lage: An der syrischen Mittelmeerküste, 15 km nördlich von Ala Ladhakijja, 35°35´ N; 35°45´E (Brunner et al., 1993, S.577; e-paranoids, Internet)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: d

Datierung und Stratigraphie: Der Fundort hat Besiedlungsschichten von dem akeramischen Neolithikum bis in die assyrische Zeit, die in die Schichten V bis I unterteilt sind. Die Schicht V wurde nur in zwei tiefen Sondierungen erfasst und wird in den meisten Publikationen nur spärlich erwähnt. Sie ist in drei Subphasen unterteilt, die wiederum in einzelne Bauschichten unterteilt sind: Ras Shamra Vc: Sehr dünne Schicht mit drei Bauphasen, die erste Bebauungsschicht wurde datiert auf 6665+/101 v. Chr., die letzte auf 6436+/-10 v. Chr. Zu Beginn akeramisch. Ras Shamra Vb: C-14 Daten aus Holzkohleresten: 6416 +/- 100 BC , 6192 +/- 100 , und 7080 +/- 400 BC, wobei letzteres Datum wahrscheinlich auf eine Kontamination zurückzuführen ist. Ras Shamra Va: C-14 Datierung aus obersten Bereichen der Schicht: 5450+/-80 v. Chr. Daraus ergibt sich folgende mögliche Sequenz: Ras Shamra Vc: Die Schicht wird üblicherweise auf 6700 - 6400 v. Chr. datiert Ras Shamra Vb: 6400 - 6000 v. Chr. Ras Shamra Va: 6000 - 5400 v. Chr. (Mellaart, 1967c, S.21-23; Moore, 1978, s.208ff)

TELL ABADA Lage: Ostirak, an den östlichen Ausläufern des Djebel Hamrin, südlich des Diyala, 20 km östlich der Stadt Jalaula. (Jasim, 1981, S.102) Datierung und Stratigraphie: Besiedlung der Obed 4 -Zeit in zwei Schichten, ca. 3800 bis 3500 v. Chr. (Jasim, 1981, S.102) Bautechnik: Lehmziegel mit den Maßen 50 bis 66 x 27 x 7 cm ~ Ratio von 10 : 4 : 1 oder 7 : 4 : 1 Wände waren z.T. mit Pilastern verstärkt, möglicherweise frühe "Nischenarchitektur" ohne statische Bedeutung. (Jasim, 1981, S.102) Bauform: Komplexe, mehrräumige und rechteckige Häuser mit großen, zentralen, T-förmigen Hallen oder Höfen, bis zu

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3 Stück pro Haus; möglicherweise mehrstöckig. An die Häuser sind z.T. Hürden angeschlossen. Einige Gebäude sind umfriedet. (Jasim, 1981, S.102; Bernbeck, 1995, S.45, 296)

Kultureller Kontext: Späte Obed-Kultur (Bernbeck, 1995, S.44) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V Es handelt sich offenbar um ein stark ausgeprägtes Beispiel des Typus V mit deutlichen Größenunterschieden zwischen den Gebäuden und Segmentierung der Freiflächen.

Siedlungsform: Isolierte Bauweise. 11 Häuser wurden ergraben, die alle durch Straßen und offene Flächen voneinander getrennt sind. Auf den Freiflächen ist keine wirtschaftliche Nutzung nachweisbar. Häuser z.T. durch Mauern voneinander getrennt. (Jasim, 1981, S.102; Bernbeck, 1995, S.296)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Tell Abada, Bebauung der Schicht II (Bernbeck, 1995, S.296)

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Tell Abada, Bebauung der Schicht I (Bernbeck, 1995, S.297)

TELL AL´ABR (auch Tell Ibr)

Schicht 6: Lehmziegel auf Steinfundamenten. Schicht 5: Lehmziegel Schicht 4: Lehmziegel, meist einfach, z.T. aber auch doppelt gesetzt. Schicht 3: Lehmziegel, 35 - 40 cm lang; Läuferverband. Schicht 2: Lehmziegel, Außenwände sehr dick, die Innenwände, da nur Trennwände ohne statische Funktion, waren dünner gemauert. (Hammade & Koike, 1992, S.111, 113, 115, 119, 122)

Lage: Syrien. In der Tishreen-Senke am Ostufer des mittleren Euphrat, 50 km nördlich des Tishreen-Damms, 3 km nordwestlich von Til Barsip, 18 km südlich von Karkemish. 325 m ü.NN. (Hammade & Koike, 1992, S.109, 110) Datierung und Stratigraphie: Schicht 7 und 6: ab + 4000 bis ca. 3800 v. Chr., frühe Obed-Zeit Unterbrechung der Besiedelung durch eine 50 - 70 cm dicke, sterile Erdschicht. Schicht 5 bis 2: 3700? bis ca. 3300 v. Chr. Schicht 1: Uruk-zeitliche Besiedlung, ab ca. 3300 v. Chr. Die Datierungen beruhen lediglich auf der üblichen, chronologischen Einordnung der jeweiligen Keramikkulturen und Schätzungen der jeweiligen Belegungsdauern. (Hammade & Koike, 1992, S.123, 124)

Bauform: Schicht 7: Komplexes, rechteckiges, mehrräumiges Gebäude mit Raumgrößen von 5,35 x 4,3 m bis 2,3 x 1,5. Möglicherweise zweigeschossig, Reste eines Treppenfundaments? Schicht 6: Mehrere rechteckige, einräumige Werkstätten ( 2 davon meßbar: 5,5 x 4,5 und 3,2x 3,18) und ovale Töpferöfen. Schicht 5: Schlecht erhalten. Eine lange Wand mit OstWest-Verlauf und einem kleinen, trapezförmigen Anbau. Schicht 4: Vorwiegend runde, wahrscheinlich überkuppelte Töpferöfen, die nachträglich mit kleinen, rechteckigen Strukturen umbaut wurden. Schicht 3: Ein rechteckiges, einräumiges Gebäude, 4,7 x 3m, und ein Haus mit drei Räumen ca. 2,3 x 1,7 m.

Bautechnik: Schicht 7: Lehmziegel, 70 x 30 x ? cm, im Binderverband vermauert. Die Wände hatten eine Dicke von mind. 60 cm.

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Schicht 2: Ein dreigeteiltes, komplexes Gebäude mit einem Hauptraum von 5 x 1,6m und mehreren kleineren Nebenräumen. (Hammade & Koike, 1992, S.113, 115, 122) Siedlungsform: In allen Schichten muß man die Häuser, trotz einer Tendenz zur akkumulierenden und addierenden Bauweise, als freistehend und isoliert ansprechen. Alle Gebäude sind mit geringer Abweichung nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. (Hammade & Koike, 1992, S.113-115, 121, 123) Kultureller Kontext: Die Schichten 7 bis 2 sind alle der Obed-Kultur zugehörig. Trotz einer Unterbrechung der Besiedlung in dem ergrabenen Areal ist anhand des Materials kein kultureller Bruch festzustellen, ebensowenig wie ein architektonischer. (Hammade & Koike, 1992, S.111, 123)

Tell al - ´Abr, Hausgrundrisse aus der Schicht 6 (Hammade & Koike, 1992, S.120)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II oder V Die Begrenzung der Ausgrabungsfläche läßt genaue Aussagen nicht zu, da der Siedlungskontext unklar bleibt. Die Lage der Wirtschaftsflächen und Werkstätten auf den Freiflächen zwischen den Gebäuden könnten sowohl für eine kommunale Nutzung durch mehrere gemäßigt differenzierte Haushalte sprechen, als auch im Bereich eines geschlossenen Gehöfts gelegen haben. Die segmentierten Grundrisse legen aber eine Organisation des Typus V nahe. Kosmologisch-habituelles Prinzip: d oder e Da kein klar erkennbares Muster der ganzen Siedlung vorliegt, sind zunächst beide Auslegungen möglich. Die Komplexität des Innenraums ist zwar begrenzt, aber gegeben, weshalb schließlich das Prinzip e als naheliegender erscheint.

Tell al - ´Abr, Hausgrundrisse aus der Schicht 2 (Hammade & Koike, 1992, S.118)

Tell al -´Abr, Hausgrundrisse aus der Schicht 7 (Hammade & Koike, 1992, S.121)

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Tell al -´Abr, Grabungsplan mit der Bebauung der Schichten 2 - 5 (Hammade & Koike, 1992, S.112)

TELL EL‘OUEILI

Bauform: Schicht 5: ein fast 6 m langes rechteckiges Gebäude, offenbar in einen Hauptraum und mehrere Nebenräume unterteilt. Schicht 4: Ein großes, komplexes, rechteckiges Gebäude mit kleinzelligem Grundriß. Die Struktur ist wahrscheinlich lediglich der Unterbau des Gebäudes und entspricht nicht seiner eigentlichen, räumlichen Aufteilung. (Huot, 1980, S.208, 209)

Lage: Irak, 3,5 km entfernt von Larsa/Senkere, 40 km nordwestlich von An Nasirijja (Brunner et al, 1993/2, S.540, Huot, 1980, S.207) Datierung und Stratigraphie: Schichten 6 - 1, Schicht 1 ist weitgehend gestört. Gesamtstärke der Kulturschichten: 5m. Die untersuchten Strukturen stammen in erster Linie aus den Schichten 4 und 5. Nach den Keramikfunden auf die späte Obedzeit datiert, nach kalibrierten C-14 Daten auf 5000-4500 v. Chr., das entspricht konventionellen Daten von 4200-3700 v. Chr. (Huot, 1980, S.207, 211)

Siedlungsform: Große, isoliert stehende Gebäude. Die Abstände der Baukomplexe im Befund liegt zwischen 3,5m und 4,5 m. Die Gesamtfläche der Siedlung beträgt 10.000 qm. Wenn jedes Gebäude mit umgebender Freifläche ungefähr 300 - 400qm einnimmt, käme man auf eine Gesamtzahl von maximal 25 - 30 Gebäuden, die gleichzeitig bestanden haben könnten. (Huot, 1980, S.207-209)

Bautechnik: Formziegel, alternierend gemauert. Wandstärken von 2-3 Lagen. (Huot, 1980, S.208)

Kultureller Kontext: Spät-Obed (Huot, 1980, S.207) 175

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: VI oder VII Da der Siedlungszusammenhang aufgrund der begrenzten Ausgrabungsfläche nicht klar erkennbar ist, die Bedeutung der Gebäude innerhalb der Siedlung und ihr Verhältnis zu den anderen Häusern ebenfalls unklar bleibt, ist eine exakte Zuordnung nicht möglich. Die Größe der Siedlung und die relative Nähe der Gebäude, die auf eine gewisse Dichte schließen läßt, macht den Typ V unwahrscheinlich.

Kosmologisch-habituelles Prinzip: e Alle Mauern im Befund weisen eine identische Ausrichtung auf und deuten auf eine gleichförmige Ausrichtung der gesamten Siedlung hin. Die hohe Komplexität des Gebäudes in Schicht 4 verweist auf einen hohen Grad der Dezentration.

Tell el‘Oueili, Grabungsplan der Schichten 2 - 6. Die kleinzellige Struktur gehört den Schichten 4a und 4b an. (Huot, 1980, S.208)

Tell el‘Oueili, Bebauung der Schicht 5 (Huot, 1980, S.209) 176

Tell el`Oueili

Rekonstruktion der Bebauung der Schichten 4a und 4b (Hughes, 1988, S.176)

TELL ES SAWWAN

(s.u.). (El-Wailly, 1965, S.19; Yasin, 1970, S.3; Mellaart, 1967c, S.27; Forest, 1983, S.1ff.; Breniquet, 1991, S.75ff).

Lage: Irak, am Ostufer des Tigris, ca. 11 km flußabwärts von Samarra gelegen. (El-Wailly, 1965, S.17; Mellaart, 1967c, S.25)

Bautechnik: In allen Schichten wurde mit Lehmziegeln gebaut, 50 bis 70 cm x 21 bis 30 cm x 6 bis 8 cm. Die Ziegel wurden im Läuferverband vermauert, die Wände haben eine Stärke von 21 bis 30 cm. In den Schichten I bis III sind an den Außenwänden jeweils dort, wo zwei Wände aufeinanderstoßen, Pfeiler angebracht, wahrscheinlich um die horizontalen Kräfte unterschiedlicher Wandneigungen aufzufangen. Die Keramiköfen in Schicht III sind in einer Lagenlehmtechnik (Töpferlehm?) gebaut. (El-Wailly, 1965, S.20, 21, Plate XVII; As-Soof, 1971, S.4; Mellaart, 1967c, S.25, 26; Breniquet, 1991, S.75ff.)

Datierung und Stratigraphie: Fünf Bebauungsschichten mit mehreren Subphasen, die von unten nach oben nummeriert wurden. Schicht I: 5506 +/- 73 v. Chr. Schicht II: Späteste Bauphase: 5349 +/-86 v. Chr. Schicht III: Am intensivsten ergraben. Wird unterteilt in: Phase A (ohne C-14 Datierung) und Phase B: 4858 +/82 v. Chr. Schicht IV: ? Schicht V: ? Weitgehend erodiert . Alle Daten sind mit der kürzeren Halbwertzeit nach Libby gerechnet. Bei einer Halbwertzeit von 5730 müssten alle Ergebnisse ca. 100 Jahre früher datieren. Da die Ausgrabungen sehr schnell und mit großem Einsatz von Arbeitskräften durchgeführt worden ist und die Dokumentation bis heute lückenhaft ist, bleibt die Stratigraphie nicht unkritisiert. So gibt es Mutmaßungen, die Bebauung der Schicht V wäre chronologisch vor den anderen Schichten anzusetzen, die dementsprechend einem Prä-Obed-Kontext zuzuordnen seien. Auch gibt es beim Vergleich der verschiedenen publizierten Grabungspläne und Grundrisse deutliche Unstimmigkeiten

Bauform: Schicht I: Zwei rechteckige, sog. „tripartite“, also dreigeteilte Gebäude mit symmetrischem, komplexen Grundrissen mit 14 und mehr Räumen, die um mehrere Innenhöfe oder Verteilerräume gruppiert sind. In beiden Häusern gibt es Befunde an der Außenseite, die als Treppen auf die Dächer gedeutet werden. Mehrstöckigkeit kann ausgeschlossen werden. Hausecken sind nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtet.

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Schicht II: Entspricht Schicht I weitgehend. Gegen Ende der Schicht wurden zwei runde Grundrisse mit einem Pfosten in der Mitte gefunden. Schicht III: Häuser sind etwas kleiner als in Schicht I. Die Grundrisse zeigen jetzt eine deutlicher ausgeprägte T-Form. Die Innenhöfe haben Maße von maximal 3,5 x 3,7 m. Die Hausecken sind nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtet. Eine gut erhaltene Gipstreppe mit fünf Stufen wurde gefunden. Wahrscheinlich führte sie nur auf das Dach, nicht in ein zweites Geschoß. In der Phase B wurden die ursprünglichen Räume durch Zwischenwände unterteilt oder neue Mauern innerhalb der alten gezogen. Die Raummaße wurden also kleiner. Möglicherweise wurden die Wände verstärkt um die Räume zu Kornspeichern umzufunktionieren. Schicht IV: Bauformen von Schicht III werden weitergeführt. Schicht V: Zu dieser fast ganz erodierten Schicht, vielleicht auch noch zu Schicht IV gehören die Fundamente eines klassischen Halaf-Tholos mit 12 m Durchmesser und einem rechteckigen Vorbau an der Ostseite. (El-Wailly, 1965, S.20, 21; Yasin, 1970, S.4, 5; As-Soof, 1971, S.4, 5; Mellaart, 1967c, S.26, 29; Aurenche, 1986, S.74; Breniquet, 1991, S,75ff)

Schicht IV: Bemalte Samarra-Ware macht den Großteil des Fundmaterials aus. Hassuna-Keramik tritt zum letzten Mal auf. Schicht V: Überwiegend Samarra-Keramik. Im Bereich des Tholos tauchen etliche Halaf-Scherben auf, bemalt sowie unbemalt. (El-Wailly, 1965, S.19, 21; Yasin, 1970, S.9-11; As-Soof, 1971, S.5; Mellaart, 1967c, S.27, 30) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: VI Zwar bestehen Freiflächen und Wirtschaftsgebäude im öffentlichen Bereich, die große Raumtiefe der einzelnen Häuser, ihre hohe Komplexität und die Hinwendung der Räume zu Innenhöfen, sowie die Massive Umfassungsmauer und die Zerstreuung der Siedlung nach deren Wegfall machen das Modell VI wahrscheinlicher als das Modell V. Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Siedlungsform: Schicht I und II: Isolierte Bauweise mit großen Freiflächen. Am Siedlungsrand konnte ein V-förmiger Graben von 50 cm Breite festgestellt werden. Wahrscheinlich eine Umfriedung. Schicht III A: Isolierte Bauweise um eine zentrale Freifläche. In die Räume zwischen den Häusern werden teilweise kleinere Wirtschaftsgebäude gebaut. Die gesamte Siedlung wird von einer Umfassungsmauer aus Lehmziegeln mit Maßen von ca. 40 x 50 umschlossen. Die Häuser sind der Umfassungsmauer entsprechend ausgerichtet. Einige Baustrukturen schließen direkt an sie an. Schicht III B: Die Freiräume werden zusehends durch agglutinierende Bauten geschlossen. Tendenz zum Cluster. Die Umfassungsmauer verfällt und wird nicht mehr erneuert. Laut Kar werden 50% der Gebäude innerhalb der Begrenzung zu Speichern umfunktioniert. Weitere Gebäude entstehen außerhalb der ehemaligen Einfriedung. Schicht IV: Isolierte Bauweise ? In allen Schichten sind die Hausecken nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtet. (El-Wailly, 1965, S.17, 19, 20; Yasin, 1970, S.20; As-Soof, 1971, S.4; Mellaart, 1967c, S.26; Breniquet, 1991, S.75 ff.)

Tell es-Sawwan, Haus aus Schicht I (Khalsa, nach Berinquet, Internet, 1999)

Kultureller Kontext: Schicht I: Keramik ist überwiegend durch spät-archaisches Hassuna Ib und II, z.T. noch frühere Formen. Formen vom Jarmo-Typ repräsentiert. Schicht II: Kontinuität des Materials. Verzierte HassunaKeramik taucht auf. In den ersten beiden Schichten treten noch Tonfigürchen auf, die nach Schicht II fehlen. Schicht III: Bemalte Samarra-Keramik taucht auf und findet schnell sehr große Verbreitung. Hassuna-Keramik ist immer noch reichlich vertreten. Eine Scherbe mit möglichem Halaf-Kontext. Die Bestattungssitten, besonders die Grabbeigaben unterscheiden sich deutlich von den Schichten I und II.

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Tell es-Sawwan, Hausgrundrisse der Schicht II (El-Wailly & es-Soof, 1965 Tafel XIII)

Tell es-Sawwan, Hausgrundrisse der Schicht I (El-Wailly & es-Soof, 1965 Tafel IX)

Tell es-Sawwan, Bebauung der Schichten I- III (Khalsa, nach Berinquet, Internet, 1999)

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Tell es-Sawwan, Bebauung der Schichten III A (Yasim, 1970, Tafel 1)

Tell es-Sawwan, Bebauung der Schichten III und IV (Khalsa, nach Berinquet, Internet, 1999)

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Tell es-Sawwan, Bebauung der Schichten III B (Al-Soof, 1971, Tafel 1)

TELL KURDU

Bautechnik: Amuq C: Die Wände dieses stratigraphischen Komplexes sind von sehr unterschiedlicher Konsistenz. Einige sehr dicke Wände (0,7 - 1,1m) waren aus sehr mürbem Material, andere aus solideren Ziegeln. Einige Wände nicht näher definierter Bautechnik waren mit Ziegeln verkleidet, einige gemauerte Abschnitte bestanden aus einem Läufer-Binder-Verband. frühes Amuq E: „courses of gray-brown pisé in which thin horizontal joints were visible but vertical and cross joints were absent.“ Wahrscheinlich Tauf. Amuq E: unregelmäßig große, wahrscheinlich handgeformte Lehmziegel. Außerdem „blocky gray- brown pisé“, „coursing of fine gray pisé with pebble inclusions“. Offenbar wurden neben dem Ziegelbau verschiedene Lagenlehmtechniken verwandt. (Yener & Eden, 2000, S.33-35, 37, 41-43)

Lage: Türkei, im Delta des Afrin, 3 km östlich des historischen Sees von Antiochia. (Yener & Eden, 2000, S.31) Datierung und Stratigraphie: Der flache Hügel, der insgesamt eine Größe von 15 ha hat, ist von Amuq C (ab ca. 5300 v. Chr.) bis Amuq E besiedelt worden. Die stratigraphischen Zusammenhänge der einzelnen, nicht vollständig ergrabenen Befundkomplexe sind jedoch noch sehr unklar. In einer neueren Grabung (nur vorläufig publiziert) konnte in verschiedenen Schnitten lediglich zwischen Amuq E und frühem Amuq E unterschieden, sowie eine späte Amuq C-Schicht erfasst werden. Während Amuq C war Tell Kurdu die größte Siedlung der Region, während Amuq E schrumpfte die Fläche auf ca. 5-7 ha. Zwei C-14 Proben aus einem späten Amuq E Zusammenhang ergaben ein Datum von ungefähr 4800 v. Chr. (Yener & Eden, 2000, S.32; Mellaart, 1967, S.8)

Bauform: spätes Amuq C: Neben mindestens einem einräumigen Gebäude (3 x 2,5m) bestand eine Struktur aus mindestens zwei Räumen. Der kleinere Raum mißt 1,80 x 2,0m, der größere, von dem zwei kleine Kämmerchen abgetrennt sind, mißt ca. 2 x 3m. Ob die beiden Räume im NW und SO derselben Wohneinheit angehören, bleibt unklar.

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frühes Amuq E: Grundrisse einiger wohl einräumiger Gebäude und Teile einer größeren Struktur mit mehreren länglichen Kammern und einem ca. 3 x 4m großen Raum, deren Außenmauern nicht vollständig erfasst sind. Amuq E: Rudimente mehrerer eckiger und in einem Fall mindestens zweiräumiger Gebäude, sowie zahlreiche Öfen und eine Umfassungsmauer. Der Baugrund wurde vorher offenbar planmäßig geebnet und einige Hofbereiche sind mit „pisé-slabs“ gepflastert. (Yener & Eden, 2000, S.33-35, 37, 41-44)

Kultureller Kontext: spätes Amuq C frühes Amuq E Amuq E Tell Kurdu ist mit 15 ha während Amuq C die zentrale dominante Siedlung der Amuq-Ebene gewesen, in der die meisten anderen Siedlungen kaum über 1 ha Ausdehnung erreichten. In Amuq E gehörte der Tell immer noch zu den größeren Siedlungen, hatte aber deutlich an Größe eingebüßt. Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Die Bestimmung ist aufgrund des schwer zu fassenden Siedlungszusammenhangs nur bedingt möglich. Die Unterteilung des Siedlungsareals mit Einfriedungsmauern um einzelne Wirtschaftsbereiche und die Streuung einzelner gepflasterter Höfe lassen wohl auf eine gehöftartige Struktur des Typus V schließen.

Siedlungsform: spätes Amuq C: Die Baustrukturen stehen, bis auf ein einräumiges Gebäude, um kleine gepflasterte Freiflächen. Die Freiflächen waren klar segmentiert. Isolierte Bauweise. frühes Amuq E: Einzelne, verstreut stehende Bauten. In einigen Bereichen wurden Plattformen angelegt. Freiflächen z.T. segmentiert. Amuq E: Gepflasterte Flächen, um die einzelne Gebäude stehen. Ein Bereich mit mehreren Gruben und Öfen war von einer Umfassungsmauer umgeben. In allen Phasen sind die Häuser weitgehend entlang einer NW-SO-Achse ausgerichtet. (Yener & Eden, 2000, S.33-35, 37, 41-43)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: d möglicherweise auch e

Tell Kurdu, Bebauung der Periode Amuq C in den Schnitten 12 und 16 (Yener et al., 2000, S. 101)

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Tell Kurdu, Bebauung der frühen Amuq E Periode in den Schnitten 1, 6 und 9 (Oriental Institute Chicago, Internet)

Tell Kurdu, 2 Bauphasen der frühen Amuq E Periode in Schnitt 14 (Yener et al., 2000, S.100)

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Tell Kurdu, Bebauung der Periode Amuq E in den Schnitten 11 (rechts) und 15 (links) (Yener et al., 2000, S.99)

TELL MEFESH

Kultureller Kontext: Die vorhandene Obed-Keramik weist noch deutliche Einflüsse der Halaf-Ware auf. Die Siedlung liegt an zwei wichtigen Handelsrouten: Eine Verbindung von Norden entlang des Balikh zum Euphrat und eine Verbindung der Küste zum Osten Syriens. (Mallowan, 1964/2, S.6)

Lage: Zentralsyrien, 25 km südlich von Tell el-Abyad, 7 km westlich des Balikh. (Mallowan, 1964/2, S.5, 6) Datierung und Stratigraphie: Der Tell ist insgesamt 15 m hoch, die unteren Schichten sind nur durch Sondierungen erfasst. Spuren einer früheren Halaf-Besiedlung unterhalb der besser dokumentierten Obed-Schicht, die auf ca. 4000 v. Chr. datiert wird. (Mallowan, 1964/2, S.6,7)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V ? Kosmologisch-habituelles Prinzip: d oder e

Bautechnik: Lehmziegel (Mallowan, 1964/2, S.6)

TELL RASHID Lage: Ostirak, 12 km südöstlich von Abada, 30 km östlich der Ortschaft Jalaula am Diyallah. (Jasim, 1983, S.99)

Bauform: Rechteckige, mehrräumige Häuser, Raumgrößen ca. 2,5 x 2,5 m. (Mallowan, 1964/2, S.6)

Datierung und Stratigraphie: Insgesamt vier Schichten (IV bis I) der Phase Obed II des südlichen Irak, deren unterste Schicht IV auf dem anstehenden Boden beginnt. Die oberste Schicht I, mit der die Phase Obed III beginnt, ist stark erodiert. Datierung anhand der Einordnung in datierte kulturelle Phasen: frühestens 5000 bis ca. 4500 v. Chr. (Jasim, 1983, S.99)

Siedlungsform: "...only a small part of the plan was recovereable... attached to them [the houses] were courtyards." Isolierte Bauweise mit eingefriedeten Freiflächen an den Häusern ? Siedlungsgröße ca. 2 ha. (Mallowan, 1964/2, S.6)

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Bautechnik: Schicht IV: Kaum ergraben. Lehmziegel. Schicht III: Lehmziegel mit den Maßen 52 x 28 x 8 cm Eine Außenwand ist mit Pilastern versehen, wohl eher zu dekorativen Zwecken ("Nischenarchitektur"). Schicht II: Lehmziegel Schicht I: Lehmziegel (Jasim, 1983, S.99)

TELL SABI ABYAD I Lage: Nordsyrien, im oberen Abschnitt des Balikh-Tales, 30 km von der syrisch-türkischen Grenze entfernt. Südöstlich der Ortschaft Hamman. (Verhoeven, 1999, S.2,3; Akkermanns, 1997, Internet) Datierung und Stratigraphie: Auf einer Ausgrabungsfläche von 1300 qm wurden insgesamt 11 Schichten bis zum anstehenden Boden nachgewiesen. Davon wurden zunächst nur die Schichten 6 und 3 eingehender untersucht und dokumentiert. Im Spätneolithikum wurde der Tell verlassen und erst um 1300 v. Chr. durch die Assyrer neu besiedelt. Derzeit konzentrieren sich die Ausgrabungen auf die assyrische Festung. Schichten 11 bis 7: Von 6000/5900 bis 5200 v. Chr. (kalibriert auf 6860/6610 bis 5970 v. Chr.) Balikh II Periode Schichten 6 bis 4: Von 5200 bis 5100 v. Chr. (kalilbriert auf 5970 / 5960 bis 5910 v. Chr.) Balikh III B Periode. Schicht 6 wird als "burnt village" bezeichnet. Schichten 3: Von 5100 bis 5050 v. Chr. (kalibriert auf 5910 bis 5760 v. Chr.) Schicht 2 und 1: Bis 5000 v. Chr. (kalibriert auf 5760 v. Chr.) (Verhoeven, 1999, S.5; Akkermanns, Internet, 1997; Rijksmuseum, Internet, 2004)

Bauform: Schicht IV: Kaum ergraben. Keine erkennbaren Strukturen. Schicht III: Rechteckige, mehrräumige Häuser, die durch Verbindungsmauern z.T. geschlossene Einheiten bilden. Eine gebogene Umfassungsmauer. Zwar ist der Innenraum nur mäßig segmentiert, dennoch wird die höchstmögliche Raumtiefe durch kettenartige Aneinanderreihung der Räume erreicht. Schicht II: Keine deutlichen Gebäudestrukturen faßbar. Schicht I: Außer einem gebogenen Mauerabschnitt keine faßbaren Strukturen. (Jasim, 1983, S.99, 100, 101) Siedlungsform: Schicht III: Isolierte Bauweise mit einer Tendenz zur Akkumulation. Mehrere Gebäude sind mit Mauern zu einem "Hof" zusammengefaßt. Die Mauer bricht gleichzeitig die Sichtachsen in das Wohngebäude. Die anderen Schichten liefern keine deutbaren Befunde. (Jasim, 1983, S.100, 101)

Bautechnik: Schicht 6: Laut Grabungsbericht Pisé, da aber auch rund gebaut wurde wahrscheinlich Tauf, möglicherweise mit Töpferlehm kombiniert. Die Wandstärken betragen im Durchschnitt 40 cm. Schicht 3: Laut Grabungsbericht vorwiegend aus Pisé, wahrscheinlich wie in Schicht 6 aus Tauf. Die Rundbauten wurden aus Lehmziegeln errichtet. (Verhoeven, 1999, S.26 ,27, 29, 35, 188, 189)

Kultureller Kontext: Schicht IV bis II: Obed II- bzw. Hajji Mohammad- Keramik. Schicht I: Erste Obed III-Keramik. Zwischen den Schichten kein kultureller Bruch. (Jasim, 1983, S.99) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V Da der Siedlungskontext nicht beobachtet werden kann, wäre auch eine Siedlungsanlage des Typ VI möglich.

Bauform: Schicht 7: Vorläuferbauten von zwei Tholoi aus Schicht 6, sowie weitere runde Strukturen. Wahrscheinlich Bienenkorbbauten. Schicht 6: 8 rechteckige, mehrräumige Gebäude mit Grundflächen zwischen 90 und 120 qm und einer Innenstruktur vorwiegend aus kleinen Zellen, 1,75 x 1,75 m. 4 Rundbauten, von denen der größte einen Durchmesser von 6,75 m hat, die anderen 4,5 m, 3,5 m und 2,5 m. Der große Tholos ist in mehrere kleine Räume unterteilt und später wurden ihm kleine, rechteckige Anbauten zugefügt. Abgesehen von dem Rundbau mit 3,5 m Durchmesser scheinen alle Tholoi mit einem Bienenkorbbau abgeschlossen worden zu sein. Schicht 3: Ein großer eckiger Gebäudekomplex mit zahlreichen kleinen Räumen zwischen 2,6 bis 5 qm Grundfläche. Hinweise auf häusliche Nutzung fehlen weitgehend, eine Nutzung als zentrales Lagergebäude wird angenommen. Der Komplex ist umgeben von einer Anzahl von Tholoi, die sich z.T. in größerer Entfernung von dem zentralen Komplex befinden. Ihre Durchmesser liegen zwischen 1,5 und 3,10 m. Sie dienten mutmaßlich als Wohngebäude. (Verhoeven, 1999, S.30, 31, 35, 36, 188, 189; Akkermanns, Internet, 1997; Rijksmuseum, Internet, 2004)

Kosmologisch-habituelles Prinzip: e Die Aufteilung des Raums läßt kein auch nur rudimentäres Zentrum mehr erkennen.

Tell Rashid, Bebauung der Schicht III, (Jasim, 1983, S.101) 185

Siedlungsform: Schicht 6: Cluster, dem wahrscheinlich ein einheitlicher Bebauungsplan vorliegt. In einzelnen Bereichen wurde das Cluster durch addierende Bauweise erweitert. Die gesamte Siedlung ist nach den Himmelsrichtungen orientiert, mit einer leichten Achsenabweichung nach NordNord-West. Schicht 3: Zentraler Gebäudekomplex, mutmaßlich ein Lagergebäude, um das sich isolierte kleine Wohnhäuser gruppieren. (Verhoeven, 1999, S.25, 36, 188, 189; Akkermanns, Internet, 1997; Rijksmuseum, Internet, 2004)

bilden, sind in der Ethnologie durchaus bekannt. Die Zuordnung von Hausform und Wirtschaftsweise, die Verhoeven vornimmt, widerspricht allerdings den in Kapitel III.3.1. gewonnen Eindrücken. Nach neuen Interpretationen dienten die rechteckigen Gebäuden ausschließlich als Lagerhäuser und nur die Tholoi als Wohnbauten. (Verhoeven, 1999, S.39, 40, 209ff.; Akkermanns, Internet, 1997; Rijksmuseum, Internet, 2004) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Schicht 6: IV Schicht 3: IV

Kultureller Kontext: Schicht 6: Lokale "coarse ware" und "grey-black ware", aus denen sich in ungebrochener Tradition erste HalafFormen entwickeln. Das Material läßt sich am ehesten den syrischen Küstenregionen und der Südosttürkei kulturell anschließen. Von dort stammen auch "dark-faced burnished ware"-Importe. Andere, bemalte Keramiken weisen Parallelen zur Samarra- und Hassuna-Ware auf. Die lithische Industrie ist typisch für ältere Fundorte in Nordostsyrien und dem Nordirak (Bouqras und Umm Dabaghiyah), die Obsidiangeräte weisen Formen auf, die typisch für die Südosttürkei sind. Schicht 3: Frühe Halaf-Keramik (Halaf-fine-ware), die sich aus der lokalen Tradition entwickelt hat, lokale "grey-black ware" und importierte "dark-faced burnished ware" und "red-slipped ware". Laut mehreren Verteilungsanalysen von Kleinfunden wurde die Siedlung, besonders in Schicht 3, von zwei Gruppen mit ökonomisch völlig unterschiedlichen Lebensweisen bewohnt, die architektonisch in der Parallelität von Tholoi und rechteckigen Komplexen ihren Ausdruck finden. Nach Verhoeven wurden die Tholoi in Schicht 3 von ortsansässigen Bauern bewohnt, die rechteckigen Komplexe von nomadisierenden Jägern und Viehzüchtern als Vorratslager genutzt. Solche Beispiele dichotomischer Gesellschaften, deren einzelne Hälften sich in kultureller Praktik und Wirtschaftsweise voneinander unterscheiden, die aber dennoch eine Einheit

Die starke Segmentierung der Gebäude und die Bandbreite in der Gestaltung der Grundrisse sprechen für eine differenzierte sozio-ökonomische Organisation. Die fehlende Segmentierung der Freiflächen und die sehr homogene Gestaltung der rechtwinkligen Gebäudekomplexe lassen wiederum auf eine hohe Integrität des Gemeinwesens schließen, was deutlich auf den Typus IV deutet. Aufgrund der sehr beengten Raumverhältnisse werden auch die meisten wirtschaftlichen Tätigkeiten im öffentlichen Raum stattgefunden haben, was ebenfalls für diese Deutung spricht. Dem widerspricht aber, falls zutreffend, die Interpretation der kleinen nicht segmentierten Tholoi als vorrangig genutzte Wohngebäude. Kosmologisch-habituelles Prinzip: c und e ? Sollten die Tholoi tatsächlich die einzigen Wohngebäude der Siedlung darstellen, hätte man es mit einer erstaunlich konservativen Erhaltung der Symbolik von Kreis und Zentrum trotz starker Überlagerung orthogonaler Vorstellungen zu tun. Die Größe und Komplexität der rechteckigen Baustrukturen sprechen sonst deutlich für das Model e.

186

Tell Sabi Abyad I, Plan des "Burnt Village", Schicht 6 (Verhoeven, 1999, S.36)

Tell Sabi Abyad I, Plan der Bebauung der Schicht 3 (Bernbeck, 1995, S.289) 187

TELL SABI ABYAD II

Schicht 3B: Wie in Schicht 3C keine Angabe über Gebäude. Für eine Plattform in Norden der Fläche: „ 10 cm thick slabs of rather soft loam, intermingled with many limespots...width of about 25 cm. The length varied between 25 cm and 1m. The slabs were joined by a ‚mortar‘ of crumbly grey-black loam.“ (ebd., S.33) Schicht 3A: Alle Häuser, sowie die nördliche Plattform A bestehen aus „slabs of pisé“ die mit Mörtelschichten verschiedener Farbe zusammengehalten werden. (ebd., 37 ff.) Schicht 2: „...alternating layers of grey and orangebrown mud bricks measuring about 40 x 35 x 20 cm“(ebd. S.47). Möglicherweise Formziegel? Schicht 1: Keine Architekturbefunde (ebd. S.49).

Lage: Der Tell (123 x 76m) liegt ca. 100 m südöstlich von Tell Sabi Abyad I (Verhoeven, 2000, S.3) Datierung und Stratigraphie: 8 Schichten, darunter anstehender Boden, die Schicht 3 ist in die Phasen A, B und C unterteilt. Schichten 2 und 1 sind durch Gräber aus islamischer Zeit und Erosion stark gestört. Die Schichte 8-2 sind der lokalen Periode Balikh I zugeordnet, die mit PPNB gleichgesetzt werden kann. Schicht 1 wird Balikh II zugeordnet.

Die abschließende Interpretation ist aufgrund undifferenzierter Terminologie schwierig. Auf einem Photo aus der Schicht 3 lassen sich in einem Mauer- abschnitt deutlich Ziegel verschiedener Größe aus- machen. Auch die Planumszeichnung der Schichten 3A-C zeigen deutlich die Ziegelstrukturen der nördlichen Plattform, die mit „slabs of pisé“ beschrieben wird. Da außerdem in allen Schichten Mörtellagen beschrieben werden, selbst in Gefügen die mit Pisé bezeichnet werden, möchte ich den Gebrauch von handgeformten Lehmziegeln für alle Schichten postulieren. Ab Schicht 2 können möglicherweise Formziegel zur Verwendung gekommen sein.

Es wurden aus drei Schichten C-14 Proben von verbranntem Getreide genommen: Schicht 8 wird datiert auf 6580+/- 60 BC (kalibriert nach 1 sigma und 2 sigma auf ca.7600 BC) Schicht 5 wird datiert auf 6240 +/- 60 (kalibriert auf ca. 7200 BC) Schicht 3A wird datiert auf 6000 +/- 50 (kalibriert auf ca. 6900 BC) (ebd., S. 2 ff., 45 - 49) Bautechnik: Schicht 8: „..mudbricks or slabs (measuring about 40 50 x 20 - 30 x 10 cm) of unbaked grey loam. Three superimposed layers of these Slabs were distinguished, joined by an orange brown mortar.“ Interpretation: handgeformte Lehmziegel. Es wird außerdem ein „Block“ aus „pisé“, 1,20 x 1,00m erwähnt, der aber weder in den Profilen nach in den Plana abgebildet wird. Stampflehm? (ebd., S.8) Schicht 7: „ ...constructed of very hard orange-brown pise, intermingled with limespots.“ Interpretation: Stampflehm? (ebd.,S.11) Schicht 6: Außer einem runden Ofen aus „orange brown clay“ keine Befunde. (ebd., S.12) Schicht 5: „...buildings were constructed of compact orange-brow pisé.“ Aufgrund der Linearität und gleichmäßigen Wandstärke ist Stampflehm möglich. (ebd. S.14-15) Schicht 4: „...orange-brown pisé intermingled with limespots...at least four courses of pisé divided by grey crumbly mortar.“ Es werden, wie schon in Schicht 8 mehrere „Blöcke“ aus „Pisé“ beschrieben. Aufgrund der erwähnten Mörtelschichten einer Struktur, die klar auf eine Lehmziegeltechnik schließen lassen, kann es sich bei der Interpretation der Befunde als Stampflehm um eine falsche Beobachtung oder ein terminologisches Mißverständnis handeln. Neben den Lehmbauten wird auch eine Struktur aus Kalkstein beschrieben.(ebd. S. 19) Schicht 3C: Für die Häuser dieser Schicht fehlen Angaben über die Bautechnik. Sie wird nur für eine kleine Plattform im Westen der Ausgrabungsfläche beschrieben: „ Plattform O was made of ten rectangular and very hard pisé slabs measuring 1 x 0,3/0,4 x 0,08 m. These slabs were joined by a 0,5 to 1, cm thick grey mortar. (ebd., S.29)

Bauform: Schicht 8: Teile eines rechteckigen Gebäudes mit NNWSSO-Ausrichtung. Größe: mind. 4,25 x 2 m. (ebd., S.8) Schicht 7: Eine einzeln stehende Wand mit NOO-SWW-Ausrichtung.(ebd., S.11) Schicht 6: Ein runder Ofen und Böden, keine weiteren Architekturbefunde. (ebd., S.12) Schicht 5: In Schnitt H6: 3 eckige mehrräumige Gebäude mit gleichmäßiger NW-SO-Ausrichtung angeschnitten. Größe von dem mind. dreiräumigen Gebäude I: 3 x 6 m (ebd.,S.14, 15) Schicht 4: Eine lineare Steinwand, ein „Block“, sonst keine Architekturbefunde. (ebd.,S.19) Schicht 3 A-C: Grundrisse von mehreren rechteckigen, mehrräumigen Häusern mit stark variierenden Grundrissen (siehe Abb.). Leicht verschobene N-S-Ausrichtung. (ebd.,S. 20ff.) Siedlungsform: Einzeln stehende, stark segmentierte Gebäudegruppen. Das Haus V besteht durchgängig von Schicht 3C bis 3A, in der es um das Gebäude zu einer lokalen Cluster- bildung kommt. Ähnliche lokale Cluster sind auch für die Schicht 5 zu erwarten (ebd.,S.15, 22, 43ff.). Kultureller Kontext: Schichten 8-2: Lokale Gruppe Balikh I (ebd.,S.2). Der verwendete Obsidian stammt aus Zentral- und Ostanatolien. Die Formen entsprechen weitgehend der PPNBFlintindustrie der nordsysrischen Khabur-Region. (Copeland, 2000, S.67ff.) Schicht 1: Lokale Gruppe Balikh II. Keramiken zeigen große Ähnlichkeit zu anderen lokalen Gruppen im Nordirak und Ostsyrien entlang dem mittleren Euphrat,

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sowie zu der sog. Proto-Hassuna Ware. (Nieuwenhuyse, 2000, S.128)

tika lassen auf eine größere Bedeutung des Gemeinwesens schließen, wie in Typ IV zu erwarten ist.

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: IV Aufgrund der nur geringfügigen Segmentierung der Freiflächen, sowie der Präsenz kommunaler Bauwerke wie der Plattform aus Schicht 3 und dem Gebäude IX, das Akkermans als kommunal genutzte Werkstatt interpretiert, ist eine Gemeinschaft ökonomisch autarker Gehöfte des Typs V unwahrscheinlich (Akkermans & Verhoeven, 2000, S.175 ff.). Die genannten Charakteris-

Kosmologisch-habituelles Prinzip: e Die gleichförmige Ausrichtung aller Häuser, die weitgehend den Kardinalpunkten entspricht und bis auf eine leichte Neigung der Hauptachse in Schicht 5 über alle Besiedlungsphasen gleich bleibt, läßt auf ein astrales Ordnungskonzept schließen. Die Vielräumigkeit sowie die Präsenz kommunaler Einrichtungen verweisen auf eine fortgeschrittene Dezentration.

Rekonstruktion des Dorfes Tell Sabi Abyad II 3A (Verhoeven, 2000, S. 45)

Tell Sabi Abyad II, Grundrisse der Bebauung der Schicht 5 (Verhoeven, 2000, S.15)

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Tell Sabi Abyad II 3, Bebauung der Phasen A-C (Verhoeven, 2000, S.22)

TEPE FARUKHABAD

Bautechnik: Formziegel (Riefen vom Abstreichen und Abziehen der Form z.T. noch erkennbar!), Maße: 65 x 30 x 8 bis 15 cm und 20 x 25 x 8 bis 15 cm. Es wurde sowohl mit Läuferverband als auch mit Läufer-Binderverband gemauert. In einigen Fällen auch mit Läuferverband, bei dem die Ziegel auf ihrer Schmalseite standen. (Wright, 1981, S.17, 18, 20)

Lage: Westiran, in der Deh Luran-Ebene, 32035'N, 470,14'O (Wright, 1981, S.2,4) Datierung und Stratigraphie: In den Schnitten A unmd B 7 verschiedene Phasen (A bis G), die jeweils in einige Abschnitte und etliche Straten unterteilt sind.

Bauform: In Grabungsschnitt A wurde ein kleines Gebäude fragmentarisch ergraben (leider bleibt unklar, aus welcher Phase!) In Schnitt B konnten aus Schicht 44, "Middle Farukh" zwei kleine, rechteckige, mehrräumige Gebäude mit Raumgrößen zwischen 2 und 3 qm festgestellt werden, sowie ein Teil eines weitläufigen, fundarmen Gebäudes, von dem ein 6 m langer Korridor und massive Mauerreste ergraben wurden. (Wright, 1981, S.18, 20, 21)

Grabungsschichten in den Schnitten

Phase G: "Bayat"

A 36 - 33

B ---

(wird allg. auf 4100 v.Chr. datiert)

Phase F 3: "Early Farukh" 31 - 30 Phase F 2: "Middle Farukh" 29 - 24

47 - 46 45 - 40

C-14: 3980, kalibriert 4600 v. Chr.

Phase F 1: " Late Farukh" 23 39 - 37 Phase E bis A: "Uruk" und "Jemdet Nasr", außerhalb des Zeitrahmens dieser Untersuchung.

Siedlungsform: unbestimmt

(Wright, 1981, S.8, 436; Flannery & Hole, 1967, S.181)

Kultureller Kontext: Phase G:Die "Bayat-Red" Keramik ist nah verwandt mit der Keramik von Eridu VIII und IX, also dem späten 190

Standard-Obed und dem frühen Spät-Obed, sowie Formen des späteren Susiana C aus der iranischen SusianaEbene und nordirakischem Gaura-XVII- Material. Phase F: Hat keine Parallelen mit irakischem Material mehr, dafür umso mehr mit Susiana D und Keramik aus dem iranischen Hochland wie z.B. Tall i-Bakhun III. Die Abwendung von Mesopotamien hin zu dem südlichen Hochland des Iran betrifft alle Siedlungen der DehLuran Gruppe. (Wright, 1981, S.23, 66, 68, 69)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: unbestimmt Es sind alle Modelle von IV bis VII möglich. Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Tepe Farukhabad, Schicht 44, Baubefunde aus Schnitt F 40 (Wright, 1981, S.20)

Tepe Farukhabad, Schicht 44, Baubefunde aus den Schnitten F 25/26/29 und 30/ 31 (Wright, 1981, S.20)

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TEPE GAURA (GAWRA)

Schicht XIX: Zwei große Komplexe mit sehr differenzierten Grundrissen, z.T. mit hofartigen Flächen, die regelmäßig von kleinen Räumen umgeben sind, z.T. mit unregelmäßigen, offensichtlich agglutinierenden Strukturen. Schicht XVIII: Ein großes, symmetrisches Bauwerk mit zentraler Halle/Hof und seitlich angegliederten Räumen. Ein Komplex aus asymmetrischen, mehrräumigen Bauten mit einem Tholos in der Mitte. Rechteckige Gebäude mit wenigen Räumen. Schicht XVII: Zwei Tholoi mit mind. 5 m Durchmesser. Die letzten Rundbauten des Fundorts. Unregelmäßige, rechteckige, agglutinierende Komplexe. Schicht XVI bis XIV: ? Schicht XIII: Drei große, rechteckige Tempel um einen Hof Schicht XII: ? (Mallowan, 1967, S.54, 56, 57; Aurenche, 1986, S.73; Müller-Karpe, 1976, S.196, Tafel 24)

Lage: Irak, ca. 23 km Ost-Nordost von Niniveh entfernt, unterhalb des Djebel Maqlub, in der Nähe des Fluß Khusr. (Mallowan, 1967, S.53) Datierung und Stratigraphie: Insgesamt 20 ergrabene Schichten, die von dem frühesten Beginn der nördlichen Obedzeit, bzw. dem End-Halaf bis zum Ende der Uruk-Zeit belegt waren. Nach C-14 Messungen aus den 60er Jahren sind die untersten Schichten auf 5000 v. Chr. und älter zu datieren, obwohl sich die Obed-Kultur in dieser Region nach herkömmlichen Datierungen erst ab ca. 4300 v. Chr. ausbreitet, und nur im Süden in ihrem Ursprungsgebiet um Eridu vor 5000 v. Chr. schon vertreten ist. Laut Mallowan ist das keramische Material aus Schicht XX allerdings mit dem ältesten Obed I/Eridu- Material vergleichbar. Der anstehende Boden wurde bei den Ausgrabungen, die mit Kriegsbeginn 1939 abgebrochen worden sind, nicht erreicht.

Siedlungsform: Die "sakralen" Bauten stehen jeweils isoliert. Auch andere, sekundäre Strukturen scheinen nicht in die Clustern der verschiedenen Schichten eingebunden gewesen zu sein. Schicht XX: ? Schicht XIX: Zwei große, sehr differenziert unterteilte Gebäudekomplexe mit zahlreichen Räumen und Innenhöfen. Schicht XVIII bis XII: Abgesehen von den separat stehenden Sakralbauten besteht die Siedlung aus einem addierenden, ungeordneten Cluster. In Schicht XII hat die Siedlung eine geschlossene, gestaffelte Außenfront, möglicherweise zur Verteidigung. (Mallowan, 1967, S.62, 63; Müller-Karpe, 1976, Tafel 24)

Schicht XXI: Späte Halafzeit, Datierung unklar Schicht XX: ca. 5000 v. Chr. Schicht XII: bis spätestens 3700 v. Chr., dem Beginn der Urukzeit. (Mallowan, 1967, S.53, 54, 58; Peasnall & Rothman, 2003, S.35 ff.) Bautechnik: Schicht XX: Miniaturziegel mit den Maßen 13 x 9 x 5 cm ~ Ratio von 3 : 2 : 1 Schicht XIX: Lehmziegel, sehr dünnes Mauerwerk. Schichten XVIII bis XV: Lehmziegel und Lagenlehm? In XV erstes Steingebäude. "...the first occasion on which stones rather than bricks or pisé were used architecturally..." Schicht XIV: Ziegel ? Schicht XIII: Lehmziegel. Sehr dünne Wände niemals dicker als 1 1/2 Ziegeln. Schicht XII: Ziegel ? (Mallowan, 1967, S.54, 56, 57)

Kultureller Kontext: Schicht XX: End Halaf-Besiedlung Schicht XIX bis XVI: Früheste Obed-Besiedlung. Dem kulturellen Komplex Obed 1 zuzurechnen. Schicht XV bis XII: Dem kulturellen Komplex Obed 2 zuzurechnen. Schicht XII wird durch Gewalttätigkeit zerstört. Ab Schicht XI: Uruk Im Gegensatz zu anderen Siedlungen des assyrischen Gebietes besteht in Tepe Gawra ein reger Austausch mit den östlichen Bergbewohnern. Eine Orientierung in das Gebiet westlich vom Tigris besteht kaum. (Mallowan, 1967, S.53, 58, 61)

Bauform: In der Literatur wird auf die reine Wohnarchitektur fast gar nicht eingegangen, sondern lediglich auf Bauten, die für sakrale Architektur gehalten werden. Die Wohnarchitektur scheint von Schicht XIX bis XII aus mehr oder minder eckigen, vielräumigen Agglutinaten bestanden zu haben. Gebäude, die als sakral interpretiert werden:

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: VII Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Schicht XX: Rundbau mit einem Durchmesser von etwas über 5 m. An die Innenwände waren drei Pilaster gebaut, die eine Flachdachkonstruktion getragen haben könnten. In der Literatur wird eine Überkuppelung mit überkragendem Gewölbe aber auch nicht ausgeschlossen.

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Tepe Gawra, die Bebauung der Schichten XIX, XVIII, XVII und XIII (Müller-Karpe, 1976, Tafel 24)

TEPE GURAN

zentrieren sich auf bronze- und eisenzeitliche Kontexte am gleichen Fundort. (Mellaart, 1967c, S.17; Nissen, 1988, S.4, 5; Braidwood, R. 1983, S. 149,159; Flannery, K., Hole, F. 1967, S.183; Thrane et al., 2001)

Lage: Iran, am nördlichen Rand der Hulailan Ebene, 60 km südlich von Tepe Sarab. 950 m ü.NN. (Mellaart, 1967c, S.17)

Bautechnik: Schichten V bis P: Nur Befunde von Holzhütten. Schicht P bis N: Lehmziegel werden parallel zur älteren Holzbauweise verwendet. Beide Techniken werden nicht miteinander vermischt. Schichten M bis A: Lehmziegel (Mellaart, 1967c, S.17ff.)

Datierung und Stratigraphie: 18 aufeinanderfolgende Schichten, benannt von A bis V, die zusammen den Zeitraum von ca. 6500 v. Chr. bis 5500 v. Chr. umschließen. Schichten V bis T: Ab ca. + 6500 v. Chr. Akeramisch. Schichten O bis S: Früh-Keramisch Schichten O bis M: Parallel mit den oberen Schichten von Jarmo, ca. 6200 v. Chr. Schichten L bis H: Endet ca. 6065 v. Chr. Schichten G bis A: 6065 bis 5500 v. Chr. Nach heutigen Gesichtspunkten wird die Siedlung eher auf den Zeitraum zwischen 7000 und 6000 v. Chr. datiert. Es gibt bis heute keine detaillierte Publikation der Grabungsergebnisse. Die aktuellen Ausgrabungen kon-

Bauform: Rechteckige Häuser. (Mellaart, 1967c, S.18) Siedlungsform: unbestimmt

193

Kultureller Kontext: Schichten V - T: Akeramisch Schichten S bis O: Lokale Keramik, bislang keine verwandten Formen und Traditionen bekannt. Schichten M bis P: Iranische "painted ware", bekannt als Import in Jarmo. Schichten H bis L: Tepe Sarab-Keramik. (Mellaart, 1967c, S.18, 45; Braidwood, R. 1983, S. 149,159; Flannery, K. & Hole, F. 1967, S.183)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: VI Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: unbestimmt Kosmologisch-habituelles Prinzip: d oder e

Tepe Hissar, Bebauung der Schicht IA (nach Yule, 1982, S.29)

TEPE HISSAR Lage: Iran, 360 km östlich von Teheran, an den Südosthängen des Elburs-Gebirges, 2 km südöstlich von Damghan. (Yule, 1982, S.1)

TEPE SABZ

Datierung und Stratigraphie: Drei Perioden, die in acht Phasen unterteilt sind (IA, IB, IC, IIA, IIB, IIIA, IIIB, IIIC), von der späten Obed-Zeit bis in das 15 Jhd. v. Chr. Tepe Hissar IA: Entspricht ~Obed 4, ~Susiana A, also ca. 4000 bis 3500 v. Chr. Tepe Hissar IB...: Urukzeitlich, ab 3500 v. Chr. (Yule, 1982, S.5, 9, 10, 25)

Lage: Westiran, in der Deh-Luran Ebene. (Flannery & Hole, 1967, S.183) Datierung und Stratigraphie: Sabz Phase: 5500 bis 5000 v. Chr. Khazineh Phase: 5000 bis 4500 v. Chr. Mehmeh Phase: 4500 bis 4100 v. Chr. Bayat Phase: 4100 bis 3700 v. Chr. (Flannery & Hole, 1967, S.183,1 84, 188, 190, 194)

Bautechnik: Tepe Hissar IA: Sehr kleine Lehmziegel die unregelmäßig vermauert wurden. Die Maße: 7,5 x 5 x 2,6 und 7,5 x 5,6 x 2,9 und 8 x 6 x 3,1 Neben der Ziegelbauweise wird auch Chineh verwendet. (Yule, 1982, S.34)

Bautechnik: Sabz Phase: Keine aussagekräftigen Befunde. Khazineh Phase: Große Lehmziegel, mitunter auf einem dünnen Kieselfundament. Mehmeh Phase: Außenwände aus Lehmziegeln, 50 x 20 x 10 cm = Ratio von 5 : 2 : 1 Die Wände waren bis zu 1m dick. An den Ecken greifen die Ziegellagen ineinander. Innenwände aus Tauf. Bayat Phase: Lehmziegel. Wandstärken bis zu 1m. (Flannery & Hole, 1967, S.188, 190, 194; Mellaart, 1967c, S.39)

Bauform: Rechteckige, mehrräumige, einstöckige Gebäude ohne geregelte Raumordnung. Die zusammenhängenden Raumkomplexe sind bis zu 100 qm groß. (Yule, 1982, S.29-31) Siedlungsform: Addierendes Cluster mit kleinen Höfen und Gassen, die z.T. zugebaut wurden. Möglicherweise liegt der Siedlung eine isolierte Bauweise zugrunde, die anschließend zugewuchert ist. (Yule, 1982, S.28, 29, 44)

Bauform: Sabz und Khazineh Phase: Wahrscheinlich rechteckige Häuser. Mehmeh Phase: Rechteckige Häuser, 5 x 10 m und größer, mit mehreren Räumen, möglicherweise mehrgeschossig. Bayat Phase: Wie in der Mehmeh Phase. Möglicherweise zweigeschossig. Die Innenräume hatten Größen bis zu 3 x 3 m. (Flannery & Hole, 1967, S.190, 194; Mellaart, 1967c, S.39)

Kultureller Kontext: Eines der wichtigsten Handelszentren für Halbedelsteine bis in die historische Zeit. Nach dem Inventar bestanden enge Beziehungen zu Tuareng Tepe in Turkmenistan, jenseits des Elburs und vor allem zu dem 360 km südwestlich gelegenen Tepe Siyalk III 2 bis 3, sowie nach Sistan und Chusistan. (Yule, 1982, S.7,8)

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Siedlungsform: Pläne, aus denen die Siedlungsform abzulesen wäre, sind nicht publiziert worden. Da die alle Gebäude ebenerdige Türen, einen geschlossenen Umriß und ineinander greifende Ziegelschichten an den Ecken besaßen, zudem für die Gliederung des Innenraums eine andere Bautechnik benutzt wurde als für die Grundmauern, kommt nur ein akkumulierendes Cluster oder eine isolierte Bauweise in Frage. Bezüglich der Bayat Phase wird von "open areas between the houses" gesprochen. Daraus könnte man auf eine isolierte Bauweise schließen. (Flannery & Hole, 1967, S.188, 190, 194)

TEPE SIYALK Lage: Iran, 3 km südwestlich von Kaschan, südlich von Teheran. (Müller-Karpe, 1976, S.108; Ghirshman, 1954/61, S.29) Datierung und Stratigraphie: Siedlungsspuren auf anstehendem Boden Siyalk I: Vor 4500 v. Chr. Siyalk II 1, 2 und 3: 4500 bis 4100 v. Chr. Siyalk III 1 bis 7: 4000 bis 3000 v. Chr. Siyalk III 1, 2 und 3 sind parallel zu Obed 4 und Susiana A, Siyalk III 4 beginnt parallel zu der Urukzeit. (Müller-Karpe, 1976, S.108; Yule, 1982, S.10; Ghirshman, 1954/61, S.29)

Kultureller Kontext: Sabz Phase: Die materielle Kultur ist zum großen Teil aus den lokalen Traditionen der vorangegangenen Mohammad Jaffar Periode entstanden. Daneben gibt es auch völlig eigenständige Keramikformen sowie "Susiana plain buff" -Ware. Es gibt kein Obsidian im Fundmaterial. Khazineh Phase: Lokale Tradition wird fortgesetzt. Kein Obsidian im Fundmaterial. Mehmeh Phase: Zum einen Keramik, die sehr stark an die frühen Obed-Formen aus Eridu erinnert, zum anderen sehr viel iranische Keramik, z.B. Formen die besonders aus Tepe Hissar bekannt sind. Eher ins iranische Hochland orientiert als zum Zagros. Die Siedlungen im Deh Luran nehmen, im Gegensatz zu der allgemeinen Entwicklung, eine provinzielle Position ein. Bayat Phase: Hinwendung nach Susiana und dem südlichen Mesopotamien. Die Keramik entspricht Susiana D und dem des obedzeitlichen Eridu. Die vom iranischen Hochland beeinflußten naturalistischen Motive der Mehmeh-Phase sind ganz verschwunden. (Flannery & Hole, 1967, S.185 - 196)

Bautechnik: Auf dem anstehenden Boden: wahrscheinlich leichte Hütten aus vegetabilen Materialien. Siyalk I: "Pisétechnik" Siyalk II: Fundamente und Wandsockel aus handgeformten, ovalen Lehmziegeln, darüber "Stampflehmwände" (Müller-Karpe, 1976, S.108); nach Ghirshman löste der Ziegelbau in dieser Phase den „Pisé“, also Lagenlehm, vollständig ab. Siyalk III: Formziegel auf Steinfundamenten. Sehr wahrscheinlich wird es sich bei der "Pisé-" und "Stampflehmtechnik" nicht um tatsächlichen Stampflehm gehandelt haben. Eine Fundamentierung aus handgeformten Ziegeln ergibt bei einem Überbau aus Pisé keinerlei Sinn. Sie kann weder den Zweck eines Steinfundamentes erfüllen, indem sie Feuchtigkeit von dem Wandmaterial fern hält, noch ist sie statisch sinnvoll, da eine Struktur aus Stampflehm bereits die maximale Belastbarkeit des Baumaterials erreicht. Ebenso ist unwahrscheinlich, daß bei Verwendung von hölzernen Verschalungen für den Stampflehm keine Holzmodel für die Ziegel benutzt werden. (Müller-Karpe, 1976, S.108; Ghirshman, 1954/61, S.32, 35)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: V oder VI Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Bauform: Zu allen Zeiten waren die Häuser rechteckig. (Müller-Karpe, 1976, S.108) Siyalk I: „modest structures“ (Ghirshman, 1954/61, S.29) Siyalk II: „Houses became larger, and were provided with doors the sockets of which have been found“ (Ghirshman, 1954/61, S.32) Siyalk III: Die Hauswände wurden zunehmend mit Nischen und Pilastern versehen. „The doors remained lob and narrow, usually a little under 3 feet in height. Windows were in use, and generally looked on to the street.“ (Ghirshman, 1954/61, S.36) Siedlungsform: Laut Müller-Karpe bestand während aller Besiedlungsphasen ein Cluster. (Müller-Karpe, 1976, S.108) Der Ausgräber Girshman beschreibt für Siyalk III: „The village quarters, intersected by narrow, winding alleys, marked off the boundaries of the estates.“ (Ghirshman,

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1954/61, S.35). Diese Notiz kann eben so gut auf eine sehr dichte, aber isolierte Bauweise hindeuten.

UMM DABAGHIYAH Lage: Irak, 26 km westlich von Hatra, 350,25' N, 420,75', 200 m ü. NN. (Kirkbride, 1972, S.3, 5)

Kultureller Kontext: Eigenständige Tradition, mit Einflüssen von von Halaf und Samarra. In der Uruk-Zeit unter dem Einfluß von Susa und Mesopotamien. (Müller-Karpe, 1976, S.108; Brunner, 1995, S.482)

Datierung und Stratigraphie: Vier Schichten die jeweils in verschiedene Phasen unterteilt werden. Schicht IV: Auf anstehendem Boden. Unterteilt in die Phasen 12 bis 9. Die Siedlung wird aufgelassen und verfällt. Schicht III: Erster Wiederaufbau. Unterteilt in die Phasen 8 bis 6 Schicht II: Phasen 5 bis ? . Siedlung wird aufgelassen und verfällt Schicht I: Zweiter Wiederaufbau, zum Teil direkt auf den Grundmauern der Vorläuferbauten. Die Siedlung wird aufgelassen und ist stark erodiert. Trotz der mehrfachen Aufgabe der Siedlung scheinen alle Schichten zu einem geschlossenen kulturellen und chronologischen Komplex zu gehören. Datierbar nur durch typologische Vergleiche. Analoges Material aus Thalathat wurde C-14-datiert auf 5570+/-120 v. Chr. Ähnlichkeiten zu Hassuna Ia (ab 6000 v. Chr.). Nach neueren Untersuchungen wird der Fundort auf vor 6500 v. Chr. datiert. (Kirkbride, 1973a, S.1-3, 7; 1973b, S.206; 1974, S.86; Nissen, 1988, S.5)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Ohne Pläne, aus denen der Siedlungszusammenhang und die Größe und Gestalt der Häuser hervorgehen würden, kann keine Rekonstruktion vorgenommen werden. Die vorliegenden Beschreibungen sind in keiner Weise ausreichend. Kosmologisch-habituelles Prinzip: d oder e

Tepe Siyalk, Mauerverband aus Siyalk II (Ghirshman, 1954 - 61, S.33)

Bautechnik: Schicht IV: „Some of these early walls give the im- pression that they were made of clay shapes resembling mud bricks, were those of the later were often made of tauf" (Kirkbride, 1973a, S.4) Zuerst Protoziegel? Später Tauf. Schicht III: Zabur-Wände, stark mit Stroh gemagert, bis zu 50 cm dick und Tauf-Wände auf Steinfundamenten. Schicht II: Zabur und Tauf. Eine Ausnahme bildet jedoch ein mit großen Lehmziegeln gepflasterter Bereich in der Mitte der Siedlung. Die Ziegel sind offensichtlich mit Holzbrettern in Form gebracht worden. Schicht I: ? (Kirkbride, 1972, S.6, 13; 1973a, S.4; 1973b, S.206) Bauform: Es sind zwei Gruppen von Gebäuden deutlich zu unterscheiden: Die Wohnhäuser und große Speicher- komplexe. Schicht IV: Wohnbauten: In den untersten Phasen 12 und 11 unregelmäßig geformte, einräumige Rundbauten. In den Phasen 10 bis 8 folgten rechteckige Häuser mit zwei und mehr Räumen. Speicherbauten: Die Speicherkomplexe, die nur für Schicht II und III vollständig ergraben sind, wurden, wie Testschnitte ergaben, bereits in Schicht IV angelegt. Es ist allerdings unklar mit welcher genauen Form und in welchen Ausmaßen. Schicht III: Wohnbauten: Rechteckige Häuser mit 3 bis 7 kleinen Räumen, die selten größer als 2 x 2 m waren. Speicherbauten: Zwei große, langgestreckte Komplexe, der eine 25 m lang, der andere ca. 38 m lang, beide mit einer Breite von 6,15 m. Der längere ist L-förmig und hat zusätzlich einen Querbau. Beide Innenflächen der

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Häuser sind mit einem Raster von 1,75 x 1,75m großen Räumen überzogen. Der größere Block im Süden hat zwischen zwei Zellenfluchten einen Gang von 1 m Breite. In einigen Fällen sind die Trennwände der Zellen durchbrochen. Die Gebäude liegen parallel zueinander und haben eine Achse von Ost nach West. Schicht II: Wohnhäuser: Rechteckig und mehrräumig. In der Regel haben sie einen trapezförmigen Hauptbau mit mehreren, hintereinanderliegenden Zimmern und einem abschließenden Querbau. Speicherbauten: Der strikte Plan von Schicht III wird nicht mehr eingehalten. Die beiden Gebäude sind zu einem amorphen Konglomerat rechteckiger Zellen und Räumen verwachsen. Einige wurden offensichtlich zu Wohnräume umfunktioniert. Schicht I: Wahrscheinlich Weiterführung der Bautradition von Schicht II. (Kirkbride, 1972, S.2, 6; 1973a, S.4; 1973b, S.206, 207, Tafel LXXVIII)

Die Ausgräberin nimmt an, ihr Ursprungsgebiet liegt in der südöstlichen Türkei, in der Gegend von Cayönü. Aufgrund des Artefaktmaterials sowie der Floren- und Faunenbefunde, wird angenommen, die Siedlung sein ein Handelsposten gewesen, der darauf spezialisiert war, Jägern Wildesel- und Gazellenhäute abzunehmen. (Kirkbride, 1972, S.8, 12-14; 1973a, S.7; 1974, S.7, 85, 87-90; Bököny, 1973, S.9) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: IV Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Siedlungsform: Schicht IV: Zu wenig ergraben. Wohnhäuser offensichtlich isoliert. Schicht III: Plansiedlung mit zentralem Platz. Die Wohnhäuser im Süden und Westen neigen zur addierenden Clusterbildung. Schicht II: Addierendes Cluster um einen gepflasterten Hof mit 6 verschiedenen Haushalten. Die Fläche der Speicher überwiegt die Wohnfläche bei weitem. Schicht I: ? , wahrscheinlich wie II ein addierendes Cluster. Die Wohnhäuser befinden sich immer auf der westlichen Seite, von der in der Regel ein kühlerer, staubfreier Wind weht. (Kirkbride, 1972, S.2; 1973b, S.206, 208, 209; 1974, S.85, 90)

Umm Dabaghiyah , Baubefunde der Schicht IV Phase 11 (nach Kirkbride,1972, S.7)

Kultureller Kontext: Alle vier Schichten sind einer einzigen Kulturgruppe zuzuordnen. Es gibt kaum Übereinstimmungen mit Material aus dem Irak, wie z.B. Jarmo. Die Steinindustrie hat vielmehr Ähnlichkeit mit Material aus Byblos, Hassuna 1a, Yarim Tepe, Mersin und Amuq, also Traditionen aus dem Norden und Westen. Weibliche Tonidole mit konkaver Unterseite verweisen auf die Halaf-Schichten von Chagar Bazar am Khabur in Syrien, die gegipsten und z.T. rot eingefärbten Wände und Fußböden haben Parallelen in Hacilar, Beidha, Jericho und Catal Hüyük. Die Keramik gehört zu einem bislang unbekannten Typ, weist aber Ähnlichkeiten zu den untersten Schichten von Hassunah, Yarim Tepe I und Thalalat IIa auf. Die Kulturgruppe kommt mit einer bereits voll ausgeprägten Architektur in das Gebiet, das bis dato noch ohne nachweislich feste Siedlungsplätze gewesen ist.

Umm Dabaghiyah, Baubefunde der Schicht III Phase 8 (nach Kirkbride,1972, S.7)

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Umm Dabaghiyah, Bebauung der Schicht III (Bernbeck, 1995,S.287)

Umm Dabaghiyah, Bebauung der Schicht II (Kirkbride, 1973b, Tafel LXXVIII)

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YARIM TEPE I

damit verbundenen Gewichts, das gegen eine Ziegelbauweise spricht, möglicherweise um eine frühe Form des echten Pisés, also des Baus mit einer Verschalung handeln. (Munchajev, 1972, S.3; Merpert, 1987, S.7ff.)

Lage: In der nordirakischen Sinjar Ebene, westlich von Mosul. (Hermann, 1984/2, S.415; Merpert, 1987, S.1)

Bauform: Unter Schicht 12: Gruben, die zur Entnahme des Baustoffes für die Häuser der Schicht 12 dienten. Schicht 12: Neben rechteckigen einräumigen Bauten und unregelmäßigen, addierenden Gebäuden mit bis zu 3 Zimmern, bestanden mehrere einräumige Rundbauten. Schicht 11 - 9: Die Gebäude werden größer und komplexer. Es werden Raumgrößen bis zu 12 qm erreicht. Neben den eckigen Bauten bestehen weiterhin Rundbauten. In den Schichten 10 und 9 wird ein Komplex aus mehreren eng beieinander liegenden parallelen Wänden errichtet. Schicht 8: Eckige und runde Gebäude bestehen weiterhin gleichzeitig. Im nördlichen Grabungsabschnitt wurde eine freistehende, massive, einräumige Struktur errichtet (4,12 x 3,32 m), deren Wände gedoppelt und mit Pilastern auf den Innenseiten versehen waren. Schicht 7: Rechteckige, große Gebäude mit mehreren Räumen. Das größte Gebäude: 11 x 6 m mit 6 gegenüberliegenden Räumen innerhalb des ursprünglichen Umrisses und 2 zugefügten Anbauten. Alle Häuser scheinen nun einem bestimmten Idealtypus zu entsprechen. Schicht 6: Rechteckige, mehrräumige Wohnhäuser mit runden Absiden und regelmäßigen Grundrissen sowie ein größerer, komplexerer Bau, dem Rundbauten und Abteilungen mit kleinen Speicherzellen (50 x 30 cm) angegliedert sind. Schicht 5: ? Schicht 4: Mehrräumige, rechteckige Strukturen und leicht gebogene Wände. Eine Gruppe von 5 parallel verlaufenden Wänden. Schicht 3 bis 1: ? (Munchajev, 1972, S.4-8; Aurenche, 1986, S.73; Merpert, 1987, S.4ff)

Datierung und Stratigraphie: Die Gesamtstärke der Kulturablagerungen beträgt über 6m. Es sind insgesamt 12 Schichten ergraben worden, von denen die unterste Schicht 12 auf dem anstehenden Boden, 1,5m unter der heutigen Ebene liegt. Die oberen Schichten sind durch zahlreiche Gruben und Gräber aus späteren Perioden bis in die islamische Zeit gestört. Die Schichten 12-8 sind gekennzeichnet durch „coarse ware“ und Keramik der Typen Hassuna Ia-c, in den Schichten 7-2 überwiegt die Standard Hassuna Ware. Die stark gestörte Schicht 1 ist gekennzeichnet durch Samarrakeramik. Die frühesten Schichten folgen typologisch direkt auf die letzten Schichten von Umm Dabaghiyah und die letzte Stufe der Tell Sotto-Kultur, die in Telul eth-Thalathat auf 5570 +/-120 v. Chr. datiert worden ist. C 14Proben aus der Schicht 7 ergaben Datierungen von 5200 +/-90 und 5090 +/- 100 v. Chr. Angesichts der Datierung von Yarim Tepe II und anderen Datierungen von Hassuna-Ensembles wird in dieser Arbeit eine Datierung von 5600 - 5000 angenommen. (Munchajev, 1972, S.5; Merpert, 1987, S.2, 19; Mellaart, 1967, S.8; Bernbeck, 1995, S.29) Bautechnik: Schicht 12: „All walls were made of clay lumps, either massive blocks or comparatively thin slabs bound together with clay mortar. ... As is common in pisé technique, the blocks were not sundried before use. The blocks and slabs were not uniform in size, but in some instances some standardization in form and size is observable, a feature which increases over time.“ (Merpert, 1987, S.7). In einem Fall wurden nur „slabs“ mit einer Größe von 50 x 24 x 5 cm verwendet. Wahrscheinlich haben wir es mit einer Form des Protoziegelbaus zu tun, die eher dem Ziegelbau als dem Zabur und gepackten Lagenlehm zuzuordnen ist. Dafür spricht die Verwendung von Mörtel. Die Wände waren an der Basis 50 - 60 cm dick, im oberen Bereich verjüngten sie sich auf 30 - 35 cm. Als Fundamente werden Scherbenpackungen verwendet. Schicht 11: Für die Außenwände wurden Protoziegel mit den Maßen 40 x 30 x 5 cm verwendet, die inneren Wände bestanden aus 18 x 17 x 6 cm großen Protoziegeln. Schicht 10: In dieser Schicht treten erstmals rechteckige Formen auf, deren Maße zwischen 23 - 25 x 20 x 3 - 4 cm schwanken. Schicht 9: Es treten standardisierte „blocks“ auf: 35 x 25 x 6 cm, bzw. 50 x 7 x 7 cm. Schicht 8: In dieser Bauschicht werden die Außenwände aus 80 x 35 x 40 cm großen „blocks“ errichtet, die Innenwände aus 35 x 25 x 5 cm großen „slabs“. Schicht 7: Fundamente aus Protoziegeln, darauf TaufWände. Ziegelgrößen: 40 x 20 x 5 cm. Schicht 6 bis 1: Lehmziegel Bei den Blöcken aus den Schichten 9 und 8 kann es sich aufgrund der standardisierten Maße, der Größe und des

Siedlungsform: Schicht 12: Isolierte Bauweise. Einige Bauten sind mit kleinen Mäuerchen verbunden. Die Rundbauten, unter deren Fußböden deutlich häufiger Bestattung gefunden wurden als unter denen der rechteckigen Bauten, dienten nach der Interpretation des Ausgräbers möglicherweise nicht als Wohnhäuser, sondern als rein rituelle Gebäude. Zwischen den Gebäuden befanden sich Plattformen, Öfen und Speicher. Schicht 11-9: Lokal begrenze Clusterbildung. Die einzelnen Gebäudegruppen stehen weiterhin isoliert voneinander. Die Freiflächen sind durch einzelne Mauern segmentiert. Die Besiedlungsdichte nimmt langsam zu. Schicht 8: Die Siedlungsform wird weitgehend fortgeführt. Im nördlichen Grabungsabschnitt, in dem sich bereits in den vorangegangenen Schichten eine erhöhte Konzentration von Bestattungen und mutmaßlich rituellen Strukturen befand, wurde eine freistehende, massive, einräumige Struktur errichtet (4,12 x 3,32 m), an die ein größeres leeres Areal mit Umfassungsmauer angeschlossen ist.

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Schicht 7: Die Häuser stehen wieder sehr locker gestreut und isoliert. „...compact building complexes well seperated from each other.“ (Merpert, 1987, S.7) Zwischen den einzelnen Hauskomplexen liegen offene Fläche mit einzelnen Öfen und anderen subsidiären Strukturen. Schicht 6 : In dieser Schicht wird die Bebauung wieder extrem dicht. Tendenz zum Cluster? Schicht 5: entspricht Schicht 6 Schicht 4: Die Befunde werden spärlicher. Die Bebauung lockert sich offenbar wieder. Schicht 3 bis 1: unbestimmt Der zentrale Bereich der Siedlung ist in allen Phasen der Besiedlung frei geblieben und die Orientierung der Häuser weist in allen Schichten eine Ausrichtung entlang der NS-Achse auf, mit einer leichten Abweichung nach NNO-SSW. (Munchajev, 1972, S. 4,7; Aurenche, 1986, S.73; Merpert, 1987, S.4ff.)

Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: Die Segmentierung des Siedlungsareals und die lokale Clusterbildung spricht für das Modell einzelner Gehöfte. Da die Freiflächen zwischen den Häusern offenbar für viele wirtschaftliche Tätigkeiten genutzt worden sind, über die ganze Besiedlungszeit eine Freifläche im Zentrum der Siedlung bestanden hat und mindestens für die Schicht 8 ein Gemeinschaftsbau von wahrscheinlich ritueller Bedeutung nachgewiesen ist, kann für die Schichten 12 - 8 auch eine Zwischenfrom der Modelle II und IV angenommen werden. Die Raumorganisation der Schicht 7 weist aber wieder deutlich alle Kennzeichen des Modells V auf. Schließlich halte ich eine Rekonstruktion der Gesellschaftsform im Sinne dieses Modells, wenn auch mit größerer Bedeutung des Gemeinwesens, für am wahrscheinlichsten. Kosmologisch-habituelles Prinzip: e von c

Kultureller Kontext: Schichten 12 bis 8: „Coarse ware“ und Keramik der archaischen Typen Hassuna Ia-c, Ab der Schicht 7 tritt Standard-Hassuna-Keramik auf, neben der die archaischen Formen weiter bestehen. Schicht 1 ist gekennzeichnet durch Samarrakeramik. (Munchajev, 1972, S.3, 5, 8; Merpert, 1987, S.2, 19)

mit Rudimenten

Yarim Tepe I, Anstehender Boden mit Lehmentnahmegruben und Schicht 12 (Merpert & Munchaev, 1987, S.5)

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Yarim Tepe I, Pläne der Schichten 11 und 10 (Merpert & Munchaev, 1987, S.5)

Yarim Tepe I, Pläne der Schichten 9 und 8 (Merpert & Munchaev, 1987, S.5)

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YARIM TEPE II Lage: In der nordirakischen Sinjar Ebene, westlich von Mosul. (Hermann, 1984/2, S.415; Merpert, 1987, S.1) Datierung und Stratigraphie: Der Tell besteht aus 7m starken Ablagerungen der Halafzeit. Es konnten 9 Bebauungsphasen nachgewiesen werden, von denen die obersten beiden stark durch assyrische und hellenistische Gruben und Gräber gestört sind. Unter der ersten Bebauungsschicht auf dem anstehenden Boden wurden Scherbenschleier von Hassunakeramik gefunden. Es wurden nur die Schichten 9, 6 und 5 umfassender ergraben und publiziert.

Yarim Tepe I, Baubefunde der Schicht 7 (nach Munchajev, 1972, Tafel II)

C 14-Proben „from various levels of the settlement“ (Merpert, 1987, S.35) ergeben Datierungen zwischen 4840 +/-180 und 4210 +/- 130 v. Chr. Laut Mellaart muß die Besiedlung allerdings auf vor 5000 v. Chr. datiert werden. Für diese Untersuchung soll eine Besiedlungszeit von 5000 - 4300 v. Chr. angenommen werden, die am ehesten mit den üblichen Datierungen der Kulturabfolge und den Datierungen Yarim Tepe I korrespondiert. (Munchajev, 1972, S.3; Mellaart, 1975, S.159; 1967, S.8; Merpert, 1987, S.20ff, 35) Bautechnik: „From the earliest level (9) all the structures were made of clay slabs of varying length and breadth, averaging 56 cm thick. However, mud-brick was also known to the inhabitants..., though they used it only rarely.“ (Merpert, 1987, S.20) Die vorherrschende Bautechnik scheint also Zabur oder Tauf gewesen zu sein. Schicht 9: „blocks of clay...coated with mud plaster“ (Merpert, 1987, S.21) Die Wände des größten Rundbaus waren an der Südseite sowohl von innen, als auch von außen verstärkt. Als Fundament des Gebäudes diente eine Plattform. Schicht 6: Lagenlehm, undefiniert. Schicht 5: Mehrere Strukturen, in erster Linie die Rundbauten, sind aus großen Lehmblöcken, bis zu 73 x 37 x 9 cm, die mit grauem Mörtel aneinandergefügt sind. In dieser Schicht treten das erste mal Ziegeln mit Maßen von 23 bis 25 x 14 bis 16 x 7 bis 9 cm auf, ~ Ratio von 3 : 2 : 1. Schicht 4: Lehmziegel. Die Wandstärken betrugen bis zu 70 cm (bei einem Tholos), sonst eher um die 20 cm. Die meisten, besonders die der übrigen Rundbauten überschritten fast nie 20 cm. (Munchajev, 1972, S.10-12; Mellaart, 1975, S.159; Merpert, 1987, S.20ff.)

Yarim Tepe I, Bebauunmg der Schicht 4 (Aurenche, 1986, S.73)

Bauform: „In all levels...the main form of house was a singleroom, domed tholos, 3-5m in diameter; rarely, there is evidence of a flat roof.“ (Merpert, 1987, S.20) Schicht 9: Der größte von 6 Tholoi hat einen Durchmesser von 5,3m, der kleinste (nur angeschnitten) etwa 2,5m. In der südwestlichen Ecke des Grabungsareals

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befinden sich drei schmale, z.T. mehrräumige Strukturen. Die Räume maßen max. 1 x 2m Schicht 6: Mehrere Tholoi mit Durchmessern bis zu 5,1 m, umgeben von vielen rechteckigen Strukturen mit Raumgrößen bis zu 2,3 x 1,6 m. Ein Tholos ist umbaut von einer rechtwinkligen, komplexen Struktur mit über 18 Räumen von unterschiedlicher Größe (1 x 1,5 bis 3 x 2m). Das einzige rechteckige Gebäude, das nachgewiesenermaßen als Wohnhaus diente. Schicht 5: Mehrere Tholoi mit Durchmessern von 1,7 bis zu 6,4 m. Sie sind umgeben von kleinen rechteckigen Strukturen mit Raumgrößen von höchstens 1,1 x 1,1 m. Schicht 4: Mehrere Tholoi mit Durchmessern zwischen 4,5 und 1,5 m. Schicht 3: Tholoi mit unterschiedlich kreuzförmiger Segmentierung des Innenraums, dicht umbaut von kleinzelligen rechteckigen Strukturen. (Munchajev, 1972, S.9-12; Bernbeck, 1995, S.290; Merpert, 1987, S.20ff.) Siedlungsform: Schicht 9: Dichte, aber isolierte Bauweise Schicht 6: Isolierte Bauweise mit lokal begrenzter Clusterbildung Schicht 5: Isolierte Bauweise, dennoch sehr dichte Bebauung. Tendenz zum agglutinierenden Cluster. Schicht 4: "In these Levels the construction was very dense" (Munchajev, 1972, S.9) Schicht 3: Isoliert Bauweise mit starker Tendenz zur lokalen Clusterbildung. Einzelne Tholoi, die jeweils von kleinzelligen, rechtwinkligen Agglomeraten umgeben sind. (Munchajev, 1972, S.9ff; Bernbeck, 1995, S.290; Merpert, 1987, S.21ff.)

Yarim Tepe II, Bebauung der ältesten Schicht 9 (Merpert, 1987, S.22)

Kultureller Kontext: Typisches Halaf-Material der mittleren Halaf-Zeit. Viele Übereinstimmungen mit Arpachiyah. (Munchajev, 1972, S.14; Mellaart, 1975, S.159) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Kosmologisch-habituelles Prinzip: c mit deutlicher Tendenz zu d Unter dem großen Tholos in Schicht 9 wurde eine kleine Grube mit zahlreichen unterschiedlichen Opfergaben gefunden, offenbar ein Bauopfer. (Merpert, 1987, S.23, 25).

Yarim Tepe II, Bebauung der Schicht 6 (Munchajev, 1973, Tafel IX)

203

YUNUS Lage: Türkei, bei Karkemisch und dem heutigen Djerablus an der syrisch-türkischen Grenze. (Mellaart, 1975, S.160) Datierung und Stratigraphie: Eine Besiedlungsphase mit mehreren Bauschichten aus der Halafzeit ergraben. Ab 5000 v. Chr. (Mellaart, 1975, S.160) Bautechnik: Lehmziegel. (Mallowan, 1967/2, S.7) Bauform: Rundbauten mit und ohne vorgesetzte, rechteckige Kammer. Die Rundbauten haben Durchmesser von 2 bis 5,5 m, die meisten jedoch zwischen 4 und 5m. In der ersten Besiedlungsphase sind einem Tholos runde Bauten angefügt worden. In einer späten Phase treten lineare Strukturen auf, die weder einem Tholos zugewiesen werden können, noch ausreichen, um ein rechteckiges Gebäude zu rekonstruieren. (Mellaart, 1975, S.160) Siedlungsform: Isolierte Bauweise. Alle Gebäude haben eine annähernd gleiche Ausrichtung entlang einer SW-NO-Achse (Mellaart, 1975, S.160)

Yarim Tepe II, Bebauung der Schicht 5 (Munchajev, 1973, Tafel IX)

Kultureller Kontext: Ausschließlich hochwertige Halaf-Ware. Keinerlei Obed-Keramik im Befund. (Mallowan, 1967/2, S.7) Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: II Kosmologisch-habituelles Prinzip: c mit Übergang zu d

Yarim Tepe II, Bebauung der Schicht 3 (Bernbeck, 1995, S.290) Yunus, übereinanderliegende Gebäudegrundrisse der verschiedenen Bauphasen (Mellaart, 1975, S.160)

204

ZAGHE

meist aus einem überdachten Teil und einem offenen Hof an der Seite des Gebäudes. Möglicherweise zweigeschossig. Die größten Räume haben vielleicht 10 qm Grundfläche, die meisten sind kleiner. (Shahmirzadi, 1979, S.186, 187)

Lage: Iran, 140 km West-Nord-West von Teheran, 60 km südlich von Qazuin. (Shahmirzadi, 1979, S.183)

Siedlungsform: Addierendes Cluster mit schmalen Gassen und offenbar größeren Freiflächen, die von der Bebauung z.T. eingerahmt werden. Alle Gebäude der Siedlung sind ungefähr entlang einer NO-SW-Achse ausgerichtet, die im Westbereich leicht nach N-S kippt. (Shahmirzadi, 1979, S.183, 186)

Datierung und Stratigraphie: Von 12 Besiedlungsschichten wurde nur Schicht II, die jüngste noch erhaltene, vollständig ergraben. Sie stammt aus dem späten 6. Jahrtausend v. Chr. (Shahmirzadi, 1979, S.183) Bautechnik: Die tragenden Wände sind aus extrem großen Lehmziegeln errichtet, deren durchschnittlichen Maße bei 60 x 25 x 12 (~ Ratio von 4 : 2 : 1) liegen. Die größten haben Ausmaße von 87 x 27 x 12 cm (~ Ratio von 7 : 2 : 1). Die Oberflächen der Ziegel sind mit den Fingern profiliert worden. Die Innenwände sind laut Ausgräber oft aus "Chineh" errichtet, angesichts ihrer z.T. sehr geringen Dicke wird es sich wohl eher um Tauf handeln. Die Wandstärken schwankten zwischen 15 und 35 cm. In vielen Fällen sind zwei Mauern innerhalb eines Hauses direkt nebeneinander gesetzt. (Shahmirzadi, 1979, S.184, 185)

Kultureller Kontext: unbestimmt Sozioökonomische Raumorganisationsmodell: IV Die geringe Größe der Innenräume und der in die Baustruktur integrierten Freiflächen, sowie die großen Freiflächen in der Siedlung, sprechen für eine Verlegung vieler ökonomischer und sozialer Tätigkeiten in den öffentlichen Raum, was dem Typus IV entspricht. Gegen eine Organisation nach Typ V oder VI spricht auch die Art des Clusters. In vielen Fällen werden Mauern geteilt und die einzelnen Häuser sind nicht deutlich voneinander abzugrenzen.

Bauform: Rechteckige, mehrräumige Bauweise. Die Umrisse der einzelnen Wohneinheiten sind nicht immer klar zu erkennen. Der Ausgräber glaubt Hausgrößen von 3 x 3 m bis zu 7 x 13 m unterscheiden zu können. Sie bestehen

Kosmologisch-habituelles Prinzip: e

Zaghe Bebauung der Schicht II (Shahmirzadi, 1979, S.186) 205

V. Quantitative Untersuchung der Zusammenhänge von Architektur, Raum und Kultur NotaBene: Die Karten zeigen aus technischen Gründen nicht die exakten geographischen Positionen der Fundorte sondern nur deren ungefähre Lage. Im weiteren wird außerdem weitgehend auf Literatur- angaben verzichtet. Alle entsprechenden Informationen und Verweise sind, sofern nicht angegeben, dem Fundortkatalog und den vorangegangenen Kapiteln zu entnehmen.

V.1. Die zeitliche und räumliche Verbreitung der formalen architektonischen Aspekte: Bautechnik, Haus- und Siedlungsformen im Neolithikum sowie deren Wechselwirkungen

Die Architektur vor 8000 v. Chr.

Karte 2: Bautechniken und -formen vor 8000 v. Chr.

206

Abu Hureira 1 A-C: Vegetabile Konstruktion mit Lehmbeschlag, runde Bauform, Cluster Ain Malaha: Unbestimmte Bautechnik, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Cayönü Round Building S.ph.: Vegetabile Konstruktion mit Lehmbeschlag, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Jericho, Natufium: Vegetabile Konstruktion mit Lehmbeschlag, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Jericho PPN A: Handgeformte Ziegel, runder Bienenkorbbau, isolierte Siedlungsweise Muraibit Phase 1 : Vegetabile Konstruktion mit Lehmbeschlag, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Muraibit Phase 2 : Unbestimmte Bauweise, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Nemrik 9: Geschütteter Lagenlehm/Tauf, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Netiv Hagdud: Handgeformte Ziegel, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Quermez Dereh: Geschütteter Lagenlehm/Tauf, amorphe Bauform, isolierte Siedlungsweise

Hureira bildet mit seiner Raumagglomeration dabei eine Ausnahme. Gegen Ende des 9. Jahrtausend entstehen drei neue Bauvarianten: Am Oberlauf des Tigris, in Nemrik 9 und Quermez Dereh, verbreitet sich der Tauf als reine Lehmtechnik. In Jericho und Netiv Hagdud im Jordantal werden die Rundbauten hingegen mit Ziegeln errichtet. Im Gegensatz zu dem geschütteten Lagenlehm ermöglicht die Bauweise mit Lehmziegeln die in Jericho übliche Bienenkorbbauweise. Es ist durchaus denkbar, daß der Baustoff Stein, der in der Levante an vielen anderen Fundorten des 9. Jahrtausend wie z.B. in Basta, Beidha oder Nahal Oren, verwendet wurde, die Verwendung von luftgetrockneten Lehmziegeln angeregt hat. Ein solcher Einfluß würde erklären, wie die Lehmziegelbauweise, die bereits in mehrere Arbeitsschritte unterteilt ist, ohne die simpleren Vorstufen des gepackten Lagenlehms und der Protoziegelbauweise entstehen konnte. Am mittleren Tigris im Bereich von Nemrik und Quermez Dereh wurde zu keiner Zeit mit Steinziegeln gebaut, eine Anregung von dieser Seite mußte also entsprechend ausbleiben.

Die Geschichte der Lehmarchitektur beginnt im ganzen Nahen Osten mit dem Rundbau, der zunächst aus einer vegetabilen Konstruktion besteht, die mit Lehmbeschlag abgedichtet und stabilisiert wird. Die zunächst sehr kleinen Siedlungen waren dicht, aber isoliert bebaut. Abu

207

Die Architektur im 8. Jahrtausend v. Chr.

Karte 3 Bautechniken und -formen im 8. Jahrtausend Abu Hureira 2: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Ali Kosh: Gepackter Lagenlehm (Zabur), eckig- mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsform Cayönü Round Building S.ph.: Vegetabile Konstruktion mit Lehmbeschlag, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Cayönü Grill Bulding & Channeled Building S.ph.: Vegetabile Bauweise mit Lehmbeschlag, eckig- mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Ganj Dareh E - D: Ziegel, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Ganj Dareh C - A: Zigarrenförmige und planokonvexe Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, Cluster Hacilar, akeramisch: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Jericho: Handgeformte Ziegel, runder Bienenkorbbau, isolierte Bauweise Munhata: Ziegel, eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise Muraibit: Lagenlehm, runde Bauform, ab ca. 7600 v. Chr. eckige Holzbauweise, isolierte Siedlungsweise Nemrik 9: Handgeformte Ziegel und Lagenlehm (evtl. Pisé?), Rundbauten, isolierte Siedlungsweise Netiv Hagdud: Handgeformte Ziegel, Rundbauten, isolierte Siedlungsweise

aufgegeben werden. Am mittleren Euphrat in Muraibit wird die runde, segmentierte Bauweise in Kombination mit Lagenlehm bis ca. 7600 v. Chr. weitergeführt - parallel dazu entstehen eckige, kleinzellige Strukturen - bis sie schließlich von einer eckigen Holzbauweise abgelöst wird. Am nordirakischen mittleren Tigris, wo im 9. Jahrtausends nur mit Lagenlehm gebaut wurde, treten in der zweiten Hälfte des 8. Jahrtausend ebenfalls Rund- bauten aus Lehmziegeln auf (Nemrik 9), genau wie im Zagrosgebirge (Ganj Dareh). In Nemrik 9 wird die Ziegelbauweise durch Lagenlehm, möglicherweise sogar echten Stampflehm ergänzt. In Cayönü, noch etwas weiter nördlich, lösen rechtwinklige Steinstrukturen, die wahrscheinlich mit großen, ovalen Schilf-Lehm-Dächern überwölbt waren, die eingetieften Rundhütten ab. In Ganj Dareh ersetzen kleinzellige, eckige Bauten gegen Ende des 8. Jahrtausends die runde Bauweise. Die eckigen einräumigen Bauten im weiter südlich gelegenen Ali Kosh werden hingegen nicht mit mehr Ziegeln, sondern mit gepacktem Lagenlehm gebaut. Auch im Westen hat sich die eckige Lehmziegel in der zweiten Hälfte des 8. Jahrtausend weitgehend durchgesetzt. In Munhata sind die Häuser wie in den vorangegangenen PPN A-Siedlungen einräumig, in Abu Hureira sind die Gebäude, wie schon die Rundbauten von Muraibit, mehrräumig, ebenso wie die Bauten in der kleinen türkischen Siedlung Hacilar zu Beginn des 7. Jahrtausends. In allen Siedlungen des 8. Jahrtausends werden die Häuser isoliert voneinander gebaut. Die einzige Ausnahme

Die levantinische Tradition der Rundbauten aus Lehmziegeln bleibt in Jericho und Netiv Hagdud auch im frühen 8. Jahrtausend erhalten, bis beide Besiedlungen 208

bildet Ganj Dareh Tepe, wo möglicherweise bereits zu der Zeit der runden Bauweise eine starke Tendenz zur Clusterbildung vorhanden war.

zeigt, durchaus begünstigen. Die Entstehung des eckigen Grundrisses läßt sich also weder auf die Bautechnik, noch auf die Siedlungsform zurückführen, genauso wenig wie sich das Verschwinden der runden Bauform im Laufe des 8. Jahrtausends durch einen dieser Aspekte begründen läßt.

Aus diesen Befunden ist zu folgern, daß die Entwicklung der eckigen Bauform und der Ziegelbauweise in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen. Ebenso wenig ist die oft bemühte Clusterbildung allein verantwortlich für die Entstehung der linearen Bauform; sie kann ihre Herausbildung aber, wie das Beispiel Ganj Dareh Tepes

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Die Architektur im 7. Jahrtausend v. Chr.

Karte 4 Bautechniken und- formen in der ersten Hälfte des 7. Jahrtausends

Karte 5 Bautechniken und -formen in der 2. Hälfte des 7. Jahrtausends

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Karte 6 Komplexität der Wohnbauten im 7. Jahrtausend v. Chr.

Karte 7

Die Siedlungsformen im 7. Jahrtausend

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Abu Hureira: Formziegel, eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise Ali Kosh, Bus Mordeh-Phase: Gepackter Lagenlehm, eckig-einräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Ali Kosh, Ali Kosh-Phase: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, dichte, aber isolierte Siedlungsweise Bouqras: Ziegel, eckig-mehrräumige Häuser mit integriertem Hof, mehrstöckig, isolierte Siedlungsweise Can Hassan: Gepackter Lagenlehm, vereinzelt Ziegel, eckig-einräumige Bauweise, akkumulierendes Cluster Catal Hüyük: Formziegel, eckig-einräumige Bauweise, akkumulierendes Cluster Cayönü Cobblepaved S.ph.: Zabur, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Cayönü Cellplan S.ph.: Handgeformte Lehmziegl. eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Cayönü Large Room S.ph.: Handgeformte (?) Lehmziegel, eckig-einräumige (?) Bauform, isolierte Siedlungsweise Hacilar, akeramisch: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Jarmo: Geschütteter Lagenlehm/Tauf, eckig- mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Jericho: Handgeformte Lehmziegel, eckig-mehrräumig, Cluster Munhata: Handgeformte Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Muraibit: Holzbauweise mit Lehmbeschlag, eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise Nemrik 9: Rundbauten aus handgeformten Ziegel werden von eckigen Lagenlehmbauten abgelöst, isolierte Bauweise Ramad Ia: Lagenlehm, runde Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Ramad Ib: Ziegel, eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise Ramad II: Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Ras Shamra: Ziegel, eckig-einräumig, isolierte Siedlungsweise Tell Sabi Abyad 2: Lagenlehm und handgeformte Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Bauweise Tepe Guran V - Q: Holzbauweise, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Tepe Guran P - O: Holzbauweise und Lehmziegel parallel, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Tepe Guran N - A: Lehmziegel, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Umm Dabaghiyah IV: Gepackter und geschütteter Lagenlehm/Zabur und Tauf, runde und eckig- mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Umm Dabaghiyah III: Gepackter Lagenlehm, eckigmehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise mit Tendenz zur lokalen Clusterbildung Umm Dabaghiyah II - I: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, Cluster

hende Cluster auf. Eine absolute Ausnahme- erscheinung bildet Munhata, wo zu Beginn des 7. Jahrtausends erneut Rundbauten neben den eckigen Häusern auftauchen, die z.T. sehr groß und stark segmentiert sind. An den Oberläufen von Euphrat und Tigris nordwestlich des Khabur sind die einzelnen Häuser im allgemeinen größer und komplexer. Neben der Ziegelbauweise wird in Einzelfällen auch mit Holz gebaut (Muraibit), und auch die Lagenlehmbauweise findet, wie in Tell Sabi Abyad 2, parallel zu den Ziegeln Verwendung. Zwar werden in Sabi Abyad 2 und Abu Hureira die Häuser ebenfalls sehr dicht aneinander gebaut, eine tatsächliche Clusterbildung wie in Jericho oder Catal Hüyük findet allerdings nicht statt. Weiter östlich am Tigris in Nemrik 9 wird die Ziegelbauweise wieder aufgegeben. Die runden Ziegelbauten werden nun endgültig abgelöst von eckigen Häusern aus Lagenlehm. Die Parallelität des Wandels von Bauform und Bautechnik spricht dafür, daß es sich bei der nun bevorzugten Lagenlehmbauweise tatsächlich um echten Pisé, also Stampflehm, handelt, der weitaus belastbarer ist als Lehmziegel, und nur linear verbaut werden kann. In den Bergtälern des Zagros halten sich verschiedene Bautechniken. In Jarmo werden, wie im südlicheren Ali Kosh, die eckigen Häuser mit Lagenlehm gebaut. In Ali Kosh vollzieht sich allerdings zur Mitte des 7. Jahrtausends ein Wandel von dem gepackten Lagenlehm zur Ziegelbauweise, gleichzeitig werden die Hausgrundrisse komplexer. In Tepe Guran hingegen wird bis zu dieser Zeit mit Holz und vegetabilem Material gebaut, das mit Lehm abgedichtet wird. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausends dominieren im ganzen Nahen Osten eckige Bauweise und Lehmziegel. Im levantinisch-anatolischen Raum sind die Häuser nach wie vor wenig komplex und haben meist nur einen Hauptraum, in manchen Fällen auch wenige angefügte Speicherkammern wie in Catal Hüyük, Can Hassan, Ramad oder Ras Shamra. In Can Hassan wird in dieser Zeit die Ziegelbauweise jedoch nur sporadisch eingesetzt und noch beherrscht der Lagenlehm das Bild. In Can Hassan und Catal Hüyük wird weiterhin im Cluster gesiedelt. Am mittleren Euphrat nimmt die Komplexität der Innenräume, die auch schon die vorangegangenen 500 Jahre kennzeichnete, immer mehr zu. In Bouqras werden z.B. große, einheitlich ausgerichtete Häuser mit über 10 Zimmern gebaut. Auch die isolierte Siedlungsweise wird trotz z.T. erheblicher baulicher Dichte weiterhin beibehalten und eine wirkliche Clusterbildung bleibt aus. Der Ziegelbauweise geht in Bouqras offenbar eine kurze Phase voran, in der noch mit Lagenlehm gebaut wurde. Auffällig ist auch eine weitgehende formale Übereinstimmung der Grundrisse einiger Häuser von Tell Sabi Abyad 2 und den Grundrissen des Südwestviertels von Bouqras sowie denen in Cayönü. In beiden Fundorten treten Häuser mit drei parallelen Zimmerfluchten auf, die z.T. eigene Eingänge haben. Ganz ähnliche Grundrisse finden sich auch in Cayönü, wo die mehrräumige Bauweise jedoch gegen Ende des 7. Jts. möglicherweise zugunsten großer, hallenartiger Einraumhäuser aufgegeben wird.

In der ersten Hälfte des 7. Jahrtausends herrscht die eckige Lehmziegelbauweise im anatolischen und levantinischen Bereich vor. Die Häuser sind einräumig oder haben neben einem Hauptraum nur wenige untergeordnete Nebenzimmer, wie in Jericho oder Catal Hüyük. In diesen beiden Siedlungen treten auch erstmals richtigge-

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Auch im Zagrosgebirge werden mehrräumige Häuser gebaut. In Tepe Guran wird die Holzbauweise zugunsten der Lehmziegel aufgegeben, in Ali Kosh werden der gepackte Lagenlehm und die Protoziegelbau vom regulären Lehmziegelbau abgelöst. Weiter im Norden in Jarmo wird hingegen an der Taufbautechnik fest- gehalten. Die Bautraditionen im Zagrosgebirge scheinen sich ab der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausend eigen- ständig und isoliert zu entwickeln und bilden keine einheitliche Gruppe. Ihnen sind zwar die Mehrräumigkeit und die eckige Bauweise gemein, die Entwicklungslinien der unterschiedlichen Bautechniken lassen aber keine Rekonstruktion einer gemeinsamen technischen Tradition zu. Auch in Umm Dabaghiyah, in der nordöstlichen Jazirah, wird wieder mit Lagenlehm gebaut. Die Hütten der ersten beiden Bauphasen der ältesten Schicht sind noch rund und bestehen möglicherweise aus handgeformten Ziegeln oder Protoziegeln, anschließend werden aber nur noch mehrräumige, eckige Wohn- und Speicherbauten von z.T. hoher Komplexität und mit der Tendenz zur Clusterbildung in Lagenlehm errichtet. Auf runde „Gründungsbauten“, ähnlich denen in Umm Dabaghiyah und Cayönü, stoßen wir auch im westsyrischen Ramad. Hier wurden in Subphase IA zunächst eingetiefte Rundhütten gebaut, die in Subphase IB von linearen Ziegelstrukturen überbaut wurden. Im 7. Jahrtausend fällt auf, daß sich die Hausformen in der Levante und Anatolien einerseits und die am mittleren Euphrat und oberen Tigris andererseits noch klarer voneinander unterscheiden. Besonders markant ist die

deutlich verschiedene Komplexität der Innenräume, die in der Jazirah mitunter stark segmentiert sind. Zudem bildet sich eine ebenfalls deutliche und eigenständige Siedlungsform in Anatolien heraus, die diese Region wiederum vor der Levante auszeichnet: das akkumulierende Cluster aus einräumigen Rechteck- häusern. Im Vergleich zwischen Anatolien und Mesopotamien läßt sich möglicherweise die Entwicklung zweier verschiedener Raumkonzepte erkennen: einerseits das dichte Cluster aus geringfügig segmentierten Wohneinheiten, andererseits die isoliert stehende, komplexe Wohneinheit. Beide Konzepte erzielen auf verschiedenem Wege eine hohe Dichte von Bausubstanz und Raum. Funktional erzielen beide damit den Effekt einer gegenseitigen Beschattung der Räume und eine ausgeprägte Kapazität die Schwankungen der Temperaturamplitude durch wärmespeichernde Mauer- masse zu regulieren, trotz einer grundsätzlich anderen Herangehensweise an die Raumorganisation. Ein weiterer Zusammenhang von Bautechnik und Bauoder Siedlungsform, der sich aus der Entwicklung im 7. Jahrtausend ablesen läßt, ist eine Korrespondenz zwischen Siedlungsgröße und Bautechnik. Die Siedlungen, in denen noch mit ungeschaltem Lagenlehm gebaut wird, sind alle relativ klein, wie Umm Dabaghiyah, Jarmo und Ali Kosh (dort bis ca. 6750 v. Chr.). Die einzige große Siedlung, in der Lehmziegel noch nicht durchgehend verbaut werden, ist Can Hassan, doch auch dort setzt sich die Ziegelbauweise schließlich durch.

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Die Architektur im 6. Jahrtausend v. Chr.

Karte 8 Bautechniken der 1. Hälfte des 6. Jts

Karte 9 Bauformen der 1. Hälfte des 6. Jts.

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Karte 10 Grundrißkomplexität in der 1. Hälfte des 6. Jts.

Karte 11 Bautechniken in der 2. Hälfte des 6. Jahrtausend

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Karte 12 Bauformen in der 2. Hälfte des 6. Jahrtausend

Karte 13 Grundrißkomplexität in der 2. Hälfte des 6. Jahrtausend

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Karte 14 Siedlungsformen im 6. Jahrtausend

Abu Hureira: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Ali Kosh: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, mehrgeschossig, unbestimmte Siedlungsform Arpachiyah, unterhalb TT10: Unbestimmte Bautechnik, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsform Arpachiyah TT10-9: Unbestimmte Bautechnik, runde Bauform, mögl. Bienenkorbbau, isolierte Siedlungsweise Arpachiyah TT8: Gepackter Lagenlehm, Ziegel, Bienenkorbbauten mit eckigen Vorräumen, isolierte Siedlungsweise Bouqras: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, z.T. mehrgeschossig und mit Hof, isolierte Siedlungsweise Can Hassan: Ziegel lösen Lagenlehm ab, eckige einund mehrräumige Bauform, Innenraumkomlexität nimmt zu, akkumulierendes Cluster Catal Hüyük: Formziegel, eckig-einräumige Bauform, akkumulierendes Cluster Chagar Bazar: Lagenlehm, später Lagenlehm und Ziegeln, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Choga Mami: Handgeformte Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsform Dzejtun: Gepackter Lagenlehm, handgeformte Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Eridu XVIII-XVI: Formziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Eridu XV: Handgeformte Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Hacilar IX-VII: unbestimmte Bautechnik, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsform

HacilarVI - (V): Ziegel, eckig-einräumige Bauform, akkumulierendes Cluster Hacilar (IV) - II: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, addierendes Cluster innerhalb Wehrgehöft Hacilar I: Ziegel, eckig-mehrräumig, geschlossene Festung mit großem Innenhof Hajji Firuz: Lagenlehm, handgeformte Ziegel, eckigeinräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Hassuna: Lagenlehm, eckig-mehrräumige Bauform, addierendes Cluster Jarmo: Geschütteter Lagenlehm/Tauf, eckig- mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Jericho: Lagenlehm, runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Khirokitia: Lagenlehm, Ziegel, runde, mehrgeschossige Bauform, z.T. Bienenkorbbau, isolierte Siedlungsweise Matarrah: Lagenlehm/Tauf, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise mit zunehmender Verdichtung Munhata: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmt Siedlungsweise Ramad: Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Ras Shamra: Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tell es-Sawwan I-II: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte, anfänglich umfriedete Siedlungs- weise Tell es-Sawwan III: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise, später Clusterbildung Tell Kurdu Amuq C: Lagenlehm, Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise

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Tell Kurdu Amuq E: Lagenlehm/Tauf, eckige ein- und mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tell Sabi Abyad 6-4: Lagenlehm, runde Bienen- korbbauten und eckig-mehrräumige Strukturen, addierendes Cluster Tell Sabi Abyad 3-1: Lagenlehm, Ziegel, runde Bienenkorbbauten, eckig-mehrräumige Bauform, Gehöft (?) Tepe Guran: Ziegel, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Tepe Sabz: Unbestimmte Bautechnik, eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise Yarim Tepe I 12: Gepackter Lagenlehm, eckig-einräumige und runde Bauform, isolierte Siedlungsweise Yarim Tepe I 11-8: Gepackter Lagenlehm, runde und eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Yarim Tepe I 7: Gepackter Lagenlehm, eckig- mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Yarim Tepe I 6: Ziegel, runde und eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Yarim Tepe I 5-2: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Zaghe: Lagenlehm/Tauf, Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, addierendes Cluster

und Choga Mami, auch wenn Matarrah rein technisch betrachtet dem nördlichen Mesopotamien zuzuordnen wäre. Im levantinisch-anatolischen Bereich werden weiterhin nicht oder kaum segmentierte, eckige Häuser aus Lehmziegeln errichtet, wobei erneut nur die Neubesiedlung Jerichos eine Ausnahme macht. Die akkumulierende Clusterbauweise bleibt ebenfalls ein auf Anatolien beschränktes Phänomen. Einzig in Hassuna entsteht durch addierende Bauweise eine clusterähnliche Struktur, die jedoch nicht mit den geschlossenen Hauslandschaften von Catal Hüyük oder Can Hassan zu vergleichen ist. In allen anderen Bereichen werden die Häuser nach wie vor isoliert voneinander gebaut, wenn auch mitunter in einem sehr dichten Siedlungsverband. Nachdem in der ersten Hälfte des 6. Jahrtausends in Nordmesopotamien nur mit Lagenlehm gebaut wurde, setzt sich im Laufe der zweiten Hälfte die Ziegelbauweise wieder stärker durch. In Yarim Tepe 1 vollzieht sich um 5350 v. Chr. eine völliger Übergang vom Lagenlehm zum Ziegel. In Chagar Bazar, Tell Sabi Abyad und Arpachiyah werden ab etwa 5200 - 5100 v. Chr. Ziegel parallel zum Lagenlehm verwendet, in den letztgenannten Fundorten vor allem zum Bau von Bienenkorbbauten. Lediglich in Hassuna kann sich der reine Lagenlehmbau offenbar erhalten. Im weiter nordöstlich gelegenen Hajji Firuz Tepe vollzieht sich in diesem Zeitraum möglicherweise ebenfalls ein Übergang vom Lagenlehm zur Ziegelbauweise, eine Fehlinterpretation der Befunde ist jedoch nicht ausgeschlossen (s.o.). Am mittleren Tigris und in Südmesopotamien wird weiterhin mit Ziegeln gebaut, ebenso wie in Anatolien und den meisten Orten in der Levante. Die Ausnahmen bilden Jericho und Hamath, in denen mit reinem Lagenlehm gebaut wird. In Tell Kurdu in der Amuq-Ebene werden Ziegel- und Schichtlehmbauweise parallel verwendet und sogar in Mauergefügen miteinander kombiniert. Im iranischen Zaghe werden verschiedene Gebäudeteile in verschiedenen Techniken ausgeführt, wobei die Grundstruktur und die tragenden Elemente der Häuser aus Ziegeln bestehen. Im südlichen Turkmenistan wird gegen Ende des 6. Jahrtausends die Lagenlehmtechnik in zunehmendem Maße durch den Ziegelbau ergänzt.

In der ersten Hälfte des 6. Jahrtausends erlebt die Lagenlehmbauweise im Nordirak und in Nordsyrien sowie im Ostirak nördlich des Diyala eine Renaissance. In allen anderen Gebieten des Vorderen Orients wird mit Ziegeln gebaut. In Can Hassan setzt sich die Ziegelbauweise, die noch zu Beginn des 6. Jahrtausends parallel zum Lagenlehm benutzt wurde, endgültig durch. Die gleichzeitige Verwendung beider Techniken wird sonst nur in geographisch isolierten Bereichen wie Zypern oder Turkmenistan praktiziert. Der einzige Fundort, der aus diesem Muster ausschert, ist Jericho, das eine Neubesiedlung erlebt. Auch die Hausformen in Nordmesopotamien heben sich von den anderen Regionen ab. In Arpachiyah, Hassuna und Yarim Tepe 1 treten neben den mehrräumigen rechteckigen Bauten auch einräumige Rundbauten auf, die untersten 5 Schichten von Tell Sabi Abyad bestehen sogar ausschließlich aus einräumigen Rundbauten. Die einzigen Gebiete, in denen ebenfalls Rundbauten auftreten, sind wiederum Jericho und Khirokitia auf Zypern. Das erneute Auftreten von runder Bauweise beschränkt sich jedoch auf das nördliche Mesopotamien und tritt nicht, wie die Lagenlehmbauweise, südöstlich von Diyala und Tigris auf.

Ähnlich wie der Lagenlehm wird auch die runde Bauweise in der nördlichen Jazirah in der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends langsam von der eckigen Bauweise zurückgedrängt. In Hassuna verschwindet sie ganz, in Yarim Tepe tritt sie nur noch sehr sporadisch auf, und in Tell Sabi Abyad dominieren, wie schon in dem Zeitabschnitt davor, große rechteckige Komplexe. Nur in Arpachiyah kann sich die runde Bauform weitgehend behaupten. Erst ab ca. 5100 v. Chr. werden die Tholoi durch eckige Anbauten und Nebengebäude ergänzt. Der einzige weitere Fundort, an dem sich die runde Bauweise in reiner Form erhält, ist Jericho. Das Bauen mit komplexeren Innenräumen kann sich in diesem Zeitabschnitt nun auch im nördlichen Mesopotamien erneut, und in einigen Regionen der Levante und

Die Innenräume der Häuser werden, wie schon im vorangegangenen Jahrtausend, nur am Oberlauf des Euphrat und entlang des Mittellaufs des Tigris segmentiert. In der nördlichen Jazirah werden, wie z.B. in Tell Sabi Abyad, Arpachiyah und anfänglich in Yarim Tepe 1 wieder weniger komplexe und einräumige Häuser errichtet. Die Bautechnik, die Hausform und die Komplexität des Innenraums weisen einerseits auf eine Trennung der Bautraditionen nördlich und südlich des mittleren Euphrats hin, die vorher übereinstimmend waren, ebenfalls scheint sich zwischen dem mittleren Tigris und dem Zagros eine übereinstimmende Bautradition herauszubilden, die sich von der Entwicklung in Nordmesopotamien loslöst. Zu ihr gehören Matarrah, Tell es-Sawwan

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Anatolien erstmals durchsetzen. In Can Hassan, Tell Kurdu und Hacilar werden die Häuser zwar nicht so stark segmentiert wie z.B. im Bereich des mittleren Tigris, einräumige Bauten werden aber immer seltener, in Hamath und Munhata fehlen sie ganz. In der Levante bilden Ras Shamra und erneut Jericho die Ausnahmen. Garnicht oder nur wenig segmentierte Häuser treten zum Ende des 6. Jahrtausends sonst nur noch an den Randlagen des untersuchten Gebiets auf: im südmesopotamischen Eridu, in Hajji Firuz Tepe am Urmiasee und in Cagylly Tepe in Turkmenistan. Die vorsätzliche Clusterbauweise ist gegen Ende des 6. Jts nach wie vor in Anatolien üblich, tritt nun aber auch im Iran in Zaghe und in Turkmenistan in Cagylly Tepe auf. In Tell es-Sawwan und Hassuna am Tigris und Sabi Abyad zwischen Balikh und Khabur entstehen in dieser Zeit zwar ebenfalls Cluster, aber nicht als primäres Siedlungsmuster, sondern durch eine Bebauung der Freiflächen mit addierenden Raumagglomeraten, die an die bestehenden Strukturen angefügt werden. In Sabi Abyad und Hassuna gehen der Clusterbildung allerdings bereits komplexe, stark segmentierte Gebäude voraus, die offensichtlich von verschiedenen Haushalten genutzt wurden. Anhand der Verbreitungen der verschiedenen formalen Aspekte lassen sich für das 6. Jahrtausend vor allem zwei Schlüsse über die Wechselwirkungen zwischen ihnen ziehen. Die eine Signifikanz besteht offenbar darin, daß der Trend zu komplexerer Bauweise, die Clusterbildung und der Wechsel von der Lagenlehmbauweise

zur Ziegelbauweise miteinander korrespondieren. Der Zusammenhang zwischen Cluster und Ziegelbauweise kann durchaus durch die räumlichen und hygienische Gegebenheiten in einer extrem dichten Siedlung bedingt sein. Es ist weitaus zweckmäßiger, die Aufbereitung des Baustoffs, die mit großem Wassereinsatz verbunden ist, nicht im Zentrum einers Clusters unter beengten Bedingungen durchzuführen, sondern die außerhalb vorgefertigten Bauelemente in die Siedlung zu transportieren (siehe dazu auch Piesbergen, 2000, S.246). Die zweite Signifikanz besteht darin, daß sich im Rahmen einer Verdichtung und Differenzierung des Siedlungsraumes in diesem Jahrtausend die Konzepte des Clusters aus schwach segmentierten Gebäuden, wie in Anatolien, Iran und Turkmenistan, und die Siedlung aus isoliert gebauten, komplexen Gebäuden, wie im mesopotamischen Bereich, weitaus deutlicher gegen- überstehen als noch im 7. Jahrtausend. Im 6. Jahrtausend zeichnen sich einzelne Provinzen mit unterschiedlicher Bautradition ab. Die nördliche Jazirah und die Gebiete südlich vom Oberlauf des Euphrats haben sich voneinander gelöst, genau wie die Siedlungen am mittleren Tigris. Die nördliche Levante und Anatolien scheinen ebenfalls jeweils eigene, annähernd kohärente Bautraditionen und Siedlungsmuster zu haben.

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Die Architektur im 5. Jahrtausend v. Chr.

Karte 15 Die Bautechniken in der 1. Hälfte des 5. Jahrtausend

Karte 16 Die Bauformen in der 1. Hälfte des 5. Jahrtausend

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Karte 17 Siedlungsformen in der 1. Hälfte des 5. Jahrtausends

Karte 18

Komplexität der Grundrißgestaltung in der 1. Hälfte des 5. Jahrtausends

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Karte 19 Bautechniken in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends

Karte 20 Bauformen in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends

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Karte 21 Innenraumkomplexität in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends

Karte 22 Siedlungsformen in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends

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Arpachiyah TT8-7: Ziegel, gepackter Lagenlehm/Zabur, runde Bienenkorbbauten, eckige Anbauten, isolierte Siedlungsweise Arpachiyah TT 6 - 3: Ziegel, gepackter Lagenlehm/ Zabur, eckig-mehrräumige Bauform, mögl. Gehöft Arpachiyah TT 2-1: Ziegel, eckig mehrräumige Bauform, mögl. Gehöft Cagylly Tepe: Ziegel, gepackter Lagenlehm/Protoziegel, eckig-einräumige Bauform, akkumulierendes Cluster Can Hassan: Ziegel, eckig-mehrräumige, mehr- geschossige Bauform, akkumulierendes Cluster Chagar Bazar 12-10: Ziegel, Lagenlehm, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Chagar Bazar 9: unbestimmte Bautechnik, runde Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Chagar Bazar 8-6: Ziegel, Lagenlehm, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Eridu XIV-XII: Ziegel, eckig-einräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Eridu XI-IX: Formziegel, vegetabile Bauweise mit Lehmbeschlag, runde und eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Eridu VIII - VI: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Hamath L: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, addierendes Cluster Hamath K: Ziegel, runde und eckig-mehrräumige Bauform, addierendes Cluster Hamath J: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, addierendes Cluster Hassuna VI-XI: Lagenlehm, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsform Hassuna XII-XV: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsform Jericho: Handgeformte Ziegel, eckige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Monzukly Tepe: Formziegel, eckig-einräumige und mehrräumige Bauform, akkumulierendes Cluster mit addierender Überbauung von Freiflächen Munhata: Unbestimmte Bautechnik, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Tell el`Oueili: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tell es-Sawwan III: Ziegel, eckig mehrräumige Hofhäuser, mögl. mehrgeschossig, isolierte, einge- friedete Siedlungsweise, Freiflächen werden in IIIB durch addierende Clusterbildung überbaut Tell es-Sawwan IV: Ziegel, eckig-mehrräumige Hofhäuser, isolierte Siedlungsweise Tell es-Sawwan V: Ziegel, eckig-mehrräumige Hofhäuser, später ein runder Bienenkorbbau, unbestimmte Siedlungsweise Tell Kurdu, frühes Amuq E: Lagenlehm/Tauf, einräumige oder geringfügig segmentierte eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tell Kurdu,Amuq E: Ziegel, Lagenlehm/Tauf, einräumige oder geringfügig segmentierte eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tell Mefesh: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tell Rashid: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tepe Farukhabad: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise

Tepe GauraXX: Ziegel, runde Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Tepe Gaura XIX-XVII: Ziegel, runde und eckig-mehrräumige Bauform, Cluster mit Freiflächen um die Gemeinschaftsbauten Tepe Gaura XVI-XII: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, Cluster mit Freiflächen um die Gemein- schaftsbauten Tepe Sabz: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, mögl. mehrgeschossig, isolierte Siedlungsweise Tepe Siyalk I: Lagenlehm, eckige Bauform, Cluster Tepe Siyalk II: Handgeformte Ziegel, Lagenlehm, Cluster Yarim Tepe II 9: Gepackter Lagenlehm/Zabur, Ziegel, runde Bienenkorbbauten, isolierte Siedlungsweise Yarim Tepe II 6: Lagenlehm, runde und eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Yarim Tepe II 5-3: Lagenlehm, Ziegel, runde Bauform mit eckigen kleinzelligen Anbauten und Neben- gebäuden, isolierte Siedlungsweise Yunus: Ziegel, runde und eckige Bauform, isolierte Siedlungsweise In der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends setzt sich der Trend der bautechnischen Entwicklung aus dem 6. Jahrtausend fort. Die Lehmziegelbauweise drängt die Lagenlehmbauweise im gesamten Forschungsgebiet zurück. In der Levante wird nun auch in Jericho und Hamath, in denen in der vorangegangenen Phase nur mit Feuchtlehm gebaut wurde, ausschließlich mit luftgetrockneten Lehmziegeln gebaut. Im mediterranen Bereich kann sich der Lagenlehm nur noch in Tell Kurdu behaupten, wo er parallel zur Ziegelbauweise eingesetzt wird. In der nördlichen Jazirah, wie in Yarim Tepe 2, Chagar Bazar und Arpachiyah, werden beide Bautechniken ebenfalls parallel eingesetzt, die Ziegelbauweise dominiert jedoch, vor allem beim Bau der Tholoi. Einzig in Hassuna kann sich die Ziegelbauweise immer noch nicht durchsetzen. Zwischen Tigris und dem Zagros und im südlichen Mesopotamien wird weiterhin der reine Ziegelbau tradiert. Im iranischen Tepe Siyalk, östlich des Zagros, wird, nachdem die Gründungsbauten aus leichtem vegetabilen Material aufgegeben worden sind, mit Lagenlehm weitergebaut. Es ist neben Hassuna der einzige Siedlungsplatz, an dem sich diese Bautechnik in reiner Form erhält. In Cagylly Tepe in Südturkmenistan löst die Ziegelbautechnik den Lagenlehm bereits zu Beginn des 5. Jahrtausends ab. In dem geringfügig jüngeren Fundort Monzukly Tepe, etwas weiter nordöstlich gelegen, wird bereits ausschließlich mit Formziegeln gebaut. Kennzeichnend für die Entwicklung der Bauformen in der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends ist die Renaissance der runden Bauweise. Bereits in der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends tritt sie in der nördlichen Jazirah stellenweise auf, wie z.B. in Tell Sabi Abyad am Balikh, in Yarim Tepe 1 und in Arpachiyah. Zu Beginn des 5. Jahrtausend werden die Rundbauten, die z.T. von erheblicher Größe sein können, in Yunus, Arpachiyah, Chagar Bazar, Yarim Tepe und den ältesten Schichten von Tepe Gaura zu der dominierenden Hausform. Die eckige Bauweise wird dort nur noch für sekundäre Strukturen

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benutzt. In Tepe Gaura bestimmen zwar bald die großen, komplexen Rechteckbauten das Bild, die Rundbauten bleiben aber wichtiger Bestandteil der Anlagen, die als öffentliche oder sakrale Bauwerke interpretiert werden. Gegen Ende der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends kann sich die runde Bauweise auch weiter im Süden, in Tell es-Sawwan, durchsetzen. In allen anderen Regionen des untersuchten Gebietes wird weiterhin eckig gebaut.

die dominierende Technik. Auch in der nördlichen Jazirah, in der sich die Lagenlehmbautechnik noch erhalten hat, wird sie von immer größerer Bedeutung. In Yarim Tepe 2 wird zunehmend mit Ziegeln gebaut, in Arpachiyah ersetzen gegen 4350 v. Chr. planokonvexe Ziegel den Feuchtlehmbau vollständig. Selbst in Hassuna wird die Lagenlehmtechnik, die sich hier bislang in reiner Form erhalten hatte, endgültig von der Ziegelbauweise abgelöst. Auch im iranischen Tepe Siyalk treten zunächst handgeformte Ziegel an die Stelle der Lehmlagen. Zum Ende des Jahrtausends werden sie durch Formziegel ersetzt.

Mit der Renaissance der runden Bauweise im nördlichen Mesopotamien korrespondiert auch eine Rückkehr zu einer weniger komplexen oder einräumigen Grundrissgestaltung, während sich in allen anderen Gebieten der Übergang zur mehrräumigen Bauweise in diesem Zeitabschnitt bereits vollzogen hat oder gerade stattfindet. Die schwach segmentierte Bauweise hält sich besonders ausgeprägt an den nördlichen Zuflüssen des Euphrat, wie in Yunus im Gebiet des Balikh und Chagar Bazar an den Oberläufen des Khabur. Die weiter im Südosten gelegenen Siedlungen Yarim Tepe 2 und Arpachiyah zeigen zur Mitte des 5. Jahrtausend einen starken Trend von der einräumig runden Bauweise zu komplexen rechteckigen Strukturen und sind dadurch nicht nur geographisch der komplexen Bautradition östlich des Tigris verbunden.

Die Rundbauten, die noch in der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends das Siedlungsbild der nördlichen Jazirah gekennzeichnet haben, werden in dessen 2. Hälfte wieder von der eckigen Bauweise verdrängt. In Arpachiyah sind die typischen Tholoi vollständig ersetzt worden durch große, komplexe rechteckige Strukturen. Auch in Chagar Bazar verschwinden die Rundbauten in dieser Zeit. In Yarim Tepe 2, in dem die Tholoi schon vorher von z.T. sehr komplexen rechteckigen Strukturen umgeben waren, werden die Innenräume, die vorher in der Regel unsegmentiert waren, mit orthogonalen Trennwänden unterteilt. Ob hier nach 4300 v. Chr. auch ein Übergang zur rein linearen Bauweise stattgefunden hat, ist leider unklar. In Tepe Gaura treten Tholoi nur noch vereinzelt auf, nach wie vor aber in dem Bereich, der in der Regel als Tempelbezirk identifiziert wird. Interessanterweise treten die Tholoi in der Zeit, in der sie in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet schon wieder rückläufig sind, in weit entfernten Gebieten neben der eckigen Bauweise auf. In Eridu ist im Bereich der „Hut-Sounding“ eine große ovale Struktur, datiert auf ca. 4250 v. Chr., dokumentiert worden. In Hamath erscheinen in der Periode K ebenfalls kurzfristig Rundbauten in dem sonst linearen Siedlungscluster. In beiden Fällen, sind sie, wie auch in Tepe Gaura, Ausnahmeerscheinungen im Siedlungsbild.

Die Siedlungsformen dieses Zeitabschnitts zeigen ebenfalls ein recht deutliches Bild. Im gesamten mesopotamischen Einzugsbereich werden die Häuser, nach punktuellen Tendenzen zur Clusterbildung im späten 6. Jahrtausend, isoliert voneinander gebaut. In Anatolien, der Levante, im Iran und Turkmenistan haben sich die Siedlungscluster, wo nicht vorher schon verbreitet, nun ganz durchgesetzt. Die einzige klare Ausnahme bildet Tell Kurdu in der Amuqebene. Die Clusterbildung, die in Tepe Gaura angenommen werden muß, bezieht sich nur auf die Wohnquartiere. Die öffentlichen und sakralen Bauten sind immer umgeben von Freiflächen; die Siedlung ist offenbar zu keinem Zeitpunkt ein einheitlich geschlossenes Cluster gewesen. Auch die Clusterbildung in Tell es-Sawwan ist lediglich Produkt einer addierenden Bauweise, die langsam die Freiflächen einer Siedlung aus isoliert gebauten Häusern überwuchert.

Mit den Rundbauten verschwindet auch der geringfügig segmentierte Innenraum im vorderasiatischen Bereich. Überall herrschen nun komplexe oder wenigsten mehrfach segmentierte Grundrisse vor. Besonders markant zeigen die segmentierten Tholoi von Yarim Tepe 2 diese Entwicklung. Die einzigen Ausnahmen bilden Eridu im Süden, wo neben den sehr elaborierten Tempelbauten auch einfache Wohnhütten mit wenigen Räumen errichtet werden, und Can Hassan, in dem die Raumkomplexität zwar ebenfalls zunimmt, aber immer noch Gebäude mit nur ein oder zwei Räumen gebaut werden.

Die markanteste Entwicklung in der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends ist ganz offensichtlich die Ausbildung einer neuen Bautradition in der nördlichen Jazirah, die gekennzeichnet ist durch runde und isolierte Bauweise, geringfügige Segmentierung des Wohnraums und die parallele Verwendung von Lagenlehm und Ziegeln, wobei die Ziegelbauweise vor allem im Zusammenhang mit der runden Bauform zu beobachten ist. In Tell Hassuna, ebenfalls in dieser Region gelegen, wo jedoch keine Rundbauten üblich sind, fehlt entsprechend auch der Ziegelbau. Im weiteren kann erneut festgestellt werden, daß die Ziegelbauweise sowohl mit einer Zunahme der Gebäudekomplexität, als auch mit der Clusterbildung einhergeht.

Die Verbreitung der Siedlungsmuster verändert sich im Vergleich mit dem vorangegangenen Zeitabschnitt kaum. Im gesamten mesopotamischen Raum und zwischen Zagros und Tigris behauptet sich die isolierte Bauweise eine Ausnahme bildet wahrscheinlich Tepe Gaura (s.o.). Reguläre Cluster findet man nach wie vor nur außerhalb dieses Kernbereichs in der Levante, Anatolien und dem Iran.

Die Verbreitung der Bautechniken entspricht in dieser Zeit weitgehend den 500 vorangegangenen Jahren. Die Ziegelbauweise ist im gesamten westasiatischen Bereich

Die Korrelation der formalen Aspekte, die in diesem Zeitabschnitt zu beobachten ist, besteht zwischen der

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Bautechnik, der Hausform und der Innenraumkomplexität. Die Ziegelbauweise setzt sich parallel mit der Zunahme der Segmentierung des Hausinnenraums durch. Paradoxerweise verschwindet mit der Zunahme der Innenraumkomplexität auch die runde Bauform, die aber fast immer mit der Ziegelbauweise assoziiert gewesen ist. Es besteht in diesem Fall also ein Zusammenhang zwischen Innenraumkomplexität und Technik, sowie Innenraumkomplexität und Bauform, nicht aber zwingend zwischen Bauform und Technik, da in den Siedlungen, in denen Tholoi aus Ziegeln errichtet wurden, meist auch der Lagenlehm weiter überlebte. Es scheinen also erst die Entwicklungen, die eine zunehmende Seg-

mentierung des Innenraums und die Aufgabe der Rundbauten auslösen, auch eine endgültige Aufgabe der Lagenlehmtechnik zu bewirken. Die Aufgabe der runden Bauweise hängt also nicht, wie landläufig angenommen wird, mit einem Wandel der Siedlungsform zusammen, wie besonders die Errichtung von Tholoi in dem dichten Cluster von Hamath zeigt, sondern mit einem Fortschreiten der räumlichen und damit auch sozio-ökonomischen Differenzierung. Die Entscheidung zwischen eckiger oder runder Bauform hat also keine notwendig formal bedingten Ursachen.

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Die Architektur im 4. Jahrtausend v. Chr.

Karte 23 Verbreitung der Bautechniken und Bauformen im 4. Jahrtausend

Karte 24 Siedlungsformen im 4. Jahrtausend

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Abu Husaini: Geschütteter Lagenlehm/Tauf, eckige und runde Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Eridu: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Hamath: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, Cluster Tell Abada: Ziegel, eckig-mehrräumige, mehr- geschossige Hofhäuser, isolierte Siedlungsweise Tell al`Abr: Ziegel, eckig-mehrräumige, mehr- geschossige Bauform Tell el`Oueili: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tell Mefesh: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tepe Farukhabad: Formziegel, eckig-mehrräumige Bauform, unbestimmte Siedlungsweise Tepe Gaura: Ziegel, eckig-mehrräumige Bauform, Cluster Tepe Hissar: Gehäufter Lagenlehm/Chineh, Ziegel, eckig mehrräumige Bauform, Cluster Tepe Sabz: Ziegel, eckig-mehrräumige, mehrgeschossige Bauform, isolierte Siedlungsweise Tepe Siyalk: Formziegel, eckige Bauweise, Cluster

- Die Entwicklung von dem unsegmentierten zum segmentierten Grundriß - Die Entwicklung von der runden zur eckigen Bauweise - Die Entwicklung von den Feuchtlehmtechniken zu dem Formziegelbau - Der Konservativismus der Bautechniken gegenüber der Bau- und Siedlungsformen - Bautechniken werden nicht formal determiniert - Runde und eckige Bauweise werden nicht technischformal determiniert - Die Clusterbildung ist nicht technisch-formal determiniert - Die Clusterbildung korrespondiert eher mit kleinen Wohneinheiten - Große Wohneinheiten stehen in der Siedlung eher isoliert - Zunehmende Innenraumkomplexität, Siedlungsdichte und -größe, sowie Clusterbildung begünstigen die Verbreitung der Ziegelbauweise - Je größer die Innenraumkomplexität desto geringer die Wahrscheinlichkeit runder Bauweise

Die Verbreitung der Bautechniken entspricht in der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends den erwarteten Entwicklungen, die sich aus den Tendenzen des ausgehenden 5. Jahrtausends ergeben. Die Lehmziegelbauweise hat sich überall durchgesetzt, nun meist auch als Formziegel. Lagenlehm ist nur noch belegt für Abu Husaini und für Tepe Hissar im Iran, wo er in Form von Chineh, aufgehäuftem Lagenlehm, eine der Ziegelbauweise untergeordnete Rolle spielt. Auch der Trend zur eckigen und stark segmentierten Bauform hat sich flächendeckend durchgesetzt. Einräumige Bauten fehlen in den Befunden weitgehend. Die einzig dokumentierte Ausnahme in dem vorliegenden Material ist Abu Husaini. Hier wurde ein rundes Gebäude aus Tauf ergraben, bei dem es sich aber sehr wahrscheinlich nur um ein Nebengebäude in einer Siedlung mit eckigen Wohnbauten handelt. Der weiter oben beobachtete Zusammenhang zwischen Ziegelbautechnik und zunehmender Dichte und Größe der Siedlungen wird durch diesen Befund ebenfalls bestätigt, denn Abu Husaini ist eine sehr kleine Siedlung ohne die in dieser Zeit üblichen differenzierteren Strukturen in Architektur und Gesellschaft. Es scheint auch angesichts der nun zunehmend üblichen Ziegelherstellung in Holzrahmen einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Komplexität und der regulären Formziegelbautechnik zu bestehen. Die Verbreitung der Siedlungsformen zeigt, wie in den Zeitabschnitten davor, ein deutliches Bild. Im gesamten mesopotamischen und ost-tigritischen Raum wird, mit Ausnahme von Tepe Gaura, isoliert gebaut, sowohl im Osten wie im Westen hält sich weiterhin die Siedlungsweise im Cluster. Die akkumulierenden Cluster aus einräumigen oder schwach segmentierten Gebäuden an den westlichen und östlichen Ausläufern des Untersuchungsgebietes sind jedoch addierenden Clustern aus komplexeren Bauten gewichen. Betrachtet man den allgemeinen Entwicklungsfluß lassen sich grundsätzliche Tendenzen und Regelmäßigkeiten beobachten:

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V. 2. Die zeitliche und räumliche Verbreitung der Raumorganisationsmodelle und deren Zusammenhang mit den architektonischen Aspekten NB: Die Vergleiche der formalen Merkmalen der Architektur mit den räumlichen Organisationsformen beziehensich im folgenden vor allem auf die Bautechnik, da die Komplexität des Innenraums und die Siedlungsform meist wichtige Charakteristika für die Zuordnung einer Siedlung zu einem Organisatiponstyp sind. Die Bauform kann nur mit der sozio-ökonomischen Organisation sinnvoll verglichen werden, denn die Bestimmung des kosmologisch-habituellen Kontexts der einzelnen Fundorte ist fast ausschließlich auf Basis der Gebäudeform unternommen worden. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die meisten Fundorte in der westlichen Levante nicht berücksichtigt werden können, da in dieser Arbeit nur auf die Siedlungen mit Lehmarchitektur eingegangen werden soll. Der verbreitetste Rohstoff in den meisten neolithischen Siedlungen Palästinas aber war der Stein. Sie tauchen dementsprechend auch nicht in der Auswertung kultureller Raumkonzepte auf.

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Die kulturelle Ordnung des Raums vor 8000 v. Chr.

Karte 25 Die sozio-ökonomische Organisation des Raums vor 8000 v. Chr.

Karte 26 Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien vor 8000 v. Chr. 230

Im 9. Jahrtausend vor Chr. finden sich unter den untersuchten Siedlungen ausschließlich homogene kommunale Gemeinschaften. Eine egalitäre Organisation des Typ I ist bereits in dieser frühe Stufe der Seßhaftigkeit an den untersuchten Fundorten nicht mehr zu beobachten, was die allgemeine Annahme bestätigt, der Typ I trete lediglich bei Wildbeutergruppen ohne dauerhafte Siedlungsplätze auf (Vivelo, 1988, S. 71ff.). Mit dem langsamen Übergang von der aneignenden zur produzierenden Subsistenzwirtschaft scheint sich ein gesellschaftlicher Wandel zu vollziehen, der mit einer völlig egalitären Gesellschaftsordnung nicht mehr zu vereinbaren ist. Die kommunale Zusammenarbeit unter der Leitung von jeweils kompetenten Mitgliedern der Siedlungsgemeinschaft und eine sozio-ökonomische Nivellierung durch institutionalisierte Redistribution können in dieser Zeit als kennzeichnend für den gesamten vorderasiatischen Raum angenommen werden.

Generell kann aber davon ausgegangen werden, daß alle Siedlungsgruppen in dieser Zeit sehr ähnliche kulturelle Grundstrukturen besitzen, die geprägt sind von kommunaler Zusammenarbeit, nur schwach ausgeprägter Hierarchie und geringen sozialen Unterschieden zwischen den Geschlechtern. Diese gesellschaftliche Ordnung geht vor 8000 v. Chr. einher mit einer religiösen Ordnung, die geprägt ist von der Symbolik des Zentrums. Es ist anzunehmen, daß die Vorstellung einer Menschenund einer Geister- bzw. Ahnenwelt, die miteinander durch einen Weltmittelpunkt verbunden sind, eine wichtige Rolle gespielt haben. Eine hierarchische Bedeutung der Himmelsrichtung und damit eine ideelle Segmentierung und Bedeutungszuweisung innerhalb des Wohnraumes ist in einigen Fällen bereits gegeben, sie ist aber noch dem Zentrum untergeordnet.

Die kosmologischen Vorstellungen von Raum und Raumorganisation entsprechen in den erfassten Siedlungen dieser Zeit den kosmologisch-habituellen Typen b und c (im folgenden KH-b und c). Die Vorstellung vom Typ a kann nicht belegt werden. Es ist wahrscheinlich, daß sie, wie auch das sozio-ökonomische Raumorganisationsmodell I (im folgenden SR I), nur mit nicht seßhaften Wildbeutergruppen zu assoziieren ist. Zwar sind KH-b und -c nicht immer einwandfrei anhand der Befunde zu unterscheiden, aber die Übereinstimmung zwischen ihnen und dem Modell SR II ist deutlich. Die Übereinstimmungen zwischen den technisch-formalen und organisatorischen Aspekten der Architektur beschränken sich in dieser Zeit auf eine Korrelation von SR II und KH-b und -c mit der runden Bauweise, die für alle Siedlungen gilt. Es kann angenommen werden, daß die runde und ungeteilte Vorstellung der Wirklichkeit ebensowenig mit den sich wandelnden Lebensbedingungen im Protoneolithikum vereinbar ist, wie die egalitäre sozio-ökonomische Ordnung SR I. Ursache hierfür kann z.B. eine andere Bezogenheit auf Zeitzyklen sein, die die Feldwirtschaft mit sich bringt. Die damit einhergehende Himmelsbeobachtung kann wiederum die Vorstellung des Weltkreuzes hervorbringen oder ihr eine stabilere und markantere Rolle in dem jeweiligen kulturellen Bedeutungsgefüge geben. Der Zyklus von Tod und Wiedergeburt, als Abfolge von Ernte, Saat und erneutem Wachstum, der in dieser Form ein absolutes Novum für die neolithisierte Gesellschaft darstellt, mag andererseits die Vorstellung von einer Geister-, Toten- oder Gegenwelt fördern, die für die schamanistische Vorstellung der Typen KH-b und c charakteristisch ist. Ein prominentes Beispiel, freilich aus einem anderen zeitlichen und kulturellen Zusammenhang, mögen die eleusinischen Mysterien und der ihnen zugrunde liegende Mythos von Demeter und Persephone/Kore sein, in dem genau diese symbolische Übertragung vollzogen wird (Ranke-Graves, 1974, S.77-81; Ruck, 1990, S.52 ff.,; Homer: Hymne an Demeter). Diese Hypothese bedarf jedoch einer eingehenderen Prüfung, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann.

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Die kulturelle Ordnung des Raums im 8. Jahrtausend v. Chr.

Karte 27 Die sozio-ökonomische Organisation des Raums im 8. Jahrtausend

Karte 28 Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien im 8. Jahrtausend v. Chr.

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Im 8. Jahrtausend sind Siedlungen vom Typ SR II noch im gesamten Untersuchungsgebiet verbreitet, vor allem östlich des Tigris (Nemrik 9), im Zagros (Ganj Dareh, Ali Kosh) und in der Levante (Jericho, Netiv Hagdud). Es treten aber bereits differenziertere Formen auf, wie Hacilar in Anatolien, bei dem es sich möglicherweise um ein Gehöft des Typs SR V handeln kann, große kommunale Wohnbauten des Typs SR III, wie in Munhata und ab 7450 v. Chr in Cayönü, und eine komplexe, kommunale Siedlungsgemeinschaft vom Typ SR IV, Abu Hureira am mittleren Euphrat.

und KH-e sind außerdem mit kompositären Haushaltsgemeinschaften vom Typ SR III in Munhata und Cayönü und mit Gehöftgemeinschaften Typ SR V in Hacilar assoziiert. Die Kombination des komplexen Typ KH-e mit Typ SR IV tritt nur ein einziges Mal in Abu Hureira auf. Diese Siedlung nimmt also in ihrer Zeit offenbar sowohl mit der Komplexität der sozio-ökonomischen Organisation wie auch mit ihrer kosmologisch-habituellen Vorstellungen eine Ausnahmestellung ein. Im 8. Jahrtausend scheinen sich die vorher noch überall gleichförmigen Siedlungsmuster in eine Vielzahl unterschiedlicher lokaler, architektonischer Traditionen auszudifferenzieren, die nicht zu größeren „Kulturprovinzen“ zusammengefaßt werden können. Die Seßhaftigkeit hat offenbar die Herausbildung von lokalen, kulturell eigenständigen Identitäten ermöglicht. Die Homogenität der Siedlungen des 9. Jahrtausend ist aufgebrochen und die Entwicklungsgeschwindigkeit und -richtung in den einzelnen Regionen hat sich verselbständigt.

Die signifikanten Übereinstimmungen zwischen den SRTypen und den formalen Aspekten sind eine Beschränkung der runden Bauweise und der Verwendung des Lagenlehms auf SR II und die der eckigen Ziegelbauweise auf die Typen III-V. Die eckige Ziegelbauweise scheint also durch eine komplexere sozio-ökonomische Struktur begünstigt, die runde Bauweise und der Lagenlehm hingegen scheinen sich eher in weniger differenzierten Gruppen zu halten, wie nach Kapitel II.1. zu erwarten war. Dieser Zusammenhang ist höchstwahrscheinlich durch die Bündelung und beginnende Freistellung von Arbeitskräften in diesen Siedlungstypen bedingt, durch die das Ziegelbauverfahren erst praktikabel und ökonomisch sinnvoll wird. Die KH-Typen b und c findet man im frühen 8. Jahrtausend noch in der Levante am Jordangraben in Netiv Hagdud und Jericho, die zwischen 7800 und 7700 v. Chr. aufgegeben werden, sowie in Muraibit am mittleren Euphrat und in Nemrik 9 am mittleren Tigris. In Muraibit vollzieht sich kurz vor der Mitte des Jahrtausends der Wandel zur nicht segmentierten eckigen Bauweise und damit zu Typ KH-d, in Nemrik geschieht dieser Übergang erst gegen Ende des Jahrtausends, um 7200 v. Chr. Die schlichte orthogonale Ordnung des Raums KHd tritt ab 7500 v. Chr. auch in anderen Gebieten als erste faßbare Raumordnung auf: in Ali Kosh um 7500 v. Chr., in Ganj Dareh um 7250 v. Chr. und in Hacilar und Munhata um 7100 v. Chr. Gegen Ende des 8. Jahrtausend hat also die schlichte orthogonale Vorstellung des Raums in allen erfassten Siedlungen das runde, konzentrische Weltbild abgelöst. Die erste komplexe Vorstellung des orthogonalen Raums findet in Abu Hureira am mittleren Euphrat und in Cayönü ab 7400 v. Chr. ihren Ausdruck. In Cayönü werden große Häuser mit komplex-orthogonal strukturierten Innenräumen, aber mit ovalen Umrissen gebaut. Zwischen den formalen Aspekten und den KH-Typen bestehen, natürlich abgesehen von der Bauform, keine signifikanten Übereinstimmungen. Es bestehen aber gewisse Korrelationen zwischen den SR- und den KH-Typen. So ist nur der homogene kommunale Typ SR II in den Siedlungen Jericho, Netiv Hagdud, Muraibit, Cayönü und Nemrik 9 noch assoziiert mit den runden KH-Typen b und c. In der zweiten Hälfte des Jahrtausends ist er aber auch zusammen mit dem Typ KH-d in den letztgenannten Siedlungen sowie in Ganj Daregh und Ali Kosh anzutreffen. Die Typen KH-d

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Die kulturelle Ordnung des Raums im 7. Jahrtausend v. Chr.

Karte 29 Die sozio-ökonomische Organisation des Raums in der 1. Hälfte des 7. Jahrtausends

Karte 30 Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien in der 1. Hälfte des 7. Jahrtausends

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Karte 31 Die sozio-ökonomische Organisation des Raums in der 2. Hälfte des 7. Jahrtausends

Karte 32 Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien in der 2. Hälfte des 7. Jahrtausends v. Chr.

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Die homogenen kommunalen Siedlungen vom Typ SR II sind zu Beginn des 7. Jahrtausends in den meisten Regionen des Untersuchungsgebietes zu finden, erhalten sich bis zur Mitte des Jahrtausends aber nur in Nemrik 9 am mittleren Tigris und in Munhata im Jordangraben. Muraibit wird gegen 6900 v. Chr. bereits aufgegeben, und in Ali Kosh vollzieht sich gegen ca. 6750 v. Chr. ein Wandel zu SR IV. Die SR II-Siedlungen sind die einzigen, die noch vorwiegend mit der runden und einräumigen Bauform sowie dem Lagenlehmbau assoziiert sind. Kompositäre, kommunalistische Haushaltsgemeinschaften vom Typ SR III treten nur noch in Cayönü auf und sind mit eckiger und komplexer Ziegelbauweise assoziiert. Komplexe, kommunale Gemeinschaften sind wiederum am mittleren Euphrat zu finden (Abu Hureira, Tell Sabi Abyad II), treten nun aber auch in Anatolien und in der Levante auf (Catal Hüyük, Jericho). Auch in Ali Kosh an den Südwesthängen des Zagros wird Typ SR II nun schließlich von Typ SR IV abgelöst. Allen Siedlungen ist eine mehrräumige, eckige Ziegelbauweise gemein. Einzig Catal Hüyük bildet mit seinen kaum segmentierten Wohneinheiten eine Ausnahme. Lagenlehm wird in keiner dieser Siedlungsgemeinschaften verwendet. Der Gehöfttyp SR V ist nur in entlegeneren Gebieten in Jarmo und Hacilar zu finden. An beiden Orten wird ebenfalls eckig-mehrräumig gebaut, in Hacilar aus Ziegeln, in Jarmo aus Tauf. Wie schon im 8. Jahrtausend ist der Nahe Osten von vielen verschiedenen architektonischen Traditionen lokaler Ausprägung und Gemeinschaften von unterschiedlichen sozio-ökonomischen Niveaus gekennzeichnet. Lediglich im Bereich von Euphrat und Balikh kann eine regionale Bautradition vermutet werden.

e, der bislang nur in Siedlungen mit kommunalistischer sozio-ökonomischen Organisation zu finden ist. In diesem Zeitabschnitt findet offensichtlich in vielen Siedlungsgemeinschaften eine Entwicklung zu einem komplexen Weltbild und einer differenzierteren SozioÖkonomie statt, deren Mechanismen vor allem auf kommunaler Ebene wirksam sind. Die Bedeutung von Individualinteressen erscheint im Gegensatz zu der Bedeutung der Integrität der Gemeinschaft gering gewesen zu sein. Die Regionen am mittleren Euphrat und am oberen Tigris sind, wie schon im 8. Jahrtausend, Vorreiter dieser Entwicklung. Siedlungen vom Typ SR II, wie Ramad, Ras Shamra und Can Hassan, sind ab 6500 v. Chr. nur noch rund um das Mittelmeer zu finden. In allen anderen Bereichen hat sich der komplexe, kommunale Typ SR IV durchgesetzt. Die Ausnahme mit einer gehöftartigen Organisation bildet Jarmo. In den homogenen kommunalen SR II-Siedlungen treten sowohl Lagenlehm- wie auch Ziegelbauweise auf und in Ramad ist bis ca. 6300 v. Chr. auch noch die Rundbauweise üblich. Die Gehöfte von Jarmo sind ausschließlich mit Lagenlehm gebaut. In den komplexen kommunalen SR IV-Siedlungen wird weitestgehend eckig, mehrräumig und mit Lehmziegeln gebaut, wie in Bouqras, Tell Sabi Abyad 2, Abu Hureira, Catal Hüyük und Ali Kosh. Das kleine Umm Dabaghiyah, in dem erst ab 6300 v. Chr. die ersten Ziegel auftauchen, bildet die einzige Ausnahme. Interessanterweise sind die Gründungsbauten dieser Siedlung rund und würden, stünden sie nicht unmittelbar mit den komplexen Strukturen der anschließenden Bauphasen in Zusammenhang, eher in einen SR II-Kontext passen. Generell bestätigt das Bild der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausend aber die Korrelation von SR IV und der Ziegelbauweise. Ebenso wird der allgemeine Trend der ersten Hälfte des 7. Jahrtausends bestätigt. Die Entwicklung zur höheren kulturellen Komplexität findet überall auf kommunaler Ebene statt und nicht innerhalb autonomer Haushalte. Zentrum dieser Entwicklung ist nach wie vor das Gebiet am mittleren Euphrat auf der Höhe des Balikh. Von dort aus breitet sich das Phänomen langsam nach Süden und Osten aus. Dabei handelt es sich möglicherweise um die erste überregionale Bautradition des Neolithkums. Die Wohnform mit großen Sippen- oder Gemeinschaftshäusern vom Typ SR III verschwindet in dieser Zeit endgültig von der prähistorischen Landkarte Westasiens. Sie scheint den notwendigen Anforderungen dieser Zeit weniger gut gewachsen zu sein als andere, flexiblere Gemeinschaftsformen.

Das runde zentrierte oder segmentierte Weltbild der Typen KH-b und -c hält sich im 7. Jahrtausend nur noch kurze Zeit in Nemrik 9 und wird dann, wie im gesamten Untersuchungsgebiet, von dem schlichten orthogonalen Typ KH-d verdrängt. Eine komplexere Ordnung entsprechend KH-e tritt nur am mittleren Euphrat in Abu Hureira und Tell Sabi Abyad II auf, zur Mitte des Jahrtausends auch in Ali Kosh. Formal lassen sich keine notwendigen Korrelationen erkennen. Typ KH-d läßt sich weder einer bestimmten Bautechnik noch einer Siedlungsform zuordnen, obgleich die Ziegelbauweise in den KH-d-Siedlungen überwiegt. Der Typ KH-e läßt jedoch einen gewissen Trend erkennen: er ist, wie auch schon im vorangegangenen Jahrtausend, ausschließlich mit der Ziegelbauweise assoziiert. In Ali Kosh geht der Wandel von KH-d zu KH-e sogar mit einem Wandel vom Lagenlehm zum Lehmziegel einher. Die Assoziationen von sozio-ökonomischer und kosmologisch habitueller Ordnung zeigen einen ähnlichen Trend wie im vorangegangen Zeitabschnitt: In Typ SR II überschneiden sich KH-c (Nemrik 9) und KH-d (Ali Kosh, Muraibit, Munhata). In den SR V-Siedlungen treten auschließlich Raumordnungen vom Typ KH-d auf (Jarmo, Hacilar) , SRIII ist in Cayönü mit KH-e assoziiert und in komplex-kommunalistischen Siedlungen vom Typ SR IV überschneiden sich der Typ-KH-d (Catal Hüyük, Jericho) und Typ KH-

In der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausends tritt der Typ KH-c noch einmal für eine kurze Zeitspanne in Ramad auf, um gegen 6300 v. Chr. von KH-d abgelöst zu werden. Siedlungen mit einer Ordnung vom Typ KH-d sind in dieser Zeit in erster Linie in der Levante und Anatolien, sowie zwischen mittleren Tigris und dem Zagrosgebirge verbreitet. In der nördlichen Jazirah und an dem Oberlauf des Euphrat bestimmt der komplexere Typ KHe mit Siedlungen wie Bouqras, Abu Hureira, Tell Sabi Abyad und Umm Dabaghiyah das Bild, ebenso wie Ali Kosh im südlichen Zagros.

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Klare formale Übereinstimmungen treten nur bezüglich des Typs KH-e auf, der in allen Fällen mit der Ziegelbauweise assoziiert ist. Die einzige KH-c-Siedlung Ramad wurde mit Lagenlehm errichtet, die KH-d-Siedlungen lassen sich mit keinem technischen Merkmal im besonderen assoziieren. Die Überschneidungen der kosmologisch-habituellen und der sozio-ökonomischen Organisationen verhalten sich ganz ähnlich wie in den vorangegangenen 500 Jahren. KH-c ist nur mit SR II assoziiert, KH-d überschneidet sich mit SR II, SR IV und SR V, Siedlungen mit dem Muster KH-e entsprechen den Typ SR III und IV. Als ein Kerngebiet für die Entwicklung einer differenzierten sozio-ökonomischen Entwicklung und eines komplexen Weltbildes ist erneut der mittlere Lauf des Euphrat zwischen Balikh und Khabur zu erkennen.

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Die kulturelle Ordnung des Raums im 6. Jahrtausend v. Chr.

Karte 34

Die sozio-ökonomische Organisation des Raums in der 1. Hälfte des 6. Jahrtausend

Karte 35 Übereinstimmungen sozio-ökonomischer Organisation und Bautechnik in der 1. Hälfte des 6. Jahrtausends 238

Karte 36

Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien in der 1. Hälfte des 6. Jahrtausends v. Chr.

Karte 37

Die sozio-ökonomische Organisation des Raums in der 2. Hälfte des 6. Jahrtausends

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Karte 38 Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien in der 2. Hälfte des 6. Jahrtausends v. Chr.

Das frühe 6. Jahrtausend bringt eine deutliche Veränderung des sozio-ökonomischen Raumverhaltens mit sich. Die kleineren komplexen SR IV-Siedlungen Umm Dabaghiyah und Tell Sabi Abyad 2 am Oberlauf des Euphrat und in der nördlichen Jazirah sind bereits aufgegeben worden, die größeren wie z.B. Bouqras und Abu Hureira südlich des mittleren Euphrat werden zwischen 5900 und 5800 v. Chr. aufgelassen. Auch die Besiedlung von Catal Hüyük bricht gegen 5700 v. Chr. ab. Damit sind die differenziert-kommunal wirtschaftenden Gemeinschaften, die noch im 7. Jahrtausend die nördliche Jazirah und den Oberlauf des Tigris gekennzeichnet haben, fast vollständig verschwunden. Die einzige Ausnahmen bilden Ali Kosh im Süden des Zagros und Can Hassan im südlichen Anatolien, in dem sich gegen 5800 v. Chr. ein Wandel von SR II zu SR IV vollzieht. Hassuna entwickelt sich zu dem selben Zeitpunkt von Typ SR II zu Typ SR V. Der gehöftartige Typ SR V ist in dieser Zeit in der nördlichen Jazirah und im osttigritischen Raum verbreitet, in Jarmo bis 5800 v. Chr., in Matarrah ab 6000 v. Chr. in Hassuna ab 5800 v. Chr. und in Yarim Tepe ab ca. 5650 v. Chr. Typ SR VI tritt erstmals ab 5600 v. Chr. in Tell es Sawwan am mittleren Tigris in Erscheinung. Im übrigen bildet wieder der homogene, kommunale Typ SR II die Gemeinschaftsform mit der größten Verbreitung. Die meisten Siedlungen dieser Art befinden sich jedoch, abgesehen von Arpachiyah und Sabi Abyad I, in den Randlagen des Untersuchungsgebietes. Vor allem die Levante ist in dieser Zeit gekennzeichnet durch SR II-Siedlungen.

Die Rahmenbedingungen der großen, kommunal wirtschaftenden Siedlungsgemeinschaften, die sich über lange Zeit als äußerst beständig erwiesen haben, allen voran Abu Hureira und Catal Hüyük, scheinen sich zu Beginn des 6. Jahrtausends derart verändert zu haben, daß sich nun die kleinen, wenig komplexen Siedlungsgemeinschaften wieder besser behaupten können. Mit der zunehmenden Verbreitung der SR V Gehöfte kann auch eine Zunahme patrisch geprägter Gesellschaftsformen angenommen werden, die für die Typen SR V-VII kennzeichnend sind, während für die Typen SR II-IV sowohl patri- als auch matrifokale Grundzüge angenommen werden können. Das Erstarken der SR V und SR VI-Gemeinschaften spielt sich vor allem im Bereich des mittleren Tigris ab. Wie in der vorangegangenen Zeit lassen sich für den Typen SR II keine formalen Signifikanzen feststellen. Alle möglichen Kombinationen der formalen Aspekte innerhalb des Rahmens der charakterisierenden Parameter sind vertreten. Markant sind hingegen die Übereinstimmungen bei SR IV und SR V. In allen SR VSiedlungen wird nur mit Lagenlehm gebaut, in allen SR IV-Siedlungen ausschließlich eckig und mit Lehmziegeln. Die Siedlungen des Typs SR IV sind alle sehr groß und dicht gebaut, der rein formale Erklärungsansatz aus Kapitel V.1. wäre also zutreffend. Bei dem Vergleich der Bautechniken mit SR V-Siedlungen wird diese Erklärung aber um den ökonomischen Aspekt entscheidend erweitert. Die vorwiegend auf Autarkie ausgerichteten 240

Gehöftgemeinschaften verrichten auch die Bauarbeiten vor allem mit den in der Hausgemeinschaft zur Verfügung stehenden Arbeistkräften. Es ist also sinnvoll, wenn alle Mitglieder in die Bauarbeiten mit einbezogen werden können, was bei den Feuchtlehmtechniken, besonders den Lagenlehmtechniken hervorragend geschehen kann. Der Ziegelbau hingegen benötigt für die differenzierten Arbeitsschritte vor allem kräftige Bauhelfer; Kinder, Alte etc. können nur sehr bedingt in den Arbeitsprozeß eingebunden werden (siehe auch II.1.2. und II.1.3.). Demzufolge ist es den ökonomischen Möglichkeiten entsprechend sinnvoll in kleineren Gehöftverbänden, in denen nur bedingt auf externe Arbeitskräfte zurückgegriffen werden kann, mit Lagenlehm zu bauen, in den räumlich dichten SR IV Siedlungen hingegen, in denen durch die komplexe kommunale Wirtschaftsweise Teilspezialisierung und Freistellung von Arbeitskräften möglich ist, liegt es nahe, daß sich die Ziegeltechnik durchsetzt. Die Ziegelbauweise in der SR VI-Siedlung Tell es-Sawwan ließe sich vor diesem Hintergrund entweder durch die Größe der Haushalte erklären, in denen soviel Arbeitskräfte gepoolt sind, daß eine Freistellung entsprechender Arbeitskräfte möglich ist, oder durch reglementierte Kooperation auf dörflicher Ebene, die die Durchsetzung der individuellen Interessen der Gehöftherren ausgleichen und regulieren soll.

Gehöften. Der Typ SR IV tritt nur in Verbindung mit dem komplexen, orthogonalen und dezentrierten Weltbild KH-e auf, das ab 5650 v. Chr. auch wieder mit den Typen SR V und erstmals SR VI assoziiert ist. Der Bruch, der sich zwischen den Traditionen des 7. und des 6. Jahrtausends auftut, wird hier erneut deutlich. Im Laufe des 6. Jahrtausends scheint ein weitgehender Zusammenbruch der komplexen Gemeinschaften am mittleren Euphrat und in der Jazirah stattgefunden zu haben, der sich sogar bis auf die komplexen ideellen Vorstellungen erstreckt. Gleichzeitig läßt sich eine Reihe von Neugründungen beobachten. Diese Siedlungsgemeinschaften weisen allerdings sowohl eine weitaus schlichtere sozio-ökonomische Räumlichkeit, als auch grundlegend anders geartete kosmologische Konzepte auf. Eine kulturelle Kontinuität scheint äußerst unwahrscheinlich. Man kann diesen Übergang z.B. durch eine Zuwanderung aus anderen Gebieten deuten, als den Übergang zu einer permanenten Architektur von Gruppen, die bereits vorher in diesem Gebiet ansässig gewesen sind, aber keine kulturelle Einheit mit den nun verschwundenen, komplexen Siedlungen gebildet haben, oder als Koinzidenz von einer ökonomischen Depravation und einem religiösen Wandel. In der 2. Hälfte des 6. Jahrtausends verändert sich zunächst wenig an der Verbreitung der verschiedenen Organisationstypen. Der Typ SR II mit schlichter kommunaler Kooperation ist fast im gesamten Untersuchungsgebiet zu finden, die Typen V und VI, deren Ökonomie auf die individuellen Haushalte ausgerichtet ist, treten vor allem entlang des Tigris auf. SR IV-Siedlungen dieser Zeit sind das iranische Zaghe, das südanatolische Can Hassan und Tell Sabi Abyad am Balikh, das aus einer SR II-Siedlung hervorgeht. Die SR II-Typen sind wiederum mit keiner Bautechnik signifikant assoziiert. Die SR V Siedlungen sind nun ebenfalls nicht mehr, wie vorher, klar mit dem Lagenlehm in Verbindung zu bringen. Nur in Hassuna hält sich der reine Lagenlehm. In Yarim Tepe 1 setzt sich gegen 5350 v. Chr. die Ziegelbauweise durch, in Tell Kurdu werden beide Techniken miteinander kombiniert und in Choga Mami und Hacilar wird ausschließlich mit Ziegeln gebaut. Zumindest für Choga Mami und Hacilar kann angenommen werden, daß die Haushaltsgröße und eine dadurch fortgeschrittene Arbeitsteilung eine Freistellung von Arbeitskräften auf Haushaltsebene ermöglicht hat, und so die Voraussetzungen für die Ziegelherstellung verbessert wurden. Die oftmals parallele Verwendung von Ziegeln und Lagenlehm in SR II-Siedlungen ließe sich vor diesem Hintergrund erklären durch eine Kooperation auf dörflicher Ebene bei dem Bau von essentiellen Strukturen aus Lehmziegeln und spätere Einzelleistungen der Haushalte mit Lagenlehm. Die SR IV und SR VI-Siedlungen dieser Zeit sind weitgehend aus Ziegeln errichtet. Nur in Zaghe, von dem jedoch nur eine einzige Schicht ergraben worden ist, wurde der Innenausbau mit Lagenlehm besorgt. Am mittleren Tigris zeichnet sich in dieser Zeit die Gruppe der individuell wirtschaftenden Gehöfteinheiten noch deutlicher ab als in der ersten Hälfte des 6. Jahrtausend Offenbar hat sich in dieser Region eine neue Tradition sozio-ökonomischer Raumorganisation und Archi-

Besonders markant für das frühe 6. Jahrtausend ist das erneute Erscheinen des runden Raumprinzips KH-b und -c, das in dem vorangegangenen Zeitabschnitt nur in Form der Gründerbauten von Umm Dabaghiyah auftritt, sonst aber aus dem Formenspektrum der Wohnarchitektur gänzlich verschwunden schien. Bemerkenswert ist auch die geographische Lage der entsprechenden Fundorte, die sich nicht nur wie Khirokitia und Jericho in kulturellen Randlagen befinden, sondern auch in unmittelbarere Nähe von Zentren mit deutlich komplexen, orthogonalen Raumvorstellungen, wie etwa Tell Sabi Abyad 1, das nicht nur nahe Abu Hureira und Bouqras liegt, sonderm dem auch die KH-e-Besiedlung von Tell Sabi Abyad 2 unmittelbar vorausgeht. Im Laufe der ersten Hälfte des 6. Jahrtausends verschwinden die KH-e-Siedlungen am mittleren Euphrat. Die komplexeren Vorstellung einer Ordnung des Raums halten sich zunächst nur in Ali Kosh und bilden sich langsam deutlicher aus in Can Hassan. Ab ca. 5650 v. Chr. tritt diese Ordnung auch wieder in der nördlichen Jazirah in Yarim Tepe 1 auf, während sich in unmittelbarer Nachbarschaft und fast zeitgleich in den Rundbauten von Arpachiyah der Typ KH-c manifestiert. Ab ca. 5600 v. Chr. tritt die komplexere und dezentrierte Vorstellung der Weltordnung erstmals am mittleren Tigris in der Architektur von Tell es-Sawwan zutage. Das Ordnungsprinzip mit der weitesten Verbreitung ist allerdings wiederum Typ KH-d, der im gesamten Untersuchungsgebiet vertreten ist. Die sozio-ökonomischen und kosmologisch-habituellen Ordnungsmuster korrespondieren ähnlich wie schon in den Zeitabschnitten davor. Das runde Weltbild tritt nur in Verbindung mit einer kaum stratifizierten Gesellschaft mit kommunaler Ökonomie des Typs SR II auf, das kaum dezentrierte orthogonale Weltbild KH-d ist ebenfalls assoziiert mit SR II-Gemeinschaften, sowie SR V-

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tektur ausgebildet. Mit Tell es-Sawwan stellt sie die erste komplexe, große Siedlung, deren Ökonomie nicht auf einer kommunalen Kooperation basiert, sondern in der die Haushalte vorwiegend in Konkurrenz zueinander stehen. Daß in Tell Sabi Abyad wiederum eine SR IV-Siedlung entsteht, die zudem deutliche Parallelen zu Umm Dabaghiyah aufweist, läßt die Vermutung zu, daß sich am Oberlauf des Euphrats die kommunalen Traditionen des 7. Jahrtausends doch auf gewisse Weise erhalten hat, und sie nun erneut die Voraussetzungen für eine Entwcklung zu größerer Komplexität vorfindet. Möglicherweise sind sowohl die SR IV-Siedlungen des 7. Jahrtausends als auch die SR II-Siedlungen des 6. Jahrtausends in dieser Gegend aus einer großen Populationsgruppe hervorgegangen, die sich zwar in viele Untergruppen mit verschiedenen Niveaus aufgliedert, der aber dennoch gewisse kulturelle Grundzüge gemein sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Entwicklung von schlichter zu komplexer Organisation ähnlich vollzieht und entsprechende Formen findet, wäre dadurch zu erklären. In der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends wird der Trend der ersten Hälfte zu einem komplexeren und mehr dezentrierten Raumverständnis im Gebiet des Tigris fortgesetzt und breitet sich nun im Süden bis Choga Mami aus. Der komplexe Raum ist in dieser Region mit einer haushaltszentrierten Ökonomie assoziiert. Auch am Oberlauf des Euphrat entwickelt sich Sabi Abyad 1 gegen 5200 v. Chr. von Typ KH-c zum Typen KH-e; parallel vollzieht sich ein Wandel von SR II zu SR IV. Das iranische Zaghe und das anatolische Can Hassan sind ebenfalls Beispiele der Assoziation von SR IV und KH-e. Es zeigt sich also erneut die kulturelle Integrität des östlichen Mesopotamien und der Gebiete östlich des mittleren Tigris im Gegensatz zu den weiter westlich und östlich gelegenen Regionen. Das schlichtere Ordnungsprinzip KH-d tritt nun vor allem in der Levante am Orontes auf, wo es sowohl mit dem gering stratifizierten Typen SR II, als auch mit SR V-Gehöften assoziiert ist. Andere KH-d-Siedlungen liegen an den Rändern des Untersuchungsgebiets in Südmesopotamien, Aserbeidjan und Turkmenistan. Sie alle zählen zu den SR II-Siedlungen. Die einzige Siedlung, in der der runde Typ KH-c fortbesteht, ist Arpachiyah in der Jazirah. In der nördlichen Jazirah und der Levante scheinen, im Gegenssatz zu der Region am mittleren Tigris, wieder die lokalen Ausprägungen und Traditionen das Bild der Siedlungen zu bestimmen, ebenso wie in Turkmenistan und Aserbeidjan. In Anatolien wird offenbar die räumliche Tradition von Catal Hüyük in der Siedlung Can Hassan fast nahtlos fortgesetzt und weiterentwickelt. Eine kulturelle Kontinuität kann dort angenommen werden.

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Die kulturelle Ordnung des Raums im 5. Jahrtausend v. Chr.

Karte 39

Die sozio-ökonomische Organisation des Raums in der 1. Hälfte des 5. Jahrtausends

Karte 40 Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien in der 1. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr.

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Karte 41 Verbreitung des runden kosmologisch-habituellen Prinzips im Mittel- und Spätneolithikum

Karte 42

Die sozio-ökonomische Organisation des Raums in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends

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Karte 43

Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien in der 2. Hälfte des 5. Jahrtausend v. Chr.

Auch in der ersten Hälfte des 5. Jahrtausend fehlen in der Jazirah die komplexeren sozio-ökonomischen Raumstrukturen. In Arpachiyah, Yarim Tepe 2 und Yunus legen die Befunde Siedlungen vom Typ SR II nahe, in Arpachiyah ab ca. 4600 v. Chr. vom Typ SR V. In Yarim Tepe ist mit dem Besiedlungswechsel von Yarim Tepe I zu Yarim Tepe II sogar ein Wandel von SR V zu SR II zu verzeichnen. Ähnlich sieht es in der Levante aus, mit Jericho als SR II-Siedlung im Süden und Tell Kurdu als Dorf, das wahrscheinlich aus Einzelgehöften nach Typ SR V besteht. Die einzigen Siedlungen, die auf eine komplexere Organisation des sozio-ökonomischen Raumes schließen lassen, sind Can Hassan, in dem nach wie vor entsprechend Typ SR IV gesiedelt wird, Tell es-Sawwan und der turkmenische Monzukly Tepe, die jeweils Typ SR VI zuzuordnen sind, und Tepe Gaura, östlich des oberen Tigris, wo erstmals eine Siedlung dem urbanen, stratifizierten Typen SR VII zuzuordnen ist. Leider lassen sich von zahlreichen anderen Siedlungen dieser Zeit die sozio-ökonomischen Raumorganisationstypen nicht bestimmen. Der Bereich östlich des Tigris ist ein weiteres Mal Kerngebiet der haushaltsorientierten Ökonomie, während in den meisten anderen Regionen des Untersuchungsgebietes die kommunalen sozio-ökonomischen Modelle anzunehmen sind. Die Individualökonomie scheint sich außerdem, wie das Beispiel von Arpachiyah zeigt, auszubreiten, dringt aber nicht weiter in die Jazirah vor. Daß erstmals ein urbanes Zentrum entsteht, das auf dieser Ordnung basiert, spricht für eine langfristige, kontinu-

ierliche Entwicklung. Bislang gibt es auch sonst keine Anzeichen für signifikante Brüche der kulturellen Kontinuität in diesem Gebiet. Wie bisher treten in den Siedlungen der Typen SR II und V sowohl Lagenlehm als auch Ziegelbauweise und runde wie eckige Bauweise auf. Der Lagenlehm fehlt in den SR IV-, VI- und VII-Siedlungen zur Gänze und die runde Bauweise tritt lediglich in Tepe Gaura und Tell esSawwan auf, bei ersterem in einen offensichtlich sakralen Kontext, in dem sonst komplexe, orthogonale Gebäude vorherrschen, bei letzterem Fundort nur einmalig in der letzten Fundschicht vor Aufgabe der Siedlung. Eine weitere Signifikanz besteht in der Übereinstimmung zwischen SR II- und SR V-Siedlungen, in denen durchweg isoliert gebaut wurde, und den SR IV-, VIund VII-Siedlungen, die alle, bis auf die oberen Schichten von Tell es-Sawwan, im Cluster gebaut waren. Am Anfang des 5. Jahrtausends prägt erneut die runde Bauform und damit das kosmologisch-habituelle Organisationsprinzip c die Siedlungsweise in Tepe Gaura am oberen Tigris und in Arpachiyah, Yarim Tepe und Yunus in der Jazirah, wo sie bereits zu Beginn des 6. Jahrtausends eine Renaissance erlebte. Im Laufe dieses Zeitabschnitts wird das Prinzip KH-c jedoch langsam, einer westlichen Bewegung folgend, aufgegeben. In Tepe Gaura tritt ab 4800 v. Chr. Typ KH-e deutlich in Erscheinung, in Arpachiyah findet der gleiche Wechsel gegen 4600 v. Chr. statt. Der bauliche Wandel gegen ca. 4550 v. Chr in Yarim Tepe 2 kann als ein zeitweiliger Übergang zu KH-d gedeutet werden und in dem westlich 245

am oberen Balikh gelegenen Yunus treten erst in den späten Bauschichten einige orthogonale Strukturen auf, die aber keinem Typen genau zugewiesen werden können. Im südost-tigritischen Bereich hat sich der komplexe Typ KH-e nun fest etabliert, wie schon seit längerer Zeit in Anatolien. Auch in der Levante, wo sich die orthogonale Vorstellung nun auch in Jericho endültig durchgesetzt hat, scheinen sich komplexe Ordnungen, wie in Munhata und Hamath, zunehmend zu etablieren; ein Trend, der auch in Tell Kurdu zu beobachten ist, hier aber nicht tiefgreifend Fuß fassen kann. Auch in Turkmenistan in Monzukly Tepe wird erstmals ab 5000 v. Chr. dem Typ KH-e entsprechend gebaut. Zwischen Bautechniken und kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien gibt es erneut Korrelationen. In den Siedlungen der Typen KH-c und KH-d halten sich die Bautechniken einander die Waage, in den Siedlungen des Typs KH-e wird ausschließlich mit Ziegeln gebaut. Die Siedlungen sind, sofern man sie zuordnen kann, assoziiert mit den Typen SR IV (Can Hassan), SR V (Tell Rashid, Arpachiyah, Tepe Sabz?), SR VI (Monzukly Tepe, Tell es-Sawwan) und SR VII (Tepe Gaura). Die KH-c und -d-Siedlungen sind fast alle mit SR II assoziiert. Tell Kurdu, der wohl eher dem Typ V zuzordnen ist, ist die einzige Ausnahme.

sozio-ökonomischer Raumorganisationstyp auf. Das Cluster von Hamath kann sowohl zu einem SR VI- , als auch zu einem SR VII-Kontext gehören, in jedem Fall aber zu einer Gemeinschaft mit individueller Ökonomie ohne weitergehende kommunalistische Kooperation. Im südlicheren Jericho hält sich weiterhin Typ SR II, die letzte Siedlung, in der eine homogene, kommunale Gemeinschaft nachgewiesen werden kann. In Südmesopotamien, das bislang nur durch die bescheidene Besiedlung der Schichten XVIII-XV von Eridu vetreten war, tritt in dieser Zeit eine neue Entwicklung auf. Tell el´Oueili gehört wahrscheinlich dem Typen SR VI an, Eridu ist in dieser Zeit sicherlich bereits dem Typen SR VII zuzuordnen. In kurzer Zeit hat sich hier eine sehr komplexe Ordnung durchgesetzt, die durch starke Kontrolle autoritativer und allokativer Resourcen geprägt ist. Im 5. Jahrtausend befinden sich also die Zentren mit der höchsten sozio-ökonomischen Komplexität und mit der entsprechend fortgeschrittensten Hierarchisierung der Gesellschaft und des Raums im Nordosten und im Süden von Mesopotamien. Die Entwicklung der kommunalistischen Gemeinschaften ist im gesamten mesopotamischen Raum während des 5. Jahrtausend offensichtlich zu ihrem endgültigen Ende gekommen. Die haushaltsorientierte, durch individuelle Kontrolle geprägte Ökonomie hat sich vom mittleren Tigris über fast alle untersuchten Regionen ausgebreitet. Die Übereinstimmungen mit den formalen Aspekten entsprechen den Beobachtungen aus den Jahrtausenden davor: Nur die Siedlungen der Typen SR II und SR V weisen noch teilweise Lagenlehmtechniken im Befundmaterial auf und sind isoliert gebaut. In Arpachiyah wird der Lagenlehm gegen 4350 v. Chr. endgültig aufgegeben. Die komplexeren Siedlungen sind ausschließlich mit Ziegeln errichtet und bis auf Tell el´Oueili als Cluster angelegt.

Die Vorstellung einer kreisförmigen, konzentrischen und nur geringfügig nach den Himmelsrichtungen ausgerichteten Weltordnung ist vor allem für die nördliche Jazirah des 6. Jahrtausends signifikant. Da diese Vorstellung der räumlichen Organisation der Welt und eine entsprechende Architektur weder durch formale Gegebenheiten, noch durch sozio-ökonomische Rahmenbedingungen determiniert ist - die hier üblichen SR IISiedlungen sind auch mit orthogonalen Ordnungen assoziiert - muß in Kapitel V.3. eine Übereinstimmung zwischen dem runden kosmologischen Raum und anderen markanten Funden der materiellen Kultur der entsprechenden Siedlungen untersucht werden. Aufgrund der Ergebnisse der Kapitel III.3.1. und III.3.2. kann angenommen werden, daß vor allem religiöse Vorstellungen zu der Renaissance der runden Bauweise geführt haben, und daß die nördliche Jazirah vom nördlichen Zagros bis zum Oberlauf des Euphrat den entsprechenden Verbreitungskreis dieser religiösen Vorstellung darstellt.

In der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends hat sich auch die komplexe Vorstellung des kosmologischen und kulturellen Raums im gesamten Untersuchungsgebiet endgültig durchgesetzt. Lediglich Jericho und Yarim Tepe tradieren noch die Typen KH-d im Jordangraben und KH-c in der Jazirah. Die Siedlung Yarim Tepe II wird gegen 4300 v. Chr. aufgegeben, damit verschwindet das letzte Rudiment der konzentrisch runden Ordnung des Raums. Im gesamten Vorderen Orient kann nun mit einem orthogonalen, weitgehend dezentrierten Ordnungssystem des Raums gerechnet werden. Das Profane und das Sakrale haben sich voneinander getrennt und es gibt eine religiös bedingte hierarchische Ordnung des Raums, die sich in der Ausbildung autoritativer Zentren auf lokaler und regionaler Ebene äußert. In Nord- und Südmesopotamien ist auch mit einer überregionalen Bildung von Zentren zu rechnen. Die Übereinstimmungen zwischen sozio-ökonomischer und kosmologisch-habitueller Organisation sowie den Bautechniken entsprechen den vorangegangenen Beobachtungen. Die KH-c und KH-d-Siedlungen gehören dem Typ SR II an, in ihnen tritt z. T. noch Lagenlehm auf. Die KH-e-Siedlungen sind alle aus Lehmziegeln errichtet, in vielen Fällen nachweislich Formziegeln, und gehören vornehmlich den Typen SR V, VI und VII an. Die Ausnahme bildet Tepe Siyalk im Iran. Diese Sied-

In der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends setzt sich offenbar die haushaltsorientierte Wirtschaftsweise in der Jazirah zunehmend durch. Yarim Tepe II ist der letzte Ort, an dem mit Sicherheit der kaum stratifizierte Typ SR II nachgewiesen werden kann, die Siedlung wird jedoch gegen 4300 v. Chr. endgültig aufgegeben. Die Siedlungen Arpachiyah und Tell Mefesh sind offenbar dem Gehöfttypen SR V zuzurechnen. Chagar Bazar und Hassuna sind leider nicht zu bestimmen. Östlich des Tigris besteht im Norden der komplexe, stratifizierte Typ SR VII in Tepe Gaura weiter, Tell Rashid an den Hängen des Zagros ist als Typ SR V-Gehöft zu deuten. Can Hassan in Anatolien ist auch in diesem Zeitabschnitt der einzige und der letzte Ort mit einer SR IV-Besiedlung. In der Levante tritt das erste Mal seit der ersten Hälfte des 7. Jahrtausends in Hamath ein komplexer

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lung ist zwar Typ KH-e zuzuordnen, Lagenlehm- und Ziegelbau treten jedoch parallel auf. Der SR-Typ kann nicht bestimmt werden. Aufgrund der Bautechnik sind die komplexeren Typen SR VI und VII jedoch sehr unwahrscheinlich und es ist entsprechend mit einer SR IVoder SR V-Organisation zu rechnen. Im Vergleich des 6. und des 5. Jahrtausends wird eine weitere Signifikanz deutlich. Die SR-V-Gehöfte des frühen 6. Jahrtausends gehören weitgehend der schlichten, wenig dezentrierten Raumordnung des Typen KH-d an, in der zweiten Hälfte überwiegt bereits die Kombination SR V+KH-e. Dieser Trend setzt sich bis in das 5. Jahrtausend fort, bis schließlich alle Gehöfte in einen komplexen kosmologisch-habituellen Kontext eingebettet sind. Die Gehöfte des frühen 6. Jahrtausends unterscheiden sich in ihrer habituellen Ordnung klar von denen des späten 5. Jahrtausends. Dieser Wandel in der Organisation und habituellen Ordnung der Gehöftgemeinschaften korrespondiert wiederum mit einer Zunahme der Ziegelbauweise, die in den SR V+KH-dSiedlungen deutlich seltener vertreten ist als in den SR V+KH-e-Siedlungen. Sowohl die formalen Aspekte der Architektur als auch die sozio-ökonomische Organisation und die kosmologisch-habituelle Raumordnung machen eine fortschreitende Annäherung der verschiedenen Kulturgruppen im 5. Jahrtausend deutlich. Das kommunale und das individuelle ökonomische Prinzip stehen sich nicht mehr gegenüber, ebensowenig wie grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen der Ordnung der Wirklichkeit. Im gesamten Untersuchungsgebiet kann mit patrisch geprägten Gesellschaftsformen gerechnet werden, und mit Religionsformen, die sich an astralen Phänomenen orientieren und sehr wahrscheinlich über ein komplexes Götterpantheon verfügen.

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Die kulturelle Ordnung des Raums im 4. Jahrtausend v. Chr.

Karte 44

Karte 45

Die sozio-ökonomische Organisation des Raums im 4. Jahrtausend

Die kosmologisch-habituellen Organisationsprinzipien im 4. Jahrtausend v. Chr.

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Im 4. Jahrtausend sind die Siedlungen mit einer kommunalen Wirtschaftsweise und Raumnutzung der Typen SR II und IV aus dem gut dokumentierten Befundmaterial völlig verschwunden und Organisationsformen mit einer Fokussierung auf den ökonomischen Vorteil einzelner Haushalte bestimmen das Bild. Es muß mit einer starken Zunahme privaten Raums und privaten Bodenbesitzes, sowie generell mit einer stärkeren Kontrolle allokativer und autoritativer Ressourcen gerechnet werden. Dieser Trend geht wie in den vorangegangenen Zeiten vor allem von den Regionen östlich des mittleren und oberen Tigris und von Südmesopotamien aus. Am mittleren Euphrat sind vor allem Siedlungen aus Einzelgehöften wie Tell al ´Abr oder Tell Mefesh üblich, in Südmesopotamien überwiegen komplexere SR VIund S VII-Siedlungen. Im Iran muß ebenfalls mit einer Haushaltsfokussierung gerechnet werden, diese Deutung ist jedoch nicht gesichert. Für weitergehende Aussagen reicht die vorliegende Datenbasis für das 4. Jahrtausend kaum aus. Die Tendenz antizipiert jedoch die Entwicklung der großen urbanen Zentren, die aus der anschließenden Urukzeit bekannt sind und hier, bis auf Tepe Gaura und Eridu, weitgehend ausgeklammert wurden. Alle Siedlungen sind nun in Lehmziegeltechnik errichtet. Die Kombination der weniger komplexen Form SR II mit Lagenlehmtechnik, die in den vorangegangenen Jahrtausenden immer wieder aufgetreten ist, kann nur noch für Abu Husaini angenommen werden, dessen SRTypus nicht näher bestimmt werden kann.

Zusammenfassung Im 9. Jahrtausend findet man im gesamten vorderasiatischen Bereich eine weitgehend gleichförmige Kulturausprägung mit nur geringfügigen Unterschieden vor, die durch homogene, kommunale Gemeinschaften und ein rundes, z.T. segmentiertes Weltbild gekennzeichnet sind, das von der Symbolik des Zentrums bestimmt wird. Es kann sowohl mit matrisch als auch patrisch geprägten Strukturen gerechnet werden sowie mit religiösen Praktiken im Rahmen schamanistischer Vorstellungen. Kontrolle von allokativen und autoritativen Resourcen findet nur im Rahmen der einzelnen Haushalte statt. Die einzig mögliche Gruppenbildung läßt sich anhand der Bautechnik ausmachen. Demnach bestünde eine regionale Gruppe am mittleren Lauf des Euphrat und eine am Oberlauf des Tigris. Das 8. Jahrtausend ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl lokaler Gruppen von individuellem Charakter. Es sind weitgehend homogene Gruppen mit ersten Ansätzen eines hierarchisch geordneten Weltbilds. In einzelnen, isolierten Zellen wie in Munhata, Abu Hureira und Cayönü entstehen erste komplexere Organisationsformen. In allen Siedlungen kann mit kommunaler Kooperation gerechnet werden und sowohl patrisch wie auch matrisch geprägte Sozialgefüge sind möglich. Im frühen 7. Jahrtausend treten die lokalen kulturellen Varianten weiterhin deutlich hervor. Im gesamten Untersuchungsgebiet orientiert sich der kosmologisch-habituelle Komplex nun aber zunehmend an dem orthogonalen, hierarchisierten Prinzip. Die erste regionale Gruppe, die anhand von Raumordnung und Architektur isoliert werden kann, befindet sich im Gebiet von Euphrat und Balikh und wird repräsentiert von Abu Hureira und Tell Sabi Abyad II. Inwieweit das fast 200 km entfernte Cayönü, das sehr ähnliche Grundrisse aufweist, mit den Siedlungen des mittleren Euphrats zusammenhängt, muß an dieser Stelle vorerst offen bleiben. In ihnen finden erstmals eine Dezentration des Wohnraums und eine Erhöhung der Komplexität statt. Nach wie vor überwiegen die kommunal wirtschaftenden Gemeinschaften ohne bestimmbare geschlechtsspezifische Prägung. Gemeinschaften mit patrischer Ordnung können nur in Hacilar und Jarmo angenommen werden.

Mit dem Beginn des 4. Jahrtausends sind einfachere kosmologisch-habituelle Vorstellungen des Raums nicht mehr nachweisbar. Es hat sich offenbar im gesamten Untersuchungsgebiet eine komplexe, stratifizierte und hierarchisiserte Vorstellung der Wirklichkeit durchgesetzt, die kein symbolisches Zentrum mehr besitzt, sondern geographisch zu verortende religiöse Mittelpunkte in der Form von heiligen Stätten und Tempeln, deren Raum weitgehend von religiösen Amtsinhabern kontrolliert wird. Die Kombination SR VII/KH-e aus dezentriertem Wohnraum, geographisch lokalisiertem Mittelpunkt, komplexer hierarchisierter Gemeinschaft mit individueller Ökonomie und fortschreitender Resourcen- und Raumkontrolle, die sich schon in der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends in Mesopotamien weitgehend durchgesetzt hat, erweist sich als endgültig stabil und ist Ausgangspunkt für alle weiteren zivilisatorischen Entwicklungen, von den Stadtstaaten der Urukzeit bis heute. Die Übereinstimmungen von sozio-ökonomischer und kosmologisch-habitueller Organisation des Raums machen eine annähernde kulturelle Homogenität des gesamten mesopotamischen Bereichs in der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends wahrscheinlich. Im folgenden Kapitel V.3. soll diese Vermutung näher untersucht werden.

In der 2. Hälfte des 7. Jahrtausends bildet sich die regionale Gruppe am mittleren Euphrat und in der nördlichen Jazirah deutlicher aus. Zu ihr gehören Abu Hureira, Bouqras, Tell Sabi Abyad II und Umm Dabaghiyah, in größerem Zusammenhang wahrscheinlich auch Cayönü und einige andere Siedlungen, die wegen ihrer Bautechnik in dieser Arbeit nicht berücksichtigt worden sind, wie z.B. Nevali Cori und Göbekli Tepe. Sie bilden sowohl bezüglich der sozio-ökonomischen Organisation, der kosmologisch-habituellen Ordnung und der formalarchitektonischen Merkmale eine einheitliche Gruppe, von der nur Umm Dabaghiyah leicht abweicht. Die Zuordnung von Cayönü zu dieser Gruppe scheint ebenfalls wahrscheinlich. Eine weitere Gruppenbildung kann für Anatolien postuliert werden, das mit Catal Hüyük und später Can Hassan eine sehr markante, eigenständige

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Bau- und Raumtradition aufweist. In allen anderen Gebieten scheinen vor allem lokale Traditionen ihren Einfluß zu behaupten.

Die übrigen, vorwiegend homogenen, kommunalen Gemeinschaften können anhand dieser Aspekte in keinen größeren kulturellen Zusammenhang gebracht werden.

Im frühen 6. Jahrtausend schrumpft das Gebiet der komplexen, kommunalen Euphrat-Gruppe auf den Bereich südlich des Euphrat auf der Höhe von Khabur und Balikh zusammen. Entlang des mittleren Tigris, austrahlend nach Westen in die Jazirah und nach Osten bis zum Zagros, entsteht in dieser Zeit eine neue Gruppe, in der erstmals eine ausgeprägte haushaltsfokussierte Wirtschaft und eine patrisch geprägte Sozialstruktur tradiert werden. Sie kann jedoch nicht als ganz homogen angesprochen werden, da in den einzelnen Siedlungen unterschiedlich komplexe kosmologisch-habituelle Vorstellungen zu walten scheinen. Diese beiden gegenüberstehenden Gruppierungen erscheinen am deutlichsten auf der Karte 35. In Anatolien bleibt die Tradition von Catal Hüyük und Can Hassan stabil. Offenbar kann auch Hacilar VI zu dem Einflußbereich dieses anatolischen Komplexes gerechnet werden. In den anderen Regionen des Untersuchungsgebiets muß weiterhin mit lokalen Kulturausprägungen gerechnet werden.

In der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends erscheint eine neue, weitgehend homogene Siedlungsgruppe in der Jazirah, die durch Rundbauten und SR II-Gemeinschaften charakterisiert wird. Zu ihr gehören nun auch Gebiete, die vorher eher der tigritischen, ostmesopotamischen Gruppe zuzurechnen waren. Der haushaltsfokussierte, patrische Kreis hat sich deutlich weiter nach Südosten verschoben. Nun stehen sich in erster Linie die kosmologisch-habituellen Prinzipien KH-c mit kommunaler Ökonomie in Nordwestmesopotamien und KH-e mit individueller Ökonomie in Südostmesopotamien gegenüber. Dies wird besonders auf den Karten 40 und 41 deutlich. Das anatolische komplex-kommunale Modell hält sich nun mehr nur noch in Can Hassan. In der Levante halten sich höchstwahrscheinlich weiterhin kleine, kommunale Gruppen. Im späten 5. Jahrtausend setzt sich die komplexe, haushaltsfokussierte und patrisch geprägte Ordnung, ausgehend von den osttigritischen Gebieten zunehmend auch in anderen Gebieten durch, und die schlichten Organisationsformen mit rundem Weltbild halten sich nur noch vereinzelt in der Jazirah.

In der 2. Hälfte des 6. Jahrtausends ist die EuphratGruppe gänzlich verschwunden. Es hat offenbar ein Zusammenbruch der komplex-Kommunalen Gemeinschaften stattgefunden. Mit ihnen verschwindet die komplexen Vorestellungen kosmologischer Ordung. Lediglich in Tell Sabi Abyad I kann man Rudimente dieser Kulturgruppe vermuten. Die haushaltsfokussierten, patrischen Siedlungen am Tigris haben sich erhalten und teilen sich nun auch ein einheitliches komplex-orthogonales Weltbild. Auch die Siedlungen in Anatolien bleiben in ihrem räumlich-architektonischen Kontext stabil.

Im 4. Jahrtausend hat sich fast im gesamten Untersuchungsgebiet ein analoges, kulturelles Raumsubstrat durchgesetzt, das mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer haushaltsfokussierten Sozio-Ökonomie, patriarchalischer Sozialstruktur und einem komplexen, segmentierten und hierarchischen religiösen Verständnis assoziiert ist.

Abb. 67 Übereinstimmungen von sozio-ökonomischen und kosmologisch-habituellen Organisationstypen 250

V.3. Architektonischer Raum und kulturelle Kontinuität: Bau- und Raumtraditionen im Vergleich mit den keramisch-archäologischen Kulturgruppen Keramische und konventionelle Kulturgruppen vor 8000 v. Chr.

Karte 46

Konventionelle Kulturgruppen vor 8000 v. Chr.

Die Bestimmung einzelner sog. Kulturgruppen in den ersten Jahrtausenden des Neolithikums gestaltet sich bislang äußerst schwierig und wird bis auf eine grobe Einordnung meist unterlassen. Das epipaläolithische bzw. protoneolithische Natufium wird in der Regel anhand von Mikrolithen, Knochengeräten und Bestattungen innerhalb der Siedlungen bestimmt, das PPN A wird davon vor allem durch die El-Khiam Pfeilspitzen und Bestattungen innerhalb der Häuser abgegegrenzt. Oft überschneiden sich aber die Zuweisungen zu Natufium und PPN A (Bar-Yosef, 1989, S.57ff.; Moore, 1975, S. 60ff.; Mellaart, 1972, S.139ff.; ceVaux, 1966, S. 6, 12; Singh, 1974, S.56). Die Unterscheidung von PPN A und PPN B wird nach Kathleen Kenyon vor allem anhand der runden oder eckigen Hausformen in Jericho vorgenommen. Andere Ansätze, die mit PPN A oder PPN B abgedeckten enormen Zeiträume und Gebiete weiter zu differenzieren, fehlen bis heute weitgehend (Reinhold & Steinhof, 1995, S.9ff.; Bernbeck, 1995, S.28ff.; Brunner et al., 1993, S.15, 22). Die Sitte die Toten im Natufium innerhalb der Dörfer und in PPN A und B innerhalb der Häuser unter den Fußböden zu begraben, ist zwar in den meisten Gebieten des Nahen Ostens verbreitet, daraus aber eine jeweilige kulturelle Homogenität des gesamten Kultur- und Zeitraums abzuleiten, wie es mitunter geschieht, mag nur als begrenzt sinnvoll und gerechtfertigt

erscheinen (Reinhold & Steinhof, 1995, S.20; MüllerKarpe, 1998, S.148). Vergleicht man die üblichen kulturellen Zuweisungen der Siedlungen des 9. Jahrtausends mit den Bautechniken dieser Zeit (siehe Karte 2) wird eine klare Übereinstimmung deutlich: für alle Natuf-Fundorte kann eine vegetabile Bauweise mit Lehmbeschlag nachgewiesen oder als sicher angenommen werden, an allen PPN AFundorten ist eine reine Lehmbauweise belegt. Dieser Übereinstimmung entsprechen die Übergänge von Natufium zu PPN A in Jericho und Muraibit, die in Jericho mit Sicherheit, in Muraibit höchstwahrscheinlich mit einem Wechsel von der vegetabilen Konstruktion zur Lehmbauweise einhergehen. Die üblichen kulturellen Zuweisungen finden sich also in den formal-architektonischen Merkmalen wieder, auch wenn kein Bruch der räumlichen Organisation zwischen den beiden Kulturstufen stattfindet. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß die Architektur, auch ohne als Merkmal explizit genannt zu werden, durchaus eine Rolle bei der Zuordnung gespielt hat.

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Keramische und konventionelle Kulturgruppen im 8. Jahrtausend v. Chr.

Karte 47

Konventionelle Kulturgruppen im 8. Jahrtausend v.Chr.

Die kulturellen Zugehörigkeiten im 8. Jahrtausend werden vor allem durch Materialvergleiche der Siedlungen untereinander bestimmt. Die Zuweisungen durch Bestattungen erscheinen wenig sinnvoll, da in allen Siedlungen dieser Zeit gehockt unter den Fußböden der Häuser bestattet wird. Lediglich die separaten Schädelbestattungen in Jericho, Abu Hureira und später in Catal Hüyük unterscheiden sich von den übrigen Fundorten. Neben den Stein- und Knochenwerkzeugen dienen vor allem Figurinen und Obsidiane dazu, die Beziehungen der einzelnen Siedlungen und Regionen untereinander zu rekonstruieren. Die einzigen großen Gruppen, die sich nur vage unterscheiden lassen, sind die anatolisch-levantinische und die iranische Gruppe, wobei letztere vor allem durch Knochengeräte definiert wird. Die einzige Übereinstimmung, die jedoch nur mit großem Vorbehalt festgestellt werden kann, ist das Fehlen komplexerer sozio-ökonomischer Organisationsformen im iranisch-frühneolithischen Bereich. In dem anatolisch-levantinischen Bereich gibt es keine klaren Übereinstimmungen der architektonischen Merkmale, die eine kulturelle Homogenität belegen. Die Vielfalt der formalen und räumlichen Variationsbreite der Siedlungen steht im klaren Gegensatz zu den weitgehend gleichförmigen Kleinfunden. Zwar besteht offenbar ein gemeinsamer kultureller Hintergrund mit kommunalistischer Grundstruktur, dieser wird aber offenbar von den lokalen Gruppen in allen Gebieten eigenständig weiterentwickelt und interpretiert. Diese Entwicklung hängt sicher mit der immer stärker werdenden Bindung an einen begrenzten Siedlungsraum

zusammen, wodurch die Mobilität, und damit der Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen beschränkt wird. Im Gegensatz zu der vorneolithischen Zeit muß man wahrscheinlich damit rechnen, daß eine Ausbreitung der Merkmale einzelner Gruppen nicht mehr nur in Form der passiven Kulturübertragung vonstatten geht, wie im Natufium anzunehmen ist, sondern daß einzelne Gruppen aktiv ihren Wirkungsbereich ausgedehnt haben, um Nutzland unter ihre Kontrolle zu bringen. Daß diese Landnahme nicht nur mit friedlichen Mitteln erfolgte, beweisen die zahlreichen Waffen, die in dieser Zeit auftauchen und deutlich für den Kampf Mensch gegen Mensch hergestellt worden sind (Müller-Karpe, 1998, S.152). Wahrscheinlicher als Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen neolithischen Gruppen sind Konflikte zwischen seßhaften und nomadischen Gruppen, die auch für die Neuzeit überall dort dokumentiert worden sind, wo diese verschiedenen Lebenskonzepte aufeinander treffen (Gaube, 1982, S.293ff.; Morgan, 1881/ 1965, S.147; Striedter, 1990, S.161 ff.) Man kann einerseits mit einer beginnenden, z.T. kriegerischen Kolonisation rechnen, bzw. einer Verteidigung der Vorräte mit kriegerischen Mitteln, andererseits muß die Einflußnahme vollneolithischer Kulturen in den Kolonisationszonen auf die jeweilige Vorbevölkerung zunehmend stärker geworden sein. Mit Sicherheit wurden viele neolithische Praktiken kaum verfälscht von angrenzenden, noch präneolithischen Gruppen übernommen (Müller-Karpe, 1976, S.38).

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Keramische und konventionelle Kulturgruppen im 7. Jahrtausend v. Chr.

Karte 48

Konventionelle Kulturgruppen im 7. Jahrtausend v. Chr.

Nach konventioneller kultureller Einordnung stellt der gesamte Bereich westlich des Tigris auch im 7. Jahrtausend eine kulturelle Einheit dar. Sie wird definiert durch Tierfigurinen, Steinartefakte, gehockte, z.T. dekapitierte Bestattungen unter den Fußböden, und in manchen Fällen anhand von ockergefärbten Fußböden und Wänden. Die Zusammengehörigkeit dieser Siedlungen, die dem levantinisch-anatolischen Kreis bzw. der Kulturstufe PPN B zugeordnet werden, wird gegen Ende des 7. Jahrtausends untermauert durch das Auftauchen der sog. dark face burnished ware in den Fundensembles. Ihr gegenüber steht wieder die iranische Gruppe östlich des Tigris, die gegen Ende des Jahrtausends mit der sog. Iranian oder Jarmo painted pottery identifiziert wird. Überschneidungen beider Kreise gibt es am Oberlauf des Tigris in Cayönü und Nemrik 9. Geht man von den Merkmalen des architektonischen und kulturell geordneten Raumes aus, muß dieses Bild jedoch korrigiert werden. Die Siedlungen in der Levante und am Oberlauf des Tigris sind demzufolge rein lokale Erscheinungen von z.T. ausgeprägt eigenständigem Charakter. Die Siedlungen Can Hassan und Catal Hüyük in Südostanatolien bilden einen eigenständigen Kreis, ebenso wie die komplexe Euphrat-Gruppe. Im Falle von Umm Dabaghiyah wird die Zuweisung zur EuphratGruppe, die bislang nicht eindeutig gewesen ist, durch die konventionelle Zuordnung klar bestätigt. Alle Siedlungen, die dem PPN B zugeordnet werden, weisen eine rein kommunale sozio-ökonomische Ordnung auf. Eine Haushaltsfokussierung kann nur für Jarmo in dem iranischen Bereich rekonstruiert werden. Möglicherweise können also der iranische und der ana-

tolisch-levantinische Kreis durchaus als kulturelle Großgruppen mit jeweils gemeinsamen Wurzeln und Grundstrukturen angesehen werden, aber keinesfalls als kulturell homogene Gebiete. Im 7. Jahrtausend haben sich, ausgehend von einem jeweils gemeinsamen kulturellen Hintergrund, zahlreiche lokale Traditionen ausgebildet, von denen sich einige beginnen auch regional durchzusetzen. Die holistische Architekturanalyse erweist sich also in diesem Fall als ein deutlich präziseres, weiterführendes Mittel um kulturelle Gruppierungen zu ermitteln, als die herkömmliche Vernetzung von Kleinfunden und Bestattungssitten. Typisch für diese Zeit ist die Bildung von „Riesendörfern“, wie etwa Abu Hureira, Bouqras, Catal Hüyük und Jericho, sowie andere Siedlungen, die aufgrund ihrer Bauweise in dieser Arbeit nicht näher behandelt werden, wie etwa Basta oder Ain Ghazal. Die Ursachen für diese bis zu 16 ha großen Zusammenballungen von Haushalten, deren Entstehung erst durch die neue Wirtschaftsweise der Nahrungsproduktion möglich geworden ist, können sowohl die bereits oben erwähnte Notwendigkeit zur Durchsetzung eigener Interessen gegen nomadisierende Gruppen sein, als auch kultur-inhärente kohesive Kräfte, wie sie z.B. Newman für matrilineare Gruppen in Afrika festgestellt hat (Newman, 1998, S.43). Für den zweiten Erklärungsansatz spricht die kommunal ausgerichtete sozio-ökonomische Raumorganisation der genannten Siedlungen und die Figurinen, die in diesen Siedlungen häufig auftauchen und als kultische Darstellungen einer Muttergottheit interpretiert werden (Cauvin, 1988, S.182ff.). 253

Keramische und konventionelle Kulturgruppen im 6. Jahrtausend v. Chr.

Karte 49

Konventionelle Kulturgruppen in der ersten Hälfte des 6. Jahrtausends v. Chr.

Karte 50 Konventionelle Kulturgruppen in der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends v. Chr. 254

Das frühe 6. Jahrtausend zeigt erneut das keramisch homogene Gebiet des anatolisch-levantinischen Kreises, in dem nun die Dark Face Burnished Ware als Kulturindikator dient. Entlang des Zagrosgebirges erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der Iranian Painted Pottery und lokaler, von ihr beeinflußter Gruppen. Im nördlichen Bereich des mittleren Tigris tritt zum ersten Mal Hassuna-Keramik auf, die sich in Matarrah und in Tell esSawwan mit der Dark Face Burnished Ware, iranischen Formen und der ersten Samarra-Keramik überschneidet. In beiden Fällen bleibt die Zuordnung in den Publikationen jedoch undeutlich. Klar ist nur, daß sich in diesem Gebiet verschiedene keramische Einflußbereiche treffen und mindestens zwei neue Tradition ihren Anfang nehmen. Weiter nördlich erscheinen in Arpachiyah Frühformen der Halaf-Keramik. Es muß allerdings erneut auf die nicht unproblematische, frühe Datierung dieses Fundorts hingewiesen werden. In Westanatolien und Palästina, auf Zypern und in Turkmenistan sind Keramiktypen von vorwiegend lokaler oder regional begrenzter Prägung verbreitet. In der vorderorientalischen Peripherie, in Turkmenistan, tritt ab ca. 5800 v. Chr. die Dzejtun-Kultur auf. Ihr werden bislang 10 Siedlungshügel zugerechnet, die alle ein kulturell homogenes Bild ergeben. An den keramischen Formen und dem lithischen Material lassen sich entfernte Ähnlichkeiten mit den Siedlungen des iranischen Bereichs feststellen, wie Jarmo, Tepe Guran, Ali Kosh u.a., und einige Details der Innenraumgestaltung der Häuser ähneln denen des anatolisch-levantinischen Bereichs. Für den Formierungsprozeß der Dzejtun-Kultur sind aber wahrscheinlich agrarische Gruppen aus dem Iran, die die turkmenischen Gebiete kolonisierten, und die von ihnen neolithisierte mesolithische Urbevölkerung verantwortlich (Müller-Karpe, 1982, S.9, 15, 45). Die Architektur der Dzejtun-Gruppe ist offensichtlich eine unabhängige Erscheinung. Auffällig ist die strenge, räumliche Ordnung innerhalb der Häuser. Die isolierte Siedlungsweise in quadratischen, einräumigen Häusern aus Zabur wird fast das ganze 6. Jahrtausend beibehalten. Es ist jedoch eine Tendenz zum akkumulierenden Cluster zu verzeichnen. Gegen Ende des Jahrtausends wird mit einer neuen Zuwanderungswelle der AnauKultur aus dem iranischen Raum der Lehmziegel eingeführt. An der Innenraumkonzeption der Häuser ändert sich jedoch, trotz einem Wandel der materiellen Kultur, nichts.

zu den großen, regionalen Ausprägungen der kommunal organisierten Gemeinschaften im westlichen Bereich des Untersuchungsgebietes schlägt sich die Inhomogenität der haushaltsfokussierten Gruppen, die bereits in der Untersuchung der architektonischen Raums dieser Zeit deutlich geworden ist, auch in den keramischen Ensembles nieder. Zwar findet zwischen den einzelnen Siedlungen offensichtlich ein Austausch statt, es scheinen aber dennoch verschiedene lokale Traditionen auf allen Ebenen miteinander zu konkurrieren. Die Übereinstimmungen zwischen sozio-ökonomischem Typ und der Bautechnik (Karte 35), die eine deutliche Gruppenbildung zwischen Jazirah und Zagros zeigen, sind also wohl eher sozio-ökonomisch terminiert, als markant für eine einheitliche Kulturgruppe. Die einander entsprechenden Verbreitungsgebiete von Dark Face Burnished Ware und kommunalen Gemeinschaften hingegen, legen zumindest eine gewiße kulturelle Nähe der verschiedenen regionalen Gruppen nahe. Eine Differenzierung kultureller Marker, wie es keramische Formen sind, findet in diesem Gebiet deutlich weniger ausgeprägt statt. Das archäologische Material legt nahe, daß Gruppen mit einer schwach hierarchisierten, haushaltsfokussierten Sozio-Ökonomie offenbar tendenziell eher eine materielle Kultur hervorbringen, die sich durch formale, nicht unmittelbar funktionale Kennzeichnung von Gebrauchsgegenständen anderer Gruppen abgrenzt, also eine stärkere Bedeutung als Identitätsträger besitzt, als es in kommunalen Gruppen üblich ist. In kommunal organisierten Gruppen scheint andererseits die lokale Identität und die Abgrenzung von anderen Gruppen eine geringere Rolle zu spielen. Diese Vermutung müßte jedoch erst durch weitere ethno-archäologische Untersuchung bestätigt werden. Mit der Euphrat-Gruppe verschwindet in der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends auch der anatolisch-levantinische Einfluß im Bereich von Khabur und mittlerem Euphrat. Am Tigris haben sich inzwischen zwei markante Keramikkreise gebildet: die Samarra-Keramik auf der Höhe des Diyallah und weiter im Norden die Hassuna-Keramik. Die Samarra-Keramik weist einen strengen Gestaltungskanon auf und ist im Gegensatz zu der Hassuna-Ware offenbar von spezialisierten Töpfern hergestellt worden, was durch verschiedene Siegel, die ihr eingeprägt wurden, bestätigt wird. Die Kreise lassen sich auch anhand ihrer Bautradition unterscheiden. In den Hassuna-Siedlungen sind die Haushalte deutlich kleiner, es wird sowohl mit Lagenlehm als auch mit Ziegeln gebaut und runde Gebäude sind durchaus üblich. In den Samarra-Siedlungen, in denen der iranische Einfluß zu Beginn des Jahrtausends noch deutlich spürbarer war, wird ausschließlich mit Ziegeln gebaut, die Gebäude sind sehr groß und komplex und runde Bauten fehlen vollständig. Beide Bereiche sind haushaltsfokussiert und sehr wahrscheinlich patrisch geprägt, haben sich aber klar von den östlichen Einflußbereichen und voneinander emanzipiert. Die bereits oben erwähnte Konkurrenz zwischen den einzelnen Siedlungen und den regional begrenzten Kulturen findet ihren deutlichen Ausdruck in der befestigten SR-VI-Siedlung von Tell es-Sawwan. Die gesamte Anlage des Dorfes und der Hofhäuser, so-

Im westlichen Untersuchungsgebiet ist erneut signifikant, daß sich der Bereich in dem die Dark Face Burnished Ware verbreitet ist, weitgehend mit dem Verbreitungsgebiet von Gruppen mit kommunaler Organisation, also den Typen SR II und SR IV deckt. Um den mittleren Tigris, in dessen Einzugsbereich vor allem haushaltsfokussierte Gemeinschaften siedeln, trifft man mehrfach auf iranische Einflüsse und lokale Kulturen, die von ihnen geprägt sind. Mit der Hassuna-Keramik tritt schließlich eine erste eigenständige Form mit wachsender Verbreitung auf, die sich mehrfach mit anderen Formen überschneidet. Es wird allgemein angenommen, daß die Hassuna-Keramik nicht von Spezialisten gefertigt wird, sondern im Rahmen der häuslichen Aktivitäten hergestellt wird (Bernbeck, 1995, S.29ff.). Im Gegensatz

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wie die fehlenden Hinweise auf eine ökonomische Nutzung der Freiflächen innerhalb der Umfriedung kennzeichnen die Siedlung deutlich als eine pseudo-dörfliche Zweckgemeinschaft, die offenbar in dieser Form gegründet wurde, um lokale Macht zu demonstrieren und sich bei der Erschließung von Ackerland gegen andere seßhafte oder nomadische Gruppen durchzusetzen. Ein Siedlungszusammenschluß mit dem Zweck in matrilinearem Kontext soviel Abstammungslinien wie möglich zusammenzufassen (s.o.) kann aufgrund der für patrisch geprägte Kulturen typischen Privatisierung und Abgrenzung des Raumes als unwahrscheinlich gelten. Es besteht also nicht nur zwischen den Haushalten, sondern auch zwischen den Siedlungs- und Populationsgruppen ein ausgeprägter Konkurrenzkampf. Daß dennoch ein reger Austausch zwischen den verschiedenen keramischen Kreisen stattfindet, wird durch die zahlreichen Samarra-Gefäße in Hassuna-Siedlungen, und in geringerem Maße auch umgekehrt, bestätigt. Weiter westlich ist die Verbreitung von Keramikformen, die dem anatolisch-levantinischen Kreis zugeordnet werden, deutlich zurückgegangen und es prägen sich, wie z.B. in der Amuq-Ebene, immer mehr lokale Varianten aus. Nach wie vor sind alle Siedlungen dieser Art kommunal organisiert. Die Halaf-Keramik, die nun sicher datierbar in Tell Sabi Abyad 1 auftaucht, und die sich höchstwahrscheinlich am Balikh aus einer lokalen Tradition heraus entwickelt, ist sowohl dort, als auch in Arpachiyah mit einer kommunalen Organisation des sozio-ökonomischen Raums und dem runden, segmentierten kosmologisch-habituellen Prinzip KH-c assoziiert. Sie taucht auch als Export in der Samarra-Siedlung Matarrah auf, deren Architektur aber unverändert bleibt. Die Keramikformen erweisen sich in dieser Zeit als ein durchaus markanter Indikator für kulturelle Zugehörigkeiten. Die Gruppierungen, die in V.1. und V.2. herausgearbeitet worden sind, werden z.T. untermauert, in einigen Fällen auch weiter differenziert. Die Inkongruenzen zwischen Keramik- und Architekturformen haben deutlich abgenommen.

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Keramische und konventionelle Kulturgruppen im 5. Jahrtausend v. Chr.

Karte 51 Konventionelle Kulturgruppen in der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr.

Karte 52 Konventionelle Kulturgruppen in der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr.

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In der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends hat sich die Halaf-Keramik über die ganze nördliche Jazirah ausgebreitet und strahlt in Richtung Westen bis nach Hamath am Orontes aus, in Richtung Osten mindestens bis Tepe Gaura. In Tell es-Sawwan und auch in Hassuna, wo die Samarra-Keramik die Hassuna-Ware weitgehend abgelöst hat, tritt Halaf-Keramik nun verstärkt auf. In Südmesopotamien und östlich des Tigris tritt mit der Eriduund der sich daraus entwickelnden Hajji Muhamad-Keramik eine neue Ware auf, die eher mit der iranischen Susiana-Keramik verwandt scheint, als mit den Formen aus Nordmesopotamien. In den Tälern entlang des Zagros können sich immer noch lokale Traditionen erhalten oder neu entwickeln, wie z.B. in Tepe Sabz. Auch in der Levante haben sich sich mehrere kleine Regionalkulturen entwickelt, die sich teilweise überschneiden, wie Amuq, Yarmuk, Wadi Rabah und Qatafian (Kerner, 1995, S.68ff.; Garfinkel, 1993, S.115ff.). Ähnlich sieht es im iranischen und turkmenischen Bereich aus, in dem sich meist lokale Traditionen mit den Einflüssen der Iranian Painted Ware mischen.

den Dzejtun-Formen vermischen, kann eine friedliche, aber dominierenden Zuwanderung aus dem iranischen Bereich angenommen werden. Die Zuwanderer scheinen sich später mit der nicht verdrängten Vorbevölkerung zu vermischen und ein Ausgleich zwischen beiden Gruppierungen scheint stattzufinden. Bemerkenswert ist die sofortige Übernahme der neu eingeführten Bautechnik, die sich, wie das Kapitel V.1. gezeigt hat, üblicherweise immer als das konservativste Element der Architektur erweist. Die Hausformen setzen sich in diesem Fall aber deutlich langsamer durch (Müller-Karpe, 1982, S.2, 3, 45ff). Es wurden offenbar überlegene Techniken oder prestigeträchtige Baumaterialien angenommen, wobei es aber keine Veranlassung gab, die kulturell bedingte Strukturierung des Raumes den neuen kulturellen Einflüssen anzupassen; es geschah also vielleicht nur formal, wie es ähnlich für die rezente "islamische" Architektur in nicht-islamischen Regionen am Nigerbogen gilt, oder die Übernahme von Wellblech statt Stroh zur Dachdeckung (Fiedermutz-Laun, 1990, S.18). Die Clustersiedlungsweise, die gleichzeitig mit der Anau Ia-Kolonisierung Einzug hält und, wie in Abschnitt V.1. diskutiert, den Wechsel zur Ziegelbauweise begünstigt, hat in Turkmenistan wohl zwei Ursachen: Erstens wurde die im Iran übliche agglutinierende Siedlungsweise von den Zuwanderern mitgebracht, und zweitens hat sich wahrscheinlich auch der Trend zum akkumulierenden Cluster, der sich bereits in Cagylly-Tepe abzeichnete, durchgesetzt, dessen Ursachen in einer Bevölkerungszunahme oder einer anderweitigen Verknappung des Baugrundes liegen dürfte (Müller-Karpe, 1982, S.43). Im Gegensatz zu allen anderen Beobachtungen, die bislang in dem vorliegenden Material zu machen waren, erweist sich in Monzukly Tepe die Hausform, und nicht die Bautechnik, als das konservativste Moment der Architektur. Da die bislang untersuchten Bereiche auf keine so klar faßbare, friedliche Kolonisierung in kurzer Zeit schließen ließen, es sich vielmehr meist um längere, kultur-inhärente Prozesse der Architekturentwicklung gehandelt hat, kann man aus diesem kontrapunktierenden Vorgang in Turkmenistan folgendes schließen: Bei einer eigenständigen Entwicklung der Architektur, die sich in größeren Zeiträumen abspielt und vorwiegend rein reaktiv ist, wird die unreflektierte Bautechnik als letztes Merkmal den Notwendigkeiten von neuen Hausund Siedlungsformen angepaßt, ist also am konservativsten. Dieses Verhalten taucht in fast allen menschlichen Bereichen wieder auf und hat eine anschauliche Analogie in den ethnographischen Beobachtungen von Esther Boserup bezüglich der Landwirtschaftsintensivierung in Afrika. Nach ihren Erkenntnissen vollzieht sich ein Wandel der Arbeitstechnik nur unter extremem Populationsdruck. Bauern halten solange an ihren tradierten Techniken fest, bis das Bevölkerungswachstum und der zunehmende Nahrungsmangel sie zwingt, ihre Wirtschaftsweise zu intensivieren (Ester Boserup, 1965, nach G. Barker, 1985, S.258ff.). Findet aber keine selbständige Entwicklung statt, sondern ein akuter kultureller Transfer z.B. in Form einer Kolonisierung oder einer anderen starken Beeinflußung der Vorbevölkerung, werden, wie es in Monzukly Tepe der Fall ist, offensichtlich Kulturtechniken, die in dem gegebenen Siedlungskontext als vorteilhaft oder prestigeträchtig erscheinen, schnell übernommen. Die kultu-

Wie in dem vorangegangen Jahrtausend decken sich die keramischen Kreise weitgehend mit den architektonischen Gruppen. Es wird aber ebenfalls deutlich, wie z.B. die Halaf-Importe von Matarrah zeigen, daß Keramik durchaus auch unabhängig von kulturellem Habitus Verbreitung finden kann und deshalb weitaus weniger geeignet ist, einer Siedlung eine eindeutige kulturelle Identität zuzuweisen. Das wird auch deutlich in dem architektonischen Wandel von Arpachiyah. Dort werden die Halaf-typischen Tholoi in der Schicht TT 6 bereits aufgegeben, während Spätformen der Keramik aber noch in Verwendung sind. Die Obed-Keramik tritt erst nach dem architektonischen Wandel ab TT 5 verstärkt im Material auf. Die Gruppe am mittleren und unteren Tigris, die aus architektonisch-räumlicher Sicht als in gewissen Maße homogen angesprochen werden konnte, kann anhand der Keramik differenzierter betrachtet werden. Die Siedlungen, die durch Eridu- und Hajji Muhamad-Keramik gekennzeichnet sind, scheinen wieder stärker von lokalen und östlichen Einflüssen bestimmt zu werden, im Gegensatz zu den Samarra-Siedlungen, die sich schon bereits im vorangegangenen Jahrtausend von den iranischen Einflüssen emanzipiert haben und nun eher von der Ausstrahlung der Halaf-Kultur erfasst werden, wie sich auch in der letzten Schicht von Tell es-Sawwan durch die Übernahme der typischen Tholos-Architektur zeigt. Ein interessantes Beispiel für die Mechanismen kulturellen Transfers bietet in dieser Zeit Turkmenistan. Cagylly Tepe ist noch weitgehend der späten DzejtunKultur zuzuordnen, in Monzukly Tepe mischen sich die einheimischen Formen mit der nordiranischen Anau 1Kultur, die vorübergehend dominant wird. Gleichzeitig mit den ersten Anau 1-Keramiken tritt die vorher ungebräuchliche Lehmziegelbauweise auf, mit der nun auch die klassischen, standardisierten DzejtunHäuser in Cagylly Tepe gebaut werden. Erst in dem jüngeren Monzukly Tepe treten auch neue Hausformen auf. Da sich die Anau-Keramikformen mit der Zeit mit

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relle Ordnung des Raumes wird hingegen, soweit es geht, bewahrt. Die Hausform ist in solchem Fall also das konservativste Architekturmerkmal, und nicht die Technik. Diese Beobachtung wird durch die ethno-archäologischen Untersuchungen der “internal” und “external domains”, also der habituellen Anpassung innerhalb und außerhalb der Haushalte, die sich vor allem in der Gestaltung des Raums widerspiegelt, von S. Burmeister bestätigt, der das Verhalten von Immigranten in Amerika untersucht hat (Burmeister, 2000, S.542). In der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends breitet sich die Obed-Keramik von Südmesopotamien aus über den ganzen mesopotamischen Bereich aus. In Tepe Farukhabad und Tepe Sabz beeinflußt sie deutlich die lokale Ware, in Hassuna und Arpachiyah überdeckt sie langsam die Halaf-Keramik und in Tell Mefesh am mittleren Euphrat weist die dort aufgefundene Obed-Keramik deutliche Merkmale auf, die für die Halaf-Ware typisch sind. Die Halaf-Keramik kann sich in reiner Form nur noch in Yarim Tepe 2 mitten in der Jazirah, in Chagar Bazar an den Zuläufen des Khaburs und in Hamath am Orontes halten. Es scheint, als würde sich die Obed-Keramik vor allem entlang der großen Flußläufe verbreiten und deren Hinterland zunächst noch nicht erreichen. Im Bereich des Jordangrabens und im südlichen Anatolien sind nach wie vor lokale Kulturen verbreitet. Diese Entwicklung deckt sich wiederum weitgehend mit den Ergebnissen der holistisch-architektonischen Analyse, nach der sich nur in der Jazirah vereinzelt das runde kosmologisch-habituelle Prinzip, das für die Halaf-Kultur typisch ist, erhalten kann und sich mit der Obed-Keramik auch das komplexe, orthogonale Weltbild und eine komplexe hierarchische und haushaltsfokussierte sozioökonomische Organisationsform immer stärker verbreiten. Andererseits scheint die Halaf-Keramik nicht mehr unbedingt mit der Ordnungsform KH-c assoziiert zu sein, wie die Bauformen in Hamath und Chagar Bazar zeigen, und wie bereits vorher schon in Arpachiyah zu beobachten war. An diesen Orten sind die Halaf-Keramiken mit einem z.T. komplexen orthogonalen Raumverständnis assoziiert. Interessant ist, daß in den älteren Samarra-Siedlungen die Halaf-Scherben gleichzeitig mit der Architektur wie in Tell es-Sawwan, oder sogar vor dem Auftauchen der typischen Tholoi, wie in Matarrah, im Fundmaterial erscheinen, in den Halaf-Siedlungen selbst allerdings ein Architekturwechsel stattfindet, bevor sich die Obed-Keramik verbreitet.

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Keramische und konventionelle Kulturgruppen im 4. Jahrtausend v. Chr.

Karte 53

Konventionelle Kulturgruppen in der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr.

Auch im beginnenden 4. Jahrtausend entspricht die architektonisch-räumliche Analyse weitgehend den Keramikkreisen. Mit der Obed-Keramik hat sich überall eine patrisch geprägte, hierarchisierte und segmentierte Ordnung durchgesetzt. Die iranischen Siedlungen zeichnen sich durch die Clusterbildung aus, die sonst nur in Hamath belegt ist. In den Obed-Orten wird isoliert gebaut.

nische Analyse gleichzeitig vermag, Grundzüge der sozialen, ökonomischen und ideellen Organisation aufzuzeigen, wodurch sie deutlich besser in der Lage ist, kulturelle Großräume und Entwicklungen zu erfassen und zu beschreiben.

Kennzeichnend für die kulturelle Ordnung der ObedZeit und der folgenden Epochen ist die fortschreitende Zentrenbildung. Die Rahmenbedingungen dieser Entwicklung sind einerseits die zunehmende Hierarchisierung der Gesellschaft und das daraus resultierende, in III.3. beschriebene Bedürfnis so nah als möglich bei den administrativen Zentren zu siedeln, andererseits das kosmologisch-habituelle Prinzip KH-e, das sich in dieser Zeit endgültig durchgesetzt hat, und die Bildung überregionaler Zentren und die Kontrolle religiösen Raums und autoritativer Resourcen erst ermöglicht. Der Vergleich der architektonisch-räumlichen Aspekte mit den Keramikkreisen und konventionellen kulturellen Zuweisungen hat gezeigt, daß sich eine Bestimmung kultureller Gruppen anhand von Bautraditionen vor allem in der akeramischen Zeit und dem frühen Neolithikum anbietet. In der akeramischen Zeit muß die Analyse des kulturellen Raums und der Architektur als ernstzunehmende Alternative zur Untersuchung der Kleinfunde gelten. Im Weiteren ergänzen sich beide Vorgehensweisen sehr gut, wobei eine holistisch-architekto-

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V.4. Naturräumliche Einflüsse auf die Architektur und die Organisation des Raums

Allgemein kann man aber davon ausgehen, daß in der ersten Hälfte des 6. Jahrtausends das Klima im Nahen Osten stetig trockener und heißer wurde und südlich der kurdischen Berge und westlich des Zagros vor 7000 und zwischen 5500 und 3500 v. Chr. mit leicht höherer Feuchtigkeit gerechnet werden kann, die südlich des 32. Breitengrades eindeutig nachzuweisen ist (Butzer, 1978, S.9, 11; 1965, S.14, 19; Nützel, 1976, S.20; Nissen, 1988, S.55; Ganji, 1978, S.161). Sonst gab es offenbar kaum natürlich bedingte Umweltveränderungen. Beeinträchtigt wurden viele Gebiete allerdings durch Rodung und Überweidung durch den Menschen und seine Haustiere. Die damit verbundenen Zerstörungen können seit dem 8. Jahrtausend beobachtet werden und waren höchstwahrscheinlich die Ursache für die anschließende, lange Besiedlungslücke während des Übergangs zum keramischen Neolithikum in Palästina, für das in diesem Zeitabschnitt eine Rückkehr zum Nomadismus angenommen wird (Brice, 1978, S.141 ff.; Butzer, 1965, S.6, 7: Mellaart, 1967b, S.3; Flannery & Hole, 1967, S.165). Da, wie weiter oben gezeigt worden ist, die Größe der Gebäude unter anderem von dem zur Verfügung stehenden Bauholz abhängig ist, kann die Aufgabe der großen Gemeinschaftshäuser in der 1. Hälfte des 7. Jahrtausend also auch umweltbedingt sein. Es fehlten schlicht die Materialien, um diese Bau- und Wohnform zu tradieren.

Der Nahe Osten ist ein Gebiet, das sowohl klimatisch als auch topographisch sehr stark aufgegliedert ist. Auf relativ engem Raum wechseln sich eine Vielzahl verschiedenster klimatischer Bedingungen ab, die ihrerseits unterschiedliche ökonomische Konzepte erfordern. Im Westen herrscht das mediterrane Küstenklima mit seiner typischen Waldvegetation vor, östlich, hinter dem ariden Jordangraben, schließen sich weite Steppen und Halbwüsten an, in die wiederum die Schwemmzonen von Euphrat und Tigris eingebettet sind. Im Norden und Osten werden diese begrenzt durch die kurdischen Berge und das Zagros-Gebirge. Dahinter erstrecken sich das anatolische Hochland und das iranische Plateau mit seinen Salzwüsten, die im Norden an regenreiche Berge und Küstenregionen anstoßen. Auch die mitunter extremen Höhenunterschiede des Nahen Ostens sind Ursache für die mitunter sehr komplexen klimatischen Systeme (Clutton-Brock, 1978, S.29; Fullard, 1977, S.100, 101; vanZeist & Bottema, 1991, S.19). Es gibt jedoch eine Gemeinsamkeit aller vorderasiatischen Regionen: den Winterregen, der sich zeitlich in Richtung Herbst oder Frühling verlagern kann. Die einzigen Gebiete, in denen auch im Sommer mit Niederschlägen zu rechnen ist, sind die Höhenzüge des Libanon (vanZeist & Bottema, 1991, S19; Banse, 1910, S.79). Zwar ereignen sich auch mitunter in der sonst semi-ariden Jazirah im Sommer heftige Gewitterstürme, doch sind sie eine Ausnahme (Kirkbride, 1972, S.4).

Die Tendenz zur Entwicklung lokaler Gruppen, die sowohl im Zagrosgebirge, als auch in Palästina immer wieder zu beobachten ist, findet in den Umweltbedingungen ihre Entsprechung. Palästina wird vor allem durch den Jordangraben und die parallel zur Mittelmeerküste verlaufenden Gebirgszüge in zahlreiche klimatische und topographische Zonen unterteilt, die vom milden Seeklima über subtropische Verhältnisse im Jordangraben und feuchtwarmes Bergklima bis zu dem ausgesprochnen Wüstenklima der Negev und der jordanischen Wüste reichen (Kerner, 1995, S.68). Die Zuweisung einer klimatischen Adaption der Architektur scheint auf den ersten Blick für die Siedlungen in den Gebieten mit Seeklima möglich. Hier wurde, wie in Ras Shamra und Tell Kurdu, immer isoliert gebaut, was eine Anpassung an die größere Luftfeuchtigkeit und die Niederschlagsmengen bedeuten könnte. Da aber im benachbarten Can Hassan unter identischen Bedingungen in einem ausgesprochenen Cluster gesiedelt wurde, scheint die Siedlungsform doch eher kulturell bedingt zu sein. Auch in Jericho, in dem immer mit einem heißen und trockenen Klima zu rechnen war, wurden alle möglichen Konstellationen der Siedlungsform durchexerziert: runde Bauweise in clusterähnlicher Dichte, eckige Bauweise im Cluster, runde, isolierte Bauweise, sowie eckige isolierte Bauweise. Eine klimatisch determinierte Siedlungsweise und Bauform hat es hier offensichtlich nicht gegeben. Andererseits erfordert jede der Regionen im palästinischen Raum aufgrund der topographischen und klimatischen Kleinräume eine spezielle ökonomische Adaption, die nur mit Vorbehalt auf andere Umweltverhältnisse übertragen werden kann, wodurch eine Bindung an ein bestimmtes ökologisches Setting und somit eine Ortsfestigkeit entsteht (Byrd, 1989, S.162, 167 ff.). Die Gebirgszüge bilden zudem natürliche Barrieren, die einen

Die Rekonstruktion des Klimas im Nahen Osten ist nicht nur wegen seiner Vielfältigkeit schwierig, sondern auch wegen der schlechten Quellenlage, sowohl in Bezug auf die Erhaltung und Dokumentation fossiler Hinweise auf Umweltbedingungen, die entsprechend in Chronologien eingehängt werden können (Butzer, 1978, S.6; Curtis et al., 1978, S.233), als auch im Bezug auf Interpretationsgrundlagen, wie vollständige bioklimatische Karten der behandelten Gebiete, die bislang noch nicht erstellt worden sind (vanZeist & Bottema, 1991, S.20). Auch die erzielten Ergebnisse widersprechen sich nicht selten (Butzer, 1978, S.6).

Abb. 68 Klimarekonstruktion anhand einer Tiefbohrung im Persischen Golf (Nissen, 1988, S.55)

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Austausch unter den einzelnen Gruppen erschweren. Solche topographischen Begrenzungen sind auch für die Siedlungen entlang des Zagrosgebirges kennzeichnend, die sich fast alle in isolierten Tälern befinden und deshalb eher Kontakt zu den westlichen Ebenen und dem östlichen Plateau pflegten, als zueinander (Nissen, 1988, S.52). Auch in diesem Gebiet treten immer wieder lokale Architektur- und Keramikformen auf und setzen sich z.T. gegen die Keramiken der großen Formenkreise durch (Mellaart, 1967c, S. 14ff, 45; Flannery & Hole, 1967, S.181). Diese räumliche Begrenzung und Isolation kann als Ursache für die mitunter auf eine Siedlung beschränkten Traditionen gelten.

Wirtschaftsweise vornehmen zu müssen. Demenstprechend bilden sich in der Jazirah auch die ersten faßbaren überregionalen Kreise architektonischer Tradition, wie die im Vorangegangenen unter dem Namen EuphratGruppe zusammengefassten Siedlungen des PPN B in Syrien und dem Nordwest-Irak. Auch alle späteren überregionalen Erscheinungen wie die Hassuna-, Samarra-, Halaf- und Obed-Kultur nehmen ihren Anfang im mesopotamischen Bereich. Vergleicht man die verschiedenen Bautraditionen Mesopotamiens im Verlauf des gesamten Neolithikums, werden die Übereinstimmungen in den nord- und südmesopotamischen Gebieten besonders augenscheinlich. In der nördlichen Jazirah tauchen zu allen Zeiten immer wieder isoliert stehende Rundbauten aus Lagenlehm auf, die dort auch heute noch gebräuchlich sind, im Süden dominieren isoliert stehende, komplexe Gebäude (Aurenche, 1986, S.74; Mallowan, 1967, S.54ff.).

Der mesopotamische Raum stellt hingegen ein sehr einheitliches Gebiet dar, in dem sich mit den Flußläufen von Euphrat und Tigris und ihren Nebenflüssen zudem infrastukturelle Adern befinden, die eine Kommunikation zwischen verschiedenen Siedlungsgebieten auch über weite Strecken ermöglichen. Lokalen Gruppen ist es möglich, sich über ihr ursprüngliches Gebiet hinaus auszudehnen, ohne tiefgreifende Veränderungen ihrer

Abb. 69

Isohyetenkarte des Nahen Ostens (van Zeist & Bottema, 1991, S.21)

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Auf der Isohyetenkarte ist deutlich zu sehen, daß die Verbreitungsgebiete dieser beiden Gruppierungen durch die 200 mm Isohyete getrennt sind. Der Norden hat außerdem eine etwas niedrigere Jahresmitteltemperatur. Zwar liegen die Sommertemperaturen höher als im Süden, da der kühlende Einfluß vom Golf fehlt (Höchsttemperatur August: 440C in Mosul und Baghdad, 390C in Basra), doch die Wintertemperaturen liegen dort durchschnittlich um 50C, im Süden hingegen um 100C. Im Norden sinkt die Temperatur im Winter an ca.20 Tagen unter den Gefrierpunkt, im Süden so gut wie nie. Dort muß aber regelmäßig mit Sandstürmen gerechnet werden, die in der Jazirah nur selten auftreten (Curtis et al., 1978, S.233ff.; Butzer, 1965, S.9,26; vanZeist & Bottema, 1991, S.20ff.; Kirkbride, 1973s, S.1; 1974, S.88). Für das gesamte Mesopotamien gilt, daß es im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt für seine geographische Breite ist. Für die sommerliche Erwärmung ist ein extremes, konstantes Tiefdruckgebiet über dem Südirak verantwortlich, das die Wüstenwinde aus dem Westen anzieht, und für die winterliche Abkühlung sorgen die zentralasiatischen Kältemassen (Banse, 1910, S.95ff.; Curtis et al. 1978, S.233). Die ökonomische Praxis der Siedlungen nördlich und südlich der 200mm Isohyetengrenze müssen sich klar voneinander unterschieden haben, denn die südlicheren Siedlungen liegen außerhalb des Bereichs, in dem Regenfeldbau möglich ist. Für den Feldbau in Südmesopotamien ist also das Wissen um Bewässerungstechniken unabdingbar, was bereits für die Samarra-Siedlungen durch Florenfunde von verschiedenen Fundorten und Befunde von künstlichen Gräben in Choga Mami bestätigt wird (Bernbeck, 1995, S.34; Oates, 1969, S.135; Nissen, 1988, 56 ff.). Durch die Bewässerung der Felder war die Subsistenzgrundlage weitaus sicherer als die der Siedlungen in den Regenfeldbaugebieten im Norden. Die Haushalte konnten weitaus größer werden und waren unabhängiger voneinander, sofern sie genügend Arbeitskräfte für die anfallenden Arbeiten freistellen konnten. Große, kommunale Vorratslager, die in Dürreperioden der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehen mußten, wie in den wetterabhängigen Regenfeldbaugebieten, waren nicht nötig und fehlen in den Befunden (Bernbeck, 1995, S.36, 37). Diese ökonomische Gegebenheit ermöglicht also eine Emanzipation der einzelnen Haushalte von der Dorfgemeinschaft und eine Zunahme der Haushaltsgröße, die wiederum eine zunehmende Differenzierung der Arbeit und Hierarchisierung autoritativer Ressourcen auf der Haushaltsebene mit sich bringt.

Flußmarsch ist von Niederschlägen unabhängig. Es standen der Siedlung also mehrere, aneinander grenzende Ökosysteme zur Verfügung, die zusammen eine flexible und überaus zuverlässige Subsistenzgrundlage darstellten, und damit auch die Grundlage für das erstaunliche Wachstum der Siedlung bildeten. Wegen der hohen Verdunstungsrate bestand allerdings, und besteht auch noch heute, die ständige Gefahr einer Versalzung des Bodens, was mit großer Wahrscheinlichkeit zu der Aufgabe der Siedlung geführt hat (Boerma, 1983, S.362-365). Es ist also, durch die Gewährleistung der Wasserversorgung auf den Feldern, durchaus für eine gewisse Zeit eine Landwirtschaft ohne erhöhtes Risiko für die einzelnen Haushalte möglich gewesen, wodurch große Haushalte, wie in der Samarra-Kultur, entstehen konnten. Die gesamte Gestalt der Siedlung läßt allerdings auf eine Siedlungsgemeinschaft mit einem deutlich ausgeprägteren Kommunalwesen schließen, als z.B. für Tell es-Sawwan rekonstruiert werden kann. Die ökonomischen Gegebenheiten haben also offenkundig Einfluß auf die Größe der Siedlungsgemeinschaft und der einzelnen Haushalte, aber nicht notwendigerweise auf das Verhältnis zwischen Haushalt und Kommune. Interessant ist auch, daß die Aufgabe der Siedlung Bouqras etwa in die gleiche Zeit fällt, wie die Aufgabe von Tell Sabi Abyad 2 und Abu Hureira, die in dieser Arbeit alle zur sog. Euphrat-Gruppe gezählt werden können. Genau in dieser Zeit ist laut der Ergebnisse der Tiefbohrung des Forschungsschiffs Meteor im Persischen Golf mit einem überdurchschnittlich heißen und trockenen Klima zu rechnen (Nützel, 1976, S.20; Nissen, 1988, S.55). Diese Trockenzeit, die ihr Ende erst gegen ca. 5500 v. Chr. erreichte, kann also klar mit dem Ende der großen und komplexen Siedlungen der Euphratgruppe in Verbindung gebracht werden.

Eine ganz ähnliche Situation muß für Bouqras angenommen werden. Die Siedlung liegt direkt oberhalb der Überschwemmungsebene am Zusammenfluß von Khabur und Euphrat. Auf einer Seite ist der Siedlungshügel von einem Wadi flankiert, das wegen des dort hohen Grundwasserspiegels durchaus als Ackerland dienen kann (Boerma, 1983, S.362). In der Flußmarsch gab es offensichtlich eine reichhaltige Tier- und Pflanzenwelt, in der angrenzenden Steppe ein entsprechend anderes nutzbares Faunenensemble (Waterbolk-van Rooyen & Zeist, 1983, S.358; Clason, 1983, S.359). Regenfeldbau auf dem Plateau war wahrscheinlich nicht möglich, oder mit hohem Risiko verbunden, aber die

Es wird deutlich, daß sowohl der sozio-ökonomische, als auch der klimatisch-adaptive Ansatz auf den ersten Blick eine plausible Erklärung für die Hausform in Süd-Mesopotamien liefern, daß aber beide notwendigerweise herangezogen werden müssen, wenn man sich einem vollständigen Verständnis des architektonischen Raums nähern will. Erst die unterschiedlichen Ansätze gemeinsam können dem Phänomen annähernd gerecht werden.

Die Größe der Häuser läßt sich aber nicht nur durch die wirtschaftliche Situation erklären, sondern sie ist auch klimatisch sinnvoll. Sie vereinigt eine große Baumasse in einem geschlossenen Komplex, die sich durch ihre Speicherfähigkeit stark regulativ auf das Klima innerhalb des Hauses auswirkt und zudem der Sonne eine proportional geringere Einstrahlungsfläche bietet. Auch die Tradition der Hofhäuser, die sich vor allem im südlichen und östlichen Mesopotamien ausbildet, und die für haushaltsfokussierte Sozio-Ökonomien typisch ist, ließe sich durch klimatische Überlegungen erklären. Einerseits wirkt ein Innenhof, wie in Kapitel II.2.5 erläutert wurde, klimatisch regulierend, andererseits bietet er Schutz vor den im Südirak üblichen Sandstürmen.

Die immer wiederkehrende runde Bauweise in Nordmesopotamien kann ebenfalls, ergänzend zu der Interpretation, sie sei ein Phänomen, das vor allem in einem religiösen Konzept der Weltordnung verankert sei, durch

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klimatische und wirtschaftliche Erklärungsansatze begründet werden. Die geringen Siedlungs- und Haushaltsgrößen sind offenbar abhängig von dem risikoreichen Regenfeldbau, dem vor allem mit dörflicher Kooperation und kommunaler Vorratshaltung begegnet werden kann, um Ernteausfälle zu kompensieren. Entsprechende kommunale Speicher sind ebenfalls für die nördliche Jazirah typisch (Bernbeck, 1995, S.32). In kleinen Haushalten findet wiederum eine geringere Arbeitsteilung statt und deshalb, nach Susan Kent, wird der Raum kaum oder gar nicht segmentiert, und das wiederum ermöglicht das Wohnen in unsegmentierten Rundbauten. Die extreme Sommerhitze kann ebenfalls als Erklärung für die Kuppelbauweise der nordmesopotamischen Tholoi dienen. Ihre in II.2.4. beschriebenen klimatischen Eigenschaften machen sie überaus geeignet für dieses Gebiet.

rend auf heißes Klima aus. In kalten Regionen bedeutet das aber einen deutlichen Nachteil, denn je stärker segmentiert ein Gebäude ist, desto mehr Räume und Mauermassen müssen beheizt werden. Die einräumige Bauweise, die in diesen Gebieten üblich ist, ist also auch klimatisch von großem Vorteil. Demzufolge kann der klimatische Unterschied von Nord- zu Südmesopotamien auch unmittelbar, und nicht nur auf dem Umweg der Wirtschaftsweise, gestaltend auf die Hausform wirken. Da die Kuppelbauweise sich als besonders widerstandsfähig gegen Erdbeben erweist, wie in II.2.4. geschildert, wäre es naheliegend, wenn sich diese Bauweise in Gegenden durchgesetzt hat, in denen mit einer erhöhten seismischen Aktivität zu rechnen ist. Tatsächlich gibt es aber für diese Vermutung keinerlei Anhaltspunkte. Die östliche Levante und Mesopotamien, besonders die nördliche Jazirah, in der die Tholoi immer wieder im architektonischen Formenspektrum erscheinen, sind weitgehend von Erdbebengefahr verschont. In den Gebieten, die in dieser Arbeit archäologisch erfasst sind und die in gefährdeten Zonen liegen, also das Zagrosgebirge, Ostanatolien und weite Bereiche des Iran, fehlen die Tholoi.

Andererseits lassen sich die durchschnittlich 20 Wintertage mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ebenfalls als Ursache für eine begrenzte Hausgröße in der nördlichen Jazirah ins Feld führen. Denn vergleicht man z.B. auch die Regionen mit 30 Frosttagen pro Jahr (siehe Abbildung 69) mit der Komplexität der Gebäude in diesem Bereich, fällt auf, daß geringfügig segmentierte oder einräumige Häuser die Regel bilden. Can Hassan, Catal Hüyük, Hajji Firuz und die Siedlungen der Dzejtun-Kultur liegen alle in Gebieten mit sehr kalten Wintern. Wie weiter oben geschildert wurde, wirken sich große Baumassen innerhalb eines Gebäudes moderie-

Abb. 70 Regionen mit mehr als 30 Frosttagen je Winter (Piesbergen, 2000, S.304, nach Butzer, 1965, S.10ff.)

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Abb. 71 Erdbebengebiete der Levante und Vorderasien (Piccione, Internet) Auch wenn offensichtlich viele Umweltfaktoren gestaltend auf die Ordnung des Raums und die Form der Wohnhäuser wirken können, muß das Augenmerk der Archäologie als Wissenschaft vom menschlichen Verhalten vor allem auf den Entscheidungsprozessen innerhalb kultureller Systeme ruhen. Für die Bewältigung der Anforderungen eines jeden ökologischen Kontexts und klimatischen Settings stehen immer verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung, und diese werden schließlich immer nur von der spezifischen Form der Handlung einer jeden Kulturgruppe ausgewählt und als kulturspezifisch terminiert. Wäre dem nicht so, müssten Siedlungsgruppen mit entsprechender sozio-ökonomischer Organisation in klimatisch analogen Regionen immer annähernd identische Architekturen hervorbringen, was durchaus nicht der Fall ist. Auch wenn die Umweltbedingungen jeweils den Rahmen allen Handelns schaffen und klimatisch-funktionalistische und andere materialistische und ökonomische Deutungen oft als hinreichende Erklärung für räumliche Formfindungen erscheinen mögen, möchte ich an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich auf den holistischen, komplimentären Ansatz verweisen, demzufolge die unterschiedlichen Erklärungsmodelle zwar jeweils für sich genommen richtig sind, aber keinesfalls wahr und die einzig zulässigen sein können. Möchte man sich der Architektur als einer Hervorbringung menschlicher Kultur nähern, kann eine Reduktion auf klimatischen oder ökonomischen Adaptionismus niemals ausreichen, um das Phänomen des kulturellen Raums in seiner Gänze zu erfassen. Tatsächlich ist eine solche Perspektive im Bezug auf die Erforschung prähistorischer Kulturverhältnisse sogar kontraproduktiv, da durch sie die ideelle Ordnung des Raums, die mit Sicherheit Bestandteil jeder menschlichen Bewußtseinsleistung ist, negiert wird. Der Komplex Umwelt-Architektur-Kultur kann nur vollständig verstanden werden, wenn die verschiedenen

Erklärungsansätze nicht mehr als sich gegenseitig ausschließend begriffen werden, sondern als notwendige komplementäre Antinomien, die uns erst ermöglichen, das geschlossene Ganze hinter dem Ensemble der durch das analytische Denken abgesonderten und isolierten Phänomene zu erahnen. Das Ensemble aus naturräumlicher Anpassung, technischem Niveau, sozio-ökonomischer Organisation von Wohnraum, Haushaltsgemeinschaft, Siedlungsgestalt und Kommune, sowie die kosmologisch-habituelle Ordnung räumlicher Vorstellung, möchte ich zusammenfassen unter dem Begriff des „kontextuellen Raums“. Er ist untrennbar in die verschiedenen Ebenen seines Umfelds eingebunden. Diese Zusammenhänge können zwar auf unterschiedliche Weise „gelesen“ werden, dennoch bleibt der kontextuelle Raum an sich immer kohärent, auch wenn die verschiedenen Lesarten, die nicht zugleich erfolgen können, alle innerhalb ihres Rahmens ausschließlich und richtig sind. „Auch ist es nicht unterteilt, da es in seiner Gesamtheit gleichmäßig ist: und keineswegs ist es irgendwo mehr was seinen Zusammenhang hindern könnte - noch etwa weniger, sondern ganz ist es voll von Seiendem. Demnach ist es ganz zusammenhängend; denn Seiendes stößt an Seiendes. Und unbeweglich in den Grenzen gewaltiger Fesseln ist es ohne Anfang, ohne Ende, da Werden und Verderben in weiteste Ferne verschlagen sind;“ (Parmenides: Vom Wesen des Seienden, nach Goppold, 1998).

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VI. Formulierung der Hypothesen:

wirtschaftende kleine Haushalte sind deshalb eher auf die Feuchtlehmtechniken beschränkt. • In seßhaften, agrarischen Gruppen ist keine egalitäre Gesellschafts- und Raumordnung nach dem Typ SR I zu erwarten, ebensowenig ein einheitliches, unsegmentiertes Weltbild entsprechend KH-a. • Die zunehmende Segmentierung und Differenzierung des Raums korreliert mit der Zunahme an Privatbesitz. • Die Entwicklung einer komplexen Vorstellung der ideellen Ordnung des Raums und die Ausdifferenzierung der Sozio-Ökonomie korrelieren miteinander. • Die Seßhaftigkeit fördert die Entwicklung eigenständiger kultureller Ausprägungen • Gruppen mit kommunal geprägter Raumordnung neigen, im Gegensatz zu individuellen, haushaltsfokussierten Gruppen, weniger zu der ausgeprägten, symbolischen Markierung von Gebrauchsgegenständen.

Die Entwicklung der Lehmarchitektur und des kulturellen Raums VI.1. Regelhafte Wahrscheinlichkeiten und Ensembles • Bei langfristigen Entwicklungen der Architektur ist immer mit einer zunehmenden Segmentierung des Wohn- und Siedlungsraums zu rechnen, sowie einer Entwicklung vom runden zum eckigen Gebäude. Am Beginn jeder architektonischen Entwicklung steht demzufolge der unsegmentierte Rundbau, an ihrem Ende das komplexe, eckige Gebäude. • Die lehmbautechnische Entwicklung beginnt mit der vegetabilen Bauweise, schreitet fort zu den verschiedenen Feuchtlehmtechniken und endet vorläufig mit seriell hergestellten Formziegeln. • Das Bauen mit Lehmziegeln kann nur dort anstatt einer Feuchtlehmtechnik als erste reine Lehmbautechnik auftreten, wo eine Anregung durch das Bauen mit Steinen gewährleistet ist. • Es gibt keine notwendigen Übereinstimmungen zwischen Lehmbautechnik, Bauform und Siedlungsform. Einzige Ausnahme bilden Kuppelbauten, die in reiner Form nur aus Ziegeln errichtet werden können, und Stampflehmbauten, die aufgrund der Holzverschalungen immer nur lineare Mauern haben können. • Bei eigenständiger Entwicklung ist die Bautechnik immer das konservativste Element der verschiedenen architektonischen Elemente. Bei einer von Außen angeregten Entwicklung, die aber nicht mit einer kulturellen Adaption einhergeht, bleibt die ideelle Ordnung des Raums, also die Organisation des Innenraums am längsten bestehen • Willentlich gebaute Cluster werden vornehmlich aus Wohneinheiten gebildet, die nicht mehr als eine erweiterte Kernfamilie oder eine vergleichbare Gruppe beherbergen. • Große, komplexe Wohneinheiten, die mindestens eine erweiterte Familie oder eine vergleichbare Gruppe beherbergen, stehen innerhalb von Siedlungen in der Regel isoliert. Sind sie in ein Cluster eingebunden, dann meist durch eine nachträgliche, addierende Verbauung ehemaliger Freiflächen. • Zunehmende Innenraumkomplexität, Siedlungsdichte und -größe, sowie eine Clusterbildung begünstigen die Verbreitung der Ziegelbauweise. • Die Bautechnik steht nicht notwendigerweise in Zusammenhang mit einer konventionellen, keramischen Kulturgruppe, sondern eher mit den jeweiligen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen. Je mehr Arbeitskräfte von der reinen Subsistenzwirtschaft freigestellt werden können und je mehr Arbeitsteilung stattfindet, desto wahrscheinlicher wird der Übergang zur Ziegelbauweise. • Je größer die Innenraumkomplexität, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit runder Bauweise. • Werden kleine, gering segmentierte Haushalte in flach hierarchischen, kleinen Siedlungen mit der arbeitsintensiveren Lehmziegelbauweise errichtet, ist eine kommunale Kooperation anzunehmen, die das Freistellen von Arbeitskräften ermöglicht. Vergleichbare individuell

VI.2. Die Entwicklung des kontextuellen Raums in der vorderasiatischen Lehmarchitektur Der kontextuelle Raum des 9. Jahrtausends ist gekennzeichnet durch seine runde unsegmentierte, nicht hierarchisierte Bauweise, die im Natufium noch mit vegetabilen Materialien ausgeführt wurde, die auch für nicht dauerhafte Behausungen üblich waren. Der Lehm diente zunächst nur als Mittel, um diese Konstruktionen abzudichten. Erst in den Siedlungen des frühen präkeramischen Neolithikums PPN A wurden reine Lehmtechniken entwickelt. In Regionen, in denen der Stein als Baustoff inspirierend wirken konnte, wurden z.T. schon handgeformte Lehmziegel hergestellt, sonst wurde nur mit Feuchtlehmtechniken gebaut, die ein Mitwirken aller Gruppen- bzw. Haushaltsmitglieder erlaubten. Mit der fortschreitenden Seßhaftigkeit und der produzierenden Subsistenzwirtschaft, dem Pflanzenanbau seit dem PPN A und der Tierhaltung seit dem PPN B muß definitiv mit dem Ende der rein egalitären Organisation menschlicher Gruppen gerechnet werden. Dies äußert sich vor allem mit einem ideellen Bedeutungszuwachs der Hausgemeinschaften, der abzulesen ist an den Bestattungen, die nun nicht mehr auf Freiflächen der Siedlung stattfinden, sondern innerhalb der Häuser unter den Fußböden und der Verlegung der Herdstellen ins Innere des Wohnbereichs. Die familiäre Bindung gewinnt an Bedeutung und der Raum wird segmentiert in private und kommunale Bereiche durch entsprechende Grenzen zwischen Haushalt und Gemeinschaft. Dies spricht außerdem für eine Ausweitung privaten Besitzes innerhalb der Haushalte, in denen man mit einer Differenzierung der Bedeutung der Geschlechter rechnen kann, sowie einer beginnenden Differenzierung von Arbeitsprozessen. Eine Dominanz des einen über das andere Geschlecht ist nicht zu erwarten. Sowohl matri- wie auch patrifokale Ordnungen sind möglich. Auf der dörflichen Ebene manifestieren sich keine raumkontextuellen Hierarchien und es kann höchstens mit einer temporären Kontrolle autoritativer Ressourcen in Form eines durch verschiedene Kompetenzen geprägten zeitlich begrenzten Häuptlingstums oder einem „primus inter pares“ gerechnet werden.

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Schließlich äußert sich der Umbruch zu Beginn des Neolithikums in einer veränderten Vorstellung der Welt, die nicht mehr als untrennbare Einheit verstanden wird. Diese Vorstellung, wenn nicht schon vorher vorhanden, wird spätestens jetzt durch die zyklischen Abläufe der agrarischen Lebensweise und die entsprechende Unterteilung der Zeit begünstigt. Der Weltraum wird wahrscheinlich konzeptualisiert als eine menschliche Sphäre und mindestens eine numinose Gegenwelt, die beide durch die Weltachse, den Mittelpunkt der Welt verbunden werden. Dieses symbolische Zentrum der Welt befindet sich innerhalb der Rundhütten. Jede Wohngemeinschaft bildete auf diese Weise, trotz starker Kommunalität der Siedlungsgemeinschaft, nicht nur eine sozioökonomische, sondern auch eine religiöse Einheit mit eigenständiger räumlicher und sozialer Sphäre und einem Bedeutungsmuster auf Haushaltsebene.

vorstellung, die den Raum als hierarchisch und bedeutsam segmentiert begreift. Die Grundlagen dieser langfristigen und ungebrochenen Entwicklung der „EuphratGruppe“ bildet einerseits die sichere Kombination der allokativen Ressourcen von Schwemmland und Steppe, andererseits auch die in dieser Zeit feuchteren klimatischen Bedingungen, durch die der Regenfeldbau mit weniger Risiko verbunden ist. Mit der fortschreitenden Segmentierung des Raums muß auch mit einer fortschreitenden Differenzierung von sozialen Kategorien und Arbeitsabläufen gerechnet werden, die sich aber immer noch vorwiegend auf der Ebene der Haushalte abspielt. Kennzeichen einer patriarchalischen Ordnung können im anatolisch-levantinischen Einflußbereich noch immer nicht festgestellt werden. Der figurative Formenschatz legt eher eine matrisch geprägte soziale Ordnung nahe, auf die auch durch die Anordnung der Bestattungen in Catal Hüyük verwiesen wird (dazu siehe auch Mellaart, 1970, S.311; Hodder, 1990, S.9, 17). Auf der kommunalen Ebene muß weiterhin von flachen Hierarchien ausgegangen werden, die vielleicht in Form von Ältestenräten oder anderen Interessenvertretungen der einzelnen Großfamilien und Sippen angeführt werden. Im unmittelbaren anatolisch-levantinischen Bereich, der auch aufgrund seiner topographischen Bedingungen einen weniger geschlossenen kulturellen Raum bildet, wie es der nun wieder homogener gewordene Norden der Jazirah tut, ist der kontextuelle Raum weniger komplex ausgebildet und die einzelnen Haushalte sind kleiner. Wie die Siedlungen in Nordsyrien und Südostanatolien sind die Gemeinschaften auch in diesem Raum fraglos als kommunalistisch zu interpretieren. In Catal Hüyük wird die administrative Lücke zwischen den sehr kleinen Haushalten und der enorm großen Siedlungsgemeinschaft offenbar durch verschiedene Sippencluster innerhalb der Siedlung geschlossen (siehe dazu auch Heinrich & Seidel, 1969). In den Siedlungen von Jericho und Munhata befinden sich Gebäude, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit kommunale und kommunikative Aufgaben erfüllen. Der kontextuelle Raum wird in diesen Siedlungen also auf kommunaler Ebene und nicht innerhalb der Haushalte segmentiert, was auf eine noch deutlichere Ausprägung des Gemeinsinns und der kommunalen Zusammengehörigkeit hinweist. Die Variante des kontextuellen, kommunalen Raums in Form des Gemeinschaftshauses mit unsegmentiertem oder homogen segmentiertem Innenraum verschwindet hingegen als vereinzelter Sonderfall für immer aus der Formenvielfalt der vorderasiatischen Vorgeschichte.

Im 8. Jahrtausend wird der kontextuelle Raum langsam komplexer. Die Entwicklung in den verschiedenen Regionen beginnt sich durch die landwirtschaftlich bedingte Ortsfestigkeit zu verselbständigen und schreitet an einzelnen Fundorten deutlich schneller voran als an anderen, in denen sich im Vergleich zum späten 9. Jahrtausend kaum etwas verändert. Alle Entwicklungen, die stattfinden, spielen sich jedoch im Rahmen kommunaler Sozio-Ökonomien ab, in denen alle Haushalte gleichberechtigt nebeneinander stehen. Mit der Orientierung an zeitlichen Abläufen mit Hilfe der Himmelsbeobachtung wird die Vorstellung von einer um die Weltachse ausgerichteten kreisförmigen Wirklichkeit um das Koordinatenkreuz der Kardinalpunkte ergänzt, das wiederum mit den entstehenden Hierarchien innerhalb der Haushalte korreliert und sich in einigen Siedlungen gegenüber der konzentrischen Ordnung durchsetzt und sich in eckigen, z.T. sogar segmentierten Bauformen manifestiert. Die entstandene Hierarchisierung bleibt jedoch moderat und setzt sich in ersten Ansätzen nur auf kommunaler Ebene fort. Durch die Kooperation der Haushalte in der Dorfgemeinschaft können überall Arbeitskräfte zur Ziegelherstellung freigestellt werden. Die Lagenlehmbauweise wird nur noch an den süd-westlichen Ausläufern des Zagros in Ali Kosh praktiziert. In Munhata und Cayönü mündet die Entwicklung des kontextuellen Raumes in wenigen großen Häusern, die von Großfamilien, Sippen, Altersklassen oder anderen kompositären Hausgemeinschaften mit flacher Hierarchie bewohnt werden. In Abu Hureira entwickelt sich eine große Siedlung aus komplexen Häusern, die erweiterten Kernfamilien Platz bieten. Das Wachstum von Haushalt und Siedlung wird durch die sichere Wirtschaftslage zwischen den Schwemmgebieten des Euphrat und der tierreichen Steppe ermöglicht, die komplexe Hausform ist aber gleichzeitig dem Klima angepaßt, das deutlich wärmer und trockener ist, als in den bergigen Gebieten des „fruchtbaren Halbmonds“.

Die holistische Untersuchung der Architektur widerlegt deutlich die für das akeramische Anatolien und Obermesopotamien bisher gern angenommene Existenz von Führungseliten (Hauptmann, 1999, S. 65 ff.; Schachner, 1999, S.45, 51). Um komplexe Gemeinschaften zu organisieren sind zwar Autoritäten notwendig, diese müssen aber keineswegs an Individuen, die persönliche Macht ausüben, gebunden sein, sondern können auch durch symbolische Systeme repräsentiert werden, die die Integrität und Loyalität innerhalb der Gemeinschaften gewährleisten (siehe dazu auch Bargatzky 1986, S. 188 und Rappaport, 1976, S. 49; 1977, 52). Dadurch können

Im 7. Jts, vollzieht sich in der ganzen nördlichen Jazirah eine zu Abu Hureira analoge Entwicklung. In allen Siedlungen wird der Wohnraum eckig und komplex mit Lehmziegeln gebaut und zeugt von einer komplexen, kommunalen Sozio-Ökonomie, sowie von einer Welt-

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nicht nur individualistische, sondern auch kommunalistische Siedlungsgemeinschaften ein hohes Maß an Komplexität entwickeln.

strengen formalen Kanons zwingt, um die gemeinschaftliche Identität zu bestärken. Hinweise darauf sind z.B. die standardisierte Grundrißplanung der Häuser und die streng reglementierten Entscheidungsprozesse für Formgebung und Verzierung von Keramik, die ein rigides symbolisches System voraussetzen (Bernbeck, 1995, S.34). Im Bereich von Orontes und Jordan sind wiederum verschiedenste raumkontextuelle Lokaltraditionen zu beobachten, unter denen in der Amuq-Ebene auch erstmals möglicherweise patrisch geprägte, haushaltsfokussierte Ordnungen auftreten.

Mit der zunehmenden Trockenheit zum Beginn des 6. Jahrtausends ist mit einer fortschreitenden Versalzung des Schwemmlandes am Oberlauf des Euphrat und einem zunehmend riskanten Regenfeldbau in der nördlichen Jazirah zu rechnen. Die Euphrat-Gruppe, deren kulturelle Homogenität zuletzt durch die Verbreitung der Dark Face Burnished Ware bestätigt wird, zerfällt und mit ihr der kontextuelle Raum mit komplexer kommunaler Prägung. Die matrisch geprägte, komplexe kommunale Tradition erhält sich lediglich in Anatolien. Westlich des Khabur halten sich nur noch kleine Gruppen von lokaler kultureller Prägung, deren Entwicklung des kontextuellen Raums zurück auf das Niveau des frühesten Neolithikums fällt, gekennzeichnet durch die runde, unsegmentierte Lagenlehmbauweise, eine kommunale, homogene Sozio-Ökonomie und eine zentrierte runde Weltordnung. Auch im Gebiet östlich des Khabur treten wieder runde Bauformen auf, aber in Verbindung mit orthogonaler Architektur. In dieser Region, dem Ausgangsgebiet der Hassuna-Keramik, herrschen nun Siedlungsgemeinschaften vor, die eine schlichte, auf den Haushalt fokussierte, wohl patrisch geprägte sozio-ökonomische Ordnung aufweisen und wegen des Fehlens intensiver Kooperation auf dörflicher Ebene keine Arbeitskräfte zur Ziegelherstellung freistellen können. Sofern Arbeitsteilung stattfindet, geschieht dies nur in geringem Maße auf der Haushaltsebene, wofür auch die typische, schlichte Hassuna-Keramik spricht. Weiter im Süden können die ebenfalls patrisch geprägten Gehöftgemeinschaften der sich etwas später ausprägenden Samarra-Kultur, die sich genau wie die HassunaKultur wohl vorwiegend unter dem Einfluß des iranischen Kreises entwickelt und nun von ihm emanzipiert hat, aufgrund der neuen Technik des Bewässerungsfeldbaus und der ab 5500 v. Chr. wieder deutlich zunehmenden Feuchtigkeit zu enormer Größe anwachsen. Die fehlende Kooperation auf dörflicher Ebene wird ausgeglichen durch die Differenzierung der Arbeitsprozesse und eine Spezialisierung auf einzelne Tätigkeiten innerhalb der Haushalte. Dadurch werden wiederum die Voraussetzungen für die Ziegelherstellung geschaffen, sowie für die Herstellung der ausgereiften Samarra-Keramik. Mit der räumlichen und sozialen Differenzierung korreliert auch die komplexe Vorstellung der kosmologischen Ordnung, die streng geregelt scheint. Genauso wie die Samarra-Architektur soziale, ökonomische und ideelle Aspekte des Raums abbildet, so ist sie auch Ergebnis einer Anpassung an die klimatischen und politischen Bedingungen der tigritischen Region. Die komplexen Grundrisse mit ihren Höfen und der großen, geschlossen überdachten Baumasse begegnen dem heißen, fast ariden Klima auf ideale Weise und bieten zudem Schutz vor den regelmäßigen Sandstürmen. Die politischen Verhältnisse im Bereich der Samarra-Kultur sind offenbar von einem weitaus größeren Konkurrenzdruck geprägt, als im locker besiedelten Bereich der Hassuna-Kultur, was wiederum die miteinander konkurrierenden Haushalte einzelner Siedlungen zu einer sozialen Kontrolle der Individualinteressen mittels eines

In der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends breitet sich, sehr wahrscheinlich ausgehend von dem Gebiet zwischen dem mittleren Euphrat und dem Khabur, die Halaf-Kultur aus, deren markantestes Charakteristikum die Vorstellung einer kreisförmigen kosmologischen Ordnung ist, die sogar imstande ist, in Kontexten Fuß zu fassen und sich durchzusetzen, in denen vorher ein komplexeres, orthogonales Weltbild vorgeherrscht hat. Auf diese Weise findet erstmals und einzigartig in der Entwicklung der Lehmarchitektur Vorderasiens ein Wandel von eckiger zu runder Bauweise statt, dem kein radikaler Bruch in der Besiedlung vorangegangen ist. Für einen solchen Wandel fehlt bisher jegliche plausible, funktionalistische Erklärung. An dieser Stelle muß erneut angemerkt werden, daß die bisherige Datierung Arpachiyahs aus dem Jahre 1933 offensichtlich einer dringenden Überprüfung bedarf. Denn eine Entwicklung der Halaf-Keramik und -Bautradition aus einer lokalen Kultur am Balikh muß mittlerweile als gesichert gelten (siehe dazu auch Verhoeven, 1999, S.39ff, 204ff), und eine identische, parallele Entwicklung am fast 300 km entfernten Tigris kann als ausgeschlossen gelten. Viel wahrscheinlicher ist es, daß die eckige Bebauung, die den Tholoi in Arpachyah vorausgeht, einem Hassuna-Kontext zuzurechnen ist, der anschließend zur Halaf-Kultur „konvertiert“ ist. Die Interpretation der Halafkultur als einer vorwiegend religiösen Erscheinung, die keinesfalls einer spezifischen Halaf-“Ethnie“ zuzuordnen ist, macht auch die große Verbreitung von einzelnen Elementen in anderen raumkontextuellen Umfeldern klar. So konnten sich in ihrem Ursprungsgebiet erneut kommunale, komplexe Siedlungsgemeinschaften bilden, am Oberlauf des Tigris konnte sich in Tepe Gaura aus einem Halafkontext offenbar sehr schnell eine komplexe, stratifizierte Gesellschaft entwickeln, in der die runde Form als Rudiment sakralen Raums bis in die Urukzeit erhalten blieb, und selbst in dem dichten Siedlungscluster von Hamath, das ebenfalls als haushaltsfokussiert und patrisch geprägt gedacht werden muß, treten plötzlich funktional völlig sinnlose Tholoi mit der entsprechenden Halaf-Keramik auf. Das Halaf-Phänomen scheint also bis zu einem gewissen Grad unabhängig von sozio-ökonomischen Grundstrukturen zu sein. Die Rückkehr zur runden Bauweise erscheint zwar als ein architekturgeschichtlicher Atavismus, religionshistorisch ist ein erneutes Aufkommen des runden Weltbilds aber kein unwahrscheinlicher Sonderfall. „Als Religionshistoriker lassen wir uns an der Feststellung genügen, daß die Dialektik des Heiligen die spontane Umkehrbarkeit einer jeden religiösen Position erlaubt. ... Natürlich sind die verschiedenen Kulturgruppen an gewisse religiöse Formen organisch

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gebunden, doch das schließt in keiner Weise die Spontanität und letzten Endes die Ungeschichtlichkeit des religiösen Lebens aus. “ (Eliade, 1975, S.8) In der zweiten Hälfte des 5. Jahrtausends breitet sich vom Süden her die Obed-Kultur mit ihren typischen, sehr komplexen Hofhäusern mit ausgeprägter Fokussierung auf den Haushalt und ihrem patrisch kontrolliertem Raum aus. Die Halafkultur, die sich nach Süden etwa bis zum Diyalah ausgebreitet hat, wird zusehends verdrängt. Da an den meisten Halaf-Orten der kontextuelle Raum vor der Übernahme der Obed-Keramik zu einer komplexen, orthogonalen und differenzierten Ordnung zurückkehrt, während die Halafkeramik z.T. beibehalten wird oder sich mit den Obedformen mischt, kann davon ausgegangen werden, daß sich in vielen Siedlungsgruppen ein markanter Wandel vollzogen hat, bevor ein kultureller Übertritt zum Obed-Kontext stattgefunden hat. Da sich nur noch in der dünn besiedelten, zentralen Jazirah in kleinen Orten wie Yarim Tepe 2 der kontextuelle Raum der Halafkultur etwas länger halten kann als in den produktiveren Regionen, läßt sich die Vermutung anstellen, daß sich die Ordnung des Raums vor allem einer fortschreitenden Differenzierung der sozio-ökonomischen Organisation angepasst hat, und im Rahmen dieser Entwicklung entweder an noch rudimentär vorhandene komplexe, kosmologisch-habituelle Modelle, die den sozialen Gegebenheiten eher angepasst waren, angeknüpft wurde, oder der ursprüngliche Halafgedanke im Rahmen der nun weitgehend patrisch geprägten Individualökonomie zunehmend umgedeutet wurde, bis er soweit an die Ideologie der komplexen Haushaltsökonomie der Obed-Kultur angepasst war, daß eine Übernahme von deren materieller Kultur nur noch eine Formsache war. Für diesen Zusammenhang von Sozio-Ökonomie und ideeller Raumordnung spricht auch die ursprüngliche Verbreitung der Halaf-Kultur, die von den Gebieten ausgeht, in denen sich vorher nur kleine, wenig hierarchisierte Gemeinschaften des Hassuna-Kontextes befanden. Im Süden, im Bereich komplexer Gemeinschaften bleibt ihr Einfluß aus. Ein Wandel der wirtschaftlichen Organisation und der Religion scheinen zum Ende der Halaf-Kultur Hand in Hand zu gehen. In anderen Gebieten wiederum, wie z.B. in Arpachiyah, ging offensichtlich eine kriegerische Kolonisierung der renitenten Halaf-Leute durch die Obed-Kulturträger vonstatten. Mit dieser Expansion der in ihren Ursprüngen iranisch geprägten Obed-Kultur breitet sich im 4. Jahrtausend schließlich ein komplexer, stratifizierter, haushaltsfokussierter und patriarchalisch geprägter Raumkontext über fast ganz Vorderasien aus, der mit seiner fortgeschrittenen Verlagerung des sakralen Mittelpunkts, der Logik des Rasters folgend, die Vorraussetzungen für die Ausbildung von Zentralorten und den später folgenden Stadtstaaten bildet.

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VII. Überprüfung der Hypothesen anhand exemplarischer Fundorte

Dorfgemeinschaft genutzten Werkstatt. Diese Merkmale, sowie die unsegmentierte Siedlungsfläche und die einheitliche Größe der Häuser lassen auf eine Gemeinschaft schließen, die aus mehreren gleichberechtigten Haushalten aufgebaut ist, die jeweils aus erweiterten Kernfamilien oder adäquaten Gruppen bestehen. Neben individuellem Besitz, der durch die Raumtiefe und Segmentierung der Innenräume impliziert wird, scheinen Ressourcen vorwiegend kommunal genutzt und zahlreiche Arbeiten in dörflicher Kooperation durchgeführt worden zu sein, wie z.B. die Ziegelherstellung und der Bau kommunaler Einrichtungen.

Alle in diesem Abschnitt verwendeten Informationen sind, wenn nicht durch Zitate anderweitig gekennzeichnet, dem Fundortkatalog und den vorangegangenen Kapiteln entnommen. Zugunsten der Übersichtlichkeit und Lesbarkeit des Texts wurde deshalb im Folgenden auf diesbezügliche Quellenangaben verzichtet.

VII. 1. Tell Sabi Abyad 1 + 2 Die beiden Siedlungshügel von Tell Sabi Abyad liegen im oberen Abschnitt des Balikh-Tales in einem Gebiet, in dem heute noch annähernd ausreichend Regen für den unbewässerten Ackerbau fällt. Durch den Balikh und sein Schwemmland muß zudem mit einem Grundwasserspiegel gerechnet werden, der eine weitgehend risikofreie Agrarwirtschaft gewährleistet. Die ersten Baubefunde der Schicht 8 auf anstehendem Boden, die auf 6580 +/- 60 v. Chr. (kalibriert auf 7600 BC) datiert werden, bestehen bereits aus rechteckigen Gebäuden, die aus handgeformten Ziegeln oder zumindest Protoziegeln errichtet worden sind. Für die späteren Schichten muß sicherlich eine Bauweise aus handgeformten Ziegeln angenommen werden, für die stark erodierten und gestörten Schichten 2 und 1 vielleicht sogar der Bau mit Formziegeln. Eine vorangegangene runde Bauweise, eine Feuchtlehmtechnik oder sogar eine vegetabile Konstruktionsart sind nicht festzustellen. Die ersten wirklich aussagekräftigen Baubefunde stammen aus der Schicht 5 und gehören wahrscheinlich zu drei mehrräumigen Gebäuden, die eine einheitliche Ausrichtung nach NO-SW aufweisen. Ein annähernd komplettes Bild der Siedlung zeigt erst die Schicht 3, die in die Subphasen A-C unterteilt ist. Die Hausgrundrisse mit ihrer addierenden, lokalen Clusterbildung ähneln einerseits stark den Wohnbauten von Umm Dabaghiyah, andererseits weist ein Gebäude der Schicht 3C in Schnitt G5 einen Grundriss auf, der, wenn auch kleiner, mit dem Haus 16 des Südwestviertels von Bouqras fast identisch ist. Neben der auffälligen Dreiteilung in verschiedene Zimmerfluchten und der Segmentierung im hinteren Teil des Hauses, die in ähnlicher Form auch in der Cellplan Building Subphase von Cayönü zu beobachten ist, sind vor allem die drei nebeneinanderliegenden Zugänge zum Haus an der Stirnseite markant.

Abb.72a Tell Sabi Abyad 2 Schicht 3C (Verhoeven, 2000, S.22)

Die Gebäude der Schicht 3 sind alle nach den Himmelsrichtungen orientiert, mit einer leichten Neigung nach NW. Auch hier zeigt sich eine Verwandtschaft zu Bouqras. Zwar sind die Häuser dort nicht mit den Seiten sondern mit den Ecken nach den Kardinalpunkten ausgerichtet, also genau wie in der Schicht 5 von Tell Sabi Abyad 2, doch in beiden Siedlungen ist die gesamte Bebauung einheitlich ausgerichtet.

Abb. 72b Bouqras, Haus 16 im Südostviertel (Akkermans, 1983, S.345)

Im Nordbereich von Tell Sabi Abyad 2 befindet sich eine große Plattform, die keiner individuellen Wohneinheit zugeordnet werden kann, also wahrscheinlich kommunalen Zwecken dient. Der Ausgräber interpretiert ein Gebäude in Planquadrat G6 ebenfalls als kommunale Einrichtung, in diesem Fall als eine von der ganzen

Die Differenzierung des Raums innerhalb der Häuser und auf der Dorfebene läßt trotz der geringen Siedlungsgröße auf eine differenzierte, aber hierarchisch flache sozio-ökonomische Ordnung und kosmologische Vorstellung schließen. Daß diese Ordnung bereits zu Zeiten

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der Siedlungsgründung bestanden hat, wird durch die eckige Ziegelbauweise nahegelegt, die von Beginn an eine Arbeitsteilung und Freistellung von Arbeitskräften verlangte. Die Siedlung wurde also wahrscheinlich von einer kolonisierenden Gruppe gegründet, die aus einem kommunal ausgerichteten, differenziert strukturierten kulturellen Kontext stammt. Ihre Heimat, zu der weiterhin mittelbare Fernhandelsbeziehungen bestanden, scheint nordöstlich des Fundorts gelegen zu haben. Die gefundenen Obsidiane stammen aus Zentral- und Ostanatolien, die Formen der Steingeräte stimmen mit Formen aus der Khabur-Region überein. Die später auftauchenden lokalen Keramiktypen weisen wiederum Formen auf, die denen anderer lokaler Gruppen in Ostsyrien und dem Nordirak ähneln, sowie der sog. Proto-Hassuna Ware, für die Diana Kirkbride ebenfalls ein südostanatolisches Herkunftsgebiet annimmt (Kirkbride, 1972, S.14). Etwa 100 m südöstlich des Tells Sabi Abyad 2 liegt der namengebende Tell Sabi Abyad 1. Die älteste Schicht 11, C-14 datiert auf 6000 bzw. 5900 v. Chr. (kalibriert auf 6860 und 6610 BC), die dem Abschnitt II der BalikhKultursequenz zugerechnet wird, überschneidet sich zeitlich und materiell mit der obersten, stark gestörten Schicht von Sabi Abyad 2. Sie wurde ebenfalls auf anstehendem Boden gegründet. Die ältesten erwähnten Baubefunde stammen aus der Schicht 7, also aus der Zeit um etwa 5200 v. Chr. Es handelt sich dabei um die Vorläuferbauten von zwei Tholoi der gut dokumentierten Schicht 6, sowie einige weitere runde Strukturen. Rechteckige Bauwerke werden für die Schicht 7 in den Publikationen nicht erwähnt. In der Schicht 6, dem sog. „Burnt Village“, wird das Siedlungsbild von großen, komplexen, orthogonalen Anlagen aus kleinen, gleichförmigen Zellen dominiert und weist darin eine große Ähnlichkeit zu der Anlage von Umm Dabaghiyah auf. In die Struktur eingebettet befinden sich drei große Tholoi und mindestens drei weitere runde Baukörper von ca. 2m Durchmesser, die mitunter regelrecht in die kleinzelligen Strukturen integriert sind. Alle Strukturen sind, laut Ausgrabungsbericht aus „Pisé“ errichtet. Diese Angabe ist angesichts der oben diskutierten Befunde von Tell Sabi Abyad 2 jedoch mit großer Vorsicht zu genießen. Die gesamte Anlage ist, wie vorher schon in Tell Sabi Abyad 2/3C, nach den Kardinalpunkten mit einer leichten Abweichung nach NW ausgerichtet. In der Schicht 3, die etwa 100 Jahre später als die Schicht 6 zu datieren ist, nimmt die Bebauungsdichte zwar ab, das Siedlungsmuster bleibt aber grundsätzlich erhalten. Die Tholoi wurden in dieser Schicht allerdings definitiv mit Lehmziegeln gebaut, was die Rekonstruktion von Kuppel- oder Bienenkorbbauten zuläßt. Eine Fassade des größeren der rechtwinkligen Komplexe ist nun mit einer Nischengliederung verziert. Aufgrund der Kleinfundstreuung werden die Tholoi als Wohnbauten und die rechteckigen Strukturen vor allem als Speicher gedeutet. Zwar sind die Speicheranlagen ganz offensichtlich Ergebnis einer kommunalen Bauleistung, die einzelnen Zellen wurden aber wohl von einzelnen Kleingruppen oder Familien genutzt, wie die in ihnen gefundenen Tonsiegel nahelegen (Verhoeven, 1999, S.206ff). Die Rückkehr zur Lagenlehmbauweise, die zunächst angenommen werden muß, hängt offenbar mit der gerin-

geren Größe der Population ab, die laut Verhoeven, zwischen 30 und höchstens 50 Personen lag (Verhoeven, 1999, S.212). Vor allem für die Speicherbauten wurde auf eine Technik zurückgegriffen, die weniger arbeitsintensiv ist und dennoch ihren Zweck erfüllt. Nur für die Tholoi wurde später die aufwendigere Ziegelbauweise verwendet. Die Technik ordnet sich also klar den sozioökonomischen Kapazitäten und der ideell begründeten Form unter und wird ihr im Laufe der Zeit angepaßt, was für eine endemische Entwicklung der Bautradition spricht. Eine unmittelbar funktional auf das Klima abgestimmte Bauform ist nicht festzustellen. Zwar fällt der Übergang von Tell Sabi Abyad 2 zu Sabi Abyad 1 in eine Zeit, in der mit einem Rückgang der Niederschläge zu rechnen ist, grundsätzlich erfüllen aber sowohl die mehrräumige, eckige, sowie die runde Bauform alle notwendigen klimatischen Anforderungen. Es standen alle Techniken und formal gestalterischen Möglichkeiten zur Konstruktion verschiedenster Hausformen zur Verfügung und keine scheint klare funktionale Vorteile gegenüber den anderen besessen zu haben, um sich dauerhaft als Ideallösung zu etablieren. Es muß also mit einer anderen Ursache für den Wandel der Form der Wohnhäuser gerechnet werden. Die sozio-ökonomischen Konsequenzen, die aus dem Klimawandel gezogen werden, liegen in einer Verringerung der Haushaltsgröße und einer rapide zunehmenden Vorratshaltung. Aufgrund der Faunenbefunde rekonstruierte Verhoeven eine institutionalisierte dichotomische Gesellschaftsstruktur, die aus seßhaften Bauern und nomadisierenden Jägern und Viehzüchtern zusammengesetzt war. Da zwischen Tell 2 und Tell 1 aber kein definitiver kultureller Bruch nachzuweisen ist, die identische Ausrichtung der Bebauung und die Keramik sogar für eine klare kulturelle Konstanz sprechen, und zudem eine solche Zweiteilung der Siedlungsgruppe im akeramischen Hügel auch nicht ansatzweise nachzuvollziehen ist, wäre eher anzunehmen, daß lediglich eine deutliche Verschiebung der Subsistenzwirtschaft stattgefunden hat. Die Jagd auf Wildtiere, vor allem auf Gazellen und Antilopen, die im akeramischen Neolithikum eine bedeutende Rolle gespielt hat (siehe auch Legge & RowleyConwy, 1989, S.87ff), wird zum Ausgleich für den nun unsicherer werden Ackerbau wieder mehr in den Vordergrund gerückt sein. Daß ein Teil der Siedlungsgemeinschaft zu einer halbnomadischen Lebensweise zurückgekehrt ist oder eine Kooperation mit Jäger- und Hirtengruppen der Region etabliert worden ist, läßt sich natürlich nicht ausschließen. Die Renaissance der runden Bauweise in der HalafKultur und die entsprechende Einbettung einer runden kosmologisch-habituellen Vorstellung in den Zusammenhang einer orthogonalen Ordnung muß in jedem Fall als rein ideell begründet gelten und stellt fraglos einen Sonderfall in der vorderasiatischen Vorgeschichte dar. Daß die Siedlungsgemeinschaft nach wie vor flach hierarchisch, kommunalistisch und dennoch sozio-ökonomisch sehr differenziert gewesen sein muß, legen nicht nur die Architekturbefunde und deren räumlicher Zusammenhang nahe, sondern auch die markante HalafKeramik, die schließlich voll ausgereift in Schicht 3 auftritt und deren Herstellung wenigstens Teilzeitspezia-

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lisierung verlangt. Sie hat sich offensichtlich lokal aus der „Coarse Ware“ und der „Grey Black Ware“ entwickelt. Das Material läßt sich am ehesten mit den Keramiken aus den syrischen Küstenregionen und der Südosttürkei vergleichen, aus der zahlreiche Importe der „Dark Face Burnished Ware“ stammen. Vereinzelte Funde bemalter Keramik verweisen zudem auf Samarraund Hassuna-Formen. Sowohl die Entwicklung der Keramik, als auch die Abfolge des Wandels von Bautechnik und Form lassen auf eine vorwiegend endemische, eigenständige und nicht auf eine von außen angeregte Entwicklung schließen, die allerdings in einen größeren kulturellen Zusammenhang eingebettet ist. Wie schon in Tell Sabi Abyad 2 ist die Beziehung zum nördlichen Bergland deutlich. Das als Halafkultur bezeichnete Ensemble, das sich hier in einem lokalen, nur leicht klimatisch veränderten Milieu eigenständig entwickelt, geht also aus dem kulturellen Substrat der „Euphrat-Gruppe“ hervor, die in dieser Region stark von südanatolischen Einflüssen geprägt ist, und begegnet dem ungünstigen Wandel der natürlichen Gegebenheiten mit einer klaren Veränderung des kontextuellen Raums und der sozio-ökonomischen Strategien, bei gleichzeitiger Beibehaltung der kommunalistischen Ordung.

Die Erstbebauung mit Rundhütten, die großen kommunalen Speicheranlagen, sowie die Auswahl der Bautechniken je nach Gebäudeart, entsprechen fast bis ins Detail der Anlage von Tell Sabi Abyad 1. Einzige Ausnahme bilden die Tholoi, die in Tell Sabi Abyad bis zur Aufgabe der Siedlung tradiert wurden. Die gepflasterten Flächen im Zentrum von Umm Dabaghiyah erinnern deutlich an die Plattform in Tell Sabi Abyad 2. Neben diesen räumlich-architektonischen Analogien scheint auch die Wirtschaftsweise mit der von Sabi Abyad 1 fast deckungsgleich gewesen zu sein. Die Auswertung der Faunenbefunde ergab, daß 84% aller tierischen Abfälle von Gazellen und Wildeseln stammten. Es liegt auf der Hand, daß auch hier die Jagd eine außerordentlich große Rolle gespielt hat und dem Ackerbau nur eine nebensächliche Bedeutung zukam. Denn auch die klimatischen Verhältnisse sind mit denen von Sabi Abyad 1 zu Beginn des 6. Jahrtausend vergleichbar. Abgesehen von der Beibehaltung der runden Bauweise am Balikh liegen fast identische architektonische und sozio-ökonomische Muster vor. Ähnliche Übereinstimmungen finden sich bei den Artefakten und Kleinfunden. Die Steinindustrie ist deutlich einem levantinisch-anatolischen Kontext zuzurechnen und weist keinerlei Verbindung zu dem iranischfrühneolithischen Kreis von Jarmo auf. Weibliche Tonidole mit konkavem Boden sind nahezu identisch mit Figurinen aus den Halaf-Schichten von Chagar Bazar am oberen Khabur. Andererseits weisen die Keramiken, die in dieser Zeit für den Nordirak einmalig sind, vage Ähnlichkeiten zu dem Material aus den untersten Schichten von Hassuna 1a und Yarim Tepe 1 auf, in denen parallel zu den eckigen Strukturen ebenfalls noch rund gebaut wurde. Die Ausgräberin vermutet vor allem aufgrund der voll ausgereiften Architektur, die als komplex-kommunal zu bezeichnen ist, daß eine Kolonisierung aus Südost-Anatolien, dem Gebiet von Cayönü, stattgefunden hat, die ebenfalls für Tell Sabi Abyad angenommen werden muß. Tatsächlich finden wir auch in Cayönü große Hausgrundrisse mit einer regelmäßigen, kleinzelligen Segmentierung, sowie Rundbauten in den ältesten Schichten. Zwar waren die Wohnbauten in Cayönü anders gestalten, doch das Ende der Tradition der dort üblichen großen Wohnhäuser läßt sich möglicherweise durch den Mangel an gutem Bauholz erklären, der im anatolischen Ursprungsgebiet durch maßlose Rodung verursacht worden war, und in den südlicheren Ausweichgebieten durch die baumarme Steppenvegetation. Die offensichtliche Verwandtschaft zu dem südostanatolischen Gebiet sowie zu dem Proto-Halaf-Ensemble der Balikh-Region und die zeitliche Kluft von fast 500 Jahren zu den Siedlungen der Hassuna Kultur machen die sonst übliche Zuweisung Umm Dabaghiyahs zur Hassuna-Kultur fragwürdig; auch durch das keramische Formenspektrum kann sie nicht als gesichert gelten. Vielmehr scheint es, daß die Besiedlung von einer Gruppe durchgeführt wurde, die aus dem gleichen kulturellen Kontext stammte, wie die Siedlungsgruppen der BalikhRegion. Das Verhältnis zur Hassuna-Kultur scheint vor diesem Hintergrund vor allem ein inspirierendes gewesen zu sein. Die Hassuna- und die Halaf-Kultur wurden demzufolge von dem gleichen kulturellen Kontext aus dem nördlichen Bergland angeregt, und haben sich jeweils unab-

VII. 2. Umm Dabaghiyah Der 26 km westlich von Hatra gelegene Fundort Umm Dabaghiyah befindet sich heute an der Grenze des möglichen Regenfeldbaus. Auch der Boden, der heute stark versalzen ist, eignet sich nur mit Einschränkungen für den Getreideanbau (Kirkbride, 1974, S.87ff.). Die Faunen- und Florenbefunde belegen auch für die Vergangenheit eine unveränderte Umwelt, die von baumloser Steppe geprägt ist (Bököny, 1973, S.9). Klimatische Veränderungen, die sich in anderen Regionen bemerkbar gemacht haben, zeigen in diesem Gebiet kaum Auswirkungen (Hellbaek, 1973, S.19). Die Siedlung wurde auf anstehendem Boden gebaut und bestand zunächst nur aus Rundbauten, die aus Protoziegeln oder handgeformten Ziegeln errichtet wurden. In der nächsten, kurz darauf folgenden Bauphase wurden die für die Siedlung typischen, großen Speicheranlagen mit regelmäßiger kleinzelliger Struktur aus Lagenlehm errichtet, die in der Folgezeit immer wieder an gleicher Stelle neu erbaut worden sind, offenbar in Folge der in dieser Gegend üblichen heftigen Gewitterstürme und einer entsprechenden vorübergehender Aufgabe und anschließenden Neubesiedlung des Dorfes. Da es nahezu unmöglich ist, Lehmgebäude, die einmal beschädigt wurden und deren Verfall eingesetzt hat, in Stand zu setzen, können die einzelnen Bauphasen in kurzen Abständen aufeinander gefolgt sein (McHenry, 1985, S.146). Das gleiche Phänomen läßt sich in dieser Region der Jazirah bis heute beobachten (Kirkbride, 1972, S.4). Gleichzeitig mit der Errichtung der Speicheranlagen werden die runden Wohnbauten zugunsten von eckigen, mehrräumigen, z.T. addierend gebauten Hütten mit 3-7 Kammern aufgegeben. Sie sind um die Speicheranlagen und die gepflasterten Plätze in der Mitte der Siedlung herum gruppiert.

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hängig voneinander weiterentwickelt. Im Osten wurde die Entwicklung später stärker von dem patrisch geprägten iranischen Kreis beeinflußt, im Bereich des Balikh konnte der eigenständige, kommunalistische Charakter deutlicher hervortreten. Die Ausbreitung der „Halaf-Kultur“, die schließlich die „Hassuna-Kultur“ im späten 6. und frühen 5. Jts ablöste, könnte also nur die atavistische Betonung einiger kulturellen Aspekte sein, die auch in der Hassuna-Kultur vorhanden, aber weniger bedeutsam und ausgeprägt waren. Denn: „Freilich wiederholen die zahllosen neuen Manifestationen des Heiligen im religiösen Bewußtsein einer Gesellschaft zahllose andere Manifestationen, die diese Gesellschaft im Lauf ihrer Vergangenheit, ihrer ‚Geschichte‘ gekannt hat, doch diese Geschichte vermag die Spontanität der Hierophanien nicht zu lähmen.“ (Eliade, 1975, S.9)

muß. Auch die bis Schicht 8 beibehaltene Lagenlehmtechnik spricht gegen eine intensive Kooperation auf Dorfebene. Erst mit einer deutlichen Zunahme der Siedlungsdichte und Größe der einzelnen Wohneinheiten in Schicht 7 setzt sich die Ziegelbauweise durch, was dafür spricht, daß arbeitsteilige Prozesse eher innerhalb der Haushalte abliefen, als auf der Gemeinschaftsebene. Die „compact building complexes, well seperated from each other“, die Merpert z.B. für die Schicht 6 beschreibt (Merpert, 1987, S.7), verweisen auf eine dörfliche Ansammlung von einzelnen, kleinen Gehöftgemeinschaften, die zwar durchaus ein Gemeinwesen pflegten, die aber dennoch vor allem einzelne Haushalte und weniger Teile einer kommunalen Einheit waren. Die landläufig postulierte Einordnung von Yarim Tepe und Umm Dabaghiyah in ein und denselben kulturellen Kontext scheint bereits angesichts dieser knappen Analyse der räumlichen Ordnung höchst fragwürdig, die oben angeführte Hypothese einer Anregung der ansässigen Bevölkerung durch eine kurzfristig kolonisierende Gruppe aus dem Norden hingegen durchaus plausibel.

VII. 3. Yarim Tepe 1+ 2 Yarim Tepe 1 in der nordirakischen Sinjar-Ebene westlich von Mossul wurde gegen 5600 v. Chr. auf anstehendem Boden gegründet. Das keramische Material folgt typologisch auf die letzten Schichten von Umm Dabaghiyah und besteht von Schicht 12 - 8 aus „Coarse Ware“ und Proto-Hassuna-Keramik, die den Schichten von Hassuna 1a-c entspricht. Ab der Schicht 7, datiert auf 5200 +/-90 und 5090+/-100 v. Chr., tritt die reguläre Hassuna-Keramik auf. Die Bebauung der untersten Schicht besteht aus räumlich getrennten Gebäudegruppen aus runden und kaum segmentierten, kleinen, eckigen Bauten, die wahrscheinlich in Protoziegeltechnik errichtet worden sind. An diesem Siedlungsmuster ändert sich prinzipiell im weiteren Besiedlungsverlauf nichts, die Gebäude werden nur etwas komplexer und die Bebauungsdichte nimmt zu. Ab der Schicht 10 treten immer wieder „Grill“-Strukturen aus dicht aneinander gebauten, parallelen Mauern auf, die eine Grundfläche von bis zu 6 qm haben. Sie werden für gewöhnlich als Fundamente von Speichern oder ähnlichen Einrichtungen zur Verarbeitung und Lagerung von landwirtschaftlichen Produkten gedeutet. Es besteht keinerlei Ähnlichkeit zu den großen kollektiv genutzten Anlagen von Tell Sabi Abyad und Umm Dabaghiyah . Sie gehören nicht nur formal zu einem völlig anderen Typus, sondern sind auch im Siedlungszusammenhang deutlich anders positioniert. Im Gegensatz zu den großen, kleinzelligen Strukturen können sie deutlich einzelnen Gebäudegruppen zugeordnet werden. Sie als kommunale Einrichtungen zu interpretieren, wie es üblicherweise getan wird, scheint also wenig plausibel. Die Struktur 234 in Planquadrat 27 (siehe Katalogtafel) scheint hingegen ein kollektives Bauwerk zu sein. Es handelt sich dabei um ein deutlich größeres und massiveres, einräumiges Gebäude mit einem angrenzenden, umfriedeten Bereich. Seine Lage in einem Areal mit erhöhter Gräberkonzentration impliziert eine sakrale Bedeutung. Die isolierte Lage der Gebäudegruppen, die individuelle Vorratshaltung und die Segmentierung der Siedlungsfläche mittels einiger kleiner Mauern weisen auf eine deutlich anders organisierte Sozio-Ökonomie hin, als sie für die ausgeprägt kommunal fokussierte Ordnung von Tell Sabi Abyad und Umm Dabaghiyah angenommen werden

Gegen 5000 v. Chr. wird der Siedlungshügel, dessen letzte Schicht von Samarra-Keramik gekennzeichnet ist, aufgegeben. In unmittelbarer Nähe wird wiederum auf anstehendem Boden eine neue Siedlung, Yarim Tepe 2, gegründet. Daß eine unmittelbare Beziehung zwischen den beiden Tells besteht wird durch die zeitliche Nähe belegt, sowie durch einen dichten Scherbenschleier aus Hassuna-Material direkt unterhalb der ersten Gebäude von Yarim Tepe 2. Die Keramik dieser Schichten besteht aus entwickelter Halaf-Ware. Die entsprechende Töpfertradition ist offensichtlich in ausgereiftem Zustand von außerhalb übernommen worden. Die erste Bebauung besteht in der untersten Schicht 9 vorwiegend aus großen Rundbauten, für die jedoch noch keine Kuppelbauweise belegt ist. In einigen Fällen konnten Flachdächer klar nachgewiesen werden. Die Ziegelbauweise ist zwar bekannt, wird aber nur sehr sporadisch eingesetzt. Leider ist nicht bekannt für welche Art von Gebäuden. Im Gegensatz zu den isolierten Gebäudegruppen der Hassuna-Siedlung stehen die Rundbauten der Halafsiedlung locker gestreut nebeneinander, und statt der Grillstrukturen, die einzelnen Haushalten zugeordnet werden konnten, befinden sich nun wieder große, kleinzellige, rechteckige Speicheranlagen inmitten der Siedlung. Aufgrund ihrer Ausmaße wurden sie mit großer Wahrscheinlichkeit von mehreren Haushalten genutzt. Eine Segmentierung des Siedlungsareals, wie sie in dem älteren Dorf üblich war, fehlt weitgehend. Daß sich, wie in kommunal ausgerichteten Gemeinschaften die bekannte Ziegelbauweise erst in Schicht 4 ganz durchsetzen kann, hängt wahrscheinlich mit der sehr geringen Größe der Siedlung zusammen, die eine Freistellung von Arbeitskräften erschwerte. Daß die regelrechten, überkuppelten Tholoi, die eine Ziegelbauweise erfordern, erst in den späteren Schichten errichtet wurden, mag ebenfalls ein Grund dafür sein. Vielleicht fehlte zunächst auch das technische Know-How für die Kuppelbauweise und die Ziegelbauweise war deshalb formal nicht notwendig. Konnte man für den Übergang von Tell Sabi Abyad 2 zu Sabi Abyad 1 und die damit verbundenen Veränderungen

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der kontextuellen Raumordnung noch den Klimawandel als Erklärung bemühen, muß im Falle von Yarim Tepe von einem rein kulturellen Phänomen ausgegangen werden. Die Siedlung liegt in einem Gebiet, in dem der Regenfeldbau möglich ist. Der Ortswechsel hatte in einer Zeit stattgefunden, in der mit einer konstanten, erhöhten Feuchtigkeit zu rechnen ist, die subsistentiellen Grundlagen also wahrscheinlich unverändert stabil blieben. Der Wechsel zu einer kommunalen Sozio-Ökonomie aufgrund einer Ressourcenverknappung kann ausgeschlossen werden. Eine mögliche Deutung des Siedlungswechsels könnte in der Annahme einer konfessionellen Abspaltung liegen, wie sie in Kapitel III.3. im Abschnitt über allgemeine Aspekte der Siedlungsgenese beschrieben worden ist. Während in Yarim Tepe 1 in der obersten Schicht Samarra-Ware dominiert, wurde in dem Scherbenschleier unterhalb von Yarim Tepe 2 nur Hassuna- und keine Samarra-Keramik gefunden. Vielleicht hat sich also die Siedlungsgemeinschaft, nachdem neue ideelle Strömungen aus dem Westen, dem Halaf-Kernland, an Einfluß gewannen, in zwei Gruppen gespalten, von denen der nun kommunal fokussiertere Teil eine neue Siedlung gegründet hat. Der Halafkontext, zu dem mittelbar durch die Anregung von der nördlichen Euphrat-Gruppe eine Beziehung bestand, die sich möglicherweise auch in der lange beibehaltenen runden Bauweise in Yarim Tepe 1 widerspiegelt, konnte sich langfristig gegen die haushaltszentrierten Tendenzen der Samarra-Kultur aus dem Südosten durchsetzen. Daß es sich bei den Halaf-Rundbauten nicht um eine Reaktion auf veränderte klimatische oder ökonomische Rahmenbedingungen gehandelt hat, wird in Yarim Tepe, dessen ökologisches Umfeld unverändert geblieben ist, endgültig deutlich. Die Deutung der Halaf-Kultur als ein

vor allem religiöses Phänomen mit den Merkmalen einer runden, aber den Himmelsrichtungen entsprechend segmentierten und hierarchisierten Weltordnung scheint zunehmend wahrscheinlicher.

VII. 4. Tell Abada Die spät-obedzeitliche Siedlung Tell Abada liegt an den östlichen Ausläufern des Djebel Hamrin südlich des Diyallah, nahe dem Übergang von der 200mm zur 100mm Isohyete, also in einem Gebiet, in dem die Subsistenzwirtschaft auf die künstliche Bewässerung von Feldern angewiesen ist. Dadurch wird wiederum eine stabile Versorgungslage gewährleistet, die den einzelnen Haushalten eine unabhängige Ökonomie erlaubt. Die eckigen Formziegelhäuser haben z.T. Grundflächen von über 150 qm und stehen isoliert voneinander. Die Siedlungsfläche ist vor allem in der älteren Schicht 2 deutlich segmentiert. Drei der mindestens 10 Häuser verfügen über Einfriedungen. Im nordwestlichen Bereich ist ein Haus vollständig von einer Mauer umfaßt. Die Größenunterschiede zwischen den einzelnen Häusern sind z.T. beträchtlich. Das Haus A hat in etwa die dreifache Größe des Hauses D. Die Grundrisse folgen einem klaren Schema. Zentrales Element sind langgestreckte, rechteckige oder T-förmige Höfe, um die die Zimmer herum gruppiert sind. Wahrscheinlich diente ursprünglich jeder dieser Höfe einem Segment der Hausgemeinschaft, höchstwahrscheinlich einzelnen erweiterten Kernfamilien, als private Wohn- und Wirtschaftsfläche. Einige der Gebäude verfügen über bis zu drei dieser Verteilerräume, deren Überdachung aus bautechnischen Gründen als höchst zweifelhaft gelten muß.

Abb. 73 Teilweise korrigierte Rekonstruktion der Dorfanlage von Tell Abada aus Schicht II. Fälschlicherweise wurden die Höfe als überdachte Hallen interpretiert. Einfriedung und Hof des nordwestlichen Speicherkomplexes (links) wurden ergänzt, die Nischen der Fassaden hervorgehoben (nach Hughes, 1985, S.169)

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Die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten fanden innerhalb der Innenhöfe statt, die Freiflächen weisen keinerlei dementsprechende Spuren auf. Es muß also angenommen werden, daß die Haushalte in erster Linie individuelle, miteinander konkurrierende Einheiten darstellten, die eigenständig arbeitsteilige Prozesse entwickelten, und daß alltägliche Zusammenarbeit auf Dorfebene nicht üblich war. Das Innere der Häuser war durch zahlreiche Sichtachsenbrüche und eine erhebliche Raumtiefe von dem öffentlichen Raum abgeschirmt und es muß eine entsprechende patrische Kontrolle des sozialen Raums, eine große Bedeutung der Privatsphäre und des Privatbesitzes angenommen werden. Damit entspricht die Siedlung ganz dem Muster das nach den oben beschriebenen Kulturensembles im westiranischen und tigritischen Einflußbereich zu erwarten ist. In der Schicht II sind vor allem drei Häuser auffällig: das Gebäude A, das nicht nur das größte, sondern auch das einzige Haus mit standardisiertem Grundriss und angeschlossener Umfriedung ist, sowie zwei nicht alphabetisch gekennzeichnete Gebäude in dem nordwestlichen Bereich der Siedlung, die von ihren Grundrissen deutlich von den anderen Häusern abweichen und ebenfalls über abgegrenzte Areale verfügen. Alle drei Gebäude sind zudem durch die sog. „Nischenarchitektur“ ihrer Fassaden ausgezeichnet, die in den folgenden Epochen charakteristisch für Tempelanlagen wird (Heinrich, 1985, S.131ff.). Da sich diese Nischen auch an der Umfriedungsmauer des äußersten Komplexes befinden, kann eine funktionalistische Deutung als statisch sinnvolle Pilaster ausgeschlossen werden. Die nordwestlichen Gebäude werden allgemein als kollektive Speicher und Ställe angesehen. Die Nischenarchitektur aller drei Gebäude legt aber eine besondere Beziehung des großen Haushalts A zu den kommunalen Anlagen nahe, die räumlich von den öffentlichen Flächen abgegrenzt sind. Es ist also kein öffentlicher, unbeschränkter Zugang gewährleistet. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß die Bewohner des Hauses A eine religiös begründete Kontrolle über die kollektiven Bestände ausübten. Bestätigt wird diese Annahme durch zahlreiche Zählsteine, die ausschließlich in Haus A gefunden wurden und in den anderen Gebäuden fehlen. Das Gebäude scheint also auch Sitz des administrativen Zentrums der Siedlung gewesen zu sein (Bernbeck, 1995, S.46; Adams, 1966, S.1966; Jasim, 1981, S.104). Offenbar wurde diese Kontrollmacht jedoch noch nicht von einem spezialisierten Amt ausgeübt, sondern lediglich von dem Vorstand eines Haushalts, der zwar wirtschaftlich besser gestellt und wahrscheinlich religiös legitimiert war, der aber dennoch in seiner Struktur als ein Haushalt unter anderen weiterbestand, wie der standardisierte Grundriß nahelegt, der sich nur aufgrund der Größe von den anderen Gebäuden abhebt. In der Schicht I scheint sich die religiöse Kontrolle differenziert zu haben. Das Haus A verfügt über keine eigene Umfriedung mehr. Der Speicherkomplex im Nordwesten ist kleiner geworden und besteht aus einem addierenden Raumagglomerat um zwei T-förmige Höfe mit genischter Außenfassade. In den meisten Innenhöfen der anderen Häuser befinden sich nun Kornspeicher, die eine längerfristige, unabhängige Versorgung garantieren (Bernbeck, 1995, S.47). In Haus A fehlen diese Speicher, statt dessen treten dort wieder zahlreiche Zählsteine auf.

Zwei weitere Befunde streichen die nach wie vor große, und sich möglicherweise wandelnde Bedeutung des Gebäudes heraus: die vormals genischte Wand ist um das doppelte verstärkt worden und innerhalb des zentralen Hofs ist eine isolierte Kammer errichtet worden, in der ebenfalls Zählsteine gefunden wurden (Bernbeck, 1995, S.297). Möglicherweise handelt es sich bei diesem Baukörper um eine Art von „Cella“, also einen rein sakralen Raum, der für gewöhnlich das Allerheiligste in Tempeln beherbergt. Das Haus A dient wahrscheinlich nunmehr als religiöser Mittelpunkt und Administrationszentrum und übt eine entsprechende Kontrolle über die autoritativen Ressourcen aus. Die akute räumliche Kontrolle von kollektiven Vorräten und Viehbeständen, die angesichts der individuellen Vorratshaltung von geringerer Bedeutung geworden ist als in der Schicht II, ist auf das Gebäude J übergegangen. Wir haben es in Tell Abada also mit einer patrischen, haushaltsfokussierten Siedlung mit einer komplexen sozio-ökonomischen Organisation mit klarer Hierarchie zu tun. Die dörfliche Kooperation der konkurrierenden Haushalte zum Bau von Bewässerungsanlagen und ähnlichen Aufgaben wird durch autoritative Kontrolle und zentrale Verwaltung kollektiver Güter herbeigeführt, die durch eine wohl religiös legitimierte und privilegierte Haushaltsgemeinschaft, wahrscheinlich eine patrilineare Sippe, ausgeübt wird. Eine derartige Organisation der Sozio-Ökonomie legen auch die Architekturbefunde anderer Obed-Siedlungen nahe, wie etwa die umfriedeten und mit Nischenfassaden versehenen Speicherbauten von Tell El´Oueili oder das ebenfalls mit Nischen dekorierte Gehöft aus der Schicht III in Tell Rashid, bei dem es sich möglicherweise um den Sitz eines „Dorfvorstehers“ handelt. Die einzelnen Haushalte der Obed-Siedlungen haben mittlerweile eine Größe erreicht, die ihnen nicht nur eine ökonomische Differenzierung innerhalb der Hausgemeinschaft ermöglicht, sondern ihnen auch erlaubt, Arbeitskräfte für kommunale Aufgaben freizustellen, ohne daß ihre individuelle Wirtschaftskraft wesentlich geschwächt wird. Die räumliche Ordnung, die im Rahmen der EuphratGruppe und der Proto-Halaf-Siedlungen noch eine klare kosmologische Orientierung aufweist, wird nun offenbar ganz von sozialen und ökonomischen Strukturen bestimmt. Zwar gibt es klare Standardisierungen der Grundrisse, aber keinen nachvollziehbaren Bezug zu den Himmelsrichtungen mehr. Die Segmentierung und Hierarchisierung des Raums hat sich von ihrem astronomischen Kontext emanzipiert und entspricht deshalb nicht mehr unmittelbaren kosmologischen Gesetzen. Ihre Bedeutung ist von der Ordnung sozialer und ökonomischer Kategorien überlagert. Der sakrale und der profane Raum haben sich voneinander getrennt, die Kontrolle des sakralen Raums hat begonnen und damit ist der Grundstein für die Entwicklung stratifizierter, komplexer Gesellschaften gelegt, in denen zukünftig nicht mehr einzelne Haushalte, sondern einzelne gesellschaftliche Schichten miteinander konkurrieren.

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VII. 5. Ergebnisse der Überprüfung

VIII. Zusammenfassung der Ergebnisse, Ausblick

Anhand dieser kurzen qualitativen Überprüfung der Hypothesen konnte festgestellt werden, daß die oben konstatierte langfristige Entwicklung vom runden, einräumigen Lagenlehmhaus zum komplexen, rechteckigen Ziegelbau einerseits durch ökonomische Depravation, andererseits auch durch religiöse Strömungen und Entwicklungen kurzfristig aufgehalten oder revidiert werden kann. Der Übergang zur Ziegelbauweise wird hingegen bedingt durch ein raumkontextuelles Wirkungsgeflecht aus ökonomischer Differenzierung und Leistungsfähigkeit, Siedlungsdichte und -größe, Gemeinschafts- und Haushaltsgröße und der damit korrespondierenden Komplexität des Innenraums.

In dieser Arbeit konnten entsprechend der in I.1. formulierten Fragestellung folgende Ergebnisse erzielt und Fragen beantwortet werden: • Die Frage nach den formalen Bedingungen für die Entwicklung einzelner architektonischer Aspekte konnte geklärt werden. Es liegen, abgesehen von der Abhängigkeit der Kuppelbauweise von der Lehmziegeltechnik und der Linearität bei Stampflehmbau keine notwendig wirksamen Determinanten vor. Bautechnik, Formgebung und Siedlungsgestalt hängen vornehmlich von sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen und der Vorstellung kosmologisch-habitueller Ordnung ab. • Es konnte festgestellt werden, daß lediglich das Bauen mit Ziegeln andere ökonomische Anforderungen stellt, als andere Bautechniken, die entsprechend nicht nach ihrem bautechnischen Niveau geordnet werden konnten.

Bezüglich der Kulturen muß ergänzt werden, daß die als „Euphrat-Gruppe“ bezeichneten Siedlungen offenbar in eine nördliche und eine südliche Sphäre zu unterteilen sind, die wohl aufgrund ihres ähnlichen kulturellen Hintergrunds und ihrer ausgeprägt kommunalistischen Ordnung in engem Austausch miteinander standen. Die beiden Gruppen übten zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich starken Einfluß auf den gemeinsamen Kulturraum aus. Zunächst scheint die Gruppe südlich des Euphrat mit ihren Kontakten zur Levante von größerer Bedeutung gewesen zu sein, später werden die südostanatolischen Einflüsse immer stärker. Dieser anatolisch geprägte Teil der Euphrat-Gruppe hatte offenbar starken Einfluß auf die Vorläufer der Halafkultur ausgeübt, und hat mit seiner Ausstrahlung die Hassuna-Kulturträger entscheidend beeinflußt, die ursprünglich eher einem tigritisch-iranischen Kontext zugerechnet werden müssen, in dem die Bedeutung der Siedlungsgemeinschaft eine weniger große Rolle gespielt hat und sich früh eine patrische Dominanz in den sozialen Gefügen durchsetzen konnte. Diese haushaltsfokussierte, patrische Ordnung des tigritisch-iranischen Kreises, deren Ursprungsgebiet geographisch vom Zagrosgebirge und dem ariden Bereichen Südmesopotamien begrenzt wird, konnte mit der notgedrungenen Entwicklung des Bewässerungsfeldbaus eine weitaus stabilere Subsistenzgrundlage schaffen, die nicht nur ein ausgeprägtes Bevölkerungswachstum ermöglichte, sondern die auch den Autarkiebestrebungen der einzelnen Haushalte entsprach. Die sich in diesem Rahmen entwickelnde sozio-ökonomische Komplexität und Hierarchie, geprägt durch Spezialisierung und religiös legitimierte Kontrolle des sich differenzierenden, dezentrierenden Raums sind maßgebliche Teile des strukturellen, sozio-ökonomischen Ensembles der Obed-Kultur, das sich offenbar als derart effizient erwies, daß es sich in kurzer Zeit sowohl auf friedlichem, wie auf kriegerischem Weg fast im gesamten Vorderen Orient ausbreitete.

• Es konnten plausible Modelle zur Übertragung auf archäologische Kontexte entwickelt werden, um den Zusammenhang von Raumorganisation und Sozio-Ökonomie zu rekonstruieren. • Es konnte ein Modell für die Entwicklung des Zusammenhangs von räumlicher Ordnung und kosmologischer Vorstellung entwickelt werden, das sinnvoll auf archäologische Kontexte übertragen werden kann. • Es konnten die unterschiedlichen Abläufe von endemischer und von außen angeregter architektonischer Entwicklung unterschieden werden. • Es konnte die Bedeutung des Klimas für die Entwicklung des kontextuellen Raums erläutert werden. • Es konnte gezeigt werden, daß anhand einer Analyse der formalen Aspekte der Architektur sozio-ökonomische und kosmologisch-habituelle Grundzüge einer prähistorischen Gesellschaft rekonstruiert werden können. • Es konnte gezeigt werden, daß Architekturtraditionen eine Ergänzung, und im akeramischen Neolithikum eine klare Alternative zu den konventionellen kulturellen Zuweisungen sein kann. Besonders konnten langfristige kulturelle Entwicklungen und Konstanzen nachgewiesen werden, wie es mittels kleinfundgestützter Methoden bisher in dieser Form nicht möglich war. • Diese Arbeit stellt zudem auch die angestrebte Materialsammlung dar, die für neue Grabungen eine fundierte Dokumentation ermöglicht und neue Interpretationsansätze für Lehmarchitekturbefunde bietet. • Schließlich konnten die Ergebnisse zu regelhaften Wahrscheinlichkeiten zusammengefasst werden, die eine Übertragbarkeit der hier gewonnenen Ergebnisse auf andere Untersuchungsgebiete möglich macht. Die vorliegende Arbeit kann aber schließlich nur ein erster Entwurf und eine Anregung für weitere Untersu-

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chungen des kontextuellen Raums sein. Besonders bezüglich der Modellbildung, die im Rahmen dieser Arbeit als skizziert gelten muß, sollten zukünftig klar definierte, einzelne Aspekte anhand ethnologischen Materials eingehender untersucht werden. Allein die gründliche Klärung von Fragen wie z.B. nach den Zusammenhängen von Raumordnung, Besitzverhältnissen und ökonomischen Kooperationsformen oder matrilokalen und patrilokalen Organisationsformen und ihrem Niederschlag im Raum würden jeweils Arbeiten erfordern, die durchaus den Umfang der vorliegenden Untersuchung erreichen könnten. Um wirklich valide allgemeingültige Modelle entwickeln zu können wären zahlreiche Untersuchungen dieser Art notwendig. Sinnvoll wären sicherlich auch Blindtests der gebildeten Modelle anhand gut untersuchter Ethnien, die vom Autoren im Rahmen dieser Arbeit leider nicht geleistet werden konnten.

In Göbekli Tepe wurden in einem möglicherweise epipaläolithischen Kontext bereits große, kollektive Bauleistungen mit einem orthogonalen Raumverständnis erbracht, die sich aber nach dem bisherigen Erkenntnisstand des Ausgräbers auf sakrale Architektur beschränken (Klaus Schmidt, 2001, S.45ff; 2005, persönliche Mitteilung). Vielleicht ist die für solche Bauleistungen notwendige gesellschaftliche Komplexität, die für eine nicht seßhafte Wildbeutergesellschaft kaum vorstellbar ist, einer der Schlüssel des Verständnisses für Phänomene wie Abu Hureira und Bouqras. Wenn die sozio-ökonomischen und subsistenziellen Rahmenbedingungen der Besiedlung sowie die genaue Datierung von Göbekli Tepe geklärt werden können, und die Fragen nach den kulturellen Verbindungen Richtung Süden beantwortet werden könnten, wäre man der Antwort auf die Frage nach den Ursprüngen des kulturellen Raums und den Anfängen der vorderasiatischen Zivilisation ein gutes Stück näher gekommen.

Für die archäologische Feldsforschung muß festgestellt werden, daß es für eine sekundäre Auswertung archäologischer Funde in einem größeren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang, der in dieser Form ja ausschließlich in der Archäologie etabliert werden kann, unbedingt notwendig ist, Befunde nicht nur richtig zu erkennen und gewissenhaft zu dokumentieren, sondern sie auch zu publizieren! Es ist kaum vorstellbar, daß für viele, auch prominente Fundorte entweder gar kein, oder nur höchst unzureichendes Kartenmaterial zur Verfügung steht. Demzufolge stößt man in zahlreichen Publikationen, auch von „großen Männern der Archäologie“ immer wieder auf einander wiedersprechende und mitunter auch nachweislich falsche Beschreibungen der Befunde. Um diesen Mißstand zu beseitigen wäre eine gewissenhafte Aufarbeitung alter Grabungsdokumentationen notwendig, die bestenfalls in einer über das Internet allgemein zugänglichen Datenbank erfaßt sein sollten. In einer solchen Datenbank könnten zudem auch die grundsätzlichen Ergebnisse laufender Feldforschungen veröffentlich und regelmäßig aktualisiert werden. Ein weiteres Problem, das mindestens ebenso gravierend ist wie das fehlende Kartenmaterial, sind die mitunter völlig unzureichenden oder nur relativen Datierungen auch wichtiger Fundorte, wie z.B. von Umm Dabaghiyah oder Arpachiyah. Ohne eine verläßliche und allgemein akzeptierte absolute Chronologie, in der kalibrierte C-14-Daten nicht nur als kaum relevante Dreingabe dienen, ist es kaum möglich kulturelle Abfolgen und somit Entwicklungsprozesse in größerem Zusammenhang zu untersuchen.

Ich hoffe schließlich, daß ich mit dieser Arbeit einen inspirierenden Beitrag zu den theoretischen Überlegungen in der Archäologie in Deutschland geleistet habe, die leider immer noch ein Schattendasein fristen. Und ich hoffe, daß sich die hier entworfene holistische Architekturanalyse und das Konzept des kontextuellen Raums zukünftig in der Archäologie etablieren können, daß durch sie neue Ansätze zur interdisziplinären Arbeit möglich werden, und daß sich eine ganzheitliche Sichtweise in den Kulturwissenschaften zunehmend gegen die monokausalen Erklärungsmodelle durchsetzen kann. Denn alle Wissenschaften beschreiben immer nur das selbe Ganze, das nur durch eine Bündelung aller Sichtweise und mittels nicht-linearen Logik erahnt werden kann. „Es ergibt sich eine Folgerung: Bevor wir mit unseren Wissenschaften weiter vorwärts stürmen, sollte man zunächst einmal wieder lernen richtig zu denken.“ Hans Fürstenberg, Dialektik des 21. Jahrhunderts (1972, S.107)

Um aber abschließend zu der Archäologie im eigentlichen Sinne zurückzukehren, sei auf ein in dieser Arbeit aufgekommenes Forschungsproblem hingewiesen: die wie aus dem Nichts auftauchende hohe Komplexität der „Euphrat-Gruppe“ und deren noch nicht ausreichend geklärte Herkunft. Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens liegt sicherlich in der weiteren Erforschung der frühneolithischen Siedlungen am oberen Tigris und der Urfa-Region am oberen Euphrat, die, wie z.B. Nevali Cori oder Göbekli Tepe, in dieser Arbeit aufgrund ihrer Steinarchitektur nicht berücksichtigt worden sind.

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IX. English summary

2. The distribution of models of spatial organisation in space and time: Their mutual effects and their interactions with the architectural features

“The Contextual Space in Neolithic Near East: The Development of Mud Architecture, the Socio-Economic Aspects of Building and Residency, and the Cultural Organisation of Architectural Space”

3. Architectural space and cultural continuity: Traditions of building and spatial organisation compared to traditions of pottery

Structure of the German text: I. Introduction 1. Research Topics 2. Scope of this study 3. State of previous research 4. Sources of research 5. Methodological approach

4. Environmental influences on architecture and the organisation of space VI. Hypothesis: The development of mud architecture and cultural organisation of space

II. Technical, formal and functional aspects of mud architecture

1. Heuristic rules: probabilities of ensembles

1. Characteristics of techniques and material 1.1. Rammed earth / Pisé 1.2. Mud-layer techniques without moulding 1.3. Mud bricks /adobe

2. Development of the „contextual space“ in the mud architecture of Neolithic Near East VII. Qualitative revision of the hypothesis: exemplary sites

2. House forms and their characteristics 2.1. Round buildings 2.2. Rectangular buildings 2.3. Ceilings and roofing 2.4. Domed constructions 2.5. Interior yards 2.6. Multi-storied buildings 2.7. Complexity of interior space

1. Tell Sabi Abyad 1 + 2 2. Umm Dabaghiyah 3. Yarim Tepe 1+ 2 4. Tell Abada 5. Results of the revision VIII. Summary of results and outlook

3. Settlement structures and their characteristics 3.1. Isolated buildings 3.2. Settlement clusters 3.3. Compounds

IX. English Summary X. Literature

III. The architectural organisation of cultural space 1. Theoretical and methodological approaches and perspectives 2. Biological behaviour and habitation 3. Spatial organisation in ethnology 3.1. Socio-economy and space: case studies 3.2. Cosmology and space: case studies 4. Model building: the state of culture and the organisation of space 5. Discussion: transferability of the models on archaeological findings IV. Catalogue of archaeological sites V. Quantitative analysis of the relationships between architecture, space and culture 1. The distribution of architectural features in space and time: Construction techniques, house forms, settlement structures, and their mutual effects

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I. Introduction

suitable for building houses with several storeys. Due to the moulding only linear walls may be constructed.

Over the last few decades, the topics of archaeological research have changed. They are no longer focused on prehistoric artefacts and objects but more and more on the behavioural patterns behind them. But one class of artefacts that is tightly connected with everyday-life, and therefore with behaviour, has been neglected for a long time: the architecture, particularly that of domestic buildings. Mainly architects and art historians have been working on this topic over the last century, but most of their results are superficial or only of technical nature and therefore not very helpful from the archaeological perspective.

To identify pisé-walls: - Thin layers of heavily compressed material - No cracks of drying (German: Schwundrissbildung). - Heavy loam or earth, may be intermingled with stones, tempering is not necessary. - Marks of moulding might be detected - Wall-segments in the size of the moulding should be identified clearly. - Due to durability a long-time occupation is likely. - Only linear walls. - Standardised dimensions of buildings, due to size of moulding.

Since Amos Rapoport and Pierre Bourdieu, the interaction between cultural behaviour and the built environment is a well known fact. But the variety approaches is diverse and only a very few attempts have been made to develop approaches suitable for archaeology. Most of these attempts are merely of theoretical nature or of a very limited and small-scaled approach.

1.2. Mud-layer techniques without moulding Simply layered mud /tauf: Because of high humidity of the material while building, every thin layer has to dry for several days, therefore tauf is not suitable for wet climates. Tauf-walls are not capable of carrying heavy weight. As a result, no multi-storied houses can be built.

The objective of this work is to make the architecture, particularly the mud architecture of the Near East, accessible as an independent source of archaeological data. How can architectural findings be identified? How can their formal aspects and their organisation of space be interpreted? Furthermore, this newly opened source shall be the basis for a new perspective on the socio-economic development of Neolithic cultures of western Asia, as an examination of cultural continuity and assignation of settlement groups, and as an attempt to reconstruct basic cosmological ideas.

To identify tauf-walls: - Layers up to 15 cm thickness. - Material is light, homogenous and tempered with straw or chaff. - Walls have multiple cracks from the drying process. - Walls can be curved. Piled mud / chineh /„Lehmweller“: This technique is usually applied for raw walls and secondary buildings like stables, temporary shelters, enclosures etc. The material is simply piled up in layers of 40 - 50 cm without any additives like water or tempering. The German „Lehmweller“ is heavily tempered with long straw and the walls are shaped by cutting with a spade after drying.

II. Technical, formal und functional aspects of mud architecture 1. Characteristics of techniques and material

To identify piled-mud-walls: - Chineh: Material of walls is identical with the material of the soil. - Lehmweller: Heavy tempering with long straw fibres. - Both: No cracks from the drying process; nearly impossible to distinguish different layers.

Different building techniques demand different kinds of materials and different organisation of work. In addition, these materials have individual static and climatic characteristics. The more the loam is tempered with chaff, straw or other plant materials, the lower becomes its heat storage capacity and stability, but the higher is its insulating ability. For desert climates with hot days and cold nights, heavy loam with little tempering is most suitable. It keeps a space cool throughout the day, as its outer surface stores heat that is released and warms the space throughout the night. In areas with cold winters, heavy tempered loam is most suitable because of its good insulating quality.

Packed mud / „zabur“ / proto-bricks: This technique marks the transition from layer-techniques to walls of sun-dried mud bricks. Packs of tempered loam are shaped into bread-like or round forms and are packed in layers on the wall while still humid. Gaps between the slabs might be filled with wet loam mixture resembling mortar. Different patterns of packing are used. Drying phases do not take as long as with the tauf-technique.

1.1. Rammed earth / pisé

To identify packed-mud-walls: - Layers of 30 - 60 cm thickness - Slabs may be identified, no regular use of mortar. - Slabs have a homogenous and tight structure, lightly tempered - Only few cracks from the drying process. - Curved walls are possible - Two-storied building is possible

It is best to build with heavy loam intermingled with stones. Since it is compressed when the earth layers are rammed in the mould, the material needs only very short drying periods before continuing with the next layer. This makes the technique suitable for humid climates. As in all layer-techniques, a specialisation in building is not required. The pisé constructions are most stable and

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Pottery technique: This technique is analogous to the production of pottery. The material is processed well and worked through by a specialised „house potter“. Drying phases are not required. Doors and windows are cut into the completed house, supporting beams are not necessary.

2.1. Round buildings A round layout is the simplest ground plan to design and a round building is easy to construct. Round buildings do not have static weak spots like square buildings do. With a minimum of walling, a maximum of interior space is achieved. On the other hand, a lot of space is required when several round buildings are built in one place. They cannot be connected to clusters without leaving a lot of acute angles and blind spots between them. Segmenting a round building raises similar problems.

To identify pottered walls: - No layers can be identified. - The material is fine and compressed with little or no tempering. - Very thin walls. - Nearly no cracks from the drying process. - Only round (or amorphous) buildings. - Domed buildings are possible.

2.2. Rectangular buildings Rectangular constructions are ideal to build clustered or complex houses and settlements. The exposure to the sun and the corresponding heat radiation can be controlled by orientation and proportion of the house. Because most walls are not built perfectly perpendicular, static problems appear at the corners of buildings. Quite often they have to be supported by buttresses.

1.3. Mud bricks /adobe Mud bricks can be made with or without moulds. Both techniques are often carried out by semi-specialists, as they require some skill. The process of making bricks, drying, turning, piling and transporting them, is separated into different steps. These all require physical strength, so this work is mainly carried out by young and middle-aged men. Contrarily, all mud-layer techniques can be carried out by all members of a household. Even children and the elderly can participate in the process of preparation and construction. The segmentation of work can also take place in a temporal sense. Large amounts of bricks can be produced, stored and used later on. With this technique all possible shapes can be built, even domes and multi-storied houses. There are some general problems in identifying building techniques. Usually the appearance of the building material and the soil are very similar. Therefore the mud architecture in many old excavations has not been identified at all. When freshly excavated and still damp, the structures are very hard to distinguish. Some archaeologists reported that the adobe structure could not be identified until the walls were thoroughly dry over a period of six weeks or even until being exposed to erosion for one year. The more humid the embedding medium and the architectural remains are, the harder it is to identify structure and building technique.

2.3. Ceilings and roofing The material and technique of roofing both have a significant influence on the shape and the dimensions of a building as well as of the interior outfit. Particularly, roof beams are responsible for the size of rooms. Roofing is also tightly connected to climatic conditions, because the climate determines roofing materials and functional adaptation of roofing style. In hot desert climates domed roofs are most efficient. In cold climates voluminous roofs are necessary for insulation. Gabled roofs are suitable for areas with regular rainfall. Because gabled roofs are far more complicated to construct than flat roofs, they are unlikely to be built in areas where there is no functional necessity. Flat roofs are most common and best adapted to subtropical climates. They need a slight inclination and a loam coating to withstand precipitation. Often flat roofs are used for economic and social activities. Therefore, the basal constructions have to be more stable. Note: massive interior constructions can either be built to carry an upper storey, a roof that is used for various activities, or just to mediate strong changes of temperature. Stairs do not always lead to an upper floor. They can also lead to a multifunctional roof.

2. House forms and their characteristics In general it can be said that the hotter the climate, the more suitable is a high ceiling.The hot air rises and cooler air can ventilate through the rooms. The colder the climate, the more suitable is a low ceiling, because a smaller volume has to be heated.

2.4. Domed constructions Domes are the only pure earth-architecture. They are independent of any other building material. Therefore, they are perfectly adapted to desert environments where wood and reeds are rare and valuable. The domed shape is also functionally well-adapted, for it has a high ceiling and thus creates good ventilation. They can be constructed as real domes or „beehives“ (fake domes). Each has different static characteristics. Real domed buildings are very durable and ideal for areas endangered by earthquakes.

The more complex the interior of a house and the more walls are covered by one roof, the less important is the influence of the exterior temperature onto the interior climate, but the more expensive is heating during cold seasons.

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2.5. Inner courtyards

be achieved. Finally, houses of weak construction can support each other when built wall to wall.

Courtyards are suitable for hot climates. They give shade and establish good ventilation, especially in multi-storied buildings. In dense settlements they offer open but private and quiet space for household communities. This is why they are very suitable for cultures where the public and the private domain are strictly separated from each other.

3.3. Compounds Compounds are defined mainly in socio-economic terms. They have no further specific formal or functional characteristics and are discussed in more detail in chapter III.3.1.

2.6. Multi-storied buildings These are very suitable for dense settlements and/or settlements with limited building space, as well as for hot climates, because the lower storeys are not exposed to sunlight and stay cool. The construction of multi-storied buildings has to be very stable and massive. It has to be carried out in a suitable technique. Often second storeys are constructed in different and less durable techniques. Clues for multi-storied buildings: see II.2.3

III. The architectural order of cultural space 1. Theoretical and methodological approaches and perspectives Since the 1960’s many different approaches have been developed to investigate the relationship between man and his built environment. The diverse perspectives may be summarised in the controversy between possibilism and determinism. Are culture and the built environment the results of merely ecological and corresponding economic adaptation? Or does culture have a dynamic of its own? Is it capable of structuring economic activities, interactions between man and the environment, social organisation following systems of meaning resulting in spatial patterns?

3. Settlement structures and their characteristics 3.1. Isolated buildings This term describes buildings that forma settlement unit (e.g. a village), but remain spatially separate from each other. This settlement structure is suitable for humid climates, because ventilation is achieved by the wind blowing through open spaces. In areas with high precipitation it is necessary to separate the buildings from each other, because the water running off the roofs would damage neighbouring houses. By orientating and shaping the proportions of the house in a proper way it is possible to obtain maximum sunlight and warmth in cold climates. Isolated buildings also allow the inhabitants to use the open space around the buildings for economic purposes and social activities.

Functionalism/Utilitarianism The house is seen as the result of an adaptation to environmental and climatic conditions, and the related economic adaptation of society. The main problem of this perspective is its focus on function only. Cultural meaning and significance of buildings are neglected. Features without functional purpose are misinterpreted. Focusing on function alone is not really helpful for understanding and reconstructing cultural behaviour. Biological Determinism In this theoretical context, biological analogies are quoted to explain cultural phenomena (e.g. the growth of cells as compared to the development of settlement patterns). The built environment is understood only as the outcome of general biological processes and schemes, as well as genetically and environmentally determined needs and habits of men. It is of no help for reconstructing prehistoric societies or cultural behaviour.

3.2. Settlement clusters Three kinds of clustering can be distinguished: the added-up cluster, the agglutinated cluster, and the accumulated cluster. Agglutinated clusters are composed of several single-roomed houses that are clustered to form a more complex unit. Added-up clusters consist of several units, which are enlarged by adding rooms to a nuclear structure. In this manner empty spaces in settlements are overgrown, and units of complex, but irregular layout are established. Added-up units might share walls with other units. Accumulated clusters consist of houses with regular or even standardised layout. Even if tightly clustered, each house has its own walls. These different types of clusters are mainly determined by social organisation. Clusters can be built for many reasons. They are common in areas of limited space suitable for building, or of limited soil suitable for agriculture (e.g. in an oasis). Some clusters are built for reasons of defense. Generally, they are well adapted to hot and dry climates, because the houses protect each other from sunlight and do not heat up. By covering narrow alleys with sunshades good ventilation and additional protection from sunlight can

Energetic Analysis Architecture is evaluated in relation to the expense of energy, mainly in order to detect states of imbalance which are interpreted as socio-economic inequalities and clues for the reconstruction of authoritative control of labour. This can only be helpful when complemented by other considerable approaches. Activity Area Analysis This is a very popular approach among archaeologists, but suffers various methodological weaknesses. Settings of activities are defined by ensembles of small finds, but usually the site formation processes, which are essential for interpreting ensembles, remain unconsidered. Buildings may have been used for several purposes at diffe-

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rent times. Most areas are used for a whole set of activities. Complex economic processes (e.g. salt production) can be subdivided into several steps which are carried out on different sites. They cannot be understood without model building and experiments (H.Ziegert 1974:28). Activities can take place on roofs and second storeys and thus they do not exist within this perspective. Empty houses may have been used as rubbish dumps so that the original ensembles are disturbed and cannot be interpreted anymore as a „closed find“. Usually activity areas are thought to be gender specific. But with respect to ethnoarchaeological data, even clearly separated gender specific behaviour does not need to leave distinguishable traces in the finding. When there are no finds amongst architectural remains, this kind of analysis can tell you nothing at all. Finally, buildings have meaning beyond just casing economical activities.

Structuration This theory is based on a blend of structuralism and historic-materialistic neo-Marxism. It argues that socio-political power is not based on the control over material resources, but on the control of authoritative resources. To establish and reproduce hierarchy and privileged control people of high rank consciously use the logic of symbolic systems and meanings in the sense of structuralism. Symbolic systems thus fulfill a very pragmatic purpose: to serve individual interests. Like structuralism, structuration cannot explain cultural change. Built environment is understood as a set of clues pointing to a certain hierarchical status and identity. This approach may be helpful for social interpretation when supported by energetic analysis or space-syntax analysis, with which socio-economic inequalities and hierarchies might be detected, but corresponding interpretations must remain hypothetical.

Behaviourism / Space-Syntax Analysis / Accessibility Analysis These, and several other terms, are used to define a conglomerate of approaches that are all based on the assumption that there are certain rules and regularities in the spatial behaviour of man. Architectonical features are understood as a system of a universally applicable non-verbal communication which can be „read“ and understood, disregarding the cultural background. The „deeper“ a room is in the house, the more privacy is ascribed to it. Rooms with positions enabling the survey or „control“ of different areas are thought to be connected with socio-political power, etc. Ethnoarchaeological data shows that both assumptions are not necessarily true. Other research shows that behaviour can be prevented by architecture, but cannot be evocated or determined. It just can help to carry out certain behavioural patterns. Another objection of a linguistic nature is that if you take architecture as a system comparable to language you do not only need the grammar (architectural features), but also the vocabulary (symbolical meaning). All in all, it is a useful approach when complemented by other methods.

Theory of Habitus / Probalism Regarding the theory of habitus (Bourdieu), culture is neither determined by adaptation nor by a rigid symbolical structure, but is constantly created through ongoing action. This action takes place in a certain style, and a certain habitus that derives from internalised patterns that are constantly and unconsciously reinterpreted. By acting in a certain style that is culturally significant, every individual is able to „re-create“ or „re-invent“ the symbolic system of its society. Material culture, especially architecture, is seen as a „habitual memory“. It offers clues to behaviour, but does not determine it. When a new house is built, it is done in a culturally significant style of acting. But acting is always interacting. The builder re-interprets cultural conventions and patterns with regard to the actual situation and setting. Thus culture is reproduced and modified in the same manner. The probalism describes culture as a set of choices. Environment and climate determine settings, but they do not determine decisions. There are always different ways of reacting to a situation; some may be more probable than others. Still the individual is free to make a decision in which one of the possible alternatives will be realised. But decisions are mostly made by intuition, not by deliberation. Both theories have a similar approach to explain cultural homogeneity and establish a more holistic perspective onto the relationship between man and environment.

Structuralism Following the structuralistic approach, architecture has to be understood as a set of symbolic systems that helps to reproduce cultural structure. According to this, built environment is an expression of cultural identity and self image, not of ecological and economic adaptation. Structures are thought to consist mainly of antagonistic dualities of meaning, like inside-outside, wild-domesticated, public-private, male-female. But cultural concepts and the actual cultural practice may differ strongly. Artefacts of pure functional character cannot be interpreted in a structuralistic mode, or will be misinterpreted. Finally, we have to be aware that ascribing symbolical meaning to prehistoric finds can only be hypothetical and never be proved, therefore reconstructions of the symbolic systems and corresponding cultural structures are very vague. Complemented by other methods, this approach may be useful to establish social models in a heuristic process. It is capable of explaining cultural reproduction, but not of explaining cultural changes.

Considerations about a holistic approach Today it is generally accepted that houses exist simultaneously within cultural, economic, and environmental dimensions. Most scientists respond to this problem by reducing their research to a very small-scaled investigation. They rarely treat more than one aspect of architectural space. This results in a lot of diverse and contradictory approaches to the analysis of architecture and environmental behaviour. The dilemma of a hidden monocausality and exclusivity in all approaches is not solved at all. It is necessary to broaden the focus and develop a new and holistic perspective on this topic. Considering the new developed systems of thought in mathematics, bio-cybernetics, and quantum physics, it is possible to make use of non-linear approaches also in cultural sciences. Systems can be understood not only as

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results of cause and effect, but as networks of causes with multiple feedbacks, where an effect can become its own cause. Mathematical complexity describes sequences of events as determined, though with unpredictable outcome, for they work like non-linear algorithms. Transferred onto cultural matters this means that culture is determined by environment on the one hand, but on the other still can develop a vast variety of possible forms. It is determined but unpredictable at the same time. Another explanational model was established in quantum physics: the theory of complementarity. Due to our limited cognitive abilities and due to the holistic nature of the world, some phenomena have to be described by complimentary antinomies and polarities. Both perspectives on the same thing or event seem to be exclusive in their explanation. Both are correct, neither of them is true, but both are necessary to explain the thing or event. Light is a wave and a ray of particles at the same time. Determinism and possibilism are both correct, even if they refute each other, but neither is true. Both are just different perspectives on the same object, and both are necessary to describe culture in its totality. Another paradigm in quantum physics is the principle of the correlation of events instead of causation. This paradigm makes it necessary to integrate the idea of probabilities instead of causal explanations into the realm of cultural science. A certain ensemble of cultural settings, environmental conditions, etc. does not cause certain developments or changes. It just makes them more probable. Finally, the genetic disposition of man, environment, climate, culture and all its subsystems belong to the same all-in-one universe that cannot be separated or segmented without the influence of an observer. Every single perspective is subjective and limited. It can never describe a complete and objective reality, because of the „blind spot“ that is needed to create difference and observability (G. Spencer-Brown 1997). Thus, all possible explanations and approaches have to be considered when thinking about cultural space.

Another essential and biologically determined need of mankind is to socialise. Therefore, in any domestic structure or settlement, there have to be places for congregation. The appearance of the gathering places and meeting points depends on the habitual choices of each settlement group. 3. Spatial organisation in ethnology The appearance of a settlement, the choice of settlement place, composition and growth of settlement groups, etc. are influenced by the economic, demographic, political, social, religious, and environmental situation. All these aspects mutually affect each other and produce a feedback with the built environment. Since very similar phenomena can be caused by a great variety of different influences, a detailed analysis, ethnoarchaeological research, ethnographic comparing, and model-building are essential for interpretation. Based on the preceding theoretical considerations in chapters III.1. and 2., a large number of ethnographic cases are evaluated in order to gain general insights into settlement genesis and to establish the following models.

Models for socio-economic organisation in relation to the organisation of space Socio-economic organisation of space, type I egalitarian communities („SR I“) Settlement pattern: - non-segmented, little round huts, suitable for nuclear families - small, open, non-segmented settlements - central, open places - economic activity areas in communal, public areas Probable cultural ensemble: - non-stratified, egalitarian community, decisions are made collectively - individual influences on the settlement group only possible as „primus inter pares“ - dwelling groups consist of nuclear families - communal economic cooperation - very little to no private property - minimal division of labour and differentiation of gender - if segmentation of space takes place, it is of social nature: distinction between family and community - all areas are multifunctional

2. Biological behaviour and habitation The minimum of required space in an enclosed environment is 2m2. The tolerated distance between body and architectural limitation lies between 1.5m and 3m, the ideal „reach-within-a-tool-zone“ has a radius of 2.7m. All these figures result in an average space of about 10m2 of roofed area per person. Several ethnoarchaeological researches come to about the same figure. Other extreme examples show that in large, spacious buildings the use of space more flexible: in their longhouses, the Iroquois people live in a space of 3m2 per person. To avoid stress and protect the „prime territory“ of a 0.9m radius, it is necessary to establish rules and corresponding architectural markers. They control behaviour and create privacy that enables the individual to evade permanent social control. The more public the space, the more common the physical markers; the more private it is, the more cultural conventions and rules control behaviour.

Exemplary case: - !Kung

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Socio-economical organisation of space, type II homogenous communal settlement groups („SR II“)

families, age sets, gender, or „fire communities“ - communal interest prevails individual interest - communal economic cooperation and contro over allocative resources, limited private property - if the interior of buildings is segmented, little economic imbalance between nuclear families is probable - council of elders or chieftains with limited power, no hereditary social status or classes - limited specialisation as in ritual and military issues - division of labour and segregation of gender can be more pronounced than in SRI- and SRII-communities - matrifocal and patrifocal organisation possible

Settlement pattern: - single-roomed dqellings or houses with minor symbolical or architectural segmention - some secondary structures of economic purpose possible - minor differences in size, construction, and furnishing of houses possible - non- or just slightly segmented layout of village, different groups or clusters of households possible - architectonical significant communal buildings or places

Exemplary case: - Mandan, Iroquois, Iban

Probable cultural ensemble: - multifunctional domestic space - differentiation of space takes place in the communal domain - communal buildings mainly used for religious or ceremonial purpose - household communities consist of nuclear families - clustering of related households possible - minor economic inequalities between households possible - private property within households, communal control over allocative resources - individual longing is controlled by institutionalised redistribution - collective labour is common - socio-political status is determined by personal achievements, not by descent or lineage, it is not hereditary - limited political power of chieftains or a council of elders - segmentation of space takes place in social categories like age, sex, and family relations - matrifocal and patrifocal organisation possible

Socio-economical organisation of space, type IV complex communalistic settlement groups („SR IV“) Settlement pattern: - dense settlement or cluster consisting of multi-roomed domestic units of various size - communal open areas - mono-functional communal buildings for religious purpose - mono-functional workshops in the public domain Probable cultural ensemble: - household communities consist of moderately extended families - communal interest prevails individual interest - Lineages and clans are of importance, ritual and sociopolitical status may be hereditary - high socio-political status is usually connected with ritual commitment and high personal responsibility concerning communal affairs. - communal control over allocative resources (by representatives), differentiated rights of use possible - moderate economical imbalance between households is probable - division of labour and segregation of sex is common

Exemplary case: - Navajo

Exemplary case: Dogon, Pueblo Indians

Socio-economical organisation of space, type III Composed household communities („SR III“)

Socio-economic organisation of space, type V compound communities („SR V“)

Settlement pattern: - large houses with or without homogenous segmentation - no segmentation of settlement layout - central, architectonically marked communal buildings or places possible

Settlement pattern: - single large, segmented buildings or several moderately segmented buildings forming a closed settlement unit, consisting of domestic and subsidiary structures - enclosures and segmentation of related open areas is common - settlement units are isolated or scattered - significant differences in size and furnishing of different compounds and houses possible

Probable cultural ensemble: - mainly multifunctional domestic space - if mono-functional differentiation of space takes place, it happens in the communal domain - household communities consist of age sets, lineages of several nuclear families or whole „village communities“ - if interior segmentation takes places it separates

Probable cultural ensemble: - personal property and hereditary rights of land-use are common

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- interest of compound communities prevail over the interest of settlement groups - heads of compounds are likely to be on the same social level and politically independent to a certain extent - economic imbalance can be significant - regional chiefdoms probable - division of labour, mainly within the compounds is common - segregation and inequality of gender is common - patrifocal organisation is more probable

Socio-economicorganisation of space, Type VII complex stratified communities („SR VII“)

Exemplary case: - Kapaku, Tikar, Kasena, Persian population of the Gilan Plain

Probable cultural ensemble: - strongly differentiated socio-economic organisation, class society - individual control over authoritative and allocative resources - hereditary status and class - advanced division of labour - segregation and inequality of gender is common

Settlement pattern: - several distinct types of architectural units within settlement - crucial differences in size and furnishing of houses - segmentation of settlement area, many areas marked as private property - several public and communal buildings

Socio-economic organisation of space, Type VI complex compulsory communities („SR VI“) Settlement pattern: - compounds or large, segmented houses in a closed settlement - enclosure of settlement probable - even if buildings are clustered layouts remain independently structured - segmentation of settlement area - open yards within the houses and compounds, public areas rarely used for activities - entrances of domestic buildings are guarded against views from public places by orientation or interrupted visual axis - communal buildings possible

Exemplary case: - Swahili, complex Islamic settlement, early high civilisations Models for cosmologic-habitual organisation of space Regarding the large variety of ethnological examples (see German version), several models of habitual organisation with cosmological background could be established. They may be interpreted as a sequence of evolutionary levels. The simplest form of cosmological space is the nonsegmented circle. It is associated with the idea of the cycle of life and the homogeneity of all natural phenomena. The world view is egalitarian, animistic, and preconceptual. Kalahari bushmen consider all things in nature as other „magical“ bushmen. There is no separate sphere of gods or ancestors. The architectural expression of this cosmological habitus is the non-segmented circle, the round hut, without a marked centre. The first conceptual segmentation divides the sphere of men from the sphere (or spheres) of gods, ancestral spirits, demons, etc. The segmentation takes place in a vertical dimension. The different layers and spheres of the world are supposed to derive from a preceding unity, and are still connected by an axis or navel that is „centre of the world“. This axis can be used e.g. by shamans to contact supernatural beings, and to adjust imbalances between the different spheres and thus heal diseases, etc. The architectural expression of this habitual concept is the circle with a marked centre, e.g. a post or a fire that is thought to be sacred. The next segmentation takes places on account of celestial observation, particularly of the sun, which serves the purpose of orientation. By using the cardinal points, the cross is established (in most cultures symbol for the sun) which helps to establish a hierarchy of directions and thus a hierarchical order of space and room. But still the importance of the centre prevails over the horizontal hierarchy. The horizontal and hierarchical order allows the conceptualization of space in anthropomorphic terms and to establish a social order of space.

Probable cultural ensemble: - compound- or household-communities consist of extended families - patrifocal socio-political organisation - personal property and hereditary rights of land use are common - interest of compound communities prevail over the interest of settlement communities - households are competing with each other - settlement community is mainly established compulsory, not voluntarily, and will break up if external pressure declines (e.g. arid climate, military threat etc.) - economic imbalances can be significant - division of labour, mainly within the households is common - segregation and inequality of gender is common Exemplary case: - rural Islamic settlements in northern Africa (Ksour), rural settlements in central Iran

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On the next level the horizontal hierarchy prevails. Space is considered to be organised in a rectangular manner. Once this concept of cross and rectangle has become dominant, it can be multiplied and establish a grid that allows to move the „centre of the world“ from the centre of the house, to the centre of the village or centre of the region. Psychological „decentralisation“ takes places. The centre of the world is no longer just an idea or religious concept, but can be identified with a certain geographically determined place or building like a mountain, a ziggurat, a temple, etc. It allows for the segregation and control of ritual space, and finally of religious matters in general.

V. Quantitative analysis of the relationship between architecture, space and culture (For detailed information and maps, see the German version) 1. The distribution of the architectural features in space and time: Construction techniques, house forms, settlement structures, and their mutual effects (For detailed information and maps see German version) The results of the investigation of evolution and interaction of formal architectonical aspects of Neolithic settlements in the Near East are presented in the form of „rule-like“ probabilities („regelhafte Wahrscheinlichkeiten“).

Nevertheless, the idea of cosmological unity and the concept of the „centre of the world“ can still exist as basic religious principles, even if embedded in a religious system that is characterised by complex hierarchies, decentralisation, control, and differentiation between exoteric and esoteric knowledge.

- architecture evolves from non-segmented to segmented layouts - round buildings precede rectangular buildings - layer techniques using fresh loam precede sun-dried mud bricks - if sun-dried mud bricks precede layer techniques it is always inspired by preceding regional stone architecture - building techniques are more conservative than house forms or settlement patterns - building techniques are not determined by other formal aspects (house forms, settlement patterns) - house form is not determined by other formal aspects (building technique, settlement pattern) - settlement patterns are not determined by other formal aspects (building technique, house form) - exceptions: with rammed earth only linear buildings can be constructed, to build larger domes bricks or pottery-technique has to be applied) - clusters correspond with smaller dwelling units - large dwelling units tend to be built isolated - with increasing complexity of interior organisation, increasing settlement density and size, as well as clustering, sun-dried mud bricks are more likely to be used - the more complex the interior organisations of houses are, the less probable are round layouts. The common explanation for the development of rectangular layouts as caused by formal aspects and circumstances, like the clustering of buildings, is not suitable to explain this change.

IV. Catalogue of archaeological sites (see German version) NB: All dates are, for the sake of comparison, not calibrated! The catalogue and the following evaluation do not include sites with stone architecture like Nevali Cori, Göbekli Tepe, Basta etc.

2. The distribution of the models of spatial organisation in space and time Their mutual effects and their interactions with the architectural features Results of the investigation of evolution and interaction of the models of spatial organisation and the interrelation with the formal architectonical features: In the 9th millennium BC, the organisation of space is homogenous in the whole Near East. It is characterised

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by round and concentric room, and cosmological space with minor or no segmentation, and homogenous communalistic settlement groups, which could have been both, matrifocally or patrifocally organised. Control over authoritative and allocative resources happens only on the household level. The only possible group-building to be observed are two traditions of building techniques, located on middle Euphrates and upper Tigris.

In the 4th millennium BC, nearly the whole Near East is dominated by a homogenous substrate of rectangular spatial patterning which is associated with individualistic economy, patriarchic social structure, and a complex, segmented, and stratified religious and political system. (see fig. 67) 3. Architectural space and cultural continuity: Traditions of building and spatial organisation compared to the traditions of pottery

In the 8th millennium BC, a large variety of local groups emerge, mainly characterised by homogenous communalism. First signs of hierarchical and complex patterning of space appear in northern Syria and southeast Anatolia.

In the 9th millennium BC, there is a clear correlation between cultural classification and building techniques. The Natufien-architecture consists of primitive wattleand-daub, or organic construction plastered with mud. The PPN-A-sites yield only pure loam architecture. Unfortunately it is not clear whether or not the architecture has been used to assign cultural context. There is no evident change in spatial organisation between the two „cultures“, except for the placing of burials inside the houses in PPN-A - and not in the open village areas anymore - which could be interpreted as an individualisation of ancestral beliefs.

In the early 7th millennium BC, there are still numerous local traditions to be observed. The rectangular patterning of space now prevails. The first regional group that can be distinguished by spatial organisation and architectural features is situated in the area of Khabur, Balikh and Euphrates, represented by Abu Hureira, Bouqras, Umm Dabaghiyah, Tell Sabi Abyad II and maybe Cayönü. Space becomes complex for the first time and decentralisation can be assumed. In the second half of the 7th millennium BC another group in central Anatolia can be distinguished, mainly represented by Catal Hüyük, and Can Hassan.

In the 8th millennium BC, the architecture surely shows signs of beginning cultural diversity. All other classes of artefacts remain quite homogenous. It can be assumed that due to sedentism, a large number of local traditions emerge. In the 7th millennium BC, two large areas are usually distinguished from each other: the Levantine-Anatolian PPN-B-region, which later becomes the distribution area of the „dark face burnished ware“, and the early Iranian Neolithic, subsequently characterised by „Iranian painted“ or „Jarmo ware“. The architecture shows a much more detailed differentiation: Anatolia stands for itself, and so does the „Euphrates Group“, which possibly can be separated into a northern and a southern subgroup. The settlements east of the Tigris all seem to belong to local, isolated groups or „cultures“. Because all settlements west of the Tigris show signs of a communalistic economy, which the settlements in the east lack, it may be possible to speak of two areas, each characterised by closely related, basic structures and common roots that branched into different local and regional variations, but not of two homogenous groups. The reason for the huge, pseudo-urban settlements typical for the PPN-B, might be the need to demonstrate political and „military“ power in colonised regions, or might be result of matrilocal settlement traditions as observed in Africa (see III.3.)

In the 6th millennium BC, the group around middle Euphrates shrinks significantly. Along the middle and upper Tigris radiating to the east and west, another not very homogenous group can be distinguished. It is no longer focused on the community but on the individual household, and is probably of patrifocal character. The central Anatolian group is now represented by Catal Hüyük, Can Hassan, and Hacilar VI. In the second half of the 6th millennium BC, the group along middle Euphrates has vanished. In Tell Sabi Abyad I rudiments of it maybe detected. The householdfocused group along the Tigris is now isharing a homogenous, rectangular, complex and hierarchical patterning concept and world view. The rest of Near East is still characterised by local groups. During the early 5th millennium BC, a new, nearly homogenous group of settlements appears in the Jazirah, characterised by round layouts, and a homogenous, communalistic socio-economy, which expands to east and west. The influence of the household-focused group along the Tigris seems to move further south and east. We can observe a juxtaposition of cosmological-habitual principle with round, concentric, and segmented organisation of space associated with communalistic economy in northwestern Mesopotamia, and individualistic, household-focused economy associated with the complex, rectangular cosmological-habitual concept. The communal but complex organisation in Anatolia can still be observed in Can Hassan. In the late 5th millennium BC, the complex, rectangular, individualistic, and probably patriarchic form of organisation spreads out from the middle Tigris and replaces more and more the round principle, which can only maintain in remote places in the central Jazirah.

In the 6th millennium BC it is quite significant that in the large distribution area of the dark face burnished ware, communalistic settlement groups prevail, whereas in the eastern region, with individualistic competing households, several pottery traditions emerge, like Hassunah, Samarra, and different local Iranian pottery-styles. It seems that, for communalistic groups, it is less necessary to create markers for the cultural identity - such as distinguished pottery - than it is for competing households and communities.

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During this period, the discrepancy between conventional cultural assignation and architectural traditions clearly decreases.

encourage cultural exchange, and thus the transfer of technology and traditions. In the Levant, with its manifold climatic and topographic regions, which all require different economic adaptations, and which are often separated by mountains, a great variety of local cultures occurs over most of the Neolithic. In contrast, Mesopotamia is characterised by little environmental variation, and the big streams are an ideal means of transportation and travel; thus cultural contacts could be established over long distances. Corresponding to these geographic conditions, the first regional homogenous groups (e.g. the „Euphrates Group“) are situated in upper Mesopotamia.

In the 5th millennium BC, the Halaf pottery spreads over the entire northern part of Mesopotamia. The Halaf tholoi are always related to the typical pottery, but not vice versa. This is because pottery can be imported much easier than architecture, and because it is not necessarily connected with social practice. Architecture seems to be, in this case, a better clue for cultural assignation than pottery. On the other hand, the pottery in southern Mesopotamia (late Samarra, Eridu, Hajji Muhamad, Obed, Susa) indicates a more detailed cultural differentiation than architecture does. A co-existence of several groups with similar socio-economic organisation and habitual patterning - but with diverse cultural identification - is probable. In the second half of the 5th millennium BC, the Obedware spreads along the streams of the Euphrates and the Tigris over the entire area of Mesopotamia. In some settlements it is (possibly) related to armed conflicts, and an abrupt and complete cultural change (e.g. Arpachiyah). In other settlements, the change of architectural organisation preceded the change of pottery. In these cases, an indigenous change of socio-economic and habitual organisation and patterning presumably preceded the adoption of cultural identity. The relationship between cultural change and architecture in the Kopet Dag region of Turkmenistan demonstrates a difference between internal and external agents of change. If the impetus is of an internal nature, the building technique will be the last aspect of architecture to change. If a change is initiated by external influence, foreign techniques and building materials are adopted, while the interior organisation of buildings – as a mirror of the socio-economic and habitual status quo – remains as the most conservative element in the architecture.

The long-term significance of large complex houses in southern Mesopotamia and round buildings in the north also corresponds with the assumed precipitation and temperatures. The complex houses could be interpreted as an adaptation to sandstorms and extreme summer heat. The differences in precipitation also indicate different economic adaptation. In the south, agriculture is only possible by irrigation, thus subsistence is far more stable. It is no longer dependent on rainfall. This can result in an increasing independence and size of households, which again can lead to the complex architecture of the Samarra- and Obed-Culture. A similar adaptation on the basis of natural irrigation in the marshland of the Euphrates can be assumed for the huge complex settlements of the PPN-B, although their social structure has to be interpreted as rather communalistic, than individualistic and focused on households. Their decline corresponds with the decrease of precipitation in this area. To compensate for the risk of agriculture dependent on rainfall, common storage and small, flexible households, common to northern Mesopotamia, seem to be more sufficient. On the other hand, the colder winters in this area can also be responsible for smaller houses. It is significant that the more days during winter that have a temperature below 0 degrees Celsius, the more common are houses found with little or no segmentation of interior space. It is far easier to heat up a single cell, than a big complex building.

In the 4th millennium BC, the distribution of architectural and ceramicl traditions match each other. In the Obed settlement complexes, isolated buildings are common. In the Iranian context, settlements consist of clustered villages. Finally, it can be stated that a holistic analysis of architecture can serve very well to establish cultural assignation (in the archaeological sense!) in aceramic times. For the ceramic Neolithic and the so-called Chalcolithic, it can accomplish the conventional assignations and contribute a socio-economic and habitual dimension to them.

Finally it has to be conceded that no necessary environmental determination of architectural form can be proved. Some just seem more probable than others. The choice is made by cultural behaviour, which is nevertheless effected by environmental conditions: a classical case of a network of cause and effect, its mutual effects and feedbacks??. No matter if the architectural space is understood merely as an outcome of climatic or socio-economic adaptation, or of ideological and structural patterning, it remains as a whole, an indivisible entity in all different domains. I propose to call it the „contextual space“ („der kontextuelle Raum“), which can be read in different ways, but which cannot be understood by limiting its description solely to one possible perspective and interpretation.

4. Environmental influences on architecture and the organisation of space The influence of the environment affects many aspects of architecture. It determines the building material (e.g. the quality of wood), it is closely connected with subsistence-patterns and thus the socio-economic organisation, and the climatic conditions to which the architecture has to be adapted. Topographical situations can prevent or

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Even contradictory theses can be applied simultaneously to achieve a more holistic view, as suggested by the quantum-physical paradigm of „complimentarity“.

The more diverse the symbolical systems are, the less socio-political homogeneity is within the groups. 2. The development of the „contextual space“ in the mud architecture of the Neolithic Near East

VI. Hypothesis: The development of mud architecture and the cultural organisation of space

The contextual space of the 9th millennium BC is characterised by a round and non-segmented concept of space. In contrast to the Natufien, the importance of privacy and household units grew in the PPN-A and PPNB. We can expect a tendency towards private property and moderate segregation of gender and differentiation of labour. The settlements do not show a hierarchy of the contextual space. Obviously the concept of an egalitarian unity of men with the environment does not match with the structure of agricultural communities. A cosmological concept of a sphere of men, and other spheres of ghosts, ancestors or gods, connected by an axis, as in the shamanistic worldview and ancestral worship can be assumed. Albeit the settlement groups are mainly communalistic, each household carries out rituals on its own and forms an individual religious unit.

1. Heuristic rules: probabilities of ensembles - In the long term evolution of houses, their form tends to become more rectangular and more segmented. Their development starts with round, single-celled houses and ends up with complex, rectangular buildings - The first stage in the development of building techniques is the construction of organic material, sealed with loam, the second stage is different mud-layer techniques, the final stage is building with moulded sun-dried bricks. - Mud bricks can precede mud layers only where the technique could have been inspired by stone architecture - There is no necessary relationship between building technique, house form and settlement type (exceptions: see V.1.). - In indigenous development of architecture, the building technique is always the most conservative element, when inspired from outside, the interior organisation of houses is the most conservative element. - Intentionally built clusters are erected by societies consisting of small household units that usually consist of nuclear or moderately extended families. - Big complex buildings occupied by one extended family are usually placed isolated in settlements. If embedded in a cluster, the settlement-density derives from adding up clustering of growing household units. - The tendency towards interior complexity, growth, increasing density and clustering is related to the tendency towards the mud-brick technique. - Building techniques are not necessarily connected with a certain cultural context. They correlate more with the socio-economic organisation and efficiency. The more manpower can be spared in subsistence, the more probable building with moulded mud bricks becomes. - The more complex the interior space, the less probable are round layouts. - If small households with little segmentation are built with mud bricks, a strong communalistic socioeconomy can be assumed. - In sedentary, agricultural groups egalitarian socioeconomy and a non-segmented, non-centred cosmology are not probable. - The development of a complex concept of the order of reality, space, and domain correlates with a differentiated socio-economic organisation. - Sedentism is related to more defined cultural expression and identification. - Groups with a focus on individual status and economical advantage of each household tend more to develop systems of differentiated, specific signs than groups with a communalistic socio-economy do.

In the 8th millennium BC, contextual space gets more complex. Due to sedentism, settlements are more independent from each other. They start to develop at a different rate, and begin to show individual characteristics. By using celestial phenomena for orientation, the idea of cardinal points, the cross segmenting the horizontal world, and the hierarchy and segmentation of space is developed. At first, the spatial hierarchy and decentralisation takes place on the communal level and in the public domain. Due to communalistic cooperation in most settlements, manpower could be spared for making mud bricks. In the 7th millennium BC, the complex organisation of space takes over most of upper Mesopotamia. The „Euphrates Group“ is characterised by large, complex but non-stratified communalistic settlement groups, sharing a complex world view, and taking advantage of the moister and favourable climate. The most characteristic feature is large tripartite, multi-roomed buildings. In most other regions local, less complex groups prevail. But all groups seem to be lead by a council of elders or similar congregations of representatives, as several communal buildings like in Jericho, Munhata, or Cayönü suggest. There are some hints that these communities could have been organised in a matrifocal manner. In the early 6th millennium BC, the „Euphrates Group“ in its final stage is homogeneously characterised by „dark face burnished ware“. Its decline and the decline of the complex, communalistic contextual space corresponds with decreasing precipitation and rising concentration of salt in the marsh soils of the Euphrates. Round and non-segmented concepts reappear. In the Tigris region the first Hassuna-settlements appear, which are probably patrifocal and focused on household units rather than on the community. The socio-economic differentiation only takes place within small households,

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but no longer on a communal level, thus building with mud bricks is abolished. In the second half of the 6th millennium BC the patrifocal communities of southeast Mesopotamia grow continuously, probably due to the new technique of irrigation. The complex, isolated houses, some in fortified villages, are closely related to hot and dry climate, a tense political situation, and a social organisation of concurring households. All communal activities seem to be done out of inevitable necessity, and not out of habitual disposition for communality. These communities seem to be held together by a rigid system of symbolism and patterning. Also in the coastal Levant in the region of Orontes and Jordan the first patrifocal, but far less complex communities, seem to emerge.

layouts of these houses, though smaller, are reminiscent of Bouqras and Umm Dabaghiyah, and some seem to be nearly identical. The earliest level of Tell Sabi Abyad I (6000-5800 BC, calibrated 6860-6610 BC) follows Tell Sabi Abyad II immediately, and consists of „tholoi“. In the later levels, the „tholoi“ are accompanied by rectangular buildings and storage constructions nearly identical to those of Umm Dabaghiyah. Considering the ceramic evidence, the first Halaf-forms seem to have evolved out of a local tradition. The initialising cultural context seems to be one of the „Euphrates Group“. The change from Sabi Abyad II to Sabi Abyad I may have caused an economical adaptation to the drier climatic conditions.

In the first half of the 5th millennium BC, starting in the southern areas of the „Euphrates Group“ , the Halaf-Culture appears with its very significant circular concept of space, that can even prevail in settlements formerly dedicated to the complex orthogonal concept. The Halafphenomenon seems to be independent of socio-economic organisation, to a certain extent. Since there are absolutely no functional or social necessities for returning to round layouts, and due to the previously described religious connotation of round buildings, it seems to be probable that the Halaf-Culture is a religious movement in the first instance. In the second half of the 5th millennium BC, the ObedCulture spreads out over Mesopotamia from the south. Because in many Halaf-settlements the contextual space changes to a rectangular and complex mode before the Obed-ware is getting into use, it is very likely that a fundamental change happened before the settlement groups took over symbolical features and thus probably the cultural identity of the Obed-Culture. It seems that the change of socio-economy, religious, and habitual concepts correlate.

2. Umm Dabaghiyah The site is located on the edge of the dry steppe where agriculture without irrigation is hardly possible. It was only dated indirectly and was probably constructed around 6000 BC or earlier. In the beginning, the settlement consists only of round huts, later replaced by small rectangular buildings with several rooms and a large storage-complex. It has been rebuilt several times on the same spot, probably due to destruction by heavy storms. The architectural features are closely related to Tell Sabi Abyad I+II. Artefacts show similarities to the Anatolian and Levantine regions. The economy is mainly based on hunting, another similarity with Sabi Abyad I. Both settlements seem to be founded by colonizing groups from the north. The usual cultural assignation to the Hassumaassemblage is unlikely. 3. Yarim Tepe I+II The first settlement at Yarim Tepe follows in the typological sequence of pottery directly on Umm Dabaghiyah. The first „coarse ware“ is followed by regular Hassunaware later. The whole appearance of the settlementlayout differs from Sabi Abyad and Umm Dabaghiyah. Little groups of round and rectangular buildings are well separated from each other, and the grill-like construction, interpreted as storage facilities, are much smaller and of a completely different type than those of the above mentioned settlements. Their position in the settlement does not indicate a communal use. Also the layertechnique points to a household-focused economy, not to a communalistic one. Yarim Tepe I was been abandoned around 5000 BC. Its last layers are characterised by the first Samarra-ware. The site Yarim Tepe II was founded in the immediate neighbourhood. Here the Hassuna-ware is followed directly by Halaf-ware, without any evidence of Samarran pottery. The architectural pattern changes to scattered, round buildings with large, probably communal storage facilities. In contrast to the transition from Sabi Abyad II to I, the transition from Yarim Tepe I to II does not coincide with a climatic change, therefore a cultural cause is more likely. Perhaps a religiously motivated segregation took place, accompanied by a change back to a communalistic socio-economy.

In the 4th millennium BC, the patriarchical, complex, hierarchic Obed-Culture with its focus on the prosperity of each household and its progressing decentralisation of religious space prevails in all of Mesopotamia, and sets the scene for the forthcoming city-states and early high civilisations.

VII. Qualitative revision of the hypothesis: exemplary sites 1. Tell Sabi Abyad I + II The first buildings of the small Tell Sabi Abyad II (6580-/-60 BC, calibrated 7600 BC) are rectangular mud-brick constructions of uniform orientation. Technique, size, uniform orientation, and open layout of settlement indicate a communalistic socio-economic organisation. Some features (platform, workshop) are interpreted as communal structures. All aspects of the settlement indicate that it was founded by a (probably colonizing) group of complex socio-economic organisations with a complex worldview. Artefacts are similar to the area of Khabur and south-east of Anatolia. The

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4. Tell Abada

predecessor of the Halaf-Culture in the Khabur- and Balikh-region, and obviously inspired and influenced the emerging Hassunah-Culture that basically rooted in the Tigritic-Iranian context, which is characterised by male dominance and less influence of the community on the separate households. This patriarchic tradition with its focus on household economy is geographically bordered by the Zagros Mountains and the arid plains of southern Mesopotamia. With the development of irrigation which was necessary to colonise the southern regions, a stable subsistential base could be established that led to a significant growth of population and came to meet the tendency to autarchy of the separate households. The socio-economic hierarchy and complexity evolving in this context, characterised by specialisation and religiously legitimated control over the differentiating and decentralising space, are essential aspects of the structural and socio-economic ensemble of the Obed-Culture. This structure obviously appeared to be so efficient that it spread in short order over the whole Near East by belligerent or peaceful means.

The Late Obed-settlement (ca. 3800-3500 BC) consists of large, very complex, isolated courtyard-houses that differ significantly in size and furnishing. There is no evidence of economic activities outside the courtyards, thus extensive cooperation between the households is not very likely, and privacy seems to be very important. Tell Abada fits very well into the model of the hierarchic-patriarchical individualised cultural pattern established for the region along the Tigris and flanks the Zagros Mountains. Some buildings indicate communal storage but they are separated by enclosures from public space. Accessibility is controlled. Findings of tokens restricted to one large house, characterised by a niched facade indicates a centralisation of control over resources, which is probably legitimated religiously. Centralised control over authoritative resources can be assumed, because collective work has obviously been carried out (e.g. the construction of the essentially necessary canals for irrigation), although no communalistic disposition of society is evident. The Obed-households were large enough to develop a differentiation and specialisation of labour on their own, and could afford to have some members working for the obligate communal projects, without seriously weakening the individual economic efficiency. While the settlements of the „Euphrates-Group“, the Halaf-, the Samarra- and the Hassuna-cultures all showed a uniform orientation and spatial organisation that could be connected to cosmological fixing-points, the spatial organisation of Tell Abada seems to be formed by social and economic categories only, though standardisation is obvious. We can also observe the separation of profane and sacred space, and the control over sacred space. This finally sets the course for the competition of social classes vested with specific privileges and duties.

VIII. Summary of results and perspectives • The formal conditions of the evolution of architectural features have been demonstrated (see above). Building technique, house form and settlement structure are mainly determined by socio-economic and ideological concepts, and not by climatic adaptation. • Only building with mud bricks requires a different socio-economic organisation of work than all other techniques, because it involves much more physical effort than other building techniques. • Plausible models (SR I - IV, see chapter 3) for interpreting the relationships between spatial organisation and socio-economy were established. • A model for the evolution of cosmological concepts and its relation to the organisation of architectural space was established. • The order of events of endemically and externally influenced architectural development were distinguished. • The correlation between environmental conditions and the contextual space were illustrated. • It has been demonstrated that a holistic analysis of architecture is a sufficient tool to reconstruct socio-economic and cosmologic-habitual outlines of prehistoric societies. No other class of artefacts or method of analysis allows such insight. • The comparison of pottery distribution patterns and architectural traditions demonstrated that the holistic analysis of architecture can be an alternative or a supplementary tool for cultural assignation. Particularly long-term development and cultural continuity can be investigated, which is only possible to a very limited extent, when applying other classes of artefacts. • For future excavations, this work enables archaeologists to properly document and interpret the remains of earthen architecture. • The results were translated into a number of rules that allow the transfer of gained insights to other periods and regions.

5. Results of the revision The reconsideration of the hypothesis by investigating certain sites yielded following results: The long-term development from the round hut to the complex rectangular house can be stopped or even reversed temporarily by economic depravation and hence socio-economic change and/or by a change of religious concepts. The change from mud layers to bricks is determined by a space-contextual network of causes consisting of economic organisation, differentiation and efficiency, settlement density and size, the size of households and community, and the corresponding complexity of interior space. The „Euphrates Group“ probably consists of a southern and a northern sphere, between which tight bonds were established due to their common cultural epipaleolithic background and significant communalistic organisation. Both spheres had different influences at different times. Initially the southern settlements with their contact to the Levant seemed to be more important. Later on the Anatolian influence seems to prevail. The northern „Euphrates Group“ of southeast Anatolia seems to be the direct

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• The „contextual space“ has been introduced to cultural anthropology and archaeology as a new term and a model for the interaction of man, culture and the environment. In the future, the architecture of prehistoric sites should be considered much more, when cultural, social and economic issues are investigated. It would be of great value to all archaeologists, if site plans and documentation of architecture were published more often and properly. The documentation of several sites excavated over the last decades should be made accessible. Still, a many misinterpretations and false information are cited in literature, which cannot be proved or dismissed without proper plans or photographs. When comparing a great number of sites over a longer period of time in order to observe cultural development and influence, proper dating is another major problem. Only very few publications include calibrated C-14 dates, and some important sites like Umm Dabaghiyah are still only dated relatively, just by analogy. Other older dates, like those of Arpachiyah, simply seem very unlikely. In order to broaden the scope of investigation of the postulated „Euphrates Group“, a number of additional sites should be considered, like Nevali Çori, Göbekli Tepe or Cafer Hüyük. Because the architecture of these sites consists of stone, not of loam, they were excluded from this work. But it is very likely that they are part of this phenomenon as observed in the PPN-B in upper Mesopotamia. In conclusion it has to be stated that this work can only be understood as a first sketch of the holistic investigation of prehistoric architecture. A lot more detailed ethnoarchaeological research is neccessary in order to establish more valid models. I hope this book will serve as a heuristic inspiration for following interdisciplinary projects on this topic. And I hope that this work will serve as an inspiration for theoretical considerations in archaeology in general, and especially for the German prehistorc research, where theoretical approaches are still very rare. With the concepts of holistic architectural analysis and contextual space, I tried to think of a new, non-linear approach to ancient cultures. I have to admit that my knowledge of the diverse system-theories and non-linear concepts of modern physics and mathematics is limited. Therefore, the proposed approach can be nothing more than an outline of a theory regarding culture. But I do hope that there will be more profound work and productive scientific exchange and cooperation on this topic in the future.

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